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Beyträge zur Naturgeschichte.
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Beyträge zur Naturgeschichte
Titelblattillustration
Zweyter Theil.
Göttingen, bey Heinrich Dieterich,1811.
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Ex Bibliotheca Regia Acad. Georgiæ Aug:

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Textabbildung, S. 5

Vorrede.

So wenig auch die beyden in gegenwärtigem Bändchen befindli - chen Aufsätze unter einander in Verbindung stehen, so haben sie6 doch beyde auf den vorhergehen - den Theil dieser Beyträge Bezug.

Von den beygefügten Vignetten stellt die S. 13. den wilden Peter nach dem schönen englischen Mez - zotinto Blatt vor, das Val. Green nach dem Gemählde von P. Falco - net gestochen hat.

Die übrigen gehören zu der Ab - handlung über die Mumien.

Viere derselben waren meinem Aufsatz über die von mir in Lon - don geöffneten Mumien in den philosophical Transactions beyge -7 fügt. Dreye zur Versinnlichung der drey ganz von einander ver - schiedenen Nationalphysiognomie - en an den altägyptischen Kunst - werken; nemlich:

1. Auf dem Titel die Hindusta - nische nach einer gemahlten Figur von der Rückseite auf dem Sarco - phag der vortreflichen Mumie die das britische Museum vom Cptn Lethieullier erhalten hat.

2. Hier über der Vorrede die äthiopische nach einer ägyptischen Bronze in der Sammlung des Gr. Caylus.

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3. Drüben am Schluss dieser Vor - rede die gemeine ägyptische Bil - dung, die man die Berberartige nen - nen möchte; nach einem ausneh - mend saubern kleinen Isisidol von weissem Marmor das der Hr. Prof. Ritter Heyne ans academische Mu - seum geschenkt hat.

Vor der zweyten Abhandlung der krystallinische Anschuss des Na - trums das ich aus einem von Herrn John Hawkins in Constantinopel er - kauften Stücke einer ägyptischen Mumie ausgelaugt habe.

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Zu Ende derselben das Gebiss der Stuttgarder Mumie mit den wun - dersam stumpfen Kronen der Vor - derzähne. Aufs getreuste von mei - nem verehrten Freunde dem Herrn Prof. Autenrieth in Tübingen in Kupfer gestochen.

Textabbildung, S. 9
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Inhalt.
  • I.

    Vom Homo sapiens ferus Linn. und namentlich vom Hamelschen wilden Peter.

  • II.

    Über die Ägyptischen Mumien.

Druckfehler im ersten Theil (2ter Ausg. ) s. 64. Not. Z. 6 v. u. st. 1796 l. 1769.

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Vom Homo sapiens ferus Linn. und namentlich vom Hamelschen wilden Peter.

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Textabbildung, S. 13

I. Wie der wilde Peter bey Hameln gefunden und eingefangen worden.

Freytags den 27. Jul. 1724 zur Zeit der Heuernde traf Jürgen Meyer Bür - ger zu Hameln auf seiner Wiese im Stie - ge ohnweit Helpensen ein nacktes, braungelbes schwarzhaariges Geschöpf das da herum lief, an Wuchs einem14 zwölfjährigen Buben glich, keinen menschlichen Laut von sich gab, aber durch ein paar Äpfel in der Hand sei - nes staunenden Entdeckers glücklich zur Stadt und durchs Brückenthor ge - lockt, und da von einem Heer Strassen - jungen in Empfang genommen, aber bald auf Bürgermeister Severin's Veran - staltung ins Hospital zum Heil. Geist in Verwahrung gebracht ward.

II. Was sich mit dem wilden Peter in Hameln begeben.

Peter den Nahmen hatten ihm bey seiner ersten Erscheinung in Hameln die Strassenkinder gegeben, und der ist ihm bis in sein Greisenalter geblieben, Peter betrug sich in den ersten Wo - chen seiner Gewahrsam gar thierisch, suchte durch Thür oder Fenster auszu -15 brechen, setzte sich doch mitunter auf Kniee und Elenbogen gestützt, auf seinen Strohsack und wogte sich brummend hin und her bis er einschlief.

Brod wollte ihm anfangs nicht schme - cken, hingegen schälte er gierig grüne Stöcke und kaute den Saft aus der Rin - de, so wie aus Kraut, Gras, Bohnen - stengeln ꝛc.

Allgemach ward er zahmer und rein - licher, so dass er auf die Strase gelas - sen werden durfte und Häuser besuchte. Was ihm da zu Essen gebothen ward, beroch er erst, und steckte es dann ent - weder in den Mund, oder legte es mit Kopsschütteln bey Seite. Auch den Leu - ten beroch er die Hände und schlug sich dann entweder freudig an die Brust oder schüttelte aber den Kopf.

Wenn ihm was vorzüglich schmeckte, wie grüne Bohnen, Erbsen, Rüben,16 Möhren. Obst und sonderlich Zwie - beln und Haselnüsse, so bezeugte er sein Wohlbehagen ebenfalls durch Klo - pfen an die Brust. Auch soll er gleich da ihn Jürgen Meyer getroffen, einige Vögel geworfen und gierig verzehrt haben.

Als ihm die ersten Schuhe angezo - gen wurden, vermochte er nicht darin fortzukommen, sondern war froh wie er wieder barfus gehen durfte. Eben so wenig mochte er eine Kopfbede - ckung leiden, und freute sich herzlich wenn er Hut oder Mütze in die Weser werfen konnte und dahin schwimmen sah. Bekleidet zu gehen gewohnte er ehr, nachdem man zuerst einen Ver - such mit einem leinenen Kittel gemacht.

Übrigens schien er ganz sanguinischen Humors, hörte gern Musik, so wie überhaupt sein Gehör und Geruch sehr17 scharf waren. Wenn er sonst was ha - ben wollte, küsste er sich die Hände oder auch den Boden.

Nach einiger Zeit ward Peter einem Zeugmacher zu Hameln in die Kost ge - geben, dem er bald mit treuer Folg - samkeit anhing, der ihn auch als er von da im Oct. 1725 nach Zelle in das beim Zuchthause befindliche Hospital kam, dahin begleitete; von wannen ihn aber schon um Advent desselben Jahrs König Georg I. nach Hannover kommen liess.

III. Peter kommt nach England und wird nun berühmt.

Im Febr. 1726 ward Peter unter der Aufsicht eines königlichen Bedienten aus Hannover, Namens Rautenberg, nach18 London gebracht; und mit seiner Über - kunst begann auch seine nachher so weit verbreitete Celebrität.

Sie traf in die Zeit, wo gerade der Streit über die Frage: ob es angebohre - ne Begriffe gebe, mit voller Lebendigkeit und respective Hitze geführt ward. Und da schien Peter ein erwünschtes Subject zur Entsscheidung derselben. Ein genia - lischer Kopf, der nachher als Restaura - tor und Ordinarius der evangelischen Brüdergemeinde so berühmt wordne Graf Zinzendorf, wandte sich schon zu Anfang 1726 an die Gräfin von Schaum - burg Lippe nach London um ihre Ver - mittelung, dass Peter ihm überlassen werden möchte, um die Entwickelung der angebohrnen Begriffe an dem - selben zu erproben; erhielt aber zur Antwort, dass der König ihn der da. maligen Princessin von Wales, nachhe - rigen Königin Carolina, bekanntlich19 eine der aufgeklärteste Prinzessinnen irgend eines Zeitalters, geschenkt, und diese ihn der Aufsicht des Dr. Arbuth - not, des vertrauten Freundes von Po - pe, Swift ꝛc. und berühmten Mitarbei - ters an Gulliver's Reisen übergeben habe, um eben die etwanigen idées in - nées des wilden Peters zu sondiren.

Swift selbst hat ihn in seinem lau - nichten: It cannot rain, but it pours, verewigt;

Linné ihn im Systema naturae unter dem Namen von Iuvenis Hannoveranus einrollirt;

und Buffon, de Pauw, und J. J. Rous - seau als Muster des wahren Naturmen - schen aufgestellt.

Noch neuerlich aber hat er eben des - halb an dem berühmten Mouboddo ei - nen enthusiastischen Biographen gefun - den, der seine Erscheinung für merk - würdiger erklärt, als die Entdeckung des Uranus, oder als wenn die Astro -20 nomen noch ein 30000 neue Sonnen, zu den schon bekannten, hinzufänden*) I consider, sagt er, his history as a brief chronicle or abstract of the hi - story of the progress of human natu - re, from the mere animal to the first stage of civilized life.In den Anti - ent Metaphysics. Vol. III. p. 57..

IV. Peters Abkunft.

Schade nur, dass die Herren bey alle der Wichtigkeit, die sie dem wilden Pe - ter beylegten, ein paar kleine Umstän - de seiner Entdeckungsgeschichte aus den Augen verlohren oder nicht beachteten, die ich hier gewissenhaft ans den frü - hesten Originalacten, die ich vor mir habe, nachhohle.

Dass Peter nemlich 1) da er von dem Hamelschen Bürger zuerst gefunden21 ward, den kleinen Überrest eines abge - rissenen Hemdes noch mit Bindfaden um den Hals gebunden trug;

und dass 2) die auffallend hellere Hautfarbe seiner Oberschenkel zu den untern, schon bey seinem Einzuge in die Stadt die Bemerkung einer Bür - gersfrau veranlaste und rechtfertigte, dass der Junge zwar Beinkleider, aber keine Strümpfe getragen haben müsse; dass 3) bey näherer Untersuchung die Zunge des armen Peters ungewöhn - lich dick und wenig beweglich gefun - den worden, so dass daher ein Regi - mentschirurgus zu Hameln, die soge - nannte Lösung derselben in Vorschlag gebracht, die jedoch unterblieben;

dass ferner 4) einige Schiffer ausge - sagt, dass sie im Sommer, auf ihrer Fahrt von Polle herab, verschiedentlich einen nackten armen Jungen am Weser - ufer gesehen und ihm ein Stück Brod gereicht;

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und endlich 5) dass man bald er - fahren, wie ein verwittweter Krüger zu Lüchtringen zwischen Holzminden und Höxter im Paderbornischen einen stummen Jungen gehabt, der (ich schon 1723 ins Gehölz verloffen, zwar im folgenden Jahre einmal ganz abgerissen wieder eingefunden, aber da der Vater indess zum zweytenmal geheirathet ge - habt, von der neuen Stiefmutter in Kurzem wieder fortgeprügelt worden.

V. Peters Leben und Wandel in England.

Dr Arbuthnot hatte bald gefunden, dass von dem blödsinnigen Buben für Psychologie oder Anthropologie eben keine belehrende Ausbeute zu erwar - ten sey, und so kam denn dieser nach zwey Monaten aus der Pflege des phi -23 losopischen Arztes gegen eine erkleck - liche Pension, in die einer Bettfrau der Königinn und dann zu einem Pach - ter in Hertfordshire, wo er endlich im Febr. 1785 als hochbetagtes Kind sein vegetirendes Leben beschlossen hat.

Peter war von mittler Statur, aber noch im Alter von frischem robusten Ansehn und starker Muskelkraft; hatte eben keine dumme Physiognomie; trug einen stattlichen Bart; hatte sich bald an gemischte Nahrung, Fleisch u. s. w. gewöhnt, doch die frühe Vorliebe für Zwiebeln lebenslang behalten. Übri - gens war er mit den Jahren im Ellen sehr mässig worden, da er hingegen im ersten Jahre seiner Captur für zwey Mann zu sich genommen. Gar gern trank er einen Schluck Branntwein; liebte das Feuer; behielt aber lebens - lang vollkommenste Gleichgültigkeit ge - gen Geld, und was wohl über alles den mehr als thierischen unüberwindlichen24 Stupor des armen Peters beweist eben so vollkommene Gleichgültigkeit gegen das andere Geschlecht.

Wenn schlechtes Wetter eintreten wollte, war er immer unaufgeräumt und trübsinnig. Sprechen hat er nie recht gelernt. Peter, und ki scho und qui ca (letztres sollte die Namen seiner königlichen Wohlthäter, King George und Queen Carolina ausdrücken), waren die deutlichsten von den wenigen arti - culirten Tönen, die man ihm hatte bey - bringen können. Für Musik aber schien er Sinn zu haben und dudelte aller - hand Melodien, die er oft hörte, mit Wohlbehagen nach; und wenn aufge - spielt ward, so hüpfte er voller Freu - den darnach bis zur Ermüdung. La - chen aber ( das wohlthätige Vorrecht der Menschheit ) hat man ihn nie ge - sehen. Übrigens hat er sich als ein gutmüthiges, harmloses und folgsames Geschöpf betragen, so dass er auch zu25 allerhand kleinen Hausdiensten in der Küche oder im Felde u. s. w. zu brau - chen war. Nur dursten ihm diese nicht allein und aufs Gerathewohl überlassen werden; denn so hatte er z. B. ein Fu - der Mist, das er eben erst aufladen hel - fen, da er allein dabey gelassen ward, stehenden Fusses und an der nemlichen Stelle eben so emsig wieder abgeladen.

So wie er in den ersten Decennien seines Aufenthalts in England wohl eher in die Nachbarschaft sich verirrt hatte, so war er auch a. 46 eines Tages un - versehens auf und davon gewandert, und hatte sich bis nach Norfolk ver - loffen, wo er als ein verdächtiger Un - bekannter ( es traf eben in Zeiten wo man auf vermuthliche Emissäre des Prätendenten vigilirte ) vor einen Friedensrichter gebracht ward, der ihn, weil er mit der Sprache nicht heraus wollte, vor der Hand ins grosse Zucht - haus zu Norwich in sichere Gewahr -26 sam bringen liess, wo aber gerade in der nächsten Nacht ein mächtiges Feuer ausbrach, so dass eiligst die Gefäng - nisse geöffnet und die Arrestanten her - ausgelassen wurden. Erst als man nach dem ersten Schrecken die Gefangenen nachzahlte, vermisste man darunter den Bedenklichsten von allen, den ver - stockten Unbekannten. Ein Wärter, der sich durch die Flammen des weiten Kerkers wagte, fand ihn ruhig hinten in seinem Winkel sitzen, wo er sich der Illumination und der behäglichen Wärme freute, und nicht ohne Mühe herausgetrieben werden konnte, da er denn bald darauf aus den Anzeigen von Dingen die abhanden gekommen, als schuldloser Peter anerkannt, und sei - nem Pachter zurück geliefert wurde.

Kurz als Ende vom Lied, das ver - meinte Ideal des reinen Naturmenschen, wozu spätere Sophisten den wilden Pe - ter erhoben hatten, war durchaus27 nichts weiter, als ein stummer, blödsin - niger Tropf.

VI. Irrige Sagen bey Peters Biographen.

Inzwischen ist die Geschichte dieses Tropfs immer merkwürdig, selbst schon als warnendes Beyspiel von der Unge - wissheit menschlicher Zeugnisse und historischer Glaubwürdigkeit. Denn es ist auffallend, wie abweichend und theils gerade einander widersprechend selbst die ersten gleichzeitigen Nachrichten über die Umstände bey seiner Erschei - nung in Hameln lauten.

Nicht einmal im Jahr und Jahrszeit, und Ort, wann und wo er von dem Hamelschen Bürger gefunden und zur Stadt gebracht worden, stimmen die Referenten mit einander überein. Der ganz irrigen spätern, sämmtlich ge -28 druckten Sagen zu geschweigen, dass ihn König Georg I. auf der Jagd bey Herrenhausen, oder nach Andren auf dem Harz aufgetrieben; dass man den Baum, in dessen Gipfel er gehauset, ab - hauen müssen um seiner habhaft zu werden; dass er am Leibe rauh behaart gewesen; auf allen vieren geloffen; auf den Bitumen herumgesprungen wie ein Eichhörnchen; mit vieler Vorsicht die, Lockspeise aus den Wolfsfallen zu mausen verstanden habe; in einem ei - sernen Käfig nach England transportirt worden; binnen nenn Monaten am Hofe der Königin habe sprechen ge - lernt; bey Dr Arbuthnot getauft wor - den; aber bald darauf gestorben sey u. s. w.

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VII. Ächte Quellen zu Peters Geschichte.

Hingegen habe ich ausser der criti - schen Vergleichung dessen, was über den wilden Peter im Druck bekannt wor - den*)Leipziger Zeitungen von gel. Sachen 1725. Nro. 104. und 1726. Nro. 17. 61. und 88.Breslauer Sammlungen XXXIV Ver - such, Dec. 1725. pag. 659. und XXXVI Versuch, Apr. 1726. pag. 506.Zuverlässige Nachricht von dem bey Hameln im Felde gefundenen wilden Knaben. Wobey dessen seltsame Fi - gur in Kupfer gestochen (in Holz - schnitt) befindlich. 1726. 4.Spangenberg's Leben des Gr. Zinzendorff. II. B. pag. 380.Swift's works vol. III. P. I. pag. 132. der grossen Londner Quartausg. von 1755.30Ein Brief des Hamelschen Bürge - meisters Palm v. 1741. in C. F. Fein's entlarvter Fabel vom Ausgange der Hämelschen Kinder. Hannov. 1749. 4. pag. 36.Gentleman's Magazine vol. XXI. 1751. pag. 522. vol. LV. 1785. P. I. pag. 113. und 236. und P. II. pag. 851.(Monboddo's) antient Metaphy - sics vol. III. Lond. 1784. 4. pag. 57. und 367., die obigen Nachrichten von seiner Entdeckungsgeschichte haupt - sächlich aus einem handschriftlichen ausführlichen Bericht des gedachten Hamelschen Bürgemeisters Severins, den er im Febr. 1726 an einen Hannover - schen Minister abgestattet, und die ich der Freundschaft des verdienstvollen Herrn Stadtschulzen Avenarius zu Ha - meln verdanke, so wie aus des fleissi - gen vaterländischen Chronisten, Cam - merschreiber Redekers ungedruckten Hannoverschen Collectaneis auf dem dasigen Rathhause gezogen, und über31 seine spätere Lebensweise in England, ausser dem was ich selbst dort erfah - ren, die mir von mehrern meiner dor - tigen Freunde, namentlich Herrn Le - gationsrath von Hinüber, Dr Dornford und Herrn Crawfurd darüber mitge - theilten genauen Notizen benutzt, die sie theils in Hertfordshire selbst ein - gezogen.

Von den Abbildungen die von Peter existiren, besitze ich zwey meisterhafte Kupferblätter, die, wie mir versichert worden, ihm vollkommen ähnelten. Das eine aus seinen 50ger Jahren, ein grosses Blatt in schwarzer Kunst von Val. Green nach P. Falconet; die ganze Figur sitzend, a. 67 in London gemahlt, da er dem König vorgestellt worden. Und das andre von Bartolozzi, nach dem von J. Alefounder drey Jahre vor Peters Tode gemahlten Brustbilde; ein recht wohl aussehender Greis, von dem man wer es nicht bester wüsste 32 glauben würde, er habe es hinter den Ohren.

VIII. Peter mit andern sogenannten wild - gefundenen Kindern verglichen.

Überhaupt aber schien sichs ja wohl der Mühe zu lohnen, die Geschichte des armen Peters, der von so manchen unsrer grössten Naturforscher, Sophi - sten u. s. w. mit so bedeutender Wich - tigkeit angesehen worden, einmal kri - tisch zu prüfen und zu sichten; vol - lends, weil sie doch noch am ersten rein factisch dargestellt werden kann; da hingegen die übrigen Beyspiele von sogenannten wildgefundnen Kin - dern, meist ohne Ausnahme, mit so mancherley theils ganz abentheuerli - chen auffallenden Unwahrheiten oder Widersprüchen vermengt sind, dass33 überhaupt ihre Zuverlässigkeit dadurch höchst problematisch wird.

Um nur bey den Füllen stehen zu bleiben, die Linné unter der Rubrik von Homo sapiens ferus aufgestellt, und mit denselben sein systema natu - rae eröffnet hat, so war z. B. sein iuue - nis ouinus Hibernus, der als 16 jähriger Bube in Holland zur Schau herumge - führt worden, wo ihn der alte Tulp beschrieben*)Obseruat. medicae p. 312. der Ausg. von 1652., nach dessen ganzen Er - zählung wohl ein blödsinniges, stum - mes und auch im äussern missgestaltes Geschöpf, aber schwerlich in Irland Von der Wiege an unter wilden Schafen (deren es dort so wenig als irgendwo giebt) erwachsen. Dass er in Amster - dam Gras und Heu im Angesicht der34 staunenden Zuschauer genossen, finde ich eben so begreiflich, als dass der vorgebliche Südsee-Insulaner von Tan - na, der vor einigen Jahren auf Meilen und Jahrmärkten umhergeführt ward, Steine fressen musste. Überhaupt aber macht mir die abentheuerliche Beschrei - bung, die jener sonst so ehrwürdige Am - sterdamer Bürgemeister von diesem Bu - ben giebt, sowohl als dass hingegen, so viel ich finden kann, weder ein gleichzeitiger noch späterer Schriftstel - ler über die Naturgeschichte von Ir - land desselben nur mit einem Worte gedenkt, denselben gleichstark verdäch - tig, wenigstens gewiss nicht der Be - deutsamkeit werth, womit selbst noch unsre Schlözer und Herder ihn angesehen haben.

Über Linné's iuuenis bouinus Bam - bergensis hat. man meines Wissens kein anderes Certifikat, als dass der ehrliche35 Ph. Camerarius sagt*)Oper. horar. subcisiuar. Cent. I. p. 343. der Ausg. von 1602., dieser nach der Hand in den Stand der heiligen Ehe getretene Bamberger Wilde habe ihm erzählt, er sey auf den benach - barten Bergen unter dem lieben Vieh erzogen worden.

Bestimmter zwar, aber hoch suspecter ist der Bericht des 8 jährigen iuuenis lupinus Hessensis von 1344 ( nicht 1544 wie Linné und alle seine Copi - sten angeben ), der die gute Aufnahme gerühmt, die er unter den Wölfen ge - funden als sie ihn 5 Jahr vorher ent - führt; sie hätten ihm ein weiches Nest von Laub gemacht, sich um ihn herum gelegt und gewärmt, ihm einen Theil ihrer Beute zugetragen und dergl. mehr**)Additiones ad Lambertum Schafnabur - gensem, appositae ab Erphessordensi36 monacho anon. in Pistorii scrr. rer. a Germanis gestar. Frf. 1613. fol. p. 264..

Auch von dem iuuenis vrsinus Li - thuanus ist wenigstens gar manches zu rabattiren; wie z. B. dass der Referen - te, der schwärmerische Connor in sei - ner medicina mystica s. de miraculis*)p. 133. der Ausg. v. 1699.vergl. dess. History of Poland. Lond. 1698. 8. T. I. p. 342. wo sich auf ei - nem stattlichen Kupferstich ein klei - ner Polacke präsentirt, wie er zwi - schen zwey jungen Bären an der al - ten Bärenmutter saugt. versichert, das sey in Polen nichts un - gewöhnliches, dass eine laugende - rin, wenn sie ein Kind finde, es zu Neste schleppe und mit ihrer eigenen Brut auferziehe, wovon zwar freylich der alte Joh. Dan. Geyer, in seiner Monographie von den Lithauischen - renmenschen, mehrere Beyspiele an -37 führt, namentlich einen 8 bis 9 jähri - gen dergleichen Bären-Polacken, den König Johannes III. bekommen, ihn taufen lassen, und zum Querpfeifer bey der Miliz gemacht, ohngeachtet er lieber auf vier als zwey Füssen ein - hergegangen.

Von der puella Transisalana heisst es*)In den Bresl. Samml. XXII. Vers. S. 437., sie sey ohngefähr 18 Jahr alt ge - wesen, als sie im Winter 1717 in ei - nem deshalb angeordneten Treibjagden von 1000 Kranenburger Bauern in Net - zen eingefangen worden. Bis auf eine geflochtene Strohschürze sey sie nackt und ihre Haut hart und schwarz gewe - sen, die aber einige Zeit nach ihrer Captur abgefallen, und dafür eine hüb - sche neue zum Vorschein gekommen u. s. w. ( ich halte mich überall ge - nau an die Berichte der Gewährsleute )38 Übrigens sey dieses wilde Frauenzim - mer gar freundlich und eines guten la - chenden Humors gewesen und als klei - nes Kind im May 1700 seinen Eltern gestohlen worden.

Die puella Campanica wie sie Linné nennt, oder Dlle le Blanc nach ihrem französischen Biographen*)In der Hist. d'une jeune fille sauvage, Par. 1755. 8., der sie übrigens für ein nach Frankreich ver - schlagenes Eskimo-Mädchen zu halten geneigt ist, soll zuerst selbander im Wasser gesehen worden seyn, wo die beiden der Grösse nach etwa zehnjäh - rigen und mit Keulen bewaffneten Mäd - chen wie Wasserhüner geschwommen und untergetaucht hätten. Sie wären aber sofort über einen Rosenkranz, den sie gefunden, in Streit gerathen; die eine sey von der andern vor den Kopf39 geschlagen aber doch auch gleich von ihr mit einem Pflaster aus Froschhaut und mit einem Streifen Baumrinde ver - bunden worden; habe sich aber seit - dem nicht weiter sehen lassen, sondern Mamsell le Blanc, die Siegerin, sey allein mit Lumpen und Fellen bedeckt und statt Mütze mit einem Flaschen - kürbs auf dem Kopfe, im benachbarten Dorfe eingezogen u. s. w.

Johannes Leodicensis war nach des leichtgläubigen Digby Berichte*)In s. two Treatises, in the one of which, the Nature of Bodies, in the other, the Nature of Mans Soule, is looked into. Paris. 1644. sol. p. 247. ein lütticher Bauerjunge, der aus Angst, da die Soldaten sein Dorf geplündert, sich in den Ardennerwald verloffen Jahre lang da gehauset, und von Wur - zeln, Holzbirnen und Eicheln ge - lebt habe.

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Noch stehen in Linné's Designation pueri 2 pyrenaici von 1719, denen ich, aber bis jetzt noch nicht weiter auf die Spur habe kommen können. Inzwi - schen wird das, was ich von den übri - gen hier aufgestellt habe, hoffentlich hinreichen, um den vermeinten Werth dieser wundersam vielartigen Relatio - nen, von diesen vorgeblichen Natur - menschen für philosophische Naturge - schichte des Menschengeschlechts, nach Verdienst würdigen zu können.

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IX. Weder Peter noch ein anderer Linnéischer homo sapiens ferus kann zum Musterbilde des ur - sprünglichen wilden Natur - menschen dienen.

Denn wenn man auch nach billi - gem Abzug der gar zu abgeschmachten Fictionen in jenen Erzählungen, das übrige noch so nachsichtig will passi - ren lassen, so sieht man ja doch offen - bar, dass das samt und sonders natur widrige Missgeschöpfe waren, und doch, was selbst schon das Abnorme an denselben offenbart, unter ihnen samt und sonders, nach kritischer Ver - gleichung der Nachrichten die wir von ihnen haben, nicht zwey einander gleich Sämmtlich zwar verunmenscht, aber jedes auf eigene Weise, nach Maassgabe seiner individuellen Män -42 gel, Gebrechen und Unnatürlichkeiten. Nur darin einander gleich, dass sie, ih - rer Naturbestimmung zuwider einzeln, von menschlicher Gesellschaft entfernt, umhergeirrt; ein Zustand, dessen Natur - widrigkeit schon Voltaire mit dem ei - ner einzelnen verlorenen Biene ver - gleicht*)Si l'on rencontre une abeille errante, devra-t-on conclure que cette abeille est dans l'etat de pure nature, et que celles qui travaillent en société dans la ruche ont dégéneré?Vergl. auch Filangieri, Scienza della Legislazione T. I. p. 64, der zweyten Ausgabe..

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X. Überhaupt aber lässt sich für den zum Hausthier geborenen Menschen gar kein ursprünglich wilder Naturzustand gedenken.

Der Mensch ist ein Hausthier*)Vergl. I. Th. S. 39. u. f.. Allein, statt dass Er, um sich andere Hausthiere zu verschaffen, Individuen ihrer Stammrasse erst ihrem wilden Zu - stand entreissen, sie sich häuslich ma - chen, sie zähmen müssen; so war Er hingegen gleich von Natur zum voll - kommensten Hausthier bestimmt und geboren. Andere Hausthiere wurden erst durch ihn vervollkommnet. Er ist das Einzige, das Sich Selbst vervoll - kommnet.

Statt dass über so manche andere Hausthiere, Katzen, Ziegen u. s. w.44 wenn sie durch Zufall in Wildniss gerathen, im Naturell gar bald wieder ihrer wilden Stammrasse nacharten; so waren hingegen, wie gesagt, alle jene sogenannten wilden Kinder in ihrem Benehmen, Naturell ꝛc. auffallend von einander verschieden, eben weil sie gar in keine ursprünglich wilde Stamm - rasse zurückarten konnten, als der - gleichen in dem zum vollkommensten aller Arten von Hausthieren erschaffenen, und jeder Lage, jeder Lebensweise, so gut wie jeder Zone sich anpassenden Menschengeschlechte, nirgend existirt.

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Über die ägyptischen Mumien.

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Vorbericht.

Ich bin zu verschiedenen Zeiten veranlasst worden, mich mit der Geschichte der Mumien zu be - schäftigen.

Die erste Gelegenheit gab ein, schöner Mumienkopf, den ich schon 1779 erhielt, und der mir noch jetzt auch als erster Anfang zu48 meiner nachher an instructiver Vollständigkeit so einzig worde - nen Sammlung von Schedeln aus den verschiedenen Menschenrassen, werth ist.

Ein Aufsatz, den ich darüber in unsers sel. Lichtenberg's Göttin - gischem Magazin drucken lassen, gab den Anlass zu der Abhandlung des sel. Walch von den christli - chen Mumien, und diese hinwie - derum zu des Hrn. Prof. Ritter Heyne Nachlese zur Alterthums - kunde der Mumien. (Beide im IIIten B. der Commentationen der49 Königlichen Societät der Wissen - schaften.)

Und eben diese Schriften meh - rerer hiesigen Gelehrten über die - sen Gegenstand, haben gleich dar - auf dem academischen Museum das königliche Geschenk einer gan - zen Mumie aus Copenhagen ver - schafft, die ich der Absicht gemäss, wozu sie geschenkt worden war, zur näheren Untersuchung öffnen musste.

Über zehn Jahre nachher, bey meinem Aufenthalte in London, haben mehrere dasige berühmte Ge -50 lehrte, besonders aber die Vorste - her des Britischen Museums, mir mit einer eben so seltenen als wahrhaft edlen Liberalität Gele - genheit gegeben, nicht weniger denn sechs Mumien öffnen, und theils zerlegen zu können, wor - über ich in den philosophical Trans - actions vom J. 1794. in einer Ab - handlung Nachricht ertheilt, die auch im new annual Register je - nes Jahrs abgedruckt, so wie in mehreren französischen und italiä - nischen Journalen übersetzt ist.

Dass ich aber nun vom neuen wieder an diesen naturhistorisch -51 antiquarischen Gegenstand gera - then bin, und jetzt die letztge - dachte Abhandlung auch deutsch, und in Verbindung mit der frü - heren im Göttingischen Magazin, diese aber ganz umgearbeitet und sehr beträchtlich vermehrt heraus - gebe, das verdanke ich der Gnade Seiner Durchlaucht des regieren - den Herrn Herzogs zu Sach - sen Gotha und seines Herrn Bruders, des Prinzen Frie - drichs Durchl., die mich vor kur - zen mit einer ausnehmend wohl - erhaltenen, noch in ihrem Sarco - phag befindlichen Mumie aus dem52 Privatnachlass ihres hochseligen Herrn Vaters beschenkt, und da - durch zugleich die Einzige bishe - rige bedeutende Lücke in meiner anthropologischen Sammlung von Schedeln und theils ganzen Ske - leten und Mumien u. s. w. auf das vollkommenste gefüllt haben.

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Textabbildung, S. 53

I. Zweck des Mumisirens.

Auch die alten Ägypter, dieses weise, ernste, ehrwürdige Volk, ursprünglich wohl unser aller erste Lehrer und Mei - ster, halten die feste selige Ueberzeu - gung von Fortdauer unters Daseyns nach dem Tode und von Unsterblich - keit der Seele, als welche hienieden nur ihre einstweilige Herberge, dem - nächst aber, wenn sie anders in dieser54 Herberge sich darnach betragen, in der Unterwelt in Gesellschaft der Frommen ihre bleibende friedliche Wohnung finde.

Darum bauten sie sich auch für jene kurze Lebenszeit nur leichte Häuser, und bereiteten hingegen zu ihrer künf - tigen bleibenden Stätte die prodigiosen noch heute nach langen Jahrtausenden aller Vergänglichkeit trotzenden, in den lebendigen Fels gehauenen heili - gen Hallen.

Ungestört verblieb nach ihrem Glau - ben die Seele in dieser friedlichen Wohnung so lange, als ihr vormaliger Körper vor der Verwesung gesichert blieb; dann aber müsse sie diesen bis - herigen Aufenthalt verlassen, und die grosse Seelenwanderung von den nie - deren Staffeln der thierischen Schö - pfung bis wieder zur edlen menschli - chen Wiedergeburt durchgehen.

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Der Seele also jene ruhige Existenz im stillen Reiche der frommen Schat - ten so lange als möglich zu sichern, suchten sie den Leichen selbst die mög - lichstlange Dauer zu geben. Und das war der grosse heilige Zweck der müh - samen und kostbaren*)Nach Diodors Berichte kam die kost - barste von den dreyerley Mumien - bereitungen auf 1200 Thaler zu stehen. Proceduren, wodurch sie dieselben zu so merkwür - digen Kunstwerken, zu Mumien be - reiteten; deren unversehrte Integrität nun noch heute, so wie zu den Zeiten des Vaters der Geschichte, der schon ihre Bereitung beschrieben, hohe Be - wunderung erregen muss.

Folglich sah auch (wie sich Dorned - den ausdrückt) der Ägypter in einem. mumisirten Körper nicht einen Todten, sondern einen Lebendigen jenseits des Grabes, in der Gesellschaft der Götter,56 unter den Frommen. Mithin hatte auch eine Mumie so durchaus nichts grau - senhaftes für ihn, dass vielmehr Ver - wandte und Freunde sich von einer geliebten abgeschiedenen Person nicht so bald trennen wollten, sondern sie erst noch lange in ihrem Sarcophag von Hermengestalt zu Hause aufstellten und sie noch in ihrer traulichen Mitte behielten, bis sie dieselben endlich nach ihrer Ruhestätte in die unterirdi - schen Felsengräber bringen liessen.

II. Die Mumiencatacomben.

Solche Catacomben finden sich in den verschiedensten Gegenden von Ägypten, bey Theben so gut wie in den Oasen*)Hornemanns Tagebuch S. 33..

Die bekanntesten von allen aber und aus welchen auch die mehresten und57 schönsten der seit dritthalbhundert Jah - ren*)Die erste ganze nach Europa gebrachte und bekannt gewordene Mumie ist meines Wissens die, so 1574 über Ve - nedig nach Frankfurt am M. gekom - men und von Dr. Strüppe in s. consensus celebrium medicorum super mumia beschrieben worden. nach Europa gebrachten Mumien herstammen, liegen unter den Pyrami - denfeldern einige Meilen vom linken Nilufer, Altcairo gegen über, wo wei - land das nun gänzlich von der Erde vertilgte Memphis, die Hauptstadt von Mittelägypten, gelegen war.

In dieser Gegend, nahe bey den klei - nen Pyramiden von Sakara, sind in einem Umfange von zwölf Meilen die Mundlöcher zu den Schachten, welche in diese weit und breit sich erstrecken - den Wohnungen der Unterwelt führen, die aber von aussen wie mit einem Meere von Flugsand auf Mannshoch58 bedeckt, und daher nur mühsam aus - zufinden und aufzuräumen sind.

Diese vertikalen Eingänge oder Schach - te und viereckt, bey 3 Fuss im Quer - durchmesser und ungefähr 20 Fuss tief.

Vom Boden derselben laufen nun horizontale, aber auch grossentheils versandete Gänge oder Stollen nach den Grabgewölben selbst, deren, wie es scheint, unzählige durch labyrinthische Nebengänge*)s. besonders des Gr. Sandwich's voyage round the mediterranean p. 466. unter einander in Ver - bindung stehen; ein Stuck Arbeit, das alle Vorstellung übersteigt**)Vollends wenn sich Monconys 'Versicherung beitätigt, dass man aus dieser Catacombenreihe wieder durch andere Schachte in noch tiefere, unter derselben befindliche Felsengräber hin - absteigen könne., unge - achtet es durch die Beschaffenheit der59 Gebirgsart, einem ziemlich weichen, rahmgelben, Petrefactenreichen und namentlich von den räthselhaften Lin - sensteinen (Phaciten) gleichsam wim - melnden*)Im IVten Heft der Abbild. naturhist. Gegenst. tab. 40. fig. 2. ist ein Stück dieses Phacitenkalksteins von den Py - ramiden vorgestellt, das mir unser Hornemann zugeschickt hat. dichten Flötzkalkstein, er - leichtert ward; aus welchem auch die Pyramiden grösstentheils aufgeführt und der colossale Sphinx gehauen ist.

Die Felsengräber selbst sind meist 7 Fuss hoch, und an den Wänden wie mit Nischen versehen, worin die in Sarcophagen eingeschlossenen Mumien aufrecht gestellt waren**)Vesling obs. anatom. p. 152..

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III. Die Mumiensarcophagen.

Gewöhnlich sind diese Hermenförmi - gen, mit einem vorspringenden Fuss - tritt (plinthus) versehenen Sarcopha - gen, aus dem schwammigen und doch fast unvergänglichen Sycomorholze (vom Pharaonsfeigenbaum, Ficus sycomorus) gearbeitet, und bestehen wie bey un - sern Särgen aus zwey Hälften: Rücken - theil und Deckel; jedes entweder aus dem Ganzen gehauen, oder aus meh - reren Stücken zusammengesetzt, und beide mit etlichen Zapfen an den Sei - tenrändern in einander gefugt und ver - schlossen.

Oben am Deckel ist immer ein Ge - sicht mit dem priesterlichen Haupt - schmuck, einer Haube mit zwey seit - wärts herabhangenden Flügeln (calan - tica) dem Urbild unsrer Nonnen -61 schleier*)Böttiger's Andeutungen S. 23. ausgeschnitzt, und bey man - chen unter dem Kinn ein Spannenlan - ger Zapfen angebracht, der auch an den Osirisidolen u. s. w. häufig vor - kommt und über dessen Bedeutung die Meinungen lange getheilt gewesen.

Die mehresten glaubten mit Kir - cher und Bonanni, er solle ein Blatt der Persea vor Hellen, weil Plutarch sagt, die Persea sey der Isis heilig, ihre Frucht herzförmig und ihre Blätter wie Zungen gestaltet. Allein wir wissen überhaupt nicht mit Gewissheit, was die Persea der Alten für ein Gewächs seyn soll. Theophrast, der sie noch am ausführlichsten beschreibt, vergleicht ihre Blätter mit denen des Birnbaums, die denn wohl zur Noth mit einer Zunge, aber gewiss nicht mit jenem Zapfen Aehnlichkeit haben. Was aber diese Meinung noch mehr entkräftet,62 ist die grosse Verschiedenheit in der Bildung dieses Zapfens, der bald lang bald kurz, breit, schmal, cylindrisch oder vierkanntig, gerade oder nach un - ten ausgeschweift, und zuweilen gar wie ein Zopf geflochten erscheint.

Ohne Vergleich wahrscheinlicher ist daher die andere Meinung, dass dieser Zapfen einen Bart vorstellen, und den Osiris, zum Unterschied der Bartlosen Isislarven an den Sarcophagen bezeich - nen solle*)Heyne im IVten B. der commentat. soc. Reg. scientiar. Gotting. p. 5.. Jener deute dann auf eine männliche, dieser hingegen, wie an der vortrefflichen Mumie die ich besitze, auf eine weibliche darin verwahrte mumisirte Leiche.

Wenn übrigens auch diese Sexualbe - stimmung bey einer oder anderen von den in Sarcophagen nach Europa ge - brachten Mumien nicht zutreffen Tollte,63 so wird das Niemand wundern, der wenigstens aus Maillet weiss, wie manche Verwechselung der nicht zu - sammen gehörigen Mumien und Sarco - phage von den dortigen Arabern vor - genommen wird.

Zuweilen ist der Sarcophag von aussen auf dem Deckel, selten aber auch, so wie an der meinigen, die Rückseite*)Zoega de orig. obeliscor. p. 321. auf weissen Gypsgrund, in theils noch recht lebhaften Farben, mit allegori - schen Bildern bemahlt.

So ist z. 13. eben an dem meinigen mitten auf der Vorderseite die mumi - sirte Leiche selbst vorgestellt, auf einer Bahre in Gestalt eines stehenden - wen**)Ohngefähr wie auf der Wandsculptur in den ausgemahlten Grotten von Eleuthyia in Oberägypten in der prachtvollen Description de l'Egypts T. I. Antiquités. t. 70. f. 5., als Hieroglyphe des Nils, auf64 welchem sie zu den an seinen Felsen - ufern belegenen Grabgefilden überge - schifft werden musste. Hinter ihr steht der ägyptische Mercur, der latrator Anubis mit dem Hundskopf, der die Ueberkunft der Abgeschiedenen in die Unterwelt besorgt*)Auffallend ist seine berggrüne Farbe, die Denon auch an manchen Figuren von Gottheiten in den Gräbern der Könige zu Theben fand.. In seiner Linken hält er ein tiefes Gefäss, wahrschein - lich mit den Eingeweiden des Unter - leibes, die aus den Leichen genommen, und weil sie als Quelle der fündigen Ausschweifungen in diesem Leben, nun nicht mit zu den unterirdischen Woh - nungen der Frommen gelangen durf - ten, in das Wasser geworfen wurden**)Plutarchus de esu carnium p. 54. ed. Wyttenbach. oper. moral. T. V. P. I.. Unter der Brust ist der geweihte -65 ser (Scarabaeus sacer) gemahlt*)Ebenfalls berggrün, nicht mit seiner eigenthümlichen schwarzen Farbe. Auch verdankt meine Sammlung der Güte des Hrn. Geheimenraths von Gerning zu Frankfurt, einen altä - gyptischen sehr naturgetreu gearbei - teten Scarabäen, wie sie zu Zeiten in Mumien gefunden werden, gleichfalls aus berggrünen Kieselschiefer ge - schnitten., das Heiligste der altägyptischen Sinnbilder, das Symbol der Sonne sowohl als der Seele, die man als den göttlichen Fun - ken von jener betrachtete. Drüber noch ein Paar liegende Figuren mit Sperber - köpfen**)Wie es scheint von der ägyptischen, Weihe. Vergl. Forskål deser. ani - mal. p. 1., ebenfalls Bilder der Seele, deren Sitz die Ägypter ins Herz setz - ten, das so wie der Sperber nichts als Blut trinke. Unten zu den Füssen ein Paar verkehrt liegende schwarze Wölfe66 mit Geisseln, als Thürhüther der Unter - welt, zum Abwehren und Beschützen*)Zoega numi aegyptii imperatorii p. 70., zugleich aber Mittler des Verkehrs zwi - schen dieser und der Oberwelt. Ausser - dem sind vorn so wie an den Seiten und am, Rücken des Sarcophags noch mancherley stehende Figuren von Ge - nien angemahlt; darunter besonders der mit dem Sperberkopf, das Bild der rein tugendhaften Sittlichkeit, und hinge - gen der Hundsköpfige als Repräsentant der sinnlichen Begier.

Zu den seltenen Einrichtungen an Sarcophagen gehört, dass man wohl eher zwey hölzerne in einander gepasst gefunden, oder aber dass sie aus an - derem Material verfertigt gewesen. So besass der jüngere Thevenot, der mor - genländische Reisende, einen solchen Mumiensarg, der selbst aus mehr denn vierzig Lagen von aufeinander gepapp -67 ten Byssus (Cattun) bestand, übrigens aber ebenfalls mit allegorischen Bil - dern und Hieroglyphen bemahlt war*)Zu so einem cattunenen Sarcophag gehörte vielleicht auch das bemahlte Bruststück bey Beger, thesaur. Bran - denburg. T. III. p. 402. s. Bötti - ger's archäologische Aehrenlese. 1ste Samml. 1811. p. 2. t. 3..

Auch sehr selten, wenigstens schwer nach Europa zu transportiren, sind stei - nerne Sarcophage, aus Basalt oder Mar - mor gehauen, von welcher beiderley Steinart die zweye sind, die ehedem der französische Grossfinancier Fou - quet besessen, und schon von Kir - cher**)Oedip. T. III. p. 478. f. 1., neuerlich von de la Sau - vagère***)Recueil d'Antiquités dans les Gaules. Par. 1770. 4. p. 329., und der eine derselben68 so eben wieder von Lenoir*)Mémoires de l'Acad. celtique T. IV. N. 14. p. 228. be - schrieben worden.

Sehr viele Mumien liegen aber auch ohne Sarcophag bloss in Schlif oder Palmzweige eingewickelt, oder auch, wie Maillet welche beschreibt, die weiter weltlich von Sakara gefunden worden, blosse Körper nur obenhin in Stücke Cattun gewickelt, auf eine Schicht Kohlen gelegt, und 7 bis 8 Fuss hoch mit Sande bedeckt.

Überhaupt haben auch die Kinder - mumien sehr selten einen Sarcophag.

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IV. Bemahlte Cattunmasken und ande - rer Zierath auf den Mumien.

Die Vorderseite der Mumien selbst ist gewöhnlich vom Kopf bis zu den Füssen mit einer Cartonähnlichen, aber aus Cattun über einander gepappten, mit einem Gypsgrund überzogenen und be - mahlten Maske bedeckt, die am Kopfe wieder ein gemahltes oder vergoldetes Gesicht, dann vor der Brust das grosse aus halben Kreisen zusammengesetzte Schild, und so am Unterleibe und an den Beinen herab wieder mancherley Vorstellungen von ägyptischen Gotthei - ten u. dergl. zeigt.

Fürer von Haimensdorf, Ket - ner u. a. sagen, dass diese Masken auch theils von Papyrus wären; aber das scheint mir zweifelhaft, wenigstens habe ich an so manchen Mumien, die70 ich zu untersuchen Gelegenheit gehabt, nie etwas von diesem berühmten Schilfe, auch bey keinem sehr genauen Schrift - steller darüber, eine Bestätigung jener Vermuthung gefunden.

Ueber die blaue Farbe an diesen Mas - ken oder auch auf den Sarcophagen, sind die Angaben der Chemiker ge - theilt. Die mehresten, auch noch Brün - nich in seiner Beschreibung der von ihm und anderen Dänischen Gelehrten zerlegten Copenhagner Mumie, erklä - ren sie für Smalte. Unser sel. Gme - lin hingegen, nach seinen Untersuchun - gen an der im hiesigen academischen Museum, schreibt sie dem Eisen zu.

Fabbroni will an der Mahlerey ei - nes zu Florenz befindlichen Mumien - fragments Spuren von Wachs wahrge - nommen haben und hält daher die En - caustik für eine altägyptische Erfindung*)s. Dess. antichitá della pittura encausia. p. 6..

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Auch die Vergoldung an den Mu - mien zeigt mancherley Eignes. Zuwei - len bat sie eine Unterlage von Silber, das ohne weiteres Verbindungsmittel gleichsam damit platirt ist**)So an der von Brünnich zerlegten Mumie..

Häufig aber ist das Gold, das an Frisch - heit des Glanzes dem auf altdeutschen Altarblättern ähnelt, doch wieder zu äusserst mit einem schwarzbraunen, wie es scheint harzigen Virniss über - zogen und darunter versteckt**)So z. B. an einer ausnehmend schönen Gesichtslarve im Antikencabinet bey der kaiserlichen Bibliothek zu Paris. **).

Zu dem sehr ungewöhnlichen Putze womit manche Mumien ausgestattet wor - den, gehören die Netze von kleinen bunten Glascorallen, dergleichen Perry und Ledyard beschrieben, und ich selbst an der schönen Montaguschen72 Mumie in Britischen Museum gesehen habe. Versteht sich, dass man diese, meist unter der Cattunmaske befindli - chen, erst an abgebrochenen Stellen derselben zum Vorschein kommenden Corallen, selbst schon durch die alten Byssusfäden, an welche sie gereiht sind, gar leicht von den ähnlichen modernen Zierathen unterscheiden kann, womit man wohl eher in Europa die Mumien aufgestutzt hat, um ihnen ein desto merkwürdigeres Ansehen zu geben*)z. B. die Günthersche Mumie im merkwürdigen Wien. vom Jan. 1727. tab. IV..

V. Cattunbinden der Mumien.

Die Leiche selbst ist bekanntlich über und über mit Binden umwickelt, die nach allen meinen Untersuchungen und nunmehriger Ueberzeugung, nicht wie73 Greaves und so viele andere behaup - ten, von Leinwand, sondern durchge - hends von Baumwolle sind.

Ich gründe diese meine Überzeugung weit weniger auf meine eigene Ansicht, als auf die Versicherung solcher Perso - nen die ich darüber befragt, und de - ren Urtheil in dieser Sache ich ohne Vergleich mehr als meinem oder irgend eines anderen Gelehrten traue, nem - lich Frauenzimmer, Cattun - und Lein - wandhändler, Weber u. dergl.

Überdem aber willen wir, dass Baum - wolle in Ägypten wuchs, und dass der mythischen Sage nach Isis die gesam - melten Glieder ihres von Typhon zer - stückelten Gemahls in baumwollenes Zeug gewickelt hat; und so wie über - haupt so sehr vieles an den Mumien auf Isis und Osiris hindeutet, so könnte auch jene Sage wohl als ein Grund an - gesehen werden, warum die Ägypter74 ihre Leichen in lauter Cattunbinden gewickelt*)Larcher zum Herodot T. II. p. 357. der neuen Ausg..

Auch schon der grössern Dauerhaf - tigkeit wegen waren sie diesem Behuf vorzüglich angemessen. Noch jetzt, nach langen Jahrtausenden, sind die Mu - mienbinden zum Theil noch so fest, dass z. B. der brave Zürcher Wundarzt Hanns Jac. Amman, da er a. 1613 die Catacomben von Sakara befuhr, die alten Byssusbinden nicht zu zer - reissen vermochte, sondern sie mit der Scheere zerschneiden musste; und dass Lord Sandwich sie so fest fand, als ob sie so eben vom Webestuhl genommen waren; und unser Seetzen dem Hrn. von Hammer schreibt**)In den Fundgruben des Orients. 1. St. S. 72., dass sie noch jetzt von den dortigen Bauern zu Klei -75 dungsstücken für ihre Kinder benutzt würden*)Das sagt auch schon Abdollatiph, und um so begreiflicher wird also die in Ägypten selbst immer mehr zu - nehmende Seltenheit ganzer Mumien, deren ohnehin eine Unzahl von den Arabern die Goldbleche oder andere Kostbarkeiten darin erwarten, zer - stört, oder bey dem dortigen Holz - mangel als Feuerungsmaterial aufge - brannt wird. s. F. Protais voyage du Sayd p. 2..

Diese Binden sind oft an Einer und eben derselben Mumie von sehr ver - schiedener Feine. Die gröbern, wie Baracan und theils gekepert**)Nach Beckmanns Technologie S. 95.. Die feinern unserm schönsten Battist gleich, so dass sowohl Gespinnst als Gewebe an denselben vortrefflich zu nennen sind***)Beckers Augusteum I. B. S. 27..

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Eben so ungleich ist vollends bey den verschiedenen Mumien die Menge der darauf verwandten Binden, ihre Breite, die Art wie sie gewickelt worden u. s. w. Die Menge die zu manchen verbraucht worden, wird von dem Schwedischen Baron Höpken auf 600 Ellen, und von Greaves auf nahe an 1000 an - geschlagen.

Am Leibe und an den Schenkeln lie - gen oft 40 bis 50 Windungen derselben über einander.

Die äusseren sind gewöhnlich die schmalsten, und laufen über den gan - zen Körper, so dass man von aussen weder irgend etwas von Gesichtsbil - dung, noch von den Gliedmassen unter - scheiden kann. Unter ihnen liegen dann die inneren, womit die Extremi - täten und der Rumpf besonders um - wickelt sind, die auch zuweilen mit grossen Stücken Cattun, welche sich77 zwischen denselben finden, abwechseln. Greaves, Andr. Gryphius und Brünnich haben die Anlage dieser Bandagen an denen Mumien, die sie zerlegt, genau angegeben.

Die Köpfe einiger nach Europa ge - brachter Mumien, wie z. B. der Gross - herzoglichen zu Florenz die Nardius beschrieben, oder der Kopf in der Sammlung des Bononischen Instituts, sind auf das mühsamste und sonderbarste übers Kreuz umwickelt, so dass hin und wieder viereckte Öffnungen zwi - schen den Banden blieben, und der - gleichen Köpfe gewisser Massen alten geschlossenen Helmen mit durchbroch - nem Visir ähneln.

Überhaupt sind manche Mumienban - dagen so wundersam kunstreich ange - legt, dass selbst geschickte Wundärzte bezweifelt haben, dass man sie heuti - ges Tages nachmachen könne. Doch hat78 sich Thom. Alghisi, ein berühmter Florentiner Arzt und Lithotome, der unvergoltnen Arbeit unterzogen, alle die mühsamen Bandagen der gedachten Florentiner Mumie an einem Fantom auf das genaueste nachzuwinden*)s. Vallisnieri nuove osservaz. ed esperienze in den opere T. III. p. 91. t. 3. der Quartausg..

Dass die Binden durch Gummi un - tereinander befestigt worden, sagt schon Herodot; und ich habe es zum Über - fluss an mancherley Stücken davon un - tersucht und richtig befunden.

Zuweilen sind auch die zunächst um den Leib und an den Armen vergol - det. An des Apotheker Hertzogs Mumie waren gewölbte Brüste mit deut - lichen Papillen aus Cattunlagen bossirt bey manchen finden sich, so wie an der im hiesigen academischen Museum, bemahlte und theils vergoldete Sandalen79 aus zusammengepappten und grundir - ten Binden, anderer dergleichen unge - wöhnlicher Sonderbarkeiten an einzel - nen Mumien zu geschweigen.

VI. Verschiedenheit der Mumien in Rücksicht der erhaltenen wei - chen Theile des Körpers.

Von der Hauptverschiedenheit der Mumien nach ihrer Bereitungsweise, die sich gleich auf den ersten Blick durch die Art verräth, wie die Binden entweder bloss gummirt, gelblich braun, und theils gar nur lose auf einander liegen, oder aber mit Harz innig durch - zogen, und dadurch zu einer festen schwarzen Masse verhärtet sind, davon wird weiter unten ausführlicher die Rede seyn.

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Jene enthalten von der ehemaligen Leiche selten mehr als das blosse Ge - rippe, und höchstens sind nur die in - nern Wände der grossen Cavitäten des Körpers, zumahl im Thorax und der Beckenhöhle mit Harz mehr oder we - niger ausgegossen. In den Mumien der letztern Art hingegen ist viel von den weichen Theilen, zumal Muskeln, nebst der Haut erhalten, alles aber so wie die Binden, mit Harz theils bis in die Markzellen der Knochen durch - zogen und geschwärzt.

Ausser den eigentlichen Muskeln scheint von den weichern Theilen be - sonders die Zunge noch am öftersten erhalten zu seyn; und nächst derselben die Sexualorgane, die man bey weib - lichen Mumien theils mit Goldblätt - chen belegt*)Abdollatiph p. 199. der Ausg. von Silvestre de Sacy. , oder auch eine, den81 Ägyptern bekanntlich heilige Zwiebel an dieser Stelle*)Nach einem Briefe von Herrn Nie - buhr. Eines anderen von Brün - nich und Denon erwähnten Organs zu geschweigen, das man mehrmalen in eben dieser Gegend ebenfalls an weiblichen Mumien aufliegend gefun - den, und doch offenbar von einem männlichen Körper genommen zu seyn schien.Vergl. auch die Memoirs of Ph. Thicknesse vol. III. p. 85. gefunden. An man - chen männlichen versichern Denon und Seetzen sogar die Beschneidung erkannt zu haben.

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VII. Beyläufig ein Wort vom vorgeb - lichen Naulus, so wie von Idolen u. a. Anticaglien, die in vielen Mumien gefunden werden.

Man hat viel von einem Goldstücke gesagt, das die Mumien unter der Zunge haben sollten, und was ihnen zum Fahrgeld mitgegeben worden. Nun weiss ich zwar nicht wo es Burret - tini und Daubenton herhaben, dass so ein Goldstück zwey Louisd'or am Werth gehalten habe; oder wie Win - kelmann gar aus diesem vorgeblichen Naulus folgern konnte, ergo müssten die alten Ägypter geprägtes Geld ge - habt haben; und weiss hingegen wohl, dass schon Peiresk u. a. vergebens darnach gesucht. Aber Graf Caylus hätte doch auch nicht sagen sollen, man habe gar nichts dergleichen noch83 gesehen; denn allerdings fand Gry - phius im Schlund der Breslauer Mu - mie ein dünnes Goldblech zehn Gran schwer, eingekerbt und zusammenge - legt; und Brünnich in der Nasenhöle der von ihm zerlegten ein schmales Goldblättchen, das ihm natürliches ge - diegenes Gold schien; vielleicht aus den alten, wegen ihrer reichen Aus - beute weiland so berühmten Goldgru - ben bey Berenice Panchrysos die Agath - archides beschrieben.

Auch hat Denon ein hieroglyphisirtes Silberblättchen abgebildet, das auf der Brust einer in Oberägypten geöffneten Mumie gefunden worden.

Die grösste Anzahl und Mannichfaltig - keit von Symbolen aber, die meines Wis - sens je in Einer Mumie angetroffen wor - den, fand sich in dem vom Apotheker Hertzog zu Gotha zerlegten Mumien - tronk. Es waren ihrer 72, und ich habe84 sie sämmtlich genau untersucht, zu - mal in Bezug auf die Steinarten, wor - aus sie geschnitten waren. Wenige aus Chalcedon und Achat, mehrere aus La - surstein und schwarzem Basalt, auch aus einem granitartigen Gemenge von Feld - spath und Hornblende, das in Grünstein überging. Was mir aber besonders auf - fiel, manche aus einer rothen Kupfer - garschlacke, die der Farbe nach dem. sogenannten Porporino ähnelte, das neuerlich in Rom zu Halsbändern u. a. dergleichen Frauenzimmerputz verar - beitet wird.

Zu den sehr seltenen dergleichen Fi - gurchen gehört, was das Material betrifft, ein Skarabäe aus Magneteisenstein, den Greaves mitgebracht hat*)Miscellan. works. vol. I. p. 67., so wie hingegen die bey weiten allerhäufigsten als Töpferwaare aus Thon gebrannt sind. Manche derselben nennt Cay -85 lus porcellanen, allein alle die, so ich gesehen, ähneln höchstens unterm Stein - gut, haben eine meist spangrüne Gla - sur und sehen auf dem frischen Bruche rauh und sandig aus. Sie sind in For - men gedruckt und unter den grösseren, zumal Osirisfiguren, längs dem Rücken mit Hieroglyphenschrift bezeichnet.

Die Vorstellungen der Bilderchen selbst sind aus den Kupfern in Hertzogs Mumiographie, so wie bey Kircher, Caylus, Denon u. a.m. allgemein bekannt. Meist sind es Osirisfiguren*)s. Böttigors Ährenlese a. a. O. p. 1. t. 2., das symbolische Auge, Sperberköpfe, Frösche, Skarabäen, sehr selten hin - gegen Nilpferde**)Mehrere solcher in Mumien gefunde - nen Anticaglien habe ich beschrieben und abgebildet in dem Specimen hi - storiae naturalis antiquae artis operi - bus illustratae, im XVI. B. der com - mentat. societ. Reg. scientiar. .

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Immer merkwürdig bleibt das räth - selhafte Instrument ans schwarzem Basalt, das Hertzog in seiner Mumie gefun - den und abgebildet hat, wenn man es auch nicht, so wie er, für ein bey der Bebreitung der Mumien gebrauchtes Werkzeug halten will.

Endlich sind auch zuweilen beschrie - bene Blätter oder ganze Rollen von Pa - pierschilf in und bey Mumien ange - troffen worden. Schon der wackere Rondelet meldet, dass man in der Brust einer von Cairo nach Marseille gebrach - ten Mumie 20 solche Blätter gefunden, deren er selbst einige besessen*)s. Bellonius de medicato funere p. 25. b.; und neuerlich sind durch die französische Expedition nach Ägypten mehrere ganze Hollen der Art nach Europa gekommen, davon die längste und schönste durch das vortreffliche Facsimile von Cadet bekannt gemacht worden.

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VIII. Ingredienzen zur Mumien - Bereitung.

Der chemischen Ingredienzen zur Be - handlung der Leiche selbst bey der Mu - mienbereitung, waren hauptsächlich drey. Natrum. Cedria und Asphalt; so wie zur Verbindung der Lagen von Cattunwindungen Gummi.

Die Wirkung des Natrums bey dem Mumisiren, zumahl bey der ersten von den oben unterschiedenen beiden Haupt - arten, war ohne Zweifel, wie schon Rouelle richtig angemerkt, die wei - chen Theile wegzubeizen. Selbst Wir - belknochen habe ich dadurch angefres - sen gesehen. Auch liefert Ägypten die - ses natürliche mineralische Alkali in unermesslicher Menge, da nur allein aus den Natronseen in der Wüste des88 heil. Macarius, jährlich 36000 Centner desselben gewonnen werden.

Die Cedria war das Baumharz von der Ceder auf dem Libanon (Pinus ce - drus oder Cedrus conifera oder Phoeni - cea, zum Unterschied von der bacci - fera oder Cilicia, Iuniperus oxycedrus), theils flüssig wie Terpenthin, theils fest wie Pech. Ersteres soll nach Hero - dot als Klystier in die Leiche gebracht worden seyn, letzteres aber ward wahr - scheinlich einigen der verschiedenen Asphaltcompositionen zugesetzt. Denn dass der gemeine Asphalt wohl selten rein zu den Mumien gebraucht worden, davon hallen mich nicht nur die vie - lerley verschiedenen äussern Kennzei - chen an den mancherley Mumienstük - ken in meiner Sammlung, sondern auch die damit angestellten vergleichenden Versuche überzeugt.

Die allerfeinste und wohlriechendste Composition die ich besitze, ist in ei -89 nem Stück vom Thorax einer jugend - lichen Leiche, an welchem nicht nur einige Rippen der rechten Seite ansitzen, sondern auch die zwischen denselben liegenden Intercostalmuskeln aufs sicht - lichste erhalten sind. Sie ist von aussen hart, glänzend, theils ganz schwarz, theils bräunlich, im Bruche mattglän - zend; in der Mitte aber graubraun und noch weich wie Wachs, dass sie sich wie frische Pillenmasse behandeln lässt. Und eben so war auch das Harz in der Brust des vom Apotheker Hertzog in Gotha zerlegten Mumientronks.

IX. Eigentlicher Begriff des Worts Mumie.

Dem Wortverstande nach passt die Benennung Mumie eigentlich bloss auf diese Asphaltcompositionen, und die damit gefüllten und durchzogenen Lei -90 chen. Denn Mumia, das jetzt im Ara - bischen, Persischen und Türkischen ge - bräuchliche Wort für die kunstreich zu - bereiteten Körper aus den ägyptischen Catacomben, kommt wohl, so wie Mu - minahi das kostbare Persianische Erd - pech, von Mum, was in allen diesen Sprachen Wachs heisst.

Den altägyptischen Namen hat uns der heil. Augustimis aufbehalten, da er sagt: die Ägypter trockneten ihre Lei - chen so hart, als ob sie aus Erz wären, und nannten sie Gabbaras, welches Wort der ältere Forster durch heilig verwahrt übersetzt*)De Bysso p. 73. vergl. Jablonskii voces Ägyptiac. p. 59. sq. ed. te Water.. Bey den Kopten aber heissen die Mumien jetzt Miolon. Die älteren Griechischen und Römischen Schriftsteller haben keins dieser Wörter gebraucht. Der erste Grieche, bey welchem ich das Wort91 Mumia finde, ist Nicolaus Myrepsus, aus dem XIIIten Jahrhundert, und un - ter den Latinobarbaris Constantinus Afer aus dem XIIten.

X. Behandlung der Leichen.

Bey der Bereitung dieser mit Harz ganz durchzogenen und verhärteten Mumien, müssen die Leichenbeschicker mitunter gar unsanft und derb umge - sprungen seyn, weil man so häufig zer - brochene Rippenstücken, ausgebrochene Wirbel u. dergl. in der Harzmasse, in der Brusthöhle oder im Unterleibe an - trifft. Einer gewissen von Herodot erwähnten, ganz brutalen und empö - renden Gewaltthätigkeit zu geschwei - gen, derentwegen in der Folge die Leichen schöner Frauenzimmer nicht eher, als bis sie schon in Verwesung zu gehen anfingen, den Händen der we -92 gen Unenthaltsamkeit verdächtigen Lei - chenbeschicker anvertrauet wurden.

Was noch einige besondere Umstände bey der Behandlung der Leiche betrifft, so habe ich die Nase an keinem einzi - gen von seinen Hüllen entblössten Mu - mienkopfe unzerstört gefunden, wenn auch sonst andere weiche Theile (wie an einem vortrefflichen Kopfe von der karten durchharzten Art, den ich durch die Freundschaft des Hrn. Th. Tur - ner aus Cambridge bekommen habe), zum Wunder erhalten waren*)Diesem scheinbaren Mangel abzuhel - fen, haben die Verkäufer wohl eher die Nase aus Pech zu restauriren ver - sucht. s. Caylus in der Hist. de l'Acad. des inscript. T. XXIII. p. 132..

Das reimt sich mit Herodots Berich - te, dass die Leichenbereiter das Hirn mittelst eines gekrümmten Eisens durch die Nasenlöcher ausgeleert hätten. Gry - phius, Middleton u. a. haben das93 unwahrscheinlich gefunden, und ge - glaubt, das sey vielmehr durch die grosse Öffnung im Hinterhauptsbeine geschehen. Aber ich habe durchaus an allen den Mumienschedeln, wo ich das untersuchen konnte, entweder die ganze knöcherne Scheidewand der Nase mit sammt dem Hahnenkamm ausge - brochen, oder doch die durchlöcherte Scheibe des Siebchens, und einigemahl auch einen der daran anliegenden in - neren Seitentheile des Stirnbeins durch - gestossen gefunden.

Dagegen sitzen an meinem ausneh - mend schönen Mumienkopfe, dessen ich so eben gedacht, die Halswirbel noch so unverrückt in ihrer festen natürli - chen Verbindung, dass dabey an eine Ausleerung des Hirns durch jenen Weg, kein Gedanke bleibt.

Die Menge des Harzes, das nachher in den ausgeleerten Schedel gegossen wor -94 den, ist sehr ungleich gewesen. In zweyen meiner Mumienköpfe betrug sie wohl etliche Pfunde. Andere habe ich zuweilen damit nur wie ausgepicht oder leicht incrustirt gefunden. Und noch andere ganz leer ohne alles Harz. So ein jugendlicher Mumienkopf, den ich Hrn. Dr Gall verdanke, und welchen, wie er mir sagt, der bekannte englische Reisende, Hr. Cripps aus Ägypten mitgebracht und ihm gegeben. Eben so harzlos ist auch die Schedelhöhle der Mumie, die das hiesige academische Mu - seum vor 30 Jahren vom vorigen - nige von Dänemark zum Geschenk er - halten, und eben so auch der Mumien - kopf in Cambridge, den der berühmte Middleton beschrieben.

Zuweilen hat man die ganzen Hände, oder doch die Nägel, vergoldet gefun - den. Dass auch das letztere, so wie anderer Leichenputz erst nach dem95 Tode angebracht worden, bedarf wohl kaum einer Erinnerung.

Anders verhalt es sich hingegen nach aller Wahrscheinlichkeit mit den roth - gefärbten Nägeln, die an durchharzten Mumien nicht selten bemerkt worden, und dergleichen auch ein Mumiensinger in meiner Sammlung zeigt. Diess Pigment rührt wohl noch von Lebzei - ten her, und scheint bey gewissen Stämmen der alten Ägypter eben so wohl, als noch heute in Hindostan im Gebrauch gewesen zu seyn. Auch wird man vielleicht dieses Wahrzeichen, in Verbindung mit manchen anderen, zur, Bestimmung der Abkunft gewisser Mu - mien anwenden können. Denn da we - nigstens zweytausend Jahre hindurch die Leichen in Ägypten zu Mumien be - reitet worden, so begreift sich von selbst, dass dieselben nicht allesammt zu ei - nem und ebendemselben Völkerstamme gehört haben können. Eher ist aber96 kein recht helles Licht in der Geschich - te der Mumien zu erwarten, als bis die Nationalverschiedenheiten und respecti - ve Eigenheiten an denselben genauer untersucht und zu diesem Behuf ange - wandt worden.

XI. Stumpfe Vorderzähne mancher Mumien.

Zu diesen auszeichnenden Beson - derheiten gewisser Mumien rechne ich vorzüglich eine wundersam anomalische Bildung der Vorderzähne derselben, die mir besonders an einem durchharzten Mumienkopfe auffiel, den ich schon vor 30 Jahren, nebst mancherley ande - ren ägyptischen Merkwürdigkeiten von einem morgenländischen Reisenden, Namens Friederich, aus Danzig erhielt. Ich fand nemlich die Vorderzähne an97 selbigem, im Ober - und Unterkiefer, nicht meiselartig in einen schneidenden dünnen Rand zulaufend, sondern wie kurze abgestumpfte Hegel gestaltet; die Eckzähne aber nicht wie gewöhnlich zugespitzt, sondern oben so breit und flach, dass man sie bloss durch ihre La - ge von den nächstanstehenden Backen - zähnen unterscheiden kann. Noch ausgezeichneter und auffallender fand ich nachher dieselbe Sonderbare Bildung an dem vortrefflich erhaltenen Mumien - kopfe, den ich, wie schon gesagt, aus Cambridge bekommen und in der IVten Decas craniorum beschrieben habe. Meine Bemerkung ist hierauf vom Hrn. Leibmed. Brückmann zu Braunschweig an einer dort befindlich gewesenen und nachher nach Cassel verkauften Mumie, so wie an der auf der Bibliothek bey der Maria Magdalenenkirche zu Bres - lau befindlichen, und auch von Hrn.98 Prof. Autenrieth zu Tübingen, an der Stuttgarder,*)s. die von ihm selbst gestochene Ab - bildung am Schluss dieser Abhandlung. bestätigt worden.

Um so auffallender ist es, dass die früheren Mumienbeschreiber, die sich freylich überhaupt um die Eigenheiten im Körperbau derselben so gut wie gar nicht bekümmert, diese osteologische Abweichung unbemerkt gelassen; nur den gelehrten und scharfsinnigen Midd - leton ausgenommen, der sie an dem Kopf in dem von ihm beschriebenen Cambridger Mumienkasten als etwas ganz Prodigioses angemerkt, aber nicht vermuthet hat, dass das eine National - eigenheit gewisser Mumien seyn, we - nigstens mehrere es mit einander ge - mein haben könnten.

Übrigens habe ich längst und in ver - schiedenen Schriften erinnert,**)Decas cranior. I. p. 14. De generis hu - mani variet. natiua p. 225. der 3ten99 Ausg. Gesch. und Beschr. der Kno - chen des menschl. Körp. S. 260. der 2ten Ausg. dass und warum unmöglich alle ägyptische Mumien jene stumpfen Vorderzähne haben hönnen, so dass es mich wun - dert, wie mehrere Schriftsteller noch kürzlich dieselben für einen mehr oder weniger allgemeinen Character der Mu - mien haben halten können.

Die Ursache jener anomalischen Bil - dung ist verschieden angegeben wor - den. Hr. D. Seetzen hält sie für Werk der Kunst, für Folge des absichtlichen Abschleifens der Zähne. Bekanntlich ist diese Künsteley unter mancherley Sogenannten wilden Völkern, zumal in Africa und Ostindien Mode; und ich besitze mehrere Schedel in meiner Sammlung, deren Gebiss offenbar auf diese Weise behandelt worden.

Aber von eben diesen durch die Kunst abgeschliffenen Zähnen unterscheiden100 sich jene an den gedachten Mumien schon auf den ersten Blick, besonders durch die auffallende Stärke und Dicke des Theils der Kronen, der nach den Alveolen gekehrt ist. Und eben da - durch differiren sie auch von den Zäh - nen mancher andern Schedel in mei - nem Cabinet, deren Kronen lediglich durch vieljährige Arbeit beym Kauen der Nahrungsmittel (wie z. B. des rohen Fleisches bey den Eskimos) grössten Theils abgenutzt worden. Daher ich doch immer noch eher vermuthe, dass bey jenen alten Ägyptern auch eine Nationaleigenheit im Baue selbst dabey mit zum Grunde liegen mag.

XII. Vermeinte Abortus-Mumien.

Sonderbar bleibt immer, dass sich, wie oben schon erwähnt, so sehr wenige Kindermumien, zumahl aus den ersten101 Lebensjahren finden. Aber noch, weit sonderbarer wäre es, wenn, wie meh - rere verdiente Schriftsteller noch neu - erlich behauptet haben, dessen ungeach - tet ägyptische Mumien von unzeiti - gen, zu früh zur Welt gekommenen Kindern, nichts weniger als selten, und selbst in ziemlicher Menge nach Europa gebracht seyn sollten.

Allein ich habe grossen Grund hier ein seltsames qui pro quo zu ahnen, nachdem ich während des mir unver - gesslichen Aufenthalts in London Gele - genheit gehabt, mehrere dieser vorgeb - lichen Abortus-Mumien offnen und un - tersuchen zu dürfen.

XIII. Mumien-Puppen.

Wenige Tage nach meiner Ankunft daselbst fand ich in der Bibliothek mei - nes verehrten Freundes, des Hrn. Dr.102 Gartshore unter mehrern ägyptischen Alterthümern, eine kleine nicht an - derthalb Spannen lange Mumie von der gewöhnlichen Puppenform in ihren Cattunbinden und der bemahlten und vergoldeten vordem Bekleidung in ei - nem dazu passenden kleinen Sarcophag von Sycomor-Holze.

Da ich den Wunsch äusserte, wohl zu wissen was inwendig stecken möch - te, so hatte der Besitzer die Gefälligkeit eine Öffnung derselben zu gestatten, die dann den 12. Jan. 1792 in seinem Hause und in Gegenwart des Herrn Präsidenten Sir Joseph Banks und meh - rerer Mitglieder der königl. Societät und anderer Gelehrten vorgenommen ward.

Die Mumie war 9 1 / 2 Zoll lang, und hielt um die Brust, wo sie am stärk - sten war, 8 Zoll im Umfange. Die Ge - sichtsmaske war auf Gyps grundirt und zeigte hin und wieder Spuren ehema -103 liger Vergoldung. Von dem halbzirkel - förmigen Bruststück waren nur noch Fragmente da. Der untere Theil dieser Maske war, so wie man ihn auch nicht selten an grossen Mumien findet, mit regelmässigen Ausschnitten, gleichsam durchbrochen, und mit den beiden ste - henden Figuren bemahlt, die so häufig auf Mumienbekleidungen vorkommen, nemlich zur rechten Anubis mit dem Hundskopf, und zur linken der Sper - berköpfige Osiris.

Die Mumie selbst ward von der Seite geöffnet. Die äusseren Binden waren so fest auf einander geleimt, dass sie durchsägt werden mussten. Die inneren waren lockerer. Überhaupt zählte ich etliche und zwanzig Lagen. Zu in - nerst fand ich endlich, gleichsam als Kern ein Spannenlanges gut Fingersdi - ckes Stück von den stark mit Harz durchzogenen und daher harten Beklei - dungen einer andern grössern Mumie;104 an den Kanten wie mit einem Messer zugeschnitten und in die verlangte Form gleichsam geschnitzt. Brocken davon auf einen glühenden poker ge - worfen, rochen bey der Vergleichung völlig wie Fichtenharz oder der soge - nannte wilde Weyhrauch in den Amei - senhaufen.

Der Sarcophag bestand aus sechs vier - eckten kleinen Brettern von Sycomor - holz, die mit eisernen Nägeln zusam - men befestigt waren.

Kurz nachher fand ich in der Natu - raliensammlung des Hrn. Dr. Lettsom zu Camberwell eine zweyte dergleichen Mumienpuppe, die im ganzen Äussern der vorgedachten völlig ähnelte, auch in einem solchen kleinen Sarcophag lag ꝛc. Nur war sie etwas grösser, nemlich 14 Zoll lang, und hielt um die Brust 11 Zoll im Umfang.

Ihr Besitzer war freundschaftlich ge - nug mir ebenfalls die Öffnung dessel -105 ben zu gestatten, die ich den 29. Jan. daselbst vornahm. Aber so sehr sie im Äussern der Gartshoreschen glich, so verschieden war sie dagegen in ihrem innern Gehalt, da sie eine Menge ein - zelner Knochen vom Gerippe eines Tantalus ibis enthielt, die nur hin und wieder mit Harz überzogen waren.

Durch diese auffallende Verschieden - heit ward freylich meine Neugierde mehr gereitzt als befriedigt, und da ich hierauf im Britischen Museum nicht weniger als drey dergleichen mir nun so räthselhafte kleine Mumien fand; (zweye nemlich in der Hamiltonischen Antikensammlung; beide ebenfalls in solchen viereckten, mit eisernen - geln zusammengefugten Kästen; und die dritte in der Sloaneschen Grund - lage des Museums) so konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, ge - gen Herrn Baronet Banks, als einen der Vorsteher (Trustees) des Museums,106 den Wunsch zu äussern, dass es doch erlaubt seyn möchte, zur weiteren Ver - gleichung auch noch eine von diesen dreyen öffnen zu dürfen. Der Erfolg dieser Äusserung war, dass mir in der nächsten Versammlung der Curatoren und Aufseher des Museums, mit der edelsten Bereitwilligkeit die Erlaubnis ertheilt ward, zu diesem Zweck nicht nur eine von diesen drey kleinen, son - dern auch ausserdem unter vier da - selbst befindlichen grossen Mumien, ebenfalls eine auszuwählen, die mir zur inneren Untersuchung die interes - santeste scheinen würde.

Ich wählte unter den kleinen die in der Sloaneschen Sammlung, weil sie mir doch etwas mehr, als die beiden Hamiltonischen, von denen bey Hrn. Dr Gartshore und Dr Lettsom geöffne - ten, abzuweichen schien, folglich auch in ihrem Innern eher etwas davon Verschiedenes zu erwarten stand.

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Die vier grossen Mumien glichen im Ganzen der im Göttingischen academi - schen Museum, die ich im Sommer 1781 untersucht halte; doch suchte ich wieder diejenige darunter aus, die sich durch die fester zusammengebackenen Binden von den übrigen, so wie von jener hiesigen unterschied, und in de - ren Innern ich also auch eine davon verschiedene Bereitungsart vermuthen konnte.

Der 18te Februar ward zur Öffnung dieser beiden Mumien, in einer sehr ansehnlichen Versammlung im Briti - schen Museum, angesetzt.

Die Mumienpuppe glich im Äussern den beiden vorher untersuchten: nur war sie noch um etwas kleiner als selbst die Gartshoresche, auch fester an - zufühlen, und in Verhältnis au ihrer Grösse, schwerer. Beym Aussägen der - selben spührte man Harzgeruch, auch zeigte sich klebriges Harz an der er -108 hitzten Säge; die Cattunbinden waren nemlich nach innen zu mit Harz durch - zogen, was bey den beiden vorher un - tersuchten nicht der Fall gewesen war. Inwendig fand sich, als sie geöffnet ward, eine menschliche Oberarmröhre von einer jugendlichen, etwa achtjäh - rigen, mit Harz balsamirten Mumie, so wie auch einige Fragmente von den dazu gehörigen, ebenfalls mit Harz durchzogenen Bekleidungen. Der obere Theil des Knochen (sein Sogenannter Kopf) steckte im Kopf der Puppe, und der Untertheil in ihren Füssen. So un - verdächtig aber die äussere bemahlte Bekleidung dieser kleinen Mumie ge - schienen hatte, so fand ich doch, da ich den aufgefügten Durchschnitt ge - nau untersuchte, an dem äussersten be - mahlten Überzuge derselben, Spuren von gewöhnlichem Lumpenpapier, wo - mit sie musste restaurirt und nach der Hand wieder übermahlt worden seyn.

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XIV. Untersuchung einiger menschlichen Mumien in London.

Die grosse Mumie, die, wie gesagt, zugleich zur Untersuchung überlassen wurde, war von einem jugendlichen, der Statur nach etwa 14 jährigen Sub - jecte, das doch, wie sich fand, noch nicht alle Zähne gewechselt hatte. Ihre äusseren bemahlten Bekleidungen äh - nelten denen an der Göttingischen Mu - mie, so wie sie im IVten B. der com - mentation. Societ. scientiar. abgebil - det ist. Am Kopfe waren die Binden durch Harz fest zusammen gebacken, und der Schedel selbst wie mit einem Guss von Harz überzogen, so dass er nur mit Mühe davon entblösst werden konnte; schien auch, dem Gewichte nach zu urtheilen, damit gefüllt. Auch der ganze Raum zwischen dem Unter -110 kiefer und dem Gaumen war mit Harz ausgegossen, enthielt aber, da dieses nach und nach herausgemeisselt ward, ausserdem weder Reste der Zunge, die man, wie obgedacht, sonst zuweilen in Mumien gefunden, noch auch ein Goldblech, und überhaupt fand sich auch im übrigen nirgend die mindeste Spur von weichen oder fleischigen Theilen, von Haut, Sehnen ꝛc., nichts als Knochen. Die Kiefer prominirten merklich, doch freylich nicht so wie bey einer completen Negerphysiogno - mie, sondern so wie man sie oft an hübscheren Mohren und auch nicht selten an Europäern findet. Besonders merkwürdig und meines Wissens sonst noch nie beobachtet, waren aber zu beiden Seiten des Kopfs künstliche, aus Cattunbinden und Harz geformte, äussere Ohren. Und gerade eben so finden sie sich an dem schon mehrma - len erwähnten vortrefflichen Mumien -111 kopfe, den ich von Hrn. Turner er - halten. Am übrigen Körper waren die Cattunbinden locker, nicht zusammen - gepicht, und gaben dem Druck der Hand leicht nach. Auch war die grosse Cavität des Rumpfes bloss mit mor - schen Lumpen und schwarzbraunem vegetabilischen Moder gefüllt. Doch fanden sich zwischen demselben hin und wieder einzelne Harzbrocken. Aber die innere Seite der Brusthöhlen zu beiden Seiten des Rückgraths, und die innere Fläche der Hüftknochen im Becken, waren mit dichten Harzmas - sen übergossen. Nirgend fand sich eine Spur von einem Idol oder irgend ei - nem andern der obgedachten symbo - lischen kleinen Kunstwerke im Innern dieser Mumie. Auch keine Zwiebel, dergleichen man sonst wohl eher, ent - weder an der oben bezeichneten Stelle oder unter einer von beiden Fusssoh - len, an Mumien gefunden hat. Die112 Armknochen lagen an den Seiten her - ab, wie an der Göttingischen, und der von Kettner beschriebenen Leipzi - ger, da hingegen an der von Hertzog geöffneten, an den beiden von Gry - phius untersuchten, an der von Brün - nich, und an der von Hadley zer - legten, die Arme auf der Brust kreuz - weis über einander gelegen hatten*)Villoteau in Silv. de Sacy Ausg. des Abdollatiph S. 269 glaubt, dass an allen weiblichen Mumien die Arme seitwärts herabhängen, und nur bloss bey den männlichen kreuzweis auf der Brust lägen. Aber die von Brün - nich untersuchte weibliche, hatte sie auch so über der Brust gekreuzt.. An einigen Armknochen, z. B. an der linken Schulterröhre, fand sich klebri - ges Pech, das sogar die Finger braun - roth, schmierig färbte, und einen brenz - lich-laugenhaften Geschmack hatte. Im übrigen Körper, wo trockenes Harz lag, war dasselbe fast durchgehends mit ei -113 nem salzartigen Beschlag durchzogen und angeflogen, wodurch zumal die Brustwirbel sehr angefressen und ihre schwammichten Mittelstücke der änsse - ren Knochenrinde ganz beraubt waren. Die Umstände gestatteten es nicht, mit diesem Salze genauere Versuche anzu - stellen. Ich habe aber darauf von mei - nem würdigen Freunde, Hrn. John Hawkins einige schöne Mumien - stücke erhalten, die derselbe in Con - stantinopel bey einem Materialisten er - kauft hatte, von welchen das eine mit einem an Geschmack und Ansehen voll - kommen ähnlichen Salzbeschlag über - zogen und durchmengt ist. Von diesem habe ich eine Portion in Wasser aufge - löset, durchgeseigt und abgedampft, da es sich dann als ein wahres Natrum oder mineralisches Laugensalz (Nitrum der Alten) zeigte, das in überaus sau - bern Crystallen anschoss*)s. die Vignette S. 53..

114

Zur Vergleichung mit jener Mumie ward auch noch eine andere im Briti - schen Museum befindliche, die schon an mehreren Stellen geöffnet war, - her untersucht. Diese war von einer erwachsenen Person; 5 Fuss und 5 Zoll lang, und zeigte eben so wenig als die vorige irgend einige Spur von er - haltenen weichen Theilen, sondern durchgehends nichts als die reinen blossen Knochen. Ausser einer gerin - gen Menge von Harz, das zwischen den Zähnen festsass, war übrigens in dieser ganzen Mumie, so weit man in ihr In - neres eindringen konnte, nichts weiter davon zu finden, sondern die Brust - und Bauchhöhle waren bloss mit schwarz - braunem Moder wie ausgestopft, der auch den ganzen Raum des Rachens zwischen dem Unterkiefer und Gau - men füllte, und gleich mit dem Fin - ger losgelöset und ausgeleert werden konnte. Die Kiefer prominirten bey115 dieser Mumie weniger als bey der vorigen.

Einige Wochen nachher, nemlich den 17. März hatte ich Gelegenheit, bey Hrn. Charles Greville noch eine andere Mumie zu untersuchen, die schon vier Jahre vorher, nemlich den 29. März 1788 in Gegenwart mehrerer dor - tigen Gelehrten war geöffnet worden. Sie gehörte Herrn John Symmons, der mit der grössten Bereitwilligkeit mir unbedingt frey stellte, sie nicht nur nach Belieben weiter zu zerlegen, son - dern auch Alles davon auszusuchen und mit mir zu nehmen, was ich irgend einer weitern genauem Prüfung werth hielte. Es war die Mumie eines ohn - gefähr 6 jährigen Kindes, die in der Art der Bereitung, ohne Spur von Harz oder von erhaltenen weichen Theilen, und in Rücksicht des bemahlten, aus Cattun zusammengepappten halbzirkel - förmigen Brustschildes den im Briti -116 schen Museum untersuchten, richten, so wie unsrer Göttingischen, ziemlich glich, nur dass die Züge auf demjenigen Theil der Cattunmaske, der die Schenkel be - deckt hatte, eher denen ähnelten, die Caylus im Recueil T. V. Tab. 26-29 von einer solchen Mumienbekleidung gegeben hat. Vom Hopf war nichts übrig als einige Stücke der Gesichts - knochen nebst etlichen Zahnen, und die noch an den Cattunbinden befe - stigte Gesichtslarve. Unter den Zäh - nen fanden (ich aber ein Paar Schnei - dezähne, die ohngeachtet des sehr ju - gendlichen Alters des Subjects doch ganz auffallend kurze, dicke und an dem sonst schneidenden Rande merk - lich abgestumpfte Kronen hatten, da hingegen die beiden im Britischen Mu - seum untersuchten, eben so wenig als unsre Göttingische, diese eigne Form der Vorderzähne zeigten.

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XV. Restaurationen und Verfälschun - gen an manchen Mumien.

Am allerauffallendsten war mir aber an Hrn. Symmons's Mumie die Ge - sichtslarve, an welcher zu beiden Sei - ten noch Stücken von den Mumien - binden festhingen, womit sie als ein Theil der ganzen äussern Maske an der Leiche selbst befestigt gewesen war; zugleich aber eine Grundlage von Syco - morholze hatte, dessen Vorderseite erst wieder mit einer dicken Gypspaste en bas relief überzogen war, und dann mit lebendigen, aber durch die Zeit verdunkelten Farben übermahlt schien. Da ich nun mit Hrn. Symmons's Er - laubnis auch diese Larve, so wie andere mir besonders interessante Stücke von seiner Mumie, mit nach Göttingen nahm, und sie bey meiner Rückkunft in warmen Wasser aufweichte und sorg -118 faltig zerlegte, so entdeckte ich an derselben die mannigfaltigsten betrü - gerischen Künsteleyen. Die hölzerne Grundlage war offenbar vom Deckel des Sarcophags einer jugendlichen Mu - mie genommen, und um das alto re - lievo derselben zum bas relief der ge - wöhnlichen Cattunmaske einer Mumie umzubilden, war, zumal zu beiden Seiten der Nase die Gypspaste aufgetra - gen, dann das ganze Gesicht aufs künst - lichste mit Papier überleimt, und die - ses endlich auf Mumienmanier ange - mahlt. Also fast auf die Weise, wie bey der gedachten kleinen Mumienpuppe im Britischen Museum. Dass bey bei - den der Betrug sehr fein ausgeführt worden, begreift sich schon dadurch, dass er meines Wissens vorher noch nicht bemerkt war, ohngeachtet beide Stücke doch sicherlich schon kundigen Beobachtern durch die Hände gegan - gen waren.

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Einige andere verdächtige Umstände bey den von mir in London untersuch - ten Mumien fallen leichter in die Au - gen, z. B. die mit eisernen Nageln zu - sammen geschlagenen Kisten von Syco - morholz, worin die kleinen Mumien - puppen des Dr. Gartshore, Dr. Lett - som, und die beiden in Sir William Hamilton's Sammlung lagen, und die nach aller Wahrscheinlichkeit von neue - rer Hand aus Bretern von zerfallenen Mumiensarcophagen fabricirt waren.

Die Sloanesche lag vollends gar in ei - nem offenbar modernen, in Sarcophags - form geschnitzten Kasten von einem harten braunen Holze, das himmelweit vom Sycomor verschieden ist.

Nun wie manche andere Künsteleyen und Restaurationen mögen nicht mit anderen Mumien, die nach Europa ge - bracht worden, vorgenommen, und nur nicht geargwohnt und ausgefunden seyn, da überhaupt dieser Theil der ägypti -120 schen Archäologie ehedem nur so sehr Stückweis und im Ganzen ohne behö - rige Kritik behandelt worden.

XVI. Kritische Winke bey dieser Unter - suchung.

Unsre ganze Kenntniss von der Be - reitungsart der Mumien, ist aus einer doppelten Quelle geschöpft, nemlich aus der Untersuchung der Mumien selbst, und aus den beiden classischen Stellen über dieselben beym Herodot und Diodor aus Sicilien*)Und mit welcher Vorsicht und Ein - schränkung dieser ihre Nachrichten von der Mumisirung benutzt werden müssen, zeigt unser Heyne in sei - nem reichen Spicilegium antiquitatis mumiarum im IIIten B. der commenta - tionum p. 78. 92 u. a.; denn Strabo und einige andere alte Schrift -121 steller gedenken der Mumien nur mit einem Worte im Vorbeygehen.

Nun aber passen diese beiden classi - schen Stellen genau genommen so gut wie gar nicht auf die nach Europa ge - brachten Mumien. Denn diese sind, wie obgedacht, im ganzen von zweyer - ley Art. Erstens nemlich die festen, harten, schwarzen, ganz mit Harz innig durchzogenen, die sich daher in Stücken brechen lassen; und hingegen zweytens die weichen, dem Druck der Hand nachgebenden, mit wenigem oder gar keinem Harz bereiteten, de - ren lose gelblichbraune Binden sich abwickeln und selbst in Faden zasern lassen, und die inwendig fast bloss ve - getabilischen Moder, hingegen, so viel mir wissend, niemals Idole ent - halten.

Die letzteren sind gewöhnlich von vorn mit der bemahlten oder auch theils vergoldeten Cattunmaske bekleidet, und122 weil sie sich daher stattlicher ausneh - men, als die ersteren, und doch bey ihrer Harzlosigkeit keine Materialisten - waare abgeben, wie diese, so sind sie weit häufiger unzerstöhrt, wenn gleich zum Theil restaurirt, in Europäische Cabinette gekommen.

Die ersteren hingegen sind aus dem eben gedachten Grunde mehr in den Händen der Materialisten geblieben. Von der Art waren die beiden in der Crusischen Officin zu Breslau, die Gryphius 1662 beschrieben, der schon mehrmalen erwähnte Rumpf den der Apotheker Hertzog in Gotha 1715 aufgebrochen u. a.m.

Nun aber gedenkt Herodot keiner von beiden Arten mit einer Sylbe; we - der des Harzes noch der bemahlten Maske; da er doch solche bemahlte Bekleidung an den äthiopischen Mu - mien ganz ausdrücklich beschreibt.

123

Diodor sagt eben so wenig etwas weder von Harz, noch von der gemahl - ten Bekleidung. Dagegen erzählt er aber ganz unreimbare Dinge, wie z. B. dass an den Mumien durch die Kunst der Balsamirer alle Gesichtszüge kennt - lich erhalten würden, da doch bey den Mumien von beiderley Art das Gesicht mit Cattunbinden fast Handedick über - wickelt wurde*)Diess hat auch schon Middleton ge - rügt, miscellaneous works T. IV. p. 172..

Vermuthlich haben beide, ohngeach - tet sie selbst in Ägypten gewesen, doch diese Notizen nur vom Hörensagen; denn anderer Seits etwa annehmen zu wollen, dass alle uns bekannte Mumien erst nach Diodors Zeiten verfertiget worden, und von denen deren Berei - tung Er und Herodot beschrieben, auch nicht Eine auf uns gekommen sey, wäre wohl zu paradox. Graf Caylus124 vermuthete vielmehr, dass unter der Römer Herrschaft über Ägypten ( also ohngefähr seit Diodors Zeiten ) gar keine Mumien mehr bereitet wor - den. Nun das war aber eben so irrig. Denn aus Augustinus sieht man, dass wenigstens noch zu seiner Zeit (in der ersten Hälfte des Vten Jahrhunderts) in Ägypten mumisirt worden*)Augustinus sermon. 361. (oper. T. V. p. 981.).

Die Meinung, die ich schon 1779 ge - äussert, dass auch selbst die alten Chri - sten in Ägypten ihre Leichen zu Mu - mien bereitet, hat unserm fel. Consist. R. Walch damals Anlass zu seiner trefflichen Abhandlung de mumiis Chri - stianis gegeben, die sich im IIIten B. der Commentationen der Königl. Societät der Wissensch. befindet. Unter den da - selbst von ihm angeführten Stellen aus den Kirchenvätern, ist vorzüglich die125 aus Augustinus merkwürdig, wo er die Einwürfe beantwortet, die man beson - ders von der Verwesung der Leichen wider die Lehre von der Auferstehung habe hernehmen wollen, und welcher zu Folge bloss die Ägypter Hoffnung dazu hätten, die hingegen andere Christen, welche ihren Leichen kei - ne so eherne Dauer geben, sich ver - sagen müssten.

Ich habe damals die Vermuthung ge - wagt, dass nahmentlich wohl die bei - den höchst merkwürdigen, ihrem sym - bolischen Putze nach ganz anomali - schen, und in ihrer Art Einzigen Mu - mien im Dresdner Antikencabinett*)s. die herrlichen Abbildungen dersel - ben in Becker 's Augusteum I. B. tab. 1. 2., christlichen Ursprungs und mithin von der neuesten Mumienfabrik seyn möch - ten. So wenig ich mir nun zwar in Betreff des erstren bey einem Gegen -126 stande, welcher mit meinen Berufsstu - dien so heterogen ist, eine Stimme an - massen dürste, so angenehm ist mirs wenigstens, das letztere auch von dem grossen Kenner ägyptischer Archäolo - gie, Zoega, angenommen zu sehen*)De orig. obeliscor. p. 264. Mumia P. della Valle. nunc in museo Dres - densi, formulam ευψυχει in graecis si - mulacris sequiore aeuo solemnem, pe - ctori inscriptam gerens, figurisque or - nata, quae a veteri arte Ägyptia prorsus alienae, vix ante IVtum vul - garis aerae saeculum pictae credi pos - sunt. .

Anderer Seits lässt sich aber auch wohl das unbezweifelt hohe Alter mancher Mumien, zumal unter den harten, ganz durchharzten, selbst schon aus dem Styl der kleinen Idole, die sie ent - halten, muthmassen.

Nun wäre aber wünschenswerth, Kennzeichen angeben zu können, wo -127 durch sich bey einzelnen Mumien das bestimmte Zeitalter, aus welchem sie abstammen, näher angeben liesse. Al - lein, ehe dazu Hoffnung ist, müssen erst zwey andere pia desideria erfüllt werden.

Erstens nemlich nähere Bestimmung der mancherley so ganz auffallend ver - schiedenen und doch eben so auffallend characteristischen Nationalbildung an den verschiedenen altägyptischen Kunst - werken; nebst der Bestimmung des Zeitalters von diesen und der Ursachen dieser Verschiedenheit.

Zweytens aber eine recht Sorgfältige, kunstmässige Untersuchung der ver - schiedenen characteristischen Form der mancherley Mumienschädel, und Ver - gleichung derselben mit jenen Kunst - werken.

Wenigstens halte ich diess für den sichersten Weg zu jenem Aufschluss. 128Denn von dem Styl und dem Inhalt der bemahlten Cattunmasken lässt sich wohl, zumal nach dem, was so eben über die so täuschenden Restaurationen an Mumien ist gesagt worden, höchstens nur mit grosser Vorsicht auf die Mumienkörper selbst, ein Schluss ziehen.

Noch weit weniger aber lässt sich aus der Sculptur oder Mahlerey des Sarco - phags auf die darin nach Europa ge - schickten Mumien schliessen, da schon Maillet es, wie obgedacht, als einen bekannten Betrug der Araber angegeben hat, dass sie die in den Catacomben in kunstreichen Sarcophagen liegenden Mumien, der Idole wegen die sie darin erwarten, zerschlagen, und dafür gut conservirte bunte Mumien (was ich oben weiche nannte) zum Verkauf hin - ein legen.

Die osteologischen Eigenheiten, die ich selbst an Mumienschedeln zu be -129 merken Gelegenheit gehabt, sind meist in den angeführten Decaden meiner Schedelsammlung angegeben, und kön - nen hoffentlich Andern zur weitern Vergleichung nutzen.

Über die verschiedenen Nationalphy - siognomien der alten Ägypter aber be - rühre ich nur das, was ich im naturhi - storischen Studium der Varietäten des Menschengeschlechts bey der Verglei - chung derselben mit altägyptischen Kunstwerken angemerkt habe. Denn da bleibt es mir schlechterdings unbe - greiflich, wie gelehrte Schriftsteller, und zwar nicht von dem Schlage wie der Verf. der Recherches sur las Egypti - ens*)T. I. p. 237., sondern selbst Archäologen von Profession wie Winkelmann**)In der Description des pierres gravées de Stosch p. 10. und an a. O. m. und130 D'Hancarville*)In den Recherches sur l'origine des arts de la Grèce T. I. p. 300. den altägyptischen Kunstwerken Einen gemeinschaftlichen Character von Nationalphysiognomie zuschreiben und denselben in ein Paar Zeilen ganz entscheidend und bestimmt angeben konnten.

XVII. Dreyerley Nationalphysiognomie unter den alten Ägyptern.

Mir scheint es, dass man wenigstens drey Hauptverschiedenheiten von altä - gyptischer Nationalphysiognomie aner - kennen müsse, die freylich, so wie alle Varietäten im Menschengeschlecht, durch mancherley Nüancen so zu sagen in einander fliessen; wovon sich aber doch die reinen, gleichsam idealischen, Mu - ster durch unverkennbare Eigenheiten auszeichnen, und auf welche sich die131 übrigen kleinen Abweichungen ohne Zwang reduciren lassen.

Diess wären:

I. Die Äthiopische Gestaltung;

II. Die mehr Hindusartige; und

III. Die wie es scheint Berberähnliche.

I. Die erstere zeichnet sich durch mehr prominirende Kiefer, wulstige Lippen, eine breite stumpfe Nase und vorliegende Augäpfel aus. So fanden Ledyard, Volney, Larrey u. a. treffliche Beobachter noch jetzt die Copten; so ist nach den besten Beschrei - bungen und Abbildungen bey Nor - den, Volney, Denon ꝛc. die Bil - dung des grossen Sphinx bey Dschisse*)Vergl. Volney voyage en Egypte T. I. p. 71. der 3ten Ausg. Lang - lès Notes et Eclaireissements sur le voyage de Norden T. III. p. 348.; Eben so ist die ganz characteristische Physiognomie an so manchen anderen132 altägyptischen Kunstwerken*)Wie an der Figur in des Gr. Cay - lus Sammlung, die als Vignette oben über der Vorrede nachgestochen ist u. a.m. So beschreibt z. B. Pauli - nus a S. Bartholomaeo in der Mumiographia Obiciana p. 51. ganz be - stimmt und sprechend eine sogenannte Pastophore im Museum des Marchese Obizzi,quae distinguitur primo in - tuitu per suam frontem gibbam, per capillos crispos, per ossa iugalia pro - minentia, per nasum crassum et de - pressum, per sua labia tumentiaꝛc.; so wa - ren nach der bekannten Stelle bey He - rodot vom Ursprung der Colcher, auch die Ägypter; und so schildert auch Lucian einen jungen Ägypter zu Rom**)Nauigium s. vota c. 2. Oper. T. III. p. 248. sq..

Hoffentlich bedarf es aber dabey nicht erst einer Erinnerung, dass äthiopische Gestaltung hier gerade in eben dem wei - ten Sinne genommen werden muss wie133 äthiopische Rasse*)s. davon das so interessante Werk des berühmten Bischofs Grégoire de la Littérature des Nègres gleich zu Anfang. in der anthropolo - gischen Eintheilung des Menschenge - schlechts; also bey weiten nicht etwa die eigentlich Sogenannte Negerphy - siognomie, the true Guinea face wie es die Engländer nennen. Zu geschwei - gen, dass freylich der physiologische Be - griff von Neger im Ganzen genommen eben so schwer bestimmbar und schwan - kend ist, als der geographische**)Vergl. Rennell's geographical Illu - strations of Mungo Park's Journey p. LXXXVIII., da es unter den übrigens noch so ächten Negern eben so wohl schlichthaarige als so schön gebildete giebt, dass sie aus dieser Rücksicht selbst viele Euro - päer übertreffen***)s. den Isten Th. dieser Beyträge S. 78..

II. Ganz von jener äthiopischen ver - schieden ist die mehr Hindusartige Ge - staltung an anderen altägyptischen Kunst -134 werken, die sich zumahl durch eine länglichte schlanke Nase, durch engge - schlitzte langgezogene Augenlieder, die von der Nasenwurzel nach den Schlä - fen aufwärts laufen, durch hochstehende Ohren*)Der Verf. der Recherches sur les Egypt - iens hält diess schlechtweg für einen universellen nationalen Zeichnungs - fehler der ägyptischen Künstler! Eher könnte man doch den Grund in der Haltung des Kopfes suchen., und bey ganzen Figuren durch eine kurze und doch sehr schmale Taille**)Das bemerkt schon Arrian an den Indiern. p. 542. und lange Schenkel aus - zeichnet.

Als Ideal dieser Gestaltung führe ich bloss die ausnehmend characteristische stehende weibliche Figur auf der äussern Rückseite vom Captain Lethieullier's Mumie (eine der vorzüglichsten von allen in Europa bekannten) im Briti - schen Museum an, die auch von Ver - tue in Kupfer gestochen ist, und die so135 auffallend mit den unverkennbaren Na - tionalformen der Hindus auf ihren, zu - mal in England so häufigen, feinen Mah - lereyen übereinkommt*)s. die Titel-Vignette..

Übrigens bezeugt ein sehr gültiger Richter, der gel. P. Pauliuns a S. Bartholomaeo nach der sorgfältig - sten Vergleichung des physiognomischen Characters an den vielerley altägypti - schen Kunstwerken in den reichen ita - liänischen Sammlungen, ganz unbe - dingt so wie überhaupt die Richtigkeit der von mir angegebenen dreyerley Ge - staltungen der alten Ägypter, so nah - mentlich den auffallend contrastirenden Abstand zwischen der Äthiopischen und der ihm aus der lebenden Natur, bey seinem langen Aufenthalt in Indien so genau bekannten Hindustanischen**)Stat ergo ea veritas (sind seine Worte) praeter aethiopicum vultum in Ägypto, eiusque mumiis et monu - mentis, admittendum esse characterem quendam Indicum, qui Ägyptiis non136 minus gentilitius et natiuus est quam Äthiopieus..

Auch reimt sich damit, dass man an manchen Mumien langes schlichtes Haupthaar*)Denon T. II. p. 314. (in 12.), an anderen hingegen, kurzes krauses**)Gryphius p. 41. gefunden.

III. Die dritte Art von ägyptischer Gestaltung, gerade die gemeinste, gleicht keiner der beiden vorigen, und chara - cterisirt sich durch einen eigenen gedun - senen habitus, schwammichte gleich - sam hängende Backen und kurzes Kinn, grosse à fleur de tête vorliegende Au - gen***)s. die Vignette zu Ende der Vorrede. und fleischigen Körper†)Achilles Tatius L. III. p. 177.. Ich glaube, man könnte diele wohl füg - lich die Berberartige nennen, da alle die drey Hauptanalogien, aus wel - cher sich immer die sichersten Folge - rungen von Völkerabstammung und Ver - wandtschaft ziehen lassen, die der137 Gestaltung, der Sprachähnlichkeit und der Übereinstimmung in ausgezeichnet Sonderbaren Gebräuchen wie ich schon anderwärts zu zeigen versucht*)Dec. craniorum Vta p. 8., dafür zu sprechen scheinen.

Ich habe geglaubt, dass diese Meine Ausschweifung hier um so weniger am unrechten Orte sey, da sie eines Theils sowohl für die Geschichte des Ursprungs und der Abstammung der nach Ägypten verpflanzten Völker, die unter dem ge - meinschaftlichen Nahmen von Ägyptern begriffen werden, als auch für die bis - her so verschiedentlich und theils sehr schwankend bestimmten Perioden des alt - ägyptischen Kunststyls nützlich werden könne; und anderen Theils manche der Vorstellungen gar zu seltsam sind, wel - che berühmte Schriftsteller von der ägyptischen Nationalphysiognomie ge - macht haben. Wenn z. B. Winkel - mann ein hierzu ganz unpassendes Kupfer von einer bemahlten Gesicht -138 larve bey Beger, (thesaur. Branden - burg. T. III. p. 402) für eine von den allercharacteristischten Abbildungen der altägyptischen Gestaltung ausgiebt!

Ein Gesicht, das weder Ägyptisch noch Coptisch noch Hinduisch, sondern wenigstens eben so gut als alles diess ganz Brandenburgisch genannt werden kann! Oder wenn er, und so manche Andere mit ihm, diese Gestaltung der Schi - nesischen ähnlich finden eine Ver - gleichung die mir, vollends seit ich 21 lebendige Schinesen in Amsterdam genau betrachtet, und dann gleich dar - auf in London eine Fülle der lehrreich - sten altägyptischen Kunstwerke, zu - mahl im Britischen Museum und in den Sammlungen des Marquess of Lansdown und der Herrn Townley und R. P. Knight gesehen habe schlechterdings unbegreiflich bleibt. Denn unter den fünf Hauptrassen, wor - ein sich das Menschengeschlecht der Natur am angemessensten eintheilen139 lässt, stehen die Ägypter zwischen der Caucasischen und Äthiopischen mitten inne; und sind hingegen von der Mon - golischen, zu welcher die Schinesen gehören, mehr als von irgend einer der übrigen verschieden.

XVIII. Über die Bedeutung der kleinen Mumienpuppen.

So viel von den altägyptischen zu Mumien bereiteten menschlichen Lei - chen. Nun zum Schluss noch ein Wort von der vermuthlichen Bestimmung und Bedeutung der obgedachten kleinen Mumienpuppen.

Sicherlich sind sie das nicht, wofür sie zeither und meines Willens allge - mein gehalten und ausgegeben worden, nemlich keine Mumien von kleinen Kindern und Embryonen*)s. z. B. M. Thr. Brünnichs Dyrenes Historie og Dyre-Samlingen udi Uni - versitetets Natur-Theater T. I. p. 2. und140 selbst Zoega, obelisc. p. 261. N. 43.So eine Mumien-Puppe versteigerte vor neun Jahren ein Auctionator in London als the Mummy of a Child, said to be one of Cleopatra's. Die hätte dem zu Folge in die ehema - lige Jesuiter-Apotheke zu Pressburg gepasst, wo eine wirkliche Mumie für die schöne Königin Mutter, die Cleopatra selbst, ausgegeben ward (Bresl. Samml. XXXIII. Verf. S. 192.), son - dern manche derselben sind wahre Ibis - mumien. So die des Dr. Lettsom; und so auch eine von den beiden in der Hamilton schen Sammlung des Britischen Museums, die schon beschä - digt war, so dass ich den Schnabel des Ibis und andere Vogelknochen darin deutlich erkennen konnte. Gewöhnlich wurden nemlich diese heiligen Vögel, wie bekannt, nachdem sie mit Cattun - binden umwickelt worden, in irdenen Krügen in den Ibis-Catacomben bey - gesetzt*)Eine ausnehmend gut erhaltene Ibis - mumie dieser Art, die ich der Güte141 des berühmt. Naturforschers Hrn. Che - valier Geoffroy Saint-Hilaire verdanke, habe ich im IXten Heft der Abbildungen n. h. Gegenst. tab. 36. stechen lassen.. Zuweilen aber auch ohne Vase in Puppenform bereitet, doch so dass Kopf und Schnabel vorn Frey her - ausragten; von welcher Art Graf Cay - lus einen abgebildet hat. Und dann drittens nur so, dass der ganze Vogel in Puppenform eingewickelt und wie eine menschliche Mumie mit einer bemahl - ten Maske bekleidet ward.

Da aber die beiden andern, bey Dr. Gartshore und in der Sloanischen Sammlung diesen letzteren im Äussern völlig ähneln, so vermuthe ich ( denn bey dem gänzlichen Mangel von Nach - richten alter Schriftsteller über diese Mumienpuppen, muss man doch mit einer blossen Vermuthung sich begnü - gen ), dass sie von den Handwerks - mässigen Mumisirern, die dergleichen auf den Kauf bereiteten, und die, um142 sich die Mühe zu ersparen, einen Vo - gel zu präpariren, das nächste liebste ihnen in ihrer Mumienfabrik zur Hand liegende Knochenstück oder anderes fe - stes Fragment einer zerstörten Mumie zum Kern der Puppe nahmen, und sie für Ibismumien verkauften.

Wer sich erinnert, was die ägypti - schen Priester schon zu Strabo's Zeiten für ein Gesindel waren, und wie der ganze ägyptische Gottesdienst noch nachher vollends in Verfall kam, der wird diese Vermuthung wenigstens nicht unwahrscheinlich finden.

Oder sollte es jemand für plausibler halten, dass diese Puppen zu den me - mento mori gehörten, die bekanntlich bey den Ägyptern über Tische gebracht wurden. Herodot sagt, man habe zu dieser Absicht blos ein kleines höl - zernes Leichenbild herum getragen, dergleichen hölzerne Mumienvorstel - lungen ich auch im Britischen Museum gesehen zu haben mich erinnere. Lu -143 cian aber erzählt als Augenzeuge, dass man zu seiner Zeit die Leichen selbst zu Tische gebracht. Nun liess sich wohl begreifen, wie während der lan - gen Zwischenzeit von fast 700 Jahren, ehe man von jener simplen Idee auf dieses Sonderbare Extrem verfallen, sol - che kleine Mumien einmal den Über - gang gemacht haben könnten.

Der Verf. der Recherches sur les Egyptiens bezweifelt zwar überhaupt, dass man je Mumien zu Tische gebracht habe. Allein sein Skepticismus scheint mir hierbey keinen festern Grund zu haben, als die gegenseitige Versiche - rung eines der prodigios gelehrtesten Ärzte des vorlezten Jahrhunderts, Casp. Hofmanns, der in seinem einst classi - schen Werke de medicamentis officina - libus im Abschnitt von der ägyptischen Mumie mit aller Gravität berichter, dass in Niedersachsen kein Gelag ohne144 Mumie gegeben werde*)p. 642. A Saxonibus audiui, nullum apud ipsos conuiuium transigi posse, sine mummei, vti appellant. Ita olim sine lasere, et hodie Indi sine asa foetida nihil comedunt. Hinc, qui in Aegyptum eunt, afferre secum solent talia cadauera. . Und so unbegreiflich ein Solches qui pro quo zwischen ägyptischen Leichen und dem bekannten nahrhaften Braunschweiger Bier scheinen muss, so ist es doch noch von andern Schriftstellern über die Mu - mien wieder bona fide nachgeschrieben worden.

Textabbildung, S. 144
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TextBeyträge zur Naturgeschichte
Author Johann Friedrich Blumenbach
Extent154 images; 14275 tokens; 4656 types; 100097 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Akademie der Wissenschaften zu GöttingenNote: Projektträger Editura GmbH & Co.KG, BerlinNote: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung Bearbeiter des Projekts Johann Friedrich Blumenbach – onlineNote: Bearbeitung Johann Friedrich Blumenbach – onlineNote: Bereitstellung der Bilddigitalisate2013-08-26T09:00:15Z Frank WiegandNote: Konvertierung nach DTA-Basisformat2013-08-26T09:00:15Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationBeyträge zur Naturgeschichte Zweyter Theil Johann Friedrich Blumenbach. . Heinrich DieterichGöttingen1811.

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LanguageGerman
ClassificationWissenschaft; Naturgeschichte; ready; blumenbach

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Anmerkungen zur Transkription:Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.Langes ſ: als s transkribiert.Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.

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