1te Menschen VarietätEx Bibliotheca Regia Acad. Georgiæ Aug:
2te Menschen VarietätIch liefere in diesen Beyträgen lauter eigne Aufsätze und zwar blos solche von denen ich glau - ben konnte dass sie auch ande - re Leser als die eigentliches Studium aus Naturgeschichte machen, nicht uninteressant undVI nicht langweilig finden werden. Sie sind grösstentheils ganz neu und was von einigen der übri - gen schon in andern meiner Schriften vorkommt ist doch hier weiter ausgeführt, berich - tigt u. s. w. so viel sich thun lies habe ich gesucht die Auf - sätze in eine Art zusammenhän - gender Folge zu ordnen, und da die in diesem ersten Bänd - chen mehrentheils die Naturge - schichte des Menschenge - schlechts betreffen, so sind auf den beygefügten Vignetten die fünf Spielarten vorgestellt wor - den, worein sich das ganze Men - schengeschlecht meines Bedün - kens am füglichsten eintheilen lässt. Sie brauchen nur weni - ge Worte zur Erläuterung.
I. Die Titel-Vignette. 1ste Men - schenvarietät. (– vergl. S. 82 –) eine Morgenländische schon für sich ganz verständliche Scene.
II. Die Anfangsleiste der Vorrede. 2te Menschenvarietät(– S. 82 –) Schinesen. In der Ferne Reisfelder mit Büffeln gepflügt. (gewöhnlich zieht aber immer nur einer.)
III. Die Schluss-Vignette der Vor - rede. 3te Menschenvarietät. (– S. 83 –) Negern am Gambia. Ihre Fi - scherey, Moor – Hirsenfelder ꝛc. Auch ist hier so wie auf den beiden folgenden Kupfern die eigne Form der Hütten bey den vorgestellten Völkern genau abgebildet.
IV. Die Anfangsleiste. S. 1. 4te Men - schenvarietät. (– S. 83 –) Brasilia - ner. Der Mann kommt von der Jagd.
V. Die Schluss-Vignette,5te Men - schenvarietät. (– S. 83 –) Südlän - der von Anamocka oder Neu-Rotter -VIII dam, einer der Freundschafts-Inseln. Ihre Viehzucht, Gartenbau ꝛc. (der Zaun ist vielleicht ein wenig zu re - gelmässig vorgestellt. Aber die in Reihen gepflanzten Bäume u. dergl. bemerkte schon der berühmte Ent - decker dieser glückseeligen Inseln Abel Tasman,)
Göttingen, d. 24. April 1790.
3te Menschen Varietät
4te Menschen VarietätJa so geht's in der Welt, sagt Vol - taire, da haben wir nun keinen Purpur mehr, denn der Murex ist längst ausgerottet. Das arme kleine2 Schneckchen wird von andern grös - sern Thieren aufgefressen worden seyn. –
Gott bewahre, antworten die Phy - sicotheologen, unmöglich kan die Vorsehung eine Thiergattung aus - sterben lassen.
Denn, sagt der ehrliche Savoyi - sche Landgeistliche im Emil, es ist kein Wesen im Universum, das man nicht gleichsam als den gemeinschaft - lichen Mittelpunkt für alle übrige ansehen könnte.
Und, setzt ein andrer vollends hinzu, keines, was nicht so zu sa - gen, das für die ganze übrige Schö - pfung wäre, was Phidias Bild am Schild seiner künstlichen Minerva war, das man nicht ausheben durfte wenn nicht das ganze grosse Werk zusammenfallen sollte!
Eher, sagt Linné, lässt die Na - tur neue Arten entstehn. – So3 hat sie z. B. da nicht weit von Up - sala auf Södra-Gässkiaeret ein Pflänz - chen hervor gebracht, die Peloria, das wirklich so was von einer neuen Schöpfung ist.
Ach, antwortet man ihm, die Na - tur ist eine alte Henne, die euch warlich heutiges Tages nichts neues mehr legen wird.
Freylich nicht, sagt Haller, und man muss solche Irthümer rügen, weil sie von den Atheisten begierig ausgeschnappt werden, die aus der Entstehung neuer Gattungen so gut wie aus der vorgeblichen Vertilgung alter Arten gar zu gerne eine Unbe - ständigkeit der Natur erweisen möch - ten: und das darf nicht seyn; denn fällt die Ordnung in der physischen Welt weg, so ist es um die Ordnung in der moralischen Welt, und zu - letzt um die ganze Religion gethan.
4Wenn auch ich ein Wort drein reden darf; so glaube ich es ist hier von allen Seiten der Sache zu viel geschehn.
Der Murex findet sich heute noch eben so wohl als zu den Zeiten der alten Phönicier und Griechen; – Die Peloria aber ist eine krankhafte Monstrosität und keine eigne neu entstandne Gattung. – Genau ge - nommen ist die Natur aber auch in der That keine alte Henne, – und die Schöpfung was solideres als jene Statue der Minerva, – und sie fällt nicht zusammen wenn gleich eine Gattung von Geschöpfen ausstürbe oder eine andre neu erzeugt würde, – und es ist mehr als blos wahr - scheinlich dass beides auch wirk - lich schon wohl eher erfolgt ist, – nud diess alles ohne die mindeste Ge - fährde weder für die Ordnung in der physischen noch in der morali -5 schen Welt, noch für die ganze Re - ligion.
Vielmehr finde ich gerade darin die Lenkung durch eine höhere Hand am unverkennbarsten, dass trotz die - ser sogenannten Unbeständigkeit der Natur dennoch die Schöpfung ihren ewigen stillen Gang geht, und schon darum glaube ich lohnt sichs der Mühe, nachdem so unendlich viel über die vermeinte unveränderliche Ordnung in der Schöpfung geschrie - ben worden, auch einmal an aller - hand Beweise von der grossen Ver - änderlichkeit in derselben zu erin - nern. Freylich muss ich dabey et - was weit ausholen.
Fast jeder Pflasterstein in Göttingen zeugt davon, dass Gattungen – ja sogar ganze Geschlechter von Thie - ren untergegangen seyn müssen. Unser Kalkboden wimmelt gleichsam von den mannigfaltigsten Arten ver - steinter Seegeschöpfe, unter welchen meines wissens nur eine einzige Gat - tung ist, wozu wir noch gegenwär - tig ein wahres ganz damit überein - kommendes Original kennen; und das ist diejenige Art von so genannten Bohrmuscheln (Terebrateln) aus dem mitländischen und atlantischen Mee - re, die wegen ihrer Bildung (– da die eine der beiden zarten bauchich - ten Schalen am Schloss über die andre hinüber ragt, und so von der7 Seite angesehen einige Aehnlichkeit mit einem Hahne zeigt, der die Henne tritt, –) den Namen le coq et la poule erhalten hat*)Anomia vitrea. s. Chemnitz Conchylien - Cabinet VIII. B. tab. LXXVIII. fig. 707. 709..
Unter dem fast unübersehlichen Heer der andern versteinten See - thiere, die ihr Grab in unserm Boden gefunden haben, sind freylich noch viele (z. B. unter den Mytiliten, Chamiten, Pectiniten ꝛc. ) zu wel - chen die mehrsten Naturforscher eben - falls bestimmte Originale angeben: allein ich habe bey diese das Petre - fact mit dem vorgeblichen Original oft genug verglichen, und es ist meine Schuld nicht, dass ich beide dann unverkennbar specifisch von einan - der verschieden gefunden habe**)Der beynahe einzige, aber dafür desto wich - tigere Nutze der Versteinerungskunde ist8 der Aufschluss, den die Geschichte der Veränderungen des Erdbodens durch sie er - hält, aber dazu ist schlechterdings äusser - ste Genauigkeit im Beobachten nothwen - dig; zumal wo es auf Vergleichung der Petrefacten mit ihren vermeinten Origi - nalen, ankommt. Der Mangel dieser Ge - nauigkeit hat schon die seltsamsten cos - mogenischen Irrthümer veranlast..
Bey einer sehr grossen Menge der übrigen hieländischen Versteinerun - gen ist endlich die Bildung so ganz auffallend von allen jetzt bekannten Geschöpfen abweichend, dass sie hoffentlich niemand mehr im Ernst unter diese letztern suchen wird*)Hr. Superint. Schröter rechnet es zu dem Hauptnutzen, den wir vom Studium der Petrefacten ziehen können, dass sie die Lücken in der Stufenfolge der Natur aus - füllen helfen. –„ Ohne sie „(sagt er im IIIten B. seiner Einleitung in die Ge - schichte der Steine ꝛc. S. 94) „ würden9 wir in dieser Stufenfolge und in der Kette der Natur erstaunende Lücken finden, die uns durch die Versteinerungskunde glücklich ausgefüllt werden. „–Wenn man diess bey einem andern Schriftsteller läse, so würde man es für einen bittern, aber treffenden Spott über die vorgegebne Stufenfolge der Natur in Rücksicht der Bildung ihrer Geschöpfe an - sehen: denn was heisst das anders als: was uns der Schöpfer nicht in natura ge - gegeben, das hat er doch wenigstens zum Behuf der Physicotheologen und ihrer alle - gorischen Bilder von Ketten und Leitern in seiner Schöpfung in essigie eingeschaltet!.
Ich nenne nur zwey Geschlechter derselben statt aller, die Belemni - ten*)Die Belemniten gehören noch jetzt zu den gemeinsten Versteinerungen. Und dass wir sie doch nicht in noch weit grössrer Menge finden, darüber giebt der Hr. Che - valier D'Hancarville in seinen Recherches10 sur l'origine des arts de la Grèce dem ein - zigen Buch in seiner Art! (im Iten B. S. 2 u. f.) folgenden Aufschluss: – es sind ihrer nemlich, wenn wir seiner Versiche - rung glauben wollen, in der Kindheit des Menschengeschlechts so viele verschossen worden. Denn, sagt er,„ avant de se ser - vir de l'airain, an du fer pour armer les pointes des Fleches, on y employoit de ces pierres Belemnites. – Le marbre d'Arun - del met l'epoque de la découverte du fer à l'an 87 après l'arrivée de Cadmus en Grèce. – avant cette époque les Fleches des Grecs étoient nécessairement armées de ces pierres Belemnites, dont le nom conservé jusqu 'à nous exprime encore l'usage. „ nemlich und die Ammoniten von welchen beiden ich mannig - faltige verschiedne Gattungen aus den mehresten Ländern von Europa und selbst aus Asien vor mir habe, und die sich wahrscheinlich auch in den übrigen Welttheilen (– den fünf - ten ausgenommen*)s. Hrn. D. und Prof. Forsters Bemerkun - gen auf seiner Reise um die Welt. S. 19. –) finden wer -11 den. Man rechnet gegenwärtig auf 200 verschiedne Gattungen im Am - monitengeschlechte, und ich halte das nicht für übertrieben, ohngeach - tet ich es nie der Mühe werth ge - funden habe absichtlich nachzuzäh - len. Und zu keiner einzigen dieser 200 Gattungen ist auch nur je in der jetzigen Schöpfung ein wahres Original gefunden worden. Und da man an gut erhaltnen Ammoniten offenbar sieht, dass diess (bey aller ihrer theils colossalischen Grösse) doch sehr dünnschaalige leichte und nicht fest sitzende Conchylien gewe - sen seyn müssen, die nicht, wie man sonst zur Ausflucht brauchte, in den Tiefen unsrer Meere versteckt leben, können; und wir nun, nach den grossen Seereisen wodurch Se. Ma - jestät der König den fünften Welt - theil grösstentheils entdecken und die Grenzen unsrer Erde bestimmen lassen, den Ocean fast besser kennen12 als das feste Land unsers Planeten, – so muss man nach allem diesen der Hoffnung wohl entsagen, dass die Originale zu diesem weitläufti - gen Thiergeschlechte, so wie zu tau - senderley andern Petrefacten, noch in unsern Weltmeeren versteckt le - ben Sollten.
Alles diess zusammen genommen so wird es meines Bedünkens mehr als blos wahrscheinlich, dass schon ein - mal nicht blos eine oder die andre Gattung sondern eine ganze organi - sirte präadamitische Schöpfung auf unserm Erdboden untergegangen ist. Unter allen mir bekannten son - stigen Theorien der Erde ist keine einzige, mit welcher sich die gedach - ten augenscheinlichen Eigenheiten der Petrefacten in unsern Kalkflözen zusammen reimen liessen; die hinge - gen Sehr begreiflich werden, so bald man, wie gesagt, annimmt, dass unsre13 Erde schon einmal eine Totalrevolu - tion erlitten, einen jüngsten Tag erlebt hat. Versteht sich dass man schlechterdings andre sogenannte cos - mogenische Phänomene, wie z. B. die Menge von fossilen Knochen der Ele - phanten und Rhinocerosse und andrer Thiere der heissen Erdstriche, die in unsern Gegenden ausgegraben wer - den, u. dergl. mehr von jener Total - revolution genau unterscheiden und absondern muss. Denn das ist, wo ich nicht irre, bisher immer eine Klippe gewesen, woran auch selbst die scharfsinnigsten Theorien der Erde gescheitert sind, so bald sie alle jene so sehr von einander verschiedne Phänomene auf eine einzige gemein - schaftliche Revolution haben zurück - bringen, alles aus einer und eben derselben Catastrophe haben erklären wollen. Ein eben so scharfsinniger als liebenswürdiger Naturforscher hat neuerlich den Ursprung jener hielän -14 dischen fossilen Knochen ausländi - scher Landthiere und die wirklichen Versteinerungen von See-Geschöpfen in unsern Kalkflözen dadurch mit einander verbinden wollen, dass er annimmt, die jetzige Lagerstätte jener Landthiere sey nicht ihre ehemalige Heimat gewesen sondern sie seyen nach ihrem Tode in Flüsse gerathen und so nach und nach auf den da - maligen Meeresboden durch die Strö - mungen zusammen getrieben wor - den. Allein diejenigen Gegenden wenigstens, wo ich selbst die Lager - stätte der grossen exotischen Knochen untersucht habe, lassen sich schwer - lich mit jener Hypothese vereinen. So habe ich z. B. bey Burgtonna im Gothaischen das Bette des vor bey - nahe hundert Jahren daselbst ausge - grabnen von Tenzel beschriebnen Elephanten untersucht und gefunden, dass es so ganz durchaus aus mäch - tigen Mergel-Lagen besteht die vol -15 ler kleinen, zarten und grösstentheils so unversehrten Land - und Fluss - Schneckchen u. dergl. sind, dass ich dieses Bette selbst unmöglich für ehe - maligen Meeresboden halten kan: sondern dass wahrscheinlich die Ele - phanten und Rhinocerosse und Schild - kröten, von welchen allen ich aus den Tonnaischen Mergelgruben in - structive Stücke für meine Sammlung mitgebracht habe*)s. Hr. Prof. Voigt über einige physical. Merkwürdigkeiten der Gegend von Burg - tonna im Herzogthum Gotha in dessen Ma - gazin für Physik und Naturgeschichte III. B. 4. St. in jener Ge - gend zu irgend einer Zeit (wer weis wie lange nach der gedachten grossen Totalrevolution,) einheimisch ge - wesen seyn müssen.
Diese Totalrevolution von der sich die unzähligen untergegangnen orga - nisirten Geschöpfe in den Kalkflözen16 herschreiben, bleibt also für sich, von den nachherigen spätern, die mit der umgeschaffnen Erde vorgegangen seyn mögen, ganz verschieden.
Wie und wodurch jene frühere Revolution bewirkt worden, lässt sich wohl schwerlich je mit Zuver - lässigkeit bestimmen. Inzwischen kommen doch meines wissens alle wahrscheinlichen d. h. den Phäno - menen angemessne Theorien der Erde überhaupt darin miteinander überein, dass die Wirkung von unterirdischem Feuer, einem mehr oder weniger allgemeinen Erdbrande, einen Hauptantheil daran gehabt ha - ben müsse. Sey's nun dass das Feuer die vormalige Erdrinde untergraben, und dadurch den Einsturz derselben in tiefe Schlünde veranlasst*)Nach der Meinung unsers seel Hollmann und Herrn de Luc. – s. des erstern Ab -17 handlung hierüber in den Comment. soc. reg. scient Gotting. T. III. vom J. 1753. S. 358 u. f. und des letztern Lettres phy - siques et morales an mehrern Orten. oder auch wohl zum Theil den vormaligen Meeresboden empor getrieben*)Vgl Hrn. O. C. R. Silberschlag's Geo - genie im I und III Th und Hr. D. Hutton's Theory of the Earth in den Transactions of the roy. Soc. of Edinburgh T. I. 1788. Zu - mal im 3ten Abschnitt., so begreift sich dadurch, wie das Meer sein ehemaliges Bette habe verlassen müssen, und wie dasselbe mit samt seinen Bewohnern, den nunmehri - gen Petrefacten, aufs trockne ver - setzt und zu jetzigen Flözgebirge worden. **)Es war eine Zeit wo man ganz allgemein den Ursprung der Petrefacten, und die To - talrevolution der Erde selbst von der Noa - chischen Sündflut ableitete. – So wenig es aber (wie mir einer der einsichtsvollsten,18 und doch gewiss rechtglaubigsten Gottes - gelehrten, unser seel. Cons. R. Walch versichert hat) der Würde der heil. Schrift den allermindesten Eintrag thut, wenn man die Noachische Flut für nicht allge - mein hält, so wenig habe ich mir nach dem, was auch selbst die Thiergeschichte lehrt, von einer solchen Allgemeinheit jener Flut eine befriedigende Vorstellung machen können. So bleibt mir z. B. die Wallfahrt die dann das Faulthier (das be - kanntlich eine volle Stunde braucht um nur 6 Fus weit zu kriechen,) vom Ara - rat nach Südamerica hätte machen müssen, immer ein wenig unbegreiflich.
Ueber die neuerlich so sehr rege gewordene Streitfrage von der Ent - stehungsart des Basalts, lässt sich zwar vor der Hand noch nicht leicht ein entscheidender Aufschluss erwar - ten*)Es gilt auch hier was Cicero sagt:„ Se - quimur probabilia nec ultra id quam quod verisimile occurrerit progredi possumus. „und wie sehr wäre nur zu wünschen, dass manche der Verfechter der einen oder an - dern Meinung auch den gleich drauf fol - genden Nachsatz immer befolgten:„ et refellere sine pertinacia et refelli sine iracun - dia parati sumus. „. Inzwischen deucht mir, dass mau bey der ganzen Untersuchung die cosmogenischen Data wovon im vorigen Abschnitt die Rede war,20 nie aus den Augen verlieren dürfe. Denn wenn der Basalt im Feuer ent - standen ist, so geschah das nach al - ler Wahrscheinlichkeit eben bey dem gedachten allgemeinen Erdbrande; folglich ist er dann älter als die gan - ze nachherige Umschaffung unsers Planeten; und aller dieser Basalt ist dann zu gleicher Zeit entstanden, und er ist (wenigstens dem grössten Theil nach) im Wasser selbst, ohne Zutritt der äusern Luft ausgeflossen und erhärtet.
Folglich wird es dann nieman - den befremden, wenn er bey der Vergleichung des Basalts, (von ei - nem solchen unermesslichen Alter, und einer solchen Entstehungsart,) mit einer Lava die ein brennender Vulcan an die Luft strömt, manchen Unterschied bemerken sollte, – so wenig als es jemanden befremden wird zwischen Bernstein und fri - schen Baumharz Unterschied zu fin -21 den, da jenes vermutlich auch bey irgend einer gewaltsamen Erdrevo - lution und folglich unter sehr eignen mitwirkenden Umständen entstanden zu seyn scheint. Eher ist es zu be - wundern, dass sich demohngeach - tet noch so viele und grosse unerwar - tete Uebereinstimmung zwischen so vielen Basaltbergen, und den paar uns näher bekannten europäischen Vulcanen, so wie zwischen so man - chem Basalt und manchen Laven zeigt. Denn wer Gelegenheit hat ansehnliche Sammlungen von beiden letztern zu untersuchen, dem kan die auffallende Aehnlichkeit zwischen vielen der derbern dichtern Laven und dem gewöhnlichen Basalt, so wie zwischen vielem bläsrichten Basalt und den gewöhnlichen frischen La - ven in Rücksicht ihres Ansehens und ihres Gemenges nichtentgangen seyn. So besitze ich selbst mancherley sehr dichte wahre Laven vom Vesuv: und22 sehr bläsrichen wahren Basalt von unsern Dransberg; und unter den grossen Geschenken womit der Hr. Baron von Asch das academische Museum so unermüdet bereichert, finden sich in der Sammlung soge - nannter vulcanischer Produkte, wel - che der berühmte und gelehrte Rei - sende Hr. D. Reineggs vom Ara - rat und aus Erzerum mitgebracht, verschiedne derselben die wiederum gerade so viele Aehnlichkeit mit man - chem Basalt als mit Laven haben; so wie auch glasartige Stücken die in Rücksicht des ganzen Ansehens, zwi - schen dem sogenannten Isländischen Achat und den gleichfalls unter den Aschischen Geschenken im Museum befindlichen vulcanischen Glas-Tro - pfen aus Kamtschatka völlig in der Mitte stehen.
So wenig man indess, wie schon gesagt, vor der Hand auf eine voll -23 kommne Entscheidung der Frage über die Entstehungsart des Basalts wird rechnen können, so natürlich ist es dennoch dass man in so einem noch unentschiedenen Falle bey Prü - fung des pro und contra sich auf die eine oder die andere Seite geneigt fühlt; und so sind mir denn freylich bis jetzt die Gründe für die Entstehung des Ba - salts durch einen Erdbrand bey jener Totalrevolution unsrer Erde noch immer überwiegend. Ich kan darin irren, aber dann irre ich wenigstens (– wie der grosse Edm. Halley einmal bey einem ähnlichen cosmo - genischen Problem sagt –) in sehr guter Gesellschaft. *)„ – wherein, if I err, “– sind seine Wor - te –„ I shall find myself in very good Company. – “
Wenn die Vorwelt eine Totalre - volution erlitten hat, wie es wohl unverkennbar scheint; und wenn diese Revolution wahrscheinlicher weise durch einen allgemeinen Erd - brand bewirkt worden ist; so muss wohl nachher ein sehr langer Zeit - raum verstrichen seyn, ehe die neu - veränderte Rinde unsers Planeten nun wieder abgekühlt und überhaupt ihre Oberfläche wiederum geschickt ward, mit neuer Vegetation belebt und mit neuer thierischer Schö - pfung beseelt zu werden.
Wie sie zu dieser Reife gediehen war, dann hat der Schöpfer wohl im ganzen die gleichen Naturkräfte zur Hervorbringung der neuen organi - schen Schöpfung wirken lassen, die25 auch in der Vorwelt diese Absicht erfüllt hatten.
Nur dass der Bildungstrieb nach dem durch eine solche Totalrevolu - tion freylich wohl anders modificirten Stoffe auch wohl bey Erzeugung der neuen Gattungen eine von der vor - maligen mehr oder weniger abwei - chende Richtung hat nehmen müssen. Daher finden wir freylich nur zu sehr wenigen Versteinerungen aus der Vorwelt ein ganz ähnliches Geschöpf in der jetzigen Schöpfung, wie z. B. zu dem oben angeführten Terebratu - lit in den hiesigen Kalkbergen die Bohrmuschel aus dem atlantischen Ocean. Hingegen eine Menge von solchen Petrefacten die den jetzigen organisirten Körpern zu ähneln schei - nen, und daher wie schon gesagt bey blos flüchtiger Vergleichung oft für einerley mit denselben angesehen werden, die aber bey genauer Prü - fung unverkennbare specifische Ver -26 schiedenheit in ihrer Bildung zeigen und zum Erweis dienen können, wie der Bildungstrieb in diese beiden Schöpfungen zwar auf eine ähnliche – aber nicht auf die gleiche Weise ge - wirkt hat.
Und die etwanige Einwendung, ob nicht dieser Unterschied auch wohl durch blose Degeneration in einer langen Reihe von Jahrtausen - den habe bewirkt werden können, wird sehr leicht durch diejenigen Bey - spiele widerlegt, wo die Verschie - denheit zwischen fossilen und fri - schen, einander im Ganzen ziemlich ähnelnden Conchylien doch von der Beschaffenheit ist, dass sie schlechter - dings weder für eine Folge der Ab - artung, noch für eine zufällige Mon - strosität, sondern schwerlich für et - was anders als für eine veränderte Richtung des Bildungstriebes gehal - ten werden kan. Nur gleich eins dieser Beyspiele, statt aller:
27In den nordischen Meeren lebt ei - ne Schnecke deren ansehnliches Haus unter dem Namen von Murex despe - ctus allgemein bekannt ist; und am Ufer von Harwich gräbt man eine fossile Schnecke in Menge aus die im Totalhabitus so grosse Aehnlichkeit mit jenem Murex hat, dass man auf den ersten Blick eine mit der andern verwechseln könnte. Allein – die frische Gattung ist, wie gewöhnlich, rechts gewunden: bey der fossilen hin - gegen laufen die Gewinde gerade um - gekehrt, links:*)Anfractibus sinistris s. contrariis – s. Chem - nitz Conchyliencabient IX. B. I. Th. tab. CV. fig. 894. u. f. und es ist eben so unerhört diesen fossilen Muriciten rechts gewunden, als jenen frischen Murex linksgewunden zu sehen. – so was ist nicht Folge der Ausartung, sondern Umschaffung durch veränder - te Richtung des Bildungstriebes.
Eine ganze Schöpfung organisirter Körper ist also einst nach aller Wahr - scheinlichkeit untergegangen, und eine neue ist ihr succedirt. Allein auch selbst in dieser neuen zeigt sich so viele Veränderlichkeit oder wie es Hr. von Haller nannte, Unbe - ständigkeit der Natur, dass einem schon à priori wie man sagt, auch hier das Aussterben ganzer Gattun - gen und die neue Entstehung von andern nicht unbegreiflich fallen dürfte, wenn auch nich beides durch wirkliche data mehr als blos wahr - scheinlich gemacht würde.
So fand sich z. B. noch zu unsrer Väter Zeit auf Isle de France und einigen benachbarten kleinen Inseln,29 aber sonst, soviel bekannt, nirgend in der Welt, eine Gattung grosser plumper träger Landvögel, von wi - derlichen Fleisch, die Dudus, deren Aufenthalt um so eingeschränkter war, da sie so wenig als der Casuar fliegen konnten. Nach den Versi - cherungen des Hrn. Morel aber, der deshalb an Ort und Stelle Unter - suchungen angestellt hat, existirt die - ser Vogel jetzt nicht mehr. Er ist allgemach ausgerottet. – Und das ist nicht unbegreiflicher und nicht unwahrscheinlicher, als dass, wie bekannt a. 1680. der letzte Wolf in Schottland erschossen worden, wo noch hundert Jahr vorher grosse Wolfsjagden gehalten wurden. So wie schon früher diele Raubthiere aus England, und 30 Jahre Später auch aus Irland vertilgt worden sind. So bleiben sich überhaupt weder die Faunen noch die Floren (wie man diese Verzeichnisse einheimischer30 Thiere und Pflanzen nennt) in ei - nem Lande beständig gleich! Genug Geschöpfe verlieren (ich aus einer Gegend, andre werden hinwiederum verpflanzt und verbreitet. Seys ab - sichtlich, so wie z. B. die Karpen nun in vielen nordlichen Ländern durch die Kunst naturalisirt worden; oder zufällig so wie sich die Ratten aus der alten Welt auch in die neue einge - nistelt haben.
Und so hat es gar nichts wider sich, dass auch in der grossen Uni - versal-Faune oder Flore der Schö - pfung (zumal aber in der erstern) einmal wie gesagt eine Gat - tung aussterben, dagegen aber auch wohl eine neue zuweilen gleichsam nacherschaffen werden kan.
Der Finnenwurm Schweinefleisch den Malpighi zuerst entdeckt hat, ist in seiner Art ein eben so31 vollkommnes wahres Thier als der Mensch und der Elephant in der ih - rigen. Nun aber findet sich, soviel bekannt, dieses Thier blos beym zah - men Hausschwein; und niemalen hingegen bey der wilden Sau, von der doch jenes abstammt. Dieser Wurm scheint also eben so wenig der Stammrace der Schweine aner - schaffen, als es glaublich ist, dass die ähnlichen Gattungen von Blasen - würmern die man neuerlich eben so wie jene Finnen mitten im Fleisch und an den Eingeweiden menschlicher Lei - chen gefunden, den Stammeltern des Menschengeschlechts sollten aner - schaffen gewesen Seyn. Wie sie freylich nacherschaffen worden, das Weis ich eben so wenig als wie in den Jünglingsjahren die ersten Saa - menthierchen entstehen: dass sie aber nacherschaffen worden, scheint mir unverkennbar, und ich rechne das zur grossen Veränderlichkeit in32 der Natur, und diese grosse Verän - derlichkeit selbst zu den wohlthätig - sten weisesten Einrichtungen des Schöpfers.
Wie eingeschränkt wäre selbst der Wirkungskreis des Menschen ohne diese selbst durch ihn zu bewirkende Veränderbarkeit der Natur. Und wie wird er nun hingegen gerade durch dieselbe recht Herr und Mei - ster der übrigen Schöpfung. Um das zu fühlen erinnere man sich blos der erstaunenswürdigen Umschaffung die er seit Entdeckung der neuen Welt zwischen ihr und der Alten vorge - nommen und ausgeführt hat.
Auch die Degeneration der Thiere und Pflanzen von ihrer ursprüngli - chen Stammrace in Spielarten, ge - hört zu den auffallenden Erweisen der Veränderlichkeit in der Schö - pfung.
In der Mitte des XVIten Jahrhun - derts kannte man keine andere Tul - pe in Europa als die gemeine gelbe Stammart. Und keine 200 Jahre nachher hatte schon ein leidenschaft - licher Liebhaber dieser Blumen, der damalige Marggraf von Baden Dur - lach bey dreytausend Abbildungen Von verschiedenen Spielarten dersel - ben zusammen gebracht. *)Biblioth. raisonnée. T. XXXIV. p. 284.
34Es ist nicht viel länger seit die er - sten wilden grünen Canarienvögel aus ihrer Heimat nach Europa ge - bracht worden, und wie sind schon längst diese Thiere in die mannich - faltigsten Verschiedenheiten – nicht blos der Farbe, sondern auch selbst der Gestaltung – ausgeartet.
Man hat die Ursachen dieser Aus - artung vorzüglich im Einfluss des Clima, der Nahrung und der Lebens - art gesucht, und freylich scheinen manche Wirkungen dieser drey Din - ge auf die Degeneration unverkenn - bar. Dass z. B. im ganzen genom - men, das Wachsthum durch die Kälte zurückgehalten wird, oder dass das individuelle Clima einer oder der andern Weltgegend auch gewisse auszeichnende Wirkungen auf die in ihr einheimischen organisirten Körper äusert. Dass z. B. in Syrien vielerley Säugthiere ein so auffallend35 langes und seidenartiges Haar haben u. dergl. m.
Aber freylich können auch sehr oft mehrere der angegebenen Haupt - ursachen der Degeneration entwe - der zusammentreffen und einander unterstützen oder aber auch die eine der andern gleichsam entgegenwir - ken und sie aufheben; daher dann freylich von tausend Phänomenen der Ausartung keine bestimmte Ursache angegeben werden kan. Genug, dass die Phänomene selbst nun ein - mal als unverkennbare Folgen der Veränderlichkeit der Natur so sind.
Natürlicher Weise haben die Ursa - chen der Degeneration auf diejenigen Hausthiere am tiefsten und mannich - faltigsten wirken müssen, die der Mensch sich schon seit langen Gene - rationen und so unterjocht hat, dass sie sich auch dabey fortpflanzen, nicht wie beym Elephanten jedes Indivi - duum erst aus der Wildniss einge - fangen werden muss: und die zu - gleich fremder Climate gewohnen, nicht wie das Rennthier in ein ein - geschränktes Vaterland wie gebannt sind.
Das gemeine Hausschwein kan hierzu einem Beyspiel statt aller die - nen, das ich um so lieber wähle, da die Abstammung dieses Thiers weit37 unbezweifelter ist als bey vielen an - dern. Der Hund z. B. artet zwar auch selbst unter unsern Augen man - nichfaltig aus, allein, es ist auch nicht völlig ausgemacht, und schwer - lich jemals ganz auszumachen, ob alle Hunde blosse Spielarten von ei - ner und eben derselben Gattung sind oder nicht. Manche grosse Natur - forscher haben bekanntlich den Schä - ferhund als die gemeinschaftliche Stammrace für alle übrigen angese - hen: andere haben sogar den Wolf und Schackal mit zu den Hunden ge - zählt: noch andere hingegen finden es nicht unwahrscheinlich, mehr als eine Stammrace von Hunden selbst, anzunehmen. Und allerdings hat meines Bedünkens die letztere Mei - nung viel für sich. Nicht zwar die Verschiedenheit der Bildung unter den Hunderacen an und für sich: denn wie sehr kan die nicht seit den laugen Jahrtausenden, da der Mensch38 schon dieses Thier, (das sich vielleicht nirgend mehr ursprünglich wild*)Der Unterschied zwischen ursprünglich wild und blos verwildert muss bey Untersuchun - gen dieser Art auf das sorgfältigste beob - achtet werden. So giebts in beiden Wel - ten verwilderte Pferde in unsäglicher Menge: aber niemand kennt das ursprüng - lichwilde Pferd. so fanden sich noch zu Anfang dieses Jahrhunderts auf der klei - nen Insel Ivan Fernandez (dem vierjäh - rigen einsamen Aufenthalt des armen Selkirk dessen wahre Geschichte bekanntlich zum Robinson Crusoë umgearbeitet worden) verwilderte Ziegen so gut wie verwilder - tes Getraide, die aber beide eben so we - nig daselbst ursprünglich zu Hause gehör - ten, als die verwilderten Affen, die sich bis jetzt auf den Felsen von Gibraltar fortgepflanzt haben. fin - det,) mehr als irgend ein anderes in seinen nähern Umgang gezogen und theils mit sich in fremde Climate ver - pflanzt hat, abgeändert worden seyn: aber das scheint mir ein Grund für39 mehr als eine ursprüngliche Race der Hunde abzugeben, dass manche, wie z. B. der Dachshund, einen so ausgezeichneten und zu bestimmten Verrichtungen abzweckenden Kör - perbau haben, dass ich mich schwer - lich überzeugen kan, diese merk - würdige Bildung für eine zufällige Folge der Degeneration und nicht vielmehr für eine absichtliche Einrich - tung des weisen Schöpfers*)Wenige Behauptungen in der Welt sind mit so unglaublichen Vorurtheil von der einen Seite verfochten und von der andern bestritten worden, als die von den End - ursachen des Schöpfers. – Die Physico - theologen haben dadurch theils seltsame Blösen gegeben, dass sie es für ihren Be - ruf hielten, von jeder Einrichtung in der Schöpfung Zweck und Absicht rein dar - zuthum. So glaubten sie z. B. bey einer Bienengattung an den Vorderfüssen der Männchen eine durchlöcherte Scheibe zu40 finden, und ermangelten nun nicht diesen Bau einen Nutzen anzudemonstriren. Das hat die weise Natur gethan, hies es, damit die Biene Blumenstaub durchsieben und dadurch die Befruchtung der Pflanzen be - fördern soll, und von Stund an hies nur das Insect die Siebbiene (Sphex cribraria.) Es gereicht einem Geistlichen der sich über - haupt viel Verdienst um die Naturgeschich - te erworben hat, dem Hrn. Hofdlac. Göë zur Ehre, dass er diesen Irthum aus der Na - tur selbst widerlegt und gezeigt hat, dass die Scheiben an den Füssen jenes Thiers gar nicht durchlöchert sind; und folglich wohl an die dem Schöpfer aus guter Mei - nung angedichtete weise Absicht nicht zu denken ist.Umgekehrt haben zuweilen Andere die Wirklichkeit einer Einrichtung in der Na - tur blos deshalb bezweifelt, weil sie keine Endursache des Schöpfers darin finden konn - ten. Als ich meinem unvergesslichen Freun - de dem seel. Camper in der Natur zeigte,41 dass, gegen die allgemeine sonstige Mei - nung, auch die Kaulquappen der Surina - mischen Kröte Pipa allerdings geschwänzt sind, wollte er, wie er selbst gesteht (in den commentation. soc. reg. scientiar. Got - tingens. T. IX. p. 119 u. f.) das Exemplar das ich ihm wies anfangs eher für eine widernatürliche Monstrosität halten, weil er nicht absehen könne, wozu diesen klei - nen Geschöpfen die in ihrer Mutter Rücken eingenistelt sitzen der Schwimm-Schwanz nutzen sollte.Wieder Andere haben hingegen fein reine Bahn gefegt und alle Endursachen in der Schöpfung geradezu geläugnet. – Noch in unsern Tagen versicherte ein berühmtes Mitglied der königl. Acad. der Wiss. zu Paris, es sey eben so lächerlich zu glau - ben, dass das Auge zum sehen bestimmt wäre, als zu behaupten, die Steine seyen bestimmt einem damit den Kopf einzu - schlagen. In der That vermuthe ich, das berühmte Mitglied hat da es dieses schrieb,42 ein wenig – – – ich will nur sagen, sich übereilt. –Ernstlich gesprochen: – ohngeachtet ich bis dato nicht weis wozu dem Babirursa seine langen, dünnen, fast zirkelförmigen Eckzähne im Oberkiefer gegeben sind, so bezweifle ich doch deswegen ihren mir noch unbekannten Nutzen so wenig als den Nutzen von zehnerley Theilen im menschlichen Körper, der Brustdrüse, den Neben-Nierchen &c. oder den zwekmäsi - gen Nutzen irgend eines andern Dinges in der Schöpfung, wenn ich ihn gleich vor der Hand noch nicht absehe.Hingegen dünkt mich bedarf es zum evidentsten Erweis der Endursachen des Schöpfers überhaupt weiter nichts, als dass man das nächste liebste solche Thier wählt, das sich durch auffallende Eigenheiten in seiner thierischen Oekonomie auszeichnet, und nun den Körperbau desselben mit sei - ner Lebensart vergleicht, und fühlt wie43 erstaunenswürdig der erstere der letztern angemessen ist. Wer z. B. nur irgend die Naturgeschichte des Maulwurfs kennt, und nun ein Maulwurfsgerippe mit einiger Ueberlegung betrachtet, und dann noch die Endursachen läugnen könnte, von dem dürfte man argwohnen das er wohl gar im Fall jenes berühmten Mitglieds der Pa - riser Academie wäre.Manchem Leser wird es auffallen, wenn er hört dass ein philosophischer Naturfor - scher von Profession wie Buffon sich gegen die Endursachen erklären konnte, und man - chen wird es nicht minder unerwartet seyn, wenn ich ihm einen Philosophen nen - ne, der ohne Naturforscher von Profession zu seyn viel wahres und schönes zum Er - weis der unverkennbaren Endursachen des Schöpfers geschrieben hat – Voltaire im Dictionn. philosoph. art. causes finales. im XXXVIII. B. der Ettingerschen Asug. zu halten.
Beym Schwein hingegen ist die Stärke der blosen Degeneration siche - rer zu übersehen; da meines wissen noch kein Naturforscher mit seinem Scepticismus dahin verfallen ist, zu bezweifeln, dass unsre Haus - schweine vom wilden Eber abstam - men; und über dem diess eins von den Thieren ist die vor Ankunft der Spanier in America, daselbst unbe -44 kannt waren, und erst aus Europa da - hin verpflanzt worden; mithin sich hier die Kürze der Zeit unwiderred - lich bedocumentiren lässt, binnen welcher die nun in jenen Welttheil verpflanzten Schweine theils zum Wunder in die sonderbarsten Spiel - arten degenerirt sind. Diejenigen z. B. die a. 1509 aus Spanien auf die wegen der Perlenfischerey damals allgemein berühmte westindische In - sel Cubagua gebracht wurden, arte - ten in eine abentheuerliche Race aus, mit Klauen die auf eine halbe Spanne lang waren*)s. Herrera hechos de los Castellanos en las Islas i tierra firme del mar oceano. vol. I. pag. 239. der Madriter Ausg. v. 1601..
Die auf Cuba wurden mehr als noch einmal so gross, als ihre Euro - päischen Stammeltern**)s. Calvigero storia antica del Messico. T. IV. pag. 145. u. s. w.
45Nun und wie ist nicht vorher in der alten Welt das zahme Schwein vom wilden ausgeartet; in seinen Bedeckungen, besonders in Rücksicht der Wollhaare zwischen den Borden; in der so auffallend verschiedenen Form des Schedels; selbst im ganzen Wuchs &c.
Und wie verschieden endlich wie - derum die Varietäten des Haus - schweins selbst, das z. B. im Piemon - tesischen fast ohne Ausnahme schwarz ist; in Bayern rothbraun; in der Nor - mandie weiss u. s. w. – wie sehr anders der Wuchs der Schweine in England mit dem ausgeschweiften Rü - cken und hangenden Bauch von de - nen im nordlichen Frankreich, die sich von jenen durch die hochempor - stehende Croupe und niederhängen - den Kopf, und beide sich wieder von dem Schwein in Deutschland aus - zeichnen. Des Schweins mit unge -46 spaltenen Klauen, dergleichen sich in Ungern und Schweden Herden - weis finden und das schon Aristo - teles kannte, so wie anderer selt - nerer Spielarten zu geschweigen.
Warum aber artet gerade das Schwein so auffallend aus? warum so weit mehr als doch manches an - dre Hausthier? Die Lösung dieses Problems fliesst aus dem obgesagten von selbst. Eben darum weil gera - de jenes Thier den Ursachen der De - generation weit mehr als manche andre ausgesetzt ist. Kein anderes unsrer insgemein sogenannten Haus - thiere ist einem so vielfachen Ein - fluss der Climate ausgesetzt als das Schwein; denn keines derselben ist so wie dieses in alle fünf Welttheile verbreitet. Keins ist so der Einwir - kung der verschiedensten Nahrungs -48 mittel unterworfen; denn keins ist so wie das Schwein animal omniuo - rum u. s. w.
Nur ein Hausthier giebt es noch (– ein Hauschier im wahren Sinn wenn gleich nicht im gewöhnlichen. Gebrauche dieses Worts –) das auch hierin alle andere Übertrift und das ist der Mensch. –
Der Unterschied zwischen ihm und andern Hausthieren ist nur der, dass diese nicht so wie er von der Natur selbst gleich zum Hausthier erschaf - fen ganz dazu gebühren sind. Man kennt den bestimmten natürlichen wilden Zustand der allermehresten Hausthiere. Aber man kennt nicht einen bestimmten natürlichen wilden Zustand des Menschen. Denn es giebt keinen, weil ihn die Natur in nichts beschränkt, sondern für jede Lebensart für jedes Clima und für49 die mannichfaltigste Nahrung ge - schaffen, ihm die ganze weite Welt zur Heimat, und beide organisirte Reiche zur Nahrung freygestellt hat.
Folglich ist aber auch auser ihm kein zweytes Thier in der Schöpfung, auf dessen solidum viuum so unend - lich mannichfaltige stimuli*)Ich bediene mich dieser beiden in der Phy - siologie der organisirten Körper jetzt so allgemein angenommenen und allgemein verständlichen Kunstwörter ohne sie zu verdeutschen, da sie so wie das Wort or - ganisirte Körper selbst u. a.m. gewiss durch die Verdeutschung an Deutlichkeit verlie - ren würden. als eben so unendlich mannichfaltig con - currirende Ursachen der Ausartung wirkten.
Zur Empfänglichkeit für jene sti - mulos wird das solidum viuum durch die ihm beywohnenden Lebenskräfte geschickt gemacht, deren verschie - dene, wenn gleich innig in einander wirkende Arten ich schon anderswo auseinander zu setzen und genauer zu bestimmen gesucht habe. *)Institut. physiolog. Sect. IV.
Unter diesen ist die allerallgemein - ste, die durch beide Reiche organi - sirter Geschöpfe herrscht, die Con - tractilität, ohngefähr das was sich Stahl einer der tiefdenkendsten Phy - siologen, unter seinem nur nicht ge - nug bestimmten Tonus oder nachher51 die Leidner Schule unter dem Na - men Actuositas dachte.
Der Sitz dieser allgemeinsten Le - benskraft ist das Zellgewebe das die Grundlage fast des ganzen organisir - ten Körpers macht, so dass z. B. im menschlichen Körper auser dem Schmelz der Zähne und etwa den äussersten Bedeckungen der Haut, alle übrige Theile hauptsächlich aus Zellgewebe bestehen, das mit den andren Stoffen so zu sagen nur wie durchzogen und getränkt ist.
Auch ist das Zellgewebe der erste organische Stoff, den die Natur aus den unorganischen Säfften bildet. so formt sie z. B. die ausgeschwitzte pla - stische Lymphe in Lungenentzün - dungen erst zum lockern Zellgewe - be, und dieses dann zu sogenannten Pseudomembranen mit wahren Blut - gefässen ꝛc.
52Die grössere oder mindere Ge - schmeidigkeit des Zellgewebes ist aber sowohl nach dem verschiedenen Lebensalter, als nach der specifischen Verschiedenheit der Gattungen von organisirten Körpern selbst gar sehr verschieden. Beym Aal ist es z. B. un - endlich zäher als bey der Forelle ꝛc.
Nun aber ist es eine Bemerkung die schon vorlängst von scharfsichti - gen Zootomen, z. B. von unsern seel. Zinn gemacht worden, dass der Mensch, in Vergleich zu andern Ge - schöpfen, die ihm in Rücksicht der körperlichen Oekonomie zunächst verwandt sind, zu den übrigen Säug - thieren nemlich, ceteris paribus das feinste, geschmeidigste Zellgewebe hat. Wohlverstanden, ceteris pari - bus, d. h. man muss nicht etwa einen alten Zigeuner mit einem ungebohr - nen Lamme vergleichen wollen.
53Diese ausnehmende Geschmeidig - keit des Zellgewebes und die davon abhängende vorzügliche Beschaffen - heit der allgemeinsten Lebenskraft ist, wie mir deucht, eine der aller - auszeichnendsten und grössten Vor - züge des Menschen. Der Vorzug, wodurch er gerade zu seiner grossen Bestimmung, die ganze Erde bewoh - nen zu können, geschikt wird. Ohn - gefähr so wie die Getraidearten bey ihrem zärtern geschmeidigen Zellge - webe, eher der verschiedensten Cli - mate gewohnen als die festere Ce - der und Eiche.
Da aber auch zugleich dieses beym Menschen so ausnehmend geschmei - dige Zellgewebe, wie gesagt, die erste und wichtigste Hauptwerkstätte des Bildungstriebes ist, so begreift sich aus allem diesen zusammengenommen, warum der Mensch folglich auch in Bildung seines Körpers und der Thei -54 le desselben so mannichfaltiger De - generation in. Spielarten, ausge - setzt ist.
Nicht unwahrscheinlich liegt auch darin die Ursache, warum das Schwein fast wie der Mensch in den mannichfaltigsten Zonen lebt, aber auch folglich, fast wie er, mannich - faltig ausartet; wenigstens zeigt sich eben in Rücklicht des Zellgewebes beider Geschöpfe manche merkwür - dige Aehnlichkeit, die z. B. bey der eigentlichen Haut (corium) die im Grunde doch nichts andres ist, als das verdichtete, mit Nerven und Ge - fässen durchwebte, Zellgewebe der äusern Oberfläche des Körpers, recht auffallend scheint. Vielleicht liegt auch darin die seit Galen's Zeiten so oft versicherte Aehnlichkeit des Geschmacks zwischen Menschen - und Schweinefleisch u. dergl. m. 55Warum hingegen diese beiden Geschöpfe von tausend andern Sei - ten, auch auser der körperlichen Bildung, so sehr von einander ver - schieden sind, wird niemand fragen, der die auszeichnenden eigenthümli - chen Vorzüge aus der Physiologie kennt, wodurch der Mensch, beson - ders auch in Rücksicht der übrigen edlern Arten von Lebenskräften, der Reaction des Sensorii u. s. w. über die ganze übrige thierische Schöpfung erhaben wird.
Es hat Leute gegeben, die ganz ernstlich dawider protestirt haben ihr eignes werthes ich mit Negern und Hottentotten in eine gemein - schaftliche Gattung (Species) im Natursystem gesetzt zu sehen. Und wiederum hats andere Leute gege - ben, die gar kein Bedenken getragen haben sich und den Orangutang für Geschöpfe einer und eben derselben Gattung zu erklären.
Denn so sagt z. B. der berühmte Philosoph und kreuzbrave Grillen - fänger, Lord Monboddo mit dür - ren Worten:„ Es ist meines Bedün - kens unwiderredlich erwiesen, dass57 die Orangutangs mit unser einem zu einerley Species gehören. “*)–„ the ouran-outangs are profed to be of our species by marks of humanity that I think are incontestable. – “
Hingegen konnte ein andrer (nur nicht so kreuzbraver) Grillenfänger, der weltberühmte philosophus per ignem Theophrastvs Paracelsvs Bombastvs nicht begreifen, dass al - le Menschenkinder zu einer und der - selben Stammrace gehören sollten, und schuf sich daher zur Lösung die - ses Zweifels auf dem Papier seine zwey Adame.
Nun könnte es zwar wohl schon für manchen etwas zur Beruhigung über diese allgemeine Familienange - legenheit beytragen, wenn ich drey Philosophen ganz anderer Art nenn - te, die, so sehr verschieden sie auch sonst in manchen ihrer übrigen Mei -58 nungen waren, doch in diesem Punkt vollkommen miteinander überein - stimmten; vermuthlich weil es ein Gegenstand der Naturgeschichte ist, und alle dreye die grössten Natur - kenner waren, die die Welt neuer - lich verloren hat: Haller, Lin - né und Büffon.
Alle dreye hielten den Menschen vom Orangutang himmelweit ver - schieden, und hingegen alle wahre Menschen, Europäer, Neger ꝛc. für blose Spielarten einer und eben - derselben Stammgattung.
Aber den mehresten Lesern ist wohl mehr damit gedient, wenn sie hier statt dreyer Namen, die drey Haupt - regeln finden, die ich bey meinen. Untersuchungen über diesen Gegen - stand immer, und wie ich zu glauben Ursache habe, mit dem grössten Nu - tzen befolgt, und dadurch manchen59 sonst ziemlich gemeinen Fehlschluss dabey glüklich vermieden habe.
I. Man muss bey dieser Untersu - chung durchaus immer die Physiolo - gie der organisirten Körper über - haupt vor Augen haben: darf nicht blos am Menschen haften bleiben, und thun, als wenn er der einzige organisirte Körper in der Natur wä - re; und etwa die Verschiedenheiten in seinem Geschlecht befremdend und räthselhaft finden, ohne zu beden - ken, dass alle diese Verschiedenhei - ten nicht um ein Haar auffallender oder ungewöhnlicher sind, als die, worin so tausend andre Gattungen von organisirten Körpern, gleichsam unter unsern Augen ausarten!
II. Man darf nie blos ein paar recht auffallend gegen einander ab -60 stechende Menschenracen ausheben, und diese nun, mit Uebergehung der Mittelracen, die die Verbindung zwischen jenen machen, so allein gegen einander aufstellen: sondern, man muss nie vergessen, dass auch nicht eine einzige der körperlichen Verschiedenheiten bey irgend einer Menschenvarietät sey, die nicht durch so unendliche Nüancen all - mählich in der andern ihre über - fliesst, dass derjenige Naturforscher oder Physiologe wohl noch gebohren werden soll, der es mit Grund der Wahrheit wagen dürfte eine be - stimmte Grenze zwischen diesen Nüancen und folglich selbst zwischen ihren Extremen festzusetzen.
III. Da bey Bestimmung der Va - rietäten im Menschengeschlecht, so gut wie in der übrigen Naturge - schichte ohne anschauliche Kennt -61 nisse kein sicherer fester Tritt gedacht werden kan, so ist es seit den 15 Jah - ren, da ich mich mit dieser Unter - suchung abgebe, die dritte Hauptre - gel für mich gewesen, alles anzuwen - den, um mir immer mehr und mehr Subsidien zu diesem Behuf aus der Natur selbst zu verschaffen.
Mein hochverehrter Herr College der Hr. Hofr. Meiners hat hierin manches anders eingesehen, das ich meinen Leiern nicht vorenthalten darf. Ich liefere also die Anmer - kungen dieses berühmten Schriftstel - lers, so wie er sie als Note zu einer Abhandlung im Göttingischen histo - rischen Magazin (VI. B. 3. St. S. 406-8) hat drucken lassen, und schalte die meinigen behörigen Orts zwischen ein.
Der Hr. Hofrath sagt nemlich:
Diese Abhandlung war schon zum Druck fertig, als mir die Anzeige einer Vorle - sung des Herrn Hofr. Blumenbach über die Schädel verschiedener Völker - schaften im 3ten St. der Göttingischen ge - lehrten Zeitungen zu Gesichte kam. In63 dieser Anzeige kommen mehrere Stellen vor, die mich zu einigen Erklärungen nöthigen. – Ich kann zwar das Jahr nicht genau angeben, wann ich zuerst das Studium der Geschichte des Menschen mit Eifer zu treiben angefangen habe; allein es ist doch schon sehr lange, seit ich be - merkt habe, daß man ganze Völkerschaf - ten eben so wenig, als einzelne Men - schen, nach der Bildung eines einzigen Theils des Cörpers, und wiederum daß Man die eigenthümliche Bildung eines ge - wissen Theils des Cörpers in ganzen Na - tionen nicht nach einzelnen Knochen beur - theilen könne: daß ferner nicht alle die in den Türkischen Heeren dienen, oder den, Namen der Neger tragen, wahre Türken und Neger, seyen: und daß man endlich aus einigen Neger-Schädeln gar nichts sicheres und vollständiges für die Varietä - ten der Neger, oder nur ihrer Köpfe schließen könne, so lange es nicht ausge - macht ist, ob die Neger, denen sie zuge - hörten, in Afrika, oder West-Indien und America geboren worden, und wenn in Afrika, ob sie diesseits oder jenseits des Aequators, und wenn diesseits, ob sie dies -64 seits oder jenseits des Sierra Liona gebo - ren worden?
Die eine dieser Bemerkungen, die der Hr. Hofr. schon seit sehr lange gemacht zu haben versichert, dass nemlich nicht alle die in den türki - schen Heeren dienen, wahre Türken seyen, ist in der That eben so unbe - zweifelt richtig, als dass nicht alle die von der Insel Formosa geschrie - ben haben, wahre Formosaner wa - ren. –
Wenn nun aber zuverlässige Be - obachter, (wie sie der Hr. Hofr. un - ten verlangt) den Köpfen der wah - ren Türken eine auszeichnende durch die Kunst bewirkte Form zuschrei - ben, und ich erhalte ein paar Sche - del aus dem türkischen Heer von Oczakow, und diese Schedel haben jene auszeichnende Form so, dass sie auch ein Blinder schon auf den ersten Griff durchs Gefühl anerkennen65 müsste, und sie kommen darin nicht nur beide mit einander, sondern auch mit einer dritten calvaria in meiner Sammlung überein, die von einem türkischen Officier ist, der hundert Jahre vorher bey Fünfkirchen blieb, und alle dreye wieder mit den Por - trätmässigen Abbildungen wahrer Türken von Meisterhand, die ich vor mir habe; so muss ich entweder glauben, dass meine Schedel auch wahre Türkenschedel sind, – oder aber, dass ein curioser Zufall, wie der, der einst die sechs gekrönten Häupter im Candide zusammen - brachte, mir drey sceletirte Häupter von Nicht-Türken, und doch mit allen auszeichnenden Characteren wahrer Türken, mitten aus den türkischen Heeren, in meine Samm - lung nach Göttingen gespielt hat.
Was die Negerschedel in eben dieser Sammlung betrift, so ist es66 nach den mir davon zugekommenen Nachrichten so gut wie ausgemacht, dass sie Sämtlich in America jung worden. Zu meinem Zweck ist es hinreichend, das ich weis, und bey zweyen derselben, die ich mit Haut und Haar bekommen, und die ge - rade die mindst auffallende Gestal - tung haben, durch die dabey in Spiritus auf bewahrten weichen Thei - le, Augen, Ohren ꝛc. zeigen kan, dass sie wahren Negern, und nicht et - wa Mulatten, oder Europäern mit negerartiger Bildung des Kopfs, zu - gehörten.
Die übrigen Bemerkungen die der Herr Hofr. in dem obigen Absatz ebenfalls schon seit sehr lange ge - macht zu haben versichert, sind mir, wie man zu sagen pflegt, wie aus der Seele geschrieben.
67Es kan keinen eifrigern Freund der natürlichen Methode in der Natur - geschichte, und namentlich in dem - jenigen Theil derselben, der das Menschengeschlecht betrift, geben, als mich, da ich so oft, und noch gerade in der gedachten Societäts - vorlesung selbst, für den Urtheilen nach der Bildung eines einzigen Theils des Körpers gewarnt; über - haupt aber kein Stück in meiner Sammlung zur Menschengeschichte anders gebraucht habe, als wozu es gut ist. Nimmermehr werde ich z. B. mir einfallen lassen, aus meinen Schedeln zu demonstriren, ob sie wei - land gerne Schweinefleisch oder wirk - liche Schweinereyen gegessen ꝛc. – da ich alle solche Untersuchungen zur Menschengeschichte ein für allemahl dem philosophischen Sammler-Geist der Herren Demeunier u. a. über - lasse.
68Hingegen wenn die Frage von Nationalbildung der Menschenvarie - täten ist, da thun sie, deucht mir, ganz gute Dienste: so wie man denn überhaupt meines wissens, des Glau - bens ist, dass es im Studium der Na - turgeschichte gar wohl gethan sey die Natur selbst zu consultiren.
Der Herr Hofr. selbst scheint das zu fühlen, da er fortfährt:
Ich gebe gerne zu, daß wir alle, die wir uns mit dem Studio des Menschen beschäfftigen, sicherere Tritte thun wür - den, wenn wir uns von allen Völkern, die wir untersuchen wollen, eine anschau - liche Kenntniß verschaffen könnten; al - lein da dieses nun einmal nicht möglich ist, so müssen wir uns, wie andere Ge - schichtforscher, und Geschichtschreiber, da, wo unsere eigene Erfahrung uns verläßt, mit den Nachrichten von fähigen und glaubwürdigen Zeugen begnügen.
69Richtig: wo unsere eigene Erfah - rung uns verlässt, da müssen wir uns mit den Nachrichten von fähi - gen und glaubwürdigen Zeugen be - gnügen. – So macht es wohl jeder Naturforscher in der Welt, wenn ihn die eigne Erfahrung über Wall - fische und hundert andre Geschöpfe verlässt.
Aber gerade dieses hier so vortreff - lich an seinem rechten Orte stehende wenn, scheint doch die unabbittli - che Verpflichtung des Naturforschers vorauszusetzen, dass er auch alles anwenden müsse, was in seinen Kräf - ten ist, um vor allen Dingen sich so viele eigene Erfahrung als möglich, zu verschaffen.
Alle die Nachrichten von noch so fähigen und glaubwürdigen Zeugen, sind im Grunde doch für den Wahr - heitsuchenden Naturforscher nichts70 mehr und nichs weniger als eine Art symbolischer Bücher, die er mit gu - ten Gewissen nie anders als quatenus unterschreiben kan, in so fern sie nemlich mit dem geoffenbarten Wort im Buch der Natur übereinstimmen, und um diess zu beurtheilen muss er sich in diesem Buch so viel Bele - senheit und dadurch eben so viel Er - fahrung als möglich, verschaffen, und das habe ich denn meines wis - sens in meinem Studium der Natur - geschichte des Menschengeschlechts auch nach besten Vermögen zu thun gesucht.
Da ich als Doctorand meine Dis - sertation de generis humani varietate nativa ausarbeitete, war alles was damals in meinem Vermögen stand, die dazu gehörigen Nachrichten von Zeugen, die man für fähig und glaubwürdig hielt, zusammen zu schreiben und zu vergleichen. Aber71 schon damals habe ich das Unvoll - kommene meiner zwar gutgemein - ten jugendlichen Arbeit, den Man - gel der nöthigen Avtopsie keineswe - ges verkannt oder geläugnet. – Ich hatte wenigstens gefürchtet dass den Lesern der Fuchs mit den Trauben beyfallen möchte.
Ich habe seitdem diesem Mangel so viel an mir gewesen ist, möglichst abzuhelfen gesucht, ohne dabey den unablässigen Gebrauch der Reisebe - schreiber und andrer fähigen und glaubwürdigen Zeugen im mindesten zu vernachlässigen. Vielmehr habe ich zu diesem Zweck etwas gethan, was vielleicht nicht viele thun, dass ich, nachdem ich ihrer schon eine Menge gelesen hatte, vor ohngefähr zehn Jahren anfing, die ganze sehr beträchtliche Sammlung von Reise - beschreibungen auf der hiesigen Uni - versitäts-Bibliothek von vorne bis zu72 Ende durchzugehen, so dass ich meh - rere Jahre hindurch immer ein halbes Dutzend nach dem andern, so wie sie der Ordnung nach im Fache folgten, zu Hause hatte, und die, so ich nicht vorher schon benutzt hatte, zu meinem Gebrauch excerpirte, so dass ich nun seitdem blos die immer neu hinzukommenden gelegentlich nachzuholen suche.
Der Herr Hofr. sagt weiter:
Nach der geringen Kenntniß, die ich von der Kritik habe, sind die übereinstim - menden Zeugnisse von zuverlässigen Beob - achtern, die viele Hunderte oder Tausende desselbigen Volks Jahre lang vor Augen hatten, die also bey allen Verschiedenhei - ten von Individuen das Uebereinstimmen - de in der Bildung des Cörpers, und in den Anlagen des Geistes und Herzens wahrnehmen konnten, eine viel reichere und bessere Quelle für das Studium des Menschen, als einer, oder einige Schädel von ungewisser Abkunft.
73Nach der gleichfalls geringen Kenntniss die auch ich von der Kri - tik habe, unterschreibe ich diesen Pa - ragraphen von ganzen Herzen, und bin noch jetzt wie von je des festen Glaubens, dass die übereinstimmenden Zeugnisse von zuverlässigen Beobach - tern mehr sagen wollen, als einer oder einige Schedel von ungewisser Abkunft.
Daher kan man auch nicht behut - samer seyn, als ich es bin, erstens, alle die Schedel in meiner Sammlung die von ungewisser Abkunft scheinen, schlechterdings von den unbezwei - felten zu sondern: – und zweytens von diesen letztern selbst auch den pertinenten Gebrauch zu machen, und daher z. B. nicht leicht von ihrer Form auf die Anlagen des Herzens zu schliesen.
74Keine Nation ist sich selbst so gleich in allen ihren Mitgliedern, daß nicht unter mehrern Individuen auch ohne Knochen - Krankheiten, und andere gewaltsame Ver - letzungen beträchtliche unterschiede in An - sehung der ganzen Natur, und besonders der Bildung einzelner Theile des Cörpers eintreten sollten; und eben deßwegen ist es nothwendig, daß wenn man sich eine an - schauliche Kenntniß von den unterschei - denden Eigenthümlichkeiten ganzer Natio - nen verschaffen will, man nicht bloß eini - ge Schädel, sondern viele Individua beobachte, und mit einander vergleiche.
Eben die unwiderredliche Wahr - heit auch dieser vortreflichen Bemer - kung ist längst Ursache gewesen, dass ich mich bey meinen Sammlun - gen bey leibe nicht blos auf Schedel allein eingeschränkt, sondern alles was zum Studium dieses Theils der Thiergeschichte gehört, Embryonen > allerhand weiche Theile des Körpers, Haare ꝛc. so wie auch Gypsabgüsse,75 porträtmäsige Abbildungen von man - cherley Völkern u. dergl. m. zusam - men zu bringen gesucht und noch täglich mehr Suche, und dann diese vielen Individua sorgfältig beobachte und sowohl untereinander als mit den Nachrichten von fähigen und glaubwürdigen Zeugen auf unsrer Universitäts-Bibliothek vergleiche. Und darum habe ich nun auch ange - fangen einen Theil dieser Sammlun - gen in getreuen Abbildungen be - kannt zu machen, um dadurch andern Naturforschern und Physiologen Ge - legenheit zur weitern Vergleichung mit immer mehr und mehr Indivi - duen zu geben.
Wer Lust hat, das menschliche Geschlecht nach seiner Art einzutheilen, der mag es entweder nach den verschiedenen Schatti - tirungen von Farbe, oder nach den Kö - pfen, oder nach den verschiedenen Bildun - gen von Nasen, oder Ohren thun; nur muß es andern nicht verargt werden, wenn76 sie glauben, daß Eintheilungen, die sich auf einzelne körperliche Merkmale grün - den, nicht so sicher und fruchtbar sind, als solche, in welchen man auf alle unterschei - dende Merkmale des äussern und innern Menschen, so weit sie bekannt sind, Rück - sicht genommen hat.
Eine wiederholte Bestätigung der obigen, mir wie gesagt gleichsam aus der Seele geschriebnen Warnung für Eintheilung der Geschöpfe nach ein - zelnen körperlichen Merkmalen.
Auch wüsst ich nicht, dass es mir je verargt worden wäre, dass ich in meinem ganzen Studium der Natur - geschichte immer am liebsten auf alle unterscheidende Merkmale Rücksicht nehme, – so weit ich sie mir zuför - derst aus der Avtopsie, und wo mich, wie obgedacht, meine Erfahrung ver - lässt, aus den Nachrichten von fähi - gen und glaubwürdigen Zeugen, bekannt zu machen im Stande bin.
77Der Herr Hofr. schliesst nun mit den Worten:
Wenn man sich auf ein einziges Merk - mal einschränkt; so kann man leicht auf den Einfall kommen, daß es nicht viel mehr der Mühe werth sey, die ursprüng - lichen Unterschiede von Menschen-Raçen, als die Spiel-Arten von gewissen Blumen aufzusuchen: ein Einfall, der den gerech - ten Verdacht erwecken würde, daß sein Ur - heber mit der ganzen Untersuchung selbst nur gespielt habe.
Ich hatte gesagt:„ so gut man die Spielarten von Nelken und Tul - pen classificirt, eben so füglich auch die Spielarten im Menschen - geschlecht. “– diess sind meine Worte, und hierwider wird hoffent - lich niemand etwas einzuwenden haben.
Ein verdächtiger Kunstgriff würde es aber seyn, wenn mir jemand diese meine Worte dahin verdrehen woll -78 te, als ob ich es nicht viel mehr der Mühe werth hielte, die ursprüngli - chen Unterschiede von Menschenra - cen, als die Spielarten von gewissen Blumen aufzusuchen: – ein Kunst - griff, der den gerechten Wunsch er - wecken würde, dass sein Urheber lieber alles in der Welt gespielt, als sich denselben erlaubt haben möchte.
Nun wieder auf die obigen drey Regeln zu kommen, die eben den Anlass zu dieser kleinen Excursion gegeben haben, so bin ich bey der vieljährigen fleissigsten Beobachtung derselben zwar zu keiner neuen frappanten Entdeckung, aber was mir für mein Studium eben so lieb seyn muss, zur Ueberzeugung von einer alten nur neuerlich hin und wie - der bezweifelten naturhistorischen Wahrheit gekommen.
Ich finde nemlich nach allem was ich, soviel möglich zuförderst durch anschauliche Kenntniss, und wo ich mir diese nicht verschaffen konnte, aus den Nachrichten fähiger und glaub - würdiger Zeugen, über die körperli -80 chen Verschiedenheiten im Menschen - geschlecht, gelernt und mit den kör - perlichen Verschiedenheiten bey an - dern Gattungen von organisirten Körpern, zumal unter den Hausthie - ren verglichen habe, – keine einzi - ge Verschiedenheit bey jenem die man nicht auch bey manchen von diesen und zwar als unverkennbar - ste Folge der Ausartung, bemerken sollte.
Folglich sehe ich auch nicht den mindsten Scheingrund, warum ich, die Sache naturhistorisch und phy - siologisch betrachtet, nur irgend be - zweifeln dürfte, dass alle Völker al - ler bekannten Himmelsstriche zu einer und eben derselben gemein - schaftlichen Stammgattung (Species) gehören.
So gut man aber, wie gesagt, doch die Spielarten von Nelken und Tul - pen classificirt, eben so füglich auch81 die Spielarten die im Menschenge - schlecht aus dieser gemeinschaftli - chen Stammgattung entstanden sind.
Nur dass, da alle auf den ersten Blick auch noch so auffallende Ver - schiedenheiten im Menschenge - schlecht bey näherer Beleuchtung durch die unmerklichsten Uebergän - ge und Mittel-Nüancen ineinander fliesen, keine andere als sehr will - kührliche Grenzen zwischen diesen Spielarten gezogen werden können, zumal, wenn man wie billig dabey nicht blos auf eine oder die andere, sondern nach den Eigenschaften ei - nes natürlichen Systems auf alle kör - perliche Kennzeichen zugleich, Rück - sicht nimmt.
so weit ich mir inzwischen die Völker der Erde, zumal nach den Heuerten Reisen nach dem stillen O - cean bekannt zu machen gesucht ha -82 be, so lassen sie sich meines wissens am allernatürlichsten unter folgende fünf Spielarten bringen:
I. Die Europäer und westlichen A - siaten, disseits des Obi, des Cas - pischen Meers und des Ganges, nebst den Nord-Africanern. Mit einem Wort ohngefähr die Be - wohner der den alten Griechen und Römern bekannten Welt. Sie sind von Farbe mehr oder weniger weiss, und nach den Europäischen Begriffen von Schönheit die bestgebildetsten Menschen.
II. Die übrigen Asiaten, jenseits des Obi, des Ganges ꝛc. nebst den nordlichsten Americanern (an der weltlichen Küste nemlich etwa bis nach Alashka und an der ostlichen bis Labrador.) Sie sind meist gelbbraun, dünnbe -83 haart, haben platte Gesichter und enggeschlitzte Augenlieder.
III. Die übrigen Africaner; mehr oder weniger schwarz, mit stär - ker prominirenden Untertheil des Gesichts, wulstigen Lippen, stumpfer Nase, und meist krau - sen Haar.
IV. Die übrigen Americaner; meist von Kupferrother Farbe, man - nichfaltiger meist durch Kunst bewirkten Form des Kopfs, und straffen schlichten Haar.
V. Die Südsee-Insulaner oder die Bewohner des fünften Welt - theils, bis wieder gen Ost-Indi - en. Sie sind meist schwarzbraun, breitnasicht, und grosmaulicht mit dichten Haarwuchs und starkausgewirkten Gesichtszü - gen.
Auch Gottes Ebenbild, wie Ful - ler sagt, wenn gleich aus Eben - holz gearbeitet.
Man hat diess zuweilen bezwei - feln und dagegen behaupten wollen, die Negern seyen in ihrem Körper - bau specifisch von den übrigen Men - schen verschieden und müssten die - sen auch in der Anlage ihrer stum - pfern Geistesfähigkeiten bey weiten nachstehen.
Eigne Beobachtung, verglichen mit den Nachrichten glaubwürdiger präjudizloser Zeugen, haben mich aber längst vom Ungrund dieser dop - pelten Behauptung überführt.
85Ich brauche nicht alles das zu wiederholen, was ich anderwärts ausführlich zur Widerlegung dersel - ben gesagt habe: nur eins und das andre darf ich nicht ganz unberührt lassen.
Ich kenne z. B. keinen einzigen auszeichnenden körperlichen Chara - cter der den Negern eigenthümlich wäre und sich nicht auch bey man - chen andern noch so entfernten Völ - kerschaften finden sollte: keinen, der den Negern in gleichem Grade ge - mein wäre, und worin sie nicht wie - derum mit andern Völkern durch unmerkliche Uebergänge gleichsam zusammenfliessen sollten, so wie je - de andre Menschenvarietät mit ihren benachbarten Völkerschaften zusam - men fliesst.
Die Farbe der Haut z. B. haben sie mit den Einwohnern von Mada -86 gascar, Neu-Guinea, Neu-Holland ꝛc. mehr oder weniger gemein. Und von den schwärzesten Negern in Nord-Guinea geht das durch unmerk - liche Nuancen, bis endlich zu den Mauren, unter welchen manche, zu - mal die Weiber, nach Shaw's Ver - sicherung die weisseste Haut haben, die man sich vorstellen kan.
Das krause Wollhaar ist erstens bekanntlich nicht allen Negern ge - mein, denn selbst von denen in Nigritien sagt Barbot, dass sie theils krauses, theils schlichtes Haar ha - ben: und eben das bestätigt Ulloa von den Negern im Spanischen Ame - rica. Zweytens aber ist das soge - nannte Wollhaar auch bey weiten nicht etwa den Negern eigen, son - dern findet sich eben so bey manchen Völkern der fünften Spielart wie z. B. bey den Ygoloten auf den Phi - lippinen, bey den Einwohnern der87 Charlotten-Inseln u. a.m. und eben so auch bey manchen von der dritten Varietät die doch nicht zu den Negern gezählt werden. So bey manchen Abissiniern wie z. B. beym berühmten Abbas Gregorivs von welchem ich das schöne Bildnis, das Heiss im J. 1691 nach van Sand gestochen, vor mir habe*)–„ crispos capillos vt caeteri aethiopes habebat “– sagt sein Freund Lvdolph in der Schil - derung die er von ihm giebt.. Und so sagt auch Sparrmann von den Hottentotten, dass ihr Haar noch mehr Wollartig sey als der Neger ihres; das ich durch die Gemälde von Hot - tentotten und Caffern bestätigt fin - de, die vor einigen Jahren mit dem Pflanzentransport vom Cap an den vorigen Kaiser geschickt worden, und wovon ich durch die Güte des Hrn. Berg R. von Jacquin genaue Copien erhalten habe.
88Was die Gesichtsbildung der Ne - ger betrift, so ist freylich der Abstand auffallend wenn man gerade einen hässlichen Neger (deren es freylich so gut giebt als häßliche Europäer) einem griechischen Ideal entgegen stellt. Aber diess ist eben gegen eine der obigen Regeln gefehlt. Sobald man hingegen auch hier die Uebergänge verfolgt, so schwindet das Auffallen - de zwischen zwey gegen einander contrastirenden Extremen gar sehr, – und freylich Extreme müssen hier so gut seyn als bey allen andern Ge - schöpfen die in mancherley Varietä - ten ausarten. –
Hingegen kan ich versichern, dass unter den Negern und Negressen die ich mit Aufmerksamkeit betrach - ten können, und ich habe ihrer nicht wenige gesehen, so wie unter den porträtmässigen Abbildungen und Silhouetten von andern, und89 unter den Negerschedeln in meiner Sammlung und denen die ich sonst gesehen und denen wovon ich Zeich - nungen und Kupferstiche vor mir habe, nicht zweye sind die einander in der Bildung völlig glichen, son - dern dass sie alle von einander ver - schieden sind, und durch mancherley Abstufungen mit der Gestaltung an - drer Menschenkinder bis zur ange - nehmsten Bildung unvermerkt zusam - men fliessen. Von der Art war z. B. eine Creole die ich in Yverdun beym Hrn. Chevalier Treytor - rens gesprochen, die derselbe mit aus St. Domingo gebracht und deren beide Eltern aus Congo waren. Ein Gesicht, das durchaus – selbst in der Nase und den etwas stärkern Lippen, – doch so gar nichts auf - fallendes, geschweige denn unan - genehmes hatte, dass die gleichen Züge bey einer weissen Haut, gewiss allgemein gefallen haben müssten,90 gerade so wie le Maire in seiner Reise nach Senegal und Gambien sagt: dass es Negressen gebe, die, von der Farbe abstrahirt, so wohl gebildet seyen als unsre Europäi - schen Damen. Auch Adanson, dieser genaue Naturforscher, be - stätigt diess von den Senegambi - schen Negressen:„ sie haben “sagt er,„ schöne Augen, kleinen Mund und Lippen, und wohl proportionirte Gesichtszüge: man findet welche von einer vollkommenen Schön - heit*)–„ d'une beauté parfaite “–: sie sind voll Lebhaftig - keit und haben vorzüglich einen leichten freyen gefälligen Anstand. “Nun gerade so war die Negresse in Yverdun und mehrere andere Ne - gressen und Negern, die ich seitdem näher kennen zu lernen Gelegen - heit gehabt, und die mich zugleich von der Warheit dessen überführt haben, was so viele unverdächtige91 Zeugen von den guten Geistesanla - gen und Fähigkeiten dieser unsrer schwarzen Brüder versichern, als worin sie so gut wie in der natürlichen Gutherzigkeit schwerlich einer an - dern Spielart im Menschengeschlech - te im Ganzen genommen nachstehen. Ich sage sehr bedächtlich im Ganzen genommen, und natürliche Guther - zigkeit, die nemlich nicht auf dem Transportschiff und in den Westindi - schen Zuckerplantagen durch die viehische Brutalität ihrer weissen Henker so betäubt oder erstickt worden, dass diese weissen Henker, so wie ohne Herz so auch obendrein ohne Kopf seyn müssten, wenn sie bey einer solchen Behandlung noch Treue und Liebe von diesen Sclaven verlangen wollten. Der grosse helle Beobachter der Natur, Aublet, be - ruft sich in seiner meisterhaften treu - en Schilderung des natürlich-guten. Characters der Neger, auf die Con -92 fessionen von Europäern die in der Algirischen Gefangenschaft gewesen waren und aufrichtig gestanden hat - ten, das sie in dieser Lage gerade eben so bösherzig und gegen ihre damaligen Patrone gerade eben so gesinnt gewesen wie ein Neger in diesem Fall es nur irgend gegen den seinigen in den Colonien seyn könne. Hingegen habe ich nun seit einem halben Jahre täglich eine brave Ne - gresse unter meinen Augen, der ich oft in Gedanken das sage, was Wie - land's Democrit seiner guten sanft - herzigen krauslockigen Schwarzen sagt, und was auch von andern prä - judizlosen Beobachtern unverdorbe - ner Schwarzen so oft bestätigt wor - den, dass es sich nicht der Mühe lohnt, die Zeugnisse darüber zusam - menzuthürmen.
Eher lohnt es sich wohl der Mühe, einige nicht so allgemein93 bekannte merkwürdige Beyspiele von der Perfectibilität der Geistes - kräfte und den Talenten der Neger hier aufzustellen, die freylich auch niemanden unerwartet seyn werden, wer in den Nachrichten der zuver - lässigsten Reisenden von den natürli - chen Anlagen der Neger bewandert ist. So sagt z. B. der classische äus - serst genaue Barbot in seinem gros - sen Werke von Guinea: –„ die Schwarzen haben grösstentheils Kopf und Verstand genug; sie fassen leicht und richtig, und ihr Gedächt - nis ist von einer fast unbegreiflichen Stärke: denn ob sie schon weder le - sen noch schreiben können, so blei - ben sie doch selbst in der grössten Ei - le der Geschäfte und des Handels in ihrer Ordnung und werden selten irre. “–„ Seit sie so oft von den Eu - ropäern betrogen worden, sind sie nun im Handel und Wandel mit denselben beständig auf ihrer Hut,94 untersuchen sorgfältig alle unsre Waaren, Stück für Stück, ob sie alle in Güte und Maas die bedungene Probe halten: z. B. ob die Tücher und Zeuge dauerhaft sind, ob sie in Haar - lem oder in Leiden gefärbt worden, u. dergl. m. “–„ kurz sie prüfen jedes Ding mit so viel Klugheit und Geschick als irgend nur ein Europäi - scher Handelsmann es thun kan. “–
Ihr Geschick zu Erlernung aller Art von feiner Handarbeit ist bekannt. Man rechnet dass wohl 9 / 10 von den gewöhnlichen Handwerksleuten in Westindien, Neger sind.
In Rücksicht ihrer Talente zur Musik brauche ich mich nicht erst auf die Beyspiele zu berufen, da Neger in America durch dieselben so viel verdient, dass sie sich für grosse Sum - men frey kaufen können: da es selbst in Europa nicht an Beyspielen von95 Schwarzen fehlt, die sich als wahre Virtuosen gezeigt. Der junge Frei - dig in Wien ist als ein meisterhaf - ter Conzertist auf dem Violon und der Violine sehr bekannt: und eben dieser trefliche junge Mann ist ein ausnehmender Zeichner der sich mit dem grössten Glück auf der dortigen Academie unter Schmutzer gebil - det hat.
Nun und ebenfalls in Wien lebt ja der würdige und so sehr ausge - bildete alte Angelo Soliman, Ge - sellschafter beym Fürsten Alois Lichtenstein.
Als Beyspiele von Anlagen der Ne - ger zu mathematischen und physica - lischen Wissenschaften, nenne ich blos den Russischen Artillerie-Obri - sten Hannibal und den Neger Lislet auf Isle de France, der wegen seiner vortreflichen meteorologischen Be -96 obachtungen von der Pariser Acade - mie der Wissenschaften zu ihrem Cor - respondenten ernannt worden.
Hr. D. Rush in Philadelphia ar - beitet jetzt an der Geschichte des Neger Fuller in Maryland, der we - gen seiner ausnehmenden Fertigkeit im Rechnen neulich so bekannt wor - den. Um denselben auf die Probe zu setzen fragte man ihn in einer Ge - sellschaft, wie viel Secunden ein Mann gelebt habe der 70 Jahr und so und so viel Monate ꝛc. alt worden. In anderthalb Minuten gab Fuller die Zahl an. Man rechnete nach, aber das Resultat war nicht dasselbe. –„ Sie haben doch nicht vergessen “sagte der Neger,„ die Schalttage mit in Anschlag zu bringen? “diese wur - den nun erst supplirt und nun traf alles auf ein Haar zu.
Von den nicht gemeinen Einsich - ten der Neger in die practische Arz -97 neykunst haben Boerhaave und de Haen die vortheilhaftesten Zeug - nisse gegeben. Eben so sind Neger als sehr geschickte Wundärzte be - kannt worden. Und die gedachte hübsche Negresse zu Yverdun kennt man weit und breit in der welschen Schweiz als eine vortrefliche Hebam - me von soliden Kenntnissen und einer feinen geübten Hand.
Ich übergehe den Wesleyischen Methodisten – Prediger Madoks, so wie die Negern und Negressen die Gedichte geschrieben haben. Herr von Haller gedenkt einer Negresse die Dichterin war, und von dreyen Negern habe ich selbst englische, holländische und lateinische Gedich - te in Händen.
Aber einiger andrer Neger die als Schriftsteller berühmt worden sind, und deren Werke ich besitze, darf ich noch besonders gedenken:
98Unser seel. Hollmann hat, da er noch Prof. in Wittenberg war, a. 1734 den Neger Ant. Wilh. Amo zum D. der Weltweisheit creirt, der sich sowohl in Schriften als auch als Docent vortheilhaft gezeigt hat, und von welchem ich zwey Abhandlun - gen vor mir habe, wovon zumal die eine viele unerwartete und wohl - verdaute Belesenheit in den besten physiologischen Werken jener Zeit verrätht. *)Der Titel der einen ist: Diss. inaug. philo - sophica de humanae mentis απαϑεια s. sen - sionis ac facultatis sentiendi in mente humana absentia, et earum in corpore nostro organico ac vino praesentia, auctore Ant. Guil. Amo Guinea-Afro. Die andere führt den Titel: Disp. Philosophica continens ideam distinctam eorum quae competunt vel menti vel corpori nostro vino vel organico. In einer Nachricht von Amo's Leben, die bey dieser Gele - genheit im Namen des academischen Concilii gedruckt worden, wird sei -99 ner ausnehmenden Rechtschaffenheit, so wie seinen Fähigkeiten, seinem Fleis und seiner Gelehrsamkeit grosses Lob ertheilt. Es heisst z. B. von seinen philosophischen Vorlesungen excussis tam veterum quam nouorum platitis, optima quaeque selegit, selecta enucleate ac dilucide interpretatus est u. s. w.
In den 40er Jahren studirte der Neger Iac. Elisa Ioh. Capitein zu Leiden Theologie, der als ein acht - jähriger Knabe geraubt, an einen Scla - venhändler am St. Andreas Fluss ver - kauft worden, und so durch die dritte Hand nach Holland gekommen war. Ich habe mehrere Predigten*)Uitgewrogte Predikatien in's Gravenhage en t'Ouderkerk aan den Amstel gedaan door Iac. Elisa Io. Capiteein, Africaansche Moor, beroepen Predikant op D'Elmina aan bet Kasteel St. George, Amst. 1742.4. und Gedichte von ihm, die ich in ihrem Werth beruhen lasse; interessanter100 aber und berühmter ist seine Disser - tatio politico-theologica de seruitute li - bertati christianae non contraria die er den 10. März 1742 in Leiden öffent - lich vertheidigte und wovon ich die holländische Uebersetzung habe*)staatkundig-Godgeleerd Onderzoekschrift over de Slaverny, als niet strydig tegen de Chri - stelyke Vryheid. Leiden, 1742. 4. mit dem schön gestochenen Bildniss des Verf. von F. v. Bleyswyck. Ein andres Portrait von ihm besitze ich auf einem treflichen Blatt, das Tanjé nach P. van Dyk gestochen hat., wovon damals vier Auflagen gleich hinter einander vergriffen worden. Er ward hierauf in Amsterdam zum Prediger nach D'Elmina ordinirt, wohin er bald nachher abreisste. – Der Herr Prof. Brugmans in Lei - den der mir die Schriften dieses ordi - nirten Negers verschaft hat, schreibt mir dabey, dass nach der Hand von seinem dortigen Schicksal eine dop - pelte Sage gegangen: als ob er nem -101 lich entweder ermordet worden, oder aber wieder unter seine wilden Landsleute gezogen und dieser ihren Glauben und Leben gegen das in Eu - ropa erlernte vertauscht habe. – Im letztern Fall gäbe seine Geschich - te das Gegenstück zu des Europä - isch erzognen und cultivirten Hotten - totten seiner, dessen völlig gleichen Patriotismus Rousseau verewigt hat*)s. das Titelkupfer zu seinem Discours sur l'inegalité parmi les hommes. ; und dieser unwiderstehliche Zug zu den väterlichen Penaten wä - re wenigstens weit weniger befrem - dend als dass wie bekannt, ehedem da die Caraiben noch ein ansehnli - ches und kriegerisches Volk aus - machten, junge Engländer die von ihnen geraubt worden, und eine Zeitlang mit ihnen gelebt hatten und eingewohnt waren, an diesem rohen Stand der Natur so grossen Ge - schmack fanden, dass sie gar nicht102 wieder ausgewechselt zu werden, und zu ihren Landsleuten zurück - zukehren verlangten.
Neuerlich sind zwey vortrefliche Neger in England als Schritsteller berühmt worden. Sancho und Vassa. Jener durch seine Briefe: dieser durch seine eigne Lebensbe - schreibung, die ich beide durch die Güte meines Freundes des Hrn. D. Crichton in London erhalten habe.
Ignatius Sancho war 1729 am Bord eines Sclavenschiffs gebohren, das von Guinea nach dem Spanischen Westindien segelte. In Carthagena ward er vom Bischof getauft, ver - lohr aber seine Mutter sehr bald an einer endemischen Krankheit, und sein Vater befreyte sich vom Scla - venjoch durch einen freywilligen Tod. Der junge Ignaz kam schon in seinem dritten Jahre nach Eng -103 land, wo sich durch glückliche Con - juncturen der Herzog von Montagu, so wie die Herzogin von Queensber - ry und die von Northumberland sei - ner annahmen und in den Stand setzten, dass er eine glückliche Hei - rath treffen und durch einen kleinen Handel seine zahlreiche Familie an - ständig erhalten und doch dabey sei - ne Neigung zu den schönen Wissen - schaften und Künsten (besonders zur Musik und Zeichenkunst) befrie - digen konnte. Sterne und Garrick waren seine Freunde. Vorzüglich hatte er leidenschaftliche Liebe fürs Theater, hat auch selbst ein paar Stücke dafür verfertigt, und es war blos ein Fehler in seiner Aussprache Schuld, dass er nicht wie er wollte, selbst als Othello und Oroonoko auf - treten konnte. Er starb im Dec. 1780; und nach seinem Tode hat ein Frauenzimmer von seiner Bekannt - schaft anderthalbhundert: der interes -104 santsten Briefe aus den letzten 13 Jahren seines Lebens von seinen Freunden an die sie geschrieben wa - ren noch zusammen gebracht, und sie zugleich nebst einigen seiner Aufsätze die in englische Blätter wie z. B. in den public Advertiser, in die Mor - ning post u. a. eingerückt worden, her - ausgegeben*)Die dritte Ausg. die ich vor mir habe, er - schien in London bey Nichols unter dem Titel: Letters of the late Ignatius San - cho, an African. to which are prefixed Me - moirs of his Life. 1784. in Octav.. Unter den letztern ist auch einer über den unglücklichen D. Dodd dessen Predigten Sancho fleisig besucht hatte; so wie ein an - derer zu Gunsten eines dürftigen gebrechlichen 86jährigen Nachkom - men von Hugo Grotius. – Da kein einziger jener Briefe (die übri - gens die mannichfaltigsten Gegen - stände aus dem häuslichen Leben, so wie aus Litteratur, politischen Ange -105 legenheiten ꝛc. betreffen) jemals vom Verf. selbst zum Druck be - stimmt war, so verlieht sich von selbst dass sie nicht alle von gleichen Gehalt und Politur seyn können. Aber gerade um so besser lernt man den braven Sancho daraus kennen. Ein paar Stellen darf ich wohl als Probe seiner Denkungs - und Schreib - art hier ausheben:
Im XIIIten Br. vom 18. Jul. 1772 schreibt er einem jungen Freund un - ter andern: –
„ Ich danke Ihnen für ihre Güte gegen meine armen schwarzen Brü - der. Ich schmeichle mir dass Sie dieselben nie undankbar finden wer - den: sie handeln gemeiniglich nach ihren Gefühlen: liebt doch so - gar ein Hund die so ihm gut begegnen; und wenn man Ne - gern eben das thut so werden sie106 sicherlich bey aller ihrer Unwissen - heit und Knechtschaft diess eben so erwiedern. Wenn ich nach meinen eigenen Gefühlen urtheilen darf, so sollte ich denken, gute Behand - lung würde alles bey ihnen ausrich - ten. Meine Seele wenigstens schmilzt bey Güte; aber das gerade Gegen - theil, ich gesteh es mit Beschämung, macht mich wieder zum Wilden. “u. s. w.
An einen andern Freund schreibt er im LIV. Br. vom 24. Oct. 77.
Der neueste, und für mich wenig - stens, allerinteressantste Schriftsteller unter den Negern ist endlich der oben gedachte Gustav Vassa der seine überaus merkwürdige Le - bensgeschichte im verwichnen Jahre in London in zwey Bänden heraus - gegeben hat, wovon auch ohngeach - tet der 400 Subscribenten gleich zwey Ausgaben hinter einander erschienen sind. *)Die zweyte Ausg. die ich besitze führt den Titel: the interesting Narrative of the Life108 of Olaudah Equiano, or Gustavus Vassa, the African. written by himself. Vassa's Character und Temperament ist eben so von San - cho's seinem verschieden als beider ihre äusserst sprechenden Bildnisse von einander verschieden sind: des letztern seins von Bartolozzi nach Gainsborough, und des ersten sei - nes von Orme nach Denton gesto - chen. Beides zwar herzlich gutmü - thige brave Menschen; aber San - cho doch weit mehr jovialisch auf - geweckt, offen. Bey Vassa hinge - gen mehr gesetzter Ernst der fast an Trübsinn grenzt. Jener im vieljäh - rigen Umgang mit der feinern aufge - klärtern Welt und den Musen. Die - ser ohne alle jene Politur und Auf - klärung, vielmehr nicht frey von manchem Aberglauben, dabey aber voll der ungeheucheltsten Gottes - furcht. Jener in einer ganz beque - men häuslichen Lage. Dieser ein Ball des Schicksals, der seit seinem109 IIten Jahre in vier Welttheilen her - umgeworfen und von vielen seiner weissen Mitmenschen oft aufs grau - samste gemishandelt und betrogen worden. Der aber bey alle dem jammervollen Unglück das er erfah - ren dennoch gesteht: –„ wäre ich ein Europäer so würde ich sagen, ich habe viel gelitten; vergleiche ich aber mein Loos mit der mehr - sten meiner Landsleute ihrem, so sehe ich mich als einen besondern Günstling des Himmels an und er - kenne die erbarmende Vorsehung in jedem Vorfall meines Lebens. “–
Herr Vassa ist 1745 im König - reich Benin gebohren, ward im 11ten Jahr nebst seiner Schwester geraubt aber bald von ihr auf ewig getrennt, dann von einer Hand in die andere verkauft, bis er nach ohngefähr ei - nem halben Jahr an die Küste und von da auf ein Sclavenschiff gebracht110 und so nach Barbados transportirt ward. 1757 kam er zum erstenmal nach England wo sich zumal zwey Mamsell Guerin, so wie nachher da er sich in Montserrat frey gekauft hatte, besonders der würdige (durch seine Methode das Seewasser süss zu machen allgemein berühmte) D. Irving seiner annahmen. Mit letz - tern machte er (unter den Comman - do des damaligen Captn. Phipps nachherigen Ld. Mulgrave) die merkwürdige Untersuchungsreise nach Spitzbergen, und nachher eine nicht minder interessante Reise zu den Moskito-Indianern auf Terra fir - ma, u. a.m. Mit einem natürlich guten Beobachtungsgeiste verbindet er eine brennende Wissbegierde, da - her die seiner Lebensgeschichte ein - geschalteten Auszüge aus seinen Rei - sejournalen, zumal auch die naive Schilderung die er von manchem, ei - nem Neger freylich unerwarteten An -111 blick und Auftritt giebt, dieselbe eben so interessant als unterhaltend machen.
Ich darf ein paar Stellen daraus übersetzen: die eine aus dem 1sten B. wie er im Aug. 59. der Seeschlacht zwischen Admiral Boscawen und le Clue bey Lagos an der Portugi - sischen Küste auf dem Mitländischen Meere beygewohnt.
–„ Meine Stelle während des Gefechtes war auf dem mittlern Verdeck, wo ich nebst einem an - dern Buben postirt war um das Pul - ver nach der entferntsten Canone zu bringen, und hier war ich Zeuge von dem schrecklichen Schicksal mehrerer meiner Cameraden, die binnen einem Augenblik zerschmet - tert und in die Ewigkeit versetzt wurden. Ich kam zum Glück un - versehrt durch, ob gleich die Zeit112 über, Kugeln und Splitter um mich rum flogen. Gegen Ende der Action ward mein Herr verwundet, und ich musste zusehen wie er runter zum Wundarzt getragen ward und durfte doch so gern ich ihm beygestanden hätte, meinen Posten nicht verlassen. Bey diesem Geschäffte riskirten mein Camera - de und ich eine halbe Stunde hin - durch alle Augenblicke das ganze Schiff in die Luft zu sprengen. Denn von den Patronen die wir aus dem Kasten nahmen, waren viele durchgescheuert so dass das Pulver daraus aufs Verdeck bey die Luntentonnen lief und wir zuletzt kaum Wasser genug hatten es im - mer darauf zu giesen. Auch wa - ren wir bey diesem Geschäffte den feindlichen Canonen sehr ausge - setzt, da wir immer fast die Länge des ganzen Schiffs durchpassiren mussten um das Pulver an Ort und113 Stelle zu bringen. Ich musste da - her gewärtig seyn dass jede Minute meine letzte seyn könnte; zumal wenn ich so um mich rum unsre Leute stürzen sah. Um mich so viel möglich zu schützen hielt ichs anfangs für rathsam nicht eher nach dem Pulver zu laufen als wenn die Franzosen von der Seite her so eben gefeuert hätten, um dann erst während sie wieder ladeten mein Pulver zu holen. Aber ich er - kannte doch sogleich diese Vorsicht für unnütz, und da ich mich mit dem Gedanken ermunterte dass mir eben so gut eine Todesstunde als eine Geburtsstunde bestimmt sey, so warf ich alle Furcht oder Todes - gedanken ab, und that die ganze Zeit durch mein Geschäfte muthig und beherzt; und stellte mir dage - gen das Vergnügen vor wenn ich glücklich davon und wieder nach London kommen sollte, wie ich da114 – den Miss Guerins meine über - standnen Lebensgefahren erzählen wollte. “–
Aus dem IIten B. wähle ich seine herzlich gut gemeynten Versuche den Sohn des Moskiten-Königs zu bekeh - ren mit dem er die Reise nach Terra firma machte.
–„ Ich machte mit dem jungen Manne so gute Fortschritte, dass wenn ich des Nachts zu Bette ging und er schon zu Bette war, er im blossen Hemde wieder aufstand blos um mit mir zu bethen. Und eben so kam er in dieser Absicht allemal erst zu mir ehe er in die Cajüte mit der Gesellschaft zu Ti - sche ging. Das freute mich herz - lich und ich bat Gott sehr um seine Bekehrung. Auch schöpfte ich des - halb die beste Hoffnung da ich täg - lich allen Anschein zu einer er - wünschten Aenderung bey ihm spür - te, und mir die Lift des Satans noch115 unbekannt war, der viele seiner Bo - then ausgeschickt hatte eben so ge - schwind Unkraut auszustreuen als ich guten Saamen säete, und eben so bald wieder einzureisen als ich aufbauete. So mochten wir etwa 4 / 5 unsrer Reise zurückgelegt haben, als der Satan zuletzt die Oberhand behielt. Einige seiner Abgesandten, da sie sahen wie dieser arme Heide an Frömmigkeit zunahm fragten ihn, ob ich ihn nun bald bekehrt hätte, lachten und spotteten sein, das ich ihnen so viel ich konnte, verwies: aber das machte doch dass der Prinz nun zwischen beiden Theilen schwankte. Einige von den ächten Söhnen des Belials sag - ten ihm gerade, er dürfe sich für dem Teufel nicht fürchten denn es gäbe keinen: und wenn er jemals zu ihm kommen sollte, so möchte er ihn doch auch zu ihnen schicken. Und so vexirten sie den armen un -116 schuldigen Jungen so lange bis er nichts mehr aus dem Buche das ich ihm gegeben hatte, lernen wollte. Er wollte zwar nicht mit jenen ungöttlichen Menschen saufen und zechen, aber auch nicht mehr sich zu mir halten und bethen. Das kränkte mich innig. Ich suchte ihn so gut ich konnte wieder zu be - reden, aber er wollte nicht kom - men. Ich bestand darauf dass er mir doch nur die Ursache seines jetzigen Betragens sagen sollte. Endlich fragte er mich: – wie kommts dass alle die Weissen die am Bord sind und die lesen und schreiben und den Sonnenlauf beobachten können, und alle Dinge verstehen, dennoch schwören, lügen und saufen, und Du allein nicht? Ich antwortete ihm, die Ursache sey weil sie Gott nicht fürchteten, und wenn sie so stür - ben, so könnten sie nicht zu Gott kommen. Er antwortete, dass117 wenn diese Leute alle zur Hölle füh - ren so wolle er mit fahren. Das be - trübte mich sehr, und weil er zu - weilen Zahnweh hatte, und einige andere im Schiff zu gleicher Zeit auch daran litten, so fragte ich ihn: ob jener ihr Zahnweh das seinige erleichtere? Er antwortete: nein. Folglich, sagte ich ihm, wenn er und jene Leute zusammen zur Höl - le führen so würden ihre Qualen die seinigen auch nicht erleichtern. Dieses Wort machte einen grossen Eindruck auf ihn: er ward ganz niedergeschlagen, und blieb auf der übrigen Reise immer am liebsten für sich alleine. “
Ob nicht vielleicht einer oder der andre Leser denken mag, der ehrli - che Vassa hätte den guten Moski - ten-Prinzen mit Hölle und Teufel wohl können unbehelligt lassen, das geht mich hier nichts an. Ich hob gerade die Stelle mit aus, um zu zei -118 gen dass die Neger so wie in den übri - gen guten Eigenschaften und Geistes - fähigkeiten so auch im wohlmeinen - den Bekehrungseifer vielen ihrer weissen Brüder nichts nachgeben.
Ueberhaupt aber sollte ich nach allen den angeführten mannichfalti - gen Beyspielen von fähigen Negern denken, man könnte wohl ganz an - sehnliche Provinzen von Europa nennen, aus deren Mittel man schwerlich vor der Hand so gute Schriftsteller, Dichter, Philosophen und Correspondenten der Pariser A - cademie zu erwarten hätte: so wie mir hingegen anderseits kein so - genanntes wildes Volk unter der Sonne bekannt ist, das sich durch solche Beyspiele von Perfectibilität und selbst wissenschaftlicher Cultur - fähigkeit so ausgezeichnet hätte und sich dadurch so zunächst an die ge - bildetsten Völker der Erde anschlös - se, als die Neger.
Diesen armen Patienten ist es in der Menschengeschichte theils nicht besser gegangen als den ehrlichen Negern. Es hat Zweifler gegeben, die die Kakerlacken so wenig als die Mohren für Menschen derselben Gat - tung mit uns haben erkennen wol - len. Die letztem waren ihnen zu schwarz; die erstern zu weiss. –
Nun gehört zwar im Grunde die Untersuchung der Kakerlacken über - haupt gar nicht ins Gebiete der Na - turgeschichte sondern in die Patho - logie: inzwischen da sie doch einmal in jene gezogen worden und zu so vielen seltsamen Irthümern Anlass gegeben haben, so darf ich ihrer doch auch mit ein paar Worten ge - denken; und sie schliessen um so120 füglicher an den vorigen Abschnitt an, da ihre Geschichte anfänglich mit der Negern ihrer verwebt wor - den.
Man hat nemlich zu allererst un - ter diesen letztern eine Art Menschen bemerkt, die sich durch eine unge - wöhnliche Weisse oder auch Röthe der Haut, durch gelblicht-weisses Haar und blassrothe Augen auszeich - nen; und freylich mussten diese Son - derbarkeiten auch an den Negern eher auffallen als an Weissen, und eben daher sind auch die Kakerla - cken zuerst unter dem Namen der weissen Mohren (bey den Alten Levcaethiopes) bekannt worden.
Schon zu Ende des vorigen Jahr - hunderts bemerkte man aber auch Menschen der Art unter den Ameri - canischen und bald nachher auch un - ter Ost-Indischen Völkerschaften. Cptn. Cook fand neuerlich welche121 auf Utaheiti und auf den Freund - schafts-Inseln; und jetzt zeigt sich end - lich dass sie auch in Europa selbst und zwar häufiger sich finden als wohl zu wünschen wäre.
Denn seit ich der Königl. Societät der Wissenschaften meine Beobach - tungen über die beiden berühmten Savoyischen Kakerlacken vorgelegt, die ich a. 1783 auf einer Excursion die ich in Gesellschaft des jüngern Hrn. Deluc von Genf aus ins Fau - cigny machte, zu untersuchen Gelegenheit gehabt, und die nun bekanntlich nach London gegangen, wohin sie von den Directoren des Circus verschrieben worden; so habe ich nun schon von einem gan - zen Dutzend andrer Kakerlacken die sich nur allein hin und wieder in Deutschland gefunden haben, Nachricht und von den mehresten auch Proben von dem ihnen ganz122 eignen Haar erhalten. Es scheint mit den Kakerlacken wie mit man - chen andern natürlichen Merkwür - digkeiten gegangen zu seyn, die man in manchen Ländern lange Zeit über - sehen weil man sie für zu grosse Sel - tenheiten gehalten als dass man sie erwartet hätte.
Mit einem Worte, die Kakerla - cken finden sich unter allen fünf Spielarten im Menschengeschlecht.
Ueberdem aber ist diese Sonder - barkeit gar nicht dem Menschenge - schlecht eigen, sondern sie findet sich eben so auch unter andern warmblü - thigen Thieren: unter Säugthie - ren sowohl als unter Vögeln. Un - ter jenen sind bekanntlich die weis - sen Caninchen und die weissen Mäu - se und unter dielen die weissen Ca - narienvögel die gemeinden. Hingegen habe ich aller angewandten Nach - forschung ohngeachtet kein einziges123 Beyspiel von Kakerlacken unter den Thieren mit rothen kalten Blute, un - ter den Amphibien oder Fischen auf - finden können.
Dass ich die Kakerlacken über - haupt, folglich auch die weissen Ca - ninchen ꝛc. für Patienten halte, wird niemanden befremden der mit ihrem Zustande bekannt ist. Das Hauptsymptom desselben besteht in der eignen Farbe ihrer Augen, deren Stern blassrosenfarb und die Pupille von der Farbe eines dunklen Carni - ols oder fast wie Himbeerensaft ist, statt dass die letztere bey einem ge - sunden Auge, der Stern mag übri - gens blau oder braun seyn, allemal vollkommen schwarz seyn muss. Die Ursache jener Röthe liegt in dem gänzlichen Mangel eines zum deut - lichen Sehen unentbehrlichen Theils, nemlich des schwarzbraunen Schleims womit ein grosser Theil des innern Augapfels zur Absorbtion der über -124 flüssigen Lichtstralen überzogen ist. Daher sind auch die Kakerlacken bey diesem Mangel meist mehr oder weniger lichtscheu.
Dieser Mangel des schwarzen Pig - ments scheint aber immer nur ein Symptom einer allgemeinern Cachexie zu seyn die sich bey den menschlichen Kakerlacken vorzüglich durch das eigne Ansehn der Haut und die gelblichtweisse Farbe der Haare äus - sert: wenigstens hat man meines wissens noch nie jenen Augenfehler ohne diese Beschaffenheit der Haut oder Haare bemerkt.
Das Uebel ist wohl immer ange - bohren, und oft eine erbliche Fami - lienkrankheit. Wies scheint ist es unheilbar; wenigstens ist mir kein Fall bekannt, dass sich bey irgend einem Kakerlacken jemals die ge - dachten Symptome verloren hätten.
Ueber die Ursachen dieses sonder - baren Uebels wüsste ich vor der125 Hand nichts irgend befriedigendes anzugeben. Denn was ein sonst ganz scharfsinniger Reisender Herr Foucher d'Obsonville beobachtet haben will, dass weisse Mohren dadurch erzeugt werden könnten, dass die Eltern um die Zeit Queck - silber oder Zinnober gebraucht, wür - de schon an und für sich bey manchen der gedachten Völker und bey den vielerley Thieren unter welchen Ka - kerlacken gefunden worden, nicht denkbar seyn wenn auch nicht ohne - hin die ganze Idee so äusserst unwahr - scheinlich wäre: so wie vollends die ehemalige Behauptung ganz unwahr ist, dass bey den weissen Mohren keins von beiden Geschlechtern zur Fort - pflanzung fähig sey. Schon de Brue führt ein Beyspiel an wo eine weisse Mohrin von einem Neger schwanger worden und einen voll - kommnen jungen Neger gebohren; und von einer weissen Mohrin die126 neuerlich in England einen Europäer geheurathet und mit demselben drey wahre Mulatten aber mit hellen Haar gezeugt, hat der brave Neger Hr. Vassa in seinem obgedachten interes - santen Werke eine merkwürdige Nachricht gegeben.
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