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Tagebuch meiner egyptischen Reise, begonnen am 20sten Aug. 1842
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1842.

Am 20ten August7 Uhr Morgens Abreise von Berlinauf der Anhaltschen Eisenbahn mit Ernst Weidenbachum Mittag Ankunft in Leipzig. Von hier um 4 Uhr über Altenburgnach Hof. Auf der Eisenbahn mit Bögerund dem Oberst von Brandtzusammengefahren, der den Vater gekannt hatte, und Grüße an O. Hüsermit nahm.

21terAugustFahrt über Hofnach Baireyth, einem sehr freundlichen und netten Städtchen; noch im Mondschein die Statue von Jean Paulbesehen.

22terAugustAnkunft in Nürnbergum 18 Uhr. Morgens Aufenthalt dort bis 12 Uhr. Besehen der Stadt, der Burg mit der Kunstausstellung; Aussicht vom Thurm daselbst. SanktLorenz-Kircheim Innern. Abend in Eichstädtmit sehr romantischer Umgegend. Nachts durch Ingolstadt.

23terAugustMorgens 10 Uhr. Ankunft in München. Gasthof: Goldner Bär bei Voigt; großes Zimmer für alle drei. Der Former Frankewar schon in Leipzigzu uns gestoßen. - In Münchenfand ich Beverund Schubertnicht anwesend, wohl aber Julie Bever, die mich sehr zu sehen freute; Mittag im Gasthof. Nachmittag Besehen des Hofgarten und desenglischenGarten. Bier in Tivoli getrunken, zurück durchdieLudwigsstraße.

24terAugustMittwoch. Früh ½ 8 mit Fiaker nach der Auer Kirche. Geldgeschäfte. Allerheiligenkapelle. Einkäufe. Julie Bever. Um 4 Uhr Abreisenach Inspruck. 2MitHerrnvon Ramboldiangenehme Unterhaltung bis Staremberg. Herrlicher See; das Gebirge im Hintergrund köstlich. Abendessen sehr spät um ½ 11 Uhr in Weinheim. Gegen Morgen nach Partenkirchen. Köstliches ThalundWeg von hier nach Mittenwald, Morgenbeleuchtung der Kalksteinfelsen.

Donnerstag, ½ 9 Uhr(den25ten August) Ankunft anderösterreichischenGrenze, immer noch Fahrt im prächtigsten Thal. - Erste Station bis Seefeld; treffliche Bergaussichten; Fuhrmann und Citronenhändler im blauen Kittel[,] guter Gesellschafter. Vor Innspruchdie hohe Martinswand, rechts immer die Inn. Bisher Alles Kalksteingebirge. Das Innthalrecht schön; um 2 Uhr in Innspruck; gegessen in der Sonne; Gamsbraten. Die Post bezahlt bis Verona. Nackter Berg hinter Innspruck; wir gehen ihn hinauf. Interressanter Chausseebau; große Brücke; Ehrenpforte dabei, zur Segnung des Grundstein; schöne Gebirgsaussichten. Abendessen lauter Kalbfleisch verschieden zubereitet; aber zuletzt Weintrauben und Himbeeren. Die Nacht über den Brenner. Ich habe geschlafen.

Am Freitagden26ten frühin Brixengefrühstückt 5 Uhr. Um 11 Uhr Mittag in Botzen. Schöner Weg das Etschthalentlang; WeinbergeundGärten; Maulbeeren, Weidenbäume,TürkischerWeitzen. Die Felsen sind hier Granit. Herabgerollte Felstrümmer. - Alles wird Italienisch; Männer mit offener Brust, spitzen Mützen; Ochsenfuhrwerk; Eseltreiber; Trauben,[Pfirsiche], Feigen schönster Art. Gute Unterhaltung mitHerrnKaufmann Adeaus Kemptenin Baiern. Den Abend über Trientnach Roveredo; malerische SchlösserundBurgen, die flachen Dächer interressant. Am Abend starkes Wetterleuchten im Gebirge.

Sonnabendden27tenAugust. Früh 5 Uhr in Verona. Das3 Etschthalhat sich hier erweitert. Die Berge verschwinden fast. Veronavoller baulicher Merkwürdigkeiten. Besehen derselben miteinemdeutschen Lohnbedienten. Die Kirche SanctAnastasio, die Domkirche, die Denkmäler der Scaliger, Palast Bevilacqua, Canossa, Borsapp. Ferner dasinterressante RömischeAmphitheater; Rutschparthie des Fremden; Bildergallerie im Rathssaale; ein schöner Tizian. Gemüse - und Fischmarkt höchst interressant. Im Gasthof dicht anderPost ½ Tag aufgehalten. Billets um ½ 12 Uhr nach Venediggenommen. Rechnung in Veronasehr theuer; dabeidasEssen schlecht. Statt um ½ 12 erst um 2 Uhr abgefahren. Unordnung der Postverwaltung; immer schlechte Beiwagen, aber sehr schnell gefahren; unerträglicher Staub; Betteln der Postillione, Fruchtverkäuferinnen. Gegen Abend nach Vicenzaundvon dort gegen 12 Uhr Mitternacht nach Padua. Am Morgen 4 Uhr nach Maestre; von dort ineinerGondel übergesetzt nachdemZollhause; hier fast eine Stunde gewartet. Schöne Aussicht auf Venedigunddas Meer. Ankunft in Venedigdurch den Canal grande; einlogirt in die tre porte.DeutschenLohnbedienten genommen für 9Guldenauf 2 Tage; wir konnten recht zufrieden mit ihm sein. Besehen des Marcusplatzes, des Dogenpalastesmit seiner goldnen Treppe,seinenBildernundAntiquitäten, Seufzerbrücke, Bleidächer, Rathssaal150[ Fuß]lang;undcirca 75 Fußbreit, Senatorensaal; Aussicht über die Lagunen ins Meer. Die Marcuskirchemit ihren Freskenund[Museen]. Die Kirche San Giovanni e Paolo, die Jesuitenkirche. Besehen dieser Gegenstände bis Mittag 4 Uhr. Dann Essen. Gegen ½ 7 Abends Spa4 tziergang aufdemQuaiundVolksgarten. Sehr voll an schöner Welt, höchst interressant. InderGondel zurück gefahren, schöner Sternhimmel; Puppentheater; Wimmeln der Caffeehäuser auf dem Marcusplatze; Eis gegessen; dann nach Hause. -

Montag, den 29tenAugust. Gut geschafen; 6 Uhr aufgestanden; im Café gefrühstückt. Besehen der Arsenalkircheunddes Arsenals; letzteres sehr interressant. Waffensammlung, Modellkammer; Saal fürdie[Seeleute], Ankertaue; Anker; Stapel,Lucantaurisches[Modell]; Kaiserliche Lustfahrzeuge; um ½ 9 UhrnachHause, gefrühstückt; dann Besehen der Academia di bell’arte. Sehr schöne Gemälde von Tizian(Mariä Himmelfahrt) Tintorettoetc.; prächtiges Lokal; übergefahren zur Kirche San Salute,und San Giorgio majore[,] beides Kuppelkirchen; besonders letztere einfachundschön. Früher noch den schönen Pallast Pisanibesehen, sehr im Verfall. - Hinüber zum Kriegsschiff. Der Lieutenant selbst erklärt uns Alles der Fregatte. Sehr interressant. Nun zu HauseundMittag gegessen, schönen Seefisch. Dann auf dem hohen GlockenthurmunddieAussicht bewundert. - Bezahlung der theuren Rechnung. Einschiffung bis zum Dampfschiff, wohin uns Johann, der Lohnbediente bringt. Das Schiff sehr voll; wir treffen Mr. Hickswieder. Lange Unterhaltung mit dem Kaufmann Grünbergaus Triest, schöne Nacht, das Land schwindet mehrundmehr, die See vollkommen ruhig, kostbare Sterne, spät inderNacht der Mond.

Dienstag früh den 30tenAugustschöner Sonnenaufgang. Dunkeln des Wassers. Ich lagdieNacht im Mantel5 auf dem Verdeck. Am vorigen Abend noch dieinterressantenAnblicke der schlafenden Damen inderCajüte. Heut treffe ich unterdenReisenden den[Kammerg]Referendar Ulrici, Bekanntschaft von Schwarzher. Wir segeln vorbei an Pizanound Capo d’Istrianach Triest, wo wir etwa ½ 7 Uhr anlangen. In das große Hotel Metternich am Hafen gegangen.KöstlicheAussicht über 1000 SchiffeunddenLeuchtthurm. Gang zu Lutteroth, lieber Mann. Besehen der neuen Kirche mit recht schönen neueren Gemälden. Briefschreiben, Mittag a la carte; dann wieder geschrieben; ausgegangenunddie Stadt besehen, indasTheater gegangen; großes Amphitheater, wodieMänner inderMitte mit ihren HütenaufdemKopf stehen; wohl 7-8 Reihen Damen rings umher; wenig hübsche darunter, fast keine. Es ward RobertderTeufel gegeben; Gesang nicht übel, Tanz erschrecklich schlecht. Nachdem3ten Akt nach Hause; herrlich geschlafen.

Den31tenAugustMittwochMorgens ¼ 8 aufgestanden; starker Wind. Zu Lutterothgegangen; die neumodisch gebaute Stadt etwas besehen, Pässe besorgt und um 12 Uhr mit einem Fiaker nach Cornialegefahren über einen hohen rauhen Berg 1 ½Meilenweit, dann ½Stundelang zu der Grotte gegangen und sie mit 3 Führern und Lichtern besehen. Herrliche Tropfsteingebilde. Tiefes Hinabsteigen. Nachher Mittag in Cornialegegessen; besehenderHäfen allein über 3Gulden. Zurück um 8 Uhr Abends. Dann geschriebenundtrefflich geschlafen.

Donnerstagden1tenSeptemberder Wind sehr heftig; Geheul durchMauernundMasten. Brief geschrieben; Geld6 vom Lutterothgeholt; gepackt. Briefe zur Post getragen. Nach 3 Uhr aufdasDampfschiff Ludovico Archiduco d’Austria[,]Kapitän Zincovich. Der Wind hat sich etwas gelegt, das Wetter ist angenehm[. ]Ich finde aufdemSchiffedenEngländer wieder; lebhafte Unterhaltung mit ihm. Die See wellt, ist aber nicht sehr unruhig. Viel Passagiere. Zur Linken fortwährend Land; rechts nicht. Gleich nach 4 Uhr wirdderAnker gelichtetundmit aufgespannten Segeln geht es rasch. Das Wanken wird heftiger; die Nacht vergeht ohne Übelkeit aber schlaflos wegen des Brechens der Passagiere.

Freitagden2tenSeptemberAm Morgen aufdasVerdeck; der Wind noch günstig; das Schwanken heftig; ich muß einen Augenblick spucken; von nun ab halte ich mich gut. Um 9 Uhr sehen wir Anconaundwerfen bald darauf inderBai die Anker. WeidenbachhatdieNacht viel gebrochen, Frankenicht. Wir schiffen uns aus miteinemjungen Maler, der in Athen auf 9 Monat fresco malen soll[. ] Anconaliegt malerisch andenBergen emporgebaut; Leuchtthurm.Ziemlichgutes Essen ineinertrattoria. Spaziergang aufeinenBerg mit alten Befestigungswerkenundgesch .... - Lagerung aufdemBerge; herrliche Übersicht der Stadtunddes Meeres; zutraulicherItalienischerJunge. Hinab indieStadt in ein CaféundBier getrunken, der Maler Limonade; dann nach dem Schiffe; eine Theatergesellschaft kommt hinzu,[und] machtdasSchiff unerträglich voll. Ein Paar Stunden sind Alle vergnügt, dann aber geht das Brechen an; um ½ 6 Uhr7Nachmittagsfuhren wirvon Anconaab beiziemlichstillem Wetter; bald aber schwankte es heftigerundnun lagen MännerundWeiber umher in wilder Unordnung, ein trauriger Anblick. Nach 8 Uhr zu Bettundtrefflich geschlafen.

Sonnabendden3tenSeptemberUm 6 Uhr auf Verdeck; schönes Wetter, aberderWind entgegen,dasSchiff schwankt weniger wie gestern, doch gehtdasBrechen bei vielen wieder los. Spülung des Decks. Umziehen meiner Beinkleider; Langschläfer in meiner Koie. InderFerne siehtmaneineZeit lang Inseln anderKüstevon Illyrien. Farbe des Meeres anderItalienischenKüste hellgrün; mit einemmal dunkelmeergrün, auch köstlich blau bei heiterm Himmel; bis ins schwarzblau übergehend. Der Tag vergeht unter starkem Schwanken; doch ficht es mich wenigodernichts an. Nachmittag kommt Regen. Die Frauenzimmer retten sich in unsre Kajüteundliegen darin umher, daßmannicht treten kann. Ich rette mich in mein Bett, doch esse ich zu Abend;undmit mir noch 2 andre; alles Übrige unwohl. Schon auf dem Wege nach Anconahaben Weidenbachundich die 1te Cajüte genommen. Die Nacht war sehr unangenehm, der Boden bedeckt mit stöhnendenundbrechenden Weibern; dabei Essen. Am Abend heftiges Gewitter; der Regen strömt, ich beobachte die Blitze durch meine Fensterluke. Die Wellen gehen sehr hochundspritzen überdasVerdeck; fastdenganzen Tag kein Land zu sehen; der Engländer ist auch fast immer unwohl.

Sonntagden4tenSeptemberSchöner Morgen nachderstürmischen8 Nacht. Unter Anschauen des Horizontes, der rings unbegränzt war[,] der beiden Freunde gedacht, deren Geburtstag heut ist; ich versetzte mich lebhaft nach Jacobskirch. Das Meer noch unruhig. Die Cajüte wird allmählichvondenMenschen gereinigt. Einmal siehtmanzur Rechten die hervorragende Spitze derItalienischenKüste; doch verschwindet sie bald wieder. Trotz heftigen Schwankens, was Nachmittags wieder zunimmt, esse ich mit wenigen Passagieren alle Mahlzeiten. Auch spiele ich am Nachmittag miteinemDeutschen, der seit 9 Jahren in Athenansässig ist, eine Parthie Schach; nachher auch eine mit dem Engländer. Fastdenganzen Tag kein Land. Um 5 Uhr zeigen sich inderweiten Ferne die Berge von Epirusund Corfu; wonach ichundviele Andre schon lange ausschauen. Während des Mittagessens, was um 4 Uhr genommen wird, das Schwanken wieder sehr heftig; ein dicker confortabler Herr macht mir viel Freude; er ist aufdemSchiff wie zu Hause; nichts ficht ihn an; er ißt, trinktundkleidet sich stets mit Behaglichkeit. Um ½ 9 Uhr Abends lege ich mich zu Betteundgehe um etwa 1 Uhr Nachts auf Verdeck, wo alles lebendig ist; wir fahren unter schönstem Sternenhimmel zwischen Corfuund Epirushin. Am Abend vorher noch mit dem[] Maler Wurmam[Spiegel]des Schiffes gesessenunddie köstlichen Sterne geschautundgeplaudert. -

Montagden5tenSeptemberMorgens 3 Uhr etwa werfen wir vor Corfudie Anker; der Leuchtthurmundeinzelne Lichter schimmerten ausderStadt herüber. Die Nacht war lauundschön. Die Theatergesellschaft bricht, Gott sei Dank, auf; die Begleitung so vieler9 Menschen war höchst lästig. Nachdem Alle fort sind[,] schiffen wir auch über, mit unsderMaler Wurmundder deutsche Athener; wir besehen die Stadt, die von höchstinterressantenGriechischenGesichtern, Kleidungen etc. wimmelt. Enge Straßen; steinerne Häuser meist mit Colonnaden unten. Zuerst Schnupftaback gekauft; versucht, auf die Festung zu gehen, doch willmanuns nicht einlassen; aufeinaltes Festungswerk geklettert, von wo man auch eine prächtige Aussicht über die bergige InselundFestungswerke hat; diese scheinen alt[,] aber sehr bedeutend. Hinunter auf den schönen mit BäumenundGärten umgebnen Exerzierplatz; Engländer, denendieInsel gehört, exerciren hier; ein junger Strauß spatziert herum; herrliche Aussicht überdasMeer, die hohen Berge des gegenüberliegenden Griechenlands, rechts das hervortretende Kastell mitdemLeuchtthurm, links im Halbkreise die Stadt;unddasstille Meer vor uns. IneinemCafé gleich Anfangs Café getrunken, nachher Weintraubenvonbesonderer GrößeundSchönheit gegessen, und Liqueur dazu getrunken. Um 10 Uhr nach dem Dampfschiff zurückgefahren, wodieRuheundOrdnung sehr wohlthätig ist. Versuch[,]einSchiff zu zeichnen, doch fängt es an zu regnen; indieCajuteunddasTagebuch geschrieben. Der Engländer findet sich zu mir. Um 4 Uhr bei warmer Witterung lichten wir den Anker. Prächtiger Rückblick aufdie Citadellevon Corfu, die auf der Landspitze weit indasMeer hineinreichtundso gewissermaßen 2 Meerbusen bildet, an denendieStadt emporgebaut ist. Nicht lange sind wir auf Verdeck, so ändert sich auch wieder die Witterung; es regnet, der Wind wird heftigundist wie immer conträr, aberdasSchwanken ficht uns gar nicht mehr an. 10Ich spiele am Nachmittag 2 Parthien Schach, mitMister Hicksund dem deutschen Athener Klingenfeld; erste gewonnen, letzte remi. Wir fahren an der Küste von Epirusentlang, zuerst zu Corfuhin; allmählich verschwindet letzteres. Die Küstevon Epiruszeigt sich rauh, bergig, steil abfallend ins Meer. Dann zeigt sich zur Rechten Parsund Antipars, zur Linken erkennt mandieFestung Parga. Am Abend (es wird um 7 Uhr dunkel) wird der Himmel über uns klar, aber starkes Wetterleuchten überdem Peleponnes; laue Nacht. - Die Schiffsgesellschaft des 1ten Platzes ist jetzt sehr angenehm einenglischerColonel mit 2 Damen, die nach Constantinopelwollen, 2 andre Herren undMister Hicks. - Am Abend Frankesehr laut und vergnügt mit den Griechen. Auf dem Verdeck am Abend lange umhergegangen, Thee getrunkenundum 8 Uhr zu Bett; köstlich geschlafen.

Den6tenSeptemberDienstag½ 6 Uhr aufgestanden; schöner Morgen; wir sind inderNacht Cephalonienund Ithakapassirt,undfinden uns bereits im Busen von Patras. Kostbare Aussicht rechtsundlinks; die Berge fast kahl, höchstens Olivenwaldung darauf; Mornamit flachem Vorland, Großgriechenland rauhundsteil abfallend; das Meer ist ruhig, der Himmel klar,dieLuft warm, die Aussicht trefflich. Vor Nussolunghivorbei, erblicken wir um 7 Uhr etwa Patrasundwerfen um 8 Uhr Anker in der Bucht. InderFerne schimmern die Schlösser, die den Meerbusenvon Lepantobeherrschen. AufdemSchiff nehmen wireinFrühstück ein,undfahren dann andasLand hinüber, Klingenfeld, Wurm, Weidenbachundich; ( Frankefühlte sich durch einige Vorwürfevonmir gekränkt). 11Alte Befestigungswerke,odervielmehr eine Burg, liegt links aufderAnhöhe; rechtsdasLand eben abervonden Bergen begränzt; die neue Stadt liegt längs der Meerküste, die alte höher hinauf auf den Höhen. LebenundTreiben der Griechen inderHauptstraße angesehen, die Häuser hier meist 2 Stock hoch, mit offnen Läden; diegriechischenCostümeundPhisiognomien sehr interressant, die sonnenverbrannten Gesichter mit ihren Schnurrbärten; Maulthiere, Esel, Pferde; Weibsbilder sehr wenig gesehen,unddiese scheußlich. Die StraßenvomMeere aufwärts, grade, so gebaut, daß sie Kolonnaden bilden; überall Läden mit verschiedenartigster Beschäftigung, Schuhmacher, Schneider, Tabackshändler, Leinen, Zinnwaaren,〈…〉〈…〉 Obsthändler, alles in bunter Reihe höchst interressant. Wir kaufen uns Traubenundgehen aufdenBerg, wodieBurg steht. Beieinergroßen Platane aus trefflichem Quell getrunken. Im Schloßhofe altes zerfallenes spitzbogiges Haus mit eingefallenem Gewölbe. Ein rohesbyzantinischesMarmorkaptäl liegt unter den Trümmern. Das Castell scheint zum Gefängnis benutzt zu werden; wir seheneineWache davor. Das Militär scheint dem bairischen ganz ähnlich, aber zerlumpter. Kostbare AussichtvomBerge beiderBurg hinab auf StadtundMeer[und] die Berge drüben, wo ein gewaltiger steiler sich kühn hervorschiebt. Tiefe Bläue des Meeres, später kostbar grün. Rückwärts siehtmanaufdasalte Patrasundauf die kahle aber grüne Ebne ihm zur Rechten, auf die kahlen Berge Achaja’s. Welch heißer aber schöner Tag, wo ichzumerstenmal meinen Fuß auf12 Hellasschönen Boden gesetzt habe. Ich saß wohl aufderluftigen Höhe ½ Stundeundbewunderte MeerundLand, was in prächtigen FarbenundSchattirungen vor mir lag. Unser Rückweg durchdasalte Patras, eine malerische zerfallene Stadt mit 1stöckigen Lehmhäusern, zerfallenen Mauern, höchst eigenthümlich gebauter alter Kirche, zerlumpten Gestalten, EselnundMauleseln. Hinunter wieder nachdemBazar; Caffe getrunkenunduns am Anblick des Meeres ergötzt; vornsaftigstesGrün in das tiefste Blau spielendunddie Berge drüben leise röthlichundviolett; welch Farbenglanz. Der Tag sehr warm aber doch luftig. Cigarren gekauft[und] dann um ½ 1 Uhr nachdemSchiffe zurückgefahren; Tagebuch geschrieben. Die hier herrschende Münze sind Drachmen zu 100 Lepta’s. Um ½ 5 Uhr fuhren wir von Patrasab bei fortdauernd herrlicher Witterung. Kap Papawurde während des Mittagessens umschifft[und] am Abend fuhren wir durch die Straße der Insel Zartheundihre Landschaft Elishindurch. Kostbarer Sternenhimmel; Unterhaltung mit der bairischen Athenerin. Nachher MusikundGesang der Schauspielerinnen, die nach Constantinopelmitgehen; sehr schön in der stillen Nacht; ich dachte viel an die Meinen. Um 9 Uhr zu Bett.

Mittwoch den 7tenSeptember. Gegen 6 Uhr aufgestanden. Schönesundklares Wetter. Die Insel Prodanoliegt, ein einziger Berg, links. Die Küste Arkadiens wie ganz Griechenlands öde, mit niederem Strauchwerk überzogen[,] mäßig hohe Berge, nur gegendieMitte des Landes bedeutend. 13Manchmal rücken die Felsen steiler gegen das Meer zu, zeigen sich schroff, unverwittert. Wir fahren um 8 Uhr etwa anderInsel Sfagiavorüber, welche den berühmten Hafen von Nararinschließtundsichert; eigenthümliche Zerklüftung ihres Endes in 3-4 mächtige Felsblöcke, die ausdemMeere hervorragen. Die Festung Nararinerkenntmanam Ufer. Bald darauf zeigt sich das bedeutendere Modanmit einem indasMeer hineingebauten Wartthurm, durch Brückenbogen mitderFestung verbunden. Es macht sich malerisch, aber todt. Jetzt liegen uns, nach einemköstlichenRückblick auf Modandie schon kurz überwachsenen Inseln Sapienzaund Cabrerazur Rechten und das Cap Galloist erreicht. Nun geht es in die blaue, wellenlose, wie Papier (gepreßtes) fein gerippte See hinein, dem Cap Mataponzu, das leise am Horizont schimmert. Der Tag ist sehr heiß,[und] zum erstenmal zeigt sich heut das Springenvon Delphinen. Jetzt um ¼ 12 Uhr schreibe ich dieß Tagebuch bei heftigem Zittern des Schiffes, nachdem ich mitdemdeutschen AthenereineParthie Schach gespielt habe, die ich, schon aufgegeben, durcheinVersehen des Gegners dennoch gewinne; nun sollderEngländer geschlagen werden. - Er ist 2 mal hintereinander geschlagen. Etwa um 3 Uhr umsegeln wir die südlichste Spitze des europäischen Continents, das Cap Matapan[und] gegen Sonnenuntergang istdas CapSanktAngelo, von mächtigem Felsengebirge gebildet, erreicht,undwir schiffen dicht an dem rauhundsteil aufsteigenden14 Gestade vorüber, an welchem die Wohnung eines alten Einsiedlers mit langem schneeweißen Barte; doch gelingt es mir nicht, ihn zu sehen. Der Wind erhebt sich hier heftiger,dasSchiff schwankt heftig; ich lege mich um ½ 9 Uhr schlafen. -

Der Morgen des 8tenSeptember(Donnerstag)fand uns der Insel Eginagegenüber,undwir segeln der Bucht des Pyräusentgegen, die jedoch bis zur letzten Minute verdeckt bleibt. Auf ein niedriges Eiland, dessen Spitze 2 Windmühlen, jede rund mit 8-10 Flügeln krönen, segeln wir zu,undum dasselbe biegend, liegt der schöne Hafen Athensvor uns; an der aus dem Meere aufragenden Laterne vorbei ankern wir inderNähevon2 andren Dampfschiffen[und] im Angesicht vieler andern Schiffe, doch istderHafen nicht allzusehr gefüllt. Nach dem Dejeuner setzen wir andasLand, ein Fiaker wird genommen (der[Engländer] Hicksundwir drei) für 2 ½ Drachmen (1Drachme =1[Zwany]5Leptas) schändlicher Wagenundwahre Sandkraken; dennoch aber geht es schnell über die ausgefahrne Chaussee gen Athenzu. Trauriger, öderundwüster Anblick des Landes, sehr wenig Anbau; der Olivenwald vereinzelt, zerstreut stehend, aschgrauen Ansehens (die Oliven ganz wie Weidenbäume). AufderMitte des Weges (der etwa ¾ Stunde zu Wagen beträgt) ist eine[Kunija], wo wir LimonadeundZigarren nehmen; der Grieche versteht etwas deutsch; dann geht es weiter bis etwas vordieStadt, wo wir absteigen. Welch ein Anblick! Rechts, nicht weitvonuns der Theseus Tempelundein wenig weiter vor die Trümmer der Akropolis. Dazwischen nichts als ödes Steinfeld von keinem Blümchen bedeckt. 15Ein Grieche hat sich uns von Pyraeusals Führer aufgedrängt. Wir wenden uns zunächst zum Theseus Tempel, das best erhaltenste Denkmal. Es kommt mir kleiner, als ich es erwartetundin seinen Erneuerungen doch imposant vor; der weiße Marmor hat einen rothbräunlichen Überzug angenommen; die dorischen Säulen erscheinen in trefflichen Verhältnissen. Die Bilder indenMetopen nurzumkleinen Theil vollendet,undauch diese wieder unkenntlich geworden; ein Fries im InnernderSäulenhalle desgleichen; aberdieSäulen stehen alle noch. Das Innere des Gebäudes enthält aufgefundene RestevonSkulpturen bessererundgeringerer Art,vonverschiedenenGegendenzusammengetragen. Vom Theseustempelam Weiberrathsbergvorbei nachder Pnyx, wo auf erhabenen Stufen die Stelle des Redners noch deutlich zu sehen;vondorteinschöner Anblick aufdie Akropolisunddie ganze Stadt mitdemköniglichenneuen Schlosse im Hintergrunde.Vonhier ein auf steinigem Weg mühsames Emporsteigen zu den Ruinen des Museion, die verstümmelten Figuren eines Siegeswagensundandrer Reliefs sind daran zu erkennen aus schönstem weißen Marmor. Aufderluftigen Höhe ruhen wir im Schatten des Denkmals, derEngländermitseinem Guide inderHand. StückevonBauten finden sich umher zerstreut. Jetzt geht es hinunterundwieder hinauf zur Akropolis. Deutsche SoldatenundInvaliden bewachendenEingang. Die alte zinnenumkrönte Mauer wird durchschrittenundnacheinemTrunke Wasser biegen wir umeinenVorsprung,unddasBildderZerstörung liegt vor unsern Augen. Die Propyläenimponieren, die Weiße des Marmors ist hier trefflich erhalten. Kaum lassen die BruchstückevonSäulen, Kapitälen Boden Raum, den Weg zu erkennen[,] der durch das16 große Mittelthor führt, wo unten Rippen eingehauen sind, um PferdeundWagen nicht ausglitschen zu lassen. 4 Nebenthore inderGrößevomHauptthore abfallend bilden den Eingang, alle mit gradem Sturz,dasHauptthor mit mächtigem Marmorblock überdeckt. Links vor den Propyläensieht man den erhaltenen, hohen Unterbau zuderriesigen Minerva, welche die Burg schützte. Weiter vorschreitend trittmanin den gewaltigen Raum des Parthenon’soderdes Tempels der Minerva, von dem die Mauern der Zella fast verschwunden sind; auch die Säulen rings stehen nicht mehr alle;zwischenihnen stand frühereinetürkische Moschee, die jetzt verschwunden. DiedorischenSäulen habeneinschönes Verhältniß; hierundda fängtmanan, sie auszubessernundzu ergänzen, eine vergebliche Arbeit,dieZerstörungderZeitundsolcher Massen aufzuhalten. An vielen Säulen siehtmandieWirkung der Kanonenkugeln;vondemStandpunkt des Minervabildes des Phidiassiehtmankeine Spur. Treffliche Arbeit der herabgefallenen Cassetten, Capitäle, Basen u.s.w. Sowohl hier als auch indenRäumen der Propyläensind bunt geordnet Skulpturstücke, Hände, Füße, Köpfe, Inschriften, Arabesken etc. aufgestellt, deren Anblick FreudeundTrauerzugleicherregt. Ebendaselbst wurde ineinemkleinenHäuschen uns gezeigt, wo aber mehr ausgegrabene Sachen waren, Vasen, Lampen, Geschirr. Endlich ward uns auf der Akropolisnochdasvereinigte Heiligthum der Minerva Polias, das ErechtheionundderNympfe Pandrosos gezeigt. Von ersterem sind nur noch die vorderen Paar schlankenjonischenHalbsäulen zu sehen mit Fries der AntenundVerzierungenvonzartester Arbeit. Die Caryatiden stützen dies Gebäude17 der letzteren kleinen Anbauten nicht mehr, man sieht grobe Pilasterdazwischenaufgemauert, welch trauriger Anblick! - Ich schiedvondieser Burg, die nichts als Ruine mehr ist[,] ein wenig entmuthigt. Herumgehend umdieAußenmauer sehen wir noch die Rudra einesRömischenTheaters, 2 Säulenvoneinem Tempel des Bachus[und] den Ort, wo das Theater desselben stand, denn mehr ist davon nicht zu sehen. Nun gingen wir durch die Ruinen der alten Stadt nach dem kleinen Monument des Lysikrateswas, halb indieErde versenkt, wie vergessen dasteht; es ist übrigens kaum 8 - 10[ Fuß] imDurchmesser, die Blume oben sehr zerstört. Müde wandern wir durchdieStraßen der Stadt ineinenConditorladen,undessen dort Wein, BrödtchenundLiqueur. Weidenbach, unwohl, schleppt sich mit fort. Nachher sehen wir noch die 12 - 14 einzelnen Säulen(korinthisch)des Jupitertempelsnicht weitvoneinemTriumpfbogen, ferner den Thurm der Winde[,] einmerkwürdiges8eckigesGebäude, zur Hälfte ausgegraben; die Reliefs sindvondenFiguren oben gut erhalten, auch die Linien der Sonnenuhr auf allen Seiten siehtmandeutlich. Ein Tempel des Hadriansieht nur mit 1[Front] aus den alten Häusern hervor. - Interressante Bauart der altengriechischenKirchen. Caffeehäuser. Gemüse -undFrucht Markt. Fiakerhandel zur Rückfahrt; Prügelei 2er Griechen. Zurückgefahren; Herabfallen des Griechen hinten vom Wagen. Öde Gegend, schlechter Weg, Staub. Im Pyräuswird ein prächtiger Sorbad genommen, für mich der erste. Herrlich erquickt fahren wir wieder zum Dampfschiff über um ½ 5. Das Schiff finden wirvonmehr als 100 Personen besetzt, die nach18 Syragehen. Gegen 6 Uhr verlassen wir den Hafenundich sage AthenLebewohl, von dessen Gegend ich wenigodergar nicht erbaut bin; nichteinBlümchen des Abpflückens werth habe ich[] gefunden, wohl aber einige Palmen gesehen. Das Wetter war sehr heiß. - Am Abend erfreute ich mich wieder des schönen Sternenhimmels; die Musikanten gaben unter ihm wieder ein Concert. Um 9 Uhr zu Bett.

Freitagden9tenSeptember1842. Heut Morgen 5 Uhr landeten wir vor Syra, imtrefflichenHafen lagen unzählige Schiffe. Die Stadt baut sich 3eckig an den Bergen empor,undnimmt sichvonFerne sehr hübsch aus. InderMitte strebt eine mit Häusern ganz besetzte Bergspitze hoch empor, miteinerKirche gekrönt. An dem einen Ende des Hafens liegt die große Quarantaine-Anstalt. Leider finden wirdasfranzösischeDampfschiff, auf welches wir übergehen müssen, noch nicht hier; es kommt erst übermorgen früh,undso sind wir gezwungen, 2 Tage in dieser traurigen Stadt, deren Umgegend nichts bietet, uns aufzuhalten. Um 8 Uhr bezahl ichdieRechnung aufdemSchiffeundwir gehen ans Land; mein Mantelsack wird visitirt; wir quartiren uns im Hôtel de Londres ein, mit unsrem Engländer. Schönes Dejeuner mit HonigundTrauben. Bis 2 Uhr habe ich nun dieß Tagebuch ergänzt. Wir machen zusammeneinenSpatziergang durch die Stadt, die zwar eng aber nicht schlecht gebaut ist[,] an einer schönenundnoch neuengriechischenKirche vorbei; wo Marmorsäulen im InnernundÄußern angebracht sind[,] auf den mittleren Bergkegel der Stadt. Die Gäßchen19 sind hier ungemein engundwinklich, viel dicke Schweine liegen im Wege; es ist mühsam das Steigen, aber von Zeit zu Zeit belohnt uns die köstliche Aussicht überdasMeer mit den Inseln ringsum. Endlich erreichen wirdieKirche aufdemGipfel des Berges und laben uns andemBlick indasThal linker Hand wo einzelne Weingärten zu sehen sowie viele10flügligeWindmühlen,undüberdieStadt unten, den Hafen mitseinenSchiffen, das blaue Meer unddieInseln. Die Häuser haben oben fast alle glatte Dächer mit Lehmestrich, womanruhenundumhergehen kann. WeiberundMänner siehtmanin den[] einstöckigenwinklichenHäusern arbeiten. Wir steigen aufdenRücken des Berges weiter, machten über die Marmorfelsen fort; wilde Salweiundeine Art Orchideen mit großen Zwiebeln wächst spärlich im röthlichen Boden. Die Aussicht wird immer großartiger; aber es ist sehr windigundwir müssen zuletzt andenRückzug denken; derEngländergeht noch etwas weiter wie ich, Frankeam weitsten,undkehrt aufeinemandern Weg indieStadt zurück; Weidenbach, noch unwohl[,] war zurückgeblieben. AufdemRückweg begegnen wir fast der ersten hübschen jungen Griechin aufeinemEsel reitend, hinter ihr ein Junge; wir gehendenStadtberg hinabundkommen sehr ermüdet um 5 Uhr im Gasthof an, wo Franke schon ist. Das Mittagessen ist wieder sehr gut. Um 7 oder ½ 8 gehen wir zu Bett. Die Sonne geht jetzt schon vor 6 Uhr unterundist es kurz darauf dunkel ohne lange Dämmerung wie bei uns.

Sonnabendden10tenSeptember42. Ich habe unbelästigt von UngezieferdieNacht zugebracht. Um 6 Uhr aufgestanden. Das Wetter fortdauernd warmundschön. 20Heute Morgen Umherlaufen in Betreff der PässeundBillets fürdasDampfschiff, das morgen Mittag 1 Uhr abgehen soll. Wir müssen zum Gouverneur, dann aufdiePolizeiundendlichaufdasfranzösischeOffice. Ich nehme für uns 2 Plätze zur 2ten und 1 zur 3ten Klasse. Müdeundermattet zum Gasthofunddort ein treffliches Dejeuné gegessen; herrlicher Honigvon Syra, Hasenbraten, Spinat, Setzeier, Trauben; dann etwas geruht,undbis jetztdasTagebuch geschrieben; es ist ¾ 12 Uhr; mit Weidenbach’s verdorbenem Magen geht es heut besser; den Engländer nehmen wir immer ins Schleppthauundes läßt sich recht gut mit ihm leben. - Wir 3 ohnedenEngländermachen gegen 2 UhreinenSpatziergang aufeinennahen Berg, wo vondemrunden Thurm einer alten Windmühle eine treffliche Aussicht über StadtundMeer ist; ich knalle eine meiner Terzerolen ab; schönes Echo andenBergen rings. Im Thurm aufdenAbtritt gegangen, weil diese Einrichtung zu Hause zu mangelhaft. Nachher ich allein mitdemEngländereine Badestelle am Meere gesucht und unter überhängenden Felseneineromantische Gegend gefunden. Schweres Hineingehen wegenderglatten Steine,aberdasBad trefflich. Rückweg über die Felsen; von oben unvergleichliche Aussicht überdasMeerunddieInseln. Zarte Färbung des Himmels; Cafées an der Promenade dort; zugesehen Billard spielen. Interressante Gesichter vieler junger Damen indenGärtchenundHäusern; gegen ½ 5 Uhr zurückundgegessen; sehr gut; nachher aufdemBalkon uns unterhalten, dasallmählicheAuftauchen derunzählichenLichterderStadt beobachtet, bis sieendlichwieeineMilchstraße vor uns glänzte. Einzelne21 RaketenundSchwärmer stiegen dannundwann aus ihr empor, da heut eingroßerFesttagSanktJohannis war. Schöne abendliche Kühle; tieferer Stand des großen Bären, den ich schon so oft beobachtet, fällt mir wieder auf. Der zunehmende Mond wirft schon seine Schatten. Nach 8 Uhr zu Bett. - Die Stadt Syraist in der That bedeutender, als ich geglaubt hatte; nicht nur ihre Ausdehnung,sonderndas rege Treiben aufdenStraßen zeigt es, wo man Menschen aller NationenundCostüme sieht,undim GanzendasVolk nicht so zerlumpt wie in Patrasund Athen. - Die neue Quarantaine-Anstalt, dieanderandern Seite des Hafens liegt, undvoneinemDeutschen gebaut sein soll, habe ichnatürlichnicht näher in Augenschein genommen, doch scheintdasGebäude ganz hübsch. Große 2-3 stöckige Gebäude[,] solidundmassiv gebaut, bemerkte ich heut an der Promenade. Auffallend die Leinen quer über die Straße, um Segel gegendieSonne daran zu befestigen, wie Marquisen;dieEinrichtung ist trefflich.

Sonntagden11tenSeptemberIm Ganzen recht gut geschlafen, bis auf einige empfindliche Mückenstiche; aufgestanden um ¼ 6 Uhr; herrlicher Morgen, wie bei uns im Anfang August. Wir gehen wieder an unsre gestrige, romantische Badestelle,derEngländer, Weidenbachundich. Gefährlicher Sch〈…〉〈…〉 inderFelsspalte.DasBad ist heut sonnig, sonst aber sehr erquickend; der Zuhausegang sehr heiß. - Das Dejeuné schmeckt trefflich; wie die früheren Tage ergötze ich mich auch heute in reicher Fülle an dem syraschen Honig, dessen Geschmack nach Bergkräutern ist. - NachdemDejeunée zeichne ich das Dienstmädchen des Hauses à la Grecque. Alsdann lassen wir unsdieRechnung geben[,]22 die an Größe meine kühnsten Erwartungen noch übersteigt; sie ist ganz enorm (etwa 3 rth pro ManndenTag); aber zu vielem Streiten ist nicht Zeit; es ist ½ 12,undum 1 Uhr solldasDampfschiffabgehen. Ich habe schwierige RechnereimitderBezahlung mitdemösterreichischenGelde; dazu kommt, daß ich noch fürdenEngländerberechnen muß, der nichts verstehtundsein Vertrauen immer auf mich setzt; ich thu es gern, aber diesmal war es fatal.Endlichum 12 Uhr sind wir fertig; die Sachen werden an’s Ufer gebracht,undnun neuer Ärger, daß wir 2 Barken nehmen müssen mit einem〈…〉〈…〉; alles Streiten hilft nichts, es vergeht nur Zeit. Abermals Ärger überdasunmäßige Fordern für die Barken, neuer Aufenthalt, dasDampfschiffwill schon fortsegeln;endlichgebe ich mit vollen Händen[,] um nur an Bord zu kommen, was zuletztwirklichgelingt; der Anker wird schon heraufgezogen, man will uns kaum mehr hineinlassen. -MerkwürdigerAnblick dieses großenfranzösischenDampfschiffes Scamandra, wenigstens noch 1mal so groß alsdasöstereichische;3 Maste, sehr viel Bemannung, Offiziere. - Wir fandendasganze Verdeck belagert mit Türken, Arabern, Armeniernundandern Orientalen, die meist aus Konstantinopelkommen,undnach Meccawollen; es ist Alles stickend voll dieser bärtigen Gestalten mit Turbanen, man kann kaum treten. Nach Besichtigung der Cajüten nehme ich für FrankeaucheinBillet des 2ten Platzes, da aufdem3ten kein Bett ist; nun schlafen wir 3 in einerkleinenKabine zusammen; neben uns an 4 armenische Geistliche; im Salon[,] wenn ich es so nennen darf, eine Familie mit 5 Kindern, dreiste Amme;und2-3 Nege23 rinnen. -InterressanterAnblick der Phisiognomien auf dem Verdeck imVergleichzu den früheren Gesichtern der Griechen; dietürkischenGesichter sind mir lieber; Ruheundoft Ehrwürdigkeit spricht aus ihnen. Ein Pascha ist aufdem1ten Platz; er hat 3 - 4 zur Bedienung bei sich. Ein persischer Neger schleppt sich miteinemkleinenKindevoneinerHerrschaft aus Indien, die auch auf dem 1ten Platz ist. Ich kann nicht aufhören[,] die kauernden Gestalten zu mustern;trefflichesGesichtundBart des einen, den ich zur Kurzweil etwas skizzire. Niederfallenundreligiöse WaschungenundÜbungen der Türken;kleinerKompaß, um die Himmelsrichtung zu finden, nach der sie sich beugenundaufrichten. So vergeht der Tag; wir haben günstigen Wind, so daß wir die Segel ein wenig benutzen können; rechtsundlinks schwinden Inseln vor uns vorüber. Der Mond war halb, und ich stand lange am Bord des Schiffes, umdasköstliche Silber zu bewundern, was er in unermeßlichen Streifen überdasMeer ausgoß; es war Sonntagundmeine Seele betete,undich dachte aller Lieben daheimunddort droben.

Montagden12tenSeptember42. Ich habe leidlich geschlafenundbin etwa um ½ 6 Uhr aufgestanden. Meine Beobachtungen derorientalischenSchiffsgesellschaftgehen fort, besonders unsres Pascha’s, wie er sich recht behaglich eine Pfeife nachderandern anrauchen läßt, sein Schälchen Caffee trinkt etc. Auch mit meinemEngländerunterhalte ich mich oft; er zeigt sich wenig zufrieden mit diesem Dampfschiff, klagt über HitzeundGestank. - Die Hitze wird inderThat jetzt merklicher, doch nur einige Stunden; dann wird24 sie durch die kühle Meerluft gedämpft. Dem Auswerfen des Logs zugesehen; dann hört man von vorn die Pfeife des Hochbootsmanns zum Ausspannen oder EinziehenderSeegel. Die Matrosen mit blauem Hemdekragen, weißleinenem Anzugundrother Schärpe erscheinen tricolor; die Offiziere in Civil. - Jetzt ist es ¼ 3undich hoffe, wir essen bald Mittagbrodt. Das Mittag gestern[und] Dejeuner heut war nicht übel; die größten und köstlichsten Trauben beschließen es; aber reife Pfirsiche habe ich seit Venedignicht mehr gegessen. Eine Art großer grüner Melonen hatten wir gesternundheute, die ohne Zucker höchst süßunderquicklich schmeckten. - Es ist heute weiter nichts Bemerkenswerthes vorgefallen;dasMeer war ruhig, der Wind nur wenig zu benutzen; es zeigt sich natürlich nirgends Land. Am Abend wurde von einem Passagier ganz vortrefflich die Flöte geblasen,undrührend steigen die Töne zu dem mondhellen Himmel auf. Es wird jetzt schon um ½ 6 Uhr Nacht. Um ½ 9 Uhr zu Bett.

Dienstagden13tenSeptember42. Der Himmel ist hellundklar wie gestern; um ½ 6 Uhr stehe ich auf. Das Leben aufdemDampfschifffängt aus Mangel an Beschäftigung, an, sehr langweilig zu werden. Gegen 10 Uhr spiele ich mit demEngländereinige Parthien Schach; jetzt ist es ¾ 2. Morgen, so Gott will, sind wir um diese Zeit in Alexandrienangelangt, ich habedasSeeleben satt. - Kaum bin ich aufdemVerdeck angelangt, so bemerke ich ein allgemeines Gucken der25 Schiffsoffiziere durchdasFernrohrundes verlautet[,] man könne Alexandriensehen; allgemeine Bewegung gab sich Kund, ein allgemeines Schauen. Und siehe da, inderThat zeigten sich einmal rechts die unzähligen Masten der ganzen egyptischen Flotte,undvor uns ragte die Säule des Leuchtthurmes, links ein castellartiges Gebäude aus den hellgrünen Fluthen auf. Ein eigenthümliches Gefühl, ich kann nicht sagen, welcher Art, ergriff mich beidemAnblicke Africa’s, des Bodens, wo ich 2 Jahre meines Lebens hinbringen sollte. Wir kamen näher,undunterschieden nun die niedrige hügeliche Küste der Wüste rechts inderNähederStadt mit100tenvonWindmühlen bedeckt; die Pompejussäuletauchte im Hintergrunde auf, eine lange ReihevonCasernenundandern Häusern. Wir halten stillundein Lotsenschiff[,] mit Arabern bemannt[,] legt anundübernimmt die Führung des Dampfschiffs indenHafen. Jetzt gingen wir hinunter, um Mittag zu essen, es war etwa 4 Uhr. Gegen 5 Uhr hörten wir den Anker hinabrollen; wir sind mit Essen fertigundschon fängt es an[,] dunkel zu werden. Nun ward schnelldieRechnung abgemacht, die Sachen genommen[,] ineineBarke geschlepptundbei Mondenschein landeten wir nach langer Fahrt über den Hafen anderMole Alexandriens, etwa um ½ 6 Uhr Abends. DerarabischeSchiffsjunge ist mit seinem 5 Piasterstück nicht zufrieden, doch das kümmert uns nicht. Ein andrer Junge nimmt meinen Mantelsack, Jedervonunseinandres StückderBagageundso geht es fort; bald machtmanHaltundes heißt, die Sachen müßten aufderDouane die Nacht über bleiben; wir stehen wohlnoch¼ Stunde in der lauen Nachtundhören einen Italiener eben dieser26 Chikane wegen delibriren. Es versammelt sich Volks rings umher; ich merkte, daß es nur auf Geldschneiderei abgesehen war, gab dem Aufseher etwa 30 Para’s, einarabischerJunge nahmmeinenMantelsack aufdieSchulter, wir die andern Sachen,undfort ging es, einem Hotelbedienten nach zu dem Hotel der Gebrüder Coulombaufdemgroßen Platz im Frankenquartier. Wir winden uns im Dunkeln durch enge Gassen, EselundCameele schreiten neben uns vorüber, wir schwitzen unterdemTragen der Mäntelunddes Gepäcks;endlichlangen wir auf einem großenvonstattlichen Gebäuden umgebnen Platze an, unser Hotel ist erreicht. Eine deutsche Wirthin, gewesene Wienerin begrüßte uns mit vaterländischer Zunge; 2 Piaster befriedigten unsern Gepäckträgerundnun ließen wir uns 3 Stuben geben, deren eine die Aussicht aufdenPlatz hat. Das Hotel ist für Alexandriensehr nobel eingerichtet. Da saßen wir nun indemLande, das uns so lange beherbergen soll. Limonade erquickte uns am Abend; die breiten Betten mit den Muskitovorhängen wurden zurecht gemachtundum ¼ 10 Uhr stieg ich indasumflorte reinliche Himmelbett, Gott dankend, der uns bis hierher gnädigundväterlich geführt hat.

Mittwochden14tenSeptember1842. Um ½ 6 Uhr Morgens stand ich aufundbegrüßte denegyptischenMorgen. Wir unterhielten uns lange mit dem Getriebe auf unserm großen schönen Platze. Unzählige Reiter auf Eseln mit den antreibendenarabischenJungen hinterdrein, dann wieder die hohen Cameele mit den Führern vorn, schwer beladen; aucheuropäische27Kaleschwagen, 1oder2 Spänner ließen sich sehen. Da ritten bis auf die Augen verschleierte Frauenzimmer, Türken, Araber, Franken, da ward GemüseundFleisch herbeigeschleppt, ein buntes orientalisches Gemisch; die verschiedenen Trachten sind unbeschreiblich. - Um ½ 8 Caffee getrunken, dann Tagebuch geschriebenundnun will ich mich anziehen[,] um zum Consul Dumreicherzu gehen. Die Reisekosten bis hierher haben grade etwa 600 rt betragen. Meine Eau deCologneFlasche finde ich heut zerbrochen, auch an meinem Barbiermesser ist leider die Schale durchdenschweren Druck des Geldes geplatzt; sonst habe ich bisher nichts eingebüßt, vergessenoderverloren. Ich war bei Dumreicher, ein lieber Mann, der aber vom Fiber geplagt warunddarum wohl für mich nur Rath gebend sein kann. NachderZurückkunft schlief ich etwas,undum ½ 3 Uhr etwa machten wir uns zu einem Spatziergang auf, zuerst durcheinenTheil der türkischen Stadt, wo Verkaufsbuden sind. Es ist keine Beschreibung der zerlumpten halbnackten Arabergestalten, der Neger, der verhülltenundunverhüllten Weiber mit hängenden Brüsten, der nackten Kinder zu geben, die einen da umschreienundumlaufen, so etwas muß gesehen werden; weiße Gestalten siehtmanda wenig, fast gar nicht. Einen Augenblick erquickte uns aus diesem Gewühl der Anblick des Meeres[und] der Citadelleam Ende des Mole’s. Dann wanderten wir bei der malerischen Moschee hinterdem Frankenviertelhin, wo Weiber in singendem Ton schmierige Früchte feil boten. Nun ging es vor einem Garten vorbei über ödere Felder des alten Alexandrien’s, wodieErde vielfach nach Bausteinen aufgegraben war,undaufeinemHügel erblickten28 wir inderFerne die Säule des Pompejus, wohin wir nun unseren Weg richteten. Zwischen großen Palmengärten mit hängenden Früchten, röthlich schimmernd, wanderten wir in großer Hitze bis an die zinngekrönte Stadtmauer, durchdasThor hindurch vor einem mohammedanischen Gottesacker vorbei, nach der auf einsamer Höhe liegenden Granitsäule, von wo wireineschöne Aussicht auf den See Mareotishattenundüber den dicht daneben sich hinziehenden mit Grün bezeichneten Canal Mamudieh. Die Luft ging hier kühlundnach ¼ Stündchen traten wir den Rückweg an. Häßliche Hunde, die falschundbösartig aussehen; EselundCameele in Menge; die Cameele äußerst häßlichvonNahem, nackt mit Schwielen bedeckt. - Bis Mittag, das leider erst um 6 Uhr war, unterhalten; dasselbe aber sehr reichlich, eigentlich zu sehr; WeintraubenundMelonen schlecht, aber Feigen sehr schön; Äpfel auch schlecht, wenigstens waren sie unreif. - Angenehme Unterhaltung mit dem Rheinländer nach Tische; er war eben erst aus Constantinopel, Syrienund Kairozurückgekommen. - Nach 9 Uhr zu Bette.

Donnerstagden15tenSeptember42. Gut geschlafen. Tagebuch geschrieben. - Unzählige kleine Ameisen in der Stube. Die Musketiairen schützen trefflich gegen die sehr empfindlichen Mückenstiche. - Fliegen in sehr großer Anzahl. - Ich machte heut Morgen nach dem Dejeuner (was etwa um ½ 10 Uhr genommen wird) einen Besuch bei demHerrn Anastasi,schwedischerGeneralConsul,zugleichunserm Geschäftsführer, ein ältlicherfreundlicherMann, mit dem ichfranzösischsprechen mußte. Von da zu dem Sekretär29 unsres Consulats, Herrn Probizer, mit dem ich mich lange unterhalten; ich übergab ihm unsre Pässeundwechselte mir etwas klein Geld ein. Von da aus indasHôtel Lîon d’Or zuHerrnDr. Schreiber, den ich nicht zu Hause fand, dann in den Gasthof; geschrieben Tagebuchundam Briefe; um ½ 3 Uhr spazieren die große chaussirte Straße hinunter; sie führt uns endlich nach dem hübschundfast neumodisch gebauten Pallast des Mehmet Ali; Platz mit Akazien freundlich besetzt, die in ummauerten Kübeln stehen schon einen großen Theil der Straße entlang; Aussicht aufdenHafen vom Platze hinter dem Schlosse. Akazienpark mit den vielen Sperlingen. Große Schuppen mit Schiffs -undandrem Bauholz. Militär. - Zurück auf Eseln geritten; Franke’s will nicht fort;endlichinderNähe unsres Platzes fallen beide um; Skandal. - Bis 6 Uhr, wo dinirt wird, 1Stundegeschlafen, dann wieder geschrieben. Nach dem Diner im Mondschein aufdemPlatze spazieren gegangen. Der Rheinländer gesellt sich zu uns; angenehme Unterhaltung; in ein Café und Limonade getrunken (1 Piaster = 2SilbergroschendasGlas); nachher erschrecklich geschwitzt; zu Bettundtrefflich geschlafen.

Freitag den 16tenSeptember42. Um 5 Uhr aufgestanden. Geschrieben am Briefe. Dann Besuch vonHerrnDr. Schreiberbekommen; sehr lieberundgemüthlicher Mann; lange mit ihm unterhaltenundSpaziergang auf den Nachmittag nachden Nadeln der Cleopatraverabredet. Jetzt mein Tagebuch ergänzt. - Nach dem Dejeuner etwas geruht, dann wieder Brief fortgesetzt. Um 3 Uhr kommtderDr. Schreiber, wir nehmen Eselundreiten zuerst nachdenObelisken,30 einem liegendenunddem einen stehenden; der liegende ist schon wieder sehr verbuddelt; die Hieroglyphen an den Wetterseiten sehr verwischt. Der Platz, wo sie stehen, sind eigentlich lauter Schutthaufen; nahe dabei istdieMauer, diedasMeer begränzt, wir kriechen durchundgehen am Meere entlang, bewundernd die mächtigen alten Unterbautenvomalten Alexandrien, die weit indasWasser hineinragen; darunter Blöcke mitHieroglyphen;2 prächtige Granitkoben, scharf, als wären sie ebenvomSteinmetz behauen; Marmorstücke, rother, schwarzer, grauer Granit durcheinander. Wir reitenvonhier amkoptischenKlosterundKirche vorüber, sowie an der Moschee, wo Napoleonbetete, nach dem GartenundHause des Kaufmann Gibare, trefflicher Garten mit Palmen, Bananen, Cipressen, Jasmin, Feigen, Oleander, AloeundPelargonien. Prächtiger Kiosk; Wasserräder (Sakieh) von Pferden oder Büffeln getrieben. Elegante Wohnung mit Billard,trefflichenMarmortischen, Muschelbouquet; hier hat Pücklergewohnt; köstliches Wasser getrunken. Von hier weiter durch die niedrige Araber Stadt, wo die nackten aber oft sehr schönen Gestalten der Kinder bemerkenswerth, an dentürkischenBädern, dem Krankenhause vorbei nach dem Canal Mamudieh, wo er ins Meer geht. Hier ist der Ein -undAusladeplatz für Getreide, Steinkohlen etc. ; GewimmelvonArabern, Eseln, Kameelen. Wir sitzen in einemarabischenKaffe, wo wirzumersten Mal die Wasserpfeife (Nargileh) rauchenunderstenarabischenKaffee mit Grund trinken; schöne kühle Luft,unddurchweg angenehme Unterhaltung mit Schreiber. Von hier über die Schutthaufen des alten Alexandrienzurückgerittenunddie Wohnung des Doctors besehen; alter Marmorkopf, etwas sehr verstümmelt, doch nicht31 übel. Dann nach Hauseundetwas geschrieben. Um ½ 7, 7 Mittagessen; gute Unterhaltung mitHerrn Welschaus Mainz, der morgen nach Europaabreist; Brief geschrieben, den ich ihm mitgebe; zu Bett; ich kann wegen HitzeundFlohstiche lange nicht einschlafen. -

Sonnabendden17tenSeptember1842. Gegen ½ 7 aufgestanden. Abschied vonHerrn Welsch; Tagebuchgeschrieben. - Am Vormittag zuHerrnDr. Schreibergegangenunddort eine Moschee mit Weidenbachgezeichnet. Nachher ein europäisches Bad genommen und dann einen Spaziergang zum Meer gemacht, um zu sehen, ob das Dampfschiff noch nicht angekommen. Es war nicht da. Zurück über den Bazar,undwegen Pfeifenköpfe gefeilscht. - Müde nach Hause.

Sonntagden18tenSeptember1842. Die Nacht trefflich geschlafen. DasenglischeDampfschiff ist da. Wir ziehen uns anundfahren zu ihm hinüber. Lepsiusist angekommen, mit ihm Max Weidenbach, Frey, ein Italiener Bonomi, der schon früher 4 Jahre in Oberegyptenwarundarabisch, englisch,FranzösischundItalienisch spricht; er ist Mitglied der Expedition; außerdem ist noch mitgekommen einenglischerArchitekt Wild, der die Reise auf seine Kosten mitmachen will, so sind wir zusammen 8, eine große Caravane. Wir waren lange auf dem mächtigenenglischenDampfschiff, wo die Sachenzusammengesucht wurden. Dann gings in die Stadt, ich mit Lepsiuszu Probizer; er dann zumenglischenConsul. Wir indenGasthof, wo wir dejeuniren; dann habe ich einen BesuchvonDr. Schreiber,undvom Consul Dumreicher. Jetzt um 1 Uhr SchreibenvomTagebuch. - Am Nachmittag 4 Uhr reite ich mit Lepsius, Wildunddem Janitscharenvon Dum32 reicherhinausundholen wir die Sachen vom Schiff ab in 2 Kähnen; sie werden, weil es zu dunkel wird,unddie Erlaubnis von Boghos Beyzum freien Transport noch nicht gekommen ist, in der Duane untergebracht; dabei bewunderte ich, wie ungeheure Lasten die Arbeiter auf dem Rücken schleppen können; sie nehmendenStrickzugleichum den Kopf herum, so daß sie durchdieStärke des Nackens mit tragen. Erst spät wird Alles fertig. Bei Tische finden wir Dumreicher, der mit ißt. Nach 10 Uhr zu Bett. -

Den19tenSeptember1842. Montag. Max Weidenbachhat inderNacht Diarrhee bekommen; er muß den Tag im Bette bleiben. Ich reite nachdemDejeuner mit zur Douane, wo endlich nach Öffnung mehrerer Kisten, das Gepäck losgegebenundauf Cameele gepackt wird. - Vor dem Frühstück ritt ich mit Dr. Schreiber, Freiund FrankenachdemSerail hinaus, um diearabischenPferde zu sehen, die der Pascha dem Königvon Frankreichschenken will. Nach einigem Warten inderRemise kommt der Kutscher Ackermann,einDeutscher, der beim Fürst Pücklerfrüher gedient hat; ein gefälliger Mensch; er zeigt uns alle Ställe des Pascha in Alexandrien; die Vollblutpferde sind sehr schön; es ist zu spät, um eines zu zeichnen, was ich mir mit Freivorgenommen habe. - Um ½ 11 kommen wir mit unsern Eseln zurück. - Ich schreibe heute lange an meinem Briefe, gehe dann gegen Abend auf unsrem Platze aufundnieder; finde dann im GasthausdenDr. Schreiber, mit dem ich geheundeinGlas Eis esse; es ist so grämlich;33 aber doch das einzige kühle Essen. NachdemMittagessenodervielmehr Abendessen trinke ich ineinemCaffée noch Limonade mit Lepsius, Wild, Frei, Bonomi. Mit den 3 letzteren nachher noch lange im Mondschein aufundabspatziert; um 10 Uhr zu Bette. - Heute Mittag Pistazien gegessen, d.h.kleineKerne in nebengezeichneter Größe

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, sehr hart; inwendig mandelartig schmeckend; ferner Beccafichi,außerordentlichkleineVögel, fast wie Colibri’s, etwa 1lang, die mit HautundKnochen verspeist werden. Die Bananen wollen mir durchaus nicht schmecken; sie sind widerlich, wiewohl manche sie füreineDelikatesse halten.

den20tenSeptember1842. Dienstag. Ich fahre heut fort, an meinem langen Briefe zu schreiben. Am Morgen habe ich einen langen BesuchvonDr. Schreiber, später einen vom Dr. Schledehaus. Um 4 Uhr mache ich einen Spatziergang mit Freinachdem Mahmudieh, wo wir Café nehmenundNargileh rauchen. Wir erfreuen uns sehr der malerischen Gestalten arabischer MännerundFrauen; deren Freisic viele skizziert. Ein junges Kameel gesehen.Manhört die Kanonenschüsse, diedieRückkehr des Pascha, der ein paar Tage zur See war, ans Land verkündigen. So haben wir nun Mehmet Ali, Ibrahim Pascha, Sami Pascha, der ebenvon Constantinopelzurückgekommen ist,unddem Pascha den Orden des Großwesirs bringt, hier; Boghos Beiebenfalls. -- Dem 1ten Dollmetscher Artim Bei, der in einigen Tagen mitdemGeschenkvon6 - 7 Pferden anden KönigvonFrankreichabgeht[,] hat LepsiusbereitsseineAufwartung gemacht,undeinen sehr artigen Mann in ihm gefunden. - Am Abend spatzierten wir wieder aufdemPlatze umher, trankeneinGlas Limonade,undgingen ½ 10 UhrzuBette. 34AndemVolke ist mir aufgefallen: das rittlings Tragen der Kinder, das in die Hände klatschen zur Bekräftigung von etwas Gesagtem, die Kehllaute beim Sprechen. Gewänder der Frauen meist weißer oder blaueroderauch bei Trauer schwarzer Farbe, selten bunt; die Männer tragen sich auch sehr viel blau, doch auch weiße Mäntel, selbst ganz rothe; die Kameele werden geschoren;merkwürdigeForm der Büffel mit zurückliegenden Hörnern. - Läufer neben den Reitern oder dem Wagen der Vornehmen. -

Donnerstagden22tenSeptember1842. Um ¼ 10 UhrVormittagsholt uns Anastasizum Pascha ab in 2 Wagen; aufdemWege aber begegnet unsderPascha selbst mit großer Cavalkadeundder Brillantdekoration als eben ernannter Großvesier, Ibrahim -35 PaschaanderSeite; ein Dollmetsch reitet an uns heran, es heißt, der Pascha sei etwas indisponiertundwolle sichnachdenGärten begeben, er wünschedieZusammenkunftmorgen. Was war zu machen; wir kehren umundfahren wieder nach Hause. Ich schreibe alsdann meinen Brief beinah fertig, mache mit Freiund Bonomieinen Ritt nach dem Thorvon--- und während Freimalt, zeichne ich. Gegen Abend zurück. Beim Diner läßtMister Wildsehr viel Champagner fließen, weildieHochzeit seiner Schwester mit dem Architekten ----- heut ist. Ferner warderJahrestag des berühmten Briefesvon ChampollionanMonsieur Dacierüber seine EntdeckungderHieroglyphen, der grade 20 Jahr her ist. Noch viele andre Gesundheiten wurden ausgebracht, selbst meine, als Repräsentant der deutschen Architektur. Nachher wandern wir wie immer auf unserm Platz im klaren Mondschein; eine arabische Musik lockt uns ineineStraße,undes zeigt sich ein festlicher Zug.ArabischeMännerundFrauen mit Kiehn-Fackeln,dieProcession einer Beschneidung. Die Kinder reiten auf einem Esel, wie auchdieMutter. Eine ArtvonTamburin (es waren deren 4) wurden im Takt geschlagen, Pfeifen dazwischenunddie Weiber brachten mit ihren Lippen den Ton einer Pfeife, die mit Wasser gefüllt ist, hervor; Jungen schrienundsangen, schlugen Rad etc. Wir begleiteten diesen heiteren seltsamen Zug lange,undkehrtenendlichermüdet heim. -

Freitagden23tenSeptemberUm 9 Uhr waren wir Alle zur Audienz beim Pascha angekleidet. Ein Paar Minuten darauf kam AnastasimitdemWagen,undwir (ausgenommen Franke) fuhren zum Palais. Breite Marmorstufen führten in einen großen sehr hellen Vorsaal a

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; an dem Eingange zum36 Saale b standen 3 - 4 Mann Wache mit Gewehren, an der Thür zum Zimmer c, wowahrscheinlichdie Vasen (Geschenk des Königs) standen, 1 Mann Wache, verschiedene Türken lagen aufdenDivans umher, oder standen. Wir warten nicht hier; Anastasimit Lepsiusvoran, wir Andern folgend treten vordenWachen vorbei in das Audienzzimmer b, wo inderrechten Hinterecke, von Dolmetschern und Andren umgeben, deren Kreis sich bei unserm Eintritt öffnet, der Pascha uns stehend empfängt; Lepsiuswird ihmvon Anastasivorgestellt,undeinige Worte der Begrüßung gewechselt; sodann geht er auf seine Divanecke zu, wo ein eignes drap d’argent-Kissen für ihn liegt, steigt auf das sehr hoheundbreite, rothe Divan, während wir ihm zur Rechten, zuerst Lepsius, dann ich, Bonomi, Wildetc., zur Linken aber Anastasi, Platz nehmen. Mehmet Alihatte einen rothen Feß fast bis andieAugen aufdenKopf gedrückt, eine dunkelblaue JackeundTuchhosenvonderselben Farbe,undrothe Saffianschuhe an; durchaus einfach; nur seine Brust schmückte die große brillantne Dekoration des Großvesier Ordens. Der krumme Säbel, der über den Knieen lag, hing an einer blauundweißen gedrehten Schnur; um den Leib unterderJacke hatte er von gestreiftem rothundweißen ordinären Zeuge eine breite Schaalbinde; das Gesicht, nicht allzu braun mit glänzenden etwas stechenden Augen[,] schmückt ein prächtiger weißer Bart; die Nase stark hervortretend, der Mund ein wenig offen, wenigstens bisweilen. Er war meist freundlichundder Eindruck seines Gesichts im Ganzen mehr klug und energisch, als imponierend, aber höchst interressant. Vor ihm stand der Dollmetscher mit einem Fliegenwedel. Die Unterhaltung begann mit Erkundigung nachderGesundheit des Königs, ging auf37 die Zwecke unsrer Expedition über;derPascha fragte, ob Lepsiusder einzigevonuns wäre, der sich mitdenHieroglyphen beschäftigt hatte,undwas wir wären, er bemerkte sodann, daß wir in seinem Lande jetzt mit vollkommenster Sicherheit reisen könnten; dann wandte LepsiusdasGespräch aufdieExpedition, die Mehmet Aliselbst nachdem weißen Nilausgerüstet hatte,underwähnte lobend dieser Bemühung zur AusbreitungderWissenschaft; der Pascha erzählte darauf von einem Franzosen, derdieReise mitgemacht, aber immer ermüdet gewesen wäreundnicht hätte reiten mögen, während er doch stets zu Pferde gewesen sei. Als LepsiusnachseinerGesundheit fragte, bemerkte er, fürseinAlter sei sie gut; er sei 75Jahre(eigentlich 72 Sonnenjahre),undwenn er auchdasviele Gehen nicht gewohnt sei, so reite er doch gernundviel. Den Brief des Königs hatte er sich mittlerweile übersetzen lassen,undlas ihn; dankte fürdieGeschenke, versprach uns seine ProtektionundsagteseineEmpfehlung andenKönig, sowie, daß er ihm selbst schreiben wolle, wenn wir zurückkämen. Auch wurdevonderSammlungvonegyptischenAlterthümern gesprochen, die er in Cairobegonnen habe,unddarauf erwiederte er, es sei das Alles erst im Entstehenundes sei bis jetzt nicht viel geschehen. Inzwischen waren uns Allen kleine arabische Tassen Caffee präsentirt worden, die in schönen Becherchen (grade wie unsre Eierbecher) ruhten; der Café war gut, ohne Zucker, mitdemGrunde gekocht. Nacheinerstarken halben Stunde gab Anastasian LepsiusdasZeichen zum Aufbruch; der Pascha selbst stiegvonseinemSitz[und] entließ uns freundlich grüßend wiederum stehend. Es war als besondere Artigkeit angesehen, daß er selbst nicht rauchte, da er natürlich uns Allen nicht Pfeifen anbieten konnte. Nun fuhren wir zurück vollvondieser interressanten Audienz. Als wir fortgingen, sahen wirdenPascha ausdemZimmer b nach c hinübergehen,38 die Wachen präsentirten,undwir, die wir noch einige Minuten im Vorzimmer geblieben waren, erhielten noch einen Grußvonihm. - Am Nachmittage machte ich mit Bonomiund Freieinen Spatzierritt nachdemHafen[und] dem Meergestade beiden Obelisken, Freimalteundich ging umher. Lepsiuswar heutzumenglischenGeneralConsul Barnettgeladen. -

Sonnabendden24tenSeptember1842Um 6 Uhr weckte mich Bonomi,undich ritt mit ihmund Freiwiederum nach dem Thor der Pompejussäule, was ich diesmalvonderStadt aus zeichnete; Freimachte eine treffliche Palmenskizze in Öl. NachdemDejeuner malte ich dieses Thor in Wasserfarben. - Am Abend mit Frei, ErnstWeidenbachundDr. Schreiberzum Gibara, wir besehen seinen Garten, die ausgegrabenen Säulenschäfte hinter demselben, den trefflichen Kiosk, gehennachobenundsind beiseinemEssen[zugegen], wo es frischen Spargel gibt.InzwischenkommtderPascha indenKiosk. Dann gehen wir ganz oben[,] trinken KaffeeundraucheneinePfeife; wieder hinunterundich spiele mit Ernst2ParthienBillard. Ein schönes BouquetvonCantifolienundandren Blumen nehmen wir zum Geschenk mit. Nach 7 kommen wir nach Hause.

Sonntagden25tenSeptember1842. Um 9 Uhr Vormittag ging ich mit Lepsiuszu Anastasiundwir fuhren mit ihm zu Boghos- Bey. Seine Wohnung war sehr einfach; vor seinem Haus eine Wache von etwa 9 Mann; aufdemHofe laufen 2 Strauße umher. Er kam uns freundlich entgegen, ließ uns niedersitzenundbeganndieUnterhaltung miteinerSchmeichelei, wie außerordentlich wohlwollendderPascha die Sendung seiner Majestät aufgenommen; es sei der erste Brief, den ervoneinem König erhalten habe; dann39 kam man auf die Geschenke des Königs, ging auf diesen selbst über, sprachvonseinerReise nachdem Rhein, wo er eben zurückgekehrt war, vom Kölner Dom, selbstvonderenglischenAngelegenheit, dann wieder ward auf Egyptenübergegangen, LepsiuserwähnteseineAbsicht von Ausgrabungen, schlug auch vor,dieSammlung Mehmet Alisin Cairovergrößern zu helfen. Schmeicheleien kamen dazwischen oft vor. CaffeundPfeifen wurden präsentirt wie auch Sherbet (was mir eine Art Himbeersaft in Wasser schien; es schmeckte sehr gut). Nacheinerstarken halben Stunde empfahlen wir unsSeinerExcellenz, die uns bis andieTreppe begleitete,undsehr artig Abschied nahm. BoghosBey hatte einen dunkelbraunen KaftanvonTuch gemacht an, einen weißen Turban bis andieAugen gedrückt,undwar höchst einfach angezogen wie eingerichtet. Er erscheint kaum so alt wiederPascha. Er ist ein Armenier. Seine Augenbrauen hoch gekrümmt, wie seine Nase; die Augen etwas matt; vorstehende Unterlippe mit Stoppeln bedeckt; die Oberlippe trägt einen Schnurrbart. - Da Ibrahim Paschanicht zu Hause war, begaben wir uns zurück indasGasthaus. - Den Nachmittag verbrachte ich mit Abschreiben einesfranzösischenBriefes, dervonderdritten Expedition des Paschas nachderQuelle des weißen Nilshandelte; doch mußte ich esendlichaufgeben, weil ich zu vieles nicht entziffern konnte; die Copie war vom Dr. Schreiber; der Originalbrief andengriechischenConsul Tuffizagerichtet. - Abends wieder in das Cafée, EisundLimonade genossen, dann mit Bonomiim Mondschein umhergewandelt; heut habe ichdenlangen Brief andieMutter zugemacht, weil morgen dasenglischeDampfschiff abgeht. -40

Montagden26tenSeptember1842Ich schreibe heute mit großem Eifer andemfranzösischenBriefe des Mr. Arnaudbis 2 Uhr, bekomme ihn aber doch nicht ganz fertigundes wirddieAbschriftvonDr. Schreiberabgeschickt. Heut geht dasenglischeDampfschiffundeine Menge Briefe wurden zur Post besorgt. Während LepsiusverschiedeneOrte der Umgegend besucht, reite ich mit Bonomi, Franke, Freiund Maxzum Pallast des Pascha, um die Vasen zu besehenvomKönig. Wir müssen lange warten, weil Dinerda ist,nämlichderfranzösischeConsul; unterdessen unterhalt ich mich mit Ackermann, dem Kutscher des Pascha.Endlichfährt Mehmet Alifortundwir kommen indasPalais, wo unsderKammerdiener Carlherumführt; BonomiintürkischerKleidung muß baarfuß durch die Zimmer gehen. Die Zimmer sind eleganter als ich geglaubt habe,französischeingerichtet, schöne Diwans, Tapeten, viel Spieluhren, auch GemäldevondemSohn Ibrahim Pascha’sund3er Kinder Mehmet Ali’s, auch eins des Herzogs Max von Baiern, wie er mitseinemGefolge unterdenRuinenvon Thebenumherreitet. Die Vasen unsres Königs sind sehr geschmackvoll, besonders die großen; die Arabesken aber noch mehr als die Bilder selber. Treffliche Mosaiktische, Geschenk vom Papste; elegantes Schlafzimmer des Pascha. Aussicht überdenHafenunddasMeer. Dann nach 6 Uhr zurück zum Gasthof. - NachdemEssen noch indasCafeeundmitdenbeiden deutschen Naturforschern im Cafée geplaudert; nachher mit Lepsiusund BonomiwiedereineLektion imArabischen. 41

Dienstagden27tenSeptember1842. Am Morgen zu Haus geblieben; später mit Lepsiuszu DumreicherundRücksprache wegen des Dollmetschers genommen, dann zumHerrn Werne, dem Deutschen, derdieSammlung zu verkaufen hat; er war nicht zu Hause. Gegen Abendreiten Lepsius, Bonomi, Schreiber, Maxundich zum Thorvon Rosettehinaus, um die zerbrochnen Stücke einer Statue zu besehen, diewahrscheinlicheinemRömischenKaiser, egyptisch aufgefaßtundcoloßal, angehört; es waren etwa 9 Stück, deren Maaße wir nahmen. Sie liegen nicht weitvondem Canal Mamudieh. Bewässerte Felder zogen sich hier indieEbne hin, auf denen hellgrüne Kleesaat freundlich keimte. Hohes Rohr umfriedigte dieselben; kleine Bewässerungs-Kanäle zogen sich kreuzundQuer durch sie hin. Eine ViertelstundevomThore waren auf beiden Seiten Hügelvonaufgeschüttetem Boden, wohl alles Schutthügel des alten Alexandriens; auch findet man rings inderEbneundaufdenHügeln StückevonSäulen, Steinchen die zu Mosaik verwendet gewesen, alte Römische Ziegelbrocken etc. Diese Ausflucht war sehr interressant. - NachdemAbendessen trink ich[,] wie immer, meine Limonade, spatzieren mit Bonomiundhöreendlichnoch Lepsiuszu, wie er am Claviere singt. Um ¾ 10 zu Bett.

Mittwochden28tenSeptember1842. Gegen 8 Uhr gehe ich heut zu Werne, um beim Einpacken der Sammlung zu helfen; wir beschäftigen uns zuvörderst mit dem Anfertigen eines genauen Cataloges der ThiereundVögel; um 11 Uhr löst mich Freiabundich exerziere mit meinem Dejeunée nach. - Der Nachmittag wird mit fernerem Einpacken42 der Sammlung desHerrn Werdeso zugebracht; der Firman des Pascha wird erwartet, kommt aber nicht. Ein Dollmetscher wird genommen; auf den Abend wieder Eis gegessen.

Donnerstagden29tenSeptember1842. Mein Geburtstag. Ich bringe ihn mit fernerem Einpacken der Sammlung zu, sowie mit Umpackung unsrer Effekten. Mit einem Tischler werden die Reparaturen der altenundeine neue Kiste besprochen. Die erwarteten Firman’s kommen heutvomPascha. Der gestrige Dollmetscher wird weggeschicktundein andrer gut empfohlener genommen, Namens Mohammed, sowie ein zweiter Diener, diesem zur Hilfe Namens Seid. Ich denke heut viel nach Hauseundnach Jacobskirch. Zum Zeichnen komme ich der vielen Packereien wegen gar nicht mehr. - Wir befinden uns Gott sei Dank, bis jetzt Alle wohl, und werden wohl etwa übermorgen aufbrechen. Der Pascha will sich noch kalotypieren lassen, doch wer weiß, ob es Morgen geht. Das Einpacken der Sammlung wird heut fertig. Eßgeschirre sind heut angeschafft. Gegen 6 Uhr reite ich noch mit Bonomiund Freiein wenig aus; wir macheneinenBesuch beieinemarabischenDiener im recht hübschen Landhause. Die Hitze hält sich immer noch auf 22° im Zimmer; Regen haben wir noch nicht gesehen; die letzten Tropfen waren in Corfu. - Abends esse ich wie gewöhnlich ein Glas Eisundplaudre mit Lepsius, dem ich sage, daß mein Geburtstag[ ist]. 43

Freitagden30tenSeptember1842. Ich gehe heut zuvörderst mit Lepsiuszudeneingepackten Kisten des Werne. Es wird mit einem Kaufmann deren Besorgung abgemacht. Wir besehen diekleinePyramide mit Antiquitäten, aucheinekleineMuschelsammlung bei einem Italiener. Dann Frühstück; nachher hinüber zum Packen unserer Kisten; die neuen sind von den Tischlern angekommen; Freiund ErnstWeidenbachpacken. Von da zu Schreiber, der uns, mirund Freieine nette Madratze mit Kopfkissen schenkt. Da der Pascha ausseinemGarten heut nicht mehr zur Stadt kommt, wird aufdenAbend die Abreise bestimmt. Am Nachmittag kaufe ich mit demenglischenTischlerunddem Sekretärvon Anastasi, Tauwerk, Walzen, große[Leinen], Hammer, Meißel, Flaschenzug; auf einem Cameele schaffen wir die Sachen gleich nachderBarke, die ich mit Lepsiusam Vormittag genommen habe. Alsdann nach Hause; die Cameele zum AufpackenderSachen sind da; ich packe schnell meinen Mantelsack, es fängt schon an[,] dunkel zu werden. Die Kisten gehen mittlerweile ab. Ich gehe noch hinüber zu Anastasi, ihm adieu zu sagen; dann mit Dr. Schreiber[,] um noch einmal Eis zu essen; dann zum[Mittag],undnun mit Lepsiuszum Banquier, wo wir die Geldgeschäfte abmachen. Dann esse ich etwas; jetzt kommtdasGeld, wir zählen die 300 Dollars für Werneab; nun kommtdieRechnungvon Coulomb(unser Gasthaus); es sind über 4400 Piaster. AufdenAbend schickt Anastasi2 Wagen,undetwa um 9 Uhr bei Laternenschein fahren wir nach der Barke am Canal Mahmudieh. Vermöge eigner44 Parole kommen wir durchdasThor. Ein Esel hinterdrein, der das Gepäck (d.h. die Mäntel trägt). Wir kommen glücklich aufdieBarke, den Kutschern wirddasTrinkgeld applicirt,unddurch Auspacken einiger Laternen wird der ersten großen Verwirrung einigermaßeneinZiel gesetzt. Leider sind fürdieNacht keine Decken gekauft worden; es findet sich, daßdasBett mit 2 Decken von Wild vergessen ist,undjetzt hat er große Noth mitseinemSchlafen. Ich gebemeinenMantel an Frankeundliege auf meiner Madratze unbedeckt; meine Matrosenhosen werdenzumerstenmal angezogen. Lepsius, Bonomiund Frankebleiben draußten, wir andern drin; ich aufderBank;undso liege ich ziemlich lange Zeit ohne zu schlafen.

Sonnabendden1ten October 1842. Vor Sonnenaufgang sind wir alle auf; ich fühle mich mittelmäßig erquickt; der Morgen ist kaltundfeucht. Die Sonne geht schön hinter Wolken auf. Der Mahmudiehist ziemlich breit, beinah wie unsre Spree, wenigstens inderStadt. Am Morgen legen wir an einem Dorfe an; es wird für 3 ½ rth.einHammel gekauftundgeschlachtet; ich gehe ans Uferundhabe eine nette Aussicht auf grüne Ebnen, diesseitundjenseit des Canals; die elenden Hütten werdenvonTamariskenbäumenundPalmen aufdereinen Seite eingefaßt. Die Mücken haben mich inderNacht gestochen,undbei Tage sind die Fliegen unausstehlich; das gelbe Canal-Wasser hat keinen üblen Geschmack. Am Morgen früh schlürfen wireinekleineTasse Caffe,undum 9 Uhr wird Brod mit Käse gegessen, was sehr gut schmeckt. Um 12 Uhr wird Mittag gegessen Pillav (Reis)undHammelfleisch; aufderErde werden die zinnernen Teller auf einer Kuhhaut ausgebreitet; ich schneide vor,45undso essen wir ländlich, sittlich; es schmeckt uns recht gut, Bananen, RosinenundMandeln machen den Nachtisch. Ich schieße 2 mal nach Vögeln ohne zu treffen; es ist hier das erstemal, daß ich meine Flinte gebrauche. Die Ufer des Canals gewähren bisweilen Einsichten indasLand, wo man in Sumpfterrain hineinschaut. Um 4 Uhr etwa erblickt man Atfeh, woderCanal indenNil mündet. Wir packen unsre Sachen, um zur Ausschiffung bereit zu sein. Wir nähern uns Atfeh; 2 Reihen Bäume auf beiden Seiten fassendenCanal ein wieeineStraße[,] Lehmhütten, wie Schwalbennesterundvonderselben graugelben Farbe werden dahinter sichtbar, wir sind in Atfeh;zwischenunzähligen Barken legen wir an; Lepsiusmit Bonomigehen indieStadt, umeineBarke nach Kairozu suchen: IneinerStunde kehren sie zurück,undnun gehtdasAusschiffen los. Beidemschönsten Abendhimmel wird es vor sich gebracht. Heute regnete es zum erstenmal ein klein wenig[,] der Himmel war bewölktundgewährtebesondersbei Sonnenuntergang einen schönen Anblick. Frankefängt einen Fisch, der ihn indenFinger sticht. Unsre neue Barke ist viel kleiner alsdiealte. Im Dunkeln werden erst alle Sachen hinaufgebracht, besonders unsre langen[Bahnen]. Um 7 Uhr etwa stoßen wirvomUfer,undnun sind wir auf der ungeheuren Nilfläche; wir segeln nicht ganz ohne Sorge etwa eine Stunde im Dunkeln weiter, vor dem Dampfschiff vorbei; bald legt sichderWind, wir werden gezogen,undkommen endlich nach Fuah, wo wirdieNacht bleiben. Zuerst wird ein kalter Hammelbraten mit SalzundBrod verzehrt, dann, während die Sachen etwas aufgeräumt werden, gehen Bonomi, Frei, Maxundich in ein Café am Ufer mitkleinenLämpchen erhellt, wir trinkeneineTasse Caféundrauchen draußen[. ]46Dann machen wir uns inderengen Kajüte unser Lager zu recht, so gut es geht; ich liege drin aufderschmalen Madratze; mein Schlaf war mangelhaft wegen der vielen Mücken, die HändeundFüße (selbst durch HosenundStrümpfe) zerstachen. ** Wir hatten diese Nacht inderFerne Wetterleuchten,undspäter regnete es auch bei uns tüchtig.

Sonntagden2ten October 1842. Das Grauen des Morgens fand uns aufdenBeinen, gestochenundwenig erquickt; aber vor uns war die mächtige Fläche des Nilarms ausgebreitet; das dicke gelbe Wasser rauschte unter uns hin, rechts und links sehen die flachen Ufer[,] mit Schilf oder Rasen bekränzt, hervor; einzelne Ortschaften, aus elenden Lehmhütten gebaut mit GruppenvonPalmbäumen, die sich gegen den klaren Himmel erhoben, schwanden fernundnah an uns vorüber; Moscheen in bekannter Form bezeichneten sievonferne. Interressant war es, wenn der Wind nachließunddann schnell unsre Araber (wir hatten im Ganzen etwa 6 Mann) nackt indasWasser sprangenundandasUfer schwammen, umdasFahrzeug zu ziehen; sie sehen mit ihrem Schopfe wie[amrikanische]Wilde aus, schöne dunkelbraune Gestalten; sie schwimmen mitderLeine sehr gut durch den reißenden Strom, ihre einfache Kleidung, meist nur ein Schurztuch um den Leib, ward überdenKopf gehalten,undso ging es durch den Strom. Das Frühstück ward an einem malerischen Orte eingenommen,[und] um Mittag machten wir, Frankeausgenommen, einen AbstechervonderBarke indasLand, um beidemOrte Sa el Hagar, dem alten Sais, die noch etwa vorhandenen Überbleibsel zu sehen; Gräben durchschnitten überall den fruchtbaren Boden, der schwarzbraunvonderSonne tief zerklüftet, oder, wo er nicht trocken war, schlammig erschien. Araber trugen uns durch die Gräben auf den Schultern; ich, der längsteundschwerste[,] tauchte ein wenig mitdemHintern ein, was manches Lachen47 gab. Mais(türkischerWeizen) bedeckte häufig die Felder. Endlich kamen wir zu der großen Umwallung der alten Stadt, die von Nilschlamm, anderSonne getrocknet, erbaut war. Die muthmasliche Stelle des TempelsoderderBurg bedeckten TrümmervonNilschlamm, deren ungefähre Aufnahme mir zu thun übrig war. LepsiusschrittdieUmwallung ab, die etwaeineHöhevon15-30[ Fuß] hatte. Freizeichnete die Trümmer. Von GranitrestenoderHieroglyphen fanden wir nichts. Wir durchschritten nachher in heißestem Sonnenschein noch die ausgebreiteten Trümmer der Nekropolis (allesvonNilschlamm), wo wir jedoch auch nichts Bemerkenswerthes fanden. Hungrigundmüde kehrten wir zum Schiffe zurück. Der Pillaw (in Wasser gekochter Reis mit Hammelfleisch) schmeckte trefflich. Bald ziehend, bald mitdemWinde ging es langsam vorwärts. Die Ufer des Nilarms haben einziemlichgleichmäßiges Ansehen. Ortschaften mit einzelnen Palmenundandren Bäumen unterbrechen das flache Ufer. Am Abend ward gesungenundso kamdieNacht heran, die mir der Muskito wegen auch nicht viel Schlaf gewährte.

Montagden3tenOctober42. Heute stiegen wir an einem Orte aus, wo ehemals ein Canal indenNil mündete. Die Gegend war sehr freundlich; wir hatten unsre Flinten mitundschossen nach Tauben, deren unzählig viele in dem Sumpfterrain sich aufhalten. FederviehundVögel aller Art, gibt es genug. In einem Limonenwäldchen nahe am Nilwurden möglichst viel Limonen gesammelt. Übrigens war hier nichts weiter zu sehen. Der Rückweg wurde uns sehr erschwert, dadurch, daßdieBarke voraus gesegelt warundwir des Sumpfterrains wegen ihr nicht folgen konnten. Nach langen Umwegen kehrten wir zur alten Aussteigestelle zurückunddieBarke nahm uns hier auf. - Später ward heut wieder eine Exkursion gemacht tiefer ins Land hinein nachdemOrte Cafr el Naharieh, die Flinten wurden wieder mitgenommenundmanche48 Taube geschossen, einige andre Vögel schossen wir lahm. Bei einem breiten Canal fanden wir glücklicherweise eine Barke, die uns übersetzte. Kleinere Canäle wurden auf den Schultern unsres rüstigen Arabers überschritten, wobei Ernstund MaxWeidenbachsehr stark getauft wurden. Nach Überwindung dieserundandrer Schwierigkeiten gelangten wirendlichandenverlangten Ort, wobei uns Bonomidurch sein arabisch Sprechen sehr nützlich war. Wir fanden das Dorf Mahariehso ganz überdenalten Trümmern erbaut; diese bestanden aus gebrannten harten Ziegeln sehrkleinerForm. Diese Ausflucht belohnte sich in so fern, als manche Steine mit Hieroglyphen gefunden wurden; wobei auch Königsnamen, die für Lepsiusvongroßer Wichtigkeit waren; das ganze Dorf ward durchstöbertundalle Granitschwellen untersucht; - Unzählige Masse gefallenen Viehs, was überall umdasDorf umherlagundfaulte, machte den Aufenthalt beim Dorf abscheulich; die Sonne brannte sehr heiß. Meine Füße, die andenHacken durchgelaufen waren, schmerzten mich. Glücklicherweise fanden wir aufdemgroßen Canal unweit des Ortes einen Kahn, der uns eine ganze Strecke mitnahm. Eine Menge Tauben wurden geschossen. Mit sinkender Sonne hatten wir den letzten starken Canal zu passiren, der breit mit starker Strömungundtief war. Unser Araber, nackend trug uns Einen nachdemAndern aufdenSchultern hinüber, es war interressant anzuschauen, 7 mal mußte er hinundzurückunddas 8e mal noch holte er die KartenundFlinten; Mein Stiefel fließt voll Wasserundhinkend lege ichdasEnde des Weges zurück. Auf dieser Tour sehen wir große Felder von Baumwolle inderBlütheundschon gereift; aus 3 Samenkapseln quellen dievonderfertigen Baumwolle umgebnen Samenkörner hervorunddieWolle fliegt aufdemBoden umher; die Stauden haben feigenförmige Blätterundgrüngelbe malvenartige Blüthen. Spät im Dunkeln49 erreichen wir ineinemDorfe, das sehr lebendig war,undeine Art Markt hatte, die Barke, Alle sehr müde. Ich wasche meine Füße, die mich schmerzen; wir essen MilchreisundEierkuchenundgegen ½ 10 lege ich mich aufmeineMadratze schlafen; aber das ist nicht möglich, alle Wunden der Mücken brennen fieberhaft, das Geschrei der Araber, die unbequeme Lage, Alles dieß bringt mich erst sehr spät zur Ruhe. Seit unsrer Abreisevon Alexandrienhab ich meinen Sommerrockundmeine grauleinenen groben Hosen an, die sehr praktisch sind.

Dienstagden4tenOctober1842. Der frühe Morgen findet uns wach, wir sind aneinerStelle, wo wir wieder Ruinen der Carte nach angegeben finden,nämlichhinter dem Orte Rafr el DariehnachderWüste zu. Ich, ohne Strümpfe in meinenBerlinerLederschuhen gehe mit; noch einmal wird mittelst Barke übergesetztundmeist in märkischen Sande mit Schilfgras büschelartig überwachsen geht es fernen Berghügeln zu. Schwarze, vom Nilschlamm überdeckte Felder werden umgangen, die Gegend wird immer öder, man merkt, daß man am BeginnderWüste ist; doch aber siehtmannoch Grünes um sich her. Nach 1 ½StündigemMarsche gelangen wir zu den Schutthaufen, die aber,vomSande fast ganz verdeckt[,] nichts sehen lassen, als einen großen Stein, der vielleicht ein Grab bedeckt hat; etwas Brodundmitgenommenes Wasser erquickt uns inderstarken Hitze. Nach einigem Ausruhen kehren wir auf demselben Wege zurück. Die beiden Weidenbach’s,vongestern sehr erschöpft, sind nicht mitgegangen, aberzumerstenmal Franke, der noch jetzt nach mehreren StundenvonSchweiß aufgelöst ist. Nach der etwas angreifenden Tour ward unser Milchreis und die geschmorten Tauben genossenunddann auf deutsche Art Caffee getrunken, was mir sehr gut schmeckt. Jetzt ist es ¾ 1, unsre Barke wird gezogen; Lepsiusund Weidenbachschlafen, auch Frankeruht; wir kommen sehr langsam vorwärts,undich glaube[,] wir erreichen kaum morgen Cairo. 50Nachmittag stand ich mit WildaufdemSchiffe,undwir schossen nach Vögeln; unsre Flinten waren an einem Pfosten der Cajüte angebunden, ein Vogel setzt sich auf unsre Rae, Lepsiuswill ihn schießenundruft nacheinerFlinte; Ernstwill sie schnell loslösen, stößt gegen die Bankeundder Schuß gehtzwischenmirundihm glücklicherweise indieDecke; es war uns Allen einvonGott gegebner guter Rath, vorsichtig mit Feuergewehren umzugehen. - Am Abend bei unsren Laternen saßen Lepsius, Bonomi, Wildund Freiundich und es wurden Geschichten auffranzösischerzählt. Ich heutzumerstenmal schöne Granatäpfel, eine weinsäuerliche Frucht aus kleinen rothen Kernen bestehend. Es war heutderVorabend des Rhamadanfastens, was morgen beginnt,undeinenMonat dauert. Unser Aller Gesundheit läßt nichts zu wünschen übrig. - DieverschiedenenArten schöner Laubbäume, Akazien, Tamarisken, Sykomorenundwie sie heißen mögen[,] machten mitdenPalmenundLehmhütten der armen Dorfbewohner höchst malerische Ansichten. -

Mittwochden5ten October 1842. Nach der ersten schön durchschlafenen Nacht tranken wir auf deutsche Art mit frischen Butterschnitten auf geröstetem Brothe unsren Café in der Ortschaft Wardan. Jetzt steigen uns zur Rechten die Bergzüge der Lybischen Wüsteempor, grau, nicht allzu bedeutend hoch, fast eine grade Linie bildend; vorn bisweilen ganz gelber Sand; um ½ 11 UhrVormittagssieht Freisich zum erstenmal die Pyramidenvon Giza; bald werden zwei sichtbar, endlich auch die dritte kleine in großer Ferne; es war bei dem Dorf El Goneimieh. Um ½ 2 Uhr kommen wir bei sehr günstigem Winde zum Kuhbauch, an den vereinigten Nil, der doch beiseinerjetzigen Höhe eine außerordentliche Wasserfläche bildet, fast übervoll mit grünen Inseln zertheilt. Weiße Segel ziehen an uns vorüber. Ortschaften mit lumpigem Volke, was schreitundstreitet. Fatale Hunde; nackte KinderundGroße ohne ScheuundScham. - Während ich schreibe um ½ 3 Uhr wird mitdemFernrohr Casr el Cahiraerblickt. - Heut hatt51 ich den Ärger, mein schönes Messer, nochvomVater her, ausderTasche indenStrom fallen zu sehen, als ich mich bückte, um Wasser zu schöpfen. - Die Landschaft wurde nun schöner, die Laubbäume häufiger, Fabrikgebäude[und] Villen lagen in freundlicher Umgebung am Ufer; mit dem günstigsten Winde landeten wir etwa um 4 Uhr nach eingenommenem Mittagsmahle in Bulack, dem nur ¼Meileentfernten Ortevon Cairo. Im dicksten GewimmelvonSchiffenundMenschen zwängten wir unsre Barke andasUfer. Lepsius, Bonomi, Freiundich machten uns auf Eseln aufdenWeg nach Cairo; die engen Straßen wurden durchzogenundwahrearabischeArchitektur fesselte überall meine Blicke. Aber die Gassen sind so eng,dasGewühl so groß, daßmansehr aufdenWeg Acht haben muß. CameeleundPackesel zwängen sich an uns vorüber, es ist unendlich interressant. Wir haben Bulackmit einer trefflichen Moschee passirt; eine breite mit Akazien eingefaßte Straße führt uns Cairoentgegen. Nach ¾ Stunde reiten wir durchdasThor gewissermaßenzwischen2 dicke runde Festungsthürmen eingeklemmt; voreinemgroßen Palast vorbei, suchen wir zuvörderstHerrn Liederauf, er wirdendlichgefunden;undnun geht das BesehenvonWohnungen los. Wir suchen erst nochHerrn Isenbergauf, der mitHerrn Mühleisenzusammenwohnt. Ersterer begleitet uns, wir finden endlich schon lange im Dunkeln ein leeres Haus, ohne Möbel, was monatlich für 100 Piasterund100PiasterTrinkgeld uns zu Gebote steht; es bleibt uns fast nichts Andres übrig als das zu nehmen, was im Grunde auch gut ist. Wir können nunnatürlichheut nicht mehr nach Bulackzum Schiffe zurückundvertheilen uns so, daß Freiundich zu Isenberg, Bonomiund Lepsiuszu Liedergehenunddort übernachten. Wir hatten ein sehr gutes Loos gezogen; Isenbergund Mühleisenwaren sehr liebeundtrefflicheMenschen. Wie that mir das Abendgebet vordemEssen wohlunderinnerte mich an die Heimath. AufdasAbendessen folgten einige Choräle, die Isenbergaufeinemkleinenorgelartigen Clavier spielte; wie[auf]undschön waren diese lange nicht gehörten Töne. 52Nach angenehmer Unterhaltung legten wir uns auf den zurecht gemachten Divan,undschliefen sehr gut. -

Donnerstagden6ten October 1842. Heut früh brachten wir den ganzen Vormittag biszumCaffee des Nachmittags bei Isenbergzu, weil Lepsiusuns im Stich ließ, der mit Einkaufen zu thun hatte. Wir machten mit IsenbergeinenBesuch beiHerrnMissionar Krapfundseinerjungen Frau, 2 liebe Menschen, sie war eben (eine Baslerin) in Alexandrienmit Krapfgetraut worden. Dann besahen wir unsre neue Wohnung, die im Reinemachen begriffen war; dann lasen wir zu Hause etwas, während unsre Wirthe studirten,undum 12 oder 1 Uhr aßen wir Mittagbrodunddarauf Caffee. Das Leben bei Isenbergunddie Unterhaltung war mir sehr erquicklich. - Beim Caffee kam Lepsiusund Bonomiundnun machten wir uns nach Bulakauf. Die Sachen aufdemSchiff waren alle bereitszusammengepackt;es wurden jetzt Cameele angeschafftundmitdemAufladen begonnen; das unglaubliche Gedränge am Flusse machte die größteWachsamkeitnöthig. Unter ZankenundGeschrei ging nachundnach Alles vor sich; das Bezahlen des Reis war besonders langundheftig, Bonomi, der zurückgehalten wurde, brachte durch sein Arabisch sprechenendlichdieSache ins Gleiche. Nun gingdieCavalkade nach Cairoden 6 Cameelenund1 Pferde, die bepackt waren, nach. Matten waren fürdieNacht angeschafft, auch Decken,undnun machte sich JederseinLager aufdenSteinen so gut es gehen wollte. Ich komme wieder mit Ernst, Freiund Frankein 1 Zimmer; Bonomiund Wildineinandresund Lepsiusmit Maxindasdritte; eingemeinschaftlichesEßzimmer liegt quer vor diesen drei Zimmern. Fliegen[,] MückenundFlöhe peinigen mich bisweilen sehr; Fliegen bei Tag, Mücken bei Nacht; doch das muß ertragen werden. Mit unsern Bedienten ist viel StreitundUnannehmlichkeit; ich bin dafür, uns bald Andre zu nehmen. 53Nach unsrem Abendessen gehe ich mit Bonomi, Freiund Wildnoch spazieren mit unsrer Lampe; die Nacht ist jetzt vom Volke zum Tag gemacht, wegen des Rhamadans. Singen, Musik, Gruppen um die Geschichtenerzähler, die überfülltentürkischenCaffees, die erleuchteten Moscheen, das LebenundTreiben ergötzen mich sehr. Am Platze wird beiderkleinenLampe ein Café genommen, Tschibuk gerauchtundSherbet getrunken; dann um 10 Uhr nach Hause.

Freitagden7tenOctober1842. Nach einer leidlichen Nacht wird zuvörderst Caffee getrunkenunddann mit Freiundden Weidenbachszu FußeineExkursion gemacht; wir zeichneneintürkischesGebäude aufdemPlatz, vertiefen uns in die engen Gassen; ich zeichne die HolzgitterundErker; Volk aller Art, Mädchen, KnabenundMänner umgeben uns; wir verstehen sie nicht. Fliegen peinigen uns, wie die Neugier der Menschen. Wie interressant aber ist solche MusterungderStadt; welche Fülle schöner und doch halbvermoderter Architektur; wo man hinblickt, siehtmanNeuesundSchönes, was man zeichnen, festhalten möchte. - Cairoist ungemein interressant; die vielen Moscheen, die engen Gassen, Bazare, Menschen, Alles, Alles. Um 11 Uhr kommen wirzuHause, um unser Frühstück einzunehmen. Am Nachmittag um 2 Uhr reiten wir, Frei, die Weidenbachsundich zuerst nachder Citadelleaufden Mokattam; man sieht hier ganz Cairomitseinenunzähligen Moscheen vor sich; ein großartiger Anblick; es ist sehr heiß. Von hier hinunter an deninterressantenGräbern derHerrschervorbei nach Hügeln nebenderStadtundeiner Wasserleitung. Auf den Hügeln zeichnen wir beidemGestankvonverpestendem Vieh. Dann weiter über die Hügel, die Pyramiden im Angesicht. Wieder durchdieWasserleitung durch, wird aneinerBrücke vorderStadt Halt gemacht, wo wieder gezeichnet wird; eine Menge Menschen baden sich im Wasser, eine malerische, romantische Gegend; unsäglicher54 Staub. - Dann durch die Stadt zurück, ein unendlich langer Weg; wir sind 4 Stunden außen geblieben. - Nach unsrem Abendessen macht Freiundich nocheinenBesuch bei Isenberg, wo wir eine trauliche Stunde zubringen. Er verspricht uns, am nächsten Sonntag deutschen Gottesdienst zu halten, worum ich ihn bat,undwas mir sehr erfreulich ist. AufdemRückwege treffen wir Bonomiund Wild, wir kehren um,undkaufen noch Tabak aufdemBazar. Dann sehr müde zu Hause. Unterhaltung mit Bonomi, spaßhaftes Tanzenunddann zu Bett. -

Sonnabendden8tenOctober1842. Heute Morgen ergänze ich dieß seit 2 Tagen liegengebliebne Tagebuch. Freiund Ernstgehen hinaus, zu zeichnen; ich werde nachfolgen. - Ich bin nachgegangenundhabe mitgezeichnet, eine sehr hübsche Ansicht mitderSakiehundden 2 großen Bäumen im Vordergrunde aufdemgroßen Platz inderStadt. Gegen 12 Uhr kommen wir nach Hause[und] nehmen unser Déjeuné ein. Nachher zeichnen wir Pläne vom Architekten Linantdurch, die er vom Fayoumunddem Nil bei Assuanaufgenommen hat; es arbeiten daran Ernst, Frei, Maxundich. So kommt unser Diner um 6 Uhr heran, nachher erhalten wir Besuchvon Isenbergund Mühleisen. Um 8 Uhr aber mache ich mich zurecht, um mit Lepsiusund BonomiBesuche zu machen; da der Rhamadan ist, werden sie des Abends abgestattet. Mit unsrem Cavaich voran nebst einer Laterne reiten wir ausundwollen zu Champion, der uns vorstellen will; er kommt uns mit DollmetscherundFackelträger entgegen; so bilden wir eine interressante Cavalkade,undreiten durch die volkbelebten Straßen zunächst zu Abbas Pascha, dem Sohn Mehmet Alis, wir werden freundlich aufgenommen, TschibukundCaffée wird präsentiert; er selbst raucht eine kostbare 4[ Fuß]55 hohe silberne Nargileh; die Unterhaltung mitdemDollmetscher waritalienischundich verstand nicht Alles; doch aberdenSinn. Abbas Paschaist klein, inmittleremAlter, beweglich,〈…〉〈…〉; hatte übrigens keininterressantesGesicht; ein ächter Türke. InseinemZimmer hingeinKronleuchtervonderDecke mit 4 Wachslichtern, 2 große 4[ Fuß] hohe Leuchter mit Altarkerzen standen anderErdeundeinige andre Armleuchter noch, ringsumher die Menge Dienerschaft. Von hier ging es nach der Citadellehinauf, durchdieganze Stadt hindurch zum erleuchteten Palast des Scherif Pascha; an mehreren Zimmern vorbei[,] die mit Schreibern gefüllt waren, kamen wir indasgroßeGesellschaftsZimmeroderSane; das ganze Gebäude schienvonMenschen zu wimmeln; viele HundertevonEselnundPferden fülltendenHof; auf jedem Divan saßen Gruppenvonredenden Personen. Der Pascha hielt gradeseinGebet,undwir mußten etwas warten; dann aber wurden wir vorgestellt[und] uns Cafée gebracht. Scherif Pascha,derGouverneur (vice)von Cairowar ein höchstinterressanterMann, geistreichen lebendigen Gesichts, sein Bart schon ins Graue spielend; blitzende Augen, heiter, herzliches Wesen; letzteres zeigte erbesondersgegen Bonomi, der ihnvonfrüher her kannte. Die Unterhaltung dauerteziemlichlange;endlichempfahlen wir uns,undwieder ging es durch die engen Gassen, derenarabischeArchitekturvomFackellicht romantisch erleuchtet wurde, dem Pallast des Kriegsministers Achmet Paschaentgegen. Durch die vielen WachenundDiener durchschreitend, kamen wir in ein prächtiges Gemach, dessen Fußboden mitweißemMarmor ausgelegtunddessen Mitte vertieft, ein Marmorbassin mit Springbrunnen ausfüllte. Große silberne Leuchter standen aufdemBoden umher. Der Pascha saß aufeinemhohen europäischen Stuhleunddrückte unter 40-50 Bogen mit großer Seelenruhe seinen Siegelring, wozu ihm ein Diener eine ganz ordinäre Laterne hielt. Das Gespräch56 wurde durch diese vielen GeschäfteSeinerExcellenz öfter unterbrochen; indessen bekamen wir KaffeeundhöchstkostbarePfeifen; er ließ die Wasser im Saale springen,undwir empfahlen uns, als der Scherifvon Meccaeintrat, um gleichfallsseinenBesuch zu machen. Übrigens rührte er sich weder bei unsrem Kommen noch GehenvomFlecke; nur Scherif Paschawar aufgestanden als wir gingen. Beim Kriegsminister stand besonderseingroßer KreisvonDienern umher, was dem Ganzen ein originalesundfeierliches Ansehen gab. Als ich dort aufdemDivan saßundmeine Pfeife rauchte, dachte ich recht andieHeimathundAll die meinigen, wenn sie mich in dem Augenblick hätten sehen können indenZimmern des vornehmsten Türken indemAnzug, den ich kürzlich bei ihnen des Mittags anhatte, Überrock, schwarze Atlaswesteundmeine Sommerbeinkleider; dazu einen Strohhut. - Dieß war heut die letzte Visiteundum ½ 11 Uhr etwa langte unser Zug wieder zu Hause an. - Interressant waren die erleuchteten Moscheen, bei denen es schien, als ob die Lampen am Himmel in Reihen glänzten, da mandieThürme selber inderDunkelheit nicht erblicken konnte. - NB. Bettler indenStraßen.

Sonntagden9tenOctober1842. Heut Vormittag (um 6 Uhr aufgestanden) wardvonuns Vieren noch eifrig anderDurchzeichnung der Kartenvon Linantgearbeitetunddieselben bis ½ 12 fertig gemacht, wo unser Dejeuné eingenommen ward (Eierkuchen, Granaten, Bananen)[. ]Um 3 Uhr ist heutdeutscherGottesdienst, woHerr MühleisendiePredigt halten wird; wie freue ich mich darauf; jetzt habe ich Tagebuch geschrieben, es ist ¾ 2. Um 3 Uhr, nachdem ich vorher noch gezeichnet habe, geht es in die kleineprotestantischeKirche, wo wir schon während des Gesanges kamen. Die Kirche, in Lieder’s Wohnung, ist quadratisch, auf 3 Seiten mit ungemein großen57 Fenstern, eigentlich der Saal einestürkischenGroßen, dem das Haus abgemiethet ist.Herr Isenbergsagte die Zeilen der Verse vor[und] sang auch vor. Wir waren etwa 11 Zuhörer;Herr MühleisenhieltdiePredigt überdenText: Trachtet zum Ersten nach dem[,] was droben ist pp. Die Predigt war im Ganzen nicht übel, aber etwas zu wenig praktisch. Indessen rührteunderfreute mich dieser Kirchgang ungemein,undich war Gott dafürvonganzer Seele dankbar; nach der Kirche zeichnete ich nocharchitektonischeKleinigkeiten inderStadt, dann ward gegessen,[und] zuletzt noch Thee getrunken,(zumersten mal). Allmählich verbessert sich jetzt unsre Häuslichkeit in Etwas. Kopfkissen sind angeschafft, DeckenundLaken; auch hat jeder 2 Tüchelchen zum Abtrocknen erhalten. Ferner ist in unsrem Eßsaal eine Hängelampe, die freilich nicht sehr hell brennt, an einem langen Strick über der EßplattevonKupfer aufgehangen, kleine Vogelbauer,vonArabern verfertigt, sind als Stühle angekauft, nur aneinemTisch fehlt es noch immer,undwir essen mit unsren zinnernen Tellern aufdenKnieen; zinnerne Löffel; die Messer aus unsrer Tascheunddie eigenen[Finger] müssen auf türkische Weise herhalten. NachdemAbendessen oder Diner, wiemanes nennen will, was um 6 Uhr ist, wird eine türkischeTasseCaffee genommen; später bisweilen Thee, wie heute; Übung inderarabischenSprache ist meist unsre Unterhaltung nach Tische. -

Montagden10tenOctober1842. Gestern war beim Thee auf den heutigen Tag eine Exkursion nach dem alten Heliopolisverabredet, der Café gegen 6 Uhr bestellt, ebenso Esel für uns Alle. Mit Tagesanbruch (etwa um ½ 6) ward aufgestanden,undgegen ½ 7 brach unsre große Cavalkade von 9 Mann (mit dem Diener Mohammet) auf,undbei frischer Morgenkühle ging es durch die engen malerischen Straßen zu dem Thore hinaus, was Alt-Cairo58gegenüber liegt; aufderrechten Seite des Nils nach Alexandrienzu. Es war ein köstlicher Morgen. Vor Palmengärten vorbei, die mit hohen Mauern umfriedigt waren, kamen wir außerhalbderStadt auf das Wüstenterrain, was sich nach Suezhinzieht. Rechts war im Rücken ganz Cairoundder Höhenzug des Mokattam; vor uns einzelne Santons; links grüne Felder, Palmen, Akazien, Olivenundandre Bäume. Vor mehreren gelagerten Carawanenvon30-40 Cameelen, die nach Mekkaziehen wollten[,] vorbei, ging in[] tiefem märkischen Sande vorwärts. Ein verfallenes Santon, was jedoch im Innern wunderschöne Details hatte, ward auf dem Wege besuchtundbesichtigt; Wildblieb dort kleben,undich hätte ihm gernGesellschaftgeleistet, um zu zeichnen. Wie erinnerte michderjetzige Weg an einige Stellen der Mark, woeinbreiter Sandweg rechtsundlinks mit einzelnen Bäumen eingefaßt ist; nun fing die Sonne an[,] schon heißer zu brennen; nach 1 ½ stündigem Ritt etwa kamen wir nachdemDorf Matarieh, wo in einem Wäldchen der altesogenannte Maria-Sykomorenbaumsteht, unter dem Mariaauf ihrer Flucht nach Egyptengeruht haben soll; er hat in meinem Skizzenbuche eine ungefähre Zeichnung gefunden; auch fand ich unter ihm eineSykomorenFeige, die mir recht gut schmeckte. Von hier ging es durch WasserundGräben, in denen Freiund Ernstumwarfen, dem von fern geschauten Obelisken zu. Wir fanden ihn inderMitte eines Gartensvon Boghos-Beigewissermaßen zur Zierde desselben stehen, von BeetenundObstbäumen umgeben, ein eigener Anblick für dieß erste Hieroglyphendenkmal, was ich aufderReise gesehen habe. Er ist der zweitälteste Obelisk, den wir kennen,unddoch sehr gut erhalten; eigen war es, daß die Charaktere von Wespennestern durchgängig beklebt waren, so daß sie kaum noch zu erkennen. Hier rasten wir eine Weile; die Hieroglyphen wurden abgeschriebenundich setzte mich,undzeichnete den Obelisk; währenddem brach Lepsius59mitdenAndern zur Besichtigung etwaiger Ruinen auf,undum unsre Sachen nicht zu verlassen, bleib ich zurück. Ich zeichnete dann nocheineSakiehundwartete die Andern ab, die sehr lange blieben; endlich kehrte Freiund Lepsiuszurück, wir aßen etwas mitgenommenes BrodundGranaten,undbrachen etwa um 4 Uhr wieder auf. AufdemRückwege warddasDorf Matariehnoch nachHieroglyphendurchstöbert[,] aber nichts gefunden. Der Rückweg wurde mir durch HitzeundMüdigkeit etwas sauer. Um 6 Uhr konnten wir schon zu Hause unser Diner einnehmenundnachher machte Lepsius, Frei, Bonomi, Wildundich nocheinenBesuch beiMonsieur Linant, Canal-Architekt des Pascha’s, dessen kostbar eingerichtete Wohnung ich bewunderte; er wieseineFrauundKinder trugen sich türkisch; wir fanden da 2 Franzosen, worunter Einer, der dieExpeditiondes Pascha’s zum weißenNilmitgemacht hatte; später kam nochMonsieur Clot Beyhinzu, der erste Arzt des Pascha’s; diefranzösischeUnterhaltung, an der ichpersönlichfast gar keinen Theil nahm, wurde unter Rauchen von großen Nargileh’s oder Tschischa’s geführt, deren Spitzen von einem Munde zum andern wanderten. Um 10 Uhr, nachdem ich Orangenthee eingenommen[,] gingen wir sehr ermüdet nach Hause, ließen uns anderPromenade noch bei dem Lämpchen einestürkischenCaffee’s nieder, wo wir ScherbetundHomus (Erbsen) genossen,undbegaben uns dann zu Bett. Zum ersten Mal hatten wir heute Musketiairen,[und] ich kann sagen, zum erstenmal seit Alexandrienschlief ich gut, denndasPeinigen der Mücken während der Nacht warwirklichzum Verzweifeln. -

Dienstagden11tenOctober1842. Am Morgen trefflich erquickt ging ichundzeichnete ineinemThorweg eininterressantesHaus. Ich wurde nach einer Weilevondem Hauswart hinausgeschmissen, konnte mich nachher aber durch Vermittlung eines Deutschen, unsres Nachbars,Herrn Ermwieder setzenundweiter zeichnen; um ¼ 12 kehrte ich zum Dejeuné, was täglich auseinerArt Eierkuchen besteht, zurück,undbegann nach demselben die Aufzeichnung des Planes von Sais, während60 Freiauch seine Ansicht davon auszeichnete. Bis zum Abendessen waren wir damit beschäftigt,undmachten nach demselben bei einer Tasse Thee Studien im Arabischen, was bis ½ 10 Uhr etwa währte; dann ging ich zu Bett. -

Mittwochden12tenOctober1842. Wieder sehr gut geschlafen. Ich blieb heut früh zu Hause, um meine Zeichnung von Saisfertig zu machen, was ich bis 2 Uhr auch zu Wege brachte. Gegen 3 Uhr machte ich mich mit Freiund ErnstWeidenbachzu Esel auf, um nach Alt Cairozu reiten, unser Weg ging durch treffliche Anlagen, die sich fast ununterbrochen ½ Stunde hinziehen; schöne Akazien Alleen faßten die bewässerten Beete ein; inderFerne glänzte der Mokattam; davor ragten die schmalen schönen Thürme der Moscheen, ragten Palmengruppen in den immer blauen Himmel hinein; es war ein köstlicher Tag; nicht sehr warm, eine reine, gesunde Luft. FeldstuhlundZeichenbuch unterdemArm, gelangten wir im Bewundern aller Schönheiten nach Alt-Kairo, einem Dörfchen aneinemNilarm, hinter dem die Pyramiden hervorragen,undhier bot sich uns ein hübsches Bild zum Abzeichnen. Der Schöpfthurm fürdieWasserleitung nachder Citadelle, köstliche Bäume davor; im Vordergrund Wasser. Gegen ½ 6 mit sinkender Sonne traten wir den Rückweg an. Herrliche Abendbeleuchtung des Mokattams, der Palmen, kurz Alles rings um uns; es war ein unvergleichlicher Anblick, den inderFülle der Gesundheit zu genießen[,] mir Gott geschenkt hatte. Wir ritten sehr schnell zurück, uns der köstlichen Abendkühle erfreuend; immer tauchte Neues, Malerisches empor, man möchte 100 Hände haben, um es aufdasPapier zu bannenundfestzuhalten. NachdemAbendessen nahm ich heute am Arabischen nicht Theil, weil ich mein Tagebuch endlich vervollständigen mußte. Als ich nach61 Hause kam, fanden wireinenBesuch unsres Nachbars,Herrn Ermvor, ein artiger Mann, früher Offizier imösterreichischenDienst, hat dengriechischenKrieg mitgemacht,undscheint sich hiervonStunden-Geben zu erhalten; er hat, glaube ich, eine Schwarze geheirathet. - Heut schien mirziemlichder kühlste Tag gewesen zu sein. Am Morgen hatten wir etwa 17°, das Höchste in meinem Zimmer, was ich beobachtete, war 20°. -

Donnerstagden13tenOctober1842. Ich habe heute nach einer mittelmäßig durchschlafenen Nacht begonnen, den Situationsplanvon Heliopolisaufzuzeichnen; da ich leider nicht mit dort herumgegangen war, wurde mirdieArbeit nach dem Brouillon Andrer ziemlich sauer. Durch Rücksprache mit Lepsiusgelang es mir endlich; ich habe bis jetzt noch keinen Fuß ausdemHause gesetzt; es ist bald 5 Uhr,Herr Ermbesuchte uns heut ½ Stunde. Es wurden manche Einkäufe gemacht von: Brettern zueinemTischundKisten, eine Flagge, die Freiaufzeichnen soll. Ferner wurde heut berathen, wie der Sonnabend, Königs Geburtstag, zu feiern sei; wir kamen über ein Mittagsmahl bei den Pyramiden übereinundwollen 6 Gäste laden,Herrn Bockty, unsern Consul,Herrn Champion, denfranzösischenConsul,HerrnDr. Brunner, Lieder, Isenbergund Mühleisen. Jetzt ist Lepsiusfort, um die nöthigen Anordnungen dazu zu treffen. Wir hatten heut Morgen im Schatten 16°, um Mittag 20° Wärme. Nach dem Abendessen machen Frei[und] Ernstundich noch einen Besuch bei Isenbergs; wir tranken dort Caffee, plaudern gemüthlichund Isenbergspielt aufseinerkleinenOrgel Choräle. -

Freitagden14tenOctober1842. Der ganze heutige Tag geht mit dem Arbeiten an derpreußischenFahne hin; wovon der Adler ausschwarzemZeuge ausgeschnittenundauf das weiße aufgenäht wird; es macht sehr viel Arbeit; ich bin am Abend von dem auf der Erde Liegen ganz kreuzlahm[und]62 wurde noch übelvoneinerZigarre wegen zugroßemHungerundMüdigkeit. Mit MüheundNoth durch AnklebenundMalen wird die Fahne noch fertig; mit Freiund Bonomiund Wildmache ich spät nocheinenSpaziergang, der mir sehr wohlthut. -

Sonnabendden15ten October 1842Königs Geburtstag. Um 5 Uhr, wo es noch Nacht ist, wird aufgestanden, angezogenundeinSchälchen Caffee getrunken. Um ½ 6 Uhr kommt Lieder, um 6 Uhr etwaHerr Isenbergund Mühleisen; der Dr. Brunnerhat leider abgesagt, weil er zu schwereKrankehat; auchHerr Bocktykommt nicht sowieHerr Krapf; auch die Frauen haben Hindernisse,undso sind nur 4 Freunde beiderParthie,Herr Champion, der erst in Alt Cairohinzukommtunddie 3 Missionare. Bei herrlichstem Morgen geht es zum Thore hinaus durch die Gartenanlagen des Ibrahim Paschanach Alt Cairo, wo wir uns (die Cavalkade bestand jetzt aus 12 Herrenund2 Dienern mit 2 Packeseln) sammt allen Eseln auf 3 Barken überdenNil setzen lassen. Dort wird wieder aufgepacktundnun geht es, wegen der Überschwemmung in einem immensen Umweg von 3 - 4 Stunden stets auf Dämmen entlang der Wüste zu. Bei niedrigem Wasser sind die Pyramiden vom Nil etwa 1 Stunde; heut brauchten wir 4 Stunden dazu. interressanter Anblick des Wüstenrandes; der Sand hier gelb, ganz wie bei uns, aber mit schwärzlichem Kieselgerölle, was gewissermaßen in Streifen die Hügel hinabgeweht ist, bedeckt. Zwischen weidenden Araberheerden geht es unweit einer mächtigen Überschwemmungsfläche über stachlichten Ginster den Pyramidenvon Gizazu; die von Sakkarasind uns fast in gleicher Nähe links; man unterscheidet sehr genau darin die Stufenpyramide. - Etwa in 5 / 4 Stunden haben wir63 die Sphinxaus dem Sande guckend erreicht,unddahinter Araberhöhlungen imnatürlichenFels, wo wir uns versammeln, ausruhenundCaffee trinken; hier zeigt sich, daß Lepsiusdie Hauptsache, den Wein, vergessen hat; indessen führen wir Ingredienzien mit sich, die ihn einigermaßen ersetzen müssen, da es nicht mehrmöglichist, ihn aus Cairoherbeizuschaffen. Eine Pute wirdvonmir vertheilt,undkalt genossen.Inzwischenist unser Zelt angekommen, was geliehen ist (für 55Piaster)undes wird begonnen, dasselbe aufderNordseite vor dem EingangedergroßenPyramideaufzuschlagen. Nun machen wir(ausgenommen Championund Lieder) uns mit Hilfe der höchst lästigen Araber, deren wenigstens 20 uns umschwärmen, aufdenWegnachderPyramide, umdenGipfel zu besteigen. Jedervonuns hat 2-3 Araber, deren 1 stößt und 2 ziehen; die Stufen sind allerdings sehr hoch 1 ½ bis 2 Fuß, auch 3 Fuß,unddasSteigen ist mühsam, man wird aber mit unaufhaltsamer Eile hinaufgestoßenundgezogen; kaum[,] daßmanweiß, wo mandenFuß hinsetzt; hinter sich zu blicken[,] ist nicht rathsam, denndieHöhe ist erstaunlichundman wird ganz schwindlich; nach 3 - 4maligem Verpusten bin ichendlichobenundgenieße die unermeßliche Aussicht: vor uns inderFerne Cairounddie mächtige Nilfläche mit ihren Inseln, Dörfern, hinter unsdieWüste; nahe die 2teund3tePyramideunddie in Reihen geordneten Gräberund3kleinePyramidenunten. Welch großartiger Anblick. Die Steinblöcke aufderabgeplatteten Spitze haben immer noch 1 m Breite, 1,20 m Höheund1,20 m Tiefe; wir richten uns ein[,] auf demselben sitzend,unddie Gegend umher bewundernd. Die Fläche oben hat etwa 18[ Fuß] im[ Quadrat],unddoch war mir ein wenig schwindlich dort, weil, wennmannicht nah andenRand tritt,unddie Stufen nicht sieht,sonderndenkt, es sei ein Abgrund; ich hatte, gesteh ich, Furcht vor dem Hinabsteigen. Die Felsblöcke der Spitze sind ganz mit Namen bedeckt; darunter fand ich R. Stopford, Lord Perigord, ( Probizer)undAndre, nicht aber Pückler’n, den64 wir Alle eifrigst gesucht haben, um ihn wieder nach Europamitzunehmen. Wir waren vielleicht 25 Menschen aufderSpitze. Die Leute unten sahen wie Ameisen aus; es war eine schwindelnde Höhe. Lepsiusließ nun unsre Fahne herauftragen; sie wurde aufgesteckt,undunter Hüteschwenken erscholl ein 3maliges Lebehoch dem Könige; der Adler schaute nachdemVaterlande, währenddieFlagge den Nil hinaufwehte. Nach ½ bis ¾ Stunde beganndasHinabsteigen; die Araber, wie Schmeißfliegen[,] waren auch dabei behilflich, oder eigentlich hinderlich; endlich kamen wir andenEingangderPyramideauf ¼ ihrer Höhe an,undes ward beschlossen, gleich hineinzugehen, es wurden Lichter geholtundmit 2 - 3 Mann als Führern krochen wir hinab; zuerst mußmansehr gebückt gehenunddie Füße inkleineVertiefungen des Bodens setzen; nachher geht es aufwärts; die Decke ist sehr hoch, man glitscht längs.Endlichkommen wir durch abermaligen engen Gang in die untere Kammer. Die Seiten der Gänge sowie Kammern sind mit röthlich grauem Granit höchst sauber gefugt, ausgelegt, die Platten in Letzteren etwa 1,15 m imQuadratgroß; ein leerer, halb zerstörter Sarkophag steht darin; schönes Echo; im Kreise stehend mit unsren Kerzen sangen wirdasLied: Heil dir im Siegerkranz, was prächtig klang. Dann ging es hinaus, wieder engeundmühsame Gänge aufwärts bis indieobere Kammer fastvonderselbenGröße, auch ohne Hieroglyphen. Ich war durch das Kriechen sehr ermüdet. Fledermäuse flogen hinundwieder; Frankefing eine. Die Temperatur war im Ganzen sehr angenehm kühl, wahrscheinlich[,] weil ein Luftzug durchdiePyramideherrscht. Erschöpft kamen wir andasTageslicht, den Besuchderandern Pyramiden verschoben wir auf später, wo wir länger dort verweilen,undschritten nun, es war ½ 4 Uhr zu unsrem Diner. Himbeeressig versüßte uns zuerstdasWasser. Dann ward Punschextrakt statt des Weines genommen. Zuerst wardvon LepsiusmiteinerRededieGesundheit des Königs ausgebracht, dannvonmir die der Königinundvon65 Isenbergdie desKöniglichenHauses. Dann brachte Lepsiusdie 3facheGesundheitvon Eichhorn, Humboldtund Bunsenals besondere Beförderer unsrerExpedition, aus, fernerderselbedieGesundheitvon Champion;undich die der 3 Missionare, wo dann Isenbergdankend antwortete.Dazwischenward nochdieGesundheit der KöniginvonEnglandunddes PrinzenvonWalesdurchHerrn Liederausgebracht;undendlichschloß LepsiusmiteinerRedezumAndenken Champollions. Das Ganze lief sehr hübschundheiter ab. Vor dem Zelte wehte unsre Flagge; nach dem Diner wurde selbigevonunsrem dicken Frankegeschwungenund3 Flintenschüsse dabei gethan. Dann, um ½ 6 Uhr fingen wir an einzupacken; das Essen der Araber ward erst abgewartetundum 6 Uhr bei Mondschein begannen wir den Rückweg. Alle Hindernisse des Terrains, wenn auch bei unerträglichem Staube wurden glücklich beseitigtundum 12 Uhr rückte die Caravane ermüde wieder in Cairoein. Ein bedeutender höchst interressanter Tag! - Die Hitze desselben wurde durch den starken Nordwind gemäßigt,undder Nachhauseritt beieinemMondschein, worin Freizeichnete, war erfrischendundschön! -

Sonntagden16tenOctober1842. Um 8 Uhr aufgestanden. Ich wendedenVormittag zum Schreiben dieses Tagebuchs an. Mein Thermometer zeigt jetzt im Zimmer 23° Wärme; es ist etwa 12 Uhr Mittags. - Heut Nachmittag um 3 Uhr ist wieder Gottesdienst. Morgen reisen zu meinem Leidwesen die Missionare Isenbergund Mühleisennach Abyssinienab. Der Gottesdienst, den Isenberghielt, war sehr schön; eine tüchtige Redeundein erquickliches Gebet mit Gesang am AnfangundEnde machte ihn aus; es waren etwa 12 - 14 Zuhörer da. Am Abend spazierten wir nocheinweniginderStadt umher.

Montagden17tenOctober1842. Ich verbrachte den heutigen Tag mit Aufkleben der durchgezeichneten Kartevom Fayoumund Egyptenbis Esne. Um 5 Uhr machte66 ich einen kleinen Spaziergang durchdieStadt mit Frei; nachdemAbendbrod geben wir uns Räthsel auf,undum 9 Uhr gehen wir ineineGesellschaft zum Maler Louis, um dort das Tanzen von Mädchen anzusehen. Als wir ankamen, war eben das Abendessen vorbei, wobei viel WeinundChampagner geflossen zu sein schien, denn die Hälfte der Gäste waren angetrunken. Der Franzose Soliman Paschalag in tiefem Schlafe da; wir mochten im Ganzen etwa 20 Personen sein, wenn nicht mehr; darunterHerr Linant, alle fast Franken. Schöne Einrichtung des ZimmersvonHerrn Louis; es waren mit mir da: Lepsius, Bonomi, Freiund Wild. Um 10 Uhr etwa kamen die 11 oder 12 Ghasien; phantastisch intürkischesCostüm gekleidet, weiteBeinkleidervonrotherSeideodergestreiftem Zeuge, Camisolchen undeinenSchawl um den Leib; die Haare herabhängend nach hinten untereinemgoldenenodersilbernenKäppchen. Es hatten einige sehrinterressante, fast schöne Gesichter, schöne Augen,trefflicheFiguren. Die Tänze waren durchaus sinnlich: Herumgehen im Takte mit kleinen Becken andenFingern, die zur Musik klappen, welche sehr eintönig ist, HüftenbewegungenundVerrenkungen dabei; es empört uns ein alter Herr mit einer Brille, der sich viehisch benimmt. Nach dem Erwachen des Pascha’s Ausziehen der Mädchen, wo sich dann unvergleichlich schöne Gestalten entwickeln, indessen wurde es unsendlichzu vielunddie Sache zu weit getrieben, kurz, um 12 Uhr drückten wir unsundüberließen den Schluß der Komödie den fränkischen Gästen.

Dienstagden18tenOctober1842. Ich fahre heut fort67 mitdemAufkleben der Kartenundbeende diese Arbeit etwa um 1 Uhr. Heut wurden SchuheundHüte für dieGesellschaftangeschafft; von Ersteren finde ich aber keine passenden heraus. - Mein Thermometer zeigt inderStube bei offnen FensternundSchattenseite jetzt um 3 Uhr 24° Wärme. - Ich bin bis jetzt mit meinem Tagebuch beschäftigt gewesen. Gestern habe ichHerrnDr. Brunnerkennen gelernt, einen sehr nettenundartigen Mann indenbesten Jahren, den ich nächstens besuchen will. Am Nachmittag machte ich mit Freiund Ernsteinen Spazierritt nach Schubrazu; eine prächtige Allee von SykomorenundAkazien führt dorthin; nicht weit vor Schubrawurde uns die Zeit zu kurz,undwir mußten umkehren. In einem Cafée aufdemhalben Wege machten wir Halt,[und] tranken Limonade mit einer Nargileh. Um 6 Uhr mit Untergang der Sonne kehrten wir zurück. NachdemEssen gegen ½ 9 ging Freiundich zum Dr. Pruner, wo wir im Verein mitHerrnDr. Kocheine angenehme Unterhaltung hatten; ich las dieallgemeineAugsburgerZeitung vom 18tenSeptember. - interressanter arabischer Krankenbesuch bei Pruner. - Gegen 10 Uhr zu Hause, wo wir mit LepsiusegyptischeAlterthümer besehen. Um ½ 12 zu Bett.

Mittwochden19tenOctober1842Ich schreibe heute meinen Brief an Carlfertig, worüber es 3 Uhr wird. Es werden heut StaubkittelundHosen gekauft, wovon mir jedoch weder Eins nochdasAndre paßte. - Es ist heut 23° Wärme in unsrer Stube. Später gehe ich mit Lepsiuszu Lieder, um unsre 2 neuen Zelte zu besehen; eins ist blau für das Daguerrotyp, das andre weißundetwas größer; erst gegen das68 Abendessen um 6 Uhr kommen wir zurück. Nach dem Essen gehen wir noch ein wenig spatzieren.

Donnerstagden20tenOctober1842Der heutige Vormittag vergeht unter Briefschreiben an die MutterundNähen meiner 2 Handtücher. Um 2 Uhr mache ich mich mit Freiund ErnstzuHerrn Liederauf, um wegen Anfertigung unsrer HemdenundHosen Rücksprache zu nehmen. Dann reiten wir nach einer alten ruinierten Moschee auf dem Wege nach Heliopolishinaus, woselbst ich zeichneund Freimalt. Um ½ 7 zurück. Der Ritt war sehr erquicklichundschön. Immer neue Gestalten, neue Formen leuchten vor Einem auf in herrlichsten Farben; es ist doch ein andres Land, ein andrer Himmel, unter dem ich mich jetzt befinde. Nach Tische gehe ich mit Freinoch ein wenig nach dem Platz Esbequiehspatzieren. Es ist sehr warm: um ½ 10 Uhr Abends zeigt mein Thermometer noch 22° Wärme. Der Nil wächst gegen alle Regel noch fortdauernd,unddroht[,] die Dämme zu durchbrechen. -

Freitagden21tenOctober1842. Heut schreibe ich unter vielen Unterbrechungen durch Einkäufe[,] die zu besichtigen sind, von Wein, Essig, Reis, Nudeln, Öl, Zucker pp. meinen Brief andieMutter fertig, worüber es ½ 5 Uhr wird. Ein Brief, den Lepsiusvon Bunsenaus Londonerhielt, meldet, daß ein Paket andrer Briefe an uns abgegangen ist, was wir leider noch nicht erhalten haben. Unser Aller Gesundheit erhält sich, Gott lob, gut. Um 5 Uhr gehe ich mit Freyzu Lieder, um wegen unsrer Hose ihn zu befragen; ich finde ihn aber nicht; eben so wenigHerrn Louis, den wir besuchen wollten. Nachher wandeln wir noch etwas auf dem Platz Esbequieh, Gruppen,69 FarbenundFormen der Umgebung bewunderndundbetrachtend. Bei unsrer Zuhausekunft finden wir einen Besuch vonHerrn Clot-Beyvor, der wohl ¾ Stunden bei uns bleibt. Er ladet 4 von uns zum Montag Abend ein. NachseinemFortgange beschäftigen Lepsius, ichund Bonomiuns mit Lesung eines[ Liavabans], der sehr interressant ist; auch treiben wir etwas Arabisch. Vor dem Zubettgehen säume ich mein 2tes Laken.

Sonnabendden22ten October 1842. Ich habe die Nacht sehr schlecht geschlafen wegen unerträgliches Jucken der Mücken, Flöhe etc. Bis zum Dejeuner wirddasTagebuch geschrieben, meine Handtücher gewaschenundandre Kleinigkeiten vollbracht. Am Nachmittag gehe ich mit FreinachderBrücke, die nach Schubraführt,undwir zeichnen dort eine Ansicht. Neue Bewunderung der FarbenundTöne; intimes Gespräch mit Frey, mit dem ich sehr gut harmonire; wir verstehen uns vollständigundAuffassungundBewunderung der wunderbaren Eigenthümlichkeiten des Landes sind uns gemeinsam; aufrichtig freue ich mich, solch einen Gefährten gefunden zu haben. - Nach dem Abendessen gehen wir noch zuHerrn Louis, der jedoch nicht zu Hause ist,unddann zuHerrnDr. Pruner[,] bei dem wir ½ Stündchen in angenehmen Gespräch zubringen.

Sonntagden23tenOctober1842. Der heutige Vormittag wird mit Briefschreiben nach Hause zugebracht; ich füge den beiden schon fertigen Briefen ein drittes Blatt hinzu an Bernhardund Juliezu ihrem Geburtstage. - Am Nachmittage mit Freihinaus nach Schubra; trefflicher Weg durchdiegroße Allee. Weidenbachsund Frankewaren schon vor uns hinaus. - Vor Schubrasehen wir einen mächtigen Elephanten im Freien mit70 geschlossenem Fuße,eingewaltiges Thier, wasdasEssen gemüthlich zum Rachen führte. Schubraist weitundwir kamen spät beidemGarten an. Selbiger ist ganz vortrefflich. BuchsbaumundRosmarin Hecken umfassen die BeeteundGänge, die sternartig stets zu Mittelpunkten führen, wo dann KioskeundLauben angebracht sind. Die Beete waren voll der köstlichsten RosenundOrangen, Oleander, Jasmin, was Alles zusammen orientalische Wohlgerüche ausduftete;unddieß Ende October, ich fühlte, daß ich unter einem andern Himmelsstrich war. interressant war die große Kioskanlage für wenigstens 500 Personen; SäulengängevonMarmor umgeben ein mächtiges oblonges Wasserbecken, in dessen Mitte Fontänen sprudeln. Anden4 Ecken des Bassins speien Löwen Wasser aus. Die 4 äußern Ecken des Gebäudes sind zu Zimmern benutzt. Alles kann durch Gas glänzend erleuchtet werden; es ist eine höchst kostbare Anlage.Vonhier zu einem Pavillon auf einemkleinenBerge; derselbe ist mit trefflichstem Alabaster ausgelegt,undgewährte uns die Anhöhe den Genuß der untergehenden Sonne. Vor uns lagdieungeheure Nilfläche, geschmückt mit Inseln, Bäumen, Segeln; inderFerne die Pyramiden! - EinekleineMenagerievonVögeln ist in einem dritten Gebäude. Wir nehmen Rosensträuße mitundkehren dann eilig um. Beim Nachhauseritt Bewunderung der Tinten des Himmels, die von nie gesehener Schönheit sind; Übergang von flüssigem Gold durch Grün indasdunkelste Blau. Schöne SpiegelungderGegenstände indenklaren Wasserflächen. - Um ½ 7 sind wir zu Hause. Nach dem71 Essen mit Freyzu Linant, den wir aber nichtzuHaus treffen. -

Montagden24tenOctober1842. Um ½ 6 Uhr wird aufgestanden, weil wir eine Parthie indas Mokattamgebirgevorhaben. 7 Pferde ausdemMarstall des Pascha’s sind für uns bestellt. Sie kommen mitdenLäufernundunsrem Cawaß. Die Cavalkade setzt sich inBewegung. Maxhat zuerst ein zu wildes Pferd, was alsdann aber Lepsiusnimmt. Der Ritt ging durchdieganze Stadt beideninterressanten Gräbern der Califenvorbei hinterder Citadelleherum. Anblick der Wüste; Höhenzüge rechtsundlinks, Ebnen mitziemlichfestem Sande dazwischen. Hinundwieder eine distelartige Pflanze, sonst kein Halm. Links bleiben uns diesogenanntenrothen Berge, die wohl aus Sandstein bestehen, währenddas Mokattamaus etwas porösem Kalkstein besteht. Horizontale Streifen ziehen sich parallel durch die Berge hin; der Sand ist gelb mitkleinenKieseln vermengt; wohl 2 ½ Stunden ritten wir amnördlichenAbhang des Gebirges hin, überstiegen es dann, und kamen auf denmerkwürdigenFleck, wo dersogenannte versteinerte Waldliegt; d.h. es finden sich doch unzählige Holzstücke von Palmen[,] Sykomorenundvielleicht andren Bäumen, bisweilen auch ganze Stämme, wovon wir einen von etwa 10[ Fuß] Länge sahen, der halb unterdemSande lag. Herrlicheundüberraschende Aussicht von dem Wüstenabhange aufdenNilunddrüben auf alle Pyramiden, höchst großartig. Wir suchten eifrig nach Gips an jenem Orte,undhaben auch eine Quantität gefunden. Ich kam mit Lepsiusweiter ab;undnach einiger Zeit erblickten wir Frey, der uns nachgekommen war, von72 Bulackaus; ich freute mich, ihn zu sehen[und] fühlte, wie die Wüste nur noch enger verbinden kann. Unsre Pferde waren sehr munterundes sitzt sich aufdentürkischenSätteln fester als auf denenglischen. - VonderHöhe wollten wir noch nachdenSteinbrüchenvon Thura, doch war es zu weit entferntundwir brachen nach Hause auf. 6 Stunden saßen wir zu Pferde ohne etwas zu genießen. Die Hitze war stark, aber nicht übertrieben. Vor den alten Gräbern (arabischen), deren viele ungemein malerisch sind[,] kamen wir vorbei, aßen BrodtundFrüchteundtranken Wasser am Fuß der Citadelle,undritten auf dieselbe hinauf. Dort ward die Aussicht wieder bewundert, es wurden 2 Löwenund3 - 4 Löwinen, 1 Hiäneundeine wilde Bergkatze, die daselbst gehalten werden, angeschaut; alsdann stiegen wir noch nachdemsogenannten Josephsbrunnenhinab, den Joseph soll haben aushauen lassen; es ist indenFelsen etwa eine Öffnungvon18[ Fuß] und 12[ Fuß] im Rechteck ausgehauen, ineinerTiefevonetwa 200 (- 250 Fuß). Rings um diese Kammer führt ein ziemlich breiter Treppenraum hinab. InderHälfte der Tiefe sind Sakie’s angebracht, diedasWasser fördern. - Von hier gingderZug nach Hause, wo wir etwa um 4 Uhr ankamen. Ich habe mich leider hinten durchgeritten, doch war mirsowohlderRitt alsdieSache heut äußerst interressant. - Um 6 UhrdiesenAbend waren Lepsius, Bonomi, Wildund ich zuHerrn Clot Beygebeten, wo wir fast ganz allein nur mit seinem Sekretärundseiner Frau ein famoses Dinner einnahmen. Die Unterhaltung ging so ziemlich lebhaft, doch blieben wireinwenig zu lange dort, bis nach 10 Uhr.

Dienstagden25tenOctober1842. Bis zum Frühstück war ich73 mit BonomiaufdemBazar, um Einkäufe dort zu machen. Vorher bei Liederwegen Anschaffung meiner HemdenundBeinkleider. Herr Erben(nicht Erm) war bei mirundich besprach mit ihm die AnschaffungvonWaffen. Ich ging wieder amNachmittagzuHerrn Linant[,] ohne ihn zu treffen. NachdemAbendessen ging ich mit Freynochmals zuHerrn Linant, wo wir Gesellschaft trafen. Unter andern fand ich einenenglischenCaptain aus Indien, namens Cortysmitseinersehr liebenswürdigenundschönen Frau, einer Russin aus den deutsch-russischen Provinzen bei Riga. Beide sprachen deutsch,undich unterhielt mich auf das angenehmste mit der jungen Frau wenigstens ½ Stunde lang. Freyverschoß sich indessen indietürkisch gekleidete Tochter desHerrn Linant. Gegen 11 Uhr kamen wir erst nach Hause, Beide sehr befriedigt. - Heut sehr windig.

Mittwochden26tenOctober1842. - Wir haben heut um 9 Uhr Morgens 19° Wärme; es ist kühl, der Himmel mit Wolken bedeckt. - Der Vormittag wird angewendet, um Beinkleider für mich zuzuschneiden, ferner werden Waffen besehen, Pulver, Blei u.s.w. besprochenundbestellt. Um 3 Uhr gehe ich zuHerrn Linant, der mir KartenundZeichnungenvonseinenReisen in Nubienund Sennaarzeigt, die sehr hübschundinterressant sind. Nachher gehe ich noch mit Freyein wenig aus; wir treffendenHerrnDr. Kochundspatzieren mit ihm aufdemPlatze Esbequieh, begleiten ihn bis zuseinerWohnung,undkehren um 6 Uhr zurück. NachdemAbendessen mache ich mit Lepsiusun BonominocheinenBesuch beimHerrnDoktor Prunerunddann zuHerrn Lieder, den wir mit der hübschen Zeichnungvon Freyüberraschen, wo wir alle am 15tenOctober1842 aufder großenPyramidevon Ghizeversammelt sind,undvor derpreußischenFahne dem König ein Lebehoch bringen. 74Rings umdasBild war in Hieroglyphen eine sinnige Inschriftvon Lepsiusgemacht worden; das Ganze war inderThat sehr hübsch.

Donnerstagden27tenOctober1842. Lepsius, Bonomi, Ernstund Maxsind heut nachdenSteinbrüchenvon Thura; Freiundich bleiben zurück, weil wir uns letzt durchgeritten haben. Dafür machen wir zu Esel einekleineParthie vor das Thor Bab el Nasrzu den Gräbern der Kalifen, wo wir fleißig zeichnen; trauriger Anblick des kranken Camels, was nicht weiter will; um 12 Uhr zurück; am Nachmittag sehe ich dem Formenvon Frankezu, gehe dann Freyentgegen, der bei LiederdaskleineKind zeichnet, treffe ihn, und gehe mit ihm zum Essen zurück. Die Andern sind inzwischen gekommen,undhaben indenSteinbrüchen Manches Interressante gefunden, worüber nachdemAbendessen beim Thee studirt wird. - Es ist heut der Himmel meist bewölktundder Tag für hiesiges Clima kühl zu nennen. Schöne GewitterwolkenvonderAbendsonne beleuchtet;köstlicherHimmel; um 9 Uhr Abends 19 ½ ° Wärme. -

Freitagden28tenOctober1842. Das Wetter wird jetzt durch tägliche Gewitter, die meist in weiter Entfernungvon Cairosind, um vieles kühlerundangenehmer. Heut früh ist es in meiner Stube um ½ 9 Uhr nur 18°Wärme. NachdemFrühstück gehe ich mit Freynach derSykomoren-undAkazien-Allee von Schubra, um dort einige Baumstudien zu machen; um ¾ 12 Uhr kommen wir zurück. Nach dem Déjeuner schneide ich die 2 Beinkleider für Frankezuundhelfe dann[,] unsre Fahne fertig nähen. Zuvor aber, um 12 Uhr zu Hause kommend,75 finde ich einen lang erwarteten BriefvonHause, worin EinlagenvonderMutter,von Elisabeth, Heinrich,Onkel Karl, A. Jungkund Steinbeck. Mit inniger Freude wende ich 2 Stunden daran, um jeden Brief 2 - 3mal zu lesen. Gott sei Dank, daßzuHause Alle in erwünschtem Wohlsein sind. Welch Vergnügen ist es, in so weiter Ferne die Schriftzüge lieber Menschen vor sich zu sehen! Das war für mich also heut ein Festtag. - Um 5 Uhr ging ich noch mit Freyein Stündchen aufdemPlatze Esbequiehspatzieren bewundernd das hier ganz unvergleichliche Untergehen der Sonne, die Gluth der Gewitterwolken, wenn sie von ihr angeleuchtet werden; wir haben im Norden keinen Begriff solcher Farben; schade, daß sie fast nur Momente lang dauern; die Dunkelheit bricht mit zu schnellem Schatten herein. Nach unsrem Abendessen machen Freyundich noch einen Besuch beiHerrnDr. Pruner, dem feinen, liebenswürdigenundin jeder Hinsicht tüchtigen Mann. Ich bringe ihm die geliehenen ZeitungenundBlätter des Auslandes wieder. Wir sehen dort unsern neuen Diener, den uns Prunerverschafft hat, da die unsrigen zu theuerundnach unsrer Meinung zu betrügerisch sind, um sie zu behalten; sie sollen morgen weggeschickt werden. -

Sonnabendden29tenOctober1842. NachdemFrühstück schreibe ich Tagebuch. - Zum Ausgehen werde ich wohl nicht kommen, da der Dienerwechsel heut stattfinden soll. Nach unsrem Dejeuner wird den Dienern wirklich aufgesagt, was ganz in Friedenundohne Streit abläuft, Mohammedbezeigt sich dankbarundzufrieden, Saidzieht finsterundmürrisch ab; wir Alle sind froh, besonders letzteren Menschen los zu sein. 76Ich beschäftige mich heut größtentheils mit Nähen,undzwarvonTaschen in meine neu angekommenen Kittel, eine langweiligeunddoch nothwendige Arbeit. Um ½ 4 Uhr etwa mache ich mit Freyund Ernsteinen Ritt nach den zerfallenen Gräbermoscheen rechts vonder Citadelledes Mokattam. Wir zeichnen dort; es ist ordentlich kalt heut; fast tägliches Wetterleuchten inderFerne,undheut auf dem Rückwege auch einige Tropfen Regen. Das Abendrothunddie Wolkenvonunbeschreiblicher Schönheit; Cairogewinnt täglich für mich neuen Reiz, neue Schönheiten, es ist ein orientalischer Zauber, der sich darum legt. -

Sonntagden30tenOctober1842. Um ¼ 9 Uhr 18° Wärme. Ich muß mich heut mit Schneidereien an Franke’s Hose beschäftigen, die ich verschnitten habe; wir essen unser Dejeuner erst etwa um 12 Uhr,undum 1 machen Lepsiusundich unsre VisitebeiHerrn Clot-Bey. Interressante SammlungvonVögeln, Reptilien, Fischen etc.; die Giraffen, 7 Stückundandre lebende Thiere sehr hübsch. Nachher versuche ichHerrn Cortysmitseinerschönen Frau zu finden, doch glaube ich, waren sie wohl nicht zu Hause. Bei Clot-Beysah ich eine bildschöne Frau, die TochtervonHerrn Champion; schwarzes HaarundAugen machten beieinerGesichtsfarbe wie gelbes Elfenbeinundmitdemoriginellen Haarputz einen höchst interressanten Eindruck. Um ½ 5 Uhr reite ich mit Lepsiusnoch nachdemCaffee aufdemWege nach Schubra, wo wir Freyundbeide Weidenbachsfinden,und2 Glas Sherbett trinken; es istdieBeaumonde der hiesigen Europäer da. Um 6 Uhr zurück, wieder bei herrlichem Abendroth. 77

Montagden31tenOctober1842. Am Vormittag zeichne ich hiereineVorzeichnungunddann das Haus in unsrer Nähe fertig. Nachmittag reite ich mit LepsiusundHerrn Barthelemy, erstem Lehrer unterHerrn Liedernach Bulack, wo wir uns Barken besehenundderen Preise kennen lernen; sie schwanken in ihren Forderungenzwischen2000 - 4000undmehr Piaster pro Monat. Von Bulackzurück auf einen Eselmarkt, wo wir gesonnen sind, 1-2 Esel anzuschaffen; wir finden aber keine guten noch brauchbaren. Darauf zu Hause. NachdemAbendessen mit Freynoch etwas spaziert aufdem Esbekiehund interressante Unterhaltung gehabt; der MorgenundAbend sehr kühl.

Dienstagden1tenNovember1842. Um ½ 9 Uhr Morgens 17° Wärme, was Einem sehr kühl vorkommt. Des Abends sind meist Gewitter inderFerne, diedieLuft sehr abkühlen. Heut ist es außerordentlich windigundstaubig; ich zeichne am Vormittag aufdemPlatz Esbekiehundkann es vor WindundKühle kaum dort aushalten; meine Hände froren mir fast. - In diesen Tagen häufiges Schießen aufder Citadellewahrscheinlichdes hohen Beiramfestes wegen, was Ende dieser Woche beginnt, wenn das Fasten des Ramadans vorüber ist; der Großpascha wird täglich erwartet,undoft genug schon da gesagt. - Heute propirenso Lepsiusundich mehrere Esel, die zu verkaufen sind, weil wir uns 2 Stück anschaffen wollen; einervonallen genügt uns bis jetzt erst leidlich; er soll mit Sattel 400Piasterkosten. - Um ½ 5 Uhr reiten Lepsius, Bonomi, Frey, Maxundich noch bis Alt Cairo, wo wir uns nachderInsel Rhodaübersetzen lassen, um dort den Nilmesserzu sehen. Ein Engländer ist Gärtner des schönen, parkartig angelegten Gartens, ein artiger,78 gefälliger Mann, den wir besuchen,undder uns im Garten, so weit es der Überschwemmung wegen möglich ist, herumführt. Leider stehen die schönsten Beete, GrasplätzeundAnlagen im Wasser, worunter natürlich Alles aufdasÄußerste leidet; schöne Rosen, Oleander, seltene Palmenarten, weite Grasplätzeundtrefflichste Laubbäume; fortlaufende Myrthenhecken, wie Buchsbaum aussehend, Aloehecken, Citronenhecken fassendieBeete einunderfreuendasAuge. Den Nilmesserkönnen wir aber des zu hoch stehenden Niles wegen nicht sehen, da den Theil des Gartens[,] wo er liegt, noch Wasser anfüllt. - Giraffe im Garten; viele Sakyes längs des Ufers laubenartig arrangirt; eigenthümliche vasenförmige Blumentöpfe. Nach einem Spaziergang im Garten gehen wir noch einmalzumHaus des Engländers, trinken dort Caffeeundkehren dann nach Hause zurück durch die jetzt ganz ungemein belebten Straßen. Am Abend wirdvondenmitgebrachten Orangenblättern trefflicher Thee getrunken. - Spät erzählt Lepsiusvielvonseiner Jugendzeit in Schulpforte, was recht amüsant ist. - VorherarabischeStudien.

Mittwochden2tenNovember1842. Früh um 8 Uhr nur etwa 16° Wärme, was empfindlich kühl ist; der Himmel bewölkt. Heut Vormittag reite ich nach Bulackzu, wo ich eine sehr interressanteundgeschmackvolle Moschee zeichne; Freydieselbe mehrvonweitem. Um ½ 12 Uhr zu Hause. Am Nachmittag zeichne ich an einem Fenster in unsrem Hausundum 3 Uhr mache ich einen Besuch bei Dr. KochmitHerrn Frey. Wir gehen von dort zuHerrn Louis, der aber nicht zu Hause sein will, dann zeichnen wir ineinerkleinenGasse einen Fenstererker[,] gehen durcheinenGarten hinter der79 Wohnung Cloth-Bey’sundkommen um 6 Uhr nach Hause. NachdemEssen machen wireinenBesuch beiHerrnDr. Pruner, wohin auch Lepsiusund Bonomikommen,undvonda gehen wir alle noch zuHerrnDr. Koch, wo wir bis ¼ 11 Uhr bleiben. - Die Straßen werden jetzt sehr belebt wegen des nahen Beiramfestes; die letzten Tage des Rhamadan sind da; Alles beginnt sich zu putzen; die Moscheen strahlen Abends heller; es isteininterressantes Leben. -

Dienstagden3tenNovember1842Es ist heut früh um 8 Uhr nur 15° Wärme, sehr kühl. Am Vormittag reite ich mit Freybis nah andie Citadelle[,] woselbst ich ein höchst interressantes Thor zeichne[. ]NachdemFrühstück zeichne ich am Fenster neben unsrer Küche, gehe dann mit Freyzu Dr. Pruner,undtreffe dort den berühmten Schnellläufer Mensen Ernst, der in kurzer Zeitvonhier abgehen will, um die Quellen des weißen Nils zu entdecken; es ist ein kleiner Mann, große Augen, großer Mund, kurzes schlichtes Haar, eingefallene Backen; freundliche Physiognomie; bescheidener Mensch, aber sehr eitel auf sein Laufenunddarauf, daß er indenZeitungenundBüchern erwähnt wird. Er ist in früheren Zeiten Matrose gewesenundhat es biszumSteuermann gebracht; es war mir sehr interressant, ihn kennen zu lernen. - Von Prunergingen wir nachdemPlatz Esbekieh, um dort zu zeichnenundkehrten um 6 Uhr zurück. Um ½ 8 Uhr ging ich mit Frey,den2 Weidenbachsund Frankezu Pruner, wo wir für letzteren nocheinTheaterbillet holten; mit Dr. Koch, den wir dort fanden, gingen wir dann alle indashiesige Theater; es wurdeitalienischgespielt, meist von Liebhabernundzwar sehr gut. Das Haus ist klein,80 faßt etwa 3 - 400 Menschenundhat nur Parquetundeine Logenreihe. Das ganze Haus war voller Franken, indenLogen eine Menge, oft ganz hübscher Damengesichter; -dasStück hieß, glaub ich: die Liebhaber von 60 Jahren; es hat 5 Akte,undwar mir eigentlich ein wenig zu lang; es dauertvon8 - ½ 12, so daß wir erst um 12 Uhr zu Bett kamen.

Freitagden4tenNovember1842. Um ½ 9 Uhr 16°Wärme; ich habe sehr gut geschlafen. Der heutige Vormittag wird mit Zeichnen hingebrachtanderFensterverzierung inderStube des Lepsius. Gleich nachdemFrühstück um 1 Uhr etwa reite ich mit Lepsius, Bonomi, Freynach demenglischenKirchhofe, der außerhalbderStadt ohnweit desgriechischen Kloster’s Mar Girgis(heiligerGeorg) in einem Koptenviertelist[,] inderNähevon Alt Cairo; Bonomireitet heut aufdemgekauften Dromedare, Lepsiusauf seinem eignen Esel. Das Grab einer hier verstorbenen Frauvon Dinklageward aufgefundenundvon Freygezeichnet; dann besahen wir unsdiegroßeKirche aufdemKirchhof, ritten nach Alt Cairo, ließen uns nachderInsel Rhodaübersetzen, konnten aber wieder nicht zum Nilmessergelangen, weil derjenige, der dazudieErlaubniß zu geben hat[,] nicht da war,undauch aufderandren Seite des Flusses von unserm Cavaß nicht aufzufinden war. So kehrten wir denn auch heutvonhier wieder unverrichteter Sache zurück. Um ½ 6 ward Mittag gegessen, weil wir um ½ 7 zu Liedersämtlichgebeten sind. Der Abend bei ihm war im Ganzen recht hübsch. Ich saß beim Thee nebenderMadame Fresnel[,] einer dunkelbraunen von den Gallasstämmen, aber sehr interressantundder Obertheil des Gesichtes sehr hübsch; sie spricht geläufig81französischenglisch, arabischunddieSprachederGallas; sie wohntbeiHerrn Lieder, da sie nicht mit ihrem Manne in vollkommenem Einverständniß zu sein scheint; eine jungeundhübsche Engländerin befand sich außerderGouvernante des Liederschen Kindes noch dort; ich hatte meistentheils wiederfranzösischzu sprechen. Um 10 Uhr gingen wir nach Hause. -

Sonnabendden5tenNovember1842. Heut istdererste der 3 Tage des Beiramfestes, was das 30 tägige Fasten beschließt. Alles ist festlich gekleidet. Die vornehmen Muselmänner machen sich im großen Staat Besuche,undnehmen sich in ihren malerischen Kleidern aufdenRossen in langer Cavalkade ganz prächtig aus; alles blitztvonGold[,] Silberundden magischen Farben; auchdergemeinste Mann hatseinbestes Kleid angelegt. Am Morgen 21 Kanonenschüsse.Vonunserm Dache sehen wir aufeinenKirchhof, wo viele Mohammedaner ihre Gebete verrichten; inderFerne siehtmanrussischeSchaukeln in fortwährender schwingender Bewegung mit bunten Menschenmassen darauf. Es ist Gesetz, daß heut Jeder irgend etwas Neues anhaben muß. - Es ist jetzt beinah 2 Uhrundich hab bisher gezeichnet aneinerCopie vom Bab el Nasr. - Am Nachmittag reite ich mit FreynachdemThore Bab el Nasr; die festliche Volksmenge durchwogt die Straßen. Außerhalb des Thores wareneineMenge russischerundandrer Schaukeln aufgerichtet, die in fortwährender Bewegung waren. In jedem der 4 Kasten saßen 3 - 4 Kinder oder halbwachsne Leute; Arbeiter drehten die Maschine. Eine ReihevonBuden besonders mit Eßwaaren, da esvonheut ab wieder erlaubt ist, bei Tage zu essen,undvoll Getränke sind aufgestellt,undGeschrei durchtöntdieLuft. FaxenmacherundTänzer, unnatürlichen Ansehens locken Gruppen um sich; indessen war es für uns infränkischerKleidung nicht gerathen, lange unter dieser Menge zu warten;82 wir bekamen auch einige Steinwürfe abundso suchten wir uns denn ausdemGedränge fort zu machen. An einem Kirchhofe zeichneten wir einige Gräber[und] ritten durcheinandres Thor mit Maxund Ernst, die sich zu uns gefunden hatten, nach Hause. Am Abend ging ich noch ein Stündchen mit Freyspazieren.

Sonntagden6tenNovember1842. Der gestrige Tag wurde mit eifrigem Zeichnen von einer Deckenverzierung, die Wildaufgenommen hatte, zugebracht. Dieß dauerte etwa bis 5 Uhr, wonach es zu spät war auszureiten; ich ging mit Freystatt desseneinwenig aufdemPlatz Esbekiehspatzieren. Am Abend hatten wir BesuchvonHerrn Pruner; - die Temperatur hält sich bei Tagzwischen18 - 19° Wärme;derHimmel ist unverwüstlich heiter. -

Montagden7tenNovember1842. Da wir morgen nach den Pyramiden aufbrechen wollen[,] haben wir viel mitdemPacken unsrer Sachen zu thun. Um Mittag wollen wir Abschiedsbesuche bei Pruner, Koch, Linantmachen. Es ist heut der dritteundletzte Tag des Beiramfestes. Unsre Besuche bei Prunerund Kochwerden abgestattet; dann noch einen bei Herrn Priss, einem Maler, bei dem wir eine Menge interressantester Aquarelle besehen von Costümen, Figuren, LandschaftenundArchitektur aus Egyptenund Nubien; nachher machen wir nocheinenAbschiedsbesuch bei Linant. Ich packe meinen Mantelsack. Es findet sich am Abend, daß es nichtmöglichist, die Cameele für den andern Morgen zeitig genug einzuschiffen,[und] so beschließen wir, erst am Mittwoch aufzubrechen; wir ändern auch unsern Entschluß darin, daß wir nicht alle,sondernnur die nothwendigen Sachen mit nachdenPyramiden nehmen wollen,unddie Wohnung in Cairobehalten. Erst in 14 Tagen - 3 Wochen83 werden wirdieübrigen Sachen gleich indieBarke schaffen lassen, was für jetzt unsern Aufbruchvonhier vereinfachtundwohlfeiler macht.

Dienstagden8tenNovember1842. Der heutige Tag vergeht für mich mit Durchzeichnen einer Kartevon Nubien. Die Andern packendieKisten für Morgen. Es kommt heut viel Besuch z. B. Pruner, Koch,deralte Mashara, Clot Bey; es wird nocheinDiener angenommen,undwir haben jetzt in Allen deren 6; 3 größereund3 jüngere, worunter 2 fast noch Knaben. Es werden die Cameele für morgen bestelltundsie stehen schon jetzt, es ist ½ 10 Uhr Abends[,] vor der Thür, um morgen vor Sonnenaufgang gepackt zu werden.

Mittwochden9tenNovember1842. Um 4 Uhr Morgens wird heut aufgestanden,undum 5 Uhr etwa, noch halb im Dunkeln wird mitdemAufpacken begonnen; es werden 9 Kameele vollgepackt; um 6 Uhr etwa brechen dieselben auf. Der heisre JanitscharvonHerrn Championist dabei,undzeigt sich sehr gewandtundnützlich. Wir ordnen, nachdem die Cameele fort sind[,] alle zurückgebliebnen Sachen in unsrer Wohnungundstellen sie in 1 Zimmer zusammen; Jeder steckt zur Reserve 1 Brod zu sich. Um 9 Uhr Vormittags etwa setzen auch wir uns in Bewegung; ich auf einem von unsern Eseln; aber in Altkairoverliert er ein Eisenundich nehme einen andern. In Altkairotreffen wir schon die Kameele an, wie sie mit großer Mühe überdenFluß gesetzt werden; sie sind abgeladenunddie Sachen bereits drüben; es erscheint fast grausam, wie die großen Thiere in die Barke mit Gewalt gestoßen, getragen, gezogen werden. Nun setzen auch wir über; eine andre Barke ist mit unsern eignen Eselnundeine dritte mit unsern fremden EselnunddemPferd des Cavaß beladen. 84Der Wind ist heftig, doch kommen wir ohne Unfall hinüber, nur habe ich den Ärger, daß mir mein seidnes Schnupftuch ausderTasche gestohlen ist; unsre eignen Esel tragenso auch glücklich an; als wir dem AufpackenderCameele in Ghizezusehen, ruft mir auf einmal Frankezu, da sei aufdemNileineBarke umgeschlagen,undich sehe wirklich den umgestülpten Kahn, an dem sich mehrere Menschen halten, andre stehen darauf; ein Pferdekopf guckt schwimmend über dem Wasser empor. Es wird bald klar, daß die umgeschlagene Barke diejenige unsrer Eseltreiber ist mit sammt all ihren 6 Eseln. Wir hatten erst Furcht mit Bonomi, der sammt seinem Dromedar noch nicht angelangt war. Indessen kam er bald unversehrt an. Dieser Unfall machte uns in Ghizeeinen Aufenthaltvonmehreren Stunden. Es waren Küchensachenvonuns untergegangen, alle Esel ertrunken, die Menschen aber gerettet, auchdasPferdvonunsrem Cavaß. Nun mußten wir vom Sheik des Dorfes neue Esel requiriren; die Eseltreiber der ertrunkenen kamen triefend an,undwir lohnten sie mitdembedungenen Geld ab. Ehe die neuen Esel kamen, ritt Lepsius, ichund Freyvoran, um einen Platz beidenPyramidenzum Lagern auszusuchen; indessen schon bei dem Canaltrafen wir auf unsre Cameele, die abermals abgepacktundmit unsäglicher Mühe überdasWasser geschafft wurden; es war interressant, aber traurig anzusehen. Als wir aufderandren Seite Alles in OrdnungundSicherheit wußten, ritten wir wieder voran aber aufdenEseln des Dorfs, ohne Sattel; sie gingen sehr langsam; aufdemgroßen Damm schossen wir ein paar mal, ohne zu treffen, oder wenigstens zu tödten; mit SinkenderSonne kamen85 wir andieWüste,undgegen 7 Uhr Abends schon im Mondschein erreichten wir die Höhen vordenPyramiden, erschöpftundhungrig. Wunderbarer Anblick auf die Wüste im Mondschein, wie eine einzige See, oder fast wie ein Schneefeld. IneinerViertelstunde kommt Bonomi, dann Wildundnach kaum 1 Stunde die Cameele und die Andern. Nun geht es an das Abpacken. Wir kräftigen uns einigermaßen durch Dattelnundaltes Brod, später auch noch einige Fische; die Leute schlafen unten beidenSachen, wir allesammt in einer frühern Totenkammer, die jetzt zueinerArt Zimmer eingerichtet ist, wir sind Alle sehr ermüdet. - Der Nil war indenletzten Wochen schon sehr gefallen, etwa um 4 Fuß. Die Dämme waren an manchen Stellen sehr beschädigt, sogar durchgerissen; Sicherung derselben ganz wie bei uns; statt unsrer Weidenfaschinen hier SchilfundDattelfaschinen.

Donnerstagden10tenNovember1842. Um 7 Uhr etwa stehen wir auf; es wird wegen eines Lagerortes berathschlagt,undwir finden einen ohnweit der großen Sphinxetwas vertieft; nebenbei in einem alten Grabe wird die Küche verlegt, aufderandren Seite stehen unsre Kisten. Die Zelte werden aufgeschlagen; zwischen denselben weht unsrestattlicheFlagge. Es muß zuvor aber erstderTransportderSachen von da, wo sie abgeladen wurden biszumLagerort geschehen, wozu 1 Kameel verwandt wird, ich beaufsichtige mit BonomidasAufpacken; darüber kommtderMittag herbei. Die Einrichtung im Zelte kostet einige Stunden;dazwischenessen wir Kürbiß mit Fleisch gekochtundReis; am Nachmittag gehe ich mit Freynocheinwenig spatzierenzwischendenPyramiden, in den Gräbern; zu schießen finden wir nichts, als einen86 Molch. Herrlicher Sonnenuntergang; die mächtigen Pyramiden sind in glänzendes Gold eingehüllt. Zum Abend essen wir ReisundSetzeier; im Mondschein inmeinewollene Decke gehüllt[,] unterhalte ich mich noch mit Freyund Bonomiund Ernst; der Mond hat heut einen gewaltigen Hof. Ich sitze jetzt, um ½ 11 Uhr Abend in unsrem Zelte mit Freyundschreibe dieß Tagebuch, während 4 um uns schlafen. Lepsiusund Maxhabendaskleinere Zelt für sich, wir 6 Andern das große; es istabersehr engund Bonomizieht vor, im Freien zu schlafen, wie die Leute. - Gute Nacht!

Freitagden11tenNovember1842. Wir brechen am Morgen früh auf nach einer so schön durchschlafenen Nacht, wie fast noch keine seit Alexandrien, um das Todtenfeld um die Pyramiden zu mustern. BonomiaufseinemDromedar, wir zu Fuße; wir kriechen in alle fast ganzvonSand verschütteten Löcher der Gräber hinein,undsuchen Inschriften; auch finden wir alteundsehr interressante Ausbeute. In einem Thiermumiengrabe ist ein abscheulicher GeruchvonFledermausdreckundausgebrannten Mumien, doch finden sich keine Inschriften. - Um 2 Uhr etwa kehren wir zurückundessen unser Dejeuner. Um 4 Uhr etwa machen wir noch einen Ausflug nach der Umgegend der dritten Pyramide, besuchen die Gräber umdie2te Pyramide,undaufdemRückwege noch andre, wo sehr interressante architektonischeundhieroglyphische Merkwürdigkeiten sind. Einzig schöne Aussichtenzwischenden Pyramiden aufdas Nilthal; wunderbare Beleuchtung,undnie gesehene Farbenpracht der Gegend. Die Luft hier ist sehr schönundrein; der Abend bisweilen sehr kühl, heut aber87 wunderschön;derMond scheint hell; das Wüstenleben ist bis jetzt sehr interressantundromantisch. Die Esel sind hinter unsrem Zelte, das Dromedarzwischenbeiden Zelten. Wir erfreuen uns Alle des besten Wohlseins.

Sonnabendden12tenNovember1842. Bernhardund Juliens Geburtstag! - Wir stehen vor Sonnenaufgang auf,undbesuchen die gestern aufgefundenen interressanten Gräber, wo wir 8 Mann beim Sandherausschaffen beschäftigen,undwird Max, Freyund Ernstmit Abzeichnen der BilderundHieroglyphen beschäftigt. Ich besucheunduntersuche mit Lepsiusund Bonomidie andern Gräberöstlichvonder großenPyramide. Dann steigen wir 3[,] von einem Araber begleitet[,] auf dieselbeundberichtigen die Pläne; dervon Wilkinsonist der beste. Nachdem wir heruntergekommen[,] besehen wir noch einige interressante Gräbersüdlichder großenPyramideundgehen dann zum Dejeuner. Nachher besichtigen Lepsius[,] Bonomiundich noch die Felsengräber ohnweit der 2ten Pyramide, wo sich vielinterressanteInschriften finden; mitdemLichte wird überall herumgekrochenundim Dunkeln kehren wir zurück, um unser Abendbrod zu verzehren, was jetzt meist aus Geflügel, einem grünen Gerichte, wie heut BamienundReis besteht.Endlichwird gegen Abend noch Thee getrunken. Das Wetter ist vortrefflich, bei Tag nicht zu warm, aber bei Nachtundgegen Morgen besonders sehr kühl. -

Sonntagden13tenNovember1842. Wir hatten heut eine Art Gottesdienst, indem erst ich ein Capitel ausderBibel lese (das erste desEvangeliumsJohannis)unddann Lepsiuseine Predigt von Straußüber den Segen; es war diese Andachtzwischenuns Deutschen ebenso schön als erquicklich. Alsdann ward dejeunirtundnachher wieder mit Lepsiusund BonomieineAusflucht gemacht; zuerst besehen wir einige Felsengräber vor der 2tenPyramide, worunter besonders88 einesmerkwürdig, was einen Portikusvon4 Säulen hat;wahrscheinlichaus späterer Zeit der Psammetiche. Alsdann besteigt Lepsiusdie 2te Pyramide; ich gehe nur bis zu ¼derHöhe; er aber klettert selbst bis über die Bekleidung aufdenGipfel, ein, meiner Ansicht nach sehr gefährliches Stück Arbeit, besonders weil diesePyramideviel mehr verwittert ist als die große. Unterdessen besteige ichund Max, der sich hinzugefunden hat, die 3tePyramide, von wo aus wir Lepsiusherabklettern sehen, der alsdann auch noch aufdie3te kommt, da wir dannvonhier die Karten berichtigen. Ich stieg mit Maxfrüher hinabundkroch in die Kammer der 2ten der 3 kleinerenPyramidensüdlichvonderdritten großen. Dann besuchten wir die ganzesüdlicheSeite des Todtenfeldes, kamen zu Freyund Ernst, die an den Bäumenzeichneten, undvondort ging ich nach Hause, sehr erschöpft. Erst spät kommt Lepsiusund Bonomi, die noch andre Gräber anderSeite nachdemNil hin besichtigt haben. Abend wird wieder Thee getrunken, die Temperatur ist keineswegs zu heiß, weil die Nordwinde trefflich kühlen; wie schön ist es, am Abend im Mondscheinzwischenden Zelten um Bonomi’s Lager zu sitzen,undunter dem ungeheuren Sternenhimmel die unendlich reine Luft einzuathmen! Wie wunderbar ist dochderBlick über die endlose Wüste von dem Gipfel der Pyramide; die welligen Hügel[,] vom Sande überweht[,] sehen ganz wiedasMeer aus[,]undso geht es bis an den äußersten Horizont. Wie ergreift einen solche Großheit Gottes! Und dann wieder im Rücken das grüne Thal des Nils mit seinen unzähligen Armen. Droben der Mokattamallabendlich rosig erglänzend mit der prächtigen89 Stadt Cairovor uns; es ist ein einziges Schauspiel; wie froh kann man inderWüste sein, wennmangesundundmit seinem Loose zufrieden ist! -

Montagden14tenNovember1842. Ich / Wir stehen heut alle vor Sonnenaufgang auf, frühstücken zeitig,undgehen mitderSonne andieArbeit; ich mit Lepsiuszu dem Grabe neben dem Sheik vor der 3tenPyramide; während letzterer dieInschriftenvor demselben abklatschtundausgräbt, nehme ich die ganze Linie dieser Gräber auf,undmesse sodann das ganze Grab, was einemköniglichenVerwandten angehört, aus. Um 4 Uhr kehre ich etwa nachdemZelte zurückundbeginne die Reinzeichnung dieser Messung. - Das Wetter ist wie immer unverwüstlich heiter; die Hitze war am Nachmittag 4 Uhr etwa 20°, der Morgen sehr kühl. Nebelwolken wälzten sichvondemFuß derPyramidenan dieselben empor, ein wunderbarer Anblick. Am Abend ein schöner weiter Ring umdenMond, wie ich ihn hier schon öfter beobachtete; eine große lang leuchtende SternschnuppeoderKugel schwebte heut AbendvomHimmel herab. Meine Gesundheit ist fortdauernd sehr gut. -

Dienstagden15tenNovember1842. Ich zeichne heut Vormittag 2 Gräber auf der Südseitevonder großen Pyramide, eins mit Ausmessung, das andre perspektivisch. Letzteres mache ich nicht fertig, sondern bespreche mit Lepsiusdie Anfertigung des Planes von dem ganzen Pyramidenfelde; um 2 Uhr etwa verfügen wir uns nachdenZeltenundich fange die Karte immer an zu zeichnen. Gegen 4 Uhr hörte man öfters, wenn auch nicht sehr stark donnern, was mich jedoch nicht am Fortarbeiten hinderte. Kurz darauf fallen einige Tropfen,undin wenigen Minuten strömt ein Wolkenbruch hernieder, wie ich ihn nie erlebt habe. Wildundich versuchen mit Frankedas Zelt im Anfang zu halten; allein das war nur90 ein Augenblick. Der Sturm brach Alles über den Haufen, ichund Wildliegen unterdemZelte. Ich wickle mich herausund1 Moment reicht hin, mich bis aufdieHaut naß zu machen. Der Hagel mit Regen strömt hernieder. Jetzt schien Alles verloren. Lepsiusin seinemweißenÜberhemd lief wie inVerzweiflungumher,undsuchte noch sein Zelt zu halten. Aber auch das brach zusammen. Nun kam vondenumliegenden Hügeln ein WasserstromzwischendenZelten hindurch, der mit unwiderstehlicher Gewalt Alles mit sich fortriß; die Erde ward tief aufgewühltundunsre Sachen schwammen dahin; es wareingräßlicher Anblick; an Retten konnte jetzt nicht mehr gedacht werden, man mußte Alles dem Schicksal überlassen. In einer ½ Stunde gingdasGewitter vorüberundnun lief Alles nachdemSee, der sich ander Sphinxgebildet, um zu fischen. Es wareintrauriger Anblick. Das Erste war, mich umzukleiden, glücklicherweise war mein Mantelsackvon FrankeaufeineAnhöhe getragen,undnoch trockne Hemden darin, die ich vertheilte. Jetzt galt es zu sehen, was gerettet war, die Zelte aufzuschlagen,undunverzüglichmachtemansich andieArbeit. Der Abend rückte indessen stark heran; die Zelte standen mit anbrechender Dunkelheit. Ich schlief mit Freyunterdemfeuchten Zelt; die andren vertheilten sich in Gräberundanderswo; um ½ 12 legten wir uns zu Bett;meinalter Mantel war heut unschätzbar, so wie der am Abend genossene Thee. Frey, Maxund Ernstwurden erst später gerufen nachdemSchauplatzderVernichtung; sie hatten indemGrabe gezeichnet.

Mittwochden16tenNovember1842. Der heutige Tag ging mit Trocknen unsrer Sachen, Ausklopfen, in Ordnung bringen vorüber. Die meisten Gegenstände fanden sich wieder,obgleichmanche in schrecklichem Zustande; vieles wurde ausdemSande gegraben;derarme Freyvermißte am Meisten; besonders Schade war91 es um sein kleines Skizzenbuch; meine Lieblingsbrieftasche warvonderNässe gänzlich aufgelöst; alle Zeichenbücher hatten mehroderminder gelitten; mein Koffer war unten durchnäßt mit allen Sachen; Vieles verdorben; PistolenundFlinten verrostet; alle Kleider beschmutzt. Am Abend waren wir wenigstens mit unsern Sachen wieder vollständig indenaufgeschlagenen Zelten,obgleichdie meinigen noch sehr unordentlich. Am Morgen machte ich mit LepsiusnocheinekleineExkursion nachder großenPyramideunddem ausgegrabenen Grabe dahinter. -

Donnerstagden17tenNovember1842. Es ist heutdererste Tag, den man einen jour gris nennen könnte; die Sonne zeigte sich nur bisweilen[und] es war leidlich kühl zu nennen. Ich machte eine große Tour hinterdie 3tePyramideindieWüste hinein; es ergreift einen ein eigenthümliches Gefühl, allein in eine Wüste hinein zu gehen. Diese Wasserlosigkeit beiderumgebenden Endlosigkeit überwältigt Einen beinah; Ich wanderte auf dem Pyramidenfelde wohl 5 Stunden umher, immer ausmessend. Unser gewöhnliches mitgenommenes Frühstück von DattelnundBrod, dazu meine Wasserflaschevon Amelangward in Gemeinschaft mit Freyverzehrt, den ich beidemGrabe besuchte, wo er zeichnete. Um ½ 3 etwa kehrte ichzumZelte zurück, wo ich die angefangene Karte aus dem heut gesehenen vervollständigte. AmNachmittagkam Besuch aus Cairo, ein Herr mitseinerTochter, welche Letztere ich schon beiHerrn Liedergesehen hatte, Engländer. Sie speisten mit uns zu Abendundblieben bis nachdemThee, für unsund Lepsiusviel zu lange, da wir Alle nöthiger zu thun hatten, als uns zu unterhalten. -

Freitagden18tenNovember1842. Ich arbeitete heut bei sehr heißem Sonnenschein von früh Morgens an meiner Pyramiden Karte weiter; kehre gegen 1 Uhr zurück,undzeichne92 dann das Aufgenommene ein. Bei meiner Rückkehr nachdenZelten finde ich die Engländer wieder, die sich erst um 3 Uhr drücken. Unser Zelt ist seit gestern für uns viere, Frey, Max, Frankeundmich recht geräumig geworden, da Wildsicheineignes Zelt bestellt hat, was gestern gekommen ist; so haben wir denn im Ganzen 3 Zelte. Heut empfing LepsiuseinenBrief von Abeken, der binnen wenigen Wochen nun auch zu erwarten ist, da er am 15tendesMonatsvon Triestabreisen will. Ich muß heut einmal wieder der unvergleichlichen Farbenpracht gedenken, die bei Sonnenuntergang alle Gegenstände hier umhüllt. Die Aussicht aufdenfernen Nilvonunserm Thale aus mit grünen Matten davor, die eben ausderÜberschwemmung hervorgestiegen sind; das Dorf mit seinen Palmen,undvor Allem das lang ausgedehnte jenseitige Mokattamgebirgestrahlen eine 4tel Stunde lang so wunderbar schön, daß es über jede Beschreibung hinausgeht; da sind die lebendigsten Farben vom Tiefblau des Himmels durch Rosenroth[und] GrünundGoldgelb so einzig verschmolzen, daß es kein Maler wiedergeben könnte; aber leider ist dieser entzückende Anblick zu schnell vorüber. Unsre Tagesordnung ist jetzt so, daß wir vor Sonnenaufgang aufstehen, frühstückenundmitderSonne an unsre Arbeit ausrücken, unser 2tes Frühstück mitnehmend; um 6 Uhr,oder½ 7 nehmen wir dann unser einziges Hauptmahl mit 3 Schüsseln ein, wovon Reis immer die letzte bildet, dann kommt eine Pfeife Tabak miteinerkleinenTasse Caffee,undmeistentheils zuletzt Thee, wonach ich dann mein Tagebuch zu schreiben pflege, wie heute. Prächtigste Mond helle Nächte machen einen besondern Reiz unsres jetzigen Wüstenlebens. Gute Nacht! -93

Sonnabendden19tenNovember1842. Ich mache mich bei Zeiten auf, und setze die Wanderung in Betreff meiner Karte fort von dem Thale hinter dem Pyramiden-Plateau bis zum Flußthale. Ich frühstücke im Grabe, wo Freyund Ernstzeichnen,undfahre dann auf meinem Eselunddenkleinen Hauatzur Seite in meiner Arbeit bis nach 1 Uhr fort, wo ich zudenZelten sehr ermattet anlange[und] bis gegen Abend das Vermessene auftrage. - Es ist heut sehr warm; aber doch kann ich nicht sagen, daßdieHitze mir sehr zur Last fällt, es müßte denndasBlenden der Sonne sein, wenn ich aufdieKarteoderdasZeichenbuch sehe. - Ich fand heut einen schönen mit Hieroglyphen verzierten Stein, der zu einer Eingangsthür gehört, und der mit in unser Museum wandern wird. -

Sonntagden20tenNovember1842. Es wird heut, wie täglich, vor Sonnenaufgang aufgestanden; um 9 Uhr ward wieder Morgenandacht gehalten, das 2teKapitelausdemJohannes, das Evangelium des heutigen Sonntags,undeine Predigt von Strauß; dann machten sich Lepsius, Bonomi, Wildund Maxauf, um eine entferntere noch unbekannterePyramidezu untersuchen; Freyund Ernstgingen zeichnen, Frankeangeln,undich blieb zu Hause[,]unbeschäftigte mich mit einem Briefe an Elisabeth; es war einkleinerSchreck, der mir eingejagt wurde, dadurch, daß mit einemmal Freyaußer Athem angestürzt kam,undmeinte, er könne den Ernstnicht auffinden;under selbst wäre vor 2 bewaffneten Arabern geflohen; ich nahm schnell meine Flinteundmit einem unsrerarabischenWächter machten wir uns jetzt nachderStelle auf, wo Ernstgewesen war. Wir sehenvonden2 Arabern keinen mehr,undauf mein Rufen kam Ernstruhig hinter einem Grabe hervor, wo er94 gezeichnet hatte. So löste sich diese kleine Sorge noch glücklich; ich hatte nachher noch einen Spaß mit einem Hasen, der sich 3 mal dicht vor mir hinsetzte,undich konnte ihn nicht schießen, weil meine Flinte absolut nicht losgehen wollte; es wurde zu dunkel, um ihn noch einmal aufzusuchen; ich hätte ihn dann mit meiner Pistole geschossen. - Erst spät am Abend kam Lepsiusvonseiner Ausflucht sehr ermüdet zurück; er hatte 2 - 3 neue Pyramiden aufgefunden sammt Gräbern, eininterressanterFund. -

Montagden21tenNovember1842. Ich hatte mich inderNacht ein klein wenig erkältet, weil Zugwind durchdasZelt gingunddie Nächte sehr kalt sind, so daß ich etwas Diarrhöe mit Leibweh bekam; ich half mir damit, daß ich bis zum Abendessen nichts ,undes scheint auch nur eine wohlthätige Einwirkung auf meinen Magen ausgeübt zu haben, der seit einigen Tagen zu überfüllt war. Ich machte am Morgen eine Ausflucht zur Vervollständigung meiner Karteundbrachte sie wieder einen Ruck weiter. Um ½ 1 kam ich zu Hauseundzeichnete dann das aufgenommene Stück auf das Brouillon ein. Nachmittag richtete Bonomiunser Zelt ein wenig anders ein, eigentlich freilich nur scheinbar, denn bis aufdieLagederMatten blieb Alles beim Alten; wir haben heute einen völlig wolkenlosen Himmel; erst Ostwind, dann Südwind, der aber sehr scharfundkühl ist; ich glaube, daß wir nicht mehr als 13° haben; man merkt, daß Winter ist; freilich bei Tage ist es heiß genug. Der von mir vorgestern gefundene Stein mitHieroglyphenwird heut nach unserm Zelt transportirt. -

Dienstag den 22ten November 1842. Es wurde uns gestern Abend noch ein Schrecken dadurch bereitet, daß sich ein heftiger Wind erhobundzwarvonWesten,95 der zum 2ten mal drohte, unsre Zelte umzureißen; die wachenden Araber verkündigten wieder einen Sturm mit Regen,undnun entstand unter uns, die sich eben zu Bett legen wollten, ein erstaunlicher Tumult; alle Sachen werdenzusammengepacktundin die Küche geschleppt; auch mein Bett bringe ich in Sicherheit. So warteten wir dann eine Zeit lang; indeß blieb glücklicherweisederRegen aus,undes hatte mitdemheftigen Winde sein Bewenden. Ich trug mein Bett wieder indasZelt,und, angezogen, mit meinem Mantelund2 Decken legte ich mich, sehr ermüdet, schlafen. Die Nacht war erstaunlich kalt; wir hatten heut Morgen Wärme, das Wasser war fast wie Eis. Ich hatte den großen Ärger, gestern Abend beim hastigen Anziehen meine Brille ausderTasche fallen zu lassen, darauf zu treten,undein Glas zu zerbrechen; ich muß deshalb heut zu meiner Hornbrille greifen, die mir noch sehr ungewohnt vorkommt. Bei heftigstemunderstaunlich kaltem Westwinde (Samum), der eine Masse von Sand mit sich führt, setze ich die Aufnahme meines Plateaus anderFlußseite fort, vermesse danndasGrab mit dem Säulenportikus vornundgehe dann zu dem andern Grabe, wo Ernst, Maxund Frankearbeiten. Hier höre ich, daß Lepsiusmit Freyund Wildnebst 3 Dienern plötzlich nach Cairoabgereist ist, hauptsächlich wegen Unannehmlichkeiten mitdemCavaß, der unverschämte Forderungen macht; er wird erst morgenoderübermorgen zurückkehren. Ich verliere heut meinen grauen Filzhut, der mir vom Windewahrscheinlichin einen der tiefen Brunnen entführt wird. Der ganze Tag ist heut erstaunlich sandwindig; die ganze Athmosphäre trüb, die SonnevomSande verschleiert; dabei so kühl, daß ich kaum warm96 wurde. Gegen Abend besuchte ich mit Bonominoch 2interressanteGräber, wobei wir einen Wolf erblickten. - Am Abend legt sich glücklicherweise der Wind,undich hoffe auf eine ruhige Nacht. -

Mittwochden23tenNovember1842. Gegen 1 Uhr in der vergangenen Nacht erhob sich wiederum der Wind so stark, daß wir stets glaubten, unser Zelt würde ihn nicht aushalten,undunser Aller Schlaf war bis gegen Morgen sehr mangelhaft; indeß ging es auch dießmal glücklich ab. Heute früh hatten wir 11° Wärme; bei Tage waren es im Zelte 20°; zwar immer noch windig aber doch warmundheiter. Heute früh wurdenvonmirund Bonomierst die Arbeiter (Ausgräber) gezähltundangenommen (22 Kinderund13 Erwachsene); ihrer Arbeit zugesehen; wir graben vorn ander Sphinxundnoch an einem andren Orte. - Den Tag über zeichne ich an meiner Karte; auch vermesse ich mit Bonomidie Entfernung der beiden großenPyramiden. - Gegen Abend nehme ichendlichnoch einen Theil des Plateaus anderFlußseite auf. - Dann werden die Arbeiter bezahlt[und] Abendbrod gegessen,unddarauf dieß Tagebuch geschrieben. -

Donnerstagden24ten November 1842. Nachdem die Leute an den Ausgrabungen angestellt sind, mache ich mich auf, um das entferntere Plateau des Todtenfeldes zu besuchen. Der Tag ist heiß,undder Weg sehr weit; ich streife mit meiner Flinte rings umher, fortdauernd Gräber aufsuchend. Endlich finde ich die Gräber, die mit Gewölben versehen sind. Ich nehme davon eines aufundkehre etwa um 1 Uhr ermüdet zurück. Auf dem einsamen Wege traf ich auf eine kleineegyptischegehörnte Schlange,undverfolgte eine Hyäne, die ich aber nicht errei97 chen konnte. Am Nachmittage wuschoderbadete ich mich in meinem Grabe vollständig, was mir sehr wohl that. Nachher zeichnete ich an meiner Karte weiter. Nachdem wir Thee getrunken, etwa gegen 8 Uhr, kommt Lepsiusmit Freyund Wildaus Cairozurück, beladen mit einer Menge Gegenstände wie z. B. unsre großen Hebebäume. - Dieß bringt Leben in unsre Gesellschaft; die SachenundKisten werden ausgepackt,undmich überrascht LepsiusmiteinemGeschenkvoneinertrefflichenPfeife mit kostbarer Bernsteinspitze, als Bezahlung eines Vielliebchens, was wir in Alexandriengegessen,undich schon lange vergessen hatte; es macht mir dieß viel Freude; auch neue Zeitungen bis zum22tenOctobersind angekommenundich falle noch am Abend darüber her. Erst gegen 11 Uhr kommen wir zum Schlafen.

Freitagden25tenNovember1842. Ich nehme heutdasTerrain anderFlußseite vorder großenPyramideauf, gehe dann, das Grab auszumessen, was Freyund Weidenbachgezeichnet haben,undunterhalte mich nachher vor demselben mit Frey, der eine Farbenskizze malt. Dann streichen wir noch um die hintersten Pyramiden umher, um etwas zu schießen, aber ein HaseundeinWolf gehen uns durch die Lappen; dieinterressantenAusgrabungen besuchend, die heute besonders ander SphinxvonErfolg sind, kehren wir gegen Abend zurück; das Wetter war gut, obwohl immer noch etwas windig. - Wir werdenwahrscheinlichallezusammenunsre fernere Reise zu Lande machen,undnur ein kleineres Schiff mit unsern Sachen beladen. Unsern Cavaß haben wir wegen TorheitundAnmaßungzugleichabgeschafft,undwerden in einigen Tagen einen andern erhalten, derzugleichmehrere Sprachen spricht,unddie Aufsicht überdieBedienung führen soll. 98

Sonnabendden26tenNovember1842. Ich belaufeundskizzire heut einen bedeutenden Theil des entlegenen Plateaus,undlaufe etwa 5 Stunden umher; komme sehr ermüdet um ½ 1 Uhr zurück. Darauf will ich die Sachen aufzeichnen, aber es droht Regen, der verursacht, daß wir all unsre Sachen ausdemZelt in die Küche tragen. Indessen war diese mühselige Vorsicht nicht nöthig, dennderRegenundWind war wedervonDauer noch heftig. MitdemHin -undHertragen der Sachen vergeht übrigensderNachmittag,undich komme nicht mehr zum Zeichnen. Wie gestern erfreute mich heut der über Alles schöne Blick auf das jenseitige Mokattamgebirgeunddie Landschaft davor beim UntergangederSonne; es isteinGenuß auf ¼ Stunde, der über jede Beschreibung geht; heut Abend war besonders die Wolkenbildung des fortgezognen Regens von wunderbarer Schönheit. Das Wetter ist AbendsundMorgens sehr kühl, auchbeiTage nicht besonders, naß windig,undwolkig. -

Sonntagden27tenNovember1842. Nach dem Frühstück mache ich mit Bonomiund Freyeine Exkursion nach einem etwa 1 Stunde inderWüste entlegenen Orte, wo ich glaubte, daß bearbeitete FelsenundGräber seien; indessen hatte ich mich getäuscht; wir fanden nichts als weißes Kalksteinplateau, durchlöchertundverwittert. Im Sande lagernd, KameelundEsel neben uns, zeichneten wir alle 3 den Kopf des Kameelsundbrachen dann wieder nach Hause auf; es war ein warmer[und] sehr schöner Tag. Nach unsrer Zurückkunft ward unsre sonntägliche Morgenandacht gehalten[und] dann ein warmes Frühstück eingenommen. Darauf schrieb ich einen Brief an die Mutter[und] machte dann mit Freyeinen Spaziergang, zuerst nach dem Flusse zu, um Frankezu suchen, der da fischen sollte; indessen fand ich ihn nicht,[und] wir kehrten dann mit ei99 nem Umweg nachdemPlateau der 2tenPyramideum, wo wir abermals auf den Hasen Jagd machten, aber wiederum[,] ohne ihn erwischen zu können. Sehr ermüdet[und] hungrig kehrten wir nachdenZelten zurück, wo unsdasAbendbrodt prächtig schmeckte. Nach dem Caffee ward über eine Stunde lang arabisch in Gemeinschaft Aller getrieben. -

Montagden28tenNovember1842. Ich fahre in der Aufnahme des entfernteren Terrains fort, kehre, nachdem ich noch an Freyund Ernsteinen kurzen Besuch gemacht habe, die ineinemGrabe zeichnen, gegen 1 Uhr zurückundbeginne am Plane zu zeichnen. Gegen Abend besteige ich mit Lepsiusden Kopf der Sphinx, zu welchem Zwecke Frankeeine Leiter zurechtgemacht hat. Das Ding ist doch höher, als man glaubt[und] die Umsicht vortrefflich. Dann wirddieAusgrabung des Steines mitderInschrift vorder Sphinxbesichtigt; die Erwachsenen bekommen fürdasAusgraben an Tagelohn 1 Piaster, die Kinder ½ Piaster (2 Para). - NachdemCaffee wird heut dieß Tagebuch geschrieben. - Das Wetter ist heut wieder sehr schön, wie gestern. Gestern hatten wir im Zelte 20° Wärme, inderSonne bei kühlendem Nordwinde um 3 UhrNachmittags21½°. -

Dienstagden29tenNovember1842. Ich bleibe heut den ganzen Tag im Zelte beim Auf -undAuszeichnen meiner Karte. Das Wetter ist schön aber kühl, so daß ich eigentlich friere. - Wie immer istderAbend drüben am Mokattamwunderschön. - NachdemEssen ambulire ich bei Sternenschein[und] guter Unterhaltung mit Frey. -

Mittwochden30tenNovember1842. Der Morgen ist wieder sehr100 kühl. Merkwürdiger Anblick der aufsteigenden Nebel andenPyramiden beim Aufgang der Sonne, wie dampfende Riesen sehen sie aus; der in der Nacht stark gefallene Thau verdampftundvorzüglichda, wo er auf Steinflächen fällt, wie die Pyramiden sind. Ich rekogniscire zuerst noch einmal die Gegend vor der großenPyramidenachdemFlusse zu. Dann besehe ich die Ausgrabung eines sehrinterressantenGrabes inderNähe der 2tenPyramide,[und] begebe mich dann nach Hause, wo ich bis zum Abend meine Karte weiter zeichne. - Am Abend ambulire ich wie gestern mit Frey. -

Donnerstag,den1tenDecember1842. Heut früh war ein erster Berliner Herbsttag; kalt,unddichter Nebel lag über der ganzen Gegend; die Pyramiden waren gänzlich verschwunden, ich machte mich auf zur Recognoscirung des Terrains, in der Hoffnung, daß die Sonne alsbald die Nebel verscheuchen würde; erst brachte ich Ernstzu dem Grabe, wo er zu zeichnen hat, dann aber fand ich, daß es für mich unmöglich war, draußten etwas zu thun[und] kehrte wieder in mein Zelt zurück, wo ich den ganzen Tag an meinem Plane arbeitete, der allmählig seiner Vollendung zuschreitet. Am Abend hatten wir Besuchvon2 Engländern,Herrn Bellundnoch einem, die auf einige Tage sichvon Cairohieher übergesiedelt habenundder Jagd obliegen. Nach dem Essen um ½ 8 Uhr im Finstern ward beschlossen, das Innere der 2tenPyramidezu besichtigen. LampenundLichter werden vertheiltundnun geht es in der Finsterniß[] auf, für mich wohlbekannten, Pfaden nachdemPlateau. Mit Mühe wirdderSchutthaufen erklommen[und]derEingang ist erreicht; meine Schuhe (ich gehe jetzt immer ohne Strümpfe) lasse ich draußten und gebückt geht es nun den abschüssigen mit Granit (röthlichen) sauber ausgelegten Gang hinab; die Fugen sind mit Kalk oder Gips gemauert. 101Der abschüssige Gang führt über einige Palmstämme in einen horizontalen, der in den natürlichen Fels gehauen ist[und] wo ich fast aufrecht stehen kann. Fehlerhafte Stellen des weichen Kalksteins sind mit Quadern versetztunddie ganze Fläche des Ganges scheint mit Gipsmörtel überzogen gewesen zu sein, der theilweis noch daran sitzt; schwache rothe Linien sind die einzige Spur, die von Egypterhänden auf der weißen Fläche zu haften scheinen. An vielen Stellen sind dicke Salzcrystalle angesetzt, die glimmernd die Wand überziehen. GegendieNähe der Kammer hin kam eine große Menge Fledermäuse uns entgegengeschwirrt, ängstlich hinundherflatternd. Endlich traten wir in die sehr geräumige hohe Kammer, wo die großen Blöcke des Fußbodens, die man aufgebrochen, in wilder Unordnung umherlagen. Gegen Westen stand der granitne, sauberundglatt gearbeitete große Sarkophag, der bis zum Deckel eingemauert war; letzterer ein Endchen davon. Vor Belzoni, der im März 1818 den Eingang in diesePyramidefand, war der Sarg schon geplündert. Hieroglyphen keine Spur. Der Verschluß des Sargdeckels war deutlich zu erkennen

[figure]

Nuthen, schräg gearbeitet[,] halten den hineingeschobenen Deckel; vorn waren Falllöcherchen angebracht für Stifte, wie noch jetzt die Einrichtung derarabischenSchlüssel. Die ganze Kammer hatte eine schräge zeltartige Decke, zu der SteinplattenvonKalksteinoderBlöckevonwenigstens 22[ Fuß] angewendet waren, die 3 mètres weniger 20centimètresin der Mauer saßen. Nachdem wir dieß Alles genau beobachtet, traten wirdenRückweg an. Wo der schräge Gang aufwärts führt, geht ein 2ter Gang schräg abwärts ineine2te Kammer,[und] mündet unter dem Boden; doch istderZugang daselbst verschüttet. Lepsiusundviele der Andern krochen noch hier hinein, so weit es gehen wollte; für mich war es zu viel[und] nachdem ich mit meiner Lampe andieDecke des Ganges meinen Namen geschrieben, kam ich glücklich wieder am Eingange an,[und] kehrte mit Ernstund Franke102voran zu Hause, wo dann noch warmer Thee zum Beschluß dieser Nachtfahrt gereicht wurde. -

Freitagden2tenDecember1842. Früh Morgens wieder dicker Nebel wie gestern; mein Thermometer zeigt 11¼° Wärme[,] also empfindlich naßkalt; ich merke, auch dieser Winter hier ist nicht warm genug für mich, vielleicht der nächste in Nubien; die aufgehende Sonne zerstreut heut die Nebel zeitig[und] bald glänzen uns wieder die Pyramiden entgegen. Ich belaufezumletzten mal heut das entferntere Terrainundtrage dann die Aufnahme in meine Karte, an der ich sehr fleißig bin, so daß ich hoffe in 2 - 3 Tagen damit durchzukommen. Das Wetter ist windig, aber zum Gehen sehr angenehm. Am Abend sind die Engländervongestern wieder unsre Tischgenossenundnachher wird mit ihnen in Wild’s Zelte Pfeife, KaffeeundUnterhaltung genossen. Sie hatten heut glückliche Jagd gehaltenunduns 2 Rebhühnerund2 andre Vögel geschickt, die aber sehr zähe waren. - TagebuchschreibenundZeitunglesen nimmtdasEnde des Tages ein. -

Sonnabendden3tenDecember1842. Ich besichtige heut mit Lepsiusden größten Theil des Gräberplateaus, wo wir dann die interressanteren auf der von mir gefertigten Karte numeriren. Am Abend suche ich noch mit Frey, Frankeund Ernstden öfter erwähnten Hasen zu schießen, allein er entwischt uns wieder. - Das Wetter ist heut kühl aber schön.

Sonntagden4tenDecember1842. Am Morgen mache ich wieder Jagd auf meinen Hasenundglaube[,] ihn sicher zu haben, da versagt mir die Flinte, die sich dann nachher als nicht geladen erweist. Dann besehe ich das neu aufgefundene Grab mit trefflichen bunten Hieroglyphen, was Lepsiusmit nach Berlinnehmen will, auch andre Ausgrabungen werden besichtigtunddann unsre Sonntagsandacht103 gehalten, wonach das warme Frühstück eingenommen wurde. Es ist heut Ernst Weidenbach’s Geburtstag. Nachher beginne ich Brief zu schreiben, woraus aber wenig wird, weil ich mit Freyund Wildzeichnen gehen will. Wir machen erst Jagd auf Pelikane, die zu 1000den inderNähe des Nils saßen. Mit ausgezogenen Schuhen wateten wir durch den Nilschlamm, ich schoß, aber aus zu großer Entfernungund Frey’s Gewehr versagte; dieser Versuch war uns genug, wir setzten uns ohnweit des Dorfes niederundzeichneten; ich wollte malen, verdarb aber meine Geschichte. Mit sinkender Sonne gingen wir heimundtranken in sauer gewordenem Wein die Gesundheitvon Ernst; am Abend unterhielten wir uns lange in unsrem Zelte mit Lepsius; gegen 11 Uhr zu Bett. -

Montagden5tenDecember1842. Am Morgen gehe ich mit Lepsiusauf das Plateau hinterder großenPyramide, wo noch an einigen Gräbern Ausgrabungen gemacht werden; wir finden wieder ein Grab mit Hieroglyphenundan dem gestrigen wird begonnen, den Brunnen auszugraben. Nachher setze ich mit Lepsiusdie große vorgestern angefangene Gräberrunde fort, welche aufderKarte numerirt werden; erst gegen 1 Uhr kehren wir heim[und] frühstücken etwas. Während dessen hat sich das trübe Gewölk, was heut den ganzen Himmel überzog[,] gesammeltundmehrmaliges Donnern verkündeteinGewitter. Durch den einen Sturm klug gemacht, beginnen wir nun schnell unsre Sachen einzupacken; die Zeichner kehren heimundthun[dazu], es wird Alles indieKüche gebracht. Indessen kommt es auch heut nicht zu etwas Rechtem,unddie Auspackerei, die mich umdenganzen Nachmittag brachte, war eigentlich unnütz. Heftiger Windundein wenig Regen war Alles, was kam! Sehr stark muß es jenseits des Nils104 gewesen sein. Nachdem sich die Wolken ein wenig zerstreut haben, fange ich mit Frankean[,] unser Zelt wieder in Ordnung zu bringen; die Stricke werden angezogen[und] verfestigt, die Matte gelegtundunsre Sachen wieder eingepackt. Darüber kommt der Abend heran, nach dem Essen schreibe ich dieß Tagebuch; das Wetter ist noch nicht sicher, es donnertvonZeit zu Zeit inderFerneundderHimmel sieht noch gefährlich aus. -

Dienstagden6tenDecember1842. Am Morgen begebe ich mich nach dem schönen neu aufgefundenen Grabeundmesse dasselbe auf, während Freyund Bonomidort zeichnen, nach 10 Uhr kommt Lepsiushin,undich besuche mit ihm wieder die Gräberunddie Stellen[,] wo Ausgrabungen gemacht werden, in dem Winkel neben dem Grabe des Sheik gebe ich einen neuen Ort fürdieAusgrabung an,undam Abend haben sich schon 2 Wände voll Hieroglyphen gezeigt. Gegen 2 Uhr kehre ich mit Lepsiuszurück,unddann zeichne ich am Nachmittag noch etwas an dem heut vermessenen Grabe. Der Tag ist leidlich; der MorgenundAbend sehr kühl, ja, kalt,undam Abend wieder heftige Windstöße, inderFerne Wetterleuchten, so daß wir wieder vor einer Katastrophe nicht sicher sind; es ist dieß ein höchst unangenehmer Zustandundich sehne mich nach südlicheren Gegenden, wodergleichenfortfällt. Heut ist unser Diener Mohammetnach Cairo, um Mancherlei einzukaufen,undich denke, er bringt Nachrichtenvon Abekenunddurch den vielleichtvonHause mit. -

Mittwochden7tenDecember1842. Vaters Todestag, dessen ich in stiller Abendstunde ernst gedenke. Die Nacht,obgleichnicht frei von Windstößen, ging doch105 soweit ruhig vorüber. Der Morgen sehr kühl, der ganze Tag fast trübe, sehr windig, rauh, im Zelt 13°, draußten etwa nur 11° - 12°, am Nachmittag etwa 2 Stunden lang Regen, dann etwas Sonne, dann wieder Gewitter, do daß man in fortwährender Sorge um ZeltundSachen ist. Ich besichtige am Morgen mit Lepsiusdie Ausgrabungen, nehme einige Maaße in dem bunten Grabe, was Freyund Bonomizeichnen[und] komme etwa um 11 Uhr nachdenZelten zurück, wo ich dann mit dem Auszeichnen der Gräber beginne,undbis zum Abend fortfahre. Mohammedist noch nicht aus Cairozurück, also noch keine Nachrichtvon Abekenundzu Hause. - Unser Aufenthalt hier neigt sich allmählich seinem Ende zu; in 8 Tagen vielleicht können wir fort. -

Donnerstagden8tenDecember1842. Am Morgen gehe ich zuerst mit Lepsiuszu dem Säulengrabe, um einige Arbeiter dort anzustellen, die wenigstens eine der Säulen blos legen; dann wandre ich noch mit Lepsiusein wenig umherundbegebe mich bald zurück, um meine aufgemessenen Gräber auszuzeichnen, wobei ich bis zum Abend beschäftigt bin. Um 4 Uhr etwa kommt unser Diener Mohammetaus Cairozurückundbringt mir einen werthen Brief der Mutter, der viel des Interressanten enthält, aber auch des Trüben, denn er meldet den Tod des theurenOnkel Fritzam 16tenOctoberundden meines Freundes Fliegel, beide freilich schon lange erwartet[,] doch aber überraschendundschmerzlich; Gott habe sie seelig. - Abekenist noch nicht in Cairo, er muß wohl später abgereist sein. - Das Wetter ist heut, obwohl schön, doch erstaunlich kaltundbei Tage windig; ich schätze es höchstens MorgensundAbends Wärmeoderweniger. -106

Freitagden9tenDecember1842. Am Morgen gehe ich zum Säulengrabe, wo die Ausgrabung von gestern eben nicht weit gediehen ist,undwir die Sache auch nun auf sich beruhen lassen. Alsdann nehme ich einen schönen granitnen Sarg auf, der ausdenältesten Zeiten stammt, und ohne Hieroglyphen aber mit interressanter Verziehrung ist. Nachher begebe ich mich nach Hause, umdenSarkophag zu zeichnen, was ich auch zu Wege bringe; alsdann fahre ich noch etwas im Auftragen der Gräber fort. - Morgen will ich mit Lepsiuseinen vorläufigen Besuch in Saccaramachen, wo wir früh aufbrechen wollen. Der heutige Tag war sehr schön, wenngleich ein wenig windigundkühl. Am Morgen bei Sonnenaufgang hatten wir Wärme. Der Mond fängt an zu wachsen[und] der Abend ist heut mild, ruhigundschön wie inderersten Zeit. Die bis andenHorizont herabreichenden Sterne fallen einem immer wieder auf.

Sonnabendden10tenDecember1842. Lepsiusundich mit Eugenund Hauadwie 2 Arabern brechen heut mit Sonnenaufgang nachdenPyramidenvon Saccaraauf, ich auf dem Dromedarvon Bonomi, Lepsiuszu Esel. Etwa ½ Stundevonhier bemerkten wir ein Plateau, was uns bearbeitet schien,undwas sich auch als solches erwies, ein großer viereckiger Platz, wo sich Ruderavongebauten Gräbern oder mächtiger massiver Ringmauern befand, lang sich hinziehende Wälle[,] vielleicht auch ehemals Mauern, 2 hohe Grabhügel mit Brunnen, ein Plateau, wievongroßen gepflasterten Kalkstein bedeckt, inderThat aber vielleicht nur zu Steinbrüchen gespaltenundeingetheilt,endlicheine Pyramide, ziemlich beträchtlich, wenngleich107 sehr zerstört aus Sandsteinblöcken mit Schutt überdeckt[,] bildeten ein Todtenfeld, was dem ehemaligen Dorfe Reegagegenüberliegt. Nach etwa 1 ½ Stunden brachen wirvonhier wieder aufundgelangten zunächst nach dem Todtenfeldevon Abusir. Dreiziemlichbedeutende Stufenpyramiden stehen hier, eine 4te ist fast ganz abgetragen,undeine 5te kleinere zunächst dem Nilthal mehr als zur Hälfte. Die nördlichstePyramidehatte einen Tempel vorundeine Mauer rings um sich her;vondemTempel ein Weg zum Nilthal; ein gleicher Weg führte mit einem Knie nachderanderenPyramide. An den Steinen der eingerissenen Öffnungen fanden sichvonden alten Steinmetzen mit rother Farbe oder Röthel geschriebne Hieroglyphen, die mit Interressevonmir copiert wurden. Auch krochen wir indasInnere der großenPyramide, deren Gänge durch zeltdachartig 3fach übereinandergelegte immense Kalksteinevonherrlichster Weiße des Mokattamgebildet, überdeckt[,] aber sehr zerstört war, so daß man sie kaum als Kammer erkennen konnte. Der Zugang zur andernPyramidewar wieder verschüttet. Gräber fanden sich zur Seite auch dieser Pyramiden. - Um ¼ 3 Uhr etwa brachen wir, nachdem wir ein wenig Brod mit Datteln gegessenundCaffee getrunken hatten, endlich nach Saccaraauf, was ½ Stundevon Abusirliegt. Das Todtenfeld hier ist außerordentlich bedeutend im Umfange, scheint aber zum größten Theil aus Brunnen zu bestehen, weniger aus gebauten Gräbern. Diese sehen wie Schutthügel aus, da der bröckliche Kalkstein ihrer Oberflächen vollkommen verwittert auf allen Seiten herabgefallen ist. 2 Pyramiden, eine größere stufenartigundeine kleine wie von Schieferstücken erbaut, nehmendieMitte des Feldes ein. AufderSpitze der großen hatten wir einentrefflichenÜberblick auf108 die Umwallung[und] die in langen Linien geordneten Gräberreihen rings umher. In geringer Entfernung reihen sich die Pyramidenvon Dashur[,] eine an die andre mit ihren Todtenfeldern rings umher. Araber des Massaraführten uns zu einemkleinenbeschriebnen Grabe, was sehr alt[,] aber auf das Äußerste niedlichundsauber ausgehauenundbemalt war. Von hier ging es zu einem Felsengrabe der Psammeticher Zeit, mit Pylastern, Gewölben, Kammern an Kammern mit unzähligen Hieroglyphen bedecktundschauerlich schwarz angestrichen. Beim Herauskommen aus diesem Grabe empfingen wireinSchreiben aus Ghizevonunserm Lager, worin uns Abekenseine lang erwartete Ankunft meldete. Dieß bewog uns zu schleunigster Rückkehr,undum 4 Uhr etwavondort aufbrechend[,] gelangten wir um ½ 7 etwa im Lager an, welches wir außer von Abekennoch miteinemDutzend Engländer besetzt fanden, diezumBesuchderhiesigenPyramidenhergekommen waren, welches Letztere für uns eben nicht sehr angenehm schien. Abekenübergab mir nun zu größter FreudeeineMengevonBriefenvonMutter, Elisabeth, Bernhard, Heinrich, Luiseund Stürmer, deren Lesung mich weit in den Abend beschäftigteunderquickte. Ein mitgesandtes Kistchen miteinemKönigsbergerMarzipanherzenvonderMutterundSandtortevon Elisabethgebacken[,] wurde unter großer Neugier meiner Zeltgenossen geöffnetundbewundert. So verging dieser reicheundauch dem Wetter nach schöne Tag zufriedenundheiter, erst spät um 11 Uhr kam ich zum Schlaf. -

Sonntagden11tenDecember1842. Da AbekenheutoderMorgen109 zum EinkaufvonSachen wieder nach Cairowill, entschloß ich mich, ihm einstweilen die schon vollendeten Briefe an Mutterund Elisabethzur Beförderung mitzugeben,undich verbrachte deshalbdenVormittag mit Nachschriften zu denselben. Dann wurde unsre Sonntagsandacht gehalten, wo AbekendasKapitel ausderBibel las,undnachher machte ich mit Freyund Maxeine Jagd auf Pelikane. Baarfuß wurde durch das morastige Nilterrain geschritten; Freyschoß zuerstundtraf 2 - 3, doch ohne daß sie fielen; ich war zu weit abundtraf natürlich nichts. Es isteineigner Anblick, diese 100tevongroßen Vögeln das Ufer ganz weiß bedecken zu sehen. Wir kehrten dann um zu Franke, der an einer[Schlanke], die von der Überschwemmung zurückgeblieben war, angelte,undich verbrachte bei ihm noch etwa 2 Stunden mit Angeln, wo ich dann etwa 6 FischevoneinerHandlänge fing. Mit sinkender Sonne kehrten wir heim,undaßen mit 4 zurückgebliebnen Engländernund AbekenAbendbrot, wozueinGlas Ale trefflich schmeckte. Nachher ward Mutters Marzipanherz zum ersten mal versucht,undherrlich befunden. - Wir hatten heute im Zelte 24° Wärme, etwa um 11 Uhr, was fast drückend war; 1 ½ Stunde später nur 22 ½ °. - Am Abend habe ichvongesternundheute dieß Tagebuch ergänzt. -

Montagden12tenDecember1842. Ich ging heut früh, wo wir noch mit 4 - 5 zurückgebliebnen Engländern frühstückten, nachdem ich AbekenAdieu gesagt[,] mitdemkleinen Hauadzur Ausmessung 2er Gräber nebenundhinterder großenPyramide, womit ich etwa um 12 Uhr fertig wurde; alsdann besuchte ich noch Freyin seinem Grabe, wo er malt,undstieg in den dort eben fertig ausgegrabenen Brunnen110 hinab, der circa 60[ Fuß] Tiefe hat (wir ließen uns an einem Tau um eine Welle hinunter)[. ]Ich fand dort Lepsiusund Wild, welcher Letztere die unten befindliche Kammer aufnahm. Der Brunnen führte durcheineThür ineineKammer, auf deren Nordseite eine vertieftere Kammer zur Aufnahme eines Sarkophags, indereinen Ecke aber ein 4eckiges Loch mit Schlußstein befindlich war. Indererstern Vertiefung wurde jedoch kein Sarkophag,sondernnur Menschen -undKuhknochen vermischt, gefunden, indemletzten Loche aber zerbrochene größereundkleine Vasen; - die Wärme hier unten war außerordentlich. - Nachdem ich mich nocheineWeile obenbei Frey[und] Bonomiaufgehalten, ging ich nach Hauseundfrühstückte mit Lepsius, worauf ich mit diesem in das große Chambellsche Grabmich hinabließ; es ist dieß ein förmliches Gebäude im Felsen; ein tiefer Brunnen wohl 40 Fuß im Quadrat, auf dessen Grunde ineinemeigenenkleinenGebäude, was jedoch fast ganz zerstört war, der granitne Sarkophagbefindlichist. Wir klatschten eine rings um die Wand laufende Inschrift, so wie die von einem Sarkophag, der inderhalben Höhe in einer Kammer war, abundkamen etwa um ¼ 6 Uhr bei drohendem Regen nach Hause. Es kam jedoch glücklicherweise nur sehr wenig zum Regnen, obwohl es sehr kühl war. Abekenwar mitdenEngländern etwa um 10 Uhr nach Cairoabgegangen, wo er wohl erst zum Freitag mit seinen Einkäufen fertig werdenunddann zu uns stoßen wird. Abermals erfreute ich mich heut am UntergangderSonne,undihrem wunderbaren Abglanz am Mokattamgebirge.

Dienstagden13tenDecember1842. Ich zeichnete heut zu Haus bei schönem Wetter an meinen aufgemessenen Gräbern, besuchte Behufs der Numerierung der Gräber auf der Karte mit Lepsiusdie Gruppen hinter der111 großenPyramide,undnahm gegen Abend, womanmit der Ausgrabung vor der Sphinxzu Stande kam, das Tempelchen vor derselben auf. - Das WetterbeiTag war sehr schön; heut Abend ist es windig; MorgenundAbende sehr kühl, 8 - Wärme. -

Mittwochden14tenDecember1842. Ich blieb heut zu Hauseundtrug das Tempelchen von der Sphinx, was ich gestern vermessen, auf. Am Abend fühlte ich mich durch die unausgesetzte Arbeit oder durch eine Erkältung stark mit Kopfschmerzen behaftet, so daß ich dem Besuchvon2 Deutschen, aus Pasausound Churland, die bei uns Thee tranken, nicht mit beiwohnen mochte; ich legte mich bald nieder. -

Donnerstag,den15tenDecember1842. Ich wachte heut etwas zerschlagen auf[und] meine Kopfschmerzen hatten sich noch nicht gelegt. Ich fing an zu zeichnen, aber die Sache wollte nicht flecken; ich fing an zu frieren, hatte schon am Morgen etwas Diarrhoe bekommen,[und] fühlte keinen Appetit, so daß ich mein 2tes Frühstück nicht nahm. Ich zog mich sehr warm an[und] legte mich schlafen, wobei ich ein wenig schwitzte. Als die Zeichner nach Hause kamen, fühlte ich, daß mirderKörper etwas freier war,undes schien mir, als wollte sich die ganze Erkältung in heftigen Schnupfen auflösen. Ich auch am Abend nichts; etwas BrüheundReißwasser war alles den Tag Genossene. - Leider war mein Unterleib noch nicht in Ordnung; ich habe immer noch Leibschneidenundheftige Diarrhoe. -

Freitagden16tenDecember1842. Die vergangene Nacht war scheußliches Wetter; heftigste Windstöße stürzten fastdasZelt über uns zusammen. Beinah hatten wir unsre Sachen schon zur Flüchtung zusam112 mengepackt, auch ich zog mich wenigstens vollständig an; indessen war kein Gewitterundnachdem wir die Zeichenbücher in Sicherheit gebracht, legten wir uns wieder nieder, das Äußerste abwartend; jetzt fing Regen an, der wohl 2 Stunden fortwährte,undeben auch kein angenehmer Ton für einen kranken Menschen war. Gegen Morgen mußte ich 3 mal zu Stuhle gehen. Diese Diarrhoe macht mirdiegrößte Sorge. Im Übrigen fühle ich mich heut freierundbesser. Ich lege am Morgen mein Bett aus dem feuchten Zelte in Bonomi’s Grab, wo es warmundangenehm ist,[und] wo ich in ziemlich behaglichem Zustande Zeitungen leseunddieß Tagebuch ergänze. - Die Fliegen peinigen mich dabei außerordentlich, wie sie denn überhaupt in diesem Lande schlimmer als schlimm sind. - Der Tag vergeht bei heftigem Winde mit meiner Gesundheit leidlich; immer noch aber fühle ich eine Indigestion des Magensunddie Diarrhoe hält an; ich genieße am Abend nur etwas Fleisch[und] Gemüseundvorher Bouillon, halte mich übrigens sehr warm im Bette. -

Sonnabendden17tenDecember42. Ich habe in der Nacht noch einmal zu Stuhle müssenundmein Leib ist noch nicht ganz in Ordnung. Es ist heut früh draußen außerordentlich kalt, nur 6 ½° Wärme; ein heftiger schneidender Wind geht; das ist das heiße Egypten!! Übrigens ist mir heut schon besser[und] mein Magen scheint sich zu beruhigen. Die Freunde kommen aus ihren Gräbern wieder, weil der Wind ihnen zu viel Sand auf die Zeichnungen weht. Ich mache mir, in meinen Mantel gehüllt, eine kleine Motion nach dem neu aufgefundenen Grabe im Bassin mit den Namen des Mencheres, Erbauers der 3tenPyramide,113 dann aber lege ich mich wieder unter meine Decken. Mit Appetit verzehre ich wieder meine Boullion, lese Zeitungenundam Nachmittag fühle ich, daß die Ordnung im Magen zurückkehrt. Ich habe eben, 10 Uhr Abends, regelmäßigen Stuhlgang gehabt, was mir große Freude macht; auch habe ich mit Appetit gegessen,obgleichwenig. Heut Nachmittag habe ich denallgemeinenBrief nach Hause ernstlich in Angriff genommenundein gut Stück vorwärts gebracht.DasWetter bleibtdenganzen Tag sehr kalt. Es kommt ein Bote aus Cairomit den lang erwarteten Briefen für Lepsius, Weidenbachsun Franke, auch der vom König ist darunter; das ging dannvonihrer Seite an ein eifriges Lesen. Auch unser Küchenzelt ist angekommen. Abekenwill erst MontagoderDienstag nachkommen, wird auch wohl Mittwoch werden. In einem Grabe nebenbei ist gestern Abend der Brunnen ausgefüllt,undheut durch Frankezu einem trefflichen warmen Zimmer hergerichtet worden, was uns doch nun dauernden Schutz gegen den bösen Winter gewährt. -

Sonntagden18tenDecember1842. Nachdem ich gestern lange nicht einschlafen konnte, erwache ich heut Morgen vollständig gesund[und] munter. Gleich nach dem Frühstück mache ich mit Freyeine kleine Jagdausflucht nach unsern alten Hasen, den wir aber nicht erblicken, wie überhaupt nichts Schießbares, denn es ist kaltundnebelig. Nach unsrer Zurückkunft halten wir eine treffliche Morgenandacht, wo ich ein schönes Kapitel ausdemEvangeliumJohannis vorlese,und LepsiusnachderPredigt noch das prächtige Liedvon Flemmingliest: Befiehl du deine Wege etc., was114 mir nie in seiner vollen Bedeutsamkeit so wie heute vordieSeele getreten ist. Das 2te Frühstück wird gemeinsam genommen; Lepsiusaber fühlt sich unwohl; es scheint sich ein Geschwürchen anderNasezusammenzu ziehen[,] was ihn sehr schmerzt[und] ihm eine schlaflose Nacht gemacht hat. So ist denn heut sein Kopf sehr benommen[und] schmerzt ihn so, daß er sich am Nachmittag legt. Um 1 Uhr etwa mache ich mit Bonomi, Freyund Wildeinen Spatziergang, um 2 altearabischeBrücken näher zu besichtigen[,] die weiter aufwärtswahrscheinlichüber den Bahr Jusefgingen. AufderHälfte des Weges kam aber ein Strichregenund Bonomiwie Wildkehrten um. Freyundich hielten uns ein wenig mitderJagd beschäftigt, wobei Freyziemlichtief indenNilschlamm gerieth. Doch ging es noch anundwir setzten unsern Weg getrost fort. Fast den Brücken schon nahe, kam aber wieder eine so sumpfige Stelle, daß ich nicht weiter gingund Frey, der es wagte, bis andieKnie einsank, wonach er dann auch den Versuch aufgab. Er zeichnete aber dochvonFernedieBrückenunddann kehrten wir zurück, gingen noch überdasPlateau, wo wir in der wunderbarsten Beleuchtung der Ebne[und] des Mokattams wahrhaft schwelgten. Bei unsrer Zurückkunft fanden wir LepsiusaufdemselbenFleck. Am Abend suchten wir ihn durch Camillenthee schwitzen zu machenundhoffen, er wird danach schlafen. Langes Gespräch überreligiöseGegenstände mit Wildin Bonomi’s Zelt; Mohammet, der gestern nach Cairogegangen, kommt heutNachmittagmit vielem Gepäckvon Abekenzurück. -115

Montagden19tenDecember1842. Das Wetter ist heut Vormittag wieder sehr schlecht, kalt,derganze Himmel trübe; es fällt fortwährend Regennebel, die Arbeiter werden fortgeschicktundwollen auch nicht arbeiten. Ich ziehe aus meinem Grabe aus indasZelt, weil der Brunnen in ersterem zugeschüttet werden soll. Vormittags arbeit ich in unserm neu eingerichtetenGesellschaftsGrabe,[und] dadasWetter um 3 Uhr sehr schön, klarundruhig wird, besteige ich mit Freydie großePyramide, zur Berichtigung der Gräbergruppen umher; herrlicher Sonnenuntergangunderquickliche Aussicht über die Ebne, grün wie im Frühling,vonglänzenden Wasserfäden durchzogen. Nach Sonnenuntergang hinab. Lepsiushat heuteinenFuchs geschossen[und] wieder 2 neue Gräber mit Inschriften aufgefunden. - Ich will am Abend noch Briefschreiben, doch komme ich mit Freyin’s Gespräch[und] es wird fast nichts daraus. - Jetzt ist es ½ 11, drum gute Nacht; die Sterne glänzen herrlich,derMond scheint hell; wenn es so nur eine Weile anhalten wollte.

Dienstagden20tenDecember1842. Ich mache mich am Morgen zuvörderst nach dem Grabe neben dem des Sheik auf, um dort noch einige nachträgliche Maaße zu nehmen; gehe dann zuderkleinenisolirten Pyramide, wo ich in ein von mir noch nicht bemerktes beschriebnes Grab krieche, messe daskleineGrab da inderNähe mit den beiden ausgehauenen Figuren aufundkehre dann zurück[,] um weiter zu zeichnen. Nachdem ich aber mit Freygefrühstückt, beschließen wir, da das Wetter zwar etwas windig sonst aber schön ist, noch einmal die großePyramidezu besteigen, er, um Bonomis Panorama in Sepia auszumalen, ich[,] um meine Gräberrevue zu vervollständigen. Ich werde damit fertig. Von oben herab sehen wir Abekenankommen. Gegen 5 Uhr, wo es uns zu kalt wird, gehen wir hinunter. Wildhat sein Zelt aufgeschlagen,116undso haben wir deren nun 4 Stück. Abekenbringt mir einen Tarbusch, meine restaurirte silberne Brille[und] den Kalender mit, 3 Dinge, die mir viel Freude machen. - Des Professors Unwohlsein ist gänzlich wieder gehoben. - Das Wetter ist kühl[,] aber doch heiter. -

Mittwochden21tenDecember1842. - Heut früh wird mit den Arbeitern zu dem Grabe gegangen, was wir mitnehmen wollen[und] es wird unter Franke’s Aufsicht die obere Steinschicht fast heruntergebrochen. Ich besichtige dann mit Lepsiusund Abekennoch einige neu aufgefundene Gräberundbegebe mich dann nach Hause, um meine Charte weiter zu zeichnen; hieran wie aneinemGrabe wird gearbeitet. Der Tag ist leidlich schön aber kalt[und] windig. - Wir befinden uns, Gott sei Dank, Alle wohl,undnur BonomihateinenSchnupfen. -

Donnerstagden22tenDecember1842. Ich besuche heut zuerst mit Lepsiusund Abekendas Grab, was wir mit uns nehmen wollen; die oberste Schicht Steine ist von der Kammer weggewälzt. Nachdem ich dann noch einige Gräbermaaße genommen, begebe ich mich nach Hauseundzeichnedenganzen Tag an meiner Karte, während FreyandemBildevonKönigs Geburtstag malt. Der Tag ist erstaunlich kaltundwindig; heftiges Sandtreiben; höchst unangenehm. -

Freitagden23tenDecember1842. Lepsiusist heut nicht wohl. Er hat Diarrhoeundmuß sich bald legen; gegen Abend hat die Diarrhoe etwas nachgelassen[,] doch ist er sehr matt; es ist heut sein Geburtstag: Frankefeiert ihn am frühen Morgen mit 3 Flintenschüssen. - Der Thermometer steht heut früh nach einer ziemlich ruhigen Nacht auf nur Wärme; es ist erstaunlich kalt. Ich gehe mit Franke117hinaus, um die Arbeit am Grabe zu leiten; 2 ungeheure Steine werden weggewälzt; das Schnurzeug reißt gleich, ist also nicht zu brauchen. Um 11 Uhr gehe ich zum Zelte zurückundarbeite von da ab in unsermgemeinschaftlichenGrabe an meiner Karte wie am Grundrisse des Grabes neben dem Scheik. Um 10 Uhr beginnt der Wind wie gestern; heftigstes Sandtreiben, trübe Athmosphäre; kleiner Spaziergang mit Freyvor dem Essen nach den Palmen inderEbne, wie gestern. Interressante Spuren des Sandtreibens inderEbne; der schneidende Wind ist sehr unangenehm. -

Sonnabendden24tenDecember1842. Das Wetter heut ist nicht besser wie gestern; der Südwestwind heftigundsehr rauh; die Arbeiter kommen nicht[und] lassen sagen, sie wollten in solchem Wetter nicht arbeiten. Auch wir müssen alle zu Hause bleiben, wodurch unsre Wohnstube sehr voll wird. Das Grab sieht einer kleinen Zeichenakademie ähnlich, ich zeichne recht fleißig am Auftragen meiner Gräber; Maxund Ernstmalen Hieroglyphen, Bonomizeichnetundschreibt, Frankeschreibt Briefeund Freymalt am Königs-Geburtstag. Lepsiusliegt in seinem Grabeundbefindet sich heut noch gar nicht recht wohl; er hat noch immer Diarrhoe, fühlt sich sehr mattundhat am Abend, wo ich ihn besuche, wieder Kopfschmerzen. Um ½ 5 Uhr hören wir auf zu arbeiten,undda wir Alle frieren, besonders kalte Füße haben, machen Frey, ich[,] Maxundnachher auch Ernstim ManteleinenkleinenAusgang zur 2tenPyramidenach unserm Hasen. Der Wind ist noch stark[und] erstaunlich kalt, den Hasen treffen wir nicht; 2 Füchse klettern diePyramidehinan. Wir nehmen zurückdenUmweg über die Palmen inderEbne. Dann wird Abendbrod gegessenundnachher auf Wild’s Vorschlag eine Art Glühwein gemacht. Es sind heut neue Zeitungen gekommen, die ich am Abend lese. Lepsiushatte durch Abekenund Bonomifür heut Abend uns eigentlich eine Überraschung im Innern der großenPyramidebereiten lassen;118 da er jedoch nicht Theilnehmer sein konnte, beschlossen wir auf Morgen den Gang dahin zu verschiebenundstellten einen Wächter vordasKönigsgrab. - Ich dachte natürlich heut unzählig oft der Meinigen, wie wir Alle. -

Sonntagden25tenDecember1842. Der Wind hatte sich in der Nacht etwas gelegt; ich habe sehr gut geschlafen,underwache vor AufgangderSonne; ich hingdasThermometer vordasZeltundwir hatten nur Reaumur. Wärme, im Zelte selbst 4 - ; auchdasWasser hatte nur ; erstaunlich kalteundfrische Luft, doch ohnedenheftigen Wind leichter zu ertragen. Lepsiusbefindet sich heut um Vieles besser; zwar ist er inderNacht noch einmal auf - gewesen, doch ist er geistig viel freier,under[,] wie wir Alle[,] hoffen auf baldige Besserung. Wir wollen unsern Gang indiePyramidenoch bis Morgen aufschieben, vielleicht[,] daß Lepsiusdann mitgehen kann, was sehr schön wäre. Um 9 Uhr soll heut unsreSonn-undFesttags-Andachtvon Abekengehalten werden, dann wollen wir Chokolade trinkenundheut einmal um 3 Uhr zu Mittag speisen; gegen Abend aber gemeinschaftlich Thee trinken. - Und so ist es geschehen; die Milchschokolade schmeckte Allen vortrefflich; zum Mittage spendete Abeken2 Flaschen Rheinwein[und] Lepsius, der noch nicht mitaß, schickte Eingemachtes. Zwischen FrühstückundMittag habe ich Brief geschrieben. Gegen Abend bei wolkigem Himmel machte Lepsius, der am Nachmittag aufgestanden warundmit uns Thee trank, unsdieÜberraschung mit einem mächtigen Feuer, was aufderSpitze der großen Pyramideangezündet wurde; weithinundmächtig leuchtete diese Weihnachtspyramide; die 2tePyramideerglänzte inderNachtund Cairowie das gesammte Deltamuß diese Opferflamme erblickt haben. - Der Tag war im119 Ganzen schön, der Sonnenuntergang am Mokattamgebirgewunderbar schön[,] aber der Abend wieder sehr windig.

Montagden26tenDecember1842. Die Nacht war eine der stürmischsten; ich wundere mich, daß unser Zelt ausgehalten hat. - Am ganzen Vormittagundeinen Theil des Nachmittags fahre ich an meinem Briefe zu schreiben fort; das Wetter ist jetzt wolkig aber leidlich warm,undich will mir nocheinekleineBewegung machen; Frankeschießt nachderScheibe; Lepsiusscheint ganz wieder besser; Freyaber ist seit gestern nicht ganz wohl. - Ich gehe mit Freyzu den Palmen im Grunde; Bonomifindet sich mit seinem Dromedar zu uns. Ich besehe mit ihmdasneu aufgefundene Grab nebender Felsenpyramide[und] wir nehmen dann zusammen die Maaße der großen Sphinx. NachdemAbendessen solldasFest inderPyramidegefeiert werden; Lepsiuswill schießen, wenn wir kommen sollen. Es dauert damit unvernünftig lange;endlichaber setzen wir uns im Dunkeln dahin in Bewegung. AufderHälfte des Ganges zur Kammer wird abermals Halt gemachtundwir warten wieder. Dann aber gelangen wir indasInnere,undwirklichüberraschend war der Anblick des trefflich ausgeputzten mit Wachslichtern hellundglänzend erleuchteten Christbaums, der unter der Form einer schönen Palme aus dem Sarkophage des Königs Cheopsoder Xufuseine Zweige weit überhängen ließ. Niemals wohl hatte diese stille Kammer solche Helligkeit erblickt. Der Baum hing voll GirlandenvonDatteln, Rosinen, FeigenundMandeln, wie voll Geschenken (ein Jeder fand eine seidne Börse[und] dabeieinsilbernes Petschaft mitarabischemNamenszuge); Teller voll Früchte waren außerdem noch auf hereingeschleppten Stühlchen für Jeden hingesetzt. Hitze, DampfundStaub inderKammer waren erschrecklich. Abekenspendete von seinemtrefflichenRheinwein,undzuerst ward aufdasWohl des Königs getrunken, wobei Frankeschoß, was schrecklich widerhallteund Abekenbesonders erschreckte. 120Dann kamdieGesundheit Lepsiusmit 3maligem Lebehoch, endlich die all der Unsrigen Lieben daheim. Es ward dann im Chor: Heil dir im Siegerkranz etc. gesungen, sowie Rule Britannia pp.,undwir waren wohl eine Stunde sehr vergnügt; dann dachten wir andenHeimgang; Jeder schnitt sicheinenPalmzweig ab[und] mit diesem in einer,[und]derKerze inderandern Hand krochen wir die mühsamenundbeschwerlichen Gänge abwärts[und] aufwärts durch in unsäglichem Staube, der mir fastdenAthem versetzte,undmich draußten noch 1 Stunde lang husten machte. In Procession ging es dann nachdenZelten, wo die Fahne geschwenkt[und] dem WohlederExpeditionein 3maligesHurrah gebracht wurde. -

Dienstagden27tenDecember1842. Die Nacht war stillundich schlief sehr gut; Am Vormittag, derzumersten Mal wieder warm war, nahm ich die hintersten Gräber vollständig auf, kehrte um ½ 1 nach Hause zurück, zeichnetedieCharte fertig,undam Abend besah ich Abekens[Posterschen]Theodolithen. --

Mittwochden28tenDecember1842. Die Nacht war stillundschön; der heutige Tag unvergleichlich, klar sonnig, warm, ja, heiß. Ich arbeite am Auftragen meiner ausgemessenen Gräber weiter; nehme meine Instrumente hervorund[bestimme] die Richtungslinien von der Mitteder 2tenPyramide, weilder SphinxaufderWilkinson’schen Karte falsch angegeben zu sein scheint. - Am Abend schreibe ich meine Briefe andieMutterundGeschwister beinah fertig. - Bonomimacht heut sein Panoramavonder 2tenPyramideaus. -

Donnerstagden29tenDecember1842. Das Wetter ist heut wieder ausgezeichnet, warm, klar, stille, ein wahrer Sommertag. Ich komme aber nicht von unsren Zelten fort,sondernzeichne eifrig an niedern121 Gräbern. Freymahlt heut am Panorama von der 2ten Pyramide. - Abends Brief an Feitgeschrieben.

Freitagden30tenDecember1842. Das Wetter bleibt sich gleich, obwohl etwas kälter wie gestern. Am Morgen operire ich mit Abekenmit unsrem Theodoliten, umdierichtige Mitteder 2tenPyramidezu finden; die dann auch ermittelt wirdundwonach ich meine Carte bedeutend ändern muß. Am Nachmittag besichtige ichdasPlateau dieserPyramidegründlich,[und] entdeckeeineFortsetzung des Haupttempels sowiewahrscheinlicheinen 2ten Tempel an der Südseite. - Heut Abend Brief an Stürmergeschrieben. - Es ist jetzt 10 Uhr; der Wind hat sich nach Westen gedreht[und] fängt leider auch wieder an[,] heftiger zu blasen; wenn nurdieNacht gutundleidlich ruhig vorübergeht. -

Sonnabendden31tenDecember1842. Ich zeichne am Tage an meinem Plane desPyramidenFeldes, wo ich den Fehler der Sphinxlage verbessere. Am Abend ladet uns Lepsiusein, nach 11 Uhr wieder zu erscheinen, um Neujahrzusammenzu feiern. Ich bringe die Zeit bis dahin mit ZeitungslesenundUnterhaltung mit Freiund Ernsthin, die wir schon fast 14 Tage allein in unserm Zelte wohnen. Um 12 Uhr Nachts wirddasSignal zum Anbrennen des Feuers auf denPyramidengegeben, auf denen allen dreien ReisigundHolz geschafft worden ist. Die 2te gefährlichste brannte zuerstundgab einentrefflichenAnblick[,]obgleichdasWetter regnicht, sehr windigundkalt ist. Dann fing die 3te an zu brennenundzuletzt erst die große. Wir machten uns nach deminterressantenSchauspiel[,] wo wirdasneue Jahr leben ließen[,] in unser Grab[und] tranken Glühwein, aßen122 Rosinen, Mandeln, Datteln, Käse (trefflichen festen aus Cairo)[und] Schiffszwieback, tranken noch aufdasWohl der Unsrigen[und] gingen, nachdem wir noch recht vergnügtzusammengesungen hatten, gegen 2 Uhr zu Bette, während die heftigsten Windstöße fortdauernd drohten[,] unser Zelt umzuwerfen.

1843.

Den1tenJanuar1843 Sonntag. Trotz WindundWetter habe ich schön geschlafenundstehe mit Gottes Hülfe erquickt auf. Ich schreibe am Vormittag an Mutters Brief, den ich am Nachmittag schließe, nachdem ich noch eine Blumevon Abekenan Elisabethunmehrere hier auf einem nachmittägigen Spaziergange mit Bonomiam Fußder großenPyramidegepflückte eingelegt habe. Das Wetter ist höchst stürmisch, wie gestern, fortwährend Westwind. Wir hatten um 8 Uhr Morgens 10° Wärme. Um 10 Uhr wirdvon Abekenunsre Morgenandacht gehalten mit schönen Liedern im AnfangundEnde. Dann bald darauf unser Déjeuner mit Milchreis. - Dann Spaziergang mit Bonomi, um die neuen gefundenen Gräber zu besichtigen, wo ich um 4 Uhr etwa nach Hause komme, den Brief an Mutter schließe, meinen neuenKalendereinrichteunddieß Tagebuch schreibe. Die Andern sind aufderJagd, wo Frankeeine erstaunlich große Eule geschossen hat. - Lepsiusist wieder nicht recht wohl; er hat sichwahrscheinlichbeim Ansehn derPyramidenErleuchtung wieder erkältet. -

Montagden2ten Januar 43. Meine Arbeiten am Aufzeichnen der Gräberrisse werden heut fortgesetzt. Das Wetter war inderNacht kalt, windigund123ist heut Vormittag wenigstens trüb. Am Mittag klärt es sich auf[und] wird stiller. Freygeht, um sein Panorama der 2tenPyramidezu vervollständigenundich mache mich um 3 Uhr auch auf, besuche ihn auf seinerPyramide,undrevidire alsdann das Plateau hinterdenbeiden letztenPyramiden, zur Vervollständigung meiner Karte. BeiderZurückkunft andenTempelder 2tenPyramidetreffe ich mit Freyund Maxzusammen, welcher LetzterevondemErsteren gezeichnet wird. Wir gehen bei kalter Luftzusammennach Hauseundam Abend werden unsre Briefe zur morgenden Absendung nach Cairoan Lepsiusübergeben. - DerenglischeTheil unsrerGesellschafthat heute Besuchvon2englischenHerrenund2 Damen[,]von Liederempfohlen.

Dienstagden3tenJanuar1843. Heut früh haben wir Wärme vor Sonnenaufgang. Der Tag ist meist trüb, windig, die Athmosphäre sandführend. Ich zeichne am Vormittag meine Grundrisse weiter; am Nachmittage mache ich mit Lepsius, Abekenund Wildeine Tour überdasTempelniveauder2tenund 3tenPyramide, wo manche interressanten Punkte gemeinsam entschieden werden; überdasGräberfeld der 1tenPyramidekehren wir zurück.DerDiener Mohammetist heut mitdenBriefen nach Cairo. - Der Wind legt sich gegen Sonnenuntergang.

Mittwochden4ten Januar 1843. Das Wetter ist heut,obgleichtrüb, doch leidlich, der Wind geht nicht sehr stark. Ich bin fortgesetzt mit dem Auftragen meiner Gräber beschäftigt, wozu ich noch an OrtundStelle gehen muß, um eine Vorderansicht des[zusammengesetzten]Grabes zu nehmen. Am Abend mache icheinenMeßtisch zurecht, um ihn morgen, wo wir nach Abu Roaschwollen, zu gebrauchen. Am Abend mit Freywiedereinehalbe Stunde unterdenPalmen. -124

Donnerstagden5tenJanuar1843. Es fällt nichts Besondres vor. Der Tag ist amVormittagziemlich warmundheiter, wird aber gegen Mittag wieder windig;derWind verstärkt sich gegen Abendundbleibtdengrößten TheilderNacht durch heftig. Ich zeichne in unserm Zelte am Auftragen der Gräber,undvollende wieder ein Blatt; Freyarbeitet mit mir anderSkizzevonKönigs Geburtstag. Am Abend nehme ich mit ihm eine Lektion bei WildimEnglischen. Unsre Ausflucht nach Abu Roaschist bis Morgen verschoben. -

Freitagden6tenJanuar1843. Ich stehe heut sehr zeitig auf, um mich für unsre Parthie nach Abu Roaschfertig zu machen. Der Morgen ist sehr kalt; trotz dem wird im Freien gefrühstückt. Um ¼ 8 breche ich mit Lepsius, Abekenzu Dromedar,undden Dienern Eugen, Hauadnebst 2 Arabern auf[,] am Wüstenplateau entlang; viele Wüstenrebhühner gesehen, auch 2 Füchse. Zuerst sind die Sandhügel der Wüste flach, mit Kieseln bedeckt, vorgeschoben; rechts an der Brücke des Saladinvorbei längs einem Dattelwalde. Später gehtderWeg links ab indieWüste hinein,zwischenmerkwürdigen, ungeheuren Schutthügeln, die zerklüftetes Terrain bilden[,] geht es die mächtige Höhe hinauf, wo wir absteigenundzu Fuß hinanklettern. Es finden sich inderThat aufdemhöchsten Punkte dieses Plateaus die Grundlage einerPyramideodervielmehr eines platten Grabes von 96MétresAusdehnung im[ Quadrat]. Das Ganze ist eigentlich stehen gebliebner Fels mit Quadern von Kalkstein umbaut, vielleicht mit125 Granit bekleidet gewesen; ein oben offener, breiter (5métres)Gang gehtvonderNordseite zuderoffnen Kammer, die sehr groß[,] kaum mit einzelnen Steinen überspannt gedacht werden kann. Auf mächtigen eingebauten Quadern finden sich Spurenvonrothen Hieroglyphen; eine 2te sehr unkenntlichePyramidesteht noch dabei, ebenso ein mächtigesvonQuadern gebautes Grab. Nach Osten fälltdasPlateau in eins der wildesten Thäler[,] die ich je gesehen; Alles ist zerklüftet[und] zerrissen; wunderbare Gestaltungen. Gegen Norden eine Ebnevonschneeweißem Kalkstein, der in blendenden Riffen aus dem Sande aufwächst. Ich stellemeinenMeßtisch aufundnehme die hauptsächlichsten Punkte fürdieLagederPyramide,undmesse dieselben dann mitdemMeßbandeundvollende mit großer AnstrengungundLauferei durch Abschreiten die Aufnahme dieses Plateaus.Dazwischenwird gegen 2 Uhr Brodt mit DattelnundKäse gefrühstückt. Um ½ 5 Uhr bin ich mit dieser Aufnahme zu Rande; wir reiten dann den mächtigen Damm gegen Norden hinab[,] umdieLage einer alten Stadt zu besichtigen; doch wird es dazu zu spätundwir lenkendieSchritte nach Abu Roaschselber, wo sich noch eine andre ArtvonPyramidebefindet; deren HauptmasseeinFelsoderBerg ist, der mitungebranntenNilziegeln umbaut ist, die ihm vielleicht die Form einer abgekürztenPyramidegaben. Jetzt sind so viel Ziegeln weggetragen, daß das Ganze völlig unkenntlich geworden ist. Es wird in diesem Kolosse eine Grabkammer besehen, worineinSarkophagvonKalksteinohneHieroglyphen, sehr rohundplump gearbeitet, enthalten ist. - Abe126 kenkriecht hinein, ich nicht,sondernbesehe den Sarkophag bei Lichtevonaußen; Ersterer zerbricht dabei leiderdasGlas seines schönen Compasses; jetzt war es ¼ 7undes begann Nacht zu werden; wir machten uns also schleunig auf den Rückweg; glücklicherweise war Mondscheinundso kamen wir etwa um 8 Uhr zurück bei stillem aber kalten Wetter. Jetzt erst ward Mittag gegessenundnun, gegen 10 Uhr, dieß Tagebuch geschrieben. -

Sonnabendden7tenJanuar1843. Ich begebe mich heut gleich an das Auftragen des gestern aufgenommenen Pyramidenfeldes von Abu Roasch. Der Morgen ist erstaunlich kalt, wir haben nur Wärme; trotz dem zeichne ich im Zelte mit Freyzusammen. Der Tag wird im Ganzen recht schönundwarm, der Wind aber wiederum sehr kühl. Ich nehme gegen Mittag mit Abeken’s Theodoliten die Sonnenhöhen zur Bestimmung der Mittagslinie. Gegen Abend werde ich mit meiner Karte fertig. Nach dem Essen liest uns heut Lepsiuseinen Aufsatzvonihm selber vor über das bisher in Bezug auf EgyptenGeleisteteundBekannte, eine Einleitung zu einem noch herauszugebenden Werke, interressantundhübsch geschrieben. Nachher lese ich Zeitungen.

Sonntagden8tenJanuar1843. Die Sonne geht auf wie am Tagevon Abu Roaschhinter mächtigen Nebelwolken in trüber Athmosphäre. Die Witterung ist sehr kalt; gegen 8 Uhr nur ; der Wind geht sehr scharfundbleibtdenganzen Tag mit heftigem Sandtreiben; die Luft ist trübe, die Sonne eine blasse Scheibe ohne rechten Glanz. NachderAndachtunddem Frühstück gehe ich mit127 FreyaufdieJagd! Unser Hase wird in seinem Loche aufgespürt, aber er entwischt uns wieder; ich schieße fehlund Frey’s Flinte geht nicht los. Dann wandern wir hinten aufdasPlateau[und] machen Rebhühnerjagd. Es werden viele aufgespürtundweit verfolgt;endlichgelingt es mir, eins zu erlegen; Freys Flinte versagt wieder aufeinnahes Ziel, was ihm viel Ärger verursacht. Noch einmal wird am Hasenloche vorbeigegangen nachdemPyramidenFelde[,] wo wir 2 Füchse nnlichenunweiblichenGeschlechtssehen inderBegattung begriffen, sie kommen uns aber nicht zum Schuß. Dann wandern wir vom Plateau ins Thalundgehen durch die grüne NilEbne durchdenSteindamm nach Hause. Merkwürdiges Windtreiben inderThalEbne, als ob Nebeldünste am Boden fortzögen; übrigens stehtderSand bei starkem Winde sehr im Gesichteundist überhaupt sehr unangenehm. Um 5 Uhr wird der Wind am heftigsten, so daßdasZelt wieder sehr in Gefahr ist. - Am Abend liest Freyaus dem Diodoretwas vor; auch lasen wir einige Balladenvon Schiller. -

Montagden9tenJanuar1843. Wie gestern ist heut das Wetter sehr kaltundwindig; am frühen Morgen gehe ich aufdasPlateau, umeinGrab hinterder großenPyramideaufzumessenundkehre etwa um 9 Uhr zurück, wo ich dann den übrigen Tag mit weiterem Auftragen der Gräber verbringe, - mit Freyim Zelte arbeitend. Am Abend scheint sich der Wind etwas gegen Norden zu wenden, was mich bestimmt, morgen meine Parthie nach Abu-Roaschzu machen; Alles wird heut dazu in Bereitschaft gesetzt; Freywird mich begleiten. Der Mond scheint jetzt trefflich, aberdieLuft ist zu kalt um ihn recht zu genießen. -128

Dienstagden10tenJanuar1843. Ich mache heut Morgen mit Freyundden Dienern Eugen, Hauadund1 Araber meine Parthie nach Abu Roasch. Das prächtigste Wetter begünstigt die Parthie; der Morgen ist sehr kühl wie ein kalter Herbstmorgen zu Hause. AufdemWege wird ein Pfeifchen geraucht, Freyschießt nach Bekassinen, aber trifft nicht. Gegen 10 Uhr kommen wir zur Ziegelpyramide, ich begebe mich mit Eugen baldigst aufdasPlateau, wo ich ein bedeutendes Gräberfeld finde, an dessen Aufnahme ich mich alsbald mache; das Terrain ist sehr schwierigundmacht mir viel Mühe. Gegen 1 Uhr frühstücken wir zusammen, Brod, Datteln, KäseundKaffee, der uns gekocht wird. Dann gehe ich an die Aufnahme der Ziegelpyramideam Dorfe, die halb Fels halb Nilziegelbrocken ungebrannt[,] ein merkwürdiges zerrissenesundräthselhaftes Ansehen hat. Dann vollende ich das Gräberplateau oben[,] nehme die Thäler umherundfolge FreyaufdasHochplateau des Wüstenpyramidenfeldes aufdemgroßen Wege der vom weißen Thal dort hinaufführt. Erhitztundermattet komm ich mit sinkender Sonne oben anundhabe nun noch Zeit, eine Skizze des Thalszwischenbeiden Gräberfeldern zu zeichnen; dann trinken wir noch einmal Caffeeundtreten in köstlichstem Mondschein bei funkelnden Sternen unsern Rückweg an, auf dem dann wieder das Pfeifchen prächtig schmeckt. Am Dammder großenPyramideist uns Abekenund Bonomientgegen gekommenundunter Eselgeschrei betreten wir wieder unser Lager gegen 8 Uhr; es war eine treffliche Ausflucht. -

Mittwochden11tenJanuar1843. Das Wetter ist heut so schön wie gestern, zwar am Morgen und Abend sehr kühl[,] aber die Sonne hellundwarm,129 der Wind aus Norden. Ich zeichne an dem gestern aufgenommenen Theile von Abu Roasch. Es wird heut eine Schlange getödtetundzwar ein Uraeus, etwa 5-6 Fuß lang; Frankeschießt 2 mal nach ihr, kriegt sie zuletzt aber mit einem Haken vor; Bonomizieht sie abundzerlegt sie. Es ist heut das große Beiramfest der Muselmänner,undwird deshalb ein Hammel geschlachtet; alle unsre Diener sind in grande parure; im Dorfe tönt MusikundGeschrei. - NachdemAbendessen langes Gespräch überegyptischeungriechischeBaukunst, besondersden[Anreiz]der Malerei in denselben. -- Jetzt gegen 10 Uhr sind wieder heftige Windstöße aus Westen, ich hoffe nicht, daßdasWetter sobald umschlägt. -

Donnerstagden12tenJanuar1843. Das Wetter hält sich glücklicherweise. Auf schöne kalte mondhelle Nächte folgt ein Tag wie unsre schönen Herbsttage. Ich zeichne mit Freytrotz der zuerst herrschenden Kälte in unsrem Zelt an meinem Situationsplane derPyramidenFelder von Abu Roasch. Am Nachmittage erhält LepsiusBesuch aus Cairo: einbelgischerGesandter amgriechischenHofe (〈…〉〈…〉)und2 bairischgriechischeOffiziere (OberstundCapitän), dievon Prunerund KochEmpfehlungen bringenundalso einige Aufmerksamkeit verdienen; Lepsiusbittet sie aufdenAbend zum Thee; auch besucht er mit ihnen das Todtenfeld. - Heut nach Tisch liest LepsiusunsseineInschrift um das Bild vor, was dem König geschenkt werden soll(der15teOctoberaufder GroßenPyramide). Dann kommen die Fremden; die Unterhaltung recht interressant, der Belgier besonders ein höchst unterrichteter Mann. Sie haben ihr Zelt hierundwollendieNacht bleiben. - Gegen 11Uhr zu Bett. - Heut Abend schöne frische Butter gegessen! - Vollständige Schneelandschaft bietet die Wüste in hellem Mondschein dar. -130

Freitagden13tenJanuar1843. Der Tag so klarundschön wie gestern; man lebt ganz auf; die Luft ist prächtig rein[und] frisch. - Lepsiusist leider immer noch nicht so ganz wohl. Er fühlt sich noch nicht kräftig wie sonst, ißt wenig[und] sieht mager[und] jämmerlich aus. Es wird heute ein interressantes Grab ander großenPyramidegefunden, worin viele, leider meist zerstörte Königsschilder einer bis jetzt unbekannten, vielleicht der 6tenoder7ten Dynastie, auchderGrundplan ist eigenthümlich, 3 Kammern hinterreinander. - MeinSituationsPlanvon Abu Roaschwird fortgezeichnet. Am Nachmittag gegen Sonnenuntergang gehe ich mit Freyundbesehe mir obiges Grab, ferner die Wirkung der heut angekommenen 2 neuen Steinsägen, die unter Frankes Aufsicht schon in voller Thätigkeit sindundendlichdas Gerüst am Eingangder großenPyramide, was Frankeangebracht hat, weil dort die Hieroglyphen-InschriftvomKönigsbilde eingehauen werden soll, eine Idee, die mir nicht besonders gefällt, auch mehr Mühe machen wird, als man glaubt. - Es sind in diesen Tagen mehrere Skorpione gefangen worden. - Wir frühstückenundessen jetzt seit einigen Tagen in dem aufgeschlagenen neuen Küchenzelt[,] wo bessere Luft ist, als in unsrem Grabe, besonders bei dem jetzigen schönen Wetter. - FreymalttäglichandemPanorama der 2tenPyramide, wo ich ihm helfe[,] die einzelnen Blätterzusammenzufügenundaufzuspannen. -

Sonnabendden14tenJanuar1843. Heut früh haben wir vor Sonnenaufgang Wärme, während des Aufganges etwa 3 ½°; am Mittag 17° im Schattenundjetzt um 3 etwa 15°. Herrlicher Tag, den ich neben Freyin unsrem Zelte sitzendundam Situationsplan zeichnend verbringe; letzterer wird fertig. Wiederum köstlicher Sonnenuntergang wie an jedem klaren Tage; Beleuchtung des Mokattamsunddarauf folgender131 merkwürdig heller Mondschein, bei demmanmit Bequemlichkeit jede Druckschrift lesen kann; die Spitze der 2tenPyramideerscheint darin ganz weiß, die Gegend wie mit Schnee überdeckt.

Sonntagden15tenJanuar1843. Am Morgen vor Sonnenaufgang Wärme; um 11 Uhr 14°; der Tag köstlich wie gestern. Vor unsrer Morgenandacht gehe ich mit Freyundversuche[,] etwas zu malen, Felsparthien der Berberwohnung. Dann hält AbekendieMorgenandacht, die jetzt immer aus 1 Liede vorundnachderPredigt, sowie aus 1 Gebet aus Bunsens Gesangbuch ebenfalls vorundnachher besteht,endlichnoch ausdemVaterunserunddemSegen. Nach unsrem Dejeuner geh ich mit FreyzudenPalmen, wo ich eine kleine Ansicht derselben mitderPyramidedahinter machte. So kommt der Abend herbei. Ein neues interressantes Grab ist heut aufgegraben mitdemletzten in solcherarchitektonischerForm, dievonallen früheren verschieden; ich werde das Eine davon morgen aufmessen. Ich labe mich heut an köstlichen Apfelsinen, die FrankeindenDörfern gekauft hat; ich habe ihm für 2 Piaster ein Dutzend großer Dinger abgekauft; in Cairokostet das Dutzend nur 1 Piaster, unendlich billig; wie trefflich schmeckt so etwas inderWüste! -- Die Nächte schlafe ich aber nicht allzu besonders; es gibt jetzt, wo wir so lange an ein[und]demselbenOrte zubringen, sehr viel Flöhe, die Einen doch peinigen; auchdasLager ist nicht das bequemste, doch befinde ich mich Gott sei Dank sehr wohlundsoll, wie sie mir sagen, im Gesicht zunehmen.

Montagden16tenJanuar1843. Das Wetter bleibt auch heut unverändert schön; um Mittag im Schatten 17° Wärme, im Zelte sogar 20°. Ich gehe am Morgen mit Freyund Ernstzum Plateau, wo ich das neue Grab132 ausmesse. Lepsiussetzt die darin vorkommenden Könige in die 6teoder7te Dynastie. - Den übrigen Tag vollende ich wieder ein Blatt meiner Gräberaufzeichnungen. NachdemAbendbrododervielmehr Diner machen Frey, ich, Ernst, Maxund Frankeim Vollmondschein nocheinenSpaziergang zu den Palmen, wo wir tanzen, laufen, werfenundtolles Zeug machen; Freyzeichnet im Mondschein. Zerrissenes Gewölk wirft wunderbare Schatten überdieEbneunddie Pyramiden, die oft allein erleuchtet, herrlich roth erscheinen. Die Luft heut Abend ist mild. Ein Nebelstreif über dem Nil zeigt allabendlich an, woderLauf geht. Rothglühende Mondscheibe beim Aufgehen desselben heut; außerordentliche Helle desselben. -

Dienstagden17tenJanuar1843. Das Wetter ist schönundheiter[,] aber der Tag nicht so warm, wie die letzten; ein starker Nordostwind läßt mich im Zelte nicht recht warm werden. Am Morgen hatten wir 7 ½ ° Wärme, am Mittag etwa 14-15 ° im Schatten. Ich zeichne heute solo in meinem Zelte an den aufgenommenen Gräbern. Mohammedgeht heut Abend nach Cairo, um Frey’s Zeichnung des 15tenOctober42 aufder großenPyramidefür unsren König zur Weiterbeförderung nach Berlinzu besorgen. NachdemThee Spatziergang mit Freyzu den Palmen, wo er wieder im hellen Mondschein zeichnete, es ist sehr kaltundwindig.

Mittwochden18tenJanuar1842. Vor Sonnenaufgang Wärme; ein köstlicher, sehr warmer Tag; um Mittag 19° im Schatten des Zeltes außerhalb; innerhalb desselben mehr als 20°; vor Sonnenuntergang noch 15°, so viel ich mich erinnere, der wärmste Tag seit dem berüchtigten 15tenNovember42. Ich ging am Morgen aus[und] maß dassogenannte Ami Grabaus, was133 mich etwa bis gegen ½ 11 Uhr beschäftigt. Dann besuche ich Freyund Ernst, die noch ander großenPyramideein Grab mit Figuren zeichnen, auch wird Bonomibesucht, der am Eingange dieserPyramidedie Hieroglypheninschrift einhaut. Dann geh ich zum 2ten Frühstück nach Hauseundzeichne den übrigen Tag im Zelte. Eine Parthie Engländer wird heut wieder diePyramidehinaufgezogen. - Mohammetbringt mir leider keinen Brief aus Cairomit, worauf ich sicher gehofft; doch kommt vielleicht bald einer. -

Donnerstagden19tenJanuar1843. Früh Morgens Wärme; das Wetter hält sich unvergleichlich schön. Interressanter Anblick der aufgehenden Sonne, die sich in dem über dem Nilthale liegenden Nebel vollkommen wiederspiegelt, wie dann das Thal am Morgen vollkommen meerartig aussieht. Mit klammen Händen setze ich mich an meine Arbeit im Zelteundzeichne eifrig, bisendlichdieSonnedasZelt zum Backofen macht; nun wird es mehrundmehr geöffnet, erquicklichste Luft umgibt mich; übrigens brenntdieSonne gar sehr; im Schatten hatten wir heut etwa 17°; wir sind[,] Gott sei Dank, Alle recht wohl, bis auf Lepsius, der immer noch nicht ganz der alte ist; er hat nicht rechten Appetitundsieht jämmerlich aus. Unsre Ausbeute hier wirdtäglichreichlicher; fasttäglichentdecken sich neue Gräber, die alle fürdieGeschichte bedeutend sind,undso ist denn unser Fortkommenvonhier wieder indasUngewisse hinausgeschoben. Der Mondschein kommt jetzt wieder erst spät; aber heut war das aufgehende Gestirn wunderbar schön, wie gleisendes Gold hing der ¾ Ball überdemHorizonteundspiegelte sich köstlich im Wasser des Thales; auch der Sternenhimmel ist jetzt immer von nie gesehener Schönheit. Ein Lichtstreif, wie eine 2te Milchstraße zieht sich ¼ überdenHorizont, da wo die Sonne untergegangen (Zodiakallicht)[,] der Orion glänzt überirdischundwo man hinschaut, funkelt die Himmelswelt. -134

Freitagden20tenJanuar1843. Heut Morgen haben wir Wärme; die Luft ist ganz stillunddarum diese Kälte nicht so sehr empfindlich; sobalddieSonne kommt, wird es wohlthuend warm; der Tag ist wieder unvergleichlich schön. Am Vormittag gehe ich aufdasPlateau, umdasPfeilergrabbeider großenPyramidezu vervollständigen; auch unsre Hieroglyphen Inschrift daselbst wird besehen; dann zeichne ichdenübrigen Tag im Zelte. - Am Mittag haben wir 18-19° im Schatten. Die reinste Luft ist besonders am Abend höchst erquicklich.

Sonnabendden21tenJanuar1843. Ein feuchter Nebel hüllt uns heut Morgen in Naßkälte. Wir haben . Ich gehe heut aus, um das isolirte FelsengraboderPyramideaufzunehmen. Als ich gegen 12 Uhr zum Frühstück nach Hause komme, finde ich einen BriefvonderMutter vor, worin endlich ein lang erhoffter von C Riechersliegt. Beide machen mir große Freudeundwerden mit Begierde gelesen; Mutters Brief ist eine Antwort von meinem aus Cairo. So ist mir dieser TageinFesttag geworden. Am Nachmittag wandre ich noch einmal zu jenerPyramide,undbesehe dann noch mit Bonomidas Amigrabunddie neu ausgegrabenen Gräber dicht ander großenPyramide, wo eine kleine etwa 2[ Fuß] lange aufgefundenePyramidehöchst interressant ist; mit Freyund Ernst, wozu sich noch Abekengesellt[,] bei trefflichster Abendwolkenbeleuchtung nach Hause, wo nach Tische in meinem Zelte die Briefe noch einmaldurchgelesenwerden. Die Wochen vergehen beidergleichmäßigen Arbeit unbeschreiblich schnell. -

Sonntagden22tenJanuar1843. Am Morgen etwa, nicht so sehr kalt, aberderTag doch nicht sehr behaglich,135 wegen heftigen Windes aus Nordost. Ich bleibe bis zur Morgenandacht zu Hause, meine Zeit mit Schreiben aneinemarchitektonischenAufsatze verbringend; mit Wiederdurchlesung der gestern empfangenen Briefeundmit Durchsichtvonneuen Zeitungen, die uns heut aus Cairovon Dr. Prunerzugeschickt wurden. NachdemGottesdienstundDejeuner etwa um 12 Uhr machte ich mit Freyund Ernsteine Ausflucht nachdemhintersten Wüstenplateau, wo wir Rebhühner jagten; doch bekam nur Ernsteins zum Schuß, was er erlegte. Ich ward durchdasUmherlaufen so müde, daß ich mich inderWüste hinlegteundeinschlief; unsern Hasen konnten wir heut nicht zu Gesicht bekommen. - Es fiel am Tage nichts weiter Bedeutendes vor.

Montagden23tenJanuar1843. Das Wetter windig[und] kühl wie gestern. Ich habe wieder, wie jetzt öfter[,] nicht besonders geschlafen. Den Vormittag verwende ich zur AufnahmevonGräbern, eines an dem isolierten Grabgebäude aufdemFelsen,undzwei der neueren Sorte hinterder großenPyramide. Zum Frühstück kehre ich mit Bonomizurück. - Nach demselben ein höchst langweiliger BesuchvoneinemTriestiner Kaufmann, den ich gar nicht loswerden kann.Endlichschicke ich ihn nachder 3tenPyramide,undflüchte mich dann ins Grab, um dort zu zeichnen. - Es erquickten mich heut treffliche Apfelsinen (portugalli), die ich mir habe durch unsern Diener Alikaufen lassen, 14 große Biester für 1 Piaster! - Die Ausgräber sind heut vor der großenPyramidebeschäftigt. -

Dienstagden24tenJanuar1843. Das Wetter ist nicht angenehm; den ganzen Tag geht ein heftiger Wind aus136 Nordwest; die Sonne kommt, was seltenderFall, sehr wenig zum Vorschein; ein trüber Tag wie im Norden. - Ich arbeite heut am Auftragen derPyramideauf dem isolirten Felsen, sowie am Grab mitdemPfeilersaal nebender großenPyramide. - Es kommen viel Fremde zu Besuch, meist Engländer,undich flüchte mich, aus Furcht, sie aufnehmen zu müssen, indasGrab. Gegen Abend besehe ich die neu ausgegrabenen Kammern andenGräbern vorder großenPyramide, die ebenfalls ausderZeit des Chufusind; es ist hierderletzte Punkt des Todtenfeldes, der unklar war,undseineLösung istvonweitem Interesse. NachdemEssen lese ich bis 11 Uhr Zeitungen. -

Mittwochden 25tenJanuar1843. Der Tag wie gestern. Am Morgen , aberderTag bleibt kalt und windig; der Wind kommt heut aus Westen in heftigen Stößen. - Ich zeichne andengestrigen Blättern fort[und] besuche am Nachmittag mit Lepsiusdas Amigrabunddie neuen hinter der großenPyramide. - Es ist heut Franke’s Geburtstag, den er selbst am frühen Morgen mit 3 Flintenschüssen beginnt. Vor dem FrühstückdiegroßenGeier aufder 2tenPyramidefüreinenMenschen gehalten. - Zum Abendessen gibt Abeken2 Flaschen Rheinwein zum Besten, die uns trefflich mundenundbei denen Franke’sundder Unsrigen inderHeimath Gesundheit getrunken wird; nachher macht Frankenoch Verkleidungsspäße. -- Am Tag etwa 14 - 15° Wärme.

Donnerstagden26tenJanuar1843. - Der Morgen versprach einen schönen Tag, hielt ihn aber nicht. Es war am Morgen, wo ich mit hinaufging, um die Ar137 beiter anzustellen, so kalt, daß ich mich nach 1 - 1 ½ Stunden wieder nach Hause machte,unddort zu zeichnen begann. Es werden heut neue Gräber geöffnet; inderKammer des Einen liegen an 40 Todtenköpfe, Gerippe, MumienkastenvonHolz aber zerbrochen, Alle aus den Zeiten der Römer, währenddasGrab selbst mit seiner originalen Kammer den Zeiten des Xufuangehören mag.Mister Wildist heut auf einige Tage nach Cairogegangenundwahrscheinlicham Sonnabend wird Lepsiusselber hineingehen mit Abekenund Franke;undam Montag wieder zurückkehren, worauf wir dann recht bald nach Saccaraaufbrechen werden, denn das Feld hier ist nachgerade ausgebeutet. -

Freitagden27tenJanuar1843. Das Wetter will sich nicht ändern; am Morgen , am Mittag etwa 15°undder Tag kaltundwindig; heut ist ein jour gris, wenig Sonne. Ich kopire in meinem Zelte Wild’s aufgenommene Gräber; gegen Abend mache ich mir noch eine kleine Bewegung zum Eingang der großen Pyramide, wo Maxunsre Inschrift roth anmalt;unddann besuche ich Bonomiund Freyin ihrem Grabe, mit denen ich nach Haus gehe, bewundernd die schönen Farben des Abendhimmels, dessen blutige Wolken immer noch Wind andeuten. Es sollen auf morgen die Kameele zum Transport unsrer GypseundAlterthümer nach Cairobestellt werden, doch waren sie nicht zu bekommen,undmuß nun dieser Aufbruch bis zum Montag bleiben. - Es sind auch heut noch manche interressante Neuigkeiten aufgefunden, eine neue Kammer, das Maaß einer egyptischen Elle etc. - Am Abend Besuch in Bonomi’s Zelte. -138

Sonnabendden28tenJanuar1843. Gott sei Dank, das Wetter hat sich heut geändert; vor Sonnenaufgang haben wir Wärme,unddiese Kälte ließ Gutes hoffen, wie dann auch der schönste Tag zum Vorschein kam. Ich zeichne in meinem Zelte, bastele dann mit Frankeden Schließhaken an meinem Mantelsack zurecht, der abgebrochen war, so daß ich ihn nunmehr wieder gut verschließen kann. Am Nachmittag gehe ich hinaus[,] um diePyramideaufdemisolirten Felsen zu zeichnen, breche aber mitdemFeldstuhl zusammen,undwill diese Vedute nun mitderCamera lucida nehmen. Nachher besichtige ich noch die 3kleinenPyramidenneben der großen, besteige die mittlereundbesehe einige Felsengräber inderNähe daselbst. Dann komme ich zu Ernst, der dort zeichnet, bewundre wiederum das unvergleichliche Glühen des Mokattamgebirges,[und] kehre dann mit ihm nachdemLager zurück. Noch nehme ich heut Vormittag mit AbekendiewestlicheAbweichungderMagnetnadel hier in Ghize, die 8 ½ ° beträgt. - Die Flöhe nehmen, da wir so lange an demselben Lagerplatz bleiben, überhand[und] sind besonders bei Nacht sehr unangenehm; bei Tage ist die Unverschämtheit der Fliegen unsre egyptische Plage. -

Sonntagden29tenJanuar1843. Lepsiushatte heute den Wunsch ausgesprochen, dem Könige die colorirten Zeichnungen des Ata-Grabes[und] des andren mitzunehmenden zuzuschicken, um dadurch die Zusendung eines eigenen Schiffes zu erlangen, was die SteineundGipsabgüsse abholen soll; er ging uns deshalb heut umdieDurchzeichnung der abzusendenden Blätter an,undso machten wir heut aus dem Sonntag einen Arbeitstagundsaßen allesammt in emsiger Thätigkeit bis gegen 4 Uhr, wo ich noch einen Spaziergang in das Nilthalmachte,139 wohin Frey, Ernstund Maxschon voraus gegangen waren, das Wetter wardenganzen Tag sehr schönundwarm. Am Abend spät schrieb ich nocheinenBrief an Feit, worin ich ihm die von Berlinuns zuzusendenden Sachen (Bleistifte, Farben, Compasse etc.) zu besorgen auftrug. Omarkommt am Abend aus Cairomit 3 tüchtigen Kameelen zurück, welche die schwersten Steine morgen nach Cairoschaffensollen; 6 andre Kameele für die leichteren Kästen werden indenDörfern bestellt. -

Montagden30tenJanuar1843. Früh am Morgen wird mit dem Aufpacken der Kameele begonnen. Interressantesundmalerisches Schauspiel der eben überdem Mokattamaufgehenden Sonne, welche die gelagerten Kameele erleuchtetunddie Gruppe der Kameeltreiber, die umeinFeuer in ihren Decken gelagert, sich die Hände wärmen; fressende Esel nicht weit davon; der Maler Freyeine Skizze machend in seinen Mantel gewickelt; während des SchreiensundLärmens beim Packen der Kameele[,] schreibe ich einen kurzen Brief andieMutter, um ihn sammt den an Feit, Lepsiusmitzugeben. So war denn etwa 9 Uhr herbeigekommen, als Alles fertigundzum Abgange bereit war. Frankesprengte, völlig gerüstet den vorangehenden Kameelen nach, Lepsiussaß auch schon zu Esel; da kommt eine ganze Schaar Europäer auf unser Lager zugeritten; es zeigt sich, daß esHerrvon Laurin,österreichischerGeneral-Consulist, der mit unserm Consul Wagner, demrussischenGeneralConsul, dem Fürsten Luwarow,undeinemRegimentsArzt Stadleraus München uns zu besuchen kömmt; es war die ungelegenste Zeit, aber es galt gute Miene zu bösem Spiel machen. Lepsiusschob seine Abreise aufundschickte sich an, den Herren das Gräberfeld zu zeigen,140 wo Abekenmitritt, wir aber zu Hause blieben. Abekenkam 1 Stunde früher zurück, als die Andernundging etwa um 12 Uhr den Kameelen nach; Lepsiusbeurlaubte sich dann auch,undwir blieben mit den Herren alleinundzwar ohne Diener, da Lepsiusfast Alle mit nach Cairohatte, unsern Koch Aliausgenommen, der zum größten Unglück krank lag. Freyging mit Ernst, demGeneralConsul Wagnerund Luwarowauf[und] in die großePyramide; ich blieb mitmeinendünnen Pantoffeln (beide Paar Schuhe waren mit nach Cairozum Ausbessern) bei LaurinunddemrussischenConsul, zeigte ihnen den Granitsarkophagundlangweilte micheinwenig. Zuletzt, da Luwarowund Wagnerzu lange machten, wanderten wir Alle aufs Plateau, ihnen entgegen, kehrten sodann nach den Zelten zurück, wo die Herren ein mitgebrachtes Frühstück nahmenunddann drückten sie sich glücklicherweise. Als sie wegwaren, zeichnete ich noch etwas von Wilddurchundso vergingderTag. Heftige Windstöße, besonders am Nachmittag machtendasWetter keineswegs angenehm. - Nach unserm Abendessen vertrieben wir, Bonomi, Frey, Ernst, Maxundich uns die Zeit recht hübsch mit[Zeichnenspielen], die Freyund Bonomiangaben. -

Dienstagden31tenJanuar1843. Ich bleibe den ganzen Tag zu Hause, gewissermaßen als Wächter, da die 2, welche Lepsiusmitgenommen, Omarund Mohammed, gestern Abend nicht zurückgekommen[ sind]. Im Grabe beschäftige ich mich mit Aufziehen unsrer Durchzeichnungen auf festes Papier; die Andern zeichnen indenGräbern. Am Nachmittag zeichne ichdasBildvonKönigs Geburtstag nur durch. Das Wetter ist heut schlecht; der Himmel ist ganz umwölkt, nur dannundwann Sonne; die heftigen Windstöße, die inderNacht mich lange nicht schlafen ließenundmir einen141 solchen Frost erregten, daß ich glaubte, ich hätte Fieber,undmeinen Mantel umnehmen mußte, währten auch heut Vormittag fortundregten viel Sand auf. Dabei wardieLuft nicht sehr kalt; heut früh beinah 10° Wärme, gegen Abend 13 ½°undjetzt um 10 Uhr istdieLuft auch stillundwarm, doch fürchte ich fürdieNacht wieder Wind. - Eine Masse Engländer werden heut wiederdiePyramidenhinaufgeschleppt,undbesuchen neugierig unsren Lagerplatz. - Unser Koch Aliist glücklicherweise heut wieder gesund. NachdemAbendessen wieder 1 Stündchen[Zeichnenspiele]. - Omarsoll aus Cairozurücksein, aber im Dorfe. -

Mittwochden1ten Februar 1843. Am Morgen vor Sonnenaufgang bei bewölktem Himmel . Die ersten Stunden des Tages sind still, dann aber wieder die heftigen Windstöße, die bis jetzt nach 9 Uhr Abends höchst unangenehm fortdauern. Ich nehme am Morgen ein Grabsüdöstlichvonder großenPyramideauf, was durch 2 Eingänge interressant ist. Dann zeichne ich in meiner Karte die neu aufgefundenen Gräber hinterder großenPyramideeinundkehre zum Frühstück gegen 12 Uhr mit Freyund Bonominach Hause zurück. Nachmittag werden beide Aufnahmenvonheut Morgen aufgetragen, wonach mir noch etwas Zeit bleibt, im Herodotzu lesen. Mohammetund Omarsind heut früh gekommen; Ersterer geht mit 5 Mann nach Abu Roasch, hat aber daselbst nichts Hieroglyphisches gefunden. Omarwird mit 5 Mannund11 Kindern zum ZuschüttenvonGräbern verwendet. -

Donnerstagden2tenFebruar1843. Ich zeichne heut 3 große Vasen, die in den Gräbern gefunden sind; gehe am Nachmittag mit FreynachderInschrift an der142 großenPyramide, wo derselbe diese mit Lack überzieht; von da zum Prinzengrabe östlichvonder großenPyramide, was ichzusammenmit Ernstaufmesse; dann noch einmal zu Frey, den ich nach Hause abhole. Das Wetter ist heut außerordentlich windig, ja stürmisch; heftige Windstöße mit Sand vermischt,undWirbel drohen mehr als einmaldasZelt umzustürzen. Gegen Abend wird es schlimmer statt besser. LepsiusZelt stürzt zusammen, später auch unser Eßzelt. Dabei fängt es an zu regnenunddie ganze Nacht geht der heftigste SturmundWirbelwind fort. Die Wächter rufen sich zuundwandern mit Laternen umher; wir Alle kommen wenig zum Schlaf; indessen hält sich unser Zelt glücklicherweise aufrecht. -

Freitagden3tenFebruar1843. Der Wind geht beinah so heftig wie gestern fort. Ich besuche am Morgen die Ausgräber[und] zeichne dann das gestern aufgenommene Grab auf; gegen Abend mache ich noch einmal die Runde[und] sehe bei meiner Zurückkunft Frankemit Eugenaus Cairozurück gekommen mit 2 Kameelen voll Sachen (Kisten, Eisen etc.); Lepsiusmit Abekenund Wildwollen morgen kommen. Frankehat mir wieder Zigarren mitgebrachtundkurze Pfeifen, die ich mir für die Reise bestellt habe. Wir haben uns heut wieder Apfelsinen (Portugame) gekauftundfür 2 Piaster 34 Stück bekommen. - Wir haben heut dannundwann ein wenig Regen, der aber nicht viel sagen will; die Luft ist nicht kalt, wohl aberderWind; am Morgen etwa , um Mittag 16°. - Heut Abend hat sich, Gott sei Dank, der Wind〈…〉〈…〉〈…〉〈…〉 gelegtundkein Lüftchen rührt unser linnenes Haus. - Ernstfand gestern inderWüste blühende Reseda, LöwenmaulundCamillenblüthe. 143

Sonnabendden4tenFebruar1843. Wir haben heut Morgen Wärmeunddie stille Nacht schien einen schönen Tag zu versprechen; indessen wurde diese Hoffnung nicht erfüllt; der Wirbelwind blies auf die heftigste Art[,]unSandundStaub war unerträglich. Ich zeichnete theils im Zelte, besuchte dann die Arbeiter, maß mit Maxeine Grabwand beim Berberino aufundbegann dieselbe am Abend aufzuzeichnen. Lepsiusmit Abekenund Wildsind nicht gekommen. Am Abend legt sichderWind und es wird stillundschön; die Mondsichel fängt schon wieder an zu leuchten. - Nach dem Abendessen sitzen wir 6 in diesen Tagen immer in meinem Zelteunderzählen uns, heutvonSchmetterlings -undKäfersammlungen, was die Knabenzeit in mir lebendig erweckt. In den Nächten werden wir starkvondenFlöhen gepeinigt. Täglich fast kommen jetzt Fremde, meist Engländer aus dem nunmehr bis auf 2 Stunden nahen Cairo, um die Pyramide zu besehen, auch viele Araber mitarabischenFrauenundMädchen, die dann besonders für Freyvongroßem Interresse sind. -

Sonntagden5tenFebruar. Am Morgen Wärme; die Sonne geht köstlich aufundwir erfreuen uns der stillen warmen erquicklichen Wüstenluft. Haareschneiden; erst Ernstmir, dann ich ihm. - Ich zeichne heut Vormittag eine innere Ansicht meines Zeltes, während Freyund ErnstnachdenBäumen gehen. Um 11 Uhr lesen wir 5 Menschen 3 Kapitel in der Bibel, was unsern heutigen Gottesdienst ausmacht. Während dem kommt Besuch aus Cairo, nämlicheinHerr Ackermann, StallmeisterundLeibkutscher Mehmet Alis, früher in des Fürsten PücklerDiensten, den wir schon in Alexandrienkennen gelernt haben, mit noch einem Freunde. Wir nehmen unser Déjeuner mit ihnen, machen erst einen Spatziergang hinterdie großePyramideunddann indieEbne. Ernst, Freyund Frankehaben Flinten mit,undwir machen dort Jagd aufmehrereEnten. 144 Ernstattaqirt eine Ente, FrankeeineLärche. Herrliche, erquickliche Luft, schöne, grüne Fläche mit ViehundLandleuten bedeckt. Müde nach Hause zurück, wo Lepsiusnoch nicht angekommen. In Bonomi’s Zelt Caffee getrunkenunddann gemüthlich sitzendundplaudernd den köstlichen Sonnenuntergang, die mannichfachen FormenundFarben der Ebneunddes Mokattam’s bewundernd. - Während wir zu Abend essen, kommt endlich Wildmit dem kleinen Ibrahimundetwa ½ Stunde darauf Lepsiusund Abekenmit Mohammet, Hauadundnoch 2 neuen Dienern aus Cairo. Lepsiusist sehr gesprächig,underzählt viel von den Klatschereien, die unter den Europäern in Cairoherrschen über unsre Ausgrabungenunddas, was wir alles gefunden, was ihm dann viel Unannehmlichkeiten verursacht hatte. - Am Abend habe ich noch das Pech, meine Lampe umzuwerfen, wodurch denn meine Decken alle getränkt werden.

Montagden6tenFebruar1843. Es ist heut Vormittag empfindlich kalt,obgleichdasWetter schön ist, wir haben am Morgen [,] am Mittag 16°. Ich zeichne im Zelte an meinen Gräbernundnehme am Nachmittag mit der camera lucida eine AnsichtderPyramide auf dem isolirten Felsen. Morgen kann ich mit meinen hiesigen Arbeiten ziemlich zu Stande kommen. Lepsiushat unsvon Cairohübsche Jagdtaschen mitgebracht, die bei unsdieStelle unsrer Kleidertaschen vertreten sollen. -- Nach unserm Abendessen wird ein Besuch des Innern der 3tenPyramidebeschlossen; etwa um ½ 8 Uhr bei schönem Mondschein machen wir uns mit LampenundLichtern bewaffnet dorthin auf. Das Innere dieserPyramideist besonders großartig. Ein schiefer Schacht, stark geneigt(vonGranit soweit er nicht im gewachsenen Kalkboden geht) führt in einen nicht großen Raum, dessen Wände mit bekanntem Thürornament ringsumher verziert sind; selbiges ist indenKalkstein gear145 beitetundmit feinem Gipsmörtel überzogen. Aus dieser Kammer führt ein 2ter Gang (fast horizontal) in einen bei weitem größeren Raum, dervoneinem kleineren geschieden ist durch einen breiten Architrav woruntereineThürwulst. Aus diesemkleinenRaum führt eine Öffnung über die Granitdecke dereigentlichenKammer. Ausderersteren Kammer führt der kurze stark geneigte Schacht in die schön mit Granit ausgelegte Grabkammer. Die Decksteine sind gewölbartig ausgehauen, doch istderBogen ein wenig zugespitzt

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. Alle Fugen des Granits, wie eng sie auch sind, sind mit Gipsmörtel ausgegossen. NachdemBesuch dieserPyramideging es noch in 2 der danebenliegenden kleinen, davon die eine[,] der enormen Engigkeit des halb zugesetzten Schachtes wegen[,] mir sehr viel Mühe kostete, deren Inneres aber nichts Besonderes darbot; beiderletzten war vor der Kammer noch der granitne Schlußstein vorderThüröffnung inderFalz. - Sehr ermüdet nach Hause, Thee getrunkenunddann recht gut geschlafen. -

Dienstagden7tenFebruar1843. Das Wetter schön, aber nicht sehr warmundwindig. Ich messe heut ander großenPyramide, um wieviel der Eingang außer der Mitte liegt; dann noch einiges an einem Grabesüdlichvonder großenPyramide. - Nachher vervollständige ich meine letzten Zeichnungen der aufgenommenen Gräber, worüber der Abend herankommt. Nach dem Abendessen machen wir einen Besuch des Innern der 3 kleinen Pyramiden neben der großen. Die Schachte sind steilundtief, die in den Kalkstein gehauenen Kammern nicht sehr groß, der Bekleidung, die sie von feinerem Stein hatten, beraubtundder ursprüngliche Plan derselben, wie die Stellung des Sarkophags kaum noch zu erkennen. Die Schachte biegen sich in einer kleinen[grauslich]unregelmäßigen Kammer rechts abundführen dann indieeigentliche Grabkammer. In der einen wurde mir das vollständige Hineinkriechen indieKammer zu beschwerlichundich blieb draußen, wobei ich nichts verlor. 146

Mittwochden8tenFebruar1843. Ich machte heut meine 3te Exkursion nach Abu Roasch, um zu sehen, was an den dort noch vorhanden gesagten Ruinen sein möchte,zugleichum noch einmal Ausgrabungen andenGräbern zu versuchen, ob sich nichts Geschriebnes dort fände. Mit Eugen, dem neuen kleinen Eseltreiber Mohammed, dem langen Mohammetnebst 4 Arbeiter brach ich bei schönem Wetter auf, suchte zuvörderst Orte anzugeben, wo gegraben werden sollte,undging dann nachdemHügel, wo die Spuren früherer Mauern waren; aber für eine Stadt wardasGanze zu unbedeutend; kleine WällevonZiegelundandere Brocken, Vertiefungenunddie Spuren von einem Gebäude aus ungebrannten Ziegeln, war Alles, was ich fand. Glasundglasirte Topfscherben beweisen, daßdasGanze ausderRömerzeit, wenn nicht später stammte. Ich nahm in starker Hitze einen kleinen Plan davon auf, frühstückte Brod, trockne Datteln, Käse, ApfelsineundCaffee dort,undkehrte dann zudenArbeitern zurück, die indessen nichts gefunden hatten. NachdemAufenthaltvon1 Stunde etwa um ½ 4 Uhr brach ich mit ihnen wieder nach Hause auf, wo ich dann mit untergehender Sonne ankam. Ich ritt dabei Abekens Eselund Eugen Bonomi’s Kameel.

Donnerstagden9ten Februar 1843. Heut Vormittag machte ich eine kleine Reinzeichnung des gestern in Abu-Roaschaufgenommenen Planes; Frey, der dieser Tage nicht ganz wohl war, blieb mit mir im Zelte. Nach unserm Dattelfrühstück, wo ich nichts Wesentliches mehr zu thun hatte, beschloß ich, einen Jagdausflug mit Frankejenseits derarabischenBrücke zu machen. Gegen 1 Uhr brachen wir auf, fanden manches Geflügelundich schoß 1 Rebhuhnund2 Tauben, Franke3 Tauben; aufdemRückwege begegneten wir Ernst, der 1 Kiebitzund1 Lerche geschossen hatte,undso kehrten wir denn gegen Abend sehr ermüdet, doch nicht ohne Beute, heim. Lepsiusmit Abeken147waren heut nach GizehundAlt CairozueinemBesuch des MudirunddesrussischenConsuls, von dem sie erst spät in der Nacht um 11 Uhr zurückkehrten. Wir hatten heut am Morgen undam Mittag über 21° Wärme im Schatten, so viel ich beobachtet, der heißeste Tag in diesem Winter.

Freitagden10tenFebruar1843. Es wird heut früh beschlossen, morgen nach Saccaraaufzubrechen,undich beginne damit, meine Instrumente einzupacken, ZeichenmaterialienundAndres. Unser als Cawaß jetzt gebrauchter Mohammetist nachdemDorfe, um Cameele zu bestellen. Bonomiist heut etwas unwohl. Am Nachmittag gehe ich noch einmal zur 2tenPyramide, um etwas nachzumessen, sehe auch nachdemHasen, den ich aber nicht finde. Gegen Abend nun werden unsre Kisten gepacktundAlles zurecht gemacht. InderNacht schüttelt uns ein heftiger Nordwestwind noch einmal durchunddroht unsre Zelte niederzuwerfen.

Sonnabendden11tenFebruar1843. Es wird früh lebendig; die Kameele kommen allmählig an, 18 Stück. Viel Geschrei, Begattungvon Bonomi’s Kameel, interressantes Schauspiel; Bonomiist noch immer unwohl. Dicht vor der Abreise kommen nochderSheik mitseinemSohnbei Lepsiuszum Besuch. Die Zelte sind eingerissen; es wird aufgepacktundendlich gegen 10 Uhr setzt sichderZug in Bewegung. Freyundich mit unserm Kavaß Mohammedhalten den Zug hinten in Ordnung; Frankereitet vorn, Lepsiusmit Abekenvoraus, um den Platz anzuweisen. Wir haben alle Esel zum Reiten. So geht es sehr langsam, 19 Kameele hintereinander, vorwärts; oft werden die Sachen umgepackt; der Tag ist nach einer stürmischen Nacht wieder schönundwarm. So kommen wir langsam um etwa ½ 2 Uhr beimPyramidenFelde an, wo auf der halben Höhe des Abhanges vor einem Felsengrabe unsre Zelte freilich sehr eng aneinander, aber mit köstlicher Aussicht auf die weite grüne Ebne, bedeckt mit Palmwäldern, Wasserschlankenunddrüben jenseits des unsichtbaren Nils die zerrissenen Formen des148 Mokattambei Thura, aufgeschlagen werden. Der Abend vergeht mit dem AufschlagenderZelte,undEinrichtung derselben; mit Freyund Ernstbesuche ich noch spätdasPyramidenFeld, was sehr wüst ist. -

Sonntagden12tenFebruar1843. Das Wetter ist vortrefflich; MorgensundAbends kalt, aber bei Tage schon sehr warm. Vor unsrer Andacht gehen wir unten nachderEbne zu den Nilsümpfen, um Enten zu schießen, die in großer Anzahl sich dort finden; indessen wird nichts aus dem Treffen; nachdemFrühstück wiederum mit Freyund Ernsteine Jagdparthie, die sich bis zu denPyramidenvon Abusirausdehnt; aber auch hier sind wir nicht glücklicher; sehr ermüdet nach Hause. Frankehat schöne Fische gefangen. Abends trefflicher Mondschein.

Montagden13tenFebruar1843. Ich orientiere mich heut zuerst von dem Pyramidenfelde, indem ich zuvörderst auf die größte der hiesigen Pyramiden steige, dann nach dem äußersten, sehr entfernten Punkt des Feldes wandre, von wo ich mit Bonomi, den ich unterwegs treffe, ermüdetundmatt zu Hause gehe. Das Feld ist öde, wüstundlangweilig, nichts als SchutthaufenundBrunnen; fast nirgends hat man einen Überblick als aufderPyramide. Knochen, Schädel, Thiergebeine, Mumienfetzen, Alles liegt umhergeworfen rings um Einen, ein trostloser Anblick, zumal die Wüste selbst weder Formen noch Farben darbietet; dieses Todtenfeld hält gegen das von Ghizekeinen Vergleich aus. - Morgen will ich den ungefähren Plan davon anfangen, eine Arbeit, vor der mir graut. NachdemFrühstück beginne ich das ganz nah liegende interressante Psammetich Grabaufzunehmen, wo grade MaxHieroglyphen149 schreibt; es ist mühsamundbeschwerlich, da man nichts ohne Licht thun kann; der Plan ist aber symmetrischundoriginell. Beim Heraussteigen ans Tageslicht herrliche Überraschung der glühenden Berge des zerklüfteten Mokattam. Wie öde auchdasFeld, so schön ist das Thal. - Der heutige Tag ist kaltunddie Sonne hat fast immer einen leisen Wolkenschleier, nur etwa 15-16° Wärme. Heut Abend sind frische Zeitungen gekommen, die dann vor dem Zubettgehen durchgestöbert werden. Ich liege jetzt wieder mit Frey, Ernstund Frankezusammenim Zelte, was dasselbe für mich eigentlich zu eng macht. -

Dienstagden14tenFebruar1843. Ich beginne heut meinen Plan von dem Pyramidenfelde von Saccara, indem ich zuerst mit dem Maßtische aufder großenPyramidemöglichst viel Richtungen nehmeunddann die Entfernung derPyramideselberundihren Umfang messe. Gegen ½ 12 Uhr kehre ich mattundmüde nach Hause zurückundtrage das Aufgenommene aufdasPapier, wie ich auch die Planzeichnung des gestern gemessenen Grabes anfange. Die Wärme ist heut nur etwa 18°, des Morgens 8 - . Es ist Vollmond. Frei, Ernst, Max, Frankeundich gehen heut nach dem Abendessen noch spatziren, nach einem herrlichen Palmenwald vor Saccara. Es war köstlich dort im Mondschein zu wandeln; wir lagerten uns unter den Bäumen, schwatzten Manches über den Adjudanten Abeken, hatten Frankemit seinem Muthe trotz FlinteundHirschfänger zum Bestenundtraten danndenRückweg an, wo uns Lepsiusund Abekenentgegenkamen. Heimathliche schöne Lieder wurden in choro angestimmt, wie den Prinz Eugenpp.,und Morgenrothpp.undrechts dasägyptischeThal, links die Wüste halltenvondeutschem Gesange wieder. Am Nachmittage schlugen 2 Engländer mit ihremgriechischenXi〈…〉〈…〉 dicht neben uns ihr Zelt auf, was uns denn nicht sehr lieb war. -150

Mittwochden15tenFebruar1843. Das Wetter heut wie gestern, am Mittage schon sehr heiß. Ich messe bis 12 Uhr wieder an dem trostlosen Todtenfelde, zeichne dann im Zelteundhöre erst auf, als am AbendeinBesuchvomSheik des Dorfes kommt, der Lepsiusnicht zu Hause findet. Er läßt sich vor unsrem Zelte niederundich lasse ihm nebstseinemBegleiter PfeifenundCaffee reichen. Lepsius, der mit Abekenund Bonomiim Dorfe Saccaraund AbusirBesuche gemachtundnachher die Ruderavon Memphisbesichtigt hat, kommt spät zurück. Gleich nach ihm noch einmal der Sheik, der dann für unsre hungrigen Magen viel zu lange bleibt. NachdemAbendessen langes Gespräch über〈…〉〈…〉 sungundAufnahme des ganzenPyramidenFeldesvon Saccara, Abusir, Daschuretc. Vor dem Zubettgehen ist jetzt allemal Flohjagd, weil diese Thiere statt ab - zunehmenundunangenehm peinigen; ich habe heut Abend wenigstens 15-20 getödtet.

Donnerstagden16tenFebruar1843. Der Tag ist sehr schönundheiß. Mittags 19 - 20°, Morgens 7 - , Abends 13 - 14°. - Ich belaufe wie gestern heut wieder mein Terrainundfördere den Plan. Am Nachmittag aufder großenPyramide. Die MorgenundNächte sind sehr kühl, aberdieSonne besonders am Mittage sehr heiß, doch geht immer Luft, so daß man nicht so sehr viel dabei leidet. - Abends Besuch von Bonomiin meinem Zelte. -

Freitagden17tenFebruar1843. Früh vor Sonnenaufgang Wärme, Mittags 19° im Zelte 21°. Vormittag wieder am Plan des Todtenfeldes gearbeitetundmich dabei müdeundheiß gelaufen. Nachmittagvonder 3tenPyramideaus gezeichnet,unddann zudemGrabe, wo Freyund Ernstzeichnen, gegangen, wo eine Kammer mit 2 Holzsarkophagen gefunden ist. Die eine Mumie ausdemKasten wurde herausgeschafftundaufgemacht, was sehr interressant ist; wir finden nurkleineSkarabäen drinund1 Ohrring -, morgen soll der151 andre Sarkophag herausgeschafft werden, in demwahrscheinlichder Mann begraben liegt. Ein Kind von etwa 4 Jahren lag anderBrust der Mumie. -

Sonnabendden18tenFebruar1843. Das Wetter ist heut naßkaltundtrübe, Westwind, der immer schlechte Witterung bringt. Um 7 Uhr circa spatzire ich aufmeinTodtenfeld, wo ich bis 1 Uhr die entferntesten Punkte belaufe[und] in meine Karte trage. Inmittels ist der zweite rohe Holzsarkophag ausdemGrabe nach Hause geschafft, wo er dann am Nachmittag feierlich eröffnet wird. Er scheint wieder einer jungen Frau anzugehören; 2 Körbchen finden sich zu ihren Füßen mit Früchten, kleinen Vasen, KammundHaarnadel. Beide Särge scheinen Domestiken des Grabherrn anzugehören, denen ein Raum neben dem Hauptgrabe gegönnt wurde, als zuderFamilie gehörig; die Mumien sind sehr einfach, ja ärmlich eingepackt, die Särge aus schon früher benutzten Bretternzusammengenagelt. - Gegen Abend messe ich noch einen Theil des Grabes, wo sie gefunden wurden, ausundkehre dann mit Freyund Ernstsehr ermüdet zurück. - InderNacht auf dem Todtenfelde wie gestern das Geschrei von Schakals ganz ähnlich dem der kleinen Kinder; auch eine Eule quält uns herzlich mit ihrem unangenehmen Pfeifen. Am Abend istderWind sehr heftigund Wild’s Zelt wieder in Gefahr.

Sonntagden19tenFebruar1843. Am Morgen , das Wetter trübeundfeucht wie gestern; ich ziehe es vor, zu Hause zu bleibenunddie alten Briefe zu lesenundTagebuch zu schreiben, anstatt mit ErnstaufdieJagdodermit FreyindasWäldchenvon Abusirzeichnen zu gehen; zu letzterem ist es mir auch nicht warm genug; die Sonne will nicht recht hervorundohne sie ist es nicht warmundbehaglich. NachdemFrühstück mache ich mit Lepsiusun Ernstund Bonomieinen Besuch beim Sheik von Saccara, einem schönen Mann; der Weg zuseinerWohnungunddem Dorfe durcheinPalmenwäldchen, links die weite grüne waldumkränzte NilEbne ist höchst romantisch. - AuchdasPlätzchen vor seiner Thüre, wo wir ihn152 sitzend finden, ist köstlich; dicht vor uns ein Santonundein Paar Graben, rechts die Ebneunddas durchlöcherte Gebirge von Thura, Wasserschlankenundkleine Seen, die die anmutigste Abwechlung hervorbringen. Auf ausgebreiteten Teppichen sitzen wir, werden mit Caffee bewirthetundbrechen nach 1 Stunde etwa nachdenRuinenvon Memphis, dem Dorfe Metrahenne, auf. An Max, Abekenund Wildwerden Esel geschickt, so daß diese nachkommenundnun geht es den langen schwarzen Damm durchdieEbne aufdasDorf zu, was mit MoscheenundSanton am Saum der palmbewachsenen Mauerreste liegt. Hinter einer neuundhübsch gebauten Brücke geht es rechts ab aufdasDorf zu, an diesem vorbei auf 1 Hügel, wo die Aussicht auf die Pyramiden gemustert wird. Nicht weit von dem[See]hinterdemDorfe liegteinColoß des Rhamses SesostrismitdemGesichte ineinemkleinenWasser; dietrefflicheArbeit an ihm wird bewundert;das Isiskapitäleiner Säule, noch eine andre Statue miteinerStandarte, umherliegend, deuten auf die Lage des alten Hephaistostempels; der jedoch scheinbar außerhalb der ungeheuren Mauerüberbleibsel liegt, die von Nilerdziegel ungebrannt in enormer Breite unterbrochen, sich nach 1 RichtungvonNord nach Süd ziehen; eine Übersicht ist wegenderPalmenwaldung, die darüber ausgebreitet, nicht zu gewinnen Wir verfolgen (eine lange Cavalkade) diese Mauern, bis sie verschwindenundkehren dann denselben Weg zurück; seit Metrahennareite icheinender Esel ohne ZaumundSteigbügel, der mit Lepsiusschnellem Ritte nicht mitwill, auch mich sehr verwundet; ich gehe daher mit BonomiaufseinemDromedar langsam nach Hause, während Lepsiusundie Andern noch einen Wall besteigen, wo sie alle Pyramiden rings um Memphis zu übersehen vermögen. AufdemRückwege, wo mir mein mitgenommener Mantel sehr gut thut, treffen wir Frey, auch Wildstößt später zu uns,undnach UntergangderSonne kehren wir recht ermüdetvondemRitte zurück. Die Ebne bietet mitdemWasserunddenPalmen die reizendsten Punkte dar; ein alter Baum bei demsüdlichberührten Dorfe neben einer Santonkuppel, wo das Dorf schloß, isteinhöchst malerischer Anblick. -153

Montagden20tenFebruar1843. Heut bin icheinhalbes Jahr vomelterlichenHause fortundGott sei Dank in derselben, ja noch viel besseren Gesundheit, als daheim; möchte es so fortgehen! Das Wetter ist heut früh trüb, nebelig aber angenehm warm; wir haben 10° Wärme beim Aufstehen, sehr bald nachher 11°, - ich gehe des Nebels wegen nicht gleich raus,sondernfange an, meine beinah vollendeten Pläne derPyramidenvon Sakkaraauszuziehen. - Lepsiusbekommt heut Vormittag BesuchvondemösterreichischenGeneralConsulvon Laurinunddem russischenHerrn Krämer, die er mit einem möglichst splendiden warmen Déjeuner nach Kräften bewirthet, zu welchem aber seltsamer Weise nur Abekenzu gezogen wird. Ich gehe, während sie essen zu FreynachdemGrab mitdemPfeilersaal, wo ich bis Abend ausmesse.

Dienstagden21tenFebruar1843. Ich ziehe meine Karte weiter aus. Das Wetter ist trübundwird am Nachmittag sehr windig, auch fällt sogar ein wenig Regen; die Athmosphäre ist mit Sand angefüllt; ich bin mißmuthig,undgehe am Nachmittag, um mich zu zerstreuenundmeinen Plan zu vervollständigen, außen umdasTerrainunddann oben quer darüber im heftigsten WindundSandwirbel; bei Freyund Ernstim Pfeilersaal bleibe ich 1 Stunde; dann überdasselbePlateauundum dasselbe herum langsam nach Hause. Heut Abend nur 13° Wärme. -

Mittwochden22tenFebruar1843. Am Morgen wieder nur 6 ½° Wärme; die Sonne geht in Nebel gehüllt auf, währenddieErde deren weniger hat. - Der ganze Tag ist nicht sehr warm. Am Morgen messe ich mit Bonomiim Psammetichgrabe, gehe dann mit ihm aufdasPlateau, wo wir uns bei dem Grabe mitderSäule ausderRhamsiszeit aufhalten; dann gehe ich indie großePyramide, die interressant wegen der vielen GängeundKammern ist. Großer enorm hoher Raum im Innern; von da durch beschwerliche Gänge in Kammern, die ihresarchitektonischenSchmuckes wegen interressant sind. 154Sie ahmen nämlich Rohrhütten nach; mittelst grüner glasierter feiner Thonstückchen, die musterischzwischenausgehauenen Rundstäbchen gelegtundeingekalkt sind, sind alle Wände bedeckt. Frankeist grade beschäftigt, eine mit Hieroglyphen versehene Thür, die die 2 ausgelegten Kammern verbindet, auszubrechen, um sie mitnehmen zu können. Das HineinundHerauskriechen ausderPyramideist sehr mühsam; in dem Pfeilerraum, worein manvonSüden her tritt, konnte ich nicht hineinkommen, die Öffnung war zu eng für mich. - AmNachmittagarbeitete ich eifrig an meiner Karte weiter, die ich beinah vollendete.

Donnerstagden23tenFebruar1843. Ich mache zuvörderst meinen Plan fertigundunternehme dann eine Rekognoszirung dessüdlichenPyramidenFeldesvon Saccara. Es sind wüstevonMenschenhand nicht durchwühlte Gräber, die um die oft sehr zerstörten Pyramiden umherliegen. Drei dieserPyramidenwerden bestiegenunddann gehe ich über ein mächtiges Wüstenplateau mitbraunenKieseln bedeckt nachdergroßenPyramidevon Dashur, ein weiterundheißer Weg. DiesePyramidehat kein Todtenfeld um sich,sondernliegt in vollständiger EbneundÖde. Ich wandre durch die heruntergerissene Bekleidung, mir die vielfachen mitrotherFarbe aufgeschmirten Schriftzüge betrachtend, unter denen ich jedoch nichts nur einigermaßen Vollständiges entdecken kann. Um ¾ 12 trete ich den Rückweg anundkomme nach 1Uhr erhitzt[und] ermüdet beidenZelten an. Zwei Apfelsinen, die ich mitgenommen, labtenunderquickten mich aufdemWege außerordentlich. Am Nachmittage war ich mit dem Auftragen ausgemessener Gräber beschäftigt. Der Tag war sehr heiß; am Mittag etwa 21°; dabei aber luftig. Meine kleine Brille thut mir inderblendenden Wüste sehr gute Dienste. AufderPyramidezu Dashursah ich eine Hyäne umherklettern, die weit hinauf vor mir floh. DiesePyramideist wieder155 aus großen Blöcken dunklen Kalksteins gebautundmit feinem Mokattamstein überdeckt; sie ist die geneigteste von allen bisher gesehenenundhateinimposantes Äußere.

Freitagden24tenFebruar1843. Am Morgen sehr starker Thau, Wärme; der Tag verspricht[,] heiß zu werden; ich bereite mich mit BonomizueinerAusflucht nach Memphisvor; es werden Esel ausdemDorfe geholt, auf die ich in diesem Augenblick warte[und] dieß Tagebuch ergänze, wobei die Fliegen über alle Maaßen sich unverschämt zeigen. Endlich nach 9 Uhr kommen wir zum Aufbruch; Bonomi’s Kameel trägt meine Instrumente; unser Weg geht auf dem Damm durch das Thal gen Mitrahennezu. Auf einem Hügel des alten Memphisunweit des Dorfes wird halt gemachtundich suche mir hier einen Punkt, wo ich die Richtungslinien fast aller Pyramiden nehmen kann; ausgenommen die beiden äußersten Ziegelpyramidenvon Abu Roaschund Dashur, die durchdiePalmen verdeckt werden. Dann geht es hinunter, um die Schutthügel der Stadt nördlich in Augenschein zu nehmen. Ohnweit eines Dorfes wird jedoch bald Halt gemacht, im Grase unterdemSchattenderPalmen gelagertundin reizendster Natur Brod, Datteln, ApfelsinenundCaffee eingenommen, den unser Araber am angefachten Feuer schnell bereitet. Die Thiere fressen im〈…〉〈…〉 KleeundGetreide. WeiberundMädchen, große Körbe aufdenKöpfen oder Krüge ziehen malerisch an uns vorüber. Der Shech des nahen Dorfes besucht uns, dann brechen wir wieder aufundverfolgen die Spuren des Schuttes, die sich auch aufderbloßen Ebne durch ausgeschlagenen Salpeterstaub, vorzugsweise aber durch den WuchsvonsogenanntemHalf, d.h. schilfartige Grasbüschel zu erkennen geben. Wir passiren noch 2 Dörfer, das letzte nicht weitvomNil entfernt. Hier werden alle Steine im Dorfe besichtigt, um Schrift zu finden; in dem FlurundHofe des einen Hauses sehen wir vielund Bonomiist eifrig dahinter her. Ich amüsire156 mich mehr, indem ich die GruppevonMädchenundFrauen beschaue, die die Neugierde um uns versammelt hat. Es sind unterdenErsteren gar keine üblen Gesichter, besonders aber ist einkleinesMädchenvonetwa 8-10 Jahren bildhübsch zu nennen,undich kann es nicht genug ansehen. Ein verschmutzter Schreiber gesellt sich zu unsundführt uns zu einem Stein, der aber nichtsMerkwürdigeshat, als daß ereinStein ist, der inderEbne liegt. Hier nehmen wir vondenmitgegangenen Dorfbewohnern Abschiedundkehren zum ersten Dorfe zurück, wo wir ebenfalls nocheineRunde nach beschriebnen Steinen machen, die aber nichts interressantes darbieten. - Nach untergegangener Sonne kehren wir zu unsrem Lagerplatz zurück. Der Tag war schönundheiß, wenn auchdieAthmosphäre nicht ganz klar. -

Sonnabendden25tenFebruar1843. Ich mache heut mit Lepsius, Abekenund Frankeeinen Ausflug nachdenPyramidenvon Abusir. Wir besehen erst aufdemPlateau eine neu aufgefundene in ihrem Styl sehrmerkwürdigeHieroglyphenkammer,undwenden uns dann durchdieWüste andemOchsengrab vorbei nach Abusir. Die Schriftzüge andenEingängen dieserPyramidenwerden noch einmal gemustert; Frankesoll einen dieser Steine ausbrechen. Wir Andern besichtigen nacheinemeingenommenen Frühstück noch 2PyramidenFeldernördlichvon Abusir, auf deren einem wir Granitsteine mittrefflicherInschrift finden, doch fehlt leiderderKönigsname. Mehrere scheinbare Hügel werden als Pyramiden ermitteltundder Tag ist im Ganzen interressantundauch an Ausbeute fürdieWissenschaft; spät am Abendundallerseits ermüdet kehren wir zurück. Ein heftiger Sandwind hatte uns gegen Abend ungemein belästigtunddie ganze Athmosphäre dickundtrübe gemacht. Die Witterung war im Ganzen nicht sehr warm. 157

Sonntagden26tenFebruar1843. Den schönen Morgen benutzte ich dazu, mit Frankezu der Barke im Thale ohnweit Mitrahennes zu gehen, um dort zu angeln. Der Palmenwald jenseits des Canals war wunderschönundreizend; das Wasser, die ferne Wüste mitdenPyramiden, die grüne Ebne, der schwarze Damm mit den umherziehenden LandleutenundHeerden,unddie immer höher steigende Sonne war herrlich. - MitdemAngeln ging es schlecht, ich fing nur 1 Fisch, aber einen recht großen. Dann gegen 10 Uhr eilten wir zu unsrer Morgenandacht zurück, wozu ich schon zu spät kam. Nach dem Frühstück machten Lepsiusmit Wild, Bonomiund MaxeinenAusflug nach Dashur, wovon ich mich losgemacht, um im Wäldchenvon Abusirzu zeichnen, während Freyund Ernstnach Mitrahennewanderten. Ich schoß auf meinem Wege 2 Tauben mit 1 Schuß, zeichnete etwa 2 Stundenundging dann gegen Abend zu Franke, der in den Seen unten angelte; dann kehrten wir ermüdet zurück. Lepsiuskam sehr spät heimundwie ich es wußte, waren sie alle sehr ermüdet. Der Tag war heiß, am Mittag 21°unddarüber; am Morgen vor Sonnenaufgang 9 - 10°. - Ich litt heut fastdenganzen Tag an Zahnschmerzen, zwar nicht heftig, aber doch merklich. -

Montagden27tenFebruar1843. Es ist Frey’s Geburtstag. - Ich bleibe zuerst zu Hause, um die Richtungslinien der Pyramiden indiegroßevon WildnachderDescriptiondel’Egyptegezeichnete Karte einzutragen; doch geht das nichtundso mache ich mich auf, das Grab ausderZeit des Rhamsesaufzunehmen, wonach ich dann Freyund Ernstbesucheundmit ihnen zum Frühstück nach Hause gehe. Nachmittag zeichne ich an Gräberplänenundnehme dann wiedereinkleinesGrab auf, besuche mit Max, Freyund Ernstdas Grab mit den seltsamen Hieroglyphen,unddann kehren wir heim. 158Die Athmosphäre ist besonders gegen Abend heut sehr dickundtrübe, an vielen Stellen um uns regnet es. Am Mittag hatten wir mehr als 21° Hitze, die des Mangels an Wind wegen sehr drückend war. Lepsiushatte heut BesuchvonHerrn CharlesBarnett,englischenGeneralConsulundHerrn Louisaus Cairo; ein andrer Engländer mit uns zu Abend, wo Frey’s Gesundheit in Abeken’s Rheinwein getrunken ward. Barnettund Louiskamen nachher zum Thee, doch zogen wir Deutsche außer Lepsiuses vor, in unsrem Zelte zu bleiben. Das Pfeifen des Schakals ist heut Abend wieder sehr nahundvernehmlich, vom See her rufen die Frösche mit eintöniger Stimme. Jetzt um ½ 11 Uhr Abends erhebt sich ein heftiger Wind, der schauerlich überdemTodtenfeldundden Spitzen unsrer Zelte dahinfährt. -

Dienstagden28tenFebruar1843. Der Wind in der vergangenen Nacht wurde fast zu Sturmundich habe nicht allzuviel geschlafen; unser Eßzelt ward umgeworfen. - Ich nehme heut Bonomi’s Kameelundbegebe mich auf ihm nebst meinem Meßtisch nach Abusir, umdieAufnahme der dortigen Pyramidengruppen zu beginnen; mit mir 2 Araber. Der Tag ist immer noch sehr windig, aber sonst warm. Mein Frühstück von Brod, DattelnundKäse wird im Schatten dernördlichenPyramiden einsam verzehrtundetwa um 5 Uhr kehre ichziemlichermüdetundlahm, denn ich habe mir den Knöchel blutig gestoßen, nach Hause zurück. - Morgen will Lepsiusmit Bonomiund Abekeneine Recognoscirung des Fayoumvornehmenunduns auf 4 - 5 Tage allein lassen. -159

Mittwochden1ten März 1843. Lepsius, Bonomiund Abekenmachen sich heut früh fertig, um nachdem Fayoumaufzubrechen. Sie wollen am Sonnabend zurück sein. Von den Dienern geht Eugen, Mohammet[,] der Berber, Hauad[und] Omarmit. Ich warte ihre Abreise nicht ab,sondernbreche früher nach meinem Plateauvon Abusirauf,undzwar heut zu Fuße mit meinem Arbeiter Mussa. Der Tag ist heiß[,] aber luftig. Am Vormittag beschäftige ich mich mit der Aufnahme derPyramidevon Riga, woselbst ich mein Frühstück verzehre, am Nachmittag bin ich auf Abusirer-Terrain. Zurück habe ich mir einen Esel bestellt, der mich mit Sonnenuntergang zu unserm Eßtische, welcher seit heut im Freien steht, weil Lepsiusdas Eßzelt mitgenommen hat, führt. Nach Tische lange Unterhaltung in unsrem Zelte mit Wildüber Abekenund Lepsius. - Seit kurzem habe ich nun meine Unterhosen[und] seit gestern auch meine Strümpfe abgelegtundbin nun in meinen alten sommerlichen Zustand zurückgekehrt. -

Donnerstagden2ten März 1843. Ich mache heute Ruhetagundzeichne am Vormittag im Zelte an meinem Plan. Es kommt ein BriefvomenglischenConsul, den ich erbrecheundworin er Lepsiusmeldet, daß Prinz Albrechtam 25ten in Alexandrienangekommenundstündlich in Cairoerwartet wird. - Schon um ½ 11 Uhr kommt Freyund Ernstvonihrem Grabe zurückundwir frühstücken zusammen. Ein 2ter Bote aus Cairoüberbringt einen Brief von Linantundein Päckchen Athenäum’s Blätter für die Engländer. Am Abend erbreche ichdenBrief; es ist eine Karte des Fayum’svon Linantdarin. - Nach dem Frühstück mache ich mit Ernstund Freyeinen Spaziergang nachdemWäldchenvon Saccara, wo ichund Freyeine AnsichtvomDorfe zeichnen, während Ernstwilde Tau160 ben schießt. - Es ist heut der wärmste Tag dieses Winters; am Morgen hatten wir , am Mittag aber 24° Wärme im Schatten; während es im Zelte sehr heiß ist, ist es draußten luftigundangenehmundder Spatziergang höchst reizend. Die malerisch durch den Wald einherwandelnden Weiber, Mädchen, LandleuteundKinder werden mit Vergnügen betrachtet; Araber des Dorfes fällen neben mir eine Palme, um die sich dann treffliche Gruppen bilden. - Mit Sonnenuntergang machen wir uns eilig nach Hause auf. - Heut Abend endigtderTag wieder mit heftigem Winde. - Maxhat seit mehreren Wochen schon entzündete Augen,undmuß jetzt wieder mit Arbeiten innehalten. -

Freitagden3ten März 1843. Der Morgen ist heut kalt, wenn ich nicht irre, . Ich mache mich wieder nach meinem Todtenfeldevon Abusiraufundbin daselbst den ganzen Tag sehr thätig. Der Tag bleibt kühlundbewölktundunangenehm windig. Als ich gegen Abend nach Hause wanderte, kam mir am See Freyund Ernstentgegen, mit denen ich dann durch das Abusirer Wäldchen, wo FreyeineTaube schoß, zurückging. Am Abend fand ich neue Zeitungen bis Ende Januar vor, die dann eifrig im Bett durchstöbert wurden. -

Sonnabendden4ten März 1843[. ]Es ist heut Morgen nur Wärme. Ich bleibe zu Hause, um den gestern aufgenommenen Plan inTuscheauszuziehen. Es ist den ganzen Tag heftiger Südwind, der wahrscheinlich mit Ursache ist, daß ich ziemlich heftige Zahnschmerzen habe, dievonMorgen bis gegen Abend andauern, wo sie sich in Kopfschmerzen auflösen. Um Mittag etwa ½ 3 Uhr kommt zu meinem Erstaunen Lepsiusmit Abekenund Bonomizurück, die gar nicht bis zum Fayoumgekommen sind[,]sondernnur bis Medoum, wo sie161 die interressantenPyramidendaselbst,und2 Pyramiden zu Lischtbesucht haben. Ich war grade mitderDurchzeichnung einer Zeichnung Frey’s von Mitrahennebeschäftigt. Briefe von London an Lepsiusundie Weidenbach’s sind angekommen, die den Letzteren viel Freude machen. Am Nachmittag um 4 Uhr gehe ich noch aufdassüdlicheTodtenfeld, wo ich die Ausgräber mit Frankeunddie beiden Zeichner im Rhamses Grabebesuche. Mit ihnen kehre ich nach Hause zurück. - Es ist heutderGeburtstagderkleinen Marie.

Sonntagden5ten März 1843. Der Tag ist außerordentlich schön; vor der Andacht zeichne ich im Zelte eine Ansicht Frey’s aus Mitrahennefertigundhabe bereits eine zweite begonnen, als Mohammetaus Cairozurückkommt,undmir zu meiner ungemeinen Freude einen dicken Brief der Mutter überbringt, dem einer von Elisabethbeigeschlossen ist; Gott sei Dank, Alles zu Hause ist wohl. - Nach dem 2ten Frühstück mache ich mich mit Freyund ErnstaufdenWeg nacheinemDorfe oberhalb Mitrahenne, etwa 1Meilevonunserm Lagerplatz, um dort einen prächtigen alten Baum mit darunter stehendem Santon zu zeichnen. Es ging uns indergrünen Ebneundin den PalmenwälderndasHerz auf, auch zwischen blühenden Kornfeldern gingen wir hin[und] die Hitzevonetwa 25° wurde durch wehende Winde gelindert. Während des Zeichnens erfreute mich wiederderAnblick der vielen WeiberundMädchen, die Wasser tragend einherkamen. Ein freundlicher Araber, Namens Sidi Achmetsetzte sich zu mir, fastdieganze Zeit überundwollte uns nachher absolut noch inseinemHause bewirthen; alleindieSonne ging schnell unter, wir hatten sehr weit nach Hauseundso schieden wirvondemManne, nachdem er uns noch ein Stückchen begleitete, mit HändedrückenundBartgruß. - Sehr schnellen Schrittes ward nun162 nach Hause geeilt, wo wir doch fast erst im Dunkeln eintrafen; herrlicher Sonnenuntergang ward noch in Mitrahennebetrachtet. - NachdemEssen spielte ich Schach mit Max, dann mit Lepsiusnoch 2 Parthien. Ich litt auch heut wieder an Zahnschmerzen, die mich am Abend lange am Einschlafen hinderten.

Montagden6ten März 1843. Der Morgen früh sehr naßkalt, , starke Thauluft; während des Mittags hatte ich im Schatten des Zeltes beinah 26° Hitzeundich gestehe allerdings, daß dieß hier ein Unterschied des Winters gegen Europaist. Ich mache heut Vormittag mit Lepsiuszu Esel eine Revue aller bemerkenswerthen Gräber ab, um sie inmeineKarte einzutragen; Sturz in eine etwa[5]Fuß hohe Grube vom Esel, der mir noch auf mich fällt; glücklicherweise nehme ich keinen weiteren erheblichen Schaden, als daß ich am Fuß etwas geschunden bin. Bei Frankes Ausgräbern Herunterlassen ineinenBrunnen; schlechte Grabkammer. - Nachmittags klebe ich meine Plänevon Abusirund Saccarazusammenundmesse später ein Grab auf, worin grade Bonomizeichnet. Zahnschmerzen quälen mich heut abermals. - Nach dem Abendessen interressanter leuchtender Streifen am Himmel, die HelligkeitvomHorizont[schon]aufwärts gehend in gerader Richtung; die Sichel des Mondes nicht weit davon. -

Dienstagden7ten März 1843. Ich bleibe am Vormittag im Zelteundzeichne an Gräberplänen. Der Tag ist wieder außerordentlich warm; am Morgen vor Sonnenaufgang (feuchterundkalter Wind), am Mittag 26° Wärme im Schattenundviel heißer im Zelte selber. Ich frühstücke heut allein, weil Freyund Ernstineinemzu entfernten Grabe zeichnen. 163Nach einem Mittagsschläfchen mache ich die 2 begonnenen Gräberpläne fertigundgehe dann nachdemPfeilergrab, wo Ernstzeichnet, was ich aufzumessen beginne. Nach Sonnenuntergang zu Hause. Die Zahnschmerzen, die den Tag über michziemlichverlassen hatten, beginnen wiederundquälen mich recht. - Milde Abendluft mit köstlicher Mondscheinsichel. Der leuchtende Streifen am Himmel zeigt sich heut wieder linksvomMonde wie ein mächtiger Kometenschwanz, aber grade. -

Mittwochden8ten März 1843. Heut früh war die ganze Gegend dicht in feuchten Nebel gehüllt, der in[] einer Art Staubregen sich niederließ. Erst die höher steigende Sonne durchbrach ihn,zugleichaber erhoben sich heftige Windstöße, die den ganzen Tag fortdauerten[und] die Athmosphäre mit Sand füllten. Die Hitze war heut nicht sehr stark. Ich zeichnete am Morgen einen Theil des Pfeilergrabes hinterderletzten Pyramide aufundfing später an[,] einen Brief an die Mutter zu schreiben. Lepsiusmit Abekengingen gegen 9 Uhr nach Cairo, von wo sie morgenoderübermorgen zurückkehren wollen. NachmeinemFrühstück wanderte ich zu den Ausgräbern, die einen noch erhalteneninterressantenHolzsarkophag gefunden haben. Von hier nachdemPfeilergrabe, wo ich mehrere unterirdische Kammern aufmaß; es wurde erstaunlich viel SandvomWinde hineingeweht. - Am Abend abermals Briefschreiben; immer noch dannundwann Zahnschmerzen; der leuchtende Himmelsstreifen wiederum. -

Donnerstagden9ten März 1843. Ich bleibe heut zu Hauseundschreibe am Morgen an einem Briefe an die Mutter; dann zeichne ich an den Gräbern weiter. Es ist heut wiederum erstaunlich windigundnicht sehr warm. 164Gegen 2 Uhr, bis wohin ich Mittagsruhe halte, kommen Freyund Ernstaus ihrem Grabe, wo sie unter stetem Sandregen gearbeitet haben. Am Nachmittag mache ich noch einen Gang zu Frankeundden Ausgräbern, die fortwährend auf Holzsarkophage stoßen; sie arbeiten schon in erstaunlicher Tiefe. NachdemAbendessen spiele ich noch mit Freyein wenig Mühle. - Der Lichtstreifen am Himmel wiederholt sich, nachmeinerMeinung auf fortdauernden Wind deutend. Heut Mittag waren etwa 19°, heut früh .

Freitagden10ten März 1843. Wie vorausgesehen währtderWind lästiger Weise auch heut fort bei ziemlich kühler Witterung. Lepsiusund Abekenkommen auch heut noch nicht aus Cairowieder. Ich zeichne am Auftragen der Gräber neben Ernst, der heut auch zu Hause bleibt; auch fahre ich etwas indemBriefe andieMutter fort. Am Abend tragen die KinderundMänner, die beim Ausgraben beschäftigt sind, uns etwas vor, was sehr lustig anzusehen ist, besonders die kleinen Mädchen, die eine miteinemSäbel, die andre mit Franke’s Stock. Wieder der Lichtstreifen am mondhellen Himmel. -

Sonnabendden11ten März 1843. Lepsiusund Abekenkommen auch heut noch nicht; ich fahre heut Morgenmitdem Brief an die Meinigen fort,undbringe ihn beinah zum Schluß. Vor -undNachmittag messe ich in dem schwarzen Psammetichgrabe, Vor -undNachmittag wandere ich zu den Ausgräbern hinaus, die eine Menge Sarkophage in dem Brunnen vorder 3tenPyramideauffinden; der Wind ist wie gestern heftig, kaltundunangenehm. Morgens nur , am Mittage noch nicht 20°, gegen Sonnenuntergang oft nur 13-14°. Abermals,undwomöglich vergrößert[,] zeigt sich am westlichen Himmel aufwärts der lange Lichtstreif,undder165 Wind wird leider auch wohl morgen fortdauern. - Am Abend bin ich sehr müde, horche aber bis 10 Uhr der Erzählungvon Frey’s Liebesabentheuern. -

Sonntagden12ten März 1843. Der Morgen ist wieder kalt, , der Tag etwa 21°[,] sehr windig. Da Lepsiusun Abekennoch nicht zurück sind, lesen wir zur Morgenandacht einige Kapitel inderBibel weiter,undkommen mit dem Johannes-Evangelium zu Ende. Vorher noch mache ich einenkleinenSpaziergang zu dem Brunnen, den Frankeausgraben läßt. - Nach unsrem Dejeuner mache ich mit Freyund Maxeinen Ausflug nachdemThale[,] um zu zeichnen. Die Luft ging hier weniger starkunddas Wetter war recht angenehm; in dem Dorfenördlichvon Mitrahenneward heute eine Ansicht aufgenommen, sowie noch am großen Damm. Mit Sonnenuntergang wieder heim. Nach dem Abendessen etwa gegen 9 Uhr kommt Lepsiusmit Abekenaus Cairozurück[und] ich erfahre, daß der mächtige Lichtstreifen, den wir die letzten Tage bewunderten, ein Komet ist. Heute war er nicht zu beobachten, da die Athmosphäre neblichundderMond mit einem großen Hof versehen ist. -

Montagden13ten März. Es ist heut früh Wärme, eigentlich empfindlich kalt; dabei wird es den Tag über bei bewölktem Himmel 25° Hitze ohne Wind, sehr drückend; die Luft ist keineswegs rein,undich habe arge KopfschmerzenundBenommenheit, sei’svonderLuftodereiner ErkältungvonderNacht her,wahrscheinlichdas letztere, weil auch ein schlimmer Hals im Anzuge ist. Das merkwürdigste Ereignis des Tages war der Heuschreckenregen, der vom Vormittag 10oder11 Uhr bis gegen Abend fortdauerte; es wareinhöchst wunderbarer Anblick; Schwärme dieser Thiere, die recht hübsch grünundgelb gezeichnet sind, kommen mitdemSüdwinde von der Wüste her in das Thal herab, vollkommenden166fliegenden Schneeflocken vergleichbar, bisweilen nachlassend, bisweilen wieder dichter werdend. So oft sie sich müde niederlassen, begatten sie sich zu Tausenden,undder Erdboden ist davon bedeckt. Weiter hinauf essen die Berber diese Thiere, rohoderam Feuer geröstet; jetzt kann ich mir denken, wie dieß eine Plage des alten Egyptens gewesen sein kann. - Auch heut ist der Himmel bewölktundderKomet nicht zu sehen. Die Abendluft ist sehr lau. Ich zeichnedenganzen Tag im Zelte an dem Psammetichgrabe, womit ich heut fertig werde. NachdemEssen 2 Parthien Schach mit Abeken, die ich beide gewinne. -

Dienstagden14ten März 1843. Ich habe heut im Zelte noch an meinen Gräberblättern sowie an dem PlanvondenRichtungslinien der Pyramidenvon Memphisaus zu zeichnenundreite gegen ½ 11 Uhr nach einem zwischen Saccaraund Abusirneu aufgefundenen Grabe, was interressante Malerei hat, welche auf einem Thonüberzug aufgetragen ist,undderen Farben noch sehr gut erhalten sind. - Diesen Weg mache ich, nachdem ich mit Lepsiusund Abekengefrühstückt habe, noch einmal mit diesen zusammenundreiten wir durchdieEbne zurück, um die unsägliche Masse der Heuschrecken zu bewundern, welche hier den Boden wie mit grüngelber Masse überziehen, immer zu zweien sich begattend; diese Masse ist unglaublichundselbst die harten Palmblätter werdenvonihnen angefressen, besonders aber die jungen hervorkommenden GurkenunddasGetreide. Das Männchen ist gelbgrünundschwarz gefleckt, das Weibchen mit grünem Körper. Wir ritten durch die dichtesten Massen,undzu Tausenden sprangen die167 Doppelthierchen um uns her. Dann wieder kamen sie vollkommen wie Schneegestöber mitdemWinde ausderWüste her überdasLand gefahren; das ist in der That eine Plage fürdiearmen Fellahs. Auf unsrem Rückwege fanden wir bei Besichtigungvonalten Steinen inderEbne eine schöne Schlange, die mit einiger Mühe in Abeken’s Täschchen zu Hause gebrachtunddort in Spiritus ersäuft wurde. Der Abend kommt herbei ohne etwas Bedeutendes weiter vorzunehmen. NachdemEssen wieder 2 Parthien Schach mit Abeken; eine verloren, eine gewonnen. Das Wetter ist heut windig, warmundkalt wechselndundnicht gesund.

Mittwochden15ten März 1843. Ernsthat seit heute einen starken AnfallvonDisenterie; er hat 3mal Blutabgang gehabt, eine ernste Sache. Ich gehe heut mit meinen Instrumenten nachdemsüdlichenPyramidenFeldevon Saccaraundbeginne dort den Plan fortzusetzen. Gegen Mittag aber wird es so windig, daß ich nicht gut weiter arbeiten kann, auch treibt mich der Hunger nach Hause; den übrigen Tag beschäftigt mich die Pflegevon Ernst[,] die ichzusammenmit Bonomiübernehme; wir geben ihm ein Brechmittel, was seine Wirkung thut, nachher aber ein Lavement von Reiswasser, wonach er freilich noch 2 mal Blutdiarrhoe hat, doch lassen die Laibschmerzen nachundvielleicht giebt es sich diese Nacht, so Gott will. Auch Lepsiusklagt übereinGeschwür am Oberbein, wozu ich ihm heiße UmschlägevonBrodteig rathe; auch er kommt nicht zum Abendtisch. Das Wetter war im Ganzen heut leidlich; der Komet war am Abend trotz des hellen Mondscheins, sichtbar, obwohl168 nur sehr schwach am südlichen Himmel. Ich finde heut interressanterweise Königsnamenvon Snefruund Assessaindereinen Pyramidevon Saccaraverbaut; Lepsiusentdeckt sogar noch eine Grabkammer dort. - Frankefindet an seinem Brunnen, wo fortundfort gegraben wird, neue SarkophagevonHolz, Schiffe pp. -

Donnerstagden16ten März 1843. Der arme Ernstleidet immer noch an seiner Disenterieundhat noch fortwährend Blutabgang; ich gebe ihm noch ein Klistier am Morgen; LepsiusGeschwür vergrößert sichundverursacht ihm viel Schmerzen; die UmschlägevonBrodteig dauern fort. Ich beginne heut mit Abekendie Sonnenhöhe für die Meridianbestimmung zu nehmen; indessen stört uns darin ein Besuchvon2 Italienernund1 Franzosen, der zu Abekenkommt. - Ich mache mich fort, um zu dem neuen Grabe zu kommen, wo ich Max, Bonomiund Wildfinde; selbiges wirdvonmir aufgemessen; dann kehre ich über den Ort, wo Frankeausgraben läßt[,] zurückundmesse auch diese Lokalität aus. Während ich hier beschäftigt bin, kommt unser Consul WagnermitdemfranzösischenConsul aus Cairo. Ich kehre dann bald zurück; mache mit WagnernocheinenBesuchbei Freyim Psammetichgrabe, zeichne nocheinwenig an meiner Karteundmache noch Weinumschläge an Ernst. Das Wetter ist heut gut, nicht allzu heiß. Mir ist es so, als sollte icheinenSchnupfen bekommen; ich habe etwas Kopfschmerz,obgleichdasEssen mir noch schmeckt. Die Heuschreckenplage dauert169 noch fort; die armen Bauern vertreiben sie von ihren Feldern TagundNacht mit angezündeten Feuernundandern Mitteln. Der Prinz Albrechtkommt wahrscheinlich in 8 - 10 Tagenundwird uns wohl noch hier finden; er ist jetzt per Dampf nach Assuanhinauf. -

Freitagden17ten März 1843. Heut früh geht es mit ErnstGott sei Dank, etwas besser; er hat die Nacht sehr gut geschlafen. Ich mache mich deshalb,undweil das Wetter gut ist, zur Fortsetzung meines Planes nach demsüdlichenPyramidenfelde auf. Die Sonne brennt sehr,zugleichist es aber ziemlich windig; ich halte ein Mittagsschläfchen oben auf der abgetragenenPyramide, deren Todtenfeld ich heut aufnehme. Bei meiner Rückkunft etwa um 4 Uhr finde ich Ernst’s Zustand noch leidlich, indessen gegen Abend stellt sich wiederum Diarrhöe ein. Wir machen ihm einen heißen Umschlag mit aufgegossenen Terpenthinöltropfen, geben ihm wieder Ipecacuana zum Schwitzen indenThee. Die Luft war heut sehr schwülundgegen Abend[zog][] ein Gewitter über uns fort, ohne uns jedoch mehr als einige Tropfen zu schicken. Gegen 11 Uhr Abends aber kam es heftig herauf, Blitz auf Blitz, Donner auf Donner, heftiger Windundebenso heftiger Regen begannundwährte wohl 1 Stunde hindurch fort; an Schlaf von meiner Seite war dabei nicht zu denken, zumal da ich auch mich nicht einmal ganz wohl fühlte; der heftigste Wind war im Gefolge des Regens,undhielt die ganze Nacht hindurch an. Eh indessen die Gewitterwolken recht heraufkamen, glückte es170 mir, vor dem Aufgange des Mondes, den Kometen recht schön zu sehen, wenigstens seinen Schwanz; der Kern, um den es mir hauptsächlich zu thun ist, war in Wolken verhüllt. Abekenundich beobachteten mit Fernrohr, durch welches jedoch mit Mühe der Lichtschimmer des Schweifes wahrgenommen werden konnte. - Mit LepsiusGeschwür geht es seinen natürlichen Gang fort; es ist heut ziemlich inderBlüthe. Vor dem Abendessen langeswissenschaftlichesGespräch mit Lepsiusim Zelte; nachher besehe ich mir Perring’s Buch über die Pyramiden. - Die Hitze habe ich heut nicht beobachten können.

Sonnabendden18ten März 1843. Ernsthat inderNacht wieder herausmüssenundfühlt sich nicht grade wohler; auch ist die Diarrhoe immer noch etwas mit Blut vermischt; wir rathen daher[,] nach Cairozu Dr. Prunerzu schicken; ich setze am Morgen deshalb einen Brief mitderKrankengeschichte auf; überhaupt bleibe ich heut zu Hause, da es sehr windigundkalt ist; mein gestern aufgenommener Plan wird ausgezogen[,] das Grab bei Abusiraufgezeichnet. - Im Verlauf des Tages scheint es mit Ernstbesser zu gehen, der Durchfall nachzulassen. - Gegen Abend gehe ich aufdasPlateau zuderStelle, wo ausgegraben wird, um dort noch einige Maaße zu nehmen. Es ist sehr kühl, nur 13°. Nach dem Essen zeigt sich der Komet vor dem Mondaufgang in trefflicher Klarheit, nebenbeizugleichein Zodiakallicht; Abekenundich beobachten den ersteren mit GuckerundFernrohr; der Kern ist deutlich sichtbar; die ganze[Licht]außerordentlich imposant. - Der Zustandvon Ernst171ist heut Abend leidlich; etwas ReisundSuppe hat ihm vortrefflich geschmeckt. -

Sonntagden19ten März 1843. Das Wetter ist heut wie gestern windigundkalt. Ernstist noch nicht hergestellt, er muß heut früh noch 2 mal zu Stuhle, dann aber den ganzen Tag nicht mehr. Blutigel, die Prunergeschickt hat, lassen wir noch bei Seiteundwollen nach LepsiusRath erst morgen abwarten. Vor der Morgenandacht schreibe ich an meinem Briefe nach Hause weiterundnachdemFrühstück mache ich mit Freyeinen Spatziergang indasThal nebenderBrücke vorbei in den Wald nach dem Dorfe El Agasir, wo wir nicht weit davon ein Wasserreservoir mit Palmen zeichnen. Im Dorf selbst finden wir ineinemHofe Bonomi’s Kameel,under so wie Wildsind auch nicht weit davon. Wir amüsiren uns mit den neugierigen WeibernundMädchen, welche uns in Menge umstehenundvon weitem folgen (2 sehr hübsche Mädchen sind dabei)unddann kehre ich mit Freyvoraus nach Hause zurück. AnderBrücke finden wir Franke, der angelt; es ist aber zu kalt[,] um lange stehen zu bleiben,undso, rasch ausschreitend[,] gelangen wir mit untergehender Sonne beidenZelten an, mit Ernstgeht es in so fern leidlich, als der Stuhlgang sich nicht wiederholt hat. Mit des Professors Geschwür geht esseinenGang fort, eigentlich zur Besserung hin, daderHaupteiterstock heraus ist; doch kann er noch nicht ausdemZelte gehen. -

Montagden20ten März 1843. MitderGesundheit von Ernstgeht es recht gut; alle Symptome der Krankheit sind fortunder befindet sich recht gut ohnedieAnwendung von Pruner’s Blutigel. - Ich mache mich heut nach demsüdlichenPyramidenfeldevon Sakkaraauf,undfahre an meinem Plane fort zu arbeiten; das Wetter ist schön, obwohl172 besonders am Nachmittag, sehr windig. Ich bin sehr fleißigundkehre erst um 5 Uhr etwa von meiner höchst einsamen Wüstenwanderung heim. Ich bin heut Abend vielbei Lepsius, mit dessen Fuß es auch um Vieles besser geht. Wir sprechen übersämtlicheneu aufgefundenen Pyramiden,undnach Tisch liest er mir, Maxund Freydasjenige vor, was er über die Gräber in Ghizeundhier in Betreff der Bauart,undder Dynastieen, worein dieselben gehören[,] aufgeschrieben hat. Der Komet glänzt wieder am Himmelundeine unzählbare MengevonSternen in trefflichster Reinheit. - Heut früh nur , am Mittag schätzte ich es nur 20 - 21°. Die Heuschrecken scheinen seit dem letzten Gewitterregen,undden darauf folgenden kalten Tagen sehr abgenommen zu haben. - Frankeläßt heut in Mitrahenne4 Araber durchprügeln, weil gestern aus dem Dorfe Einer die Flinte auf Maxangelegt hatte. Der wahre Sünder ging leer aus, weil er nicht da war. -

Dienstagden21ten März 1843. Ich bleibe heut den ganzen Tag zu Hause; am Morgen beendige ich meinen Brief andieMutterundgeht derselbe heut nach Cairoab. Dann wird etwas gearbeitet an meinem Plane; dann mache ich Abeken’s Theodoliten zurecht, wo das[Diopternkreuz]gerissen warundfrühstücke mit ihmund Lepsiuszusammen; nachdemFrühstück liest Abekenaus Göthes Gedichten vor, was mireineigner Klang inderWüste ist. AmNachmittagbin ichziemlichfaul; gegen Abend aber sehr fleißig, so daß ich mitdemAusziehen meines Plans nachkomme. - NachdemEssen 2ParthienSchach mit Abeken, dann lese ich noch im Zelte mit Freyund Ernst, der wieder ganz hergestellt ist, GöthesRömischeElegieen, die uns viel Genuß gewähren. - Heut Morgen [,] am Mittag 25°; NächteundMorgende sind sehr kühl; auchbeiTage viel Wind draußten. 173

Mittwochden22ten März 1843. Unser verlängertes Hierbleiben trägt noch manche Früchte. Gestern hat sich ein ganz neuerundmehrere andre schon bekannteSteinein einer Reihenfolge nebeneinander im Dorfe Abusirvermauert vorgefunden,unddiese Steine sind heut ausgebrochenundhergeschafft worden. Ich wardenganzen Tag fast auf demsüdlichenTodtenfeldevon Sakkara, meinen Plan weiterarbeitend; es ist doch sehr öde inderWüste; fast den ganzen Tag habe ich kein lebendesmenschlichesWesen gesehen; nichts als Sonne, Wind, Kiesel, SchutthügelundPyramiden. Nach 5 Uhr kehrte ich zu Esel, den ich mir um diese Zeit hinbestellt hatte[,] heimundwir waren heut bei Tafel einmal wieder Alle beisammen, was seit Lepsiusund[ Ernsts] Unwohlsein unterbrochen war. - Abends wieder Lesenvon Göthe’s Gedichten in unserm Zelte. -

Donnerstagden23ten März 1843. Gegen 9 Uhr, wo es jetzt immer erst warm wird, gehe ich, um die zwischendemnördlichenundsüdlichenPlateauvon Saccaraliegenden Bergeund[Wüstengänge]aufzunehmen; nach eifrigem Umherlaufen gelingt es mir[,] damit bis ½ 1 Uhr fertig zu werden, von welcher Zeit ab ich im Zelt arbeite, wo ich das Aufgenommene mit[Tusche]überziehe. Gegen Abend gehe ich noch zu Franke’s Ausgrabung, wo indereinen Brunnenkammer ein Sarg geöffnet wird[,] davon wirdieMumie uneröffnet in Prozession zu unsren Zelten schaffen. Am Abend spiele ich Schach mit Bonomiund Ernst, die ich beide besiege. Der Nordwind bringt fortdauernd viel Kälte. Früh vor Sonnenaufgang nur 5 - ,undMittag’s 21 - 22° auch bis 25°; aber gegen 9 Uhr früh beginntderWindundbläst kaltundunangenehm. - Der Komet ist fortdauernd zu sehen; die Heuschreckenplage hat aufgehört[. ]174

Freitagden24ten März 1843. Bis ½ 9 Uhr bleibe ich wieder im Zelt, wo nachdemCaffee immer ersteinPfeifchen geraucht wird, was trefflich schmeckt. Dann präparire ich mich zu einer Wanderung nachdementfernten Pharao’s Sitz. AufdemWege treffe ich mit Lepsiuszusammen, dem ich einen Platz angewiesen hatte, woeinStein mitdemKönigsnamen der 12ten Dynastie lag. Wir ordnen an dieser Stelle noch eine weitere Nachgrabung anundbestiegen dann zusammen die Pyramiden dessüdlichen Sakkaraer Feldes. So kommen wir bis zum Pharao’s Sitz, wo ich dann gegen Mittag erst meine Arbeit der Aufnahme des Feldes fortsetzen kann. Um dieselbe zu beendigen, laufe ich mich bei fortwährendem unangenehmen Winde mattundmüdeundkehreendlichnothdürftig fertig, nach Hause zurück, wo ich hungrigundenorm ermüdet mit sinkender Sonne ankomme. Ich finde zumeinerFreude neue Portugamen vor; für 1 Piaster 17 StückvontrefflichemGeschmack. - Am Abend lege ich mich bald zu Bettundschlafe recht gut. Vorher lese ich mitdenAndern wie gestern noch Gedichtevon Göthe.

Sonnabendden25ten März 1843. Heut Morgen wieder nur Wärme. Die Sonne geht alle Morgen prächtig auf, herrlich golden; dabei istdieLuft des Morgens ruhig. - Ich arbeite heut im Zelte an meiner Karte; um ½ 11 Uhr fordert mich Lepsiuszu einer Expedition nach Sauat el Arrianauf; wir frühstücken erst zusammenundmachen uns dann zuerst zu Franke’s Ausgräbern auf, wohin uns Bonomizu Kameele nachkommt. Es ist hier wiedereinStein mit einem neuen Königsnamen Tetain einer Mauer verwendet[,] zum Vorschein gekommen. Von hier geht es dann überdasPlateau zuden AbusirerPyramiden. Wir geben, da es zu spät ist, Sauat el Arrianaufundbeschließen[,] bloß eingründlichesBesehen der175sämtlichenPyramidenbis Riga, was dann auch bewerkstelligt wird. Wir klettern auf alle zusammenundfinden heraus, daßdiePyramidevon Rigawahrscheinlichäußerlicheine Ziegelpyramidewar mit einem massiv gebauten Kern. AufdemRückwege fangen wir einekleineSchlange, die LepsiusinseinerTasche mitnimmt;ziemlichspät kommen wirbeidenZelten an; auch Freyhat heutdasMännchen einer gehörnten Schlange gefangen. - Frankeist seit heut nicht recht wohl. Das Wetter war heut köstlich; freilich nur etwa 21° am Mittag, aberdieLuftvoneiner wunderbaren Reinheit; die Berge gegenüber scheinen nur einen Büchsenschuß entfernt. -

Sonntagden26ten März 1843. Der Morgen ist wieder sehr schön[,] beinah 10° Wärme. Der heutige Tag wird überhaupt sehr heiß; wir haben um Mittag 27 ½° Hitze, im Zelte 30°undabendsim Zelte 35°. - Ich bleibe vor dem Frühstück zu Hauseundsehe Freyzu, wie er eine GruppevonTodtenköpfen vor Wild’s Zelte malt. Abekenübersetzt uns dabei Auszüge aus Vöken’s〈…〉〈…〉 Amerika, die im Athenaeum stehen. Nach 2 Uhr mache ich mich mit Frey, Ernstund MaxnachderEbne hinunter; es ist sehr heiß, wir gehen nur biszumEnde des Dammes; ich schieße 2 wilde Enten, kann aber eine, die ins Getreide fällt, absolut nicht finden. Nachher sitze ich mit Ernstnoch ein Stündchen am Wasser im Palmenwalde innert der Barkeunderfreue mich des schönen Anblicks; dann nach Hause. Wir empfangen heut neue Zeitungenundich lese darin Briefe der Unsrigen über unsre Reise, waren von Lepsiusund Abeken. Ich habe heut Abend, da ich mich zum Schlafen niederlegen will, sehr starke Zahnschmerzen,unddie mich samt einer MengevonFlöhen viele Stunden lang vom Schlaf abhalten. -176

Montagden27ten März 1843. Heute früh ist es 14° Wärme; ich bleibe zu Hause. Es dauert nicht lange, so fängt ein heißer Südwind an zu wehen, der mit enormen Staube vermischt ist; ich fürchte, es istderHamsinundwir werden ihn 6 Wochen lang haben, die Sonne ging in trüber Athmosphäre auf, so daß ich gleich nichts Gutes vermuthete. Und nun vermehrte sichdieDickederLuftvonStunde zu Stunde; es wurde heißerundheißer; wir hatten 32° außerdemZelte im Schattenund30-31° im Zelte. Noch bei Sonnenuntergang 27°undjetzt um 9 Uhr Abends 22 ½° Wärme. Am Nachmittag drehte sichderWind nach Westenundals ich aufdasPlateau ging, war es ein interressanterundwunderbarer Anblick, Wüste wie Thal anzuschauen; nichts als eine Nebelsandmasse; die Sonne war nicht zu sehen; an manchen Stellen wardieLuft gelblich; der Wind heiß, das Athmen ward einem schwerer, der SandundStaub fiel aufdieBrust; die Palmenwälder, das Mokattamgebirgewaren nicht zu sehen. Ich arbeitete heut an meinem Plan,undwill, so gut es bei dem Wetter gehen mag, den des Pyramidenfeldes von Sauat el Arrianaufnehmen, dann aber zu dem von Daschurübergehen, um damit meine hiesigen Arbeiten zu schließen. - Franke, der schon gestern unwohl war, ist es noch heute, man weiß nicht recht, was es sein mag. -

Dienstagden28ten März 1843. Ich führe heut meine Parthie nach Sauat el Arrianaus; etwa um 7 Uhr reite ich mit demkleinen Hassanaus; das Feld ist nahe bei Ghizeundich brauche mehr als Stunden177 um hinzugelangen, weil ich aufdemWege noch bei einem großen bisher unbemerkten Todtenfeld vorbeikomme, was ich ein wenig besehe. - Den ganzen Tag bis zum Sonnenuntergang bin ich mitderAufnahme des Todtenfeldesvon Sauat el Arrianbeschäftigt, ohne doch vollständig fertig werden zu können. Es wird sehr windig, ja, stürmisch bisweilen, doch istdieAthmosphäre gegen gestern klar zu nennen, die Hitze auch keineswegs übertrieben. Im Dunkeln komme ich nach Hauseundfinde die Andern beim NachtischundWein, den Abekenspendiert, weil Wildmorgen früh nach Cairogehen will, um dort, während wir im Fayoumsind, zu bleiben. - Vor dem Schlafengehen muß ich noch Creoset gegen meinen Zahn gebrauchen.

Mittwochden29ten März 1843. Ich bleibe heut zu Hauseundarbeite meinen gestern aufgenommenen Plan aus. Das Wetter ist heut schön aber, besonders im Zelte[,] sehr heiß; wir haben hier 29°, draußten nur 24-25°; am Morgen etwa 10°; die Luft ist sehr still. - Heut Abend spiele ich mit Bonomieine sehr lustige Parthie Schach. - Frankeist heut wieder wohl; Lepsiusaber leidet an einem neuen Geschwür, wenn auch kleiner als das erste. - In der heutigen Nacht haben wir nach 10 Uhr zuerst ein heftiges Gewitter mit starkem BlitzundDonner, ohne daß wir jedoch Regen abbekommen; die Flöhe stechen gewaltig; meine Zahnschmerzen munkeln heftig, doch brauche ich kein Creoset zu nehmen.

Donnerstagden30ten März 1843. Schon in der Nacht fing heftiger Wind an zu wehen,undam Morgen wardieLuft vom Hamzin undurchsichtig. Die Sonne war nicht zu sehen, kein Thau gefallen, das Athmen178 wird Einem schwerer. Ich bleibe auch heut noch zu Haus, um meinen Plan auszuziehen, womit ich am Nachmittage zeitig fertig werde; der Tag hellt sich nicht auf, nachdemAbendessen 2ParthienSchach mit Abeken. Beim zu Bett gehen wieder solche Zahnschmerzen, daß Creoset helfen muß. -

Freitagden31ten März 1843. Das Wetter ist heut zwar ziemlich klar, aber den ganzen Tag weht heftiger Hamzin, so daßmansich vor Staub kaum zu retten weiß; die Zeichnung wird fortwährend wie mit Puder überschüttet,desgleichenalle Sachen im Zelte. Ich muß auch heut zu Hause bleiben, weil ich keine Schuhe zum Ausgehen habe; Mohammetwird deshalb heut nach Cairogeschickt, bringt mir aber am Abend nur ein Paar meiner alten Zerrissenen zurück. Ich zeichne das Abusirer Grabundden Ort, wo die Mauer mit den Bäumen ist, auf. Wir haben heut nur 20° Wärme. Am Abend eine Parthie Schach mit Lepsius. - Im Zelte wieder Zahnschmerzen mit Creoset vertrieben. -

Sonnabendden1ten Aprill 1843. Ich mache heut mit Bonomi, Lepsiusund Abekeneine Exkursion nach Daschur; wir besehen das sehr bedeutende Pyramidenfeld vom Pharao’ssitzean bis zur letzten Ziegelgruppevon Daschur; es sind eine Menge GräberundTodtenfelder, auch 3 - 4 Pyramiden mehr, als bisher auf KartenundBüchern angegeben sind. Komisches Sitzenbleibenvon Abekenaufderhintersten Ziegelpyramide. - Besuch des Scheik in Sauiat el Daschur, um wegenLeutenzum Ausgraben Rücksprache zu nehmen; alter kranker Kerl mit triefenden Augen; er setzt uns Setzeier in Butter, Saure MilchundKäse179 vor, was dann mitdenFingern genossen wird, nachher türkischer Kaffee. Der Besuch hält uns lange auf, ohne daß wir etwas erreichen; nachdemgrößeren Daschurzu reiten, ist uns zu weit; wir begeben uns nach dem Plateau zurückundsetzen unsre Untersuchung weiter fort; noch bei guter Zeit kommen wir bei den Zelten an; - ich mit völlig zerlaufenen Schuhen. Beim Essen haben wir heut einen trefflichen, ungeheuren Fisch, der für 3 ½ Piaster angekauft ist, wohl an 6Pfundschwer; Frankehat ihn uns recht schmackhaft zubereitet. NachdemEssen spiele icheineParthie Schach mit Frey, dem ichdasSpiel lehre. Ich kann mich wieder nicht zu Bett legen, ohne meine Zahnschmerzen mit Creoset zu vertreiben. - Der Tag ist außerordentlich windigundkalt, wir haben nur 20° bei unsren Zelten, aufdemPlateau im Winde gewiß noch weniger. -

Sonntag den 2ten April 1843. Vor dem Gottesdienst bleibe ich in meinem Zelte, schreibe Tagebuchundhelfe Bonomiim Deutschlesen. NachdemDejeuner schlafen wir Alle ein Stündchenunddann mache ich mit Frey, Maxund ErnsteinenSpatziergang nach Saccarains Dorf. Während FreyaufdemBerge dabei zeichnet, gehe ich mitdenAndern im Dorfe umher, nach beschriebnen Steinen suchend. Doch finden wir nichts Erhebliches. Nachher lagere ich mich im Palmenwäldchen[,] hole dann FreyvonSeinemBerge ab,undgehe mit ihm dann voraus nach Hause. Es ist heut wieder erstaunlich windigundkühl wie gestern, nur 20°. Lepsiushat sich gestern etwas erkältetundhat starke Kopfschmerzen, wie es scheint, auch etwas Fieber; auch Freyleidet heut an Kopfschmerzen. - Morgen will ich meinen PlanvondenPyramidenvon Daschuranfangen. 180

Montagden3ten April 1843. Ich mache mich heut gleich nach dem Frühstück mit meinen Instrumentenaufdem Kameelevon BonominachdemPyramidenFeldvon Daschurauf; den Eseljungen Hassanundeinen Wächter nehme ich mit. Das Wetter ist zwar windig, doch nicht so wie gestern, ich kann wenigstens leidlich mitdenInstrumenten operiren; am Nachmittag wird dieß viel schwererundist es besonders fatal, daß die Sonne weggeht,undder ganze Himmel sich bewölkt, wodurch die Hügel keine Schatten werfen. BeiderletztenZiegelpyramidezeichne ichdasTerrain im Brouillonundschreite einige Dimensionen ab; dann mache ich mich nach Hause auf; wir gehen weit indasThal einen recht anmuthigen Weg hinterdemDorfe Saccaraherum; es ist erstaunlich windigundkaltundich bereue sehr, keinen Mantel zu haben, doch eine flanellne Leibbinde, die ich heut zum erstenmal umhabe, thut mirdiebesten Dienste. Ich finde die Andern schon beim Essen. - Am Abend bin ich sehr müdeundgehe bald zu Bette; statt des Thees trinke ich seit gestern Abend nur Milch, was mir in Betreff meiner Zahnschmerzen besser zu bekommen scheint.

Dienstagden4ten April 1843. Es ist heut ein turbulenter Morgen; gestern hatte Lepsiusdenganzen Tag MüheundNoth[,] um Kameele fürdenTransport von Steinen nach Cairozu bekommen; diese kommen nun heutund Frankebricht mit ihnen auf. ZugleicherZeit kommt ein BriefvonConsul Wagner, der anzeigt, daßderPrinz Albrechtin Cairosei,undobwohl Lepsiusheut sehr unwohl ist, muß er sich entschließen, hineinzumachen; er for181 dert Abekenund Bonomiauf, ihn zu begleiten; ich habe die Absicht, wieder nach Daschurzu gehen, ummeinenPlan zu fördern. Indessen hältes Lepsiusdoch für besser, auch Einen vonderExpedition selbst vorzustellen,undfordert mich auf, mich zurecht zu machen. Dieß geschieht,undwir warten nun auf Esel ausdemDorfe, um nach Bedraschinzu reiten, wo wir uns einschiffen wollen. Etwa um ½ 12 Uhr kommen wir erst fort, BonomiaufseinemKameel. Schon in Mitrahenneverlieren wir Letzteren, der nicht so schnell mit kann. Lepsiuswird das Reiten sehr sauer; er hat Schmerzen in allen Gliedern. Am Nilufer hinter Bedraschinfinden wir FrankemitderBarke, worauf unsre Steine transportiert werden, aber keine passende Barke für uns; es bleibt uns daher nichts übrig, als weiter abwärts zu reiten; dicht am Nilufer über holprichten Boden geht es entlang;endlichgewinnen wir die Deicheundhaben auf diesen durch Palmenwaldung einen sehr angenehmen Weg. Einmal ruhen wir ½ Stunde, um Lepsiuseinige Erholung zu gönnen, Thuragegenüber finden wirendlicheine Barke; die Esel werden nach Ghizezur Überfahrt geschicktundwir schiffen uns ein. Die Ufer sind flach mit Feldern begränzt; das Thuragebirge trefflich klar; dannundwann Landhäuser am Ufer; Gärten, aus denen uns köstlicher Orangengeruch entgegenströmt; endlich nähern wir uns der Insel Rhoda;unddem wimmelnden AltCairo. Auf dem Schiffe warten wir bis unsre Esel angelangt sind; dann machen wir mit sinkender Sonne fort; ein kurzer Regen überrascht uns noch in AltCairo. Im Dunkeln rücken wir inderHauptstadt ein; es ist reges Treiben darin; eine Menge Buden mit Zuckerwerkundandern Sachen glänzen uns hell erleuchtet entgegen; das Gewühl wird immer dichter; auf dem Platz Esbeqiehsind ungeheure Zelte aufgeschlagen, Kaffee trinkende Gruppen sitzen darin. So gelangen wir zuHerrn Lieder; ich zuerst, dann Abekenund Lepsius, die beidemConsul182 Wagner, da er nicht zu Hause war, keine Aufnahme finden konnten, die er ihnen angeboten. Auch indemHause, wo Wildwohnt, war für uns kein Zimmer mehrundso nahmen wir imenglischenHotel 2 Zimmer, wo sich inmittelst auch BonomimitseinemCameel eingefunden hatte. Lepsiusundich tranken noch Theebei Lieder, während Abekenzum Gasthof voraus ging. Ich logirte mich mit Bonomizusammen. Lepsiusmachte ich Einreibungen im HalsundSchultern; auch nahm er vor dem ZubettgeheneinFußbad, um sich für morgen zu stärken.

Mittwochden5ten April 1843. Heut Morgen fand sich Lepsiusum Vieles besser; wir erhielteneinBilletvon Wagner, der schreibt, daß die Vorstellung beim Prinzenwahrscheinlichzwischen1und3 Uhr statt finden würde[,] auch LepsLepsiusund Abekenbei ihm zu wohnen einlädt. Lepsiusbleibt zu Hause, ich gehe zu Lieder[,] um meine europäischen Sachen zu holen. Dann mit AbekenBesuch bei Pruner, dem ich meine Zahnschmerzen klage,undder mir verspricht, den Zahn auszuziehen, was mir erstaunlich lieb ist. Ein zweites Billetvon Wagnerladet Lepsiusum 5 Uhr beim Prinzen zur Tafel, sagt abervonuns nichts. Die Vorstellung war für Abekenundmich somit für heut aufgegeben, ohne daß wireinenGrund dieser Sonderbarkeit finden konnten. Lepsiusund Abekenlassen ihre Sachen inmittelst zu Wagnerbringenund Bonomiundich wohnen im Gasthof allein. Um Mittag reite ich mit Letzteremund Abekenauf den Basar. Das geräuschvolle Leben aufdenStraßen imponirt mich heut fast noch mehr, als damals. GestoßeundGetriebe durch die engen Gassen; Menschen wie Thier werden gleichmäßigvonmir mit einigermaßen Interresse beobachtet; man möchte Alles festhalten, aber ein Bild verdrängt das andreundderGeist wird auf’s äußerste ermüdet. Cairoist überfülltvonMenschen, da morgen früh die feierliche Procession des heiligen Teppichs ist, der vonden MekkaPilgern nach Constantinopelgeführt,undnun feierlich indieStadt eingeführt wird. 183Leider weiß ich keinen Platz, um dieß anzusehen, da man in europäischer Kleidung sich nicht leicht unterdiefanatischeMenge mischen kann. Beidemalten ehrwürdigen Kaufmann, den ich schonvonfrüher kenne, hält Bonomian; wir setzen uns in seine Bude; er bietet uns PfeifeundCaffeeunddann machen wir Einkäufe, ich ein seidnes Tüchelchen gegendieSonne (für 25Piaster, Fabrikat aus Sidon), Abekeneine sehr theuretürkischeJackeundaucheinähnliches[,] doch viel theureres Tuch (beideszusammenüber 300Piaster);er wirft auch hier wiederdasGeld unnötig weg. - Nachher werden noch einzelne Kleinigkeiten gekauft, Schuhe, Tagien etc.unddann begebe ich michzumGasthofe zurück. Am Abend mit Abekenund BonomianderWirtshaustafel gespeist; ich habe abscheuliche Zahnschmerzen; wir aßen dort mitMister Prisse, Dr. Abbott(ekliger Kerl)undMister Loidzusammen. Ich drücke mich um 10 Uhr in mein Zimmerundnehme[,] wie gewöhnlich zum Creoset meine Zuflucht. - Die Flöhe auf dem steinernen Fußboden im Gasthofundüberall sind enormundunausstehlich. -

Donnerstagden6ten April 1843. Mein erster Gang, nachdem ich um 7 Uhr aufgestanden, ist zu Dr. Pruner, den ich im Begriff finde auszureiten; er kommt aber noch einmalnachoben,undzieht mir nach einigen Einschnitten indasZahnfleisch, den Zahn sehr gut aus; es that schrecklich weh, aber ich bin nachher wie im Himmel. Nun gehe ich mit Bonomizu Wagner, da wir noch keine Aufklärung über unsre Vorstellung beim Prinzen haben. Es ist keiner zu Hause. AufdemRückwegzumGasthof sehen wir Wagnerund Lepsiusim Gefolge des Prinzen, der mitseinenBegleitern von dem gestern erwähnten Festzuge zurückkommt. Während ich mit Bonomibeim Dejeuner sitze[,] erscheintendlich Abeken, der mir sagt, daßderPrinz keine Vorstellung annehmen wolle,undes sei nun so eingerichtet, daß ich mit ihm morgen sammt Lepsiusnach Ghize[und] Sakkara, woderPrinz uns einen Besuch machen wollte[,]184 aufbrechen, Abekenaberund Bonomigleich nach Sakkaragehen sollten, um dort das NöthigezumEmpfang des Prinzen vorzubereiten.Zugleichersuchte mich Wagner, wenn Abekenfort wäre,dieNacht bei ihm zuzubringen. Nach einem Besuchbei Liederundeinem vergeblichen in die Wildsche Wohnung kehrte ich zum Gasthof zurück, wo ich Wildund Bonomifandundmich mit ihm unterhielt, bis Abekenund Lepsiuskamen. Ersterer machte sich nun zurecht, aufzubrechen, sammt Bonomi; auch Wildwurde überredet, auf 1 Tag mit nach Sakkarazu gehen, damitdieganze Expedition dem Prinzen vorgestellt werden könnte. Nach 2 Uhr brachen diese dann auf,undich ging nach bezahlter Rechnung mit Lepsiuszu Wagner, bei dem wirdieZeit bis 5 Uhr, wo beide wiederzumPrinzen beschieden waren, recht hübsch verplauderten; interressantes Zwischenspiel daselbst mit dem Italiener, der die Copie eines Papyrus als ächten Papyrus vorzeigteunddamit sehr gehänselt wurde. Um 5 Uhr wollte ich Kochbesuchen, begegnete ihm aber aufderStraßeundbesuchte dann mit ihm den neuen Gasthof, welcher von Coulombgebaut wird,unddessen fertigen Theil der Prinz jetzt bewohnt. Dann ging ich nachdemGasthof, wo mich Frankenoch besuchteund untereinerMenge von Engländern, die aus Suezgekommen waren, mein Mittagbrod. Dann Visite bei Dr. Pruner, wo ich Kochundnoch 2 andre Herren fand; um 10 Uhr zu Hause, wo Wagnerund Lepsiusschon zu Bette sind. Lepsiusberedet mich[,] noch nachdemPlatz Esbekiehzu gehen, um dort die Derwische zu sehen, die morgenoderübermorgen den Scherifvon Mekkaüber ihre Laiber fortgehen lassen. Indessen sehe ich nichts recht be185 sondres; beidemerleuchteten großen Zelte war eine GruppevonMännern, von anderen umstanden, welche den Takt mit Händen schlagendundVerbeugungen des Körpers machend, fortwährend den Namen Allahs herausstießen. - Ich drückte mich bald wieder, weil ich Furcht hatte, mich unter diese fanatische Menge zu mischen. - Lange konnte ich wegen des unsinnigen Lärmens aufderStraße nicht einschlafen.

Freitagden7ten April 1843. Die Esel waren vor 6 Uhr bestellt, denn um 6 Uhr sollten wir bei dem Prinzen sein. Es wurdeeinkleinwenig später,undda wir am Gasthof ankamen, kamderPrinz uns bereits mitseinerSuite entgegen, flüchtig wurde ich ihm vorgestellt,underst aufdemWege kam ich mit ihm ineinlängeres Gespräch. Er erinnerte sich, daß Bernhardihm einmal ein sehr gutes Mittel für eine Quetschung seines Fußes gegeben, wir kamen auf Müller, Eichhornund Sackunder behauptete, in meiner Sprache gleich sehr viel Sacksches gefunden zu haben. So unterhielt ich mich mit ihm durch die herrlichen Gartenanlagen fast bis nach Alt-Cairo. Wir genossen des herrlichsten Morgens; der Prinz war sehr liebenswürdig sans gène; seiner Begleitung, der Majorvon Claire,derLieutnant Reclam, der Sekretär Ströhmer, wurde ich vorgestellt; Reclamkannte ich schon als Schulgenossenvon Hartung’s her; Clairehatte Bernhardin Pariskennen gelerntund Strömerhatte ebenfalls Bernhardzum Arzt,undso war ich gleich mit Allen bekanntundbefreundet; 2 Dienerund1 Koch des Prinzen folgten außerdem, so wieeinkleiner schwarzer Nubischer Junge, den der Prinz von einem Gouverneur oberhalb zum Geschenk erhalten hatte. - Wagnerund2 Kavasse nebst unserm Diener Eugenmachten den Rest der Gesellschaft. In Alt-Cairoward übergesetztunddann mit gro186 ßer Schnelligkeit nach Ghizegeritten, Alle zu Esel, wie der Prinz hier immer ritt; er hatteeinengrauen Filzhut mit breiter Krempe, blaue halbtürkischeJacke, blau gestreiftoderkarirte HosenundSchawl um,undmachte sich so recht hübsch. Alle Andern waren ähnlich, sommerlich leicht gekleidet. In Ghizewardsogleichaufdie großePyramidegestiegenunddann in dieselbe hineingekrochen; im Innern "Heil Dir im Siegerkranz" pp. gesungen,unddann brachte LepsiusdieGesundheit des PrinzenundKönigs aus, was dem Prinzen nicht ganz gefiel, da er selbst die des Königs hatte ausbringen wollen, was er auch thatunddas alte Gebäude halltevonunserm Jubelgeschrei wieder. - Wieder andasTageslicht gelangt, ward vor dem Eingange in diePyramideSetzeierundRührei mit Butter, BrodundWein verzehrt, was vom Koch (einem Sohnvon Hauptner) sehr gut zubereitet war. Dann machten wir zu Esel die Runde überdasPlateau, besahen das bunte Merhet Grab, wo ein eindringlicher Engländervon Lepsiushinausgewiesen wurde, gingen um die 2tePyramideden Weg vor der dritten hinab zur Sphinx, wo ich mit Rührung unsern alten Lagerplatz besah, fürdenPrinzendieLänge der Sphinxabschritt,undwo wir vonderhalbenGesellschaftAbschied nahmen, die nach Cairozurückkehrte, so daß wir noch aus dem Prinzen, Reclamundden 2 Dienern des Prinzen bestanden, die wir dann ohne Aufenthalt nach Saccaraaufbrachen, wo wir bei großer Hitze etwa um 2 Uhr anlangten. Die einzelnen Glieder derGesellschaftwurden dem Prinzen vorgestelltundin unsrem Eßzelte ward WeinundWasser genommen,einePfeife geraucht,undder Prinz war außerordentlich freundlichundliebenswürdig im Gespräch; es kam mir romanhaft vor, mit einem Prinzen so engundfamiliär an einer Tafel zu sitzen[,] zu plaudernundzu rauchen; Alles im Lager war übrigens in hübsche Ordnung gebrachtundmachte187 aufdenPrinzen einen sehr freundlichen Eindruck. Nach ¾ Stunden etwa trieb Lepsius, aufdasPlateau zu gehen, wohin wir zu Esel aufbrachen; ich mit, daskleineGrabzwischenden 2großenPyramidenward besehenunddann der Weg nach Mitrahinneund Bedraschinangetreten, woderPrinz aufeinerBarke nach Cairozurückfahren wollte. Ich beurlaubte mich vorherundwurde sehr gnädigundartig entlassen; Lepsiusging wieder mit ihm nach Cairozurück. Freyzeichnete noch schnelldieFigur des Prinzen für Reclam, der ihn darum bat; ich fand Freynoch keineswegs wohl; er hatte etwas Fieberundwollte morgen nach Cairo, wohin ihn Wildeingeladen; auch um PrunerüberseineGesundheit zu fragen. - Abeken, der sich dem Prinzen nicht präsentieren ließ, war in vergangner Nacht äußerst frech bestohlen worden, namentlich seine in Caironeu eingekauften Sachen, an Werth wohl 2 ½ 000 Piaster; diese fatale Geschichte ließ ihn daran denken, auch morgen wegen Rücksprache mit dem Consulunddem Mudir nach Cairozurückzukehren. Unsre 4 Wächter waren eingesteckt, der Eine davon ausgekratzt; 3 Ausgräber waren an ihre Stelle getreten.

Sonnabendden8ten April 1843. Abekenund Freymachen sich heut früh nach Cairoauf; Wildwar schon gestern wieder hineingegangen. Ich gehe um 8 Uhr etwa nach Daschur, um meinen Plan zu fördern; es ist sehr heiß; nach Sonnenuntergang zurückundnach dem Abendessen bald zu Bett. -

Sonntagden9ten April 1843. Morgens 10° Wärme, um Mittag 22°; der Himmel den halben Tag bewölkt, windig. - Ich verbummle den Tag ein wenig. Wir lesenzusammeninderBibel, dann wiegewöhnlichDejeuner; nachher geschlafen, dann Schach mit Max, Caffee bei Bonomigetrunken,unddann Tagebuch geschrieben, was188 seit meiner Abreise nach Cairovernachläßigt war; der Abend schönundwindstill; morgen soll es wieder nach Daschurgehen. -

Montagden10ten April 1843. Die vergangene Nacht war eine der traurigsten unsrer Reise. Bis 12 Uhr konnte ichwegender jetzt wieder überhand nehmenden Flöhe nicht schlafen; sie peinigten mich so, daß ich mir wieder Licht anmachenundeine halbe Stunde lang suchenundtödten mußte. Aber auch nachher konnte ich nicht recht einschlafenundes mochte etwa 1oder1 ½ Uhr sein, als ich in Halbschlummer versank. Nach 2 Uhr hörte ich das Trampeln von vielen Schritten an unsrem Eßzelte; ich glaubte[,] es seien unsre Thiere, die losgemachtundvielleicht gestohlen würden. Die Sache wurde aber ärgerundich rief das Wort: ause (was willst du) aus; zugleich wollte ich Frankewecken; in diesem Augenblick fiel dicht vor dem Zelte Schuß auf Schuß; die Stricke des Zeltes wurden zerrissen[und] das Zelt fiel über uns zusammen; es war ein fürchterlicher Moment; etwa 5 mal wurde geschossen, ohne daß Einervonuns, wie ich sehen mochte, getroffen war. Der Mond war untergegangenunddie Nacht war sehr finster. Meine mechanische Bewegung zuerst war nach der Flinte gewesen, die am Zeltstock seit des Prinzen Besuch leider nur zu fest gebunden waren; es war unmöglich,dieFlinte loszubekommen; an meine Pistolen dachte ich im Augenblick nicht; nach der ersten Salve sprang ichvomLager auf, arbeitete mich durch das umgestürzte Zeltundrannte draußten im Hemd umher; ich war eigentlich rathlos; aber eine Decke oder sonst etwas mußte ich umwerfern; als weiße Gestalt war ich jedem Angriff bloßge189[stellt]. Ich eilte also zum Lager zurückundsuchte eine von meinen Decken hervorzuziehen; auch dieß war unmöglichundwährend ich unter dem Zelt kauerte, wurden wiederum 5 - 6 Schüsse auf uns abgefeuert,undich glaubte inderThat, es sei keine Rettung mehr für mich. Dazu hatte ich vorher Ernststehen, dann aber stöhnend niederfallen sehen; auf meiner rechten Seite konnte ich nicht hervor, denn dort stand ein Kerl, der fortwährend zu den Andern sagte: ottrup! ottrup (schießt, schießt!); ich hob also mit möglichster Gewalt hinter mir die Zeltstäbe, welch mittelst Pflöcken inderErde befestigt waren, hoch, ergriff eine Decke des Bettesvon Freyundstand nun außerhalb; während ich dieß bewerkstelligte, hatte aber auchderFeind seinen Rückzug angetreten, doch nicht ohne den großen Koffer mit Frey’s Sachen,undsämtlicheSachen von Ernstmit fortzunehmen, auch mehreres von Franke; die meinigen waren durchdaseingestürzte Zeltunddas darüber gefallene Kafaß, was mir zur rechten Seite steht, gedeckt gewesenundich vermißte glücklicherweise nichts. - Nachdem die Affaire vorüber, waren einige lächerliche Punkte, so: Franke, den ich vermißteundoftseinenNamen nannte, worauf er dann (der Einzige, der seine Doppelflinte zur Handundschußfertig hatte, aber dennoch nicht schoß) oben aufdemPlateau erschien, wohin er behauptete, welchevonden Kerlen verfolgt zu haben.Zugleicherschien Bonomimit gezogenem Säbel, Feinde suchend, die nicht mehr vorhanden waren; auch Maxkam ausseinemZelte, fragend[,] was denn eigentlich los wäre. - Ich begann nun erst, mich ordentlich anzuziehen, denn an ein Zubettgehen war natürlich nicht mehr zu denken; die Waffen wurden jetzt zurecht gemachtundich dachte andasKindundden zugedeckten Brunnen: Ich fror sehrundlegte mich in Frey’s Decken gehüllt ein wenig in Bonomi’s Zelt nieder, was mir sehr wohl that; auch bestellte ich für uns Alle etwas Caffee. 190Nach dem ersten Grauen des Tages hielt ich es nun für das Beste, selbst nach Cairozu reiten[,] um Wagnerund Lepsiusvondiesem zweiten erschwerten Diebstahl in Kenntniß zu setzen. Mit dem Diener Mohammetel Berberinritt ich aus,undkam in etwa 4 Stunden sehr ermüdetundabgespannt vordemHausevon Wagneran, wo ich glücklicherweise Lepsiusfand, der dann gleich mit Wagnerzum Gouverneurvon Cairo, Scherif Pascha[,] gehen,undmit diesem Rücksprache nehmen wollte. - Ich ging unterdessen indenGasthof[,] wo ich etwas zu essen zu mir nahm. Hierhin kam Lepsiusbald nachundsagte mir, ich möchte nachher zum Prinzen mit ihm kommen, der die Geschichtevonmir selbst hören wollte. Zu dem Ende mußte ich zu Lieder[,] um mich umzuziehen; hier war der Prinz[ gewesen],undich fand die Damen, besonders die FresnelundMademoiselle Louisganz begeistertvonseinerLiebenswürdigkeit; nachher Besuch in Wilds Wohnung, den ich sowie Freynicht fand; dann indenGasthof zurück, wo ich Lepsiuserwartete, um mit ihm zum Prinzen zu gehen; doch kam er nicht, dagegen Abeken, mit dem ich mich lange unterhielt; dann ward ichvon EugenzumPrinzen gerufen; ich fand Soliman Paschadort; sprach erst mitdemMajor vonClaireund Reclam, dann noch einige Minuten mitdemPrinzen. Nun verabschiedete ich mich mit Lepsiusunwir gingen, uns Beide zur Rückreisenach Saccarazu rüsten. - Auch Freyhatte die Sache indessen erfahrenundwar bereit, mit uns zu gehen; so brachen wir dannvon Wagner’s Wohnung etwa um ½ 4 Uhr mit einem Cavaß des Gouvernementsundeinem Soldaten des Mudirvon Ghize[auf]. Nach starkem Ritt kamen wir etwa um ½ 8 Uhr im Lager an, wo wir die Freunde wachsamundgerüstet fanden. Ich war am Abend erstaunlich müdeundschlief auch trotzderFlöhe inderNacht leidlich. Wir haben nun 6 Wächter inderNacht, die umdasLager umher vertheilt werden. 191

Dienstagden11ten April 1843. Der heutige Vormittag ward damit zugebracht, meine Sachenzusammenzu suchenundalles im Zelte auf gewohnte Weise einzurichten; am Nachmittag arbeitete ich an meiner Karte; von Seite des Mudir geschah heut in unsrer Angelegenheit noch nichts; am Abend wurden unsre Waffen probirt, in Ordnung gebrachtundzurecht gelegt; es ward für künftige ähnliche Überfälle einZusammenkunftsortfür uns Alle bestimmt, auch übernimmtvonnun an immer EinervonunsdasGeschäft, inderNacht aufzustehen,unddieWachsamkeit der Wächter zu revidiren.

Mittwochden12ten April 1843. Ich gehe am Morgen mit OmarnachdemPlateauvon Daschur, wo ich den Tag hindurch ungestört meine Arbeit anderCarte fortsetze. Auf dem Rückwege erfuhren wir, der Mudir seibeiunsrem Lager angekommen,undallen Scheiks seien Prügel ausgetheilt worden; nun ging es möglichst schnell zu Hauseundich fand dort die aufdieFußsohlen geprügelten Männer umherliegendundihre Pfeifen rauchend. Es war an dem Tag eine große Execution gewesen, die Scheiksvon Abusirund Saccara, 2 Wächterund3 Leutevon Abusirwaren geprügelt worden, ohne daß Einer etwas gestanden hätte. Gehen konnte Keiner; sie krochen umheroderließen sich gar tragen, denn besonders die von Abusirwaren erschrecklich geschlagen. Alle blieben währendderNacht bei uns;dasZelt des Mudir war unten aufgeschlagen, auch ein Beduinenzelt, welche zum Wachehalten herbeigeholt waren. - Einige Zeichnungenvon Freyundmir waren[,] als im Felde gefunden[,] herbeigeschafft worden. Es mußten heutvonunseinegroße Menge Menschen beköstigt werden, denn da warderOberschechvon Mitrahenne, der Schech von Kafr el Batran, ein Soldat, dervon Scherif Paschagestellt war, um zu sehen, ob auch Alles mögliche Rechtens geschehe,undnoch viele andre Menschen. Der Mudir blieb die Nacht bei uns,undes hieß,dasPrügeln sollte am andren Morgen fortgehen. Wir aßen heut Abend in192 Bonomi’s[ Zelt], da das Eßzelt zur Disposition des Mudirs gestellt war. Am Abend machte Lepsiusnoch ein Verzeichniß der gestohlenen Sachen, weil die Schechs sich bereit erklärt hatten, den Werth der Sachen in Geld zu ersetzen,und Lepsiusdieß eingegangen war. -

Donnerstagden13ten April 1843. Die Exekution ward heut nicht fortgesetzt; der Mudir war erkranktunddie Scheiks wollen morgendasGeld herbeischaffen (11000 Piaster). Der Dollmetscher des Mudir, einitalienischerKaufmann aus Ghizeward zu dem Ende hier gelassen, umdasGeld beizutreiben; der Mudir zog ab. Ich ging schonziemlichfrüh mit einem unsrer Wächter nach Daschur, brachte einen höchst einsamenundsandwindigen Tag inderWüste zu,undkehrte vor Tagesende zurück. - Lepsiushat heutedieÜberfallgeschichteandenMinister geschrieben,undderBrief ist noch heut abgegangen. -

Freitagden14ten April 1843. Charfreitag. Das Wetter wie gestern erstaunlich sandwindig, Wind aus Nord. Ich vervollständige heut VormittagmeinTagebuch, dann halten wir Morgenandacht, Frühstückundnachher mache ich ein Schläfchen; am Nachmittag ziehe ich an meiner Karte aus. Heut solldasGeld gezahlt werden, doch scheint es[,] besondersvon Abusir[,] nicht leicht beizutreiben. - In der That hatderSchechvon Saccara, der ungerechter Weise ¾ des Geldes zu zahlen hat, es schon gebracht, während Abusirausbleibtund Lepsiussich bereit macht, morgen früh nach Cairozu gehen, um abermals den Mudir hinzuzuziehen. Der Schechvon Saccaraschläft heut bei uns mit noch 6-8 Wächtern, um uns noch größere Sicherheit zu gewähren.

Sonnabendden15ten April 1843. Es ist heutderseeligen JulieTodestagundich feire ihn still inderWüste auf der Spitze der großenPyramidevon Daschur. Der Tag wieder sehr einsamundermüdend, doch rücke ich mitderCharte wieder ein Stück weiterunddenke in höchstens 2 Tagen sie zu vollenden. - Lepsiusund Freymit Eugenund Hauad193sind heut nach Cairoin Geschäften, vorzüglich auch, um noch Waffen zu kaufen, sie werden wohl erst morgen Abend zurückkehren. Der Scheikvon Abusirhat, noch ehe Lepsiusheut früh aufbrach,dasGeld gebracht. Dem Saccaraer ist bereits ¼ des seinigen zurückgegeben. Auch heut Abend schlief der Letztere mitseinenLeuten bei uns, die bis spät indieNacht hinein einförmig sangen[,] sprachenundlachten.

Sonntagden16ten April 1843. Erster Osterfeiertag. Der Wind, der gestern mit der Heftigkeit der früheren Tage angehalten hatte, sprang heute nach Westen um,undverschaffte uns einen sehr heißen Tag. Um 3 Uhr Nachmittag hatten wir im Freien 27 ½ °, in unsrem Zelte aber 33° Hitze; ich bin heut ziemlich müdeundschlafsüchtigundhabesowohlvor der Morgenandacht, als wie nach unserm Dejeuner, wodasGericht aus Schokolade bestand, ein Schläfchen gemacht. - In unserm halb offenen Eßzelt sitze ich jetzt bei lauem Nordwestwindeundschreibe mein Tagebuch; der Himmel ist klarundschön, derpreußischeAdler flattert vor mir im Winde. Ernst, der immer noch nicht ganz wohl ist, schläft vor seinem Zelte, will nun aber zu Frankegehen, der unten am See angelt. Bonomiund Maxsind zu Dromedare ( Maxhat das gestern gekauftevon Abeken(11000 Piaster)) ausgeritten,undso bin ich mit Abekenallein im Lager. - Ich zeichne heut noch an meiner Carte bis die Andern zurückkommen; wir essen heut ein Osterlamm, das auf patriarchalische Weise ungetheiltvonKopf bis zum Schwanz zuvor an einem Stock am Feuer gebraten, aufdenTisch kommt,undsehr wohlschmeckend ist, Abekengibt dazueineFlasche schönen Rheinweinsundwir trinken damit aufdasWohlsein Lepsiusundall der Unsrigen. Um ½ 9 Uhr kehrt Lepsiusund Freyfast unverhoffter Weise noch aus Cairozurück;undso sind wir bis auf Wildwieder alle beisammen. -

Montagden17ten April 1843. Ich hatte vor, heut Briefe zu schreiben, aber ich war abgespanntundmüdeundbin nicht dazu gekommen. Nach unsrer AndachtundDejeuner194 machte ich wieder ein Schläfchenundging dann an das Wasser hinunter, wo ich mit Frankeeine Zeit lang angelte. Ernstund Maxkamen dazu; mit Ersterem ging ich zudenZelten zurück. Es sieht in unsrem Lager jetzt nicht ganz erfreulich aus: Freyhat heut wieder Fieberanfallund Lepsiusdesgleichen; auch Ernstist noch keineswegs hergestellt,undso ist es mir lieb, daßderScheichvon SaccaraoderseinBruder allabendlich mit Dorfbedeckung zu uns kommen,undso uns ungestörten Schlaf sichern. Ich bin neugierig, ob wir Ende dieser Woche aus diesem fatalen Felsenneste abziehen werden, was mir je länger, je mehr zum Ekel wird. - Heut Abend unterhalte ich mich mit neu angekommenen Zeitungen. Der Wind hat sich wieder gegen Nordost gewandtundbläst auf das HeftigsteundUnangenehmste; wann wird eine gleichmäßige schöne Witterung[eintreten]Dabei ist das Getreide im Felde schon geärndtet,unddie Stoppeln machen die Ebne nicht schöner. Gurken werden jetzt in reichlicher Menge aufdenFeldern gewonnen (Chear) -

Dienstagden18ten April 1843. Meine Absicht, nach Daschurzu gehen, um meine Karte fortzusetzen, wird durch den heftigsten Nordostwind vereitelt, dervonMorgen bis Abend andauertundWolken SandesundStaubes durch alle RitzenundPoren unsres Zeltes treibt; MattigkeitundBenommenheit istbeiAllen vorhanden; Lepsiusund Freysind so unwohlundkrank wie gestern, Freischlimmer; er scheint inderThatdasFieber zu haben. Ich setze die Bleizeichnung meiner Karte in Tusche,undbin der Einzige, der arbeitet. - Am Nachmittage werde ich durch einen BriefvonBruder Heinrichhöchlichst erfreut, um so mehr, da er mir noch Andre baldigst nachfolgend verspricht; Luises glückliche Niederkunft hat mich mit großem DankundFreude erfüllt. - MorgenundAbend waren heut kühlundunbehaglich. -195

Mittwochden19ten April 1843. Mit Omarundeinem unsrer Wächter, Abd el Wahatreite ich heut auf Bonomi’s Kameel nach der Knickpyramidevon Daschur, wo ich den ganzen, ziemlich heißen Tag mit Aufnahme des umliegenden Terrains hinbringe; erst nach Sonnenuntergang komme ich höchlichst ermüdet heim. Lepsiussowohl wie Freyfinde ich fortdauernd krank; Ersterer ist so nervös aufgeregt, daß ich ein Nervenfieber fürchte; Letzterer hat, wie es scheint, Wechselfieber; Beide sehen sehr elend aus,undwerdenwahrscheinlichmorgen nach Cairogehen, um sich unter Pruners Leitung herstellen zu lassen. So freilich schiebt sich unser Aufenthalt hier wieder ins Ungewisse hinaus; aber es geht leider nicht anders. Um Mittag haben wir 27° Hitze.

Donnerstagden20ten April. Es kostet Überredung von unsrer Seite, Lepsiuswie Freydazu zu vermögen, nach Cairozu gehen; endlich willigen sie einundmachen mit Eugenund Hassangegen 10 Uhr fort; ich gehe heut nicht nach Daschur,sondernwill Morgen den Plan beendigen. Mit Abekenund Bonomigehe ich aufdasPlateau, wo in unsrer Gegenwartvon Massara’s Leuteneinroher steinerner Sarkophag in einem Brunnen geöffnet wird, es ist eine schöngewickelte[,] aber gänzlich verkohlte Mumie darin[,] scheinbar ausrömischerZeit ohneirgendwelchenSchmuck oder Merkwürdigkeit. - Am Mittag halte ich ein Schläfchenundarbeite nachher noch etwas an meiner Karte. Der Tag ist heiß aber schön. Abends um 9 Uhr kommt regelmäßigderSchechodersein Bruder mit seinen Leuten zur Wache.

Freitagden21ten April 1843. MitdemDiener OmarunddemWächter Abd el Wahatmache ich heut zu Esel wieder nachdemTerrainvon Daschur, wo ich den letzten Theil dieses großenundermüdenden Plateaus aufnehme. Schon bei guter Zeit werde ich fertig,undkomme etwa um196 ½ 4 Uhr zu Hause, wo grade Bonomiund Abeken, die mich abholen wollten, aufbrechen. Ich benütze die übrige Zeit des Tages, um einen kurzen Brief an Heinrichzu schreiben, der morgen mit Alian Lepsiusnach Cairogeschickt werden soll, um ihnvondort nach Europazu befördern. - Es ist heut schönes warmes aber doch luftiges Wetter. - Interressant aufdenFeldern ist jetzt die junge Heuschreckenbrut, welche in ungeheurer Anzahl ausgekommen ist,undtheilweise den Erdboden schwarz färbt. - Das AnbietenvonGurken andieFremden scheint hier eine Art Mode zu sein,undgefällt mir gar wohl. -

Sonnabendden22ten April 1843. Ich befördere heut früh die Briefe durch Aliund Ibrahiman Lepsiusnach Cairo, von wo außerdem noch eine Menge Sachen einzukaufenundmitzubringen sind. Dann begebe ich mich auf das Plateau, um ein unlängst aufgefundenes Grab auszumessen, in welchem Maxund Ernstzeichnen. Bonomiist nach Mitrahennezur ZeichnungundAusmessung des Colossesdaselbst. - Vom Grabe um 12 Uhr mit Ernstund Maxnach Hause[,] wo gefrühstücktunddann wieder geschlafen wird. Ich arbeite heut nicht mehr,sondernpflege der Faulheit. Das Wetter ist heut trefflich; die Sonne zwar heiß, die Luft aber nur 22°[. ]Köstlicher Abend; wir essen bei halb weggenommenem Zelte. - Nach Tische wird auf Bonomi’s Teppich, auf dem Abeken(der jetzt ganz türkisch gekleidet ist)[,] Bonomiundich lagern, Caffee getrunkenundunser Pfeifchen geraucht. -

Sonntagden23ten April 1843. Ich kämpfte heut mit großer Müdigkeit, weil ich die letzte Nacht des Lärmens unsrer Schechwärter wegen sehr wenig geschlafen hatte. Das nun holte ich heute nach; - so schlief ich denn vor der Morgenandachtundnach unserm Déjeuner, was mich aber für den Tag nicht muntrer aber träger machte. Ich will197 eigentlich Briefschreiben; aber dazu kam ich nicht. Um 4 UhrNachmittagsetwa machten wir Alle, Abeken, Bonomi[,] Maxund Ernstundich, ausgenommen Franke, der fischen ging, eine Parthie nach dem Koloßvon Mitrahenne, wo im Grase unter den Palmen Caffee gekochtundauf ausgebreitetem Teppich Pfeifen geraucht wurden, die mitgenommen waren. Es war recht schönundländlich; wir erinnerten uns solcher Parthien in Deutschland; Abekenlas aus Homers Odyssee vor,undso blieben wir traulich zusammen, bis die untergehende Sonne zum Rückzuge trieb; fast im Dunkeln kamen wir andenZelten an. Ali, der nach Cairogeschickt, war bereits zurück,undbrachte mir ineinemBriefevon LepsiusdieNachricht, daß der arme Freyam FieberundkleinenGeschwüren im Munde recht leidend, auch Lepsiusnoch an fieberhaftem ZustandeundKopfschmerz krank sei. -

Montag,den24ten April 1843. Heut früh schickte ich mitdemEselstreiber, den Aligestern mitgebracht, ein Briefchen an Lepsius; dann arbeite ich den ganzen Tag über an meiner Karte; am Vormittag nehme ich mit Abeken’s Instrument die Sonnenhöhe, doch kommen wir beiderNachmittagsbeobachtungzu spät, so daß wir morgen die Operation wiederholen müssen. Das Wetter ist heut leidlich (24½°), bis auf die heftigen Sandwindstöße aus Südwest, die nur zu viel Staub in meinen Mantelsack schütten. -

Dienstagden25ten April 1843. Ich beendige heut meinen Plan der Pyramidenfelder von Abusir, Sakkaraund Daschur. Ferner bestimme ich mit Abekenden MeridianunddiewestlicheAbweichung der Magnetnadel, die sich auf - 10° etwa beläuft. Ein Briefvon Lepsiusaus Cairo198bringt Briefe für Weidenbach’s[,] Bonomiund Frankeaus Europa, außerdem aber die Nachricht, daß zwar FreyinderBesserung, dagegen aber Lepsiusstarkes Fieberundbedenkliche Kopfschmerzen hat; ich antworte ihm auf seinen Brief einige Zeilen. - Mohammetist heut mit meiner Erlaubniß nachseinemDorfe gegangenundwird morgen hierher zurückkehren. Das Wetter ist am Morgen bewölkt, der Tag aber schön, ohne heiß zu sein; wir haben um Mittag nur 21 ° Wärme.

Mittwochden26ten April 1843. Heut Vormittag bin ich noch mit der großen eben vollendeten Karte beschäftigt, die ich in geregelterer Form ergänzeundzusammenklebe. Bonomisitzt dabei in meinem Zelte,undwir unterhalten uns bestens. Aus meinem Mittagsschläfchen weckt mich angenehmer Weise eine Botschaftvon Lepsius, die mir nicht allein über seinund Frey’s befinden bessere Nachricht, sondern auch liebe Briefe vonderMutter, Bernhardund Riechersbringt, deren wiederholte Lesung mir dann den übrigen Tag wegnimmt. An Lepsiusschreibe ich ein Briefchen zurück. Gott sei es gedankt, daß sich zu Hause Alle in erwünschtem Wohlsein befinden; Bernhard’s Brief meldet dieglücklicheEntbindung der lieben Luise. Alles, Alles Erfahrne war für michvongrößtem Interresse. Es war heut ein sehr warmer Tag, 27° um 11 Uhr Vormittagsundnach Sonnenuntergang noch 21°. AuchderAbend (10 Uhr) ist sehr warm[,] man kann sagen, schwülundich fürchteeinGewitter. Um ½ 7 Uhr geht jetzt hierdieSonne unter, also um ½ 6 Uhr auf. -199

Donnerstagden27ten April 1843. Der Morgen vollkommen bewölktundtrüb; sogar am Vormittag Regentropfen; gegen 11 Uhr beginnt heftiger Sandnordwind, der sehr unangenehmerweise den ganzen Tag fortdauert; nur einmal etwa auf 10MinutenistdieSonne zu sehen. Wir haben heut Mittag 25°. Früh Morgens gehe ich mit Abeken, Bonomi, Maxundbestellten Ausgräbern umher, um Letztere aufdemPlateau zur AufsuchungvonThiermumien anzustellen. Mit Bonomiund Abekenbesuche ich dann das zuletzt aufgenommene Grab, dann gehen wir zur großenPyramide, wo ich deren AbweichungvomwahrenNord sowie die Steinschichten mit Abekens Hülfe untersuche. Sehr ermüdet um 12 Uhr nach Hause. Nachmittag kommt abermalseinBotevon Lepsiusmit Brief, der zwar fortschreitende Besserung der Beiden ankündigt, aberzugleichnoch eine 8 - 10tägige Abwesenheit derselben ankündigt; auch istderBrief voll von dummen Streichen des Eugène. Ich schreibe eine Antwort,undverbringe den übrigen Tag meist im Gespräch mit Bonomi. Abends Zeitungen gelesen, mit denen ich noch sehr im Rückstand bin. -

Freitagden28ten April 1843. Heut Vormittag setze ich meine Messungen mit Abekenan der großenPyramidefort; gegen 12 Uhr gelangen wir damit zu Stande. Das Wetter ist heut trefflich; ein kühler Nordwind mindert die Wärme, so daß wir bei völlig klarem Himmel nur 23° Wärme haben. AufdemGipfel derPyramidemich sehr gut mit Abekenunterhalten. Gegen 12 Uhr nachdenZelten zurück. Ich habe schon seit gestern[und] vorgestern einen verstockten200 Kopfschmerz[und] Druck aufdieAugen, der mich heut, obwohl ich die vergangene Nacht sehr gut geschlafen, nicht verlassen hat; auchmeinMagen ist in sofern nicht in Ordnung, als ich nach jedem Essen mich gleich vollundbeinah etwas übel fühle. Gegen Abend mache ich mit Bonomieinen Besuch in Sakkara; doch finden wirdenScheich nicht vor, nurseinenBruderundder Besuch selbst war höchst langweilig. Der Weg aber hinundzurück sehr schön; aufdemRückwege maßen wir den Schrittvon Bonomi’s Kameel, es machte 390 Schritte à 1,08 m im Mittel binnen 5 Minuten. - Ich habe für Morgen Esel zueinerExpedition nach Thurabestellt, doch sind von 4 Stück bis jetzt nur 2 gekommen,undwenn ich mich auch morgen nicht ganz wohl fühle, werden wirentwederdieParthie aufgebenoderich bleibe hier. - Ich ertheile heut andenkleinen HauadeineBastonade.

Sonnabendden29ten April 1843. Es fehlen heut früh die gehörige Menge Esel,undich fühle mich so wenig wohl, daß ich die Parthie nach Thuraaufgebe,unddie Andern wollen sie nicht allein machen. - Ich schreibe heut einen Brief an Nietz, dem ich zu seinem Bau-Inspektoriat gratulire. Am Nachmittage fange ich nocheinenBrief an Berelardan, aber ich bin zu zerschlagenundabgespannt,undmuß es bald lassen. Es ist ein heißer Tag, besonders im Zelte, draußen 25°, im Zelte gewiß gegen 30°. Am Abend kommt MohammetelBerberiaus Cairozurück,undzwar krank. Er bringteinenBriefvon Lepsius, der sammt FreyinderBesserung fortschreitet, doch noch sehr schwach ist. Ferner will er manche Aufschlüsse überdie großePyramidehieselbst. 201Am Abend trinke ich Fliederthee, um zu schwitzen, was aber nur halb gelingt, da es zu wenig ist. -

Sonntagden30ten April 1843. MitmeinerGesundheit geht es, wenn nicht besser, doch auch nicht schlimmer. Die ZerschlagenheitundBenommenheit ist ziemlich dieselbe; ich habe beinah bis zur Morgenandacht aneinemBriefe an Lepsiuszu schreiben, den ich dann durch Omarsammt meinen Plänenundseinem Reißzeug nach Cairobefördere. - Der alte Mashara mit einigen Franzosen kommt heute zueinemBesuch; Bonominimmt ihn an; sie verzehren ihr mitgebrachtes Frühstück in unserm Eßzelte. AufdenNachmittag haben wir wie am vergangenen Sonntag eine Kaffeeparthie beschlossenundzwar nachdemDorfe Schim Bab, wo der interressante Baum mitdemSanton ist, den Frey, Ernstundich vormals gezeichnet. Der Tag war sehr schön, nur einige 20° Wärme; der Weg ging über SakkaradurchdenPalmenwald, dann auf die Ebne zu, die zum Theil gelb von vollkommen reifem Weizen glänzte. Große Melonenodervielmehr Kürbisse liegenzwischengrünen Blättern aufdemschwarzen Boden; aber an diesen jungen Pflanzen hat die junge Brut der Heuschrecken, die jetzt heranwächst in ungeheurer Anzahl, große Verwüstungen angerichtet, so an den Bamien, Gurken, besonders aber am Durrha(türkischerWeizen). - Interressant war mir auch die Art des Zermalmens des Bohnenstrohs, woraus dann dersogenannteTibben wird; Schlittenzwischenderen Schleifhölzern 3 Walzen, jede mit 4[eisernen]Scheiben (etwa 8[Fuß]Durchmesser), die unzehig gestellt sind, versehen, zerbrechen das untergelegte Stroh, ohne daß die dazwischen fallenden Bohnen verletzt werden. Die Schlitten,vonMenschen belastet, die sehr bequem aufderBank oben sitzen, werdenvonOchsen gezogen. 202Wir hatten unter heitren Gesprächen den Weg bis zum Dorfe Schimbabfortgesetzt, da geschah es, daß Abekens Kameel, was leider, wie es scheint, stark blind ist, über einen Palmstamm stolperte, auf die Vorderfüße stürzte,und Abekenvornüber herabwarf; er fiel auf beide Ellenbogen, ich, dicht bei ihm, sprangvomEsel, hob ihn aufundführte den, seinen Arm gebrochen glaubenden unterdenSchatten des Santons am Brunnen. Aufseinenausgebreiteten TeppichundBärenfell ließ ich ihn nieder,undnun zeigte es sich, daß zwar kein Bruch aber eine Ausrenkung des Ellenbogens stattgefunden. Glücklicherweise fand sich im DorfeinMann, derdenArm einzurenken verstand, denn Bonomi, von Massara’s Fremden aufgehalten, war leider nicht mit uns gekommen.DerAraber verstand indeßseineSache recht gut; er renkte ihn ein, machteeinenUmschlagvonheißer Butterundso, freilich nicht ohne große Schmerzen, war doch Abekens Lage erträglich. Kaffee ward gekocht, die Schechs des Dorfes kamen hinzuundbewirtheten uns,undwir sie mit Kaffee, auch setzten sie uns Datteln in Zucker vor, die trefflich süß schmeckten; wir lasen einige schöne Gedichtevon Göthe,undließen es uns nachdemSchreck noch recht wohl sein. Die Luft war trefflich,derBlick aufdas Mokattamgebirge, die ganze Umgebung sehr malerisch. Zu guterletzt kam noch Bonomi, der dann große Augen machte. Bald nachseinerAnkunft brachen wir auf; ich setzte mich aufdasblinde Thierundmit Vorsicht gelangten wirzuHause im Dunkeln an, wo dann Bonomisogleich mit Wichtigkeit untersuchte, obeinKnochen gebrochen sei. - Ich war bei meinem bisherigen Unwohlsein durchdenganzen Tag sehr angegriffenundsuchte mich wieder durch Fliederthee zum Schwitzen zu bringen. - Das war der Geburtstag desseeligen Ludwig. 203

Montagden1ten Mai 1843. Der Patient AbekenhattedieNacht nicht geschlafenundklagt natürlich noch über Schmerzen im Arm, den ihm Bonomisorgfältig verbindet. Ich gehe heut mit Maxindie großePyramide, wo ich die Abweichung der Kammerseiten, nachher auch die der glatten eingebauten Wände[ untersuche]. Gegen 10 Uhr kommen wir zurück. Nachmittags schreibe ich an Bernhard; am Abend dies Tagebuch. Der Tag ist herrlich kühlundschön, 23°. - Am Abend kommt Omaraus Cairo; mit Lepsiusgeht es viel besser, aber Prunerhält ihn noch diese Woche zurück; auch Freyist aufdemWegederBesserung. Prächtige Beleuchtung des Mokattams bei Sonnenuntergang wieder beobachtet. - Morgen will ich nach Mitrahenne. - MitmeinerGesundheit geht es GottseiDank besser,undich kann mich heut fast ganz wohl nennen.

Dienstagden2ten Mai 1843. Ich reite heut Vormittag nach Mitrahenne, wo ich denselben mitdemBeginn der Aufnahme des dortigen Theilsvomalten Memphishinbringe. Gegen 1 Uhr zurück; nachdemFrühstück geschlafen, dann aneinemBrief andieMutter geschrieben; am Abend Brief an Lepsiusgeschrieben. Der Tag ist heut schön aber kühl; mit Sonnenuntergang nur 15°. - Mit Abekengeht es leidlich. -

Mittwochden3ten Mai 1843. Nach Absendung des BriefesundBoten an Lepsiusnach Cairomache ich heut wieder in Begleitungvon Bonominach Mitrahinnehinaus, die Aufnahme des dortigen Terrains fortsetzend. Bis nach 3 Uhr bleibe ich dortundreite dann dem schon voraus zurückreitenden Bonominach, den ich auch bald einhole. Bis Sonnenuntergang bringe ich dann bei Abekenhin, mit dessen Arm es ja all204 mählig besser geht. NachdemEssen fahre ich an dem Briefe andieMutter fort. Das Wetter ist heut wieder recht kühl, besonders die letzte Nacht. -

Donnerstagden4ten Mai 1843. Während schon vor Sonnenaufgang Ernst, Maxund Frankeeine Exkursion nach den Steinbrüchenvon Masaraantreten, bleibe ich zu Hause, um das gesternundvorgestern aufgenommene Terrainvon Memphiszu Papiere zu bringen. AmNachmittagvollende ichdenspeziellenBrief an die Mutter. Schon zeitig kommen die Andern,vonihrer Tour sehr zufriedengestellt, zurück. Auch Omarkommt aus Cairowieder mit Sachenundeinem Briefevon Lepsius, mit dessen wie Frey’s Genesung es langsam vorwärts geht. - Am Abend spät schreibe ich nocheinenBrief an ihn zurück. - Das Wetter ist heut wie gestern recht schönundkühl.

Freitagden5ten Mai 1843. Ich gehe heut wieder nach Mitrahinne; Bonomikommt mir nach; es ist sehr heiß[und] die Lauferei wird mir recht sauer; ich frühstücke mit Bonomiam Coloß zusammen; setze dann meine Wanderungen fort,undkehre gegen 4 Uhr zurück; es erhebt sich am Nachmittag ein heftiger Sandwind, der sich inderNacht außerordentlich verstärktundeinige schlaflose Stunden bereitet. Ich trage heut, so lange es Tag ist, noch am Plan auf. Es war heut 28 ½°, sehr schwülundbesonders inderNacht heiß. - Mit Abekengeht es allmählig besser. Maxhat sich erkältetundeinen schlimmen Hals bekommen. - Spät Zeitung gelesen. - Auf den Feldern ist die Getreideärndte in vollem Gange. Der Durrha ist ½ Fuß hoch; die Palmen haben abgeblüht. -205

Sonnabendden6ten Mai 1843. Heut früh beim Frühstück Wuthausbruchvon Franke*; er schlägt entzwei, was ihm in die Hände kommt; ich muß neuen Kaffee bestellen. Nachher mache ich mich wieder auf nach Mitrahenne, wo mich Ernstbegleitet. Wir nehmen unser Frühstück am Grab des Schech. Ich habe das Pech, einen Lauf meiner Terzerole zu verlieren. Es ist wieder heut sehr heiß, eine dicke Sandathmosphäre, durch die man kaum Himmel, kaumdieSonne sieht. Nach 3 Uhr kehren wir zurück, wo ich dann das Vermessene wieder aufdasPapier bringe. Am Abend schreibe icheinenlangen Brief an Lepsius, besonders unsrer Wächter wegen, die durchdasGouvernement zu Dammbauarbeiten requirirt werden. - Wir haben heut um 4 Uhr noch 26°Réaumur. - Mit Abekens Arme geht es erwünscht vorwärts. MaxHalsweh hat sich mehr ausgebildet. - Wir Andern sind wohl. - * wegenZusammenlaufensvon Milch nach dem Abgekochtsein.

Sonntagden7ten Mai 1843. Abekengesellt sich heut zum erstenmal nach seiner Armverrenkung wieder zu unsundhielt die Morgenandacht. Ich gehe heut nicht aus, nachdem ich AlinachderStadt an Lepsiusabgefertigt, beschäftige ich mich mit Briefschreiben, was ich bis indieNacht um ½ 12 fortsetzeunddadurch einen hübschen Theil vor mir bringe. Am Nachmittag gemeinschaftliches Caffeetrinken im Eßzelte. - Der Tag war heut völlig bewölkt, um Mittag sogar einige Tropfen Regen, dabei aber doch recht warm.

Montagden8ten Mai 1843. Ich habe die Nacht sehr wenig geschlafen, heftiger Wind wie das stete Zurufen206 unserer Wächter ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Bei Tage währtderChamsin fort; ich reite mit Ernstwieder nach den Hügelnvon Memphisundfördere hier ein tüchtiges Stück Arbeit, so daß ich Morgen so ziemlichfertigwerden kann. Am Grabe des Scheik wird wieder gefrühstücktundgeschlafenundam Nachmittag bis etwa ½ 4 Uhr gearbeitet, wo wir dann in heftigstem Winde nach Hause reiten. Ich zeichne heut noch das Vermessene auf; empfange danneinenBriefvon Lepsiusdurch den zurückkehrenden Ali; es geht mit LepsiusGesundheit leidlig, er wartet nur auf einen ruhigen Tag, um zu uns zurückzukehren. Mit Freygeht es leider weniger gut, er wird müssen noch zurückbleiben. - Bonomiist heut früh nach Cairoaufgebrochenundwird wohl mit Lepsiuszurückkehren. Am Abend schreibe ich noch 2 Briefe an Lepsiusund Frey,undgehe sehr ermüdet um 11Uhr zu Bett. - Die Nacht über Heuschreckenwanderung durch unser Zelt, sehr unangenehm.

Dienstagden9ten Mai 1843. Hundertevonjungen Heuschrecken sitzen heut in unsrem Zelt; es wird eine Jagd angestellt, sie hinauszutreiben; nach einigen Stunden aber ist es wieder eben so voll. Es ist wirklich, nicht nur für uns,sondernfürdasLand eine rechte Plage. Ich komme heut erst etwas spät dazu, nach Mitrahinnezu gehen, wobei mich Ernstwieder begleitet. - Um 13 Uhr etwa werde ich mitdemPlan von Mitrahinnefertigundwir reiten zum Frühstück nach Hause; am Nachmittag arbeite ich noch fleißig an meiner Karte; nachdemAbendessen trinken wir KaffeeundThee beitrefflichemMondschein im Freien liegend; im Zelt Zucker geschlagen. Es ist heut 23 ½°. Abekens Arm heut weniger gut. 207

Mittwochden10ten Mai 1843. Bußtag. Heut Vormittag mache ich meine Karte fertig; nach dem 2ten Frühstück wird wieder geruht,undamNachmittagschreibe ich an demallgemeinenBriefe weiter. Wiederum heute Lagerung im Mondschein; es ist heut fast der erste recht heiße Tag. Um 11 UhrVormittagshabe ich im Schatten des Zeltes außen 34°, im Innern auf Mannshöhe 37°Réaumur. AmNachmittag32°; am Abend um 9 Uhr noch 21 ½°. Lepsiusist noch nicht gekommen, ich erwarte ihn mit Bonomimorgen. - Heuschrecken im Zelt sehr unangenehm.

Donnerstagden11ten Mai 1843. - Heut Vormittag vollende ich meinenallgemeinenBrief, darin einen andern an CarlRiechersunbin, Gott sei Dank, nun so weit, die Sendung nach Europaabgehen zu lassen. - Der Tag heut ist zwar nicht so warm wie gestern, da wir Nord - statt Südwind haben, indessen doch heiß genug; im Zelte ist 32 ½°unddraußten 28 ½° Wärme. Der Abend ist kühl, doch setzen wir unsre Mondschein Lagerung fort. Lepsius, den ich heut sicher erwartete, kommt noch nicht; ich beschließe deshalb, damit mein Brief noch mit dem Dampfschiff des 17ten abgehen kann, morgen Omarmit meinem Briefe indieStadt zu schicken, zu welchem Ende ich nocheinPaar Zeilen an Lepsiusundfür den Nothfall an Liederschreibe.

Freitagden12ten Mai 1843. - Ich beginne heut das letzte ohnlängst vermessene Grab aufzuzeichnen, nachdem ich noch etwas an meinem Planvon Memphisgearbeitet habe. Auch heute warten wir vergebens auf Lepsius; auch Bonomikommt nicht; Omar, der heut zurückkommen sollte, bleibt auch aus. Der Tag aber ist nicht sehr heiß, es geht ziemlich starker208 Wind, der sich nachdemAbendessen etwas legt, so daß wir uns wieder im Freien des Mondscheins erfreuen können, jetzt aber, gegen 10 Uhr Abends wieder auf das Heftigste mitdemZelte zaust. Nach Sonnenuntergang wardieTemperatur noch 23°, da die Luft, wennderWind nicht geht, warm ist. Mit Abeken’s Arm geht es wenig merklich vorwärts. Die Heuschreckenwanderung durch unser Zelt hat zu meinergroßenZufriedenheit heut fast ganz aufgehört.

Sonnabendden13ten Mai 1843. Der ganze heutige Tag ist ununterbrochen äußerst stürmisch, wie wir ihn bisher in Saccaranoch nicht gehabt haben; aber es ist Nordostwindundunsre Zelte sind gegen diesen Wind am wenigsten geschützt; SandundStaub bedeckt wieder alle Sachen in unserm Zelte. Dabei haben wir am Mittag 28° Wärme. Den ganzen Vormittag zeichne ich noch an dem gestern begonnenen Grabe auf. - Am Nachmittag Zeitungslesen, dann Schneidernundendlich ein Besuch bei Abeken, wo ich fast bis zum Essen bleibe. Während des Essens kommt Omar, dervon Lepsiusdie Nachricht bringt, daß derselbe mit Bonomiund Freyam nächsten Montage zu kommen beabsichtige, so daß wir am Donnerstage darauf abreisen können; mit Beider Gesundheit geht es, wie es scheint, leidlich. -

Sonntagden14ten Mai 1843. Tagebuch schreibenundZeitungslesen nimmt heut den größeren Theil des Tages fort; Omarhat gestern nämlich neue Zeitungen mitgebracht. Das Wetter ist, besonders nach Mittag wieder äußerst windig, die Athmosphäre hüllt sich vollkommen in SandundStaub, so daß die Palmen von Saccarakaum zu unterscheiden sind. Am Nachmittage mache ich mit Abekenunddem Kavaß des209 Mudir einen Besuch beim Schechvon Sakkara, um die Lieferungvon20 Kameelenund10 Eseln aufdennächsten Donnerstag zu veranlassen. Er ließ sich grade unter dem Schatten der mächtigen Akazie unweit seines Hauses barbiren. So ein Besuch ist immer langweilig, weilmannicht weiß, was man sprechen soll; der Kaffee dauerte wie gewöhnlich, sehr lange,undals wir mit unserm Begehren vorrückten, behauptete er, er könne nur 12 Kameele verschaffen, was zu einem heftigen Wortstreitzwischenihmundunserm Kavaß führte, der sich sehr gut benahm. Wir trennten uns, ohne daß er die Kameele versprochen hatte,undnun schrieb ich mit Hülfe Abekens zu Hause einenItalienischenBrief andenMudir in dieser Beziehung, mit dem am andern Morgen der Kavaß abgehen soll. - Nach dem Essen lange Sitzung, wo wir aus AbekensgesellschaftlichenLiederbuch nachderReihe Lieder vorlesen, auch singen. Bei dieser Beschäftigung kommt der Schechvon Saccarazur Nachtwache, die seit einigen Tagenvonihm aufgegeben war; eigentlicher Grund war aber wohl eine Einleitung neuer Verhandlungen in Betreff der Kameele; indessen kam es hierin zu nichts,undmein Brief ward dem Ali Agades Mudir übergeben. - Zeitungslesenundspät zu Bette. - Wärme, wenn ich nicht irre, 27°. -

Montagden15ten Mai 1843. Schöner Morgen. - Gegen 9 Uhr beginnt es, wieder windig zu werden; Vormittag hauptsächlich Zeitung lesen; um 1 Uhr etwa haben wir die Freude[,] Lepsiusun Freyanreiten zu sehen. Wir gehen ihnen andenFuß des Berges entgegen; Lepsiussieht noch etwas blaß[,] aber doch munter aus, während ich Freysehr magerundelend finde, auch ist er noch keineswegs ganz hergestellt. Ein neuer Kavaß, ein langer, hagerer, elegant gekleideter Kerl, dem man es ansieht, daß er Haare auf seinen paar Zähnen hat, kommt mit; Bonomi, Eugen210undein Packthier kommen nach. Nun geht es an ein lebhaftes Erzählen. Während dem fängt mit einmal das Zeltvon Wildan zu brennen[,]wahrscheinlichdurch einen Schuß, den Maxdaraus abgefeuert hat; indessen wirdderBrand noch zeitig genug gelöscht, ohne weiteren Schaden angerichtet zu haben[,] als ein großes Loch, was dann schleunig wieder geflickt wird. - Lepsiushat uns schöne Decken über unsre Betten mitgebracht, die dann unser Zelt gleich viel eleganter machen. - Das Wetter ist heut zwar nicht übertrieben windig, wenigstens nicht staubig, aber kalt, denn wir haben etwa um 21½° Wärme. - Ich bin froh[,] daß wir wieder Alle beisammen sind. -

Dienstag,den16ten Mai 1843. Die Nacht habe ich seit langer Zeit wieder einmal sehr gut geschlafen, ohne fast einmal aufzuwachen. - Der Morgen ist kühl, 12° bei Aufgang der Sonne. NachdemKaffee macht Lepsiusmit Maxdie Gräberrunde; ich mit Ernst, Frey[,] Bonomiun Abeken, dessen Arm immer noch nicht so recht gut ist, bleiben zu Hause. - Ich zeichne heut Vormittag mehrere Skizzen von Freyab. - Am Nachmittag hauptsächlich Zeitungslesen. Am TagedieHitze nur 20 ½ °. Der Abend wieder sehr kühl. NachdemEssen sitzen wir, Lepsius[,] Abeken[,] ichund Bonomimit Ernstlange im Eßzeltunderzählen uns was. Die Kameele zur Abreise sind erst am Donnerstag Abend fürdenFreitag früh bestellt. - Am Mittag liest LepsiusseineAbhandlungüber das Fayumvor, worüber lange gesprochen wird.

Mittwochden17ten Mai 1843. Ich beschäftige mich heut den größten Theil des Tages mit Abzeichnung eines Blattesvon Frey, den Santon bei Mitrahennedarstellend; außerdem mit Zeitungslesen. Das Wetter ist wieder sehr windigundkühl, kaum 20°. Gegen Abend mache ich mit Frey, der an seinem[Schlennfieber]noch recht elend ist, einen kurzen Spatziergang, wobei ich die köstlichen Farben der211 Ebne bei Sonnenuntergang bewundre. Unser dicker Kavaß, der gestern nach Cairoging, kommt heut wieder,undmit dem Soldaten des Mudir, der noch hier ist, hat sich nun unsre Dienerschaft auf 3 Kavasse vermehrt. - Von heut datirt sichdieEinführung des Thees zum Frühstück (außer mirund Franke)undeiner Suppezum2ten Frühstück statt des Brodts mitdenDatteln.

Donnerstagden18ten Mai 1843. Gegen 8 Uhr mache ich mich mit Lepsiuszur Besichtigung der Reste von Memphisauf. Wir gehen dieselben nach meiner Karte sehr genau durch, finden noch auf Tempelüberresten einen interressanten Königsnamen,undkommen zu sehr befriedigenden Resultaten über das dort künstlich gebildete Hochplateau. Dieß Besehen hält uns bis 12 Uhr auf; dann machen wireinenBesuch in Mitrahennebei einem Janitscharen, (einem Abessinier) der dort wohnt, und uns Dienste zur Erlangung der Kameele geleistet hat. Es sind mehrere andre Besucher da, besonders ein etwas stark renommirender Türke. Wir bleiben ziemlich 2 Stunden, während welcher Zeit wir Pfeifen, Kaffeeundeine Collution mit Fleischmark, Gerichten, Melonen, BrodundHonig verzehren, wovon ich mich an den beiden letzten trefflichen Gegenständen hielt, wie auch Lepsius, dann wieder CaffeeundPfeife. Luftiger Sitz in dem Zimmer mit Nilziegelwänden. - Endlich gegen ½ 3 Uhr brechen wir nach Haus auf. Ich packe dann gegen Abend nochdieZeichenkisteundReißbretter sowie die Mappen mit Hilfevon Ernst. Nach dem Abendessen bespreche ich mit Lepsiusnoch das, was bei Daschurzu thun ist,undwir kommen halbundhalb zu dem Entschluß, morgen nur bis Dashur212zu gehenundübermorgen bis Lisht. - Fast alle Kisten sind heut in Ordnungundfertig gepackt. - Am Abend noch Besuch des alten Kaschefvon Abusir. - Das Wetter war heut sehr schön. Um Mittag 26°; nach Sonnenuntergang 20 ½°. -

Freitagden19ten Mai 1843. Heut früh endlich erfolgt wirklich der Aufbruch von dem unseligen Sakkara. Die 20 bestellten Kameeleund10 Esel kommen erst nachundnach zusammen; Abschiedsbesuch von Kaschef aus Abusir[,] von demabessinischenSoldat aus Mitrahenne, vom Schechvon Sakkara. Unterdessen wird aufgepackt, nachdem Frankeuns abscheulicher Weise mit den schlechtesten Tönen seiner Trompete geweckt hat. Ich packe meine Bettenundmeinen Mantelsack zusammen, jetzt werden die Zelte eingerissen, endlich fällt auch das unsrige. Lepsiusunich, wir brechen früher auf, alsderZug sich in Bewegung setzt, weil wir noch einige Untersuchungen vonPyramidenFeldernvorhaben. Noch ein Blick auf den verhängnisvollen Lagerfleckundnun geht es fort. Zuerst reiten wir noch einmal aufdassüdlicheFeld derPyramidenvon Sakkarazur Besichtigung des Materials der einen größtentheils abgetragenenPyramide,dann zum Dorfe Sakkarahinab, umdasMaterial der dortigenschwarzenHügel zu betrachten, auf denendasDorf gebaut ist, sie scheinen allerdings größtentheils alt zu sein. Von hier geht es direkt bis jenseits der großenPyramidevon Daschur, wo wir lange umherreiten, um Pyramiden zu finden, die Lepsiusfrüher gesehenundnotirt hat. Die eine erkennen wir als keinePyramide, aber später, fast Daschurgegenüber ist ein Todtenfeld um eine ziemlich bedeutende Ziegelpyramide, die jedoch abgetragen ist. NachderBesichtigung mache ich mich andieAufnahme, die dann bis gegen 12 Uhr Mittags etwa bewirkt wird. 213Von hier aus erblicken wir den stattlichen Zug unsrer Kameele sich durch die Ebne bewegen. - Jetzt machen auch wir uns direkt nach Lischtauf. Unser Weg geht ebenfalls in der Ebne hin, nicht weit von uns rechts die Wüste, das ganze Nilthalmit Dörfern übersät, die an denkleinenDattelhainen umher kenntlich sind. Die alten Formen des Mokattamverschwinden allmählich, es wird eine andre, wenngleich immer ähnliche Gegend. Dörfer mit indischen Feigenpflanzungen bieten einen Wechsel dar, in dem einen schießt Eugenein Paar Tauben. Dann geht unser Weg wieder eine lange Zeit indemBette des an vielen Stellen jetzt ganz ausgetrockneten Bachr Jousefentlang, wo rechter Hand die Wüste natürliche Sanddünen mit Tamariskengesträuch aufgeschüttet hat. Fastdenganzen Weg, alle FelderundSträucher sind mit Heuschrecken übersät. Endlich erblicken wir diePyramidenvon Lischt. Wir wollten eigentlich anderletzten Halt machen, doch warderAbend zu weit vorgerückt,undso blieb der Zug amöstlichenFußder1tenPyramide;wo wir nach Untergang der Sonne anlangten, nachdem der Zug kaum eine Stunde da war. Jetzt wurden die Zelte aufgeschlagen; ich legte mich indemMeinigen gleich nieder, um ein wenig auszuruhen, denn ich war sehr müdeundhungrig. Es dauerte außerordentlich lange heut, eh wir etwas zu Essen bekamen,endlichabergab es Eierkuchen, Datteln, Melonen (sehr mehlig)undReis; es wurde beim Essenundnachher viel gelacht; ich war heiterundaufgeräumt. Nach Sonnenuntergang heftiger Wind. Der Tag war sehr schön, heiß, aber kühlender Wind. Endlich nach 11 Uhr lege ich mich mit Abekenin dessen Zelt zu Bette,undschlafedieNacht trefflich.

Sonnabendden20ten Mai 1843. Heut früh aufdiePyramide, umdasbedeutende Todtenfeld zu besichtigen. Beim Hinaufklettern gehtmeineFlinte los, doch ohne mich zu beschädigen. Während214 aufgepackt wird[,] nehme ich die RichtungslinienvonderPyramide; Lepsiuskommt mir nach oben nach; er hat anderPyramidezu thun, ich begann die Aufnahme des Terrains; unterdessen gehtderZug ab. Die beiden Todtenfelder, die sehr weit auseinander sind, nehmen mir bis 2 Uhr Mittags Zeit weg; nach 12 Uhr frühstücken wir ein wenigzusammen,undwährend Lepsiusschläft, vollende ichdasFeld der 2tenPyramide, was ein sehr koupirtes Terrain darbietet. Die LischtschenPyramidensehr zerstört; die erste gewaltsam abgebrochen zeigt eineinterressante, wenngleich wenig sorgsame Bauart, die 2te ist fast nur ein Schuttberghügel. - Um 2 Uhr in außerordentlicher Hitze brechen wir nach Meidumauf. Der Auslauf der Wüste nachdem Nilthalwird jetzt zerrissener, Thäler, gelbgrün, halb vertrocknet, ziehen sich tief hinein, einzelne Bergkuppen rücken tief indieEbne. Zunächst geht unser Weg wieder inderEbne entlang, immer inderNähe des Bahr Jusef, der so zu sagen die Wüste begränzt; dann führtderWeg aufdasPlateau. Oft werden Oasenthäler durchschnitten, die tief indieWüste einschneiden. GrasundTamariskengesträuch sitzt voll von Heuschrecken wie unermeßliche Anzahlvon Sakkaraaus. Der Wüstenweg langweiligundermüdend. InderFerne siehtmandas Ziel des heutigen Tages, diePyramidenvon Meidum. Jetzt biegen wir wieder zum Josephskanalab, Eugenschießt ein WüstenrebhuhnundeinenniedlichenWasservogel inderGestalt eineskleinenIbis. Wie gestern langen wir beinah um ½ 8 nach Sonnenuntergang bei densüdlichvondenPyramidenaufgeschlagenen Zelten an, ich außerordentlich ermüdetundzerschlagen. Die Kameele waren schon um 2 Uhr hier,undso war heut Alles in Ordnung, Essen pp. - Nach dem Thee Rechnung mit Aliunddann zu Bette. Mit Sonnenuntergang erheben sich äußerst heftige Windstöße, die noch jetzt, Sonntag früh, anhalten,undmichdieNacht trotz der Müdigkeit nicht recht schlafen ließen. - Den Tag über war das Wetter sehr heißundschön. -215

Sonntagden21ten Mai 1843. Heut früh nicht recht erquickt aufgewacht. NachdemFrühstückschnellandiePyramidenunBesehen des Todtenfeldes von deren Schutthügeln aus. Dann Schreiben des Tagebuchs. Der Morgen ist kalt, die heftigsten Windstöße dauern bis jetzt fort. Das Todtenfeld diesermerkwürdigenPyramidebesteht fast nur aus einigen massig großen schwarzen Gräbern, die der Länge nach sich am Wüstenrande hinziehen. - Mit Freygeht es leidlich, er hat die beiden Reisetage tapfer überstanden, doch ist noch kein entscheidendes Bessergehen wahrzunehmen; auch mit Abekens Arm geht es nur langsam vorwärts, er trägt ihn immer noch inderBinde. Vor dem Gottesdienst heut Tagebuch geschrieben, dann in LepsiusZelt seinen Aufsatz über diePyramidenangehört, den er andieAkademienach Berlinschicken will. Dann Gottesdienst in Abekensundmeinem Zelt; bald darauf Frühstückunddann schlafe ich bis ½ 4 Uhr, wo ich mich aufmacheundbis Sonnenuntergang an der Aufnahme des Todtenfeldes arbeite, ohne es jedoch fertig zu bekommen. Die heftigsten Windstöße des Tages verstärken sich noch gegen Abendundbedecken Alles mit Staub, SteinenundSchmutz; während des Abendessens gehtdasZeltvon Abeken, in dem ich bin, um,undmeine Sachen liegen frei da. - Es ist dieser Wind höchst unangenehm.

Montagden22ten Mai 1843. Nach mittelmäßigem Schlafe mache ich mich heut früh bei Zeiten an die Beendigung meiner Aufnahme des Gräberfeldesvon Meidum, womit ich etwa um 9 Uhr fertig werde. Bis nach 10 Uhr hat Ernstan einigen Ansichten derPyramidengearbeitet,unddie Karavane, welche auf ihn gewartet, setzt sich erst nach 11 Uhr in Bewegung. Sie geht durchdieWüste nach Illahun. Lepsiusundich messen bis 1 Uhr noch andenPyramidenselberunddann brechen auch wir im Thale uns haltend, auf; auch Bonomiist unerwarteter216 Weise zurückgebliebenundgeht nun mit uns. Der Weg ist interressanter als seither; viele Beduinenlager mit ihren flachen Zelten; eininterressanterDamm mitmassivenFutterwänden, nicht weit davon anderWüste die weit umherliegenden Ziegelbrocken einer alten Stadt, wie auch eine Art Todtenfeld nah dabei, woraus wir jedoch nicht recht klug werden; eine Menge gebauter Araber -undSchechgräber ragenvondenHügeln indenblauen Himmel hinein. Weiterhin ändert sich rechtsdieGebirgsformationderWüste, das Plateau wird zerrissener, hügelartiger, das Wüstenvorland bedeckt mit Tamariskengesträuch, 3-4[ Fuß] hoch, bevölkert mit vielen dreisten FüchsenundWölfen. Endlich um ½ 8 Uhr Abends langen wir an der tiefer inderWüste liegendenPyramidevon Illahunan, wo grade die Zelte aufgeschlagen werden. Auf BonomisLager hinter einer Kiste eine Pfeife behaglich geraucht. - Nach 11 Uhr zu Bett; der Tag war luftig, der Abend nicht freivonstarken Windstößen, doch weniger als gestern. -

Dienstagden23ten Mai 1843. Ich habe die Nacht sehr gut geschlafen; der Wind hat sich gelegtundder schöne Morgen lacht indasZelt. Ich schnüre gleich meine Bettenundbegebe mich nachdemKaffee auf die schwarze Ziegelpyramide, von wo ich das wüste, weiteundin Betreff der Gräber unkenntliche Todtenfeld betrachteundaufzeichne; Lepsiuskommt dazuundwir sprechen zusammen über den Bau, der sich durch Kreuzrippenundrippenweis vorgelegten massiven Unterbau auszeichnet. Darüber kommt 11 Uhr heranundwir essen unsre Suppe. Dann packt die Karavane auf,undich mit Ernstbleibe zurück, während Lepsiusam Bahr Jousephvorausreitet, zur Untersuchung des Terrainsunddes passenden Lagerplatzes. - Zuerst messe ich mit Ernstdie Höhe desnatürlichenFelsens, auf dem diePyramidegebaut ist, dann gehen wir an das Abschreiten des Plateaus. Wir werden der Weitläuftigkeit desselben wegen sehr mattundmüdeundwerden nothdürftig um 3 UhrNachmittagsfertig, wo wir uns denn auf unsre Esel217

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setzen,undgen Howaraaufbrechen, was wir nach 2 Stunden erreichen. Der Wegundunser Eintritt in das Fayoumist sehr interressant; alte mächtige DeichevonNilerde werden besehenundverfolgt. Die weite reiche Ebne sieht erstaunlich menschenleer aus. - IneinemkleinenThalesüdlichvonderPyramide(aus Nilziegeln) finden wir, noch inderWüste unsre Zelte vor; Trümmer eines mächtigen Tempels liegen rings umher; vielleicht lagern wir über dem alten Labyrinth, was hier gelegen haben muß. - Unser großes Zelt wird nun nach alter Weise in Ordnung gebracht,undich fühle mich nach mehreren Tagen endlich einmal wieder recht behaglich. Das Wetter ist am Tage recht schön,obgleichetwas stark windig, was sich am Abend ruckweise noch vermehrt. - Gute Nacht dann fürdieerste Nacht im Fayoum. - NB. Lepsiushat sich vorgestern erkältetundhat gestern wie heut einen schlimmen HalsundSchnupfen.

About this transcription

TextTagebuch meiner egyptischen Reise
Author Georg Gustav Erbkam
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)Note: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus der Quelle entsprechen muss.2013-04-11T11:54:31Z Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)Note: Bereitstellung der Bilddigitalisate2013-04-11T11:54:31Z Elke FreierNote: Transkription des Originals.2013-04-11T11:54:31Z Frederike NeuberNote: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.2013-04-11T11:54:31Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationTagebuch meiner egyptischen Reise Teil 1 Georg Gustav Erbkam. . Ägypten1842.

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LanguageGerman
ClassificationWissenschaft; Architektur; ready; dtae

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