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Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimauerei Band III.
Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, mit besonderer Rücksicht auf die Mythologieen und Mysterien des Alterthums,
Band III.
Schaffhausen.Verlag der Fr. Hurter’schen Buchhandlung.1863.
Allgemeine äussere und innere Geschichte der Bauhütte
Schaffhausen.Verlag der Fr. Hurter’schen Buchhandlung.1863.

Schnellpressendruck der J. G. Sprandel’schen Buchdruckerei in Stuttgart.

VII

Vorrede.

Dass ich entgegen meiner ursprünglichen Absicht dem vergleichenden Handbuche der Symbolik der Freimaurerei nunmehr einen dritten, die Geschichte der Bauhütte umfassenden Band beifüge, hat seine Veranlassung und Entschuldigung in der unerwartet und ungewöhnlich günstigen Aufnahme, welche die beiden ersten Bände gefunden haben. Ich glaubte in dieser Aufnahme ein beifälliges und ermunterndes Zeichen nicht für meine wirklichen Leistungen, welche allerdings anders und grösser sein könnten, aber doch für den Grundgedanken und das wesentlichste Bestreben erblicken zu dürfen, welche ich meinen Arbeiten zu Grunde legte. Mir soll es vollkommen und reichlich genügen, wenn ich von meinen Werken nur das Bewusstsein mit hinwegnehmen und bewahren kann, dass ich den Blick und die Betrachtungsweise der maurerischen Geschichtschreibung und der gesammten Maurerwelt durch das Alterthum, durch die alten Mysterien und Mythologien wieder erweitert und nach Osten zurückgelenkt habe, woher alles Licht der ältern Menschengeschichte kam, kommt und kommen wird; bat nur einmal erst das Auge sich unverwandt nach Osten gerichtet, wird es dort sicher auch die leuchtende Sonne sich strah -VIII lend und allerfreuend erheben sehen. Auch die gleichzeitigen Quellen müssen vielseitiger und tiefer erforscht und betrachtet werden, als solches bisher geschehen, um die in ihre Zeiten und Umgebungen so tief eingreifenden Bauhütten mit der weltbürgerlichen Freimaurerei als deren letzte Blüthe und Frucht zu begreifen.

Die Geschichte der Bauhütten, welche durchaus nur als ein Theil der allgemeinen Staats - und Rechtsgeschichte anzusehen und zu behandeln sein möchte, ist nach diesem rechtsgeschichtlichen Gesichtspunkte noch wenig oder gar nicht bearbeitet, indem dabei gewöhnlich die allgemeine Geschichte als solche, die Baukunst oder eine andere einseitige Rücksicht überwiegt. Es dürfte daher schon als verdienstlich gelten, den geschichtlichen Boden gefunden und betreten zu haben, auf welchem künftig geforscht und die Lösung der Aufgabe versucht werden muss. Nicht die Freimaurerei an sich, wohl aber die Bauhütten, die Bauzünfte und Bauinnungen, die Baucorporationen, aus welchen jene hervorgegangen ist und deren Symbole und Formen sie noch gebraucht, gehören zu den Staats - und Rechtsalterthümern, zu der Staats - und Rechtsgeschichte, weshalb sofort auf sie angewandt werden darf und muss, was für die letztere die neuere Geschichtswissenschaft erkannt und festgestellt hat, wie namentlich die Fortdauer des römischen Rechts und vieler römischen rechtlichen Einrichtungen mit römischem Wissen und römischen Sitten. Indem die Baugenossenschaften, wie sie im Allgemeinsten genannt werden können, dem Rechte und der Staats - und Rechtsgeschichte vorzugsweise zugetheilt und zugewiesen werden, wird das Recht und die Geschichte der Baugenossenschaften zur strengen Wissenschaft erhoben und dem Reiche der Träume. und leeren Hypothesen, welchen sie nur zu oft und zu lange verfallen waren, für immer entzogen. Nicht einmal die Kunstgeschichte hat bis jetzt den kunstgeschichtlichen Theil der Geschichte der BaugenossenschaftenIX angemessen und befriedigend vorgetragen, weil die Kunstgeschichte selbst noch eine junge Wissenschaft und erst durch Winckelmann, Meyer, Kugler, Schnaase, Lübke, Otte und Andere geschaffen worden ist. Nicht selten beschränken sich auch die Kunst - und Baugeschichtschreiber darauf, mit einem kurzen allgemeinen Machtspruche den Stab über die ungeschichtlichen Geschichten der Freimaurerei zu brechen und dieselben als keiner Berücksichtigung werth zur Seite zu schieben, anstatt liebevoll, besser und gründlicher zu belehren. Auch hat das eitele Geheimthun der Freimaurerei nicht wenig dazu beigetragen, dass man ihre vorgeblichen Geheimnisse ihr zur Bewahrung und Erforschung überlassen hat und mit Stillschweigen übergeht, was nicht in seiner Wirklichkeit und Wahrheit erkannt und erschaut sein will. Uebrigens gebührt die letzte und höchste Entscheidung hier keineswegs der Kunst - und Baugeschichte, sondern allein der Staats - und Rechtsgeschichte, indem die Entwickelung der Gewerbe und Künste unter dem allgemeinen Staatsgesetze steht, durch die Gewerbsgesetzgebung und die gesammte Lage der Staaten und der Völker bestimmt und beherrscht wird. Es ist das unbestreitbare und grosse Verdienst von Schnaase, in seiner Geschichte der bildenden Künste diese stets auf ihrem universalhistorischen Hintergrunde oder als das Erzeugniss der gesammten Verhältnisse der Staaten und der Völker betrachtet zu haben. Winckelmann war auf diesem Wege insofern vorausgegangen, als er in dem ersten Buche seiner Geschichte der Kunst dem Einflusse des Himmels oder der verschiedenen Lage der Länder auf die Künste ein eigenes Kapitel gewidmet und auch die verschiedene Entwickelungsweise der hetrurischen und griechischen Kunst aus ihren ungleichen politischen Verhältnissen und Schicksalen zu erklären versucht hat. 1)Winckelmann’s Werke, herausgegeben von Heinrich Meyer und Johann Schulze, III. S. 163 ff.DerX Geschichte der Kunst des Alterthums, nach den äussern Umständen der Zeit unter den Griechen betrachtet, ist bei Winekelmann das IX. Buch zugetheilt. In diesem universalhistorischen Sinne und Geiste von Winckelmann und Schnaase muss vorzüglich die Geschichte der Bauhütten geschrieben werden.

Bei meiner Arbeit habe ich es oft schwer empfunden, dass noch geringe Vorarbeiten, namentlich auch keine Quellensammlungen vorhanden seien, was bei einer gerechten Beurtheilung des von mir Gegebenen und Vollbrachten nicht ausser Acht gelassen werden darf. Eine vollständige und erschöpfende Geschichte der Baugenossenschaften kann allein der fortgesetzten Thätigkeit und dem Fleisse Mehrerer, Vieler gelingen; jedoch hoffe ich dazu einige nicht unwichtige und völlig Neues bringende Beiträge geliefert zu haben, ganz besonders durch den Nachweis der Aechtheit der Yorker Urkunde vom J. 926 aus den walischen und angelsächsischen Geschichts - und Rechtsquellen. Uebrigens möchten, so scheint es mir, in der Geschichte der Freimaurerei, nicht die Urkunden, welche vielleicht Jahrhunderte im Staube der Archive geschlafen, sondern die noch heute geübten, weil auf höchst wahrscheinlich unmittelbarer und ununterbrochen fortgesetzter Ueberlieferung beruhenden, Gebräuche und Uebungen die meiste Berücksiehtigung verdienen, obwohl es gegenüber jener flachen und seichten Geschichtsschreibung, welche die Freimaurerei und die ihr vorangehenden Bauhütten eines jeden ältern Ursprunges und Zusammenhanges entkleiden möchte, von der grössten Bedeutung ist, nachzuweisen, dass die von ihr bezweifelten und bestrittenen Urkunden sich als ächte darstellen, sobald sie nur mit wahrhaft geschichtlichem Blicke und in ihrem geschichtlichen Boden betrachtet werden. Um in Hinsicht der Gebräuche nur Eines, das maurerische oder regelmässige, d. h. das von einem Vorsteher geleitete Händeklatschen zu erwähnen, ist dasselbe schon nach den unbestrittenen maurerischen Urkunden jedenfalls älter als das J. 1717 oder reicht über das Stiftungs -XI jahr der neu-englischen Grossloge und der eigentlichen Freimaurerei hinauf: allein es erstreckt sich nachweislich viele Jahrhunderte vor Chr. als ein heiliger Gebrauch in das entfernteste Alterthum. So erblicken wir eine Gruppe von Händeklatschenden auf dem merkwürdigen dorischen Architrave der Akropolis von Assos an der äolischen Küste Kleinasiens, abgebildet bei Semper, der Stil, I. S. 434. Eine ähnliche Gruppe assyrischer Priester findet sich an der obern Lehne eines zu Kudjunkschik bei dem alten Ninive aufgefundenen Stuhles, wovon Semper, I. S. 273, eine Abbildung gegeben hat. Mehrere ägyptische Darstellungen theilt Wilkinson mit. Wenn daher so Viele den Zusammenhang der Freimaurerei und der frühern Bauhütten mit dem Alterthume leugnen, heisst dies im euphemistischen Ausdrucke nur, dass ihnen das Alterthum eine unbekannte Sache sei. Es soll damit nicht gesagt sein, dass wir die volle Wahrheit entdeckt und die Verbindung zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit klar genug entschleiert haben: aber wir haben uns wenigstens in stolzer Unwissenheit nicht den einzig richtigen Weg abgeschnitten, indem wir fühlen und missen, keine Aussichselbstgeborne zu sein, vielmehr im mütterlichen Schoosse des Alterthums zu ruhen. An die Götter knüpften die untergegangenen Völker und Zeiten so gern ihr Sein und Wissen an, dass zum heiligen Götterwerke und zur göttlichen Offenbarung wurde, was die Menschen thaten und wussten: wogegen die heute Lebenden Gottes, der höhern weihenden Hand nicht mehr bedürfen und dafür auch, recht menschlich, nicht mehr den Anfang und das Ende finden, jedes höhern und göttlichen Geistes, der Vergangenheit und Geschichte baar sind. Die göttliche Offenbarung, die Götter und Heroenregierungen sollten blos das Unnachweisbare und doch Vorhandene, den unbemerkt beginnenden Anfang bezeichnen, die Geschichte ward zur nothwendigen Mythe: aber auch die Mythe ist Geschichte, nur in anderer Gestalt und Personification. Die Mythe und Geschichte besteht, aber das Ver -XII ständniss der Mythe und Geschichte ist verloren, und wer noch dieselben zu deuten und zu schreiben wagt, ist nicht ein verständiger Mytholog, sondern ein irrationeller Mystiker. Indessen haben wir nicht für die feindliche Kritik, sondern für das freundliche Volk geschrieben und das letztere hat uns nicht getäuscht und verlassen.

Nebenbei fand auch noch in diesem dritten Bande die Symbolik passenden und geeigneten Ortes Ergänzung und Vervollständigung; um indessen jeden, auch nur scheinbaren Zwang des Ankaufes zu vermeiden, erscheint der dritte Band der Symbolik auch mit besonderem Titel, als ein selbstständiges Werk.

Inhalt.

I.Die ägyptische Steinbaukunst und die Bauhütte1
II.Griechische Bauhütten und Bauinnungen80
III.Die kymrischen Barden108
IV.Die römischen Collegien und ihre Fortdauer in den gallischen Städten221
V.Die deutschen Bauhütten267
1

I. Die ägyptische Steinbaukunst und Bauhütte.

Bei den Aegyptern war die Baukunst1)Vergl. darüber Uhlemann, ägyptische Alterthumskunde, II. S. 108 ff. Bezüglich der Literatur über Aegypten überhaupt wird verwiesen auf Jalowicz, bibliotheca Aegyptiaca, Leipzig 1858, und dazu Supplement I. Leipzig 1861. gleich allen übrigen Künsten und Wissenschaften das Geheimniss und das Vorrecht der Priester, der von ihnen Auserwählten und Eingeweihten. Ohne Zweifel waren in Uebereinstimmung mit den sonstigen Einrichtungen der Priester oder vielmehr mit der ganzen priesterlichen ägyptischen Staatseinrichtung die Lehre und die Ausübung der Baukunst und ihrer einzelnen Hülfskünste bestimmten Priesterklassen, nach Diodor I. 74 sogar erblich, übertragen, und gewiss enthielten ihre 42 heiligen oder hermetischen Bücher auch darüber sorgfältige Vorschriften, wie dieses von der Arzneiwissenschaft z. B. gemeldet ist. 2)Uhlemann, II. S. 236.Es kann deshalb nicht zugestimmt werden, wenn Uhlemann, II. S. 60, die Künstler von den Priestern unterscheidet und die Künste mit den Handwerken von den erobernden Priestern und Kriegern den Ureinwohnern überlassen glaubt. Dass die Künstler und Handwerker streng abgeschlossne, erbliche Kasten, gleichsam Zünfte gebildet haben, wird allgemein angenommen: allein es können die Künste und besonders die Baukunst, die Sculptur, Malerei, vielleicht auch Holzschnitzerei, nicht den blossen Handwerken gleichgestellt und nicht den2 Priestern entzogen werden, und zwar wesentlich aus zwei Ursachen; die Baukunst konnte nicht erlernt werden ohne die Arithmetik und Geometrie, ohne die mathematischen Hülfswissenschaften überhaupt, und mit diesen1)Schnaase, Geschichte der bild. Künste, I. S. 300. muss daher auch jene den Priestern vorbehalten gewesen sein; ferner griff der Tempelbau mit den Tempelsculpturen und Tempelmalereien in die innerste Religion ein und musste daher von der Priesterschaft nothwendig beaufsichtigt und geleitet werden. Eben so wurden die Fluss - und Canalbauten, die Tempel - und Palastbauten, die Pyramiden und Obelisken, die Felsengräber für die Könige und die herrschenden Kasten nothwendig von Staatswegen oder als öffentliche durch die Staatsbeamten ausgeführt, aber die ganze Staatsverwaltung war den Priestern anvertraut. Die Baumeister, die Baukünstler, Bildhauer und Maler, auch vielleicht Holzschnitzer wurden demnach in den Priesterschulen erzogen und geweiht, und die Priesterschulen, die Mysteriensitze waren zugleich Bauschulen, Bauhütten, wiewor dieselben theologische Seminare, Rechtsschulen, Aerzteschulen u. s. w. gewesen sind. Es darf die ägyptische Daukunst zu der ägyptischen Priesterschaft in dasselbe Verhältniss und dieselbe Verbindung gestellt werden, in welchen die Kirchenbaukunst zu den Klöstern und Bischofssitzen, zu den Aebten und Bischöfen stand, und die Oberpriester waren Obermeister der Baukunst, wie die Hauptbauhütten sich zu Theben und Memphis befunden haben mögen. Handelte es sich um die Ausführung von Bauten, zog natürlich dazu die bauleitende Priesterschaft die eigentlichen Handwerke, besonders der Maurer und Steinmetzen, ja gewiss nicht selten ganze grosse Volksmassen, selbst militärische Hülfe hinzu, wie aus den auf den Denkmalen vorhandenen Darstellungen und aus den durch Wilkinson besonders gegebenen Abbildungen entnommen werden kann. 2)Vergl. auch Uhlemann, II. S. 115.

Die Aegypter sind die ersten und ältesten Architekten der Erde, weil, sobald sie zu bauen anfingen, sie in Stei -3 nen1)Ueber die Streitfrage. ob der Stein - oder Holzbau ursprünglicher sei, vergl. z. B. Romber und Steger, Geschichte der Baukunst, I. S. 9. Beide Bauarten sind gleich ursprünglich je nach dem Baumateriale und Bedürfnisse eines Landes. Zu dem Steinbau, eigentlich Quaderbau, darf auch der babylonische Backsteinbau gerechnet werden. bauten, indem das Land an den beiden Ufern des Nils (d. i. des Flusses von dem phönicischen Nahar, Nahal, Nachal = Fluss, woraus nach Röth, Geschichte unserer abendländischen Philosophie, I. S. 201 und 203, die Griechen ihren Gott Nereus gemacht haben sollen) in dem engen, holzarmen Thale zwischen zwei Bergzügen durchaus kein anderes Baumaterial darbot und keinen andern Baustyl zuliess. Der gleiche Holzmangel oder die Steine als einziges Baumaterial wirkten auch auf den Baustyl selbst gestaltend ein. Da selbst die Decken der Gebäude aus Steinen, aus Steinbalken angefertigt werden mussten, wurde es erforderlich, die schweren Decken mit Säulen zu stützen und mit keinem weitern Dache zu belasten, das flache Steindach einfach zu belassen. Innerhalb dieser von der Natur und der Nothwendigkeit gezogenen Schranken bewegte sich die ägyptische Baukunst, als deren Princip daher Lübke, Geschichte der Architektur, S. 60 ff. (der zweiten Auflage) die flache Steinbalkendecke. im Innern mit Säulenbau bezeichnet. Die Steinsäule, bestimmt die Steindecke zu tragen, gestaltete sich dieser Bestimmung gemäss weniger zu einem schönen Schmucke des Gebäudes, als zu einer starken und festen Stütze desselben, wie in diesen wesentlichen Eigenschaften bei den Griechen die dorische Säule hervortritt und wie die sechszehnkantige ägyptische Säule mit ausgetieften Rinnen nach Art des dorischen Säulenschaftes eben deshalb die vordorische, die ur - oder protodorische genannt wird. 2)Lübke, Geschichte der Architektur, S. 50.Die dorische, die ägyptische Steinsäule darf gleichsam als Ursäule in dem Sinne angesehen werden, dass eine steinerne Säule kaurn anders und schmuckloser zu ihrem Zwecke gestaltet werden konnte, weshalb auch Vitruv dieselbe unter den verschiedenen Säulenordnungen für die erste und die älteste erklärt. Der ägyp -4 tische Steinbau wurde sehr bald zu einer mit Bewusstsein geübten Kunst, zur Architektur, indem mit der Baukunst bei den ägyptischen Priestern sich gleichzeitig die Messkunst (Geometrie) und die Beobachtung der Gestirne, besonders des Mondes und der Sonne und des Hundsternes (die Astronomie), wegen ihrer Beziehungen zu den regelmässig wiederkehrenden und die Fruchtbarkeit Aegyptens bedingenden Ueberschwemmungen des Nils entwickelte. Die Steine, die Gebäude wurden gemessen und Alles in ein bestimmtes Mass gebracht; es entstand der Quaderbau, der Bau mit regelmässig behauenen Steinen. Dieser Bau war ebenso ein Wasserbau, der Fluss -, Kanal - und Deichbau, worauf die Aegypter durch den Nil geführt wurden, da derselbe im Interesse der grösseren Bewässerung und Befruchtung des Landes beherrscht, gedämmt werden musste. Die Flussüberschwemmungen des ebenen Landes, des Thalgrundes wiesen endlich den Todten die Berge und die darin ausgehöhlten Felsgräber als ihre Ruhestätte an. Auf diese Weise sehen wir bei den Aegyptern die ihnen eigenthümlichen Künste und Wissenschaften gewissermassen dem Boden entwachsen, örtlich bedingt und Lübke, a. a. O., S. 47, sagt deshalb nicht ohne Grund: Wenn irgend ein Land unter dem Banne scharf ausgeprägter Naturbedingungen liegt, so ist es Aegypten.

Die Baukunst in Aegypten muss jedenfalls als eine sehr alte betrachtet und Jahrtausende vor Christus, vielleicht selbst vor der pelasgisch-hellenischen Zeit hinaufgesetzt werden, auch wenn man den Ausführungen und Ansichten von Bunsen, Aegyptens Stelle in der Weltgeschichte, Va. S. 333, über Aegypten und die Weltalter nicht ganz bestimmen und sonach die ägyptischen Anfänge nicht 10,000 bis 11,000 Jahre v. Chr. hinaufrücken sollte und wollte. Bunsen (Va. S. 367) setzt bei den Aegyptern weit über 3000 Jahre v. Chr. die Erfindung des Quaderbaues, die Entwickelung der Schrift, der Landmesskunst und Astronomie, die Rechnung nach dem Sonnenjahr von 365 Tagen, die Erbauung der grossen Pyramiden, die Anfänge der Heilkunde u. s. w., so dass also schon im alten ägyptischen Reiche oder vor den Hyksos die ägyptische Bildung begründet und entwickelt war, um so -5 dann im neuen Reiche während des 15., 14. und 13. Jahrhunderts v. Chr. in den Tempelbauten zu Theben ihre höchste Entfaltung und Höhe zu erreichen. 1)Lübke, Geschichte der Architektur, S. 53 ff. Die Bauart mit behauenen Steinen, welche Dionysius in der römischen Archäologie auf die Tarquinier zurückführt und als eine wichtige Neuerung in der Geschichte der römischen Civilisation hervorhebt, soll schon unter Sesortosis-Sesostris, nach Manetho einem der ersten Könige der dritten Dynastie, fallen. 2)Bunsen, Va. S. 367; Bachofen, Mutterrecht, S. 102. § LIII. Bunsen setzt die Regierungszeit des Sesortosis von 3348 3319 v. Chr.; nach Bachofen wäre Sesortosis der ägyptische Urgesetzgeber und würde unmittelbar auf die Regierung der Götter folgen. Mit der ägyptischen Steinbaukunst war ihrer Natur nach die Ausbildung einer Steinmetzkunst und zwar als eigentlicher Kunst wie als eines blossen Handwerks innigst verbunden, wobei wir die Steinmetzkünstler gleich den Baukünstlern unter die Priester, in die Bauschulen und Bauhütten einreihen möchten. Die Aufgabe der Steinmetzkünstler war es, die kahlen Steinflächen der Tempel Paläste, Gräber, Obelisken entweder mit Hieroglyphen oder mit versenkten Reliefs (basreliefs en creux) zu schmücken und zu beleben, wie sie es mit eben so grosser Geschicklichkeit als Thätigeit längs der beiden Ufer des Nils bis hinein nach Meroe gethan haben;3)Schnaase, I. S. 428. als grösste Leistung der ägyptischen Steinmetzen sind die kolossalen Steinfiguren, z. B. die berühmte Sphinx, die Kolossalstatuen des Hofes im Palaste zu Medynet-Abu.4)Schnaase, I. S. 405; Lübke, S. 55. die ähnlichen Statuen bei Ipsambul in Kubien,5)Lübke, S. 56. anzusehen. Wie die Baumeister und Steinmetzkünstler des christlichen Mittelalters sich in künstlichen Zahlen und Massen, in den genauesten Berechnungen, namentlich des Achtorts gefielen, sollen die ägyptischen Steinmetzkünstler schon frühe ihren menschlichen Figuren einen genauen Canon zu Grunde gelegt und nach6 deren Berechnung dieselben angefertigt haben. 1)Meine Symbolik, II. S. 493. Die Aegypter haben nach Diodor den ganzen menschlichen Körper in Theile eingetheilt, wornach sie dann die Verhältnisse der einzelnen Glieder zu einander berechneten. 2)Schnaase, I. S. 431 ff. Die Skulptur, die architektonische Skulptur, und die ähnliche Malerei folgten mithin bei den Aegyptern genau dem Entwicklungsgange ihrer Architektur und wurden durch die gleichen Priester und Priesteranstalten gepflegt und getragen. In der Architektur mit den bezeichneten Nebenkünsten wurden die Aegypter frühe und zuerst die Lehrer und Vorbilder der die Küsten des Mittelmeeres bewohnenden Völker, besonders der Phönicier, Griechen und Etrusker, aller steinbauenden Völker des Abendlandes.

Ohne hier die viel bestrittene Frage über die Einflüsse der Aegypter auf die abendländische Bildung3)Vergl. auch Schnaase, II. S. 175 und 203 Anm.; Thiersch, die Epochen der griechischen Kunst, München 1829. erschöpfen und endgültig entscheiden zu wollen, möchte dabei besonders und mehr zu berücksichtigen sein:

Die Lage der in Betracht kommenden Völker an den Küsten und auf den Inseln des Mittelmeeres, welche seit den ältesten Zeiten durch Schifffahrt und Handel, Wanderungen und Kriege mit einander in der innigsten Verbindung und in dem regsten Verkehre standen. Die gegenseitigen Einflüsse dieser Völker mussten auf vielfachen sichtbaren und unsichtbaren Wegen unausbleiblich erfolgen, selbst wenn jede bestimmte urkundliche Nachricht darüber mangeln sollte. 4)Beck, Geschichte der Griechen und Römer, Hannover 1858. S. 42 Anm.; Herrmann, Lehrb. der griech. Staatsalterthümer, §. 4.

Das hohe Alter und die frühe Vortrefflichkeit des ägyptischen Steinbaues, dessen Bedürfniss und Vortheile die übrigen Völker empfinden und erkennen mussten, sobald sie sich zum Steinbau hinneigten und entschlossen, und dessen Wesen und Hauptsache keinen Stylveränderungen nicht dem blossen Geschmacke unterworfen ist,7 sondern unverändert beibehalten werden muss. Dieses gilt von dem Quaderbau als solchem namentlich in seiner Anwendung auf Hafen - und Flussbauten, worin bei den Aegyptern schon König Mares, Moeris (2677 2635 v. Chr. nach Bunsen Va. S. 370 und 371) durch die Ausmauerung und Schleusenwerke des Mörissees glänzte und womit die anfänglich und lange im ausschliesslichen Besitz der Schifffahrt und des Handels auf dem Mittelmeere befindlichen Phönicier gewiss bekannt geworden waren. In dem Hafenbau waren daher die Phönicier aller Wahrscheinlichkeit nach die Schüler der Aegypter, sei es, dass bei ihnen ihre Bauleute lernten oder dass sie ägyptische Bauleute bei sich bauen liessen, wie das Letztere von dem nach Menander durch König Hiram erbauten Heraklestempel zu Tyrus namentlich berichtet wird. Den ägyptisch-phönicischen Hafenbau verbreiteten sodann auf ihren Handelszügen die Phönicier an allen Küsten des Mittelmeeres, zumal wenn sie bleibende Handelsniederlassungen oder sich selbst in fernen Gegenden die nöthigen Häfen bauten. Der durch einen kostbaren Damm befestigt gewesene Hafen von Samos1)Funke, Real-Schullexikon, unter Samos. möchte z. B. unter phönicisch-ägyptischem Einflusse und Vorbilde entstanden sein. Die sogenannten cyklopischen Mauern2)Vergl. Schnaase, II. S. 162 und 376; Schoemann, I. S. 8. in Griechenland, z. B. zu Tiryns, Argos und Mycenae, in ltalien, auf Sardinien und Malta, in lrland (Kist-vaen oder Trilithon genannt), möchten als die ersten rohen Versuche des Steinbaues bei den arischen Pelasgern zu betrachten sein, weshalb sie auch von den rohen und unbehauenen Steinen zu den stets mehr und mehr behauenen fortschreiten und durch geschicktere Baumeister und Baustyle bald verdrängt werden. Bachofen, das Mutterrecht, Seite 102 Anmerkung, hat jüngst mit R. Rochette, Hercule, §. 5, p. 35 ff., die Behauptung zu begründen versucht, dass die (mythischen) Cyklopen, welche die Mauern von Tirynth und Mycenae erbauten, eine wirkliche Handwerksgenossenschaft asiatischen und zwar lycischen Ursprungs gewesen seien; diese Genossenschaft von Bauleuten und Erzarbeitern8 habe sich wandernd aus Asien über Griechenland, Thracien und Sicilien ausgebreitet, Städte und asiatischen Kultus und Kultur gegründet; die Siebenzahl, welcher der cyclopische Religionskult angehöre, und der phönicische Kanon, nach welchem sie ihre Bauten errichteten, erhebe die Herkunft ihrer Kunst über jeden Zweifel; Lycien erscheine als Bindeglied assyrisch-asiatischer und hellenischer Kultur. Wohl mit grösserem Rechte hält Schwarz, Ursprung der Mythologie S. 15 ff., die Cyclopen für himmlische Gewitterschmiede und die cyclopischen Mauern für die von ihnen aufgethürmten Wolkenberge, deren Mythus gleich vielen andern Mythen später nur irdisch localisirt wurde. An Bachofen schliesst sich aber H. Barth, das Becken des Mittelmeeres in natürlicher und kulturhistorischer Beziehung, Hamburg 1860, S. 18, insofern an, als er glaubt behaupten zu dürfen, dass wir selbst die kleinsten Motive der bei den Griechen üblichen architektonischen Ornamente bei den Assyriern wiederfinden. Die alten Rundbauten auf Sicilien und namentlich in Sardinien, die sog. Nuraghen sind nach Vergleichung mit ähnlichen auf Gozzo gefundenen Bauwerken und mit etruskischen Rundbauten zufolge Pyl, die griechischen Rundbauten, S. 58, orientalisch-phönicischen Ursprungs, welche dem mythischen Daidalos zugeschrieben werden. Auch der Gewölbebau, der Keilsteinschnitt, welchen wir am frühesten bei den Etruskern, z. B. am Thore zu Volterra, und durch sie an der Cloaca maxima zu Rom aus der Zeit des Tarquinius Priscus finden,1)Meine Symbolik, I. S. 360. könnte nach Kugler, Kunstgeschichte, I. (dritte Ausgabe) S. 92, den Etruskern aus Aegypten zugekommen sein, indem er sich hier, nach den Ziegelgewölben der Urzeit, bereits in den Gräbern der 26. Dynastie vorfindet. Von dem sog. Grabe des Osymandias zu Theben bemerkt Lübke, a. a. O., S. 55, es seien einige weitgedehnte, von Ziegelsteinen ausgeführte Hallen tonnengewölbförmig bedeckt. Schnaase, II. S. 377, will dagegen die Erfindung der Wölbungskunst den etruskischen Baumeistern beilegen und erklärt sich (II. S. 394) überhaupt gegen die frühere Meinung vieler Archäologen, wor -9 unter auch Strabo, dass die etruskische Kunst gleich der altgriechischen der ägyptischen verwandt und nahestehend sei. Dennoch möchten die ägyptischen Einwirkungen auf die etruskische wie auf die altgriechische1)Meine Symbolik, II, S. 493. Sculptur oder Plastik nicht abzuweisen und zu erwägen sein, dass ägyptische Bildwerke und Götterbilder besonders anfänglich als eine blosse Waare von den Phöniciern den Etruskern und den Insel - und Küstengriechen zugeführt worden sein können, da die inländischen Künstler solche noch nicht zu liefern verstanden und erst nach den fremden Mustern den eigenen Geschmack und die eigene Kunst biIdeten; ähnlich wie die keltischen Kunst - und Götterbilder griechisch-römische sind. Die Griechen, weniger schon die Etrusker, schufen schnell die eigene Kunst und ohne alle eigenen Kunstschöpfungen blieben die Kelten in Gallien und Helvetien. Die seebeherrschenden, handeltreibenden und bergbauenden Phönicier hatten gewiss Jahrhunderte lang und bis in die Zeiten des trojanischen Krieges (nach Peter, Zeittafeln der griechischen Geschichte, 1193 11842)Vergl. auch Hermann, Lehrbuch der griech. Staatsalterthümer, §. 4, Anm. 2. ) und selbst noch Homers viele Küsten der Inseln und Festländer des mittelländischen Meeres sich wirklich bleibend unterworfen, daselbst Handelsniederlassungen gegründet oder sonst den Handel und die Schifffahrt an sich gebracht, so dass die griechischen und italischen, gallischen und hispanischen Insel - und Küstenbewohner die Einwirkungen der phönicischen Herrn und Kaufleute tragen mussten, bis sie selbst unabhängige Handelsstaaten und Handelsstädte und namentlich gleich den Griechen ein schifffahrendes und handeltreibendes Volk wurden, auch in Kunst und Wissenschaft die Phönicier einholten oder gar übertrafen. Als die Pelasger, die Griechen zuerst mit den Phöniciern zusammentrafen, waren sie weit ungebildeter als diese und besonders als die mit ihnen verkehrenden Aegypter, daher der fremden höheren Bildung bedürftig und eben deshalb auch dafür empfänglich. 3)Peter, a. a. O., S. 8, Anm. 8; Schoemann, I. S. 10.Die10 Phönicier brachten die Bildung den Pelasgern gleichsam als einen Handelsartikel und nicht blos die phönicische Schrift, sondern auch den phönicischen Bergbau und Metallguss, die phönicischen Webereien und Färbereien, die Glaswaaren und den Glasguss, die Glasfabrikation, die Schifffahrt und Schiffsbaukunst u. s. f., sowie gewiss viele ägyptische und assyrisch-babylonische, vielleicht selbst indische Waaren. Auf den phönicischen Ursprung der Schifffahrt und des Handels bei den Griechen deutet auch die Argonautensage,1)Vergl. darüber Peter, S. 11, Anm. 21; Hermann, Alterthümer, §. 6. welche auf das Innigste mit dem Heraklesmythus verwandt ist und mit ihm ein Ganzes ausmacht, in welchem die Heldenthaten des griechisch-orientalischen Helden Herakles,2)Peter, S. 10, Anm. 17. Melkarth, Melikertes zu Wasser und zu Lande erzählt werden.

3) Die Austreibung des Hyksos aus Aegypten, von Bunsen (Va. S. 353) auf das Jahr 1626, beziehungsweise 1540 (Abzug aus Pelusium) angesetzt, und ebenso der spätere Auszug der Israeliten aus Aegypten, welcher zufolge Bunsen im Jahr 1320 statthatte, mussten unter den Völkern an den Küsten des Mittelmeeres von Aegypten an bis über Phönicien hinaus eine gewisse Bewegung, ein Drängen und Verdrängen, ein Ein - und Auswandern hervorbringen, welche Bewegung über die griechischen Inseln hin, besonders über Kreta, bis auf die Küsten des griechischen Festlandes sich erstreckte. In die Zeit nun nach der Vertreibung der Hyksos aus Aegypten fallen die griechischen Sagen3)Schoemann, I. S. 12 ff., welcher die Sagen alexandrinische Hirngespinnste nennt. von den Einwanderungen des Kekrops aus Sais in Niederägypten nach Athen (um 15334)Thiersch, Epochen S. 28 Anm. ), des Danaos aus Chemnis in Oberägypten nach Argos (um 1466), des Kadmos5)Vergl. auch Giseke, thrakisch-pelasgische Stämme der Balkaninsel, Leipzig 1858, S. 95ff. : Kadmosauf Samothrace; Thiersch, Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen, S. 24, Anm. 13. aus Tyros in Phönicien nach Theben (um 1366) und des Pelops aus Kleinasien nach Elis (um11 1266), welche Sagen, um mit Peter, S. 7 Anm. 2, zu reden, wenigstens insofern eine gewisse geschichtliche Bedeutung haben, als sie die Ueberzeugung der Griechen selbst von einem in der ältesten Zeit stattgefundenen Einfluss des Auslandes. der Aegypter und Phönicier auf die Entwickelung Griechenlands darstellen. Sollten nun diese Sagen selbst erst im 4. Jahrh. v. Chr., d. h. nicht früher als in der Zeit entstanden sein, in welcher wir die ersten urkundlichen Nachrichten darüber erhalten, sind sie dessen ungeachtet von hohem Werthe, weil sie die Ansichten der über 2000 Jahre näher stehenden Griechen über die Ursprünge ihrer eigenen Bildung enthalten, welche Ansichten unbedingt den Vorzug vor denjenigen der heutigen nichtgriechischen Geschichtschreiber verdienen. Mit diesen geschichtlichen Sagen, wohin auch noch gehört, dass Lelex, der Stammvater der Leleger,1)Peter, S. 4, Anm. 11. nach Pausanias seinen Ursprung aus Aegypten herleitete, steht in Uebereinstimmung, dass sehr häufig die Griechen auf die Aegypter als die Quelle ihres Wissens hinweisen und überhaupt vor dem ägyptischen Wissen die grösste Achtung bezeugen. Herodot z. B. behauptete, dass die Namen und die Aemter fast aller griechischen Götter ägyptischen Ursprunges seien, welche Behauptung freilich unsere gelehrten Neugriechen als irrig verdammen, Thiersch, Epochen S. 34, Anm. 27, aber vollkommen rechtfertigt. Thiersch findet es schwer zu begreifen. wie man jemals eine so offenliegende Sache habe übersehen und da Nacht machen können, wo das Alterthum hellen Tag hatte. Röth,2)Geschichte unserer abendländischen Philosophie, I. S. 90 ff., und II. S. 7 ff. um den Zusammenhang der phönicisch-ägyptischen Bildung mit der griechischen zu erklären und zu erweisen, behauptet zahlreiche Einwanderungen nach Griechenland, der nach ihm zu Ende des 19. Jahrhunderts vor Chr. aus Aegypten vertriebenen Phöniker (Hyksos), oder der Pelasger (d. i. nach Röth Philister, Pelischti, ursprünglich Pelaschi oder Auswanderer), Karer und Kreter. Aehnliches nimmt auch Wetter, der Mythus vom Atlas, Mainz 1858, S. 8 11,12 an. Allein es wird bestritten, dass die Pelasger (Karer und Kreter) Phönicier oder Semiten gewesen seien und Bunsen (Va. S. 250), Peter, S. 3, Schoemann, griech. Alterthümerl I. (1. Ausgabe), S. 2 ff., Beck, Geschichte der Griechen und Römer, Hannover 1858, §. 26, Hermann (griech. Staatsalterthümer, §. 8) und Andere erklären die Pelasger für Indogermanen; ebenso ist zweifelhaft, ob und wann von Aegypten her nach Griechenland grössere Völkerzüge eingewandert seien. In einem in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Jahr 1861 gehaltenen Vortrage (Monatsberichte 1861, S. 704 ff. ) hat sich dagegen Kiepert in Uebereinstimmung mit Röth für den semitischen Ursprung der vorzüglich an den Ost - und Nordküsten und in den Ebenen von Griechenland niedergelassenen Pelasger erklärt und dafür besonders auch angeführt, dass fast alle Eigennamen im alten Griechenland, auch der der Leleger, nur aus dem Semitischen und Phönicischen erklärlich seien.

4) Durch die Zeit seines Eintrittes in die Geschichte und durch den ihm zugefallenen Wohnplatz auf den Inseln und Küsten des Mittelmeeres war dem pelasgisch-hellenischen Volke die weltgeschichtliche Aufgabe gesetzt, die Einflüsse und Bildungen der Aegypter, der Phönicier und der kleinasiatischen Völker bei sich in einen gemeinschaftlichen Brennpunkt zusammenzuleiten, das Orientalische zu dem Griechischen und Occidentalischen, zum schönen und freien Menschlichen in Kunst und Wissenschaft zu gestalten und durch die Etrusker und Römer der christlich-europäischen Nachwelt zu überliefern. Die Vorläufer der Griechen auf dem vermittelnden Wege zwischen Asien und Europa waren die Phönicier, bis dieselben die Griechen zum grösseren Theile von dem Mittelmeere verdrängten und selbst die Waaren und die Bildung aus Asien, aus Aegypten holten. Aus ihrer weltgeschichtlichen Aufgabe und Stellung gingen auch die Kämpfe der Griechen mit den Persern hervor, die in ihrem tieferen Grunde ein Kampf zwischen den orientalischen und occidentalischen, asiatischen und europäischen Wesen oder zwischen der Gewalt und der Freiheit sind; das Griechenthum siegte ob, und der Sieger hatte damit seine höhere Aufgabe gelöset, weshalb13 nun unmittelbar nach den Perserkriegen das Griechenthum in seiner ganzen herrlichen Kraft und Blüthe sich entfaltet, aber auch eben so schnell von der Höhe wieder herabsinkt. Der Eroberungszug Alexanders an der Spitze der Griechen nach Asien ist nur die Vollendung des in den Perserkriegen Begonnenen und sollte die alte und neue Menschheit dauernd mischen und verbinden, was auch geschehen ist und vorzüglich zuerst in Alexanders Stadt an der Küste des mittelländischen Meeres unter den Ptolemäern seit dem Jahr 320 v. Chr. geschieht. Von da an bildete Aegypten gewissermassen einen Bestandtheil Griechenlands, verschmolz mit ihm zum Neugriechenthum, besonders nachdem Griechenland und Aegypten dem grossen römischen Reiche als Provinzen einverleibt worden waren; im Jahr 146 vor Chr. wurde Korinth zerstört und Griechenland der römischen Herrschaft unterworfen; das griechisch-ägyptische Reich unterlag dieser Herrschaft vollständig und für immer erst im Jahr 30 vor Chr. Von Aegypten aus durch die Phönicier über die Inseln Samothrace, Lemnos, Thasos, Thera, Melos, Rhodos, Kypros und Kreta hatten die Griechen die höheren geistigen Anregungen empfangen, waren gewissermassen auf die Bahn des Griechenthums geleitet worden1)Vergl. Schoemann, I. S. 10 ff. und nachdem sie diese Bahn durchlaufen hatten, kehrten sie nach Aegypten und Alexandrien zurück, um mit den beiderseitig geschwächten und letzten Kräften noch ein Nachleben zu versuchen.

5) Nicht allein in Beziehung auf die Baukunst, auf die bildenden Künste, sondern überhaupt in geistiger Hinsicht stand Griechenland zu Aegypten in dem Verhältnisse, von dorther zu empfangen und aufzunehmen, was geschichtlich unumstösslich dargethan sein möchte. Wenn das uralte und in Griechenland älteste Orakel zu Dodona2)Vergl. meine Symbolik im Register unter Dodona; Peter, Zeittafeln S. 3, Anm, 6; Thiersch, Epochen, S. 33, Anm. 24. eine ursprünglich-ägyptische Priesteranstalt und die Seller, Heller, Helloper eingewanderte ägyptische Priester gewesen, darf vermuthet werden, dass sie den ganzen da -14 maligen Kreis des ägyptischen Wissens und Könnens nach Griechenland mit hinübergebracht, obschon als ein Gebeimniss zu bewahren gesucht haben. Das Taubenorakel zu Dodona soll, was nicht gerade unwahrscheinlich ist, durch eine schwarze Taube gegründet worden sein, die aus dem ägyptischen Theben geflogen kam,1)Gerlach, Dodona, S. 22 und 28 ff. d. h. Dodona war eine Zweiganstalt des ägyptischen Orakels. Die〈…〉〈…〉,〈…〉〈…〉, welche bei dem Tempel zu Dodona den Dienst versahen, auf dem Boden schliefen und die Füsse nicht wuschen, d. i. ein streng ascetisches Leben führten, sieht Gerlach für einen aus Aegypten stammenden priesterlichen Orden an. Den Namen der Seller will Gerlach als Sonnenpriester und Dodona mit Trigland als Haus des Adonis, des Sonnengotfes erklären (S. 30). Creuzer, Symbolik, IV (zweite Ausgabe) S. 153, und Schwenk, mythologische Andeutungen, S. 50, meinen, dass der Name〈…〉〈…〉 mit〈…〉〈…〉 zusammenhänge und Licht -, Sonnen - und Mondsdiener bezeichne. Nach Beck, Geschichte der Griechen und Römer, §. 27, bedeutet Hellas, Hellopia das Lichtland, das helläugige Land und Heller sind die Hellen, Lichten. Rinck, Religion der Hellenen, II. S. 429 ff., lässt das Orakel zu Dodona von dem ägyptischen Theben aus gleich dem lybischen Amunsorakel durch Vermittelung der Phönicier gestiftet werden und auch Bachofen, Mutterrecht, S. 42, betrachtet eine Verbindung zwischen der ägyptischen und dodonischen Priesterschaft als erwiesen. Rinck meint auch, dass die Tauben von Theben, Libyen und Dodona vielleicht der Grund der altchristlichen Symbolik seien, den offenbarenden, gleichsam Orakel gebenden Gott in Taubengestalt darzustellen; ebenso erinnert Rinck an die Taube des Noah. Ferner billigt Rinck die Ansicht, dass die Sellen, welche die Weissagungen, vielleicht auch blos Winke und Sinnbilder der drei betagten Frauen (〈…〉〈…〉〈…〉〈…〉) in Verse setzten, gleich allen ägyptischen Priestern beschnittene (〈…〉〈…〉oder〈…〉〈…〉, nach Triglandius von〈…〉〈…〉) gewesen seien. Was aber am entschiedensten und am tiefsten für die ägyptische Abstammung der Priesterschaft von Dodona zeugt, besteht darin, dass15 sie Gott, zu Dodona natürlich Zeus genannt, in der ägyptischen Weise als den allmächtigen Baumeister (〈…〉〈…〉), als den Demiurgen der Welt aufgefasst und dargestellt hatte. 1)Symbolik, I. S. 139. Darf eine derartige Verwandtschaft zwischen der dodonäischen und ägyptischen Priesterschaft angenommen werden, könnte daraus weiter gefolgert werden, dass auch im alten Griechenland die Wissenden und besonders die Baukünstler einen streng geschlossenen ägyptischen Verein mit priesterlichen Weihen gebildet haben. Bestätigt wird diese Vermuthung durch den von Pythagoras zur Verbreitung und Erhaltung seines ägyptischen Wissens versuchten ägyptischen oder geheimen Bund. 2)Symbolik im Register unter Pythagoras. Dass die ganze Wissenschaft des Pythagoras und der ihm vorausgehenden oder gleichzeitigen ionischen Weisen, eines Thales, Anaximander, Pherekydes u. s. w., eine ägyptische, eine oft unmittelbar in den ägyptischen Mysterienanstalten geholte gewesen sei, steht fest und ist nicht zu leugnen. Dass die Jonier und die lnselgriechen, besonders die Samier, zuerst und mehr als die übrigen Griechen mit den Aegyptern verkehrten und in ihren Schulen lernten, war in dem allgemeinen Schifffahrts - und Handelsverkehre begründet. Der Verkehr Griechenlands mit Aegypten wurde lebhafter und inniger seit den Zeiten (um 670 v. Chr.) des Königs Psammetich,3)Vergl. Uhlemann, II. S. 125 und 129. welchem karische und ionische Hilfstruppen den Thron erkämpft hatten und von nun an seinen Nachfolgern erhalten mussten. Der um das Jahr 570 (nach Bunsen Va. S. 415 am 13. Jan. 569) vor Chr. auf den ägyptischen Thron gelangte König Amasis hatte sogar die griechischen Miethtruppen. die Schweizerregimenter des Alterthums, von Bubastis nach Memphis gezogen und mit dem ältern Polykrates, dem Tyrannen von Samos Gastfreundschaft geschlossen. Von diesen Zeiten der Eröffnung des bis dahin den Griechen verschlossenen und weniger bekannten Aegyptens an, seit der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts vor Chr., holten also die Griechen ihre Kunst und Wissenschaft förmlich aus Aegypten. Früher waren16 den Griechen die ägyptische Kunst und Wissenschaft, besonders auch die bildenden Künste, über die Inseln durch die Phönicier oder auch selbst durch Aegypter zugetragen worden. Kadmos (nach Beck und Bensen vielleicht vom semitischen Kedem, Ketem, d. i. Morgenländer, wogegen Schoemann und Gieseke, a. a. O., S. 98, den Namen gleich dem der Gattin Harmonia für einen ächt griechischen halten und von〈…〉〈…〉 als den Ordner ableiten) ist für die ältere griechische Zeit der Repräsentant, die Personification der ägytisch-phönicischen Schrifteinflüsse, der kadmeischen Buchstaben auf die Griechen,1)Peter, S. 8, Anm. 8; Funke, Real-Schullexikon unter Cadmus; Alpina für 1860, S. 133. wie Dädalos in ähnlicher Weise die etwas späteren ägyptisch-phönicischen Kunsteinflüsse repräsentirt und personificirt. Funke setzt den Kadmos in das Jahr 2489 der Welt und den Dädalos (a. a. O. unter Dädalus) in das Jahr 2700. An Dädalos, welcher in der Sage auch mit Aegypten und Memphis in Verbindung gebracht wird und dort wegen der von ihm angefertigten Kunstwerke vergöttlicht worden sein soll, knüpft sich die griechische Sculptur, der Erzguss und die Baukunst und, was geschichtlich bedeutend ist, vorzüglich Kreta und Sicilien, die Hauptinseln der phönicischen Niederlassungen, werden als die Hauptorte der künstlerischen Wirksamkeit des Dädalos bezeichnet; auf Kreta soll er das Labyrinth2)Creuzer, Symbolik, IV. S. 103; Pyl, die griechischen Rundbauten, Greifswalde 1861, S. 54 ff. , in Nachahmung des ägyptischen Labyrinthes,3)Plinius, hist. nat. 36, 13; Diodor I, 61. und auf Sicilien Kolymbethra, wodurch sich der Fluss Alabo in das Meer ergoss, ein unüberwindliches Schloss für den König Kokalos u. s. w. gebauet haben, wie bei Thiersch, die Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen, 2te Auflage, München 1829, S. 17, Anm. 12, S. 36, Anm. 28 und bei Funke das Einzelne angegeben ist. Dädalos ist, womit auch Preller zusammentrifft, der ägyptische Weltbaumeister und Weltkünstler Phtah-Hephaestos, der dodonäische Demiurg Zeus, auf die griech. Länder localisirt. Die〈…〉〈…〉, wie die Schnitz -17 werke, die Holzbilder, die Kunstwerke nacb, Daedalos bei den Griechen genannt werden, sind eigentlich die Welten. Schnaase II, S. 171 erblickt in Dädalos (d. i. dem Künstler, dem Schmücker) die mythische Personification und Gestalt der unverändert überlieferten Technik unbekannter Generationen. Nach Thiersch, a. a. O., S. 24 ff., wird die ägyptische Kunst, wenn nicht als die wirkliche Mutter, doch als die älteste und wirksamste Pflegerin der altgriechischen zu nennen sein und aus Aegypten erhielt Athen den Phthas-Hephästos und die Neitha-Athene, welcher Phidias daher eine Sphinx auf den Helm setzte und zu Füssen legte. Dädalos soll nicht allein zuerst Bildsäulen lebendig gestaltet haben, sondern ihm wird auch die Erfindung des Hobels, des Bohrers und des Winkelmasses zugeschrieben; nicht minder verstand er das Bleimass, ein an einer Schnur hängendes Gewicht, geschickt zu gebrauchen. Des mythischen Gewandes entkleidet, drückt dieses aus, dass die Phönicier bei den Griechen aus Aegypten die Handwerke, besonders auch des Schreiners, des Zimmermanns und Maurers, eingeführt haben. Zu Athen führte ein Geschlecht, ein Demos den Namen der Dädaliden, was Hermann, a. a. O., §. 5, Anm. 6, auf die bei diesem Geschlechte ursprünglich erblichen technischen Kenntnisse und Beschäftigungen bezieht und als Spuren einer sehr alten Kastenverfassung ansieht. A. Böckh in seinem Commentare zu Pindar Olymp. V. 9 sagt:

Tam Athenas quam Lindum Polias Minerva ex Aegypto advecta esse una cum artis seulpturae initiis, qua de re dixi ad Ol. VII (S. 172) ... Et Trözene multa sunt rerum Aegyptiarum vestigia.

In dem gleichen Sinne spricht Preller, griech. Mythol, II. S. 345, aus, dass die älteste Technik der bildenden Künste und der Baukunst den Griechen gewiss aus dem Oriente gekommen sei. Stieglitz, die Baukunst der Alten, Leipzig 1796, S. 13, bemerkt, dass es nicht unwahrscheinlich sei, dass aus Aegypten, wo verschiedene Nationen die Künste aufsuchten und die Wissenschaften studirten, auch die Griechen die erste Idee von der Baukunst entlehnt haben, obwohl diese Kunst, sobald sie nach Griechenland ver -18 pflanzt worden, so viele Veränderungen und Verbesserungen erhalten, dass man nicht im geringsten mehr den Stamm erkennen konnte. Klenze, über die Architektur der Alten, in Böttiger’s Amalthea, III, leitet die ganze Baukunst der Pelasger aus Phönicien her und Plass, Vor - und Urgeschichte der Hellenen, Leipzig 1831, S. 72 79 und 93 154, stimmt ihm darin bei. Hirt hat sich vielfach gleichfalls für den ägyptischen Ursprung der griechischen Kunst ausgesprochen, z. B. in Böttiger’s Amaltbea, II. S. 27 ff., in der Geschichte der Baukunst und in den Berliner Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik, 1827, S. 231: allein er lässt die gesammte griechische Kunst und die ägyptischen Einflüsse darauf viel zu spät beginnen, nämlich erst in den Zeiten des Königs Psammetich, wie vielfältig gegen ihn nachgewiesen worden ist, besonders von K. O. Müller und von Thiersch, Epochen, S. 84. Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. (Leipzig 1844) S. 28 a, halten es für höchst wahrscheinlich, dass die Aegypter und Phönicier die Lehrer der Griechen in der Bildung gewesen seien und dieselben von ihnen namentlich auch die ersten Kunstanregungen erhalten haben. Der von den Griechen mit allen Bewohnern und Anwohnern des Mittelmeeres den Aegyptern entlehnte, wenn gleich leichter und heiterer und darin auch schöner gefasste Baustyl ist der sog. altdorische, oder überhaupt und noch ursprünglicher der ältestgriechische und altgriechische, auch altitalische und besonders etrurische Steinbau. Den Steinbau, die Steinbaukunst haben die Aegypter unter allen Völkern am Mittelmeere und des ganzen Alterthums in sehr frühen Zeiten zuerst gefunden, und auf eine seltene Stufe der Ausbildung und Vollkommenheit gebracht, so dass sie darin die Lehrer und Vorbilder aller übrigen Völker geworden sind, werden konnten und selbst werden mussten. Die Mittheilung des Steinbaues und der Steinbaukunst von den Aegyptern an die Völker des Mittelmeeres erfolgte nach dem Gange der Menschen - und Völkergeschichte weder urplötzlich und mit einem Male, noch allein unmittelbar, sondern allmählig durch lange Jahrhunderte hindurch und auf sehr verschiedenen Wegen und Vermittelungen, vorzüglich aber vermittelst der Schifffahrt19 und des Handels, also durch die Phönicier, welche sich am frühesten in jenen Gegenden und Welttheilen durch Schifffahrt und Handel hervorthaten. Die Aegypter sind die priesterlichen semitischen Baukünstler, die Phönicier die semitischen seefahrenden Handelsleute, die Juden die semitischen Monotheisten und die Griechen die freien arischen Künstler, welche alle zuletzt die gewaltigen Römer, als das arische Kriegsschwert, als der arische Ares oder Mars, in ihrem einzigen Reiche unterjochend vereinigten. Es ist nicht zufällig, sondern es ist der deutliche Fortpflanzungs - und Verbreitungsweg der Baukunst und der Kunst überhaupt, dass die ältesten und berühmtesten Kunstwerkstätten entweder auf den griechischen Inseln, auf Kreta, Rhodos, Samos, Chios, Aegina u. s. w., oder in den griechischen Küstenstätten, zu Athen, Korintli, Sikyon, Argos u. s. f., und ähnlich die ältesten Baudenkmale, z. B. zu Tiryns in Argolis am argolischen Meerbusen, und die altdorischen Kunstdenkmale in den Küstenstädten Siciliens, z. B. zu Syrakus, Agrigent oder Akragas und Selinus,1)Schnaase, II. S. 193 u. 255; Thiersch, Epochen, S. 404 ff. und Unteritaliens, z. B. zu Paestum,2)Lübke, Geschichte der Architektur, S. 75 und 84; Schnaase, II. S. 191. gefunden werden. Der dorische Styl3)Vergl. darüber noch Stieglitz, S. 29 ff. wenigstens, wenn auch jedenfalls nicht erst der Steinbau, könnte von den Inselgriechen und von den Griechen des Festlandes nach Sicilien und nach Unteritalien zwar allerdings aus dem Heimathlande mitgebracht oder geholt worden sein, würde also auf Sicilien nicht über das Jahr 735 oder oder 734 vor Chr. hinaufreichen, indem im Jahr 735 Naxos (das spätere Tauromenium, Taormina) von Chalcis aus durch den Athener Theokles und Syrakus im Jahr 734, mit Korkyra als Seestation, von Korinth unter der Leitung des Archias gegründet wurde. 4)Peter, Zeittafeln, S. 25Kiepert in seinem historisch-geographischen Atlas der alten Welt, Weimar 1860, S. 16, lässt es unentschieden, ob Naxos nicht schon im Jahr 759 gegründet worden sei. Selinus wurde nach Peter, S. 29, und nach Kiepert, S. 17, im Jahr 628 v. Chr., nach20 Thiersch, Epochen, S. 420, aber erst im Jahr 532 oder in dem Zeitalter des Pythagoras, von Megara Hyblaea gegründet und erbauet. Thiersch glaubt weiter, dass die Absteckung und Anlage der ersten Tempel zu Selinus nach den aus der Mutterstadt (Megara) dazu mitgebrachten Massen mit der Gründung der Stadt zusammenfalle, wenn auch ihre Vollendung nicht augenblicklich geschehen sei, sondern das erste Menschenalter der jungen Stadt ganz oder theilweise ausgefüllt habe (S. 422). Selinus, welches im vierten Jahre der 92. Olymp. von einem karthagischen Heere zerstört wurde, hatte sechs Tempel dorischen Styls, nämlich drei kleinere, die ersten und ältern, auf der Burg, die andern und jüngern kolossalen, der jetzt sog. Riesenpfeiler, welche bei der Zerstörung der Stadt noch nicht einmal vollendet waren, ausserhalb der Burg auf einer Anhöhe bei einander. In dem mittleren der drei kleinen Tempel auf der Burg von Selinunt sind im Jahre 1823 durch zwei englische Architekten, William Harry und Samuel Angell, sehr merkwürdige, altdorische Bildhauerwerke ausgegraben worden, die dermalen zu Palermo sich befinden und wovon auch Thiersch, S. 404 ff. nach Klenze Bericht und Abbildung gibt. Denkt man sich die dorische Baukunst, wie Thiersch es thut, auf Sicilien und in Unteritalien rein griechisch, d. h. aus dem übrigen Griechenland gebracht und geholt, kann dieselbe nichts Eigenthümliches haben und bieten: allein eine solche Betrachtungsweise möchte kaum die angemessene und natürliche sein und würde zugleich in sich schliessen, dass es vor und neben den Griechen in Sicilien und Unteritalien gar keine Baukunst gegeben habe, was doch wenig glaublich ist. Vielmehr möchte der Steinbau, die ägyptische Baukunst mit den dazu gehörenden technischen Fertigkeiten, Kenntnissen und Einrichtungen gleichzeitig, jedoch langsam und allmählig über alle Inseln und Küsten und pelasgischen Völkerstämme durch die Semiten und besonders durch die Phönieier, also nach Griechenland und den griechischen Inseln, nach Sicilien und Sardinien, nach Unteritalien und nach Etrurien1)Vergl. Schnaase, II. S. 379. gebracht und verbreitet worden sein, wo21 von den Pelasgern, von den Hellenen und Etruskern der gemeinsame Stoff zu der dorischen, attischen, zur etruskischen, sicilischen, samischen, rhodischen, äginetischen, u. s. w. Baukunst und Kunst gebildet wurde, obwohl wir diese Künste nicht mehr zu unterscheiden vermögen und unter dem gemeinsamen Namen der griechischen zusammenbegreifen, oder höchstens die griechische Kunst von der etruskischen oder toskanischen, später die griechische von der römischen trennen. Dorisch wird auch der ziemlich erhaltene Minervatempel genannt auf der Insel Aegina, aus dessen beiden Giebelfeldern die berühmten äginetischen Säulen stammen. 1)Schnaase, II, S. 195 und 208 ff.Thiersch sagt S. 246: Wenn demnach bald von attischer, bald von äginetischer Kunst bei Pausanias geredet wird, so kann hierbei nur an zufällige Eigenheit, an solche, die ein späterer Gebrauch mit diesem Namen verband, nicht an eine innere Verschiedenheit gedacht werden. Uns ist z. B. die sog. toskanische Säule, welche Stieglitz aus Griechenland nach Etrurien gebracht werden lässt und mit der ältesten griechischen für einerlei hält, nichts Anderes als die ägyptische oder altdorische Säule in Etrurien, die etrurische Säule, zumal alle geschichtlichen Zeugnisse dafür mangeln, dass Etrurien nur eine in sehr frühen Zeiten entsendete, griechische Colonie gewesen sei. Man findet vielfach es unglaublich und unzulässig, dass von Aegypten her durch die Phönicier auf die Griechen technische und architektonische Einwirkungen in alten Zeiten stattgefunden haben: aber wenig Anstoss wird daran genommen, dass die Griechen vom Festlande oder von den Inseln aus alle Baukunst und Kunst nach Sicilien, Unter - und Mittelitalien sollen hinübergebracht haben. Für die ägyptischen Einflüsse in unserem Sinne scheinen neben den in der Symbolik, II. S. 493, berührten alterthümlichen Apollostatuen besonders auch die altdorischen Bildwerke zu Selinus zu sprechen, darunter aber ganz vorzüglich das Bildwerk der ersten Metope, Herakles, welcher die Kerkopen Passalus und Akmon, an einer Stange schwebend trägt. Die beiden nackten Kerkopen haben die Arme über die Brust gekreuzt,22 jeder trägt über dem Knöchel am Fusse ein dreifaches Band und von den beiden Seiten ihres Hauptes herab hänglen je drei Haarflechten. Nach allen Verhältnissen der während des 7. und 6. Jahrhunderts v. Chr. so mächtig und reich emporblühenden Städte Grossgriechenlands ist nicht allein anzunehmen, dass sich bei ihnen eine selbstständige griechische Kunst entwickelt habe, sondern auch, dass dieselbe der Kunst in dem eigentlichen Griechenland vorausgeeilt sei und auf diese anregend zurückgewirkt habe, wie sich ja auch am Ende des 6. Jahrhunderts die philosophischen Wissenschaften und die Naturwissenschaften in den unteritalischen Städten unter Pythagoras und Demokedes zuerst erhoben, Grossgriechenland vor Kleingriechenland wissenschaftliche Lehranstalten besass. Der im Jahr 730 v. Chr. mit Leontini oder Leontium von Naxos gegründeten Stadt Catana auf Sicilien gehört auch der berühmte Gesetzgeber Charondas an, dessen Gesetze nach Rhegion, Mazaka in Kappadocien, Thurii und nach mehreren anderen Städten in Italien und Sicilien verpflanzt wurden. 1)Peter, Zeittafeln, S. 25, Anm. 36; Gerlach, Zalenkos, Charondas, Pythagoras, zur Kulturgeschichte von Grossgriechenland, Basel 1858.Hermann, griechische Staatsalterthümer, §. 89, glaubt, es lassen sich Zaleukos und Charondas mit ziemlicher Sicherheit um die Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. setzen, Da die sicilischen und unteritalischen Städte vorzüglich durch die Schifffahrt und den Handel Reichthum, Macht und Bildung erwarben, konnten auswärtige Einwirkungen und Berührungen, besonders mit den Phöniciern, mit welchen sie gewiss in dem lebhaftesten Verkehre standen, nicht fehlen.

Aus dem Verhältniss, welches Dädalos als der Erfinder der Sculptur und Architektur, als der Urbildner und Urbaumeister in den griechischen Kunstsagen einnahm, ging es auch hervor, dass er der heroische Begründer und Vorstand aller mit der Sculptur und Architektur beschäftigten Innungen in Griechenland und besonders der Künstlerinnungen in Attika wurde, weshalb wir in der Symbolik den Dädalos auch dem maurerischen Herakles ver -23 glichen haben. Dädalos ist gleichsam der Herakles der Künstler, der Dädaliden. Funke bringt selbst mit der Schifffahrt den (phönicischen) Dädalos in Zusammenhang, indem er die Sage von dem Fluge des Dädalos und seines Sohnes Ikaros auf die Erfindung der Schiffssegel deutet. Ikaros, d. h. das ikarische Meer, der südöstliche Theil des ägeischen Meeres, und die gleichfalls nach ihm benannte kykladische Insel (lkaria) weisen auch nur auf die jenen Meertheil und jene Insel beschiffenden Phönicier hin. Uebrigens galt schon im Alterthume nach Plinius VII. 57 Dädalos als der Gründer des Seewesens, der Masten, der Segelstange und der Segel. 1)Thiersch, S. 18, Anm. Minos, mit welchem Dädalos sich vielfach berührt, wird von Bock als der Repräsensant der phönicischen Seeherrschaft betrachtet und ebenso von Schoemann. Dass Dädalos, welcher bei Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. S. 9 a, höchst ungeeignet um 1350 v. Chr. gesetzt wird, als der Begründer und Beschützer der Handwerker - und Künstlerinnungen erscheint, ist zugleich der sicherste Beweis, dass die griechischen Handwerker - und Künstlerinnungen phönicisch-ägyptischen Ursprungs seien, und die Orte oder Gegenden der Thaten des Dädalos sind die Orte oder Gegenden, wo die griechischen Gewerbe und Künste zuerst emporblühten und erstarkten. Die Dädaliden sind die Handwerker und Künstler und ihre Werke die dädalischen; die ältesten und ausgezeichnetsten Künstler aber sind gleich Dädalos, oder ein Dädalos ist ein solcher Künstler, so dass von drei Dädalos geredet werden konnte. 2)Thiersch, S. 49, Anm. 39. Uebrigens will Uhlemann, ägypt. Alterthumskunde, II. S. 110, nicht allein die dorische Säule, sondern auch die korinthischen Säulenknäufe aus Aegypten herleiten, indem zu den letztern die ägyptische Pflanzensäule,3)Vergl. auch Lübke, S. 62. die ägyptische Säule mit dem Lotoskelche oder der Lotosknospe die erste Idee gegeben zu haben scheine. Wenigstens ist die Vermuthung von Uhlemann weit wahrscheinlicher als die sagenhafte Erzählung, welche Vitruv über das Entstehen der korinthi -24 schen Säule gemacht hat, dass um einen zufällig bei einem Grabmale zu Korinth stehen gebliebenen und mit einem Ziegelstücke zugedeckten Korb sich im Frühjahre eine Akanthuspflanze herumgerankt und herumgesenkt habe,1)Stieglitz, S. 53. und dann von dem atheniensischen Bildhauer Kallimachus als Vorbild zu einem Säulencapitäl benützt worden sei. Für die Vermuthung von Uhlemann könnte und dürfte vielleicht angeführt werden, dass in Griechenland die korinthische Säulenordnung jedenfalls der Zeit nach die letzte und jüngste ist; noch später aber ist natürlich die daraus hervorgegangene oder damit zusammengesetzte römische Säule. 2)Vergl. Stieglitz, S. 55 ff. Nach Stieglitz, S. 45, gebrauchte Skopas in der 96. Olympiade in der Zelle des Tempels der Athene zu Tegea korinthische Säulen, und da Pausanias VIII. 45 keiner ältern Tempel erwähne, wobei diese Säulenart vorkomme, sei es wahrscheinlich, dass sie ungefähr um diese Zeit sei erfunden worden. 3)Ueber die Anwendung des ionischen Styls zu Athen siehe Schnaase, II. S. 247, vergl. mit S. 190.Schnaase, II. S. 255, ist der Ansicht, es möge der Tempel zu Tegea die erste Anwendung der korinthischen Säule in ganzen Reihen gewesen sein.

Bezüglich der Tempel, der heiligen Gebäude, des heiligen Baustyls sind die Griechen nicht die Schüler und Nachahmer der Aegypter, sondern sie entlehnten von den Aegyptern einzig den Steinbau als solchen, das darauf bezügliche Technische, die Kunst des Steinwerkes, um sich Tempel in ihrem Geiste und in ihrem Sinne aus Steinen erbauen zu können. Vergleicht man den heiligen Baustyl der Aegypter (und der Inder) mit demjeingen der Griechen, ergeben sich sofort nicht blos auffallende Unterschiede, sondern ganz entgegengesetzte Grundsätze. Die Aegypter verbergen das Gottesbild in dem tiefsten und engsten Dunkel und ihr Allerheiligstes ist eine unnahbare, abgeschlossene, enge und dunkele Stätte, wie es in Nachahmung des ägyptischen Vorbildes das Allerheiligste25 des salomonischen Tempelg gewesen ist. 1)Vergl. meine Symbolik, II. S. 136 und 141. Die griechischen Götterbilder wurden dagegen nur aufgestellt, um gesehen zu werden, und standen daher ursprünglich entweder ganz frei oder nur auf und in Bäumen, in heiligen Hainen, in natürlichen Grotten, worauf z. B. die weidengefesselte Artemis noch hinweiset. 2)Symbolik, I. S. 349. Der griechische Tempel ist Seiner Grundidee nach blos ein hölzernes, später steinernes Schutzdach und Schutzhaus für das sichtbare Götterbild und deshalb sind der sog. Monopteros, Pseadoperipteros und das Templum in Antis wohl die ältesten und usprünglichsten Tempel. Unter dem Monopteros versteht man nach Vitruv IV. 7 einen Rundtempel ohne Zelle, unter dessen von den Säulen getragenem Dache das Götterbild steht. 3)Schnaase, II, S 61; Stieglitz, S. 86; Guhl und Koner, das Leben der Griechen und Römer, S. 44. Ein solcher gleichsam natürlicher Rundtempel entstand, wenn man die Zweige der in dem Haine das Götterbild umgebenden Bäume über dem Bilde zu einem Schutzdache vereinigte, oder auch auf ihnen ein künstliches Schutzdach anbrachte. Wollte man das Bild etwas mehr schützen, führte man zwischen den Bäumen, zwischen den Säulen, welche dadurch zu Halbsäulen wurden, eine niedrige Wand auf; dieser Tempel hiess dann Pseudoperipteros. Ueberbleibsel aus dem Alterthume eines Monopteros hat man in den Ruinen zu Puzzuoli gefunden; er wird der Tempel des Serapis genannt und war von einem viereckigen Hofe oder Peribolos umgeben, der von einem Gebäude eingefasst wurde, woran sich Zellen befanden, die unstreitig zur Wohnung der Priester und zur Aufbewahrung der Opfergeräthe dienten. 4)Stieglitz, S. 87. Dass Rundtempel bei den Griechen und Römern selten waren, ist bekannt. 5)Meine Symbolik, II. S. 482; Guhl und Koner, S. 43; Pyl, die griechischen Rundbauten im Zusammenhange mit dem Götter - und Heroenkultus erläutert, Greifswald 1861.Eine andere ursprüngliche Art der Tempel neben den angegebenen26 Rundtempeln war es, dass man das Bild entweder in einer offenen und natürlichen Felsvertiefung, Grotte, aufstellte oder über dem Bilde ein viereckiges, aber an der vordern Seite ganz offenes, kleines Holz - oder Steingebäude errichtete. Derartige einfache heilige ländliche Gebäude kann man noch heute überall in katholischen Ländern, namentlich auch in den Rheinlanden erblicken, denn Land und Leute bleiben in vielen Dingen sich ewig gleich. Wenn nun, um das offene Holz - oder Steindach besser zu sichern und zu stützen, zwei einfache runde Stützen oder Säulen angebracht wurden, entstand der Tempel, welcher in Antis genannt wird. 1)Stieglitz, S. 82; Guhl und Koner, S. 11. Auf diesen Grundlagen bildete sich das griechische lichte Gottesbildhaus (denn mehr war der griechische Tempel niemals gewesen) und wurde blos aus einem einfachen ländlichen Gebäude zu einem herrlichen Kunstgebäude umgeschaffen; der ägyptische Tempel dagegen war zwar auch ein Gottesbildhaus, jedoch zugleich und hauptsächlich auch ein Gemeindehaus, ein Gebäude des gemeinsamen Gottesdienstes, eine Art christliche Kirche. 2)Meine Symbolik, II. S. 176 ff.Aus den Beschreibungen, welche in architektonischen Werken, z. B. bei Lübke, S. 82, Schnaase, I. S. 384 ff., nach Strabo XVII. von der Anordnung der ägyptischen Tempel gegeben werden, leuchtet in Verbindung mit den Abbildungen und Grundrissen (z. B. bei Lübke und bei Bunsen, IV, S. 126, vorzüglich von Karnak) hervor, dass ein vielsäuliger Raum, ein grosser Säulensaal den Haupt - und Mittelpunkt des Tempelgebäudes bildete, in welchen man durch einen oder mehrere Vorhöfe gewöhnlich eintritt und aus dem häufig wieder mehrere, in der Regel kleiner und enger werdende Räume zu dem Allerheiligsten mit dem Götterbilde geleiten. Schnaase, I. S. 391, sagt: Wenn man ihn (den Vorhof oder Vortempel) durchschritten hat, gelangt man niemals sogleich in das innerste Heiligthum, sondern stets in andere vorbereitende Räume, den vielsäuligen Raum und zwei oder drei Vorsäle, die aber alle wesentlicher waren, als der Hof, denn wir finden Tempel von ziemlich bedeutender Grösse, denen die Höfe feh -27 len, aber keinen, zu welchem nicht ein vielsäuliger Raum führte. Dieser vielsäulige Raum, welcher durch die höher ragenden mittleren gedeckten Säulen mit Lichtern an den oberen Seitenwänden zu einem dreischiffigen Gebäude gestaltet wird,1)Lübke, S. 53; Schnaase, I. S. 392. muss schlechterdings dem gemeinsamen Gottesdienste bestimmt gewesen sein, war der Hauptversammlungsort der Gläubigen. Zu dem Allerheiligsten gelangte man entweder gar nicht (was Schnaase, I. S. 294, auch anzunehmen scheint) und es wurde blos in der Nähe desselben, wie bei dem salomonischen Tempel, gehandelt oder dann näherte man sich dem Allerheiligsten nur bei besonderen Veranlassungen und nur einzeln, weil das Letztere nicht anders geschehen konnte. Die ägyptischen Gemeindetempel hatten nach dieser ihrer Bestimmung einen viel grösseren Umfang, eine reichere Gliederung und Abstufung als das griechische Säulenhaus für ein einziges Gottesbild, und neigten nicht selten selbst zum Kolossalen hin. Auch das an dem ägyptischen Tempelbaue oft getadelte Unbestimmte und Unbegrenzte, die Anwachsungs - und Einschachtelungsfähigkeit, möchte vielleicht daraus entspringen. Den vorbereitenden Säulensaal vor dem engen und dunklen Allerheiligsten mit dem Götterbilde findet man übrigens auch in einer merkwürdigen und vielleicht nicht blos zufälligen, aber freilich noch nicht zu klärenden Uebereinstimmung bei den Indern, z. B. in der grossen Pagode zu Chalambron bei Pondichery, wofür besonders auf Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. S. 48 ff., mit dazu gehörigem Grundrisse, verwiesen wird. Wenigstens zu Chalambron herrscht überhaupt vollkommen der ägyptische Tempelbaustyl, der Säulenbau mit flacher Steindecke über den Säulen. Die Nerba Chabeï oder Kapelle der Freude enthält einen Saal von 1000 Säulen, die in der regelmässigsten Ordnung aufgestellt sind; zwischen diesen Saulen liegt in der Mitte gegen die hintere Seite hin in dem dunklen ummauerten Raum mit einem Vorsaale der ehemals mit Goldplatten geschmückte Altar. Zu dem Säulensaal schreitet man durch eine Säulencolonnade von 24, in 4 Reihen von je 6 aufgestellten, Säulen28 mit einer Treppe von 7 8 Stufen am Ende der Colonnade. Auch in der Pagode zu Kandjeveram befindet sich ein Säulenraum von 1000 Säulen und diese grossen Säle sollen nach Romberg und Steger, I. S. 54 a, bestimmt gewesen sein, um darin bei den grossen Processionen mit dem Götterbilde Halt zu machen und auszuruhen. Wenn zwischen der indischen und der ägyptischen Baukunst ein vorbildlicher Zusammenhang bestehen sollte, dann muss zu einer Zeit, worüber wir keine Nachrichten mehr besitzen, die ältere ägyptische Baukunst nach dem jüngeren indischen Lande getragen worden sein; nicht umgekehrt, wie Romberg und Steger glauben und als die Strasse aus Indien nach Aegypten diejenige über Meroe bezeichnen. Auch den ägyptischen Pylonen ähnliche Thorzugänge werden bei den indischen Pagoden angetroffen, z. B. zu Chalambron, auf der kleinen Insel Ramiseram (Ramisura1)Romberg und Steger, I. S. 52. ). Selbst darin kommen die Inder mit den Aegyptern überein, dass sie die äussern Wände der Pagoden mit Basreliefs und andern Ornamenten, auch Malereien wahrhaft überladen, und überhaupt die Sculptur bei ihnen die Baukunst fast beherrscht und überwiegt. Ferner lieben Inder und Aegypter gleichmässig die Monolithen, das Kolossale, die kolossalen Steinfiguren der Götter und Thiere. Die scheinbare oder absichtliche Unregelmässigkeit der indischen und ägyptischen heiligen Gebäude erklären Romberg und Steger, I. S. 49 b, mit Langés, monuments anciens et modernes de l’Hindostan, tome II, aus der symbolischen, auch bei den Mahommedanern erscheinenden Absicht, die Unvollkommenheit aller menschlichen Werke anzudeuten. In dem gleichen Sinne sitzt in dem Tempel zu Boro-Dudor auf Java oben in dem krönenden Sanctuarium das unvollendete Bild Buddha’s, wie Ida Pfeiffer, meine zweite Weltreise, II (Wien 1856), S. 115, berichtet. Das Ueberraschendste ist jedoch, dass sich auch die ägyptische und maurerische Schürze2)Symbolik, I. S. 71 ff. als das gewöhnliche einzige Kleid der Götter - und Tempelfiguren in Indien findet, worüber man z. B. die bei Romberg und29 Steger, Taf. I. Fig. 7, abgebildete Façade des Heiligthums des Grottentempels von Keneri vergleichen mag. Die Indischen Götter werden regelmässig nackt und nur die Lenden umgürtet dargestellt,1)Paulin, voyage aux indes orientales, II. S. 386. dagegen aber übermässig mit Schmuck, besonders mit Perlenschmuck beladen. 2)Romberg und Steger, I. S. 38 a. Namentlich trägt auch Çiwa-Wuotan einzig eine kurze, um die Mitte des Leibes geschlagene Kleidung (Hose3)Wolf, Beiträge zur deutschen Mythol., I. S. 67. ). Damit hängt zusammen, dass die den Çiwa verehrende Secte der Dandi oder Tridanti nach altem Herkommen als ganze Kleidung ein um die Lenden gewickeltes Tuch trägt. 4)Lassen, indische Alterthumskunde, IV. S. 621. Ebenso kleiden sich viele Jogi und heissen das Stück Tuch dhoti. 5)Lassen, IV, S. 629. In dem von Belzoni im Thale der Gräber oberhalb Theben aufgefundenen Königsgrabe tragen die dort abgebildeten vier gefangenen Juden als einzige Kleidung einen zierlichen Schurz und ebenso die drei Aethiopier einen weissen Schurz. 6)Büttiger, kleine Schriften, II. S. 201 oben. Es darf hieraus gefolgert werden, dass die Schürze die Urkleidung der Semiten und Arier, der Aegyptier, Phönicier, Juden und Inder, ja sogar der Aethiopier oder Chamiten, zu welchen letztern auch die Urägypter gehörten, gewesen. Deshalb hat auch schon Bohlen, das alte Indien, I. S. 48, auf die so auffallende Annäherung des zweiten oder semitischen (neben den Negern) ägyptischen Volksstammes an den hindostanischen hingewiesen. Bei den Wettläufen zu Olympia waren in früheren Zeiten die Läufer mit einem Schurz um die Lenden versehen, seit der 15. Olympiade aber wurde es Sitte, ganz nackt zu laufen. 7)Schoemann, a. a. O., II. S. 52 oben.Herder in seinen Briefen über schöne Literatur und Kunst (Werke, VII. S. 207), hatte gesagt: Die Kleidung unserer Weiber entsprang aus der armen Schürze, die man noch bei Negern und Wilden sieht; als sie endlich rings die Lenden umgab, ward sie zu einem Rock, der aus Armuth kaum über dem Nabel den Unterleib zusammenschnürt; Jahrtausende haben30 diese Lendenschürzen fortgedauert. Bei den Aegyptern trug jeder im Tempeldienst Begriffener eine knapp um die Schläfe und das Hinterhaupt herumgefaltete und anliegende Kappe oder Haube von feiner Leinwand, welche gewöhnlich in zwei Enden über die Schultern herabfiel, aber auch um den Hals zugleich eine Binde bildete, oder wenigstens mit den zwei Haubenflügeln zusammenhing und oft in prächtigen Brustdecken sich erweiterte. Von dieser ägyptischen Priesterkleidung, Priesterhaube, welche auch an den weiblichen ägyptischen Sphinxen, bemerkt wird, unmittelbar stammt die ganze Verschleierung unserer 2Nonnen mit den herabhängenden Flügeln und der den Hals bis an das Kinn umfassenden Verhüllung,1)Böttiger, a. a, O., II. S. 42, und III. S. 259, Anm. **. von dieser Nonnentracht aber wieder vielleicht das ganze neu-europäische Haubenwesen. Neben dieser Flügelhaube trugen im Tempeldienste die Priester besonders und zuerst noch ein mit Trotteln oder Franzen oder sonst verziertes Tuch um den Hals und auf der Brust, daher bei Apulejus genannt cinctus pectoralis. Diese ägyptischen Brust - und Halstücher sind gleichfalls vorbildlich für das heilige und profane Leben der Spätern geworden;2)Böttiger, III. S. 259, Anm. ***. den Maurern haben sie den sog. Halssehmuck gegeben. 3)Symbolik, I. S. 76. Die heilige Farbe, die Farbe der heiligen und priesterlichen Kleidung, der Schürze und Haube war die weisse bei den Aegyptern und nach oder mit ihnen bei vielen andern Völkern. So lange die alte Hellenenwelt und später auch Rom sich von der Vermischung mit den Barbaren frei erhielt, war gewiss die herrschende Farbe aller Kleider der Frauen und Jungfrauen, und bei den höheren Ständen stets, die weisse, dass es in Athen und Rom sogar als Abzeichen leichtfertiger Frauen von nicht ganz unbescholtenem Rufe galt, purpurfarbige und anderer hellfarbige Gewänder zu tragen. 4)Böttiger, III. S. 44.Das farbige Kleid vertrat zu Athen und Rom bei den Damen die Stelle des heutigen Blumenbouquets in Paris und in andern modischen Städten. An die weisse Kleidung der Götter und Menschen reihen31 sich die weissen heiligen Thiere, wie die Kühe und Stiere, die Pferde, die Elephanten, die Hirsche, die Tauben u. s. w., vorzüglich im Gengensatz zu den schwarzen Thieren, als den unterweltlichen, den Thieren des Todtenreiches. Zu Djogokarta auf Java wird in einem Teiche von den dortigen Muhammedanern noch heute eine weisse Schildkröte als heilig verehrt. 1)Ida Pfeiffer, meine zweite Weltreise, II. S. 122. Den unterirdischen Göttern werden in der Odyssee schwarze Schafe als Opfer verheissen; ein schwarzes Lamm opferte man zu Athen den Stürmen und Ungewittern. Auch dem Meergotte Poseidon werden bei Homer schwarze Stiere geopfert; doch auch röthliche und selbst weisse Rinder werden als Opfer desselben erwähnt. 2)Schoemann, griech. Alterthümer, II. S. 210. Bei den Griechen wurde der Sonne ein weisses Lamm, der Erde ein schwarzes geopfert. 3)Rinck, Religion der Hellenen, II. S. 4. Der sonst immer weiss gekleidete erste Beamte der Plataeer erschien bei den jährlichen Todtenopfern zu Ehren der in der Schlacht gegen den Mardonius Gefallenen in einem dunkelrothen Rock. 4)Rinck, II. S. 9. Zu Athen, wenn Pest, Hunger oder andere Plagen wütheten, wurden am Rüsttage der Thargelien, eines Festes des Apollo und der Artemis, zwei Männer als Sühnopfer, der eine für das männliche und der andere für das weibliche Geschlecht, jener mit einem Halsbande von schwarzen, dieser von weissen getrockneten Feigen versehen, unter Flötenspiel ausgeführt und getödtet, nachdem sie auf öffentliche Kosten ernährt worden waren. 5)Rinck, II. S. 20. Die Ordner der religiösen Opferzüge, die religösen Ceremonienmeister (〈…〉〈…〉) trugen ebenfalls ihr Haupt mit einer weissen Binde umwunden. 6)Rinck, II. S. 23. Die Kleidung der griechischen Priester war überhaupt in der Regel weiss, welche Farbe Plato als die den Göttern am meisten gefällige bezeichnet. 7)Schoemann, II. S. 384.In dem Heraia genannten Feste der Hera zu Argos musste sich die Priesterin auf einem von weissen32 Rindern gezogenen Wagen nach dem Tempel begeben. 1)Schoemann, II. S. 457. Weiss soll auch die heilige Farbe auf den Marquesas-Inseln sein. 2)Melville, vier Monate auf den Marquesas-Inseln, aus dem Englischen übersetzt von Garrigue, II. S. 85, Anm. Die Väter der Trappisten tragen eine weisse Kutte mit schwarzem Scapulier, welche aus grober Wolle bestehen. 3)Ausland für 1834, S. 1411 a. Bei den Christen wurden schon seit dem 4. Jahrhundert die Engel mit weissen glänzenden Gewändern gemalt. 4)Mone, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, III. S. 7. Mit dem weiss als der Farbe des himmlischen Lichtes berührt sich übrigens blau als die Farbe des Himmelsäthers sowohl bei den Aegyptern, als anderwärts, namentlich auch bei den Christen. 5)Symbolik, I. S. 79 ff. Das Blau, Indicum, von den Römern nach Plinius, nat. hist. XXXV, cap. 6, §. 27 genannt, weil aus Indien stammend, scheinen seit sehr alten Zeiten die Aegypter aus Indien bezogen zu haben, jedoch zufolge Weber, indische Skizzen, Berlin 1857, S. 73, nur durch den alten innerasiatischen Verkehr oder durch die Phönicier. Schon die ältesten christlichen Kirchen scheinen die blaue Sternendecke getragen zu haben, da z. B. Gregor von Nazianz von der um das Jahr 340 von seinem Vater zu Nazianz erbauten bischöflichen Kirche angibt, dass deren Gewölbe mit Sternen bemalt gewesen sei. 6)Mone, III. S. 10 Anm. 8. Bei den Griechen hatten die Metopen gewöhnlich einen blauen Grund, durch welchen die darauf angebrachten Reliefs dem Auge sichtbarer wurden;7)Schnaase, II. S. 144. eine gleiche Färbung erhielt wohl auch die Giebelwand, damit die davor gestellte Statuengruppe deutlicher hervortrete. Auch die Apsaras tragen ein himmelblaues Gewand, mit Edelsteinen (Sternen) geschmückt. 8)Hirzel, Sakuntala, S. 114. Der ägyptische Gott Kneph als der Gott der Himmelskraft hat einen himmelblauen Körper, wie auch bei den Indern viele Götter, besonders Narayana, eine blaue Körperfarbe tragen. 9)Volney, ruines, Paris 1792, S, 264.Dem himmelblauen Körper verwandt sind die tau -33 send Augen, z. B. des Indra, des Argos u. s. w. Vulcan wurde mit einem eiförmigen himmelblauen Hute bei den Alten gemalt, wie vermuthlich auch solche Hüte die Arbeiter bei der Arbeit getragen haben. 1)Winckelmann, Allegorie, S. 44. In einem Gemälde einer alten Handschrift, welches Montfaucon aufgefunden hat, trägt die Nacht (〈…〉〈…〉), deren fliegendes Gewand blau ist, eine umgekehrte Fackel. 2)Winekelmann, a. a. O., S. 72. Die weisse und auch die blaue Kleidung bei Göttern und Menschen sind nur das Symbol, dass Gott und der Mensch aus dem Lichte stammen, Licht seien und zu dem Lichte zurückkehren werden, um darin unvergänglich zu wohnen. Wenn ein Tugendhafter stirbt, geht nach dem germanischen Volksglauben die Seele als weisses Wölklein aus dem Munde und die Seelen werden durch die Winde, durch die Lüfte zu den Wolken, zu ihren himmlischen Wohnsitzen emporgetragen. 3)Mannhardt, german. Mythen, S. 711. Deshalb sollen bei dem Sterben einer Person die Stubenfenster geöffnet werden, damit die Seele durch die Lüfte sich entfernen und erheben könne. Die im Himmel wohnenden Lichtseelen strahlen von Schönheit. 4)Wolf, Beiträge, II. S. 232. In den Dämisagen wird es als die wichtigste der Schöpfungsthaten Allvaters hervorgehoben, dass er den Menschen geschaffen und ihm den Geist gegeben habe, der leben und nie vergehen soll, wenn auch der Leib in der Erde fault oder zu Asche verbrannt wird. 5)Simrock, deutsche Mythol., S. 170. Von der zweiten oder künftigen Welt nach dem Untergange der ersten und alten sagt die Schicksalsgöttin oder deren Prophetin in der Wöluspa:

Einen Saal sieht sie scheinen heller als die Sonne, Mit Gold bedeckt auf Gimils Höh. Da werden tugendsame Völker wohnen Und durch Weltalter Wonne geniessen. 6)Bunsen, Gott in der Geschichte, III. S. 510.

Die Mandäer oder Johannischristen am Euphrat haben die Schöpfungsmythe, dass, als der Vater der Engel in die34 uranfängliche Tiefe und Leere und das ganz unten in der Tiefe befindliche trübe schwarze Wasser hinuntergeblickt und sein Bild sich darin wiedergespiegelt habe, dadurch Petáhil oder Fetáhil, auch Gabriel genannt (die Seele, des Urmenschen), entstanden sei, der die Doppelnatur des Lichtes und des trüben Wassers hat. 1)Petermann, Reisen im Orient, II. S. 450. Die Unschuld, die Reinheit, die Fleckenlosigkeit wird daher bei den Germanen im Feuer und im weissen Kleide bewährt, indem der Angeschuldigte im gewihsset hemde , d. h. in einem mit Wachs bestrichenen Hemde, unversehrt durch das Feuer geht, wie auf diese Weise die Kaiserin Richardis, die Gemahlin Karls des Dicken, ihre Unschuld wegen Ehebruchs bewiesen haben soll. 2)Stüber, Sagen des Elsasses, St. Gallen 1858, Nr. 131; Grimm, deutsche Sagen, II. S. 459. Dem Genius, dem Geiste, dem Lichte musste bei den Römern in weissen oder lichtvollen Kleidern geopfert werden und nach Horat. Od. I. 35, 21 hatten Diejenigen, welche der Fides opferten, das Haupt mit einem weissen Tuch umhüllt. Bei den Muhammedanern auf Java ist Weiss die Farbe der Trauer, um anzudeuten, dass der Verstorbene in das Licht hinübergegangen sei. 3)Ida Pfeiffer, meine zweite Weltreise, II. S. 134. Die schöne Frau des Raubschlosses Neuenbürg in Unterfranken erscheint in einem weissen oder himmelblauen Gewande und mit sehr feinem Schleier. 4)Wolf, Zeitschrift, I. S. 293. Im Umkreis von Remiremont im Departement des Vosges ist ein weisses Huhn das Symbol der Unschuld und ein solches wird daher einer reinen Jungfrau an ihrem Hochzeitstage zum Ehrengeschenk dargebracht. 5)Eckermann, Lehrbuch der Religionsgeschichte und Mythologie, III. 1, S. 26. In keltischen Sagen kommen auch die weissgekleideten Todten auf dem Angstweier in kleinen Barken vor. 6)Eckermann, III. 1. S. 29. Gewiss aus der alten Janusgestalt, aus den zwei Tempelsäulen hervorgegangen ist auch das mittelalterliche Bild der Welt, eine nach der vordern Seite blühende und liebenswürdige Frau,35 welche auf der hintern Seite von Würmern zerfressen und in der Verwesung begriffen ist. 1)Schnaase. IV. 1. S. 95.

Die Baugewerker und Baukünstler müssen bei den ohnehin Alles ordnenden, zählenden und wägenden Aegyptern nothwendig die sorgfältigsten Einrichtungen, Verbindungen und Gliederungen gehabt haben, indem sonst die Unternehmung und Ausführung der ausserordentlichen Bauten, besonders in dem neuen Reiche und zu Theben nicht möglich gewesen wäre. Man lese nur die sehr allgemeine und unvollständige geographische Uebersicht der ägyptischen Bauten bei Schnaase, I. S. 334 ff., um eine Ahnung, nicht einen Begriff von den nothwendigen baupolizeilichen, baucorporativen Einrichtungen der Aegypter zu gewinnen. Besonders nach den Spitzen hin waren die Einrichtungen priesterliche, Weihen, welche blos an Glieder der Priesterkaste verliehen wurden. Auch hier wurden namentlich Ausländer so wenig oder so schwer zugelassen, wie zu dem Mysterienwissen überhaupt; indemen Einzelne empfingen die Weihen und stets mehr in den Zeiten nach Psammetich und Amasis. Ueberdem war schon der blose prüfende Anblick der Bauten und des Bauens eine sehr wirksame theoretisch-praktische Bildungsschule. Das allgemeinste Bausymbol, gleichsam der maurerische flammende Stern, scheint die schlangengeflügelte Sonnenscheibe gewesen zu sein, wovon sich bei Lübke, S. 61, eine Abbildung befindet und die an den Gesimsen, und vorzüglich über den Eingängen der heiligen Gebäude stets und überall angebracht wurde; über der Pylonenthür des Tempels zu Edfu erscheint sie z. B., von unten nach oben aufsteigend, viermal, wenn die Abbildung bei Lübke, S. 51, nicht täuschet. Schnaase, I. S. 404, nennt dieses stets wiederkehrende Symbol das geflügelte Ei, welches gleichsam segnend über dem Eingange schwebe und in seiner mittleren Kreisgestalt den perspectivischen Augenpunkt sehr deutlich bezeichne. Bemerkenswerth ist, dass zuweilen auch über den Portalen der Kirchen der Schweiz, z. B. der Peterskirche in Genf und der St. Gallus-Kapelle bei Schännis im Kanton St. Gallen, sich das Sym -36 bol der Sonne, ein älteres männliches Gesicht mit starken Haarlocken in der Stirne, angebracht findet oder fand. 1)Anzeiger für schweiz. Geschichte und Alterthumskunde für 1861, S. 70. Aus der griechisch-römischen Symbolik des Asklepios, welchen Bötticher, kleine Schriften, I, S. 95, mit Jablonsky für den ägyptischen, durch phönicische Kauffahrer zuerst nach Epidauros gebrachten Esmun hält und der eigentlich〈…〉〈…〉, der Schmerzlindernde, heisse, ist die Heilsschlange, die Schlange als Symbol des ewigen Lebens,2)Symbolik, II. S. 64 ff. der sittlichen Gesundheit und Reinheit auch in die christliche Symbolik aufgenommen worden. Seit dem 3. Jahrhundert wird dem Evangelisten Johannes nämlich gewöhnlich als Attribut in die Hand ein Kelch gegeben, aus welchem sich in ähnlicher Weise eine Schlange erhebt, wie aus der von der Hygiea, der Tochter oder Gemahlin des Asklepios, getragenen Schale. 3)Vergl. bei Böttiger, kleine Schriften, I. S. 93 ff., die Abhandlung: Die heilbringenden Götter, eine Netzjahrsgabe und Tat. II; Pyl, die griechischen Rundbauten, S. 66; Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, II. (Göttingen 1860) Nr. 759 ff. Auch ist zu berühren die gnostische Seete der Ophiten oder der Schlangenbrüder in den ersten christlichen Jahrhunderten, welche die Schlange symbolisch beim Abendmahl anwandten. Um über die Bedeutung der Schlange in der Schale der Hygiea und über dem Kelche Johannis des Evangelisten als Schlange des Lebens einen jeden Zweifel auszuschliessen, erhebt sich über oder neben derselben oft noch ein grünender Zweig von dem Baume des Lebens. 4)Symbolik, I. S. 144 ff. An diese Schlange, aufsteigend unter einem grünen Zweige, erinnert auch ein in den höheren Maurergraden gebräuchliches Symbol der Wiederauferstehung und Unsterblichkeit, indem Hiram aus dem Sarge und weissen Leichentuche unter einem grünen Akazien - und Palmenzweige zum neuen Leben auferwacht. Die Sage, dass Johannes der Evangelist den Giftbecher ohne Nachtheil für seine Gesundheit getrunken habe,5)Symbolik, I. S. 639. steht wohl auch mit jener Schlange des Lebens in Ver -37 bindung. Die Johannesminne, der Johannessegen, der im Namen des Johannis gesegnete Wein ist ein gegen alle Leiden, Feinde und Gefahren siegreich stärkender Trank. In einem alten Volksliede Sanct Johannes Minne bei Uhland, alte hoch - und niederdeutsche Volkslieder, Stuttgart 1845, S. 819, heisst es daher:

Diz ist sanct Johans minne, die gesegen wir mit gutem sinne! und mit ganzer innikeit drank er vor in und was bereit und erfüllet mit godes kraft, davon er doch wart sigihaft gein allen den di wider in ie gestifter iren sin: also müsse uns helfen got durch sinen bitterlichen dot, durch sin barmherzigkeit und durch sins namen heilikeit das uns diser drank also gesegent si daz wir davon werden fri vor schaden und vor schanden hie und in allen landen! uff velde, uff wage, in busch, uff allen wegen kome uns zu troste diser segen in stetten oder in dörfen, wo wir sin bedörfen so müsse got immer mit uns beliben, an der seit und an dem libe, amen!

Karl der Grosse, da er zu Zürich weilte, bekam zufolge einer Sage bei Grimm, deutsche Sagen, II. Nr. 473, von einer dankbaren Schlange einen kostbaren Edelstein zum Geschenke, welcher die geheime Kraft hatte, beständig den Kaiser an sich oder an seinen Besitzer oder an den Ort zu ziehen, wo der Stein lag; durch diesen Stein wurde zuletzt Karl in die Gegend von Aachen gefesselt. Die magische Kraft der Schlange ist hier nur auf ihr Geschenk übertragen. Dieselben schützenden Kräfte gegen Gefahren und besonders auch gegen Gift (contra venena) wie der Johannesminne, dem Johannessegen wurden übrigens auch den Diamanten seit dem Ende des 13. Jahrhunderts in Deutschland nach dem Berichte des Albertus Magnus bei -38 gelegt. 1)Ettmüller, Pfaffentrag und Bürgerzwist, S. 8 und 89. Die heidnischen Symbole von dem Baume des Lebens (lignum vitae), von dem Tranke der Vorgessenheit und der Unsterblichkeit, und von der Schlange des Lebens und der Ewigkeit verbinden sich in den christlichen Zeiten mit der christlichen Vorstellung von dem zur Erlösung und Errettung der Menschheit vergossenen Blute Christi und dem zu dessen Andenken getrunkenen Kelche, welchen Kelch Johannes der Evangelist mit der heidnischen Heilsschlange und dem heidnischen Lebensbaume in der Hand hält, um die dürstende Menschheit leiblich und geistig mit dem Blute und dem Worte Christi zu tränken und ihr das ewige Leben und die Befreiung von allen irdischen Fehlern und Feinden zu verleihen. Der Kelch des Evangelisten Johannes mit dem Zweige von dem Lebensbaume erscheint auch in der Gralssage des Titurel, indem der Gral eine Wünschelruthe hat und durch diese seinem Besitzer Speise und Trank, leiblich und geistlich, und damit auch das Leben schenkt. 2)Mone, zur teutschen Heldensage, S. 177 ff. Mit Recht rügt es Mone, dass der Titurel die heidnische teutsche Wünschelruthe der Nibelungen hier ganz unnatürlich mit dem christlichen Blutkelche, Abendmahlkelche oder Grale zusammengefügt habe. Uebrigens hält bei den Indern auch Çiwa, z. B. auf dem gigantischen Trimurtibilde gegenüber dem Eingange in dem Grottentempel zu Elephanta, eine ihm in das Gesicht blickende, aufgerichtete Schlange in der Hand; Çiwa blickt dabei zufolge der in allen Tempeln unverbrüchlich befolgten Regel nach Osten. 3)Romberg und Steger, I. S. 66 a. Erwägt man die ägyptischen Pyramidal -, Gräber -, Tempel -, Palast -, Damm - und Wegbauten u. s. w. und den ganz ungeheuren Aufwand an Material jeder Art, an Menschenzeit und Menschenkräften, welche diese Bauten erforderten, kann man die Ansicht nicht abweisen, dass Jahrhunderte lang in dem alten wie in dem neuen Reiche alle Kräfte und alle Thätigkeit des Volkes mit der gewaltsamsten und unerbittlichsten Anstrengung den Bauunternehmungen seien zugewandt und dienstbar gemacht39 worden. Kein anderes Volk der gesammten Weltgeschichte hat auch nur annähernd so viel, so gross und so bleibend in Stein gebauet, als die Aegypter es thun mussten, und niemals werden dieselben von einem nachfolgenden Volke darin übertroffen oder auch nur in weitem Abstande ein geholt werden. Man fühlt sich versucht, das ganze ägyptische Staats - und Volksleben als das rastlose und harte Leben einer einzigen grossen Hütte von Bauleuten, Steinmetzen und Maurern unter dem Oberpriester und König als ihren Obermeistern und Obertreibern zu betrachten. Das ägyptische Reich war eine erdrückende und kaum zu beschreibende Baudespotie, gleichsam eine grosse Steinpyramide, und selbst im Oriente weiss man kaum die ägyptischen Bauten mit den Bauten anderer Völker und Staaten zu vergleichen; die grosse chinesische Mauer, die medische Mauer der Babylonier und noch einige ähnliche Bauten bieten sich einzig zur Vergleichung dar. Eine Abbildung des Transportes eines Steinkolosses bei Wilkinson, manners and customes of the ancient Egyptiens (London 1837), III. S. 328, gibt zugleich ein Bild des ganzen ägyptischen Staats - und Volkslebens. Dem Zuge voraus schreiten 7 Reihen Krieger, denn nur mit Kriegsgewalt konnte das Volk vermocht und gezwungen werden, den Baulaunen seiner Herrscher und Bedrücker sich zu fügen. Hinter dem siebenfachen Kriegerzuge folgt auf einer grossen Schleife das kolossale Steinbild, welches an vier dicken und langen Seilen von einer grossen Menge von Männern mit schwerer Anstrengung fortgezogen wird. Vorn am Fusse des Steinkolosses steht ein Mann mit einem Gefässe, welcher wohl Wasser auf den Boden vor der Schleife giesst, um die Entzündung zu verhindern oder sonst den Transport zu erleichtern, wie auch neben dem Zuge noch andere Männer mit bereit gehaltenen weitern Wassergefässen gehen. Den Zug schliesst eine Masse noch unbeschäftigter und unthätiger Leute, damit ihnen die Last und das Joch aufgebürdet werde, wenn dieselbe die Vorangehen den nicht mehr zu tragen im Stande sind. In solcher Weise schleppten die ägyptischen Könige Steinmassen von 74 Millionen Kubikfuss zusammen, wie es die französischen Ingenieure bei einer der grossen Pyramiden von40 Ghizeh berechnet haben;1)Schnaase, I. S. 377; Lübke, S. 49. die Leiden und Schmerzen des Volkes aber sind unberechenbar. Um die Menschenmassen zu dem bestimmten Ziele übereinstimmend zu bewegen und gleichsam als Maschinen zu gebrauchen und zu beherrschen, wurde gewiss von den ägyptischen Priestern vom Haupte bis zu den niedrigsten Gliedern Alles geregelt, eingetheilt und eingeordnet, so dass Aegypten als die Heimath und das Ursprungsland der Bauordnungen, Steinmetzordnungen, Aufnahmsrituale und Rituale jeder andern Art u. s. w. angesehen werden darf, zumal ja Gesetz und Ordnung, Zahl, Mass und Gewicht die Seele und das Wesen aller Baukunst und daher Zirkel und Winkelmass die untrennbaren Attribute des himmlischen und irdischen Baumeisters sind. Dass die Priester und priesterlichen Bauleute namentlich gewissermassen sich im militärischen Takte und in militärischer Ordnung bewegt und gestellt haben, ist an den gleichmässigen Stellungen zu entnehmen, welche sie ihren kolossalen Steinfiguren gegeben haben, wie überhaupt vorherrschende Gleichförmigkeit und Unabänderlichkeit und der Mangel an lndividualität und Veränderlichkeit das Gebrechen der ägyptischen Sculptur und Malerei sind. Was aber besonders auffallend und beachtenswerth erscheint, sind die Händerichtungen oder Händehaltungen der ägyptischen priesterlichen Steinfiguren, indem ganz in derselben Weise noch heute die Freimaurer oder die katholischen Priester die Hände und Arme bewegen und halten. Bezüglich des Kreuzens der Arme findet sich in meiner Symbolik, II. S. 493 u. 534, schon das Geeignete bemerkt, womit zugleich nach dem Register die Stellen über das Kreuz zu vergleichen sind. Das Beten der Griechen und Römer, sowie der alten Christen, stehend und mit ausgebreiteten Armen und erhobenen Händen, so dass dieselben mit dem Rumpfe des Körpers ein Kreuz bilden,2)Symbolik, I. S. 411. möchte ebenso dem ägyptischen Kultus und Ritus entlehnt sein, indem nach den vorhandenen Denkmalen auch die Aegypter mit erhobenen Händen beteten. 3)Uhlemann, II. S. 193.Ferner findet sich41 das noch heute bei den Freimaurern überall übliche Stehen im Lehrlings - und Gesellenzeichen, nämlich das Auflegen der Hand auf die Brust gleich unter dem Kinn, während der linke Arm eng anliegend am Körper hinabgestreckt wird, was zugleich eine wirklich militärische Stellung ist als eine feierliche oder gottesdienstliche Stellung der ägyptischen Priester, z. B. an den riesigen Steinfiguren in den Felsengrotten zu Girscheh im untern Nubien, wovon bei Lübke, S. 567 eine Abbildung in freilich sehr undeutlichem Massstabe gegeben ist, ebenso in dem Vorraume des Felsentempels zu Ipsambul (Abu Simbel), wovon bei Rosengarten, die architektonischen Stylarten, Braunschweig 1857, S. 29, eine Darstellung enthalten ist. Es steht nicht entfernt zu bezweifeln, dass an den ägyptischen Denkmalen noch weit mehr mit der christlichen oder maurerischen Symbolik Uebereinkommendes aufzufinden, aber bis jetzt entweder nicht beachtet oder nicht erkannt worden ist. Das Stehen im Lehrlingszeichen scheinen von den ägyptischen Priestern sodann vorzüglich die Pythagoräer und nach ihnen die Essäer angenommen zu haben. Von den Essäern berichtet Philo von Alexandrien, dass dieselben in einer dem jetzigen maurerischen Lehrlings - oder Gesellenzeichen ganz entsprechenden Stellung stehend, dem Unterrichte ihrer Lehrer zuhörten. Dass auch durch das ganze Mittelalter hindurch den Bauleuten dieses (ägyptische) Lehrlingszeichen wohl bekannt gewesen sei, beweiset z. B. die nach Lisch im J. 1386 erbaute und durch viele maurerische Symbole sich auszeichnende Cistercienserkirche zu Doberan, indem darin auf einem Altarblatte, welches das heilige Abendmahl darstellt, die Apostel ganz in dem Lehrlingszeichen stehen. 1)Freimaurerzeitung vom Jahr 1858, S. 388. Sehr wahrscheinlich ist weiter, dass das taktvolle oder regelmässige Händeklatschen, welches bei sehr vielen Völkern des Alterthums und der Neuzeit sich findet und auch bei den Freimaurern sich in lebendigem Gebrauche erhalten hat,1)vergl. darüber Symbolik, I. S. 116 ff. ; Bötticher, kleine Schriften, I. S. 321 ff. von den Aegyptern, und zwar verbunden oder verstärkt mit besonderen Schlag -42 instrumenten (crusma genannt1)Böttiger, kleine Schriften, II. S. 208. ), bei der Aufführung ihrer Riesenbauten, z. B. beim Brechen, Heben und Fortziehen grosser Steinlasten, angewandt worden sei, um eine möglichst gleichzeitige und dadurch stärkere Bewegung und Wirkung der Menschenkräfte hervorzubringen. In derselben Weise und zu einem ähnlichen Zwecke bedienten sich die Aegypter bei ihren Heeren der Trommel2)Uhlemann, II. S. 98. und die grosse Heertrommel mit 2 Fellen, caisse de tambour, die schon Plutarch in der vita Crassi bei den Parthern beschreibt, lernten die Europäer erst in den Kreuzzügen von den Arabern kennen. 3)Böttiger, Kunstmythologie, I. S. 294, Anm. 8. Das Händeklatschen (battement des mains) als begleitender Ausdruck der menschlichen Gefühle, der Lust und des Schmerzes, der Zufriedenheit und der Unzufriedenheit, des Tanzes, des Gesanges und der Musik, ist etwas sehr Gewöhnliches und Natürliches und findet sich in dieser Gestalt bei den Aegytern, Griechen, Römern, Indern,4)Paulin, voyage aux Indes orientals, II. S. 369; Renand, nouvelle symbolique, Bruxelles 1861, S. 59. bei den Negern auf der Westküste von Afrika in Congo5)Bastian, ein Besuch in San Salvador, Bremen 1859, S. 35, 48 und 228. u. s. w.: jedoch als Mittel zur Erhaltung der Ordnung und zur Anspornung des Eifers möchte es doch vorzüglich und zuerst bei den Aegyptern und Assyriern gebraucht worden sein. Bei den Negern gebietet der König durch Händeklatschen Stillschweigen. 6)Bastian, S. 56. In Brasilien schlagen die Indianer, nachdem sie einen Kauf abgeschlossen haben, zum Zeichen ihrer Zufriedenheit gewöhnlich in die Hände. 7)Ausland für 1833, S. 1413 a.

Nicht so fast das griechische Volk, welches noch gar nicht als ein freies und selbstbewusstes vorhanden war, sondern die volksbeherrschenden Könige und Fürsten verkehrten eigentlich mit den Phöniciern und eigneten sich von ihnen die ihnen nützlichen Gewerbe, Künste und Kenntnisse an. Noch überwiegender aber war in den pelasgi -43 schen, in den vorhellenischen Zeiten wohl der Einfluss und die Herrschaft der Priesterschaft, ja möglicherweise hatten in den ältesten Zeiten die Pelasger eine Art Kastenverfassung, wie die Aegypter und Inder, welche erst gebrochen und überwunden werden musste, bevor das Hellenenthum, das Griechenthum sich entwickeln und erblühen konnte. Lebten auch die ältesten Pelasger getheilt und getrennt in erbliche Kasten mit Königen und Priestern, Kriegern und Fürsten an der Spitze, erscheint es gewiss weit einleuchtender und leichter, dass die noch weniger gebildeten griechischen Kasten mit den schon gebildeteren ägyptischen, besonders die Priesterschaft mit der Priesterschaft, in Berührung getreten seien und unbeschadet der innern und nationalen Verschiedenheit das allgemein Brauchbare in Gewerben und Künsten herübergenommen haben; eine Geschichte der Menschheit und eine menschliche Entwickelung besteht ja nur in dem Gedanken und unter der Voraussetzung, dass nicht jedes Volk wieder ganz von Neuem anfangen und das schon Gefundene nochmals suchen und finden müsse, sondern dass das nachfolgende weltgeschichtliehe Volk in dem allgemein Menschlichen, in dem rein Geistigen dort fortfahren könne, wo das vorangehende stehen geblieben. In dieser Weise sind die griechischen Künste und Wissenschaften durch die Römer den christlich-germanischen Völkern überbracht worden, um fortan ein unverlierbares Gemeingut der Menschheit oder die Kunst und die Wissenschaft zu sein. 1)Vergl. bei Schnaase, II. S. 523, die schöne Schlussbetrachtung über die weltgeschichtliche Bedeutung der römischen Kunst oder vielmehr der Römer für die griechische Kunst.Dass die Völker des vorgeschichtlichen Griechenlands übrigens auch den ägyptischen und indischen entsprechende Eintheilungen und Verhältnisse, namentlich einen abgesonderten Priesterstand gehabt haben mögen, und dass es den geschiehtlichen griechischen Zeiten selbst nicht an einzelnen Erscheinungen fehle, die sich als Reste solcher Verhältnisse betrachten lassen, dafür darf verwiesen werden auf Hermann, griech. Staatsalterthümer, §. 5 und §. 97 ff. Diodor I. 28 und Plutarch vit. Lycurg. cap. 4 wollen sogar die44 Ständeverschiedenheiten in Attica und Lacedaemon aus Aegypten herleiten. Priester - und andere Aemter waren in Athen und an sonstigen Orten noch in den spätesten Zeiten erblich und berechtigen zu dem Schlusse auf die einstige allgemeine Erblichkeit der Aemter innerhalb der Priester - und der Kriegerkaste. Kreta z. B. besass Könige nur in sehr früher Zeit; ihre Stelle vertraten 10 Kosmen, die aus gewissen Familien ohne Rücksicht auf Würdigkeit gewählt wurden und namentlich auch im Kriege den Oberbefehl hatten. 1)Hermann, St. A., §. 21. Die Fragen über die ausländischen, besonders die ägyptisch-phönicischen Einwirkungen und Anregungen auf das erwachende Griechenland werden gewöhnlich aus zu einseitigem Standpunkte, entweder dem blos philologischen, mythologischen oder künstlerischen erörtert, ohne Kenntniss und ohne Berücksichtigung der damaligen gewissen oder doch wahrscheinlichen politischen Zustände; wollte man sich nur erinnern, was Römisches die Priesterschaft und was Französisches der Adel und die Fürsten nach Deutschland, was die seefahrenden und seebeherrschenden europäischen Städte und Staaten Europäischisches nach allen Ländern der Erde verpflanzt haben, würde man wohl anders und mindestens weniger leidenschaftlich gegen Andersmeinende urtheilen. Das Beispiel von Kreta, welches sich ähnlich auch in Athen bezüglich des letzten königlichen Geschlechtes der Neliden oder Kodriden wiederholt,2)Schoemann, griech. Alterthümer, I. S. 318. zeigt deutlich den geschichtlichen Entwickelungsgang von dem unbedingten Erbrechte zu einer Wahl aus den Erbberechtigten, worauf dann mehr oder weniger schnell die ganz freie Wahl der Beamten folgte und zwar auf stets kürzere Zeiträume; es mögen im Allgemeinen das Königthum, die Aristokratie und Demokratie als die drei geschichtlichen Eutwicklungsstufen bezeichnet werden. 3)Vergl. auch Hermann, §. 103 ff.

Den den Griechen so eigenthümlichen und bei ihnen bis auf die letzten Zeiten so hochgeschätzten Mysteriendienst, geheimen Gottesdienst, Gottesdienst an geheimen45 dunklen und künstlich erleuchteten Orten möchte man kaum anders als für den Ueberrest, für die griechische Gestaltung des geheimen ägyptischen Priesterdienstes ansehen können. Nach ägyptischem (wie nach indischem) Begriffe ist Gott der Verborgene (Amun), der Unsichtbare, der Unerforschliche und Unnahbare,1)Vergl. Knötel, Cheops der Pyramidenerbauer, Leipzig 1861, S. 116. und um dieses symbolisch anzudeuten, werden die Götterbilder, die göttlichen Symbole an dem verborgensten und dunkelsten Orte des Tempels aufgestellt, ohne dass das Allerheiligste von der Masse der Gläubigen betreten werden durfte, und selbst den Priestern oft nur zu bestimmten Zeiten zugänglich. Das Allerheiligste ist das (mit Ketten) verschlossene Allerdunkelste, wie dieses an dem in dieser Rücksicht ganz ägyptisch eingerichteten Allerheiligsten des salomonischen Tempels zu erkennen ist. 2)Symbolik, II. S, 141 ff. An die goldenen Ketten, welche an dem Allerheiligsten des salomonischen Tempels herabhingen, erinnern auch die goldene Kette, welche von dem schimmernden Dache des ältesten Tempels zu Upsala herabhing und den ganzen Bau umgab, wie überhaupt der Tempel zu Upsala gleich dem salomonischen von Gold erglänzt haben soll. Upsala heisst buchstäblich die Stadt des Tempels. 3)Leinburg, Hausschatz der schwedischen Poesie, III. ( Leipzig 1860), S. 324.Nach Mannhardt, germanische Mythen, S. 675, soll die goldene Kette am Tempel zu Upsala ein Symbol des Nornenseiles gewesen sein, wie sich bei demselben auch ein immergrüner Baum und ein Brunnen befunden habe als Symbol der Esche Yggdrasil und des Urdarbrunnens. Schnaase behauptet dagegen (IV. 2, S. 435), es sei jetzt allgemein anerkannt, dass der sogenannte Odinstempel bei Upsala, ein von grossen rohen Steinen aufgeführtes schlichtes Gebäude, nicht aus heidnischer Zeit stamme. Der Grundgedanke des ägyptischen Tempels, womit in jener höchst auffallenden und merkwürdigen Weise die unter allen Umständen der Zeit nach jüngern indischen Tempel oder Pagoden übereinstimmen, ist der,46 durch mehrere, stets feierlicher und grossartiger eingerichtete Räume, namentlich durch einen oder mehrere grosse oder zuweilen ungeheure Steinsäulensäle, z. B. in der grossen Pagode von Chalambron bei Pondichery durch einen Saal von 1000 Säulen, zu dem an dunkelem und verborgenem Orte aufgestellten Götterbilde hinzuleiten. Um sich über die indischen Tempel - und Grottenbauten zu unterrichten, kann wegen der vielen beigefügten Grundrisse und Abbildungen vorzüglich Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. Leipzig 1844, dienen, welcher erste Band die allgemeine Einleitung und die indische Baukunst enthält. Kürzer hat neuerlich Lassen, IV. S. 853 ff., von der indischen Baukunst, also auch von den Felsentempeln und Klosterhöhlen gehandelt. Wenig brauchbar ist, weil auf ganz falschen Voraussetzungen von hohem Alter beruhend, was Schnaase, Geschichte der bildenden Künste, I. S. 131 ff., darüber sagt; in ähnlichem Sinne berichtet die Apostelgeschichte des Geistes, I. S. 39 ff. Dagegen enthalten über die indische Baukunst und über die Grottenbauten Schätzenswerthes Robertson, historische Untersuchungen über die Kenntnisse der Alten von Indien, übersetzt von G. Forster, Berlin 1792, S. 262 ff. und 360 ff., und A. W. Schlegel, indische Bibliothek, II. S. 453 ff. Sind die dunkelen Orte des Götterbildes vergoldet oder auch nur mit goldenen Bildsäulen, Altären, Thronen u. s. w. geschmückt, wie das Allerheiligste bei dem salomonischen Tempel, wird damit die zweite Eigenschaft der Gottheit symbolisirt, dass der Verborgene und Unsichtbare im ewigen Lichte, oder auch in einer unnahbaren Feuerburg wohne und throne. Die dunkele Götterwohnung, in Grotten und Höhlen besonders, welche sich gleichmässig bei den Semiten und Ariern, bei der Urmenschheit in Asien, Afrika und Europa findet, möchte auch weiter mit dem dualistischen Glauben an das Licht und die Finsterniss und das Hervorgehen des Lichtes und der Schöpfung aus der Urnacht durch das allmächtige Schöpfungswort, dass es werde, zusammenhängen. Die Verehrung und Anbetung der Gottheit in der Dunkelheit, in der dunkelen Grotte und Höhle, sollte dem Menschen vergegenwärtigen, dass alles Licht und alles Gute von der Gottheit komme und sie allein die Nacht,47 und das Böse zu überwinden vermöge. An dem dunkelen, abgesonderten und verborgenen Orte, welchen blos ein sparsames, künstliches Licht erleuchtet, kehrt der Mensch eher und leichter in sich selbst und zur Gottheit zurück; die Grotten und Höhlen sind die heiligsten Tempel, die stillsten Orte der Selbstsammlung und Gottbetrachtung, der Versenkung in sich selbst und in die Gottheit, der Erreichung des Yoga, der Busse und der Besserung, und namentlich haben darin die so viel besprochenen, so verschiedenartig gedeuteten und scheinbar so räthselhaften indischen buddhistischen und brahmanischen Grottenbauten ihre Entstehung und zwar in verhältnissmässig sehr späten Zeiten, womit allein schon eine ganze Reihe von Vermuthungen in Nichts dahinfällt. Diese Grottenbauten entstanden zunächst mit dem rasch und allgemein nach dem Jahre 543 v. Chr. über das eigentliche Indien, und namentlich über das Dekhan, sich verbreitenden Buddhismus und aus seinem Hange zum beschaulichen Büsserleben, zum klösterlichen Leben; die Thätigkeit, die Hingebung und begeisterte Unermüdlichkeit, welche einer jeden neuen Religion eigen sind, beurkunden sich bei den friedlichen indischen Buddhisten während mehrerer Jahr hunderte vor und nach Christus in den Grottenbauten, in dem Aushöhlen der Granitfelsen, wogegen die Araber ihren neuen Glauben mit dem blutigen Schwerte erobernd und zertrümmernd über die Erde tragen. Die brahmanischen Grottenbauten sind Gegenbauten, das Erzeugniss des anfänglich noch friedlichen und unblutigen religiösen Kampfes der Brahmanen gegen die Buddhisten, weshalb die buddhistischen und brahmanischen Grottenbauten oft neben einander liegen, wie im Anfange die Buddhisten und Brahmanen neben einander wohnten. Später mussten die Buddhisten den Verfolgungen der siegreichen Brahmanen erliegen und weichen, ihnen ihre jetzt abgeänderten und brahmanisch umgestalteten Grottentempel und Grottenwohnungen überlassen. Auch die vermuthlich aus den Buddhisten hervorgegangenen Gaina’s liebten daher die Grottentempel und Grottenwohnungen. Die Höhlen und Riesenidole bei Bamian am Hindukusch sind gleichfalls bud -48 dhistischen Entstehens, wie auch Burnes annimmt. 1)Ausland für 1834, S. 900. Mit den heiligen Grotten -, Fels - und Gebirgsbauten berühren sich die gleichfalls in dem Alterthume und zumal in Aegypten so häufigen Felsengräber, in denen der unsterbliche Mensch dem ewigen Lichte und Morgen, der Wiederauferstehung entgegen schläft und harrt. Mit den Felsgräbern konnten auch leicht und natürlich Göttertempel, besonders zum Todtendienste, und selbst Wohnungen für fromme Büsser verbunden werden, wie es oft geschehen ist. Sehr beachtenswerth ist das ganz dunkle oder bei Tag wie bei Nacht mit künstlichem Lichte zu erleuchtende buddhistische Kloster auf einem Berge bei Gajâ-Buddha in Magadha, welches der chinesische Pilger Hiuen Thsang in der Mitte des 7. Jahrhunderts besucht und nach ihm Lassen, IV. S. 694, beschrieben hat. Dieses von einem reichen frommen Brahmanen erbaute Gebäude war zwar allerdings auf besondere Kultzwecke berechnet, es war ein freigebautes oder künstliches Grotten - oder Felsenkloster: aber kaum etwas besonders Geheimnissvolles, da es sonst am wenigsten von einem Andersgläubigen hätte erbauet werden können. Es war gleichsam eine Maurerloge, eine Maurerhöhle. 2)Symbolik, I. S. 56 ff. Ganz dunkele Zimmer, zu besonderen cultlichen Handlungen bestimmt, finden sich zuweilen auch in den indischen Grottentempeln und Grottenbauten, z. B. zu Ellora in dem Tempel Dumar-Leyna,3)Romberg und Steger, I. S. 56 b. in dem Tempel von Dherwara,4)Romberg und Steger, I. S. 64 a. in dem Tempel von Djegueseri auf Salsette,5)Daselbst, S. 69 a. in den Grotten von Keneri, welche mit den Monumenten von Syuth in Aegypten eine auffallende Aehnlichkeit haben sollen. 6)Daselbst, S. 69 b.Die dunkelen indischen Pagoden im engeren und eigentlichen Sinne, die Allerheiligsten, die einzig und allein durch die geöffnete Thüre Sonnenlicht empfangenden und darin auch vielen griechischen, nur gleich -49 mässig erleuchteten Tempeln gleichenden Räume und Wohnungen des Götterbildes, verglich De la Flotte, essais historiques sur l’Inde. Paris 1774, S. 214 und 219, dunkelen Löchern (à de fours). Vor den ganz dunkelen, oder auch nur durch ein einziges Fenster erleuchteten, Allerheiligsten oder Heiligen brennt eine Lampe und steht ein Tisch zur Aufnahme der Opfergaben. 1)Paulin, voyage aux Indes orientales, I. S. 101.

Krypten, d. h. unterirdische Loealitäten oder Gemächer, befanden sich auch schon bei einzelnen griechischen Tempeln und die christlichen Krypten, auch Confessionen genannt.2)Schnaase, IV. 1. S. 160 ff. wie sie im Mittelalter als unterirdisches Gräber - und Bethaus, als dem Todtencultus geheiligte Räume z. B. sogleich bei den ältesten sächsischen Kirchen zu Quedlinburg,3)Schnaase. IV. 2. S. 60 ff. in der Stiftskirche zu Gernrode,4)Daselbst S. 65 in dem Dome zu Bremen,5)Daselbst S. 72. ferner in dem im Jahr 1030 gegründeten Dome zu Speier, dessen Krypta die Familiengruft des salischen Kaisergesehlechtes bilden sollte,6)Daselbst S. 108. in der mit diesem Dome gleichzeitigen Klosterkirche zu Limburg bei Dürkheim a. d. H., im Dome zu Augsburg,7)Daselbst S. 143 Anm. ***. zu Freisingen,8)Daselbst S. 145. zu Prag,9)Daselbst S. 150. zu Utrecht,10)Daselbst S. 154 Anm. *. in S. Clemente zu Rom, zu Verona in S. Zeno, in S. Minato bei Florenz, im Dom zu Modena11)Daselbst S. 205. und zu Parma, in Notre Dame du Port zu Clermont,12)Daselbst S. 271. im Dome zu Auxerre, in der Abteikirche St. Benigne zu Dijon,13)Daselbst S. 285. in St. Philibert zu Tournus,14)Daselbst S. 289 zu Jouarre mit dem50 Grabmale des h. Angilbert ( 6801)Schnaase, IV. 2. S. 367 unten. ), zu Canterbury,2)Daselbst S. 386. zu Gloucester, in dem Dome zu Viborg in Jütland,3)Daselbst S. 432. in dem Dome zu Basel, vorkommen, sind gewiss nur eine Nachahmung und Fortsetzung derselben. Dergleichen unterirdische Räumlichkeiten, wie z. B. im Peribolos des Tempels des Poseidon auf dem Isthmus zu Corinth, wo Palaemon und Melikertes begraben sein sollte, im Tempel zu Delphi, woselbst die Gräber des Dionysos und des Python geglaubt wurden, in den Heiligthümern zu Lebadeia und Oropos mit den Gräbern des Trophonios und Amphiaros, in dem Tempel der Athene zu Pallene u. s. w., hiessen Adyta oder Megara, obgleich Megaron in weiterer Bedeutung für die Cella des Tempels, besonders eine solche gebraucht wird, die nur den Priestern oder den Eingeweihten zugänglich war. 4)Schoemann, griech. Alterthümer, II, S. 183; Pyl, die griechischen Rundbauten, S. 68 ff.So z. B. durfte die Grotte der Rhea bei Methydrion in Arkadien blos von den Priestern betreten werden. Dass die unterirdischen Heiligthümer mit dem Todtendienste in Verbindung stehen, ist deshalb nicht zu bezweifeln, weil in ihnen oder doch bei ihnen sich so oft das Grab eines Heroen oder eines Gottes, oder auch beider befinden soll, worüber Pyl sehr fleissige Nachweisungen gegeben hat. Da die Mysterienweihen gewöhnlich Todtenculte waren oder sich an das Leiden und Sterben eines Gottes oder Heroen anlehnten, stehen jene unterirdischen Räume zugleich in Beziehung zu den Mysterien. Pyl zufolge waren diejenigen Gebäude, welche chtonischen Culten dienten, ganz oder zum Theil unterirdisch, während es sich umgekehrt mit den Heiligthümern der obern Gottheiten verhielt. Die sog. Schatzhäuser des Atreus und seiner Söhne zu Mykene, des Minyas zu Orchomenos, zu Amyklae und Pharsalos u. s. w., welche als sehr schwerfällige, sich nach oben durch Ueberkragung gleichsam zuwölbende Rundbauten erscheinen, sieht Pyl als uralte gemeinschaftliche Cultlocale eines Gottes und eines51 Heroen an, welche zugleich den Tempelschatz bargen und daher später vorzüglich den Namen der Schatzhäuser behielten; den Tempelschatz sollen die Heroen durch Seefahrten erworben haben, wodurch zugleich Beziehungen zu Poseidon begründet werden.

Nach Winckelmann, Sendschreiben von den hereulanischen Entdeckungen, Dresden 1762, S. 28, fand sich zu Herculanum in einer am Meere gelegenen Villa ein kleines, völlig dunkeles Zimmer, etwa 5 Palmen lang, nach allen Seiten, und 12 Palmen hoch, welches mit Schlangen bemalt war, woraus geschlossen werden will, dass es zu dem eleusinischen Dienste gedient habe, weil auch ein schöner Dreifuss von Erz hier gefunden wurde. Der kleine Raum kann unmöglich zu einem gemeinschaftlichen Versammlungsorte, sondern blos zu einem Vorbereitungsorte oder zur Kammer des stillen Nachdenkens des Einzelnen gedient haben. Uebrigens wurden die Eleusinien zu Eleusis nach ägyptischem Vorbilde wesentlich als ein nächtlicher Weihedienst gefeiert, indem die Hauptweihe stets eben ein Sterben und Wiederauferstellen nach dem göttlichen Vorbilde war. Aristophanes in den Fröschen nennt daher auch die eleusinischen Weihen Nachtweihen. Als die christlichen Kaiser Constantius und Galerius alle Nachtfeiern verboten, wurden auf Verwendung des Proconsul von Achaia, Prätextatus, die Eleusinien von dem Verbote ausgenommen. 1)Schoemann, II. S. 357.Da die unterirdischen Heiligthümer, die Felsentempel und Felsengrotten, die Höhlendienste von Indien an durch Mittel - und Westasien bis an die Küsten des Mittelmeeres und nach Kleinasien, sowie von Aegypten an über die Inseln des Mittelmeeres, Kreta, Sicilien, Sardinien u. s. w., sich nach Griechenland und Italien und selbst bis zu den Druiden nach Gallien und Britanien in höchst überraschender Uebereinstimmung ausdehnen, darf hieraus auch auf einen mehr oder weniger übereinstimmenden Todten - und Mysteriendienst geschlossen werden, dessen jüngste und letzte Ausläufer die Maurerlogen und Hiramweihen wären. Südindien ist jedoch keineswegs ein Ausgangsland, vielmehr wurden dahin diese52 Bauten und Dienste mit den Ariern selbst von Norden und von Westen her verbreitet. Welcher Zusammenhang zwischen den einzelnen Ländern und Völkern und zwischen diesen und den Maurerlogen und Maurerdiensten bestehe, kann allerdings noch nicht gesagt werden, ohne dass deshalb der Zusammenhang nicht vorhanden wäre oder geleugnet und bestritten werden dürfte; in England jedenfalls stehen die maurerischen Lehren und Einrichtungen mit denjenigen der Druiden und spätern Barden in vielfachen, sogar gegenwärtig schon urkundlich vorliegenden Berührungen.

Unter der Peterskirche zu Rom befindet sich die Sacre Grotte, die Reste des von Constantin aufgeführten alten Gebäudes, aus mehreren langen und gewundenen Gallerieen bestehend mit Todtenurnen der Kaiser, Päpste und Heiligen. Das Musterbild aber einer maurerischen Meisterloge möchte die Kapelle unter der Kirche dell Orazione zu Rom bei dem Todtenfeste darbieten, welche bei dieser Gelegenheit schwarz ausgeschlagen ist; die Altäre sind mit jedem melancholischen Attribute ausgestattet, und nur düster mit wenigen Lampen erleuchtet; an den Wänden der Kapelle stehen Haufen von Todtenknochen nach ärchitektonischen Regeln aufgerichtet, und in der Mitte erhebt sich, von Cypressen umschattet, ein Katafalk. mit dem schauerlichen Bildnisse des Todes, während das Ganze mit Arabesken aus Gebeinen, in der Gestalt von Herzen, Sternen, Dreiecken u. s. w. eingefasst ist; einige Altäre hat man ganz aus Todtenknochen aufgerichtet, die Leuchter sind aus demselben Material gebildet und selbst das Gefäss, welches das Weihwasser enthält, ist ein Todtenschädel. 1)Ausland für 1834, S. 1286 a.Da die Bauleute einstens nicht allein katholisch, sondern selbst zum Theil wirkliche Klosterbrüder oder doch Laienbrüder waren, in den spätern Zeiten aber allgemein religiöse Bruderschaften mit der besondern Verpflichtung zum Todten - und Seelendienste bildeten, sind im vollsten geschichtlichen Sinne die Todtenfeiern der katholischen Kirche die Vorbilder des maurerischen Todtendienstes in der Meisterloge und Trauerloge, wie den Todtenfeiern der katholischen Kirche53 wieder der ägyptisch-phönicische Adonisdienst zu Grunde liegt und vorausgeht. Aehnlich ist die maurerische Zeichensprache. besonders die Sprache der Hände und der Finger, nur ein schwacher Ueberrest der klösterlichen Zeichensprache, die einstens namentlich in Aegypten und Italien zu Hause war und theilweise noch heute es ebenso ist. 1)Ausland für 1833. Nr. 31 ff. ; 1834, S. 1294 und 1417. Bei den Trappisten ist das eigentliche Hauptbeiligthum des Ordens die Höhle des heiligen Bernhard. 2)Ausland für 1834, S. 1405 a.

Die für die Geschichte des Christenthums und namentlich auch für die enttehende christliche Kunst so bedeutungsvollen römischen Katakomben3)Schnaase, III. S. 54 ff. ; L. Hutmacher, ein Besuch in den römischen Katakomben von San Kalisto, Mainz 1861. waren christliche Felsengräber und Felsenkirchen, Todtenkirchen, Krypten und im Noth - und Unglücksfalle selbst Wohnungen. Bei dem Aufsuchen und Einrichten dieser Katakomben schwebten gewiss Erinnerungen an die ähnlichen Todtenstätten Aegyptens, Carthagos und anderer Orte vor. Hunderttausende von kreuzweis über einander gelegten Mumien soll z. B. die Grotte von Samum enthalten. 4)Ausland für 1834, S. 765. Auch die alten Römer schon bestatteten ihre Todten, die Aschenkrüge, zum Theil in Felsenhöhlen oder unterirdischen Kammern. 5)Schnaase, II. S. 470. Aehnliche Katakomben wie zu Rom, jedoch vermuthlich aus ältern Zeiten stammend, finden sich auch zu Neapel, zu Syracus, zu Athen, auf den canarischen Inseln und anderwärts;6)Ausland für 1833, S, 1367 b. ff. die jüngsten solcher Katakomben sind wahrscheinlich diejenigen von Paris. Nach einer isländischen Sage bestand im Mittelalter in Deutschland oder zu Paris eine Schule der schwarzen Kunst, welche in einem unterirdischen, fenster - und lichtlosen Gemache gehalten wurde und worin die Schüler je nach Umständen 3 7 Jahre bleiben und lernen mussten. 7)Maurer, isländische Volkssagen, S. 120. Die ägyptischen Felsengräber bei Theben8)Schnaase, I. S. 356. treten mit den römi -54 schen Katakomben noch dadurch in eine ganz besondere Beziehung, dass auch sie während des 4ten Jahrhunderts zahlreichen christlichen Einsiedlern zum Wohnorte dienten, wie diese sog. thebaische Wüste auch jetzt noch in ähnlicher Weise von mehreren hundert Arabern bewohnt wird. Fast gleichzeitig findet man demnach in einer höchstmerkwürdigen Uebereinstimmung die buddhistischen und brahmanischen frommen Einsiedler in Vorderindien, die christlichen in Aegypten und in Italien in dunkelen Felsenhöhlen und Felsengrotten, in Felsentempeln und Felsenwohnungen. Ein Auswuchs und Nebenzweig des gottgefälligen Lebens in den Felsen sind die sog. Styliten oder Säulenheiligen, welche sich auf hohe steinerne Säulen zurückzogen und darauf lange Jahre verweilten. Der Stifter der Styliten-Sekte, der fanatische Säulenheilige Sisanites, Sohn eines syrischen Hirten, soll 37 Jahre in heiliger Beschauung auf fünf Säulen von steigender Höhe zugebracht haben. Er starb um das J. 461. Die letzte Säule, die er bewohnte, war 40 Ellen hoch. 700 Jahre lang gab es Menschen, welche diese Lebensart nachahmten und Sancti columnares (Säulenheilige) hiessen. Selbst in Deutschland, im Trierschen, versuchte man Luftklöster anzulegen, aber die Bischöfe widersetzten sich der gefahrvollen Unternehmung. 1)Humboldt, Ansichten der Natur, I. S. 221. Auch in der Schweiz werden deutliche Spuren des frommen Einsiedlerlebens in den Felsen getroffen, z. B. bei Solothurn und beim Uebergange über die Gemmi von Lenk aus. Nach Pyl, die griechischen Rundbauten, S. 56, würde das Wort〈…〉〈…〉 gleichbedeutend mit Höhle sein und namentlich wäre das Gortynische Höhlenlabyrinth auf Kreta der dortigen Höhle gleichzustellen, in welcher Zeus geboren sein sollte.

Die schlüsseltragenden oder die eröffnenden und beschliessenden Gottheiten, wie Osiris und Isis bei den Aegyptern, Hades, Pluto und Hekate,2)Wieseler, Denkmäler, II. Nr. 884, 891 und 894 a. Athene bei den Griechen, Janus und Diana, Jana bei den Römern,3)Vergl. darüber besonders Böttiger, Ideen zur Kunstmythologie, I. S. 247 ff. oder55 der Schlüssel der Lichtgötter als Symbol der Herrschaft über Tag und Nacht, Aufgang und Niedergang, Ober - und Unterwelt, Himmel und Erde möchten den Phöniciern, den den Tubalkain oder Telchinen, d. h. den Ursemiten angehören und von ihnen zunächst und am frühesten auf die Aegypter übergegangen sein. Ganz ursprünglich ist dieser Schlüssel nur der Blitz, der Stab, womit die Gewitterwolken geschlagen und geöffnet werden, damit ihnen der befruchtende Regen entströme; daher berührt sich der Schlüssel in seiner frühesten oder ältesten Gestalt so innig mit dem Stabe, ist nur ein Stab mit einer Krümmung, mit einem Haken oben, wie denselben namentlich Osiris gleichsam als Scepter in der Hand hält, und wie wir ihn noch heute bei den Schlossern sehen können. Auch der indische Ganeça, wörtlich der Herr der Zahlen, ein Sohn des Çiwa und der Parvadi oder der Sonne und des Mondes, welcher allgemein mit dem römischen Janus verglichen wird, trägt häufig einen Hakenschlüssel, einen Schlüssel mit einem umgebogenen Haken, um die hölzernen Riegel an den Thüren aufzuheben, welche anfänglich allein das Thürschloss bildeten. 1)Paulin, voyage, I, S. 112 ff. und II, S. 26.Als Gott oder Erfinder der Schreibkunst und der Wissenschaft tritt jedoch Ganeça auch dem ägyptischen Thot-Hermes zur Seite. Der Stab des Moses, der Schlüssel des Petrus und der Krummstab des Papstes sind ursprünglich ganz gleichbedeutend und derselbe jüdisch-christliche Nachklang des asiatischen Blitzsymboles, welches auch der griechische Zeus und der indische Wischnu als Flammenrad hält. Der Stab als blosser Wander - und Hirtenstab ist kein Lichtsymbol, sondern das ursprünglichste und dem Hirtenleben entlehnte Attribut Gottes, der Priester und der Fürsten als himmlischer und irdischer Fürsten der Völker; diesem Hirtenstabe reiht sich das heilige Zelt der Juden mit dem Zelt - oder Tempelvorhange, das Tabernakel der katholischen Kirchen, der Altarvorhang der Maurerlogen u. s. w. an. Auch rechnet Böttiger, Kunstmythologie, I. S. 94, den krummen Massstab (lithuus) der etruskischen Auguren dahin. Wenn zwei56 Schlüssel als Symbol oder Attribut der Gottheiten vorkommen, ist es nur eine stärkere Betonung oder Hervorhebung des ewigen Wechsels und Umschwungs von Tag und Nacht, Sonne und Mond, Sommer und Winter, der Tages - und der Jahreszeiten. Die zwei Schlüssel sind die zwei Säulen der Tempel, welche zu Tyrus abwechselnd während des Tages und der Nacht leuchteten, die zwei Gesichter der Götter und besonders des Janus, die zwei Zwillingsbrüder oder Dioskuren als die Sterne des Abends und Morgens, der Tagesgott mit seiner nächtlichen Schwester, die Latonenkinder Apollo und Artemis, das zweischneidige Schwert der Götter, wie z. B. des Tyr, Sonne und Mond, die zwei grossen Lichter oder Leuchten des Tages und der Nacht, Osiris und Isis, Helios und Selene (Helene), Bel und Bela u. s. w. 1)Böttiger, K. M., I. S. 21 Anm. und S. 247 ff., II. S. 214 ff.Gleich dem Schlüssel ist auch die Harpe (des Kronos) ein Licht - und Blitzsymbol und die Entmannung des Ouranos wohl kaum etwas Anderes als die Bezwingung und Eröffnung der Gewitterwolke (das mare apertum); der niederfallende Samen des Ouranos ist der Regen. Janus ist zugleich der italische Melkart der Phönicier und der Herakles der Griechen, der Gott der 12 Monate und Arbeiten des Jahres, und die Keule des Herakles ist gleichfalls ein Symbol des allesüberwindenden Blitzes. In der Offenbarung Johannis, I. 18, sagt der leuchtende Sonnengott Christus, welcher in seiner rechten Hand 7 Sterne trägt und aus dessen Mund ein scharfes zweischneidiges Schwert geht: Ich habe die Schlüssel der Hölle und des Todes (〈…〉〈…〉). Der Doppelkopf des Janus pater, Jovis pater, möchte von den Aegyptern ausgegangen und aus der ägyptischen Symbolik den italienischen Küstenbewohnern von den Phöniciern zugeführt worden sein. Das zweischneidige Schwert Christi und Johannis könnte nur eine andere Gestalt, die Umgestaltung der zwei Gesichter der ägyptischen Götter im Jehovacultus und im Christenthum sein. Als Gründer der hundertthorigen Stadt Theben steht Osiris auch gleich dem Janus als dem Gotte der Thüren und der Pforten (janua)57 oder Januarius. Ebenso reihen sich die Doppelhermen oder Hermathenen, d. h. die Doppelköpfe des Hermes und seiner Gattin Athene an. 1)Böttiger, K. M., I. S. 253 und 54. Die in ganz Flandern und Brabant sich findenden Fechtergesellschaften, welche den heil. Michael zum Schutzpatron, haben und dessen zweischneidiges Schwert verehren,2)Wolf, Beiträge, I. S. 128 ff. sind jedenfalls heidnisch-römischen oder heidnisch-germanischen Ursprungs und der Verehrung einer Lichtgottheit geweiht. Das Schwert kann das Schwert des Mithra, nach Andern des Mars sein und seine Streiter sind die Genossen; oder es ist das Schwert das Symbol des Sahsnôt, wozu sich Wolf neigt. Der Stab, welchen die kymrischen Barden in der Bardenversammlung trugen, kann auch nur ein Lichtsymbol gewesen sein und steht in seiner symbolischen Bedeutung dem maurerischen Schwerte zur Seite. In den eleusinischen Mysterien wurde den Eingeweihten zum Symbole des zu beachtenden Stillschweigens ein Schlüssel auf den Mund gedrückt, der Mund geschlossen. 3)Vergl. Schneidewin, Oedipus auf Kolonos, Berlin 1857, S. 121.Nach der Legende hatten Demeter und Kore ihren Dienern den Eumolpiden, selbst mit goldenen Schlüsseln den Mund oeschlossen. Der tropische Ausdruck, Jemandem den Mund schliessen, wäre somit dem Mysteriendienste entlehnt. Auf einem Steine des Stossischen Musei wird zufolge Winckelmann, Allegorie, S. 47, die Liebe. dargestellt mit einem Gebunde Schlüssel in der Hand nach Euripides als Herr des Sehlafgemachs der Venus; in dieser Gestalt hiess die Liebe〈…〉〈…〉, Claviger. Nach einer Sage bei Grimm, deutsche Sagen, I. S. 235, wird einst die im Soester Berge verfluchte Jungfrau ein fremder Edelmann erlösen und mit einem feurigen Schlüssel den bei ihr befindlichen, von einem schwarzen Hunde bewachten Kasten mit dem Gelde eröffnen. Einen Schlüssel in der Rechten trägt auch die bei Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, II. (Göttingen 1860) Nr. 967, als Aeon bezeichnete, nach Lajard aber für Mithras zu haltende Menschengestalt mit Löwen -58 gesicht, geflügelt, von einer Schlange umwunden, deren Kopf gerade über der Mitte des Gesichtes liegt, mit einem Blitz mitten auf der Brust und mit einer Fackel, sowie mit einem Scepter oder Massstabe in der linken Hand; zu den Füssen rechts ein Hammer und eine Zange, links ein Caduceus, ein Hahn und ein Pinienapfel. Nach der auf der Figur befindlichen Inschrift wurde dieselbe im Jahr 190 nach Chr. geweiht. Auf einer Broncemünze von Thessalonike trägt ein makedonischer Kabeiros in der Rechten einen Schlüssel und in der Linken einen Hammer. 1)Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, II. Nr. 820. Der Hahn ist oben dem Asklepios wohl als dem Verkündiger des wiedererstehenden Morgens, der Wiedergenesung, des Telesphoros beigegeben,2)Vergl. Wieseler, II. Nr. 787 ff. ; Preller, griech. Mythol., II .. S. 327. wie auch der der Kybele geheiligte Hahn3)Wieseler, II. Nr. 813. blos die ewig wieder sich verjüngende Kraft der Mutter Erde andeuten soll und eben darauf auch der von zwei Schlangen getragene goldene Ring zu beziehen ist, welchen der verschnittene Erzpriester der Kybele, Archigallus, bei Wieseler, II. Nr. 817, um den Hals trägt. Derselbe Priester trägt auf der Brust einen Schild mit dem Bilde des Atys, welcher zum Zeichen des in den Mysterien der Kybele zu beobachtenden Stillschweigens die rechte Hand auf den untern Theil des Gesichtes gelegt hat, gewissermassen in dem maurerischen Halszeichen steht. Plutarch gedenkt eines Apollo mit einem Hahnen auf der Hand, die Sonne anzuzeigen, deren Aufgang der Hahn meldet. 4)Winckelmann, Allegorie, S. 37. Auch neben dem Mercur steht zuweilen ein Hahn, welchen Lucian auf die Vielredenheit deutet. 5)Winckelmann, S. 40.Auf dem Schilde einer Statue des Idomeneus, Königs zu Kreta, und auf Münzen. der Stadt Carystus bezeichnete der Hahn die Sonne. Nach Paulin, voyage aux Indes orientales, II. S. 273, wird bei den Indern der Gott Chani oder Dchani, welcher von ihm dem Saturn verglichen wird, auf einem Hahne, symbole du temps auquel préside ce dieu, 59reitend dargestellt. Auf dem Schnellerts in Hessendarmstadt kräht ein geisterhafter Hahn. 1)Wolf, hessische Sagen, Nr. 9. Wenn am Morgen der Hahn kräht, verschwinden die Spukgeister und Hexen,2)Wolf, Zeitschrift für deutsche Mythol., I. S. 22 und 300. endet die Gewalt der bösen Finsterniss und es herrscht wieder das siegreiche Licht. Zu Frankfurt a. M. auf der Sachsenhauser Brücke steht ein goldener Hahn zum Wahrzeichen, dass der Baumeister der Brücke den Teufel, welcher für ihn in der Nacht hatte die Brücke vollenden müssen, und sich dafür das erste darüber gehende lebende Wesen zum Lohne ausbedungen hatte, durch einen vor sich hergetriebenen Hahn überlistete. 3)Grimm, deutsche Sagen, I. Nr. 185. Eine ähnliche Sage wird von der Erbauung der Reusbrücke erzählt, nur wird hier der Teufel durch eine Gemse betrogen. 4)Grimm, I. Nr. 336. Diese Teufelssagen erinnern an die isländische Sage bei Maurer, isländische Volkssagen, S. 117, von dem Zauberer Thorleifr, welcher sich dem Teufel unter der Bedingung ergeben hatte, dass er ihm zuvor noch drei Wünsche währe; durch diese bannte er den Teufel in einen Sack und prügelte ihn durch, bis er davon fuhr. In Böhmen hatte der als Jüngling dargestellte St. Veit in der Regel einen Hahn neben sich und das böhmische Landvolk brachte bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts dem Heiligen an seinem Gedächtnisstage (15. Juni) in dem Dome zu Prag einen Hahn dar. Auch dem böhmischen Swantewit (nach Stöber, Sagen des Elsasses, St. Gallen 1858, S. 245 vergl. mit S. 259, das heilige Licht) soll der Hahn heilig gewesen sein. Der heilende St. Veit könnte eine Umgestaltung des Heilgottes Asklepios sein und der Hahn, welcher sich zugleich mit dem eröffnenden Schlüssel berührt, der Heilschlange gleichstehen. Im untern Elsass zu Hürtigheim werden dem h. Veit noch jetzt schwarze Hennen geopfert, damit die Kinder von den Gichtern befreiet werden. 5)Wolf, Zeitschrift, I. S. 407.Im Dunzenbruch, d. h. auf den diesen Waldhügel bedeckenden Wurzelstöcken alter60 Eichen wurde früher als eine Opfergabe auch eine Henne mit ihrer Brut niedergelegt. 1)Stöber, a. a. O., S. 269. Stirbt im Elsass auf dem Lande ein Huhn, soll man dafür Gott danken, weil das Huhn an der Stelle oder als Opfer eines Hausgenossen stirbt. Am Versöhnungstage schlachtete bei den Juden der Mann einen Hahn, die Frau eine weisse Henne; eine schwangere Frau opferte wegen des erwarteten Kindes, dessen Geschlecht sie nicht kannte, einen Hahn und eine Henne; diese Opfer heissen im Talmud Cappóro, d. i. Versöhnung, und auf sie gingen von den Opfernden die Sünden und alle übrigen Uebel über; wer weder Hahn noch Henne opfern konnte, schenkte einem Christenbettler einige Pfennige. 2)Wolf, Zeitschrift, I. S. 408. In Malabar werden der Bhagavadi, der Gemahlin des Çiwa und auch Mondsgöttin (nach Paulin Hekate), beim Eingange des Tempels Hähne geopfert und mit deren Blut die Thürflügel der Tempelpforten besprengt. 3)Paulin, voyage, I. S. 205 und 418, II, S. 102 und 339. Die Helden im Walhalla werden jeden Morgen durch einen Hahn mit goldenem Kamine geweckt. In der Wöluspa Str. 25 (nach Bunsen, Gott in der Natur, III. S. 494) heisst es:

Den Göttern gellend sang Gullinkampi, Weckte die Helden beim Heervater: Unter der Erde singt ein Anderer, Der schwarzrothe Hahn in den Sälen Hels.

Auf Island heisst noch heute eine Pflanze, Tringa lobata, Odins Hahn. In der deutschen Mythologie ist der rothe Hahn ein Symbol des Blitzes und der Blitz - und Gewittergottheiten. Nach vielen Sagen fährt der Hausgeist in Gestalt eines rothen Hahns, oder auch eines feurigen Drachens oder eines glühenden Baumstammes durch den Schornstein in die Häuser, um seinen Lieblingen oder Herren Geld, Korn, Milch u. s. w. zuzutragen. 4)Mannhardt, germanische Mythen, S. 720.Der noch heute beim Volke gebräuchliche Ausdruck, Jemandem den rothen Hahn auf das Haus setzen, anstatt das Haus61 anzünden bezeichnete wohl ursprünglich das Einschlagen des Blitzes und den daher entstandenen Brand, In einem auf dem Rohracker bei Westhofen im Elsass wegen seines gottlosen Lebens versunkenen Kloster hört man noch den Hahn krähen,1)Stöber, a. a. O., S. 224. wo also der Hahn als unterweltliches Thier und Symbol, als Verkünder des letzten Gerichtes erscheint. In Wolf’s Zeitschrift, I. S. 138, Anm. 17, hat Rochholz auch Einiges über den Hahn der Volkssage zusammengestellt, ohne jedoch tiefer einzutreten. Rochholz macht aufmerksam auf die Wortverwandtschaft zwischen Goggel, Güggel und〈…〉〈…〉. Zufolge Kuhn, Märkische Sagen, S. 376, erkennt man die Hexen, wenn man das erstgelegte Ei einer schwarzen Henne in der Tasche trägt. Nach der elsässischen Sage (bei Stöber, S. 283) erkennt man die Hexen, wenn man die Leute in der Kirche durch ein in der Charfreitagsnacht gelegtes Ei betrachtet. Persephone oder Kora neben Hades, oder Dionysos auf einem Terrakottenrelief im königl. Museum zu Neapel2)Wiesler, Denkmäler der alten Kunst, II. Nr. 856. hält auf ihrer Rechten einen Hahn, bei der Persephone zwar ein seltenes, aber durch Porphyrios de abstin. IV. 16. bezeugtes Attribut. Ein Hahn erscheint auch auf einem Streifen um den Leib der Marmorgruppe der Hekate in der Bruckenthal’schen Sammlung zu Hermannstadt. 3)Wieseler, II. Nr. 893.

Wie weit und vielfach sich die Verbreitung des ägyptischen Glaubens ausdehne, ist an den Mandäern oder Johannischristen, welche später noch weiter berührt werden werden, ersichtlich. Nach ihrem, hierin offenbar ägyptischen Glauben, gemengt mit dem parsischen, sitzt der Vater der Engel, welcher auch der Alte, der Verborgene, der Wächter, genannt wird, an der äussersten Grenze der Lichtwelten bei dem grossen Thore zu den niedern und untern Regionen, haltend in der Hand die Wage, um darauf die Thaten der abgeschiedenen Geister, welche dahin gelangen, abzuwägen und diese je nach dem Ergebniss der Abwägung zurückzuschicken oder in den Him -62 mel einzulassen. 1)Petermann, Reisen im Orient, II. S. 450. Der hier erscheinende Todtenrichter ist Osiris. In einzelnen deutschen Volkssagen werden nach dem Tode die guten und die bösen Thaten des Verstorbenen zwischen einem Engel, z. B. dem Erzengel Michael, und dem Satan abgewogen. 2)Grimm, deutsche Sagen, II. Nr. 506, 479. Zu Bamberg ist auf Kaiser Heinrichs Grab die Gerechtigkeit mit einer Wagschale in der Hand eingehauen. Es gehet hierüber ein altes Gerücht, dass, sobald das Zünglein an der Wage ins Gleiche komme, die Welt untergehen werde. 3)Grimm, a. a. O., I. Nr. 294.

Auf einem herculanischen Gemälde, abgebildet bei Böttiger im zweiten Bande seiner kleinen Schriften, Taf. IV vergl. mit S. 210 ff., hat auch der Isispriester zwei Diakone oder Pastophoren, welche bei der Emporhebung und Vorzeigung des heiligen (Nil -) Wassers in ähnlicher Weise mit zwei Sistren dreimal klapperten, wie die katholischen Messdiener bei der feierlichen Emporhebung des Kelches mir dem Weine als dem Symbole des Blutes Christi, oder bei der segnenden Darbietung des Brodes als des symbolischen Leibes Christi dreimal schellen, worauf die niedergebeugte Gemeinde sich dreimal bekreuzet und dreimal reuevoll an die Brust schlägt. Das Wasser (Osiris als der befruchtende Nil) war den Aegyptern das Symbol alles leiblichen und auch ewigen Lebens,4)Symbolik, I. S. 162. wie Christus in der Gestalt des Weines und des Brodes den Christen das Symbol des geistigen und ewigen, des himmlischen Lebens ist. Es kann gar nicht in Zweifel gezogen werden, dass das Sanctissimum und besonders der heilige Kelch oder Gral der Katholiken nur eine Nachbildung des heiligen Wasserkruges, des heiligen Kruges mit dem Nilwasser, des Isiscultus sei. Auch umfasste der Isispriester das heilige Wassergefäss nicht mit blossen, sondern in ähnlich durch feine (weisse) Leinwand, durch einen weissen Ueberwurf (piviale) verhüllten Händen, wie der katholische Priester den h. Kelch, die Monstranz umfasst und vorzeigt. Das heilige Wassergefäss (Hydrium,〈…〉〈…〉) hatte nach Hora -63 pollo die Gestalt eines Herzens bei den Aegyptern, weil der Nil für das Land Aegypten war, was das Herz mit dem von ihm ausströmenden Blute für den Körper ist, der Verleiher alles Lebens. 1)Büttiger, Kunstmythol., II. S. 251 Anm. Auch bei der Aufnahme in die britischen oder keltischen Mysterien wurde dem Neuaufgenommenen ein Mischtrank (〈…〉〈…〉) gereicht. 2)Eckermann, III. 2. S. 114. Wie in den Handwerksgebräuchen so vieles Kirchliche mehr oder weniger versteckt nachgebildet ist, z. B. die Weihe des Gesellen oft eine Art Taufe sein soll, ist der Zunftbecher, der Willkomm ähnlich zum heiligen Becher der Zünfte geworden, der auch nur feierlich und mit rein verhüllten Händen angefasst werden durfte. Die doppelte Gestalt oder das doppelte Symbol des Weines und des Brodes als des Symboles der Wiederauferstehung ist den Mithramysterien von den Christen entlehnt worden,3)Symbolik, I. S. 52. wie dieses mit Ausdehnung zugleich auf die Beichte oder das Bekenntniss der Sünden schon Volney, ruines, Paris 1792, S. 149, nach Tertullian de praesc. cap. 40, behauptet hatte. Die Beichte möchte jedoch mit so manchem Andern buddhistischen Ursprungs sein. Sehr anführungswerth aber ist, dass auch bei dem Gesellenmachen der Seiler am Schlusse der Handlung dem neuen Gesellen Brod (ein eigens zubereitetes feines Gebäck) und etwas Salz, bei andern Handwerkern nur Brod, das sog. Gesellenbrod verabreicht wurde, was Stock, Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker, Magdeburg 1844, S. 30, gewiss unrichtig als ein Symbol der Armuth deutet.

Die Worte:〈…〉〈…〉, womit nach der allgemein angenommenen Ansicht von Meursius in den Eleusinien die Eingeweihten entlassen wurden, sind wohl eine uralte orientalische oder ägyptische Mysterienformel. Die Brahmanen sollen nach Wilford die gottesdienstlichen Versammlungen mit den Worten oder der Formel schliessen: Cansita Om Pacsha. 4)Creuzer, Symbolik, IV. S. 399 (der zweiten Ausgabe).Rinck, Religion der Hellenen, II. S. 375,64 will die Worte aus dem Hebräischen erklären als: Kein Falsch sei in dir. Kant, zum ewigen Frieden, Königsberg, 1795, S. 44 Anm., will die Worte aus dem Tübetanischen ableiten und glaubt, sie bedeuten wohl das heilige (Konx), selige (0m) und weise (Pax), durch die Welt überall hin verbreitete höchste Wesen (die personificirte Natur). Die Formel soll durch den alten Seidenhandel mit China überTübet dem Abendlande überbracht worden sein. Die Schlussformel des katholischen Priesters: Ite, missa est, ist gleichfalls eine Erklärung. Volney, a. a. O., S. 262, betrachtet das katholische Dominus Vobiscum als die wörtliche Uebersetzung der eleusinischen Aufnahmsformel.

Um bei ihrer Ankunft im jenseitigen Reich den Trank des Vergessens und der Unsterblichkeit, des ewigen Lebenswassers trinken zu können, trugen bei den Aegyptern daher die Mumien auf den Brustbinden Becher zum Schöpfen des Wassers angemalt,1)Böttiger, kleine Schriften, II. S. 220 und III. S. 263, Anm. * ähnlich wie man den Todten auch das Fährgeld mitgab. Gewiss in Nachahmung der diesfälligen ägyptischen Vorstellungen und Bilder wird auch bei den Römern, z. B. auf dem neuerlich veröffentlichten Gemälde der Apotheose des Titus, den im Todtenreich Ankommenden aus vollen Trinkhörnern der Unsterblichkeitstrank dargereicht. 2)Böttiger, II. S. 321 ff. Nach Apuleius Met. 6 hat Psyche zwei Brode in den Händen und zwei Münzen in dem Munde, das eine Stück zum Einlass, das andere zur Rückkehr.

Einen höchst merkwürdigen Nachklang des alten orientalischen dualistischen Licht - und Sonnenglaubens findet man auch noch in einem geistlichen Schauspiele des 15. Jahrhunderts. Da erzählt unter den drei Königen, welche nach Jerusalem gekommen waren, um dem neugeborenen Christus nachzuforschen, Kaspar: er habe auf seinem Hofe einen Strausss, welcher zwei Eier ausgebrütet, aus dem einen sprang ein Löwe, aus dem andern ein Lamm. 3)Pfeiffer, Germania, III. S. 272.Der Volksglaube auf Island legt65 der Sonne das Gesicht der Eva und dem Monde dasjenige des Adam bei, macht also Sonne und Mond zugleich zu den Symbolen der Urmenschheit. 1)Maurer, isländische Volkssagen, S. 185. Derselbe symbolische Gedanke wird durch die göttlichen Mannweiber bei den Indern, z. B. in dem Bilde des Çiwa und seiner Gemahlin Parbutti in dem Grottentempel zu Elephanta2)Romberg und Steger, I. S. 66 a und Taf. 1. Fig. 6. , und bei den Griechen ausgedrückt; es ist das Symbol der Vereinigung zwischen der zeugenden kosmischen oder himmlischen und empfangenden irdischen Kraft, zwischen Himmel und Erde. Castor und Pollux, deren zwei eherne Bildsäulen vor dem Hafen zu Samothrace standen,3)Rinck, I. S. 261, Anm. 1 und S. 267. deuten nur auf den zeitlichen Gegensatz, auf Tag und Nacht und Sommer und Winter. Vor manchen indischen Tempeln, z. B. vor demjenigen zu Tirupalor, wird das Symbol durch zwei kolossale Kühe ausgedrückt. 4)Paulin, voyage aux Indes orientales, I. S. 37 und II. S. 385. Vor einem Felsentempel auf der Insel Salsette stehen zwei massive Säulen. 5)Lassen, IV. S. 867. Anstatt zweier Kühe erscheinen bei den Indern und bei den Aegyptern ein Stier (Osiris, Çiwa, Dionysos, Jakchos) und eine Kuh (Isis. Bhawâni. Ichani, Jo), welche nach Paulin, I. S. 36, bei den Malabaren ama oder tala (die Mutter) und appen, appa genannt werden sollen und woher der ägyptische Apis benannt sein könnte, was indessen nicht glaublich sein dürfte. Wie bei den spätern Aegyptern das irdische Königspaar als die sichtbaren Vertreter, als die menschgewordenen Kinder des Sonnengottes Osiris und der Mondsgöttin Isis gelten und namentlich Cleopatra und Antonius sich in der Malerei und Plastik als Isis, Selene und Osiris, Dionysos haben darstellen lassen, ebenso vertraten im peruanischen Reiche der Inka’s der König und die Königin die Sonne und den Mond, beherrschten den Tag und die Nacht und erhielten im Sonnen - und Mondtempel ihren Sitz. 6)Bachofen, Mutterrecht, S. 111.Die Araucanas-Indianer in Chili nennen sich Ilijos del Sol, Kinder der Sonne, und ver -66 ehren Sonne und Mond als das Licht des Tages und der Nacht. Der Tod ist ihnen blos ein langer, nicht zu fürchtender Schlaf, während dessen der Schlafende in ein glücklicheres Land jenseits des Meeres versetzt wird. Mehrere geeignete Geräthschaften werden daher auch mit dem Verstorbenen in dem Glauben begraben, dass er sie im künftigen Leben wieder gebrauchen werde. Bevor sie essen oder trinken, tauchen sie den Zeigefinger dreimal in das Gefäss und spritzen ihn dreimal über das gegen die Sonne gesenkte Haupt aus. 1)Ausland für 1834, S. 1460.Lassen, IV. S. 710 und 749 ff., hält es auch für möglich, dass sich der Buddhismus von China aus nach Mexiko verbreitet und diesem Lande die erste Bildung gebracht habe; höchst wahrscheinlich erscheint es ihm (S. 754), dass die Bevölkerung Amerika’s über Kamschatka und die Beringsstrasse aus Asien eingewandert sei. F. Hermes, über die Natur der amerikanischen Indianerspraehen, in Herrig’s Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, XXIX s. 231 ff., hat aus der Sprachbildung, aus dem in sämmtlichen amerikanischen Indianersprachen geübten System der Einverleibung, wie es zuerst W. v. Humboldt und dann Steinthal genannt haben, die Urverwandtschaft des amerikanisehen Sprachstammes mit dem hochasiatischen und insbesondere mit dem mongolisch-tartarischen zu begründen gesucht. In Uebereinstimmung mit unsern, Symbolik, I. S. 276, geäusserten Ansichten fragt A. v. Humboldt, Ansichten der Natur, I. (Stuttgart und Tübingen 1849), S. 21 und 22: Sollte vielleicht, als das lang erschütterte Reich der Hiognu (Türken, nicht Hunnen oder Finnen) zerfiel, das Fortwälzen dieses mächtigen Stromes auch im Nordosten von China und Korea Völkerzüge veranlasst haben, bei denen gebildete Asiaten in den neuen Continent übergingen? Die Azteken, welche um das Jahr 1160 aus dem unbekannten Lande Aztlan (in Asien?) nach Anahuac in Nordamerika einbrachen, hatten z. B. künstlich bemaltes irdenes Geschirr, mit dessen Scherben die ganze Ebene des räthselhaften alten Azteken-Palastes am californischen Meerbusen bedeckt ist (Humb. I. S. 205). Eine67 auffallende und kaum erklärliche Erscheinung bleibt es dagegen, dass den alten amerikanischen Völkern bis zur Ankunft der Europäer in Amerika das Hirtenleben mit der Viehzucht, der Zucht der Hausthiere, sowie das Mehl aus schmalährigen Grasfrüchten (Hordaceen und Avenaceen) und Milchnahrung im Ganzen ursprünglich unbekannt waren (Humb. I. S. 207 ff., 136, 130 und 72). Ein Negersklave des grossen Cortes war der Erste, welcher in Neu-Spanien Waizen baute und Humboldt sah im Franziskanerkloster zu Quito als Reliquie den irdenen Topf aufbewahrt, in welchem der erste Waizen enthalten gewesen, den der Franziskanermönch Jodoco Rici de Gante (aus Gent in Flandern) aussäete. Auf dem Topfe steht in altdeutschem Dialekte geschrieben: wer aus mir trinkt, vergesse seines Gottes nicht. Dass die sog. Urbewohner Amerika’s aus dem Norden kamen, die gemässigte nordische Temperatur liebten, beweiset der Umstand besonders, dass man in ganz Mexiko und Peru die Spuren einer grossen Menschenkultur nur auf den hohen Gebirgsebenen findet (Humb. I. S. 211). Dass die westlichen Völker des neuen Continents lange vor Ankunft der Spanier in Verkehr mit Ost-Asien gestanden, glaubt Rumboldt in seinem Werke über die Monumente amerikanischer Urvölker durch Vergleichung des mexikanischen und tübetanisch-japanischen Kalenderwesens, der wohl orientirten Treppenpyramiden und der uralten Mythen von den vier Zeitaltern oder Weltzerstörungen, sowie von Verbreitung des Menschengeschlechts nach einer Ueberschwemmung wahrscheinlich gemacht zu haben. Die seitdem aufgefundenen wundersamen Bildwerke in den Ruinen von Guatimala und Yacatan, fast im indischen Style, haben diese Ansichten noch mehr bestätigt. Auch wirft Humboldt bei Gelegenheit der Besprechung der in Felsen gegrabenen symbolischen Bilder, kolossalen Figuren von Crocodilen, Tigern, Hausgeräth, Mond - und Sonnenzeiehen im Innern von Südamerika (l. S. 238), welche Bildersäulen sich über eine Fläche von 12,000 Quadratmeilen (nach der Rechnung von 15 Meilen auf einen Grad) ausbreiten und die Bassins von Corentyn, Essequibo und Orinoco umfassen, zuletzt die Frage auf: Stammen die grossäugigen, weisslichen Menschen an der68 Nordwestkügte Amerika’s, deren Marchand unter 54° und 58° Breite erwähnt, von den Usün in Innerasien, einer alano-gothischen Race, ab? In einer Grasflur bei Uruana in Guyana liegt ein isolirter Granitfels, in welchem in der Höhe von 80 Bilder der Sonne, des Mondes und mannichfaltiger Thiere, besonders von Crocodilen und Boaschlangen, fast reihenweise eingegraben sind. In eben dieser wunderbaren Lage befinden sich die hieroglyphischen Steinzüge von Uruana und Encamarada (Humb. I. S. 271). Einst sollen die Wasser bis zu jenen Höhen gestanden und die Bilder von den Schiffern eingegraben worden sein. Auch schon Kant, zerstreute Aufsätze, Frankfurt und Leipzig 1793, S. 86, hatte behauptet, dass Amerika nur aus dem Nordosten von Asien seine Bewohner habe erhalten können. Zu ähnlichen Ansichten bekennt sich Berchtold-Beaupré, Isis on l’Initiation maçonnique, Fribourg en Suisse 1859, S. 319 ff. Unter den berühmten alten Bauten auf der Halbinsel Yucatan finden sich sogar gewölbartige Constructionen bei Kabah, ja in den Ruinen von Labnah gekuppelte Säulen, in den von Zayi Säulen von fast korinthischer Ordnung und in denen von Chichen grosse ornamentirte Pilaster (Humb. I. S. 213). Gewölbte Blenden finden sich auch in dem Palaste des Inca Atahuallpa in dem Hochland von Caxamarca in Südamerika (Humb. II. S. 349).

Die älteste heilige Schrift, Hieroglyphik, möchten gleichfalls die ägyptischen Priester in ihrer ursprünglichen Bilderschrift besitzen; die Bilderschrift ist die anfängliche und deshalb auch die heilige und heiligste, wie es sich gleichmässig mit dem heiligen Worte, Kleide u. s. w. verhält. Die Buchstabenschrift bildet sich erst im Verlaufe der Zeiten als eine stets wachsende Abkürzung der schwerfälligen Bilderschrift, bei den Aegyptern als die hieratische und demotische, sobald die Schreibkunst bei den Priestern und bei dem Volke aufkommt und sich ausdehnt; die alte Bilderschrift bleibt im Ganzen nur als die monumentale übrig, jedoch mit bedeutenden Ansätzen und Anfängen der rein phonetischen Buchstabenschrift. Die Bilderschrift ist theils reine und wirkliche Bilderschrift bei den körperlichen und abbildbaren Gegenständen der69 Natur und des Lebens, theils eine blos symbolische und allegorische bei allen blossen Begriffen, unkörperlichen oder blos geistigen Dingen. Die ägytischen Priester sind deshalb nicht allein die Erfinder der Bilderschrift, sondern auch der Symbolik und der Allegorie, wie dieses die Griechen ausdrücklich an - und zugeben. 1)Winckelmann, Versuch einer Allegerie besonders für die Kunst, Dresden 1766, S. 4. Winckelmann nennt daher die Allegorie (die Symbolik) die heilige Sprache der Aegypter, wie sie auch die heilige, den Aegyptern entlehnte Sprache der Bauhütten, der Maurer zu nennen sein möchte. Ganz unbestreitbar gehört die astronomische und architektonisehe, geometrische und mathematische Symbolik den Aegyptern an, welche von den Aegyptern empfangen zu haben die Griechen gerne eingestanden und wir gerne oder ungerne werden eingestehen müssen. Die Symbolik im engsten und ursprünglichsten griechischen Sinne ist die Lehre von den Zeichen (〈…〉〈…〉), woran d. h. durch deren Zusammenpassen (〈…〉〈…〉) sich die Gastfreunde, die Brüder, die Innungs - und Zunftgenossen erkennen, die die Gastfreundschaft, brüderliche und genossenschaftliche Aufnahme und Unterstützung zu fordern berechtigen und zu geben verpflichten. Das diesfällige griechische Hauptsymbol, Haupterkennungszeichen war ein in zwei Theile gebrochener und durch vollkommenes Zusammenpassen zu prüfender und zu bewährender Ring,2)Symbolik, I. S. 348; Böttiger, K. M. II. S. 124; Wolf, Beiträge, I. S. 4 und 7. welcher vermuthlich von den Aegyptern sich ableitet und im weitern und wahren symbolischen Sinne nur der Ring der Ewigkeit, der ewigen Liebe und Treue ist. Der Ring ist daher auch das uralte und besonders ägyptische, auch keltische Mysteriensymbol des Verschlossen - und Geheimseins, des Verbunden - und Gebundenseins, der umschliessenden Ringkette. Nach einer Sage bei Grimm, deutsche Sagen, II. S. 73, würde die in so vielen deutschen Sagen erwähnte Sitte des Ringbrechens, besonders unter Eheleuten, schon unter den Merowingern bei den Franken bekannt gewesen sein. Der gebrochene Ring ist jedoch70 dabei gewiss nur der symbolische Anfangsgedanke, der wegen seiner Unbequemlichkeit und wegen der Gefahr des Verlustes, womit er die zwei einzelnen Ringstücke bedrohte, bald verlassen und entweder durch gleiche und gleichbezeichnete Ringe oder durch andere hörbare (Worte und Schläge), sichtbare (Zeichen besonders mit den Händen und Fingern, Füssen u. s. w.) und fühlbare (Griffe) Erkennungszeichen ersetzt wurde. Auch diese Symbolik im weitern Sinn, eine Erfindung und ein Bedürfniss aller Mysterien oder engern Verbindungen, stammt aus Aegypten, als dem Vaterlande der Mysterien, und wurde in demselben Verhältniss beschränkt und geschwächt, in dem die Mysterien der Priester selbst zurücktreten oder öffentlich werden mussten. In Symbole, in nur den Eingeweihten verständliche Zeichen und Bilder wurden auch alle Lehren eingekleidet, damit diese Lehren eben geheime seien und geheim bleiben; man könnte sagen, die symbolische Sprache ist die Geheimsprache, wie die Bilderschrift die Geheimschrift, denn auch die Symbole sind Bilder und deshalb die Symbolik und Hieroglyphik so innig verbunden. Dass und in welcher Gestalt die ägyptisch-griechische Symbolik nach dem Norden, nach Schweden gedrungen sei, ist ersichtlich aus Mohnike, altschwedische Balladen, Mährchen und Schwänke, Stuttgart 1836, S. 24, wornach im alten Schweden Trauungen und Ehen dadurch geschieden wurden, dass man ein Handtuch zwischen den Verlobten und Ehegatten zerschnitt und jedem Theile ein Stück gab. Schwestern bekräftigten ihre Verwandtschaft durch Zusammenpassen der gebrochenen halben Ringe:

Und die Braut hielt einen halben Ring, Schön Anna die andere Hälfte. Und zwei so liebe Schwestern waren sie, Und die Ringe, sie liefen zusammen. 1)Mohnike, S. 61.

Die ägyptische Symbolik und Hieroglyphik mit den Fortbildungen und Bereicherungen, welche sie bei den Griechen und Römern empfangen hatte, die ägyptische Geheimwissenschaft oder ägyptische Mysterienkunst wurde71 daher zur nährenden und belehrenden Quelle für alle spätern geheimen Verbindungen, wie vorzüglich auch an den westphälischen Freigerichten zu ersehen ist. Die westphälischen Freischöppen hatten ein Nothwort (Reinir dor Feweri), Erkennungszeichen bei Tisch, drei geheime Alphabete, einen wirklichen Erkennungsgruss, ein Examen zur Erkennung der wirklichen Freischöppen u. s. w., namentlich aber die geheimen Buchstaben S.S. G.G., welche Strick, Stein, Gras, Grein bezeichneten, deren nähere Bedeutung man indessen nicht kennt. 1)Thiersch, der Hauptstuhl des westphälischen Vehmgerichts auf dem Königshofe von Dortmund. Dortmund 1838, S. 8 ff. Diese Buchstaben erinnern lebhaft an die ähnlichen maurerisehen,2)Symbolik. I. S. 99. wie in Uebereinstimmung mit den Maurern die Freischöppen ihre allgemeinen Versammlungen auch Capitel, gemeines Capitel nannten. 3)Thiersch, S. 16 und 35 ff. N. Müller, Mithras, S. 8, sagt von jenen Buchstaben: - die ältesten mythischen Gebilde heissen heilige Buchstaben, die älter sind als die Hieros Logos. Im Vehmgerichte wurde der heimliche Schöffengruss ausgesprochen, indem der eintretende Schöfe seine rechte Hand erst auf seine linke Schulter, dann auf diejenige des andern Schöffen legte. Ferner waren den Vehmrichtern die Zahlen 12 und 7 bedeutungsvolle; zu einem vollkommenen Gerichte gehörten wenigstens 7 Richter (Wächter, Beiträge zur deutschen Gesch., Tübingen 1845, S. 181 ff.). Bei dem sog. Vollgerichte, d. h. bei dem letzten entscheidenden Urtheile der westphälischen Vehm - oder Freigerichte war es üblich, dass der das Gericht haltende Freigraf, der von dem Stuhlherrn4)Gaupp, deutsche Stadtrechte, II. S. 194. belehnte Stuhlrichter, einen Strick über sich weg aus den Schranken des Gerichts warf, die Freischöppen ausspieen und des Verurtheilten Namen in das Blutbuch eingetragen wurde, worauf der Freigraf die Freischöffen bei ihrem Eide ermahnte und ihnen gebot, den Vervehmten, wo sie ihn fänden, am nächsten Baume aufzuhängen. 5)Voigt, die westphälischen Vehmgerichte in Beziehung auf Preussen, Königsberg 1836, S. 20.Tausende72 von Freischöffen waren durch ihren Eid verbunden, ein solches Strafurtheil zu vollziehen. Das Werfen des Strickes ist hier nichts anderes als das alte symbolische Brechen des Stabes, des Halmes und dessen Werfen nach den 4 Weltgegenden bei der Ausfällung des Todesurtheils. 1)Grimm, deutsche Rechtsalterthümer, Göttingen 1828, S. 135, Nr. 5. Nach Grimm wäre der gebrochene Stab dem Missethäter vor die Füsse geworfen worden zum Symbole, dass er nichts weiter zu hoffen habe und seines Lebens verzichte. Beim Vehmgerichte, bei welchem der Angeschuldigte in der Regel gar nicht anwesend war, kann der aus den Schranken des Gerichtes geworfene Strick nur die Bedeutung gehabt haben, dadurch den Verurtheilten dem Straf-Arme der Gerechtigkeit, dem Stricke zu überantworten. Die westphälischen Freigerichte wurden nach ihrem Ausdrucke auf rother Erde abgehalten und die Vehmrichter hiessen daher die Richter der rothen Erde. 2)Voigt, a. a. O., S. 165; Wächter, a. a. O., S. 175 ff. Durch die rothe Erde wird vermuthlich die durch die Morgensonne roth gefärbte Erde bezeichnet. Höchst verwandt mit den westphälischen Vehmgerichten sind, wenn gleich durch Zeit und Ort weit von einander getrennt, die Mysterienverbindungen oder Weihen bei den Negern in Congo. 3)Symbolik, I. S. 637.Zuletzt hat Bastian, ein Besuch in San Salvador, Bremen 1859, S. 82 und 83, über die Verhältnisse dieser wegen ihrer Macht an der ganzen Westküste Africas von Cameroon bis zum Gambia gefürchteten Mysterienverbindungen berichtet, wobei dem Berichterstatter aber dies jedenfalls unrichtig angegeben worden war, dass in Ambamba ein Jeder die Procedur der Wiedergeburt durchgemacht habe oder eingeweiht sei. Sind die weiteren Berichte von Bastian zuverlässig, dann hat die Mysterienverbindung im Innern des Buschlandes, d. h. im innern Africa einen geheimen Obern, der grosse Fetisch genannt, dessen Knochen bei seinem Tode von den Fetischpriestern, sorgfältig gesammelt werden, damit sie aufs Neue Fleisch und Blut gewinnen und wieder belebt werden. In West -73 africa liegt gewissermassen die Polizei und die Gerechtigkeitspflege in den Händen der geheimen Verbindungen, welche dieselben im Namen ihres Fetisches ausüben. Die Wirksamkeit der durch den Egbo-Orden ausgeübten Polizei von Alt-Calabar hat zuweilen europäische Capitäne veranlasst, sich in die untern Grade aufnehmen zu lassen. Weithin gfürchtet war das Vehmgericht der Belli-Paaro im alten Quoja-Reich, das nur alle 25 Jahre neue Mitglieder zuliess, damit die Verbindung in der kommenden Generation fortlebe. Die vor dasselbe Geladenen wurden dicht verschleiert, denn ein schrecklicher Tod würde die Folge gewesen sein, sollten ihre uneingeweihten Augen die Geister geschauet haben, von denen sie dort umgeben waren. Wenn nach 3 Jahren langer Vorbereitungen, über deren Natur die schreckbarsten Gerüchte im Volke umliefen, der Neugeborne zum ersten Mal wieder aus dem dunkeln Walde zum Sonnenlichte emporstieg, und sich in den Figuren des Bellitanzes den Meistern als Bruder kundgegeben hatte, so durfte er fortan bei der Rache des Bundes schwören und Niemand würde es gewagt haben, die von ihm aufgestellten Zeichen zu verletzen. Unter den Timmanchs erbitten sich Reisende von den Purrah ein sicheres Geleite, wie es unter den Bheels die Bhauts gewähren. In den republikanischen Colonien der Soasaos zittert Jeder bei dem Namen dieser geheimnissvollen Macht und noch hat Keiner ihre Gebote ungestraft verachtet. Auf offenem Marktplatze tritt ein maskirter Krieger an ihn heran und stösst ihm vor der Versammlung des Volkes das Messer in die Brust, denn die Worte: Der Gross-Purrah (Grossmeister) sendet dir den Tod, lähmen jeden Widerstand. 1)Bastian, a. a. O., S. 293 ff.

An die rothe Erde, auf welcher die westphälischen Gerichte abgehalten werden, schliesst sich übrigens an §. 30 des Stadtrechtes von Altenburg: Sententias extra civitatem requirendas Goslarie in rufo ostio (an der rothen Thüre oder am rothen Thore) requiretis. 2)Gaupp, I. S. 213 und 206.Die Bezeichnung einer Gerichtsstätte als roth könnte jedoch nicht74 blos auf die östliche Lage, sondern auch auf die dort aufgepflanzte rothe Fahne als ein Symbol des Blutbannes, der Criminalgerichtsbarkeit Bezug haben. Auf das Letztere weiset z. B. der rothe Thurm, ein Gebäude der Stadt Zürich hin. In Indien ist roth die Farbe des Todes und wohl auch der glühenden Hölle, weshalb bei Grenzstreitigkeiten die Zeugen schwören müssen in rothen Kleidern und mit Kränzen von rothen Blumen auf dem Haupte, welches ausserdem mit Erde bestreuet sein muss. 1)Dunker, Gesch. des Alterthums, Il. S 107; Raspe, das Gesetzbuch der Gentoos, S. 324 und 325. Auch in Deutschland erscheinen rothe Thürme und Brücken als Grenzen eines Stadtbannes,2)Gaupp, I. S. 206. vielleicht weil sie als vorzüglich heilig und unverletzlich unter den Schutz der strafenden Gewalten gestellt waren. Bei Stöber, Sagen des Elsasses, Nr. 144, tragen die Seelen der rein Verstorbenen weisse Gewänder, dagegen die Seelen der Bösen rothe. In ein rothes Hemd gehüllt erscheint auch der Geist des verrätherischen Knechts in der Gerichtsnacht auf Girbaden, bei Stöber, Nr. 155. Auch die kolossalen Statuen des bösen Geistes in der grossen Pagode zu Canton sollen roth gekleidet sein. 3)Berchtold-Beaupré, Isis ou l’Initiation maçonnique, S. 297. Der König der Bergmännlein trägt ein rothes scharlachen Mäntlein,4)Grimm, D. S., I. S. 48. der Hausgeist Heinzelmann einen rothen Sammetrock,5)Grimm, I. S. 125. der Geist auf dem Helfenstein in Böhmen einen Hut mit rothem Federbusch,6)Grimm, I. S. 165. die Kobolde oder Hausgeister des nördlichen Deutschlands rothe Röcke und rothe Kappen u. s. w. Alle diese roth gekleideten Geister möchten christliche Verteufelungen der ursprünglich weissen heidnischen Gottheiten, besonders Genien oder Fylgien sein und können kaum mit Stöber, Sagen des Elsasses, S. 440, für hausbeschützende, den römischen Penaten verwandte Feuergeister gehalten werden. Auch das rothe Männlein, welches zu Paris und im Elsass7)Stöber, S. 438 ff. an die Stelle der weis -75 sagenden oder unglückverkündenden weissen Frau getreten, ist nur der Schutzgeist des königlichen Geschlechts und Hauses.

Welche Umoestaltung die phönicisch-ägyptischen, die semitischen Symbole bei ihrem Durchgange durch das römische Reich oft erlitten haben, möchten die beiden Kugeln auf den Säulen Jakin und Boaz zeigen, indem dieselben erst von den Römern oder dann sogar erst von den Engländern den Säulen auferlegt wurden. Die Kugel als ein Symbol des Erdkreises (orbis terrarum), des den Erdkreis umfassenden weiten römischen Reiches, trug bei den Römern die Siegesgöttin, die Victoria, die siegreiche Roma,1)Böttiger, kleine Schriften, II. S. 173 ff. Ueber die Siegesgöttin als Bild und Reichskleinod. ähnlich wie der starke Zeus des Phidias den Sieg, die Nike in der Hand trug. Die Victoria und Roma mussten später dem siegreichen christlichen Kreuze weichen und die Kugel mit dem Kreuze trug der römisch-deutsche Kaiser zum Symbole seiner Herrschaft über den christlichen oder den sich kreuzenden Erdkreis. Die Erdkugel, die römische Reichskugel, an welche als Zwillingsgestalt sich von selbst die Himmelskugel anschloss, möchten nun von den römischen Bauleuten vor oder nach der Einführung des Christenthums auf die Säulen Salomo’s gelegt worden sein. Die beiden Kugeln können nicht allein die Erde und den Himmel, sondern auch die Sonne und den Mond mit dem Sternenheere oder beides zugleich bezeichnen und deuten noch mehr und noch bildlicher das ewige Kreisen des Tages und der Nacht, des Lebens und des Todes an. Das einfachste Symbol sind zwei spitze Steine, zwei Spitzsäulen oder Kegel, wie man dieselben z. B. auf Münzen von Cypern erblickt,2)Böttiger, K. M., II. S. 213 ff. und das vollkommenere zwei kugeltragende oder doch Aufschriften tragende Säulen, wie die Säulen im Dome zu Würzburg.

Endlich waren die ägyptischen Priester die ersten, welche den Bewegungen der Hände und der Füsse und des ganzen Körpers der dem Gottesdienste Anwohnenden ein Mass, eine Regel, eine gleichfalls symbolische Bedeu -76 tung ertheilt haben,1)Symbolik, I. S, 116 ff. was von ihrem grossen Scharfsinne und tiefen Menschenkenntniss zeugt. Ihr Gottesdienst nahm den ganzen körperlichen Menschen in Anspruch, strebte den Körper und durch diesen den Geist zu lenken, welcher Charakter des alten ägyptischen Gottesdienstes vorzüglich auf den christlichen Gottesdienst der Griechen und Römer übergegangen ist, so dass derselbe nicht selten, z. B. bei den Russen, zu einer förmlichen und ermüdenden Arbeit wird. Plato sagte in den Gesetzen, dass Gott uns das Mass (〈…〉〈…〉) aller Dinge sei und der Gott Wohlgefällige daher auch mässig (〈…〉〈…〉) sein, d. h. nach dem göttlichen Willen und Gesetze, recht und vernünftig, oder zufolge Zarathustra nach dem Lichtgesetze als ein Reiner leben müsse. Diesen Platonischen Satz hatten die ägyptischen Priester zunächst als einen rein äusserlichen gefasst und massen im wahren Sinne des Wortes alle gottesdienstlichen Handlungen und Bewegungen, so dass sie in aller Hinsicht als die Erfinder und Einrichter des ceremoniellen Gottesdienstes in den Kleidungen, Götterbildern, Processionen, Fahnen u. s. w. sich darstellen. Das jetzt bei den Christen und bei den Katholiken zum Gebete übliche Händefalten, In - und Uebereinanderschlagen der Hände ist in seiner tiefern und orientalischen Bedeutung gleich den über der Brust gekreuzten Armen und gleich dem Beugen der Kniee nur eine Selbstfesselung, eine Demüthigung vor Gott und die Ergebung in den göttlichen Willen. 2)Böttiger, K. M., I. S. 51 ff. So schreibt der Papst Nikolaus I. an die zum Christenthum bekehrten Bulgaren im J. 860, nachdem er versichert hat, dass dies Händefalten kein Befehl der Kirche sei, aber doch eine freie äusserliche Zucht: Im Evangelium werden die Bösen an Händen und Füssen gebunden. Was thun nun Die, welche ihre Hände vor dem Herrn binden, Anderes, dass sie damit Gott gleichsam zurufen: Herr, befiehl nicht, dass mir die Hände gebunden werden, und dass man mich an die äusserste Finsterniss werfe. Denn siehe, ich habe mir die Hände selbst gebunden und bin bereit, mich stäupen zu lassen. 3)Böttiger, kleine Schriften, I. S. 91.77Dieses gegen das Ende des 9ten Jahrh. aufgekommene christliche Händefalten, welches an die Stelle des bis dahin üblichen Betens mit den in der Kreuzesform ausgestreckten und erhobenen Händen trat, galt im Alterthum oder bei den Römern und Griechen, wie besonders aus Ovid, Met. IX. 279 ff., zu ersehen und worüber in den kleinen Schriften von Böttiger, I. 61 ff., die Abhandlung: Ilithyia oder die Hexe, ein archäologisches Fragment nach Lessing zu vergleichen ist, als ein Zaubermittel, wodurch besonders bei der Geburt des Herakles durch die Alkmene nach schon begonnenen Geburtswehen 7 Tage lang deren Geburtskräfte gefesselt wurden. Unbegründet war eine frühere Behauptung Böttigers (kleine Schriften, II. S. 355 oben), dass das Händefalten erst durch die Kreuzfahrer nach Europa gekommen sei.

Was in der griechischen Religion, Sitte und Baukunst als die alte dorische Einfachheit, Strenge und Härte bezeichnet wird, möchte das ägyptische Priesterthum, die priesterliche strenge Gesetzgebung und Erziehung sein, welche den Griechen aus Aegypten über die Inseln und besonders über Kreta zukam. Eine wenig angemessene Auffassung scheint es aber zu sein, wenn Steinthal in der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, II. (Berlin 1861) S. 311, behauptet, Dorer von Kreta, welche dort mit dem Baalskulte bekannt geworden waren, haben im 9. Jahrh. vor Chr. die strenge, reinere Seite des semitischen Lichtgottes dem Apollo angeeignet und diesem neuen Apollo in Delphon einen Tempel und ein Orakel mit einer Priesterschaft gegründet. Vielmehr dürfte das Apollinische, d. h. der geistigere und sittlichere Lichtdienst im Gegensatze zu dem blossen Natur - und Thierdienst des ägyptischen Volkes und zu dem schrecklichen phönicischen Feuer - oder Molochsdienste, recht eigentlich das eigenthümlich Griechische, das wahre Griechenthum, die griechische Freiheit und Menschlichkeit gegenüber der asiatischen despotischen Barbarei sein.

Sucht man schliesslich ein Gesammtbild und eine Gesammtvorstellung von der ägyptischen Bauhütte zu gewinnen, möchte dieses dahin zu fassen sein, dass die Baukunst als solche gleich allen übrigen Wissenschaften eine78 geheime Wissenschaft der ägyptischen Priester gewesen und daher nur an die Eingeweihten mitgetheilt und von ihnen bewahrt worden sei. Die eigentliche maurerische Weihe war somit eine förmliche Priesterweihe und die maurerischen, die baukünstlerischen Grade waren priesterliche Grade. Die Hülfshandwerke des Zimmermanns, Schreiners, Maurers, Steinmetzen, Schlossers u. s. w. wurden erblich von Kasten betrieben, jedoch unter der priesterlichen Gesetzgebung und Aufsicht. Die Priester -, die Mysteriensitze waren auch Sitze der Baukunst, Bauhütten. Wie die ältere Bildung der Aegypter überhaupt, war auch namentlich und vorzüglich ihre Baukunst für die Völker an den Küsten des Mittelmeeres, für die Griechen auf den Inseln, auf dem griechischen Festlande, in Unteritalien und auf Sicilien eine anregende, eine vorbildliche. Die Vermittler zwischen Aegypten und den mittelländischen Völkern waren ursprünglich die Phönicier und später auch die Griechen selbst. Trotz der ägyptischen Vorstufe und Grundlage war aber die griechische Bildung und Kunst eine eigenthümlich und wesentlich griechische, eine volksthümliche im Gegensatze zur priesterlichen und königlichen Bildung und Kunst der Aegypter. Die griechische Baukunst war der grosse Fortschritt von der priesterlichen Königsgewalt zur Volksfreiheit, von der Priesterkunst zur freien Kunst. Wie die vorhandenen Bauüberreste zu Theben zu schliessen zwingen, bestand dort und blühte Jahrhunderte lang die grösste Bauhütte in dem neuen ägyptischen Reiche, sich zugleich stets weiter an den Ufern des Niles hinauf ausbreitend. Die mittelalterlichen bauenden Klosterbrüder, die klösterlichen Bauhütten der Benedictiner und Cisterzienser, stehen den ägyptischen bauenden Priesterschaften begreiflich am nächsten, nur müssen die Einrichtungen der letztern noch härter und noch unveränderlicher gedacht werden; eine freie Kunstübung war den Aegyptern unbekannt, Alles war gleichsam ein Gesetz, ein priesterlicher Staatsbäu; erst in Griechenland wurde die Kunst frei und dem Volke, den Einzelnen überlassen. Auch verdient hier noch angeführt zu werden, dass den Arabern in Aegypten die ästhetische Erfindung, oder die erste Anwendung des Spitzbogens79 in ästhetischer Beziehung nach Schnaase, III. S. 370 ff., mit grosser Wahrscheinlichkeit angehört; denn der Spitzbogen kommt an den arabischen Bauten in Cairo zum ersten Mal in wiederholter, herkömmlich gewordener Anwendung vor und ist von hier aus vermuthlich durch Vermittelung der sicilianischen Araber im Abendlande bekannt geworden. 1)Vergl. auch Symbolik II. 184. Der Spitzbogen ist bei den Arabern blosse Decoration. 2)Schnaase, III. S. 445 und IV. 1. S. 289, IV. 2. S. 239 ff. Wenn man alles über das Aufkommen und die Erfindung des Spitzbogens Gesagte ganz genau erwägt, möchte man sich fast zu der Ansicht bekennen, es sei eigentlich der Spitzbogen, was noch allerdings keineswegs gleichbedeutend ist mit einem förmlichen Spitzbogenstyl und namentlich mit dem gothischen, germanischen oäer deutschen Styl, gleichzeitig und an ganz verschiedenen Orten aufgekommen und nirgends erfunden oder besonders gesucht worden, sondern eben aufgenommen worden, nachdem seine Zeit gekommen war, oder die übrigen baulichen Constructionsweisen auf ihn geleitet hatten. Deshalb ist auch der Spitzbogen in den unterschiedenen Gegenden kein gleichförmiger, sondern ein anderer bei den Arabern zu Cairo, bei den Normannen auf Sicilien, in der Provence,3)Schnaase, IV. 2. S. 250 unten und S. 256. in dem Kloster Moissac in Aquitanien,4)Schnaase, IV. 2. S. 303. in Nordfrankreich und am Rheine, was im Pflanzenreiche und Thierreiche an die sog. generatio aequivoca. d. h. in das Entstehen aus nicht nachweisbarer Fortpflanzung oder Zeugung erinnert. Mit der Erfindung des mittelalterlichen Kirchengewölbbaues befindet man sich in der gleichen Verlegenheit und weiss nicht, ob man ihn der Normandie, den Rheinlanden oder der Lombardei zutheilen müsse. Nachdem einmal ein gewisser Baustyl lebendig in das Leben eingetreten ist, treibt er durch seine eigene Lebenskraft zu seinen weitern Folgen und Ausbildungen fort und die Menschen sind weniger die Erfinder, als die blossen Finder und die weit zerstreuten80 Schätze können von Mehreren an ganz entgegengesetzten Orten gefunden werden. 1)Vergl. Schnaase, IV. 2. S. 375 und 376.

II. Griechische Bauhütten und Bauinnungen.

Wenngleich das eigentliche Griechenland von Aegypten sich wesentlich darin unterscheidet, dass jenes in eine Anzahl bald grösserer, bald kleinerer Volksherrschaften zerfiel, während hier ein priesterliches Königreich mit strenger Kastenverfassung bestand, kommen doch wieder insoferne Griechenland und Aegypten mit einander überein, dass auch in Griechenland zu allen Zeiten die technischen Gewerbe und Künste Vereine der gleichen Berufsgenossen bildeten, eine Vereins - oder Innungsverfassung hatten. Es ist bestritten und wird kaum jemals mit historischer Gewissheit verneint oder bejaht werden können, ob Griechenland nicht auch ursprünglich und in den ältesten vorgeschichtlichen Zeiten eine der ägyptischen und indischen ähnliche Verfassung erblicher Kasten mit einer erblichen Priesterschaft als der ersten und leitenden Kaste gehabt habe, weshalb nur verwiesen werden mag auf:

  • Tittmann, Darstellung der griechischen Staatsverfassungen, S. 567 ff., vergl. mit S. 81 ff.
  • Hermann, Lehrbuch der griechischen Staatsalterthümer, §. 5 und §. 91 ff.
  • Schoemann, griech. Alterthümer, I. 317 ff. und 363 ff.

Die dem Theseus zugeschriebene Eintheilung und Gliederung des attischen Volkes in 4 Phylen oder Stämme und 12 Phratrien, von denen je drei eine Phyle bildeten, wie jede einzelne Phratrie wieder aus 30 Geschlechtern, das gesammte attische Volk aus 360 Geschlechtern somit bestand, war zwar zunächst eine geographische (oder nach81 dem Ausdrucke Tittmanns, S. 634, eine willkührliche), weshalb auch die 12 Phratrien oder Bezirke 12 Bezirkshauptstädte hatten: aber die hier erscheinenden Vereine hatten eine noch ältere religiöse und vielleicht auch politische Unterlage. Die Stämme, Phratrien und Geschlechter hatten je ihre besondern Schutzgötter mit einem eigenen Kultus derselben, was Theseus nicht neu einführte, sondem schon vorfand und nur fortbestehen liess. Die ionischen oder pelasgischen Stämme, welche seit Theseus den attischen Gesammtstaat ausmachten, waren nach Attika in älteren Zeiten eingewandert und brachten aus ihren früheren Sitzen ihre Familien - und Volksgottheiten mit, deren Verehrung sie heilig bewahrten. Vor Theseus war nun der attische Staat wohl nur ein Völker - und Städtebund,1)Hermann, §. 98. ein Fürstenbund, bestehend aus 4 Volksstämmen mit je 3 Bundesstädten und Bundesfürsten. Theseus verwandelte den Stämme - und Städtebund in einen Staat, welcher die frühern selbständigen Bundesglieder als die Theile des einen und untheilbaren attischen Staates umfasste, obwohl ihnen ihre angestammten Gottheiten und besondern Gottesdienste noch belassen wurden. Die 12 ursprünglichen Bundesstädte und jetzigen 12 Staatsbezirke waren vielleicht ursprünglich 12 kleinere Völkerschaften, besondere Volksstämme oder grössere Geschlechter, welche nicht allein in religiösem, sondern auch in militärischem Verbande mit einander standen, 12 Heeresabtheilungen waren, welche erobernd nach Attika einzogen, dort sich niederliessen und 12 Städte und Staaten gründeten. Die einzelnen Stämme zerfielen natürlich in eine Anzahl von verwandten Geschlechtern, welche erblich gewisse Beschäftigungen, die Viehzucht, den Ackerbau und die Gewerbe betrieben haben mögen, auch den Ureinwohnern, soweit sie dieselben nicht verdrängt hatten, gewiss feindlich gegenüber standen. Theseus bestimmte die Zahl der Geschlechter einer jeden Phratrie auf 30 und vertheilte in diese Anzahl alle Bewohner einer bestimmten Gegend, mochten sie auch nicht gerade verwandt zusammen sein, oder nicht denselben Beruf betreiben. Die Volkseintheilung des82 Theseus war eine politische, eine rein staatliche und sollte und musste alle Staatsbürger in den einzelnen Theilen unterbringen, wie in den spätern deutschen Städten auch alle Stadtbürger oft in eine Anzahl von Zünften vertheilt wurden, wenngleich Viele zu der ihnen bestimmten (politischen) Zunft durch ihre Beschäftigung nicht gehören mochten. Innerhalb und unbeschadet der politischen Eintheilung und Verbindung konnten die Geschlechter und Phratrieen auch ihre gewerblichen Interessen versehen und wahren, weshalb man den Gewerbsgenossenschaften auch bei der politischen Eintheilung schon dadurch möglichst Rechnung getragen hatte, dass man einen Gewerbsverein in die neue politische Eintheilung einfügte und einpasste, wo dieses nur immer anging. Daher würde es sich dann einfach erklären, dass die politischen Phratrieen und Geschlechter gewerbliche Namen tragen, Hatte Attika in der ältesten Zeit erbliche Kasten, war die bewusste Aufgabe und Absicht der Gesetzgebung des Theseus, die Auflösung der alten Zustände und die Umschmelzung derselben in einen einheitlichen Staat. Die Mitglieder in den einzelnen Geschlechtern und Phratrieen konnten blos politisch verbunden sein, waren aber vielfach zugleich durch Verwandtschaft und das gleiche Gewerbe verbunden; theilten sich also in Vollgenossen und blos politische Genossen. Die Eintheilung in Geschlechter und Phratrieen scheint aber vorzüglich der religiösen oder kirchlichen Verfassung, dem Kirchen - und Schulwesen zur Unterlage gedient zu haben und behielt diese Bedeutung auch dann unverändert bei, als durch Klisthenes um das Jahr 509 vor Chr.1)Peter, Zeittafeln, S. 37. eine neue politische Volkseintheilung in 100 Demen mit 10 Phylen von je 10 Demen aufkam,2)Schoemann, I. S. 367. Mit der Demenverfassung3)Ueber den Namen der Demen vgl. meine Symbolik. II. S. 690. des Klisthenes wurde in Attika gewissermassen das Politische und Bürgerliche von dem Religiösen und Kirchlichen getrennt, indem das Erstere auf den neuen Demen, das Letztere auf den alten Geschlechtern und Phratrieen beruhte. Die Phratrieen oder83 ihre Vorsteher führten die Bürgerregister,〈…〉〈…〉 oder〈…〉〈…〉 genannt, weshalb die Aufnahme und die Einschreibung in die Phratrie für den Neugebornen, den Herangewachsenen und den Neuvermählten gleich wichtig war und mit gewissen Feierlichkeiten und Opfern erfolgte. 1)Schoemann, I. S. 365; Hermann, §. 100. Auch das Vormundschaftswesen, die Mündigerklarung scheint den Phratrieen übergeben gewesen zu sein. 2)Schoemann, I. S. 360. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren alle atheniensischen Bürger, auch die von Klisthenes aufgenommenen Neubürger, einer der 12 Phratrieen oder grössern Cultgenossenschaften, gleichsam Kirchgemeinden zugetheilt. Neben den auf diese Weise dem öffentlichen Rechte, dem Kirchenrechte angehörenden Phratrieen bestanden die alten Geschlechter seit des Klisthenes Neuerungen wohl als reine Privatcultgenossenschaften3)Hermann, §. 101. fort, welche ihre eignen Priester, Heiligthümer, auch wohl Grundstücke und eine Kasse unter Verwaltung eines Seckelmeisters, sogar Leschen oder Versammlungshäuser hatten. Auch diese Geschlechter führten ihre Register und die Aufnahme und Eintragung in dieselben geschah in ähnlicher Weise und zu denselben Zeiten, wie in die Phratrieen. Die Neubürger schlossen sich zu neuen Privatcultgenossenschaften zusammen mit demselben Zwecke und mit derselben Verfassung gleich den Cultgenossenschaften der ältern Geschlechter; jedoch nannten sich jene nicht Genneten, wie diese, sondern Orgeonen, mit welchem Namen freilich auch noch andere Cultgenossenschaften bezeichnet wurden. 4)Vergl. Hermann, §. 99, Anm. 10. Wie die Phratrieen mit den daran sich anschliessenden Verbindungen der Genneten und Orgeonen das religiöse Leben umfassten, so die Demen, deren Zahl in Attika zuletzt auf 174 anstieg,5)Schoemann, I. S. 368. Peter, S. 37, Anm. 96, schreibt dem Kleisthenes schon die Eintheilung in 174 Demen zu. mit den zehn darüber stehenden Phylen das politische, obwohl aber auch die einzelnen Demen ihre besondern Gottheiten und Cultus, nur weniger eingreifend, hatten. Die Demen waren die eigentlichen bürgerlichen84 Versammlungen und führten gleichfalls sorgfältige Bürgerverzeichnisse, in welche die jungen Bürger nach ihrer Aufnahme, gewöhnlich nach zurückgelegtem 18. Jahre eingetragen wurden. Ihre politischen Rechte übten die Demen in den Versammlungen der durch Klisthenes von 4 auf 10 vermehrten Phylen, welche zu Athen stattfanden; die Demen wie die Phylen hatten neben dem oder den Vorstehern, dort Demarchen, hier Epimeleten genannt, besonders ihre ökonomischen Beamten; die Phylen, zugleich noch ihre Cultusbeamte zur Besorgung des besonderen Gottesdienstes.

Die Handwerker wie die Künstler waren in den älteren Phratrieen und Geschlechtern, oder in den neuern Demen und neuern Geschlechtsvereinigungen enthalten, je nachdem sie schon in den älteren Zeiten bestanden, oder erst späterhin aufgekommen waren. Die Ausübung des Handwerkes wie der Kunst war gewiss im Allgemeinen unter den göttlichen Schutz gestellt, indem die alten und neuen Geschlechter, die Phratrieen und Demen jene Götter und jene Heroen zu ihren besondern Schutzgottheiten erwählten und ihnen eigene Gottesdienste widmeten, welche mit ihrem Handwerke oder ihrer Kunst in einer nähern Beziehung standen, als die Erfinder und Einführer derselben galten u. s. w. Das genossenschaftlich-religiöse Leben, das ganze Sein und Leben der Griechen erscheint in dieser Weise höchst natürlich und zweckmässig, aber doch auch wieder mit tiefem Gefühle gestaltet. Der Lebensberuf war dem Vater wie dem Sohne, dem ganzen Geschlechte und dem Geschlechtervereine, der Phratrie oder dem Demos ein heiliger und höherer, weil ihre Götter selbst darüber beschützend wachten und ihnen durch alle Lebenslagen folgten; die Götter waren recht eigentlich mit dem Volke und dessen Bedürfnissen und Leben verwachsen; der Gottesdienst war ein wesentlich volksthümlicher und durch die Geschlechter, Phratrieen und Demen gepflegter und getragener. Der Religion, dem Cultus liegt als seine wesentlichste Aufgabe ob, das Volksleben, die Leiden und Freuden des Volkes, seine Beschäftigungen und Bestrebungen zu heiligen und zu vergöttlichen, und diese Aufgabe hatten die so feinfühlenden und künstlerischen Griechen sicher gelöset, wes -85 halb allen ihren Verbindunoen ein religiöses Gewand um geworfen ist, dieselben mit eigenen Gottheiten und Gottes diensten verknüpft waren. 1)Schoemann, I. S. 369. Was die Griechen vielleicht ohne klares Bewusstsein der Absicht im blossen richtigen Naturgefühle geübt haben, sollten unsere Gewerbsgesetz gebungen nunmehr mit der ernstlichsten Absicht thun und das Gewerbs - und Volksleben auf eine sinnreiche Weise mit dem Gottesdienste, mit den besonderen Jahresfesten der einzelnen Volkstheile in Zusammenhang bringen. Wenn z. B. noch heute die Akademien und Universitäten die Stiftungstage und ihre Stifter feiern, sind diese Feiern doch in der Zeit verschieden von dem Dienste der 100 Heroen der attischen Demen2)Schoemann, I. S. 368. von dem Dienste der gewerblichen oder künstlerischen Schutzgottheit eines einzelnen Geschlechts oder auch eines ganzen Geschlechtervereins. Bei den Griechen standen die Gemeinds - und Gewerbsgenossen zugleich in einer wirklichen religiösen Gemeinschaft, alle Staatsvereine, Staats - und Volksabtheilungen waren zugleich religiöse oder gottesdienstliche; auf demselben Grundsatze ruhten die Genossenschaften, die Collegien, also auch die Gewerbsgenossenschaften bei den Römern und diese Grundlage behielten auch die daraus hervorgegangenen oder doch daran sich anschliessenden germanischen mittelalterlichen Genossen schaften bei. Der Neugeborene, der Herangewachsene und sich Verehlichende wurde durch eine angemessene Feier in die bürgerlich-religiöse Verbindung des Geschlechtes, der Phratrie und des Demos eingeführt und aufgenommen, wie gewiss auch sein Unglück, seine Krankheit und sein Tod nicht theilnahmlos vorübergingen. Diese Vereine und ihre Theilnahme daran waren gesetzliche, nothwendige, öffentliche oder staatliche; daneben waren aber die freiwilligen Vereine, Hetärien, zu dem Zwecke gemeinsamer Freuden, gemeinsamer Unterstützung und Gottesverehrung, Freundschafts - und Liebesbünde, Bruderschaften jeder Art ebenso erlaubt wie üblich. 3)Symbolik, II. S. 598.Thiasoi wurden86 die Hetärien genannt, wenn der Verein an eine besondere Gottheit, ihre Opfer und Opferschmausereien angelehnt war, und Eranoi die wechselseitigen Unterstützungsgesellschaften, obwohl auch bei ihnen Lustbarkeiten und Schmausereien nicht ausgeschlossen waren. 1)Schoemann, I. S. 364; Hermann, §. 146 Anm. 9. Diese freiwilligen Hetärien können aber unmöglich jene Festigkeit, jene Innigkeit und jenen Wirksamkeitsumfang gehabt haben, wie die Phratrieen und Demen und die unter ihnen stehenden Geschlechtsverbindungen, weil in diesen eben sehr viele wirkliche Blutsverwandte, Geschlechtsverwandte bleibend verbunden waren, so dass die Mitgliedschaft in ihnen sich förmlich vererbte und man daher Mitglied des angestammten Demos2)Schoemann, I. S. 368. und wohl mehr noch der Phratrie und der Geschlechtsverbindung blieb, auch wenn man dort nicht mehr wohnte oder Güter hatte. Die Phratrieen und noch mehr die Geschlechtsvereine sind in ihrem letzten Ursprunge reine Familienvereine und haben sich erst allmählig und später theils aus sich selbst, theils durch Neuangekommene zu allgemeinen örtlichen Vereinen erweitert. 3)Hermann, §. 99. Es möchte daher nicht zu bezweifeln sein, dass in den Phratrieen, in den Bruderschaften die Mitglieder sich Brüder (〈…〉〈…〉) genannt und davon die Verbindungen selbst den Namen erhalten haben. Die kleinern Staaten sind selbst in ihrem geschichtlichen Ursprunge nicht selten nur grosse Familien. Ist diese Vermuthung bezüglich der griechischen Phratrieen gerechtfertigt, dann wird es auch gewisser, was vielfach bezweifelt werden wollte, dass ebenso die Mitglieder der römischen Gewerbscollegien Brüder sich genannt haben.

Betrachtet man die Eintheilung des attischen Volkes vor Klisthenes in 4 Phylen, 12 Phratrieen, 360 Geschlechter und 10,800 Familienväter (da jedes Geschlecht aus 30 Familenvätern oder vielmehr 30 Hausbesitzern bestanden haben soll4)Hermann, §. 99 Anm. 4. noch näher, möchte man darin die miliärische Gliederung eines Volkes oder Volksstammes er -87 blicken, der Attika erobernd besetzte und das Land unter sich nach der Heeresordnung vertheilte. Der attische Staat wäre somit auf Grundbesitz, wenn auch nicht gerade ausschliesslich auf Ackerbau gegründet gewesen, wie darauf in der That von Solon seine Verfassung gegründet wurde1)Schoemann, I. S. 329 ff. ; Peter, S. 32. Anm. 68; Hermann, §. 108. und schon vor ihm Lykurg den Staat der Spartiaten auf eine unangreifbare oder unveränderbare Ackervertheilung gestützt hatte. 2)Peter, S. 20, Anm. 20. Die ursprüngliche Grundvertheilung scheint schon eine ungleiche gewesen zu sein, indem wohl ältere, höher stehende oder sonst aus irgend einem Grunde bevorzugte Geschlechter einen grösseren Grundbesitz erhielten; jedenfalls verarmten bis auf Solon sehr viele kleinere Grundeigenthümer und es erzeugte sich eine stets grössere, aristokratischere Ungleichheit des Vermögens, der Gewalt und der Rechte, welche Solon zwar beschränkte, jedoch nicht gewaltsam verdrängte. Die Eupatriden, welche bis auf Solon die regimentsfähigen Geschlechter der vier Phylen in Attika ausmachten, sind vermuthlich der älteste Grundadel. 3)Hermann, §. 96; Schoemann, I. S. 322. Offenbar ist in der obigen Volkseintheilung ganz unvermittelt und äusserlich das (ältere) Duodecimalsystem mit dem Decimalsystem verbunden. Den Mittelpunkt der Eintheilung bilden die 12 Phratrieen, d. h. die 12 Monate des Jahres mit je 30 Tagen, welche letztere hier als 30 Geschlechter erscheinen. Die 12 Monate oder 12 Phratrieen vereinigen sich je zu drei zu den 4 Phylen und diese gleichen damit den 4 Zeiten des Jahres mit je 3 Jahresmonaten. Die 30 Hausbesitzer oder eigentlich 30 Häuser, welche ein Geschlecht umfasst,4)Peter, S. 32. Anm. 68. sind aus dem Missversstande der Dreissigzahl der Geschlechter einer Phratrie entstanden; denn hätte man diese noch als eine Analogie der Dreissigzahl der Monatstage gefasst, würde man am nächsten dazu gelangt sein, ein Geschlecht aus 24 Hausbesitzern, als analog den 24 Stunden eines Tages und noch analoger dem Duodecimalsysteme, zusammenzu -88 setzen; statt dessen wird die Dreissigzahl wiederholt und damit in das hier ungeeignete Decimalsystem hineingegriffen. Nach dem Duodecimalsysteme wurde in der That jede der 4 Phylen später in 12 Naukrarien getheilt, welche 48 Naukrarien, von denen je 4 wieder in nordischer Weise zu einer Trittye verbunden waren,1)Schoemann, I. S. 373; meine Symbolik, II. S. 674. die Verpflichtung hatten, je ein Kriegsschiff zur Flotte zu stellen, und darnach die Benennung hatten. Auch musste jede Naukrarie zwei Reiter zum Heere stellen. 2)Schoemann, I. S. 328. Diese Anknüpfung der Naukrarien an die Phylenverfassung beweiset zugleich, dass die letztere ursprünglich eine militärische gewesen. Klisthenes verliess das Duodecimalsystem, welches sich gerade dadurch als das frühere darstellt, aber ganz und wählte das Decimalsystem für die Phylenverfassung, was auch die Zehnzahl für viele Staatscollegien, die Hundertzahl (10 x 10) der Demen, die Fünfzigzahl der Naukrarien (5 x 10) und die Fünfhundertzahl (10 x 50 aus jeder Phyle) für den obersten Rath zur Folge hatte. 3)Schoemann, I. S. 338 und 372; Hermann, §. 111 u. 153ff. Aus der Bestimmung des atheniensischen Freistaates, dass zu Bürgeraufnahmen, bei Beschlüssen gegen eine bestimmte Person, wie namentlich bei dem von Klisthenes eingeführten Ostracismus, in der Volksversammlung mindestens 6000 Zustimmende vorhanden sein mussten,4)Hermann, §. 130, Anm. 6; Schoemann, I. S. 357. darf vielleicht vermuthet werden, es seien als volle Zahl der Volksversammlung und damit auch der wehrhaften Männer 12,000 vorausgesetzt. Die 12 Phratrieen wären sonach die 12 Abtheilungen des jüdischen und macedonischen Heeres, die 12 Stämme des atheniensischen Volkes. Die Phratrie wäre ursprünglich gleichbedeutend mit einem grossen Tausend oder 12 Hundertschatten, welche in 30 Geschlechter aus mythischem Grunde eingetheilt und nur als kleines Tausend angenommen werden, so dass auf jedes Geschlecht ungenau oder ungleich 33 oder 34 Mann fallen würden, wofür man die runde Zahl 30 gesetzt hat.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich in Attika und anderen griechischen Staaten die Demokratie, das freie89 Bürgerthum, der dritte Stand ganz in derselben Weise ausgebildet und den alten Kriegs - und Grundadel, die alten Eupatriden, die Ritter der solonischen Gesetzgebung,1)Schoemann, S. 331. gestürzt oder verjagt habe, wie dieses in den spätern mittelalterlichen Städten geschehen, nämlich in Folge des Aufblühens der Schifffahrt und des Handels, der städtischen Gewerbe und Künste, wodurch der Seedienst und das Geldvermögen das Uebergewicht gewann. Die Entwickelung des Griechenthums, der griechischen Volksfreiheit, Kunst und Wissenschaft, des griechischen geistigen und materiellen Reichthums sind innigst verschwistert oder nur verschiedene Erscheinungsformen des allseitig erwachten Volksgeistes, welcher zur See und zu Lande, in der Heimath wie in den Colonien, in der Stadt wie auf dem Lande, in der Kunst wie in der Wissenschaft sich gleich mächtig und schaffend regte. Die Perserkriege entflammten die Griechen zur höchsten und schönsten Kraftanstrengung, eröffneten ihnen das Feld der herrlichsten Thaten, aber auch des baldigen Wiedersinkens indem es den Menschen und den Völkern leichter ist, die Höhe zu ersteigen, als sich darauf zu erhalten. Wenigstens seit der solonischen Gesetzgebung scheinen die Genossenschaften, die Hetärien, die Bruderschaften bei den Griechen in demselben Umfange und mit demselben Erfolge zu politischen Zwecken und zu politischen Verbindungen gebraucht worden zu sein, wie später in den germanischen Staaten des Mittelalters. Nach Schoemann, I. S. 364, wird der Name Hetärie vorzüglich im politischen Sinne für geheime und unerlaubte Verbindungen gegen die bestehende Staatsordnung gebraucht, wäre somit gleichbedeutend mit den in den fränkischen Capitularien, den Concilienbeschlüssen und Beschlüssen der deutschen Kaiser verbotenen Schwurgenossenschaften, Gilden, Conjurationes, wovon unten an seinem Orte ausführlicher die Rede sein wird. Von den solonischen Gesetzen über die Genossenschaften sprach Caius im Buch IV. zum Zwölftafelgesetze und nach ihm L. 4 D. de collegiis et corporibus (XLVII. 22), welche Stelle Schoemann, I. S. 363 ff., gleichfalls90 commentirt. Caius erwähnt, dass Genossen (sodales) Diejenigen genannt werden, welche zu demselben Collegium, im Griechischen zu derselben Hetärie gehören. Diesen Genossen gestatte das Gesetz, pactionem, quam velint, sibi ferre, dum ne quid ex publica lege corrumpant, was einem solonischen Gesetze entlehnt zu sein scheine. Der Inhalt des solonischen Gesetzes wird, wenn anders unsere Auffassung richtig ist, dahin gegeben, dass die Demen oder Phratrien (〈…〉〈…〉, im Lateinischen übersetzt: plebs vel fratres), die Cultgenossenschaften (〈…〉〈…〉, sacrorum sacramentales), die Schiffergesellschaften, die Tischgenossenschaften, die Begräbnissvereine (〈…〉〈…〉, qui in eodem sepulcro sepeliuntur), die Opfermahlgenossenschaften〈…〉〈…〉〈…〉〈…〉, sodales),〈…〉〈…〉 (nach Schoemann〈…〉〈…〉) 〈…〉〈…〉, vel ad praedam abeuntes (die Kapereivereine zufolge Schoemann) und die Handelsgesellschaften sich beliebig einrichten dürfen (quidquid horum disponant inter se, firmum sit), wenn nicht einem bestimmten verbietenden Gesetze entgegengehandelt werde (nisi hoc publicae leges prohibuerint). Diese Verordnungen griechischer und römischer Kaiser gegen die unerlaubten Genossenschaften (illicita collegia) haben aber so wenig geholfen, als später die Reichsgesetze und die Kirchengesetze, indem die unerlaubten Verbindungen ja nur einen erlaubten und besonders heiligen Deckmantel vorzunehmen hatten. Daher bestimmt L. 1, §. 1 D. de coll. et corp.: Sed religionis causa coire non prohibentur, dum tamen per hoc non fiat contra senatus consultum, quo illicita collegia arcentur. Eine kaiserliche Verordnung hatte auch vorgeschrieben, dass Niemand mehrerer Collegien Mitglied zugleich sein könne, sondern sich auf ein Collegium beschränken müsse, welche Vorschrift aus nahe liegenden Gründen sehr nachtheilig und hemmend für die Verkehrs - und Gewerbsfreiheit war. Jedenfalls aber gab es zu Athen in seiner demokratischen Zeit keine von ihrem Betriebe ausschliessende Gewerbsinnungen oder Vereine, indem den Schutzverwandten oder Beisassen, den in Athen wohnenden und niedergelassenen Nichtathenern (〈…〉〈…〉) gegen die jährliche Abgabe von nur 12 Drachmen für die Familie die Betreibung aller bürgerlichen Gewerbe und Handthierungen unter dem Schutze91 der Gesetze gestattet wurde. 1)Hermann, §. 115, Anm. 6; §. 126, Anm. 9. Nach. Schoemann, I. S. 355, hätten die Fremden neben den 12 Drachmen, gleichsam einer Kopfabgabe, noch eine besondere Gewerbssteuer bezahlen müssen. Indessen berechtigt diese humane Niederlassungs - und Gewerbsfreiheit des atheniensischen Freistaates nicht zu dem Schlusse, dass es sich stets so verhalten habe und unter den Königen und während der aristokratischen Herrschaft keine andere gesetzlichen Einrichtungen bestanden haben. Was zu Athen und im freien Griechenland die Ausbildung eigentlicher Gewerbsinnungen verhinderte oder sehr beschränkte war der Umstand, dass die reicheren Bürger die Handwerke und Gewerbe, namentlieh aber den Bergbau, durch Sklaven betreiben liessen. 2)Schoemann, I. S. 350. Selbst der atheniensische Staat liess in der Münze durch Staatssklaven arbeiten. 3)Schoemann, I. S. 353.Ein gewisser Diophantes hatte den nicht ausgeführten Vorschlag gemacht, dass der Staat zur Beschaffung aller Handwerksarbeiten für öffentliche Zwecke Sklaven verwenden sollte.

Nach Schoemann, II. S. 374, standen bei den Griechen gewiss die Familien und Zünfte der Baukünstler und bildenden Künstler, die ja vorzugsweise im Dienste der Religion arbeiteten, in einer nähern Beziehung zu den Tempeln und Priesterschaften, obgleich sie, wenigstens in den spätern Zeiten, keineswegs eigentliche Tempeldiener, noch weniger aber priesterliche Personen zu nennen sein dürften. Thiersch, Epochen, S. 36, theilt mit Böttiger die Ansicht, dass in Aegypten und in Griechenland die ganze Rangordnung und Stellung der einzelnen Künste, welche vereint nur den Göttern und ihrem Dienste dienten, in beiden Ländern dieselbe sei: In beiden Ländern herrscht die Baukunst; ihrem Dienst zugeordnet ist die Sculptur, bestimmt mit ausgemeisselten und eingehauenen Bildern die Werke von jenen zu schmücken. Dieser wieder als Dienerin zugegeben ist die Malerei, deren ganzes Geschäft sich darauf beschränkte, mit den 4 heiligen Farben die Gestalten und Sinnbilder anzustreichen, die unter dem92 Meissel von jenen hervorgingen. Dass die ägyptische Kastenverfassung mit einer vorherrschenden übermächtigen Priesterschaft, welche in einer überraschenden, noch unerklärten Uebereinstimmung auch in Indien besteht, in Griechenland in der geschichtlichen Zeit wenig oder gar nicht hervortritt, hat wohl darin seinen Grund, dass bei den Hellenen und den Pelasgern auf den langen Zügen und Wanderungen des Kampfes aus Asien um das schwarze Meer herum bis in das heutige Griechenland die Krieger, die Heroengeschlechter an die Spitze der Volksstämme getreten waren, welche dann in dem eigenen Rechte und in der eigenen Macht zugleich die Freiheit des Volkes vor einer Priesterherrschaft bewahrten. Griechenland hat daher ein Heroenzeitalter und das Epos, welche den frühe in dem Nilthale niedergelassenen und dem Acker - und Städtebau zugewandten Aegyptern unter ihrer Priesterschaft und dem priesterlichen Königthume fehlen. Ebenso war Griechenland mit den weiten vielgetheilten Meeresküsten und den zahlreichen, über das ganze Mittelmeer ausgebreiteten Inseln durch die Natur schon jegen die ägyptische Abgeschlossenheit und Erstarrung geschützt und dem regsten Völker -, Handels - und Geistesverkehre geöffnet; die freie griechische Kunst und Bildung ist das schönste und höchste Erzeugniss des gesegneten und ewig heitern griechischen Bodens. Die Wiege des jungen griechischen Künstlers, der griechischen Kunst umstehen die Völker des Mttelmeeres, besonders die Aegypter und Phönicier mit ihren reichen Geschenken der Handwerke, des Metallgusses und Bergbaues, der Schifffahrt und des Schiffbaues, der Webkunst und der Kunst der Stickereien, des Steinbaues u. s. w., weshalb auch schon in den ersten geschichtlichen Anfängen und vorzüglich in den Zeiten Homers1)Vergl. Thiersch, Epochen, S. 9, Anm. 9, u S. 42, Anm. die griechische Kunst eine höhere Stufe einnimmt, namentlich aber mit den zu bearbeitenden Stoffen nicht mehr zu kämpfen hat. Der cubische Stein2)Vergl. Lenning, Encyklopädie unter Cubik-Stein; Ragon, rituel du grade de cornpagnon, Paris 1860, S. 36 ff. mit dem darauf liegenden Winkelmasse, welches dirigit93 obliqua, könnte das uralte ägyptisch-griechische Symbol der dankbaren Erinnerung sein, dass der Mensch die rohen Steine zu behauen und zu formen gelernt habe, wie die gleiche Dankbarkeit in den eleusinischen Geheimnissen die Erfindung und Einführung des Ackerbaues feierte. Der Hammerschlag, welchen die Maurer noch heute bei ihrer Weihe symbolisch erlernen müssen und der mit den Graden sich steigert, soll nur an den mühevollen Werth erinnern, welchen dieser Hammerschlag, der überwindende und glättende Hammer für die erste Menschheit hatte. Der Grieche als Schüler der Aegypter ist der Dädalos, der am Anfange der geselligen Bildung steht und nach Plinius, hist. nat. VII. 57 die Säge,1)Vergl. Romberg und Steger, Geschichte der Baukunst, I. S. 9 a, Anm. *** die Axt, das Bleiloth, den Leim und Kitt, und, wir dürfen beifügen, den Hammer erfunden und gefunden hat. Es ist ganz undenkbar, dass ein so phantasie -, kunst - und geistvolles Volk, als die Griechen gewesen, nicht auch die Erfindung der Baukunst, der ersten und nützlichsten aller menschlichen Künste, durch religiöse Symbole und Feiern, durch Mysterien sollten verherrlicht haben, und es erscheinen uns demnach der Hammer und Ilammerschlag, der rohe und cubische Stein, das Winkelmass und der Winkel, der Zirkel und der Kreis nebst den darin befindlichen Vielecken, das Bleiloth u. s. w. als uralte, als unbestreitbar ägyptisch-griechische Symbole. Der geöffnete Zirkel ist z. B. auf einem Steine des Berliner Museums2)Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, II. Nr. 829. dem Atlas als Astronomen beigegeben, andeutend, dass er mit dem Zirkel die Bahnen der Sterne messe. Schnur und Hammer erscheinen namentlich auch als die Attribute des Menschenbildners Prometheus. 3)Wieseler, Il. Nr. 835 ff.Diejenigen, welche die Alterthümlichkeit dieser Symbole stets bezweifeln und bestreiten, sollten doch nur einmal durch die That beweisen, dass die Erfindung und die Einführung sinnvoller und geschichtlicher Symbole so leicht sei; es ist viel leichter, eine Urkunde zu zerreissen als zu verfassen und94 niederzuschreiben. Ist es doch auch schon schwer genug, von den erhaltenen Symbolen nur eine passende Deutung und Erklärung zu geben, dass man deren Erfindung nicht weniger schwer glauben sollte. Die Franzosen lassen den cubischen Stein nach eigener Erfindung auf seiner obern Fläche in eine Pyramide endigen, wie Ragon erklärt, um die heiligen Zahlen darauf zu schreiben (dans le but d’y inserire les nombres saerés). In den Gesellenkatechismen der deutschen (schottischen) und besonders der französischen Logen wird weiter gelehrt, dass der cubische Stein den Gesellen diene, um ihre Werkzeuge daran zu schleifen und zu schärfen (pour aiguiser leurs outils), was kaum in einem andern als ethischen Sinne und dahin gefasst werden könnte, dass an dem behauenen Steine die Gesellen den rohen Stein zu behauen lernen sollen.

Dass die Griechen in dem Heroenzeitalter mit dem ägyptischen Steinbau und den sich daran anschliessenden Künsten bekannt geworden seien, d. h. dass die erobernden und sich fest niederlassenden Griechen in Griechenland zuerst nach ägyptischem Style und mit ägyptischen Mitteln gebauet haben, möchten die so merkwürdigen und in das höchste griechische Alterthum hinaufreichenden Schatzhäuser im Peloponnese und in Böotien erweisen. 1)Vergl. darüber Thiersch, Epochen, S. 10, Anm. Der Erzschmuck, den diese Schatzhäuser im Innern gehabt zu haben scheinen, möchte zunächst den Phöniciern angehören und erinnert an das vergoldete Innere des salomonischen Tempels. 2)Symbolik. II. S. 144.Aus dem so lange Jahrhunderte sich kaum bemerklich verändernden und bis auf die fünfzigste Olympiade oder bis gegen die Zeiten der Perserkriege fortdauernden Kunst - und insbesondere Sculpturstyl, welcher oft z. B. von Thiersch als der heilige oder hieratische bezeichnet wird, darf vielleicht geschlossen werden, dass der Kunst, sei es durch die Priester unmittelbar, sei es durch bestimmte Satzungen der geschlossenen Künstlerinnungen selbst, gewisse religiöse Schranken gesetzt und bestimmte bleibende Vorschriften über bild -95 liche Darstellungen gegeben gewesen seien,1)Vergl. Thiersch, S. 92 ff. wodurch die Kunst ihren heiligen festen und unveränderlichen Charakter erhielt. Indessen könnte jene lange scheinbare Unveränderlichkeit und Unbeweglichkeit der alten griechischen heiligen oder religiösen Kunst auch blos eine Wirkung des gesammten künstlerischen Stilllebens und Stillstehens während jener Zeiten sein; jedoch ist dieses unwahrscheinlich. K. O. Müller, um bei dem altgriechischen oder hieratischen Kunststyle ägytische Einflüsse nicht zugeben zu müssen. nennt ihn das freiwillige Anschliessen aller Künstler an anerkannt grosse Muster; abgesehen davon, dass es damals noch keine grosse Muster gab und geben konnte, müsste doch der Grund des freiwilligen Anschliessens Aller noch dargelegt werden. Das Glaublichste möchte sein, dass die Anfertigung der Kultbilder die erbliche Beschäftigung gewisser Handwerks - und Künstlerinnungen,2)Vergl. darüber auchl Thiersch, S. 100 ff. oder auch ursprünglich priesterlicher, mit den Priestern zusammenhängender Geschlechter gewesen sei und in die sen sich die altväterliche Verfertigungsweise, welche zugleich mit den alten religiösen Anschauungen zusammentraf, Jahrhunderte gleichmässig vererbte; erst als mit dem allgemeinen Aufblühen der freien griechischen Städte und Staaten die alten Zunfteinrichtungen allmählig zusammenbrachen und stets vollkommenere Freiheit der Gewerbe und der Künste eingeführt wurde, entwickelte sich ein freierer, der neue Kunststyl, indem sich zugleich die eigentlichen Künste und Künstler mehr abtrennten von den blossen Handwerken (〈…〉〈…〉) und Handwerkern (〈…〉〈…〉). Thierseh S. 28 Anm. und S. 122 ff. glaubt, es sei zu Athen eine aus Aegypten mit dem Dienste des Hephästos (Phthas), der Athene (Isis oder Neith) und des Apollo Patroos herübergebrachte Werkstätte, an deren Spitze die Sage den Dädalos stellte, die älteste Kunstwerkstätte, die altattische (〈…〉〈…〉〈…〉〈…〉) gewesen, indem durch die Ankömmlinge und das aus ihnen entsprungene Geschlecht der Erechthiden mit den Göttern und ihrem Dienste auch Behandlung der96 Stoffe, besonders der Metalle gelehrt worden sei. In der ältesten Stammeintheilung von Athen erscheint auch eine Zunft der Dädaliden vom Stamme der Argaden oder Gewerbtreibenden, in welcher wie in den andern Zünften auch nach der Ansicht von Thiersch die Kunst sich ununterbrochen vom Vater auf den Sohn forterbte, was freilich z. B. Tittmann, 8. 617, widerspricht und nur an Schulen denken will. Indessen ist diese Erblichkeit eigentlich schon die natürliche Folge des Nichtvoranschreitens oder Nichtsichveränderns aller Völker im Anfange ihrer Geschichte, wie Völker Jahrhunderte, ja vielleicht Jahrtausende hindurch blosse Jäger oder auch Hirtenvölker waren. Es sind keine Schulen, die in der Urzeit der Völker ein Unding sind, sondern jedenfalls Geschlechts - und Stammgenossenschaften, wie wir diese auch bei den Germanen finden. 1)Vergl. Maurer, Einleitung zur Geschichte der Mark -, Hof -, Dorf - und Stadt-Verfassung, München 1854; S. 5 ff., S. 13 ff.Den verschiedenen Berichten nach arbeiteten die Dadaliden vorzüglich in Holz, Elfenbein und Gold, in Erz, Thon und gebrannter Erde, in Stein und Marmor und waren also Bildschnitzer, Bildgiesser und Bildhauer, Steinmetzen (〈…〉〈…〉), wie auch Sokrates ein solcher attischer Dädalide oder Bildhauer gewesen war. Die Zunft der Dädaliden bestand ursprünglich mit allen übrigen Zünften aus den näher und entfernter verwandten Geschlechtsgenossen, welche noch dazu sieh regelmässig nur in der Sippschaft verehelichten und gemeinsame Opfer, einen gemeinsamen Gottesdienst hatten oder eine religiöse Bruderschaft zugleich waren; sie blieben daher stets durch die Interessen des erblichen Handwerks wie des eigenen Gottesdienstes in engster Freundschaft verbunden, auch nachdem Nichtgeschlechtsgenossen durch Heirath, Adoption oder auf andere Weise unter ihnen Zugang gefunden hatten. Wir hätten also hier wenigstens die älteste und Jahrhunderte blühende Bildhauer -, Steinhauerhütte, obwohl Thiersch gegen Hemsterhius den Namen der Steinmetzen nicht gelten lassen will (S. 126 Anm.). Einzelne sich auszeichnende Künstler scheinen den Namen Dädalos erhalten zu haben, weshalb so viele Werke, und aus ganz97 verschiedenen Zeiten und Orten, des Dädalos genannt werden; nach Thiersch (S. 36 Anm. 28) werden alle Künstler vor Phidias unter dem Namen des Dädalos zusammengefasst. Ohne Zweifel waren diese Künstler auch Baukünstler und Baumeister, die Werkstätte zugleich eine Bauhütte, wie es auch Thiersch, S. 135, anzusehen scheint.

Auch die Kunstschule auf Kreta,1)Thiersch, S. 136. die schon in den frühesten Zeiten in der Erzarbeit sich auszeichnenden und berühmten Kureten und Daktylen, war eine ägyptische Gründung mit der attischen, und beide Kunstschulen werden mit einander durch Dädalos in Verbindung gebracht. Die kretischen Mysterien, die Mysterien der Kureten und Daktylen, gestatten zugleich die Vermuthung, dass die Kunstwerkstätten in Griechenland von den ägyptischen Priestern und Einwanderern ursprünglich als Mysterienanstalten wie in Aegypten eingerichtet worden seien. Dass die kretische Kunstschule namentlich auch eine Bauhütte gewesen, erhellt aus der Nachricht bei Vitruvius de Architect. VIII in Prooem., gegen den Anfang der Olympiaden sei aus Knosos, dem Hauptsitz der Dädaliden, Chersiphron nach Asien gezogen und habe dort mit Metagenes, seinem Sohne, den ionischen Tempel der Diana zu Ephesus erbauet. In Knosos erscheinen wieder die dortigen Mysterien2)Symbolik, II. S. 501. neben der Kunstwerkstätte oder vielmehr diese in jenen. Zu Sikyon im Peloponnese, dem alten Mekone, wo Prometheus die Götter betrog, befand sich wohl ebenfalls schon im höchsten Alterthume eine priesterliche Werk - und Kunststätte, welche zu Prometheus in demselben Verhältniss stand, wie die attische, kretische und knossische zu Dädalos. 3)Thiersch, S. 140 ff.Wandernde Priester brachten, wenn nicht überall, doch meistens, mit dem Kultus auch die Anfänge aller Bildung, der Gewerbe, Künste und Wissenschaften, so in Indien die Brahmanen und in Asien überhaupt die Buddhisten, bei den Germanen die Klostergeistlichen und bei den Griechen die ägyptischen Priester. Anfänglich ist Alles in der Hand und in dem Schatze der priesterlichen Stifter und Lehrer vereint und auch die98 Arbeits - und Kunstschulen tragen ein priesterliches Gewand, bis im Laufe der Zeiten und bei vergrösserten Verhältnissen eine stets weitere Trennung und Sonderung und namentlich auch Verweltlichung erfolgt. Immerhin aber ist die Relligionsgeschichte, die Geschichte des Kultus und der Kultanstalten auch die Geschichte der Bildung und der Schulen, der Gewerbs - und der Kunstschulen, in denen anfänglich auch noch eine ungetrennte Vereinigung vorwaltet. Aus der alten berühmten Werkstätte zu Argos,1)Thiersch, S. 157 ff. an deren Spitze der mythische Epeios, der Verfertiger des kollossalen trojanischen Pferdes, stand und die mit dem Dienste und Tempel der Hera zusammenhing, sind gebildet durch den dortigen vorzüglichen Künstler Ageladas, die drei grössten Meister der zu ihrer Vollendung sich erhebenden griechischen Kunst hervorgegangen, Myron2)Thiersch, S. 212 ff. aus Eleutherae, Phidias aus Athen und Polykletos3)Thiersch, S. 203 ff. aus Argos. Hieraus ist abzunehmen, dass die sich auszeichnenden Kunstwerkstätten zugleich allgemein besuchte Bildungsschulen gewesen seien, wie auch solche Werkgtätten nur an den Orten aufblühten und sich erhielten, wo sich eine vielbesuchte Kultstatte, besonders mit Orakeln oder mit Spielen, befand, um an die frommen Besucher die Kultbilde, das hauptsächlichste Erzeugniss der damaligen Kunst und Künstler absetzen zu können. Bei den Griechen war ursprünglich und bis zur höchsten Entwickelung die Kunst Tempelkunst, wie die spätere germamsche Kirchenkunst; bei den Griechen und bei den Germanen war alle wahre Kunst eine heilige, eine dem Gottesdienste oder den Göttern geweihte. Die ältesten geschichtlichen Künstler aus Argos sind Eutelidas und Chrysothemis, welche um Olymp. 65 oder 529 v. Chr. die Bildsäule des olympischen Siegers Demaratos aus Heräa und die seines Sohnes Theopompos gossen. Das Epigramm darauf enthielt die Namen der beiden Künstler mit der Angabe, dass sie die Kunst von ihren Vorfahren erhalten haben (〈…〉〈…〉heisst es nach99 Pausanias 6, 10. §. 2) Die letztere Bemerkung des Epigrammes sollte wohl empfehlend und rühmend ausdrücken, dass die Künstler einem alten Künstlergeschlechte, einer alten Kunstschule angehören, ächte Ahnen haben. Ebenso besass Korinth, von wo der edlere Styl dorischer Bauart und die Erfindung erhabener Arbeit in Thon ausgegangen, eine alte und berühmte Kunstwerkstätte. 1)Thiersch, S. 164 ff. Hier war der bekannte viereckige Prunkkasten aus Cedernholz, aus heiligem Holze2)Symbolik, I. S. 153. mit eingelegtem Gold und Elfenbein verfertiget worden, welchen zum Andenken an die darin erfolgte wunderbare Erretttung ihres Ahnherrn aus Mordgefahr die Nachkommen des Königs Kypselos als ein Weihgeschenk zu Olympia auf gestellt hatten. 3)Pausanias, 5, 17 ff. Selbst bei den Lahedämoniern und zu Sparta bestand in den ältern Zeiten eine nicht unrühmliche Kunstwerkstätte. 4)Thiersch, S. 170 ff. Bei der Eroberung und Zerstörung von Magnesia in Kleinasien durch die Kimmerier war von da eine Genossenschaft bildender Künstler, an ihrer Spitze Bathykles nach dem Peloponnes gekommen und hatte bei den Lakedämoniern Aufhahme und Arbeit gefunden. Bathykles baute hier mit den ihn begleitenden Künstlern für das 30 alte Ellen hohe Standbild des amykIäischen Apollo den kolossalen Thron, welchen Pausanias ausführlich beschrieben hat. An diesem Berichte über die von Bathykles geführte, wandernde Künstlergesellschaft ist zu entnehmen, dass schon im alten Griechenland sich die Künstlergenossenschaften wie im spätern Mittelalter verhalten haben, indem sie der Kunst und Arbeit nachwanderten. Auch auf Rhodos wurde die Kunst schon in vorhellenischen Zeiten zunftmässig und in den Geschlechtern abgeschlossen betrieben; die Kunst war nach Rhodos durch die, ägyptischen oder doch phönicischen Priester, die Telchinen wahrscheinlich gebracht worden. 5)Thiersch, S. 179, Anm. 85.Aehnlichen Ursprungs, aber berühmter ist die Kunstschule auf Samos, wo gegen den Anfang der Olympiaden zu -100 folge Thiersch, S. 180 und S. 219, Rhökos den Bau des Tempels der Hera, nach Herodot des grössten Tempels in ganz Griechenland, begann und mit seinem Sohne Theodoros, dem ägyptischen Künstlerzöglinge,1)Symbolik II. S. 493. den Erzguss erfand. Noch berühmter aber, besonders auch durch Vervollkommnung des auf Samos erfundenen Erzgusses ist die äginetische Kunstschule. 2)Thiersch, S. 194 ff.Zu den hervorragenderen Künstlern der Schule zu Aegina gehören in der ältern Zeit Kallon, dessen Alter nach den sichersten Berechnungen in Olymp. 66 hinaufrückt, sodann Synnoon, Glaukias, Simon und Anaxagoras; am Schlusse der äginetischen Kunst steht Onatas, Sohn des Mikon aus Aegina, zugleich Maler und Erzgiesser. Gemäss Thiersch, S. 251 Anm., waren wahrscheinlich von Kallon die berühmten, jetzt zu München befindlichen äginetischen Bildsäulen um 65. Olymp. verfertigt. Auf der Insel Chios blühte nach der Meldung von Plinius eine in der eigentlichen Bildhauerei oder in der Bearbeitung des Marmors sich auszeichnende Künstlerfamilie, welche im Anfange der Olymp. von Malas gestiftet sein sollte und bis auf die 60. Olymp. herab, zuletzt in Bupalos und Athenis, den Söhnen des Anthermos, blühte.

Die bisher aufgezählten alten und ältesten Kunstwerkstätten Griechenlands und der griechischen Inseln tragen in den wesentlichsten Beziehungen einen gemeinsamen Charakter. Als ihre letzte Heimath weisen sie auf Aegypten hin durch ihre Abgeschlossenheit und durch ihre Anlehnung an die einzelnen grossen Tempel, an den Gottesund Priesterdienst, durch die erbliche Betreibung der Künste in den ursprünglich priesterlichen und ägyptischen Geschlechtern. Die strenge ägyptische Erblichkeit, die eigentliche Kastenverfassung konnte in Griechenland keine Wurzel fassen, weil sie an schon mehr entwickelte Volkszustande von Aussen hinzutrat; für Griechenland bewährte diese Kasten - und Geschlechterverfassung der Handwerke und Künste nur ihre wohlthätigen Wirkungen, indem sie die Erhaltung der einmal erworbenen Kunstfertigkeiten101 sicherte und ihre Vervollkommnung durch lange Fortbetreibung in demselben Gesehlechte und an demselben Orte ermöglichte. Die Geschlechtsverbindung erleichterte ebenso das Unternehmen und die Ausführung grösserer Kunstwerke, wozu es vereinter oder auch, wie bei den Bauten und Erzgüssen, fortgesetzter Kräfte bedurfte, weshalb oft auch Vater und Sohn, z. B. Rökos und Theodoros, oder auch zwei Brüder, wie Theodoros und Telekles, nebeneinander als die Verfertiger eines Kunstwerkes genannt werden. Die Kastenverfassung, die Zunftverfassung war die schützende Schaale, worin die schöne und freie griechische Kunst heranreifte, und welche zerbrach, nachdem die Frucht ihre volle Reife und Höhe erlangt hatte. Kunst und Handwerk, Künstler und Handwerker, Theorie und Praxis waren noch ungetrennt und vereinigt, was wieder die Entwickelung und Vervollkommnung der Handwerke und Künste förderte und in dem Geschlechte, in der Zunft, in der grössern und bleibenden Werkstätte leicht stattfinden konnte, indem alle Fähigkeiten der Glieder, die höhern wie die niedern, zu den gemeinsamen Werken verwandt werden konnten. Die griechische Zunftverfassung tritt hierdurch mit den mittelalterlichen Bauhütten in eine auffallende Uebereinstimmung und selbst die Verschiedenheiten und Abweichungen werden begreiflich und klar. In Griechenland trat neben der Baukunst, neben dem Tempelbau vorzüglich die mit ihren Werken und Götterbildern die Tempel schmückende Sculptur hervor, wie dieses in der Natur und dem Bedürfniss der mannichfachen griechischen vermenschlichten Götter lag; die Architektur und Sculptur erscheinen daher in Griechenland nicht nur in der innigsten Verbindung, sondern zuweilen eilt die Sculptur selbst zur Höhe und zum Gipfelpunkte voraus. Die Sculptur und die Baukunst wetteiferten mit einander, dem Marmor Leben und Gestalt zu verleihen; und um die Marmorbilder in den Marmortempeln reihten sich zugleich die zahllosen Bilder in Holz, Erz, Elfenbein und Gold, d. h. mit der Sculptur vermählten sich die Plastik (das Bildformen), die Statuaria (das Bildgiessen) und die Toreutik (das Ausschmücken der Holzbilder mit Gold und Elfenbein). Das älteste toreutische Werk, welches zu102 unserer Kenntniss gekommen, ist der Kasten des Kypselos und solche toreutische Werke waren auch die am meisten bewunderten Kolosse des Phidias und des Polyklet, auch viele Bilder der Dädaliden. Wie das Handwerk nicht von der Kunst noch verschieden war, waren im Ganzen auch die einzelnen Künste in den Kunstwerkstätten nicht getrennt, sondern wurden mit und nebeneinander in der Werkstätte und von den Künstlern betrieben, obwohl durch das besondere Geschick eines Meisters in dieser oder jener Kunst eine Werkstätte in diesem oder einem andern Kunstzweige mehr Ruhm und Auszeichnung erwerben mochte. Byzes aus Naxos soll Olymp. 46, 3 und 55, 1 die Kunst erfunden Jutben haben, den Marmor in Ziegeln zu sägen, und Kallimachus, dem auch die Erfindung der korinthischen Säule zugesehrieben wird, den Gebrauch des Bohrers bei der Bearbeitung des Marmors. Während bei den Griechen die Sculptur, die Marmorkunst herrscht und überwiegt, tritt uns in den mittelalterlichen Bauhütten die Steimnetzkunst entgegen, mit welchem letztern Namen nicht allein die Verschiedenheit des Materials, sondern zugleich die verschiedene Stellung der Baukunst und der Sculptur in den germanischen Zeiten und bei den Christen bezeichnet ist. Die Steinmetzkunst, die Steinsculptur ist der Baukunst untergeordnet, dienet nur ihr durch Einfügung ihrer Kunst und ihrer Bilder in dieselbe; selbstständige und durch eigene Tempel und Wohnungen zu ehrende Götterbilder liebt das Christenthum von der unvorstellbaren, unsichtbaren und unerforschlichen Gottheit um so weniger, als in dem christlichen Gemeindehause solche Bilder keinen Raum hätten. Dagegen erhebt sich die Malerei bei den Christen zu einer bis dahin nicht gekannten Bedeutung und Höhe, indem sie die eigentliche Ausschmückung der sonst kahlen Wände des Gemeindehauses durch die triumphirende Verherrlichung der Thaten und Leiden des Herrn, seiner Mutter, Jünger und Heiligen, oder auch seiner Vorläufer im alten Bunde, übernimmt. Die Kirchenbaukunst, die Kirchenmalerei und der Kirchengesang mit Orgelbegleitung, mit der Kirchenmusik sind die drei grossen Pfeiler und Säulen, worauf aller christlicher Kirchen - und Gottesdienst ruht und ohne deren Vereinigung der letztere103 stets unvollkommen und mangelhaft sein wird, wie man sich in den farb - und tonlosen protestantischen Kirchen der Schweiz überzeugen kann. Das ausgemalte oder mit Gemälden geschmückte Gemeindehaus mit der gemeinsam zu dem einigen Gotte in der Höhe betenden und singenden Gemeinde sind die Eigenthümlichkeit und der Fortschritt der christlich-germanischen Völker gegenüber den Griechen, welche nur gemeinsame Opfer mit Gesang und Tanz, und Kampfspiele zur Feier ihrer Götter kannten und diese ausserhalb der Tempel daher begehen mussten. Nachdem in Griechenland und bei den mittelalterlichen christlich-germanischen Völkern die Künste geworden waren, die Künste zu ihrer Höhe sich emporgeschwungen hatten, waren sie damit von den Handwerken nunmehr innerlich verschieden und getrennt, welche Trennung deshalb bald auch äusserlich vollzogen wurde. In der revidirten gemeinen deutschen Steinmetzordnung vom J. 1563 wie auch schon in der Steinmetzordnung von 1464 ist die Verbindung zwischen Kunst und Handwerk nur noch eine in der letzten Auflösung begriffene, nur noch eine freiwillige von Seiten der Künstler, indem Art. 2 verordnet, dass derselben unterworfen sein sollen die Meister, die köstliche Beuw und solch werck machen können, da sie auff gefryget sind und mit keinem Handwerk dienent, sie woltend es denn gerne thun. 1)Krause, II. 1. S. 295; Heideloff, Bauhütte, S. 61. Die Bauhütte, die volle und ungetheilte Künstlerwerkstätte theilte und trennte sich immer mehr, indem namentlich die einzelnen Handwerke, besonders der Maurer, den Städten als besondere Zünfte einverleibt wurden und diesen Handwerkerzünften beliebig auch die Künstler beitraten, ohne jedoch ihre Verbindung mit der ältern Bauhütte aufzugeben. 2)Krause, II. 1. S. 271, Anm. 7.Die allgemeinen Bau - und Künstlerhütten sanken zu blossen städtischen Steinmetz - und Handwerkerzünften herab. Die gemeinen deutschen Steinmetzordnungen sind nur die letzten Lebensregungen, die erfolglosen Wiederbelebungsversuche der schon sinkenden deutschen Bauhütten und deutschen Baukunst, denn104 eine andere und neue, eine kunstlose Zeit nahte und begann.

Die geschlossenen griechischen Kunstwerkstätten, die geschlossenen Handwerker - und Künstlerverbindungen, die Geschleehtergenossenschaften waren nicht blos den Nichtgenossen verschlossen, sondern auch ihre technischen Kenntnisse und Fertigkeiten bewahrten sie als ihr ursprüngliches Familiengeheimniss und Familiengut, um es als solches ihren Nachkommen zu überliefern, wie sie es von ihren Vorfahren empfangen hatten. Wenn späterhin diese Genossenschaften sich auch mehr öffneten und eigentliche Fremde als Mitglieder zuliessen und aufnahmen, blieben sie doch immerhin noch geschlossene und waren nur leichter zugänglich. Eben deshalb war gewiss die Aufnahme in die Genossenschaft stets eine feierliche, auf die Einschärfung des zu bewahrenden Geheimnisses berechnete und vermuthlich auch eine gradweise, jedoch fehlen alle näheren und bestimmten Nachrichten darüber. Da die hierher gehörenden Handwerke dem Hephistos, Dädalos oder der Athene, also Feuer - oder Lichtgottheiten gewidmet waren und da zu Athen die Aufnahme in die Familie und den Familienverein der Phratrie als eine Mittheilung des heiligen Feuers bei dem jährlich im October gefeierten Feste der Apaturien erfolgte,1)Symbolik, II. S. 274. dürfte mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Aufnahme in die Handwerksgenossenschaft, zum Mitglied einer Kunstwerkstätte eine weihende Lichtertheilung, eine Mysterienaufnahme im Wesentlichen gewesen sei, wodurch aber Verschiedenheiten nach Orten und Gegenden nicht ausgeschlossen werden, wie dieses die Einrichtungen der Daktylen, Korybanten und Telchinen, soweit dieselben bekannt sind, bestätigen. Verschiedenen Kunstwerkstätten als Genosse anzugehören, in verschiedene Mysterien eingeweiht sein, hatte im Alterthum ungefähr denselben Sinn, wie wenn wir von dem Besuche mehrerer Bauschulen, Kunstakademien oder Hochschulen reden. In dem Kunststyle der verschiedenen alten Kunstwerkstätten und in ihrer Kunsthöhe bestand nach Thiersch, S. 246 ff., kein105 wesentlicher Unterschied, ihre Kunst soll eine und dieselbe gewesen sein, was aber als wahr nicht zu billigen sein möchte, da nothwendig das grössere Geschick und höhere Talent der einzelnen Werkstätten und ihrer ausgezeichneteren Meister einen innern Unterschied der Werke erzeugen musste, wenn sie auch wegen des zu beobachtenden heiligen Canon, wegen der bestehenden priesterlichen Vorschriften eine gewisse äussere Gleichförmigkeit an sich trugen; waren ja in den verschiedenen griechischen Städten und Staaten auch verschiedene Gottesdienste und verschiedene Götter eingeführt. Die Bezeichnungen der Arbeiten der einzelnen Werkstätten bei den Griechen und Römern durch Buchstaben oder auf andere Weise, durch Fabrikzeichen, Töpfernamen, Steinmeizzeichen u.s.w., kannen nur die Absicht der Empfehlung der Arbeit gehaben. Ganz neuerlich wurden z. B. in dem Theater des Herodes Atticus zu Athen aus dem 2. Jahrh. nach Chr. steinharte Ziegel aus Thon aufgefunden, welche griechische Buchstaben als Bezeichnung tragen und womit alle solche Ziegeln bezeichnet gewesen zu sein scheinen. 1)Ausland für 1861, S. 24. Es dürfte daher auch die Ansicht Heideloffs, die Bauhütte des Mittelalters in Deutschland, S. 18, nicht begründet sein, dass die Steinmetzzeichen oder Monogramme, welche einem jeden Steinmetzgesellen als sein eigenthümliches Zeichen zur Bezeichnung seiner Arbeiten verleihen und in dem Gesellenbuche neben seinem Namen eingetragen wurden, erst im 15. Jahrhundert in Deutschland gebräuchlich geworden seien. 2)Vergl. Symbolik I. S. 95 ff.Diese Steinmetzzeichen, Arbeitsbezeichnungen der einzelnen Werkstätte oder auch der einzelnen Werkmeister, finden sich als ein Nothwendiges und Unentbehrliebes zu allen Zeiten und in allen Ländern, wie z. B. auch Capitän Spratt und Professor Torbes, Reisen in Lydien (London 1847), Steinmetzzeichen mittheilen, welche sie an den Steinen einer alten türkischen Ruine (Old Khan), 3 Meilen vom Gulelook-Pass, auf dem Wege von Adalia landen. Kommen doch diese Steinmetzzeichen, Hausmarken und Logenzeichen bei den Indern sogar in verschie -106 dener Farbe auf die Stirn oder Brust gemalt vor, um die Verehrer dieses oder jenen Gottes, die Bekenner dieser oder jener Secte erkennen zu lassen. Paulin voyage aux Indes orientales, II. S. 293 ff., hat diese indischen hieroglyphischen Zeichen, wie er sie nennt, theilweise beschrieben und auf Taf. X. b seiner Abbildungen dargestellt. Die Nummern 1, 2, 6, 7 und 8 nähern sich den eigentlichen Hausmarken, wogegen die übrigen Zeichen aus Bildern oder göttlichen Symbolen bestehen, z. B. dem Auge der Vorsehung, dem Feuerdreiecke, dem Lingam, einem Bogen, Vierecke, Mondsviertel u. s. w. Auch der jüdische Hohepriester trug den Namen des Jehovah auf die Stirne geschrieben, was vermuthlich Nachahmung einer ägyptischen Sitte war, da in Aegypten auf dem Kopfe des Osiris der dreifache Phallus, der Dreizack des Çiwa erscheint. Den Steinmetzzeiehen stehen auch gleich die Zeichen der Goldschmiede, womit dieselben ihre schwerern Arbeiten, z. B. nach Vorschrift der Goldschmiedeordnung von Heidelberg aus dem J. 1563, bezeichnen mussten, damit ein Jeder über Nacht zu finden sei. 1)Mone, Zeitschrift, III. S. 161 unten. Dazu musste noch durch ein besonders hiefür bestelltes Rathsmitglied ein städtisches oder obrigkeitliches Zeichen (ein bestimmter Buchstabe des Alphabetes) gefügt werden, dass die Waare geprüft und probehaltig gefunden worden sei. Auch die Münzzeichen sind gleichen Entstehens. Dass die von den Privaten einmal angenommenen oder ihnen verliehenen Zeichen nicht willkührlich verändert werden durften, versteht sich. 2)Vergl. Art. 59 der revidirten deutschen Steinmetzordnung vom Jahr 1563.

Die vorgehenden Ausführungen weisen zugleich die Richtigkeit der Angabe der Yorker Constitution vom Jahr 926 nach, dass schon die Griechen gleich den Römern Logen , d. h. geschlossene Kunstwerkstätten, Zünfte eingeführt hatten. Krause, II. 1. S. 83, Anm. 3, glaubt sogar, dass in den ersten Jahrhunderten nach Chr. wie in alle römischen Provinzen so auch nach Britannien sich griechische Künstler und Gelehrte verbreitet hatten. Auch107 behauptet die Yorker Urkunde noch,1)Krause, II. 1. S. 93. dass bei der im J. 926 auf der dortigen allgemeinen Maurerversammlung den englischen Maurern ertheilten Verfassung die Einrichtungen der Griechen, worüber Schriften vorgelegt worden, Berücksichtigung gefunden haben. Nachdem die griechische Freiheit zuerst dem macedonischen Könige Philipp und dann den Römern erlegen war, bestanden die griechische Kunst und ihre alten berühmten Werkstätten namentlich auf Rhodos, zu Athen und Sikyon dennoch noch Jahrhunderte fort und besonders waren die Schulen zu Athen während der Zeiten der römischen Herrschaft als die Sitze der höchsten Bildung, Kunst und Wissenschaft besucht;2)Thiersch, S. 344 ff. und S. 391. dennoch aber möchte entgegen Thiersch und Visconti, und hier mit K. O. Müller sehr zu bezweifeln sein, ob die bildende griechische Kunst seit den Zeiten des Phidias und Perikles bis herab auf Hadrian und Apollodorus trotz aller über Griechenland hingegangener Stürme sich auch nur in ihren besten Werken auf der gleichen Höhe noch unter den römischen Kaisern, z. B. unter Titus in der seiner Zeit angehörenden Gruppe des Laokoon und dein Borghesischen Centauren3)Thiersch, S. 332 ff. , während mehr als 5 Jahrhunderten forterhalten habe. Nach dem Untergange des weströmischen Reiches blieb Constantinopel oder Byzanz der letzte Sitz der alten Kunst und Bildung, von wo auch einzelne Meister und Gesellen nach dem Abendlande gekommen oder wohin solche zu ihrer Ausbildung gezogen sein mögen, ohne dass jedoch die byzantinische Kunst einen tiefern und stärkeren Einfluss auf die abendländische gewonnen hätte. 4)Raumer, Gesch. der Hohenstaufen, VI. S. 527.Thiersch mit seiner Behauptung der langen gleich hohen Fortblüthe der griechischen Kunst seit den Zeiten des Phidias und Polyklet steht ziemlich vereinzelt und ist auf fast allgemeinen Widerspruch gestossen; die gewöhnliche Ansicht, wie sie z. B. auch bei Romberg und Steger, Gesch. der Baukunst, I. S. 28 b, Schnaase, Gesch. der bildenden Künste,108 II. S. 315 ff., Lübke, Geschichte der Architektur, S. 616 ff., aufgenommen ist, lässt mit dem Tode Alexanders des Grossen oder um 324 vor Chr. den Verfall der griechischen Kunst beginnen und bis zum J. 146 v. Chr. oder bis zur Zerstörung von Korinth und bis zum Untergange der griechischen Freiheit fortgehen.

III. Die kymrischen Barden.

Eine besondere und sehr aufmerksame Betrachtung verdienen hier die kymrischen Barden, welche sich am längsten und am reinsten in Wales und in Irland1)San Marte, Beiträge zur bretonischen Heldensage, Quedlinburg 1847, S. 122 ff. erhalten haben und worüber neuerlich der rühmlich bekannte Bonner Rechtsgelehrte, F. Walter, in seiner Schrift, das alte Wales, Bonn 1859, S. 254 bis 314, mit grosser Klarheit und fast allzu strengem kritischen Sinne gehandelt hat, weshalb wir seiner Darstellung vorzugsweise folgen werden. Die Verfassung und die Gebräuche der druidischen und lichtgläubigen Barden,2)Vergl. auch Symbolik, I. S. 630. welche zugleich den Culdeern sehr nahe standen, waren nachweislich auf die Verfassung und die Gebräuche, die Rituale der alten englischen Bauzünfte von vorbildlichem Einflusse, was bisher weniger beachtet wurde, weil das englische Bardenwesen and seine Geschichte erst in den neuern Zeiten mehr und gründlicher erörtert und erforscht worden sind. Die englischen Quellen und Literatur stehen bei Walter verzeichnet, worauf einfach verwiesen wird.

Die Druiden3)Vergl. darüber die Symbolik an den im Register angeführten Stellen; Diefenbach, Origines Europaeae, Frankfurt 1861, unter Bardus und Druides, im weitern Sinne zerfielen in Gallien109 und in Britannien in drei Klassen oder Unterabtheilungen: 1) die Druiden im eigentlichen und engern Sinne, die Priester und Lehrer, Theologen und Philosophen, welche zugleich an der Spitze des ganzen Staates standen und die Gesetzgebung, wie die Rechtspflege leiteten und übten; 2) die Foidh, davon nach Brosi, die Kelten und Althelvetier, Solothurn 1851, S. 88, lateinisch Vates, griechisch〈…〉〈…〉, die Propheten, welche aus dem Fluge der Vögel und den Eingeweiden der Opferthiere, mitunter auch der Menschen, weissageten; 3) die Barden, die Dichter, Sänger und Musiker, welche die Thaten und die Geschichte des gesammten Volkes, wie der Einzelnen im Liede zu vererherrlichen und der Nachwelt zu bewahren, auch die Kämpfenden mit ihren Gesängen zum Kampfe für die Götter und das Vaterland zu entflammen hatten. Bei Paulus Diaconus heisst es: Bardus gallice cantor apellatur qui virorum fortium laudes canit. Die Druiden heissen im Kymrischen Derwyddon, welches Wort Diefenbach, O. E. S. 317 ff., bestimmt hat, die Ableitung der Druiden von〈…〉〈…〉, daru, dry, kymr. korn. dar, derw, korn. brit. derô, brit. derv, derf u. s. w. von Plinius wieder aufzunehmen. Das ghadelische Fâidh, Fâith, Fâidhe, Fâid, Fâig betrachtet Diefenbach, S. 320, eher für ein Lehnwort aus dem Lateinischen, als etwa zu sanskr. vâdi, orator, poeta gehörig. Obwohl die Römer dem ihnen feindlichen Druidenthum in Gallien wie in Britannien bei der Eroberung und Besetzung des Landes entschieden entgegengetreten waren und dasselbe als die herrschende Priesterschaft gebrochen und abgeschafft hatten, blieben natürlich die alten Druidengeschlechter bestehen und mit ihnen musste sich Vieles von dem vorrömischen Glauben und Gebrauche erhalten. Die den Kymren eigenthümliche und das ganze Volksleben umfassende und tragende Geschlechtsverfassung1)Walter, a. a. O., S. 33 und S. 81, Anm. 10, S. 132 ff. erhielt bei den Geschlechtern wie bei dem gesammten Volke zugleich die Erinnerung und den Sinn für das Angestammte und von den Vätern Hergebrachte lebendig und unerschütterlich fest. Ebenso wussten die Druiden sich wenigstens theilweise110 und in veränderter Gestalt ihren alten Einfluss auf das Volk und die Volksbildung zu erhalten, indem sie sich die römische Bildung aneigneten und in den in Gallien wie in Britannien durch die Römer gegründeten zahlreichen Städten an den städtischen Schulen eine Anstellung als Lehrer zu erhalten suchten und wirklich erhielten. 1)Walter, S. 74 und 265. Sie sind die Professoren der gallischen Städte, über deren Behandlung noch im J. 376 Valens, Gratian und Valentinian eine besondere Constitution erlassen und die Gallien eine bedeutende vorchristliche Literatur gegeben hatten. 2)Warnkoenig, franz. St. -Gesch., S. 55; Eckermann, Lehrbuch der Religionsgeschichte und Mythol., III. 1. S. 15. Das allerdings frühe in Britannien und zwar von dem Abendlande, von Italien und Gallien her eingedrungene Christenthum hatte so wenig wie das Römerthum den druidischen Glauben und Brauch, das alte kymrische Volksthum vollständig zu überwinden und zu verdrängen vermocht, selbst wenn man mit Walter, S. 217 und 307 ff., annehmen wollte, dass es bei dem Abzuge der Römer im J. 410 aus Britannien in dem von ihnen besetzt gewesenen Landestheile keine Heiden mehr gegeben habe. Das Concilium zu Tours im J. 567 rügte noch den Steincultus der Gallier; veneratores lapidum ...... excolentes sacra fontium admonenius. 3)Concilia Galliae, Baluzius, p. 110.Plinius, hist. nat. XXX, 4 fand in Britannien, wohin nach Cäsar die gallischen Kelten zogen, um druidische Wissenschaft zu erlernen, solche religiöse Gebräuche, dass nach seinem Ausspruche man hätte glauben mögen, von den Briten seien sie den Persern übertragen worden. Nach dem Abzuge der Römer wurden die Kymren, die Briten wieder ein Volk, ein Völkerbund, welcher bald für sein Volksthum gegen die Angelsachsen zuerst und später gegen die Normannen für seine Freiheit einen langen und blutigen Kampf zu kämpfen hatte und dessen letzte Zufluchtsstätte die Berge, Thäler und Küsten von Wales gewesen, bis es auch hier im J. 1284 vollständig erlag und Eduard I. das Fürstenthum Wales mit der englischen111 Krone vereinigte. Diesem Jahrhunderte andauernden Kampfe der Kymren und Walen für ihre Unabhängigkeit und ihr Dasein, diesem Ringen um das Volksthum ist es gewiss wesentlich zuzuschreiben, dass sich der alte Volksgesang, die Heldensage und Dichtung, die kymrische Sprache und das Lied mit den Barden, den Sängern und Dichtern forterhalten und fortgebildet haben. 1)Walter, S. 80 und 265. Die kymrischen Barden, deren Namen nach Diefenbach, S. 245, nur irrig auch auf die germanischen Sänger angewandt wurde, sind die Vertreter des ganzen kymrischen Volkes, seiner Sprache und Literatur, daher die Bardenvertassung einen Gegenstand der Staatsgesetzgebung bildet, ihre Einrichtung eine Staats - und Volkseinrichtung ist, welche von den Fürsten und von dem Volke mit der gleichen Liebe und Sorgfalt gepflegt wird. Ursprünglich waren die Barden blos die Dichter und Sänger, aber in den neukymrischen Reichen, in Cymru oder Wales wurden sie die Pfleger und Träger der gesammten Volks - und selbst zum Theil der Gelehrtenbildung, man dürfte sagen, sie haben auch die Obliegenheiten der alten Druiden übernommen, weghalb ihre Sängersitze oder Sängerstühle nunmehr sich den frühern Druidenschulen auch ähnlich stellten. Selbst das Prophetenamt, das Amt des Vates war auf sie übergegangen, da sie aus den Prophezeiungen des Landes die Zukunft erkennen sollten. 2)Walter, S. 283.Der unter den Kelten so alte Feudaldienst erstreckte sich namentlich in Wales auch auf die Barden. Bereits im sechsten Jahrhundert erscheinen die Barden als ein hochgeehrter Stand, als die geistige Spitze des Volkes, welche als Freunde und Berather den Fürsten zur Seite standen und selbst Fürsten zu ihren Gliedern zählten; sie übten neben den geistlichen Schulen, worin die Schulwissenschaften, die sog. 7 freien Künste gelehrt wurden, die höhere und höchste Kunst des vaterländischen Sinnes, Wortes und Gesanges, der Vaterlandsliebe und Vaterlandsgeschichte, der Volksfreiheit und Volksthümlichkeit. Aus dem neuern deutschen Volksleben könnten mit den Bardenvereinen blos die Sänger -112 und Musikvereine verglichen werden, wenn man sich dieselben von Staats wegen eingerichtet und betrieben denken würde; wie die Sänger und Musiker einer Stadt, eines Bezirkes, eines Landes oder auch mehrerer Länder sich versammeln, so wurden auf die Anordnung und unter der Aufsicht des Staates die Barden versammelt, um zu singen und zu musiciren und die darauf bezüglichen Angelegenheiten durch ihre Beschlüsse zu erledigen und zu fördern. Eckermann, III. 2. S. 123 und 129, glaubt, es sei der Bardenorden durch die Bemühungen Taliesins und Merddins wiederhergestellt worden und habe sich der Orden von Waschbecken der Ceridwen (Erdmutter Ceres) genannt. Die Bardengesetze wurden in Wales besonders in der Zeit vom 10. bis zum 12. Jahrh. erlassen und zwar zuletzt nach dem Systeme der Tafelrunde des Königs Arthur zu Caerleon, welches Rhys ab Tewdwr aus der Bretagne mitgebracht und das der Fürst von Glamorgan sodann in seine Iland genommen hatte. Als die Höhe - und Blüthezeit der kylnrischen Barden ist daher das 12. Jahrh. zu betrachten und sie hatten damals im Wesentlichen folgende gesetzliche Einrichtungen.

Die einzelnen Bardenvereine, welche sich über einen grössern oder kleinern Bezirk ausdehnen konnten, hiessen Bardenstühle (cadair, von cathedra) und zu einem Bardenstuhle gehörten somit alle in seinem Bezirke befindlichen Barden, die nur insofern wirkliche (öffentliche) Barden waren, als sie sich bei ihrem Stuhle nach gesetzlicher Vorschrift (barn) und nach Herkommen (gorddyfnaid) hatten unterrichten, graduiren und immatriculiren, einkathedriren lassen (Walter, S. 271). Der Meister vom Stuhl hiess Bardd Cadair oder Cadeiroawg, Barde des Präsidentenstuhls;1)Eckermann, III. 2. S. 131 ff. er trug ein himmelblaues Kleid. Jeder Bardenstuhl, welcher in allen Theilen einer freimaurerischen Loge verglichen werden darf, hatte gleich dieser seine besondere Verfassung, gehörte zu einem bestimmten Bardensysteme, wie vorzüglich des Königs Arthur, und führte einen eigenen Wahlspruch oder Namen, z. B.113 Gott und alle Güte, Wahrheit gegen alle Welt, Jesus u. s. w. Es ist zuvörderst zu beachten, dass es also verschiedene BardensySteme gab, obgleich die Verschiedenheiten dieser Systeme nicht näher mitgetheilt werden, und dass jeder einzelne Bardenstuhl bei seinem Entstehen auch einen Wahlspruch wählen musste, nachdem er benannt wurde. Die eigentliche Bedeutung der Logennamen. z. B. Modestia eum Libertate, Zur Brudertreue, Les Amis fidèIes, La Fidelité u. s. w. besteht demnach darin, dass der Name der Wahlspruch der Loge ist und sein soll. Das christliche System, welches nur Christen in seine Mitte aufnehmen will, finden wir schon frühe unter den kymrischen Barden, indem nach dem Tode des Königs Arthur zu Loughor ein Stuhl errichtet worden sein soll, welcher der Stuhl des Taliesin, auch der Stuhl der Taufe hiess, weil nur Getaufte zugelassen wurden. Sein Wahlspruch war: Der Stein ist gut mit dem Evangelium. In diesem Wahlspruche ist der Stein vielleicht eine Andeutung des Symboles des rohen oder des cubischen Steines, welches auch den kymrischen Barden bekannt war; der maurerische rohe und cubische Stein können leicht die letzten Ausläufer des keltischen oder druidischen Steincultus sein. Unter den übrigen Namen oder Wahrsprüchen der spätern Bardenstühle, welche Walter, S. 273, mittheilt, haben noch einen maurerischen Anklang: Erwachet! es ist Tag, Ein Freund wiegt hundert starke Männer auf. Ein neuer Bardenstuhl konnte gültig und bleibend nur eingesetzt werden, wenn dieses drei Bardenversammlungen beschlossen hatten,1)Walter, S. 272 und 277 d. h. in der ersten Bardenversammlung musste dazu der Antrag gestellt, in der zweiten derselbe erörtert und in der dritten entschieden werden. Die beschliessende Bardenversammluno, ist wohl diejenige des betreffenden Landes, in welchem der neue Bardenstuhl errichtet werden soll, und vertritt somit die maurerische Grossloge. Sollte ein ruhender Bardenstuhl, d. h. einer, der seit Menschengedenken nicht besetzt gewesen, wieder erneuert werden,114 konnte dieses ebenfalls nur durch einen 3maligen Beschluss der Bardenversammlung geschehen. Dass ein jeder Bardenstuhl die erforderlichen Vorsteher oder Beamten, Localitäten, oft Grundeigenthum u. s. w. besessen habe, liegt in der Natur der Sache. Der Zweck und die Aufgabe der Bardenstühle war ein geschichtlich bestimmter und ist im Vorgehenden schon bezeichnet, wozu noch hinzuzufügen ist, dass es eine besondere Obliegenheit der walischen Barden gewesen ist, die Geschlechtsregister der Edlen und Gemeinen zu führen,1)Walter, S. 281. gewiss weil sie allein das Kymrische zu schreiben verstanden. In den Triaden über die Freiheiten und Einrichtungen der Barden geben sie selbst als ihre 3 Endzwecke an: die Reform der Sitten und Gewohnheiten; die Sicherung des Friedens und die Verherrlichung alles Dessen, was gut und ausgezeichnet ist. Daher waren dem Barden untersagt: Unsittlichkeit, Satyrisiren, und Waffen zu tragen. Auch gehörte deshalb zu ihren 3 Vorrechten neben den der gastlichen Aufnahme und des höhern Glaubens ihres Wortes und Zeugnisses, dass in ihrer Gegenwart keine entblössten Waffen getragen werden durften. Die drei Freuden der Barden der Insel Britannien waren nach einer Triade: das Wachsthum der Wissenschaften, die Verbesserung der Sitten, und der Sieg des Friedens über Gesetzlosigkeit und Gewalt. Die allgemeinen britischen Bardenversammlungen mussten immer Jahr und Tag vorher verkündigt, und an einem der vier hochheiligen Tage gehalten werden; diese hochheiligen Tage waren nach der Bardenlehre der 10. December, als der kürzeste Tag und zugleich des Winters und des Jahres Anfang, der 10. März als das Frühlingsäquinoctium und der Frühlingsanfang, der 10. Juni als der längste Tag und Sommeranfang, und der 10. September als das Herbstäquinoctium und der Herbstanfang (Walter, S. 276). Die Bardenversammlung, gorsedd oder eisteddfod y Beirdd genannt, sollte öffentlich und im Angesichte der Sonne und des Lichts, auf einer grünen Wiese mit einer Rednerbühne von Stein oder Rasen, oder in einer Kirche und an einem ähnlichen Orte gehalten werden,115 woselbst die Theilnehmer unbewaffnet erscheinen mussten. Die Versammlung wurde mit einem Gebete eröffnet und eines dieser Gebete für die Versammlung von Glamorgan lautete:

Gewähre, o Gott! deinen Beistand! Und im Beistand Stärke; Und in der Stärke Einsicht; Und in der Einsicht Wissenschaft; Und in der Wissenschaft den Sinn für’s Rechte; Und in dem Sinne für’s Rechte die Liebe desselben; Und in der Liebe desselben die Liebe aller Creatur; Und in der Liebe aller Creatur die Liebe Gottes.

In dem erhaltenen ältesten englischen Aufnahmsgebete wurde von den Maurern zu Gott gefleht:

O Herr Gott, gib zu unserm Glauben Tugend, zur Tugend Erkenntniss, zur Erkenntniss Mässigung, zur Mässigung Klugheit, zur Klugheit Geduld, zur Geduld Frömmigkeit, zur Frömmigkeit Bruderliebe, und zur Bruderliebe allgemeine Liebe; und verleihe, o Herr, dass die Maurerei gesegnet sei durch alle Welt, und dein Friede uns sei. o Herr; und verleihe, dass wir Alle vereint sein mögen wie Einer durch unsern Herrn Jesus Christus, der da lebt und regieret von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. 1)Krause, Kunsturkunden. I. 1. S. 149.

In seinem zweiten Briefe 5 ff. schreibt Petrus: So wendet allen euren Fleiss daran, und reichet dar in eurem Glauben Tugend, und in der Tugend Bescheidenheit, und in der Bescheidenheit Mässigkeit, und in der Mässigkeit Geduld, und in der Geduld Gottseligkeit, in der Gottseligkeit brüderliche Liebe und in der brüderlichen Liebe gemeine Liebe.

Obwohl nun dem maurerischen Aufnahmsgebete zunächst diese Stelle des Briefes Petri einverleibt wurde und das Bardengebet nur als eine sehr freie, aber schöne Nachbildung derselben Stelle erscheint, haben wir doch in der Symbolik, II. S. 312, die Vermuthung gewagt, es möchte die so nachdrückliche und absichtliche Hervorhebung der allgemeinen Wesensliebe in dem maurerischen116 Aufnahmsgebete ein buddhistischer Einfluss und Anklang sein. Nachdem jetzt das älteste Gebet der Barden vorliegt, möchte jene Vermuthung zur Gewissheit erhoben sein, indem die Liebe aller Creatur doch kaum eine andere sein kann als die allgemeine Wesensliebe der buddhistischen Morallehre. Es sind mehrere der Bardengebete in den im J. 1848 herausgegebenen Jolo Manuscripts,1)Walter, S. 5. S. 79, 80, 469 und 470 enthalten.

Druidische Einflüsse auf das alte maurerische Aufnahmsgebet scheinen aber auch noch von anderer Seite her nachgewiesen und schwerlich zurückgewiesen werden zu können. Das Gebet beginnt: O du Herr Gott, du grosser und allgemeiner Baumeister der Welt, du erster Bildner des Menschen, dass er wie ein Tempel sei. Der Mensch wird also hier ein von Gott erbauter Tempel, ein göttlicher Tempel, ein Gottestempel2)Vergl. Symbolik, I. S. 144 und II. S. 178. genannt. In dem Gespräche nun zwischen Arthur und Eliwlod, einem alten christlichen, gegen die Barden oder den Druidismus gerichteten Gedichte, gedruckt in Original mit gegenüberstehender deutscher Uebersetzung bei San-Marte (Schulz), Beiträge zur bretonischen und celtisch-germanischen Heldensage, Quedlinburg 1847, S. 83 ff., und aus 53 Strophen von 3 gleichreimigen Versen, der sog. Kriegerstanze oder Englyn Milwr bestehend, wird der Geist Arthurs wiederholt, in Strophe 36 und 42 erhabner Gottestempel angeredet, oder auch in Str. 44 Gottestempel der Freudigkeit und in Str. 42 Heiliges Räthsel des Heiligthums. Zu wyddwa oder gwydda (Gottestempel) bemerkt San-Marte, es bezeichne wörtlich Ort der Gegenwart , von wa, Platz, und gwydd, Gegenwart, der Ort, wo die Gottheit sich persönlich offenbart oder erscheint; gwydd heisse auch 1) Wissen, Kenntniss, 2) Baum; letzteres sei wahrscheinlich die ursprüngliche Bedeutung, wie überhaupt der Druidismus in Religion und Philosophie den Begriff Baum festzuhalten liebe; im ganzen altirischen Abc trage jeder Buchstabe den Namen eines Baumes, die Druidenschrift sei Pflanzen -117 schrift. Wir theilen aus dem Gedichte einige Strophen mit:

Vorsätzlich Uebles begehn, In bösem Entschluss bestehn, Das heisst Sünde und Vergehn.

Gott lieben mit rechtschaffenem Muth, Und beten mit aufrichtiger Gluth, Schafft ewges Heil und zeitlich Gut.

Ueber Vergehen innige Reue, Auf Gnade hoffen in Treue, Das schafft, dass Frieden die Seel erfreue.

Arthur, erhabner Gottestempel, Nicht von Gott oder Alpha werden abgebracht, Das ist der höchste Gipfel der Macht.

Arthur, erhabner Gottestempel, Heilig Räthsel des Heiligthums, wiss auch: Gott selbst ist Richter nach ewigem Brauch.

Diese Strophen werden dem in Gestalt eines Adlers auf einer Eiche sitzenden Geiste des Eliwlod, eines Neffen Arthurs, in den Mund gelegt.

Wie gewisse nahe Beziehungen zwischen den Barden und dem maurerischen Aufnahmsgebete vorhanden sind, so auch zwischen ihnen und dem sog. Freimaurerverhör von Heinrich VI.,1)Symbolik, I. S. 367 ff. und II. S. 314. weshalb und aus andern Gründen schon von Thomas Paine in einem nachgelassenen, 1812 erschienenen Werke de l’origine de la Francmaçonnerie die Freimaurerei von den Druiden abgeleitet worden war. Es wird den Maurern in jenem Verhöre auch die Kunst beigelegt, gut und vollkommen zu werden, ohne die Hülfe der Furcht und der Hoffnung. Dieser Satz erscheint nun auch in den kymrischen Triaden vom Könige Arthur und seinen Rittern in folgender mehr ausführlichen und zugleich theologischen Fassung:

Drei rechtspendende Ritter am Hofe Arthurs (deren Namen folgen). All ihr Sinnen ging darauf, die Hülfebedürftigen jeder Art zu schützen, Waisen, Wittwen und Jungfrauen, und Alle, die sich unter den Schutz Gottes und seines Friedens gestellt, und alle Armen und Schwachen, ohne Ausnahme, und sie vor Gewalt,

118

Unbill und Bedrückung zu bewahren. Und sie handelten weder aus Rücksichten, noch aus Furcht, noch aus Liebe, noch aus Hass, noch aus Leidenschaft, noch aus Gefälligkeit, noch aus Zorn, noch aus Gunst irgend einer Art, sondern allein weil es so gerecht und recht war, nach den Gesetzen Gottes, nach der Natur der Milde und nach den Forderungen der Gerechtigkeit. 1)Walter, S. 343.

Uns ist ganz zweifellos, diese Lehren der Barden und der Maurer, dass der Mensch ganz leidenschaftslos handeln, alle Leidenschaftlichkeit überwinden solle, seien aus der gleichen indischen und besonders buddhistischen Quelle abzuleiten. Dem hiefür schon früher Beigebrachten sei noch beigefügt:

In der Baghavat-Gíthá wird gesagt: Weise Männer, die jeden Gedanken an die Frucht, welche aus ihren Handlungen entsteht, verbannt haben, sind befreiet von den Ketten der Geburt und gehen in das Land ewiger Glückseligkeit. Dies also sind die wahren Stricke und Ketten, die Vorurtheile, welche durch die Weihe gelöst und gebrochen werden sollen. Sankara, der berühmteste Vedantalehrer sagt von Brahma: Ich bin das grosse Brahma, das ewig ist, rein, frei, eins, beständig, glücklich, seiend, ohne Ende. Wer nichts Anderes betrachtet, wer sieh an einen Ort zurückzieht, wessen Begierden vernichtet, und wessen Leidenschaften unterjocht sind, der begreift, dass der Geist eins und ewig ist. Ein Weiser muss alle sinnlichen Dinge vernichten und immer nur den einen Geist betrachten, der dem reinen Raum gleicht. 2)Bunsen, Gott in der Geschichte, II. S. 138.

Der buddhistische Brahma-Spruch lautet:

Austrockne der Begierde Strom, die Lust treib aus, o Brahmana: Das Ungeschaffne kennst du, wenn Vernichtung kennst, o Brahmana. Der beide Ufer hat erkannt, das Diesseits und das Jenseits auch, Dem fallen ab die Bande all, die seinen Geist gefesselt einst.

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Dem beides ist nicht Diesseits dies, nicht Jenseits das, Den nichts erschreckt, der frei von Allem, diesen nenn ich Brahmana.

Wer überwunden diese Welt, die feindlich ihm entgegentritt Wer störungsfrei, wer durchgedrungen ist zum Ufer jenseits dort, Wer sinnend lebet, von Begehrung frei ist und ganz zweifellos, Wer nichts als eigen anspricht, diesen Mann nur nenn ich Brahmana,

Wer Leid und Freude hinter sich, in Ruhe lebt, des Elends los, Wer alle Welten überwand, den Helden nenn ich Brahmana.

Der Buddha-Spruch enthält:

Der unbesiegbar ist, den Niemand nicht In dieser Welt bezwingen mag, Den Buddha, spähend das Unendliche, Den Fussstapflosen, welche Spur zeigt euch ihn an?

Den kein Gelüst umstricken mag den keins Vermag an sich zu ziehn, vergiftendes, Den Buddha, spähend das Unendliche, Den Fussstapflosen, welche Spur zeigt euch ihn an?

Die Götter selbst beneiden die irn Sinnen nicht Ermattenden, Die froh der steten Ruhe sind, Erinnerungsvoll, Erleuchtete. 1)Bunsen, a. a. O., II. S. 155.

An die hier vorgetragene Yogalehre,2)Vergl. auch Lassen, indische Alterthumskunde, IV. S. 624 ff. Symbolik unter Yogalehre. welche zur Grundlage die Besiegung der Leidenschaften und die Uneigennützigkeit der Handlungen hat, klingt in einer merkwürdigen Weise die Lehre des chinesischen Philosophen Lao-zö oder Lao-kiun an, welcher nach Bunsen, a. a. O., II. S. 61, vom J. 604 522 v. Chr., also beinahe ganz gleichzeitig mit dem gegen 543 verstorbenen Buddha lebte. Ihm ist die ewige Ruhe des Tao, d. i. des absoluten und nichtpersönlichen ewigen Wesens, nach Bunsen der Weltordnung, also das Nichthandeln das Ziel des Weisen, des kleinen Tao oder des Mikrokosmos. Der Weise sagt120 sich ganz los von der Welt, er entfremdet sich der Freude wie dem Schmerze und versenkt sich in das ewige Nichtsein. Dadurch erhält er die Macht über die Welt und deren Kräfte: auch über den Tod: er wird unsterblich: der Mensch an sich ist nicht unsterblich. 1)Bunsen, II. S. 62; Stuhr, die chinesisehe Reichsreligion, Berlin 1835, S. 18 ff. Nach dem etwas spätern Confucius wird das höchste Gut erreicht durch das Beharren in der rechten Mitte. 2)Stuhr, S. 14.Lao-kiun zufolge gibt es keine grössere Sünde als regellose Begierden, und kein grösseres Unglück als der Unfriede und die quälende Unruhe der Seele, die Folgen der regellosen Begier sind. Wie Lao-kiun als den Urgrund des Weltalls und der Dinge, und zugleich als deren Urbild eine ewige Vernunft, ein unaussprechliches, unerschaffenes Wesen anerkannte, so galten ihm auch die Seelen der Menschen nur als Ausflüsse des ätherischen Urseins, die sich nach ihrem Tode wieder mit demselben vereinigen; so jedoch, dass die Seelen der Bösen sich nicht wieder in das allgemeine Leben der Weltseele auflösen. An Pythagoras, nur wenig später lebend, streift dabei Lao-kiun dadurch an, dass er seine Lehre von der Weltzeugung in einer Zahlenform aussprach, indem er die Kette der Wesen aus Ein, Zwei und Drei knüpfte, wodurch Alles entstanden wäre; dieses dreieinige Wesen bezeichnete er als Das, was da war, Das, das da ist, und Das, das da sein wird.

Nach dem Gebete wurde in einer allgemeinen Versammlung der Barden das Bardenweisthum (dysgogan Beirdd) verlesen, welches die Aufzeichnungen von der Wissenschaft, den Kenntnissen, Einrichtungen, Regeln, Privilegien und Gebräuchen der Barden enthielt. Auch wurden daselbst verlesen die periodischen Aufzeichnungen des Mabon of Medron, d. i. die Namen und Erinnerungen der Barden, Dichter, Gelehrten und Weisen vom Stamme der Kymren, und der edlen und würdigen Handlungen jeder Art, wodurch sie sich ausgezeichnet hatten; desgleichen der Könige der Insel Britannien und ihrer denk -121 würdigen Thaten, mit der Zeit, worin sie gelebt, ihrer Abstammung und Nachkommenschaft. Hierauf folgten dichterische und wissenschaftliche Vorträge, deren Prüfung und etwaige Belehrung, so wie die übrigen Geschäftsangelegenheiten. Ein Gottesdienst und das Festmahl mit Verleihung der Ehrenauszeichnungen machten den Beschluss. Die Versammlungen der örtlichen Bardenstühle sollten nach Bedürfniss am Neulicht, ersten Viertel, Vollmond oder letzten Viertel gehalten werden und hatten die örtlichen Angelegenheiten, vorzüglich die Beförderung der für würdig befundenen Schüler zum Hauptgegenstande, wie wohl auch die erste Aufnahme zum Schüler eine feierliche gewesen und hier erfolgt sein wird; ausserdem wurden dichterische Vorträge nach Thunlichkeit eingeflochten. Die Eröffnung und der Schluss der Versammlung erfolgten in feierlicher Weise und mit eigenthümlichen Gebräuchen und die Barden hatten der Versammlung unbewaffnet, mit blossem Haupte und mit blossen Füssen1)Vergl. Symbolik im Register unter blossem Fuss. beizuwohnen, um Gott ihre Ehrfurcht zu erweisen. Wer in der Versammlung Zeugniss abzulegen hatte, musste es thun, das Auge nach der Sonne, dem Auge des Lichtes, gerichtet und seine Hand in die des Vorsitzenden legend, was ein Schwur, ein Gelübde bei dem Lichte war. 2)Symbolik, I. S. 277.Die Versammlung selbst scheint im Sonnenkreise gestanden zu sein. Denn um eine Erhöhung auf Rasengrund war nach den Jolo Manuscripts ein Kreis von Steinen gelegt, den nur die Barden betreten durften; in dessen Mitte waren mit Berücksichtigung des Standes der Sonne drei Steine, und diesen gegenüber in der Mitte des Kreises ein grösserer Stein angebracht, welcher der Stein des Vorsitzes oder der Altar der gorsedd, der Versammlung hiess. Der Stein wird seiner Gestalt nach nicht näher beschrieben, indessen war es vielleicht ein Cubus als Symbol der Welt.

Die Würde eines Barden konnte nur durch Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften und bei dem zu deren Verleibung allein berechtigten Bardenstuhle und Barden -122 convente erlangt werden. Wer dem Bardenorden, dem Bardenstande beizutreten wünschte, musste Schüler eines zum Lehren befugten Barden, bard gorseddog, weil er von der Versammlung (gorsedd) zum Lehramte befähigt und berechtigt erklärt war, oder derwydbardd, Druidbarde, wissender Barde genannt, werden, wodurch er, gleich z. B. dem Brahmanenschüler, in ein enges und länger dauerndes Verhältniss der Abhängigkeit und Bevormundung, der Treue und Ergebenheit trat. Es gab nun drei Stufen des Schülers, drei Grade des lernenden Barden, welche in den verschiedenen Zeiten und Systemen zwar verschieden benannt, aber dennoch im Wesentlichen gleich waren. Wir möchten diese drei Bardengrade den drei maurerischen Graden des Lehrlings, des Gesellen und des Meisters vergleichen, wie dem Verhältnisse des Bardenschülers zu seinem Lehrer das maurische Pathenverhältniss in der Idee ähnlich ist. Jedenfalls sind die für das 11. und 12. Jahrh. urkundlich nachgewiesenen drei Bardengrade der Walen auch ein historisches Zeugniss für das hohe Alterthum der drei Grade der englischen Bauleute. Auf der ersten, nach andern Nachrichten dreijährigen und darin der Idee nach wieder mit der maurerischen Lehrlingsstufe zusammenfallenden Stufe hiess der Zögling ein fortschreitender unter Schutz (trofedig nawdd), ein ungehobelter Schüler (mebinogg hyspyddaid), ein Probeschüler (dyscybl yspas), wornach zugleich der entstellende Druckfehler auf S. 631 I. der Symbolik zu berichtigen ist. Der Unterricht des Probeschülers, des Bardenlehrlings konnte nur in den Elementen der Dichtkunst, in der Verslehre und in eigenen Eebungen bestehen. Nur der Bardenstuhl, die Bardenversammlung konnte den nach seinen vorgelegten Arbeiten und nach dem Zeugnisse seines Lehrers befähigten Lehrling auf die zweite Stufe erheben, wo er ein fortschreitender durch Privilegium (trofedig braint), ein fortgerückter Lehrling (mebinogg gorddyfnaid), ein geschulter oder disciplinirter Schüler (dyscybl dyscyblaidd) hiess. Der Bardengeselle wurde gewiss dazu gleich dem Lehrlinge in der Bardenversammlung in feierlicher Weise gemacht und hatte in der Regel wieder drei Jahre in den Fächern der Dichtkunst und in den123 einem Barden obliegenden genealogischen, historischen und archivalischen Kenntnissen und Fähigkeiten sich zu unterrichten. Auch die Wappenkunde oder Heraldik gehörte in den Lehrkreis, da es eine besondere Art von heraldischen Barden (arwyddfard) bei den kymrischen Fürsten und Grossen gab. 1)Walter, S. 282. Wurde dem Bardengesellen nach erprobter Tüehtigkeit von dem Bardenstuhle der dritte Grad verliehen, erhielt er den Namen eines eigentlichen Barden (prifbardd), oder eines durch die Versammlung geprüften und anerkannten, nach Walter conventmässigen Dichters (prydydd gorseddog), eines rechten oder berechtigten Schülers (mebinogg braint), nach Walter eines Schülers dem Rechte nach, eines Meisterschülers oder vielmehr Meisters (dyscvbl pencerddiaidd, nach Eckermann master of the science of song). Dieser stand auf seinen eigenen Füssen und konnte sich in öffentliche Disputationen und Wettgesänge einlassen; wenn er in diesen drei Mal, jedes Mal mit dem Zwischenraume eines Jahres, einen Stuhl gewonnen hatte, so wurde er in einer allgemeinen Bardenversammlung mit den Rechten und Privilegien eines Meistersängers (pencerdd), woran namentlich das Recht zu lehren hing, bekleidet, und ein Stuhlbarde (bardd cadeiriaw), nach Walter kathedrirter Barde, oder Stuhllehrer (athraw eadeiriaw), nach Walter kathedrirter Lehrer, oder auch, wie vorhin angegeben, bardd gorseddog, derwvdbardd. Ein solcher hatte das Recht, das Privilegium, zu sitzen,2)Walter, S. 285. er hatte einen Stuhl erworben, er war Stuhlmeister, Stuhlbarde, er trug sitzend vor und hatte aller Wahrscheinlichkeit nach in der Versammlung einen Ehrensitz. Der Meister vom Stuhl, der Stuhlmeister bei den Maurern würde demnach aus dem alten walischen Rechte abzuleiten und zu erläutern sein. Stuhlbarde wurde gewöhnlich der Schüler erst 9 Jahre nachher, nachdem er die erste Bardenstufe erlangt und somit je 3 Jahre auf jeder Stufe zugebracht hatte. Da auch schon eine Vorbereitung von 3 Jahren erforderlich war, bevor man nur die erste Stufe oder Weihe er -124 hielt, war der Stuhlmeister ein 12jähriger Schüler, wie es bei den Bretonen überhaupt1)Ueber Britones vergl. Diefenbach, a. a. O., S. 273, Nr. 76. und in Wales nach dem am Ende des fünften Jahrhunderts von Merlin oder Merddin eingeführten Bardensysteme, ohne Zweifel mit symbolischer Rücksicht auf die 12monatliche Sonnenbahn, ausdrücklich vorgeschrieben war. 2)Symbolik, I. S. 630 und 631. Nach den walischen Traditionen wurde im 6. Jahrh. unter dem Könige Arthur von dem Barden Maelgyn Hir zu Caerleon ein Stuhl für Caerleon, Glamorgan und Gwent hergestellt, wo Taliesin, Merddin und Andere den Vorsitz geführt haben. 3)Walter, S. 272. Wer nach 3 Jahren nicht zu einer höheren Stufe aufstieg, verlor seine jetzige Stufe und wurde in die nächste unter ihr zurückversetzt. Drei Schüler, nicht weniger, musste nach Walter, S. 285, ein Lehrer zur selben Zeit haben, Einen, aber nicht mehr, auf jeder Stufe. Offenbar herrscht hier in den Quellen oder in deren Auslegung durch Walter ein kleines Missverständniss, da es ganz unnatürlich für den Schüler und den Lehrer wäre, vorzuschreiben, wie viele Schüler ein Lehrer haben müsse; vielmehr wird dem Lehrer verboten, eine grössere Anzahl von Schülern anzunehmen, als er hinreichend zu unterrichten vermag, wie nach der gemeinen deutschen Steinmetzordnung der Steinmetzmeister nicht mehr als 3 Lehrlinge und niemals mehr als 5 haben durfte, je nachdem er nur einen oder mehrere Bauten auszuführen hatte. 4)Symbolik, II. S. 395.

Die Bardenversammlung oder der Bardenstuhl hatte die zweckmässige Befugniss, ausgezeichneten Dichtern und Sängern kraft des Privilegiums des Genius und der Kenntnisse die Würde eines Stuhlbarden zu verleihen, ohne den regelmässigen Schülercursus durchgemacht zu haben; analog muss auch die Versammlung befugt gewesen sein, die Stufenzeiträume bei verdienten und vorzüglichen Schülern abzukürzen. Der Bardenstuhl hatte nach dem maurerischen Logenrechte die Macht, Ehrenmitglieder zu ernennen und von der gesetzlichen Frist zur Ertheilung einer125 Beförderung ganz oder theilweise zu dispensiren. Die Ehrenstuhlmeister hiessen Ovaten (ovydd), welche man dazu benützt hat, um nach der alten Weise die Barden in Barden, ovaten und Druiden einzutheilen und auch äusserlich zu unterscheiden. 1)Walter, S. 286. Ofyd im Kymrischen bezeichnet jetzt plilosopher, ofyddiaeth philosophy, ofyddfardd a scientific bard. 2)Diefenbach, O. E., S. 320. Umgekehrt hatten die Schüler wohl auch das Recht, auf die Erlangung einer höhern Stufe zu verzichten und mit der niederen sich zu begnügen.

Neben mancherlei äusseren oder öffentlichen Rechten und Vorrechten, z. B. der Befreiung von dem Schwertdienste, einer höhern Glaubwürdigkeit, hatten die Barden auch eine ausgezeichnete Kleidung; die Barden eine himmelblaue zum Symbole des Friedens, der Ruhe und der Wahrheit, die Ovaten eine grüne zur Bezeichnung des Wachsthums, des Grünens der Wissenschaft, und die Druiden eine weisse zum Zeichen der Reinheit. Dieselbe Farbensymbolik haben die Maurer. 3)Symbolik unter Kleidung.Von der Farbe des Kleides trugen die Barden auch ein Armband (breichrwy) am rechten Oberarm, welches auch da getragen werden musste, wo man nicht im Gewande erschien. Den Bardenstab, an Farbe entsprechend dem Gewande, führte man nur in der Versammlung selbst und er war gewiss nicht ohne symbolische Bedeutung, oder ein Lichtsymbol. Der Stab der Bardenschüler war mit den 3 Farben gemischt und von verschiedener Länge nach ihrem Grade. Daneben gab es drei Insignien, welche zur Auszeichnung verliehen wurden: der Stuhl (cadair), die Axt (bwyall) und die goldene Kugel, welche alle drei eine nicht näher angegebene symbolische Bedeutung hatten und als Lichtsymbole einzig vermuthet werden können, möglicher Weise auch höhere Grade und höhere Rechte bezeichnen. Der Stuhlbarde trug seine Insignien von Gold, die Anderen von Silber. Die goldene Kugel (pel aur) war vielleicht Symbol der Sonne, des Auges des Lichtes, der Stuhl eines bevor -126 zugteren Sitzes, des Sitzes im Osten, die Axt eine Donneraxt gleich dem Donnerhammer. Es fehlen die Berichte, woran die Auszeichnung getragen worden sei; vermuthlich am Halse, da die Barden auch ein Halsband, einen Halsschmuck trugen. Der Halsschmuck war von grosser Bedeutung, denn der unglückliche König Llywarch Hen singt: Ich hatte 24 Söhne; sie trugen das goldene Halsband und waren Häuptlinge im Heere; Gwen war der Tapferste; er war der Sohn seines Vaters. 1)Walter, S. 303. Auch gebrauchten die Barden2)Walter, S 288. (die Bardenstühle?) die Wappen ihres Gebietsherrn und pflegten ihre Sitze mit Kräutern und Laub nach den 4 Jahreszeiten zu schmücken.

Wie mit der Pflege der Dichtkunst beschäftigte gleichmässig sich die Bardenversammlung mit der Pflege des Gesanges und der Musik, und hatte die 24 Canon (deivr von deivyr, Regel) des mysikalischen Rhythmus, das System der Tonleiter (cvwair) und der Tonarten, des Zeitmasses und Anderes festgesetzt. Zum Unterricht in der musikalischen Disciplin war nur ein Meistersänger (pencerdd) berechtigt. Der Meistersänger und der Stuhlbarde entsprachen sich im Range genau. Dem graduirten Barden, der nicht Stuhlbarde war, entsprachen die graduirten Musiker. Diese waren 3facher Art: der Harfenspieler, Spieler des erwth, und Sänger (dadgeiniaid). Aus der Klasse der Sänger gingen besonders die umherziehenden. Minnesänger (chlerwriaeth) hervor. Die Edleren unter ihnen sangen mit begeisterter Treue das Lob und die Heldenthaten ihrer Herrn, der letzten Heroen des untergehenden Volksthums; Viele aber sanken zu Lustigmachern und Parasiten der tafelnden Junker und endlich auch des grossen Publikums herab, und wurden zuletzt fahrende Leute gleich ihren Kunstverwandten in Deutschland und den romanischen Jokulatoren. 3)Diefenbach, O. E., S. 247.Für ihre Gedichte und Gesänge wurden die Barden bezahlt; bei Besingung einer ruhmwürdigen That des ganzen Stammes wurden sie von der Bardenversammlung auch oft durch Gewährung eines Rundganges127 (cylch clera) belohnt, wobei von Jedem ein Pfennig ihnen gereicht wurde. Auch hatten die Barden und selbst die Bardenschüler das Recht des Rundganges, 3 Mal im Jahr an den drei hohen Festen Weihnachten, Ostern und Pfingsten, in ihrer Provinz und alle 3 Jahre einmal im ganzen Reiche. Wo bei feierlichen Anlässen gesungen wurde, begann der Meistersänger mit einem Gesänge zu Ehren Gottes und dann des Königs.

Bei den Barden soll sich auch seit uralten Zeiten ein eigenthümliches Alphabet, eine Geheimschrift1)Vergl. Symbolik. Il. S. 256; Eckermann, III. 2. S. 78 ff. erhalten haben, welches Coelbren y Beirdd, oder nach San-Marte, Beiträge S. 51, Coelbren y Bardd genannt wird. Die Zeichen desselben bestehen gleich den nordischen Runen2)Symbolik unter Runen. aus geraden und aus Querstrichen in mancherlei Zusammensetzungen, nicht aus gekrümmten Strichen, weil es darauf berechnet ist, dass die darin geschriebenen Wörter mit einem Messer auf hölzerne Stäbe eingeschnitten werden. Das bardische Symbol des Alphabetes wird durch 3 gerade divergirende Linien:〈…〉〈…〉 gebildet, da diese drei Linien alle Elemente des bardischen Alphabetes umfassen und alle Buchstaben ohne Ausnahme aus denselben, nur in verschiedener Weise, zusammengesetzt sind. Das Alphabet bestand ursprünglich nur aus 10 Zeichen, die nach und nach auf 24 vermehrt wurden; die auf hölzerne Stäbe eingeschnittenen Worte sollen in Rahmen gefasst worden sein, um das Geschriebene lesen zu können. In der Preisabhandlung von Abergavenny über die Aechtheit des Coelbren y Bardd von Taliesin Williams (ab Jolo), gedruckt zu Llandovery 1840, ist eine allegorische Erzählung angeführt, die den Menw, nach den Triaden einen der drei Zauberer der Insel Britannien, den britischen Menu oder Manu.3)Symbolik, II. S. 277., den deutschen Manu und Menschen, mit der Entdeckung des Alphabets verknüpft. Es heisst daselbst: Einigan Gawr sah drei Lichtstrahlen (welche drei Lichtstrahlen durch die drei divergirenden geraden Striche symbolisirt werden sollen), auf denen alle128 Kenntniss und Wissenschaft geschrieben war. Und er nahm drei Stäbe der Bergesche und schrieb alle Wissenschaften darauf, als Nachahmung der drei Lichtstrahlen; und die, welche sie sahen, vergötterten die Stäbe, was den Einigan dermassen betrübte, dass er die Stäbe zerbrach und starb. Und nach Jahr und Tag sah Menw drei Stäbe aus dem Munde des Einigan grünen, auf denen jede Art von Erkenntniss und Wissenschaft geschrieben war. Da nahm Menw die drei Stäbe, und lernte alle Wissenschaft, und lehrte sie Allen, ausser dem Namen Gottes, der allein das Geheimniss der Barden war; und gesegnet, wer das besass. Diese Stelle könnte zu sehr langen Erörterungen und Vergleichungen Veranlassung geben, jedoch sei nur bemerkt:

nach der Lehre und Ansicht der Barden ist alles menschliche Wissen und jede menschliche Wissenschaft ein Erfassen des vom Himmel herabstrahlenden, des göttlichen Lichtes, wie die Seelen der Menschen selbst den Lichtern verglichen werden, oder gar, wie Arthur in einem alten christlichen Gedichte, der Sonne, die leuchten wird bis zum Erscheinen der andern Sonne (Christus) von, untrüglichem Glanze. 1)San-Marte, Beiträge, S. 89. Der Mensch, seine Seele leuchtet nach dem Grade ihres Wissens und ihrer Tugenden, weshalb Arthur auch genannt wird: erhaben, schnell sich bewegende Leuchte. Die menschlichen Seelen und Leucten sind aber blos ein Abglanz, ein Theil des dreifachen himmlischen Lichtstrahls.

Das Licht, daher auch die Wissenschaft und der Mensch selbst werden getragen durch den Baum, die Esche, die Weltesche, den Wolkenbaum, das Himmelsgewölbe und entstammen demselben;2)Symbolik, I. S. 155. am Himmel erglänzt alles Licht, dort stehen also alle Wissenschaften geschrieben und müssen hier gesucht werden. Zugleich sind den Mensehen Baumstäbe, hölzerne Stäbe die ersten und ursprünglichsten Schreibtafeln, woher unser Buchstabe und der kymrische Eschenstab für den schriftlichen Uranfang alles Wissens galt. Wie dem Holzbau der Steinbau folgt, folgen129 den hölzernen Schreibtafeln, den Buch - oder Eschenstäben bald die Thon - und Steintafeln, die Sets-Säulen.

Das Symbol des geoffenbarten und wirklich gewordenen dreifachen göttlichen Lichtstrahles sind drei Striche oder Strahlen, drei Buchstaben, das Abc; doch Gott selbst ist der verborgene und unaussprechliche Name, das Geheimniss der Barden.

Einigan Gawr war der wissende Urmensch und da er starb, ging nach dem indo-germanischen Glauben1)Symbolik, II. S. 44 ff. seine Seele, sein Wissen in drei Pflanzen, drei Blumen, drei Stäbe über, die aus seinem Grabe hervorwuchsen; diese drei dem Grabe entwachsenden Stäbe sind aber der sie schneidende Menw, Mensch selbst. Einigan Gawr starb, weil er doch nur ein Mensch, nur ein geschaffener Geist war, der nicht göttlich verehrt werden durfte und der Hinfälligkeit unterworfen blieb.

Die erste Nachricht und Abbildung von dem Bardenalphabete gab Llvwelyn Sion, der am Ende des sechszehnten Jahrhunderts mancherlei Denkmäler der Barden an Glamorgan sammelte. Gegen das höhere Alter des Bardenalphabetes spricht jedenfalls der Mangel an Denkmälern, worin es vorkommt,2)Walter, S. 22. obgleich dieses sich auch aus der unbedingten Geheimhaltung des Alphabetes erklären liesse und mit dem Geheimbunde der Barden sich gewiss auch eine Geheimschrift bildete. Die bardische Schrift wäre nicht allein mit der Runenschrift, sondern auch mit der chinesischen Schrift und selbst mit den Keilschriften zu vergleichen. Das kymrische Volk, die Kymren haben von den Römern schreiben gelernt, denn sie nahmen von ihnen die lateinischen Buchstaben an, um damit das Kymrische zu schreiben, wie es noch heute geschrieben wird und wie sich die gallischen Kelten zu Cäsars Zeiten der griechischen Buchstaben bedienten. Im Kymrischen heisst ysgrifeny (scribere) schreiben, ysgol (schola) Schule, dysgybl (discipulus) Zögling, dysg (disciplina) Disciplin, Lehre Ilyfr (liber) Buch u. s. w.,130 woraus doch geschlossen werden dürfte und müsste, dass die Kymren und die Barden keine eigenthümliche Schrift besassen, nicht schreiben konnten, weil sie sonst dafür kymrische und nicht römische (Lehn -) Worte haben würden.

Die Bezeichnung des Mysteriums, der Freimaurerei als der königlichen Kunst scheint den Barden gleichfalls bekannt gewesen zu sein. In einer alten, von Eckermann, III. 2. S. 98, mitgetheilten britischen Mysteriensage wird davon gesprochen, dass der Aufzunehmende in sein königliches Bett (nach Eckermann, die Zelle der Initiation) gebettet worden sei. Auch die drei Reisen, der dreimalige Umgang um den Zirkel, Altar oder Carn kommen bei den Druiden vor. 1)Eckermann, III. 2. S. 118 ff.

Um das Bardenwesen und mit ihm die kymrische Dichtkunst, Musik und Literatur wieder emporzuheben, wurden mit Bewilligung der Regierung und mit Unterstützung einzelner Grossen seit dem Jahre 1450 von Zeit zu Zeit allgemeine Bardenversammlungen gehalten und verdiente Männer zu Barden, Ovaten oder Druiden graduirt, was sich bis auf die Gegenwart forterhalten hat. 2)Walter, S. 312 ff. Die Harfe, ein Buch und das Schwert bildeten stets bei den Kymren die drei Kostbarkeiten des Hauses und durften nicht vom Gerichte mit Beschlag belegt werden;3)Walter, S. 315. sie erinnern an die 3 Kleinodien der Maurer. 4)Symbolik unter Kleinodien. Diese 3 häuslichen Kleinodien sind in dem Mabinoghion, d. h. in den sagenhaften Erzählungen für die Tugend (nach Villemarqué, II. S. 324, faits ou gestes traditionnels)5)San-Marte, die Arthur-Sage, S. 44, hält Mabinogion gleich juvenile instruction, Leitfaden zum Unterricht der jüngern Barden., bei dem Könige der Insel Britannien zu 13 Königs - oder Reichskleinodien vermehrt, worunter das Schwert des hochherzigen Rhydderch, welches sich in der Hand jedes Anderen als des Eigenthümers in einen glühenden Feuerstrahl verwandelte, der (Wunsch -) Wagen Morgan des freundlichen, welcher Jeden, der darin sass, wohin er wünschte,131 brachte, das Schachbret. der Tawlbwrdd des Gwenddolau, woran die Felder von Gold, die Männer von Silber waren, welche aufgestellt von selbst spielten,1)Walter, S. 346; Villemarqué, II. S. 296; San-Marte, Arthur-Sage, S. 214 Anm. der auch in der Sage des Yvain oder Owenn erscheinende Zauberring, welcher unsichtbar zu machen vermag2)Villeinarqué, I. S. 114 und S. 255. (ein Stein scheint dem Ringe nach der walischen Sage die Zauberkraft verliehen zu haben; wer den Stein verbarg, war selbst verborgen), das Zaubergefäss (graal),3)Villemarqué, I. S. 196. der Zauberbecher, der Mantel (Llenn), welcher die Eigenschaft hatte, dass, wer darauf stand, von Niemanden gesehen werden konnte, doch selbst Alles sah. 4)San-Marte, Beiträge zur Heldensage. S. 44.In einem alten Manuscripte in der Sammlung Bosanquet’s wird folgendes Verzeichniss der 13 kostbaren Dinge der Insel Britannien gegeben:

1) Dyrnwyn, das Schwert des Rhydderch Hoel; wenn es irgend ein anderer Mann, als er selbst, schwingt, so springt daraus eine Flamme vom Griff bis zur Spitze, und Alles, was er wünscht, erlangt er. Aber wegen dieser Eigenschaften wich er Allen aus, und deshalb hiess er Rhydderch Hoel.

2) Der Korb des Gwyddno Garanhir. Wenn Speise für einen Mann hinein gethan und er darauf geöffnet ward, so fand man darin Speise für 100 Mann enthalten.

3) Das Horn des Bran Galed, aus welchem man jeden gewünschten Trank trinken konnte.

4) Der Wagen des Morgan Mwynwawr, wie angegeben.

5) Die Halfter des Clydno Eiddyn, die in einem Stalle unter den Füssen des Bettes war; und welches Ross er sich dazu wünschte, das fand er dabei.

6) Das Messer des Llawnrodded Varvawc, womit 24 Männer auf einmal essen konnten.

7) Der Kessel des Tyrnog. Wenn Speise für einen Feigling darein zum Kochen gethan ward, so ward sie nie132 gar; aber wenn Speise für einen Tapfern hinein gethan ward, kochte sie sogleich.

8) Der Wetzstein des Tudwal Tudclud. Wenn das Schwert eines tapfern Mannes daran geschliffen war und irgend einer damit verwundet ward, musste er sterben; wenn aber ein Feigling sein Schwert darauf schärfte, that es keinen Schaden.

9) Das Kleid des Padarn Beisrudd. Wenn ein Mann von edler Geburt es anzog, stand es ihm wohl; wenn aber ein Bauer, passte es nirgends.

und 10) und 11) Die Pfanne und Schüssel des Rheggenydd Ysgolhaig, worin man jede verlangte Speise finden konnte.

12) Das Schachbrett der Gwenddolen, wie angegeben.

13) Der Mantel Arthurs mit den bezeichneten Eigenschaften, wofür aber auch der Mantel des Tegau Eurvron genannt wird, den nur Frauen ganz reinen Wandels anlegen konnten. 1)San-Marte, Beiträge, S. 61

In Chaucer’s Canterbury Tales, Canterbury Geschichten, ist diesem bretonischen Sagenkreise nachgeahmt, dass dem Könige Cambusean ein Gesandter des indischen Königs als Zeichen der Hochachtung überbringt ein ehernes Ross, einen Spiegel und ein Schwert, und seiner Tochter Canacee einen Ring. Das Ross, dessen Bewegung durch den Druck auf eine geheime Feder vermittelt wird, trägt seinen Reiter binnen 24 Stunden nach dessen Willen an jeden Ort der Welt; der Spiegel zeigt dem König alle geheimen Gefahren, welche sein Reich bedrohen, und der Hieb des Schwertes durchdringt Alles, wobei die Wunde, die es schlägt, nur dadurch geheilt werden kann, dass seine flache Klinge es berührt. Den Ring endlich muss Canacee am Daumen oder im Beutel tragen, und dann versteht sie, durch die magische Kraft desselben, die Sprache aller Vögel und erkennt die arzneiwissenschaftliche Potenz jedes Gewächses. 2)Büchner, Gesch. der englischen Poesie, I. S. 25.

In gewissem Gegensatze zu diesen 13 Reichskleinodien, Wunderdingen der britischen Insel, welche vormals zu Caerleon am Usk aufbewahrt wurden und die mit Myrd -133 din Sohn des Morvran, auf das Haus in Enilli auf der Insel Bardsey übergingen.1)San-Marte, Arthursage, S. 109. Anm. 1. zählen die alten Rechte von Wales 13 Dinge auf, welche die Welt verderben und wovon sie niemals erlöst werden wird: Ungerechte Könige, schwache Fürsten. willkührliche Richter, verheirathete Priester, kopflose Gehülfen, ein Volk ohne Unterricht, ein Land ohne Gesetze. Bischöfe ohne Wissenschaft, alte Leute ohne Religion, Jünglinge ohne Bescheidenheit, filzige Reiche, grossthuende Arme und die Landplage streitsüchtiger Schelme. 2)Walter, S. 246. König Arthur soll zu Caerleon 7 Mal an Ostern, 5 Mal an Weihnachten und 1 Mal an Pfingsten Hof gehalten haben. 3)Villemarqué, I. S. 168 und II. S. 1. In 13 Kirchen wurde für den Hof Arthurs die Messe gelesen. 4)San-Marte, Arthursage, S. 249; Villemarqué, II. S. 2. Eine niederländische Sage bei Wolf, niederl. Sagen Nr. 128, erzählt von den 13 (Trazegnies, treizénés) einer Mutter zugleich geborenen Kindern. Die kymrischen Dreizehnzahlen liefern nebenbei den Beweis, dass auch die 13 Gemeinden, i tredici Communi, welche zur Zeit der Repubik Venedig das sog. Vicaariato de Monti des Gebietes von Verona gebildet haben,5)Symbolik, II. S. 705. keltischen Ursprunges seien. Auch mag die Dreizehnzahl der Weltübel als ein Beispiel kymrischer Bardenweisheit dienen. Sonst legten die Barden alle ihre theologischen, philosophischen, moralischen, juristischen, historischen u. s. w. Sätze in Triaden oder in dreigliedrigen Sätzen nieder, von denen Walter im Anhange S. 487. ff. in deutscher Uebersetzung eine Zusammenstellung gegeben hat. Einige dieser Triaden6)San-Marte (Schulz), die Arthursage. S. 48, urtheilt über diese Triaden allzu ungerecht. hält sie für ein Gelehrtenmachwerk, alles wahrhaft poetischen Inhalts, alles gesunden Geschmacks, aller Popularität entbehrend, und kaum von den Barden herrührend. mögen hier eine Stelle finden:

1. Drei Dinge sind zusammen geboren: der Mensch, Freiheit und Licht.

2. Die drei obersten Grundsätze der Weisheit: Gehorsam gegen die Gebote Gottes; Theilnahme für das134 Wohl der Menschheit; und Stärke im Ertragen jeder Zufälligkeit des Lebens.

3. Die 3 grossen Regeln für die Handlungen eines Menschen: was er zu thun einem Andern untersagt; was er von einem Andern gethan haben will; und was er nicht wünscht, dass ein Anderer ihm thue.

4. Drei Zweige der Weisheit gibt es: Weisheit in Beziehung auf Gott; Weisheit in Beziehung auf jeden Mitmenschen; und Weishbit in Beziehung auf sich selbst. 1)Diese Triade wie auch die zweite sind offenbar essäischen Ursprungs; vergl. Symbolik, I. S. 552.

5. Dreierlei Personen haben die Ansprüche und Vorrechte von Bruder und Schwester: der Waise; die Wittwe und der Fremdling.

Diese Triade ist wohl dahin zu verstehen, dass wir alle unsere Mitmenschen als die Kinder des gleichen göttlichen Schöpfers und Vaters wie Bruder und Schwester zu behandeln haben, vorzüglich die unserer Theilnahme so sehr bedürftigen Waisen, Wittwen und Fremdlinge. Für diese Morallehre der Barden spricht weiter, dass man durch neun (3 x 3) Arten von ausserordentlichen Dienstleistungen und Aufopferungen, z. B. Befreiung aus der Gefangenschaft, Errettung aus Lebensgefahr, zu dem Empfänger der Leistung in das Verhältniss eines Blutsfreundes, eines Bruders oder Vetters trat. 2)Walter, S. 137.

6. Die 3 verschönernden Namen von Gott: König der Himmel (Seele der Welten), Vater des Lebens, und Unendlichkeit der Liebe.

7. Die 3 verschönernden Namen des Gewissens: Licht des Himmels, Auge der Wahrheit, und Stimme von Gott.

8. Die 3 verschönernden Namen der Sonne: Fackel der Welten, Auge des Tages, und Glanzpunkt der Himmel.

9. Drei Dinge, die der äehte Kymre allzeit im Gedächtniss haben muss: seinen Gott, seinen Nebenmenschen, und seine Pflicht (andere Fassung des essäischen Grundsatzes).

135

10. Drei Eigenschaften, die dem Kymren übel stehen: mit einem Auge zu sehen, mit einem Ohre zu hören, und mit einer Hand zu geben.

11. Drei Dinge, die der Kymre bis zu seinem Tode bewahren und schirmen muss: sein Schwert, sein Geheimniss, und seinen Freund.

Bei dieser Gelegenheit sei bezüglich des Schwertes bemerkt, dass das entblössete Schwert ein von den Barden in ihren feierlichen Versammlungen gebrauchtes, aber noch wenig aufgeklärtes, Symbol gewesen ist. Walter, S. 279, bemerkt darüber wörtlich nur dies: Hierauf (nach der Eröffnung der Bardenversammlung) brachte einer der Barden ein Schwert, mit welchem theils in der Scheide, theils entblösst, jedoch es immer an der Spitze, nicht am Griff anfassend, unter feierlichem Aufrufe mancherlei Ceremonien gemacht wurden, deren Sinn war, dass die Barden Männer des Friedens seien, und daher gegen Keinen ein entblösstes Schwert trügen. Es leuchtet ein, dass die Barden in ihrer feierlichen Festversammlung durch den symbolischen Gebrauch des Schwertes doch ein weiteres Geheimniss angedeutet haben, wogegen allerdings der Menge nur jene Bedeutung bezeichnet worden zu sein scheint. Walter, S. 308 ff., verwirft zwar ganz die Ansichten der walischen Gelehrten, z. B. eines William Owen, Edward Williams, John Williams, Williams ab Ithel, Edward Davies und Herbert, denen zum Theil auch Turner und Villemarqué1)Nach Villemarqué, I. S. 200, musste der Barde bei seiner Weihe auf eine Lanze unauslöschlichen Hass den angelsächsischen Eroberern schwören, worauf sich die berühmte Weissagung des Taliésin gründete, dass das englische Reich durch eine Lanze zu Grunde geben werde. Auch spricht Villemarqué, II, S. 258 oben, von dem ordre maçonnique des bardes. beitraten, dass unter den kymrischen Barden sich druidische Ansichten und Geheimnisse forterhalten und dem römischen Christenthum, dem Papstthume sich feindlich und abgeneigt gegenübergestellt haben, und macht die Barden und die Kymren zu guten katholischen Christen, welche ihre sog. reinere Auffassung des Christenthums nur aus der katholischen Kirche136 geschöpft und in Triaden gebracht haben: eben so wenig sei bis jetzt von wirklichen Geheimnissen (cyfrinach) der Bardenschüler Etwas bekannt geworden unä die ihnen einzig mitgetheilten Geheimnisse haben sich blos auf die Regeln ihrer Kunst und auf den Sinn gewisser Symbole bezogen. Dennoch waren die Barden sicherlich eine Mysterienverbindung, hatten einen öffentlichen und geheimen Dienst und was sie verheimlicht haben, wurde nicht bekannt. Gerade die obige Triade scheint auf den geheimen Verein und seine Geheimnisse, das Geheimniss, das Mysterium hinzuweisen, und unter dieser Voraussetzung wären die Freunde die Bundesfreunde. Die Zusammenstellung des Schwertes, des Geheimnisses und des Freundes scheint ferner zu verrathen, dass die Barden, die Freunde, das Wohl, die Freiheit und die Vertheidigung des Vaterlandes geheim berathen und erstrebt haben. In einer Triade werden daher als die 3 nothwendigen, wenn auch widerwilligen, Pflichten der Barden der Insel Britannien genannt: Geheimhaltung zum Zwecke des Friedens und des öffentlichen Wohles; rücksichtslose Beschwerde, wo die Gerechtigkeit es verlangt; und das Schwert zu entblössen gegen Gesetzwidrigkeit und Gewalt. Unzweideutiger konnte es kaum ausgesprochen werden, dass der Bardenverein ein politischer, zur Erhaltung der kymrischen Freiheit, Sitte und Recht sei, welche er mit dem Worte und der That, mit der Harfe und mit dem Schwerte vertheidige. Der oberste Bardenstuhl, eine vaterländische Grossloge, leitete den Verein, die Beschützung und Vertheidigung des Vaterlandes gemeinsam mit dem Könige. Welche Macht sich der Verein beigelegt habe, beweiset, dass in einer Triade unter den Triaden über die Freiheiten und Einrichtungen der Barden als die 3 Dinge, welche nicht angefochten werden dürfen, genannt werden: die Gebräuche, der Gesang und der Ausspruch des Bardenconvents. Gerade dieser Bardenconvent mit druidischen Erinnerungen, mit dem nationalen Bewusstsein und mit der durch die Vereinigung gebotenen Widerstandskraft war es, welcher in Britannien die eigenthümlichen Verhältnisse der neugestifteten christlichen Kirche sowohl im Lande selbst als gegenüber dem137 römischen Stuhl begründete und Britannien schon im 8ten Jahrhundert, selbst verglichen mit Frankreich und Italien mit einer vorzüglichern Aufklärung beschenkte. 1)Spittler, Entwurf der Gesch. der europ. Staaten, I. S. 285. Unter Edwin (955 959) erhob sich daher ein allgemeiner, hartnäckiger und verwirrender Kampf der alten Landespriesterschaft gegen die römische Priesterschaft und Herrschaft, an der Spitze welcher letztern der sog. Mönchsfürst, Abt Dunstan, mit den Benedictinermönchen stand und die durch eine Masse von Klöstern mit dem sorgfältigst eingerichteten Mönchsthume das ganze Land bis hinauf zum Fürsten sich zu unterwerfen und zu beherrschen strebte. 2)Eichhorn, Weltgeschichte, II. (dritte Ausgabe, Göttingen 1817) S. 221; San-Marte, Beiträge zur Heidensage, S. 50. Selbst auf der Insel Mona wüthete dieser kirchliche und mönchische Streit und König Edwin, unter dessen kurzer Regierung derselbe ausbrach, wird daher in den Triaden zu den drei Geisseln der Insel Mona gezählt. Abt Dunstan scheint mit dem strengen Erzbisehofe von Canterbury. dem Dänen Odo, den wohl überlegten Plan gehabt zu haben, dem erzbischöflichen Stuhle die ganze Landesregierung zu erwerben und zu übertragen und dieselbe durch die Ehelosigkeit der Geistlichen zu stützen;3)Luden, allgemeine Gesch. der Völker und Staaten, II. 2. S. 110 Dunstan folgte Odo bald auf dem erzbischöflichen Stuhle und konnte nun um so ernstlicher an die Ausführung seines vorgregorianischen Planes denken. Gegen die römische und dänische Fremdherrschaft traten die Barden und britischen Geistlichen in den erbittertsten Kampf, wogegen der Bischof von York später den normannischen Eroberer, Wilhelm I., krönte. Wenngleich einer spätern Periode und einem andern Literaturkreise, nämlich dem beginnenden eigentlichen englischen angehörig, darf auch hier wegen des darin athmenden Geistes des reinen Christenthums und einer vernünftigen Freiheit berührt werden die um 1350 oder 1362 wahrscheinlich von dem Weltgeistlichen Robert Langland verfasste und gegen die scham - und masslosen, gleichzeitig auch von Wicliffe (1324 1384)138 bekämpften Missbräuche der Geistlichkeit gerichtete Vision des Peter Bauer, Vision of Pieree the Ploughman. 1)Büchner, Gesch. der englischen Poesie, I. (Darmstadt 1855) In derselben Weise und in demselben Geiste greift auch das vielleicht 30 Jahre nach dieser Vision entstandene Gedicht eines Ungenannten: Peter Bauers Glaube, Pieree the Ploughmans Creed die wachsenden Missbräuche der Bettelorden an.

Die reinste Vaterlandsliebe erfüllt die sog. Triaden Kymren (Triodd y Cymro), zu denen gehören:

12. Drei Dinge, die der Kymre über Alles lieben muss: das Volk der Kymren, die Gewohnheiten und Sitten der Kymren, und die Sprache der Kymren.

13. Drei Dinge, die jeder ächte Kymre liebt: die Sprache seines Landes, die Weisheit seines Landes, und den Herrn seines Landes.

14. Drei Dinge, wofür der Kymre sein Leben lassen muss: sein Vaterland, sein Wort, und die Wahrheit, was es auch sei.

Die letztere Triade nimmt wieder, ausgehend von dem Vaterlande, eine mysteriöse Wendung zu dem Bunde, zu dem Schwure für die Verbreitung und Vertheidigung der Wahrheit. Der Werth dieser Wahrheiten und Geheimnisse muss begreiflich aus den Verhältnissen ihrer Zeit, besonders des 11ten und 12ten Jahrh., beurtheilt und geschätzt werden, unter denen Vieles verschwiegen werden musste und ohne die höchste Gefahr nicht gesagt werden durfte, was heute ein ungefährliches Gemeingut ist.

15. Drei, die bei der Gastlichkeit den Vorgang haben: der Unglückliche, ein Weib und ein Fremder. 2)In einer andern ähnlichen Triade werden genannt: ein Geistlicher, ein Ackersmann und ein Kind. Den Vorgang des Vorgangs der Gastlichkeit aber haben: der Kränkste, der Aermste, und wer die Landessprache nicht kennt.

16. Die drei Säulen der Gastlichkeit: eine achtungsvolle Begrüssung nach Sitte und Anstand, eine herzliche und gastfreie Aufnahme und ein höfliches, den Ehrengast erfreuendes Benehmen. 139Die hier erscheinenden drei Säulen der Gastlichkeit sind wohl nur eine andere Gestalt, eine Anwendung des Symbols der drei Steine, welche wir dem Sonnenlaufe entsprechend gestellt in dem Sfeinkreise der Bardenversammlung erblickt haben und welche die drei Säulen sind, von denen der keltische Altar getragen wurde, die drei Pfeiler, von denen die maurerische Loge getragen wird, der dreieinige Gott, welcher die Welt trägt und erhält. 1)Vergl. Symbolik unter Pfeiler. In den Triaden werden auch drei tapfere Ritter als die 3 Säulen der Schlachten in Britannien genannt und gefeiert. 2)San-Marte, Arthur-Sage. S. 226, Anm. 17. Müller, das nordische Griechenthum, S. 159, vergleicht die Triaden der Druiden überhaupt mit ihren sog. Dreisteinen, trilithons (nach Müller zu erklären aus〈…〉〈…〉) d. i. mit einem aus 3 Steinen erbauten Tempel. Aus Verehrung der Dreizahl und Dreiheit, der Dreieinigkeit setzten sich die alten Walen auch gerne zu drei zu Tisch,3)Walter, S. 252. welche Sitte gewiss nicht zuerst zum Gedächtniss der christlichen Dreieinigkeit eingeführt, sondern diese nur an die alte Sitte angelehnt und solche dadurch umgedeutet worden war. In deutschen Sagen können verwünschte Geister nicht selten, wie nur durch einen dreifachen Kuss, auch blos dadurch erlöst werden, dass ihnen auf ihr dreimaliges Niessen ein dreimaliges Gott helf zugerufen wird,4)Grimm, deutsche Sagen. L Nr. 224. 225. 226 : Symbolik, II. S. 761. wobei doch nicht daran zu zweifeln ist, dass der alte heidnische Glaube ein christliches Gewand angelegt habe. Bei den Barden kommen aber noch andere dunkele, unverkennbar heidnische Symbole vor, wie z. B. von dem Sieger bei der Bewerbung um einen Lehrstuhl der Hofrichter ein Jägerhorn und einen goldenen Ring erhielt. 5)Walter, S. 285. Walter bemerkt zur Erklärung dieses Gebrauches nicht ein Wort. Der Ring war das Zeichen der Weihe zum Druiden. der Druidenwürde. 6)Eckermann, III. 2. S. 101 und 113.In der deutschen Sage lässt ein Schwanritter und ebenso Lohen -140 grin vom Gral beim Fortgehen von der Erde seinen Kindern drei Stücke, Schwert, Horn und Ring zurück. 1)Grimm, D. S., II. Nr. 535, vergl. mit S. 309. Die dankbaren Zwerge verleihen den Menschen drei glückbringende Geschenke, z. B. ein Schwert, einen Salamanderlaken und einen güldenen Ring mit einem rothen Löwen oben, welcher erbleichet, wenn Jemand aus dem Stamme des Beschenkten sterben soll. 2)Grimm, D. S., I. S. 45. Drei Töchter, welche eine schöne Fee mit einem Grafen erzeugt hatte, erhalten von der scheidenden Mutter für sich und ihre Nachkommen ein Streichmass, einen Ring und einen Becher. 3)Grimm, I. Nr. 70. Ganz besonders aber gehört hierher Huon mit seinem Wunderhorne. In einer deutschen Sage werden auch 3 hölzerne Stäbe geschenkt, woraus ein (glückbringender) Hering, Rechenpfennige und eine Spindel für 2 Söhne und eine Tochter gemacht werden sollen;4)Grimm, I. S. 53. ähnlich werden 3 Stücke Goldes gegeben. 5)Grimm, I. S. 88. Der Hausgeist Hinzelmann schenkt beim Fortgehen dem Hausherrn ein kleines Kreuz, einen Strohhut und einen ledernen Handschuh mit Perlein beetzt. 6)Grimm, I. S. 126. Der kymrische Hofrichter erhielt beim Antritte eines Amtes von der Königin einen goldenen Ring, welchen er nie verschenken und verkaufen durfte; und ebenso von dem Könige ein Brettspiel von den Knochen eines Seethieres. 7)Walter, S. 383 Anm. Ein Ring mit Erkennungszeichen und besondern Symbolen wird vielfach noch heute bei der Aufnahme in gewisse höhere maurerische Grade dem Neuaufgenommenen in England, Frankreich, Schweden u. s. w. verliehen, was den Rittergebräuchen nachgeahmt scheint. Auch die katholischen Bischöfe erhalten und tragen neben dem gekrümmten Stabe und der Inful (mitra, cidara bicornis) einen Ring zum Zeichen ihrer geistigen Vermählung mit der Kirche. 8)Richter, Lehrbuch des Kirchenrechts, Leipzig 1842, S. 217.Die indischen Sannjâsinn, der 4te Grad der brahmanischen Eingeweihten, welche141 nackt gehen und sich den ausserördentlichsten Bussübungen unterziehen,1)Symbolik. I. S. 629 und II. S. 194. tragen nach Paulin, voyage, II. S. 125, als Auszeichnung neben dem kleinen Stocke mit 3 Knoten, woher sie Tridandi’s heissen,2)Lassen, indische Alterthumskunde, IV. S. 620. auch einen Ring, wie schon Apollonius von Tyana bemerkte. Ohne Zweifel schenkte auch der siegende Barde dem Hofrichter drei und nicht blos zwei Stücke, wenn überhaupt nicht er selbst von dem Hofrichter beschenkt, belehnt wurde und die Darstellung bei Walter auf einem Missverständnisse beruht. Nach dem Freimaurerthume in seinen 7 Graden, Leipzig 1857, S. 21, werden in England dem Neuaufgenommenen jetzt auch 3 kostbare Juwelen, d. h. ein aufmerksames Ohr, eine schweigsame Zunge und ein treues Herz, übergeben; im Meistergrade verwandeln sich diese 3 kostbaren Juwele nach dem englischen Gebrauchthume in Menschenliebe, Freundschaft und Bruderliebe. 3)Freimaurerthum, S. 124. Der kymrische König beschenkte seinen canghellawr, Kanzler, einen gerichtlichen Verwalter der Krongüter, bei dem ersten Besuche in dem Bezirke zur Abhaltung des Gerichtes mit einem goldenen Ringe, einer Harfe und einem Spielbrette für 16 Personen. 4)Walter, S. 204. Nach Villemarqué, II. S. 122, sollen goldene oder silberne Ringe zu dem Einkommen der walischen Hofbeamten gehört haben.

17. Drei mächtige Grundpfeiler einer föderirten Gemeinschaft: klare und unzweideutige Gesetze, die nicht durch Klügelei in Zweifel gezogen werden können: ein Bundesrecht, das nirgends mit der Billigkeit in Widerspruch kommt; und eine kräftige Rechtspflege, die durch Niemanden, so hoch er auch stehe, gehemmt wird. 5)Walter, S. 178.

Zum Verständniss dieser Triade ist zunächst anzuführen, dass die kymrischen, die drei walischen kleinen Königreiche einen Bundesstaat und wenigstens einen festen Staatenbund bilden sollten. 6)Walter, S. 86 ff.Sodann zeigt die Triade142 die Gleichheit des Bildes des Symboles der Pfeiler, der Grundpfeiler und der Säulen; eben damit stimmen überein

18. Die drei Grundlagen der Gastlichkeit: der Schutz Gottes und seines Friedens; das natürliche Mitgefühl, und der Edelsinn des Stammes der Kymren.

19. Der dreifache Schutz des Gastes: der Schutz Gottes und seines Friedens, der Schutz der Gerechtigkeit und Liebe, und der Schutz der herkömmlichen Regeln des Edelsinnes und der Gastlichkeit des Stammes der Kymren.

20. Drei Dinge, worauf jeder Kymre achten muss: auf seinen Pflug, sein Buch (llyver, liber) und sein Recht.

Es ist dieses gleich der Triade, worin ein tugendhaftes Weib, ein Kissen auf dem Sitz und eine wohlgestimmte Harfe oder Weib, Wohlstand und Gesang als die drei Dinge einer guten Häuslichkeit genannt werden,1)San-Marte, Arthur-Sage, S. 100. eine andere, mehr friedliche und wegen der Voranstellung des Pfluges, des Ackerbaues vielleicht spätere Bezeichnung der häuslichen Kleinodien. Das hier neben dem Pflug genannte Buch, das Buch des Ackerbauers im 11. Jahrh. oder vielleicht noch früher kann nur die Bibel gewesen sein und würde sich somit bei den Walen in eines Jeden Hand als ein heiliger Schatz seines Hauses befunden haben. König Athelstan soll etwa in derselben Zeit die Bibel in das Angelsächsische haben übersetzen lassen. 2)Krause, Kunsturkunden, II. 1. S. 61, Anm. b. Wollte man bei den Bauern das Buch nicht auf die Bibel beziehen, könnte es nur noch auf den Gesang, auf ein Liederbuch bezogen werden, indem an ein Buch gelehrten Inhalts hier kaum zu denken ist. Das vorberührte Horn mit dem Ringe musste ungedeutet gelassen werden, jedoch mag für eine mögliche Deutung erwähnt werden, dass bei den Walen in Ermangelung von Glocken durch ein Horn zu den gottesdienstlichen Versammlungen berufen wurde. 3)Walter, S. 251, vgl. mit S. 376, woselbst die Trink -, Kriegs - und Jagdhörner berührt werden.Es ist auch vermuthet worden, dass die räthselhaften hohen Rundthürme, welche sich besonders in Schottland und Ir -143 land neben den Kirchen finden, blos gedient haben, um von ihnen herab durch Horn - oder Trompetenzeichen die Gläubigen zu berufen. 1)Krause, II. 1. S. 231; Symbolik, II. S. 536; Schnaase, IV. 2. S. 416 und 419. In St. Gallen möchten daher die runden, neben der Kirche gelegenen Thürme eine Einwirkung der irischen Mönche sein, von denen dieses Kloster abstammte. 2)Schnaase, IV. 2. S. 83, Anm. **Die Thürme worden unrichtig von Schnaase für Glockenthürme der Klöster erklärt. Denn die Glocken scheinen in Indien zuerst aufgekommen und aus dem alten Gebrauche hervorgegangen zu sein, dass in den Tempeln die einzelnen Stunden durch Anschlagen an eine runde kupferne Platte oder an ein Kupfergefäss verkündet wurden, was weithin vernommen werden konnte. In einigen Tempeln wurde auch zur Stundenanzeige ein grosses Stierhorn geblasen,3)Paulin, voyages aux Indes orientales, Paris 1808, III. S. 323. wie an vielen Orten Deutschlands, z. B. in Rheinbaiern, noch gegenwärtig sich die Nachtwächter eines solchen Hornes bedienen. Durch eine kleine Glocke, Schelle werden bei den Buddhisten die gottesdienstlichen Handlungen ganz in derselben Weise angezeigt und geleitet, wie in den katholischen Kirchen. 4)Vergl. z. B. Ausland für 1834, S. 1047 b; Symbolik, II. S. 553.In den buddhistischen Klöstern waren seit sehr frühen Zeiten die Glocken im allgemeinen Gebrauche, und für dieselben von grosser Bedeutung; insbesondere wurde in diesen Klöstern (vihâra) das Zeichen zur Versammlung und zur Mahlzeit mit der Glocke gegeben, weshalb Lassen, indische Alterthumskunde, III. S. 367, mit Recht annimmt, dass auch in dieser Richtung die buddhistischen Gebräuche und Einrichtungen den Christen zum Vorbilde gedient haben. Jedoch erscheinen Glöckchen in weit älteren Zeiten schon in dem jüdischen Tempeldienste und zu Dodona im Gebrauch, wofür auf meine Symbolik unter Glocke verwiesen wird. Nach Winckelmann, Sendschreiben von den herkulanischen Entdeckungen, Dresden 1762, S. 41, waren Glocken das Kennzeichen der zum geheimen Gottesdienste des Bacchus Geweihten, wie auch an den Schilden und Priapus-Amuletten der Alten Glöckchen angebracht waren,144 dort um die Menschen, hier um die bösen Geister zu schrecken. Die schönste Statue der Kybele, in dem päpstlichen vaticanischen Garten zu Rom, hält einen kurzen Griff, an welchem drei kleine Kettchen hängen, jede mit einem Glöckchen, die auf ihrem Schenkel erhoben gearbeitet sind. 1)Winckelmann, Allegorie, S. 48. Griff und Kettchen sind wohl auf den Blitz zu deuten. Zufolge Otte, Glockenkunde, S. 3, wurden die Glocken bei den Christen seit der 2ten Hälfte des 6ten Jahrhunderts eingeführt und zum Kirchengebrauche oft durch eine missbräuchliche Taufe geweiht, worüber Wackernagel in Pfeiffer’s Germania, IV. S. 158 und 159, nachzusehen ist. Nunmehr waren die Glocken zugleich auch ein reicher Bestandtheil der Sagenwelt der christlichen Völker. Auch die walischen Feen reiten zu gewissen Zeiten über die Berge auf Rossen, die mit kleinen silbernen Glöcklein von einem sehr hellen und wohltönenden Klange geschmückt sind, was sicher einen tiefern Grund hat als die Sitte der dortigen Vornehmen im Mittelalter, die Panzer und das Geschirr der Rosse mit Glocken oder Schellen zu schmücken. In einer Sage aus Unterfranken reitet Frau Hulda durch Wald und Gebirge auf einem prächtigen Schimmel, dessen Satteldecke und Gezäume mit silbernen Röllchen und Glöckchen besetzt sind, die ein wunderschönes harmonisches Geläute geben. 2)Wolf, Zeitschrift für deutsche Mythol., I. S. 28.Dieses harmonische Geläute der deutschen Hulda und walischen Feen ist wohl das sanfte Getöne der Winde und Wolken, die Zaubermusik, durch welche die Menschen der Erde entlockt werden. An fast alle Helleputte , d. i. der Hel gebeiligten düstern und trüben Moorteiche in Belgien knüpft sich die weitverbreitete Sage, dass der Teufel mit einer ungetauften Glocke, welche er ein Kirchthurme geraubt, in ihnen verschwunden oder zur Hölle hinabgefahren sei. Wolf, Beiträge, I. S. 202, fragt: Was heisst das? Es könnte vielleicht heissen, dass in diese Teiche, Eingänge zur Unterwelt, zur Hel, in die (heidnisch) tönenden Wolken einstens die Heiden eingefahren seien; die Glocke von der Kirche wird geraubt,145 damit das Christenthum selbst keine neue Stätte gewinne. In einem altschwedischen Volksliede sagt die sterbende Königin Dammon:

Ich höre schon die himmlischen Glocken, Die mich aus aller Angst und Qual zur himmlischen Freude locken. 1)Mohnike, altschwedische Balladen, S. 172.

Ein Elbe, der als treuester Knecht gedient, gibt beim Scheiden seinen Lohn dem Herrn unter der Bedingung zurück, daraus fir die arme Kirche eine Glocke anzuschaffen. um damit am Tage des Herrn die Gläubigen zum Gottesdienste rufen zu können. 2)Wolf, Beiträge, II. S. 253. Die Priester liessen die heidnischen Götter selbst zum Christenthum sich bekennen. Die heilige Edigna in Baiern hatte nach der Sage auf ihrem von zwei Ochsen gezogenen Wagen einen Hahn und eine Glocke; wo der Hahn krähte und die Glocke leutete. stieg sie ab und führte nun in der Höhlung einer dort rückwärts gelegenen Linde 35 Tage lang ein bussfertiges Leben. Hahn und Glocke bleiben hier Wolf, Beiträge, I. S. 169, dunkel, möchten aber in dieser Heiligenlegende blosse Symbole der Mahnung zur Busse sein, wie sie es der h. Edigna in der That auch waren; zuletzt könnten es auch mythische Anflüge aus der Huldasage sein. Die Glocken der in den Wolken thronenden Hulda sind die zusammenstossenden, läutenden Wolken, womit übereinstimmend es bei Grimm, deutsche Sagen, I. S. 8, von der in dem Teiche auf dem Meissner in Hessen wohnenden Holda heisst, dass, wenn sie unsichtbar im Teiche weile, man blos aus der Tiefe ein Glockengeläute und ein finsteres Rauschen höre. In der Sage vom Reinsteine unweit Blankenburg am Harz hört man in dem (Wolken -) Felsen oft um Mitternacht Schellen läuten, oder ein Gehämmer von vielen (Gewitter -) Schmieden. 3)Grimm, deutsche Sagen, I. Nr. 109. Der Teufel von Ach lässt sich gleichfalls mit Glockenklingen hören. 4)Grimm, I. Nr. 187.

146

Die Ritterstochter von der alten Burg Schwarzach in der Pfalz, welche ähnlich der Persephone, als sie am See auf der Wiese spielte, von einer grossen, aus dem Felsen gekommenen Schlange in den See gezogen worden war, gab ihrem trauernden Vater durch Glockentöne das Zeichen ihres Lebens; einmal läutete es heller und der Ritter vernahm die Worte: Ich lebe, mein Vater, bin aber an die Wasserwelt gebannt; lange habe ich mich gewehrt, aber der erste Trunk hat mich um die Freiheit gebracht; hüte dich vor diesem Trunk. Kaum hatte der Vater diese Worte der Tochter vernommen und stand er traurig am Wasser, da traten zwei Knaben hinzu und reichten ihm aus einem goldenen Becher zu trinken; er kostete ihn und versank augenblicklich in den See. 1)Grimm, I. Nr. 305. In der Bretagne wurde unter dem Klange einer Glocke oder Schelle es bekannt gemacht, wenn Jemand verstorben war. 2)Eckermann, III. 1. S. 41.

Den obigen Triaden mögen noch einige kymrische Sprüche (Diarhebion) angereiht werden, wovon eine grosse Sammlung dem Cattwg oder Cadog (dem Weisen) beigelegt wird, welcher im Anfang des 6ten Jahrhunderts Abt von Llangarvan war und dessen Name mit dem steigenden Ruhme der Weisheit und Tugenden jeder Art in der Ueberlieferung fortlebte. 3)Walter, S. 347 ff.

Erwarte keinen Erfolg ohne vorherige Versuche. Suche nie einen Vortheil durch deine Mildthätigkeit. Die beste Wahl, Gutes thun. Das beste Studium, Selbsterkenntniss. Die beste Empfindung, Mitleiden.

Es kann nicht sein Gutes ohne Licht; nicht Frömmigkeit ohne Licht; nicht Religion ohne Licht; nicht Glauben ohne Licht; nicht Klarheit ohne Licht; nicht Licht ohne Gott zu schauen.

Dieser Spruch ist für den Lichtglauben der Barden berücksichtigungswerth. In der Bretagne wurde der Ver -147 storbene mit dem Gesichte gegen Osten gewendet. 1)Eckermann, III. 1. S. 41. Die oben mitgetheilte Steile des zweiten Briefes Petri, nur in seiner Umkehrung, hat vielleicht bei dem nachgehenden Spruche zum Vorbilde gedient.

Ohne Lehrer, ohne Unterricht; Ohne Unterricht, ohne Kenntnisse; Ohne Kenntnisse, ohne Weisheit; Ohne Weisheit, ohne Frömmigkeit; Ohne Frömmigkeit, ohne Gott; Ohne Gott, ohne Alles.

Die bei den Kymren und ihren Barden so beliebte Dreizahl hängt wohf mit dem ihnen ursprünglich mit allen Kelten angehörenden Duodecimalsysteme zusammen. König Hywel oder Howel der Gute (907 948) erwählte 12 der verständigsten Laien, um mit dem Archidiacon und gelehrtem Meister Blegywryd die Gesetze und Gewohnheiten für das Königreich zu ordnen. 2)Walter, S. 359 ff. Das Gesetzbuch wurde von ihnen in 3 Theile getheilt, und Howel zog mit 13 Begleitern nach Rom, um es dort durch den Papst bestätigen zu lassen. Der Codex Venedotianus, ein von 1200 verfasstes Rechtsbuch, enthält in seinem dritten Buche die drei Säulen des Rechts, worunter man die Bestimmungen über den Todtschlag, Diebstahl und die Brandstiftung mit deren 9 Accessorien verstand. 3)Walter, S. 363 und 364, 382 Anm., S. 442, 451, 454. Das Gefolge (gosgoedd) des Königs begriff auch die 36 berittenen Dienstleute, nämlich die 24 Oberhofbeamten und 12 gwestai, deren Bedeutung nicht zu ermitteln ist. 4)Walter, S. 377 ff. Wenn der Hofrichter (ynad Clys) in der Kirche seinen Amtseid ablegen soll, wird er von des Königs Kaplan mit 12 der ersten Hofbeamten dahin geleitet. 5)Walter, S, 382 Anm. und S. 449. 24 Pfennige müssen häufig als Abgabe und auch als Strafe bezahlt werden. Der Codex Venedotianus zählt 11 niedere Hofofficianten auf. Die Aussteuer einer Königstochter soll 24 und diejenige einer Tochter der Oberhofbeamten 7 Pfund werth sein;6)Walter, S. 412. bei148 andern Töchtern hatte sie mindern Werth. 12 Bardenfürsten werden erwähnt. 1)Villemarqué, contes populaires des anciens Bretons, I. S. 54. Wie die alten kymrischen oder walischen Gesetzbücher alle in 3 Theile zerfallen, z. B. das Recht des königlichen Hofes, das Landrecht und die Anwendung von beiden,2)Walter, S. 360 ff. ähnlich hatte der alte Hüttenkatechismus, welcher alles für einen ächten Maurer Wissenswerthe enthielt, 3 Theile3)Heideloff, die Bauhütte, S. 25. und darnach haben auch noch heute die maurerischen Lehrlings -, Gesellen - und Meisterkatechismen 3 Theile. In demselben Sinne gab es ursprünglich bei den Indern blos 3 Vedas, 3 Theile des heiligen Buches. Ein jeder Kirchen - und Logendienst zerfällt sichtlich in 3 Theile, die feierliche Eröffnung und den feierlichen Schluss und zwischen beiden die eigentliche Kirchen - und Logenfeier. Nach einer auf eine falsche isidorische Deeretale gegründeten Nachricht sollten in den 5 alten britischen Provinzen 5 Erzbisthümer mit je 12 Bischöfen gegründet worden sein.4)Walter, S. 234; Symbolik, II. S. 676. lm kymrischen Rechte bestand eine gesetzliche Schweinheerde aus 12 Stücken und dem Eber. 5)Walter., S. 323; Symbolik, II. S. 671. Ebenso pflegten sich kleinere und ärmere kymrische Grundbesitzer zu einer Arbeitergenossenschaft mit je 12 erw oder Acker zu vereinigen, um dieselben mit gemeinsamer Arbeit und mit gemeinsamen Werkzeugen zu bestellen. 6)Walter, S. 323. 4 erw Landes machten einen tyddyn, 4 tyddyn einen randyr, 4 randyr einen gauael, 4 gauael einen tref (eine Niederlassung, eine Dorfschaft, selbst eine Stadt), 4 tref einen maynaul oder maenawr, 12 maynaul und zwei tref, also 50 tref einen cymmwd (commot), d. i. einen grössern Grafschaftsbezirk oder kleinern Gau; eine Grafschaft, cantref, sollte wenigstens zwei commot oder 100 Niederlassungen (tref) umfassen. 7)Walter, S. 128 ff.Nach einer alten Sage gab es einst 3 grosse Klöster Bangor (d. i. nach San-Marte, Beiträge, S. 80, grosser Kreis) und in jedem149 2400 Brüder, abwechselnd 100 für jede Stunde des Tages und der Nacht. 1)Walter, S. 241, Anm. 6. Dass hier das Duodecimalsystem mit seinen Theilzahlen oder Vermehrungen astronomisch sei, auf den Sonnenlauf sich beziehe, kann ernstlich nicht bezweifelt werden.

Aus Gallien glauben wir als Beispiele der Zwölfzahl berühren zu sollen: In dem altfranzösischen Roman vom Zauberer Merlin wird nach indischem Vorgange erzählt, dass der römische Kaiser Julius Cäsar eine Gemahlin hatte, der 12 Jünglinge in der Kleidung von Hoffräulein dienten. 2)Benfey, Orient und Occident, I. S. 341 ff. Zu Beauvais erscheinen 12 oder 13 Geschworene (jurati, jurés) als Richter. 3)Warnkoenig, französ. Staatsgesch., S. 293. Zu Paris gab es 24 Prudhommes (probi homines) der Bürgerschaft. 4)Warnkoenig, S. 311. Zwelf meister sint erhaben ze Paris in der schuole. 5)Benecke, mittelhochdeutsches Wörterbuch, unter Meister. Der kleinen Stadt St. Antonin in der Grafschaft Rovergue werden im J. 1136 12 Consuln (Schöffen) gestattet. 6)Warnkoenig, S. 319. Montpellier erhielt durch seine Coutumes vom J. 1204 12 probi et legales viri, auch Consiliatores Communitatis genannt, zur Berathumg der Stadt;7)Warnkoenig, S. 325. ebenso hatte Montpellier 12 Consuls ovriers, die Vorsteher der Zünfte. Der älteste Rath von Strassburg (consilium, consules), wohl zwischen 1214 1219 eingefübrt, sollte jährlich aus 12 und mehr tauglichen Leuten bestellt werden. 8)Gaupp, deutsche Stadtrechte des Mittelalters, I. (Breslau 1851) S. 47. Der älteste Rath von Annweiler zählte 12 Mitglieder, ebenso der von Landau, woneben hier ein Bürgerausschuss von 24 Mitgliedern bestand. 9)Mone, Zeitschrift für die Gesch. des Oberrheins, IV. S. 167 ff. und 402.In Art. 148 des Schwabenspiegels (bei Wackernagel) heisst es von den Zwelfen : Es ist etwâ gewanheit, daz man zwelf man nimmt, die dem richter helfent rihten; unde heizent schephen, unde sullent wîse liute sîn. Nach der fränkischen Rechtsverfassung schon sollte150 jeder Graf wenigstens 12 Scabini neben sich haben. 1)Warnkoenig, franz. Staatsgesch., S. 152. Der Stadt Mainz wurde durch den Rechtsbrief Erzbischof Siegfrieds III. vom 13. Novbr. 1244 das Recht zugestanden, 24 Rathsleute zu erwählen. 2)Gengler, deutsche Stadtrechte, S. 276. Zu Freiburg im Breisgau sollten nach dem Stadtrechte vom J. 1120 jährlich 24 Räthe durch die Bürger gewählt werden; ebenso nach der Handfeste von Freiburg im Uechtlande 24 conjuratores, colisiliatores, consiliarii oder consules; nach dem ältesten Rechte von Wien von 1221 24 Geschworene. Der Rath der alten deutschen Seestadt Wisby in Schweden sollte mit 36 Mitgliedern aus beiden Zungen besetzt werden, von denen 12 im Jahre das Gericht auf dem Rathhause zu wahren hatten. 3)Schildener, Beiträge zur Kenntniss des germanischen Rechts, 2 Stk. S. 120. Das älteste Hamburger Stadtrecht vom J. 1270 und 1292 ist in 12 Capitel abgetheilt. Der salische Franke und der Bürger der Stadt Freiburg im Breisgau wurden mit dem 12ten Jahre mündig,4)Waitz, das alte Recht der salischen Franken, S. 116; Gaupp, II. S. 16. womit in Uebereinstimniung Tit. XXIV. des salischen Gesetzes verfügt: Si vero puer infra 12 annos aliqua culpa commiserit, fretus (Friedensgeld) ei non requiratur. Wer das 12te Jahr zurückgelegt hatte, musste dem Könige Treue schwören. 5)Warnkoenig, S. 123 und 238. Die Lehnserbin konnte, 12 Jahre alt, ihre Verheirathung fordern, und wenn sie verweigert wurde, dem Lehnsherrn 3 ebenbürtige Ritter, aus welchen er einen wählen sollte, vorschlagen; dann aber, wenn er das nicht that, nach Belieben sich verbinden. Die Sachsen wurden mit dem 12ten Jahre heerpflichtig;6)Gaupp, I. S. 5. die Bürger zu Freiburg zufolge Art. 48 des dortigen Stadtrechtes zeugnissfähig. In den sich entwickelnden Verfassungen der italienischen Städte des 12. und 13. Jahrh. erscheint die Zwölf - und die Vierundzwanzigzahl als Zahl der Beamten und überhaupt als Theilungszahl sehr häufig, weshalb auf Rauiner, Gesch. der Hohenstaufen, VI. S. 83 ff.,151 verwiesen wird. Zu Pistoja z. B. werden im J. 1263 erwähnt 12 Anziane oder Aelteste, 24 Männer über das Steuerwesen, 12 über die Brücken und ebensoviel über die Befestigungen, 12 Hauptleute (commandanti). 1)Raumer, VI. S. 206.

Die Vierzahl erscheint gleichfalls im Kymrischen. Nach dem Mabinogion Kilhweh und Olwen sprossten 4 weisse Kleeblüthen, wohin Olwen trat; dieselbe hat noch 4 lebende Urgrossmütter und 4 Urgrossväter, welche wegen ihrer Verehlichung berathen werden müssen. 2)San-Marte, Beiträge zur bretonischen und celtisch-germanischen Heldensage. Quedlinburg 1847, S. 17 und 19. Britannien war von Diocletian oder Constantin in 4 Provinzen eingetheilt worden. 3)Walter, S. 119 oben. In dem vorgenannten Mabinogion werden 28 Könige der Insel Britannien erwähnt;4)San-Marte, Beitr., S. 60. vor der Ankunft der Angelsachsen soll Britannien 28 Bischöfe gehabt haben. 5)Luden, allgem. Gesch. der Völker und Staaten, II. 1. S. 328. Ferner darf hierher bezogen werden, dass, soweit die Trümmer noch entnehmen lassen, das schon bei Hekatäus und Diodor erwähnte, in der Nähe von Salesbury gelegene berühmte Stone-henge, der grösste und wichtigste aller keltischen Tempel, ursprünglich aus 40 kolossalen steinernen Pfeilern von Granit, welcher der Gegend nicht angehört, bestand, welche einen Kreis von 40 Schritten im Durcbmesser gebildet haben, in dessen Innerm und vielleicht noch einem zweiten kleinern Kreise ein grosser Hauptaltar lag. 6)San-Marte, Beitr., S. 178 ff. Die Steinbaute gehört zu den kunstlosen kyklopischen Bauten und soll durch den Zauberer Merlin nach der spätern Sage aus Irland, wo sich mehrere ähnliche Riesensteinbauten finden, herbei gebracht und aufgerichtet worden sein. Alle riesenhaften Bauten, welche über die gewöhnliche menschliche Kraft und Mass hinauszugehen scheinen, wurden den Göttern oder den Dämonen, dem Teufel in den alten Sagen zu geschrieben. Die kyklopischen Mauern von Argos sollte dasselbe von den 7 Kyklopen erhalten haben. 7)Böttiger, Kunst-Mythol., II. S. 277.Wuotan152 wird gleichfalls als der Erbauer seiner Tempel dargestellt und in einer ihn betreffenden Stelle heisst es: Voden construxit fana, Deus omnipotens amplos coelos, der heidnische Gott Voden vermochte nur irdische Tempel zu bauen, der Allmächtige (der Christen) aber baute dieweiten Himmel. 1)Wolf, Zeitschr., I. S. 69; Haupt, Zeitschr., V. S. 494. In der nordischen Mythologie erbauet Thôrr eine Brücke,2)Wolf, Beiträge zur deutschen Mythol., I. S. 30, Anm. 1. was an die von den wohl rein mythischen Affenkönigen Sugrîwas und Hanûman (obwohl Wollheim, Mythol. des alten Indien, S. 57, sie nicht also betrachten will) dem Wischnu nach der Insel Lanka oder Ceylon erbaute Brücke erinnert. Die St. Peterskirche zu Tyrol, welche für die älteste der Gegend gehalten wird, sollen Zwerge erbauet haben. 3)Wolf, Zeitschr. für deutsche Mythol., I. S. 291. In einer hessischen Sage bei Wolf, hessische Sagen Nr. 7, und ebenso bei Grimm, deutsche Sagen, I. Nr. 183, 1851 188,189, 195 und 197, erscheint der Teufel als Baumeister. In isländischen Mährchen findet man den Teufel, Trold, eine christliche Umbildung des Zwergen oder Riesen Finn, als Kirchenerbauer. 4)San-Marte, Beiträge, S. 146. Auf Island wird von einem geschickten Arbeiter gesagt dverghagr, d. i. geschickt wie die Zwerge; ebenso ist dvergasnidi, Zwerchenarbeit, eine kunstreiche Arbeit. 5)Maurer, isländische Volkssagen, Leipzig 1860, S. 267. Wenn anders die Angaben von H. Melville, vier Monate auf den Marquesasinseln, aus dem Englischen übersetzt von R. Garrigue, II. (Leipzig 1847) S. 51, Glauben ansprechen dürfen, finden sich auf diesen Inseln kyklopische Bauten sehr hohen Alters, deren Erbauung von den Eingebornen den grossen Göttern selbst zugeschrieben wird und die ohne Zweifel einem erloschenen und vergessenen Geschlechte angehören. Bei Schiras ist ein Kloster der 406)Ueber die Vierzigzahl vergl. Symbolik, II. S. 544. Derwische. Nach fränkischem Rechte durften die Heerdienstpflichtigen erst 40 Tage nach beendigtem Feldzuge die Waffen niederlegen. 7)Warnkoenig, franz. Staatsgesch., S. 158. Nach153 einer hessischen Sage bei Grimm, deutsche Sagen, I. Nr. 105, wird zwei Liebenden, um sich verehlichen zu dürfen, auferlegt, den Bach bei der Stadt Spangenberg, welcher jetzt der Liebenbach heisst, von dem gegenüberliegenden Berge der Stadt zuzuleiten; sie arbeiten an dieser Leitung 40 Jahre, worauf sie beide in demselben Augenblicke versterben. In einer Sage aus der Bukowina donnert und blitzt Elias 40 Tage und Nächte lang. 1)WoIf, Zeitschr., I. S. 181. Der h. Germanus soll nach der walischen Sage bei Nennius dem Könige Vortigern, welcher die Sachsen in das Land gerufen hatte, mit dem ganzen britischen Klerus an seinen verborgenen Zufluchtsort nachgezogen sein und dort, betend auf einem Felsen stehend, 40 Tage und Nächte bei ihm verweilt haben. 2)San-Marte, Beitr., S. 181. In der Kunstkammer zu Berlin befindet sich ein Elfenbeintäfelchen mit den vierzig Heiligen. 3)Kugler, Beschreibung derselben, S. 1 ff. Bei den Malaien auf Sumatra können Eheleute, welche sich getrennt haben, 40 Tage lang ohne alle Ceremonie sich wieder vereinigen; nach 40 Tagen bedarf es einer neuen priesterJiehen Trauung. 4)Ida Pfeiffer, meine zweite Weltreise, II. (Wien 1856) S. 17. In einem deutschen Volksliede bei Uhland, alte hoch - und niederdeutsche Volkslieder, Stuttgart 1845, S. 753, lässt ein Mann 40 Fuder Steine auf das Grab seiner verstorbenen alten Frau führen, damit sie nicht wiederkehren könne. Kaiser Augustus wurde nach Sueton von 40 Mann der Leibwache zu Grabe getragen, was er auf seinem Sterbebette schon gesehen haben soll. 5)Perthy, die mystischen Erscheinungen. S. 622.In Tit. XLVII. der Lex Salica ist je nach den örtlichen Verhältnissen eine Frist von 40 und von 80 Nächten zum Klagen gegeben. Das ripuarische Gesetz (XXXIII, 1)) bewilligt dem Angeklagten nur dann eine Frist von 80 oder 2 Mal 40 Nächten, wenn er ausserhalb der Grenzen des Reichs (extra regnum) lebt. Waitz, das alte Recht der salischen Franken, S. 156 und 173, nimmt die im salischen Gesetze häufigen154 Fristen von 40 Nächten als identisch mit der Frist von 6 Wochen, was gewiss ursprünglich der Fall nicht war, weil in dem salischen Gesetze, z. B. Tit. XLV, auch eine (dreimalige) Frist von zehn Nächten neben einer solchen von sieben Nichten, z. B. in Tit. XL und LII vorkommt, mithin beide verschiedene Fristen sind, d. h. eine Frist von 6 Wochen aus 6 x 7 und eine Frist von 40 Tagen aus 4 X 10 besteht. Auch Grimm, Rechtsalterthümer, S. 219, betrachtet die salische und ribuarische Frist keineswegs aus 6 x 7 oder 3 x 14 entstanden, sondern glaubt sie entsprungen aus 3 x 13 oder 39 x 1. Der König als Lehnsherr soll auf die Klage eines Vasallen binnen 40 Tagen das Lehnsgericht der Pairs derselben einberufen, um die Sache aburtheilen zu lassen,1)Warnkoenig, S. 239. ansonsten sich der Vasall von ihm lossagen und ihn bekriegen durfte. Zu den grundherrlichen Lasten gehörten in Frankreich, dem Gutsherrn Lebensmittel auf Credit zu liefern, z. B. auf 14 oder auf 40 Tage. 2)Warnkoenig, S. 256. Darius Hystaspis lässt zur Strafe 40 Köpfe abschlagen. 3)Schnaase, I. S. 214. Die Ruinen von Persepolis werden jetzt Tchil-minar, d. i. die 40 Säulen genannt. 4)Schnaase, I. S. 215. Nach Anhang III. bei Zoepfl, das alte Bamberger Recht, Heidelberg 1839, hat Kaiser Karl gemacht 7 Churfürsten und 40 Stücke des heiligen römischen Reichs, nämlich 4 Herzöge, 4 Markgrafen, 4 Landgrafen, 4 Burggrafen, 4 Grafen, 4 Freie, 4 Ritter, 4 Städte, 4 Dörfer und 4 Bürger, welche alle 40 einzeln aufgezählt werden.

Die Sechszigzahl5)Vergl. Symbolik unter diesem Worte. hatte bei den Kymren jedenfalls auch eine mythische Beziehung. Nennius (§. 67) erzählt von dem merkwürdigen See Lymonoy (wahrscheinlich Loch Lomond), in dem 60 Inseln sind, von Menschen bewohnt, von 60 Felsen umgeben und auf jedem Felsen ein Adlernest. Die Sage berichtet, dass die Adler an jedem ersten Mai zusammenkommen, und die Bewohner der Gegend erkennen aus dem Klange ihrer Stimmen,155 was sich im künftigen Jahre begeben wird. Nach San-Marte, Beiträge, S. 67 und 81, ist dabei nicht zu vergessen, dass unter den Vögeln namentlich Adlern, eben sowohl Seelen Verstorbener, als vorzugsweise die Priester und Barden verstanden werden; daher auch hier Hindeutung auf feierliche Priesterversammlung, welche aus 60 Mitgliedern bestand. In dem Fragmente des angelsächsischen Gedichtes: Die Schlacht von Fiensburg werden 60 Siegessöhne genannt,1)San-Marte, Beiträge, S. 117. welche 5 Tage fochten. In einem andern angelsächsischen Gedichtfragmente erscheint die Hundertzahl:

Der Erde Grab umschliesst Die Fürsten und Bauherrn, Die gefallenen, vernichteten, Mit starrer Umarmung; Bis hundert Geschlechter Der Menschen vorübergewandelt. 2)San-Marte, S, 118.

Im fränkischen Rechte und besonders im salischen Gesetze ist die Sechszigzahl häufig und die Hälfte des grossen Hunderts von 120 oder 5 x 12. Die Königsbusse des salischen Gesetzes sind 60 solidi, welche auch in das fränkische Stadtrecht von Freiburg übergegangen ist, z. B. Art. 10. Der h. Patricius soll in Irland für Kirchen ausdrücklich die Länge von nur 60 vorgeschrieben haben. 3)Schnaase, IV. 2. S. 418. Nach fränkischem Lehnrechte kann die 60jährige Vasallin nicht von dem Lehnsherrn zur Wiederverehlichung gezwungen werden. 4)Warnkoenig, franz. Staatsgesch., Basel 1846, S. 238. Die Stadt Paris hatte in den alten Zeiten 60 Weinmäckler. 5)Depping, réglements sur les arts et métiers de Paris, S. LIX. In dem bekannten französischen Riesenromane Perceforest (d. i. Lichter, Eröffner des Waldes) hat der Zauberer Darnant 60 lebende Bastardsöhne. 6)Wiener Jahrbücher, Bd. 29, S. 117. Mit der Sechszigzahl berührt sich übrigens ganz nahe die Zahl Zweiundsiebenzig,7)Symbolik unter Zweiundsiebenzigzahl. oder 6 x 12. Sainte und Oleron im südlichen Frankreich hatten 24156 scabini und 72 Pares Communiae. 1)Warnkoenig, S. 327. Die Mohamedaner zählen gewöhnlich unter sich 72 Secten auf, obwohl es deren mehr als 80 gibt;2)Volney, ruines, S. 120 und 257. im Paradiese darf der Mohamedaner nach dem Koran 72 Frauen nehmen. Die Inder nehmen 72 grosse Perioden, manvantara genannt, an. 3)Lassen, indische Alterthumskunde, IV. S. 614, Anm. 1. Deshalb lässt Kâbir, der Stifter der Religionssecte Kâbirpanthi, den höchsten Gott, Paramapurusha, 72 Geschlechter hindurch allein sein oder ruhen, bevor er zur Schöpfung schreitet. 4)Lassen, IV. S. 614. Der um die Mitte des 8ten Jahrh. lebende Cankarâkârja auf Malabar, ein berühmter Philosoph und religiöser Sectenstifter, soll die frühern 4 Kasten in 13 und diese wieder je in 4 Unterabtheilungen eingetheilt haben, so dass im Ganzen 72 Abtheilungen entstanden wären. 5)Lassen, IV. S. 619. 12 x 12 oder 144 kommt z. B. im Nibelungenlied vor, indem das Gold und Gestein des Nibelungenhortes (von horreum, Speicher, Schatzkammer) auf 144 Wagen davon geführt wird. 6)Mone, Untersuchungen zur Gesch. der deutschen Heldensage, Quedlinburg 1836, S. 151 und 156. In den von Kaltenbaeck herausgegebenen Pan - und Bergtaidingsbüchern, I. Wien 1846, ist die Busse von 72 Den. eine ausserordentlich häufige. Dieselbe Busse erscheint in dem Rechtsbriefe der Stadt Eger des Königs Rudolf I. vom 13. Juni 1279.7)Gengler, S. 97 ff. ; Gaupp, I. S, 189 ff. In altdänischen Dörfern durfte die Forthe oder forta, der innere fahrbare Dorfraum nicht weniger als 12 Faden oder 72 betragen. 8)Maurer, Einleitung, S. 39. Auch darf hier berührt werden, dass in der in viele Sprachen übertragenen Mährchensammlung Çukasaptatati der Papagei der Prinzessin, um dieselbe von ihrem ungetreuen Ausgange abzuhalten, 70 oder 7 x 10 Mährchen erzählt, worauf endlich deren Gemahl von der Reise heimkehrt und die schwer geprüfte Tugend seiner Gattin rettet. 9)Lassen, indische Alterthumsk., IV. S. 813, Anm. 2.

157

Die Siebenzahl ist nicht besonders häufig: Nach der Geschlechtsverfassung der Kymren gehörten zu einem Geschlechte die Blutsverwandten bis ins 9te Glied, an deren Spitze ein Häuptling (pencenedl) mit 7 Aeltesten (henadur) als seinen Gehülfen stand. 1)Walter, S. 132. Man dürfte sagen, das Geschlecht hatte 7 Grosse oder der Häuptling 7 Minister, wie diese Siebenzahl so oft bei den indogermanischen Völkern vorkommt. Der oberste Thürwächter am Hofe Arthurs hatte 7 Gehülfen. 2)Villemarqué, II. S. 3; San-Marte, Arthur-Sage, S. 250Nach dem alten Rechte von Wales gab es auch 7 Fälle, in denen ein Weltlicher als Beklagter vor dem geistlichen Gericht antworten musste. 3)Walter, S. 243. Im 6ten Jahrh. erhielten die Männer von Arvon in Nordwales wegen ihrer bei einem feindlichen Einfall bewiesenen Tapferkeit 14 Privilegien;4)Walter, S. 355. ans dem gleichen Grunde wurden im 7ten Jahrh. den Männern von Powys 14 Privilegien zu Theil. 5)Walter, S. 356. In den alten Gesetzen wird von einer Goldplatte gesprochen so dick als der Nagel eines Landmannes, den er 7 Jahre gepflügt hat. 6)Walter, S. 372. An den 3 hohen Festtagen speisten 14 Personen an der königlichen Tafel, den König inbegriffen. 7)Walter, S. 389. In Südwales richteten je nach den Umständen 7, 14, 21 bis 50 (oder wohl 49) grundgesessene Gerichtsgenossen. 8)Walter, S. 403. Sieben Eigenschaften soll der Richter vereinigen: er soll taub und stumm, beherzt und beredtsam, demüthig und zaghaft, und ein gottesfürchtiger Mann sein. 9)Walter, S. 404. Die Seele, welche im Haupte des Menschen ihren Sitz hat, ist aus 7 Elementen zusammengesetzt und mit 7 Sinnen ausgerüstet. 10)Eckermann, III. 1. S. 22.Vom 14. Jahre an galt das Mädchen als fruchtbar und heirathsfähig, vom 21. an der Jüngling als kriegsdienstpflichtig, doch konnte158 er auch schon nach dem 14ten mitziehen. 1)Walter, S. 405. und 410. Mit 7 Zeugen musste die Jungfräulichkeit der eben verheiratheten Frau beschworen werden, wenn sie von ihrem Ehemanne deshalb verdächtigt wurde. 2)Walter, S. 414. Hatte eine Ehe 7 Jahre oder 7 Jahre weniger 3 Tage gedauert, trat unter den Ehegatten vollständige Gütergemeinschaft ein.3)Walter, S. 415 und 420. lm Falle des Verdachtes des Ehebruches musste sich der Mann mit 50 Eidlielfern reinigen,4)Walter, S. 416. d. i. mit 7 x 7 x 1 als Zugabe. Die Frau, die der Unkeuschheit verdächtig war, musste sich mit 50 Frauen eidlich reinigen. 5)Walter, S. 449. Gildas, einer der 24 Söhne des Schottenkönigs Caw, studirt nach der Legende 7 Jahre die 7 freien Künste in Gallien;6)San-Marte, Beiträge, S. 99. später führte er 7 Jahre auf einem Felsenland ein ascetisches Leben. Der irische Held Finn soll nach der schottischen Volkssage 7 Höhe gehabt haben. 7)San-Marte, S. 131. Ueber dem Haupte des Eubutes schweben 7 Sphären. 8)Eckermann, III. 1. S. 22.

Noch weit seltener als die Siebenzahl kommt in dem kymrischen Rechte die Fünfzahl vor, was darin seinen naheliegenden Grund hat, dass im Geiste des kymrischen Volkes die Dreizahl und theilweise auch die Neunzahl als die mit sich selbst vermehrte Dreizahl das ganze Rechtssystem wie alle Lebensverhältnisse durchdrang. Jeder ächte Kymre konnte 5 Acker freies Land verlangen und die Barden noch 5 weitere dazu; das letztere Vorrecht stand auch den Schmieden, Steinmetzen und Zimmerleuten zu, wogegen sie aber auf Verlangen in ihrem Handwerke die Hörigen und Unfreien des Königs zu unterrichten verpflichtet waren. 9)Walter, S. 147, 292 und 325.Es ist für jene Zeiten sehr bezeichnend, dass die Handwerke des Schmiedes, Steinmetzen und Zimmermanns für so wichtig gehalten wurden, um der Bardenkunst gleichgestellt und gleichmässig gesetzlich er -159 muntert zu werden. Jedoch hat man bei dem Schmiede, Steinmetzen und Zimmermann an rein bäuerliche oder ländliche Verhältnisse zu denken, wie schon daraus hervorgeht, dass nur diese 3 Handwerker genannt werden und der auch in unsern Tagen oft noch, z. B. in vielen Dörfern der Schweiz. so wichtige Dorfschmied vorangestellt wird. So war im Strafrechte bestimmt, dass man nicht sei für das gehörig gedeckte Feuer in der Schmiede des Weilers, die neun Schritte von den Häusern entfernt liegt. 1)Walter, S. 451. Diese 9 Schritte finden sich nochmals in insofern, als ein bissiger Hund über 9 Schritte von seinem Hause entfernt ungestraft getödtet werden darf. 2)Walter, S. 456. Zu einem gewaltsamen Ueberfall gehörten mindestens 9 Personen. 3)Walter, S. 448. Auch gibt es eine erlöschende Verjährung des Grundeigenthums in der 9ten Generation. 4)Walter, S. 429. Neun Tage nach dem Tode des Mannes zog die Wittwe von dem Gute des Mannes mit ihren Sachen ab und ebenso nach einer Ehescheidung. 5)Walter, S. 415 und 418. Gesetzliche Fristen sind auf den 9ten Monatstag angesetzt. 6)Walter, S. 460. Nur Der gilt als ein Freier und hat Anspruch auf Theilnahme an der Gemeindemark, welcher seine Abstammung durch 9 Grade darthun kann. 7)San-Marte, Arthursage, S. 116 Anm. Die Eigenthümlichkeit dieser kymrischen Neunzahlen8)Vergl. auch Symbolik unter Neunzahl. besteht darin, durchaus practische oder gesetzliche gewesen zu sein. In der Sage besitzt König Arthur den 9ten Theil der Stärke seines göttlichen Vaters. Tristan will dem Könige Arthur in 900 Kämpfen trotzen. 9)Villemarqué, contes populairs, I. S. 84. Neun Könige bringen ihre Huldigungen dem Könige Arthur dar10)Villemarqué, II. S. 2. und 9 Haushofmeister hat der letztere. Drei Mal 3 Nächte soll Arthur gefangen gewesen und durch160 einen jungen Dienstmann aus dem Gefängnisse befreit worden sein. 1)Villemarqué, II. S. 125. In den Gräbern der Krieger, welches Gedicht dem Taliesin zugeschrieben wird, heisst es:

Das Grab Gwalchmai’s ist in Pyton, Wo der neunte Fluss strömt. 2)San-Marte, Arthursage, S. 164.

Kai hatte die Eigenschaft, dass er 9 Tage und 9 Nächte den Athem unter dem Wasser anhalten und er 9 Tage und 9 Nächte ohne zu schlafen ausdauern koninte;3)San-Marte, Beiträge zur Heldensage, S. 14. seine eine Lanze vermochte so viele Wunden zu bohren wie 9 feindliche Lanzen. Eine zottige Schäferdogge ist grösser als ein 9 Winter altes Ross. 4)San-Marte, S. 15. Neun Pförtner bewachen mit 9 Runden die 9 Thore an dem Schlosse der schönen Olwen und werden von ihrem Liebhaber und seinem Gefährten bis auf einen Hund erschlagen. 5)San-Marte, S. 17. Zu ihrem Hochzeitsfeste verlangt ihr Vater Honig, welcher neunmal süsser ist als Jungfernhonig, ohne Schaum und Bodensatz zu Meth zu sieden. 6)San-Marte, S. 21. Kynedyr Wyllt, der Sohn des Hettwn Glafyrawe, ist neunmal wilder als das wildeste Thier des Gebirges. 7)San-Marte, S. 25. Arthur kämpft gegen den Eber Trwyth mit seinen 7 jungen Ferkeln 9 Nächte und 9 Tage lang, ohne ihm auch nur ein einziges Ferkel tödten zu können. 8)San-Marte, S. 36. Nach dem schottischen Volksliede von Ergon’s Einfall in Irland wird Ergon, der mit 9 mächtigen Fürsten zum Kampfe ausgezogen war, am 9ten Tage unablässigen Kampfes erschlagen. 9)San-Marte, S. 124 ff.In einem irischen Mährchen gebraucht die Gattin Finn’s folwendes Zaubermittel: Sie legte 9 wollene Fäden von verschiedener Farbe zusammen, flocht sie in 3 Flechten, jede von 3 Farben, knüpfte die eine um ihren rechten Arm, die andere um ihre rechte Brust, die dritte um ihren rechten Knöchel, und war nun161 gewiss, dass ihr ihr Vorhaben gelingen werde. Dann schickte sie rings zu den Nachbarn, borgte 21 Bratroste, vertheilte sie in 21 Brode. buck diese üblicher Weise und legte sie, wie sie gebacken waren, eines nach dem andern in den Brodschrank. 1)San-Marte. S. 141. Merddyn Emrys und seine 9 Barden fahren zur See nach dem Glashause. 2)Eckermann, III. 1. S. 38. Es bedarf nach keltischem Ausspruche 9 Schneider, um einen Mann zu machen. 3)Eckermann, III. 1. S. 39. Fin schwarzer wollener Faden mit 9 Knoten wird in Schottland gegen Verrenkungen gebraucht. 4)Eckermann, III. 1. S. 77. Die unzähligen Schaaren der Engel, der Genien, welcher Genienglaube ja auch ein wesentlich keltischer war, wurden im Mittelalter in je 3 x 3 oder 9 Chöre eingetheilt. 5)Schnaase, IV. 1. S. 87 Anm. Daran mögen gereiht werden: das gnadenreiche Wunderbild von nuestra Sennora de los remedios zu Mexiko wurde der Sage nach im J. 1540 durch einen spanischen Soldaten auf dem Montezumahügel aufgefunden und kehrte, fortgebracht. 3 Mal auf übernatürliche Weise zur selben Stelle zurück, woran man erkannte. dass es dort verehrt sein wolle, wie Aehnliches in so vielen deutschen Sagen erzählt wird. In gefahrvollen Zeiten wird das Bild von seinem Hügel in feierlicher Weise nach Mexiko gebracht und hier 9 Tage ausgestellt. 6)Ausland für 1834, S. 1373 a: Symbolik, II. S. 758. Als die 3 Wahrzeichen des Elsasses galten früher: die 3 Schlösser auf einem Berge, die 3 Kirchen auf einem Kirchhofe und die drei Städte in einem Thal. 7)Stoeber, Sagen des Elsasses. St. Gallen 1858, S. 102 u. 428. Die Gemahlin des Grafen Uffo an der Weser stiftet und bauet während einer langen Abwesenheit ihres Gemahles 9 Kirchen, worunter das Kloster Möllenbeck. 8)Grimm, deutsche Sagen. II. Nr. 543. Die Gemahlin des Grafen Gebhard auf Quernfurt in Sachsen gebar in Abwesenheit des Grafen 9 Kinder auf ein Mal. 9)Grimm, II. Nr. 571.Früher glaubte man, ein neugeborenes Kind müsse sich nach 9 Tagen zum Leben162 oder Tod verändern. 1)Grimm, I. S. 132. Zufolge einer Sage in Uri und Engelberg wird ein Stierkalb 9 Jahre lang blos mit Milch aufgefüttert, und zwar das erste Jahr mit der Milch von einer Kuh, das zweite mit der Milch von zwei Kühen u. s. w., worauf der erwachsene Stier von einer unbefleckten Jungfrau über den Felsgrat geführt und laufen gelassen wird, damit er ein dort hausendes gespenstisches Ungeheuer bekämpfe und besiege. 2)Grimm, I. Nr. 124. In den jüdischen Traditionen wird der Wiege, nach andern Sagen dem Bette des Riesen Og die Länge von 9 Ellen, d. i. 9 Manneslängen zugeschrieben. 3)Petermann, Reisen im Orient, II. S. 105 Anm. Nach der sog. Yorker Urkunde vom J. 926 soll König Herodes an dem dritten Tempel zu Jerusalem 9 Jahre und 6 Monate gebaut haben. 4)Krause, II. 1. S. 76. Bei Sophokles, Oedipus auf Kolonos, V. 483 und 484, wird dem Oedipus aufgegeben, den Platz, auf dem er nach Osten gewandt, 3 Libationen von Wasser darbringen soll, mit 3 x 9 theils mit der rechten, theils mit der linken Hand hingelegten Oelzweigen zu bedecken. Nach indischer Vorschrift soll die Wohnung eines Brahmanen 9 Stockwerke, diejenige eines Paria aber nur ein einziges haben. 5)Romberg und Steger, I. S. 72 b. In einer thüringischen Sage heben die Jungfrauen Etwas von 9lei Essen auf und setzen sich mit demselben um Mitternacht zu Tische, damit die Geister ihrer Geliebten erscheinen möchten. 6)Grimm, I. S. 173; Symbolik, II. S. 758. Einer koburgischen Sage zufolge zünden die Mädchen in der Christnacht um Mitternacht ein Feuer aus 9lei Holz an, entkleiden sich und werfen ihre Hemden vor die Thüre, welche die Geister der zukünftigen Gatten in die Stube zurückbringen sollen. 7)Grimm, I. Nr. 117; Symbolik, II. S. 759.Die Sage vom Rattenfänger bei Grimm, I. Nr. 245, erzählt, dass, wenn der Rattenfänger einen gewissen Ton auf seiner Pfeife 9 Mal pfeife, ihm alle Ratten, wohin er immer wolle, nachfolgen müssen. Der Ritter von Schwarzach hatte 9 Töchter,163 welche ein Räuber in den Wald verlockte und ermordete; nach 30 Jahren traf ihn die Reue, daher er die Todtengebeine ausgraben und in geweihter Erde beisetzen liess. 1)Grimm, I. S. 394; Symbolik, II. S. 758. Unverkennbar erscheint hier die Zwölfzahl, die Jahreszahl personificeirt. Der mordende Räuber der 9 Schwestern ist der 3monatliche Winter, welchen in der Wintersonnenwende die Reue befällt, indem er sich selbst als neue Sonne aus dem Grabe erhebt. Diese Grabeserhebung ist die Geburt der Cbristnacht mit ihren Wundererscheinungen. Bei einem Brunnen auf Island heben sich in der Johannisnacht alle Steine an die Oberfläche und den Rand des Brunnens, während sie sonst in dessen tiefstem Grunde ruhen;2)Maurer, isländische Volkssagen, Leipzig 1860, S. 179. ebenso noch bei einem zweiten Brunnen. Diese Steine werden Natursteine, náttúrusteinar, genannt, d. h. sie besitzen magische Kräfte. Ueber alle germanischen Länder und selbst über einen Theil von Frankreich3)Eckerrnann, III. 1. S. 26. ist der Glaube verbreitet. dass in der Weihnacht alles Vieh sich erhebe, mit einander rede und dergleichen mehr. Wolf, Beiträge, I. S. 120, glaubt, dass dieses nur von dem Rindvieh gelte, und erblickt darin eine Art Huldigung des Viehes dem in der Nacht der Sonnenwende nach dem alten heidnischen Glauben umziehenden Gotte. Nach dem isländischen Aberglauben findet das Sprechen der Kühe in der Neujahrsnacht, nach Andern in der Mitternachtsstunde der Johannisnacht statt. 4)Maurer, S. 170. An der Mosel wird geglaubt, dass in der Christnacht, in dem Augenblicke, wo Christus geboren wurde, alles Wasser zu Wein werde. 5)Wolf, Zeitschrift für deutsche Mythol., S. 243, Nr. 33; derselbe, Beiträge zur deutschen Mythol., II. S 124 ff. ; meineSymbolik, II. S. 513 und 787. Nach dem Aberglauben in Tyrol soll in der Christnacht während der h. Wandelung bei allen Brunnen anstatt Wasser Wein fliessen. Jeder kann so viel Wein holen, als er will: doch wehe Dem, der, während er Wein auffängt, nicht schweigt oder spricht,6)Wolf, Zeitschrift, I. S. 238 oben. denn vor den Göttern164 muss heiliges und demuthsvolles Schweigen walten. Nach dem Volksglauben in Chartres sind am Weihnachtsabend alle verborgenen Schätze geöffnet. 1)Eckermann, III. 1. S. 62. Westlich von Blois bei den Ruinen einer alten Brücke (arche du roi), am äussersten Ende des Teiches von Beauregard, einst Longuenoue, langer Teich genannt, steht auf einem Hügel ein Dolmin, der Mitternachtsstein genannt, welcher in der Mitternachtsstunde der Weihnacht sich dreht, und zwar durch der Feen Zauberkraft. Der Dolmin ist 16 lang und 2 breit, und der Eingang im Osten. 2)Eckermaun, III. 2. S. 35. Die Seehunde haben dem isländischen Glauben nach eigentlich die Gestalt von Menschen und dürfen in der Winterjohannisnacht ihr Seehundsgewand ablegen, an das Land sich begeben und in menschlicher Gestalt mit dem Menschen sich erlustigen; nimmt man ihnen ihr Sechundsgewand (gleichsam ihr Schwanhemd), müssen sie bei den Menschen verbleiben, bis es ihnen gelingt, ihr Seehundsgewand wieder zu erhalten. 3)Maurer, S. 172. Die Frühlingsblumen, welche der von der winterlichen Eisdecke erlösten Erde wieder entsprossen, werden durch wunderbare Kraft schon in der Christnacht blühend gedacht, und sind daher die Schlüssel, die Zauberkräfte, welche die verschlossenen Räume öffnen; werden zu förmlichen Springwurzeln. 4)Vergl. z. B. Grimm, I. Nr. 303. 314, 223, 9. Näher betrachtet, sind die öffnenden Blumen und Mächte die Frühlingsblitze, welche die Winterwolken durchbrechen und den befruchtenden Regen zur Erde niedergiessen; die Blumen sind zugleich der Lösestein, Lausnarstein, der isländischen Sage. 5)Maurer, S. 180. Auch gehört hierher der sonst als Oster - oder Frühlingsgebrauch vorkommende Gebrauch in Deutschland, dass bei der Feier des Festes der Wintersonnenwende an einzelnen Orten alle Lichter gelöscht und neue reine Feuer entzündet werden. 6)Wolf Beiträge, I. S. 118 oben. In Schweden brannte man noch im vorigen Jahrh. die Jullichter. 7)Wolf I. S. 120.Noch jetzt schmücken die165 Japanesen zur Feier des Neujahrs ihre Hausthüren mit Tannenzweigen und pflanzen Tannenbäume vor denselben auf. 1)Ausland für 1861, S. 710 b. Das hervortretendste Fest der chinesischen Buddhisten ist das Laternenfest, welches am ersten Vollmond nach Neujahr im ganzen Reiche begangen wird. Alle Häuser, alle Ströme und alle Schiffe werden bei dieser Gelegenheit mit vielfarbigen papiernen Laternen erleuchtet. 2)Lassen, IV. S. 744.

Mit der obigen Sage von den geraubten und ermordeten 9 Schwesstern berührt sich die Sage von den 12 Johannes, welche ein fränkischer König hatte und die auch die deutschen Schüler genannt wurden; sie fuhren auf einer Glücksscheibe durch alle Länder und konnten binnen 24 Stunden erfahren, was in der ganzen Welt geschehen war, um es dann dem Könige einzuberichten; der Teufel aber liess alle Jahre einen von der Scheibe herabfallen und nahm ihn zum Zoll; den letzten liess er auf dem Petersberge bei Erfürt, der zuvor Berbersberg genannt war, fallen; dort liess zum Andenken der König eine Capelle für einen Einsiedler erbauen und nannte sie Corpus Christi. 3)Grimm, I. Nr. 337.Der fränkische König ist der Sonnen - und Jahresgott Odhin, die Sonne mit den 12 Monaten und Monatsgöttern, welche von der Zeit (dem Teufel) von Monat zu Monat als Zoll dahin genommen und von der Scheibe herabgestürzt werden. Täglich oder alle 24 Stunden schwingt sich zugleich scheinbar die Sonne um die Erde und erfährt dadurch Alles, was sich auf der Erde begibt. Ferner treten Odhin und Petrus auf dem Petersberge (Christus) mit einander in Verbindung, indem dieser von jenem den Jahresschlüssel (den letzten herabfallenden Schüler) erhält und nun die neue Zeit eröffnet. Das stets vergehende und doch wieder erstehende Jahr ist Corpus Christi, das zeitliche Gewand der Gottheit, und die 12 Johannes, die 12 fahrenden Schüler sind die 12 Apostel. Die 7 Wintermonate sind die 7 Arbeiter, mit welchen nach einer andern Sage in einer Nacht (Winter) der Teufel den166 Teufelsgraben bei der Stadt Strehlen in Niederschlesien gräbt. Mit der Vollendung des Grabens müssen auch die 7 Arbeiter sterben. 1)Grimm, I. Nr. 338. Nach einer Sage bei Grimm, I. S. 34, erhält der Scherfenberger 7 Wunden, doch nur eine Pein. In Petersburg ist es Sitte, am Ostersonntag das Evangelium Johannis: Im Anfang war das Wort u. s. w. durch 24 Zungen in 24 Sprachen vorlesen zu lassen. 2)Wiener Jahrbücher, Bd. 26, S. 152. In einer Sage bei Grimm, I. Nr. 209, treffen 12 Landsknechte auf das Grauröcklein, welcher sie auf das Glücksrad setzte und 12 Stunden, 1 Mal in jeder Stunde darauf herumdrehte, unter sich helles Wasser, worin sich ihre guten und bösen Gedanken spiegelten, und über ihnen glühendes Feuer; zuletzt fiel vertragsgemäss einer von ihnen dem Grauröcklein zu und die übrigen 11 blieben so arm als zuvor. Die Gaina nehmen 24 Gina (ein Name Buddha’s) an, in welcher Hinsicht sie mit den Buddhisten übereinstimmen, die eben so viele Buddha’s besonders hervorheben. 3)Lassen, IV. S. 763. Auch scheinen die Gaina 12 eigentliche heilige Schriften zu besitzen, welche Anga genannt werden. 4)Lassen, IV. S. 767. In dem von Mahmûd, von Ghazna im J. 1026 zerstörten Tempel in Somanâtha befanden sich 12 grosse Linga. In einer Sage bei Grimm, I. S. 297, nehmen Menschen, welche sich in Wehrwölfe verwandelt haben, nach dem Ablaufe von 12 Tagen wieder menschliche Gestalt an. 12 Soldaten werden gewöhnlich zur Vollziehung der Strafe des Erschiessens gebraucht. 12 Gespenster erscheinen wiederholt in einer isländischen Sage bei Maurer, S. 138. Bei einem Hexentanze gibt eine Hexe dein Spielmann 12 Pfenning. 5)Grimm, I. S. 339.Auf dem Schwarzkopf und in der Seeburg im Murchthale hausen ein Ritter mit 12 Schwestern und eine Schwester mit 12 Brüdern; der Ritter bemächtigt sich der Schwester der 12 Brüder, worauf diese ihm vor den Augen seiner sterbenden Geliebten 12 Dolche in den Leib stossen; zuvor167 aber hatten die 12 Brüder die 12 Schwestern geraubt und diese rissen die 12 Dolche aus dem Leichname ihres Bruders und tödteten in der Nacht die 12 Raubgrafen. 1)Grimm, I. Nr. 331. Bei dem Hexenbrünnelein auf dem Dielberge standen noch im Anfange dieses Jahrhunderts 12 hohe mannsdicke Birken. 2)Wolf, Beiträge, I. S. 299. 12 Mitglieder zählte der Areopag, das atheniensische Blutgericht. Das gefangene Fischlein verspricht bei Rückert, brahmanische Erzählungen, S. 25, für seine Freilassung:

Er (der Vater) soll vom Weihergrund an jedem Tag dir schicken Zwölf Fische fett und rund, die mögen dich erquicken.

Die Sawitri erfleht für ihren söhnelosen Vater die Gnade:

Die Tochter ist ein Strauss am Busen; dass ihm kröne Ein voller Kranz das Haupt, gib ihm ein Dutzend Söhne! 3)Rückert, brahman. Erzähl., S. 201.

12 Amorinen mit den Attributen der 12 olympischen Götter auf einem erhobenen Werke im Palaste Mattei ist die symbolische Darstellung, dass alle Götter Liebe fühlen. 4)Winckelmann, Allegorie, S. 47. Nach dem arabischen Massoudi, welcher sein Werk über die Universalgeschichte im 10ten Jahrh. verfasste, wurde unter der Regierung Brahma*s, des ersten (mythischen) indischen Königs, ein Tempel mit 12 Thürmen gebaut, welche die 12 Zeichen des Thierkreises vorstellten und auf denen alle Sterne eben so verzeichnet waren. Bei Tours in der Gemeinde Metray und St. Antoine-du-Roche mitten auf einem Acker befindet sich das sog. Feenschloss oder die Feengrotte, aus 12 rohen Felsen erbaut. 5)Eckermann, III. 2. S. 35. In einem in der Mitte den Asklepios und die Hygieia darstellenden ovalen Bilde, bei Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, II. Nr. 785, sind dieselben gleichfalls von den 12 Zeichen des Thierkreises am Rande umgeben, und das Bild ist verschieden nach den Texterläuterungen von Wieseler gedeutet worden, namentlich von K. O. Müller168 dahin, dass hier die beiden Heilsgottheiten als der Mittelpunkt des Weltsystems bezeichnet werden; nach Guattani soll die Stellung des Asklepios und der Hygieia mitten im Thierkreise auf den Einfluss der Gestirne und besonders der Sonne auf der Ekliptik hinweisen. Es dürfte aber diese symbolische Darstellung ähnlich den 12 Schaubroden im salomonischen Tempel ausdrücken, dass Asklepios und Hygieia, Gott in allen 12 Thierzeichen oder durch das ganze Jahr die Gesundheit verleihe, wie Helios durch das ganze Jahr leuchtet und deshalb 12 Strahlen von seinem Haupte ausgehen;1)Wieseler, a. a. O., II. Nr. 972. Helios Brustbild steht in einem aufwärts gekehrten Mondsviertel und zu beiden Seiten sind zwei 6eckige Sterne angebracht. Auf der Marmorgruppe in der Bruckenthal’schen Sammlung zu Hermannstadt2)Wieseler, II. Nr. 893. trägt Hekate das Brustbild des Sonnenngottes mit neun Strahlen, gleichsam mit den maurerischen 9 Sternen. Die so häufigen 3fachen Todesanzeichen und 3 Todestage3)Vergl. Symbolik, II. S. 770 ff. gehören gleichfalls hierher: 3 Tage zuvor, ehe am Dome zu Merseburg ein Domherr starb, geschah auf seinem Stuhl in der Kirche von unsichtbarer Hand ein heftiger Schlag. 4)Grimm, I. S. 351. Oft pflegen 3 Glockenschläge, von unsichtbarer Gewalt an die Glocke gethan, ein Todeszeichen zu sein. 5)Grimm, I. Nr. 265; Symbolik, I. S. 513. Peter Dimringer von Staufenberg wird von seiner überirdischen Geliebten angedroht und erfüllt, dass er den dritten Tag darnach sterben müsse, wenn er jemals ein ehlich Weib nehmen sollte. 6)Grimm, II. Nr. 521. Ein Bäckersknecht, welcher sich vermessen hatte, am Pfingsttage während der Predigt 3 Mal über die Elbe nach dem Siebeneichenschloss unausgeruht hinüber zu schwimmen, wird beim dritten Hinüberschwimmen von einem grossen Fische in das Wasser hinabgezogen, dass er ertrinken musste. 7)Grimm, I. Nr. 54.Ein Mühlknappe, welcher eine Nixe auf dem Wasser sitzend und ihre Haare kämmend erblickt hatte,169 muss am dritten Tage darauf ertrinken. 1)Grimm, I. Nr. 64, vergl. mit Nr. 278 und S. 436, wo ganz gleiche Sagen erzählt werden. In dem Schlossberge bei Salurn in Tyrol sitzen in einem Weinkeller drei alte Männer an einem kleinen Tische, vor ihnen eine mit schwarzer Kreide beschriebene Tafel, welche einem Manne 30 Thaler in den Hut zählen, worauf dieser nach 10 Tagen sterben rnuss. 2)Grimm, 1. S. 40. Der dürre Stab, welcher nach dem Ausspruche des Papstes eher grünen als Tannhäuser die Gnade und Verzeihung Gottes finden sollte, fängt am dritten Tage an zu grünen, nachdem Tannhäuser zur Frau Venus in den Berg zurückgekehrt ist. 3)Uhland, alte hoch - und niederdeutsche Volkslieder, S. 765, 769 und 772. In dem Gedichte Peter Lewe, der andre Kalenberger, abgedruckt im weimarischen Jahrbuche für deutsche Sprache, Literatur und Kunst, VI. S. 417 ff., wird gesagt:

Der son sprach; ich hab ein gesicht Gesehen, das ich dir nit sag, Es vergeh denn vor der dritte Tag, Damit mir nichts widerfahr.

Als dem verurtheilten Socrates im Traum eine weibliche Gestalt erschien und den homerischen Vers sprach: Ehe drei Tage vergehen, magst hin du nach Pthia gelangen, deutete er selbst dies auf seinen am dritten Tage bevorstehenden Tod. 4)Schoemann, II. S. 268 unten. Nach der Sage klopft auch der Teufel 3 Mal an die Thüre, um den ihm Verschriebenen abzuholen. 5)Wolf, hessische Sagen, S. 8 oben und Nr. 121. Weinn der Scbnellertsgeist in Hessen durch die Haal fährt, klopft er stets 3 Mal an einen Posten, dass die Fenster zittern. 6)Wolf, a. a. O., Nr. 19,Nach einer Mittheilung von Böttiger, K. M., I. S. 354, über die Darstellung der geflügelten Mors oder Schicksals-Parce auf einer volaterranischen Graburne oder auf einem Sarcophage aus Tufstein bei Gori im Museum Etruscum tab. 122, 2, wovon auch Böttiger, Taf. V. Fig. 5, eine Nachbildung gegeben hat, trug170 diese etruskische Todesgöttin neben einem erhobenen Schwerte in der Rechten auch einen geschwungenen, aber jetzt abgebrochenen Hammer in der Linken. Die Todesgöttin Atropos (Athrpa) wird auf einem etruskischen Spiegel neben Meleager dargestellt, mit einem Hammer einen grossen Nagel festschlagend, das Symbol des unabwendbar festgesetzten Geschickes. 1)Vergl. Müller, Denkmäler, Taf. LXI und S. 307. In Indien scheint Mahmûd der Ghaznevide von seinem zerrnalmenden Heereszuge in den J. 1025 und 1026 den Beinamen mudgala, im Sanskrit der Hammer, erhalten zu haben. 2)Lassen, IV. S. 760. Auf altgriechischen oder davon kopirten etruskischen Vasen finden sich auch Furien mit Hämmern, Lanzen und andern Mordinstrumenten. 3)Böttiger, kleine Schriften, I. S. 238, Anm. ** und S. 241, Anm. **. Die Morta, Mors der Römer erscheint auf altgriechischen Denkmälern in Etrurien sehr oft mit einem Hammer oder mit andern furchtbaren Werkzeugen an der Thüre des Grabmals. 4)Böttiger, K. M., II. S. 98. Auch gehört hierher der Ausspruch Lenau’s im Savonarola:

Ihr führt gen Gott ein eitles Kriegen; Wenn auch der Tod mich (Savonarola) bald verschlingt, So wird die starke Hand doch siegen, Die mich als ihren Hammer schwingt!

Raumer, Gesch. der Hohenstaufen, VI. S. 426, Anm. 4, theilt aus Vincent. Bellov. XXIX. 142, folgende Stelle mit: Quem non mollit mulier? Igitur mulier est malleus, per quem diabolus mollit et mallcat universum mundum.

Den bedeutendsten Einfluss auf die gesammte abendländische Sagen - und Romanenliteratur gewann die kymrische oder bretonische Literatur durch die Sage von dem britischen Könige Artus oder Arthur, welcher im 6ten Jahrh. den eindringenden heidnischen Angelsachsen mit seinen 12 Rittern, die zum Zeichen ihrer Gleichheit um eine runde5)Die Rundform ist bei den Kelten eine symbolische. Vergl. Symbolik, II. S. 486 ff. ; Villemarqué, I. S. 40. Tafel (daher die Tafelrunde) zu sitzen171 pflegten, siegreich widerstanden hatte. Der als Bischof von Asaph im J. 11522 verstorbene Gallfried, Gottfried, mit dem Zunamen von Monmouth, seinem Geburtsorte, hatte in seiner historia Britonum die ganze britische Geschichte von den mythischen Zeiten des Königs Brutus (von den lateinischen Chronisten auch Brito genannt1)Diefenbach, O. E., S. 274 oben. , einem Nachkommen des trojanischen Aeneas, an bis in das 7te Jahrhundert, darunter also auch die Geschichte des Königs Arthur und seiner 12 Ritter, mit der grössten Ausführlichkeit und Zuversicht nach kymrischen und bretagnischen Sagen geschrieben, und ist dadurch der Urheber und das Vorbild der Jahrhunderte lang im Abendlande, namentlich auch später in der mit Gottfried Chaucer, wahrscheinlich geb. im J. 1328, anhebenden eigentlichen englischen Literatur und Poesie,2)Büchner, Gesch. der englischen Poesie, I. (Darmstadt 1855) S. 7 ff. blühenden sagenhaften Geschichtschreibung, der Ritter - und Zaubererliteratur geworden, da der Zauberer Merlin mit seinen Prophezeihungen gleichfalls eine sehr wichtige Stelle bei ihm einnahm. 3)Walter. S. 45 und 344; Villemarqué, I. S. 42 ff. ; Wiener Jahrbücher, Bd. 29, S. 77 ff. Die Helden Arthurs zogen in alle Länder nach Heldenthaten und Abenteuern aus, deren Beschreibung und Verherrlichung in Versen und in Prosa den Gegenstand des bretonischen Sagenkreises bildet. 4)Kurz, Leitfaden der Gesch. der deutschen Literatur, §. 24 und 37; Villeinarqué, contes populaires des anciens Bretons, précédés d’un essai sur l’origine des épopées chevaleresques de la table ronde, Paris 1842; San-Marte (Schulz), die Arthursage, Quedlinburg 1842; derselbe, Beiträge zur bretonischen Heldensage, Quedlinburg 1847. Arthur selbst ist der Sage nach nicht gestorben, seine Seele ist in einen Raben übergegangen und er wird einst, wie die schlafenden deutschen Kaiser und Helden,5)Symbolik unter schlafende Kaiser; Eckermann, III. 2. S. 151. zur Errettung seines Reiches und Volkes wiederkehren. Daher auf seinem Grabe der Leoninische Vers gestanden haben soll:

Hic jacet Arturus, rex quondam, rexque futurus.

172Andere lassen den Arthur durch die ihm gewogene Fee Morgana nach dem Lande der Seligen, Avallon, entrückt werden, oder er wird naeh Avallon versetzt (advectus), um von den Wunden geheilt zu werden, welche er in der letzten furchtbaren Schlacht mit Modred empfangen hatte.

Es ist hier nicht der Ort, das Entstehen, den Inhalt und den Werth des bretonischen Sagenkreises, der bretonischen Ritterliteratur näher zu behandeln und zu betrachten; es genügt die geschichtliche Thatsache, dass die kymrische oder bretonische ritterliche, phantasievolle und phantastische Lebensauffassung und Geschichtschreibung mit ihren edlen Thaten, Abenteuern, Zaubereien und Prophezeiungen die Völker in Britannien, Gallien, Spanien, den Niederlanden und Deutschland bis nach Skandinavien mächtig ergriffen und angeregt hatte, bis sie sich in Ariost’s rasendem Roland und des Cervantes Don Quixote komisch verlief. Villemarqué namentlich hat ausführlich nachgewiesen, dass die französischen Romanendichter den Arthur, Merlin, Lancelot, Tristan, Ivain (Iwain), Erec, unter dem Namen Ghéraint, den bretonischen Barden, Sängern und Erzählern entlehnt haben, was besonders auch von Parcival, dem letzten Sohne einer armen Wittwe, gilt. 1)Villemarqué, I. S. 181 ff. und vorzüglich S. 222 ff. ; Kurz, Leitfaden, §. 36 und 61, §. 54.In der vortrefflichen Recension in Bd. 29 der Wiener Jahrbücher, S. 71 ff., über John Dunlop, history of Fiction, von Fr. Wilh. Val. Schmidt wird als das Charakteristische der Romane von Artus und der Tafelrunde das Centrum bezeichnet, um welches sich Alles dreht und dem es zustrebt; dieses Centrum sei nichts Anderes als das höchste Gut selbst, wie es das Christenthum uns kennen gelehrt hat, die Erlösung und Beseligung durch den Weltheiland; dieses Gut sei ein äusserlich wahrnehmbares, wirkliches und konkretes geworden in dem sanctus cruor (heiligen Blut, Graal), wie es aus der Seite Christi durch den Lanzenstich des Longinus hervorströmte und von Joseph von Arimathia, im Demantgefäss aufgefangen, unter die Huth des geweihten Ordens der Ritter von der Tafelrunde gestellt ward. Zufolge Ecker -173 mann, III. 2. S. 149, soll der heilige Graal an die Stelle des Waschbeckens der Ceridwen und die Ritterschaft von der Tafelrunde an die Stelle des Bardenordens getreten sein. Schmidt scheint dabei (S. 73 Anm.) die gewöhnliebe Ableitung des Wortes Saint Graal (San Gréal) von Sanguis regalis, Sang real, Sang royal immer noch die richtige, hergenommen von dem Munus regium des Heilandes. Dieser höhere ritterlich-christliche Sinn, diese menschliche Begeisterung und Hingebung der kymrischen Barden und Geistlichen, welches kymrische oder druidische Christenthum auch auf die britischen Bauleute und Bauverbindungen einwirkte, hat den festen Grund gelegt, über dem im Anfange des 18. Jahrh. sich das freimaurerische Gebäude des reinen Menschenthums und Christenthums erhoben. Die wandernden Sänger (Minstrells, Troubadours, Trouverres, Jongleurs, cantores historici u. s. w.), die wandernden Ritter und die wandernden Bauleute haben die Rittersagen und ritterlichen Gesinnungen, das Barden - und Ritterthum, das begeisterte und sich opfernde Christenthum, das Menschenthum zuerst durch die Länder des nördlichen, südlichen und westlichen Europa’s getragen. 1)San Marte, Arthursage, S. 54 ff.Die Barden und Ritter sangen und stritten an den Höfen, im Lande und auf den Strassen; die Bauleute bauten die Gotteshäuser und die Städte. Jedenfalls muss die Entwiekelung des Städtewesens und der Bauzünfte in fortwährendem und innigstem Zusammenhange mit dem Aufschwunge des Ritterthums und des Ritterromans gedacht werden, wie sich auch das Bürgerthum und die Baukunst durch die Kirchenbaukunst und kirchlichen Bruderschaften und das Ritterthum und die ritterliche Dichtkunst durch den heiligen Kelch (Graal) und durch das königliche Blut mit der Kirche und Religion, vorzüglich auch mit dem Abendmahle, dem grossen christlichen Mysterium berührten. Die 12 Ritter an der Tafel Arthur’s gleichen den 12 Aposteln an dem Tische des Herrn und beide sind die Boten und Verkünder des Christenthums und des Menschenthums, die ritterlichen Streiter Gottes; die Ritterromane werden in den Legenden174 der Heiligen zu heiligen Romanen. In den christlichen Domen finden sieh auch die Helden der Tafelrunde, Ywein auf dem Löwen, Tristan auf seinem Schwerte über das Meer gehend, Lancelot in seinen Abenteuern. 1)Schnaase, IV. 1. S 375. Der Dom zu Modena trägt seinen Reliefs den Namen Artus de Bretania beigeschrieben. 2)Schnaase, IV. 2. S. 222. So ist denn, sagt San-Marte, Arthursage, S. 62, nach Schmidt mit besonderer Rücksicht auf den hierher gehörenden colossalen Perceforest, die allmählige Einführung einer geläuterten Gottesverehrung der zweite Brennpunkt des Romans. Ueber Perceforest vergleiche man die Wiener Jahrbücher, Bd. 29, S. 108 ff., wo auch gesagt wird: Wie die Hysterien der Griechen der Ceres, der Stifterin des Urbarmachens und der Geselligkeit, gewidmet waren, so werden hier die Einrichtungen des Ritterthums und des Christenthums gefeiert als segensreiche Spender des Lichts und der Milde. Der Berg Cadair-Arthur in der Provinz Brecheinoc in Wales, d. h. der Dom Arthur’s wegen seiner zwei gleich den zwei Thürmen einer Kirche aufstrebenden Gipfel,3)San-Marte, a. a. O., S. 64. darf wohl den zwei Säulen des Melkart oder Herakles, des salomonischen Tempels und der Maurerlogen verglichen werden. Arthur verrichtet auch 12 herakleische Thaten und wird wieder erwachen, indem er nur im Berge schläft oder den vermissten heiligen Kelch suchen soll und noch nicht zurückgekehrt ist. Der verlorene und gesuchte Graal (la queste du dit sang Greal) könnte wenigstens zum Vorbilde des verlorenen und gesuchten Meister - und Gotteswortes bei den Bauleuten gedient haben und die Hirammythe nichts anderes sein als der bauliche Nachklang eines bretonischen christlichen Ritterromans. Die königliche Kunst4)Vergl. Symbolik, I. S. 82 ff. wäre das Aufsuchen und Finden des verlorenen Blutes und Wortes Christi. In dem 40sten orphischen Hymnus wird〈…〉〈…〉, die ernährende und glückspendende Urmutter angerufen, überströmende Füll und königliche Gesundheit zurückzu -175 bringen. wornach also schon dort königlich die Bedeutung von auszgezeichnet, vortrefflich, sehr gut, göttlich hat. 1)Bachofen, Mutterrecht, S. 140. Das Ritterthum und das Maurerthum sind gleich königlich, weltbürgerlich; auch die Freimaurerlogen sind Tafelrunden und gleich den Helden Arthur’s oder Karls des Grossen sollten auch ihre Glieder in alle Länder ziehen, für die leidende und gedrückte Menschheit ringen und im Kampfe für Licht, Wahrheit und Recht sterben. Krause, dem um die Maurerei so hoch verdienten und so schlecht durch die königliche Loge in Dresden belohnten Menschenfreunde, gebührt neben seinem treuen Freunde Br. Schneider aus Altenburg2)Krause, II. 1. S. 7 Anm. das unbestreitbare Verdienst, die altbritische, die druidische oder culdeische Quelle der Freimaurerei aus der sog. Yorker Urkunde vom Jahr 926 zuerst erkannt und in dem zweiten Bande seiner Kunsturkunden entwickelt und begründet zu haben. 3)Vergl. auch Lenning (Mossdorf), Encykl. der Freimaurerei, unter Culdeer.Das Aufblühen der britischen Baukunst und Bauvereine fällt seit dem 10ten Jahrh. mit dem Aufblühen des Bardismus zusammen und dieser könnte der Zeit und seiner allgemeinen und leitenden Stellung nach auch auf jene bestimmenden Einfluss geübt haben. Erscheinen nun wirklich unter den maurerischen Symbolen Symbole der Barden, wie z. B. das der drei Pfeiler oder Säulen, war der Lichtglaube mit den Lichtsymbolen den britischen Barden und Bauleuten gleich eigenthümlich, finden sich in den maurerischen Urkunden urkundliche Lehren und Sätze der Barden, und ist sogar die ganze Lehrweise der Maurer in Triaden oder dreigegliederten Sätzen eine bardische: dann dürfte der geschichtliche Zusammenhang beider englischer Einrichtungen um so weniger zu bezweifeln sein, als die Maurerei zu dem Bardismus (und dem später damit verbundenen Ritterthume) sich verhält wie das Besondere zu dem Allgemeinen. Die Vereine der Bauleute mit ihren höhern Zwecken gleichen dem Ritterorden du franc palais , welchen Perceforest gestiftet haben soll, wie176 auch der von Perceforest gelobte, gebaute und geweihte Tempel des höchsten Gottes (souverain Dieu) an den salomonischen Tempel mahnt, d. h. die Yorker Urkunde und der mehrere Jahrhunderte jüngere französische Ritterroman Perceforest sind demselben letzten Boden und Vorstellungskreise entsprossen. Der Bardismus, die Philosophie der Barden möchte aber zugleich mit der alexandrinischen Philosophie, mit der Gnosis und durch sie auch mit dem Buddhismus in Verbindung und Zusammenhang stehen. Nicht die Kelten waren ursprüngliche Buddhisten, wie vielfach behauptet werden wollte, aber den keltischen oder britischen Christen sind später buddhistische Lehren und Grundsätze, Speculationen zugetragen worden, weshalb noch einige Triaden des Bardismus (Trioedd Barddas) angefügt werden mögen:

21. Drei ursprüngliche Einheiten gibt es, und mehr als eine von Jeder kann nicht sein: ein Gott; eine Wahrheit; und eine absolute Freiheit (un pwnge rhyddyd, eine höchste Spitze der Freiheit), und die hält allen Gegensätzen das Gleichgewicht.

22. Drei Dinge gehen aus diesen drei ursprünglichen Einheiten hervor: alles Leben, alles Gute und alle Macht.

23. Die drei nothwendigen Wesenheiten Gottes: der höchste an Leben, der höchste an Wissenschaft, und der höchste an Macht; und was in einer Beziehung das Höchste ist, davon kann nicht mehr als Eins sein.

In dem von Krause nicht ganz mit Recht als das älteste bezeichneten englischen Lehrlingsfragstücke erscheinen diese drei nothwendigen und einzigen Wesenheiten Gottes als die drei grossen Pfeiler der Weisheit, Stärke und Schönheit, welche die Loge (die Welt) unterstützen und welche durch den Meister vom Stuhl im Osten, den älteren Aufseher im Westen und den jüngeren Aufseher im Süden vorgestellt werden. 1)Krause, Kubsturkunden, I. 1. S, 212 ff.Die philosophischen Sätze, um sie den Handwerkern gerecht zu legen oder aber zu verbergen, erscheinen in diesem maurerischen Gewande:

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Fr. Warum soll der Meister den Pfeiler der Weisheit vorstellen? A. Weil er den Arbeitern Unterricht gibt, ihr Werk in gehöriger Form und in gutem Einverständniss fortzuführen.

Fr. Warum soll der ältere Aufseher den Pfeiler der Stärke vorstellen? A. So wie die Sonne untergeht und den Tag endet, so steht der ältere Aufseher im Westen und bezahlt den Lohnarbeitern ihren Lohn; welches die Stärke und die Stütze aller Arbeit ist.

Fr. Warum soll der jüngere Aufseher den Pfeiler der Schönheit vorstellen? A. Weil er im Süden steht, genau um 12 des Mittags, welches (wann) die Schönheit des Tages ist, um die Arbeiter von der Arbeit zur Erholung abzurufen, und zu sehen, dass sie zu rechter Zeit wieder an die Arbeit gehen, damit der Meister Vergnügen und Vortheil davon haben möge.

Fr. Warum wird gesagt, dass eure Loge von jenen 3 grossen Pfeilern, Weisheit, Stärke und Schönheit getragen werde. A. Weil Weisheit, Stärke und Schönheit aller Werke Vollender sind, und Nichts ohne sie ausgeführt werden kann.

Fr. Wie so, Bruder? A. Weisheit entwirft, Stärke unterstützt und Schönheit ziert.

Nur die beiden letzten Antworten lassen den tiefern, den esoteriseben Sinn des Svmbols der drei Grundpfeiler oder Grundsäulen der Welt durchblicken und weisen nicht undeutlich auf den allmächtigen Schöpfer und Baumeister hin, von dem alle Werke sind.

24. Drei Dinge bekunden, was Gott gethan hat und thun wird: unendliche Macht, unendliche Weisheit, und unendliche Liebe; denn es gibt nichts zu vollbringen, wozu es diesen Eigenschaften an Vermögen, Einsicht oder Willen mangelt.

25. Die drei Grundfesten des Seins: was nicht anders

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sein kann, was nicht anders zu sein braucht, und was nicht besser gedacht werden kann; und hierin werden alle Dinge endigen.

26. Drei Dinge worden unfehlbar geschehen: alles was für die Allmacht, für die Weisheit, und für die Liebe Gottes zu vollbringen möglich ist.

27. Die drei grossen Eigenschaften Gottes: unendliche Fülle des Lebens, der Wissenschaft und der Macht.

28. Drei Ursachen alles Seienden: göttliche Liebe, geleitet von vollkommener Wissenschaft; göttliche Weisheit, die alle möglichen Mittel kennt; die göttliche Macht, geleitet von dem Antriebe der Liebe und Weisheit.

Es wird nicht entgehen, dass in diesen verschiedenen Triaden über die drei Wesenheiten, die drei grossen Eigenschaften Gottes und über die Ursachen, die Grundfesten und Stützen der Schöpfung, der Welt, der Loge, in dem dritten Gliede das Leben mit der Liebe abwechselnd oder als gleichbedeutend gesetzt werde, da alles Leben nur durch die Liebe des allmächtigen und allweisen Gottes ist und besteht. Auch erschöpfen und übertreffen diese wenigen walischen Triaden Alles, was sonst noch vom maurerischen Standpunkte aus über die Bedeutung des Symbols der drei Pfeiler der Loge gesagt werden möchte und schon vielleicht gesagt worden ist. Was von dem höchsten Schöpfer und der Schöpfung, von dem Weltbaue gilt, findet auch gleichmässig Anwendung auf den Bau der Menschheit und die Bauten der Menschen, den Menschheitsbau und die menschliche Baukunst: aber das Symbol ist schwerlich ein ursprünglich architektonisches, oder, wie Krause in dem Register zu den Kunsturkunden sich ausdrückt, ein geometrisches. Trilogisch wurden die Wesenheiten oder grossen Eigenschaften, die Grundeigenschaften der einen Gottheit wohl zuerst bei den Britonen oder bei den Kymren betrachtet wegen ihrer allgemeinen Vorliebe zur Dreizahl, wobei es sehr wahrscheinlich ist, dass sie früher und ursprünglich eine Götterdreiheit hatten und diese in 3 Steinen verehrten, wie diese 3 Steine auch noch oben bei den spätern Barden getroffen werden, nur jetzt im neuphilosophischen, nicht mehr im alten volks -179 thümlichen Sinne. Bei den Bauleuten in Britannien wurden sodann 3 Pfeiler oder auch 3 Säulen zum architektonischen Symbol der Haupteigenschaften Gottes gewählt. Die Darstellung dieser göttlichen 3 Wesenheiten oder Haupteigenschaften bei den Bauleuten durch 3 Personen, durch die drei ersten Vorsteher dürfte mit dem christlichen Begriffe der Dreieinigkeit zusammenhängen. Krause, I. 2. S. 370, meint dagegen: Sowie nun Vitruvius die dorische Säulenordnung männlich, die ionische weiblich, die corinthische jungfräulich zierlich nennt, so konnten diese Säulen, mit einer leichten Umänderung, im Einklange mit 3 grossen Lichtern, auf Weisheit, Stärke und Schönheit, welche Eigenschaften auf die Eigenwesenheit des Weibes, des Mannes und der Jungfrau eine wesentliehe (schon im hellenischen Sagenthume ausgedrückte) Beziehung haben, gedeutet werden; da man den Sinn für diese Auslegung bei den Architekten vorfand. Uebrigens fassen die Barden auch die Weisheit, Stärke und Liebe in einer Triade zusammen, um die 3 Hauptstücke des Guten zu bezeichnen, ohne welche keine guten Eigenschaften zu erwarten seien.

29. Drei Kreise (oder Zustände) des Daseins gibt es: der Kreis der Unendlichkeit (cylch y ceugant), wo nichts ist, lebend oder todt, als Gott, und Niemand als nur Gott kann diesen durchschreiten; der Kreis des Anfangs (cylch y abred), wo alle natürlichen Dinge vom Tode anheben, und welchen der Mensch durchschreiten musste; und der Kreis der Glückseligkeit (cylch y gwynfyd), wo alle Dinge vom Leben entspringen; diesen wird der Mensch im Himmel durehschreiten.

30. Beseelte Wesen haben drei Zustände des Daseins: den Zustand des Anfangs (abred) in der grossen Tiefe (anwyn), den Zustand der Freiheit (rhyddyd) in der Menschheit (dyndod), und den Zustand der Liebe (cariad), d. i. der Glückseligkeit (gwynfyd), in dem Himmel (nef).

31. Alle beseelte Wesen sind drei Nothwendigkeiten unterworfen: einem Ursprung in der grossen Tiefe, einem Fortschritt in den Kreis des Anfangs, und der180 Vollendung im Himmel oder dem Kreise der Glückseligkeit; ohne diese Dinge kann nichts existiren ausser Gott.

Die drei Zustände des aufzunehmenden Maurerlehrlings als eines Suchenden, eines Beharrenden und Leidenden sind die Zustände seines Daseins und haben wir schon in der Symbolik, II. S. 312 und 373, aus der indischen Philosophie oder aus buddhistischen Einflüssen zu erklären gewagt, welche Ansicht die vorgehenden Triaden zu bestärken dienen möchten. Die Lehre von den drei Zuständen des Maurerlehrlings erscheint als ein unverstandenes, unbesprochenes und unbeachtetes Trümmerstück in den Ritualen einzelner maurerischer Systeme und dürfte gerade deshalb als sehr alt zu betrachten sein. Wären die drei Zustände ein neuerer oder erst später aus irgend einer Absicht eingefügter Bestandtheil der Rituale, würde sich diese Absicht nothwendig darin beurkundet haben, dass man das neu Eingefügte benutzt und bedurft hätte: allein davon zeigt sich keine Spur. Die drei Zustände des Lehrlings stehen zugleich in vollkommener Uebereinstimmung mit seinen drei Reisen, drei Schritten u. s. w. Dass jedenfalls aber diese Triaden der Barden indischen oder buddhistischen Ursprunges seien, geht aus der Gestalt hervor, in welcher bei den christlichen Barden, also noch im 12. und 13. Jahrh. die Seelenwanderungslehre auftritt.

32. Aus drei Gründen wird die Nothwendigkeit des Wiederanfangs auf den Menschen fallen: wegen Nichtstreben nach Wissenschaft; wegen Nichtanhängen an das Gute; und wegen Anhänglichkeit an das Böse; auf Veranlassung dieser 3 Dinge wird er in den Zwitterzustand des Anfangs niederfallen; von wo er wie zum erstenmal zur Menschheit zurückkehren wird.

33. In drei Stücken unterscheidet sich der Mensch nothwendig von Gott: der Mensch ist endlich, Gott is unendlich; der Mensch hat einen Anfang, den Gott nicht haben kann; der Mensch, da er die Ewigkeit zu bestehen nicht fähig ist, muss in dem Kreise der Glückseligkeit in der Art seines Daseins einen kreisartigen Wechsel haben; Gott aber ist181 unter dieser Nothwendigkeit nicht, indem er Alles bestehen kann, und dieses in Uebereinstimmung mit der Glückseligkeit.

Buddhistisch muss auch genannt werden:

34. Durch die Kenntniss von drei Dingen wird alles Böse und der Tod vermindert und überwunden werden: durch die Kenntniss ihrer Natur, ihrer Ursache und ihrer Wirksamkeit; diese Kenntniss wird in dem Kreise der Glückseligkeit erworben werden. 1)Vergl. Symbolik, II. S. 312 und 503.

35. Drei Hauptwerke der Weisheit: Jedes Ding zu erwägen; jedes nach Gelegenheit zu ertragen; und sich von jedem Ding frei zu halten.

Die Fünfzahl der Logenmitglieder und ihre Zusammenstellung mit den 5 Sinnen, wie dieselben in dem englischen Lehrlingsfragstücke enthalten sind, haben wir in der Symbolik, II. S. 393 ff., auf ihre arischen oder indogermanischen Anfänge zurückgeführt: allein die 5 Sinne erscheinen in demselben Lehrlingsfragstück auch als Gegenstand einer Triade:

Fr. Von welchem Gebrauche sind diese 5 Sinne für Euch in der Maurerei? A. Drei sind von grossem Gebrauche für mich; nämlich: Hören, Sehen und Fühlen.

Fr. Von welchem Gebrauche sind sie, Bruder? A. Das Gehör dient, um das Wort zu hören; das Gesicht dient, um das Zeichen zu sehen; das Gefühl dient, um den Griff zu fühlen; dass ich einen Bruder erkennen kann ebenso gut im Finstern als im Lichten. 2)Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 201,

Unter den kymrischen Weisheitstriaden ist nun auch begriffen:

36. Durch drei Dinge wird die wahre Erkenntniss jeder Sache erlangt: durch Sehen, Hören und Fühlen; und von diesen Drei kommt alle Einsicht; und ohne sie kann nichts vollkommen begriffen, verstanden und gewusst werden.

Es ist gewiss kein allzu kühner Schluss, dass dem oder182 den Verfassern des englischen Lehrlingsfragstückes diese kymrische Triade bekannt gewesen und von ihnen den Verhältnissen der Bauleute angepasst worden sei. Jedoch ist es vielleicht blos zufällig, dass in den Triaden auch die drei bösen Gesellen begegnen:

38. Drei brüderliche Gesellen sind: ein grauer Mönch, ein Schelm und ein Geizhals.

Als Gegensatz diene:

39. Die 3 Segen, welche der Segen Gottes begleitet: der Segen von Vater und Mutter, der Segen des Kranken und Schwachen, und der Segen des bedürftigen Wanderers.

Mit dem alten Wales und seinen Lehrern wird in der Sagengeschichte der englischen Bauleute die Baukunst sehr frühe in Verbindung gebracht, denn aus Caerleon, dem römischen Isca Silurum am Usk,1)Walter, S. 83, Anm. 12 und S. 119. soll der auch in der Yorker Urkunde vom J. 926 genannte römische Baumeister Amfiabalus nach Anderson’s Constitutionenbuch gewesen sein, welcher den würdigen Ritter Albanus und spätern ersten britischen Märtyrer zum Christenfhum bekehrte. 2)Krause, II. 1. S. S5 Anm. Das gleiche Caerleon ist der sagenberühmte Wohnsitz Arthurs. In der Yorker Urkunde heisst es von Albanus. St. Albanus, ein würdiger christlicher Ritter, nahm sich der Baukunst an, weil er sie liebgewonnen hatte, und liebte die Arbeiter und unterstützte sie sehr. Er traf Einrichtungen und setzte Chargen bei den Maurern fest, und lehrte die Gebräuche, Alles, wie ihm Amfiabalus3)Vergl. auch allgemeines Handbuch der Freimaurerei, unter Amphibalus. gelehrt hatte. Er verschaffte ihnen auch einen guten Lohn; denn er gab den Arbeitern zwei Schillinge auf die Woche und drei Pfennige zu ihrer Kost, da sie vorher nur einen Pfenning, nebst Essen, bekommen hatten. Er wirkte auch einen Begnadigungsbrief vom Kaiser Carausius aus, nach welchem die Arbeiter nun auch in Britannien eine ganze Gesellschaft heissen und unter den Baumeistern stehen sollten; welches vorher noch nicht war, weil Jeder einzelne183 Arbeiten annahm, wo er zu arbeiten fand. Er hielt sich selbst zu dieser Gesellschaft, half neue Arbeiter aufnehmen, sorgte, dass sie immer viel Arbeit hatten, und war der Erste in Britannien, der dieses that. Sein Tod musste für die Gesellschaft betrübt sein; denn da der Kaiser erfahren hatte, dass er heimlich ein Christ geworden war, wurde er, wie Johannes, als Bekenner der Wahrheit hingerichtet, und wurde so der erste Märtyrer in Britannien, wie Jener der Erste unter den Christen. Die Verfolgung nahm überhand und die Kunst lag nun darnieder, bis der Kaiser Constantius ihr wieder emporhalf, und unter seinem Sohne, dem Kaiser Constantinus, die christliche Religion aufblühete; wo dann einige Gotteshäuser und grosse Gebäude nach der römischen Baukunst aufgebauet wurden. Beim unbefangenen und ersten Ueberlesen dieser und anderer Stellen kann allerdings nicht in Widerspruch gesetzt werden, dass die ganze Haltung und Fassung der Stelle sehr moderne Anklänge1)Dahin gehört besonders auch die augustische Baukunst, der augustische Styl der Yorker Urkunde (vergl. Krause, II. 1. S. 81), welche Vitruvius wieder eingeführt haben soll. habe und fast allzu auffallend die römischen Einrichtungen in Britannien am Ende des 3ten Jahrh. den Einrichtungen des 17ten und 18ten Jahrh. gleichstelle, so dass die Zweifel des Br. Kloss an der Aechtheit der Yorker Urkunde in der vorliegenden Gestalt keine leichtsinnige und unverzeihlich waren: aber den Zweifeln steht wohl überwiegend entgegen, dass jedenfalls die Urkunde nicht von den Bauleuten, sondern für sie und nach ihren mündlichen Mittheilungen von einem gebildeten und im Style gewandten Geistlichen verfaset ist, da im J. 926 die Schreibkunst und die eigentliche Gelehrtenschrift sich noch im ausschliesslichen Besitze der Geistlichen befand. Wenigstens die spätern Bauhütten hatten einen eigenen Geistlichen, Caplan, zur Besorung ihres Gottesdienstes und ihrer Schreibereien. Sodann könnte auch die ursprüngliche Urkunde im Laufe der Jahrhunderte mit den Zeiten überarbeitet und erweitert worden sein. Die Yorker Urkunde oder auch die Yorker Urkunden, Urkunden ganz gleich -184 mässigen Inhalts, obwohl vielleicht verschiedener Zeiten, müssen als unbezweifelt ächte zur Zeit der Abfassung des englischen Constitutionenbuches durch Anderson vorgelegen haben, da ihr Inhalt vollständig in dem Constitutionenbuche aufgenommen, wenn auch oft umgeändert, abgekürzt oder erweitert erscheint, wie die höchst sorgfältigen Nachweise und Vergleiche von Krause ergeben. Dabei liegt uns blos die lateinische Uebersetzung der Originalurkunde vor, welche leicht eine sehr freie und das alte Original (welches freilich noch fehlt) den veränderten Zeiten anpassende sein kann. Endlich sträubt sich das Rechtlichkeitsgefühl, eine förmliche Urkundenfälschung zu behaupten, welche die Yorkmaurer zu Gunsten ihrer Yorker Grossloge und der sog. Yorker Maurerei verübt hätten; die Yorker Urkunde wäre eine ältere und weit geschicktere Cölner Urkunde, der schändlichste Betrug. Jedoch fällt dieser Betrug um so eher hinweg, als sehr viele spätere Constitutionen aus der Yorker hervorgegangen sind und der Sache nach mit derselben übereinstimmen. 1)Krause, II. 1. S. 114 ff.Krause, welcher die Yorker Urkunde als unbedingt ächt aus äusseren und inneren Gründen glaubte erwiesen zu haben, folgert aus der vorausgezogenen Stelle, S. 86 Anm., für die Geschichte der Freimaurerei: 1.) dass bis auf den h. Alban die Verfassung und Einrichtung der römischen Baukollegien (collegia fabrorum) noch nicht so vollständig in Britannien eingeführt gewesen sei, wie zu Rom und in den älteren Provinzen des römischen Reiches; erst Albanus habe diese Einführung erwirkt und die Bauhandwerker (operarios) mit den Architekten (architectis) zu einer Gesellschaft verbunden; 2.) dass diese Gesellschaft besondere, vielleicht auch christliche Gebräuche empfangen habe. In den römischen Städten, zu welchen auch Isca Silurum in Wales gehörte, hatten die römische Bildung, die römische Baukunst, das römische Recht und auch das Christenthum ihren ersten und hauptsächlichsten Sitz; die christlichen Glaubensboten und ein solcher scheint Baumeister Amfiabalus gewesen zu sein breiteten mit dem christlichen Glauben auch die römischen Kenntnisse und Gesetze185 aus, regten Bauten und Baugesellschaften, Bauhütten an, wo und so lange es geduldet wurde.

Nach Anderson (4te Ausgabe, übersetzt zu Frankfurt a. M. 1783, I. S. 249) kamen auch später einige fromme Lehrer aus Wales und Schottland und bekehrten vieler von den Angelsachsen zum Christenthum; doch gelang es ihnen nicht, einen König dazu zu bekehren, bis im J. 597 der Papst Gregor I. den heiligen Augustinus mit 40 Mönchen nach England sandte und dieser zuerst den König Ethelbert von Kent taufte, dem später alle Könige der angelsächsischen Heptarchie nachfolgten. Derselbe Augustinus scheiterte aber bei der walischen Geistlichkeit mit seiner päpstlichen Sendung, schon der Abneigung gegen die Angelsachsen wegen, noch mehr aber an der Liebe der Walen für ihre nationale Freiheit und Unabhängigkeit. 1)Walter, S. 224 ff. Wales, d. h. jener Theil von Britannien, welcher sich nach dem Abzuge der Römer bei dem treulosen Angriffe der Angelsachsen gegen diese vertheidigen und unabhängig erhalten konnte, bewahrte und rettete damit die Bildungszustände, den christlichen Glauben und die christlich-römischen Einrichtungen, namentlich auch die Städteverfassung, die städtischen Collegien in der von den Römern zurückgelassenen Lage, so dass sie von hier aus in besseren Zeiten sich wieder erheben und ausbreiten konnten. Die Angelsachsen zerstörten, die Walen vertheidigten und erhielten. Daher bemerkt auch weiter Anderson (a. a. O., I. S. 248), dass man an den Orten, wo die Wälischen gewohnt haben, die frühesten heiligen Gebäude finde, so zu Glastonbury in Devonshire, zu Padstow in Kornwal, zu Caerleon in Chester, so hernach nach St. Assaph in Flintshire verlegt worden, Llan Twit oder die Kirche des Iltulus. Llan Badarn Vawr oder die Kirche des grossen St. Patern, das Kloster zu Llan Karvan, Bangor in Karnavonshire, Holyhead in Anglesey oder auf der Insel Mona, Llandoff in Glamorganshire, Menevia oder St. David in Pembrokeshire und viele andere Kirchen, Klöster und Lehrschulen. 2)Vergl. auch Krause, II. 1. S. 87, Anm. b.In Wales,186 ist nach Walter, §. 54 und S. 83, Anm. 12, die Fortdauer mehrerer römischer Städte nachweisbar, so von Isca Silurum (Caerleon), Venta Silurum (Caerwent), Muridunum (Caermardyn), Conovium, Segontium, Salopia, Mediolanum u. s. w., worüber auch die von Walter beigefügte kleine Karte nachzusehen ist. Zu Isca Silurum hatte im Anfang des 5ten Jahrh. der Praeses der Provinz Britannia secunda seinen Sitz und daselbst wurden noch im 12ten Jahrh. die Ueberreste prächtiger Paläste, Tempel, Thürme, Theater, Bäder und Aquäducte gefunden. Caerleon bezeichnet vermuthlich Stadt der Legion, urbs legionis, weil zu Isca Silurum eine Legion gestanden. Im 5ten und 6ten Jahrh. sollen dort als Erzbischöffe die heiligen Samson, Dubris und Davy gewohnt haben und erst im 12ten Jahrh. verfiel dasselbe. 1)Villemarqué, I. S. 303. Der nach dem Abzuge der Römer aus Britannien auftretende britische Oberkönig hatte drei Hauptstadte (prif ddinas), drei Hauptstühle (prif orsedd, von gorsedd), nämlich London (Caer Lundain), wohl der alte Sitz der Provinz Britannia prima, Caerleon am Usk (Caer Llion ar Wysg), der alte Sitz der Provinz Britannia secunda, und York (Caer Efrawe). 2)Walter, S. 122. Unter den 3 britischen Bischöfen, welche im J. 314 an dem Concilium zu Arles theilnahmen und mit unterzeichneten, erscheint auch der Bischof von York. 3)Walter, S. 233, Anm. 1. An der Spitze aber der dioecesis Britanniarum stand ein Vicarius, welcher wahrscheinlich in Eboracum (York) residirte. 4)Walter, S. 119.In ganz England hatten sich aus der Römerzeit her 28 oder 33 Städte nach Andern in ununterbrochener Fortdauer mit Mauern, Leuchtthürmen und schönen Heerstrassen erhalten und sie waren die Hauptstützen, Erhalter und Fortpflanzer des Christenthums und der Kirehenverfassung mit den Bisthümern und Bischofssitzen, der römischen Bildung und des römischen Rechts, namentlich aber der römischen Baukunst mit den römischen Baucollegien, des städtischen Lebens. Im Jahr 926 wurden auf der zu York allen übereinstimmenden187 Nachrichten zufolge1)Vergl. Anderson, a. a. O.. I. S. 254 ff. auf Betrieb des Königs Athelstan abgehaltenen allgemeinen Versammlung der Bauleute diesen nicht eigentlich ganz neue Einrichtungen gegeben, sondern nur die alten römischen, von Albanus schon hergestellten, wieder eingeführt. Die Yorker Urkunde sagt ausdrücklich von dem Könige Athelstan: Er hat daher befohlen, dass die von dem h. Albanus eingeführte Einrichtung der Römer wiederhergestellt und bestätigtwerde. 2)Krause, II. 1. S. 91. Das Privilegium die gemeine Bau - und Steinmetzordnung, welche Athelstan durch seinen Sohn oder Bruder Edwin ergehen liess, hatten jene Absicht. Obwohl die Schicksale dieses in die Geschichte und Sage der englischen Baukunst so tief eingreifenden Prinzen Edwin hier zur Seite gelassen werden müssen, mag doch die Bemerkung gestattet werden, dass Edwin auf einem Schiffe ohne Segel und Ruder3)Vergl. Symbolik, II. S. 712 ff. Auch der Zauberer Merlin schifft sich in dem Glashause (maison de verre) ein und verschwindet, d. h. er stirbt und geht nach dem Glasberge oder Himmel (Villemarque, I. S. 50). dem Meere übergeben worden sein und dort seinen Tod gefunden haben soll.

lnsofern wir auf diese Weise für England die Fortdauer des römischen Rechts und der römischen Städteverfassung, römischer Baukunst und römischer Baucorporationen behaupten und annehmen, treffen wir mit Krause, II. 2. 8. 212 ff. : Sammlung von Nachrichten aus engländischen Schriftstellern, welche das ununterbrochene Dasein der Freimaurerbrüderschaft, vorzüglich in den britischen Inseln seit der Römer Zeiten bis zu dem 18ten Jahrhunderte beweisen, und mehrere einzelne Punkte ihrer Verfassung und Geschichte, nebst einzelnen Notizen , zusammen. Die Baucollegien und die ganze Baukunst standen anfänglich wesentlich im Dienste der Kirche der Bischöffe und Aebte, und des mit der Kirche verbundenen Königthums, so dass die Geistlichen die Baucollegien gründeten und einrichteten, sei es unmittelbar bei den Kirchen und in den Klöstern, oder getrennt von diesen in den188 Städten. Die allgemeinen Versammlungen der Bauleute zur Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten und zur Festsetzung allgemeiner Gebräuche, Verordnungen und Gesetze fanden ihre nächsten Vorbilder in den Concilienversammlungen, in den Capiteln der Geistlichen, von welchen letztern der Eingang der gemeinen deutschen Steinmetzordnung spricht. 1)Krause, II. 1. S. 270, Anm. 3, vergl. mit S. 217. Für die eigentliche Verfassung oder innere Einrichtung wurde zum römischen Rechte gegriffen und natürlich den jetzigen und neuen Verhältnissen angefügt; den Geist, die geistigen und höhern Zwecke gaben die Barden und wahrscheinlich standen in England und in Wales die Vereine der Bauleute mit den Vereinen der Barden und Geistlichen im innigsten Zusammenhange, verfolgten das gemeinsame Ziel der vaterländischen Bildung, Sitte und Freiheit. Das Bauen, die Kirchenbaukunst und später die Städtebaukunst, war für jene Zeiten vom J. 1000 an eine ausserordentlich wichtige Angelegenheit, um welche die Kirche und der Staat sich bekümmern mussten und auch wirklich bekümmert haben. Im 7ten Jahrh. aber war schon neben Andern Wilfrid, Bischof von York und späterhin von Hexham, wegen seiner grossen und prachtvollen Steingebäude, besonders der nach Schnaase, IV. 2. S. 379, um das J. 674 erbauten Kathedralkirche zu Hexham, allgemein bewundert, welche Bauten nicht ausgeführt werden konnten, ohne dass es Bauleute und Bauhütten im eigenen Lande gab, obgleich erzählt wird, er habe Baukünstler von Rom mitgebracht und gebraucht. 2)Krause, II. 2. S. 227; Schnaase, IV. 2. S. 572. Bei Richard Hagulst. lib. 1 cap. 5, anno 673, wird von ihm sogar erzählt: De Roma quoque et de Italia et Francia et de aliis terris, ubicumque invenire poterat, caementarios et quoslibet alios industrios artifices secum retinuerat et ad opera sua facienda secum in Angliam adduxerat. 3)Schnaase, IV. 2. S. 572 Anm.Bischof Benedict, Stifter der Abtei von Weremouth, ein Zeitgenosse und Freund Wilfrid’s, genoss gleichen Ruhm und soll sich besonders französischer Künstler bei seinen Unternehmungen bedient189 haben. Da von den Römerzeiten an jedenfalls die christliche Kirche, und es darf hinzugefügt werden, auch das Institut der Barden ohne Unterbrechung bei den Kymren sich erhielt, kann nicht alles städtische und gewerbliche Leben mit dem Einfalle der Angelsachsen zu Grunde gegangen und erloschen sein, sondern muss, wenn auch noch so kümmerlich, fortbestanden haben, an welchen schwachen Ueberresten mit Hülfe auswärtiger Gewerbsleute, Bauleute und Künstler sich wieder ein reicheres Thun entfalten konnte. Inscriptionen, welche für das Dasein der Gewerbscollegien in Britannien unter den Römern zeugen, hat Krause, II. 1. S. 209 ff., zusammengestellt. Der Abt von Weremouth schickte dem Pictenkönige architectos qui romano more (nach Schnaase, IV. 2. S. 372, Anm. ***, mit Quadersteinen) ecelesiam ex lapide construerent.

Die Triaden, welche noch in den neuenglischen Svstemen der Maurerei, in der heutigen Freimaurerei mit besonderm Nachdrucke hervorgehoben werden, dürfen gewiss von Ueberlieferungen und Einwirkungen der Barden hergeleitet werden. Ausser den schon berührten maurerischen Triaden1)Vergl. auch Symbolik unter Dreizahl. gehören dahin:

die drei besondern Punkte: Brüderschaft, Bundestreue und Verschwiegenheit, welche Bruderliebe, Hülfe und Treue vorstellen. 2)Krause, I. 2. S. 284.Die drei besonderen Punkte werden auch die drei grossen Grundsätze genannt, jedoch wird von diesem Symbole in der deutschen und schweizerischen Naurerei wenig Gebrauch gemacht;

die dreimalinen Begrüssungen und die dreimaligen Bitten, Fragen u. s. w., welche in den verschiedensten und allgemeinen Anwendungen auch heute noch erscheinen.

Die Schlussformel der heutigen maurerischen Briefschreibung z. B., dass man in der heiligen Zahl, in der heiligen Dreizahl, in der uns heiligen Zahl grüsse, ist die abkürzende Bezeichnung für eine übliche und drei Mal zu wiederholende Begrüssung, wie man aus den kymrischen Triaden und aus den Handwerksgebräuchen zugleich entnehmen kann. Als die drei Grüsse bei der Begegnung190 nach der guten Sitte bezeichnen die Barden: Gott segne euch, eure Arbeit oder Geschäft ; das Glück sei bei euch zu jeder Zeit des Tages; und Gott sei mit euch. Als die drei Grüsse beim Abschied werden von ihnen genannt: Gott sei mit euch; Gute Tagszeit für euch, und: Heil euch, oder: möge es euch wohl geben. Als die drei Begrüssungen der Gastlichkeit führt eine Triade an: ein höfliches Wort, Erkundigung nach dem Zustand und Befinden des Mannes und seiner Familie, und Einladung zu wechselseitiger Freundschaft. Der deutsche Handwerksmaurer nach den Gebräuchen der Handwerker in Altenburg spricht und bittet bei der Erwiderung des dem losgesprochenen Lehrlinge dargebrachten Toastes:

Mit Gunst und Erlaubniss, ehrbares Handwerk, Mit Gunst und Erlaubniss, ehrbarer Meister, Mit Gunst und Erlaubniss, ehrbare Gesellen, dass ich den ehrbaren Handwerkswillkommen seines Hauptes entblösse (d. h. den Deckel vom Zunftpokale abnehme) und auf das Wohl des ehrbaren Handwerks, der ehrbaren Meister und der ehrbaren Gesellen, dem Losgesprochenen und dem ganzen Handwerk zu Ehren, eine Gesundheit ausbringen darf. 1)Krause, II. 2. S. 259.

Beim Gesellenmachen der Schlosser sagte der Altgesell, indem er dem Jünger 3 Mal das Bartende eines Schlüssels im Munde herumdrehte: Also mit Gunst für den Herrn Ladenmeister, Also mit Gunst für den Altgesellen, Also mit Gunst für die ganze Gesellschaft. 2)Stock, Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker, S. 29.

Eine Antwort des Aufzunehmenden beim Gesellenmachen lautet: Meister, Gesellen und Jünger haben ein Recht nach mir zu fragen, weil ich Hammer, Zange und Steinmeissel trage. 3)Stock, S. 30. Beim Gesellenmachen der Schmiede wurde dem neuen Gesellen gesagt: Wenn du vor das Thor kommst, so wirf 3 Federn auf,4)Grimm, Rechtsalterthümer, S. 83. die eine wird191 fliegen rechts die andere wird fliegen über das Wasser, die dritte wird fliegen grad aus; mein Schmied, welcher wirst du nun folgen? Die erste könnte dich auf einen Abweg führen und du könntest dich verlaufen, der zweiten, die über das Wasser fliegt, folge auch nicht, denn das Wasser hat keine Balken, folge der, die gerade aus fliegt. 1)Stock, S. 31.

Aus der Torgauer Steinmetzordnung vom J. 1462 gehören hierher:

Art. 107: Das ist ein Gruss, wie ein Itzlicher geselle grüssen soll, wenn er vom ersten zu der Hütte eingehet, so soll er also sprechen: Gott grüsse euch, Gott weyse euch, gott lone euch, euch Oebermeister erwiderung, Pallirer vnd euch hübschen Gesellen. So soll Im der meister oder pallirer danken, das er sieht, welcher der oberst ist in der Hütten. 2)Vergl. Symbolik, I. S. 372.

Da soll der geselle u. s. w. Art. 109: Ein Itzlicher wandergesell soll bithen vmb eine bücke, darnach vmb ein stück steins, darauf darnach vmb gezeugk, das sol man Im williglichen leihen (um nämlich sein Steinmetzzeichen schreiben zu können). Art. 110: Ein Itzlicher Gesell soll die andern Gesellen alle bithen vnd kein sol es verhören, sie sollen alle helffen: Helffet mir auff oder In das euch Gott hellffe. Wen sie geholfen haben, so soll er seinen Hut abethunn vnd soll In danken vnd sprechen: Gott danke dem meister vnd pallirer vnd den Erbarn gesellen. 3)Heideloff, Bauhütte, S. 55 und 56.

Aus Am 110 leuchtet jedem Kundigen verständlich das sog. maurerische Noth - und Hülfszeichen entgegen. Die empfangene Hülfe soll 3fach oder 3 Personen verdankt werden.

Nicht blos aber die Form oder die Formen der Rede und der Lehren, sondern die letztern selbst haben die englischen Bauleute und Bauvereine den kymrischen Barden entlehnt, und es vermag ziemlich zuverlässig oder192 mit solcher Zuverlässigkeit, als dieses in ähnlichen Dingen verlangt werden darf, die innere Geschichte des freimaurerischen Dogmas dargelegt zu werden. Unter dem Grunddogma der Freimaurerei, wie dieselbe als eine selbstständige und eigenthümliche im J. 1717 durch die 4 vereinigten Logen Londons begründet worden ist und seitdem in allen Theilen und Ländern der Erde geübt wird, möchte am richtigsten und am einfachsten zu verstehen sein der Glaube an den Einen Gott des ewigen Lichtes und der Wahrheit, von welchem die Eine Menschheit stammt und dem im Lichte und in der Wahrheit jeder einzelne Mensch gleichen soll, um wieder zu dem Lichte, woher er gekommen, zurückkehren zu können. Gott ist das Licht, die Weisheit, die Stärke, die Macht, die Schönheit und die Liebe, und welche Eigenschaften sonst nur von ihm gedacht und ausgesagt werden können, schlechthin und deshalb auch der Zahl wie dem Masse nach der Einzige oder Eine, er ist das Eine und der Eine, aus welchem daher auch Alles, was ist, was war und was sein wird, ist, war und sein wird und an dessen ewiger göttlicher Natur alles Seiende Antheil hat und haben muss. Nur das Zeitliche und Irdische, das Vergängliche, das Böse, das Dunkle, alles Ungöttliche ist nicht von Gott, sondern gehört allein dem Geschaffenen an und muss deshalb bekämpft, überwunden und entfernt werden. Gott ist das ewige Licht und der Mensch ist ein Licht oder soll es sein. Dieser Lichtglaube, welcher seiner Natur nach Gott und dessen Wohnung, den Himmel, in den Sternen, in dem Lichte suchte und fand, ist das eigenthümliche Erbtheil des indo-germanischen Volksstammes, der Japhetiden, zu welchem auch die Kelten und die Kymren gehörten. Auf den entlegenen britischen Inseln, in und auf seinen Bergen und im verzweifelten Kampfe des Volkes um seine Freiheit und Unabhängigkeit wurde der uralte Lichtglaube am längsten und am reinsten bei den Kymren und ihren Barden erhalten und im Christenthume geläutert, mit dem christlichen Lichte verbunden; als im 13ten Jahrh. das freie Wales und seine Barden fielen, bauten ihre geistigen Schüler, die Bauleute, fort und ihr schönstes, kaum begonnenes und noch der Vollendung harrendes Werk ist193 die Freimaurerei, die freie und Eine Menschheit im Lichte und Geiste des Einen Gottes. Dass der Neodruidismus, die bardische Theologie, wie sie San-Marte, Beitr., S. 79, genannt wissen möchte, nicht unmittelbar aus dem alten keltischen Volksthume und Volksglauben hervorgegangen, sondern mehr das Werk der gelehrten Barden, der bardischen oder druidischen Theologen und Christenpriester ist, kann an der geschichtlichen Thatsache seines Daseins nichts Wesentliches ändern, und um so weniger, als das ganze Bardeninstitut sich als ein eben so volksthümliches als einflussreiches erhalten hatte. Die keltische Mythologie hatte in Wales unter dem eindringenden und eingedrungenen Christenthume ähnliche Umwandlungen und Umdeutungen, Vergeistigungen zu erleiden, wie die griechische Mythologie von der Philosophie erfahren hatte, nur dass diese offener, jene heimlicher und verdeckter erfolgten. Je mächtiger und allgewaltiger das heidnische und das christliche Rom in Britannien herrschte, um so dunkler wurden die Reden, Lehren und Gesänge der Barden oder verstummten zuletzt gänzlich. Die den römischen Priestern abgeneigten, freiern und reinern Religionsansichten fanden in den meist aus höher gebildeten, viel gereisten und erfahrnen fremden Mitgliedern zusammengesetzten Bauhütten (nicht Bauzünften) eine natürliche Pflege - und mächtige Schutzstätte, indem man sich gegen die fremden Bauleute von Seiten der kirchlichen und staatlichen Behörden gleich zuvorkommend, nachsichtig, freigebig und freisinnig benehmen musste, wollte man dieselben in der erforderlichen Zahl im Lande versammeln und behalten. Jene frühern kirchen - und staatengründenden Zeiten bewegten sich Jahrhunderte lang vorzugsweise um die Erbauung von Kirchen und Klöstern geistlichen und weltlichen Palästen. Schlössern und Burgen, Rath - und Zeughäusern, Kirchen - und Burgthürmen, Kirchen - und Burggewölben u. s. w., dass für sie die Bauleute, die Bauhütten eine ganz andere Bedeutung hatten und sie zugleich eine weit grössere Anzahl derselben bedurften, als dieses bei uns der Fall ist, nachdem die Zwingburgen zerstört und die freien Städte erbauet sind, Kirchen und194 Klöster aber nicht mehr erbauet werden. In dem bauenden Mittelalter wetteiferte man von Seiten der Kirche und des Staates, welche die gleichen Wünsche und Bedürfnisse in dieser Beziehung hatten, gleichsam in begünstigenden Privilegien gegen die Bauleute und ihre Vereine oder Hütten, wie dieses in ähnlicher Weise etwas später bezüglich der Universitäten geschah, geschehen musste und noch geschieht. Durch dieselben Gesetze und Massnahmen wurden und werden die Bauhütten und die Universitäten gehoben und blühend gemacht, verödet und gestürzt. Die Baumeister und Baugesellen wanderten nicht blos in dem einzelnen Lande, sondern durch ganz Europa nach allen 4 Weltgegenden an jene Orte, wo sie die beste Aufnahme und die reichste Arbeit fanden; denn die Bau - und Steinmetzkunst war damals eine europäische, eine weltbürgerliche. Wie sehr das Wandern den weltbürgerlichen, den allgemein-menschlichen, den freimaurerisehen Sinn wecke und nähre, mag man schon und selbst aus den Gebräuchen der Gesellenbrüderschaften entnehmen. In der dritten Ehre der Böttchergesellen zu Magdeburg, welche sie beim Ueberreichen des Willkommens an ein neues Mitglied ausbrachten, hiess es z. B.: Mit Gunst, dass ich mag unsern ehrlichen Willkommen von des Krugvaters Tisch aufheben, ihn an meinen Mund setzen, thuen daraus einen guten Trunk und trinke dem guten Gesellen zu, der vor mir war und nach mir kommen wird, er sei aus Reussen oder Preussen, aus Holland oder Braband, so er hierher kommt, soll er Bescheid thun, das gilt dir Hans, prosit Hans! 1)Ch. L. Stock, Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker, Magdeburg 1844, S. 5, Anm. * und S. 101. Es ist durchaus glaubwürdig, wenn von dem gefeierten Könige Athelstan (924 940), welcher den englischen Staat nach langen verwüstenden Stürmen durch einen grossen Sieg über die Dänen wieder befestigte und auferbaute, in der Yorker Urkunde gesagt wird: Er hat daher befohlen, dass die von dem heiligen Albanus eingeführte Einrichtung der Römer wieder hergestellt und bestätigt werde; daher er auch seinem jüng -195 sten Sohne Edwin einen Befreiungsbrief für die Maurer, um sich selbst unter einander regieren und Einrichtungen zum Gedeihen der Kunst treffen zu können, ausgehändiget hat, weil dieser die Chargen selbst angenommen und die Gebräuche erlernt hat. Er hat auch gallische Maurer kommen lassen und sie nun mit zu Vorstehern bestellt, und die Einrichtungen der Griechen, Römer und Gallier, welche sie in Schriften mitgebracht haben, nebst des heiligen Albanus Einrichtungen, durchsehen lassen; und hiernach sollen nun alle Maurergesellschaften eingerichtet werden.

Die genauere geschichtliche Betrachtung dieser Stelle ist sehr wichtig, auch zur Beseitigung der wider die Aechtheit der Yorker Urkunde, zuletzt von Findel, Geschichte der Freimaurerei, I. (Leipzig 1860) S. 107 ff., nach Kloss erhobenen Zweifel, zumal van Dalen in seinem zu Berlin herausgegebenen Kalender für Freimaurer auf das J. 1862, S. 268, bei der lobenden Beurtheilung des Findel’schen Werkes behauptet, dass fortan sich jede maurerische Geschichtsschreibung auf den von Br. Kloss bestimmten Standpunkt zu stellen habe. Auch Schnaase, VI. 1. S. 311, erkennt die Yorker Urkunde an ihrem ganzen Inhalte als unächt, bestreitet zugleich jeden Zusammenhang der mittelalterlichen Bauzünfte und Bauhütten mit den römischen Collegien so wie überhaupt mit Mysterienverbindungen, und meint, es haben sich in England die allgemeinen philantropischen Lehren der jetzigen Freimaurer des Zunftverbandes nur als eines passenden Gefässes bemächtigt. Offenbar hatte Schnaase, was ihm übrigens gar nicht zum Vorwurfe gemacht werden soll und darf, nur eine mangelhafte Kenntniss der diesfälligen Literatur, indem er sonst unmöglich, IV. 1. S. 312, Anm. **, die Behauptung hätte aufstellen können, dass die Franzosen am wenigsten von der Ansicht des Zusammenhanges der Bauvereine mit den alten Mysterien berührt seien und nur Daniel Ramée (hist. de l’arch., II. S. 283) dieselbe mit Stieglitz theile. Der Kloss’sche Standpunkt, welchen Br. Seydel in Nr. 39 der Bauhütte für 1861 den rationellen nennt und den auch unbedingt das eben bei Brockhaus in Leipzig begonnene allgemeine Handbuch der Freimaurerei ein -196 nimmt,1)Vergl. darin z. B. Baukorporation, Bauhütte. besteht darin, es haben die neuern geschichtlichen Forschungen entgegen Krause und Schneider,2)Altenburger Journal für Freimaurerei, III. 2. (1812) S. 166 ff. welche die germanischen Bauhütten mit den römischen Baucorporationen, besonders in Britannien, in unmittelbaren. Zusammenhang bringen wollten, nachgewiesen, dass die genossenschaftlichen Verbindungen der Bauhandwerker, wie sie seit dem Eindringen der christlichen Cultur in den mitteleuropäischen Ländern hervortraten, in den uralten Sitten der germanischen Völker iliren Ursprung haben und auch nur unter ihnen eine Ausbildung erlangten. 3)Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, S. 76. Gleich Krause und Schneider soll auch Lübke, Geschichte der Architektur, S. 252, in der Behauptung irren, aus den Handwerkern, welche, im Klosterverbande lebend, den Mönchen bei der Ausführung der Bauten dienten, haben sich genossenschaftliche Verbindungen gebildet, aus denen ohne Zweifel in der Folge die Bauhütten hervorgingen. Wie das allgemeine Handbuch, S. 17, glaubt, wurzeln die bruderschaftlichen Verbindungen, die Logen von dem schon im Angelsächsischen sich findenden englischen Worte Lodge, so recht im germanisehen Geiste und soweit die Geschichte deutscher Völkerschaften zurückreicht, finden sich Spuren davon, was Winzer, die deutschen Bruderschaften des Mittelalters, Giessen 1859, dargethan habe. Diesen rationellen Standpunkt finden wir wenigstens bei dem Verfasser des Artikels über die Bauhütte in dem allgemeinen Handbuche sehr irrationell, weil er doch eine Versammlung der englischen Masonen zu York im J. 926 glaubhaft findet (indem dort sich schon im 8ten Jahrh. eine Art blühender Bauschule befunden, an welcher der in Italien gebildete berühmte Baumeister Alcuin4)Vergl. allgemeines Handbuch unter Alcuin. lehrte und wohin die deutschen Bauleute die Manuscripte in griechischer, lateinischer u. s. w. Sprache mit hinüberbrachten), von welcher uns die Geschichtschreiber der englischen Logen erzählen, so dass er die Yorker Urkunde entweder197 für ächt oder wenigstens für glaubhaft halten muss. In der alten Stadt und an dem alten Bischofssitze York, in dem römischen Eboracum wurde im J. 926 eine allgemeine Versammlung der Bauleute, d. h. der Architekten und Baumeister, gehalten und hier blühte im 8ten Jahrh., vorzüglich unter dem daselbst im J. 736 gebornen Alcuin eine Bauschule; hier auch erbaute Alcuin die im J. 780 eingeweihte Peterskirche, deren Schilderung eine glänzende Basilica erkennen lässt. Alcuin selbst muss schon in York zum Baumeister gebildet worden sein und hatte sich nur zu seiner weitern Ausbildung nach Italien begeben, wo er mit Karl dem Grossen in Verbindung trat und von ihm nach Frankreich gezogen wurde, bis er wieder nach seiner Vaterstadt zurückkehrte, die er aber nochmals auf Andringen Karls mit Frankreich vertauschte. Es liegt nun doch gewiss Jedem unendlieh nahe und ist das einzig Wahrscheinliche, der Bischofssitz York habe sich von den Römerzeiten her auch unter den Angelsachsen forterhalten da sonst in der Mitte des 8ten Jahrh. nicht bereits ein so reiches kirchliches und städtisches Leben wieder hätte erblüht sein können; York war eine alte römische, keine neu gegründete angelsächsische Stadt, in welchem Falle aber auch sich Einiges von der römischen Verfassung und Bildung forterhalten hat, wenngleich sehr bedrängt und verkümmert. Im J. 926, wo der bauunternehmende König Athelstan eine grössere Anzahl von auswärtigen Bauleuten um sich versammelt hatte, sollten und mussten die alten römischen Einrichtungen, die Einrichtungen des Albanus, die Autonomie der Bauleute wiederhergestellt werden. Athelstan hatte besonders gallische Bauleute berufen und an die Spitze seiner Bauhütte gestellt, weil unter allen vormaligen römischen Provinzen Gallien die meisten römischen Einrichtungen und Kenntnisse sich bewahrt hatte und schnell zu neuen Staatsbildungen geschritten war, im J. 926 es also füglich eine Anzahl Bauleute nach Britannien hinübersenden konnte. Schon im 7ten Jahrh. hatte sich der vorgenannte Benedict, ein britischer Abt, Bauleute (caementarios) aus Gallien kommen lassen, damit sie ihm nach der Sitte der Römer eine Kirche bauen198 möchten. 1)Lappenberg, Gesch. von England, I. S. 170; Schnaase, III. S. 484. Es steht demnach gewiss nicht zu bezweifeln, dass auch Karl der Grosse bei seinem Kirehenbaue zu Aachen sich römisch-gallischer oder italienischer Baumeister und Handwerker bedient habe;2)Schnaase, III. S. 486 ff. und S. 500. der Bau selbst ist zugleich aus gallischen und italienischen Bau - und Kunsttrümmern aufgeführt. Die gallischen oder französischen Bauleute brachten die griechisch-römischen Bauordnungen und Bauschriftsteller, wie sie sich in Gallien erhalten hatten, mit nach England und darnach wurde das Yorker Gesetz eingerichtet, vielleicht nach einer besondern Zusicherung, welche sich die gallischen Bauleute vor ihrem Hinübergehen hatten ertheilen lassen. Die gallischen Bauleute konnten ihre Schriften aber auch aus Griechenland und aus Italien, wo ja das römische Recht und Leben niemals zu bestehen aufgehört hatte, erhalten und nach Britannien weiter getragen haben. Möglich ist es sogar, dass Griechen, d. h. Griechen aus Unteritalien und nicht wohl aus Byzanz, nach York gekommen waren und ihre Schriften mit sich gebracht hatten, wie auch der Bischof Meinwerk von Paderborn (1009 1036) die Bartholomäuskapelle am dortigen Dome durch griechische Werkleute (per operarios Graecos) erbaut haben soll. 3)Schnaase, IV. 2. S. 574.Unter allen Umständen war der Inhalt des neuen Yorker Gesetzes, der Yorker Bauordnung ein römisch-druidischer, da man im J. 926 nur noch römische Baugesetze kannte und nach ihnen druidisch-christliche Priester, britische Priester das neue Gesetz verfassten. Von dem so recht brüderschaftlichen germanischen Geiste vermögen wir in der Yorker Urkunde Nichts zu finden. Dass man in den römischen Collegien den Brudernamen nicht gekannt habe, wie in dem allgemeinen Handbuche der Freimaurerei, S. 76, gesagt wird, kann nicht zugestanden werden. Die Behauptung ist zunächst eine zu allgemeine und man müsste bestimmter behaupten und beweisen, dass man auch in den christlichen römischen Collegien den Brudernamen nicht gekannt199 habe, und zwar weder in Griechenland noch in Italien, weder in Gallien noch in Britannien. Der Brudername, worüber meine Abhandlung in der Symbolik, I. S. 86 ff., zu vergleichen ist, erscheint keineswegs als etwas eigenthümlich Christliches oder Germanisches, sondern die Christen und die Germanen haben ihn mit Allem, was sich daran anschliesst, aus dem höheren Alterthume und nach unserer Ansicht besonders aus den Mysterien und aus den griechischen Phratrien und ähnlichen griechischen Vereinen empfangen. Dem in jener Abhandlung Beigebrachten sei noch beigefügt:

Im Buche Judith 7, 23 ff., spricht Ozias: Liebe Brüder, seid männlich, wir wollen noch 5 Tage auf die Erbarmung Gottes harren; vielleicht wird er von seinem Zorn ablassen und seines Namens verschonen. Die Anrede liebe Brüder gebraucht auch die Judith selbst. Jonathan, der Makknbäer, Makkab. I. 12, schreibt an die von Sparta, als an liebe Brüder, erneut die〈…〉〈…〉 und〈…〉〈…〉, und versichert. dass ihrer als Brüder bei den Festen und bei den Opfern immer sei gedacht worden. Thiersch, Epochen der bildenden Kunst, S. 26 Anm., folgert aus diesem Schreiben und seiner gleichförmigen Beantwortung, dass sich bei dem hebräischen Stammvolke in Phönicien und Palästina eine dunkele Kunde eines Zusammenhangs zwischen ihm und den peloponnesischen Stammheroen forterhalten hatte. In der Odyssee 21, 216 fordert Odysseus den Schweinhirt Eumäos und den Oberhirten der Rinder auf, auch in Zukunft des Telemachos Freunde und leibliche Brüder zu sein.

Im Samaveda II. 7. 2, 1 wird Agni, das Heerdfeuer angerufen als der liebe Freund, der Genosse und Bruder der Menschen. Rig-Veda I. 11, 2 heisst es: Ja dein, des starken (Indra) Brüderschaft fürchten wir nimmer, Herr der Kraft! 1)Benfey, Orient und Occident, I. (Göttingen 1861) S. 9 ff.Rig-V. I. 22, 10 werden die Wasser - und Wolkengöttinnen die Schwestern der Opfernden genannt. Agni wird im Rig. -V. 1. 31, 10 angeredet als Vater und als Bruder. Die Pflichten, welche der Mensch und Maurer gegenüber den Brüdern und der ganzen200 Menschheit erfüllen soll, bezeichnet in den indo-europäischen Sprachen schon das Wort Bruder, d. i. der Helfende, wie die Schwester die Sorgliche oder die für die Ihrigen Sorgende, der Vater der Schützende und die Mutter die Ordnende ist. 1)Weber, indische Skizzen, Berlin 1857, S. 9. Dass alle Menschen oder wenigstens die Genossen eines bestimmten Gottglaubens sich als Brüder zu benennen und zu behandeln haben, musste geglaubt und gelehrt werden, sobald man die Gottheit als den Vater oder die Mutter der Mensehen ansah und verehrte. Daran schliesst sich das schöne persische Gebot, nicht für sich allein, sondern für alle Perser als einer Mutter Kinder zu beten. 2)Bachofen, Mutterrecht (1861), S. 205 a. Wohl in Nachahmung dieses Gebotes muss nach dem dermaligen englischen Meisterritual der neuaufzunehmende Meister schwören: wenn meine Kniee gebeugt sind und ich Gebete zum Allmächtigen sende, sie nicht nur für mich allein zu thun, sondern dass ich alle Brüder Meister (warum nicht alle Menschen oder doch mindestens alle Maurer?) einschliessen und die Erhörung ihrer Bitten zugleich erflehen will. 3)Das Freimaurerthum in seinen 7 Graden, Leipzig 1857, S. 96.

Die ersten christlichen Vereine und Gemeinden waren förmliche Mysterienbünde, Bruder - und Schwesterschaften, weshalb auch der Bruderkuss bei den Agapen oder Liebesmahlen der ersten Christen gewöhnlich war, welchen selbst die Frauen den Neuaufgenommenen gaben, der aber bald verrufen wurde. 4)Böttiger, Ideen zur Kunstmythol., II. S. 427.Dass die ersten christlichen Verbindungen brüderliche gewesen seien, beweisen besonders auch die in den römischen Katakomben aufgefundenen Grabschriften, von denen eine z. B. lautet:

Sabatius, süsse Seele, bitte und vemittele für deine Brüder und Genossen.

Bei dem ersten Entstehen der christlichen Gemeinden in den Städten traten auch sofort diese ersten städtischen Kirchengemeinden zu den nachher durch sie und um sie entstehenden Landgemeinden in das Verhältniss von Mutter -201 und Töchtergemeinden,1)Hüllmann, Ursprünge der Kirchenverfassung, Bonn 1831, S. 22 ff. was dem griechischen Colonatrechte entlehnt sein möche, indem bei den Griechen das Verhältniss einer Stadt zu den von ihnen stammenden Colonialstädten als dasjenige von Mutter und Tochter bezeichnet wurde. 2)Schoemann, griechische Alterthümer, II. S. 80. Ist diese Vermuthung begründet, sind die brüderlichen Christengemeinden zunächst griechischen Ursprungs und griechischer Stiftung. Aus dem einfachen Verhältniss der Muttergemeinde zu ihren Töchtergemeinden, welches ein Verhätniss der Lehre, des Schutzes und der Aufsicht gewesen, ist die ganze bischöfliche Gewalt und Kirchenverfassung emporgewaehsen. Ebenso hielten auch die Mutterklöster gegenüber den von ihnen gestifteten Töchterklöstern sehr streng ihre Rechte fest und die daherige Klosterhierarchie, Klosterverfassung mag den deutschen Bauhütten zum Vorbilde gedient haben. 3)Vergl. Raumer, Gesch. der Hohenstaufen, VI. S. 369 ff. So, zeigen sich die Kirchen -, die Kloster - und die Bauhütten verfassung als eine gleichförmige, alle drei auf demselben Grundgedanken beruhend und die gesetzgebende und verwaltende Gewalt durch die gleichen allgemeinen Versammlungen und die gleichen obersten Meister, Bischöfe, Aebte u. s. w. übend. Auf dem spätern Gebiete des Rechtslebens wiederholt sich die Erscheinung, dass diejenigen Städte, welche mit dem Rechte einer andern und ältern Stadt bewidmet worden waren, dadurch zu der Mutterstadt in ein gewisses untergeordnetes Verhältniss oder wenigstens in eine gewisse Verbindung insofern traten, als die Mutterstadt zum Oberhofe, zur Appellationsinstanz, zur berathenden und belehrenden Oberstelle wurde. 4)Gaupp, deutsche Stadtrechte des Mittelalters, I. (Breslau 1851) S. IX ff.Wie an dem kirchlichen Range der einzelnen Städte des Landes dessen Kirchengeschichte hinläuft, so auch die Geschichte der deutschen Baukunst und der deutschen Bauhütten an den Haupthütten, und Strassburg als die oberste Bauhütte in ganz Deutschland ist ohne jeden Zweifel auch die erste und älteste, in der202 Kirchensprache (Hüllmann, a. a. O., S. 28) prima sedes, prima cathedra. Albertus Magnus oder (vielleicht) Albertus Argentinensis, der Erfinder des Achtorts,1)Heideloff, die Bauhütte des Mittelalters in Deutschland, Nürnberg 1844, S. 14 und 15. und Erwin sind die Bauapostel, die Baupatriarchen von Strassburg und von Deutschland. Die Yorker Bauhütte steht bis herab auf die Gegenwart zu den englischen Bauhütten (Logen) und zu der englischen Baukunst in demselben geschichtlichen und rechtlichen Verhältniss. Wie es isolirte Logen gibt, gab es auch isolirte Klöster, obwohl man ihnen feindlich entgegentrat und dieselben lieber in das allgemeine Band der Herrschaft und Unterwerfung eingefügt hätte. Selbst die Benennung der einzelnen Logen, als im Oriente zu N. N. gelegen, könnte der ältesten Kirchenverfassung2)Hüllmann, a. a. O., S. 25. entlehnt sein, da die Geistlichen Jahrhunderte lang die einzigen Schreiber der Bauhütten gewesen und bei den mittelalterlichen Baubrüderschaften ihr Capellan als Bauhüttenschreiber, als Logensecretär gebraucht wurde. 3)Heideloff, a. a. O., S. 13; Krause, II. 1. S. 58, Anm. a.Clere (clericus) bezeichnet im Französischen daher den Geistlichen und den Schreiber,4)Dupin et Laboulaye, glossaire de l’ancien droit francais, Paris 1846, unter clere. ebenso clerk im Englischen. Die ältesten Kirchengemeinden bedienten sich, wenn es in gegenseitigem, genossenschaftlichem Schriftwechsel auf eine Bezeichnung ankam, blos der, von ihrer heimathlichen Stadt hergenommenen und nannten sich deren Einwohnerschaft; als: die Gottesgemeinen, wohnhaft zu Rom, zu Ephesus, zu Korinth. Diese kirchliche Uebung ahmten die kirchlichen Logenschreiber nach und schrieben: Im Oriente zu Strassburg, zu Zürich. Die Mitgliederdiplome der Maurer, d. h. Urkunden über die in einer bestimmten Loge erworbene Mitgliedschaft, um damit bei fremden Logen sich ausweisen und deren Zulassung und nöthige Unterstützung erhalten zu können, sind unzweifelhaft lange vor dem J. 1717 gebräuchlich gewesen und sind hervorgegangen aus den sehr alten Beglau -203 bigungen und Empfehlungen (litterae communicatoriae) der Klöster für ihre reisenden Mitglieder,1)Hüllmann, S. 40. waren dieselben, so lange die wandernden Bauleute einem Kloster angehörten. Die Pässe sind etwas Aehnliches und vermuthlich gleichen römischen Ursprungs.

Die deutschen Steinmetzordnungen betrachten die Verbindung der deutschen Steinmetzen durchaus als eine (kirchliche) Brüderschaft und die einzelnen Glieder als Brüder, Mitbrüder; namentlich die Bestätigungsurkunde des Kaisers Maximilian I. vom J. 1498 hebt mit der Bruderschaft der Meister und Gesellen des Steinwerks und des Steinhandwerks zu Strassburg an. Der erste Artikel dieser Bestätigungsurkunde bestimmt: Zum ersten das sich ain jeder Stainmetzt in dise Bruderschaft soll gebrudern, der anders sich Stainwerks gebrauchen will, dadurch vnser Gotzdienst vnd ander Erbarkeit desterpas gehalten mag werden. 2)Heideloff, S. 58.Zugleich wird einem jeden Werkmann und Steinmetz auferlegt, sich ehrlich und freundlich nach christenlicher Ordnung und brüderlicher Liebe gegen seinen Mitbruder zu halten. Die Bruderschaft, von welcher hier gesprochen wird, ist also noch im fünfzehnten Jahrhundert eine wesentlich kirchliche oder gottesdienstliche, weshalb auch die Meister und Gesellen für den Gottesdienst bestimmte Geldbeiträge leisten müssen. Die erneuerte deutsche Steinmetzordnung vom J. 1563 spricht von der gemeinen Gesell - und Brüderschaft aller Steinmetzen in Teutschen Landen , und trägt die Ueberschrift: Der Steinmetzen Brüderschaft und Ordnungen und Articul.

Es ergibt sich hieraus mit Entschiedenheit, dass der Brudername und der brüderliche Geist weder in den gemeinen deutschen Steinmetzordnungen noch in der Yorker Urkunde vom J. 926 so recht brüderschaftliche germanische, sondern christliche, römisch-griechische seien. Daher beginnt die durch den frommen Prinz Edwin zu Stande gebrachte Yorker Constitution:

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Die Allmacht des ewigen Gottes, Vaters und Schöpfers der Himmel und der Erde, die Weisheit seines göttlichen Wortes, und die Einwirkung seines gesendeten Geistes, sei mit unserm Anfange und schenke uns Gnade, uns in diesem Leben so zu regieren, dass wir hier seinen Beifall und nach unserm Sterben das ewige Leben erlangen mögen. 1)Krause II. 2. S. 58.

Die gemeine deutsche Steinmetzordnung von 1459:

Im Namen des Vaters, des Suns und des heiligen Geists und der würdigen Mutter Marien und auch ir seligen Diener, der Heiligen Vier gekrönten zu ewiger Gedechtnisse. 2)Heideloff, S. 34; Krause, II. 1. S 269.

Die Ordnung der Steinmetzen zu Rochlitz vom J. 1462:

Inn dem Namen dess Vaters, dess Sohns, dess heiligen Geistes. Inn dem Namen dess Vatters, dess Sohns, des heiligen Geists, Inn dem Namen der Gebenedeyeten Junkfraw Maria, vnnd inn der Ehre der viere gekronten Merterin. 3)Heideloff, S. 47.

Die Bruderschaft der Bauleute musste in den christlich-germanischen Staaten des 10ten Jahrh. noch jedenfalls deshalb eine überwiegend christliche, eine kirchliche sein, weil damals nicht allein die Kirchenbaukunst vorherrschte, sondern die Kirche auch das gesammte staatliche Leben leitete und alles Bürgerliche gleichfalls mehr oder weniger in ein kirchliches Gewand sich kleiden, sich an die Kirche anlehnen und unter den Schutz derselben stellen musste. Wir finden daher auch Stadtverfassungen, städtische Gemeinheiten, welche blosse Bruderschaften in ihrer Anwendung und Ausdehnung auf die Bürger einer ganzen Stadt sind. So erklärt Art. 2 der Charte de l’Amitié der Stadt Aire in Artois, welche städtische Verfassung Thierry, récits Mérowingiens, 2me edit. Paris 1842, I. S. 336, mit dem Gildestatut des Königs Erich vergleicht, dass Alle, welche zur Amicitia (Phratrie könnte man sagen) der Stadt gehören, eidlich gelobt und versprochen haben, quod unus subveniet alteri tanquam fratri suo

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in utili et honesto. In dieser Städteverfassung berühren sich allerdings oder verbinden sich vielmehr zu einem Ganzen die kirchliche Brüderschaft und die germanische Eidgenossenschaft (conjuratio, Gilde). Sobald der Bruderbund ein eidlich beschworner war, seine Erfüllung bei dem Eide erzwunzen werden konnte, war er ein mächtiger und daher nach Umständen staatsgefährlicher, staatlich verbotener. Das Gildestatut des Königs Erich von Ringstaden vom Jahr 1266,1)Symbolik, II. S. 323. abgedruckt auch bei Thierry I. S. 431, ist eine eidliche Bruderschaft oder brüderliche Eidgenossenschaft, woher die Schwurgenossen, Gildengenossen (congildae) durchgängig confratres, fratres genannt werden und die Schwurgenossenschaft (gilda)2)Symbolik, I. S. 641 ff. confratria heisst. Das ähnliche Statut der dänischen Gilde des im J. 1036 verstorbenen Königs Canut nennt treffend diese Gildengenossen gildbroder ,3)Thierry, a. a. O., I. S. 419 ff., woselbst das dänische Statut, jedoch ohne Uebersetzung mitgetheilt ist. Eidbrüder. Die Yorker Constitution fordert keinen Eid, sondern blos das Versprechen der Beobachtung ihrer Gesetze vermittelst Anßegung der Hand auf das durch die Vorsteher dargehaltene Evangelienbuch, was schon Krause, II. 1. S. 92, Anm. 5, bei seinen Anfechtungen des jetzt üblichen Maurereides so nachdrücklich hervorgehoben hat. Bald nach dem J. 926 scheint jedoch der Eid auch bei den englischen Bauleuten eingeführt und dieser auf die Abschrift der Yorker Constitution abgelegt worden zu sein, welche die einzelne Loge als ihr besonderes Constitutionenbuch besass. 4)Krause, II. 1. S. 115, 123, 157, 171.

Die nun von Edwin den Brüdern Bauleuten auferlegten allgemeinen oder menschlichen Pflichten sind nachfolgende:

Die erste Pflicht ist, dass ihr aufrichtig Gott verehren und die Gesetze der Noachiden befolgen sollt, weil es göttliche Gesetze sind, die alle Welt befolgen soll. Daher sollt ihr auch alle Irrlehren meiden und euch dadurch nicht an Gott versündigen.

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Eurem Könige sollt ihr treu sein ohne Verrätherei, und der Obrigkeit, wo ihr euch auch befinden werdet, gehorchen ohne Falschheit. Hochverrath sei fern von euch; und erfahrt ihr Etwas, so sollt ihr den König warnen.

Gegen alle Menschen sollt ihr dienstfertig sein, soviel ihr könnt, treue Freundschaft mit ihnen stiften, euch auch nicht daran kehren, wenn sie einer andern Meinung zugethan sind.

Besonders sollt ihr auch immer treu gegen einander sein, einander redlich lehren und in der Kunst beistehen, einander nicht verleumden, sondern auch sonst einander thun, wie ihr wollt, dass euch Andere thun sollen. Sollte sich daher auch ein Bruder gegen irgend Jemanden, oder einen Mitbruder, vergehen, oder sonst fehlen, so müssen ihm Alle beistehen, sein Vergehen wieder gut machen zu können, auf dass er gebessert werde.

Treulich habt ihr euch auch zu den Berathungen und Arbeiten der Mitglieder in jeder Loge zu halten, und gegen Jedermann, der kein Bruder ist, die Merkmale geheim zu halten.

Jeder soll sich der Untreue enthalten, weil die Brüderschaft nicht ohne Treue und Redlichkeit bestehen kann, und ein guter Name ein grosses Gut ist. Auch sollt ihr immer auf des Herrn oder Meisters, dem ihr dienet, Nutzen sehen und ihn befördern helfen, und immer auch seine Arbeit redlich zu Ende bringen.

Diese sog. alten maurerischen Pflichten galten jedenfalls in England Jahrhunderte vor dem J. 1717 oder vor der Einführung der blos symbolischen Maurerei mit Errichtung der jetzigen englischen Grossloge allgemein als maurerische Verpflichtungen,1)Vergl. z. B. allgemeines Handbuch der Freimaurerei, S. 24 b: In den Jahrhunderte alten Satzungen der Brüderschaft, denen sich ein jedes Mitglied unterwerfen musste, heisst es. und erscheinen zugleich zuerst und dann mit den Zeiten sich fortentwickelnd in der dem J. 926 beigelegten Yorker Urkunde. Die Gesetze, der gesetzliche Inhalt der Yorker Urkunde ist demnach ein wahrer und unbestreitbarer, ein geschichtlicher und207 lebendiger, wodurch die Aechtheit, das Herrühren der Urkunde aus dem J. 926 auch erwiesen und eventuell gleichgültig wird. Sollte nämlich die Urkunde in ihrer gegenwärtigen Gestalt auch erst etwas später und selbst Jahrhunderte nachher abgefasst worden sein, berichtet sie dennoch die wahren und unverfälschten, von den Bauleuten angenommenen und stets befolgten Gesetze der wirklich im J. 926 abgehaltenen allgemeinen maurerischen Versammlung; Fälschung und Betrug nach irgend einer Richtung ist hier ebenso unmöglich als unbegreiflich. Mit fast der gesammten Maurerwelt bezweifelt z. B. auch W. Keller, Gesch. der Freiniaurerei in Deutschland, Giessen 1859, nicht entfernt die Aechtheit der in der Yorker Urkunde enthaltenen alten Pflichten, aber dennoch erklärt er mit Kloss nur die im J. 1840 aufgefundene Haliwell’sche Urkunde für die älteste erhaltene maurerische Urkunde. Ebenso gibt Keller zu und beruft sich dafür sogar auf die feindlichen Angriffe des bekannten Plot, gewesenen Professors der Chemie an der Universität Oxford, in seiner Natural History of Staffordshire,1)Krause, II. 2. S. 293 ff. dass die in der Yorker Urkunde enthaltene Erzählung über deren Erlassung auf einer allgemeinen Maurerversammlung zu York im J. 926 als eine alte, nach Plot in einem grossen Pergamentbande gemachte, wirklich vorhanden gewesen sei: aber dennoch ist die Yorker Urkunde falsch, weil sie eine bestandene Erzählung oder Sage mittheilt. Die homerischen Gesänge sind nicht falsch, so wenig als die Veden, wenn sie auch erst lange nach ihrer mündlichen Abfassung niedergeschrieben wurden: gleichmässig mag es sich mit der Yorker Urkunde verhalten. Röhr, amerikanisch-deutsche Jahrbücher für 1859 1860, Williamsburgh 1860, S. 29 ff., scheint es als vollkommen geschichtlich hergestellt zu betrachten, dass zu York beinalie acht Jahrhunderte hindurch, wenn auch mit mehr oder weniger Unterbrechung,2)Vergl. Krause, II. 1. S. 114 ff. und namentlich im J. 926, 1561 und 1663, jährliche allgemeine Zusammenkünfte (General-Assembly) der Maurer abgehalten worden seien; noch werde eine Abschrift der Regu -208 lationen aufbewahrt, welche jene Versammlung im J. 1663 bei dem Feste Johannes des Evangelisten aufgestellt habe und worin bestimmt sei, dass die einzelnen Logen der Generalversammlung jährlich über alle von ihnen im Laufe des Jahres gemachten Mitgliederaufnahmen Bericht erstatten sollen, wie bekanntlich jetzt alle einzelnen Logen einen solchen schriftlichen allgemeinen Jahresbericht, gleichfalls ihrer Grossloge einzusenden haben; die im J. 1717 bei Errichtung der neu-englischen Grossloge mit andern verbrannten hinterlassenen Schriften des berühmfen Alterthumsforschers Br. Ashmole1)Vergl. Krause, II. 1. S. 26 ff. haben die Nachricht enthalten, dass Prinz Edwin die königliche Bewilligung zur Abhaltung der allgemeinen Jahresversammlungen ausgewirkt habe. Wer solche jährliche allgemeine Maurerversammlungen zu York seit dem J. 926 mit achthundertjähriger Fortdauer für erwiesen oder auch nur für wahrscheinlich und möglich hält, wird dann auch weiter nothwendig zugestehen, es sei über die Beschlüsse dieser Versammlungen durch die als Schreiber beigezogenen Geistlichen ein Protokoll geführt und daraus zuletzt, d. h. mehr oder weniger lange nach dem J. 926 der lateinische historische Bericht über die Beschlüsse der Yorker Versammlungen zusammengestellt worden. Die legenden - oder sagenhafte Einleitung zu den Yorker Gesetzen wird keinem Kenner mittelalterlicher Geschichts - und Gesetzesurkunden, welche fast alle an die Erschaffung der Welt, an die Sinfluth und Arche Noah’s oder auch an die Zerstörung Troja’s anzuknüpfen pflegten, auffallen, im Gegentheil wird er gerade in dieser Gestalt der Urkunde einen neuen Beweis für ihr höheres Alter erblicken. Die Ansichten des Br. Röhr in Williamsburg, des höchst achtbaren Vertreters der deutschen maurerischen Literatur in Nordamerika, welcher im Uebrigen auf dem geschichtliehen Gebiete den Ansichten von Kloss und Keller huldigt, haben wir nur als eine neueste Anerkennung der Ergebnisse der ausführlichern und gründlichern Forschungen von Krause berührt. Die englischen Generalversammlungen waren übrigens im Grunde nur gesetzgebende und209 übten die gesetzgebende Gewalt nur in der vorübergehen den Versammlung unter dem für diese erwählten Vorsteher oder Vorstehern, dem später ständigen Grossmeister aus;1)Krause, II. 1. S. 35. die Zusammenberufung der Versammlung und die laufenden Verwaltungsgeschäfte, namentlich auch die Aufbewahrung des Archives und der Protokolle wurden ohne Zweifel durch die Loge in York besorgt. Deshalb wurde sodann von dem sog. alten oder York-Maurern die Loge von York, deren Meister nunmehr oder vielleicht schon etwas früher gleichfalls den Titel Grossmeister annahm,2)Krause, II. 1. S. 37 ff. als die alte und einzig gesetzliche Grossloge der neu-englichsen und ungesetzlichen oder willkührlichen Grossloge zu London entgegengesetzt.

In einem Anhange zu der Yorker Urkunde findet sich eine dem Könige Wilhelm III. zugeschriebene neue Redaction der Pflichten und Satzungen der Maurer vom J. 16943)Krause, II. 1. S. 102 ff. mit folgenden allgemeinen Pflichten:

Die erste Pflicht ist, dass ihr treu gegen Gott sein und alle, Dem widersprechende, Irrlehren meiden sollt.

Ferner sollt ihr auch treue Unterthanen eures Königs sein, und der von ihm bestellten Obrigkeit gehorchen. Ihr sollt nicht an Hochverrath oder Verrätherei Theil nehmen, sondern dem Könige oder seinem Rathe allemal Anzei’ge davon machen.

Ferner sollt ihr gegen alle Menschen und besonders gegen einander treu sein, einander lehren und gegenseitigen Beistand leisten, und überhaupt allen Andern thun, wie ihr euch selbst thun würdet.

Ferner sollt ihr die Logen fleissig besuchen, um immer mehr Unterricht zu erhalten, alte Gebräuche bewahren, und Alles treulich geheim halten, was ihr von der Maurerei erfahren möget, damit Fremde sich nicht unrechtmässig einschleichen können.

Ihr sollt auch weder stehlen, noch gestohlenes Gut verhehlen, sondern treu sein dem Herrn, der euch bezahlt,

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dem ihr arbeitet, auch auf des Herrn Vortheil sehen und zu seinem Nutzen arbeiten.

Ferner sollt ihr alle Maurer Mitgenossen oder Brüder nennen, und sie lieben, und keine andere Benennung gebrauchen.

Ferner sollt ihr eures Bruders Weib nicht zurn Ehebruche verführen, noch seine Tochter oder Magd schänden, ihn auf keine Art in Schande bringen, noch ihn ausser Arbeit setzen.

Ferner sollt ihr ehrlich euer Essen und Trinken bezahlen, wo ihr einkehret. Ihr sollt auch nirgends ein Verbrechen, oder etwas Schlechtes begehen, wodurch die Maurergesellschaft in üblen Ruf kommen könnte.

Auch die nur flüchtigste Vergleichung der ältern und der jüngern Fassung der maurerischen Pflichten wird überzeugen, dass die ältere erhabener und idealer, rein christlicher und rein menschlicher, bardischer und weniger römisch-katholisch, benedictinisch sei. Das Mönchs - und das Papstthum wurde auch in England immer mächtiger und unduldsamer, wodurch als Gegenwirkung zunächst die Reformation und in dem maurerischen Lebenskreise die Freimaurerei vorbereitet wurde. 1)Vergl. auch Krause, II. 1. S. 116 ff.Auch mag schon jetzt die für die Geschichte der Bauhütten und des sie erfüllenden höhern weltbürgerlichen, oder europäischen Geistes sehr wichtige Bemerkung gemacht werden, dass ursprünglich die Bauhütte keine bleibende und feste Stelle hat und haben sollte, sondern nur vorübergehend an dem Orte, in der Stadt aufgeschlagen wird, wo man eben, grosse Bauten unternommen hat, um nach Vollendung der Bauten wieder abgebrochen und nach einem andern Orte, verlegt zu werden. Die Beweglichkeit und Wandelbarkeit der Bauhütte, gleichsam des tragbaren jüdischen Gotteszeltes, erhielt den Sinn der Bauleute selbst beweglicher und blos auf ihren Zweck des Bauens gerichtet, und die Bauhütte selbst war eine stets sich bewegende, wandelbare und sich erneuernde, indem die sie bildenden Meister und Gesellen im ewigen Wechsel zu und wieder fortwanderten. Das Wandern und die Wandelbarkeit, die stete Ver -211 jüngung und Fortbildung gehört somit zum innersten Wesen der eigentliehen mittelalterlichen Bauhütten, wie es ähnlich noch das Wesen der Hochschulen in den Lehrern und Studirenden ausmacht, oder doch ausmachen sollte. Alles Dieses änderte sich nicht zum Vortheile und zu seinem Gegentheile, sobald die bewegliche Bauhütte zu einem bIeibenden Bestandtheil der Stadt wurde, die Künstlerhütte zu einer städtischen Handwerkerzunft herabsank und das tragbare Gotteszeit versteinert wurde, wie z. B. whon im J. 1410 die Free-Masons (dieser Name wurde ausdrücklich gebraucht) in London als Zunft incorporirt worden sind. 1)Krause, II. 1. S. 121 Anm. und S. 287.Nunmehr oder durch eine solche Incorporation wurde wenigstens rechtlich aus dem europäischen freien Künstler ein gebundener und gedrückter städtischer Handwerksmann, aus dem bisherigen Weltbürger ein Spiessbürger, aus dem Wanderer ein Stillständer, aus dem Freunde aller Menschen der Feind aller Nichtstädter und Nichtzünfter, dessen höchstes Gebet für das Wohl der Brüder Mitmeister zum Himmel steigt. Diese versteinernden Incorporationen der Bauhütten gehen im Allgemeinen mit dem Sinken und Aufhören der Kirchenbaukunst Hand in Hand, sind gleichsam die kleinen städtischen Ueberreste der einstigen grossen Kirchenbauten; es wird nicht mehr neu gebaut, sondern blos wiederhergestellt und geflickt, bis im J. 1717 das wirkliche Bauen endlich ganz aufhörte. Man könnte in der That und Wahrheit sagen, im J. 1717 habe die Maurerei die festgesessenen Bauleute, die Steine abgeworfen, um wieder als freier, befreiter und befreiender Geist zu wandern; die Steinmaurerei, masonry operative, wurde zur Freimaurerei, zur freien Geistesmaurerei, masonry speculative, der Zünfter und Städter wurde zum Künstler und Menschen, zum Weltbürger.

Hätte man die geistige und weltbürgerliche, die künstlerische und wissenschaftliche Natur der Bauhütten und Bauschulen, die Kunst und Wissenschaft mehr erkannt und sie nicht mit den Zünften oder Gilden der städtischen Handwerker verwechselt, man würde gewiss in der mau -212 rerischen Geschichtsforschung und Geschichtschreibung niemals auf die ganz ungeschichtliche Behauptung und Meinung verfallen sein, unsere Kunst und Wissenschaft, unser Weltbürgerthum hänge nicht mit dem Alterthume und der alten Welt zusammen. Aber dennoch soll das Ungeschichtliche nun das einzig Geschichtliche sein und nach Seydel das (Neu -) Rationelle, was indessen bald königlich sächsisch rumpelte ,1)Vergl. Nr. 39 und 43 der Bauhütte für 1861. dass es ein Krausen, kein Grausen war. Den griechisch-römischen Ursprung der Bauhütten, der Freimaurerei beweiset hinlänglich schon die Kammer (camera, gr. 〈…〉〈…〉)2)Vergl. auch Krause, II. 1. S. 158. des stillen Nachdenkens.

Dass die in der Yorker Constitution niedergelegten maurerischen Grundsätze und Pflichten in den unmittelbar darauf folgenden Jahrhunderten und bis auf die Zeiten der Reformation hin nicht fortgebildet, sondern möglichst kirchlich verdeckt und vergraben worden seien, beweisen die alten Pflichten, wie sie Preston in seinen Illustrations of Masonry aus einem Manuscripte der Lodge of Antiquity zu London aus der Zeit des Königs Jakob II. und nach ihm Krause, II. 1. S. 171 ff., mitgetheilt hat. Die erste der Pflichten lautet jetzt:

Dass ihr treue Männer gegen Gott und die heilige Kirche sein, und keine Irrlehre oder Ketzerei hegen sollt, nach eurem eigenen Verstande und nach weiser (freidenkerischer) Männer Lehre.

Die Urkunde, welche bestimmt war, bei der Einweihung eines Meisters vorgelesen zu werden, schliesst mit den Segensworten: Der allmächtige Gott Jakobs, der euch und mich immer in Obhut nehme, segne uns nun und immerdar! Amen!

Das Constitutionenbuch der neu-englischen Grossloge erklärt unter den alten Gesetzen als:

I. Pflicht. In Ansehung Gottes und der Religion.

Der Maurer ist durch seinen Beruf verbunden, das213 Sittengesetz zu beobachten wie ein treuer Noachide, und wenn er das Gewerk recht versteht, wird er weder ein stumpfsinniger Gottleugner, noch ein irreligiöser Freidenker sein, noch wider sein Gewissen handeln.

In alten Zeiten hatten die christlichen Maurer die Pflicht auf sich,. nach den christlichen Gebräuchen jeden Landes sich zu richten. worin sie reiseten oder arbeiteten: da aber Maurerei unter allen Völkern, selbst von verschiedenen Religionen, gefunden wird, so haben sie jetzt nur die Pflicht auf sich, der Religion anzuhängen, worin alle Menschen übereinstimmen (jedem Bruder seine eigenen besonderen Meinungen überlassend); d. i. gute und treue Männer zu sein, Männer von Ehre und Rechtschaffenheit, durch was immer für Benennungen, Religionen oder Ueberzeugungen sie unterschieden sein mögen: denn sie stimmen mit den drei grossen Artikeln Noah’s überein, genug, um den Kitt der Loge zu bewahren. So ist die Maurerei der Mittelpunkt ihrer Vereinigung und das glückliche Mittel, Menschen zu vereinen, welche ausserdem in beständiger Entfernung hätten bleiben müssen.

II. Pflicht. Von der bürgerlichen Obrigkeit, der höchsten und der untergeordneten.

Ein Maurer ist ein friedlicher Unterthan, der sich nie in Zusammenrottungen gegen den Staat verwickeln lassen soll, noch auch den Unterobrigkeiten die Achtung vesagt. Von Alters her munterten Könige, Fürsten und Staaten die immer am meisten in Friedenszeiten blühende Bruderschaft auf und begänstigten sie wegen ihrer Bürgertreue. Aber obgleich ein Bruder gegen den Staat in seiner Rebellion nicht zu bestärken ist: so bleibt doch, wenn er keines andern Verbrechens überwiesen ist, sein Verhältniss zur Loge unveränderlich.

Bekanntlich standen in England lange Jahre zwei Grosslogen sich feindlich gegenüber, die neuenglische Grossloge und diejenige der sog. York-Maurer, welche sich aber im Jahr 1813 zu einer einzigen Grossloge214 vereinigten und dabei die beiden ersten Pflichten dahin fassten:1)Krause, II. 1. S. 239 ff.

I.

Der Maurer ist durch seinen Beruf verbunden, dem Sittengesetze zu gehorchen; und wenn er die Kunst recht versteht, wird er weder ein stumpfsinniger Gottesläugner, noch ein irreligiöser Freidenker sein. Er sollte von allen Menschen am besten verstehen, dass Gott nicht siehet, wie der Mensch siehet; denn der Mensch sieht nur nach dem Augenschein, Gott aber sieht in das Herz. Ein Maurer ist daher besonders verbunden, nie Dem zuwider zu handeln, was ihm sein Gewissen vorschreibt. Lasst eines Menschen Religion oder Anbetungsart sein, welche sie wolle, er ist von dem Bunde nicht ausgeschlossen, vorausgesetzt er glaube an den ruhmwürdigen Baumeister des Himmels und der Erde, und übe die heiligen Pflichten der Sittlichkeit aus. Die Maurer vereinigen sich mit den Tugendhaften von einer jeden Ueberzeugung unter dem festen und beseligenden Bande der Bruderliebe; sie werden gelehrt, die Verirrungen des Menschengeschlechts mit Mitleiden zu betrachten und dahin zu streben, dass sie durch die Reinheit ihres eigenen Verhaltens die höhere Vortrefflichkeit des Glaubens beweisen, zu dem sie sich bekennen mögen. So ist die Maurerei der Mittelpunkt der Vereinigung zwischen guten und treuen Männern und das glückliche Mittel, Freundschaft unter Solchen zu stiften, welche ausserdem in beständiger Entfernung hätten bleiben müssen.

II.

Der Maurer ist ein friedfertiger Unterthan der bürgerlichen Gewalten, wo er auch wohnt und arbeitet, und soll sich nie in Zusammenrottungen und Verschwörungen gegen den Frieden und die Wohlfarth des Volkes verwickeln lassen, noch sich pflichtwidrig gegen die Unterobrigkeiten betragen. Er soll sich mit Freuden jeder gesetzmässigen Behörde fügen; er soll bei jeder Gelegenheit das allgemeine Beste aufrecht erhalten, und mit Eifer215 das Wohl seines eigenen Vaterlandes befördern. Die Maurerei hat immer in Friedenszeiten geblüht und ist immer benachtheiligt worden durch Krieg, Blutvergiessen und Verwirrung, so dass Könige und Fürsten in jedem Zeitalter sehr geneigt gewesen, die Mitglieder der Zunft ihrer Friedfertigkeit und Bürgertreue wegen, wodurch sie den bösen Leumund ihrer Gegner mit der That widerlegten, aufzumuntern und die Ehre der Brüderschaft zu befördern. MitgIieder der Zunft sind durch besondere Verpflichtungen verbunden, Frieden zu befördern.

Die Geschichte des Dogma’s der Freimaurerei, welche hiermit in ihren Grundzügen dargelegt ist, ergibt, dass ganz unzweifelhaft York (Eboracum), die dort früh blühende Bauhütte oder Bauschule, die daselbst im J. 926 unter dem Vorsitze des Prinzen Edwin gehaltene allgemeine Versammlung der Bauleute, der Architekten und Baumeister, und die von dieser festgesetzten allgemeinen maurerischen Verpflichtungen die Wiege der Freimaurerei, d. h. des allgemeinen und reinen Menschenthums, des Weltbürgerthums unter den wandernden Menschen und Bauleuten sind. Die Freimaurerei ist dem Völkerrechte, dem Weltbürgerrechte1)Vergl. Symbolik, I. S. 293 ff. und S. 660 ff. innigst verwandt, mit ihm innerhalb ihres Kreises gleichbedeutend und nur der Inbegriff derjenigen Grundsätze, nach welchem die Bauleute der verschiedensten Länder und des verschiedensten Glaubens in ihrem Zusammen - und Untereinandersein leben müssen, wenn sie mit einander sollen, und wollen leben und bauen können. Die Freimaurerei ist ein jus peregrinum, jus divinum et humanum. jus sodalitii humani, mit welchen Ausdrücken hinreichend ihr Wesen, ihr Zweck, ihre Bedeutung und ihre Geschichte bezeichnet ist, sie ist das Recht und die Pflicht der fremden Bauleute, der wandernden Meister und Gesellen. Die Freimaurerei ist durchaus nichts Ungewöhnliches oder Besonderes, sondern blos eine vorzügliche Seite des allgemeinen Völkerverkehrs und Völkerrechtes, des Weltverkehrs und des Weltbürgerrechtes, es ist das Völkerrecht der Bauleute. Man könnte wie von der Freimaurerei so von der Freihandlerei, Frei -216 studirerei, Freisoldaterei u. s. f. reden, und sie entstanden und bestanden, entstehen und bestehen gleich jener; was die Staaten dem freien Handel, den Hochschulen, den angeworbenen fremden Truppen u. s. w. noch heute zugestehen und zugestehen müssen, wollen sie anders Handel, von Fremden besuchte Hochschulen und fremde Miethtruppen haben, mussten sie auch den fremden Bauleuten bewilligen, wenn sie mit ihnen und durch sie zu bauen beabsichtigten. Das Recht des fremden und ausländischen Menschen ist hier überall die Hauptsache und ihm soll die Fremde und das Ausland zur Heimath und zum Inlande gemacht werden, er soll erkennen, dass, wohin er auch ziehe und wo er weile, er auf Gottes Erde unter seinen Kindern, den Menschen weile. Daher hat auch die Freimaurerei den höchsten äussern Werth noch heute für den Wandernden, für den Fremdling und sein Freimaurerdiplom steht dem Passe wenigstens gleich, wenn nicht viel höher als derselbe. Für die Inländer, für die Heimischen ist die Freimaurerei die Pflicht der Gastfreundlichkeit, der Menschlichkeit, der Liebe und Hülfe gegen den Fremden und Ausländer. Die 13te Verpflichtung der oben berührten, von Preston veröffentlichten Urkunde der Lodge of Antiquity bestimmt demnach:

Dass jeder Maurer fremde Brüder, wenn sie über Land kommen, aufnehme und liebreich behandle, und sie in Arbeit setze, wenn sie arbeiten wollen. 1)Krause, II. 1. S. 176.

Doch die gleiche Verpflichtung hatte schon die Yorker Urkunde als die zwölfte der besondern maurerischen Pflichten aufgestellt:

Jeder Maurer soll fremde Brüder, die die rechten Zeichen geben, mit Liebe aufnehmen, und ihnen, wenn sie Arbeit bedürfen oder verlangen, diese bis zur nächsten Loge, wie gewöhnlich, dergestalt geben, dass er ihnen, wenn er Steine zu formen hat, die andere Hälfte zu formen überlässt, und sie so in Arbeit setzt. Hat er aber keine Steine zu formen, so soll er sie bis zur nächsten Loge mit Geld unterstützen. 2)Krause, II. 1. S. 107.

217Die neuenglische Grossloge verordnete in der sechsten der alten maurerischen Verpflichtungen betreffend das Betragen gegen einen auswärtigen Bruder oder Fremden:

Ihr sollt ihn sorgfältig ausforschen, wie euch die Klugheit leiten wird, damit ihr nicht von einem Unwissenden, der falschlich Ansprüche macht, betrogen werdet. Einem Solchen müsst ihr mit Spott von euch stossen, und über euch wachen, damit ihr ihm keine Winke gebet. Aber wenn ihr entdecket, dass er ein treuer und zuverlässiger Bruder ist, so sollt ihr ihn als einen Bruder achten, und wenn er in Noth ist, so müsst ihr helfen, insofern ihr könnt, oder ihm sonst Anleitung geben, wie ihm geholfen werden möge. Ihr müsst ihm Arbeit geben, wenn ihr könnt, oder ihn irgendwo empfehlen, dass er angestellt werde. Doch seid ihr nicht verbunden, über euer Vermögen zu thun. 1)Krause, II. 1. S. 235.

Auch bezüglich der Gastfreundschaft gegen fremde Glaubens - (und Kunst -, Gewerbs -) Genossen haben die Klöster den Bauleuten zum Vorbüde gedient, indem sie zuerst durch besondere Verträge oder durch die Gesetze ihres Ordens diese Pflicht gegen die fremden reisenden Klostergenossen übernahmen und trugen. Die Klöster nach dieser Seite hin waren Fremdenherbergen und hatten einen eigenen Beamten, um die fremden bedürftigen Ansprecher zu prüfen und nach bestandener Prüfung zu verpflegen und zu bedienen, wie noch ganz dasselbe Amt der maurerische Ceremonienmeister hat. Die Maurerdiplome, die besondern Erkennungszeiehen, die Griffe, die heiligen Worte der Maurer u. s. w. haben, gleich den ähnlichen Einrichtungen und Gebräuchen der Wandergesellen, alle nur darin ihren Entstehungsgrund und ihren Werth, um bei fremden Logen und Brüdern sich zu bewähren und deren Hülfeleistung sich zu versichern in der eigenen Loge bedarf es dieser Sachen nicht, man kennt sich ohnehin, wie man auch keinen Pass im Inlande braucht. Die Herbergen2)Vergl. Ziemann, mittelhochdeutsches Wörterbuch, unter Herberge; Schmeller, baierisches Wörterbuch, III. S. 228; Benecke, mittelhochdeutsches Wörterbuch, I. S. 161. der Handwerkergesellen sprechen noch deut -218 licher und sie sollen zunächst nur die fremden Wanderer aufnehmen, woran sich die sog. Schaugesellen, Irten - oder Ordengesellen (die maurerischen Ceremonienmeister) schliessen, welche für die Unterbringung der einwandernden Gesellen zu sorgen, für sie bei den Meistern nach einer Anstellung Umfrage und Umschau zu halten, auch sie zu bewirthen hatten, wo Geschenke eingeführt waren, und ihnen den Gruss (der Legitimation) abfordern mussten. 1)Stock, a.a. O., S. 9 und 33, S. 49 ff. Die gleiche Sitte und Pflicht hatten und haben die Studentenverbindungen, namentlich die burschenschaftlichen, gegenüber den fremden Verbindungsgenossen und sie ist die stärkste Bewährung der Zusammengehörigkeit, der Einheit. Alle, welche vermöge ihres Berufes und Geschäftes oft und viel reisen müssen, die reisenden Handelsleute, lassen sich daher gerne zu Freimaurern aufnehmen, was ein beredtes Zeugniss für die Natur und den Werth der Freimaurerei ist. Die Herbergen, alt Heriberga, span. albergue, franz. auberge, werden noch näher bezeichnet als ellende Herbergen, Herbergen für Ellende, Fremde,2)Ziemann, a. a. O., unter Ellende. für Andersländische (ali-landi), wie z. B. Zürich eine solche hatte und das dazu gebrauchte Haus noch heute zur ellenden Herberge heisst. Die meisten Abteien des Herzogthums Baiern hatten in München eigene Herbergen oder Häuser zur Aufnahme ihrer dahin gesandten Conventsmitglieder. 3)Schmeller, a. a. O., III. S. 229. Der letzte Grund und Ursprung der Sitte liegt wohl in den Gebräuchen der römischen Collegien und in ihrem jus sodalitium, worunter man namentlich auch die aus einem freiwilligen, wechselseitigen Vertrage entsprungene Verbindlichkeit verstand, sich wechselseits, wie Brüdern und Kindern, Hülfe zu leisten, welche Verpflichtung mit der der Gastfreundschaft zusammenfällt und von den Griechen und Römern sehr heilig gehalten wurde. 4)Krause, II. 2. S. 141.Hiermit hängt es denn auch zusammen, dass die Provinzialcollegien des römischen Reiches sehr oft mit ihren zu Rom befindlichen Patronen einen förmlichen wechselseitigen219 Vertrag der Gastfreundschaft (per tesseram hospitalem) abschlossen. 1)Krause, Il. 2 S. 155. Sodales, qui ejusdem collegii sunt, sind in dieser Richtung zur Gastfreundschaft, zur unentgeldlichen Beherbergung Berechtigten und sodalitium ist das Recht und die Pflicht dieser Beherbergung. Welchen Werth auch die Kymren und ihre Barden auf die Gastfreudschaft legten, ergeben die obigen Triaden. Bei den deutschen Zünften war ein reicher Zunftpokal, der sog. Willkommen oder auch das Geschenk zur Dartrinkung des feierlichen gastfreundlichen Bewillkommungstrunkes, des Willkommens, des Geschenkes ein wichtiges Recht, welches durch besondere obrigkeitliche Concessionen verliehen wurde und wornach die dazu berechtigten Handwerke sich geschenkt nannten. 2)Stock, S. 38 ff. Im Verlaufe der Zeiten wurde aus dem Willkommen, aus dem ehrenvollen Bewillkommnungstrunk ein Geldgeschenk (viaticum) an den reisenden Handwerksgesellen und Bruder, wie solche viatica auch bei den Freimaurern gefordert und gegeben werden. Durch §. 7 des Reichsschlusses von 1731 wurde der Unterschied der geschenkten und ungeschenkten Handwerke jedoch aufgehoben, und die Grösse des an einem Orte auf der Herberge einem Wandergesellen in Geld oder in Speisen und Getränken zu verabreichenden Geschenkes auf 4 5 gute Groschen oder 15 20 Kreuzer rh. festgesetzt. Zunftpokale waren auch schon bei den römischen Collegien im Gebrauche. 3)Symbolik, II. S. 240 ff. Schenker, Schenkgeselle hiess derjenige Meister oder Geselle, welcher das Geschenk den Fremden zu verabreichen hatte. Die Reichspolizeiordnung von 1577, Tit. 38. §. 3, bestimmte, dass die Wandergesellen, welche Dienst verlangen, sich an jedem Orte an den jüngsten Meister oder die dazu bestellte Person wenden sollen, damit er ihnen für einen Dienst sorge. 4)Kraut, Grundriss zu Vorlesungen über das deutsche Privatrecht, S. 174.Dass übrigens auch die Klostergebräuche mehr oder weniger auf die Gebräuche der spätern Handwerkszünfte und Gesellenbrüder -220 schaften vorbildlich eingewirkt haben, davon sind noch mancherlei Spuren vorhanden. So sagt z. B. bei den Kupferschmieden der Schenkgeselle beim Zutrinken des Willkommens gleichsam zur Entschuldigung: Das Kloster ist arm, der Brüder sind viel, der Abt trinkt selber gern. 1)Stock, S. 46 und 48. Dieselbe Aeusserung kommt auch bei den Seilergesellen vor. 2)Stock, S. 70 und 96.

Den oben berührten Maurerdiplomen stehen auch die Ritterdiplome gleich, welche in Frankreich schon frühe ausgefertigt wurden,3)Warnkoenig, franz. St. -Gesch, S. 250, Anm. 7. und beruhen auf denselben Gründen. Nach Schnaase, Gesch. der bildenden Künste, V. S. 15 Anm., sollen die Araber die Erfinder des Passwesens sein und dasselbe von ihnen auf die abendländischen Fürsten übergegangen sein, indem namentlich in dem Vertrage zwischen Richard Löwenherz und Saladin bestimmt worden sei, dass nur solche Pilger zu Jerusalem zugelassen werden sollten, welche Briefe des Königs oder seines Stellvertreters bei sich führten. Allein deshalb dürfte den Arabern noch nicht die Erfindung und das Aufkommen des Passwesens zugeschrieben werden und dasselbe liegt mehr in älteren oder gleichzeitigen europäischen Sitten und Bedürfnissen begründet. Bei den Persern wurden von dem Könige verdiente In - oder Ausländer für geleistete Dienste mit einer goldenen Schale (tesserae hospitales) als〈…〉〈…〉, als Erkennungs - und Beglaubigungszeichen beschenkt, wie Demos, des Pyrilampes Sohn, also beschenkt worden war. 4)Rauchenstein, ausgewählte Reden des Lysias, Berlin 1859, S. 162.Diese Schale gewährte Vortheile mancherlei Art, namentlich zu Geldanleihen, weshalb Demos dieselbe an Aristophanes zum Zwecke einer Reise nach Persien vermiethete.

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IV. Die römischen Collegien und ihre Fortdauer in den gallischen Städten.

Von den römischen Collegien wurde schon weitläufiger in der Symbolik. II. S. 243 ff., gehandelt, und es muss das dort Beigebrachte als hier bekannt vorausgesetzt werden. Um das tiefere und höhere Wesen der römischen ColIegien und ihre Fortbildungen und Umänderungen bei den christlichen Völkern und in den christlichen Zeiten zu verstehen, muss davon ausgegangen worden, dass sie Genossenschaften, religiöse Vereine und Bruderschaften zur gemeinsamen Verehrung einer bestimmten Gottheit (collegia sacra) mit eigenthümlichem Gottesdienste und eigenthümlichen Heiligthümern (sacra) gewesen seien. Die ältesten und ursprünglichsten menschlichen Vereine sind die religiösen, die priesterlichen, die auf dem gleichen Glauben beruhenden, daher die Priesterherrschaften den übrigen Herrschaften vorausgehen. Die Collegien waren ursprünglich die natürlichen Verbindungen der zu einem und demselben Geschleehte Gehörigen, welche als solche auch den gleichen Glauben und die gleiche Lebensbeschäftigung hatten: die Abstammung, der Glaube und die Lebensbeschäftigung knüpften die Menschen gleich stark und näher an einander. Die Priestereollegien sind die ersten Anfänge, die ersten Regungen der Staatenbildung und die Priestercollegien der Fratrum Arvalium und sodalium Titiorum haben bei den Römern allen spätern Collegien zum Vorbilde gedient. Sobald die Staatenbildung weiter vorangeschritten war, die menschlichen Vereine eine wirklich staatliche und rechtliche Natur und Zweckbestimmung angenommen hatten, musste das Religiöse, das Kirchliche sich dem Staatlichen, dem Gewerblichen unterordnen und die Collegien waren jetzt Gewerbsvereine mit zugleich gemeinschaftlichen Göttern und Gottesdiensten. Die gleiche Geschlechtsabstammung konnte nicht mehr festgehalten werden; in den Gewerbs -, in den222 Staatsverein traten auch Geschlechtsfremde, wenn sie nur u demselben Gewerbe gehörten, oder das Geschlechtsband gerieth in Vergessenheit und erschlaffte, wogegen die gewerblichen Bande stets mehr und lebendigere erstarkten. Collegae und sodales standen aber immer in einem besonders nahen, gleichsam verwandtschaftlichen Verhältnisse zu einander und sodalitas wird wiederholt mit cognatio und adfinitas zusammengestellt. Bei Q. Cic. de petit. consul. 5, 16 heisst es z. B.: qui sunt amici ex causa justiore cognationis aut sodalitatis aut alicujus necessitatis. Auch erhellt aus Cieeros Rede pro Sulla cap. 2, 3, §. 7, dass es bei den Collegien als eine Pflichtsache galt, ihren Mitgliedern gerichtlichen Beistand zu leisten. 1)K. Halm, Ciceros ausgewählte Reden, III. Bändchen (Berlin 1859) zu obiger Stelle. Die Familienvereine, die Familien und Geschlechter einerseits, und die gewerblichen Vereine, die Gewerbscollegien andererseits, sind die beiden Grundsäulen, auf welchen das ganze Staatsgebäude ruht und die dieses tragen. Namentlich aber musste die Städteverfassung an die Gewerbscollegien angeknüpft werden, weil ja die Städte nichts anderes sind, als die Vereinigungs - und Mittelpunkte des gewerblichen Lebens, wie die Dörfer des Landlebens, der Ackerbauer. Wo man Städte gründen und blühend machen wollte, musste man Gewerbe und Handwerke einführen und beschützen und die Städtegesetzgebung fällt mit der Gewerbs - und Handwerksgesetzgebung zusammen. Die römischen Gewerbscollegien beruhten auf dem Grundgedanken, dass Diejenigen, welche zu demselben College gehören, collegae, sodales, in der möglichst innigen Vereinigung aller Lebensverhältnisse und Lebensschicksale, des Lebens, Leidens und Sterbens, der Erde und des Himmels zu einander stehen sollten. Die städtischen Gewerbscollegien (universitates, collegia) waren eine Stadt, eine Gemeinheit in der grossen städtischen und staatlichen Gemeinheit mit derselben Grundverfassung und Grundbestimmung. 2)Vergl. Seuffert, practisches Pandectenrecht, §. 51; Puchta, Pandecten, §. 26; Vangerow, Lehrbuch der Pandecten, I. §. 53 ff.Daher sagt Gajus in I. 1 §. 1 D. quod223 cuiusque universitatis nomine vel contra eam agetur (III. 4): Quibus autem permissum est corpus habere, collegii, societatis, sive cuiusque alterius eorum nomine, proprium est, ad exemplum reipublicae habere res communese arcam et acorem sive syndicum, per quem, tanquam in republica, quod communiter agi fierique oporteat, agatur et fiat.

Das nahe liegende Mittel zur Hebung und Begünstigung, der dem Staate besonders werthen und nützlichen Gewerbe bestand darin, ihnen Privilegien, die Befreiung von den Staatslasten (a muneribus publicis) zu verleihen, so dass die Beliehenen befreiet und unbelastet (immunes) wurden. L. 6 D. de jure immunitatis (50. 6) gibt nach Tarruntenus Paternus libro I. Militarium ein Verzeichniss der befreiten (immunium) Gewerbe, worin neben einander aufgezählt werden: artifices, architectus, fabri, carpentarii, lapidarii, ferrarii, mensores, valetudinarii, medici, et qui aegris presto sunt, librarii quoque, qui docere possunt u. s. w. Hi igitur omnes inter immunes habentur , schliesst das angeführte Gesetz; sie begreifen also namentlich die spätern gefreiten oder befreiten Maurer, Free-Masons. Noch im J. 376 erliessen Valens, Gratian und Valentinian an den Praefectus Praetorio Galliarum eine besondere Constitution über die Behandlung der Professoren in den gallischen Städten, welche in c. 11 Cod. Theod. 13, 3 enthalten ist. 1)Vergl. nach Warnkoenig, franz. St-Gesch., S. 55, Anm. 3; oben S. 110.

An die städtischen Collegien, welche mit der römischen Herrschaft in alle Länder des römischen Reiches verbreitet worden waren.2)Eichhorn, deutsche St. - und R. -Gesch, II. §. 312. lehnten sich wesentlich an die römischen Künste und Gewerbe, die practische römische Bildung, die römische Sprache und das römische Recht, die römischen städtischen Einrichtungen u. s. w., so dass, wenn nach dem Untergange des römischen Reiches die von den Römern gegründeten Städte fortgedauert haben und niemals völlig untergegangen oder zerstört worden sind, eben damit und darin auch das römische Leben224 überhaupt und in Sonderheit die römischen Gewerbscollegien mit den ihnen eigenthümlichen Einrichtungen sich forterhalten haben. Dieses gilt nun bestimmt von Italien1)Vergl. darüber auch Schnaase, IV. 2. S. 166 ff. und von Gallien, und ist durch die deutsche rechtsgeschichtliche Schule von Savigny, Eichhorn u. s. w. zuerst gründlich dargethan,2)Vergl. Symbolik II. S. 254 ff. von den italienischen und französischen Rechtsgelehrten und Geschichtsforschern sodann gleichfalls angenommen und weiter geführt worden. Unter den Römern blühten in ganz Gallien nicht allein zahlreiche Städte, sondern namentlich in diesen die Corporationen der Handwerker und Gewerbsleute, das gewerbliche Leben auf. Diese Corporationen hatten ihre eigenen Beamten (Praefecti, Decuriones, Consules) und einen hochstehenden Mann in der Stadt als Patronus; es gab Patroni omnium Corporum. 3)Warnkoenig, a. a. O. 0, S. 54.Unter Verweisung auf Raynouard, histoire du droit municipal en France, vol. I. (Paris 1828) S. 129, sagt Warnkoenig, S. 55, sehr richtig: Da die Zünfte die Bedürfnisse des täglichen Lebens zu besorgen hatten und die Erhalter der Gewerbe waren, ohne welche die Völker nicht existiren konnten, so mussten sie sich auch nach der Einwanderung der Barbaren erhalten, und so waren sie es, welche die gewerbliche Cultur der Alten auf die neuen Völker übertrugen, da sie in den nicht von den Barbaren zerstörten Städten fortbestanden, auch auf die Villae übergingen und so das Zunftwesen der neuern Völker begründeten. Schon lange vor Warnkoenig hatte z. B. auch Luden, allgemeine Gesch. der Völker und Staaten, II. 2. S. 126, bemerkt, Frankreich sei voll gewesen von Städten aus alter Zeit, denen die Unterdrücker Einiges von ihrer alten Verfassung haben belassen müssen und worin der Geist der Freiheit und der Keim des neuen Lebens sich forterhielt.

Thierry, récits des temps Mérowingiens, 2me ed. Paris 1842, I. S. 48, bekennt sich zu derselben Ansicht mit den Worten: il était vrai que les cités gallo-romaines avaient conservé leur régime municipal sous la domination225 des Barbares. Nach Thierry, I. S. 104, hat Dubos in seiner im J. 1734 zuerst erschienenen histoire critique de l’établissement de la monarchie francaise dans les Gauls den Satz von der Fortdauer des römischen Rechts unter der fränkischen Herrschaft in die französische Wissenschaft eingeführt, und ist in dieser Rücksicht der Vorläufer von Savigny. Thierry, I. S. 235, rechnet es zugleich den französischen Geschichtschreibern des 19ten Jahrh. als ein Hauptverdienst an, die Fortdauer des römischen Rechts nach dem Sturze der römischen Herrschaft, die grössere oder geringere Forterhaltung der römischen Stadtverfasung erkannt und unwiderleglich dargethan zu haben. Den Hauptbeweis für den römischen Ursprung der Handwerker-Corporationen enthält nach Thierry, I. S. 347, Anm. 1, die Stadtverfassung von Ravenna, indem man da im J. 943 eine scola piscatorum (Fischerzunft), 953 einen capitularius schole negotiatorum (Vorsteher der Zunft der Kaufleute) und 1001 einen capitularius schole macellatorum (Vorsteher der Zunft der Bäcker) finde.

Poncelet in dem précis de l’histoire du droit françois an dem Commentaire sur le Code civil von Boileux (4te Ausgabe, Paris 1839), I. S. XLVI, sagt von dem südlichen Frankreich im Gegensatze zu dem Norden, dass es avait conservé son indépendance, et avec elle tous les restes de son organisation romaine ses municipes, ses lois, son commerce actif, sa culture intellectuelle. Die städtischen Bewegungen des Mittelalters lässt Ponclet zwischen dem 10ten und 12ten Jahrhundert in Italien anfangen und Europa durchlaufen (S. XLIX). Poncelet (S. LII) rechnet zu den französischen Landen des geschriebenen oder des römischen Rechts besonders auch das Elsass, was besonders wegen Strassburg wichtig ist.

Zachariae, Handbuch des franz. Civilrechts, I. §. 42, unterwirft es gar keinem Zweifel, dass auch nach der Eroberung Frankreichs durch die Deutschen die Römer (und namentlich die Geistlichen als Römer) nach dem römischen Rechte gerichtet worden seien zufolge des Grundsatzes des altdeutschen Rechts, quemlibet sua lege vivere.

Unter den alten gallisch-römischen Städten, welche226 auch in den fränkischen Zeiten sich erhalten haben, verdient vor allen Paris1)Ueber dessen alte Bauten vergl. Schnaase, IV. 2. S. 365 ff. genannt zu werden und seine spätere Geschichte ist um so beachtenswerther, als die ganze Stadtgemeinde und städtische Verfassung des Mittelalters hier sich aus einer übrig gebliebenen römischen Zunft entwickelt hat. Paris hatte unter den Römern eine Municipalverfassung, seine Curia und seinen Defensor, von deren Fortbestehen unter den Franken man noch im 8ten und 9ten Jahrh. Spuren hat. 2)Warnkoenig, S. 310. Die mercatores aquae Parisienses, deren Verbindung als die einzig städtische im 12ten Jahrh. unter dem Namen der Hansa erscheint, betrachtet Warnkoenig, S. 311, mit Recht als aus dem schon zur Zeit des Tiberius genannten collegium der nautarum Parisiaeorum hervorgegangen, wie ebenso die collegia nautarum an den beiden Ufern des Oberrheins und besonders auch in der Schweiz sich forterhalten und umgebildet haben könnten. Von dem collegium nautarum im Murchthale werden zwei Denksteine in Baden und Ettlingen aufbewahrt. 3)Warnkoenig, S. 311, Anm. 2. Der Verein, die Gemeinheit, die Brüderschaft der Kaufleute auf dem Wasser zu Paris verschaffte sich vom 12ten Jahrh. an das gesetzliche Monopol der Schifffahrt und des Handels und begründete dadurch die Grösse und den Reichthum von Paris. 4)Depping, réglements sur les arts et les métiers de Paris. introduct. S. XXII ff. Die Schöffen der Bürger von Paris heissen während des 12ten und 13ten Jahrh. scabini mercatorum Parisiensium, ihr Haupt praepositus mercatorum, woraus der bis zur Revolution von 1789 fortbestehende Titel der Pariser Bürgerschaft Prévot des Marchands hervorging. Mercatores bezeichnet hier nicht sowohl Kaufleute, als Marktleute und Bürger, Mitglieder einer Stadtgemeinde mit dem von ihrem Rechtsbegriffe unzertrennlichen Marktrechte,5)Gaupp, I. S. 16 ff. wie auch im Freiburger Stiftungsbriefe unter mercatores mehrfach die Städter oder burgenses zu verstehen sind. 6)Gaupp, II. S. 6.In dem227 Stiftungsbriefe Conrads von Zähringen für Freiburg wird deshalb gesagt: forum constitui. Das jus consuetudinarium mercatorum, wovon im Berner Stiftungsbriefe geredet wird, ist das gemeine Recht der Städte. Im Parloir (Parlouer) des Bourgeois hielt das Schöffencollegium von Paris seine Gerichtssitzungen und erinnert an den schon früher aufgekommenen Namen des Parlamentes für die Curia oder den höchsten Gerichtshof des Königs. 1)Warnkoenig, S. 332. Auch der maurerische Polier oder Parlierer2)Krause, II. 1. S. 276. Anm. 1. gehört hierher und ist gleichfalls gallischen oder französischen Ursprungs; der Polier, Parlierer wird noch heute am Rheine und namentlich auch in der Schweiz der redende Stellvertreter, der Redner, der Oberaufseher des Baumeisters genannt. Die thüringisch-sächsische Steinmetzordnung vom J. 1462 wurde daher beschlossen von den Werkmeistern, palliren , und Gesellen. 3)Heideloff, Bauhütte, S 47 ff. Die handeltreibende alte römische Schifferzunft von Paris scheint dadurch zur herrschenden der Stadt, zur Stadtgemeinde selbst geworden zu sein, dass sie eben am kräftigsten und festesten in allen Stürmen sich hielt und dadurch die Stadtgemeinde selbst rettete. Auch London hatte in frühern Zeiten eine Kaufmannsgilde (gilda mercatorum, Merchand-Gild), welche aus Kaufleuten, Professionisten und Künstlern bestand,4)Madox bei Krause, II. 2. S. 367. gewissermassen eine Aushülfszunft war, in welche eingereiht wurde, wer vermöge seines Berufes nicht wohl in einer bestimmten andern Zunft untergebracht werden konnte, wie solche Kaufmannsgilden auch in andern englischen und deutschen Städten, z. B. zu Zürich, bestanden.

Tournai, einst eine römische Municipalstadt, hat im 12ten Jahrh. die fränkische Stadtverfassung mit einem Schöffenthum. 5)Warnkoenig, S. 297 und 213. Auch in Arras und Theruane bestand längere Zeit die römische Municipalverfassung fort. 6)Warnkoenig, S. 312.Die Einwohner von Reims rühmten sich im 13ten Jahrh. der römischen Abstammung ihrer städtischen Freiheiten und228 Einrichtungen; ebenso Metz,1)Thierry, récits, I. S. 39 ff. Lyon, Bourges, Boulogne u. s. w., so dass Thierry das bürgerliche oder städtische Leben in Frankreich für den Erbtheil oder die Verlassenschaft der römischen Welt (héritage du monde romain) ansieht und I. S. 351 bemerkt: Les municips romains ont conservé, comme un dépôt, la pratique de l’administration eivile; ils l’ont transmise, en la propageant, aux communes du moyen âge, et c’est à l’imitation des communes que le gouvernement des rois de France s’est mis à procéder, dans sa sphère, d’après les règles administratives, chose qu’il n’a faite que bien tard et d’une façon bien incomplete. Auf diese Weise haben nach der übereinstimmenden Ansicht aller neuern französischen Rechtshistoriker und Geschichtsforscher, namentlich auch von Guizot, die eigentlichen französischen Lebens - und Rechtsverhältnisse in ununterbrochenem Zusammenhange aus den von den Römern in Gallien zurückgelassenen Einrichtungen und Bildungszuständen, namentlich der Städte sich entwickelt.

Depping in der einleitenden Abhandlung zu den von ihm herausgegebenen réglements sur les arts et métier, de Paris rédigés au XIIIe siècle, Paris 1837, führt auch Einiges für den römischen Ursprung mehrerer Handwerkscorporationen zu Paris an. Die Corporation der Metzger rühmte sich eines besonders hohen Alters und für die Wahrheit sprach, dass nach den von den römischen Kaisern für die Metzgercorporationen erlassenen Bestimmungen die Betreibung des Metzgerberufes in den Familien, welche sich einmal demselben gewidmet hatten, sich von der Vätern auf ihre Kinder und Erben forterbte (S. LIV ff.). Im Anfange des 18ten Jahrh. waren von diesen alter erblichen Metzgerfamilien nur noch 4 übrig. Der h. Johannes war der Schutzpatron dieser alten Metzgercorporation und nach ihm wird noch heute die vormalig, Kirche desselben und der dazu gehörende Kirchhof benannt (de Saint-Jacques des Boucheries). Diese Thatsache ist in mehr als einer Hinsicht erheblich. Zunächst beweiset sie, dass die römischen Corporationen auch in der Provinzen ihren besondern Gottesdienst, daher auch später229 Kirche und Kirchhof hatten. Sodann scheint hier bestätigt zu werden, dass wie aueh bei den Maurern,1)Vergl. meine Abbandlung in Nr. 49 der Bauhütte für 1861. der h. Johannes oft von den christlich gewordenen römischen Corporationen an die Stelle des alten Genius der Corporation gesetzt worden Depping nennt die Fleischercorporation die älteste zu Paris.

Bei der Frage, ob unter den Germanen in Gallien die römischen Einrichtungen, die römischen Künste und Handwerke Eingang und Schutz gefunden haben, ist noch wesentlich in Betracht zu ziehen, dass anfänglich die Germanen und namentlich die Westgothen und Burgunder gar nicht immer als feindliche und zerstörende Eroberer, sondern nicht selten in Folge besonderer Verträge und Bewilligung in das römische Reich sich zugelassen und aufgenommen befanden. 2)Thierry, récits, I. S. 97 ff. Ferner waren die römischen Einrichtungen, das römische Recht, Leben und Wissen mit der zur Zeit der germanischen Einwanderungen bereits sehr mächtigen und einflussreichen christlichen Kirche innig verbunden und verwachsen,3)Warnkoenig, S. 136 ff. weshalb, sobald die Germanen zu dem Cluistenthum überzugehen anfingen, sie mit diesem auch die römische Gesittung annahmen, und jedenfalls dieser nur insoweit feindlich und beschränkend entgegentraten, als es die eigene Herrschaft und das eigene Recht erforderte oder zu erfordern schien. Die privatrechtlichen Corporationen, die Handwerksgenossenschaften konnten sehr wohl fortbestehen, wenn ihnen keinerlei öffentliche Rechte und Einflüsse zugestanden wurden, und bestanden um so eher und leichter fort, als in den ersten Jahrhunderten nach Christus auch die christlichen Gemeinden und Kirchen blosse privatrechtliche Corporationen waren, so dass diese mit sich auch jene vertheidigten und beschützten. Ganz besondere Beachtung verdient auch, dass die Klöster und Mönche des frühern Mittelalters recht eigentlich die Gründer und Träger der bürgerlichen Handwerke und Handwerker, und dadurch mittelbar auch des städtischen Lebens und der Städte geworden sind. 4)Hüllmann, Ursprünge der Kirchenverfassung, S. 145.230Die Klosterstiftungen des abendlichen Europa waren besonders von Martinus zu Tours und von Benedictus auf dem Berge Cassino ausgegangen, beziehungsweise von den Schotten - und Benedictinerklöstern, daher ihre Bildung wesentlich die römische, die gallisch-schottisch-italienisehe war. 1)Hüllmann, S. 138 ff.

Selbst die Franken erlangten die Landeshoheit über Gallien dem römischen Reiche gegenüber zuletzt durch einen Vertrag mit Kaiser Justinian im J. 537. 2)Warnkoenig, S. 70. Auch waren die germanischen Könige der Burgunder und der Franken zuweilen römisch-kaiserliche Würdenträger. Der Theil Galliens (die Provence), welcher im Anfange des 6ten Jahrh. den Ostgothen unterworfen war, blieb durchaus römisch, da der König Theodorich ganz die römische Verwaltung wiederhergestellt hatte und er nach dem Ausdrucke Warnkoenig’s nur eine römische Provinz unter den Ostgothenkönigen anstatt einem römischen Kaiser bildete. Die Herrschaftsnachfolger der Ostgothen waren in Gallien unmittelbar die Franken. Der im J. 511 verstorbene fränkische König Chlodwig, der Gründer des grossen Frankenreichs mit der Hauptstadt Paris, war von dem Kaiser Anastasius zum Patricius erhoben, welche römische Würden nach der Ansicht Mancher nicht ohne Einfluss auf die Ausbildung und den Inhalt des fränkischen Königthums und der fränkischen Königsrechte sollen geblieben sein. Selbst noch Karl der Grosse führte gleich seinen Vorfahren den Namen eines Patricius.

Indem viele frühere römische Städte bei der Gründung der germanischen Staaten und vorzüglich auch des Frankenreiches in diesen mit den römischen Kirchen und Priestern ohne Unterbrechung fortbestanden, haben sich das römische städtische Leben und die römische Bildung, die römische Sprache und das Recht, die römische Technik und selbst der römische Baustyl3)Schnaase, III. S. 482 ff. und IV. 2. S. 49. nicht allein nothwendig in bestimmtem Umfange damit erhalten, sondern sie waren so mächtig geblieben, um die fremden Ankömmlinge und231 Eroberer überwinden und unterwerfen, um sie romanisiren zu können. sagt daher, mit Verweisung auf Savigny, S. 78 kurz: Da die Städte nicht zerstört wurden, blieb auch die Municipalverfassung. Freilich bezieht sich diese Aeusserung Warnkoenig’s zunächst blos auf die ostgothischen Besitzungen in Gallien, allein sie kann ganz allgemein auf Gallien angewandt werden, wie sie auch Warnkoenig, S. 79, sogleich bei den Westgothen1)Vergl. auch Schnaase, IV. 2. S. 246 ff. wiederholt und S. 80 glaubt auf die Burgunder ebenfalls beziehen zu können und S. 81 auf die Franken wirklich bezieht. Die germanischen Eroberer waren durch das eigene Interesse veranlasst und gezwungen, die römischen Staatseinrichtungen, vor allem die Steuerverfassung2)Vergl. Savigny, Über den römischen Colonat und die römische Steuerverfassung, Stuttgart 1835. S. 93 ff. und S. 97 ff., woselbst auch die römischen Catastrirtungen (von capita = Steuerhufe, resp. capitastra = Grundbücher) und die Indictionen erläutert werden. und die Städtepolizei, die Handwerks - und Gewerbspolizei fortbestehen zu lassen, um das Staatswesen in Gang und Bewegung zu bringen und zu erhalten, indem sie nach dem geringen Grade ihrer Bildung und bei dem Mangel an allen politischen Erfahrungen völlig ausser Stande gewesen wären, ein neues Staatswesen einzurichten. Der fränkische König stieg gewissermassen nur auf den ledig gewordenen Herrscherstuhl des römischen Kaisers und seiner Stellvertreter. Nachdem das System der persönlichen Rechte aufgekommen war, lebten die Geistlichen und die Kirchen nach römischem Rechte, behielten die Römer und römisch Lebenden das römische Recht. 3)Warnkoenig, S. 93.

Dass in dem nördlichen Frankreich aus der römischen Städteverfassung und dem römischen städtischen Leben heraus sich allmählig die germanische, fränkische oder deutsche Schöffenverfassung entwickelte, hat darin seinen Grund, dass hier das germanische Volks - und Staatsleben aus nahe liegenden Ursachen am stärksten, siegreichsten und erfolgreichsten sich bewährt hat. Die Sitze des Ur -232 sprunges der germanischen Städteverfassung im nördlichen Frankreich, westlichen und südlichen Deutschland sind auch zugleich die Heimath der deutschen Baukunst, der Thierfabel, Dichtkunst u. s. w. Zu Rheims z. B., woselbst sich wie zu Toul, Metz, Meaux, Paris, Orleans die römische Städteverfassung erhalten hatte, werden schon im J. 817 und 847 scabini genannt. Die römischen Städte und städtischen Corporationen, wie sie unter den römischen Kaisern namentlich auch in Gallien gegründet und gebildet worden waren, waren blos zunächst im städtischen und gewerblichen Interesse eingerichtet, waren Erwerbs - und Gewerbsvereine und konnten als solche auch von den den Römern nachfolgenden Herrn nicht leicht entbehrt, mussten fortgeduldet, wenn nicht geschützt werden. Politische Freiheit und Bewegung bedurften diese Städte und städtischen Vereine nicht unumgänglich und nicht unbedingt, sondern konnten sie bis auf einen gewissen Grad entbehren und haben sie unter den Bischöfen, Klöstern, Grundherrn, Fürsten und Königen lange entbehrt. Indessen konnten die Städte und ihre Bewohner auch nach Freiheit und Unabhängigkeit streben und dieses Streben, verbunden mit den Mitteln und Wegen es zu verwirklichen und zu sichern, machen das eigenthümliche Wesen der germanischen Städte und Städteverfassung aus, bilden das germanische Bürgerthum und freie germanische Städteleben. Dass die Germanen den Kampf für die städtische und bürgerliche Freiheit unternehmen und darin endlich obsiegen konnten, verdankten sie zuletzt der von den Römern überkommenen Bildung in den Künsten und Gewerben, in der Einrichtung der Staaten und der Städte, wodurch ihnen zugleich die Möglichkeit des bequemen und reichen Lebens gegeben war; dass sie den Kampf aber unternehmen wollten und unternahmen, lag in dem germanischen freien Genossenschaftstriebe begründet. Die Städte, wenigstens die deutschen Städte waren sich vollkommen ihrer hohen Aufgabe der Erringung und Begründung der bürgerlichen Freiheit bewusst und in diesem Bewusstsein stellten sie gleichsam an die Spitze des ganzen Stadtrechtes den ausserordentlich praktischen und wirksamen Grundsatz, dass die Luft frei mache, d. h.233 dass ein früherer Unfreie, der Jahr und Tag unangefochten in der Stadt gewohnt habe, von Niemanden mehr als Unfreier in Anspruch genommen werden könne. 1)Gaupp, deutsche Stadtrechte des Mittelalters, I. (Breslau 1851) S. XXXIX. In dem gleichen Geiste wurde seitdem von den in die städtischen Corporationen Aufzunehmenden die freie Geburt verlangt.

Wo die städtschen Freiheiten und Verfassungen nicht die freiwillige Verleihung und das Geschenk erleuchteter Fürsten waren, sondern diesen, wie besonders in den bischöflichen Städten, in langem und harten Kampfe abgestritten und abgerangen werden mussten, war es für die Stadtbewohner und Stadtbürger zunächst das Wichtigste, sich zum gemeinsamen Kampfe zu verbinden und zu stärken, weshalb die Geschichte dieser städtischen Verbindungen auch zugleich die Geschichte der städtischen Verfassungen und Freiheiten selbst ist. Aus dem griechisch-römischen Alterthum kannten und hatten die Bewohner der frühern römischen Städte nur die Ueberreste der Collegien als gewerblicher und zugleich religiöser Vereine, weIchen bei den germanischen Völkern, die noch keine Handwerke und Künste, noch kein städtisches Leben hatten und übten, von der religiösen Seite her einzig die alten Gilden,2)Vergl. Symbolik unter Gilde. d. i. Vereine, Gesellschaften zur gemeinschaftlichen Gottesverehrung und Opfermahlzeit, zu religiösen Tisch - und Trinkgelagen verglichen werden konnten. Es ist demnach nicht auffallend, dass auf die städtischen und besonders gewerblichen Verbindungen nunmehr der Name der ihnen allein bekannten Gilden von den Germanen übertragen wurde, zumal die städtischen Verbindungen die religiösen Zwecke keineswegs ausschlossen, sondern mit aufzunehmen und fortzuverfolgen erlaubten. So entstanden die germanischen städtischen Gilden, die als städtische oder auch zu weltlichen Zwecken durchaus neue Vereine und nur als religiöse Genossenschaften alt sind, daher auch überwiegend eine religiöse und bruderschaftliche, nicht bürderliche Färbung, besonders in den ältern und ersten Zeiten tragen, welche Färbung sie aber234 nothwendig in demselben Verhältnisse später verloren, als sie nur städtischen Absichten dienten. Nach der damaligen germanischen Sitte wurden die Gildenpflichten von den Neueintretenden beschworen, eidlich angelobt und die Gilden erscheinen demnach auch als Eidgenossenschaften, Schwurgenossenschaften (conjurationes) und die Gildengenossen (gildae, congildae) als Eidgenossen, Schwurgenossen, Verschworene (jurati, conjurati). Diese Verschwörungen, welcher Name und Begriff uns geblieben ist, waren stark durch die eidliche Erzwingbarkeit der Verpflichtungen und staatsbedenklich oder staatsgefährlich, weil sie eben so gut für als gegen die Staatsgewalt gebraucht werden konnten. Diese Eidgenossenschaften, conjurationes, kamen im 8ten und 9ten Jahrh., nachdem die alte Volksfreiheit, die alten Volksfreien mit der darauf beruhenden Staats - und Rechtsverfassung durch die Geistlichkeit und den Adel fast vollständig gebrochen und unterdrückt waren, auf als ein Schutz - und Hülfsmittel der Aermeren, der Unterdrückten, des eigentlichen Volkes, des später sog. dritten Standes gegen die Noth der Menschen, der übermächtigen Geistlichen und Feudalherrn, und des Schicksals. Im Norden flüchtete sich auch in die Gilden erhielt sich vielmehr darin selbst in den christlichen Zeiten noch fort, was von dem alten Glauben und der alten Sitte der heidnischen Väter noch übrig war und um so inniger festgehalten wurde, je mehr es von dem eindringenden Christenthum und der drückenden Uebermacht bedrängt und gehasst wurde; die Gilden wurden daher als die Stützen des heidnischen Wesens bald auch mit dem Namen der Teufelsgilden belegt,1)Vergl. auch Sachsse, historische Grundlagen des deutschen Staats - und Rechtslebens, Heidelberg 1844, §. 23. wie die heidnischen Gottheiten selbst als Teufel und Dämonen von der christlichen Geistlichkeit dargestellt wurden. Die Aufgabe, welche den germanischen Völkern in ihrem Zusammentreffen mit dem römischen Städtethume und der christlichen Kirche gestellt wurde, war die Begründung und Erhaltung der Freiheit auch in den Städten und neben der Kirche, wofür die alten Zustände und Einrichtungen235 nicht genügten, weil sie weder für Städte noch für Kirchen berechnet waren, sondern nur das kriegerische und ländliche Leben berücksichtigt hatten. Diese Aufgabe konnte nur in den Städten gelöset werden und wurde hier gelöset durch die Bündnisse, Vereine, Communiae, Gilden, conjurationes der zahlreicheren und ärmeren Stadtbewohner gegen alle Feinde der Stadt, der städtischen Mehrheit. In Frankreich namentlich beginnt die Ausbildung der städtischen Gemeinden (Communes) durch die Communiae, Conjurationes der niedern Stände. 1)Warnkoenig, S. 237. In der zum deutschen Reiche gehörenden Stadt Cambrai fand schon im J. 1076 eine Cornmunia mit einem Aufstande gegen den Landesherrn statt,2)Thierry, récits, I. S. 330. welchem Beispiele bald andere bischöfliche Städte folgten. König Heinrich cassirte durch eine bei Gaupp, deutsche Stadtrechte des Mittelalters, I. S. 28. abgedruckte Urkunde die communia Cameracensis: Similiter definiendo, quod campana seu campanae, et campanile, quod Bierfrois3)Beffroi hiess der städtische Wachtthurm, von welehern die Glocke die Bürger zur Versammlung oder zur Abwehr herannahender Feinde zusammenrief. Vergl. Schnaase, IV. 1. S. 285. dicitur, et communia, quam pacem nominant, vel quocunque alio nomine pallietur, in eadem civitate tollantur et destruantur. Diese städtischen Bündnisse, Einigungen, Innungen nahmen bald von selbst auch einen militärischen Charakter an, wurden bewaffnete; denn was mit den Waffen und durch die Gewalt errungen war, konnte auch nur durch die Waffen und Gewalt vertheidigt und erhalten werden. Das Recht der Bewaffnung und des Krieges ist daher wesentlich mit der städtischen Freiheit und Selbstständigkeit verbunden; war auch die städtische Freiheit nicht erkämpft, sondern freiwillig verliehen, geschenkt oder erkauft, musste sie dennoch nöthigen Falls mit den Waffen von den Bürgern geschützt werden können. Das Entstehen der Städte schliesst auf diese Weise auch die Umbildung des Kriegswesens, der Bewaffnungs - und Kampfesweise in sich, indem jetzt das bürgerliche Fussvolk, der städtische Krieger236 den ritterlichen und geistlichen Reitern entgegengestellt wurden, die städtische Gliederung zugleich die Gliederung des städtischen Heeres wurde. Dass die städtischen Kämpfe am frühesten und vorzüglich in den bischöflichen Städten entbrannten und andauerten, hat wohl darin seine doppelte Veranlassung, dass die bischöflichen Herrschaften und Regierungen besonders drückten und dass die Bischöfe, die Geistlichkeit, welche nicht selbst das Schwert führen sollte, gleichsam wehrlos oder nicht so widerstandsfähig war. Da Freiheit und Recht die Macht zur Unterlage haben oder frei und in seinem Rechte geachtet ist, wer zu fürchten ist und nicht ungestraft angegriffen werden kann, stehen die städtischen Freiheiten und damit auch die Entfaltungen des bürgerlichen Lebens nach allen Seiten hin im genauen Verhältniss zur Grösse der Einwohnerzahl und aller sonstigen Kräfte der Stadt. Warnkoenig nennt die Städte mit dem Rechte, Gilden zu bilden und bewaffnet zu vertheidigen, Städte mit Schutzgildeverfassung; es wären die ganz freien und reichsunmittelbaren, die eigentlich souveränen Städte. Das Schwert und die Souveränität sind jedoch kein wesentlicher und nothwendiger, wenngleich oft damit verbundener Bestandtheil der städtischen Gildeverfassung; die Gilde, d. h. die Verbindung durch einen Eid zur Erstrebung und Erreiellung eines bestimmten Zweckes, war die allgemeine Verbindungsform des germanischen Mittelalters, wie sich z. B. im J. 1247 die hohen fränkischen Barone durch einen Eidschwur zur Abschaffung und Unterdrückung der Criminal - und Civilgerichtsbarkeit der Geistlichen verbanden. 1)Thierry, I. S. 34.Ob die blossen religiösen oder die Opfergilden schon durch einen Eid eingegangen und befestigt worden seien, ist unermittelt und unwahrscheinlich; der Eid wurde erst gewählt und nothwendig, als der Verbindung ernstere und gefährlichere Zwecke und Absichten als des Opferschmausens untergelegt wurden. Es möchten daher die eidlichen Gilden, die Eidgenossenschaften mit Kemble, Wilda und Hartwig gleichfalls als etwas Neues oder nur als ein Erzeugniss der spätern Zeiten anzusehen sein und237 es ist gewiss eine Vermengung der verschiedenen Zeiten, wenn Thierry, I. S. 312, von der Gilde sagt: mot, qui signifiait aussi association ou confrérie, parce que tous les co-sacrifianis promettaient, par serment, de se défendre l’un et l’autre, et de s’entr aider comme des fréres. Cette promesse de secours et d’appui comprenoit tous les périls, tous les grands accidents de la vie; il y avait assurance mutuelle contre les voies de fait et les injures, contre l’incendie et le naufrage, et aussi contre les pursuites légales encourues pour des crimes et delits, même avérés. Chacune de ces associations était mise sous le patronage d’un dieu ou d’un héros dont le nom servait à la désigner; chacune avait des chefs pris dans son sein, un trésor commun alimenté par des contributions annuelles, et des statuts obligatoires pour tous ses membres; elle formait ainsi une société à part au milieu de la nation ou de la tribu. Sachsse, a. a. O., S. 579, Anm. 3, will mit Thierry die Schutzheiligen der christlichen Gilden (Zünfte und Brüderschaften) nur für eine Umbildung der alten heidnischen Schutzheiligen ansehen, was gewiss nicht als gültig und jedenfalls nicht als allgemeingültig gebilligt werden kann. Die Schutzheiligen der Länder, Städte und städtischen Corporationen sind sehr frühzeitig aus dem, römischen Geniendienste hervorgegangen und finden sich deshalb in allen vormals römischen Provinzen; die Zunftfahnen und Schilde (vexilla), mit welchen die Zünfte in den katholischen Ländern bei den Kirchenfesten und andern Festen noch heute aufziehen, sind schon bei den römischen Collegien eingeführt gewesen. Ebenso sind in den römisch-christlichen Ländern, besonders in Italien und zu Rom,1)Ueber die heutigen Bruderschaften Roms vergl. Ausland für 1834. Nr. 42. die Bruderschaften weit älter als in den nordischen Ländern und geichfalls aus den ähnlichen Verbindungen und Leistungen der römischen städtischen Collegien entsprungen, keineswegs aus den nordischen Opfergilden, welche die Germanen gewiss nicht nach den südlichen Ländern, nach Gallien und Italien, verpflanzt hatten. Zwar ist auch Rochholz in Pfeiffers Germania,238 IV. S. 103 ff., der Ansicht, dass die alten Gilden, Geldonien, bei ihrer Umwandlung in christlich-germanische Bruderschaften einen Theil ihrer ursprünglichen Bestimmung beibehielten, indem sie für die in ihrer Zunft Verarmten und Erkrankten, endlich auch für die Bestattung und die Seelenruhe der Verstorbenen werkthätig zu sorgen hatten; noch mehr sollen die alten gemeinschaftlichen Mahlzeiten, eingekleidet in das christliche Gewand der Liebesmahle (Eulogie und Agape), geblieben sein. Wenn überall nur diese Umwandlungen erwiesen und auch von den christlichen Geistlichen geduldet worden wären, und wenn nicht natürlicher die Kranken - und Armenpflege, die Kranken - und Armenhäuser und selbst die Sorge für den Kirchen - und Todtendienst als zuerst in den Städten und daher in den römischen Städten eingerichtet, und von ihnen mit der Städtebildung auf die Germanen übertragen, eischeinen würden. Staat und Kirche traten mit ihren Verboten den Gilden, den Eidgenossenschaften gleich feindlich entgegen. In dem Capitulare vom J. 7791)Pertz, monum., I. S. 37; Walter, corpus jur. Germ. II. S. 60. heisst es cap. 16:

De sacramentis per gildonia invicem conjurantibus, ut nemo facere praesumat. Alio vero modo de eorum elemosinis, aut de incendio, aut de naufragio, quamvis convenientiam faciant, nemo in hoc jurare praesumat.

In dem Capitul. II vom J. 805 (bei Walter, II. S. 205) wird gesagt: De juramento, ut nulli alteri per sacramentum fidelitas promittatur, nisi nobis et unicuique Seniori ad nostram utilitatem et sui senioris. Unmittelbar darauf werden den conspirationibus, den unerlaubten Eidverbindungen scharfe Strafen angedroht. Das Capitul. III vom J. 805 (Walter, II. S. 210) wiederholt dieses mit den Worten: De juramentis, ut frustra non fiant, et non aliter nisi Senioribus ad utilitatem regiam, et unicuique qui suam justitiam quaerit. Caeterum qui conjurationis causam agunt, principes conjurationis (Sachsse fügt bei: i. e. praesides Gildarum) capite puniantur, caeteri se invicem flagellant et nares praecidant. Aehnliche239 Bestimmungen kommen vor in dem Capitul. IV vom Jahr 805 (Walter, II. S. 213). Warnkoenig, S. 279, Anm. 4, meint, durch diese und ähnliche Verordnungen gegen die conjurationes, communiae (Gilden), welche Verordnungen später in Deutschland die hohenstaufischen Kaiser erneuerten,1)Vergl. Gaupp, I. S. 20 ff. habe nicht den freien städtischen Verfassungen, sondern blos den insurrectionellen Gildebewegungen entgegengetreten werden wollen: allein gerade um diese zu verhindern. mussten jene grundsätzlich oder allgemein verboten werden, wie es oft und deutlich genug geschehen ist. Mit Urkunde vom J. 1226 erklärte König Heinrich: Volumus etiam confederationes sive juramenta quibus se civitates Maguntia, Pinguia, Wormatia, Spirea, Frankinvort, Geilinhusin, Fridiberc, in prejudicium ecclesie Maguntinensis invicem obligarunt, rescindi penitus et in irritum revocari. 2)Gaupp, I. S. 30. Derselbe König erklärte in einer im J. 1231 zu Worin feierlich erlassenen Urkunde, quod nulla civitas, nullum oppidum, communiones, constitutiones, colligationes, confederationes, vel conjurationes aliquas, quocumque nomine censeantur, facere possent. Friedrich II. erklärte mit Urkunde aus Ravenna vom Januar 1232: hac nostra edictali sanctione revocamus in irritum et cassamus in omni civitate vel oppido Alemannie comunia, consilia, et magistros civium seu rectores, vel alios quoslibet officiales, qui ab universitate civium sine archiepiscoporum seu episcoporum beneplacito statuuntur, quocumque pro diversitate locorum nomine censeantur. 3)Gaupp, I. S. 33Irritamus nichilominus et cassamus cujuslibet artificii confraternitates seu societates, quocumque nomine vulgariter appellantur. In den besondern Landesordnungen kommen dieselben Verbote vor; z. B. heisst es in Art. 14 der Landesordnung des Erzbischofs Friedrich III. von Salzburg vom 29. Sept. 1328: Wir verbieten auch bei funf phunten alle gesworen ainung an des Byschoff willen vnd wizzen zwischen purgern vnd purgern, hantwerchern vnd hantwerchern, geschlachte wider geschlachte vnd240 islicher als oft er daz tuet, so ist er fünf phunt schuldig; 1)Rössler, über die Bedeutung und Behandlung der Gesch. des Rechts in Oesterreich, Prag 1847, S. II. ebenso in den Stadtrechten, z. B. von Bamberg, §. 430 (bei Zoepfel). Nach der geistreichen Bezeichnung von Raepsaet, welche Warnkoenig näher anführt, sind die Städte eine generalis Gilda, Communia oder Confraternitas.

Ein Capitul. Ludwigs des Frommen vom J. 817 (Baluz. I. col. 775) verordnet: De conjurationibus servorum quao fiunt in Flandria et Mempisco, et in caeteris maritimis locis, volumus ut per missos nostros indicetur dominis servorum illorum ut constringant eos, ne ultra tales conjurationes facere praesumant. Et ut sciant ipsi eorumdem servorum domini, quod cujuscumque servi hujuscemodi conjurationes facere praesumpserint, postquam eis haec nostra jussio fuerit indicata, bannum nostrum, i. e. sexaginta solidos ipse dominus persolvere debeat. Thierry, I. S. 326, erinnert hierbei an die freilich ein Jahr später erfolgte grosse Verbindung der Bauern der Normandie gegen die Grundherren und Ritter, welche vor ihrem Ausbruche entdeckt und auf die härteste Weise unterdrückt wurde. Indessen muss man die eidliche Verbindung (conjuratio, communio jurata) als ein sehr kräftiges und mächtiges Mittel zur Bildung der Städte und städtischen Corporationen doch nicht überschätzen und falsch beurtheilen; denn alle diese eidlichen Verbindungen wären machtlos gewesen und von den gegen sie geschleuderten Verboten des Staates und der Kirche2)Vergl. Thierry, I. S. 315 und 411 ff., S. 453 ff. leicht niedergehalten worden, wenn nicht die Volksbewegungen, die sich in die Formen derselben einkleideten, in den gesammten Zeitverhältnissen begründet und durch die Jahrhunderte vorbereitet, wenn sie nicht zur Bildung des neuen städtischen Lebens, eines freien Bürgerthums nothwendig gewesen wären. Das Aufblühen der Städte und der bürgerlichen Freiheit ist nur das Aufblühen der Gewerbe und des Handels, der Künste und Wissenschaften bei den neu-europäischen oder mittelalterlichen Völkern; die Städte sind blos die eigentlichen und grössern Sitze des Volks -241 lebens und der Volksbildung, des bürgerlichen Lebens, Wissens und Strebens, weshalb auch namentlich in Italien mit den Städten der See - und Landhandel, die Seemächte, die Künste und Wissenschaften, die Universitäten u. s. w. sich erheben. Die Städtefreiheit bestand weniger in dem Rechte zur Bildung von eidlichen Verbindungen (conjurationes), als überhaupt des corporativen freien Seins, verbunden mit dem Rechte und den Mitteln zur Vertheidigung der Corporation. Jedenfalls sind die gewerblichen Zünfte und noch weniger die Gewerbe und Künste selbst, also namentlich auch die Bauhütten und Bauzünfte, nicht von den Gilden, von den Eidverbrüderungen abzuleiten, sondern, um mit Thierry zu reden, die Verlassenschaft der römischen Welt. Auch Mone hat neuerlich bei Gelegenheit einer beachtenswerthen Abhandlung über die Gewerbspolizei vom 12ten bis 18ten Jahrh., in der Zeitschrift für die Gesch. des Oberrheins, Bd. XIII S. 129 ff., gegen Winzer und Heldmann sich dahin ausgesprochen, dass die Freimaurerei nicht von den (religiösen) Bruderschaften abzuleiten sei. Das römische Reich gab der sich bildenden christlichen Kirche und den germanisch-christliehen Staaten nicht allein den Boden und Raum, sondern auch die lateinische Kirchensprache und die mehreren romanischen Landessprachen, die Staats - und Städteeinrichtungen, die Handwerke, Künste und Wissenschaften u. s. w., was nur die Voreingenommenheit und die Kurzsichtigkeit zu leugnen und zu bestreiten vermag. Fr. Schlegel. Philosophie der Geschichte, II. S. 25, sagt: Den dritten Grundstein für die historische Gestaltung und Ausbreitung des Christenthums bildete die römische Weltherrschaft: denn der weite Umfang derselben erleichterte ungemein die gleich von Anfang an so unglaublieh schnelle Verbreitung desselben, und gab den eigentlichen Grund und Boden her, auf welchem der Anbau der neuen Kirche zuerst erwachsen ist. Der Ausbreitung der neuen Religion in dem weiten römischen Reiche kam auch der Umstand sehr zu statten, dass damals die griechische Sprache gewissermassen zur allgemeinen Weltsprache geworden war, und in ihr sonach die Boten des Christen -242 thums sich fast allen römischen Städten denn in die Städte wurde das Christenthum zuerst getragen leicht verständlich machen konnten. 1)Hüllmann, Ursprünge der Kirchenverfassung, S. 13.Die Verpflanzung des fränkischen Stadtrechtes von Cöln nach Freiburg im Breisgau und in viele Orte des Oberrheins oder Schwabens, noch mehr tief hinein in die östliche Schweiz veranlasst Gaupp, die deutschen Stadtrechte, I. S. XXVIII, zu der Bemerkung, dass sich zuweilen der Gedanke nicht unterdrücken lasse, es sei in jenen Gegenden aus der Römer Zeit doch sehr viel Gemeinsames zurückgeblieben, wodurch für gewisse Verhältnisse, wie namentlich die Formen des municipalen Lebens, selbst die Stammverschiedenheit zu etwas Secundärem herabgesetzt wurde. Derselbe Gedanke wird geweckt, wenn wir die vier deutschen Hauptbauhütten am Nieder -, Mittel - und Oberrhein zu Cöln, Strassburg und Zürich gelegen und von hier zur Donau nach Wien reichen sehen.

Thierry hat im ersten Bande seiner récits unter den piéces justificatives nicht allein nach Wilda die vollständigen lateinischen Gildestatuten des Königs Erich zu Ringstaden vom J. 1266, sondern auch die Statuten einer angelsächsischen Gilde zu Cambridge aus dem 9ten Jahrh. und einer solchen zu Exeter aus dem 10ten Jahrh., ferner das dänische Gildestatut des im J. 1036 verstorbenen Königs Canut mitgetheilt; aus Wilda und Thierry hat sodann Winzer, die deutschen Bruderschaften des Mittelalters, Giessen 1859, seine diesfälligen Mittheilungen geschöpft. In dem Gildestatut des Königs Erich ist der Art. 44 noch höchst beachtenswerth: Omnes qui intrant gildam jurent super candelam, prout lex dictaverit, quod omnes justiciam et legem observare et tenere voluerint, prout in praesenti skra est prenotatum, secundum consensum aldermann et omnium fratrum, et recipiant privilegia sua. Die in die Bruderschaft Neueintretenden mussten also bei oder auf dem brennenden Kerzenlichte ihren Bundeseid ablegen. Nach dem Gildestatut von Cambridge mussten die in die dortige sodalitas nobilium Eintretenden auf die Reliquien beschwören, den einzelnen243 Genossen (consociis) sowohl in göttlichen als in weltlichen Dingen aufrichtig getreu zu sein, und dass der ganze Bund stets Dem helfen werde, der die gerechtere Sache habe. Auch die Gilde zu Exeter scheint eine Rittergilde gewesen zu sein und in diese wie in diejenige von Cambridge waren auch die Knappen oder Diener (famuli, armigeri) aufgenommen; ebenso hatte London eine Gilde der edlen Jünglinge, deren Errichtung nach Madox bei Krause, II. 2. S. 383, in die Zeit vor die normannische Eroberung oder vor das J. 1066 fällt. Wer zur Strafe aus der Gilde des Königs Erich ausgeschlossen wird, exeat a consortio omnium confratrum cum malo nomine nithingh. Wenn ein Gildegenosse in einem gefährlichen Geschäfte zum placitum zu gehen hat, sollen ihn die übrigen Gildengenossen dahin begleiten (Art. 33); wird einer der Brüder vor den König oder Bischof geladen, sollen ihm auf Kosten der Gilde 12 Brüder zur Begleitung und zum Schutze mitgegeben werden (Art. 37). Bedarf ein Bruder Schutz zu seiner Vertheidigung oder gegen ihm drohende Beleidigungen, sollen ihm 12 Brüder als Vertheidiger und Begleiter zugetheilt werden (Art. 38). 1)Vergl. auch Thierry, I. S. 318 ff.Die in dem Statute Erichs mehrfach vorkommende Ausschliessung cum malo nomine nithing (Nichtsnutz) ist die Verhängung der Infamie. Um den Inhalt des Gildestatuts von Canut beurtheilen zu können, mögen die den Artikeln später ertheilten lateinischen Ueberschriften dienen: De recto judicio contra fratrem, de fratre naufragante, de fratre captivo, de pecunia amissa, de convivio faciendo, de infirmitate, de fine convivii, de colloquio habendo, de adventu fratris alieni, de jure aldermanni, de jure stolbrodrae, de infamia, de litera fraternitatis u. s. w. Der Art. 43 de litera fraternitatis lautet:

Hosom vil havae bröderscap breff (einen Bruderschaftsbrief) han scal givae aldermann och stolbrödrae (den Stalbrüdern) iij grotae. Och förstae thet besegles tha scal han givae een tynnae öl. Och bysens scrivaerae iij grotae forae breffet. Huilket aengaen scal scrivae uden han. Och ikkae scal alderman havae makt ath244 besaegle saa danae breff uden stolbrödrae sein thekae. Och i thaeres naervaerelsae.

Die Bestimmungen dieses und der ähnlichen nordischen Gildestatute beruhen offenbar auf dem gemeinschaftlichen Grunde des Heidenthums und des Christenthums. Die alten heidnischen Schmaus - und Trinkbrüderschaften des Nordens, um ungehindert vor den christlichen Geistlichen fortbestehen zu können, warfen das Gewand einer geistlichen Brüderschaft um und setzten dem Körperheile das Seelenheil zur Seite, indem die Schmausenden und Trinkenden sich auch bei Unglücksfällen, in Krankheit und Todesfällen brüderliche Hülfe gewährten. Auf diesen mehr geselligen als frommen Charakter des dänischen Statuts weist auch schon die Aufschrift desselben hin: Statuta Convivii beati Canuti regis et martiris; daran schliesst sich, dass nach dem vorgehenden Art. 43 für den Bruderschaftsbrief (litera fraternitatis) eine Tonne Bier (tynnae öl) gegeben werden soll. In Dänemark gab es viele Gilden des h. Königs Canut, doch hatten sie ihn erst zu ihrem Schutzheiligen gewählt, nachdem er im J. 1100 heilig gesprochen war. 1)Thierry, I. S. 419 Anm. Ohne Zweifel wurde dieser nordische König canonisirt, um mit ihm die ältern heidnischen Götter zu verdrängen, wie die frommen Brüderschaften oder Gilden den alten heidnischen Gilden entgegengesetzt oder vielmehr diese verchristlicht werden sollten. In einem Dipl. vom J. 1112 in Mieris Groot Charterboek, I. S. 82, wird gesagt: fraternitas, quam Gilda vocant. In Norwegen hatte König Olaf Kyrre der Friedliche (1066 1093) in den Städten deutsches Gildenwesen eingeführt und in Nidaros, dem nachherigen Drontheim, seiner Residenz, errichteten die Gildenbrüder eine steinerne St. Margarethenkirche. 2)Schnaase, IV. 2. S. 436.

Das Gildestatut von Berwich in Schottland, abgedruckt bei Thierry, I. S. 443 ff., ist kein Gildestatut im eigentlichen und engern Sinne, sondern die Verfassung der Stadt Berwich in der auf dieselbe übertragenen und an -245 gewandten Form einer Gilde. 1)Vergl .. auch Madox bei Krause, II. 2. S. 387 ff. Die Städte und die (christlichen) Gilden, wovon jene römischen, diese nordischen Ursprunges sind, haben eine ganz verschiedene Geschichte und noch verschiedenere Bedeutung, obschon man hie und da einer Stadt auch die wenig passende Verfassung einer christlichen Gilde oder Bruderschaft zu geben versucht hat. Dahin gehört in Deutschland das Statut für die bröderschafft der Kauffluden offte Kramers der Stadt Brilon in Westphalen vom 6. November 1289. 2)Gengler, deutsche Stadtrechte, S. 50. In der Stadtverfassung von Lille, welche in Erinnerung an die alten Brudergilden sich loi de l’amitie nennt, heisst der erste städtische Beamte zugleich reward (surveillant) de l’amitie, in lateinischen Urkunden respector amicitiae, welcher reward mit den noch heute gebräuchlichen und aus den en, lischen Urkunden und Logen stammenden beiden Stewards übereinkommt. 3)Vergl. Lenning, Encyklopädie der Freimaurerei, unter Stewards.Die Gilde und städtische Gildenverfassung findet sich vom nördlichen Frankreich an über England, Schottland und Deutschland bis nach Dänemark, und Schweden, also in den Gegenden, wo römische Städte entweder gar niemals bestanden oder sich nicht forterhalten haben. Die Städte und das städtische Leben breiteten sich aus den frühern Provinzen des römischen Reiches immer mehr nach dem gleichfalls christlich gewordenen Norden, erhielten jedoch hier gewöhnlich den Namen Gilde und nicht selten auch die Verfassung einer christlichen Gilde oder Bruderschaft, welche Bruderschaften aber ebenfalls aus dem Süden gekommen oder römisch-christlichen Ursprunges waren. Es ist mithin ein grosser Irrthum von Winzer, Fallou und Andern, wenn sie die gewerblichen Zünfte und namentlich die Bauzünfte den nordischen Bruderschaften entstammend wähnen und diese vermeintlich germanischen Einrichtungen mit den römischen als ausser allem Zusammenhang stehend erklären. Die ruhige Erwägung, dass bei den Germanen weder eine ausgebildete246 Staats - noch Städteverfassung, überhaupt gar keine Städte bestanden, dass bei ihnen keine Handwerke, Gewerbe, Künste und Wissenschaften und am allerwenigsten die Baukunst blühten, dass namentlich auch die christliche Kirchenverfassung bis in die spätesten Zeiten den germanisch gebliebenen Ländern fremd war, hätte, wenn nicht zur Erkenntniss und Feststellung der geschichtlichen Thatsachen, doch wenigstens zu dem geschichtlichen Forderungssatze leiten sollen, dass alles Dieses die Germanen nur bei den Römern und in den von den Römern besessenen Ländern haben erlernen und holen können. Sogar die zwei in einander gelegten Hände haben die Germanen als ein römisches Symbol erhalten, denn sie erscheinen auf römischen Münzen mit der Beischrift Concordia , d. h. als Symbol der Eintracht. Dieselbe Eintracht, der Einklang der Herzen wird auf römischen Kaisermünzen durch zwei Leyern angedeutet. 1)Winckelmann, Allegorie, S. 60. Die Furcht war von Polygnot in seinem grossen Gemälde zu Delphos durch eine Hand, die eine Figur sich vor das Gesicht hielt, angedeutet worden, was die Alterthümlichkeit gewisser ähnlicher maurerischer Symbole bezeugt. In dem glossaire de l’ancien droit francais von Dupin und Laboulaye, Paris 1846, wird maistrie, maistrise von magisterium abgeleitet und zugleich die hier Platz greifende Bemerkung gemacht: Il faut être apprentif avant d’être maitre. Also die Germanen waren zuerst Lehrlinge und wurden nicht als Meister geboren, und sie waren die Lehrlinge der römischen Meister, weshalb sie zum ewigen geschichtlichen Gedächtniss aus der römischen Sprache gleich den romanischen Völkern das Wort Meister (magister), Burgermeister (magister civium), Münzmeister (magister monetae) u. s. w., Meisterschaft (magisterium), meistern, magistrare, franz. meistrier, maistroier) und was damit zusammenhängt, entlehnten. 2)Vergl. Ziemann, mittelhochdeutsches Wörterbuch, unter Meister; Wackernagel, altdeutsches Wörterbuch, unter Meister.Benecke, mittelhochdeutsches Wörterbuch, II. S. 113, bemerkt unter Meister ahd. meistar, Nebenform meinster, dass man schwanken247 könne ob das Wort eine directe Herübernahme des lat. magister in die deutsche Sprache sei, oder ob es selbstständig abgeleitet worden aus meist, zu welchem Letztern sich Schmeller, baierisches Wörterbuch, II. S. 643, hinzuneigen scheint: jedoch werde in den ältesten Denkmalen das Wort häufig für magister gebraucht und durch dies erklärt, auch scheine für diese Annahme das Fehlen des Wortes im Gothischen zu sprechen; das lat. magister habe im Mittelalter einen weiten Umfang von Bedeutungen erlangt (vergl. du Cange); fast ihnen allen entspreche das deutsche Meister, das aber sein Gebiet noch erweitert habe, wobei das Gefühl eines Zusammenhangs mit meist mehrfach thätig gewesen zu sein scheine. Mit Ziemann und Wackernagel stimmt über die lat. Ableitung auch Grimm zusammen. Das deutsche Meister ist nicht verschieden von franz. maitre, engl. mastre, ital. maëtro. portug. mestre u. s. w. Nach Gaupp, I. S. XXXVII, kommt der lateinische Name Bürgermeister, welcher Name auch zufolge Unger, des Richtes Stig, Göttingen 1847, S. 113, sowohl dem Vorsteher einer städtischen, als einer bäuerlichen Gemeinde ertheilt wird, am frühesten wohl in Cöln vor, denn hier werden magistri civium neben den scabini und den officiati de Rycherzeggede schon in einer höchst merkwürdigen Urkunde von 11691)Bei Gengler, S. 67 ff. genannt. Gaupp ist sogar geneigt, den städtischen oder bürgerliehen Namen von dem bäuerlichen abzuleiten, was aber allen geschichtlichen Verhältnissen gemäss rein unmöglich ist, indem die Städte die einzigen Meister und Vorbilder des Landes zu allen Zeiten waren. Der Ausdruck Meister ist auch ganz in der maurerischen Bedeutung in die deutsche Jägersprache übergegangen. Bei Grimm, Weidsprüche und Jägerschreie, in den altdeutschen Wäldern, III. S. 97 ff., heissst es:

Sag mir an mein lieber Weidmann, warum wird ein Jäger ein Meister-Jäger genannt? Ein gerechter und ein gewisser Jäger hat von Fürsten und Herrn die Vergunst, er solle genannt werden ein Meister der sieben freien Kunst.

248Zugleich werden die Weidleute angeredet: Hört zu, Weidleut und guten Gesellen. Ein ander Mal erscheint die Anrede: Lieber Gesell (Meister oder Knecht) . 1)Grimm, altdeutsche Wälder, III. S. 112 und 117. Auch bei den Türken werden die Lehrer, Volkslehrer Meister (Hodscha) genannt. 2)Benfey, Orient und Occident, I. S. 431 ff. Im Altschwedischen heisst der Scharfrichter Meister oder Meistermann, welche Benennung auch im Altteutschen nicht ungewöhnlich sein soll. 3)Mohnike, altschwedische Balladen, S. 268.Rückert, brahmanische Erzählungen, Leipzig 1839, S. 58, übersetzt Viduschaka als weiser Meister. Der deutsche Name Meister ist jedenfalls, wie gegen die Auffassung von Gaupp und im Geiste des gesammten heutigen Sprachgebrauchs bemerkt werden muss, ein höherer und geistigerer und bezeichnet die Vortrefflichkeit und Geschicklichkeit vom blossen Meister des Handwerkes durch den Meister der Kunst und Wissenschaft hinauf bis zum göttlichen, ja sogar bis zum höllischen Meister. Jeder ist ein Meister, ein Mehrster und Grössester, ein Major und Magister, der nach irgend einer Seite Mehr und das Mehrste, das Meiste besitzt. Vielleicht dürfen selbst die Magier, die Zauberer, hier angezogen werden, da stets als eine Art Zauberer sich darstellen wird, der alle Andern an Geschick und Kenntnissen weit zurücklässt. Der für das Amt des städtischen Bürgermeisters und seiner Rathmannen oder Gehülfen in den ältesten oder lateinischen Urkunden so häufige und gewöhnliche Ausdruck consul oder consules, der Name des ersten Beamten der Stadt Rom beweiset zum Ueberflusse, dass Amt und Name mit der ganzen Stadt und allen städtischen Einrichtungen selbst römischen Ursprunges seien, wie auch die Stadt nur die römische statio ist. Nur der Berg, die Burg und das Bürgerthum, welche auf und über der römischen statio ruhen, sind germanisch, wie die romanische Baukunst die germanische trägt. Man dürfte sagen, der Römer werde zum Deutschen, der römische Kaiser zum römisch-deutschen Kaiser , Deutschland holt zu Rom die römische Kaiserkrone, um dieselbe vor249 völliger Zertrümmerung zu erretten und zu bewahren. Schnaase, III. S. 475, Anm. *, hebt zum Beweise des Mangels architektonischer Vorbildung der Deutschen, auf den man mit Recht aufmerksam gemacht habe, hervor, dass wir selbst für die gewöhnlichsten Theile des Gebäudes keine ursprünglich deutschen Wörter haben, indem dieselben nur, wie z. B. Pforte, Dach, Mauer (und Maurer), Fenster, lateinische Lehnwörter oder Nachbildungen seien. Auch der Zirkel, das Hauptwerkzeug des Architekten, des Baumeisters, und die Dome (domus), die Tempel, die Thürme und Paläste, Pfalzen, wie der Papst mit den Cardinälen und Bischöfen, und der Kaiser mit seinen Canzlern und Ministern sind lateinisch. Ebenso erhielt der Germane von dem Römer und Romanen das Schreiben und die Schrift, das ABC und den Styl, die Schulen, die Universitäten, die Collegien, die Logen, die Mönche mit den Klöstern, die Concilien, die Humanität u. s. w., sogar den Kalk und den Mörtel.

Auch wurde schon in der Symbolik, II. S. 238 ff., hervorgehoben, dass die maurerischen Vorsteher den Namen Beamte und ihre Gesammtheit des Beamtencollegiums führen und diese Benennung aus dem Keltischen oder Gallischen zu stammen scheine. Gegen Diez erklärt Müllenhof bei Waitz, das alte Recht der salischen Franken, S. 279, das Wort mit Leo, Wackernagel,1)Altdeutsches Wörterbuch unter ambaht. und Zeus für ein gallisches. Grimm gibt im Wörterbuche von Amt zu, dass dessen Wurzel ganz geschwunden sei. In der aus dem 13ten Jahrh. herrührenden deutschen Uebersetzung des ältesten Stadtrechtes von Strassburg, welches angeblich und besonders nach Grandidier aus dem J. 982 herrühren soll, jedoch wahrscheinlich erst im 11ten Jahrh. aufgezeichnet ist,2)Gengler, deutsche Stadtrechte des Mittelalt, S. 471, welcher auch das lat. Stadtrecht mittheilt; Gaupp, deutsche Stadtrechte des Mittelalters, I. S. 37 und 46, bei welchem der lat. und deutsche Text neben einander sich finden, wie auch bei Walter, corp. jur. Germanici antiqui, III. S. 780 ff. wird das lat. officium durchgängig mit ambahte übersetzt. Der deutsche Amtmann ist der fran -250 zösische officier. 1)Warnkoenig, S. 216, Anm. 2. In dem Vertrage des Bischofs und der Geistlichkeit mit der Stadt Strassburg vom J. 1263 wird das Schultheizen ambacht erwähnt,2)Gaupp, die deutschen St. -R., I. S. 91. ebenso des burgraven ambacht. Dieser Burggraf ist eine Art polizeilicher Beamte, setzte die Meister über die verschiedenen Handwerksämter oder Innungen und richtete über Vergehen in der Ausübung der Handwerke und gegen die innere Ordnung der Aemter. 3)Gaupp, I. S. 41 und 59. Die Urkunde von 1263 zählt folgende antwerk auf: Rintsuter und Kurdewener, Zymerlüte, Kueffer, Oloylute, Swertfeger, Mülner, Smidt, Schilter und Satteler. Die Bauleute, die Steinmetzen und Maurer waren also urkundlich im J. 1263 zu Strassburg noch nicht stadtzünftig, noch der Stadtverfassung nicht incorporirt, sondern müssen damals noch eine bewegliche Bauhütte gebildet haben, indem nicht denkbar ist, dass sie nicht sollten vorhanden gewesen und gebraucht worden sein. Stieglitz (ausgezogen in Lenning’s Encyklopädie der Freimaurerei, III. S. 419) lässt dagegen die Strassburger Bauhütte vorzüglich durch Erwin von Steinbach gestiftet werden, da er durch Berufung von Baumeistern aus Deutschland, England und Italien im J. 1275 mit ihnen einen Bund befreiter Maurer nach englicher Art gegründet habe (vergl. noch Stieglitz, Beiträge, II.). Loge ist im Französischen recht eigentlich nur die Bezeichnung für Hütte, Bude, weshalb in alten Rechtsurkunden maisons ou loges de foire auch die Mess - oder Marktbuden heissen. 4)Warnkoenig, S. 246.

In den von Depping zu Paris 1837 herausgegebenen ré6glemens sur les arts et métiers de Paris, rédigés au 13e siécle, et connus sous le nom du livre des métiers d’Etienne Boileau handelt Tit. XLVIII: Des Maçons, des Tailleurs de pierre, des Plastriers et des Morteliers. Da Boileau von Ludwig IX. im J. 1258 zum prévôt von Paris ernannt wurde, diese Stelle bis zum J. 1.268 oder 1269 bekleidete und während dieser Zeit die Handwerksgebräuche zu Paris in ein öffentliches251 Buch niederschreiben liess, liegt hier die älteste französische Maurer - und Steinmetzordnung aus der Zeit von 1258 1268 vor. Sie lautet wörtlich:

1)Die Zahlen sind unser Beisatz. Il peut estre maçon à Paris qui veut, pour tant que il sache le mestier,2)Mestier, ital. mestiere, engl. wistery, mestere oder mistere, nicht mystery, aus ministerium nach Madox bei Krause, II. 2. S. 392 ff. et qu’il oevre as us et aus coustumes du mestier, qui tel sunt:

Maçon3)Vergl. über die Ableitung Symbolik, II. S. 277. ist der allgemeinere Handwerksname, der Name der Corporation und zu Paris konnte Maçon sein, wer wollte, vorausgesetzt, dass er das Handwerk verstand und sich den Gebräuchen und Herkommen des Handwerkes unterzog.

Nus ne puet avoir en leur rnestier que j aprentis, et se il a aprentis, il ne le puet prendre à mains de vj ans4)Bei den Bäckern und Zimmerleuten 4 Jahre; vergl. Depping, S. 105, introd. S. LI. de service; mès à plus de service le puet-il bien prendre et à argent, se avoir le puet. Et se il le prenoit à mains de vj anz, il est à XX s. de par. d’amende, à paier à la chapèle monseign. Saint-Blesve. se ce n’estoient filz tant seulement nez de loial mariage. 5)In dem Statut der Zimmerleute heisst es: se il n’est son fils ou son neveu, ou cil de sa fame nez par loial mariage. Diese Verwandten galten oder zählten nicht als Lehrlinge. Das Gleiche bestimmte das Statut der Bildschnitzer u. s. w. In den Zusätzen zu dem Stadtrechte von München, herausgegeben von Auer, München 1840, S. 273, heisst es: Ez mag auch iegliche maister seinen sun und seinen aidem sein hantwerch leren und dannoch dazuo haben einen lerchneht, als vorgeschriben ist, und swenn man einen lerchneht dinget, so sol er geben ein diu zunft ein pfunt wachs, da sol sein maister umb pürger sein; und weiter: Ez sol iglich maister neur einen lerchneht haben, und ob der stirbet oder von im get, e daz diu gedingte frist vergangen ist, so sol er doch chain lerchneht haben, untz daz sich die verdingte zeit vergeet.

Li maçon pueent bien prendre j autre aprentiz si tost come li autre aura acompli v ans, à quelque terme que il eust le premier aprentis prins.

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Im Interesse der gehörigen Unterrichtung der Lehrlinge ist hier die strenge Bestimmung getroffen, dass kein Maçon gleichzeitig mehr als einen Lehrling haben darf und dass die Lehrzeit auf wenigstens 6 Jahre festgesetzt werden muss. Zuwiderhandelnde werden gestraft zu Gunsten der Kapelle des h. Blasius, seit dem J. 1476 des gemeinschaftlichen Schutzheiligen der Bruderschaft der Maurer und der Zimmerleute. Einen zweiten Lehrling konnte der Maurer erst dann nehmen, wenn der erste 5 Jahre gelernt hatte, da dieser nunmehr seines Unterrichtes weniger bedurfte.

Li Rois qui ore est, cui1)Ludwig IX. Diex doinst bone vie, a doné la mestrise de maçons à mestre Guill. de Saint-Patu tant come il li plaira. Lequel mestre Guill. jura à Paris es loges du Palès pardevant dit que il le mestier desus dit garderoit bien et loiaument à son pooir ausi pour le poure come pour le riche, et pour le foible come pour le fort, tant come il plairoit au Roy que il gardast le mestier devant dit. Et puis celui mestre Guill. fist la forme du serement devant dit pardevant le prevost de Paris en Chastelet.

Die Handwerke, welche meistens durch Hörige oder Sklaven betrieben wurden, hingen im Mittelalter ganz von den Grundherrn, beziehungsweise von dem Könige ab, wo es keine Grundherrn gab; sie betrachteten die Handwerke als ein Regale, als eine Einnahmsquelle und von ihnen musste das Recht zur Betreibung eines Handwerks erworben und erkauft werden. 2)Depping, a. a. O., introd., S. LXXIX. Die Lex Burgundionum verordnet in §. 1. Tit. XXI de servorum contractibus: Quicunque vero servum suum aurificem, argentarium, ferrarium, fabrum aerarium, sartorem vel sutorem, in publico attributum artificium exereere permiserit, et id quod ad facienda opera a quocunque suscepit, fortasse everterit, dominus ejus aut pro eodem satisfaciat, aut servi ipsius si maluerit faciet cessionem. 3)Walter, corpus jur. Germ. ant., I. S. 315.Die Handwerke wurden also in Burgund durch (römische) Hörige oder Leibeigene253 für Rechnung ihrer Herrn betrieben. Karl der Grosse verfügt in seinem Capitulare de villis vel curtis Imperatoris, erlassen vor seiner Krönung zum Kaiser, cap. 45: Ut unusquisque judex in suo ministerio bonos habeat artifices (Handwerker). i. e. fabros ferrarios, et aurifices, vel argentarios, sutores, tornatores (Drechsler), carpentarios (Wagner). scutarios (Schildmacher), piscatores, aucipites i. e. aucellatores (Vogelfänger), saponarios (Seifensieder), ficeratores, i. e. et qui cervisam (Bier), vel pomatium (Aepfelmost oder Aepfelwein), sive piratium (Birnmost), vel aliud quodcumque liquamen ad opus nostrum faciant, retiatores, qui retia facere bene sciant, tam ad venandum, quam ad piscandum, sive ad aves capiendum, necnon et reliquos ministeriales quos ad numerandum longum est. 1)Walter, II. S. 137.Das Verhalten der Burgunder und der Franken oder wenigstens der fränkischen Fürsten gegen die von ihnen in Gallien vorgefundenen römischen Gewerbe und Handwerke ist also dasselbe, sie bedienen sich derselben, ohne sie selbst bis in die Zeiten Karls des Grossen zu erlernen und zu betreiben, sie machten auch diese für sich zu einer Quelle des Erwerbes und der Abgaben. Der König verschenkte oder verkaufte, verpachtete u. s. w. an Hofleute oder an andere Günstlinge ein oder mehrere Handwerke auf kürzere oder längere Zeit, d. h. er übertrug ihnen die Meisterschaft, die Vorsteherschaft (la mestrice, maitrise, magisterium) des betreffenden Handwerkes als eine beständige Einnahmsquelle, so dass dann die dazu gehörigen Handwerker wieder von ihnen ihre Rechte erkaufen mussten. So waren durch eine Urkunde vom J. 1160, bestätigt durch Philipp den Kühnen im J. 1276, einer Frau von Yves Lacohe (uxori Yvoni Lacohe) für sich und ihre Erben von Ludwig VII. totum jus magisterii von den 5 Handwerken der Weissgerber, der Beutler oder Säckler, der Schwertfeger, der Schuhflicker und der Schuhmacher gegeben und noch ein Jahrhundert später, im J. 1287, wurde diese volle Meisterschaft durch eine königliche Urkunde und eine Parlamentsentscheidung einer Frau Marion als ihr Eigenthum zugesichert. 254In ähnlicher Weise hatte Meister Wilhelm von Saint-Patu die Meisterschaft der Masonen von Ludwig IX. verliehen erhalten und er musste die unparteiische Führung und Ausübung seines Rechtes, seines Amtes vor dem Prevost von Paris beschwören. In einem Manuscripte ist bei dem Artikel daher noch die verbessernde Randbemerkung beigefügt: La mestrise des rnaçons a son maistre maçon, et jurra par-devant le prevost de Paris ou celi qui à ce fut establi quo ect. Depping glossirt: es loges du Palès als dans l’enclos du Palais, indem das Gericht der Masonen (la juridiction de la maçonnerie) in dem Stadthause seinen fortwährenden Sitz hatte und den obersten königlichen Baumeistern (maîtres généraux des bâtimens du Roi) bis an das Ende des 18ten Jahrh. zustand. Die Zunftgesetze der Masonen blieben stets diejenigen des Boileau und. wurden niemals erneuert.

Li mortelier1)Maurer, Mörteler. et li plastrier2)Gypser. sont de la meisme condicion et du meisme establisements des maçon's en toutes choses.

Li mestres qui garde le mestier des maçons, des morteliers et des plastriers de Paris de par le Roy, puet avoir ij aprentis tant seulement en la manière desus dite, et se il en avoit plus des aprentis, il amenderoit en la manière desus devisée. 3)Vergl. Art. 2.

Los maçons, los morteliers et los plastriers puent avoir tant aides4)Für aides steht auch aydes, ayuwes (auxilium). Valets hiessen auch die Ritterknappen. Das Statut der Bäckerzunft erwähnt (Depping, S. 7) mestres vallés que l’on apele joindres (auch gindres). et vallès à leur mestier come il leur plaist, pour tant que il ne monstrent à nul de eus nul point de leur mestier.

Für den Sprachgebrauch und für die Geschichte der Masonen ist es von Bedeutung, dass hier die Gesellen (compagnons) nur noch als die Gehülfen und Knechte (aides et vallès) bezeichnet werden. Ihrer konnte natürlich ein jeder Meister eine beliebige Anzahl anstellen, jedoch durfte ihnen nichts von den besondern Handwerksgeheimnissen255 mitgetheilt werden, denn in diesem beschränkenden Sinne sind wohl die Worte zu verstehen (pour tant quo il ne monstrent à nul de eus nul point de leur mestier). Wollte man die Bestimmung wörtlich verstehen, wäre nicht zu begreifen, wie die Gehülfen hätten helfen können. In etwas anderem Sinne sucht Schnaase, IV. 1. S. 313 Anm., die Stelle zu erklären.

Tuit li maçon, tuit li mortelier, tuit li plastrier doivent jurer seur sains que il le mestier devant dit garderont et feront bien et loiaument, chascun endroit soi, et que se il sceveint quo nul il mesprengne en aucune chose, qu’il ne face selonc les us et les coustumes del mestier devant dit, quo il le feront à savoir au mestre toutes les fois quo il le sauront, et par leur serement.

Da der Obermeister dem Prevost schwören musste, ist es eine natürliche Folge hievon, dass wieder ihm die einzelnen Masonen u. s. w. den Eid der Treue und des Gehorsams auf die Heiligen (seur sains), auf die heiligen Reliquien leisten mussten.

Li mestres à cui li aprentis ait fet et par acompli son terme, doit venir pardevant le mestre du mestier, et tesmoigner quo son aprentis a feit son terme bien et loiaument: et lors li mestres qui garde le mestier doit fère jurer à l’aprentis seur sains quo il se contendra aus us et as coustumes du mestier bien et léaument.

Die Lossprechung des ausgelernten Lehrlings erfolgte also, auf das hierüber von seinem Lehrmeister abgelegte Zeugniss vor dem Obermeister des Handwerks, vor dem Meister, welcher das Handwerk besass, und war verbunden mit der Beeidigung des losgesprochenen Lehrlings zurrechten und treuen Befolgung der Gebräuche und Herkommen des Handwerkes. Da der Lehrling mindestens 6 Jahre lernen musste und am Ende der Lehrjahre die Handwerksbeeidigung, gleichsam die Aufnahme in das Handwerk erfolgte, scheint es wenigstens bei den Masonen zu Paris eine besondere gesetzliche Gesellenstufe nicht gegeben zu haben. Dadurch wird auch die Verordnung wegen der Gesellen oder Gehülfen und Knechte deutlicher;256 denn diese waren Solche, welche das Handwerk nicht förmlich erlernen wollten und sollten. Die Pariser Urkunde stimmt sonach vollkommen mit Art. 10 der Yorker Gesetze vom J. 926 zusammen: Ferner, kein Meister soll einen Lehrling anders als auf die Zeit von 7 Jahren annehmen; und da soll er ihn erst, nach Rath und Beistimmung seiner Mitbrüder, zum Maurer machen. 1)Krause, II. 1. S. 99.

Nus ne puet ouvrer2)Arbeiten, betreiben. el mestier devant diz, puis none sonée à Nostre-Dame en charnage,3)In der Fleischzeit, in der Zeit des Jahres, in welcher es nach den Kirchengesetzen erlaubt ist, Fleisch zu essen. Die Fasten (quaresme, carême) steht entgegen. Die Zimmerleute mussten nach dem diesfälligen Statute (Depping, S. 102) beschwören, que il n’ouverroient au samedi que nonne seroit sonnée à Notre-Dame au gros saint. Der grosse Heilige, mit welchem hier die Neunzeit, die neunte Stunde geläutet wird, ist die dem Heiligen geweihte, die auf seinen Namen getaufte grosse Glocke. Aehnlieh heisst der im J. 1600 gebaute Glockenthurm im Kremel von Moskwa, welcher für alle dort befindlichen Kirchen dient, Jwan Weliki, d. h. grosse Johannes. *)Schnaase, III. S. 304 Anm. et en quaresme au sémedi, puis quo vespres soient chantées à Nostre-Dame, se ce n’est à une arche ou à un degré fermer, ou á une huisserie faire fermant assise seur rue. Et se aucun ouvroit puis les cures devant dites, fors es ouvraignes desus devisées ou à besoing, il paieroit iiij den. d’amende au mestre qui garde le mestier, et en puet prendre li mestre les ostieuz4)Outils. Vergl. Art. 20. à celui qui seroit reprins par l’amende.

Li mortelier et li plastrier sont en la juridiction au mestre qui garde le mestier devant dit de par le Roy.

Se uns plastiers envoioit plastre pour metre en oevre chiés aucun hom, li maçon qui oevre à celui à cui en envoit le plastre,5)Gyps. doit prendre garde par son serement6)Eid. quo la mesure del plastre soit bone et loiax; et se il en est en soupeçon de la mesure, il doit le plastre mesurer ou faire mesurer devant257 lui. Et so il treuve quo la mesure ne soit bone, li plastrier en paiera v s. d’amende; c’est à savoir à la chapèIe Saint-Bleive devant dite ij s., au mestre qui garde le mestier ij s., et à celui qui le plastre aura mesuré xij den. Et cil à qui le plastre aura esté livré, rabastera de chacune asnée1)Charge d’une aune. quo il aura eue en cèle ouvrage autant come en aura trouvé en cèle qu’il aura esté mesurée de rechief, mès j sac tant seulement ne puet-on pas mesurér.

Nus ne puet estre plastrier à Paris so il ne paie v s. de paris au mestre qui garde le mestier de par le Roy; et quant il a paié les v s., il doit jurer seur sains quo il ne metra rien avec le plastre hors de plastre, et que il liverra bone mesure et loial.

Se li plastrier met avec son plastre autre chose que il ne doive, il est à v s. d’amende, à paier au mestre, toutes los fois qu’il en est reprins. Et se li plastriers en est coustumiers, ne ne s’en voille amender ne chastoier, li mestres li puet deffendre le mestier; et se li plastrier ne veut lessier le mestier pour le mestre, le mestre le doit faire savoir au prevost de Paris, et li prevoz doit celui plastrier faire forjurer le mestier devant dit.

Die Strafgewalt des Obermeisters gegen den Gypser, welcher gewohnheitsmässig den Gyps mit fremdartigen Stoffen verfälschte und durch Strafen nicht davon abgebracht werden konnte, ging also so weit, dass ihm die Ausübung des Handwerks verboten werden konnte (défendre le metier); wollte er dem Verbote nicht gehorchen, wurde er durch den Obermeister dem Prevost von Paris zur Vollziehung vorzeigt.

Li mortelier doivent jurer devant le mestre du mestier, et par devant autres preudeshomes du mestier, qu’il ne feront nul mortier2)Mörtel, Maurkalk. fors quo de bon liois, et se il le feit d’autre pierre, ou li mortiers est de liois258 et pereiez au faire, il doit estre despeciez, et le doit amender au mestre du mestier de iiij den.

Liois war zufolge Depping ein Stein aus den Umgebungen der Stadt Paris, welcher zur Kalkbereitung besonders tauglich war. Uebrigens werden hier zum ersten Mal Prud-hommes, prudentes homines neben dem Obermeister genannt, welche ohne Zweifel aus der Mitte der Handwerksgenossen genommen waren und den Beirath, die Gehülfen des Obermeisters bildeten. Die Strafgelder gehörten aber nur dem Obermeister vermöge des Rechtes seines Einkommens. In dem Statute der Bäckerzunft (des Talemeliers) wird von jurés und preudesomes jurés (Depping, S. 15) gesprochen, deren der Obermeister 12 ou plus ou mains erwählen sollte (S. 9 und 10); sie mussten auf die Heiligen oder die Reliquien der Heiligen schwören. Zur Untersuchung des Brodes sollten von dem Obermeister jedes Mal wenigstens 4 Gesehworne beauftragt und mitgenommen werden; das nach ihrem Urtheile zu kleine Brod sollte weggenommen werden.

Li mortelier ne pueent prendre leur aprentis àA mains de vj ans de service et cent s. de Paris pour euz aprendre.

Die gesetzliche Bestimmung des Lehrgeldes ist hier neu.

Le mestre du mestier a la petite joustice1)Die niedere Gerichtsbarkeit. et les amendes des maçons, de plastriers et des morteliers, et de leur aydes et de leurs aprentis, tant come il plera au Roy, si come des entrepresures de leurs mestiers, et des bateurs sans sanc, et de clameur,2)Clameur, clamour, clamor = Klage, Forderung. hors mise la clameur de propriété.

Se aucun des mestiers devant diz est adjornés3)Adjourner, adjornare = Tag ansetzen, vorladen. devant le mestre qui garde le mestier, se il est defaillans, il est à iiij d’amende à paier au mestre; et se il vient à son jour, et il cognoît, il doit gagier; et se il ne paie dedenz les nuiz, il et à iiij den. d’amende a paier au mestre; et se il nie, et il a tort, il est à iiij den. à paier au mestre.

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Le mestre qui garde le mestier ne puet lever quo qne amende de une querèle; et se eil qui l’amende a faite et si eroides1)Anderwärts, z, B. Depping, S 14, wird dafür geschrieben errèdes, wahrscheinlich von iratus. et si foz quo il ne voille obéir au conmenderment le mestre, ou s’amende paier, le mestre li puet deffendre le mestier.

So aucun du mestier devant dit à cui le mestier soit deffenduz de par le mestre, ovre2)Arbeitet. puis la deffense le mestre. le mestre li puet oster ses ostiz,3)Outils. Vergl. Art. 10. et tenir les tant quo il soit paié de s’amende; et se cil li voloit efforcier,4)Resister avec violence. le mestre le devroit faire savoir au prevost de Paris, et le prevost de Paris li devroit abatre la force.

Los maçons et los plastriers doivent le gueit5)Guet, getus = Militärdienst, Wachdienst. et la taille6)Taille, taillée, taillage, talia, tallagium = Auflage, Steuer. Vergl. Dupin et Laboulage, glossaire de l’ancien droit françois. et les autres redevances7)Redevances, redevoirs, redebentia = Leistungen jeder Art. quo li autre bourgois de Paris doivent au Roy.

Li mortelliers sont quite du gueit, et tout tailleur de pierre, très le tans Charles Martel, si come li preudome l’en oi8)L’ont oui. dire de père à fil.

Die Prud’hommes, auf deren Angaben hin diese Statuten niedergesehrieben wurden,9)Vergl. noch Depping, S. 104, Anm. 5. erklärten, dass es von den Vätern also den Söhnen erzählt worden sei, Karl der Hammer habe die mit dem Hammer arbeitenden Steinarbeiter von dem Kriegsdienste befreit.

Le mestre qui garde le mestier de par lou Roy est quite du gueit pour le service quo il li feit de garder son mestier.

Cil qui ont LX ans passé, ne eil à qui sa fame gist,10)Gesir = coucher, accoucher; geu, = couché, accouché. tant come èle , ne doivent point de gueit; mès il260 le doivent faire savoir à celi qui le gueit gard de par le Roi. 1)Vergl. auch noch den Titel bei Depping, S. 425: Metiers et personnes qui jouissent de l’Exemption du guet.

Für die Geschichte der Handwerke und der Künste und besonders der Bauhandwerke und der Baukünste ist es sehr wichtig und belehrend, die gleichzeitige diesfällige Gesetzgebung und Einrichtung der Städte Paris und Strassburg während der zweiten Hälfte des 13ten Jahrh. zu vergleichen, indem daraus ein weit entwickelteres gewerbliches Leben und gewerbliche Gesetzgebung für Paris als für Strassburg sich ergibt und schon damals gewissermassen Paris auch die gewerbliche und künstlerische Hauptstadt von Frankreich, von Europa war. So gab es z. B., um nur Einiges anzuführen, unter den hundert registrirten Corporationen damals 4 oder 5 Corporationen der Verfertiger von Rosenkränzen in Knochen, Elfenbein, Corallen, Bernstein u. s. w.,2)Depping, introd., S. LXVII ferner eine eigene Corporation von Bildschnitzern und Verfertigern von Cruzifixen und die Statuten des Ymagiers-Tailleurs de Paris et de ceux qui taillent cruchefis a Paris enthält Tit. LXI, bei Depping, S. 155. In diesen Statuten heisst es: Li preudome del mestier devant dit sont quite (befreit) du guet ne ne doivent rien de costume de chose qu’il vendent ne achatent apartenant à leur mestier; quar leurs mestiers n’apartient à nule ame, fors que à sainte Yglise, et aus princes et aus barons, et aus autres riches homes et nobles. Sie waren sonach reine Luxusarbeiter und nur von dem Hofe, dem Adel und den reichen Leuten beschäftigt. Der Lehrling musste wenigstens 8 Jahre lernen und erst nach Ablauf von 7 Jahren durfte der Meister einen zweiten Lehrling neben ihm annehmen, was für sich allein schon beweiset, dass die Schnitzerei in Knochen, Elfenbein u. s. w. zu jener Zeit schon sehr vorangeschritten und mannichfach müsse gewesen sein, um nur in 8 Jahren erlernt werden261 zu können. Auch durfte kein Meister einen Lehrling haben, wenn er nicht eidlich erhärtet hatte, selbst 7 Jahre gelernt zu haben. Ferner war hier verordnet, dass kein Arbeiter oder Geselle (ouvrier ou vallet) beschäftigt werden dürfe, der nicht auf die Heiligen beschworen habe, bei einem Meister gelernt zu haben und von ihm gehörig losgesprochen worden zu sein. Es war verboten, beim Nachtlichte zu arbeiten, weil dieses zu ihrer Schnitzarbeit nicht hinreichend sei. Jedes Bild und jedes Crucifix musste aus einem Stücke geschnitten sein. Der Prévôt von Paris bestellte zwei Sachverständige zu Vorstehern der Corporation. Zuwiderhandelnde mussten als Busse 10 s. von Paris bezahlen, wovon 5 dem Könige und 5 der Bruderschaft des Handwerks (confrairie du mestier) zukommen sollen. Zufolge des Art. 2 des Statuts der Masonen musste die Busse an die Kapelle des h. Blasius, des Schutzheiligen der Masonen, entrichtet werden, da nach dem Vorgange der römischen Collegien und der römischen Städteverfassung noch im 13ten Jahrh. zu Paris eine jede Handwerkscorporation auch eine religiöse Bruderschaft war, welche namentlich den Kranken - und Leichendienst der Verbrüderten zu besorgen hatte. Die Verordnung in dem Gildestatut von Cambridge aus dem 9ten Jahrh.1)Thierry, I. S. 416. und diejenige des Gildestatuts des seligen Königs Erich von Ringstaden vom J. 1266, dass die Gildengenossen den verstorbenen Mitbruder zu Grabe geleiten, seinen Sarg tragen und seinen Todtenmessen beiwohnen sollen, ist rein christlich und hat mit dem Germanischen oder mit einer germanischen Bruderschaft nicht das Geringste zu schaffen. Die ersten christlichen Gemeinden schon waren Bruder - und Tugendbünde im Geiste des Pythagoras und der Essäer, und ihnen sind besonders auch die dienenden Brüder, die Diaconen entsprungen. 2)Hüllmann, Ursprünge der Kirchenverfassung, S. 15.Das kirchliche Leben war in jenen Zeiten mit dem bürgerlichen und häuslichen auf das Innigste verbunden und dieses auf jenes durch den jedesmaligen Schutzheiligen des Hauses, des Geschlechtes, der Corporation, der Stadt, der Provinz und262 des ganzen Staates mit ihren besonderen Diensten gebauet, so dass eben sehr leicht auch in blos bürgerlicher Hinsicht selbst eine ganze Stadt als eine einzige grosse Bruderschaft betrachtet und in Stadtverfassungen behandelt werden konnte. Sobald wir von einer Bauhütte zu Strassburg etwas vernehmen, erscheinen sie als Johannisbrüder, d. h. als eine dem h. Johannes gewidmete Bruderschaft. 1)Vergl. Symbolik, II. S. 273 ff. Nach Heideloff, die Bauhütte des Mittelalters in Deutschland, S. 23, hatten die deutschen Maurerbrüderschaften von Alters her auf ihrer Fahne (labarium) den Evangelisten2)Vergl. Symbolik, II. S. 271 ff. Johannes als Schutzheiligen und die Jungfrau Maria mit dem Kinde, jedoch seien auch viele von den Maurern gestiftete Altäre den 4 Gekrönten3)Vergl. Symbolik, II. S. 510 und 533. gewidmet. Hiermit oder mit dieser Johannisbrüderschaft der Maurer hängt es auch zusammen, dass über und in der Krone des Wappens, welches der Kaiser Maximilian I. (der sich auch selbst zum Mitgliede einer Bauhütte hatte aufnehmen lassen)4)Heideloff, die Bauhütte, S. 22. der Bauhütte zu Strassburg als der gemeinen deutschen Haupthütte verliehen hatte und das bei Heideloff, Bauhütte, auf dem Titelkupfer abgebildet ist, ein nach der linken Seite gewandter Adler mit einer Feder im Munde erscheint, dessen Haupt eine Glorie mit der Inschrift umgibt: S. Johannes Evangelista. Die gemeine deutsche Steinmetzordnung, wie dieselbe in die Bestätigungsurkunde des Kaisers Maximilian I. vom Jahr 1498 aufgenommen ist, fasst ähnlich den schon berührten bruderschaftlichen Städteordnungen alle Bauhütten des deutschen Steinwerkes mit ihren sämmtlichen Gliedern an Gesellen und Meistern wesentlich auch als eine geistliche Bruderschaft auf und nur mit Rücksicht hierauf werden die in der Steinmetzordnung Befindlichen Brüder genannt, was nicht immer genug beachtet wird. Am Schlusse bestimmt diese Ordnung, dass Wer, Meister, Parlierer, Gesell oder Lehrling dawider handeln würde, gestraft werden solle, doch sollen die Strafgelder zu nichts Anderm verwandt263 werden, als zu dem Gottesdienst; gleich nachher fährt die Urkunde fort:

Nun darumb dem allmechtigen Gott zue lobe vnd seiner würdigen Mueter Maria vnd allen lieben Heiligen vnd nemlich den heiligen 4 gekrönten zue Eeren vnd besonder vmb Hailes aller selen der personen, die in dieser ordenung sindt, oder jenner darin komen, Item so habet wier die werckhleut Stainwerckh antreffende für vns vnd vnser Nachkommen aufgesetz vnd geordnet zu haben fünft VigiIien vnd singunden Selmesse, zue jeder singunden Mess drey besonder Mess, zue der vier fronfasten, vnd auf der heiligen vier gekrönten Tag, alle Jar jarlicher in dem hohenstifft vnser lieben frauenminster zue Strossburg vnd wo auch ain paue ist, do man gesellen fürdern mag, da soll auch ain Gotzdienst gehalten werden, von wegen vnser Bruederschafft nach Irem vermegen. Item man soll auch ein jedlichen seinen Todt begen, der aus dieser Bruederschafft stierbt, mit Selmessen, seiner seel zue Trost, wo er in die Bruederschafft ist komen, und sein Geld dahin geben hat. 1)Heideloff, S. 59.

Mit dieser Bestimmung der kaiserlichen Bestätigungsurkunde vom J. 1498 ist zu vergleichen die entsprechende in der Ordnung der Strassburger Haupthütte vom J. 1459 oder 1464. 2)Heideloff, S. 41; Krause, IL 1. S. 288; Heldmann, die drey ältesten geschichtlichen Denkmale der teutschen Freymaurerbrüderschaft, Aarau 1819, S. 232.Die Stelle hebt daselbst also an:

Wan nu noch Christenlicher Ordenunge ein jeglich Christen Mönsch siner selen Heyl schuldig zu versehen, so sol das gar billich bedacht werden von den Meistern und Werklütten, die der almachtige Gott gnedeclich begobt hett mit Ir Kunst und Arbeit, gotteshüser und ander köstlich Werk löbelich zu beuen, und davon ir Lybes narunge erlich verdienen; das auch zu Dankbarkeit sie ir Hertz von rechter christenlicher Natur wegen billich beweget, Gottesdienst zu meren und dodurch auch ir Selenheil zu verdienen. Darumb u. s. w.

264Die thüringisch-sächsische oder die Torgauer Steinmetzordnung vom J. 1462 beginnt mit folgenden zwei Artikeln.

1. Alss haben wir eine ordenunge vnd statute darauf gemacht mit der Hülffe Gottes. Aber soll ytzlicher Meyster alle geltfasten lassen viermesse halten. Aber an Sant Petrus tage als er erhaben ward zu Antiochia sol man auch vier messe lassen lesen. Aber die erste messe von der heiligen Dreyfaltigkeit, die ander von vnser lieben frauen, die dritte von den vier gekrönten Merterern, die virde vor alle die sellen die in der ordenung gestorben sindt, vnd vor alle die Hülffe vnserm Steinwerk thun. 2. Aber die andern meister sollen auch messe lassen halden, alle frauenfest, Eine vor alle die vorgenannten selen. Das Gelt, do er lass messe darmit halten, dasselbig geldt sol er aus der Büchssen nemen, vnnd das vbrige geben in die Hauptbüchssen. Aber zu gottesdienste soll ltzlicher Meister geben von igklichen werk, es sey gross oder klein, einen alden groschen alle frauenfast. Aber sol ein Itzlicher geselle geben alle wochen einen pfennig zu gottesdinste In die Büchssen.

Aehnliche Verpflichtungen legten die Stadtrechte schon früher den Handwerkern als Bruderschaftsmitgliedern auf, z. B. das Stadtrecht von München (bei Auer, S. 272), wo es heisst: Ez sol igleicher maister zuo dem leichtuoch und zuo den chertzen ein die zunft geben vier und zwainzig dn. ; der si vor niht gegeben hat, und swer fürbaz meister wirt, der sol ein die zunft sehtzich pfenning geben; swer aber ains maisters sun ist, oder der ains maisters tohter ze êchon elichen nimt, wil der maister sin, der sol ein die zunft vier und zwainzich pfenning geben. Swenn ain maister oder eins maister hausfrowe oder ain witowo stirbet, so sulen die maister und die hausfrowen alle opffern, und swenne ein chint oder ein ehalt stirbet, so sol ie der maistre oder sein hausfrowe opffern, und swer ein opffer wizzentlichen versaumet, der geit ein vierdunch wachs ein die zunft. Wer ohne Herrn oder Landes265 Noth von den Schneidern oder Tuchscheerern an der Feiernacht arbeitete, musste zur Busse 12 Pfenning dem Richter und 24 in die Zunft bezahlen.

Neben der oben geschilderten Corporation und Bruderschaft der Bild - und insbesondere der Crucifixschnitzer, welche jedoch später verschwand, gab es zu den Zeiten Boileau’s zu Paris eine zweite, länger erhaltene Corporation Des Paintres et Taillièes Ymagiers. 1)Bei Depping, S. 157, Tit. LXII.Depping vermuthet, es habe diese Corporation mehr gemalt, vergoIdet und en relief gearbeitet, als freie Figuren; vielleicht aber verfertigte sie auch bald mehr gewöhnliche und kunstlose weltliche Sachen im Gegensatze zu den Crucifixen und Heiligenbildern der ersten Corporation, welche letztere daher aufhören musste, sobald der heilige Glaubenseifer nachliess. Jedenfalls genoss sie keine hohe künstlerische Achtung, denn es ist bestimmt: Quiconques est ymagiers paintres à Paris, il puet avoir tant de vallès et de aprentiz comme il li plaist, et ouvrer de nuit quant mestier li est. Ebenso ist bei ihnen keine Dauer der Lehrzeit angeordnet. Dennoch werden diese Corporationsgenossen von Kriegs - oder Wachtdienst befreiet erklärt: par la reison de ce que leurs mestiers n’apartient fors que au serviee de nostre Seingneur et de ses sains, et à la honnerance de sainte Yglise. Auch ist bestimmt, es solle kein gefälschtes Werk verbrannt werden (estre arse) aus Rücksieht gegen den Heiligen oder die Heilige, zu deren Andenken es angefertigt wurde.

Dieses weite Vorangeschrittensein der baulichen Hülfskünste nach der Mitte des 13ten Jahrh. zu Paris lässt die Baukunst selbst auf der gleichen Höhe vermuthen und diese Vermuthung wird durch die That bestätigt, indem damals in jenen französischen Gegenden lebendig die Entwickelung des sog. gothischen Baustyls begonnen und Notre-Dame, wozu der Erzbischof Moritz von Sully im J. 1163 den Grundstein gelegt hatte, damals der Vollendung nahe war. Im J. 1257 wurde die Façade des südlichen Kreuzes durch den Baumeister Johann von Chelles angefangen, die Capellen am Chor wurden erst seit 1260, die an der266 Rundung des Chors sogar erst seit 1296 im Laufe des 14ten Jahrh. errichtet. 1)Schnaase, Gesch. der bildenden Künste, V. S. 85. Im J. 1243 war auch der Bau der Sainte-Chapelle zu Paris beschlossen und innerhalb 8 Jahren vollendet worden,2)Schnaase, V. S. 36 Anm. ungeachtet des reichsten plastischen Schmuckes. Gerade zu jener Zeit muss daher unter diesen Umständen zu Paris eine sehr thätige Bauhütte bestanden haben, allein aus den Statuten des Boileau ist darüber deshalb nichts ersichtlich, weil diese Bauhütte keine städtische feste Zunft bildete. Schon Suger, der berühmte Abt von St. Denis, hatte im 12ten Jahrh. zur Ausführung seiner Bauunternehmungen Künstler aus allen Gegenden Frankreichs, aus Deutschland und aus Italien herbeigezogen. 3)Schnaase, IV. 2. S. 573. Die Abtei St. Germain des Prés hatte der im J. 1014 verstorbene Abt Morard ausgeführt und die Abteikirche St. Geneviéve war im J. 1068 erbaut worden. 4)Schnaase, IV. 2. S. 366. Die französischen und die ihnen vorangehenden fränkischen Bauhütten sind in aller Hinsicht römischen Ursprunges oder knüpfen hinsichtlich ihrer Gewerke und Künste, ihrer Einrichtungen und Gebräuche, ihres Glaubens, Redens und Handelns genau an die Zustände an, welche sich in den letzten Zeiten des weströmischen Reiches in Gallien gebildet hatten und hier auch unter den Franken in den Kirchen und Städten vielfach forterhielten. Lübke, der gothische Styl und die Nationalitäten, in der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, II. S. 257 ff., erklärt die gothische Baukunst (opus francigenum), welche Andere, z. B. Raumer, Geschichte der Hohenstaufen, VI. S. 524 ff., die deutsche oder wenigstens die germanische genannt wissen wollen,5)Vergl. auch Göthe, von deutscher Baukunst, in der Cottaschen Gesammtausgabe der Werke, XXXI. S. 352 ff. als von den Franzosen ausgegangen, indem sie bei ihnen unter der glänzenden Regierungszeit Philipp Augusts (1180 1223) geschaffen worden sei und zwar als Ausdruck des unter königlichem Schutze emporstrebenden Bürgerthums; aus267 Frankreich sei die gothische Baukunst zuerst nach England durch den Baumeister Wilhelm von Sens gebracht worden, der den abgebrannten Chor der Cathedrale von Canterbury in diesem Styl erbaute; schnell habe sich der französische gothische Baustyl zu dem eigenthümlichen frühenglischen Style gestaltet und schon um das J. 1220 sei das bedeutendste Werk dieses Styles, die Cathedrale von Salisbury, begonnen worden; in Deutschland sei der gothische Styl erst in den Jahren von 1207 1235 eingedrungen und der Chorbau des Domes zu Cöln sei eine genaue Copie des Chores der Cathedrale von Amiens.

V. Die deutschen Bauhütten.

Da die germanischen Völker, welche in die Provinzen des zerfallenden römischen Reiches eingedrungen waren, hier sich nicht allein das Land, den Grund und Boden aneigneten, sondern auch besonders in Gallien die Sprache, die Bildung, die Gewerbe und Künste, die Gesetze und Einrichtungen, die Städte 1) und Schulen, soweit sich die -1)Ueber die Städte des alten Galliens und die aus ihnen hervorgegangenen neuern Städte vergl. die schöne Zusammenstellung bei Kiepert, historisch-geographischer Atlas der alten Welt, Weimar 1860, S. 27 und 28, welcher eine ähnliche Zusammenstellung der italienischen und spanischen Städte vorangeht. Im cisrhenanischen Gallien erhielten sich und zwar in Germania superior die Städte Strassburg, Brumpt (Brumat), Selz, Speier, Mainz und Bingen, in Germania inferior die Städte Coblenz, Boppart, Andernauh, Remagen, Bonn, Cöln, Deutz, Zülpich, Tongern, Worringen, Zons, Neus, Gellep, Kelln bei Cleve, Nymwegen, Utrecht und Leyden. Daran reihen sich in den celtischen seit Augustus zu Belgica gehörigen Gebieten: Langres, Dijon, Alize, Besancon, Luxeil, Nyon, Sitten (Sion), Lausanne, Vevey (Vivis), Orbe, Yverdun, Avenches (Wiflisburg), Solothurn (Soleure), Windisch, Zürich, Winterthur, Augst, Basel, Breisach, Arzheim, Ell, Toul, Metz, Verdun, Trier,268 selben mit den ihnen selbst eigenthümlichen Sitten, Gesetzen, Einrichtungen und Gebräuchen verschmelzen und zu einem neuen lebendigen Ganzen gestalten liessen: wurden sie zugleich die Vermitteler und Träger zwischen dem römischen und germanischen Wesen überhaupt, zwischen dem Alterthum und dem Mittelalter, zwischen dem Heidenthum und dem Christentbum. Die welt - und völkergeschichtliche Bestimmung und Wirksamkeit Galliens lässt sich mit derjenigen des byzantinischen Reiches nicht unpassend vergleichen, nur vermittelte das oströmische Reich mehr zwischen zwei Welttheilen, Europa und Asien, Gallien dagegen zwischen grossen Völkern, den Römern und Germanen, den römischen Christen und germanischen Heiden. Wenn in Gallien auch nicht wie in dem oströmischen Reiche die römische Herrschaft und Gesetzgebung ohne äussere Unterbrechung fortdauerte, erhielten sich doch in beiden gleichmässig die alte Sprache und alte Sitte, das Christenthum und die Kirche, manche alte Städte mit den wesentlichsten alten Einrichtungen, den Handwerken und Künsten, darunter vorzüglich die Baukunst. Man dürfte sagen, zunächst und besonders in Gallien, und sodann in allen römischen Provinzen, zumal im oberen Italien, nahmen die germanischen Völker die den Römern entfallende weltgeschichtliche Aufgabe und Herrschaft, die untergehende griechisch-römische, die klassische Zeit auf, um daraus eine neue Zeit, die christlich-germanische Zeit zu bilden. Die übernommene Aufgabe und weltgeschichtliche Neugestaltung, die Bildung neuer Sprachen und Literaturen, Gewerbe und Künste, Staaten und Völker wurde von den germanischen Völkern aus den vormaligen westlichen und südlichen römischen Provinzen auf ihre rückwärts wohnenden Stammgenossen bis in den äussersten Norden fortgetragen, um überall eigenthümlich und selbstständig fortgebildet und fortgeführt zu werden.

1)Reol, Neumagen und Jvoy. Hiermit sind zugleich die Karten sowohl bei Kiepert, als z. B. bei Spruner, historisch-geographischer Schul-Atlas, Gotha 1856, Nr. 1, II und III, zusammenzuhalten. Solche einfache statistische Vergleichungen reden lauter und deutlicher als die weitesten und mühsamsten Ausführungen.
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Da die germanischen Völker nur durch die Bekehrung zum Christenthum in die neue weltgesehichtliche Bahn eintreten konnten, übernahmen die germanische Bekehrung theils das Schwert der Franken, theils der friedliche Bekehrungseifer der christlichen Glaubensboten, besonders von den britischen Inseln. Wie an die byzantinische Kirche und Kirchenbaukunst sich die Kirche und Baukunst in Armenien und Georgien,1)Schnaase, III. S. 248 ff. und noch mehr in Russland2)Daselbst, III. S. 275 ff. anlehnt, aber bald erstarrt: ähnlich lehnt sich zwar auch die deutsche Kirche und Baukunst, die deutsche Städteverfassung mit dem gesammten städtischen Leben an die gallische, fränkische oder französische und theilweise ebenso an die italienische anfänglich an, entfaltet sich jedoch in sich selbst sofort lebendig, kräftig und volksthümlich, weil sie mit jener nur die gleiche Aufgabe getheilt hatte, mit ihr um denselben Preis und Sieg rang. Karl der Grosse war es vorzüglich, welcher nicht minder durch seine siegreichen Kriegsheere, wie durch seine weisen Gesetze und Einrichtungen den römisch-fränkischen Geistesstrom hinüberlenkte nach den deutschen und nach den nordischen Ländern; friedlicher und bleibender that aber dieses auch der stille Völkerverkehr, besonders aus den rheinischen altrömischen Städten Cöln, Mainz und Strassburg, und vielleicht selbst Basel.

Für den römischen oder, vielleicht schärfer bezeichnet, romanischen Ursprung3)Vergl. auch Symbolik, II. S. 251 ff. des mittelalterlichen deutschen und nordischen Städtelebens aus Italien, aus dem Exarchate und den lombardischen Städten einerseits, und aus Gallien, besonders dem südlichen und nördlichen Frankreich andererseits, spricht zuvörderst die entscheidende Thatsache der Bildung und Entstehung der romanischen Sprachen, Völker und Staaten, indem in ihnen, wenn auch langsam umgestaltet, dennoch sich die römische Sprache, Bildung und Einrichtung, namentlich die städtischen Verfassungen und Einrichtungen forterhalten haben. Mannert, Gesch. der alten Deutschen, II. S. 378, sagt z. B. in dieser Be -270 ziehung kurz, aber zutreffend: Während der Frankenherrschaft ist keine der alten Römerstädte beschädigt, noch weniger gänzlich vernichtet worden. Aehnlich, nur noch viel allgemeiner spricht sich Unger, die altdeutsche Gerichtsverfassung, Göttingen 1842, S. 352, aus. Auch Mohne, Zeitschrift für die Gesch. des Oberrheins, IV. S. 140, Anm. 6, vergl. mit S. 147, Anm. 30 und S. 475 ff., begründet die Behauptung, dass die Städte des Mittelalters durch das fränkische Reich aus dem römischen Vorbilde entstanden seien und dass Manches von dem römischen Städtewesen in den Einrichtungen des Mittelalters fortgedauert habe, wie ja selbst der Name der Stadt nur von statio, befestigtes Lager, abgeleitet sei, wogegen die Ableitung Trummers, Vorträge über Tortur u. s. w., I. S. 168, von Statt, Stäte, Marktplatz, weil der Markt den Grundberiff einer Stadt ausmache, nicht gebilligt werden könnte. Das in Norddeutschland von den dort wohnenden Belgiern zurückgebliebene Weichbild für Stadt betrachtet Mone als eine keltische Benennung von gwig, Ort, Wohnplatz, und pill, Festung, also so viel als befestigter Ort. Mone, Zeitschrift, II. S. 3 ff. : Ueber die Gewerbe im 14. und 15. Jahrhundert, und III. S. 150 ff. : Zunftordnungen des 14. und 16. Jahrh., hat überzeugend und urkundlich dargelegt, dass in den alten Rheinstädten das römische Gewerbswesen erhalten und fortgepflanzt worden sei (III. S. 157, Anm. 10). Mone macht zugleich (III. S. 151) die nicht genug zu erwägende Bemerkung: Für uns am Rhein kommen dabei die alten Gewerbsverhältnisse Frankreichs vorzüglich in Anschlag, denn das römische Gewerbswesen hat sich in Frankreich vollkommener erhalten als in den deutschen Grenzländern und ist durch den politischen und kirchlichen Einfluss des Frankenreichs theils fortgesetzt, theils ausgebildet worden. Die mittelalterliche Verwendung der Handwerker zum Kriegswesen betrachtet wohl Mone weniger richtig als eine Fortwirkung der römischen Einrichtung, nach welcher jede Legion und jedes Regiment (numerus) seine eigenen Handwerker gehabt habe; die Stadtbürger, die Handwerker konnten nur frei sein und bleiben, wenn sie die Freiheit mit dem Schwerte errangen und beschützten. Zu271 ihrem Schutze und zu ihrer Selbstvertheidigung mussten auch alle Mitglieder einer Bauhütte, selbst die geistlichen nicht ausgenommen, auf ihren Wander - und Kunstzügen bewaffnet gehen,1)Heideloff, Bauhütte, S. 19. was Krause, Mossdorf und Andere bei Erörterung der Frage über das Alter des maurerischen Symbols des Schwertes übersehen. haben.

Schon Walter, Gesch. des bernischen Stadtrechtes, I. (Bern 17941) Hauptst. II. §§. 41, ist der Ansicht, dass die unter der römischen Herrschaft ausgebildete Rechtsverfassung der Stadt Cöln den deutschen Stadtrechten des 12ten und 13ten Jahrh., besonders und ausdrücklich dernjenigen von Freiburg im Breisgau vom J. 1120, zum Vorbilde und Leitfaden gedient habe und dadurch für alle folgenden Zeiten einflussreich geworden sei. Der bisher unrichtig dafür gehaltene2)Gaupp, deutsche Stadtrechte, II. S. 1 ff. ; Gengler, deutsche Stadtrechte, S. 121 ff. Freiheitsbrief, der sog. Stadtrodel der Stadt Freiburg im Breisgau, beginnt mit den Worten: Notum sit omnibus tam futuris quam presentibus, quod Bertholdus (III) Dux Zaringie in loco proprii fundi sui Friburc videlicet. secundum jura Coloniae liberam constituit fieri civitatem. Dieses freiburgische Stadtrecht wird von Walther und Andern für das älteste geschriebene deutsche Stadtrecht gehalten, was es aber nicht ist, indem jedenfalls schon das erste geschriebene Recht der Stadt Strassburg über das Jahr 1120 in das 11te Jahrh. hinaufreicht.

Den Ansichten von Walter tritt Unger, die altdeutsche Gerichts-Verfassung, S. 369, mit folgenden Worten bei: Es darf, wenn auch nicht als erwiesen, doch als sehr wahrscheinlich angenommen werden, dass Cöln von seiner Stiftung her das alte römische Municipalrecht sich bewahrt hatte, und mit diesem einen Gemeinderath, eine Curie, durch welche gewisse bevorrechtete Familien die Gemeindeinteressen, Das, was wir die Ortspolizei nennen, verwalteten. Ganz bekannt ist, dass die meisten deutschen Städte seit dem 12ten Jahrh. eine ähnliche Einrichtung erhielten und dass sie ihr Recht, wahrscheinlich diese272 Einrichtung gerade, mittelbar oder unmittelbar von CöIn herleiteten. Dass sodann aber Unger mit diesem Ursprung der Stadträthe den nach seiner Ansicht nicht ältern Ausdruck: wickbild in Verbindung bringt und darunter das Recht einer kleinen Stadt, eines vicus, wie sich solche vici mit römischer Stadtverfassung am Rhein ausserhalb Cöln erhalten haben möchten, verstehen will, ist völlig unhaltbar. Es bedarf gar keiner Widerlegung, dass das Weichbild etwas Anderes sei als ein abbild eines wicks , d. i. eines vici. Da man von Weichbildrecht im gleichbedeutenden Sinne mit Stadtrecht spricht, muss es jedenfalls das Recht einer Stadt sein, welche zur noch nähern Bezeichnung im nördlichen Deutschland den Namen Weichbild erhält. In den von Unger aus Urkunden des 14ten Jahrh. angeführten beiden Stellen:

Urkunde von 1355 bei Jacobi Landtagsabschiede des Fürstenthums Lüneburg, Hannover 1794, S. 4: de stede Lüneborch Hannover Ulsen Luchowe Dannenberg Pattensen Mundere Eldaghesen Nyenstadt Tzelle un de wikbelde Winsen Dalenborch un Blekede.

Urkunde von 1373, daselbst S. 14: De stätte Lüneborg, Hannover undt Ultzen undt alle stede und wigkbilde de in der vorscrewenen herrschop belegen sin.

erscheinen gewiss die wigkbilde nicht als kleine Städte, als vici, im Gegensatz zu den grossen Städten oder den Städten, sondern eher als gleichbedeutend, weil es heisst: stede und wigkbilde, wie denn auch die Rechte der Städte Hamburg, Bremen und Stade in Urkunden des 13. Jahrh. Weichbildrechte, jura civilia s. oppidana, genannt werden. 1)Trummer, Vorträge über Tortur u s. w., I. S. 186.Noch weit zulässiger aber ist es, unter den Weichbilden mit Mone befestigte Orte, befestigte grosse und kleine Städte zu verstehen. Walter, deutsche Rechtsgeschichte, Bonn 1853, S. 243, versteht mit Gaupp, Städtegründung, S. 98 130, unter Wikbildrecht das für einen geschlossenen Ort geltende Recht, von Wik, geschützter Ort, und Bild, Recht: allein auch diese Ableitung muss dahin fallen, indem dann Weichbildrecht heissen würde:273 Stadtrechtrecht. Benecke im mittelhochdeutschen Wörterbuche, III. S. 614 unter wich und I. S. 121 unter wichbilde, scheint zu schwanken, jedoch im Ganzen mit Eichhorn unter Weichbild ein heiliges Bild zu verstehen. Trummer zufolge soll Weichbild den Umfang der Gerichtsbarkeit, das Territorium bezeichnen. Eichhorn, II. §. 243, lässt übrigens, das Weichbildrecht, das Stadtrecht und die städtische Verfassung in bischöflichen Städten, d. h. in solchen Orten entstehen, die ursprünglich römische Verfassung gehabt hatten. Die Handwerkgenossenschaften