Im März 1876 wurde im Berliner Rathhaus von mir über höhere Berufsbildung der Frauen ein Vortrag gehalten, der nicht nur bei dem zahlreich und in beiden Geschlechtern gleichmässig vertretenen Publicum beifällige Aufnahme fand, sondern auch durch die sich in weiteren Kreisen verbreitenden Grundgedanken allgemeineres Aufsehen erregte. Den Aufforderungen, jenen Vor - trag in andern Versammlungen zu wiederholen, konnte ich nicht entsprechen, und so entschloss ich mich, um dem auch sonst mir vielfach nahegetretenen Wunsche, meine Auffassung des Gegen - standes näher kennen zu lernen, gehörig nachzukommen, dazu, eine selbständige Bearbeitung des Thema erscheinen zu lassen. Der Umstand, dass jener Vortrag die Veranlassung, wenn auch nicht die eigentliche Ursache meiner Beseitigung von einer Ber - liner Vorlesungsanstalt für Frauen, dem Victoria-Lyceum, ge - wesen, machte die vorletzte Nummer dieser Schrift, mit ihrem mehr als blos persönlichen Inhalt, nothwendig. Wie gross über - haupt die Hemmungen sind, die von Seiten der Scheinwissen - schaft und des gelehrten Unwesens den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Bestrebungen der Frauen, in den Weg gelegt werden, mag man aus meiner Kennzeichnung der Tendenzen entnehmen, die sich in den gelehrten Zünften und dem zugehörigen Unterrichtssystem im Sinne mittelalterlicher Ueberlieferung und gegenwärtiger Corruption verkörpert haben.
Nicht blos in ihrer ersten Entstehung, sondern nach ihrem ursprünglichen Erscheinen Herbst 1876 auch bald in ihren weiteren Wirkungen, hat die, nun wieder neu vorliegende Schrift ganz beson - dere Schicksale gehabt. Sie wurde Sommer 1877 neben dem Preiswerk des Verfassers über die Principien der Mechanik mit ihrer Kennzeichnung der Universitätszustände für die Berliner Uni - versität einer der Vorwände, die schon lange vorbereitete Remotion des vierzehn Jahre lang fungirenden Privatdocenten zu bewerkstelligen. Die gegen mich agirenden Figuranten vom Gelehrtenstande hatten sich jedoch gegen ihr Erwarten hiemit etwas in Scene gesetzt, wodurch die Universitätszeichnungen dieser Schrift nicht blos reichlich, z. B. durch viele Tausende von Studentenaufrufen, im Inlande bekannt wurden, sondern auch mehrfach im Auslande widerhallten. An diese ganze Bewegung kann ich hier nur erinnern. In meinem Buch „ Sache, Leben und Feinde “ist ihr ein besonderes Capitel gewidmet und ist auch das mit der vorliegenden Schrift Zusammenhängende erläutert.
Die erheblicheren Zusätze in dieser neuen Auflage wird man bisweilen schon aus den Zeitberufungen erkennen. Der neu hinzugekommene letzte Abschnitt behandelt ein, wenn sich auch verwandt anschliessendes, doch zugleich selbständiges Thema, nämlich wieviel weiter sich ohne die Anstalten und trotz ihrer mit Selbstausbildung und gutgewähltem Bücherstudium kommen lasse.
Nun noch ein paar Aeusserlichkeiten! Der Abdruck des Verzeichnisses meiner Schriften am Ende der vorliegenden ist insofern auch ein zugehöriger Bestandtheil, als er bei den im Verlauf der Darstellung vorkommenden Anführungen die Um - ständlichkeiten vollständiger Titelangaben einfürallemal erspart. – Der in andern Vorreden von mir geübten und begründeten Gewohnheit gemäss habe ich auch diese in jedem Exemplar mit Federunterzeichnung versehen.
Zehlendorf bei Berlin, im April 1885.
Es ist ein Zeichen des Ueberganges zu einer höheren Civili - sation, dass die weiblichen Bestrebungen, die überlieferte gesell - schaftliche, materielle und geistige Vormundschaft abzuthun, zu - gleich an ideeller Kraft und praktischer Nachdrücklichkeit er - heblich gewinnen. Die wirthschaftlich materielle Seite der Frauenfrage ist der praktisch wichtigste Ausgangspunkt für alles Uebrige. Die socialökonomische Berufsstellung des Weibes ent - scheidet durchschnittlich auch über das Maass höherer Bildung. Nur was sich an Bildungsnothwendigkeit aus den Erfordernissen des Berufs nothgedrungen ergiebt, kann für die grosse Zahl durch öffentliche Einrichtungen wirklich gesichert sein. Der blosse Reiz des Wissens ist zwar der edelste Beweggrund des höchsten Bildungsstrebens, wirkt aber nur ausnahmsweise und hat bisher noch nie jene breite Grundlage zu schaffen vermocht, welche den sozusagen mittleren Menschen, also die zahlreichen Gruppen um - fasste. Es ist also auch aus diesem höheren Gesichtspunkt er - forderlich, die Hebel im Gebiet der Berufszweige anzusetzen ... Auch sollen sich die folgenden Darlegungen, mit Ausnahme des letzten Abschnitts, um die wissenschaftliche Bildung durchaus nicht an sich selbst, sondern nur insoweit kümmern, als eine solche Bildung für das höhere Berufsleben nothwendig ist und sich da - her von selbst einfindet, wo die neuen gesellschaftlichen Functionen den Frauen zugänglich werden.
Im Haushalt der Gesellschaft spielen der höhere Lehrerberuf und die ärztlichen Verrichtungen eine Rolle, die theils gar nicht, theils nur missbräuchlich einen politischen Charakter hat. Da - gegen gehört die Thätigkeit des juristischen Sachwalters und vollends die des Richters schon in das staatliche Gebiet. Wer daher das Studium des Rechts oder gar der eigentlichen Verwal - tung mit Rücksicht auf die auch in dieser Richtung berechtigten2 Ansprüche der Frauen erörtern will, muss nicht etwa blos das Stimmrecht und die Theilnahme an den volksvertretenden Ver - sammlungen, sondern noch weit Mehr zuvor erledigt haben. Der politische Theil der Frauenfrage führt sehr weit; er lässt sich sogar nur in Zusammenhang mit den socialitären Grundfragen der ganzen Gesellschaftsverfassung entscheiden. Eine Behandlung, die da glaubt, mit ihm in isolirter Weise vorgehen zu können, ist theoretisch und praktisch auf einem Abwege. Bei dem heu - tigen Stande der Sache wird die politische Frauenfrage zu einem Theil der allgemeinen socialen Frage, und es ist auf den wenigen Bogen, die hier zur Verfügung stehen, wohl ein in sich ab - gerundetes Ganze, aber eben nicht eine Ausführung des politi - schen Thema in Absicht. Trotz der Ueberzeugung von der vollen Berechtigung eines rein politischen Programms, kann man dennoch ein engeres und für den Augenblick, wenigstens auf deutschem Boden, unmittelbarer zugängliches Gebiet abgrenzen, auf welchem sich die gesellschaftlich nicht rückläufigen Ansichten weit eher ge - danklich und thatsächlich zusammenfinden mögen, als wenn man in Verhältnisse ausgreift, deren Verwirklichung erst einer späteren Zukunft angehören kann. Wo man die letzten, am Horizonte der Zukunft absehbaren Aussichten zu entwerfen sucht, wie dies auch vom Verfasser der vorliegenden Schrift in systematischen Grund - werken volkswirthschaftlich politischer und allgemein philosophi - scher Art geschehen ist, da hat man auch in allen Hauptrich - tungen mit den Gestaltungen des Geschlechterrechts abzurechnen und nicht blos die durch Freiheit veredelte Ehe, sondern auch die politischen und socialen Gleichheitsansprüche des Weibes in den Grundformen festzustellen. Wo jedoch, wie in der Abgren - zung der jetzt zu behandelnden praktischen Angelegenheit, die heutige Gesellschaftsverfassung in ihren Hauptzügen nicht blos der Anknüpfungspunkt ist, sondern auch einen Rahmen bildet, innerhalb dessen schon erhebliche Reformen möglich sind, da wäre es Thorheit, die Auseinandersetzung mit den alten Vor - urtheilen noch durch die ganz unnöthige Hineinziehung weiterer Ausblicke zu stören. Namentlich würde es aber schädlich sein, die Eröffnung höherer Berufszweige für das weibliche Geschlecht so erscheinen zu lassen, als wenn sie mit den eigentlich politi - schen Interessen verwachsen müsste. Grade die Abtrennung eines, ohne durchgreifend politische Umänderungen durchführ - baren Gebiets der socialökonomischen Verbesserung der Lage3 des weiblichen Geschlechts liefert einen sozusagen taktischen Vor - theil, indem auf die Phalanx der Vorurtheile auf einem Punkte losgegangen werden kann, wo das alte Regime seine grössten Gebrechlichkeiten zeigt und nur noch von einer Falstaffgarde vertheidigt wird.
Auch hat die Eröffnung höherer wissenschaftlicher Berufs - zweige oder, wie man es auch nennt, der gelehrten Verrichtungen vor dem anderweitigen Streben nach niedriger belegenen Ge - werbsthätigkeiten einen Vortheil voraus. Im Bereich der gewöhn - lichen Gewerbe und Künste geräth das Weib viel leichter in falsche Hantirungen, und so viel auch über die unteren und mittleren Erwerbsgelegenheiten gesagt und was auch in dieser Richtung schon geschehen sein mag, so ist doch die Frage der wirthschaftlichen Arbeitstheilung auf diesem Felde noch keines - wegs gehörig entschieden. Eine geeignete Sonderung der Arbeits - verrichtungen und geschäftlichen Functionen wird oft genug ver - fehlt. So ist es beispielsweise äusserst fraglich, ob grade die auf - reibende Setzerarbeit in den Druckereien in erster Linie seitens der Frauen eine Berücksichtigung zu erfahren verdient. Ver - sperrt soll überhaupt keine thatsächlich mögliche Function sein; aber bei allseitig vollständiger Freiheit und Gelegenheit sollen eben Auswahl und Erprobung erst darüber entscheiden, was für die Anlagen, Neigungen und Leistungsfähigkeiten zweckdienlich ist. Je mehr man sich der untersten Schicht der Frauenwelt nähert und die Kreise der gewöhnlichen Arbeiterinnen in Betracht zieht, um so plumper zeigen sich die Ansprüche, die man fast ohne Unterscheidung zwischen Männern und Weibern eben auch an die letzteren macht. Die Beschaffung billiger Arbeitskraft ist hier der leitende Grundsatz aller unternehmerischen Auswahl, und in ähnlicher Weise wird einige Stufen nach oben oft genug mit humanitärem Heiligenschein die ganz gemeine Selbstsucht um - geben, die sich unter den sogenannten gebildeten Theilen des weiblichen Geschlechts ein neues Bewirthschaftungsfeld aufspürt.
Solchen Widerwärtigkeiten und hiemit auch aller Zweideutig - keit oder wenigstens sachlichen Zweiseitigkeit entgeht man, so - bald es sich um die Berufsarten handelt, zu denen eine höhere wissenschaftliche Vorbildung vorausgesetzt wird. Hier hat das Unternehmerthum theils gar keinen theils weniger Spielraum, und wenn die wirthschaftliche Billigkeit der Leistungsfähigkeit in Frage kommt, so geschieht dies unmittelbar dem Gesammtinteresse4 der Gesellschaft und nicht einzelnen Unternehmern gegenüber. Es ist alsdann jene natürliche Billigkeit oder, mit andern Worten, ein geringstes Maass von Kostenaufwand, was, wenn es in allen Verrichtungen verallgemeinert gedacht wird, der ganzen Gesell - schaft und mithin auch denen zu Gute kommt, die eben nur die natürlichen Productionskosten in gerechter Weise empfangen. Die Sorge für Wissen und Gesundheit muss auf dem kürzesten und sparsamsten Wege vorgehen, grade wie die Befriedigung jedes andern Bedarfs, und deswegen ist die Einreihung der weib - lichen Kräfte ein volkswirthschaftlicher Vortheil und würde dies im höchsten Maasse eben dort sein, wo die natürlichen Er - sparungen an sonst müssig bleibender Arbeitskraft Allen und Jedem zustattenkommen. Letzteres ist aber in den selbständig ausgeübten wissenschaftlichen Berufszweigen noch am meisten der Fall. Die zweckmässige Vermehrung der höheren Unterrichts - kräfte und des dem Preise nach in gehörigem Maasse benutz - baren ärztlichen Beistandes ist ein Erforderniss, welches schon an sich selbst die Einführung der Frauenthätigkeit in die höheren Gebiete rechtfertigen würde. Es sind jedoch in erster Linie die - jenigen Gründe geltend zu machen, die mit Stellung und Rolle des weiblichen Geschlechts in unmittelbarer Beziehung stehen.
Von denjenigen gelehrten Berufsarten, die gegenwärtig auf Universitätsstudium beruhen, sind für die Frauen zunächst zwei volle Drittel in Anspruch zu nehmen. Scheidet man nämlich das juristische Fach vorläufig noch aus, so bleiben von den üblichen vier Facultäten, da die Theologie nicht als Wissenschaft, sondern nur als Glaubenschaft und mithin aus dem modernen Gesichts - punkt für Null zu rechnen ist, am allerwenigsten aber bei vor - wärts strebenden Frauen die Verirrung in das Priesterthum er - träglich wäre, – so bleiben also von den drei zurechnungsfähigen Facultäten die medicinische und die sogenannte philosophische, aber hiemit eben auch zwei Drittel des gelehrten Berufswesens verfügbar. Jene philosophisch genannte Facultät hat praktisch nur die Bedeutung, Lehrer für die Gymnasien und Realschulen auszubilden, und alles Uebrige an ihr ist thatsächlich ein für die gesellschaftlichen Functionen bedeutungsloses Anhängsel. Es er - geben sich hienach der ärztliche und der höhere Lehrerberuf als5 die beiden Hauptverrichtungen, in denen die Vergleichung von dem, was die Frauen zu leisten haben, mit dem, was jetzt auf Universitäten geschieht, von Bedeutung werden muss.
Wenn hier zunächst an das blosse Universitätsstudium an - geknüpft und modernere Gestaltungen, wie namentlich die poly - technischen Schulen, vorläufig ausser Betrachtung gelassen werden, so geschieht dies, theils um die Erörterung zu vereinfachen, theils um grade die wurmstichigsten Stellen des hohen Unterrichts - wesens mit Rücksicht auf die Neuschöpfung weiblicher Studien - einrichtungen um so eindringlicher betrachten zu können. Wer im Hohlraum der universitären Bildung, beziehungsweise Ver - bildung, seine Aufmerksamkeit scharf nach allen Seiten gerichtet hat und aus der von mittelalterlichen Nebeln noch stark ver - dickten Luft in ein freieres, weniger getrübtes Bereich ausblickt, wo sich die modernen Grundsätze ungehemmt von jenen düstern oder schädlichen Bedrückungen entwickeln wollen, – der kann nicht umhin, gleich von vornherein etwas Anderes zu fordern, als etwa eine blosse Einverleibung der Frauenwelt in das bis - herige Universitätswesen. Er wird von der Macht der neuen, durchgreifend aufklärenden Grundsätze und Wissensbestandtheile zu gross denken, als dass er wünschen könnte, das weibliche Geschlecht möchte den alten gelehrten Zunftüberlieferungen ohne Weiteres überantwortet werden und hiemit die Angelegenheit als im grössten Maassstabe erledigt gelten.
Grade umgekehrt wird es darauf ankommen, den weiblichen Fähigkeiten eine Bethätigungsstätte zu schaffen, auf welcher sie ihre ganze Tragweite zu bekunden vermögen. Die alte Unter - richtsverfassung und zugehörige Lehrart ist für diesen Zweck am wenigsten geeignet; denn sie ist es, welche mit ihrem unnützen Gelehrsamkeitsgerölle und ihrer überallhin verzweigten philologi - schen Pedanterie die Frauenwelt in der That in Gefahr bringen muss, blaustrümpfig auszuarten, nicht weil das hohe wissenschaft - liche Studium an sich selbst das Weib aus seiner natürlichen Bahn brächte, sondern weil die männlichen Blaustrümpfe, die in der Gelehrsamkeit und auf den Universitäten hausen, es ihrer - seits an der Mittheilung dieser schönen Eigenschaft an das andere Geschlecht nicht würden fehlen lassen. Ein heutiger Molière würde in erster Linie nicht die gelehrten Frauen, sondern die gelehrten Männer mit seiner Komik bedenken müssen, und im Grunde hat sich auch der alte Molière nur über solche weibliche6 Unternehmungen belustigt, die auf eine Nachäfferei dessen hinaus - liefen, was bereits an den Männern in verkehrtester Weise an - getroffen wurde.
Stellt man also die Frage nach den Fähigkeiten der Frauen derartig, dass man zugesehen wissen will, ob das weibliche Ge - schlecht mit dem männlichen in der gewöhnlichen Manier des Studiums wetteifern könne und solle, so ist mit einem Nein zu antworten, aber mit einem Nein, welches in einem ganz andern als dem gewöhnlichen Sinne des philiströsen Absprechens ver - standen sein will. Die Frauen sind für das heutige gelehrte Studium, wie es thatsächlich ist, allerdings nicht recht befähigt, aber nur darum, weil es ihnen, solange sie auf ihrem natürlichen Wege freier und zeitgemässer Bestrebungen bleiben, nicht in den Sinn kommen sollte, sich die alte Zwangsjacke mittelalterlicher Hochschulung anlegen zu lassen. Nicht sie sind für das Studium, sondern das Studium ist für sie unzulänglich. Ihre Fähigkeiten sind nicht etwa zu schwach, sondern im Gegentheil in ihrer na - türlichen Unverschultheit zu stark, um die alte Lehrmanier und deren trüben Schlendrian zu ertragen. Das weibliche Geschlecht ist im Bereich der Wissenschaft und der zugehörigen Berufe ein neues Element und muss unwillkürlich verjüngte Gebilde an die Stelle der altersschwachen Gattungen des Gelehrsamkeitsbetriebs bringen. Es muss mit seinen noch unverschulten Fähigkeiten verhältnissmässig noch mehr leisten, als beispielsweise im Ge - meinleben eine jugendliche Colonialgesellschaft vermag. Die letztere wird die Ueberlieferungen des Ursprungslandes unter neuen und freieren Verhältnissen zu frischen und wesentlich ver - änderten Gestaltungen ausbilden, aber dabei doch auch noch viel Vorurtheile und Thorheiten in die neue Erde mitverpflanzen. Die Ausmerzungen des chinesenhaft Verknöcherten werden sich zwar unter den neuen Lebensbedingungen zum Theil von selbst machen; aber dennoch ist diese Lage keine so günstige, wie die - jenige der Frauenwelt in dem vorliegenden Falle. Einer verrotteten Verbildungsart gegenüber, deren üble Wirkungen im Prak - tischen immer greifbarer werden, hat das Weib, wo es den Boden der Wissenschaft und ihrer Anwendungen betritt, nun - mehr von Natur - und Geschichtswegen den Beruf; die modernen Antriebe der Umschaffung der wissenschaftlichen Welt in sich aufzunehmen und an seinem Theil unter Widerstand gegen die verkehrten Zumuthungen durchzusetzen. Dieser heilsame Wider -7 stand wird ihm um so leichter werden, als es noch mit keiner ihm vererbten Gelehrsamkeitsgewohnheit falscher Art belastet ist und eben nur von den natürlichen Interessen des Wissens und wissen - schaftlich nützlichen Waltens bestimmt wird.
Ob die weibliche Körper - und Gehirnverfassung zu schöpfe - rischen Leistungen höchster Art in den schwierigsten Wissens - gebieten befähige, ist für unsern praktischen Zweck eine müssige Frage. Da aber die Verneinung derselben so oft als Einwand gegen die weibliche Betheiligung an gelehrten Berufsarten aus - gespielt worden ist, so sei hier doch wenigstens darauf hinge - wiesen, wie das Genie oder, mit andern Worten, die etwas Neues schaffende Fähigkeit mit den gelehrten Hantirungen des Arztes oder Lehrers eben selbst nichts zu schaffen hat. Die paar Dutzende wahrhaft schaffender Naturen ersten Ranges, die in jeder Gattung die ganze Menschheitsgeschichte hindurch allenfalls zusammenzuzählen sind, hatten Eigenschaften, die man doch sicherlich nicht bei den Tausenden suchen wird, die eben nur mit hervorragenden Talenten thätig waren, und wiederum die wenn auch geringeren, so doch ausgezeichneten und werthvollen Vorzugskräfte dieser Tausende werden gleichgültig bleiben, wo es sich um das durchschnittliche Maass von Können und Wissen handelt, welches alltäglich zur gemeinen Ausfüllung eines Berufs genügen muss. Der Durchschnittsarzt und der Durchschnitts - lehrer werden so ziemlich aus jedem Holze zu schnitzen sein, wenn nur die Schnitzmaschine ins Spiel gesetzt wird. Man muss von der wissenschaftlichen Formung der Menschen nur nicht zu hoch denken oder gar die Eitelkeit auf blosse Dressur unbesehen gelten lassen. Das Durchschnittserzeugniss ist, wie die Dinge heute stehen, nun einmal eine Waare, die sich in den gelehrten Fabriken stets fertigen lässt, wenn nur der gewöhnliche Rohstoff und die Bearbeitungskosten nicht fehlen. Dieser Rohstoff ist irgend ein lebendes Wesen von der Gattung Mensch, von irgend einer Race und irgend einem Stamm, wobei so gewaltige Unter - schiede unterlaufen, dass es wohl die grösste aller Thorheiten sein würde, die Weiber nicht einmal als einen solchen Rohstoff gelten lassen zu wollen. Wo die dicksten Schädel und plattesten Köpfe, wo sogar die Hebräer, d. h. ein zur Wissenschaft un - geschickter Stamm, noch immer gutgeheissenes Material bleiben dürfen, da sollten Frauen, weil sie eben weiblichen Geschlechts8 sind, ungeachtet einer oft unvergleichbaren Ueberlegenheit ihres Verstandes, als von der Natur ausgeschlossen gelten?
An bedeutenden Leistungen in den schwierigsten Wissen - schaften hat es unter den Frauen nicht gefehlt. Um nur an das grösste Beispiel der letzten hundert Jahre zu erinnern, so über - ragte im Gebiet der Mathematik Sophie Germain Schaaren von Professoren und Akademikern. Die hundertjährige Wiederkehr ihres Geburtsjahres (1776) erinnerte, wenn auch freilich ganz geräuschlos und nur für den denkenden Geschichtsschreiber der Wissenschaft daran, was bisher das Loos solcher weiblichen Aus - zeichnungen gewesen ist. Sophie Germain hatte zwar die An - erkennung Lagranges, des grössten Mathematikers der letzten hundert Jahre, für sich, von dem Beifall nicht zu reden, den sie von Seiten der Grössen niedern Ranges, wie namentlich von einem Gauss, einerntete. Verglichen mit den heute tonangebenden oder, besser gesagt, an der Oberfläche befindlichen, selbstverständlich männlichen Persönlichkeiten, stellte sie eine Figur vor, die offen - bar theils durch speciell mathematische Vorzüge theils durch Ueberlegenheit des Gesammtgeistes im Ganzen einen so bedeuten - den Eindruck macht, dass ein Hinausragen ihrer Fähigkeiten über die Anlagen, mit denen heute die Tagesautoritäten aus - reichen, für den Kenner der Geschichte und Gegenwart der Ma - thematik keinem Zweifel unterworfen ist. Ueberdies war sie eine feinsinnige Denkerin über allgemeine Wissenschaft und Philo - sophie, und wer sich für die Ergebnisse ihres freien Blicks in dieser Richtung interessirt, mag ausser den Anführungen in meiner Geschichte der Mechanik auch die Gesammtkennzeichnung nach - lesen, mit der ich ihr in meiner Geschichte der Philosophie eine auf diesem Gebiet noch ungewohnte Erinnerung zu stiften ver - sucht habe. Aber alle jene vorzüglichen Eigenschaften und Leistungen haben es dennoch nicht bewirken können, dass der Name Sophie Germains gebührend zur Erwähnung gelangt. Der Neid der kleingeistigen Autoritätchen, die tief unter ihr stehen, regt sich jedesmal, wenn die wissenschaftlichen Leistungen eines Weibes neben den hölzernen Gestellen der gemeinen männlichen Fabrikwaare an Hauptprofessoren und Hauptakademikern in Frage kommen. Es sind daher nur die höchstbegabten und da - her neidlosen Naturen, die gleich einem Lagrange für solche Fähigkeiten und Verdienste die gebührende Werthschätzung haben konnten.
9Wenn die Beispiele ersten Ranges, verglichen mit denen zweiter und dritter Ordnung, nur spärlich oder gar vereinzelt anzutreffen sind, so entspricht dies nicht etwa blos jener Selten - heit des Vorzüglichen, die der Männer - und Frauenwelt gemein - sam ist, sondern es kommt im Bereich des weiblichen Geschlechts auch noch der hochwichtige Umstand hinzu, dass hier Anregung und Gelegenheit zum Wissenschaftsbetrieb fast gänzlich gefehlt haben. Die gesellschaftlichen Einrichtungen beliessen das Weib ausserhalb der gelehrten Verrichtungen, während innerhalb der Männerwelt die Industrie der Gelehrtenausbildung ihren allge - meinen Rohstoff, das Menschenmaterial, fortwährend in bestimmten Mengen verarbeitete. Bei letzterer Massenproduction mussten sich ab und zu einzelne besonders gelungene Exemplare ergeben; denn nach Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsveranschlagung sind nur bei einer grossen Auswahl regelmässige Aussichten vor - handen, gelegentlich etwas von Natur Besseres und zugleich in der wissenschaftlichen Cultur Erfolgreicheres hervorzuziehen. Die Frauen sind aber nur in rein zufälliger Weise und ganz nebenbei dazu gelangt, an der Pflege der Wissenschaften theilzunehmen. Kein Wunder daher, dass sie in der Wissenschaftsgeschichte nur ausnahmsweise mit eigentlichen Grössen vertreten sind.
In den Zwischen - und Halbwissenschaften, die unter dem Niveau des strengen Denkens und der Mathematik stehen, haben sich übrigens in neuster Zeit die weiblichen Betheiligungsfälle vermehrt, aber nichts weiter bewiesen, als dass auch hier die gewöhnlichen Auszeichnungen sehr wohl mit den entsprechenden männlichen gelehrten Existenzen zu concurriren im Stande sind und dies noch mehr vermögen würden, wenn sie sich nicht durch den falschen Autoritätsrespect, der in ihnen der Männerliteratur gegenüber unwillkürlich wirksam ist, beengt und niedergehalten fänden. Miss Martineau, die Bearbeiterin des berühmten fran - zösischen Philosophen August Comte, die Schriftstellerin in po - pulärer Volkswirthschaftslehre und die Urheberin eines Werks über die neuste Geschichte Englands, kann immerhin als acht - bares Beispiel für das in den Halb - und Zwischenwissenschaften regsam gewordene und nicht ohne Erfolg gebliebene Frauen - streben gelten. Auch die Frau Stuart Mills, des Logikers und Nationalökonomen, der sich den Fortschritt des weiblichen Ge - schlechts zur gesellschaftlichen und politischen Selbständigkeit wohl unter den früheren Autoren am meisten hat angelegen sein10 lassen, – auch die Frau Stuart Mills ist nach der selbstbiog - raphischen Angabe ihres Gatten dem letzteren oft genug eine gute Strecke voraus gewesen. Sie hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf seine Schriften ausgeübt und ihr Antheil an den - selben ist ein um so wichtigeres Zeugniss für die weibliche Be - fähigung, als man einen Stuart Mill doch schon zu den wissen - schaftlichen Arbeitern zweiter Ordnung rechnen muss.
Um auch das von der eigentlichen Wissenschaft und ihrer praktischen Anwendung am weitesten abstehende Gebiet nicht ganz mit Stillschweigen zu übergehen, so haben sich grade in der Belletristik die Frauen bereits am umfassendsten und ver - schiedentlich auch mit hervorragenden Leistungen geltend ge - macht. Als Schriftstellerinnen schlechtweg sind sie thatsächlich in der Literatur schon einigermaassen eingebürgert, und dies ist offenbar die Folge davon, dass man ihnen nie so entschieden, wie im Arbeiten an der Wissenschaft, so auch etwa im Spielen mit der schöngeistigen Puppe hinderlich gewesen ist. Schon ihre Durchschnittsbildung bringt sie mit besserer oder schlechterer Belletristik und Allem, was daran angrenzt, mehr oder minder in Berührung, und vom Lesen zum Schreiben ist bei begabteren Naturen in diesem Genre kein grosser Schritt. Es giebt hier sogar Beispiele einer höheren, ja vielleicht in einer gewissen Be - ziehung allenfalls hoch zu nennenden Ordnung von Leistungen, wofür George Sand ein sich der Erinnerung unwillkürlich auf - drängender Fall ist. Diese Frau stand mit ihrer schriftstelleri - schen Kunst doch wahrlich über einer Anzahl der namhaftesten Schöngeister, die man bei uns, wie z. B. die Gutzkow, Gustav Freytag, Berthold Auerbach u. dgl. zu den ersten Roman - und Novellenvirtuosen gezählt und wohl gar zu grossen Schriftstellern gestempelt hat. Das weibliche Geschlecht sollte jedoch auf die Auszeichnungen dieses Genres nicht zu stolz sein. Es möge be - denken, dass die Fähigkeiten, die sich hier zeigen, zwar bei den Männern ganz unbedenkliche künstlerische Verdienste im Gefolge haben können, in der Frage der weiblichen Freiheit aber darum nicht so wichtig sind, weil jenes Spiel mit der schöngeistigen Puppe den Weibern als eine unschuldige, wenig emancipatorische Beschäftigung noch am ehesten gegönnt wird. Es handelt sich aber grade darum, aus diesem Unterhaltungsgebiet herauszu - kommen und dem Ernst des Wissens und Lebens näherzutreten. Ueberhaupt wird die Bildungsfähigkeit zu allerlei künstlerischen11 Leistungen dem Weibe am wenigsten bestritten und der Weg dazu am wenigsten verlegt werden. Es ist aber nöthig, da einzu - dringen, wo sich die Bollwerke des bisherigen männlichen Monopols am ungefügigsten und die Vorurtheile am verstocktesten erweisen.
Die praktische Anwendung der Wissenschaft findet sich in ihrer vollen Unmittelbarkeit nur da, wo durch sie auf das ma - terielle Wohl und auf die Gesundheit der Menschen eingewirkt wird. Der blosse Lehrerberuf ist sozusagen eine Zwischenthätig - keit und ist es am meisten da, wo er nicht die Anwendung der Wissenschaft auf das Leben, sondern nur die Beschaffung von allgemeiner oder vorbereitender Bildung zum Zweck hat. So werthvoll letzteres Ziel auch an sich selbst ist, so kann es doch in der Frauenfrage zunächst praktisch nur an zweiter Stelle in Betracht kommen. Der Gang der Dinge wird und muss hier derselbe sein, der er sonst bezüglich der männlichen Bildungs - interessen in der ganzen Geschichte gewesen ist. An die Bedürf - nisse der praktischen Verrichtungen haben sich Forschung und Studium angeknüpft, und die nothwendigen gesellschaftlichen Functionen sind die Träger, Erhalter und Vermehrer einer Bil - dung gewesen, die nebenbei auch zu einer dem blossen Geistes - spiel dienstbaren Speculation führte. Die selbständige Freude an aufklärender Bildung, an erhebender Geistesmacht und schliess - lich in der höchsten Steigerung auch am eigentlichen Denker - und Forscherthum soll in ihrer Selbständigkeit und in ihrem vom Dienste des Lebens unabhängigen Werth sicherlich nicht herab - gesetzt werden. Das noch so energische Gefühl dieser Würde wird aber bei besonnenen Naturen den Gedanken nicht aus - schliessen, dass die praktische Sicherung bestimmter Bildungs - elemente zuerst von der Anlehnung an solche Berufsverrichtungen ausgeht, in deren Dienst das Wissen eine für die dringendsten Bedürfnisse der Gesellschaft heilsame Rolle spielt. Die auf natur - wissenschaftlichen Grundlagen betriebene Heilkunde und Gesundheitspflege ist innerhalb der Universitätsfächer das, was mit dem modernen Streben und Wissen die meisten Berührungspunkte hat oder wenigstens haben kann. Wer Medicin studirt, muss wenig - stens einen Theil der mittleren und niederen Naturwissenschaft, also ausser den mehr beschreibenden Fächern auch schon die ein12 wenig rationalisirten, wie die Physiologie, einigermaassen auf seine Denkweise wirken lassen. Dieses bescheidene Maass, wie es in der Bildung des deutschen Mediciners, einschliesslich derjenigen des medicinischen Professors, durchschnittlich vertreten ist, kann nun einerseits nicht als eine allzu grosse Zumuthung an den weiblichen Wissenserwerb gelten, und muss doch auch anderer - seits zu einer verhältnissmässig ganz ansehnlichen Geistesbefreiung führen, zumal wenn man die Prüderie bedenkt, die noch immer das der Frauenwelt auferlegte Gesetz ist.
Lassen wir jedoch diese Betrachtungen noch zur Seite, und sehen wir uns zuerst nach dem Felde um, in welchem die medi - cinische Praxis den Frauen unzweifelhaft natürlich und sogar ein Bedürfniss der ganzen weiblichen Gesellschaft ist. Bis jetzt haben, vereinzelt und ganz in der alten Manier, besonders unter - nehmende Frauen, wo es anging, hier und da ärztliche Prüfungen bestanden und sind so mit den Männern in gleicher Concurrenz - reihe und genau mit denselben Ansprüchen auf eine allgemeine, unterschiedslose und ungetheilte Ausübung aufgetreten. Es wäre aber mindestens ebenso wichtig, dass nicht blos die Rolle, weib - licher Arzt zu sein, sondern auch das natürliche Interesse der Frauenwelt, für sich und ihre Töchter, ja überhaupt für ihre Kinder weibliche Aerzte zu haben, energisch in das Spiel käme. Ja sogar die Männer möchten vielleicht diesem Interesse auch ihrerseits einige Beistimmung zollen, insofern es nämlich auch ihnen nicht gleichgültig sein kann, ob das naturgesetzliche Wider - streben des gesunden und unverdorbenen Sinnes verachtet und das Weib gezwungen wird, da in Beziehung auf seine Zustände und Eigenschaften körperlicher und geistiger Art im höchsten Maasse vertraulich zu werden, wo es dies auch nicht im ge - ringsten will oder soll. Diesen Grund mögen sich namentlich diejenigen zu Gemüthe führen, bei denen doch sonst die Rück - sicht auf das Wohlanständige angeblich ein so grosses Gewicht hat. Die materialistische Naturmoral dürfte hier den männlichen Aerzten, die jenes Widerstreben in ihrer gewohnheitsmässig ver - schobenen Denkweise nicht anerkennen, einen argen Streich spielen; denn sie lehrt, dass es, abgesehen von Alter oder Ab - stumpfung, keine vertrauten Annäherungen oder Mittheilungen zwischen den beiden Geschlechtern geben kann, ohne dass gegen - seitige Reizungen nahelägen und mindestens die peinliche Be - mühung nothwendig machten, da die strengste Zurückhaltung zu13 üben, wo doch die Sache selbst die ungenirteste Mittheilung aller auf die Gesundheit von Körper und Gemüth bezüglichen That - sachen erfordert. Grade wer nicht zu den Verehrern des con - ventionellen und in so vielen Punkten durchaus abseits gerathenen Anstandes gehört, wird den wirklichen Naturgesetzen, wie sie sich in den Veredelungen einer echten Cultur auszuprägen haben, volle Rechnung tragen. Man findet es noch vielfach ungeheuer - lich und gefährlich, dass Studirende beider Geschlechter zusam - men denselben Vortrag anhören; aber eben dieselben Profes - sörchen oder sonstigen Jünger des sich seltsam widersprechenden Geistes alter Vorurtheile stellen sich lächelnd an, wenn man in der Behandlung der Frauen aller Altersstufen durch Aerzte, die ebenfalls allerlei Varianten der Altersentwicklung angehören, eine lästige Unzuträglichkeit sieht. Der Rath, den Mephisto – Goethe dem angehenden Studirenden zu Gunsten der vortrefflichen Chancen der Medicin gab, dürfte zwar für alle Zeit die Quelle von der er ausging, gekennzeichnet, aber doch auch ebenso eine wohlbeobachtete Wahrheit enthalten haben und einen unver - äusserlichen Zug der ärztlichen Praxis bilden, für den sich frei - lich die grössere oder geringere Ausdehnung nicht statistisch fest - gestellt findet. Dieser edle Rath bestand bekanntlich darin, die Angelegenheiten der Gesundheit getrost dem Lauf der Dinge anheimzugeben, da sich ja doch nichts machen lasse, und zu der Frivolität der Wissenschaft oder vielmehr Unwissenheit die Fri - volität des Lebens durch Benutzung der Annährungen an die Weiber bei jeder günstigen Gelegenheit hinzuzufügen. Denkt man auch überdies an die mannichfaltige Rolle der ärztlichen Hauspriester, so wird man es nur um so mehr in der Ordnung finden, dass die medicinischen Beichtväter der weiblichen Be - völkerung doch wenigstens mit Beichtmüttern vertauscht werden, wenn es auch überhaupt von einem modern freien Standpunkt aus gar nicht angeht, eine Art ärztlicher Seelsorge, also irgend ein Anstreifen der durchsichtig und klar sein sollenden Heil - praxis an das alte, dem Kindheitsstadium der Völker angehörige Heilpriesterthum zu gestatten. Eben um die Aerzte zu nöthigen, aus dem Nebelreich, in welchem die Autorität ihres verschleierten Wissens oder Wissenwollens so schön gedeiht, an das Licht her - vorzutreten, müssen ihnen Concurrentinnen beigegeben werden, die wenigstens in einem Hauptpunkte keine Veranlassung zu Mystificationen haben.
14Nach dem Vorangehenden würde den weiblichen Aerzten in der natürlichsten Weise mehr als die Hälfte, ja vielleicht zwei Drittel der ganzen Praxis gehören und mit der Zeit auch wirk - lich zufallen. In feineren Specialitäten, wie z. B. in der Augen - heilkunde, würde aber jener Unterschied von geringerem Einfluss sein und auch die gemischte, nicht nach Geschlechtern getrennte Behandlung gelegentlich platzgreifen. Im Grossen und Ganzen würden sich die Aussichten der Frauen nicht schlecht stellen; denn es würde mindestens die eine Hälfte der Bevölkerung von ihren medicinischen Leistungen Gebrauch machen. Ueberdies käme noch ein besonderer socialökonomischer Vortheil von grosser Wichtigkeit hinzu. Medicinischer Rath und thatsächliche Heil - hülfe würden von Seiten der Frauen nicht nur mit mehr Be - kümmerung um das Einzelne und daher in mehr praktischer Weise, sondern auch um einen billigeren Preis zu haben sein. Zunächst ist unter den einmal gegebenen Verhältnissen die weib - liche Thätigkeit stets weniger kostbar als die männliche; denn erstens sind die Herstellungskosten der weiblichen Arbeitskraft von vornherein geringer, und zweitens ist die Lage der weib - lichen Bevölkerung in Rücksicht auf die Concurrenz vorerst eine ungünstigere. Muss nun auch letzterer Uebelstand mit der Zeit im Sinne der vollen Gleichheit verschwinden, so haben wir doch zunächst mit den gegebenen Thatsachen zu rechnen und müssen ihnen neben dem Schlimmen, das sie an sich tragen, auch etwas Gutes abzugewinnen suchen. Eines wird aber auf die Dauer einen gediegenen, mit Niemandes Schaden verknüpften Vortheil gewähren, nämlich diejenige Preiserleichterung, die sich aus der neuen Ausbildungsart weiblicher Aerzte von selbst ergeben muss.
Die Kosten, um welche ein Mediciner gegenwärtig producirt und sozusagen auf den Markt gebracht wird, sind unverhältniss - mässig und unnatürlich hoch. Sie übersteigen diejenigen jeder andern gelehrten Berufseinrichtung und finden sich besonders dadurch erhöht, dass ein grade für diesen Beruf unnützer Gelehr - samkeitskram die gymnasiale Vorbildung und die universitäre Ausbildung stark belastet. Billige Aerzte werden immer unmög - licher, je grösser der Contrast zwischen den künstlichen Bildungs - oder auch Verbildungsanforderungen und den wahren Gesell - schaftsbedürfnissen wird. Ein Wiener Professor, den ich übrigens für die Betrachtung dieser Dinge nicht etwa als Muster empfehlen möchte, Herr Billroth, hat in einer auf das Studium der Medicin15 bezüglichen Schrift das ökonomische Geheimmittelchen ausge - plaudert, auf welches er den Geschäftsbetrieb der jungen Aerzte gegründet wissen will. Nach seiner Ansicht wäre das Studium der Medicin nur für tüchtig bemittelte Gesellschaftselemente da, und übrigens gehört es nach ihm zu den empfehlenswerthen Hauptmaximen der medicinischen Laufbahn, eine reiche Heirath zu machen. Ein Ehegeschäftchen von finanzieller Ergiebigkeit gehörte also zur medicinischen Ausstattung, und die Frage von unserm Standpunkt bleibt nur die, was das Ersatzmittel jenes herrlichen Receptes für die auf eine medicinische Praxis aus - blickenden Frauen sein solle. Etwa reiche Männer zu heirathen? Aber diese sind keine Waare, die wie das Weib mit einer be - stimmten Mitgift angeboten und für die zweifelhafte Ehre und Annehmlichkeit einer betitelten Geschäftsehe losgeschlagen wird. Hier versagt daher der Humor, und man wird sich wohl nach nicht corrupten, in der Natur der Sache gegründeten Ueber - legungen umthun müssen.
Die natürlichen Herstellungskosten eines zur ärztlichen Thä - tigkeit hinreichend ausgebildeten Menschen werden in einem ge - sunden Verhältniss zu den späteren Einkünften stehen, sobald man sich all das unnütze, ja schädliche Gerölle der altsprach - lichen Verschulung und der mittelalterlichen Universitätsmanier mit ihren unsäglich langen und doch verhältnissmässig so uner - giebigen Lernzeiten und einseitigen Vorlesungsabhaspelungen hin - weg und durch ein zweckmässigeres System ersetzt denkt. Unter letzterer Voraussetzung wird auch die ärztliche Stellung in der Gesellschaft eine gesundere werden; denn gegenwärtig krankt sie an einer schlecht mit der Gewerbefreiheit stimmenden Monopol - sucht. Eine vielfach unter den Aerzten verbreitete Ansicht ist ungefähr die, welche der vorher genannte Professor in Rück - sicht auf Reichthum und Heirathen mit recht ungenirtem Vorwitz und unabsichtlicher Komik zum öffentlichen Besten verrathen hat. Aber dieses eheliche Auskunftsmittel ist keine überall mög - liche Gründungsmanipulation. Die Etablirung des Arztes ist, wie dies in Grossstädten besonders sichtbar wird, ein sehr gewagtes Geschäft, dessen bedeutendes Risico, wie die Dinge einmal liegen, allerdings Capitalreserven verlangt und häufig genug diese letz - teren verzehrt, ohne zu einem nennenswerthen Ergebniss zu führen. Es erklärt sich daher sehr wohl, wenn die Aerzte nach Zwangs - und Bannrechten über das Publicum haschen und sich16 zugleich von den Resten gesetzlicher Pflicht befreien lassen. Die - selben Aerzte, die in den gesetzgeberischen Körperschaften dafür sorgten, dass kein Verunglückter, der schleunigen Beistand braucht, auf ihre Hülfe bei Tag oder Nacht das alte herkömmliche Recht behielte, vermöge dessen der Doctor kommen und sich wohl auch aus dem Bett bemühen musste, wenn und wo er zu Hülfe gerufen war, – derlei Aerzte, unter denen manche den ökono - mischen Cynismus bis zur Forderung der Vorausbezahlung und zur Versagung des Beistandes an nicht sofort Zahlungsfähige treiben, – eben solche Aerzte sind dem Publicum mit dem Impf - zwang ins Geblüt gefahren, und man kann nicht umhin, hierin eine ganz hübsche künstliche Erweiterung der erzwungenen Nach - frage nach ihren Diensten zu sehen. Auch die Hebammen sind ihnen als ausgedehnte Concurrentinnen in der weiblichen Geburts - hülfe nicht mehr recht, und allerdings würde es eine erkleck - liche neue Besteuerung des Publicums geben, wenn letzteres einmal nur die Wahl haben sollte, die theuren Preise für die ärzt - liche Geburtshülfe zu bezahlen oder auf alle und jede Hülfe zu verzichten. Die Preissätze, welche die Aerzte der früheren staat - lichen Gebührentaxe in Preussen untergeschoben haben, mögen zwar ganz gut zu den Bedürfnissen des grossstädtischen ärzt - lichen Comforts passen, sind aber sehr wenig geeignet, die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage nach solchen theuren Diensten zu vermindern. Die wachsende Monopolsucht ist zum Theil eine Folge dieses Missverhältnisses und steht daher nur scheinbar mit der Gewerbefreiheit in Widerspruch. In Wahrheit befindet sich der Berufsstand der Aerzte in einer ökonomischen und gesell - schaftlichen Krisis, die von der Halbheit seiner Lage herrührt und auch die gesteigerte Feindseligkeit gegen weibliche Con - currenz einigermaassen erklärt.
Die medicinische Thätigkeit ist im Bereich der preussisch - deutschen Gesetzgebung oder, um es amtlicher auszudrücken, innerhalb des Reichsgebiets, insoweit ein freies, von allen Voraus - setzungen unabhängiges Gewerbe geworden, als nicht der Titel Arzt oder irgend eine solche Bezeichnung als Aushängeschild gebraucht wird, die bei dem Publicum den Glauben erwecken würde, dass sich Jemand als staatlich geprüfter Praktiker an - kündige. Uebrigens mag Jedermann und zufolge des Fehlens einer gesetzgeberischen Beschränkung auch jede Frau die Heilpraxis ausüben. Dies ist wenigstens das Princip und auch schon in17 ziemlichem Umfang eine Thatsache; denn die Klagen der privi - legirten Aerzte über die sogenannte Pfuscherconcurrenz sind gar gross. Indessen fehlt doch noch viel, dass alle entgegenstehenden Inconsequenzen der alten Gesetzgebung dem neuen Princip der Gewerbefreiheit eine vollere und würdigere Entfaltung verstatteten. Die Apothekerei beruht noch immer auf vererbbarem Monopol und auf Concession mit herkömmlicher und thatsächlich sehr enger Begrenzung der Anzahl dieser Medicamentfabriken.
Der Hauptmangel aber, weswegen die an sich in dem gegen - wärtigen Gesellschaftssystem durchaus heilsame Gewerbefreiheit zunächst zu manchen Unzuträglichkeiten und zwar besonders für die bisherigen Monopolisten führt, ist die Halbheit der Maass - regel. Auf der einen Seite hat man die medicinische Thätigkeit einigermaassen freigegeben, aber nur zu einer von vornherein degradirten und daher schon deswegen nicht immer die besten Elemente anmuthenden Ausübung. Auf der andern Seite hat man die bisherige Monopolgruppe, welche jetzt nur noch halb - privilegirt ist, in dem ungefügigen Gestell einer veralteten Bil - dungs - und Verbildungszurüstung stecken lassen, ohne zu be - denken, dass auf dem freien Markte des Lebens, wo zum Con - currenzlauf doch wohl Beine von Fleisch und Blut gehören, das hölzerne Stelzenwerk der gymnasialen, namentlich aber der univer - sitären Dressur mit Altsprachlichkeit und Scholastik ein nicht blos für die Hauptsache an sich hinderlicher, sondern auch viel zu kostspieliger Apparat ist. Die vergeudete Zeit und der im Hirn beengte Raum, wo etwas Besseres und Praktischeres hätte platz - finden sollen, sowie die baaren Auslagen für brodlose, auf Geistes - pedanterie auslaufende Künste, – das sind Hemmnisse, durch welche die natürliche Gestaltung der Berufsausübung und ihre freie ökonomische Anpassung an die Bedürfnisse der Gesellschaft hintertrieben werden. Es giebt also nur ein einziges Mittel, die Herstellung des gestörten Gleichgewichts herbeizuführen, und dies besteht darin, aus dem Halben etwas Ganzes zu machen und die Befähigungsbürgschaften, soweit deren die Gesellschaft über - haupt noch in staatlicher Weise zu bedürfen glaubt, blos in der öffentlichen Bezeugung der nach natürlichen Grundsätzen für den praktischen Zweck erforderlichen Vorkenntnisse bestehen zu lassen. Hienach hätte man die Art, wie Jemand zu seinem Wissen und Können gelangt ist, nicht zu untersuchen, sondern nur sein fertiges Wissen und Können an sich selbst zu prüfen18 und zu veranschlagen. Auch der höhere und hohe Unterricht wäre hiemit frei, und es könnte sich Alles nach Maassgabe der lebendigen Bedürfnisse gestalten. Doch ich will hier diesen Aus - blick nicht verfolgen. Ich habe auf den Mangel an Folgerichtig - keit und auf die entsprechenden Uebelstände nur hingewiesen, um für das weibliche Geschlecht einen andern Weg der Aus - bildung in Anspruch zu nehmen.
Dieser leichtere, billigere und für die Hauptsache dennoch erfolgreichere Weg schneidet auch gänzlich einen beliebten Ein - wand ab, der aber auch sonst nicht viel zu bedeuten hätte. Die Aerzte sind häufig sehr zartfühlend für das weibliche Geschlecht und stellen sich äusserst besorgt an, dass die armen Frauen unter der Last einer so schwer erlernbaren und schwer auszuübenden Kunst zusammenbrechen möchten. Sie weisen auf die weibliche Körperverfassung hin und geben sehr weise zu bedenken, dass die grossen Vorstudien und Studienthaten, in denen sie selbst, mit ihren männlichen, von der Natur anderweitig weniger in Anspruch genommenen Kräften, fast aufgerieben worden wären, nichts für ein Geschlecht sein könnten, dem schon die Natur ganz andere erschöpfende Aufgaben gestellt und allerlei zugehörige Störungen der normalen Leistungsfähigkeit aufgebürdet habe. Nun ist es allerdings eine Einrichtung zum Blasirtwerden, dass Jemand nach Abmachung des ersten Elementarunterrichts noch ein Jahrzehnt die Gymnasialbank drücken, alsdann mindestens vier zünftlerische Lehrjahre auf den Universitäten absitzen und schliesslich noch einige formelle Extrastationen als Hülfsmaterial für die Krankenhäuser ertragen muss, ehe er dazu gelangt, wirk - lich selbständig zu lernen d. h. in erster grüner Experimentalpraxis oder besser als Assistent eines gewiegten Privatpraktikers ein wenig in die Wirklichkeit der Heilkunde eingeweiht zu werden. Das Lebensalter ist alsdann über Gebühr vorgerückt, das Er - gebniss aber ungeachtet oder vielmehr vermöge aller Prüfungs - chicanen, die zu neun Zehnteln auf unnützen Kram hinauslaufen, in Wissen und Können ein unbefriedigendes und die praktische Aussicht nicht verlockend. Jeder scheut sich vor einem jungen unerfahrenen Arzt; denn wenn er es auch nicht mit allen Gründen nachweisen kann, so ist er doch aus den bisherigen Wahrneh - mungen der Gesellschaft davon unterrichtet, dass der maassgebende staatliche Vorbildungsgang keine Bürgschaft für unmittelbar bereites Wissen und Können bietet. Es wird also der Armuth und Noth19 überlassen bleiben, den Stoff für jene tastende, jedenfalls aber unreife Experimentalpraxis zu liefern, auf welche selbst bei be - gabteren und unternehmenden Naturen doch mindestens ein halbes Jahrzehnt zu verrechnen ist; denn hier beginnt erst das eigent - liche Lernen. Auch beginnt hier erst die Gewöhnung an ge - legentliche Berufsstrapazen, und es ist allerdings der beste Theil des Lebens vernutzt, wenn der Mann dazu kommt, wahrhaft selbständig und in seinem Berufsgebiet zu Hause zu sein. Es mag also den Medicinern nicht übel genommen werden, wenn sie von der Kräfteauszehrung, der sie auf ihrem Lernwege anheim - fallen, viel Aufhebens machen und das weibliche Geschlecht ab - schrecken zu müssen glauben. Wenn sie aber überhaupt die ge - legentlichen Strapazen der wirklichen Praxis so hoch veran - schlagen, dass sie den Weibern die physische, moralische und geistige Fähigkeit absprechen, den verschiedenen Vorkommnissen gewachsen zu sein, so mögen sie sich doch erinnern, dass sie anderwärts, wo es sich nicht um Concurrenz handelt, die Frauen für Strapazen ganz zurechnungsfähig erachten. Oder sind die Leistungen der weiblichen Krankenpflege im Frieden und im Kriege etwa nicht oft noch angreifender, als die eigentlich ärzt - lichen Hantirungen, die sich, abgesehen von der Chirurgie, meist auf blosse Anordnungen beschränken und sich von den gröbern Unannehmlichkeiten meist in vornehmer Ferne zu halten wissen? Das Weib, welches dazu ausreicht, die schwersten und gefahr - vollsten unter den niedern Krankendiensten zu verrichten, soll seltsamerweise für die feineren eine zu zarte Leibes - und Hirn - verfassung haben! Die Frauen, die man als Wärterinnen und in der Krankenpflege nicht genug rühmen kann und deren gesell - schaftliche Berührung mit dem Aerztepersonal der Krankenhäuser keinen Anstoss erregt, sollen mit einem Mal aus ihrer Natursphäre weichen, wenn sie danach streben, an Wissen und Thun der Aerzte theilzunehmen. Fort also mit diesem gebrechlichen Einwand, der, genauer besehen, ein blosser Vorwand ist! Man hat doch sonst nie gezögert, das Weib zur Trägerin der schlimmsten Lasten zu machen und ihm die Dulderrolle aufzuzwingen. Was Frauen ertragen konnten und mussten, lehrt die Geschichte der Gesellschaft in grossen Zügen und beweist jeder unbefangene Blick auf das Loos der Masse des weiblichen Geschlechts. Die schlimmere Arbeit ist stets auf den schwächeren Theil abgewälzt worden und zwar um so mehr, je roher ein Stamm und je20 unentwickelter eine Civilisation war. Das Weib ist aber überall innerhalb der reinen Gewaltverfassungen, die bis auf den heutigen Tag dauern, der schwächere Theil gewesen, und so erklärt es sich, dass auf seinen Schultern wohl die unvortheilhafteren Lasten gehäuft, aber von eben diesen Schultern das Gewicht derjenigen Würden, die das selbständige Leben fördern und für dasselbe Etwas eintragen, zärtlichst ferngehalten worden ist und mit rührender Sorgfalt noch immer abzuwenden versucht wird.
Was in der That von der Frauenwelt ferngehalten werden soll, sind nicht die nach dem Vorurtheil zu schweren Berufs - fächer höherer und wissenschaftlicher Art, sondern die falschen Ausrüstungs - oder vielmehr Bepackungsarten, mit denen man die Reise zu solchen Standorten gesellschaftlich bevorzugter Functionen in der unnatürlichsten Weise erschwert und verlangsamt hat. Die eingehende Besprechung dieser Uebelstände des hohen Unter - richtswesens wird jedoch im Laufe dieser Schrift erst dann ge - hörig stattfinden können, wenn zuvor ähnliche praktische Ueber - legungen, wie für das medicinische Fach, auch für das hoch - wissenschaftliche Lehrerthum der Frauen angestellt sein werden.
Einen hohen Unterricht, welcher auch nur auf der Stufe des universitären stände, giebt es für das weibliche Geschlecht in einer eigens organisirten Weise noch nicht. Die hier und da vereinzelt platzgreifende Zulassung zum Anhören von Universi - tätsvorlesungen trägt nicht nur ganz und gar den Ausnahme - charakter an sich, sondern würde auch, selbst wenn sie sich an Umfang etwas erweiterte, völlig systemlos bleiben, da hiemit weder für eine vorangehende gehörige Vorbereitung, noch für einen nachfolgenden praktischen Beruf gesorgt wäre. Will das weibliche Geschlecht sich den Eintritt in die Lehrerfunctionen oberster Ordnung sichern, so muss es zunächst dafür sorgen, dass innerhalb seiner eignen Welt derartige Dienste regelmässig ge - braucht werden. Striche man aus den allgemeinen Bildungsein - richtungen der männlichen Welt etwa die Gymnasien und Real - schulen, so könnte es auch auf den Universitäten die sogenannte philosophische Facultät in praktischer Bedeutung gar nicht mehr geben. Da diese Facultät es nämlich ist, deren Thätigkeit für21 Gesellschaft und Staat wesentlich darin aufgeht, Lehrer für die Stätten der höhern allgemeinen Bildung zu produciren, so würde sie selbst beseitigt, wenn man jene Schulen der benachbarten Stufe hinwegnähme. Nur weil für das männliche Geschlecht ein allgemeines Bildungsniveau höherer Art für viele staatliche und gesellschaftliche Berufszweige ein anerkanntes, ja vorgeschriebenes Erforderniss ist, kann auch jene höchste Position des Lehrer - thums existiren. Die ganze Nachfrage nach Universitätsprofessoren der Bildungswissenschaften, also der Mathematik und Physik auf der einen und der sprachlichen Gelehrsamkeitszweige auf der andern Seite, beruht darauf, dass alljährlich Schaaren von einstigen Anwärtern auf gymnasiale, realschulmässige oder verwandte Lehr - fächer in Vorbereitung zu nehmen sind. Die beiden Schichtungen des Unterrichts, nämlich die des höhern und die des höchsten, sind also derartig beschaffen, dass die eine gleichsam socialöko - nomisch auf der andern ruht, und dass die Nachfrage nach hohem Unterricht nur platzgreifen kann, wenn überhaupt über die Haupt - stufe der höhern allgemeinen Bildung entschieden ist.
Eine solche Entscheidung steht aber für die Frauenwelt noch aus, und allein in ihrer Durchsetzung wird das Schwergewicht aller Bestrebungen zu suchen sein, welche den obersten Lehr - beruf für die Frauen erringen wollen. Man gestehe zu, dass et - was Aehnliches wie die Gymnasien und Realschulen, aber freilich etwas im modernen Sinne, für die weibliche Bildung nothwendig ist, und man hat zugleich die Schöpfung einer neuen Lehr - industrie mit Unter - und Oberbau eingeräumt. Das Wort In - dustrie, welches hier mit Absicht gebraucht ist, erinnert zugleich an ein volkswirthschaftliches Verhältniss von grosser Wichtigkeit. Einen neuen Thätigkeitszweig einführen, heisst soviel, als eine Menge von Nachfrage nach Arbeitskraft schaffen, die ohnedies keine Verwendung oder wenigstens keine gleich ergiebige und einträgliche Verwendung hätte finden können. Ueberhaupt ist die Einführung neuer nützlicher Verrichtungen und des zuge - hörigen Systems von Einrichtungen eine dauernde Erhöhung und Veredlung der gesammten Gesellschaftskraft. Es wächst hiedurch dem Gemeinleben ein neues Organ zu, vermöge dessen es seine Macht über die Dinge und seine Fähigkeit zu gegenseitigen Ver - kehrsleistungen steigert. Die Herausbildung einer neuen mate - riellen Industrie lässt sich hienach in dem Haushalt der Gesell - schaft sehr wohl als ein Musterbeispiel betrachten, an welchem22 auch gelernt werden kann, was die Beschaffung eines erweiterten Lern - und Lehrgebiets zu bedeuten habe. Bisher konnte für die Frauen von einem höhern Lehrerberuf im ernsten Sinne dieses Worts nicht die Rede sein, weil es an Schülerinnen und An - stalten dieser Gattung fehlte. Was man höhere Töchterschulen nennt, gehört in das Bereich einer äusserst unzulänglichen, sich nicht viel über die Stufe des Elementaren erhebenden und über - dies abseits gerathenen Bildung. Es wäre nicht der Mühe werth, über das weibliche Lehrerthum an solchen Anstalten hier noch mehr Worte zu verlieren. Die zum Theil mögliche Zulassung der Frauen zu solchen Lehrverrichtungen ändert an dem that - sächlichen Monopol der Männer auch in dieser Sphäre nur wenig und kann es auch nicht, solange das weibliche Geschlecht ganz ausserhalb einer geordneten Organisation der Ausbildung von höheren Lehrkräften belassen wird. Was daher, ich sage aus - drücklich nicht etwa umzuschaffen, sondern überhaupt erst zu schaffen sein wird, ist das weibliche Publicum, welchem das Be - dürfniss einer höhern, sozusagen gymnasialen Vorbildung als ge - sellschaftliche und staatliche Nothwendigkeit anhaftet. Mit dieser Nothwendigkeit werden dann auch weibliche Hochschulen und weibliche Gegenstücke der Professoren erforderlich oder, mit andern Worten, Ausüberinnen jenes hohen Unterrichts, von dem die Bildung der höheren Lehrerinnen ausgeht.
Es ist stillschweigend vorausgesetzt worden, dass auch in den höhern und hohen Schulverrichtungen, ganz wie im Bereich der Medicin, die Frauen ihr Publicum in ihrer eignen weiblichen Welt zu suchen und sich dort eigne Institutionen zu schaffen haben. Der Grund, aus welchem diese Arbeitstheilung zwischen den Geschlechtern platzzugreifen hat, ist in den höhern und höchsten Lehrfächern noch entscheidender als im medicinischen Beruf. Im letztern ist es die ganze weibliche Welt aller Alters - stufen, die man sich als Publicum zu denken hat; die distinguirte Lehrverrichtung wendet sich aber wesentlich an die weibliche Jugend und zwar vornehmlich in den Stadien der Entwicklung und der Blüthe. Bisher kam von diesen letzteren Altersstufen hauptsächlich nur die erste, noch physisch und demgemäss in allen Beziehungen noch ziemlich unreife in Frage; aber dennoch hat es an Unzuträglichkeiten, die sich von dem Männerunterricht her einstellten, wahrlich nicht gefehlt. Allerdings hat der Staat in seiner hochweisen Fürsorge den deutlich sprechenden Grundsatz23 zur Geltung gebracht, dass an Mädchenschulen nur verheirathete Männer zu fungiren haben. Er hat hiemit eingestanden, welchen Bedenken er zu begegnen strebt; aber seine Rechnung ist doch eine unzulängliche, ja zum Theil philisterhafte. Sie mochte einiger - maassen zutreffen, solange altväterische Sitte noch im Schwunge und die Ehe als eine halbwegs verlässliche Bürgschaft gegen Ausschreitungen gelten konnte. Angesichts der neusten und heute mehr als je fortschreitenden Sittenzersetzung dürfte jedoch jene Vorkehrung sammt allen besondern Strafgesetzen, die den Missbrauch des Lehrer - und Schülerverhältnisses betreffen, nur einen unzureichenden Damm ergeben. Auch handelt es sich in den hier fraglichen Beziehungen nicht einzig und allein um gröbere Sitten - und Anstandsverletzungen, sondern um jene feineren, für kein Gesetzbuch, ja nicht einmal für disciplinarische Wahrnehmung erfassbaren Ungehörigkeiten, die darauf hinaus - laufen, dass die natürliche Unbefangenheit des Fühlens und Denkens durch falsche geistige Reizungen irregeleitet und gestört werde. Derartige verkehrte Anregungen der Gemüthsverfassung liegen aber naturgesetzlich sehr nahe, wenn man erwägt, welche Gegenstände schon jetzt in der kaum über das Elementare zu einigen belletristischen Verzierungen hinausgelangenden Mädchen - bildung zu berühren sind, und um wieviel ernstlicher später bei der höhern Schulung die Hauptfragen des Leidenschaftslebens der Menschheit in Betracht kommen müssen. Es ist vielfach ein eitler Conventionalismus, von dem die hohle und alberne Prüderie mit all ihrer unvermeidlichen Heuchelei geschaffen wurde; aber es ist ein naturgesetzliches Gebot, dass da nicht Vertrauen und Unbefangenheit verlangt werde, wo so etwas den Sachverhält - nissen nach unmöglich ist. Wo die Natur das Weib anweist, auf der Hut zu sein, da ist es ein Verstoss gegen alle gesunden Regeln des Verhaltens, wenn man die thörichten und störenden Situationen willkürlich schafft und gar in öffentlichen Einrich - tungen verkörpert. Das Weib wird das Beste, was es einst lernen mag, nur vom Weibe selbst lernen können; denn nur hier ist ein hinreichendes Maass von unbefangener Mittheilung und Erörterung sowie von einer natürlich bildenden Einwirkung auf die Gefühlsgestaltung der Schüler möglich. Ueberweise Kritiker könnten zwar das von mir in den Vordergrund gerückte Princip übertreiben wollen und so versuchen, seine hohe Naturbedeutung abzustumpfen. Sie könnten geltend machen, dass auch zwischen24 Frauen sittliche Missverhältnisse möglich wären, und dass, wer diesen nicht vorbeugen könne, sich auch nicht einfallen lassen solle, an dem herrlichen Männerunterricht moralisch zu mäkeln. Auf diesen Einwand erwidere ich im Voraus, dass allerdings ja auch die Schulen für junge Leute männlichen Geschlechts nicht so ganz frei von Verhältnissen bleiben, die auf einer Sittenver - irrung zwischen Lehrern und Schülern beruhen; dass aber diese Verstösse gegen die gesunde Natur eben Abnormitäten sind, die man zu bekämpfen hat, während im Falle der Verschiedenheit der Geschlechter die allernormalsten Naturgesetze selbst die ver - werflichen Störungen verursachen.
Auf die Gefahr hin, von Leuten mit einem engen Horizont gradezu der moralischen Pedanterie angeschuldigt zu werden, habe ich das entscheidende Grundverhältniss gekennzeichnet, welches bei dem männlichen Unterricht junger Mädchen und zwar ganz besonders dann störend werden muss, wenn ein Schülerinnpublicum in Frage kommt, welches der heute üb - lichen Altersstufe um einige Jahre voraus ist. Weibliche Stu - dirende, das Wort Studirende nach altem Stil als blosse Anhörer einer trocknen Universitätsvorlesung verstanden, mag man sich in ihrem Verhältniss zum sogenannten Lehrer hinreichend apa - thisch denken, um von keiner Seite affective Anregungen zu be - sorgen, zumal wenn der Professor activ und passiv über alles Menschliche hinaus und von ihm sozusagen nur das nöthige Gestell übriggeblieben ist, um die dürren vergilbten Blätter seines ihm ebenbürtigen Heftes umzuschlagen. An diese aus dem frischeren Menschenleben ausrangirten Adressen, unter denen sich vielleicht auch einige Autoritäten finden, mag man sich allenfalls halten, wenn es gilt, für die Frauen die formelle Brücke auszu - spähen, auf der sie, ehe ihre eignen Einrichtungen geschaffen sind, zu den allerersten Berechtigungen und Zeugnissen gelangen können. Derartige vertrocknete Harmlosigkeiten stellen aber glücklicherweise nicht das Gesetz der frischen und gesunden Natur dar und sind am allerwenigsten da zu gewärtigen, wo es sich um einen lebensvollen, womöglich auf gegenseitigem Ge - dankenaustausch beruhenden Unterricht höherer und höchster Art handeln soll. Hier wird grade das Weib für das Weib der natürlichste Beistand sein, und diese Wahrheit wird gelten, auch ohne dass man soweit geht, etwa mit Sokrates die wahrhaft25 wirksame Belehrung in einer Art geistigen Geburtshülfe zur Ent - bindung der eignen Gedanken des Lernenden suchen zu wollen.
Das Lehrerthum männlichen Geschlechts, welches sich vor - wiegend im Besitz der Lehrstellen an sogenannten höhern Töchter - schulen befindet, weiss nicht genug von seiner eignen Ueber - legenheit zu rühmen. Die weiblichen Lehrkräfte sind ihm nur Existenzen zweiter oder, sagen wir lieber gleich, dritter Classe; denn zwischen der didaktischen und pädagogischen Grösse der Männchen und derjenigen der Weibchen muss natürlich noch eine unausgefüllte Kluft bestehen und eine Nummer offengelassen werden. Diese Eitelkeit ist nun unter allen Umständen übel an - gebracht und könnte in ihrer Hohlheit leicht aufgedeckt werden, wenn man sich die Mühe nähme, die Kenntnisse und die Lehr - virtuosität der fraglichen männlichen Unterrichtsfunctionäre nach absolutem Maass zu veranschlagen. Indessen mag, wie die Dinge sich heut stellen, allerdings relativ ein Unterschied bestehen, der darauf beruht, dass die Ausbildung in den Schulen für weibliche Lehrerinnen unzureichender ist, als die mannichfaltigen Gelegen - heiten, die für die Zurichtung männlicher Lehrkräfte vorhanden sind. Es sind hienach ungleichartige Vorbildungsfrüchte, die mit - einander concurriren, und man muss sich noch wundern, dass Angesichts dieser Benachtheiligung überhaupt von weiblicher Seite noch einige Concurrenz möglich bleibt. Sieht man sich die Bildung derjenigen weiblichen Lehrerinnen an, die ihre Kennt - nisse und ihre Einschulung beispielsweise solchen Anstalten, wie dem Berliner Seminar, zu verdanken und die entsprechende Prü - fung gehörig bestanden haben, so ist dieser höchste Gipfel, zu dem bis jetzt die Frauen im Lehrfach gelangen, allerdings in einem sehr bescheidenen Niveau verblieben. Das Wachsthum des Bäumchens ist sorgsam bemessen, und überdies eine natürliche Erhebung in grader Linie noch durch das niederziehende Ge - wicht von allerlei Verbildungsmaterial unmöglich gemacht. Die Quälerei ist gross und das Ergebniss klein; aber wie sollte es auch anders sein in Zuständen, in denen man die weiblichen Lehrkräfte nachher oft in so herrlich verkehrter Weise vernutzt, indem man sie, wie dies beispielsweise die Stadt Berlin aus dem Grunde verstanden hat, die sonst für so zart ausgegebenen Anlagen in einer recht groben Hantirung, nämlich an wohlgefüllten Knabenclassen zu bethätigen nöthigt. Der Staat und die Ge - meinden sind freilich mit den Elementarschulen in arger Ver -26 legenheit. Eine halbwegs leidliche Arbeiterstellung ist ökonomisch besser und in der Hantirung sowie in allem disciplinarischen Zu - behör nicht so unleidlich, wie diejenige eines Elementarlehrers. Wo nun demgemäss die Männer dem schlecht gelohnten und chicanenreichen Gewerbe der Elementardrillung, wenn sie irgend können, den Rücken kehren, da sind die überall im Kampf des Lebens zurückgesetzten weiblichen Kräfte eine noch verfügbare und obenein billige Waare. Da mögen denn allenfalls die Mädchen in den Zwanzigern zusehen, wie sie sich mit einem Schock Jungen, die grade in den besten Flegeljahren sind, ab - finden und unter der Bande Fleiss und Zucht aufrechterhalten. Solchen liebenswürdigen Zumuthungen gegenüber tritt die sonstige conventionelle Heuchelei, die von Zartheit und Schonung gegen das weibliche Geschlecht erfüllt sein will, in ihr rechtes Licht, und man erkennt zugleich, was es mit der thatsächlichen Hinde - rung der Frauen an wirklich höher belegenen Lehrberufsstel - lungen für eine Bewandtniss habe. Man lässt die Frauen eben da einrücken, wo sie Arbeit verrichten sollen, die den Männern im Verhältniss zu den damit verbundenen Unannehmlichkeiten zu schlecht gelohnt ist. Man gewährt ihnen die Neben - und Winkelplätze, ganz wie dies aus ihrer schwächeren und geflissent - lich in Schwäche erhaltenen Stellung im Wettkampf des Lebens nur zu logisch folgt. Ja sogar der Umstand, dass man diese Unterordnung und Zurücksetzung mit gegentheiligen Redensarten verziert und dem Weibe seine Lage als eine zärtlichst geschonte darzustellen versucht, ist nur eine weitere Consequenz der that - sächlichen Benachtheiligung. Wer geschädigt werden soll, wird am besten stillhalten und sich am meisten von seinem Recht nehmen lassen, wenn man ihn darüber zu täuschen weiss, was ihm zukomme und nicht zukomme und was seine Pflicht und nicht seine Pflicht sei.
Aus diesem Grunde muss aber auch das weibliche Geschlecht den Grundsatz annehmen, stets nach der Höhe zu streben und sich nicht mit den Niederungen des Lehrfachs, ja überhaupt nicht blos mit niederen Berufsstellungen abfinden zu lassen. Hat es einmal in den höhern und höchsten Functionen der Gesellschaft und der öffentlichen Angelegenheiten einigermassen Boden ge - wonnen, so wird es für die verschiedenen Schichtungen an den mittleren und tiefer belegenen Stellungen durchaus nicht fehlen. Die Ergiebigkeit an letzteren bleibt davon abhängig, dass die27 obersten, alles Uebrige beherrschenden Positionen gewonnen und zu einem vollständigen System weiblicher Berufsthätigkeit und Bildung verzweigt werden. Hiebei sei wiederum daran erinnert, dass jegliche Art allgemeiner Bildung ihre Wurzeln in praktischen Berufsbedürfnissen haben muss und nur da den Charakter der Allgemeinheit und scheinbaren Unabhängigkeit von bestimmten technischen Berufserfordernissen annimmt, wo sich eine Menge von Vorkenntnissen als gemeinsame Grundlage für eine grosse Zahl verschiedener Berufsthätigkeiten ausscheidet. Alsdann kann man nicht mehr sagen, dass es ein bestimmter Beruf oder eine abgegrenzte Gruppe von Berufszweigen sei, für welche aus - schliesslich jene Bildungselemente als Vorbereitung dienen. Man befasst sich vielmehr in diesem Falle mit Kenntnissen und Ge - schicklichkeiten, die bei dem gegebenen Zustande der Gesell - schaft nach allen Richtungen verwerthbar sind.
Die Frage ist nun die, was für das weibliche Geschlecht an die Stelle der Gymnasien und Realschulen treten soll. Letztere beiden Gattungen sind freilich schon für das männliche Ge - schlecht sehr wenig motivirt. Sie beruhen entweder auf gar keinem Princip oder mindestens nicht auf einem praktischen, welches gegenwärtig noch sonderlichen Sinn haben könnte. Aller - dings sind sie es und nicht die Universitäten, wo man allenfalls noch von allgemeiner Bildung reden kann; denn auch die deutschen Hochschulen, die auf ihren angeblichen Universalismus so gern pochen, sind doch in Wahrheit nur viergliedrige Fach - schulen, in denen die einzelnen Hauptstudienzweige einander fremd und ohne gemeinsame Bestandtheile nebeneinander her - laufen. Die gymnasiale Bildung wäre also hienach die eigentlich allgemeine höchster Gattung; denn die Realschulen gelten als eine Stufe tieferstehend und sind auch in vielen Beziehungen so an - gelegt, dass man ihnen ansieht, wie sie als Bildungsanstalten zweiten Ranges von gymnasiarchisch äusserst selbstbewussten Lehrplanfabricanten zurechtgemacht wurden. Nun giebt es aber in der weiblichen Sphäre nichts Thörichteres, als die sich seltsam verirrende Ambition nach gymnasialer Schulung oder, besser gesagt, Verschulung. Es hat mich stets seltsam angemuthet, ja manchmal gradezu bedrückt, wenn ich auf Fälle traf, wo be - sonders strebsame Eltern für ihre Töchter das Höchste an Bildung zu erreichen glaubten, wenn sie dieselben eben den Quälereien überlieferten, denen der Geist der Knaben und jungen Leute auf28 den Anstalten für Latein und Griechisch preisgegeben wird. Die Gymnasien sind zwar nicht sofort mit der Abgelebtheit und Ueber - lebtheit der Universitäten zu vergleichen; denn sie stehen an verhältnissmässiger Regsamkeit doch weit mehr über dem mittel - alterlichen Niveau; aber sie sind trotzdem arge Zeitwidrigkeiten und zwar nicht etwa blos in einzelnen Bestandtheilen ihrer Ein - richtung, ihres Lehrplans und ihrer Methode, sondern im Ganzen und in der Grundanlage. Sie sind von vornherein eine abnorme Uebergangsschöpfung gewesen, die der Barbarei und dem Be - dürfniss der sich aus dem Mittelalter ein wenig erhebenden Völker nach antiken Lehrjahren oder vielmehr leider Lehrjahrhunderten ihre Möglichkeit verdankte. Sie müssen, nachdem die moderne Welt dieses auf die Dauer unwürdige Lehrlingsverhältniss in den wesentlichen Richtungen abgethan hat, auch wieder verschwinden und rationelleren Einrichtungen platzmachen. Genau besehen, stellen sie nicht die Interessen einer wirklich allgemeinen Bildung, sondern diejenigen des gelehrten Berufsunterrichts vor, der auf sie durch die Universitäten gepfropft werden soll. Weil man die Studien auf den Universitäten in Juristerei und Medicin mit einem altsprachlichen Zopf betreibt, darum sind die Gymnasien der zu - gehörige Unterbau; denn nur in den letzteren kann das Flechten dieses Zopfes erlernt werden. Nun haben die Frauen keine Ur - sache, sich um solche altmodische Flechtkünste zu bekümmern. Sie haben die Medicin und andere höhere Berufszweige, die ihnen später noch zufallen mögen, im modernen Sinne und ohne chi - nesenhafte Aufstutzung zu studiren. Bedürfen sie aber auf diese Weise der reinen unverfälschten und unverschnörkelten Natur - gestalt einer Berufswissenschaft, so gehört zu der letzteren auch eine Vorbildung, die nicht die gymnasial ablenkende, sondern ein vernünftiger Ersatz dafür ist. Man sieht also auch hier wiederum, wie von oben her und aus dem Mittelpunkt der nächst angren - zende allgemeine Bildungskreis mit den ihm dienstbaren Anstalten bestimmt werde. Die Schicht der höchsten Berufsgruppen ent - scheidet über die dazu erforderliche gemeinsame Bildung. Was technisch und specialistisch einem jeden Beruf angehört, bleibt hiebei ausser Anschlag; der Rest an gemeinsamen Erfordernissen ist es aber, der alsdann höhere allgemeine Bildung heisst und sich in der thatsächlichen Organisation auch zugleich zu einem Kreise von Kenntnissen und Geschicklichkeiten abrundet, in welchem sich die einzelnen Bestandtheile zu einem zusammenhängenden29 Gefüge mit einigermaassen harmonischer Bildungsfunction ver - bunden finden.
Construirt man sich auf diese Weise die Parallelen und Er - satzmittel der Gymnasien und Realschulen, so wird man von dem zunächst maassgebenden Standpunkt der späteren medicinischen oder sonst technischen Studien aus die Elemente der niedern und höhern Naturwissenschaft zum Fussgestell der Bildung machen, einige modern gestaltete Mathematik hinzunehmen und übrigens nur dafür sorgen müssen, dass ausser den ersten Elementarfertig - keiten der niedern und höhern Rechenkunst Gewandtheit in der Auffassung und Handhabung des schriftlichen und mündlichen Worts, sowie eine gelenkige Anbequemung an die zusammen - gesetzteren Denk - und Redegestaltungen, also schliesslich eine gewisse Geschultheit im natürlichen Gedankengefüge sachlicher Inhalte und sprachlicher Darstellungsform erzielt werde. Ich würde Letzteres eine natürliche Logik genannt haben, wenn ich nicht hätte dem Missverständniss vorbeugen wollen, als sollte es sich um jene nichtsnutzige vertrocknete Pflanze handeln, die in der Universitätsscholastik den Namen Logik führt und sich als herkömmlich aufgenöthigtes Beiwerk einzelner Richtungen des Universitätsstudiums in siechem Dasein noch durch künstliche Zwangsvorschriften fortschleppt, aus den medicinischen Studien - gewohnheiten aber mit Recht so gut wie verschwunden ist. Wenn ich Geographie und Geschichte unter den Bildungsmitteln nicht besonders erwähnt habe, so geschah dies, weil sich einige Geo - graphie gleich Lesen und Schreiben schon in der untersten Bil - dungsschicht von selbst versteht, die Geschichte aber, wie sie als Raufereiencatalog und gefälschte Fürstenverherrlichung auf niedern und höhern Schulen gelehrt zu werden pflegt, gleich dem Latein und Griechisch mehr zu den Verbildungs - als zu den Bildungs - mitteln gehören würde. Culturgeschichte aber und einige ent - sprechende Culturgeographie, von denen man das wirklich In - teressirende und durch die unverkünstelten Erinnerungstriebe des Menschen Geforderte allerdings in die Organisation der höhern, das Gymnasium ersetzenden Bildungsstufe aufzunehmen hätte, sind thatsächlich noch zu sehr blosse Keime und Wünsche, als dass hier im Vorbeigehen über ihre vorbildende Rolle und Be - deutung entschieden werden könnte. Es giebt ausserdem noch eine Anzahl moderner Bildungselemente, die, wie Gesundheits - pflege, Wirthschaftslehre und einige Gesetzeskunde, in der höhern30 Schulung und Erziehung einen Platz zu beanspruchen haben; indessen ist hier nicht ein vollständiger Entwurf, sondern nur eine solche Auseinandersetzung mit dem Bisherigen in Absicht, vermöge deren die zu schaffenden weiblichen Bildungseinrich - tungen eine unterschiedliche Kennzeichnung erfahren.
Nennen wir die weiblichen Anstalten, welche die Gymnasien und Realschulen durch etwas Besseres ersetzen sollen, kurzweg höhere Vorschulen, so ist in diesem Ausdruck zugleich angedeutet, dass der Hinblick auf den einstigen praktischen Beruf auch das Maass fiir die in diese Vorschulung hineinverwebte allgemeine Bildung geliefert hat. Die sogenannten Lyceen aber, deren man eines in Berlin und einige verwandte Gegenstücke in andern grössern Städten Deutschlands wesentlich als private Unter - nehmungen in Gang gebracht hat, können nicht im Entferntesten für etwas gelten, was sich in ein praktisches Berufssystem oder auch nur in ein rein theoretisch abgestuftes Bildungssystem ein - fügte. Ich werde hier nur nach dem Berliner Mustergebilde ur - theilen, welches ich genau genug kenne, und an welchem mir, wie die vorletzte Nummer dieser Schrift zeigt, der Contrast zwischen systematischer Initiative und zerfahrener Mengselei von allerlei in unverbundener Planlosigkeit zusammengewürfelten Bildungsvorlesungen, bald solchen der niedrigsten Art, bald solchen mit höheren Ansprüchen, nahe genug getreten ist. Schon der Name ist irreleitend; in Frankreich weiss man allerdings, was man für die männliche Jugend unter Lyceen zu verstehen hat; wir wenigstens denken uns diese französischen Institute ziemlich zutreffend, wenn wir sie ungefähr als Parallelen unserer Gymnasien betrachten. Nun ist aber das weibliche Lyceum in Berlin mit einem Gymnasium oder einer Realschule oder gar mit dem, was wir höhere Vorschule genannt haben, nicht zu ver - gleichen. Der Namengeber, ein Aristotelesgelehrter Geheimrath, mag wohl an das Lykeion des Aristoteles gedacht haben; aber aus diesem Gesichtspunkt nimmt sich die Bezeichnung sogar noch linkischer und komischer aus. Den Namen müssen wir also in jeder Richtung ausser dem Spiele lassen und uns an die Sache halten, welche in erster Linie eine Vorlesungsanstalt und zwar zunächst für das Bedürfniss einer Art Bildungszerstreuung be - deutet hat. Das Schwergewicht des Interesse fiel bei dem theil - nehmenden Publicum, wie leicht begreiflich, auf solche Fächer wie Kunstgeschichte und gelegentlich auch auf moderne Literatur, –31 immer aber auf solche Dinge, die den weiblichen Kreisen in ihrem bisherigen Bildungsgange bereits nahe gerückt waren. Nun verstreute man aber in ganz zufälliger Gestalt, wie es eben jedem angeworbenen Docenten beliebte, Ankündigungen von allerlei Vorlesungscursen buntester Mischung und oft genug unzweck - mässigster Art. Von mittelalterlichen Geschichtsliebhabereien gar nicht zu reden, mag nur als auf ein besonders humorerregendes Beispiel darauf hingewiesen sein, dass auch griechische Literatur - geschichte unter den angebotenen, wenn auch grade nicht nach - gefragten Vorlesungen figurirt hat. Irgend ein leitendes Princip ist niemals vorhanden gewesen, und um Ernst in die Sache zu bringen, hätte selbst ein theoretisch noch so guter, aber blos all - gemeiner Bildungsplan nicht genügt, solange keine praktischen Berufsfolgen daran geknüpft worden wären. Ganz nebenbei und sozusagen abseits von den eher besuchten Hauptvorlesungen hat man auch kleine Gelegenheiten eingerichtet, ein paar Brocken Elementarmathematik sowie etwas Physik und Chemie anzusehen und „ anzuhören “, ja auch, damit es am Allerbesten nicht fehle, für die lateinischen Sextanerkünste durch das Angebot einer Vorlesungseinweihung in die heilige Gelehrtensprache gesorgt, und sich sogar bis zum Griechischen verirrt. Natürlich ist mit all solchem zersplitterten Nebenwerk wenig oder so gut wie nichts geworden. Die Theilnahme dafür blieb äusserst spärlich oder versagte ganz, was am allerwenigsten dem Frauenpublicum selbst zur Last fällt, welches mit Recht danach fragt, wozu und mit welcher schliesslichen Frucht es solche unzusammenhängende und an sich unzulängliche Halbgelegenheiten überhaupt noch benutzen soll. Wie sich die Leitung des Lyceums künstlich Publicum zu verschaffen und die sonst nicht zu Stande kommenden Vorlesungen ein wenig zu füllen gesucht hat, ist in der vorletzten Nummer dieser Schrift angegeben, und es würde uns überhaupt von be - deutenden Gegenständen ablenken, wenn auf den vorliegenden Bogen auch noch eine ausführliche Kritik der form - und princip - losen Berliner Anstalt mit ihren später immer chaotischer ge - rathenden Abänderungsversuchen platzfinden sollte. Elementare Geographievorlesungen und Aehnliches, was zur Fortbildung von Lehrerinnen auf Kosten der Stadt nachträglich hineingepfropft worden ist, dürfte sicherlich nicht die Zerfahrenheit und fast völlige Undefinirbarkeit des Charakters der Anstalt gemindert haben. In der That weiss letztere nicht, was sie eigentlich will,32 soll oder könnte. Diese Unfähigkeit hat sich in der ganzen Existenzzeit des Lyceums nie verleugnet, und wenn man sich das Tuttifrutti ansieht, welches aus der Anstalt im Laufe des Jahrzehnts von 1875 – 85 geworden ist, so ergiebt sich, dass die Charakteristik ihm nur dann gerecht wird, wenn sie die ver - fehlten Züge immer stärker markirt. Einerseits ist das Lyceum, soweit es in erster Linie eigentliche Vorlesungsanstalt für Damen sein soll, nur immer tiefer in die universitären Rückständigkeiten gerathen und den Verkehrtheiten von Universitätsprofessoren an - heimgefallen, die daran dociren oder ihre Protégés dort dociren lassen. Andererseits aber, soweit es sich um eine Gattung schul - artiger Curse handelt, ist das Lyceum zu einer Fortsetzung so - genannter höherer Töchterschulen versimpelt. Hiebei hat sich die aufgenöthigte Schülerhaftigkeit der Manieren bis zu einer förm - lichen Reglementirungsvelleität und bis zur obligatorischen Vor - schrift des Ankaufs der empfohlenen Bücher erstreckt. Was aber die universitätsartigen Vorlesungen anbetrifft, so verbinden sie alle Schäden des Universitären noch obenein mit lächerlichen Zeitmaassen. Ein Curschen der Chemie von einem halben Dutzend Vorlesungen, deren jede anderthalb Stunden währt, sage also fünfhundertundvierzig Minuten der Chemie gewidmet, – das ist, zumal in der Universitätsmanier, eine komische Dosis; aber an solchen Musterstückchen von Kunstbethätigung der Berliner Uni - versitätsprofessoren für das Lyceum hat es nicht gefehlt. Doch lassen wir die Chemie als Feuerwerk in sechs Vorstellungen auf sich beruhen; denn das ganze Treiben auf dem sogenannten Lyceum ist ja überhaupt Spielerei und Schein.
Auch ist dies nicht zu verwundern, da die für die Einrich - tung maassgebenden gelehrten Elemente selbst Gegner aller ernst - haften Frauenbildung, namentlich aber jeder höhern weiblichen Berufsbildung sind und ein Institut wie das Lyceum nach dem - selben socialpolitischen Grundsatz behandeln, wie in einer andern Richtung die sogenannte Volksbildung. Es ist eine alte Maxime, solche Bewegungen, die sich nicht unterdrücken lassen, wenigstens in einer für die ihnen feindlichen Elemente bequemen und mög - lichst fruchtlosen Richtung niederzuhalten. Behufs der Erzielung solcher unschuldigen Scheindinge stellt man sich selbst organisi - rend und fördernd an, während man in der That zu hemmen und abzulenken sucht. Doch genug von diesem Zwischenreich wissenschaftlich seinwollender Halbexistenz. Wirkliche Bildungs -33 anstalten werden stofflich und der Lehrart nach den Charakter der höhern Vorschule an sich tragen müssen und vor allen Dingen nicht Vorlesungsanstalten sein dürfen. Der universitär verzopfte Lehrstil mit der einseitigen Vorleserei ist an sich schon ein Uebel; er wird aber vollends zur Caricatur, wenn er in einen zwerghaften Rahmen gefasst, auf ganz elementare Gegenstände übertragen und überdies einem mit modernen Ansprüchen auf - tretenden, nach frischen Anregungen und gesunder Geistesnahrung ausschauenden Publicum aufgetischt wird. Die vorbereitende Lehre blosser Bildungswissenschaften muss ein wirklicher Unter - richt und demgemäss eine Mittheilung von Kenntnissen mit gegen - seitigem Gedankenaustausch sein. Passt auch die Form der gemeinen Schulung nicht einmal mehr für den Fall „ höherer Vor - schulen “, wie ich sie auffasse, so darf doch niemals das universitäre Vorleserthum platzgreifen. Anregungen zur Selbstthätigkeit, zum Selbststudium nach gedruckten Lehrhülfen und je nach Bedürf - niss bereite persönliche Aushülfe bei Verlegenheiten sowie einige eigentliche Uebungen oder Bethätigungen des geläufig gemachten Wissens und Könnens werden die Hauptbestandtheile einer bessern, über das ganz unselbständige Stadium rein autoritärer Art hinausgelangten höhern Vorschulung bilden, an welche sich später das eigentliche Berufsstadium knüpfen soll. Vorträge aber, die nicht mit Vorlesungen universitären Stils zu verwechseln sind, mögen allenfalls dazu dienen, als anregende Auseinandersetzungen auf die Hauptfragen eines Studiengebiets aufmerksam zu machen und auf das, was selbstthätig zu thun ist, eindringlich hinzuweisen. Sie können Programme des Selbststudiums und Erläuterungen dieser Programme liefern; sie können einen mächtig leitenden Einfluss üben; aber sie dürfen nicht, wie die herkömmlichen Vorlesungen, detaillirte Mittheilungen und sozusagen Abhaspelungen ganzer Wissenschaften sein wollen.
Wie wirkliche Hochschulen für Frauen beschaffen sein müssen, lässt sich erst im Gegensatz zu den Universitäten gehörig auseinandersetzen. Hier sei nur bemerkt, dass sie als Ueberbau der höheren Vorschulen nicht blos die speciellen Berufsfächer, wie die Medicin, sondern eben auch die technische Ausbildung von Lehrerinnen für jene höhern Vorschulen zum Gegenstande haben und in dieser Eigenschaft als Pflanz - oder Normalschulen fungiren werden. Die zweistufige Organisation, die den Gymna - sien und sogenannten philosophischen Facultäten, also dem Lehren34 der Bildungswissenschaften und der Ausbildung von Kräften für diese Lehrfunctionen entspricht, ist hiemit für die weibliche Welt als ein eignes Reich gekennzeichnet, welches an Nützlichkeit für den Geist, an praktischen Früchten für das Leben und auch an Verwendungsgelegenheiten für sonst müssig gehende oder un - gelohnt verderbende Kräfte weit ausgiebiger werden muss, als es bisher die entsprechenden Anstalten der männlichen Sphäre ge - wesen sind. Der Hauptgrundsatz muss aber immer bleiben, dass in diesem ganzen Entwurf das Lehrerthum, ja jegliche Leitung ausnahmslos weiblichen Händen anheimfällt. Um eine andere Combination, in welcher auch Männer mitwirkten, könnte es sich nur in unzulänglichen Uebergangs - und Halbformationen handeln. Für den Augenblick und für die allererste Ueberleitung, bei der es gilt, überhaupt nur den Weg in das wissenschaftliche Bereich und in die zugehörigen Gerechtsame zu bahnen, mag immerhin die bunteste Mischung ganzer und halber Mittel, ja aller nur irgend zugänglichen Handhaben platzgreifen, und es würde ein falscher Principienpedantismus sein, die gegnerischen Monopole und Bollwerke nach einem Schema einnehmen zu wollen, welches erst für den vollen Besitz und Angesichts einer ausgebildeten Schaar von weiblichen Wissenschafts - und Berufsinhabern Geltung haben kann.
Die Zulassung von Frauen zu Universitätsstudien und zum Doctorgrad, die namentlich im Bereich der Medicin hier und da vereinzelt platzgegriffen hat, erinnert daran, mit welchen Er - wartungen meistens das den Universitätsverhältnissen gegenüber ganz draussen stehende und daher in dieser Richtung unkundige weibliche Publicum die fraglichen Gelehrsamkeitsanstalten be - trachtet. Ist doch durchschnittlich nicht einmal die männliche Jugend im Stande, vermöge der blos passiven Theilnahme an den Studiengewohnheiten die Missverhältnisse, denen sie anheimfällt und die dem regsameren und aufgeklärteren Theil auch wohl fühlbar werden, hinreichend und namentlich in Rücksicht auf die erzeugenden Ursachen zu durchschauen! Die wenigen Frauen, welche auf einigen sozusagen geschäftlich coulanteren Universi - täten, von denen die Promotionsgebühren weiblichen Geschlechts35 eben auch für Geld gehalten werden, dazu gelangt sind, Studien zu machen und zu doctoriren, – diese wenigen Frauen dürften zwar als Fremde in dem ungekannten Lande, durch welches sie ihre Tour machten, im günstigsten Falle einige gute Beobach - tungen angestellt haben, aber doch schwerlich dazu gelangt sein, von den sorgsam verschleierten Verhältnissen Mehr wahrzunehmen, als die traditionell, wenn auch nicht in die Universitätsgeheim - nisse, so doch in das Studentenleben und in das äussere Ge - haben der Professorenmanier eingeweihte männliche Jugend. Vielleicht noch ein wenig mehr, als der männliche Universitäts - neuling, von der in der Vorstellung hochgehaltenen und überdies für das Weib ausserordentlichen Situation geschmeichelt, wird die Studirende und später Promovirende nur daran denken, dass ihr die besondere Gunst zu Theil geworden, in einen sonst ver - schlossenen Kreis einzudringen und das titulare Zeugniss für absolvirte gelehrte Studien zu erlangen. Sie wird überdies keine Gelegenheit zur eigentlichen Kritik haben. Ohne eingehende Kenntniss der Literatur und der wahren Grössen der von ihr erstrebten Wissenschaft wird sie sicherlich nicht minder, sondern gewöhnlich noch mehr als der männliche Student jenem Autori - tätsaberglauben anheimfallen, der die jedesmal privilegirtesten und durch allerlei äussere Umstände einflussreichsten Professoren mit Grössen verwechselt, deren Ansehen wirklich daher rührt, dass sie in der Wissenschaft, aber nicht, wie jene conventionellen Kathedergötzen des Augenblicks, blos in der Ausbeutung der Zunftmonopole und in der universitären Reclame gross sind.
Es hat mir immer einen sonderbaren Eindruck gemacht, wenn ich die eigenthümliche Art von Selbstgefühl wahrnahm, mit welcher eine Doctorirte ihre ungewöhnliche Würde betrachtete. Ich will durchaus nicht an der Befriedigung mäkeln, die von der blossen Thatsache herrührt, dass ein Weib die bisherigen Schranken durchbrochen und sozusagen den alten Zunftstempel des gelehrten Bürgerthums aufgedrückt erhalten hat. Dies ist der alten Ausschliesslichkeit gegenüber immer schon eine Art von äusserlichem Protest gegen die Ungleichheit und Unterdrückung des Geschlechts. Indessen kann ich mich trotz alledem einiger Anwandlung von Komik niemals erwehren, wenn ich sehe, wie strebsame Candidatinnen der Wissenschaft die alte, gelehrt und praktisch immer hohler gewordene Doctordecoration sich grade in einer Zeit umhängen lassen, in welcher sich die Ueberzeugung36 von der Verkommenheit und dem todesmatten Siechthum dieser abgelebten und unrettbar verlorenen Einrichtung schon im wei - teren Publicum ziemlich verbreitet hat. Ueberdies ist bezüglich der praktischen Hauptsache der Doctorgrad in unsern Landen ohne jede Bedeutung. In der Medicin berechtigt er nicht zur Praxis und ist zu ihr glücklicherweise auch nicht einmal mehr ein nebensächliches Erforderniss. Die Staatsprüfung entscheidet Alles, und daneben nimmt sich die Doctorirung, wo sie überhaupt noch im Hinblick auf ein Stück an diesem Titel haftenden Volks - aberglauben stattfindet, wie eine altfränkische Zunftceremonie aus, bei der das einzige Reelle und vollhaltig Gediegene die Kosten sind, die sie zu Gunsten der Börsen der gelehrten Zunftmeister verursacht. Doch ich will hier nicht noch einmal ein Thema erörtern, welches grade ich in meinem Anfangs 1875 erschienenen „ Cursus der Philosophie “bei Besprechung des Unterrichts zuerst ernsthaft und zwar dergestalt auf die Tagesordnung gebracht habe, dass man sich von gegnerischer, aber in diesem Punkte behufs Wahrung eines scheinbaren Anstandes doch ein wenig zum Reformeln geneigter Seite aufgestachelt fühlte und nun selbst eine Art Streifzug, wenn auch selbstverständlich nicht gegen das Unwesen der Doctorei überhaupt, so doch gegen einige dem Publicum besonders in die Augen fallende corrupte Praktiken desselben unternahm. Hiemit wurde natürlich so gut wie gar nichts gebessert, und der ganze Standpunkt, eine abgelebte Sache wieder zu einem für das Publicum lebenlügenden Scheindasein galvanisiren zu wollen, ist, wenn nichts Schlimmeres, eine stark nach Gelehrsamkeitsromantik schmeckende Illusion.
Doch lassen wir den Doctor und die Doctorin der verschie - densten Facultäten auf sich beruhen. Die Gelehrsamkeit, die davon umhüllt wird, ist für die wissenschaftliche Zergliederungs - kunst ein wichtigerer Gegenstand. Der Leichnam der todten Gelehrsamkeit erfordert einige Anatomie, und wenn die weibliche Aspirantenwelt einmal mit dem Bau des scholastischen Skeletts eine genauere Bekanntschaft gemacht haben wird, dürfte sie sich von dem Gerippe und seiner mittelalterlichen Zusammenfügung nicht mehr sonderlich angezogen finden. Allerdings haben die Staatsprüfungen Einiges ein klein wenig modernisirt; denn die centralistische Polizeigewalt des neuern Einheitsstaats hat, wie in Rücksicht auf alles Zunftwesen, so auch im Verhältniss zu den gelehrten Zünften, immerhin ein Stückchen Fortschritt vertreten. 37Sie hat zwar die Universitätszünfte, statt sie wegzuschaffen, nur einigen ihrer eignen Zwecke dienstbar gemacht und sie ein wenig in ihren eignen Rahmen hineingezogen; sie hat aber doch bei dieser Gelegenheit den Zunftgeist wenigstens durch den weniger unmodernen Typus der Büreaukratie hier und da gemässigt und hat sich neuerdings oft genug in der Lage gesehen, mit der Ini - tiative zur Abschneidung einzelner ganz unerträglich gewordener Zöpfe vorzugehen. Sie hat grade bei den hartnäckigsten Uni - versitäten den lateinischen Dissertations - und Ceremonialzwang etwas beschränkt und gelegentlich auch wohl einmal Miene ge - macht, die Alleinherrschaft der alten Philologie in einigen Rich - tungen in Frage zu stellen. Solche kleine und langsame Besei - tigungen bereits überall lächerlich gewordener Ueberlieferungen haben aber an der Hauptsache nichts geändert. Das Wissen, welches für die Staatsprüfungen beschafft werden muss, wird zum grossen Theil auf anderm Wege als durch die Universitätsvor - lesungen angedrillt. Buchhülfen, sogenannte Paukatur, sowie allerlei private Nebeninstitute müssen hier aushelfen; denn die Ohnmacht des sich träge hinschleppenden einseitigen Vortrags mit seinem semesterlang ausgesponnenen Faden wird immer fühl - barer, und die unpraktische verrottete Manier, in welcher viele Wissenschaftsrubriken in nutzloser Ausfüllung mit allerlei ge - lehrtem Schutt dargeboten werden, drängt sich denn doch den Candidaten der verschiedenen Berufszweige bei Gelegenheiten, wo es etwas gilt, einigermaassen auf. Am wenigsten ist dies freilich da der Fall, wo, wie in der Medicin oder in der Philo - logie für unsern Staat, die Professoren auch zugleich die staat - lichen Prüfungscommissionen ausfüllen. In diesem Fall sind sie aber doch gezwungen, ganz andere Forderungen zu stellen, als in den spielend tastenden Tentamen, die zur Doctorirung aus - reichen. Mag der Staatsprüfungscandidat zusehen, woher er den Stoff sich einverleibe; das Anhören der meisten Universitäts - vorlesungen, soweit es wirklich noch ertragen wird, verhilft ihm sicherlich nicht dazu; aber der Umstand, dass der büreaukrat - ische Staat eingegriffen hat, ist doch wenigstens die Ursache, dass mehr herauskommen muss, als das, was die Zünfte als Meister - stück verlangen und als Abschluss der bei ihnen durchgemachten drei - oder vierjährigen Lehrlingsschaft gelten lassen. Es ist also nicht ein Verdienst der Universitätszünfte, wenn vermöge der Staatsanordnungen eine gewisse Summe von Kenntnissen zur38 Prüfung auf irgend einem Wege eingepackt werden muss, um dann für den entscheidenden Tag zum Auspacken bereit zu sein. Freilich wird dann die Reise durch das praktische Leben nicht zu viel von der Bagage mitzuschleppen haben; denn die letztere verliert sich zu einem grossen Theil und Stück für Stück, ohne dass eine besondere Bemühung nöthig wäre. Einiges haftet je - doch; aber selbst an diesem Wenigen sind die Universitäten meist unschuldig; denn grade die allmälige und allein nachhaltige Ein - verleibung von Wissensstoff, um welche es sich bei einer wohl - geordneten, nicht erst schliesslich überstürzten Vorbereitung handelt, ist das, was von ihnen verfehlt wird. Sie verderben die Zeit, in der etwas Gediegenes geschehen sollte, mit ihrem leb - losen Scheinunterricht und wiegen den Studirenden nicht blos eigentlich, sondern auch metaphorisch in Schlummer, indem sie grade die Gewissenhaftesten glauben machen, mit dem absitzen - den Anhören der professoralen Heftverlautbarung ihre Pflicht gethan und für die zureichende Präparation ihres wissensbedürf - tigen Hirns gesorgt zu haben. Im Falle der grössten Geduld tragen die Studirenden aber doch nur beschriebenes Papier nach Hause, während ihr Geist im günstigsten Falle unbeschrieben bleibt, im weniger günstigen aber allerlei Kreuz - und Querstriche aufzuweisen hat, welche von dem hölzernen Stil der professoralen Heftcompilation herrühren.
Die weibliche Welt hat hienach keine Ursache, die Jünger der Universitäten zu beneiden. Sie hat Ansprüche auf etwas Besseres, und wenn sie in den Verlegenheiten der Uebergangs - zustände von jedem Mittel und also auch von den Universitäten Gebrauch machen will, so kann dies nur den Sinn haben, sich den Zugang in neue Berufszweige auf einem nun einmal noch ausschliesslich privilegirten Wege zu eröffnen und wird daher nur als ein unter Umständen nothwendiges Uebel zu betrachten sein. Da jedoch ohne die innern Gründe die nackten Thatsachen zu ungeheuerlich erscheinen möchten, so muss ich und zwar hier grade im Interesse der Frauenbildung etwas näher auseinander - setzen, welche Bewandtniss es mit der Lehrweise der Universi - täten hat, und wie die Verkehrtheit derselben theils von den Wirkungen der längst überlebten mittelalterlichen Zunftverfassung, theils von den mitgeschleppten Gelehrsamkeitsstoffen alter Art und schliesslich auch von dem unmodernen und unwissenschaftlichen Princip der autoritären Ueberlieferung persönlicher Mei - nungsweisheit in Heftvorlesungsform herzuleiten ist.
39Zünfte sind nicht blos geschichtlich, sondern überhaupt un - berechtigte Gebilde gewesen. Ihr Wesen oder vielmehr Unwesen war die Ausschliesslichkeit, die Scheu vor der freien Concurrenz, ja gradezu der familien - und vetterschaftliche Alleinbesitz des Gewerbes. Letzteres selbst wurde als ein Mittel der monopo - listischen Ausbeutung des Publicums und demgemäss als eine Art abgepferchtes Privatrecht angesehen. Das zünftlerische Princip ist nun in den materiellen Gewerben glücklich überwunden; aber die mittelalterlichen Zunftgebilde sind gleich emporragenden Ruinen in den Universitäten noch immer zu schauen. Gelehrte Zünfte sind aber ihrem Wesen oder vielmehr Unwesen nach noch schlimmer als diejenigen der gemeinen Handwerke; denn sie sind nicht blos der Form, sondern auch dem Inhalt nach mittel - alterlich und haben überdies den Nachtheil, dass die Wissenschaft von der Unfreiheit weit ärger betroffen wird, als irgend ein ge - wöhnliches Handwerkserzeugniss. Der Zunftstiefel oder Zunft - rock mag immerhin an Geschmack und Billigkeit viel zu wün - schen übriglassen; aber er ist doch wenigstens ein brauchbares Ding, und nur selten wird die zünftlerische Unfreiheit daran Schuld sein, wenn er drückt oder gar nicht sitzt. Von einem zünftlerisch gearbeiteten Tisch lässt sich jedenfalls noch essen und trinken, auch wenn Meister und Gesellenschaft schon arg heruntergekommen wären und für den theuersten Preis das un - beholfenste Möbel producirt hätten. Die zünftlerisch zubereitete Wissenschaft ist aber oft eine ungeniessbare oder mindestens un - verdauliche Speise; sie ist mit einer Menge Bestandtheilen ver - setzt, die dem modernen Magen starke Indigestionen verursachen müssen, wenn nicht schon zuvor die Zunge ihre Schuldigkeit gethan und dem schmacklosen Zeug, soweit möglich, den Eingang verwehrt hat. Ausserdem sind gelehrte Monopole und Aus - schliesslichkeiten weit schlimmer als materielle; denn die Unfrei - heit des Unterrichts muss das Erzeugniss weit mehr fälschen, als die Unfreiheit des Handwerks. Die geistige Corruption, die im Dunkel der unfreien Autoritätenwirthschaft um sich greift, ist viel intensiver als die materielle. Die Herabziehung der Wissen - schaft zu einem blossen Werkzeug der zünftlerischen Nahrungs - und Versorgungsinteressen ist denn doch noch etwas Anderes, als die Dienstbarmachung eines gemeinen Gewerbes für diesen, ihm ja ganz naheliegenden und gewissermaassen auch natürlichen Haupt - zweck. So sind denn seit dem 12. Jahrhundert die Universitäten40 als geistige, ja zum Theil auch geistliche Zünfte nach einer kurzen Halbblüthe, die in bedeutenden sachlichen Anregungen und in ursprünglich bisweilen auch freieren Verfassungen ihren Grund hatte, in den modernen Jahrhunderten überall immer mehr verfallen und haben den Fortschritt der Wissenschaften wesent - lich gehemmt, die untergeordnete Vermittlung des anderweitig in freierer Gewonnenen meist recht schlecht oder gar nicht besorgt. Schon von Adam Smith wurden sie für diejenigen Stätten erklärt, in denen die verrottesten Vorurtheile noch hausen, die bereits aus allen Ecken der Welt vertrieben sind. Doch ich kann mich hier nicht auf eine geschichtlich weit ausholende Dar - legung einlassen. Das Zunftgerüst und seine Wirkungen können auch an den heutigen deutschen Universitäten zur Genüge in Augenschein genommen werden. Die ausschliessende Körper - schaft cooptirt nach persönlichem Belieben; denn die Staats - genehmigung ist fast nur formell. Ein Fachprofessor entscheidet darüber, wen er zum Collegen haben will, und sieht sich natür - lich nach einem möglichst gefälligen und zahmen Concurrenten oder vielmehr Nichtconcurrenten um. Wo er sich nicht gradezu Nullitäten besorgen kann, weil seine Fachcollegen auf andern Universitäten mit ihm im vetterschaftlichen Cartell stehen und auch ihre Leute untergebracht sehen wollen, arrangirt man sich nach dem Princip der Gegenseitigkeit und theilt innerhalb der Kameradie das Monopol nach jedesmaliger Convenienz. Aus - nahmsweise greift allerdings auch die Bürokratie ein, und da ihr Nepotismus weder an sich selbst so schlimm wie der zünft - lerische und überdies weniger unmittelbar in die gelehrte Sphäre hineinverzweigt ist, so geschieht es auch wohl, dass ein einfluss - loserer Fachprofessor gute Miene zu dem für ihn bösen Spiel machen und sich die Hinsetzung einer sogenannten Grösse als nachbarlichen Concurrenten oder vielmehr Hauptmomopolisten ge - fallen lassen muss. Selten wird es aber geschehen, dass der - artige Grössen und Hauptprofessoren selbst nicht in der Lage wären, jeder an seiner Universität möglichst allein zu horsten und so in den Hauptzunftörtern in gehöriger Distanz voneinander ihre gelehrten Zwangs - und Bannrechte über das Studentenpublicum auszuüben. Das Ausland sei noch besonders daran erinnert, dass die bei uns von den Studenten bezahlten Vorlesungsgelder eine eine ansehnliche Privateinnahme der einzelnen Professoren bilden, und dass diese letzteren daher eine sehr starke ökonomische Ursache41 haben, die formell freie Auswahl ihrer Vorlesungen seitens der Studirenden nie einer missliebigen, wenn auch noch so be - schränkten Concurrenz anheimfallen zu lassen, so dass ein volles oder aber nach stillschweigendem Einverständniss und collegi - alistischer Anstandsordnung getheiltes Monopol das Ideal der Aus - beutung des gelehrten Handwerks bildet.
Infolge dessen ist auch der Aerger der Zunftmeister und Facultätsprofessoren besonders gross, wenn einmal die Regierung auch einen ihrer eignen Leute in eine Professur zu stecken hat und ihn einer Facultät, wie man dies nennt, einfach hinsetzt. Von einem solchen Fall, welcher nach manchen andern z. B. auch 1884 der Berliner Universität und zwar in der medicinischen Facultät begegnete, dem Fall Schweninger, machten die dort tonangebenden Professörchen und die zugehörigen Pressjuden viel Aufhebens, weil sie diesmal gegen den Hingesetzten, unter Vorwand eines Sitten - defects, ein gar leichtes Spiel zu haben glaubten. Mir, als einem Kenner der Sitten der Zunftgelehrten in ihrem Gewerbsbetrieb, musste es hochkomisch vorkommen, dass die Herrchen auch Mangel wissenschaftlicher Verdienste als einen Grund affichirten, während doch bei ihren eignen Protégés wissenschaftliche Aus - zeichnung das ist, was regelmässig gar nicht oder höchstens ein - mal nebenbei und an letzter Stelle in Frage kommt. In der That dienten solche Vorschützungen nur dazu, das Publicum über das eigentliche Motiv irrezuführen. Dieses war, wie immer, so auch diesmal nichts Anderes, als das beeinträchtigte Monopol zünftlerischer Patronage, also der Eitelkeit und des stellenver - gebenden Einflusses derjenigen Professoren, welche gewohnt sind, immer nur ihre Anhängsel unterzubringen. In diesem Falle hatte sie dies bis zu dem Punkte aufgekitzelt, sogar davon verlauten zu lassen, selber gehen zu wollen, wenn die Regierung gegen ihre dem hingesetzten Professor gegenüber inscenirte Benehmungs - art einschritte. Das Einschreiten, d. h. die Zurechtweisung kam und dazu auch öffentlich in officiösen Zeitungsartikeln die ent - schlossene Andeutung, dass man die Herren, wenn sie wollten, immerhin ziehen lassen würde, – und siehe da, die Species bewährte ihren Charakter. Sie zogen nicht nur nicht, sondern – legten sich auch sofort. Nach so vielem und monatelangem Ge - kläff in den Zeitungen und nach allen möglichen Demonstrations - inscenirungen wurde mit einem Mal Alles mäuschenstill. Der abkühlende Wasserstrahl hatte seine Schuldigkeit gethan. Im42 Ernste ihre Professuren quittiren, – nein, das wäre ein übles Geschäft gewesen, wo doch die ganze unterthänigste Empörung nur einem Stückchen vom zünftlerischen und persönlichen Pa - tronagemonopol gegolten hatte. Ein späteres gelegentliches Nach - spiel von blossem Wortdemonstratiönchen im preussischen Abge - ordnetenhause auf einen weiteren und noch entschiedeneren Schritt der Regierung hin, nämlich auf eine ansehnliche Gehaltscreirung für den Ernannten im Etat, – das war billiger zu haben als der eigne Abgang. Zeigt eine Regierung nur eine ernste Miene, so wissen die Zunftprofessoren gar wohl, was sie zu thun oder vielmehr zu lassen haben. Andernfalls aber, und wo ihnen die Regierung über - haupt nicht querkommt, bethätigen sie ihr Privilegium ganz nach den gelehrt vetterschaftlichen Interessen von Einzelpersonen und Ringen.
Der Professorenstand ist nämlich eine Art Kaste, die sich vornehmlich durch Inzucht fortpflanzt. Schwiegervater und Schwiegersohn sitzen innerhalb derselben Facultät und fungiren innerhalb derselben Commission als Examinatoren. In die Pro - fessuren heirathet man sich ein, wie früher in die Handwerks - gilden. Auch ausserhalb der Universitäten weiss man ja in vielen Kreisen bereits hinlänglich, dass die Vetterei dadrinnen eine ganz bedeutende Rolle spielt, und dass wissenschaftliche Ver - dienste nicht etwa blos die gleichgültigste Nebensache, sondern, wo sie nicht mit der persönlichen Patronage zusammentreffen, ein Hinderniss des Fortkommens und ein Grund der Fernhaltung oder gar Aechtung sind. Aber die Art, wie dieses nepotische System, welches da, wo es einmal über die Bluts - und Gilden - verwandtschaft hinausreicht, auf persönlicher Affiliation beruht, mehr und mehr corrumpirend auf den Nachwuchs einwirkt, muss hier doch in Erinnerung gebracht werden. Ein Candidat des Docententhums sieht sich zunächst danach um, wo er durch Unterthänigkeit und in Aussichtstellung guter Dienste die specielle Patronage eines Fachprofessors erwerben und sich so dessen Stimme für die Zulassung und für künftige Beförderung ge - winnen möge. Die Gewitztesten beginnen diese persönlichen Manipulationen schon während der Studienjahre, zumal wenn sie unmittelbar aus der Kaste selbst stammen oder wenigstens ihren Künsten nähergetreten und von erfahrenen Routiniers schon einigermaassen eingeweiht sind. Die elendeste Schmeichelei ist das Pflaster, mit dem der Weg festgemacht wird, und die grüne Unreife mit ihrer Urtheilslosigkeit hilft ein wenig nach, wo sich onst vielleicht gelegentlich doch das Gewissen regen und dens43 beschränkten Cultus bei den jedesmaligen Professörchen, der mit der Verlästerung oder wenigstens Verleugnung des Bessern ver - bunden werden muss, als eine zu arge Schmach empfinden lassen würde. Indessen sind die universitären Reptilien mit ihrem Stellen - schleicherthum meist schon durch die umgebenden Lebensbe - dingungen hinreichend in ihrem Artcharakter ausgeprägt, um mit einer mönchischen Verschlagenheit auch hinreichende Erhabenheit über wissenschaftliche Heuchelei zu verbinden und ihre servile Anpassungsrolle so abzuspielen, dass nicht bei ihnen eine mora - lische Gegenregung, wohl aber bei Andern, diesem gesinnungs - losen Treiben Fremdgebliebenen und nur von draussen Hinein - blickenden, trotz der Entfernung, um auch einmal classisch zu reden, der Speichel rege gemacht wird.
Wenden wir uns von diesem ekelhaften Treiben der Per - sonen zu dem sachlichen Boden, auf dem es sich ergeht. An ge - lehrtem Gemüll fehlt es dort natürlich nicht, und die Abfälle aus dem Mittelalter bilden die Hauptverzierung, durch welche sich universitäre Gelehrsamkeit vor moderner und naturgemäss ge - stalteter Wissenschaft auszeichnet. In den Rahmen des mittel - alterlichen Kirchen - und Autoritätswesens hineingepfropft, haben die Universitäten das von der Kirchensprache her angenommene Latein sozusagen als heilige Scheidewand gegen das profane Volk angenommen und bis auf den heutigen Tag nach Kräften conservirt. Freilich haben sie die lateinischen Vorlesungen schon im vorigen Jahrhundert grösstentheils abthun müssen; aber sie sind damit doch ein paar Jahrhunderte zu spät gekommen. Der Geist der freien Wissenschaft hatte sich schon im 16. Jahrhundert der neuern Völkersprachen bedient und die gelehrten Zünfte sind in diesem Punkt wiederum nur der Hemmschuh gewesen, der den Wagen des natürlichen Fortschritts am unrechten Orte auf - gehalten hat. Heut steht das Latein theils als ceremonielles Curiosum, theils aber auch (und dies ist das ernsthafte Uebel) als Grundlage der Studien im Wege. Mit dem Griechischen sind zwar die Gymnasien arg genug heimgesucht; aber in den be - sondern Fachstudien spielt es, abgesehen von der Philologie, also von der Zurichtung von Gymnasiallehrern für dasselbe, auf den Universitäten keine gleich lästige Rolle. Der Jurist, dem man die Pandekten als A und O der Rechtskunde wöchentlich 12 - bis 15 stündig servirt, und der nach echt philologischer Manier wohl gar die Künste eines römischen Richters an den alten „ Formeln “44höchst Savignyromantisch galvanisiren soll, – der Jurist, dem einige Geschäftskenntniss in den Verkehrs - und Rechtsformen des wirklichen Lebens Noth thäte, soll statt dessen am rescri - birten Gajus klauben und, was noch schlimmer ist, gelegentlich ausser dem byzantinischen Mosaik der Justinianisch-römischen Rechtsbibel auch noch das Corpus des kanonischen Rechts in der ganzen Wohlbeleibtheit dieses geistlichen Buches umklammern und, wie der Theologe seinen hebräischen Psalm, so seine latei - nische Stelle aus der hierarchischen Ueberlieferung auslegen können. Aber Griechisch kommt hiebei doch so gut wie gar nicht in Frage, und das Unleidliche ist die lateinische Wörter - dressur. Seit sieben Jahrhunderten hat man an der römischen Rechtsbibel, namentlich aber an den Pandekten, sowie auch an dem mittelalterlichen Zubehör heruminterpretirt und will noch immer dieser erläuternden Bedientenverrichtung nicht entwachsen sein. Diese Armseligkeit der Ergebnisse rührt von dem autori - tären Princip her. Man hat persönliche Meinungen weiter ge - geben, aufgereiht und gesammelt; die Ansichten der Doctoren bildeten die sogenannte Wissenschaft und das lateinische Gewand war der einzige Umstand, welcher der äusserst platten Sache vor dem abergläubischen Publicum einen gewissen Schein und eine Art Vornehmheit verschaffte. Hienach wird man auch begreifen, warum die Gilde heute im Latein die letzte Stütze ihres An - sehens wanken sieht, und warum sie diese heilige Sprache als Scheide ansieht, in welcher das Schwert ihrer Rechtsweisheit stecke. Eine Scheide ist es nun wohl – dieses Latein; aber darinnen steckt Nichts, womit sich ernsthaft fechten liesse. Wer nicht schon vor der umgehängten Scheide Respect bekommen will, braucht das Uebrige nicht zu fürchten.
Dennoch hat aber ein geringes Maass von Latein grade noch bei den Juristen am ehesten einen praktischen Sinn; denn manche noch maassgebende Vertrags - oder Gesetzesurkunde neuerer Zeit ist in echtem Küchen - oder Kirchenlatein abgefasst und kann unter Umständen wohl einmal buchstabirt werden müssen, wofür man freilich auch ebensogut wie für Polnisch eigne Dolmetscher halten könnte. Was aber die Quellen des wissenschaftlichen Studiums anbetrifft, so dürften die Kinderschuhe doch endlich auszuziehen sein. Hat man sieben Jahrhunderte lang glossirt, ohne selbständig zu werden, so wird man es auch in sieben Jahrtausenden nicht; und ist man anderweitig durch bessere45 Methoden des Denkens ein wenig zum Gebrauch der eignen Beine gelangt, so ist erst recht kein Grund vorhanden, den alten lateinischen, römischrechtlichen Zoll noch ferner zu entrichten. Selbst der romantische Savigny wollte ja seine Liebhaberei nicht verewigt, sondern dieselbe nur noch als eine zur Selbständigkeit vorbereitende Phase anerkannt wissen und ergab sich bereits in den Gedanken, den römischen Rechtsstoff als Schulungsmittel ab - gethan und nur noch der geschichtlichen „ Erinnerung einer dank - baren Nachwelt übergeben “zu sehen. Das Latein in der Philo - logie aber schwebt ganz in der Luft; denn es dient nur dazu, Lateinlehrer für die Gymnasien zu produciren, und die ganze Herrlichkeit dreht sich auf diese Weise im Kreise. Braucht man das Latein nicht mehr für materielle Fächer, so hat es auf den Gymnasien keinen Sinn mehr; fällt es aber auf den Gymnasien fort, so ist die Philologie auf den Universitäten überflüssig und die altsprachlichen, angeblich auch alterthumskundigen Professoren können getrost aussterben.
Die Medicin sammt Apothekerei ist zwar in ihrer eigensten mittelalterlich abergläubischen Gestalt auch lateinisch recht hübsch inficirt, aber doch glücklicherweise nur mit Brocken und sehr äusserlich in jener Weise, wie sie von einem Molière im „ Ein - gebildeten Kranken “angemessen verspottet wurde. Auch für die Heilkunde wird man künftig gar keine alten Sprachen brauchen, und schon jetzt kommt man so ziemlich ohne dies aus. Der junge Mediciner kümmert sich um sein wenig Gymnasialgriechisch gar nicht mehr, und auch von dem Latein wird er meistens 99 ⁄ 100 vergessen, ohne auch nur bei der Staatsprüfung in Verlegenheit zu kommen. In der Praxis entäussert er sich aber alles gelehrten Krams; nur darf er die paar Apothekerausdrücke für das Recept - schreiben nicht verlernen; denn hier spielen die Reste der heiligen Sprache eine wahrhafte Priesterrolle gegen das profane Laienvolk. Hiemit sind wir aber auch schon auf dem Niveau des blossen Apothekers angelangt, und für dessen Büchsen wird man doch wahrlich nicht die classisch lateinische Literatur auf den Gymna - sien tributpflichtig und zum Hauptdrillungsmaterial der armen gequälten Zöglinge gemacht haben wollen. Um bei dieser Ge - legenheit noch einmal an den Juristen zu erinnern, so wird auch dieser in der selbständigen Praxis und zum Theil sogar schon, wenn er über die erste, noch viel todte Gelehrsamkeit athmende Prüfung hinaus ist, seine altsprachliche Bedürftigkeit mit Behagen46 der Vergessenheit anheimgeben und Angesichts des wirklichen Lebens und der neuern Gesetzbücher sich durch den Gedanken erheben, welcher classisch romantischen Täuschung er nun glück - lich entwachsen sei. Der nachdenkende Mediciner aber wird sich sagen, dass er, um auch einmal aus Neugier in den Hippokrates, hineinzusehen, mit seinem unzulänglichen Gymnasialgriechisch doch nicht ausgereicht, sondern zu Herrn Littrés schöner franzö - sischer Ausgabe oder auch zu einer deutschen Uebersetzung hätte seine Zuflucht nehmen müssen. Uebrigens wird er wissen, dass trotz einiger guter Maximen, über welche die Heilkunde und die Betrachtungsart der Krankheiten in den 2000 Jahren nicht hinausgekommen ist, doch der jetzige Hauptlernstoff im Natur - wissenschaftlichen liege, worin die Alten bekanntlich weniger als Kinder gewesen sind. Was an der Medicin nicht priesterartig dunkel, autoritär und abergläubisch ist, stammt zum überwiegen - den Theil aus der modernen, ja soweit es sich um die Geltend - machung besserer Grundlagen des Naturwissens handelt, erst aus der allerneusten Zeit. Die Ausmerzung des Verkehrten ist ein Haupttheil der Fortschritte gewesen, und hiebei war die Altsprach - lichkeit nicht ein Förderungsmittel, sondern eine Hemmung.
In Wahrheit ist das angedeutete Stück Mittelalter und Kirchen - sprache und mithin die ganze Erbschaft des verwesten römischen Reichs völlig abzuthun. Unmittelbare Kenntniss der Sachen im modern wissenschaftlichen Sinne ist bei den Alten nicht zu haben. Die Literatur des Römerthums aber ist sogar unwissenschaftlich gewesen und hat, in Ermangelung schöpferischer Anlagen, blos das Griechenthum nachgeahmt und zwar meistens recht dürftig copirt. Zur eigentlichen Wissenschaft hatten die Römer niemals irgend welche angestammte Neigung; die Schöngeisterei der ersten Zeiten ihres Kaiserthums war, wie gesagt, erborgt und obenein ziemlich servil. Was aber die sogenannten classischen Juristen anbelangt, die sich in den ersten Kaiserjahrhunderten ausprägten, so sind von ihren Werken nur Trümmer und Mosaikstückchen vorhanden, und die verhältnissmässige Schärfe ihrer Manier, privat - rechtliche Vorstellungen zu zersplittern, hat als Schulungsmittel neuerer Gelehrsamkeit im Werthe immer mehr sinken müssen, je entschiedener sich herausstellte, dass sich jene Formen des Denkens von dem völlig fremdartigen Rechtsstoff nicht trennen liessen. Dieser Rechtsstoff selbst ist aber nunmehr in der so - genannten reinen Gestalt ein Gegenstand der romanistischen47 Philologie geworden und hiemit seiner Ausrangirung aus den wirklichen Bildungsmitteln näher gerückt. Dieses Stück Phil - ologie kann ebensowenig, wie die sonstigen altsprachlichen und alterthumskundlichen Gelehrsamkeitsreste, dem modernen Men - schen als Bildungsmittel zugemuthet werden. Die sogenannte classische Bildung auf den Gymnasien sollte eher altsprachliche Verbildung heissen, und die mächtigen industriellen Classen, in denen doch Blut des neuern Lebens pulsirt, werden schliesslich schon dahin gelangen, die altsprachlichen Zollschranken nieder - zureissen. Diese modernen Gesellschaftselemente werden sich nicht immer gefallen lassen, dass ihre sonst einflussreichsten Mit - glieder von der Staatsverwaltung, vom Richter - und Advocaten - stande und überhaupt von allen gelehrten gesellschaftlichen Func - tionen ausgeschlossen bleiben, weil ihr sachlicher Bildungsgang ihnen die Einlassung mit dem Todtenputz philologisch lebloser Verbildung nicht gestattet hat. Eines ist aber eben nur möglich, und bei der Wahl zwischen Sachwissenschaft und Wörtergelehr - samkeit kann die Entscheidung für den modernen Menschen nicht zweifelhaft sein. Die vermeintlich bildende Kraft, die das gram - matische Wiederkäuen lateinischer und griechischer Schriftsteller auf den Gymnasien zur Formung des Geistes haben soll, ist nie die Ursache der Einführung solcher todten Künste gewesen, sondern hinterher als Scheingrund erfunden, um nicht zu sagen erlogen worden. Seit den Zeiten Petrarcas und überhaupt mit der literarischen Renaissance hatte man sich aus Bedürfniss, in einer Art Anwandlung von Classicitätsromantik und zum Theil auch, um ein Gegenstück zur religiösen Barbarei zu pflegen, den alten Schriftstellern zugewendet, und der sogenannte Humanismus von antik literarischer Haltung hatte eine gewisse Berechtigung. Indessen würde man doch nicht die gelehrten Anstalten gymna - sialer Art sowie den ganzen Gelehrtenverkehr auf das Latein gegründet haben, wenn wirklich die geistige Beschaffenheit der schriftstellerischen Ueberlieferungen und nicht vielmehr die alten, von der Kirche herstammenden Gewohnheiten maassgebend ge - worden wären. Die griechische Literatur hatte allein einigen Gehalt; aber grade die Kenntniss und Einschulung der griechi - schen Sprache blieb stets und bis auf den heutigen Tag eine, dürftige. Es ist also eitel Blendwerk, wenn man sich heute hinter angeblich formalistische Vortheile zu flüchten und sozusagen auf die Turnkünste an den alten Sprachen zu steifen sucht. Selbst48 wenn die schulmässige Zerklitterung zum Theil geringwerthiger Autoren geschichtlichen oder belletristischen Genres im altsprach - lichen Gebiet besondere Vortheile böte, wovon aber grade