PRIMS Full-text transcription (HTML)
Note: 28bG. Partheÿ.

EX · LIBRIS · GVSTAVI · PARTHEY ·

acc. ms. Note: 1921. 144

1r
Note: Ms. Germ. qrt. 1711.
Alexander von HumboldtVorlesungen über physikalische Geographie.
Novembr. 1827 bis April, 1828.
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1v2r
1.

acc. ms.

1

Physikalische Geographie bei A. v. Humboldt.

1. Vorlesung, 03.11.1827

Als Einleitung in diephysikalischeGeographiegebe ich eine Übersicht der Zustände im allgemeinen, in welchen die Materie uns im Weltraume erscheint, und fange daher mit denjenigen Körpern an,welche in der Lichtbildung begriffen scheinen. Durch Herschelsche und Frauenhofersche Teleskope bemerkt man nämlich Nebelflekke, welche einen mehr oder minder hellen Kern mit einer Lichthülle umgeben zeigen: in dieser Lichthülle nimt manein Ab - und Zunehmender Lichtstärke wahr, eine Ebbe und Flut; diese mögen zu den primitiven Formazionen, zu den Uranfängen des Aggregatzustandes gehören. Ihre Ent - fernung ist unermeslich: durch die Verfinsterungen der Jupi - tertrabanten sind wir im Stande, die Geschwindigkeit des Lichtes zu berechnen, welches von Röselzuerst geschah. Olaf Römer, ein Däne 1676 mit dem ältern Caſsinizu Paris [Das] Licht braucht von der Sonne bis zu uns 8 Min. 13 Sek. vondijenenentferntesten Nebelflekken aber 20 30,000 Jahre. 2vDies ist alles, was wir von jenen entfernten Weltkörpern wissen können, wir gehn zu solchen über, welche uns näher stehn, und in der linsenförmigen Sternschicht selbst liegen, in der unser Planetensystem sich befindet. Hier finden wir nun die Doppelsterne, deren man bis jezt 700 entdekt hat: einige davon drehen sich, wie Besselgezeigt hat, um einen gemeinsamen Schwerpunkt, haben sich also noch nicht selbstständigaufkonstituiren können: man findet deren 3 4 zusammen; ja im Sigma des Orion laufen 16 Sterne umeEinen Schwerpunkt. Auch scheinen hieher diejenigen zu gehören, welche nur auf der einen Seite leuchten, und daher in gewissen Periodender Umdrehung verschwinden und wieder - kehren, wovon wir in der Kassiopeia und sonst Bei - spiele finden.

Bei der ungemein grossen Menge von Sternen müssen wir annehmen, da〈…〉〈…〉ssdie Himmelsräume mit einer licht -3r schwächenden Materie angefült sind, die man auch wohl Aether genant hat: denn sonst würde uns, wie schon Olbersbewiesen hat, aus allen Theilen des Himmels ein unbegreif - lich scharfes reflektirtes Licht entgegenstrahlen; (ja wir müssen sogar dem Aether eine Bewegung-schwächende Kraft beimessen, wie weiter unten gezeigt werden wird.) Anstatt jenes scharfen Lichtes aber sehn wir am Him - melsraume eine sehr verschiedene Helligkeit, je nachdem die Sterne dicht oder dünn vertheilt sind:jaes kommen auch mehrere ganz von Sternen entblöste Stellen vor, wovon ich vor allen die sogenanten Kohlensäkke (von den Engländern coal-bags genant) anführe: den einen an der Spize des südlichen Kreuzes, den andern nahe am Südpol, welche ich beide auf der südlichen Halbkugel beobachtete: eine andre leere Stelle〈…〉〈…〉von 6 8 Graden im Durchmesser findet sich im Krebs: doch mus ich hiebei eine auffallende3v Erkescheinung bemerken, dass nämlich die Intensität der Dunkelheit bei diesen Flekken nicht gleich ist: der im Krebs ist heller.

Welchen Plaz unser Planetensystem in der linsenförmi - gen Sternschicht einnehme, ist nur im allgemeinen zu bestimmen: nach der neuesten Ansicht steht es dem Adler am nächsten.

Nach Herschelist unsre Sternschicht in einer fortwäh - renden Bewegung begriffen, und zwar in einer sich nach allen Seiten hin auflösenden. Unser Sonnensystem bewegt sich gegen das λ im Herkules.

Über die Kometen hat sich neuerlich die Meinung der Astronomen sehr geändert, jener[Gedanke], dass sie ein Planetensystem mit dem andern verbinden, ist ganz ver - schwunden: man nimt jezt an, dass keine ihrer Bahnen über den Uranus, ja nicht einmal über den Saturn hi - naus gehe.

4r

Beschränken wir uns nun zuerst auf unser Planetensystem, so werden wir alle Planeten in 2 Klassen theilen können: in innere und äussere,oderd. h.solche, welche innerhalb und ausserhalb der Bahnen der Ceres, Vesta, Pallas & Juno liegen, diese 4, welche wir kleine Planeten nennen, sind alle zusam - men nicht so gros als unser Mond, ja die Vesta als der kleinste, hat eine Oberfläche von 10,000Quadratmeilen,also weniger als der preussische Staat. Die 4 innern Planeten, Merkur, Venus, Erde, Mars haben eine grössere Dichtigkeit: nämlich:

MerkurVenusErdeMars
PlatinGoldMagneteisenstein

sie sind auch deshalb, weil sich ihre Masse mehr konzentrirte, mondarm, und haben alle zusammen nur einen Mond.[Die] 4 äussern sind weit〈…〉〈…〉weniger dicht:[Pallaspp. Jupiter,Saturn,UranusBernstein.NaphtaWasser.]und sehr abgeplattet. Wir haben hier eine Menge von Satelliten,4v und die Erscheinung eines Ringes, welcher nichts anderes ist, als eine Menge knotenförmig verwachsener Trabanten.

Man hat bis jezt von solchen Kometen, welche zwi - schen der Erde und der Sonne durchgehn, 400 beobachtet, rechnen wir aber alle dazu, welche ausserhalb der Erde ihre Bahnen ziehn, so kann ihre Zahl leicht auf einige 100,000 gesteigert werden, welche alle zu unserm Planeten - systeme gehören.

Die wichtigste Entdekkung in dieser Hinsicht machte vor wenigen Jahren unser Astronom Encke: er fand, dass ein Komet in [Jahren] um die Sonne läuft, bei seinem lezten Erscheinen hatte er ihn genau vorhergesagt, und man ent - dekte ihn auch zuerst in NeuHolland in Paramatta, fand aber, dass er sich ein wenig verspätet hatte, und dies führte auf die Bewegung-hemmende Eigenschaft des Aethers, welche oben erwähnt wurde.

Der Hauptmann Bielafand einen 2tenKometen, welcher5r in [Jahren] herumläuft, und ausser diesen sind uns noch 2 bekant, welche regelmässig wiederkehren.

Die Abplattung der Erde an den Polen ist bedeutender, als man früher glaubte, man nahm sie sonst zu 1 /310305 1 /315310an: jezt weis man, dass sie zwischen 1 / 2889 1 / 2990liegt. Die spezi - fische Dichtigkeit der Erde ist , wie Kavendishzuerst zeigte, von dem man dahermit Recht sagte, er habe die Erde gewogen.

Die nach dem innern der Erde zunehmende Temperatur macht es höchst wahrscheinlich, dass die Erde in einernoch unbe - stimmten Tiefe flüssig sei: diese Flüssigkeit steht ihrer Dich - tigkeit gar nicht entgegen, eben so wenig als bei den KometendieihreLeichtigkeit es hindert, dass die obern Schichten der sie um - gebenden Hülle auf die untern drükken, und dennoch kann man durch den Kern mancher Kometen Fixsterne der 6 7tenGrösse erkennen, ja ihre Dunsthülle übertrift alles bei weitem an Dünnigkeit, was wir von gasförmigen Körpern auf der Erde kennen: sie sind mehrere 1000 mal weniger dicht als die Erde.

5v

Wir müssen unsre Erde in einer fortdauernder elektro-ma - gnetischen Spannung annehmen, und es ist sehr wahrschein - lich, dass diese Spannung durch die Sonnenwärme erhalten wird, wie dies aus der schönen Entdekkung Seebeck's vom Thermomagnetismus und den Beobachtungen der gelehrten Engländerin, Lady Sommervilleüber die Eigenschaften der Sonnenstrahlen hervorgeht.

2. Vorlesung, 07.11.1827

Nachträglich zur ersten Vorlesung:

Im Weltenraume nehmen wir die Materie in 2erlei Gestalt wahr:

  • 1, zu Weltkörpern geballt,
  • 2, als Dunstmasse dazwischen verbreitet.

Die Weltkörper liegen schichtenweis übereinander, und unser Planeten - system liegt in einer linsenförmigen Sternschicht.

Ein Theil der Nebelflekke läst sich durch starke Fernröhrein Sterne auflösen, ein andrer bleibt selbst vor dem40-füssigen Herschelschen Tele - skop unaufgelöst als Nebel: der grosse Nebelflek im Orion, welcher auch dem blossen Auge sichtbar ist, bleibt stets unauflösbar, und doch steht er uns höchst wahr - scheinlich näher, als mancher andre auflösbare.

6r2.

Bei den Doppelsternen ist zu bemerken, dass diejenigen, welche sich um die andern bewegen, meist ein buntes gefärbtes, vielleicht verlöschendes Licht haben, und dass ihre Bewegung von Osten nach Westen ist, im Gegensaze unseres Systemes, wo alle Bewegung von Westen nach Osten fortrükt.

Unser System besteht aus einem Zentralkörper, um welchen sich 11 Hauptplanetenund18 Nebenplaneten bewegen, der Zentralkörper ist von so ungeheurer Grösse, dass unser Mond fast2-mal darin seinen Umlauf um die Erde vollen - den könte.

Die 4 kleinen Planeten, Vesta, Ceres, Pallas und Juno heissen auch Asteroïden, und obgleich sie wegen der Unregelmässigkeit ihrer Bahnen,[den Übergang zu den Kometen] zu bilden scheinen, so ist man doch jezt alge - mein überzeugt, dass Kometen nie in Planeten und umgekehrt sich verwandeln können.

6v

Der Komet des Hauptmanns Biela(in Böhmen) könte uns allerdings gefährlich werden, da man berechnet hat, dass einer seiner Knoten wirklich in der Erdbahn liegt, indessen kann uns die grosse Leichtigkeit dieser Welt - körper von aller Besorgnis befreien: denn man hat nach - gewiesen, dass einer derselben durch das Trabantensystem des Jupiter gegangen ist, ohne dasselbe im mindesten in Unordnung zu bringen. Die Dichtigkeit der Ko - meten beträgt 1 / 5000 von der Dichtigkeit der Erde: sie sind also noch weit dünner, als die dünste Luft, welche wir unter der Luftpumpe hervorbringen können.

Bei der Dichtigkeit der äussern Planeten ist zu be - merken, dass der Uranus etwas dichter ist als der Saturn: nämlich wie Wasser zu Naphta.

Der dem Saturn am nächsten laufende Mond ist kleiner als Vesta, mithin der kleinste planetarische7r Körper, den wir kennen.

Bei allen Messungen im Weltraume ist es weit interes - santer, die Grössen und Zahlen in ihrer relativen Ausdeh - nung zu kennen, als in ihrer absoluten: grade wie bei den Berghöhen. Die Schneekoppe ist ½ mal so hoch als der höchste Gipfel der Pyrenaeen: der Pik von Teneriffa ½ von der Spize des Himalaya; der Brokken des Schimboraço. So wird auch eine vergleichende Berechnung von der Grösse des Weltraumes, wie sie Herschelanstelte, hier an ihrer Stelle sein. Man seze den Durchmesser unser Sonnensystems mit den äussersten Kometen - bahnen = 1 Linie; so wird die grössere Axe unsrer linsenförmigen Sternschicht = 260 Fus gleich sein; und von uns bis zum fernsten Nebelflek = 4⅓ geogr. Meile. Die Sehweite des bewafneten Auges ist also 4⅓ Meile, die7v des unbewafneten im gleichen Verhältnis 3 Fus.

Man hat Infusorien beobachtet, deren Durchmesser 1 / 1000 Linie beträgt: diese verhalten sich zu einem Wallfisch von 60 70 Fus Länge, wie der Durchmesser unseres Sonnensystemes zu der Entfernung desselben von den weitesten Nebelflekken.

Bei allen diesen Berechnungen ist natürlich eine Ungewisheit vorhanden, welche aber dadurch verringert wird, dass man sie in ganz bestimte Gränzen einschliessen kann, so kann man mit Bestimtheit behaupten, das der Sirius 10,000 mal weiter als Uranus steht, weil seine Parallaxe noch nicht eine Sekunde be - trägt. Bei der Entfernung des Mondes von 51,000 Meilen ist man nur um 14 15 Meilen ungewis, welches so viel heist, als ob man bei der Höhe des Brokkens von 3200′ um1 2′ ungewis wäre.

Über die geologische Beschaffenheit der Weltkörper hat man geglaubt, durch die Aerolithen Aufschlus zu erhalten, welche aus sehr entfernten Gegenden zu kommen scheinen: ohne sonderlichen Erfolg.

Wenn wir nun zu den tellurischen Verhältnissen übergehn, so8r müssen wir zuerst 2 flüssige Hüllen um den Erdkörper bemerken, die des Meeres und der Luft, wodurch man schon auf die Kugel - gestalt der Erde geführt werden könte. Schon Aristoteles(de coelo) stelt die Behauptung auf, dass die Erde rund sei, weil man bei den Mondfinsternissen den Erdschatten rund in die Mondscheibe eintreten sieht. Aus der Mondbahn selbst hat man auf die Ab - plattung der Erde an den Polen geschlossen. Nach Freycinet's lezten sehr genauen Messungen ist es erwiesen, dass die Erde am Südpoldieselbnicht mehr abgeplattet ist als am Nordpol, wie man früher glaubte.

Die Attrakzion der Berge, nach der man in verschiedenen Gegenden die Schwere der Erde gemessen hat, gab verschiedene Resultate: in Schottland, 4,7 schwerer als Wasser; am Mont - cenis, 4,4. durch Kavendish ' Erdwage 5,4. nehmen wir aus allen diesen Angaben das Mittel, so erhalten wir 4,5 5,0: wir müssen also annehmen, dass im Innern der Erde eine grössere Dichtigkeit herscht, als wir in den dichtesten Gebirgs -8v arten antreffen, der Basalt hat nur 3,5spezifischeSchwere. Auch die Stabilität des Meeres, d. h. die Sicherheit, welche wir haben, dass es nicht seine Ufer übertritt, ist nur auf der nach innen zunehmenden Dichtigkeit der Schichten begründet.

Die magnetische Spannung der Erde äussert sich horizontal und vertikal, oft auch oscillirend, und wird durch die innere und äussere Erwärmung vermehrt. Die Versuche von Morecchiniin Rom und von Miss Sommervillehaben bewiesen, dass man unmagnetisches Eisen durch Sonnenstrahlen ma - gnetisiren kann: doch gelingen diese Versuche sehr selten.

Die relative Tiefe der Bergwerke ist zwar sehr verschieden, doch ist man bis jezt nur auf 900′ unter der Oberfläche des Meeres vorgedrungen.

Eine konstante Erscheinung ist es, dass die tiefer herauf - kommenden Quellen immer die wärmeren sind, wodurch es um so wahrscheinlicher gemacht wird, dass der Erdkör - per bei wenigen Meilen Tiefe sich im geschmolzenen Zu -9r stande befindet, doch werden die Schichten durch den Druck gehalten.

Die vulkanischen Erscheinungen sind von 2erlei Art:

  • 1, bleibende, welche als ein Zusammenhang zwischen dem innern geschmolzenen Kerne des Erdkörpers und der At - mosphäre zu betrachten sind.
  • 2, temporäre: dahin gehören Erupzionen, Inselbildungen, wie Zabrina, Methana. Monte nuovo. Ischia.pp.[Den] Ausbruch von Chorydo in Mexiko 1759 beobachtete ich selbst sehr genau.

Wenn wir mithin annehmen müssen, dass die Erdoberfläche früher eine weit grössere Wärme gehabt, so erklärt sich hieraus sehr leicht das Vorkommen der tropischen Produkte in den nördlichsten Gegenden; und wir können es ohne Beden - ken aussprechen, dass unsre Erde sich früher in einem chao - tischen Sonnenzustande befunden haben müsse: darauf ging jene Oxydazion vor sich, die wir noch jezt an der Kruste wahr - nehmen, nachdem aber diese einmal geschehn ist, so schüzt sie9v den innern glühenden Kern vor Erkältung,〈…〉〈…〉demindemsie selbst vom Zentrum aus gleichmässig erwärmt wird. Fourierhat be - rechnet, dass die Temperatur in 1000 Jahren kaum um ½ Grad Reaumur fallen wird.

Die bleibenden Vulkane bilden Gebirgketten eines körnigen Gesteins,[welches] früher fest gewesen ist: in ihrer Nähe erkennen wir einen Übergang zwischen alten und neuen Gebirgsarten.

Steigen wir von oben nach unten hinab, so finden wir

  • 1, einen aufgeschwemten Boden mit Thierknochen, die einem riesenartigen Geschlechte angehören.
  • 2, Kalkstein und Sandstein, ebenfals mit Thierknochen.
  • 3, Thonschiefer, schwarzen Kalkstein, Grauwakke,pp. mit wenigen Spuren von Organisazion.
  • 4, die 4 körnigen ältesten Gebirgsarten. Granit, Gn[?]eus, Glimmerschiefer, Syenit, mit diesen vermengt: Serpentin,
    D[?]olomi[?]t
    1 Trachyt, Porphyr, Basalt, Dolerit.

Steigen wir von unten herauf: so finden wir am tiefsten10r3.im Thonschiefer die ersten Vegetabilien, höher hinauf auch Kon - chylien, nicht anders als ob die Natur auch hier von den unvolkommen zu volkomneren Geschöpfen fortgeschritten wäre. Im Ganzen aber nehmen wir 2 grosse Zerstörungen von Wäldern wahr. Die ersten Wälder bestanden aus Mono - kotyledonen und dem Material der Steinkohlen, die 2tenaus Dikotyledonen, wie wir sie in unsern Gegenden haben. Bei den Versteinerungen finden sich überall Palmen und tro - penartige Farrenkräuter: man hat berechnet, dass bei jener früheren Vegetazion fast gar keine Dikotyledonen vorge - kommen sind: während jezt die Palmen nur 1 / 30 derganzenPflanzenwelt ausmachen.

3. Vorlesung, 10.11.1827

Den grösten Theil meines Lebens habe ich dem Studium der Geognosie, Meteorologie und Pflanzengeographie gewid - met, ich darf daher wohl hoffen, in diesen Theilen der Wis - senschaft Ihnen ein deutliches Bild davon aufzustellen.

10v

Wir müssen vor allem auf eine chemische und mechanische Heterogeneïtät in den Bestandtheilen der Erde aufmerk - sam machen: hienach wird darzustellen sein, wie die kon - stanten Assoziazionen der Gesteine eine Gebirgsart bilden, welche man mit derselben Mischung in allen Theilen der Erde wiederfindet. Die Gebirgsarten bilden Gruppen, welche man Formazionen nent: es ist Werner's un - sterbliches Verdienst, zuerst auf die Bildung der Forma - zionen aufmerksam gemacht zu haben, so finden sich z. B. immer beisammen:

  • Granit, Gneus, Glimmerschiefer,
  • Basalt, Mandelstein,
  • Steinkohle, Quarzporphyr, Sandstein.

und dies nent man geognostische Reihen.

Die Geognosie ist nichts anderes als die wissenschaft - liche Betrachtung dieser Reihen von Gebirgsarten,11r welche man entweder arithmetische oder periodische nennen könte, je nachdem die einzelnen Gebirgsarten sich ein - oder mehreremale hintereinander finden.

Es ist ein Triumph der Bergwissenschaft, dass durch Betrachtung dieser Reihen an manchen Stellen die Entdekkung des so unentbehrlichen Steinsalzes her - beigeführt worden ist.

In Hinsicht auf ihre äussere Gestaltung theilt man die Gebirgsarten in 3 Klassen ein:

  • 1, plattenförmige.z. B. Kalkstein mit Versteine - rungen, und Süswasserthieren; ferner die terziären Bildungen, mit welchem Namen man diejenigen Flöz - gebirge bezeichnet, welche über der Kreide liegen.
  • 2, fragmentarische, wohin der Sandstein gehört.
  • 3, körnige, wie karrarischer Marmor, Granit,11v Trachyt, (woraus der Chimboraço besteht) Porphyr.

Bemerkt mus es werden, dass die Flözgebirge an man - chen Stellen ganz fehlen,z. B. in dem ganzen Theile von Nordamerika, welchen Captain Franklinneuerlich durch - wandert hat: auch in jenen Gegenden am Orinoco, welche ich in grosser Ausdehnung durchzogen habe.

Das Organische in diesen Gesteinen hat sich nicht immer gleichmässig ausbilden können, doch bemerken wir hier ganz unzweifelhaft im Fortschreiten der Formazionen von unten herauf, von den Gräsern, Trilobyten, zu den Eidexen, welche mit unsern Kro - kodillen Ähnlichkeit haben, bis zu den Vögeln und Säugethieren hinauf.

Bei den beiden Schichten untergegangener Wälder mus hier erinnert werden, dass die tiefere Schicht12r zwischen den Flöz - und Übergangsgebirgen liegt, und das unbekante Material zu den Steinkohlen geliefert hat, das aber ohne Zweifel aus Monokotyledonen bestand. die 2tehöhere Schicht liegt zwischen den terziären Bil - dungen und den Flözgebirgen, und hier finden sich unter den Dikotyledonen die meisten unsrer Waldbäume. Beide Schichten bilden, so zu sagen, grosse geognostische Ho - rizonte, nach denen sich der Forschungerin allen Him - melstrichen sogleich orientiren, und die relative Stel - lung der vorgefundenen Gebirgsarten zu einander be - stimmen kann. Man kann sich dieselben als iso - chronisch in den entferntesten Weltgegenden entstan - den denken.

Früher glaubte man, dass die einzelnen Gebirgsarten durch gewisse Menstrua im Wasser aufgelöst ent -12v halten gewesen, und aus demselben durch Niederschlag abgesezt worden: man sprach von Granitwasser, Gneus - wasser, und hatte, um es grade heraus zu sagen, sehr unchemische Ideen über ihre Entstehung gefast, wovon man jezt zurükgekommen ist: denn nicht über - all finden sich[Auflagerungen], sondern vielmehr Anla - gerungen der Gesteine. Granit liegt oft höher als die andern Gebirgsarten, oft findet man ihnüberhängend.auf gleicher Höhe mit denselben.

Es ist jezt keine Frage mehr, dass im Innern der Erde viele brennbare Stoffe existiren, welche in Verbindung mit den komprimirten glühenden Däm - pfen die Erdbeben herbeiführen. Wie wäre es sonst zu erklären, dass zu derselben Zeit,ja in derselben Stunde wo Lissabon durch ein Erdbeben unterging, das Meer an den Antillen13r weit über seine Ufer hinausgetrieben wurde, und in Böhmen (ein durchaus konstatirtes Faktum) mehrere Heilquellen momentan versiegt sind.

Die jezige Erdrinde ist durch Säuren oxydirt worden, welche sich in der Luft befinden: wenn man eine kleine Kugel von Potassiumdieinder Luft aufhängt, so wird sie sogleich ihren Glanz verlieren, indem ihre Oberfläche durch den Sauerstof der Athmosphäre oxydirt wird. Wahrscheinlich ist es, dass die körnigen Gebirgsarten das erste Produkt dieser Oxydazion gewesen sind: wo wir daher den Granit auf den Höhen finden, da müs - sen wir annehmen, dass er dorthin gehoben sei. Auf den geognostischen Karten sehn wir, dass Granit, Gneus, Glimmerschiefer sich in grossen elliptischen Formen über die andern erheben, wie dies sehr auffallend in den Gebirgen von Kornwall stattfindet: ja man findet13v die Spalten der neueren Formazionen mit Granit gefült, wel - ches sich nur durch Heraufhebung erklären läst, wenn man nicht ein sonderbares echinus-artiges Aussehn der Erdoberfläche annehmen will. Der Granit hängt oft über, ja im südlichen Tyrol liegt Granit auf Kalkstein auf, und hat eine Penumbra von mehreren 100 Fus schwarzen Kalksteins gebildet. Diese Verwandlung läst sich in manchen Fällen auch durch die Kunst hervorbringen: Hallin England hat gewöhnlichen Kalkstein in karrarischen Marmor verwandelt, indem er ihn unter einem ungeheuren Drukke geschmolzen. Im südlichen Tyrol hat man mitten in Kalkschichten schöne schwarze Augitkrystalle entdekt, welche zu - gleich Thonschiefer und Grauwakke in die Höhe ge - hoben haben. Wenn wir also auf den höchsten Gebirgen Konchylien finden, so sind diese durch Hebung, keines -14r4.weges aber durch Niederschlag aus dem Wasser (wie man früher annahm) dahingekommen: so fand man auf den Liparischen Inseln Meerespflanzen im Tuff der Vulkane. Alles dies, man kan es jezt ohne Zandern ausprechen, geschah durch die Gewalt elastischer Dämpfe, welche auch vielleicht bei der Erzeugung der Metalle, wovon wir alle Gebirgsarten durchzogen finden, mitgewirkt haben.

Die gänzliche Revoluzion in den geognostischen Ideen ist von dieser Stadt selbst ausgegangen: wir verdanken sie dem Herrn Leopold v. Buch, dem verdienstvolsten Geognosten, der alle Klimaten der Erde, von dem tropi - schen Himmel der kanarischen Inseln bis zu den nördlichsten Gegenden unsrer Zone mit gleichem rast - losen Eifer durchforscht hat.

Die zweite Stelle nimt die höchst wichtige Entdekkung ein, dass man mehrere Gesteine, wie Glimmer, Pyroxenpp.14v künstlich darstellen könne: dies geschah durch einen unsrer ersten Krystallographen, Herrn Mitscherlich, welcher diese Produkte in den Hochöfen erhalten hat.

Die Athmosphäre, welche unsern Erdball umgiebt, besteht aus Sauerstoff, Stikstof und einem unbedeu - tenden Theile Kohlenstof. Die Quantität Sauerstof scheint auf allen Höhen dieselbe zu sein, wie dies durch vielfältige Versuche erhärtet worden ist: ich holte Luft aus einer Höhe von 15000′, noch höher kamHerr Gay Lussacmit einem Luftballon; überall aber fand man dieselbe Menge Sauerstof.

Wir müssen uns denken, dass unser Luftmeer nach oben zu Wellen schlägt, und daher erklärt sich die Veränderung des Barometers im Grossen: ausser dieser hat man aber noch 2 Ebben und Fluten bemerkt, welche täglich wiederkehren: der erste höchste Stand15r ist von 9 früh, der 2teum 11 Uhr Abends: diese Oszillation wird von Stürmen nicht unterbrochen, und steht auch nicht, wie die Meeresflut, mit dem Monde in Verbindung: eben so wenig hat die Wärme Einflus da - rauf, noch die Verhältnisse von Zenith und Nadir. In den Tropenländern[habe] ich diesen Beobachtungen nur wenige Tage gewidmet, in Deutschland braucht man kaum 20 Tage, um die Mittelzalen in den Stunden zu finden.

Nicht minder als dies verdient die Quantität des Regens, welcher in den verschiedenen Zonen fällt, unsre Aufmerksamkeit. Man hat berechnet, dass unter den Tropen jährlich 120 Zoll Regen fallen, bei uns nur 15″ und im südlichen England, wo es im Verhältnis sehr viel regnet, 30 35″.

Eine nicht minder wichtige Wissenschaft ist die Klima - tologie, wobei ich hier nur im allgemeinen bemerke, dass15v das Klima nicht blos von dem mehr oder minder schrägen Auffallen der Sonnenstralen abhängig ist, sondern vorzüglich durch die Wechselverhältnisse zwischen Meer und Land〈…〉〈…〉bestimt werde.

DieopakenstarrenTheile sind vorzugsweise wärmeerzeugend. Alle westlichen Küsten unter gleichen Breiten sind wärmer als die östlichen, und man bemerkt einen auf - fallenden Wärmeunterschied zwischen Europa, Nordame - rika und China.

Europa verdankt sein gemässigtes Klima nur dem Umstande, dass es

  • 1, nichts ist als dieWest-Küste des grossen alten Kontinentes
  • 2, dass ihm im Süden ein grosser Kontinent, Afrika liegt: (so ist Asien kälter, da ihm dieser Kontinent fehlt, die Südwinde sind daselbst kälter, weil die Son - nenstralen auf dem Wasser nicht so erwärmt werden als auf d. Lande.)
  • 16r
  • 3, dass es nicht ganz gegen den Nordpol hinaufreicht, sondern dass zwischen ihm und demNordpol ein eisfreies Meer sich befindet (welches wieder in Amerika und Asien fehlt) daher sind dieNordwinde in Europa nicht so kalt als in jenen Erdtheilen, weil sie nicht über einen eisigen Kontinent, sondern über ein eisfreies Meer kommen
  • 4, ausserdem gehn auch noch in diesem eisfreien Meere südliche Strömungen an den Küsten von Skan - dinavien aufwärts.

4. Vorlesung, 14.11.1827

Allerdings ist der Einfallswinkel der Sonnenstralen bei der Klimalehre von grosser Wichtigkeit, doch ist er es nicht allein, der die Temperatur eines Landes bestimt: je grösser dieser Winkel wird, um desto geringer ist der Unterschied, den er auf Wärme und Kälte hervorbringt: von 60 90° ist fast gar keine Verschiedenheit: daher haben die Länder unter dem Aequator bis 15° drüber und drunter fast ganz dasselbe Klima.

Im Ganzen hat der Ozean eine wärmere Temperatur,alsan16vseiner Oberfläche, als in der Tiefe. 1, weil nur die durchschei - nenden Theile sich leicht erwärmen 2, weil die kälteren Theile zu Boden sinken, die wärmeren aber aufsteigen. Wir müssen im Meere dreierlei Temperaturen annehmen.

  • 1, von oben nach unten nimmtdisieüberall auf gleiche Weise ab, und in den Tiefen der Aequatorialmeere herrschteine Polarkälte.

  • 2, schon Franklinmachte die Beobachtung, dass auf den Untiefen das Wasser kälter sei, als ringsumher: man könte also mit dem Thermometer die Gefahr erraten: ich erkläre diese Kälte aus einer Mischung der obern und untern Schichten, welche durch die unter dem Wasser befindlichen Spizen von Inseln (nichts anderes sind die Untiefen) aus ihrem Gleich - gewichte gebracht werden.

  • 3, die Temperatur der Strömungen, deren es im〈…〉〈…〉Wasser wie in der Luft giebt, ist gleichfals von der allgemeinen unterschieden: ich erinre hier nur an den Golfstrom, der an der östlichen Küste von Südamerika in die Höhe steigend, durch die Bocca del Dragone schiest, dann in dem Meer - busen von Mexiko einen grossen Wirbel beschreibt, durch17r die Bahama-strasse wieder herausfliest, und nun sich ge - gen die Küste von Irland wendet. Daher findet man nicht selten Tropenprodukte an die Küste von Schottland getrieben, und zwar ist dieses seit den ältesten Zeiten der Fall. Vor einem halben Jahrtausend, wurde Amerika durch Kolumbusent - dekt, vor einem Jahrtausend durch die Normannen, aber ein noch älteres Faktum hat uns Corn. Neposin einer seiner Biographien aufgezeichnet, wo es heist, dass ein keltischer König Inder erlangt habe, die durch Schifbruch an seine Küste verschlagen worden. Ohne Zweifel waren dies Eskimaux: denn unter Indern verstanden die Alten alle Völker von dunkler Hautfarbe: an Ost-indier ist in diesem Falle ohnehin nicht zu denken. Auch noch inmneuer ZeitMittelalterist ein lebender Eski - maux in seinem Boote in Schottland angekommen, und das Boot wird noch jezt in deruralten Kirche eines kleinen Städtchens aufbewahrt.

Wir gehn nun zur Betrachtung der organischen Theile unseres Erdbodens über, und müssen hier zuerst anführen, dass über das Aufkeimen der organischen Materie, wie über alle Anfänge17v der geschaffenen Welt, eine grosse Ungewisheit herrscht. Unendlich viel Versuche hat man über die sogenante Priest - leysche Materie, die Oszillatorien, Lamelliten, Infusorienpp.[ angestellt,] und es hat noch nicht einmal bestimt werden können, ob diese Uranfänge sich in eine vegetabilischeoderundanimalische Masse scheiden lassen, oder ob die animalische durch eine grosse Anhäufung von[vegetabilischer] entstehe. Dies ist der schwie - rigste Theil der Naturgeschichte, weil er nur auf mikro - skopischen Untersuchungen beruht, wobei der Übelstand eintrit, dass der eine etwas ganz anderes sieht, als der andre, und dass Laien fast gar nichts von dem sehn, was den Adepten deutlich ist: indessen können wir hier unbedingt den Män - nern trauen, die sich so lange mit diesen Gegenständen be - schäftigt haben. Bory de St Vincenthat in neuster Zeit der gröste Verdienst, und Latreillehat in seiner Naturgeschichte diese mikroskopischen Thiere als ein 4tes Naturreich aufgenommen.

Man glaubte früher, dass zur Hervorbringung jedes animalischen Lebens Licht erforderlich sei. Lavoisiererklärte daher auf eine geistreiche Art die Fabel des18r5.Prometheus, welche nur den Saz ausspricht; dass das Feuer organische Stoffe hervorruft. Man hat sich indessen in der neusten Zeit überzeugt, dass auch ohne Licht ein orga - nisches Dasein Statt finden kann: die organischen Stoffe gehn tiefer als all' unser Bergbau: beim Sprengen istein Gegenstand, mit dem ich mich in meiner frühsten Jugend beschäftigte. man auf unterirdische Höhlen gestossen, in welche durchaus kein Licht dringen konte, und die dennoch einige Flechten beherbe[ r] gten; in der Tiefe des Meeres, wohin fast so wenig ein Lichtstral dringt als in die Bergwerke, existiren grüne Vegetabilien: ich schöpfte in den antillischen Meeren aus einer sehr beträchtlichen Tiefe einenArt von grü - nem Fucus. Man kent[bis jezt] 1000 Species von Einge - weidewürmern, welche zwar in einer sehr gleichmässigen Temperatur, aber durchaus ohne Licht leben; in dem neusten Werke von Rudolphiüber die Thierklasse finden wir die höchst wichtige Entdeckung ausgesprochen, dass in denselben Organen derselben Thierklasse unter ganz verschiedenen Himmelstrichen sich dieselben Würmer finden,z. B.18v in den Eingeweiden des europäischen Rehes und der afri - kanischen Gazelle.

Kehren wir nun zu den Pflanzenanfängen in's be - sondere zurük, so müssen wir zuerst auf den rothen Schnee des Polareises aufmerksam machen, welcher aus jenen nördlichen Regionen zu uns gebracht, mehrere Jahre in England ausgehalten hat. Man fand, dass die rothe Farbe von nichts anderem herrühre, als von klei - nen organischen Körnern: anfangs nante man sie: Uredo noivalis, später gab ihr der grosse Brownden Namen: Tremella nivea: dieserThierPilzvegetirt tief unter dem Gefrierpunkt, und ist fast immer von Schnee ein - geschlossen; man entdekte nun auchdieselben Thiereähnliche Bildungenan andern Orten in England und Frankreich, und eine andre Art,von Usneen welche sich in Quellen von 60 68° Reaumur Hize aufhälten. Es giebt kaum einen grösseren Kontrast, als zwischen diesen mikroskopischen Gegenständen, als den Anfängen der vegetabilen und animalen Natur, und den Riesenprodukten der heissen Zone, unter denen sich19r die Palmen der Tropenländern von 280 300′ Höhe auszeich - nen, welche also den meisten unsrer europäischen Kirch - thürme an Höhe gleichkommen. Ganz ungeheure Exem - plare fandichDouglasam Rio Columbia undich selbst am Orénoco. Doch auch das nördliche Deutschland hat unter seinen Eichen undBuchen Produkte von einer sehr bedeutenden Grösse auf - zuweisen.

Bei der Vertheilung der Pflanzen ist nichts bewun - dernswürdiger, als die grosse Einheit der Natur, welche auch hier nach so bestimten Gesezen verfahren ist, dass man sogar ihre Operazionen der Rechnung hat un - terwerfen können, eine so grosse Übereinstimmung herrscht in der Verbreitung der einzelnen Spezies. Es ist hinlänglich, in einer bestimten Gegend die Zahl der Arten einer bestimten Gattung zu kennen, um daraus die über - raschendsten Resultate zu ziehn: indem man nämlich jene Zahl mit bestimten Quotzienten multiplizirt, erhält man sehr genau nicht nur die Anzahl der Spezies der andern Gattungen, sondern auch die Zahl der Arten überhaupt, welche19v in jener Gegend vorkommen. Noch ist hiebei die auffallende Erscheinung zu bemerken, dass diese numerischen Verhältnisse sich keinesweges nach der Zahl der einzelnen Pflanzenindivi - duen richten, sondern nach den Formen im allgemeinen.

Zur Karakteristik der Pflanzen gehört es ferner, dass sie nicht alle über den Erdball gleichmässig vertheilt sind, sondern dass jeder Form ihr bestimter Wohnplaz angewiesen ist: gewisse Familien könte man nordische, andre wieder tropische nennen, wobei jedoch nicht zu verkennen ist, dass die Gränzennichtnirgendscharf gezogen, sondern sehr in einander übergehend sind. Die Euphorbiaceen und Malvaceen nehmen nach dem Norden zu ab, die Ericeen und andre werden nach dem Süden zu seltener. Auch in Hinsicht auf dieBreitenLängengrade herscht eine grosse Verschiedenheit in den verschiedenen Welttheilen: die Vegetazion von Nordamerika ist von der europäischen ganz verschieden; man hat versucht, in dieser Hinsicht gewisse Formenlinien zu ziehn, welche diesen Unterschied angeben sollen. Zu den seltnern For -20r men in Nordamerika gehören die Labiaten und Cruciferen, die sich wieder bei uns in grosser Menge finden.

Es läst sich berechnen, dass die Masse der beschriebenen und bekanten Pflanzen sich auf 60,000 Spezies beläuft.[Von] der grösseren Menge, welche auf dem ganzen Erdboden sich befindet, läst sich nicht einmal eine Schäzung machen. Das gröste Herbarium auf der Welt hatHerr Lambertin England zusammengebracht, und in diesem finden sich〈…〉〈…〉allein30,000 Phanerogamen. Das ganze Reich der Vegetabilien läst sich nicht in einzelne grosse Klas - sen theilen: denn die Natur kent dieselben nicht, und hat die feinsten Übergänge von einer in die andre: man hat daher in neuer Zeit mit grossem Rechte angefan - gen, diese gewaltige Masse von Gewächsen in kleinere Gruppen, in natürliche Familien zu theilen, bei denen es zwar auch schwer, aber doch eher möglich ist, die gemein - schaftlichen Kennzeichen zu bestimmen und festzuhalten.

Bei dem Pflanzenleben im grossen drängen sich uns20v einige interessante Betrachtungen auf: einige Pflanzen leben vereinzelt, andre gesellig: einen grossen Unterschied bemerkt man zwischen dem alten und neuen Kontinente: während auf dem alten Kontinente unabsehbare Strekken Landes mit derselben Baumgattung, welche die Wälder bildet, bedekt sind, so wechselt diese Erscheinung sehr schnell in Amerika: am Orinoco besteht ein Wald auf jeder Quadratmeile aus andern Pflanzen, und es ist oft schwer, hier das Material der Wälder im Ganzen zu bestimmen. Es braucht hiebei kaum bemerkt zu werden, welchen entscheidenden Einflus diese starke Vegetazion auf die Kultur unter den Tropeneingewirktgehabthat: wäh - rend wir in den Urwäldern ganze Völker von Jägern und Fischern auf derselben Stufe der Ausbildung sehn, so müssen wir nicht verkennen, dass das noma - dische Leben, welche wir in den Steppen von Hochasien, in Arabien, und an andern Stellen der alten Welt be - obachten durch die Abwesenheit von hohen Baum - stämmen bedingt werde.

21r

Es darf ferner nicht übergangen werden, dass da, wo die Vegetazion ärmer ist, sich eine scheinbare Mannigfaltig - keit zeigt, weil zwar der Formen im Ganzen weniger sind, sich aber Repräsentanten jeder Form überal vorfinden müssen.

Gehn wir nun zu den Thieranfängen in's besondere über, so mus vorangeschikt werden, dass die Locumotivität der Thiere grösser ist als die der Pflanzen: bei diesen findet sie nur im Eie statt, bei jenen dauert sie das ganze Leben hindurch. Bei den unförmlichen Gestalten der Acephalen und Gasteropoden ist sie freilich nur sehr gering: denn diese scheinen von der Natur angewiesen zu sein, auf der Stelle zu bleiben, wo sie entstanden. Die Echinus oder Seeigel bewegen sich volkomner, indem sie lange weisse Fäden aus mehreren Öfnungen herausstrekken: dennoch sind sie nur Zoophyten. Eben wegen jener Locumotivität streifen die Thiere durch mehrere Klimaten, wovon wir auf - fallende Beispiele unter den Fischen finden: man trift dieselben Arten von den Inseln des grünen Vorgebirges bis zum Kap der guten Hofnung hinunter. Diese Erscheinung21v läst sich aber sehr gut erklären, wenn man bedenkt, dass die Fische in den verschiedenen Tiefen des Meeres alle verschie - denen Temperaturen antreffen, mithin weniger an das Klima, welches grade an der Oberfläche herscht, gebunden sind.

  • Man zälte bis jezt 45000 Insekten,
  • 5000 Vögel
  • 2000 Fische
  • 700 Säugethiere.

Die Säugethiere machen in den meisten Ländern der Vögel aus: dies Verhältnis muss aber früher ein anderes gewesen sein. Vor der ersten grossen Unnmwälzung unseres Planeten mus es mehr Säugethiere gegeben haben: der Grund aber, warum wir deren mehr in den Versteinerungen finden, liegt nicht allein darin, dass sie in grösserer Menge vorhanden waren, sondern offenbar auch in der grösseren Locumotivi - tät der Vögel, welche sich leichter retten konten. Verloren gegangen sind besonders solche Säugethiere, welche sich unsern Schweinen, Pferden und Elephanten nähern. Wir müssen hier wiederum die grosse Einheit der Natur bewundern, dieeinereinesolche Übereinstimmung in ihren Bildungen beobachtet, dass es uns möglich wird, aus einem einzelnen Organe auf alle übrigen, auf die ganze Gestalt des Thieres mit grosser Sicherheit zu schliessen.

22r6.

Unter den Amphibien sind verloren gegangen der Megalosaurus, eine ungeheure Eidexe von der Höhe eines Ochsen, und von 60 70′ Länge, während die grösten heutigen Krokodille, welche ich ge - messen habe, nur 22 24′ lang sind; der Pleisiosaurus, ein grosses Krokodil mit einem Schwanenhalse, der fast die halbe Länge des Körpers ausmacht: wir müssen uns denken, dass dieses gefährliche Thier am Ufer im Wasser gelegen, und von da aus mit dem lan - gen Halse seine Beute erhascht habe; der Ichthyosaurus, den man in den Juraformazionen antrift: er zeichnet sich durch seine grossen runden Fischaugen aus, während alle andern Kro - kodille kleine geschlizte Augen haben.

Es mus ferner in Betrachtung gezogen werden, dass auf den Südseeinseln sich fast lauter kleine mausartige Thiere finden, im indischen Ozean dagegen sehr grosse,z. B. ein Rhinozeros mit 2 Hörnern. Tief in Sumatra und in der Nähe von Paris fand man Tapirskelette, und so werden die entferntesten Länder auf diese Weise mit einander verbunden.

Das höchste Ziel aller Naturbeobachtung ist die Erkentnis unsrer eignen Natur, daher beschliesse ich das Naturbild, welches ich bis hieher zu entwerfen versucht habe, mit einer Darstel -22v lung der Menschenraçen. Ob es wirklich einen spezifischen Unter - schied in der Menschennatur gebe, lasse ich noch dahin gestelt sein, und bemerke nur, dass man zu der Eintheilung in Racen die verschiedenartigstenGegenständeMerkmale, wie: Knochenbau, Haut - farbe, Dermoïdalsystem, Haarepp. gewählt hat.

Cuviernimt 3 Menschenraçen an: eine weisse, gelbe und schwarze. Blumenbachhat diesen noch 2 hinzugefügt.

Wie unbestimt alle diese Eintheilungen sind, will ich nur an einem Beispiele zeigen: im Alterthume hielt man die Aethiopen für ein einziges grossesNeger-Volk von derselben Bildung: krauses Haar,eingequetschte Nase, unangenehm aufgeworfene Lippen waren die Kennzeichen desselben: in neuerer Zeit ent - dekte man aber Negervölker, welche keinesweges diese Merk - male zeigten, deren Bildung sich vielmehr schon der euro - päischen näherte.

Man kam nun auf einen Ein<thei>lungsgrund, der allerdings viel für sich zu haben scheint, nämlich auf die Sprachverschie - denheit. Meines Bruders, W. v. Humboldt: philosophische Untersuchungen über die Vertheilung der Sprachen auf der ganzen Erde beweisen indessen die Gleichheit der körperlichen Anlagen bei den verschiedenartigen Völkern, so dass zuweilen in einer23r und derselben Race die gröste Sprachverwirrungschiedenheit herscht, während in den Sprachen der entferntesten Völker sich Analogien finden: so bemerkt man eine Sprachähnlichkeit zwischen den Kopten, den Bewohnern von Kongo und den Vaskischen Völkern. 2

Bei andernVEintheilungen sind die Namen der Unterschei - dungsmerkmale sehr unbestimt gewählt. So braucht Meinersden Ausdruk volkomne und unvolkomne Racen, und rechnet die Chinesen, troz ihrer uralten und ausgebreiteten Kultur, die Inder, troz ihrer Poesie und Philosophie zu den unvolkomnen: doch hat er in seinen lezten Jahren diese Meinung geändert.

Man mus also auch hier, wie dies bereits in der Zoologie und Botanik geschehn ist, die allgemeinen Eintheilungen verlassen, und sich nur an die Betrachtung kleinerer Gruppen halten, bei denen man die Merkmale eher fixiren kann.

Wir haben also im Ganzen folgende 6 Abtheilungen durchzugehn.

  • 1, Astronomie.
  • 2, Geognosie. Betrachtung der festern Erdrinde.
  • 3, Klimatologie flüssigen Hüllen. (Meer & Luft)
  • 4, Geographie der Pflanzen.
  • 5, Thiere.
  • 6, Betrachtungen über die Menschenraçen.
23v

5. Vorlesung, 17.11.1827

Nachdem wir nun den Entwurf eines Naturgemäldes vollendet haben, welches den ersten Theil der Prolegomenen zu meinen Vorlesungen ausmacht, kommen wir jezt zum 2tenTheile derselben, welcher das Verhältnis unserer Wissenschaft zur Empirik und zur Naturphilosophie bestimmen soll: der dritte Theil wird eine kurze Geschichte der Entstehung des Gedankens von der Einheit der Natur geben.

Wenn wir uns in dem Naturgemälde von der Entstehung der wahrnehmbaren Materie Rechenschaft gegeben haben, wenn wir in der Geognosie die starren Theile des Erdkörpers, in der Meteorologie und Klimatologie die beiden flüssigen Hüllen desselben betrachteten, wenn wir endlich von der Geographie der Pflanzen und Thiere zu den Menschenraçen übergingen, so wird man diesen Theil, indem er die Gesamt - heit des Geschafnen umfast, nicht mit Unrecht einenMArt von Mikrokosmus nennen können, wobei ich allerdings fürchten mus, wegen der zu grossen Kürze, viel - leicht manchmal undeutlich geworden zu sein; die spätere ausführliche Behandlung dieser Gegenstände24r wird mir Gelegenheit geben, vieles in ein helleres Licht zu sezen. Zugleich mus ich hier bemerken, dass es durchaus nicht meine Absicht ist, von der Wissenschaft nur eine enzy - klopädische Ansicht zu geben, vielmehr hoffe ich, dass wir uns von der Oberflächlichkeit, der unzertrenlichen Gefähr - tin jener Ansicht, immer entfernt halten werden. Al - lerdings wird die grosse Fülle der Gegenstände, welche wir zu betrach - ten haben, oft eine gedrängte Kürze nöthig machen, bei andern werden wir länger verweilen müssen: denn es liegt immer nur in der Unvolkommenheit der Wissenschaft selbst, dass man sie nicht kurz vortragen kann. Wo schon vieles bekant und unter - sucht ist, oderwoin den Wissenschaften, welche einer mathe - matischen Behandlung fähig sind, da ist es leichter, kurz zu sein, als in solchen, wo es mehr auf eine richtige Beur - theilung von Thatsachen und Wahrnehmungen ankömt wiez. B. in der Meteorologie und in der Lehre vom Magnetismus.

Die Natur ist Einheit und Vielheit, sie ist der Inbegrif der Na - turdinge und der Naturkräfte; die Naturkentnis ist mithin die Kentnis der Dingeneben - oder nacheinander, und somit zer -24v fält sie in Naturbeschreibung und Naturgeschichte: es tritt hier der unglükliche Umstand ein, dass im Deutschen in dieser Hinsicht eine grosse Sprachverwirrung herscht. Meist wird die Naturgeschichte mit der Naturbeschreibung verwechselt, und es wäre wohl möglich, dass diesausvoneiner misverstandenen Übersezung von PliniusHistoria Naturalis herrührte: man gab nämlich Historia durch Geschichte, obgleich uns A. Gelliusin seinen attischen Nächten die Bedeutung dieses Wortes im altrömischen[Sinne aufbehalten hat (der ganz gewis sich dem griechischen (von ἱςτορέω, forschen) genau anschlos)]: er sagt nämlich: dass der alte Grammaticus Servius Flaccusdas Wort historia definirt habe, als: cognitio rerum prae - sentium.

Obgleich nun beide Theile: Naturbeschreibung und Naturge - schichte an sich streng geschieden sind, so kommen wir doch oft in den Fall, beide miteinander verbinden zu müssen, wie namentlich inder Geognosie, wo wir bei dem thatsächlichen immer auch an das ursächliche denken müssen, wo es uns nicht genügen wird, bei einer blossen Kentnis von der Lagerung der Gebirgmassen stehn zu bleiben, sondern wirwerden damit eine25r Geschichte der grossen Umwälzungen verbinden müssen, wodurch diese Lagerung herbeigeführt wurde.

Wir werden nie aus den Augen verlieren dürfen, dass die Natur - kentnis an sich 1, eine besondere 2, eine allgemeine ist: denn die Beziehung dieser Ideen aufeinander hat oft Verwirrung gegeben: so ist die beschreibende Botanik eine besondere Wissen - schaft im Vergleiche mit den Naturwissenschaften im allgemeinen; sie wird uns von den einzelnen Erscheinungen der Pflanzenwelt, wie sie als Thatsachen neben einander stehn, Rechenschaft geben; sie wird es nicht verschmähen, uns von dem ungeheuren Drachen - baum in Orotava zu erzälen, welcher seit 500 Jahren, seit der Epoche seiner Entdekkung, beinahe dieselbe Dikke behalten hat, und noch immerfort Blüten und Früchte trägt von der noch grösseren Adansonia, welche 40 Fus, nicht Umfang, sondern Durch - messer hat, in deren Stamm eine kleine Höhle ausgehauen ist, die der Kommune des umwohnenden Völkchens zum Versamlungs - platze dient. Die Geschichte der Botanik aber werden wir eine allgemeine nennen können, insofern sie nämlich tief in die Ge - schichte unseres Erdkörpers selbst eingreift. Sie mus bis auf25v das Keimen der Pflanzen zurückgehn, und wird nicht umhin können, eine Menge geologischer Verhältnisse bei dieser Gele - genheit zu berühren: sie wird uns mit den beiden grossen Ab - theilungen der Pflanzen bekant machen, je nachdem dieselben mit einem oder zwei Saamenlappen keimen: ich meine die Monoko - tyledonen und Dikotyledonen: zu den ersten gehören hauptsächlich die Palmen, Gräser und Farrenkräuter, zu den 2tenunsre gewöhn - lichen Waldbäume.

Nach den Objekten kann man die Naturgegenstände entweder für sich betrachten, und dies mit grosser Abstrakzion, oder auch als ein Ganzes, welches nur in verschiedene Zonen über den Erdkörper vertheilt ist, und dieser lezte ist grade die Wissen - schaft, von welcher ich versuchen[werde], Ihnen in dieser Vorle - sung einen Begrif zu geben.

Das erste Aufkeimen des Gedankens von einer Einheit der Natur findet sich bei dem verdienstvollen englischen Naturforscher Bernhard Varenius, der 1650 seine Geographia generalis herausgab. 3 Newtonselbst verschmähte es nicht, eine neue Ausgabe davon mit Erläuterungen und Zusäzen zu vermehren. 4Man findet darin schon die Anfänge zu einer vergleichenden Geographie.

26r7.

Der gröste Triumph der neuern Zeit ist die Erforschung und Ent - dekkung vom Zusammenwirken der verschiedenartigsten Kräfte und das Aufeinanderbeziehn und Erklären der entferntesten Erscheinungen: so hat man aus dem Mondumlauf 1, auf die Abplattung der Erde an den Polen mit solcher Sicherheit geschlossen, als es nur immer durch Rechnungges[?]und Messung bestimt werden konte. 2) auf die Unwahn- delbarkeit der Tageslänge seit Hipparch's Zeiten, also fast seit 2000 Jahren. 3) auf die Unwandelbarkeit der Temperatur des Erdkörpers, welcher seit jener Zeit nicht ½° Wärme (Reaumur) verloren haben kann: die Quantität Wärme, die er empfing und wieder aus - stralte, ist also ganz dieselbe geblieben; so ist man mit einem Stükke Doppelspath im Stande gewesen, zu entscheiden, ob das Licht der Kometen ein eignes oder ein fremdes sei; so hat durch die Höhe der Ebbe und Flut den Grad der Anziehung be - stimt, die der Mond auf unsre Erde ausübt, d. h. man hat die Nutazion der Erdaxe bestimtrechnet, wonach sich die kleinen Ellipsen er - klären lassen, welche von den Fixsternen aljährlicham Himmel beschrieben werden.

Bei der grossen Menge von Gegenständen, welche unsre Wissen - schaft umfast, war es schwer, ihr einen guten Namen zu geben. 26vPhysiologie würde nach unsern Begriffen zu enge sein, obgleich dieser Ausdruk bei den Alten einen umfassenderen Sinn hatte; ungefähr wie bei den Engländern noch jezt alle Ärzte Physiker heis - sen, und alle Physiker mit zu grosser Höflichkeit Naturphilo - sophen genant werden.

Den wahren Namen finden wir ineinereinempostumen Werke von Kant(seiner physischen Geographie) wo er unsre Wissenschaft in der Einleitung: die Weltbeschreibung nent, indem siein e[?]diekosmischen und tellurischen Zustände auseinandersezen soll. Ich will hier zugleich auf das klassische Werk von Karl Ritter, seine vergleichende Erdbeschreibung aufmerksam machen, in der er sich bei den algemeinen Betrachtungen nicht nur zu der Höhe der höchsten Abstrakzionen erhebt, sondern auch im Einzelnen den Einflus der Erdoberfläche auf das Wohlsein und Schiksal der Völker überhaupt,aufvortreflich und befriedigend dar - gestelt hat.

Indem wir aber die Weltbeschreibung auf eine solche Höhe stellen, müssen wir niegevergessen, dass sie immer nur Mate - rialien zu einer eigentlichen Naturphilosophie liefert, in derauch die Naturbeschreibung, derenblezter Zweck ein vernunftmässiger Begriff der Natur ist, eine untergeordnete Stelle einnimt.

27r

Vor nichts werden wir uns bei unsern Untersuchungen mehr zu hüten haben, als vor der Aufstellung von falschen Thatsachen, denn nichts ist gefährlicher zu bestreiten, und bringt grössere Unord - nung hervor: man findet sie nirgend häufiger als in der Medizin und Klimatologie.

Zwei Tendenzen unseres Zeitalters sind merkwürdig: die empirische und philosophische: bei der ersten sehn wir eine grosse Aufhäufung von Thatsachen, ohne[dass] dabei auf den Sinn des Ganzen Rüksicht genommen wird; bei der 2tensehn wir, dass Beobachtungen und Versuche verachtet werden: indem sie alles a priori erklärt, könte man die Chemie mit unbenezten Händen treiben: sie baut nur einen dogmatischen Schematismus auf, der durchaus zu keiner Realität der Kentnisse führt. Es solten aber Naturphilosophie und Empirie nie im Widerspruche stehn, und jeder Forschende solte sich be - streben, sie in ihrer Durchdringung zu erkennen. So ist manz. B. allerdings überzeugt, dass es so wenig einen Lichtstoff giebt, als[einen] Wärme - und Schallstoff: dennoch mus man dies bei den mathematischen Hypothesen in diesen Wissenschaften annehmen, um sie der Rechnung zu unterwerfen: ja es sind hiebei solche Voraussezungen nicht nur unschädlich, sondern sogar nöthig.

27v

Wir kommen nun zum dritten Theil unserer Prolegomenen, welcher einenkurze Geschichte unserer Wissenschaft bei den abendländischen Völkern geben soll: bei den andern ist uns zu wenig davon bekant, als dass wir sie genau verfolgen könten.

Eine begeisterte Ahndung des Algemeinen müssen wir auch bei den sogenanten wilden Völkern voraussezen, wenn wir bei ihnen das Gefühl des Naturganzen erklären wollen, jenes Naturganzen von dem wir eine vernunftmässige Erkentnis bei den mehr ge - bildeten Völkern vorfinden: so wie der Horizont sich allen Wissen - schaften erweitert, so rükt diese Erkentnis näher und näher.

Bei den Völkern welche den sogenanten Naturzustande näher sind, gleichsam wie Pflanzen an den Boden geheftet, bei diesen gewint jede Erscheinung der Natur eine Bedeutsamkeit, welche sich bis auf die ärmsten Theile herab erstrekt. Lichtvoll entwik - kelt finden wir diese Ansicht in Prof. Ehrenberg's Schrift über den Karakter der Nordafrikanischen Wüsten.

Die sogenanten Urvölker sind beinahe eine modische Sitte geworden, bei der wir uns nicht aufzuhalten haben: man rechnete nach und nach dazu die Semiten, die Atlanten, Kelten, die Bewohner von Irak, endlich die Inder, während man nach allen Beobachtungen annehmen kann, dass die Erkentnis einer Natureinheit28r sich bei allen wilden Völkern gleichmässig entwikkelt hat. Ja wenn ich eine Hypothese darüber aufstellen solte, so würde ich mich mehr zu der Meinung hinneigen, nach welcher alle wilden Völker (unter denen ich einige Jahre meines Lebens zugebracht habe) vielleicht Trümmer einer untergegangnen Kultur sind. Einen Urwilden wird kein Reisender je gefunden haben: dagegen findet man allerhand auffallende Kentnisse bei den sogenanten Wilden: sonderbar übereinstimmende Namen der Sternbilder, und dessen, was man im Monde sieht bei Völkern, die in ungeheuren Wäldern leben, und den Himmel nur wie durch einen Schornstein beobachten können: da man doch voraussezen mus, dass diese Ideen auf den grossen Savannen entständen sein mögen: es ist natürlich, dass das einzig Geregelte, was diese Wilden um sich sahen, der Lauf der Sterne, auf sie gewirkt haben mus, eine natürliche Astronomie ist daher gar nicht wunderbar:derdieAbtheilung des Jahres braucht nicht von einer Nazion zur andern übergegangen zu sein: es war nur nöthig, den wiederkehrenden Auf - gang der Sonne und des Mondes in Bezug auf einen Baum zu beobachten, der am Horizonte stand.

Der Wunderglaube an eine Naturweisheit hat sich bei gebildeten[Völkern] auf eine sehr übereinstimmende Weise gefunden, die Inder verehren dennördlich gelegenen Himalaya, und es geht bei ihnen die28v Sage, dass die Braminen aus den Norden hergekommen seien. Bei den Chaldaeern undhHellenen sind alle Religion-geheimnisse aus dem Norden herabgekommen. Sonderbare mythische Personen finden wir in Amerika vom Norden kommend, und im Osten und Westen der Andeskette Reiche stiftend. Man ist so weit gegangen, hierin eineAnspielunKentnis der magnetischen nach Norden wir - kenden Kräfte finden zu wollen. Pythagoraskehrte zu den Hyper - boraeern zurük, Pindarführt an, dass man den wilden Oelbaum an den Quellen des Ister fand. Ich erinre noch an den kaukasi - schen Prometheus, endlich an Zamolxis, welchen Herodotanalseine Gottheit, die Pythagoräer als einen Sklaven darstellen, und welchen zulezt der Kirchenvater Origenesunter den Druiden nent.

Wir dürfen daher das Gefühl von der Einheit der Natur bei allen wilden Völkern voraussezen, welches sie indendieNamen von mythischen Personen und Heroen einkleideten: ebendeshalb ist auch die epische Poesie am frühsten ausgebildet worden: auch grosse Naturkentnisse im einzelnen mögen bei ihnen verbreitet gewesen sein; auf keinen Fall können wir ihnen eine Erkentnis der Natureinheit zutrauen. Wir wollen daher die Druiden nicht um ihre bunten Glasstükke beneiden, welche wahrscheinlich nichts anderes gewesen sind, als Knöpfe, eben so wenig wie die Etrusker um ihre elektrischen Kentnisse.

29r

6. Vorlesung, 21.11.1827

In der Geschichte der Entstehung des Gedankens von der Einheit der Natur, werden wir 6 grosse Epochen feststellen können.

  • 1, die Ionische Naturphilosophie, und die Dorisch-Pythagorische Schule.
  • 2, die Züge Alexanders nach dem Osten.
  • 3, die Züge der Araber nach Osten und Westen.
  • 4, die Entdekkung von Amerika.
  • 5, die Erfindung neuer Organe zurNaturbeobachtungd. h. Fernrohr,Thermometer[, ]Barometer. v. 1591 1643.
  • 6, Cook's Weltreisen, welche den Grund zu späterenphysikalischenExpedizionen legten.

Es mus nun der Unterschied festgestelt werden zwischen der Schule der Ionier und der des Pythagoras, welche mehr einen dorisch-italischen Karakter angenommen hat. In der ersten, der ionischen Schule, finden wir zuerst Thales, welcher annahm, dass die Erde aus dem Feuerchten entstanden sei, Anaximenesmeinte: aus der Luft, und Anaximandernahm einen Grundstoff zw.wischenFeuerWasserund Luft an. Wir sehn also hier schon die Idee des Verdikkens und Verdünnens, der Attrakzion und Repulsion ausgesprochen. Man dachte sich indessen damals noch nichtVonHerrn Schleiermacher& Ritterhaben wir schäzbare Untersuchungen darüber. jeden Planeten als ein für sich abgeschiedenes Ganzen, kante auch weder die relativen noch absoluten Entfernungen der Himmels -29v körper: sondern man glaubte, dass ein Feuerhimmeldasdieganze Him - melskugel umschlösse, nach der Beobachtung, dass die Flamme, als das allerleichteste, von der Erde aufstrebend, überall die höchste Stelle einnehmen müsse. Das Feuerartige im Anblikke der Planeten sei daher nichts anderes, als das Hervorleuchten des Feuerhim - mels durch einen Schlitz. Indem aber alle 3 Philosophen an - nahmen, dass alles auseEinem Grundstoffe entstanden sei, hatten sie eine Ahndung davon, dass das Raumerfüllende im allgemeinen auf eine unabänderliche Einheit der Natur zurükgeführt werden könne. Nächst diesem Grundstoffe nahmen sie 2, 3, 4 Elemente an, und diese lezten 4 Elemente haben sich durch viele Jahr - hunderte hindurch erhalten, ja man hat sie in neuester Zeit wiederum in die Naturbeschreibung einführen wollen; wie mir scheint, mit wenigem Glükke. Er darf nicht übergan - gen werden, dass die Ionische Schulein manchen Einzelheiten richtige Beobachtungen angestelt hat: so untersuchte schon Diogenes von Apolloniadie Respirazion der Fische, (einen Gegen - stand, dem ich einen grossen Theil meiner Studien widmete) und er gelangte zu einem ganz richtigen Resultate.

30r8.

Die Schule des Pythagoras, welche durch Pherecydesmit der ionischen Schule verbunden wird, liefert uns das älteste Beispiel von einem weitverbreiteten Bunde, dessen Mitglie - der sich überall zusammenfanden. Pythagorasselbst wurde bei den Neupythagoräern, den Gnostikern und Neuplatonikern eine völlige[?]〈…〉〈…〉mythische Person, indem man ihn bald mit seinem goldnen Schenkel Wunder thun lies, bald ihn zu den Hyperboräern und Druiden hinaufführte. Eine Eigen - thümlichkeit seiner Geselschaft war es, dass auch Frauen an den Pythagorischen Bunde Theil nehmen konten. Das sicherste und beste, waswir über die merkwürdige Erscheinung des Pythagorasund seine Lehre haben, finden wir beim Philolaus, über den die Herrn Boeckhund Idelerso schöne Untersuchungen angestelt haben. Hienach läst sich aussprechen, dass die Philosophie des Pythagoraseine Philosophie der Maasse und der Harmonie war; der erste schwache Versuch des mensch - lichen Geistes, das numerische Element auf die Naturkunde anzuwenden: ferner war eine mathematische Symbolik damit verbunden.

30v

Die Neupythagoräer, welche schon in die kristlichen Zeiten fallen, haben wenig von dieser ursprünglichen Lehre behalten: so stellt Plutarchden Pythagorasmit Numazusammen, obgleich es erwiesen ist, dass fast ein Jahrhundert zwischen ihnen liegt. Es ist nicht zu läugnen, dass Copernicusdies System kante, und dass es auf seineso wie auf Kepler's Ideen über die Stellung der Planeten eingewirkt hat.

Nach Philolaosbefindet sich in der Mitte des Weltgebäu - des ein grosser Weltheerd: die Sonne ist ein Spiegel, welcher die Stralen dessMelben auf die Erde reflektirt. Die Ekklipsen werden durch eine Gegenerde bewirkt, welche man später mit Amerika verwechselt hat. EinEiAnklang dieser Vor - stellung findet sich in Platons Timaeus, diesem phanta - siereichen Systeme, wieder.

Bei den empirischen Untersuchungen Platons können wir nicht genug seinen Scharfsinn bewundern. Er er - kannte den Zusammenhang des unterirdischen Was - sers und Feuers: er stellte die Idee auf: dass im In - nern der Erde ein Feuerstrom, der Pyriphlegeton, sei,31r der durch die Vulkane mit der äussern Lufthülle in Verbindung stehe. Pliniusnante nach dieser Vorstellung die Vulkane: Schornsteine: obgleich diese Ansicht vom Pyriphlegeton später häufig misverstanden wurde, so liegt sie doch unsrer heutigen Theorie von dem glühen - den Erdkerne zum Grunde. Platonbetrachtete ferner das Mittelmeer von den Säulen des Hercules, bis zum äussersten Phasis als eine grosse Niederung, woran die Griechen, wie er sich spöttisch ausdrükte, gleich Fröschen wohnten. Zugleich mischte er freilich manche Fabeln von einem grossen westlichen Kontinente,[des] unterge - gangnen Atlantis ein. Er bemerkte, dass die polyedri - schen Körper aus einer bestimten Anzahl Flächen be - stehn, und warf die Frage auf,wie vielauf welche Art die Zahl derselben bestimt und begränzt werden könne. Er unterscheidet schon die Gebirgsarten, und theilt sie in solche, die aus dem Feuer und aus dem Wasser entstanden sind.

31v

Den zweiten grossen Hauptmoment in der Entwik - lungsgeschichte des menschlichen Geistes bezeichnet der Zug Alexanders. Obgleich er die Tropenklimaten nicht berührte, so wurden doch die Griechen durch ihn mit vielen Tropenprodukten bekant: denn die Länder am Indus haben einen Kontinentalzusam - menhang mit Indien. Pflanzen und Thiere gehn von Norden nach Süden über, ohne dass man eine bestimte Gränzlinie ziehen kann: so gehn die zarten Kolibri-arten in Amerika höher hinauf als die nörd - liche Breite von Memel und Riga. Vor Alexanders Zuge kanten die Hellenen die Tropenprodukte nur aus dem Handel. Herodotkante die βαμβοῦδα, das Bambusrohr, und, was sehr merkwürdig ist, er er - wähnt der Versteinerungen, welche man in seinen Knoten findet. Ctesias, welcher Leibarzt in Persien wahr, hat zwar den Fehler mancher Reisebeschreiber, dass er32r der Wahrheit oft zu nahe tritt, doch macht er uns mit manchen Tropenprodukten bekant. Sehr scharfsinnig meintHerr v. Schlegel, dass vielleicht die Lesung des Ctesiasden Alexanderzu seinem grossen Zuge angefeu - ert haben mögte.

Zum Glük sind uns so viele Relazionen von diesem Zuge erhalten worden, dass wir im Stande sind, ihn sehr genau zu verfolgen. Zu den neuen Dingen, welche die Griechen kennen lernten, gehörten Bäume von einer solchen Höhe, dass die Pfeile nicht bis zu ihrem Gipfel hinauf - reichten. Man fand die Frucht der Bananen. (Musa paradisiaca) und eine Menge von Thiergestalten (es kann hier bemerkt werden, dass die Architektur in dem mit Thieren überfülten Indien〈…〉〈…〉ihren Typus nach Thieren gebildet: dagegen in demwbewässerten pflan - zenreichenIndienAegyptennach den Pflanzen) man fand am Indus die Elephanten, welche als titanische Ochsen angeführt wurden: man wurde auf die Monson-winde32v aufmerksam, welche in bestimten Jahreszeiten nach entgegengesezten Richtungen wehen. Nearchglaubte im Indus nicht blos wegen der Krokodille den Nil zu sehn, sondern hauptsächlich wegen des perio - dischen Steigens und Fallens des Flusses, das man unrichtig aus dem geschmolzenen Schnee, nicht aber aus den tropischen Regengüssen herleitete. Was die Menschenraçen anbetrift, so bemerkte man zuerst, dass die Aethiopen nicht alle von gleicher Farbe und Gestalt wären, sondern dass sie sich in verschiedene Stämme theilten. Siehe Lassen's geistreiche Schrift über das Pendjab. Alexanderselbst drang nicht eigentlich bis in das kultivir - te und sehr bevölkerte Indien vor, wohl aber nach ihm Seleucus Nikator, der einen gewaltigen Erobe - rungszug bis an den Gangesüberunternahm, von welchem33r er unter andern 500 Elephanten mitbrachte, und es läst sich nicht mit Unwahrscheinlichkeit vermuthen, dass dies dieselben waren, welche unter Pyrrhusnach Italien hinübergeführt wurden.

Dass die Griechen von den Chaldäern viel in der Himmelskunde lernten, hatHerr Idelererst kürz - lich in seiner Chronologie gezeigt, wo er auch bemerk - lich macht, dass eine eigne Priesterkaste zu diesem Behufe beim Belustempel angestelt war. Die Aussage des Plinius, dass Kallisthenesdem Ari - stoteles1900 beobachtete Ekklipsen übersendet habe, dürfen wir in Zweifel ziehn, da Aristotelesnir - gend etwas davon erwähnt.

Wenn wir auch nicht annehmen wollen, dass, wie Pliniussagt, im Heere Alexanders 1000 Schü - zen und Vogelfänger angestellt gewesen, um alles33v was ihnen vorkam, für Aristoteleszu schiessen, so müssen wir doch sein Werk als die schönste Frucht von Alexanders Zügen ansehn. Indessen sezt er doch die blosse Naturbeschreibung an die Stelle des Gedan - kens von der Einheit der Natur, und hat in dem, was uns von ihm geblieben ist, eine nüchterne Ten - denz: vielleicht fehlen uns aber die allgemeineren Werke von ihm: das beste in dieser Hinsicht ist sein Buch: de coelo. In den Problemen hat er viele[tie - fe] Bemerkungen über Wärmeleitung, womit ich mich auch sehr viel beschäftigt habe. Sein Hauptwerk ist die Naturgeschichte, in dem sich der Geist des Sam - melns, der ihm vor allen eigen ist, besonders ausspricht. Auch hatte er in seiner schönen Villa eine auserordentliche, für die damalige Zeit gewis einzige Naturaliensamlung.

Später wurde nach diesem Muster in Alexandrien34r9.ein Museum angelegt, bei welchem Lehrer aus allen Fächern der Naturkunde angestelt waren, von denen Galenuns berich - tet, dass man sie zu gut bezalt, und dadurch ihrer wissenschaft - lichen Thätigkeit Eintrag gethan habe. Bald entstand auch eine Bibliothek in Alexandrien; und die meisten Städte Vorderasiens folgten diesem Beispiel. Als später Streitigkeiten zwischen den ägyptischen und syrischen Herschern entstanden, verboten diese die Ausfuhr des Papyrus, wodurch einegrosser und empfindlicher Papiermangel entstand; um diesem für die Zukunft vorzubeugen, legte man an vielen Orten Pa - pyruspflanzungen an, und so erklärt sich die sonderbare Erscheinung, dass jezt der Papyrus in Aegypten ganz fehlt, während er in Sizilien bei Syrakus vorkömt. Ein neuer verdienstvoller Reisender in Aegypten, Herr Passalacqua, fand ihn wohlerhalten in einem Grabe zu Theben.

Unter den römischen Schriftstellern verdient Straboeine〈…〉〈…〉 ausgezeichnete Stelle, der in AugustusGefolge die meisten Provinzen des römischen Reichessdurchwanderte: von ihm haben wir eine physische Erdbeschreibung, worin vortrefliche34v Beobachtungen vorkommen: so giebt er sehr richtig an, dass man aus der Gestalt der Thiere und Pflanzen das Klima bestimmen könne: so untersucht er die an sich irrige Mei - nung, dass in Asien die Palmen fehlen.

Nicht minder zu schäzen ist Diodor von Sizilien, obgleich er in den Zahlen nicht immer zuverlässig ist, und eher zuviel als zu wenig sagt: doch hat er richtige Ansichten über die Thier - und Pflanzengestaltungen.

Plinius37 Bücher sind das grosartigste Unterneh - men der alten Welt in wissenschaftlicher Hinsicht: doch kann es uns nicht entgehn, dass der Plan zu mächtig für die Ausführung war. Dazu kömt noch, dass Pliniusein vornehmer Mann war, der nicht immer selbst ar - beitete, sondern vieles durch seine Sekretarien machen lies: des - halb fehlt dem Ganzen eine zwekmässige Anordnung, und man mus mit manchen Angaben behutsam sein, da seine Auszüge nicht immer genau sind. Er selbst gesteht, dass er des Materiales zu viel habe, und wiederholet sich auch nicht seltenz. B. wo er von den Menschenraçen spricht. Es konte ihm bei seinen umfassenden Kentnissen nicht ent -35r gehn, und er spricht die Idee deutlich aus, dass ein gemässig - tes Klima die Ausbildung des menschlichen Geistes am meisten begünstige, während zu grosse Kälte an den Polen ihn aus - trokne, zu grosse Hize unter den Tropen ihn versenge.

Unter Hadriankam der ganze Wust der morgenländischen Theosophie nach Rom, der Kaiser selbst begünstigte die ä - gyptischen Religionen am meisten. Die Gnostiker führen uns wieder auf die Idee von der Einheit der Natur zurük: denn es ist nicht zu läugnen, dass sie Chemie studirten, und gewis manche schönen Entdekkungen machten.

7. Vorlesung, 24.11.1827

Sie lernten hierin von den Phoe - niziern und Aegyptern, von denen es bekant ist, dass sie sich ganz be - sonders mit dem Studium der Natur der Stoffe beschäftigten: so wie denn auch altes, was man in den ägypt. Gräbern findet, eine tiefe chemische Kentnis verräth. Vom Kaligulaweis man, dass er eine grosse Neigung zur Goldmacherei hatte, und aus dem Schwefel - arsenik das edle Metall herzustellenbrglauchtglaubte. Diese Thor - heit griff nach und nach so weit um sich, dass Diockletiansich veranlast fand, ein eignes Edikt gegen die Chemiker zu erlas - sen, welche Gold machen wolten. Beiläufig kann hier der Ety - mologie des Wortes Chemie erwähnt werden: wir finden zuerst:35v Χημαῖα im Plutarchde Iside, wo er damit Aegypten bezeichnet, als das Land des Cham: die Ableitung von Χυμὸς, Saft, Ge - schmak, scheint daher nicht so annehmbar: als die andre von τεχνὴ Χημεῖα, die ägyptische Kunst, die Kunst aus dem Lande Cham. Zwar wurde in den späteren Kaiserzeiten das Gefühl von der Einheit der Natur durch mystische Ideen verunreinigt, doch ist nicht zu verkennen, dass die arabische Revoluzion dadurch vorbereitet wurde. Die Schwächung des römischen Reiches nach aussen, gehässige Streitigkeiten über manche religiösenGegenstände und Unduldsamkeit von allen Seiten verbreiteten ein völliges Dunkel über das Abendland, während Griechen - land, obgleich zum Theil denselben Mängeln unterliegend, sich einen Schein des Lichtes bewahrte.

Es ist eine schöne Entdekkung, welche Klaprothin den chine - sischen Annalen machte, dass an der Gränze von China, am Baikalsee und in Kaschgar ein indo-germanischer Stamm ge - lebt habe, mit blauen Augen und blonden Haaren. Abel-Ré - musatbestätigte dies aus andern Quellen, und fand zugleich, dass dieser indo-germanische Stamm durch die Chinesen bei einer Gesandschaft aufgereizt wurde, sich auf die Hio-gnu, einen türki -36r schen Stamm zu werfen, und was sehr merkwürdig ist, schon 100 Jahr vor Christo: wir sehn also, dass die Völkerwanderung kei - nesweges plözlich hereinbrach, sondern mehrereJahrhundertehindurch sich vorbereitete. Die Hio-gnu warfen sich auf die Hunnen, einen finnischen Stamm, diese endlich auf Gothen und Alanen, die zu den germanischen Stämmen gehören.

Die 3teEpoche, welche durch den Einfall der Araber bezeichnet wird, hat ohne Zweifel die in Schwachheit versunkene Welt wieder aufgefrischt: die Araber waren ein semitischer Stamm, und warfen sich, nachdem sie 50 Jahre in Arabien herumgezogen waren, zuerst auf Aegypten. (Es mus bemerkt werden, dass schon früher eine solche Invasion Statt fand. Der General Rühle von Liliensternhat es wahrscheinlich gemacht, dass die uralten Hyksos nichts anderes waren als ein erobernder semitischer Stamm). Kaum haben sie aber ihre vaterländischen Gränzen verlassen, so verbreiten sie sich mit solcher Schnelligkeit nach allen Seiten, dass sie nach wenigen Jahren von den Ufern des Ganges bis an die äussersten Säulen des Hercules herschen. Sie selbst vergleichen sich in ihren Gedichten[mit einem] Wolkenzuge, der sich nur an den Bergen lagert, um von neuem der Richtung des Windes zu folgen. 36vIhrem Karakter nach sind sie im algemeinen unwissend aber nicht roh, und haben eine grosse Liebe zur Natur: bei den westlichen Stämmen zeigt sich zuerst eine gründliche Untersuchung der Natur: ja wir können sagen, dass die Art unserer heutigen Naturbeobach - tung bei den Arabern anfängt.

Schon vor Muhammedhatten sie eine wissenschaftliche Kentnis der griechischen Aerzte, deren einige, aus der Schule von Edessa und Athen sich in Mekka befanden. Die Dichtkunst stand damals in ihrer höchsten Blüte: es waren dichterische Kampfspiele in Mekka und Okkat angeordnet, welche, nicht unähnlich den olympischen, zu bestimten Zeiten gehalten wurden. (Gedichte des Antar.Hamaza von Freitagherausgegeben). 5Den höchsten Flor des Reiches kann man unter den Haschiniten & Abassidenwahrannehmen, wo auch die gelehrten Schulen von Mosul und Bagdad gestiftet wurden. Diese erhielten ihren ersten Glanz durch griechische Flüchtlinge, wie es denn von allen dankbar erkant werdenksollte, dass Griechenland,von jeher selbst im Stan - de der tiefsten Versunkenheit, Stralen der Zivilisazion nach allen Seiten ausgesendet hat.

Die Araber beobachteten den Himmel, wie die Pflanzenwelt, und verbesserten die Fehler der astronomischen Tafeln durch genauere37r Beobachtungen. Sie haben die indischen Zahlen in Europa einge - führt, welche wahrscheinlich im 13tenJahrhundertüber Persien nach Ara - bien eingewandert, von daher den Namen arabische bekommen haben. Wie wichtig die Erfindung war, durch diese 9 Zeichen und den Werth der Posizion alle möglichen Gruppen von Zalen ausdrükken zu können, wennirdam besten klar, wenn man sich vorstelt, welche unendliche Beschwerde es hat, mit römischen Zalen nur die geringste Rechnung auszuführen.

Die Araber hatten eine richtige Kentnis der Refrakzion oder Stralenbrechung: sie besassen aber auch mehrere höchst wichtige jezt verlorne, griechische Schriftsteller: so hattensie z. B. das Werk des Timochares, aus dem Hipparchdie Kentnis von der Vorrük - kung der Nachtgleichen schöpfte. Sie hatten eine arabische Ü - bersezung von PtolemäusWerk über die Refrakzion: ich habe den einzigen uns übrig-gebliebenen Kodex genau untersucht, undHerr Delambrehat sehr wichtige Auszüge daraus gegeben. Unter den Khalifen gab es nicht nur viele Übersezer, sondern einen eignen Übersezer-ausschus, dieerdie meisten griechischen Schrift - steller (leider erst aus dem syrischen) in das arabische übertrug. Da ihr Geist durchaus auf das Praktische gerichtet war, so hatten sie allerdings, besonders im 11tenJahrhundertgrosse beobachtende Astro -37v nomen, die aber in ihren Theorien weniger glüklich waren: denn allen Völkern des Islam ist die Freiheit des Geistes durchaus versagt, und die schöne Kentnis der Wissenschaften ging nie in das Volk über, sondern blieb wie in einer Mönchskaste abgeschlossen.

Zu ihren chemischen Entdekkungen gehört 1, die Auffindung der Säuren: sie kanten Salpetersäure und Königswasser (deren Entdekkung man fälschlich dem Raimundus Lulluszuschreibt)sie gebührt dem grossen Moussa Schafr el Sofi. )

2, das Destilliren: sie kanten Alkohol und Naphta, so wie Quek - silberoxyd. Die Destillazion des Rosenöles fält später: dasjenige Rosenöl, was man in dieser Epoche hatte, erhielt man, indem man Rosenblätter mit Baumwolle in Kontakt brachte, welche dann mit dem Geruch ganz impregnirt wurde.

Wir bemerken 2 Reflexe des arabischen wissenschaftlichen Lichtes[:] den einen gegen die Mongolen hin, wo einer der mongolischen Herscher einen Sternkatalog anfertigen lies, den andern nach Spanien, wo der König Al〈…〉〈…〉fonsin Toledo (mit einer Toleranz die man jezt schwer in Spanien begreifen würde) einen grossen Kongres von kristlichen, jüdischen und sarazenischen Astronomen versammelte, durch welche die berühmten Alphonsinischen Tafeln herausgegeben wurden. DieerHistoriker Mariannasagt bei dieser38r10.Gelegenheit: er verlor die Erde, um den Himmel zu gewinnen. Die glänzende Epoche der arab. Herrschaft begint[640. mit] der Eroberung von Aegypten, und schliest 1236 mit der Einnahme von Cordova.

Einen schwächeren Abglanz derarabischenForschungen sehn wir im Raimundus Lullus, einem Spanier in Majorka, der im 13tenJahrhundertden Grund zum Illuminatismus legte, in dessen Schriften man aber nichts als einen mystischen Spuk findet, der die ars magna hies.

Höher steht Robert[?]RogerBaco, der Dr mirabilis, von dem eine völlige Reform in der Naturlehre ausging: erwurdehatte das Schicksal, wegen Zauberei verklagt, und von den Franziskanern in den Ker - ker geworfen zu werden.

Die 4te Epoche, welche wir mit der Entdekkung von Amerika bezeich - nen, wurde vorbereitet, durch das Aufblühen des italischen Handels, und durch die Erfindung der Buchdrukkerkunst. 1436. Die klassische Litteratur verbreitete sich immer mehr: denn auch schon früher war die Verbindung zwischen Griechenland und Italien nie ganz auf - gehoben; Apulien blieb lange Zeit unter den Byzantinern, ja RobertKönig der Normannen schikte eigne Gesandte nach Konstantinopel, um Handschriften von guten Autoren zu erhalten. Wir erinnern hier nur an folgende Namen: Petrarca, Boccaccio, Lascaris, Poliziano, Bessarion, und an die Akademie der Medizäer in Florenz, welche beson -38v ders den Klassikern gewidmet war. Durchaus ungegründet ist die Be - hauptung, dass das Studium der klassischen Autoren, von dem der Natur abgehalten habe, vielmehr wurden dadurch viele einzelne Kentnisse erneuert.

Schon im Jahre 1003 waren skandinavische Schiffer nach Neu - fundland gekommen, wo sie eine Art Weinstok (der Vitis vinifera bis zum Verwechseln ähnlich) gefunden hatten: im Jahr 1390 be - suchten die Gebrüder Zeenj[?]einen grossen Kontinent, und obgleich ihre Nachrichten über die einzelnen Länder sehr dunkel sind, so kann man doch mit Gewisheit aussprechen, dass sie einen Theil der vereinigten Staaten müssen gesehn haben. Früher hatte der Venezianer Marco Poloviel zur Umwälzung in den naturhistorischen Ideen beigetragen, indem er nicht nur die nördlichen Theile von Asien bereiste, son - dern auch seinen Rükweg durch das Tropenklima von Sumatra und Java nahm; aber was ist der Einflus einzelner Reisenden im Vergleich mit dem Leben, man könte sagen, ganzer Völker, der Spanier & Por - tugiesen, welche nach Amerika hinüberzogen.

Die Entdekkung von Amerika mus zu einer Zeit, wo von den azo - rischen Inseln an bis nach Ostasien in der alten Welt noch so vieles unbekant war, von derselben Wichtigkeit gewesen sein, als ob wir jezt, bei unserm Stande der Wissenschaft, die abgekehrte Seite des Mondes entdekten.

39r

Nicht unwichtig ist es, dass um dieselbe Zeit die schönsten Gebilde der griechischen Kunst aus dem Schoosse der Erde ans Licht kamen: von 1498 1506 fand man den Laokoon, den Apoll, & den Torso.

Zugleich musten auch M. Lutherund Kalvinauftreten, um den Geistern eine neue Freiheit und Stärke (beide sind Eins) zu geben.

Copernicusneues Weltsystem wurde um 1543 bekant, obgleich es er - wiesen ist, dass er es schon 15 Jahre früher vollendet hatte: es heist: de orbium coelestium revolutionibus: er glaubte, nur das System des Philolaosherzustellen, obgleich dieser keinesweges die Sonne sondern einen grossen Weltheerd, ἑςτία, als Mittelpunkt des Weltgebäudes annahm: ihn begeisterte, wie Idelerbe - wiesen hat, eine Stelle aus dem Werke des M. Capellade nuptiis philologiae & Mercurii. Die Meinung des Ari - starchos von Samos, wie sie sich im Arenarius des Archi - medesfindet, und die mit Copernicusam meisten über ein - stimt, kan dieser nicht gekanthaben, weil der arenarius erst 1 Jahr nach Copernikus 'Tode entdekt wurde. Ideler's geistreiche Untersuchungen mus man hierüber immer zur Hand haben.

39v

Eine Menge neuer Erscheinungen boten sich den neuen Ankömlingen in Amerika dar. Man fand einen grossen ununterbrochenen Kontinent, in dem unter dem Aequatore[?], ewiger Schnee auf den Bergen lag: (die Himalayaberge und die Mondberge kante man noch nicht) dies führte auf eine genauere Bestimmung derunteren Schneegränze in den verschiedenen Klimaten, die man nach ihrer relativen Höhe über dem Meere unterscheiden lernte. Man fand verschiedene Pflanzen - und Thierformen nach dem Verhält - nis der Höhe und Breite: ja es kam zu sehr wunderlichen Diskussionen über die Entstehung der grossen reissenden Thiere. Man sah ein abgeschlossenes System von Völkern in Amerika, die zwar unter sich sehr verschieden, doch durch den eigenthümlichen Bau der Bakkenknochen, noch mehr aber durch eine gewisse grammatische Ana - logie der Sprachen verbunden sind. Man bemerkte, dass grade in den heisseren Gegenden die Amerikaner blasser sind, in den höher gelegenen kälteren dagegen schwärzer: man warf die Frage auf, warum es in Amerika keine Ne -40r ger gebe. Alles dies muste gründliche Untersuchungen über die Menschenraçen im algemeinen anregen und vorbereiten. Zugleich eröffnete sich eine neue Ansicht über die Natur des vulkanischen Feuers: noch nirgend hatte man, so wie hier in der Andeskette eine lange Reihe von Vulkanen nebeneinander gesehn: man faste damals die irrige Mei - nung der Wasserausbrüche, durch den Augenschein verleitet. Sobald nämlich vor dem Ausbruche der Krater von innen sich erwärmt, so dringt eine Menge geschmolzener Schnee durch die Spalten hinein, der alsdann bei der Erupzion mit grosser Gewalt hervorgeschleudert wird: daher: Volcanos de agua. Man wurde aufmerksam auf die grossen Meeres - strömungen, namentlich auf den Golfstrom, von dem oben die Rede war, und suchte den Grund derselben zu erforschen. P. Martyr de Angierain seiner Oceanica giebt davon eine eben so gründliche als anschauliche Beschreibung. Ein ganz neuer Himmel wurde entdekt: man fand die Magellanischen Wolken, 2 grosse Nebelflekke, und erkante, dass sie durchaus von der Milchstrasse abgesondert waren. 40v Idelerhat gezeigt, dass man sie schon bei den Arabern kante, denen es nicht entging, dass man dieselben nur im südlichsten Arabien, nicht aber im nördlichen Persien erblikken könne; man entdekte die schwarzen Kanopen des Magellan, jene dunklen Flekken, die zu so vielen Mei - nungen Anlas gegeben haben.

Zwei Bücher sind für diesen Theil vorzüglich zu nennen, welche man nur aufzuschlagen braucht, um sich einen Begrif von der grossen Umwälzung zu machen, welche damals in naturwissenschaftlicher Hinsicht vorging. 1, Acosta's Naturgeschichte ist für die Verbreitung der Pflanzen beson - ders wichtig und Petrus Martyr de Angierafür die kli - matischen Zustände.

Die Passatwinde, welche regelmässig von Osten nach Westen wehen, führten natürlich auf eine algemeinere Kentnis der Luftströmungen. Schon der Entdekker, Kolumbusfand, dass die magnetische Abweichung nicht immer dieselbe sei, und indemseinemneuerlichstvonherausgegebenen Reisejour - nale ist sorgfältig von ihm der Tag bemerkt, wo er diese41r merkwürdige Erscheinung zuerst wahrnahm.

Diese ungeheure Zunahme von Kentnissen in jedem Fache der Wissenschaft mustennothwendig die ergraute schola - stische Philosophie stürzen, welche bis jezt jeder freieren Untersuchung die lähmen<d>sten Fesseln angelegt hatte: einen bedeutenden Anstos dazu gab Jordano Bruno, ein arger Pantheist und sinlicher Epikuräer, der in London, Paris und Ingolstadt Naturwissenschaften lehrte, und das sonderbare Schiksal hatte, von Calvinusverkezert, und von der Inquisizion in Venedig verbrant zu werden.

8. Vorlesung, 28.11.1827

Die algemeine Umwälzung in den Wissenschaften, welche durch die Entdekkung von Amerika hereinbrach, wurde vorbereitet durch die gründlichen Studien der Araber in der Chemie und Physik. Sie waren es, welche eine Tafel der Monddistanzen anfertigten, ja sie hatten eine Art von nautischen Ephemeri - den berechnet, deren sich kastilische Schiffer mehrere 100 Jahre vor Kolumbusbedienten.

In Amerika fand man eine so grosse Menge edler Metalle, dass man auf neue Arten sann, sie auszuscheiden, und dies41v führte auf die Entdekkung des Amalgamirprozesses, den man bei den Arabern nur unvolkommen gekant, und wenig oder gar nicht in Ausübung gebracht hatte. Wie mächtig die Entdekkung von Amerika auf die Gemüter der Zeitgenossen ein - gewirkt, sehn wir aus 2 Briefen des Petrus Martyr d'An - giera, den einen über diese Entdekkung, den andern über die Kirchenreformazion, welche uns beide glüklicherweise erhalten sind, vom Januar 1493. (folgen die Stellen.)

Dass um dieselbe Zeit die scholastisch-dogmatische soge - nante[aristotelische] Philosophie gestürzt wurde, und einer reineren Naturanschauung Plaz machte, wargewisunstreitigmehr das Werk der ganzen fortrükkenden Zeit, alseEinzelner: doch müssen 3 Männer hier genant werden, deren Wirken und Schriften von entscheidenden Einflusse waren. 1, Jordano Bruno, dessen bereits Erwähnung geschehn: er beschäftigte sich zuerst mit dem Copernikanischen System, und kam dann auf die pantheistische Idee, das ganze Weltall für ein grosses Thier zu halten.

42r11.

2, der Kanzler Baco von Verulamin seinem Werke: de augmen - tis scientiarum,6 3, der Italiäner Campanellade philosophia instauranda. 7 Baco's Werk ist meist voll von praktischen Anwei - sungen, wie man die Wissenschaften betreiben solle, dagegen hat er weniger durch eigne Beobachtungen und Versuche geleistet, die sich in grosser Volkommenheit bei Campanellafinden.

Die 5te Epoche von 1590 1643 ist durch die Entdekkung neuer phy - sikalischer Instrumente bezeichnet, durch welche die natürli - chen Sinne des Menschen gestärkt und geschärft wurden: wir heben hier besonders 4 Organe heraus: das Fernrohr, das Barometer, das Thermometer und die Infinitesimalrechnung. Das Fernrohr wurde 1590 von Janssenin Mittelburg erfunden, und bis zum Jahre 1611 hatte man schon folgende wichtigen Entdekkungen gemacht: die Jupitertrabanten: die Phasen der Venus, höchst wichtig zum Beweise für das Kopernikanische Weltsystem, den Ring des Saturn, die Mondberge und die Sonnenflekken.

Das Thermometer um 1600 erfunden machte aufmerksam auf42v die Verschiedenheit der Klimate, und ihren Einflus auf die allgemeinen Vegetazionsverhältnisse: doch wurde es erst 100 Jahre später von Reaumurdahin vervolkomnet, dass es bei genauen Temperaturmessungen anwendbar war.

1643 fand der grosse Torricellidas Barometer, und der geistreiche Philosoph Pascalwandte dasselbe auf die Mes - sung der Berghöhen an.

Das wichtigste Organon aber ist das 4te, die Analysis des Unendlichen. In dem Streite, welcher sich darüber zwischen Leibnitzund Newtonerhob, behauptet Leibnitz, die Entdekkung schon 1676 gemacht zu haben, erschienen ist sie aber erst 1684. Die Anwendung davon auf Astronomie und Physik war von der grösten Wichtigkeit, und da die Beobachtungen sich nun immer mehr häuften, so ging die Wissenschaft mit Riesenschritten vorwärts.

Man beobachtete nun auch die Luftströmungen genauer, nicht blos in ihrem regelmässigen Wiederkehren, wie sie unter dem Namen der Etesien und Monsonen schon den43r Alten, namentlich auf Alexanders indischem Zuge bekant geworden, sondern auch in ihrem unregelmässigen Steigen und Fallen. Dampierund Halleysahen die Luft zuerst als einen grossen Ozean an, der nach oben zu Wellen schlägt.

Um 1700 zog man zuerst die magnetischen Linien, indem man alle diejenigen Punkte der Erde, auf denen die Nadel eine gleiche Inklinazion zeigt, durch Linien verband, und Halleyhat um diese Arbeit das gröste Verdienst.

Jemehr wir uns der neuern Zeit nähern, um desto schwerer wird es, ein Naturbild mit der nöthigen Vollendung zu ent - werfen: denn die Beobachtungen und Erfahrungen werden immer zahlreicher und wichtiger: wenn wir aber darauf sehn, das Gleichnamige immer streng zusammenzuhalten, so werden wir nicht anstehn, mit den Weltreisen Cooks die 6teEpoche oder den lezten Ruhepunkt zu bezeichnen. Durch diese erste, eigentlich physikalische Expedizion wurde die geographische Kentnis des Erdkörpers vollendet. Neuholland wurde zwar nicht43v erst entdekt, aber doch ein grosser Theil desselben umschift und geographisch bestimt. Die magnetischen Linien wurden nicht allein nach ihrer Deklinazion, sondern auch nach ihrer Inklinazion genauer bestimt. Die Temperatur des Meeres wurde untersucht und festgestelt. R. Forsterin Halle hat das Verdienst, alle Beobachtungen in ein Naturbild zusam - mengestellt zu haben, dasszwar nach dem jezigen Stande der Wissenschaft uns nicht mehr befriedigen kann, aber für die damalige Zeit von dem höchsten Interesse, auch durch den in - wohnenden Geist höchst achtungswerth war. Allerdings waren manche Zweige der Wissenschaften noch nicht ausge - bildet:diein der Geognosie und Hygrometrie (für welche Saussurenachher so viel gethan hat) war man noch nicht weit genug vorgerükt[. ]

Die lezten Expedizionen von Freycinetund Duperrey, wel - che als eigentliche physikalische Reisen zu betrachten sind, hatten nicht neue Länderentdekkungen zum Zwekke, sondern nur das Zusammenbringen einer grossen Anzahl von44r Beobachtungen aus allen Zonen und Klimaten, und haben in die - ser Hinsicht die glänzendsten Resultate geliefert: auch hatte man für sie ganz neue physikalische Instrumente erfunden. Die Figur der Erde wurde mit grosser Sorgfalt gemessen, und man fand das Resultat, dass die Erde am Südpol nicht mehr abgeplattet ist, als am Nordpol, was man früher wegen des vielen Eises glaubte. Es wurden auf dieser Expedi - zion von Stunde zu Stunde, Hygrometer, Barometer und Thermometer beobachtet, nicht blos auf dem Schiffe und auf dem Lande, manchmal auch in der Tiefe des Meeres.

Was die Landreisen anbetrift, so sind dieselben in neu - ster Zeit nicht so ausgedehnt, als im Mittelalter: damals war es keine Seltenheit, dass ein Europäer die äusserste Gränze von China erreichte, dann nach Timbuktu gelangte, und endlich in Corduba ankam: allein der Nuzen der neueren eingeschränkten Landreisen ist viel bedeutender. Für Asien nenne ich nur Niebuhrund Pallas, für Europa Saussüre; für das Kap der guten Hofnung Barrowund44v Lichtenstein, für das Innere von Afrika: Bruce, Hornemann, Mungo Park, Burkhardt, Denhamund Klapperton.

Durch die Entdekkung der geognostischen Reihen,ist[?]wobei Wernerganz besonderes Verdienst hat, ist man dahin gekom - men, die Gebirgformazionen mit grosser Sicherheit bestimmen zu können. Zugleich machte die vergleichende Anatomie so grosse Fortschritte, dass man im Stande war, aus den geringsten fossilen Überresten auf die Bildung des ganzen Thieres schliessen zu können: es müssen hier genant wer - den: Cuvier, Brogniartund v. Schlottheim. Man entdekte ferner die terziären Bildungen, welche über den Flözgebir - gen liegen, und wurde aufmerksam auf das ausgebreitete Nez der Vulkane in allen Zonen,man fand einen Zusam - menhang derselben mit dem Trachyt, einer Art von Syenitporphyr: man bemerkte die Hebung der Inseln und Berge, und gewann eine genauere Erkentnis der vorwelt - lichen grossen Revoluzionen unseres Erdkörpers. Leopold von Buchdehnte diese Hebung auf ganze Kontinente aus;45r Schon Celsiusfand, dass der Wasserspiegel an der schwedischen Küste niedriger werde, während er in Pommern unverändert bleibe, und man kann diese Erscheinung nicht anders als durch eine Hebung des ganzen schwedischen Kontinentes erklären. Man bestimte die Erschütterungskreise der Erdbeben genauer, und fand einen unterirdischen Zusammenhang, der sich durch alle Welttheile ausdehnt.

Wie man Italien überal zuerst nennen mus, wo von der Ausbreitung der menschlichen Kentnisse die Rede ist, so finden wir wieder in neuer Zeit in diesem Lande eine der merkwürdig - sten physikalischen Entdekkungen, die Voltasche Säule, welche noch viel wichtiger wird, durch die Anwendung davon, welche Berzeliusund Davyauf die Zerlegung der Stoffe machten. Man fand die Metalloide der Alkalien, und erkante, dass die Erdarten selbst nichts anderes sind, als Metalloxyde. Oerstädtmachte die wichtige Entdekkung von der Identität der ma - gnetischen und elektrischen Kraft. Seebekfand den Thermo - magnetismus. Bekcquerellbewies, dass jede chemische Erschei - nung mit einer elektrochemischen Wirkung verbunden sei.45v[Er] entdekte die kleinsten Quantitäten von Säuren, welche man kaum durch Reagenzien bemerken konte, durch den Kompas. Aragoendlich fand, dass man überall durch Rotazion Elek - trizität hervorbringen könne, nicht blos in festen Körpern, sondern auch in Wasser, sogar in Eis.

Trotz dem bleiben manche Erscheinungen: das Nordlicht,Wolkenbildungen, das Gewitter, namentlich der Gewitterregen, immer noch in ein unerklärliches Dunkel gehült. Le Roiin Montpellier, de Luc, Erman, Dalton& Gay Lussachaben in diesem Fache ausgezeichnete Entdekkungen gemacht.

In der Optik und Astronomie sind die Bemühungen von Dollond, Herschelund Frauenhofervon dem grösten Einflus - se gewesen: man fand am Ende unseresWeltPlanetensystems den Uranus mit 5 Monden, 2 Kometen, den Enckeschen und Bielaschen, die in sehr verlängerten Ellipsen um die Sonne gehn; jene Doppelsterne, welche die Bewegung zweier selbst - leuchtenden Körper um einander darstellen, endlich die Nebel - sterne. Zugleich entdekten Malusund Aragodie farbige und unfarbige Polarisazion des Lichtes, welche uns in den46r12.Stand gesezt hat, die physikalische Beschaffenheit der Welt - körper zu untersuchen und aufzufinden.

Auch in der Kentnis der Polargegenden sind wir durch die lezten Expedizionen weiter vorgerükt: zwar fehlen noch 26 Breitengrade bis zum Pole, doch ist Weddellschon 3 Gradenördsüdlicher als Cookhinaufgekommen.

Die Entwiklung der menschlichen Intelligenz hat mit der Entwiklung der Kentnis des Weltganzen nicht immer glei - chen Schritt gehalten: früher war sie fast allein um das Bekken des Mittelmeeres versammelt, in neuer Zeit hat sich aber dieCZivilisazion weiter ausgebreitet, aber nichts weniger als gleichmässig: dazu komt, dass die Fortschritte in den einzelnen Wissenschaften meist stossweise geschehn.

Der Karakter der neueren Zeit ist die Tendenz nach einem allgemeinen vergleichenden Naturstudium, und wir können sagen, dass wir hierin mit den himlischen Körpern fast zu Ende gekommen sind. Seit Keplerbis Laplacehat man sichmit der Bestimmung ihrer Geseze46v beschäftigt, und man kann sagen, dass sie das höchste Problem der Mechanik des Himmels in seiner schönstenman berechnet den Eintritt derJupitertrabanten in den Schatten bis auf 8 10 Sekunden Zeit Auflösung darbieten. Auf der Erde dagegen hat man noch keinen vernunftmässigen Einklang bestimmender Geseze auffinden können, weil die chemische Verschieden - heit der Stoffe so sehr in Anschlag kömt, von der man alles numerische, was man vielleicht festgestellt haben könte, sorgfältig scheiden mus. Auch hier komt man zu der Erkentnis, dass, je tiefer man in die Natur eindringt, um destofreier werde dieEinsichAnsichtdes Ganzen, und die Naturbeschreibung kann nur dann etwas wahrhaft grosartiges werden, wenn sie ganz in sich vollendet ist.

9. Vorlesung, 01.12.1827

Quellen der WissenschaftundLitteratur der Cosmographie.

S[?]Die Quellen unserer Wissenschaft sind doppelter Art: sie be - stehn 1, in dem Studium der Natur selbst. 2, in dem was sich darüber in Schriften findet: denn ein Einzelner kann selbst nur wenig sehen, er mus daher das zu Hülfe nehmen, was andre vor ihm gesehn haben: dabei ist es aber nothwendig,47r dass er immerfort prüfend selbst beobachte, wenn er die Beobach - tungen andrer verstehn will. Wir müssen indess hiebei wohl un - terscheiden, dass der Lehrer und die Studirenden 2 verschiedene Zwekke zu verfolgen haben. Jener, der Lehrer mus sich vorbereiten durch ein genaues Studium aller Reisebeschreibungen bei allen Völkern und in allen Sprachen: er mus alle einzelnen Abhandlun - gen durchgehn, die in seinem Fache erscheinen: denn nur aus dem speziellen kann das generelle hervorgehn. Dabei darf er nicht versäumen, gleichzeitig die Natur in allen ihren Erscheinungen zu beobachten. Diese, die Studirenden, denen es nicht möglich ist, in alles Einzelne einzudringen, müssen sich an Samlungen halten, und die in denselben aufgestelten Reihen mit Hin - blik auf das Ganze durchgehn. Für das Studium nenne ich daher hier nur algemeinere Werke:

Wenn wir bei den Alten wahrnehmen, dass sie nie den Ein - flus betrachtet haben, den der Anblik der unbelebten Natur auf den Menschenmachtausübt, so komt dies nur daher, dass der Mensch und das Studium desselben ihnen das Höchste und Einzige schien. Die Naturbetrachtung scheint den Indo-germani - schen Stämmen eigenthümlich zu sein. Doch finden wir auch einzelne Beispiele davon bei den Alten. Pliniushat uns eine schöne Beschreibung48v seiner beiden Villen, Laurentinum und Tuscum hinterlassen. 26Nie aber wurde es ein eigner Zweig der Litteratur, sondern immer nur als Hintergrund aufgestelt, um den lebenden Figuren mehr Licht zu geben, wie wir dies ja auch durchgängig auf den historischen Bildern in Pompeji wiederfinden. Man könte glauben, dass bei den germa - nischen Stämmen das rauhe Klima und die Entbehrung einer schönen Natur während eines grossen Theiles des Jahrs auf die Naturbetrachtung geleitet hätte: dies scheint aber nicht der einzige Grund zu sein: denn die südlicheren Inder und Perser haben sie ebenfals. In neuer Zeit finden wir die erste ästheti - sche Behandlung der Naturszenen beim Kardinal Bembo, in einer eignen kleinen Blumenschrift, die er beim Aufsteigen auf den Ätna verfaste: Ätna dialogus. 27(eine der seltensten Aldinen)

Freilich ist man hier auch auf grosse Abwege geraten, in den so - genanten poetischen Reisebeschreibungen: denn um grosse Ge - genstände zu schildern, ist es immer gefährlich, sich des poëtischen Schmukkes zu bedienen: die Hauptsache liegt darin, dass der, welcher das Bild aufstelt, ganz in demselben aufgeht, und sich selbst der Betrachtung entzieht.

Wir dürfen bei dieser Gelegenheit die Landschaftmalerei nicht übergehn, in so fern sie sich mit der karakteristischen Darstel - lung der einzelnen Pflanzenformen und der Physiognomie der Na - tur überhaupt beschäftigt. Bei den Alten war dies auch nur Nebenwerk, und sie bedienten sich zur Darstellung der anorga - nischen Natur gewisser feststehender Typen.

Den Anfang der Landschaftmalerei finden wir in der niederlän - dischen Schule bei den Schülern Van Eyck's: namentlich ver - suchte H. v. Blossdie Figuren sehr zu verkleinern, um dadurch die Landschaft mehr hervortreten zu lassen: doch ist seine Nach - ahmung der Natur mehr ängstlich als heroisch. Bei den Ita - liänern sind zu nennen: Tizian, Bassanound A. Caracci. Doch auch bei diesen findet sich keine genaue Nachahmung der exoti -49v schen Natur: auch sie hatten für manches konvenzionelle Formen,z. B. für die Dattelpalmen, welche doch aus Nordafrika nach Sizilien und Italien hinübergewandert waren.

F. Koeswar der erste, welcher 1642 in Brasilien treue Naturge - mälde anfertigte.

Hodgesbrachte herliche Zeichnungen von Cook's Reisen mit, und ging nachher mit Lord Hastingsnach Ostindien, wo er eben - fals schöne Arbeiten lieferte.

Daniel, oriental sceneries und Reise von Portsmouth nach Calcutta.

Rugendaswar neuerdings in Brasilien, und hat ausgezeichnete Landschaften zurükgebracht, die sich in Schleisheim befinden.

Durch alles dies werden unsre Weltansichten vermehrt und ver - grössert, und wenn ich von mir selbst angeben soll, was mich zuerst zur Unternehmung von weiten Reisen angetrieben, so war es: G. Forsters Schilderung der Südseeinseln,34 der Anblick des grossen Dra - chenbaumes, der sonst hier im botanischen Garten sich befand, und Hodgesvortrefliche Zeichnungen, die ich bei meiner frühsten Reise nach England zu sehn Gelegenheit hatte.

50r13.

Nachdem wir mit diesen Betrachtungen die Propädeutik geschlos - sen, gehn wir zur Wissenschaft selbst über, und beschäftigen uns hauptsächlich zuerst mit 3 Gegenständen:

Die Betrachtungen über die absolute Grösse sind oft in Spielereien aus - geartet, wie wir im Arenarius des Archimedisschon ein Beispiel finden, wenn dieser nicht in andrer Rücksicht merkwürdig wäre: es wird darin das Volumen eines Sandkorns mit demVolumender Sonne verglichen. Wir wollen eine ähnliche aber doch andere Betrachtung anstellen, um uns die absolute Grösse der Weltkörper deutlich zu machen. Der Durchmesser der Vesta, als des kleinsten Planeten, beträgt zwischen 59 60geographischeMeilen. Wir haben oben gesehn, dass es gar nichts unwahrscheinliches hat, die Aërolithen als kleine Weltkörper zu betrachten, die nicht zu unsrer Athmosphäre ge - hören: der Durchmesser des grösten derselben, den ich in Südamerika gemessen, beträgt zwischen 4 5 Fus: wir stellen also folgende Proportionen auf:Durchmesserd. Vesta zu dem der Sonne = 1: 3300. Durchmesserd. Aërolithen zu dem d. Vesta = 1: 270,000. 50v Herschelhat mit grosser Genauigkeit gezeigt, dass derDurchmesserder Veja wenigstens 34 mal grösser sein mus als der der Sonne: und hienach wäre:Durchmesserd. Veja:Durchmesserd. Vesta = Vesta: 2 Meteorsteinen.

Der innerste Trabant des Saturn ist noch kleiner als Vesta, und sezt man diesen statt der Vesta in die Proportion: so verschwindet der Unterschied zwischen Aerolithen und jenen Weltkörpern ganz: denn212135,000 Aërolithen nebeneinander gesezt, gebe〈…〉〈…〉nschon einen solchen kleinen Satelliten[oder Kometen,] dagegen verhält sich der Durch - messer eines Aerolithen zu dem der Veja wie 1: 20,000 Millionen und212135,000 Aerolithen212,000Vesta-Durchmesserneben einander bilden einen Weltkörper wieVestaVeja. In diesem Zusammenhange also läst sich jede Anhäufung der Materie unter demselben Gesichtspunkte betrachten.

Ausser diesen kompakten Massen giebt es auch dunst - förmige Anhäufungen der Materie. 1, jene Lichtpyramide, welche man bei uns nur selten im März und Oktober nach Sonnenuntergang von der Sonne aufsteigen sieht, das sogenante Zodiakallicht, das man früher für die Atmosphäre der Sonne hielt, man glaubt aber jezt, dass es wirklich leuch -51r tende Theilchen sind, die sich von der Sonne abgetrent haben, und deren Ausdehnung weit über die Erdbahn hinausreicht. Ich habe dasZodiThierkreislicht, welches zuerst von dem grossen Cassinigesehn wurde, inValencia in Spanien und dann auf d. hohen Bergen in Amerika genau beobachtet, und bemerkt, dass es nicht immer gleichförmig sondern oft stossweise in Lichtwellen ausgestralt wird.

2, noch in Nebel aufgelöste Weltkörper oder Nebelflekke[;] ich meine nicht jene scheinbaren, die sich bei verstärkter Vergrösserung in Sternhaufen verwandlen, sondern wirkliche planetarische, die sich nicht auflösen lassen: man ist bei diesen von Vergrösserungen von 70 80Durchmessernzu 800 900 fortgeschritten, und hat immer dasselbe matte Licht gefunden.

Jegrösserstärkerman an andern Orten die Vergrösserung genom - men hat, um desto mehr Sterne treten hervor, so dass das Himmelsgewölbe im eigentlichen Sinne aus einem Teppich von dichter oder dünner gewebten Sternen besteht: es müste also überall eine wahre Sonnenhelle von so vielen Sonnen reflektirt werden: dies brachte Olberszuerst auf den Gedanken, zwischen den Weltkörpern eine lichtschwä -51v chende Materie anzunehmen; und diese ist nichts an - ders, als eben jene dünstförmigen Stoffe, die sich noch nicht zu Weltkörpern gebalt haben. Ferner berechtet zu dieser Annahme die Retardazion des Enkeschen Kometen, die sich auf 40 Minuten beläuft. Dieser Komet bewegt sich von der Merkur'sbahn bis zu der desSaturnJupiter.

10. Vorlesung, 05.12.1827

Schon Halleywarf die Frage auf, ob nicht in jedem Punkte des Himmels ein leuchtender Körper stehe, welche bejaht werden mus: dies brachte auf den Gedanken einer feinen im Weltall verstreuten Materie, die man Aether nante. Ohne denselben würde die Sonne nur an ihren Flekken erken - bar sein, und die Planeten würden wie dunkle Scheiben am Himmel fortrükken.

Die Betrachtungen über die Anhäufung der Materie nach der Verschiedenheit ihrer chemischen Natur müssen wir damit beginnen, dass wir die Körper nach der Art ihrer Verdichtung in starre, tropfbarflüssige und elastischflüssige eintheilen. Manche Körper können aus dem tropfbar - flüssigen Zustande in den festen übergehn, wie das Wasser,52r an den Polen findet man das Eis konstant wie eine Gebirgsart anstehend, ohne dass es je in den tropbarflüssigen Zustand zurükkehrt. Zu den tropfbaren Massen gehört das Meer, dessen Wasser nach eignen Proportzionen zusammengesezt ist, und tropfbar sind gewis noch manche Stoffe im Innern der Erde: bei einer Tiefe von 48 Meilen würde man schon 1600° R. Wärme haben, wobei das Eisen schmelzen würde. Vom Queksilber wissen wir, dass es sich im blossen Kontakte mit der Luft verflüchtigt, und eineQueksilberathmosphäre bildet, und viel - leicht war es bei den[Uranfängen] unseres Planeten in diesem Zustande, und hat sich nachher niedergeschlagen: so schweben vielleicht, uns unsichtbar eine Menge Stoffe an der Gränze unserer Athmosphäre herum, die aber von den ewig auf - und abgehenden Luftströmen in Bewegung erhalten, und am Niederschlage gehindert werden.

Der Mond scheint blos starr zu sein, wie ein Aërolith, ohne vom tropfbar - und elastisch-flüssigen etwas an sich zu haben, wenigstens müste seine Athmosphäre dünner sein, als die dünste Luft, welche wir unter der Luftpumpe52v darstellen können. Man hat es als die beiden Karaktere aller Nebenplaneten angegeben, dass sie in der selben Zeit sich um sich selbst und um den Hauptplaneten drehen, und dass sie keine Athmosphäre haben, von diesem lezten findet sich aber eine Ausnahme bei einigen Jupiterstrabanten, wo man sonderbare Verdunkelungen und Erhellungen wahrnimmt.

Andre Weltkörper sind gasförmig, wie man dies jezt allgemein von den Kometen annimt, durch deren Kern man Sterne der 6 7 Grösse erkant hat: wir kennen aber immer nur die mitlere Dichtigkeit derselben, weil selbst bei den ela - stischen Schichten die obern auf die untern drükken müssen.

Die planetarischen Nebelflekke, welche Herschelentdekt hat, scheinen aber noch dünner zu sein als die Kometen.

Über die chemische Verschiedenheit der Körper können wir zwar nur bei unserem tellurischen Systeme mit Ge - wisheit etwas bestimmen, wir bekommen aber doch durch die Aerolithen eine Idee von der Beschaffenheit entfern - ter Weltkörper: die vortrefliche Arbeit des Prof. G. Rose53rüber die Aërolithen hat gezeigt, dass sie gröstentheils Ge - birgsarten enthalten, wie sie auf unsrer Erde vorkommen: und selbst von diesem Erdkörper kennen wir nur eine dünne Rinde, die man bis jezt in 51 einfache Körper zerlegt hat, welche in sehr ungleicher Quantität darin vertheilt sind: am häufigsten kommen vor Sauerstof und Kieselsäure, am wenigsten Vitriol und Kali. Der meiste Sauerstoff befindet sich nicht, wie man sonst glaubte, in der Luft, sondern in den festen Massen, welches durch Davy's & Berzelius ' Versuche bewiesen wurde: die Kalkerde allein, eine der am meisten verbreiteten Erden, enthält 28 Theile Sauerstoff. An[?]Beiden flüssigen Massen welche unsern Erdkörper um - geben finden wir eine geringere Mannigfaltigkeit in der Zusammensezung der Stoffe, als bei den festen. Die Ath - mosphäre enthält ¾ Stickstof, 1 / 1000 Kohlensäure, (die sich jedoch nach den[Jahreszeiten] zu ändern scheint) und ist also der[?]iegröste Vorrathkammer von Stikstof die wir kennen.

Eine noch dünnere Rinde um die Erde bildet die organische Natur, welche nur bis zu einer sehr geringen Tiefe in53v den Erdkörper eindringt: auch findetmanbei den Pflan - zen und Insekten im Innern der Erdklüfte eine schnelle Ausartung statt, die auch wohl von ihrer unbequemen Lage herrührt.

Bei den Anhäufungen der organischen Stoffe müssen wir bemerken, dass sie ihren Mischungszustand nicht ändern, so lange sie ein Ganzes bilden: sobald sie aber ge - treut sind, dann erfolgen chemische Veränderungen: wir müssen daher annehmen, dass sie in ihrem Innern bestimt abgeschlossen, und mit hinlänglichen Kräften ausgerüstet sind, um die chemischen Verwandschaften zu bezähmen.

Die Betrachtungen über die Anhäufung der Materie nach dem Maasse ihrer relativen Entfernungen führen nur zuerst auf die Entfernungen der verschiedenen Gruppen untereinander.

Alle Völker und alle Sprachen unterscheiden die Be - griffe Himmel und Erde, auf denen der ganze Kreis alles Sichtbaren sich bewegt. Wir beschränken uns zu - vörderst auf die Erde, und werfen 2 Fragen auf:54r14.

  • 1, welcher Himmelskörper ist der Erde je am nächsten gekommen: kein andrer als nach unsern Erfahrungen der nächststehende, der Mond, welcher 48000geographischeMeilen ent - fernt ist. Kein Komet kam der Erde näher als auf 6 Mondweiten, und zwar der von 1770, wäre dieser so dicht gewesen, als unsre Erde, so würde er unser Jahr um 3 Stunden verlängert haben: man merkte aber nicht die geringste Veränderung. Hiebei müssen wir jedoch unter - scheiden,dasszwischen einer Annäherung an die Erdbahn und an die Erde selbst. Der Bielasche planetarische Komet könte uns im[?]ndieser Rüksicht am gefährlichsten werden, er war 1826 nur 2 Mondweiten von der Erdbahn entfernt. Er komt ferner in Betracht,dassob es möglich sei, dass die Erde in einen Kometenschweif zu stehn kom - men könne. 1783 sah man einen sehr auffallenden Heerrauch, 3 Monate hindurch ging die Sonne ohne Stralen wie eine rothe Scheibe auf und unter; und den Mond sah man oft gar nicht: die Meinung war daher damals algemein,54v dass die Erde in einem Kometenschweif gestanden habe, bis neuerlich Aragodarauf aufmerksam machte, dass in diesem Falle der in Europa beobachtete Heerrauch auch jenseit der atlantischen Ozeans vorhanden gewesen sein müste: da dies aber erwiesenermaassen nicht der Fall war, so muste er eine andre Ursach haben: denn die Bewegung der Erde um sich selbst,ist so ungemein schnell, dass der Komet, auch bei eigner schnellster Bewegung doch um die ganze Erde herum einen Parallelkreis zwischen dem 44 55tenGrade der Breite beschrieben haben müste. Der Komet von 1819 hatte einen ausserordentlich schnellen Gang, und es ist von Olbersund Dirksenberechnet wor - den, dass er am 26tenJunius bei der Sonne vorbeigegangen ist, und obgleich ein grosser Streit darüber entstanden, ob es möglich sei, diesen Durchgang zu beobachten, so war dies doch entscheidend für die geringe Dichtigkeit der Kometen, dass man gar keine Veränderung am Sonnenlichte wahrge - nommen hat. Damals allerdings hätte sich der Kometen - schweif, wenn er lang genug war, mit unsrer Athmosphäre55r mischen können. Es steht in vielen älteren Schriftstellern die Behauptung, dass ein Jahr nach der Eroberung von Konstantinopel, also 1454, ein Komet den Mond verfin - stert haben soll: dies beruht auf einem Misverständniss des Phrantza, eines Maitre de Garderobe am byzantini - schen Hofe, der sehr weitläufig alles, was damals dort geschah, berichtet, und dessen Chronicon von den Jesui - ten misverstanden worden ist. Krieshat die Handschrift untersucht und gefunden, dass er blos erzält; es sei ein Komet erschienen, zur Zeit als der Mond verfinstert war.
  • 2, die 2te Frage ist die, welche 2 Himmelskörper ausserdem sich untereinander am nächsten kommen: dies ist der inner - ste Saturntrabant und der Saturn: diese beiden sind nur um eine halbe Mondweite von einander entfernt, also 27300 Meilen (übrigens ist der Mond der fünftnächste Trabant: 3 vom Saturn und 1 vom Uranus sind ihren respektiven Planeten näher.) Die Berechnungen über den Kometen von 1770 haben gezeigt, dass er zweimal, 1767 und 1779 durch die kleineren Jupiterstrabanten gegangen ist.55v[Diese] Trabanten sind im ganzen 33000 Meilen von dem Ju - piter entfernt: der Komet mus ihnen also wenigstens bis auf 1600 Meilen nahe gekommen sein, welches ¼ un - serer Mondweite beträgt. Der Komet von 1680 kam der Sonne auf Mondweiten nahe, also nicht ganz so nahe, als der durch die Jupitertrabanten ging, welcher uns das Beispiel der grösten Nähe 2er Weltkörper giebt.

Den Saturnring können wir als einen Komplexus von Trabanten betrachtetn, woher auch wohl die ungeheure Grösse und Höhe der Berge darauf kömt, deren einer anMasseGrössedem Merkur gleich kömt. Die Entfernung des Ringes vom Saturn beträgt nur 5800 Meilen.

Man könnte ver〈…〉〈…〉sucht werden, die Doppelsterne, welche so nahe beisammen stehn, für noch näher zu halten, dies wäre aber ein grosser Irthum: die nächsten, welche man beobachtet[hat], sind 5 Sekunden von einander entfernt, und doch beträgt ihr relativer Abstand wenigstens die Weite von der Sonne bis zum Saturn.

56r

Bei den dunstförmigen Massen, welche Herscheldurch sein stärkstes Teleskop in ungemesnen Weiten am Himmel wahr - nahm, findet sich die merkwürdige Erscheinung, dass oft 2 bis 3 Kerne in einer Dunstmasse liegen.

Unsre Kommunikazion mit den entfernteren Weltkörpern beruht nur auf 3erlei Mittheilungen:

  • 1, durch die Lichtstralen, bei deren Geschwindigkeit wir gar nicht das gewöhnliche Maas nach Meilen anwenden können, sondern nur nach der Zeit rechnen müssen: das Licht braucht vom Uranus Stunden vom Sirius 3 Jahre, von den äussersten Gränzen unserer linsenförmigen Sternschicht 2400 Jahr, von Herschels entferntesten Sternflekken 30 40,000 Jahr. Die Versuche der Engländerin Sommervillehaben es wahrscheinlich gemacht, dass der Verkehr des Lichtes mächtig dazu beiträgt, die magnetische Spannung auf der Erde zu erhalten.
  • 2, durch die Attrakzion welche natürlich bei dichten Mas - sen stärker ist, als bei dünnen: sie mus aber bei allen, auch den entferntesten, deren Licht 30,000 Jahre bis zu56v[ uns] braucht, stattfinden: ist aber für unsre Erde und für unser ganzes Sonnensystem völlig unmerklich. Die Perturbazion, so weit wir sie berechnen können, geht nur bis zum Saturn. Sie zeigt sich entweder a, translatorisch, indem das Zentrum der Erde aus seiner Stelle gerükt wird, oder b, durch Veränderung der Erdaxe, von denen aber die Erdbewohner so wenig etwas merken, als von der Bewegung der Erde selbst. Sie äussert sich aberz. B. durch die Ebbe und Flut im Meere, welche man dem Monde und der Sonne gemeinschaftlich zuschreiben mus; ferner durch die Ebbe und Flut im Luftozean, die man 4 mal in 24 Stun - den beobachten kann.
  • 3, durch die Aërolit〈…〉〈…〉hen, von denen wir oben bemerkten, dass sie wahrscheinlich〈…〉〈…〉von der Gränze unseres Plane - tensystems herkommen.

11. Vorlesung, 08.12.1827

Wir kommen nun zum astronomischen Theile unsrer Wissenschaft, der sichmitin Betrachtungen über die tellurischen und nichttellurischen Körper abtheilen läst.

57r

Wir beginnen mit den nicht-tellurischen, und sehn im al - gemeinen auf das, was entdekt ist, nicht wann und wie es entdekt ist. LaplaceSystème du Monde ist hierfür vor - treflich, und löset die Fragen der höhern,[himlischen] Mechanik auf eine überraschende, oft unerwartete Weise. Ganz speziel könte man diesen Theil unserer Wissenschaft die physische Astronomie nennen, nämlich die Lehre von der natürlichen Beschaffenheit der Weltkörper, wobei das wenige zur Sprache kommen wird, was wir von den phy - sischen Eigenschaften, der Oberflächepp. derselben wissen.

Es darf nicht übersehn werden, dass unsre Lage auf der Erde die allergünstigste für die Kentnis des Welt - gebäudes ist, insofern wir auf einem nichtleuchtenden Weltkörper wohnen. Wohnten wir in der Photosphäre der Sonne, so würden wir von der Existenz der Gestir - ne gar nichts wissen: eine Annäherung an[einen] solchen Zustand finden wir auf der Erde selbst: und zwar nicht etwa unter den Polen, sondern in dem schönen Tropenklima von57v Peru, wo der Himmel mehrere Monate des Jahres hindurchmitvon wässrigen Dünsten so verhüllt ist, dass man die Sonne nur als eine rothe Scheibe, wie im denkwürdigen Jahre 1783 bei uns, aufgehnsindsieht, und die Stelle, wo der Mond steht, oft gar nicht unterscheiden kann. Dieser Mangel würde aber auf die Ausbil - dung des Menschengeschlechtes den wesentlichsten Einflus haben. Der Ideenkreis würde sich in einem eingeschränkten Raume bewegen, während er jezt die entferntesten Weiten mit Schnel - ligkeit durchfliegt: es würde dies zugleich grossen Einflus auf die religiösen Gesinnungen haben: denn es ist nicht zu leugnen, dass die religiöse Begeisterung durch das Gesezmässige in der Bewegung der Himmelkörper hervorgerufen werden mus. Alle tellurischen Messungen würden sich nur höchst unvollkommen und unbequem ausführen lassen: denn sie gründen sich eines Theiles zwar auf die trigonometrischen Messungen an der Oberfläche selbst, anderes[Theiles] aber, und zwar hauptsächlich, auf die Vergleichung der Erdpunkte die - ser Messungen mit entsprechenden Messungen der Mondbahn. Es würden nur allerdings noch die Pendelversuche übrig bleiben, um die Gestalt der Erdkugel zu bestimmen, aber wer weis,58r15.ob man ohne vorhergegangene allgemeine Kentnis auf diese Versuche verfallen wäre. Die Lage der Länder gegeneinander würde durch die Magnetnadel bestimt werden können, aber die Abwei - chungen derselben würden sich nicht so leicht als jezt auffinden lassen, weil man nichts hätte, um sie damit zu vergleichen. Die Schiffahrt würde ihrer sichersten Stüze, der Sternbeobach - tung beraubt sein, und die höhere Mathematik, insofern sie auf die Berechnung der Bahnen jener entfernten Weltkörper ange - wendet wird, würde ganz fehlen. Wir sehn also, dass die Kentnis der Gestirne nicht allein vom grösten Einflus auf die Gefühle, sondern auch auf die Kultur der Menschen ist.

Wenn im allgemeinen unsre Erde als einmittlerer Planet die gün - stigste Lage für Sternbeobachtungen hat, so wird dies unter dem Aequator ganz besonders der Fall sein, indem man hier die Sterne der nördlichen und südlichen Hemisphäre sehn kann, und zu - gleich, bei den übereinanderliegenden Klimaten die Freiheit hat, auf einem hohen Berge die Sterne durch eine dünnere Luftschicht genauer zu beobachten. Der Gang, welchen die Kultur bisher auf unserm Erdboden genommen, hat es noch nicht möglich gemacht, Beobachtungen unter dem Aequator anzu - stellen, indem hat neuerdings der junge Herschelden Ent -58v schlus gefast, mit den Instrumenten, welche er von seinem un - sterblichen Vater35 geerbt, nach dem schönen Tropenklima zu gehn, um daselbst die Sterne zu beobachten.

Trotz aller Sorgfalt können wir den Täuschungen bei den Beo - bachtungen nicht entgehn. So erscheinen unserm Auge nur die Sonne und der Mond als Scheiben, alle andern Himmels - körper als strahlende Punkte: selbst die Planeten werden erst vor dem Fernrohr zu kleinen Flächen: dagegen verlieren die Fixsterne ihre Stralen, und der Anblick der Himmels ist des - halb durch ein Fernrohr trauriger, als der mit blossen Au - gen, wie man sich denn schon durch Kartenblatt, worin man ein kleines Loch macht, überzeugen kann, dass die Fixsterne in einen kleinen leuchtenden Punkt zusammenschrumpfen. Unter den Tropen ist der Anblick des Himmels nach den Jahreszeiten ein sehr verschiedner; zu der Zeit, wo lange eine gleichmässige Wärme in der Athmosphäre geherscht hat, ist der Anblick des Himmels ein planetarischer, (die Sterne leuchten mit milderem Lichte) ohne deshalb trauriger zu sein, wenn aber die Regenzeit eintreten soll, und die wässri - gen Dünste, welche die Athmosphäre vorher aufgelöst ent - hielt, anfangen sich zusammenzuballen, dann funkeln die59r Sterne mit einem weit stärkeren Lichte.

Eine andre Täuschung entsteht aus der Dilatazion und den Polygonalfiguren der Sterne. Es giebt nämlich für jedes Auge eine Entfernung des deutlichen Sehens, die nach den Indi - viduen verschieden ist. Steht nun ein Gegenstand vor oder hinter dieser Entfernung, so ist es natürlich, dass der Stralenkegel vor oder hinter die Netzhaut falle, also zu früh oder zu spät von derselben durchschnitten werde:hieraufauf diesem undeutlichen Sehenberuht die scheinbare Vergrösserung der Sterne: hierauf beruht es, dass beim An - blik des dreitägigen Mondes, der helle Theil desselben grösser zu sein scheint, als die dunkle Scheibe. Man nentb[?]dies beiden Sternen den Zerstreuungskreis. So hat Jupiter 40 Sek. DurchmesserMars 6 Sek, durch den Zerstreuungskreis wachsen sie bis zu 4 Minuten an. Eben so bei den Fixsternen. Veja hat nach Her - schel Sek. Durchmesser, und erscheint uns in einer Grösse von 4 Min. Uranus dagegen, bei dessen Grösse die Gränze des Ma - ximum 4 Sek. beträgt, erscheint so klein, dass es wenige Men - schen giebt, welche das Glück hatten, ihn mit blossen Augen zu sehn. Wir sehnhieraus, dassauf die Intensität des Lichtes hauptsächlich Rüksicht genommen werden mus. Alkol, das Reuterlein, über Miza im Schwanz des grossen Bären bildet59v einen Doppelstern, den junge Leute mit blossen Augen sehn können. Viele andre erblikken ihn aber nicht, obgleich er ein Stern fünfter Grösse ist, und sie andrerSterne 5terja 6terGrösse sehr deutlich erkennen. Alkol ist nämlich nur 3 Min. von Miza entfernt, und kömt daher in dessen Zerstreu - ungskreis, der beinahe43Min. beträgt.

Wenn der Mond bei einem Fixsterne vorüber geht, und ihn bedekt, so nent man dies eine Sternbedekkung oder Okkul - tazion. Bei diesen für die Bestimmung der Länge äusserst wichtigen Beobachtungen zeigt sich ein eignes Phänomen, dass nämlich der Stern einige Sekunden lang am Monde zu kleben scheint, während er doch, nach der Kugelgestalt des Mondes, in einem Augenblikke an ihn treten und verschwin - den solte: es ist aber falsch, wenn man glaubt, dass dies von einer Dilatazion des Mondrandes herrühre, weil diese ja im Fernrohre aufhört: vielmehr ist es eine Beugung der Lichtstrahlen, von der unten die Rede sein wird.

Die Polygonalfiguren der Sterne, welche einen andern Grund der Täuschung abgeben, findet man bei Fixsternen und Pla - neten. Venus, mit einem Durchmesser von 1 Min. zeigt sie uns no〈…〉〈…〉ch sehr deutlich, und von ihr, bis zum Monde, der ½ Grad60r imDurchmesserhat, haben wir leider keinen Übergang. Es mus also die interessante Frage unentschieden bleiben: wie gros müste ein Stern nach seinem scheinbarenDurchmessersein, um ihn mit blossen Augen als Kreis zu sehn? Eine Nachricht aus dem Mittelalter sagt uns, dass ein auflodernder Stern im Skorpion erschienen sei, der ¼ des Monddurchmessers gehabt habe, und nach wenigen Monaten wieder verschwunden sei. Sein scheinbarerDurchmessermüste also 7 8 Min. gewesen sein. Von den Polygonalfiguren wird aber nichts erwähnt. In eben solcher Ungewisheit lassen uns die Araber, welche 1006 einen Kometen beobachteten, der 4 mal grösser als Venus war. Auf andern Planeten müste die Frage entschieden werden können: die Sonne erscheint auf den kleinen Planeten mit einem Durchmesser von 10 Min, auf dem Jupiter von 6 Min.

Das Zukken der Strahlen ist nach Beschaffenheit der Augen verschieden, und Versuche damit macht man besser an Lichtern, die in bedeutender Entfernung aufgestellt sind, als an Sternen selbst. Deshalb hat man den Leuchtthürmen eine rotirende Be - wegung gegeben, nicht blos weil ein verschwindendes und wieder - auftauchendes Licht sich dem Gesichte leichter darbietet, son - dern auch um die Flamme des Leuchtthurms von den aufgehenden Sternen zu unterscheiden.

60v

Um hier meine Erfahrungen zum Vergleiche anzuführen, so sehe ich bei Sternen 1terGrösse nur 7 Stralen, von denen die oberen in einem Winkel von 60°, die unteren nur von 45° geneigt sind. Die meisten Menschen sehn 8 Stralen, je nach der Konstrukzion des Auges: denn dass blos hievon die Zahl und Neigung der Stralen abhängt, läst sich beweisen; wenn man nämlich das Auge dreht, d. h. rechts oder links den Kopf neigt, so dreht sich der Stern mit: eben so, wenn man das Auge zudrükt, so fahren die Stralen sehr weit auseinander, und erreichen von 4, eine Länge v. 40 Minuten.[Ja] wenn man den Finger vor das Auge hält, so gehn sie bis an denselben, und werden von ihm unterbrochen.

Eine ähnliche Bewandnis hat es mit der Suppression der Stralen: wenn man nämlich den Kopf senkt, in vertikaler Richtung, so verschwinden die obern, und umgekehrt, wenn man ihn hebt, verschwinden die untern.

Es läst sich hieran eine Bemerkung über die Hieroglyphik der Aegypter knüpfen: man hat nämlich bei ihnen ge - funden, dass die Zahl 5 durch einen Stern ausgedrücktnach Horapollon wird, und dass alle Sterne, die man abgebildet sieht, in 5 Stralen ausgehn, man kann also voraussezen, dass die Konstrukzion der Augen bei dem grösseren Theil der Nazion61r von der Art war, ihnen 5 Stralen bei den Sternen zu zeigen.

Das Funkeln der Sterne ist nicht, wie man früher glaubte, eine Folge der Dünste in der Athmosphäre oder der Translazion der Stralen (woher man die Undulazion des Sonnenrandes leiten könte[)], sondern es beruht auf andern optischen Erschei - nungen, für die man in dem neusten System der Optik einen sehr befriedigenden Grund gefunden hat. Schon der verdienst - volle englische Astronom Mitschellbeobachtete, dass die schein - bare Grösse des Sterns sichbeim Funkeln vermindert, und das dies Inter - mittiren bis zu 5 mal in einer Sekunde vorkomme, allein er fand nicht die rechte Er<klär>ung davon, indem er ein intermit - tirendes Licht annahm: nach den neusten Entdekkungen glaubt man, dass dies Phänomen mit der Interferenz des Lichtes zusammenhange, nach der 2 Lichtstralen, wenn sie in entge - gengesezter Richtung auffallen, sich zerstören können. Frau - Grimaldiin Bologna enhoferfand im Spectrum seiner Gläser Banden von weis und schwarz, welche regelmässig auf einander folgen, und man kann nun den Saz aussprechen, dass Licht zu Licht Dun - kelheit giebt: denn die schwarzen Banden zeigten sich nur61v da, wo 2 Lichtstralen auf einander trafen, und sich mithin zerstörten: durch die Beugung der Lichtstralen, indem sie durch einen engen Raum gehn, entstehn farbige Franzen, die manam besten erhalten kann, wenn man einen Lichtstral durch das Fenster bei einem dünnen Faden vorbei in ein dun - kles Zimmer auf eine helle Wand leitet: es entsteht alsdann auf der hellen Wand ein dünner Schatten des Fadens, dessen Schattenränder, was sehr merkwürdig ist, nicht blos äussere, sondern auch innere farbige Franzen haben. Der Dr. Thom. Young(der schon vor Champolliondie Entziffe - rung der Hieroglyphen fand) entdekte,1803 dass man durch einen vorgesezten Schirm die schwarzen Streifen auf der einen Seite fortschaffen kann. Aragomachte eine andre schöne Entdekkung, wobei er sich dikker Gläser bediente. Fresnelendlich, der den Wissenschaften zu früh entrissen wurde, hat in diesem Felde viel geleistet. Er stelte 2 Spiegel in einem bestimten Winkel untereinander, und fand, dass das reflektirte Licht auch schwarze oder weisse Banden bildet, je nachdem die Lichtstralen einzeln auffallen, oder62r16.2 zusammengenommen sich zerstören, und dass Papier, welches man mit Chlorsilber bestrichenhathat, an denen Stellen, wo die schwarzen Banden sich zeigen, (also 2 Lichtstralen auf - fallen) nicht violett gefärbt wurde, sondern dass dies nur durch die Wirkung einfacher Stralen geschah, welche mit gleicher Geschwindigkeit ihren Weg zurüklegen.

Man ist also jezt zu dem alten Undulazionsystem, von Huygens(das erst später von Euleraufgesteltwurde, und mit Unrecht von ihm den Namen bekommen hat) zurükgekehrt, wonach das Weltall mit einem Lichtäther angefült ist, der durchdie leuchtenden Körper in Bewegung gesezt wird. Das Emanazionsystem von Newtonkann auf die neueren Entdek - kungen nicht angewendet werden.

Dies führt uns nun wieder auf das Funkeln der Sterne zurük, wobei man annehmen mus, dass durch die verschie - dene Geschwindigkeit der Stralen Finsternis& mithin Intermittiren hervorgebracht wird.

12. Vorlesung, 12.12.1827

Man kann sich auch hier an die wellenförmige Bewegung des konzentrischen Kreises erinnern, welcher entsteht, wenn man62v einen Stein in's Wasser wirft. Wenn die beiden Wellenbe - wegungen so aufeinander stossen, dass grade die eine hinauf - geht, während die andre hinuntergeht, so wird Ruhe in der Mitte eintreten. Wenn nun der Stern seine Stralen durch ungleichförmig gemischte Luft führt, so werden 2 Strahlen ungleiche Geschwindigkeit erlangen, und dadurch sich selbst zerstören. Hieraus läst sich auch erklären, warum das Fun - keln geringer wird unter den Tropen und auf hohen Bergenals in mehr temperirten〈…〉〈…〉Zonen und auf Ebnen. Bei mei - nem Aufenthalte in Amerika habe ich bemerkt, dass unter den Tropen die Sterne funkelnd werden, wenn die Luft sich erkältet (nicht wenn sie feucht wird); das Beginnen der Regenzeit kündigt sich auf diese Weise an, wegen einer grösseren Elektrizität der Luft. Bei den leuchtenden Scheiben bemerken wir das Funkeln nicht, weil hier ein Lichtpunkt den andern ersezen kann. Mit der Interferenz hängen ferner zusammen: die Erscheinung, dass ein Stern an dem Monde zu kleben63r scheint, wenn dieser an ihn tritt; die farbigen Ringe und schwarzen Flekke, und endlich die Erscheinung, dass bei einer totalen Sonnenfinsternis ein grosser Ring mehrere Sekunden lang sichtbar bleibt.

Mit blossen Augen sehn wir nur die Sterne 1terbis 7terGrösse. Nach Herschels Beobachtungen ist es wahrschein - lich, dass Sterne 6ter 7terGrösse 10 Siriusweiten von uns entfernt sind, und folglich 30 Jahre gebrauchen, ehe ihr Licht zu uns gelangt. Man hat lange behauptet, dass man von finstern Orten aus, auch bei Tage die Sterne sehn könne: allein dies scheint falsch zu sein. Ich wenig - stens habe sie nie gesehn aus den vielen Schachten, in denen ich gewesen bin, und habe auch nie einen Menschen gefunden, der sie gesehn hat. In der Pariser Sternwarte war es ein Betrug des Astronomen Concierges. Die Führer auf dem Montblanc behaupten, die Sterne auf dem Gipfel dieses Berges bei Tage gesehn zu haben, allein auf gleichen und noch grösseren Höhen Südamerika's ist dergleichen63v nie vorgekommen. Es giebt übrigens Menschen, die stärkere Augen haben, als andere: so versichert Benzenberg, dass er einenHerrn v. Eschwegein Göttingen gekant habe, der bei Tagee den Regulus (einen Stern erster Grösse) sah, und andre, die dieJupiter trabanten mit blossen Augen sahen ( Enckeversichert, dass er auch dieJupitertrabantenmit unbewafnetem Auge sehn kann.) So habenHerr Bonplandund ich denJupiter noch 18 Minuten nach Sonnenaufgang unter den Tropen gesehn. Venus möchte noch am leichtesten bei Tage erkant werden, wodurch es indess erschwert wird, sie zu sehn, ist der Umstand, dass man selten den Platz, wo sie zu suchen ist, genau anzugeben vermag, und durch das Suchen eine Beweglichkeit des Auges bewirkt wird, die das Auffinden erschwert. Scheiben sieht man unter einem Winkel von 1 Min: Baumstämme von 15 18 Sek. Ableiter von 25 Sek. Ich sahHerrn Bonplandin weissen Kleidern auf dem schwarzen Trapezitgestein des Cha - puza, unter einem Winkel von 5 6 Sek. wozu indes der64r Umstand beförderlich war, dass jener sich bewegte. Warum aber, so mögen wir nun fragen, sieht man denn bei Tage die Sterne durch Fernröhre? Die Sterne werden durch die - selben ja nicht grösser, sondern kleiner. Die Ursache liegt in der Schnelligkeit der Bewegung so erklärt es sehr treffend Arago. Das Ausschliessen des äusseren Lichtes aus den Röhren trägt wohl etwas dazu bei, allein es ist nicht unumgänglich nöthig, wie man schon daraus sieht, dass man auch durch die älteren Luftfernröhre die Sterne gesehn. (Luftfernröhre sind die älteren Fern - röhre, welche man so ungeheuer lang machte, dass man sie nicht mehr mit einer Röhre umgeben konte. Man hatte deren von 250 Fus Länge: sie bestanden alsdann blos aus einem Objektiv und einem Okular, die man mit grossen Windeneinandernäherte oder entfernte. DominiqueCassiniwolte unter Ludwig XIVeines von 600 Fus Länge machen, wovon indess nur das Okular fertig ward. Natürlich, dass bei solchen gewaltigen64v Anstalten, das Volk viel aufmerksamer auf einen Astro - nomen ward als jezt!)

Man sagt häufig, dass die Zahl der Sterne, die man mit blos - sen Augen sehn könne, 5000 sei, allein Herschelhat gezeigt, dass es von Sternen 1 6terGrössewenigstens 11000 giebt. (Sterne 6terGrösseallein zälte Herschel8076; 7terGrösse14000.

Das teleskopische Sehen ist nicht blos merkwürdig, wegen der vielen neuen Erscheinungen, die man dadurch gefunden, z. B. den Ring des Saturn, die Sonnenflekken, sondern am wichtigsten ward es, als man es mit messenden Instrumenten in Verbin - dung sezte: so ward es nicht blos für die physische, sondern ganz besonders auch für die mathematischeGeoAstronomiegewinnreich. Diese Verbindung machte zuerst 1634 Morinin Paris, weiter ausgeführt wurde sie 1664 von Picard.e[?]Einen andern Vortheil bringen die Nachtfernröhre als Kometensucher, die nur 4 5 mal vergrössern, aber ein grösseres Objektiv haben. Hie - durch entsteht ein grösserer Lichteindruck, der durch eine stär - kere Vergrösserung, also auch Verzerrung verloren gehn würde.

13. Vorlesung, 15.12.1827

(Über die optische Erscheinung der Interferenz sehe man Annales de Chimie I, 1816. pag. 199. 239. das gekrönte Mémoire von Fresnelüber die65r Diffrakzion 1819. Thomson's Chimie übers. v. Rifaud1821. Suppl. bd. Fischermechanische Naturlehre IIterBd.[) ]

Bei der Eintheilung der Astrognosie müssen wir darauf sehn, dass die geballte und ungeballte Materie im Weltenraume in Inselgruppen vertheilt ist, zwischen denen sporadisch einzelne Sterne zerstreut liegen: diese Überzeugung gewint man aber erst durch die Fernröhre, was wir mit blossen Augen sehn, gehört alles zu der Insel unseres Sonnensystems, welches wiederum aus 11 Hauptpla - neten und 18 Nebenplaneten besteht. Die Entfernung von der Sonne bis zum Uranus ist der 100steTheilvon der Entfernung der Sonne bis zum äussersten Kometen. Trotz dem ist unser Sonnensystem sehr unwichtig und unerheblich für die linsenförmige Schicht: denn wenn man auch annimt, dass der äusserste Komet 80000 Jahre zu einem Umlauf um die Sonne braucht, so würde doch unser Sonnensystem mit den Kometen 37000 mal der Länge nach in un - srer Sternschicht Platz haben. Wir sehn in dieser linsenförmigen Schicht eine Graduazion der Anhäufung der Materie,undbegin - nen, (wie in der Geschichte mit der mythischen Urzeit) sohier bei den äussersten Gränzen des Sichtbaren, und schreiten dann bis zu unsrer Erde fort: so würdenz. B. die Einwohner eines65v kleinen Koralleneilandes in den Sozietätsinseln, dieses Eiland am genausten kennen, weniger würden sie wissen von den ihnen zunächst liegenden Sporaden, noch weniger von den ent - ferntesten Sozietätsinseln. Doch mus ich hiebei bemerken, dass alles, was ich vortragen werde, nicht nur blosse Vermuthungen, son - dern wirkliche Beobachtungen sind; vor 30 Jahren würden es nur Vermuthungen gewesen sein, jezt können wir aber die abso - luten Zalen in ziemlich enge Gränzen der Gewisheit einschlies - sen, indem wir die Fehler berechnen, die bei denselben vorkom - men können.

Wir beschäftigen uns also

  • a, mit den entferntesten Gruppen.
  • b, mit unsrer linsenförmigen Sternschicht.
  • c, Planetensysteme.

Schon oben haben wir bemerkt, dass einige Nebelflekke dem blossen Auge sichtbar sind, und zwar mit Sternen gemengt,z. B. der Flek im Gürtel der Andromeda, der sich wie ein Stab zu beiden Seiten ausbreitet; die Krippe im Krebs, ein Sternhaufen, auf den man sehr früh aufmerksam wurde, schon im 17tenJahrhunderthat man ihn beobachtet, und gemessen66r17.wurde er zuerst von S. Magus. Huygensuntersuchte den Nebelflek im Schwerdte des[?] Orion sehr genau, aber der wahre Kolumbus dieser Räume ist Herschel, ihm folgten Messierund Méchin. Herschelhatte die erste Idee von der körperlichen Gestalt dieser entfernten Weltkörper: er hat das Senkblei in die Tiefen des Himmels (coelum profun - dum) geworfen. Er fand, dass die Nebelflekke sich in auf - lösbare und unauflösbare theilen lassen: zu den ersten gehört die Milchstrasse, in der sich alles in Sterne auflösen läst: schon Huygenshatte 1724 diese Idee von auflösbaren und nicht auflösbaren Nebelflekken, war aber nicht im Stande, die Milchstrasse mit Fernröhren von 150 200′ Länge aufzulösen: zu den zweiten gehören die meisten andern Nebelflekken. Nun könte man freilich sagen, dass es an denAn[?]〈…〉〈…〉Unvolkommenheit unsrer Instrumente liege, und dass wir mit stärkeren Vergrösserungen doch am Ende dahin gelangen würden, sie in einzelne Sterne aufzulösen, dagegen streitet aber die Analogie. Denn im Falle diese66v Nebelflekken auflösbar wären, so würden doch, indem man von einer Vergrösserung von 150 mal zu 1800 Mal fortschrei - tet, einzelne Sterne daraus zum Vorschein kommen, wie dies bei den auflösbaren wirklich der Fall ist, dagegen bemerkt man hier nichts als ein einförmiges mattes Licht, auf welches die Vergrösserungen keinen Einflus haben. Bei eini - gen bemerkt man einen nach dem Innern zunehmenden glänzenden Kern (ganz anders als bei einem Stern, der in einen Nebel versenkt ist. ) oft stehn auch deutlich kleine Sterne in der Mitte;dnicht etwa vor oder hinter dem Nebel, welches wir daraus abnehmen können, dass sie sich mit demselben fortbewegen. Im Ganzen zält man 3000 Nebelflekke, von denen wenige nur auflösbar sind: zusam̃en genommen würden sie einen Raum von 600 Vollmonden einnehmen. Von der Entfernung derselben können wir uns kaum einen Begrif machen. Nach Herschels Berech - nung, oder vielmehr Schäzung ist der nächste nicht auflösbare Nebelflek an 8000 Siriusweiten von uns67r entfernt, und sein Licht braucht 24000 Jahre bis zu uns, der lezte ist vielleicht 300,000 Siriusweiten entfernt, und Herschelahndete ihn kaum in seinem40-füssigen Teleskope.

Wir können die Nebelflekke auch Dunstwolken nennen, wovon wir ihrer Gestalt nach 3 Arten unterscheiden:

  • 1, kernlos, rund, von gleicher Färbung, dies sind die soge - nanten planetarischen.
  • 2, solche, worin eine Zusammenziehung des Lichtes statfindet, die sich nach dem Rande zu verdünt. Die Verdikkung findet sich immeran〈…〉〈…〉inder Mitte, nie am Rande.
  • 3, solche in deren Innern Sterne sichtbar sind: auch Sternhaufen mit Nebel untermischt, wie der in der An - dromeda. Von diesen haben einige 12 15 Sek. Durchmesser, so viel als die meisten unsrer Planeten. Sie müssen also nach einer ungefähren Schäzungdereinen Raum wie von der Sonne bis zum Uranus einnehmen. Herschelglaubte, dass sie wegen ihrer ungeheuern Entfernung für uns ohne Be - wegung wären, und wolte deshalb die Lage aller Sterne darauf67v beziehn. Ihre Formen sind sehr verschieden. AlsHerr Southnahe bei Paris in Poissy sich eine Sternwarte erbaute, hatte ich Gelegenheit, einen grossen Theil derselben zu beo - bachten, und fand sie pinselartig, kammförmig, einige wie Kometenschweife, andre in kleinen Gruppen, die sich durch eine Reihe von Graden forterstrekten. So findet sich zwischen α und β der Leier eine[?]Ring mit kleinen tele - skopischen Sternen, der die Aufmerksamkeit der Astrono - men gar sehra[?]rege gemacht hat: er wurde zuerst von Dar - ginaisin Montpellier entdekt: dann von Herschelund andern genauer untersucht.

Es findet in diesen Räumen auch Bewegung statt, welche alles an Schnelligkeit übertrift, was wir kennen, und wogegen sogar die Geschwindigkeit des Lichtes nicht in Betracht kömt. So ist es erwiesen, dass der Nebelflek im Orion auseinandergeht. Herschelbeobachtete ihn nur von 1774 1810, und in dieser kurzen Zeit bemerkte er, ohne einmal die früheren Beobachtungen von Huygensmit68r in Anschlag zu bringen, mehrere Veränderungen. Sterne 8erGrössedie sonst in ihm standen, haben sich von ihm entfernt. Manche Flekken bestehn aus runden Massen mit einem Ringe, nicht unähnlich dem des Saturn, welche wahrschein - lich auch eine rotirende Bewegung haben. Herschelwar im Stande, Stufen der Verdichtung anzugeben: er sah einen auch zwei Kerne und verschiedene Formazionen in der Hülle: 600 von den 3000 Flekken sind in der Mitte verdichtet.

Wir gehn nun zu unsrer linsenförmigen Sternschicht über, welche man auch wohl einen Nebelflek genant hat, aber nur uneigentlich: denn die ganze Milchstrasse läst sich in einzelne Sterne auflösen: dennoch wäre es falsch, wenn man behaupten wolte, dass in denselben sich keine nebelartigen Massen befänden. Das Zodiakallicht gehört zu den Materien, in welchen ein beständiger Lichtprozes vorgeht; es erstrekt sich bis über die Bahn des Mars hinaus. Um die Form unsrer Sternschicht zu bestimmen, haben wir die verschiedene Lichtstärke68v der Sterne, welches eine grosse Genauigkeit giebt. Dass diese Lichtstärke immer von grossem Einflusse gewesen, sehn wir aus der Verehrung, welche die einzelnen arabischen Stäm - me (nach Idelers Untersuchungen) den verschiedenen Sternen, wie Canopus, Achernarpp. zolten: aber erst in der Alexandrinischen Schule, ging man zur messenden Astro - nomie über. Vom Hipparchhaben wir den ersten Stern - katalog, worüber uns Pliniuseine kurze aber wichtige Bemerkung mittheilt: er sagt, dass grade zu Hipparch's Zeiten ein hellleuchtender Stern verloren gegangen sei, wodurch Hipparchzuerst auf den Gedanken gekommen, alle Sterne zu zälen, und ihre Lichtstärke zu bestimmen: es war dies ohne Zweifelkein andererein eben solcherStern, als der, welcher im Mittelalter auflodernd und verschwindend gesehn wurde. Hipparchbestimte die Sterne bis zur 6tenGrösse, und sein Katalog ist ganz in den Almagest des Ptolemaeusüber - gegangen und darin enthalten. Die Anwendung einzelner69r Buchstaben für die Bestimmung der Lichtstärke der Sterne ist von der grösten Wichtigkeit geworden. T. Beyer (Mayer)⟨⟩kam zuerst auf eine solche Skala, nach der α stärkerals β, β stärker als γpp. leuchtet, und wandte sie auf die Karten an. Vergleicht man nun diese alten Karten mit dem jezigen Stande des Himmels, so findet man, dass sie nicht mehr damit übereinstimmen, ein Stern der mit δ darauf ver - zeichnet ist, wird uns vielleicht als α erscheinen: es ist also klar, dass entweder solche heller gewordenen Sterne uns näher gekommen sind, oder dass ein Lichtprozes in ihnen vorgegangen ist. Ich beobachtete die Sterne der süd - lichen Himmelskugel nach La Caille's vortreflichen Karten, und fand manche Abweichungen in der Lichtstärke. Ferner sind auch die photometrischen Messungen in so fern wichtig, als siefürüber die Grösse der Sterne entscheiden, und sich manche interessanten Beobachtungen dar<an>knüpfen lassen. Lambertfand, dass das Licht des Vollmondes zwischen 277,000 und 300,000 Mal schwächer sei als das der Sonne. 69v Olbersfand, dass der Aldebaran 400,000 mal schwächer sei als der Vollmond, und dass die Sonne uns so hell wie der Aldebaran erscheinen würde, wenn sie 311,000 Erdhalbmes - ser von uns entfernt wäre, also nur der Siriusweite. Beim Vollmonde hat ein Theil der Athmosphäre von der Grösse des Mondes 900,000 mal weniger Licht als die Vollmondscheibe selbst: Venus (nach Lambert) 3000 mal weniger als der Vollmond.

Unendlich gros ist die Verschiedenheit zwischen der inten - siven Lichtstärke selbstleuchtender Weltkörper, und dem schwachen reflektirten planetarischen Licht: ein Stern erster Grösse, der als Scheibe kaum 1 / 20 ja 1 / 50 Sek. im Durch - messer hat, funkelt mit bedeutender Helligkeit, während Uranus, der 4 Min. imDurchmesserhat, äusserst schwer mit blossen Augen gesehn werden kann. Man kam daher zu der Annahme, dass die Grösse der Masse an sich auch den Lichtprozes herbeiführe, und diesen bedinge; zum Gegenbeweise fand aber Herschelleuchtende Nebel, die noch70r18.gar nicht zu kompakten Massen gebalt sind. Das Zodiakal - licht könte vielleicht ein eignes Licht haben. Die dunkle Mondscheibe ist nicht ganz schwarz, sondern wird von dem Lichte erhellet,[das] von der Erde auf sie reflektirt wird: dieses Licht kann aber nicht bisfzur Venus reichen, und dennoch zeigt die dunkle Venusscheibe einen Lichtprozes, indem sie phosphoreszirend sichtbar wird.

Die Lichtstärke an sich ist schwer zu messen, doch hat man sich auf die Art geholfen, dass man nicht die beiden Lichter, sondern die beiden Schatten miteinander vergleicht, welchez. B. von Wasserstofgas und von Öl geworfen werden. Dies ist die Methode des Grafen Rumford: da das Ab - nehmen der Lichtstärke sich verhält, wie die Quadrate der Entfernung, so kann man die Rechnung darüber mit grosser Genauigkeit führen. Älter ist die Methode von Lambert, welcher Kerzenlicht und Sonnenlicht auf eine Wand projizirte, und dann beide verglich, doch ist dies jezt nicht mehr in Anwendung, da es viel leichter ist, die Gleichheit der Schatten zu bemerken, als die des Lichtes. 70vEine sehr schöne Methodefandwandte Herschelan, welche zuerst von Grandjean de Fouchy1732 bei Gelegenheit derJupiter - trabanten, (welche für die Bestimmung der Länge so sehr wichtig sind) angegeben wurde. Der verdienstvolle Bailly, der als ein Opfer der Revoluzion gefallen ist führte sie weiter aus, und Herschelhat sie zu ihrer Volkommenheit gebracht. Es ist dies die Methode der Diaphragmen, wobei das Objek - tiv theilweise bedekt wird. Herschelrichtete zuerst 2 Spiegel - teleskopevon gleicher Stärke auf einen Stern erster Grösse, und überzeugte sich, dass er in beiden gleich gros erschien: dann richtete er das eine Instrument auf einen Stern, der ihm vielleicht viermal kleiner schien, und verschleierte hierauf das Objek - tiv bei dem Stern 1terGrösseso lange, bis beide Sterne ihm genau dieselbe Grösse zu haben schienen: er bestimte nun den Flächenraum des verschleierten Theiles, und kontedannsehdanach sehrleicht die relative Lichtstärke beider Sterne berechnen.

Für die Reflexionsinstrumente (wie Spiegelsextanten) habe ich eine Methode angegeben, die auf dem Schieben71r des Fernrohres beruht. Man bringt nämlich die beiden zu bestimmenden Sterne in den bedekten und unbedekten Theil des Spiegels zusammen, und schraubt das Fernrohr so lange fort oder zurük, bis beide Sterne von gleicher Licht - stärke erscheinen: die Verrükkung des Fernrohres giebt dann ein sehr genaues Maas für die relative Lichtstärke.

14. Vorlesung, 19.12.1827

Als Berichtigung mus bemerkt werden, dass man den Nebelflek im Orion nicht mit blossen Augen sieht, sondern nur einen grossen Stern - haufen im Schwerdte desselben. Herschelminor hat ein eigenes - moire über diesen Nebelflek herausgegeben, und bewiesen, dass die Veränderungen in demselben von Huygensbis Legentilmüssen vor - gegangen sein: er hatte zugleich die glükliche Idee, eine Karte des - selben zu entwerfen, wonach man nun alle künftigen Veränderungen darin, die man mit Recht Weltbegebenheiten nennen kann, mit Genauigkeit wird nachweisen können. Zugleich kann hier bemerkt werden, welchen Vorzug die Frauenhoferschen Instrumente vor allen früheren haben. Herschelsah an einer bestimten Stelle dieses Nebelflekkesnur 4 kleine Sterne beisammenstehen. Struvehatdurch sein40-füssiges Teleskop. durch einen Frauenhoferschen Refraktor den 5tendazu entdeckt.

Durch die von mir angegebene Methode, im Spiegelsextanten71v die Lichtstärke der Sterne zu messen, ist endlich der Streit ent - schieden worden, ob der Kanopus oder Sirius heller leuchte.

Es liegt in der menschlichen Natur, alles weniger bekante sich schöner zu denken als es ist, daher hielt man den Kanopus lange Zeit für heller als Sirius, weil nur wenige ihn gesehn, und seine Lichtstärke nicht gemessen war. Ich habe gezeigt, dass er sogar nach etwas schwächer ist als Sirius, und sich zu diesem verhält, wie 98: 100.

  • Sirius = 100.
  • Kanopus = 98.
  • α Centaur = 96.
  • Fomalhaut = 94.

An unsrer nördlichen Hemisphäre sehn wir nur 14 Sterne 1terGrösseund an der südlichen ungefähr ebensoviel. Auch bei den nächstfolgenden Grössen ist der Unterschied nichtgrosbedeutend. Struvefand:

an d. nördl. Hemisph. an d. südlichen Hemisph.
Sterne1terGrösse 9 5
2Grösse 26.27.
3 76.101.
4. 195. 181.
72r

Gewöhnlich ist aber auch, wenn Sterne eine ungleiche Licht - stärke haben, die Art ihres Leuchtens verschieden. Frauenhoferhat darüber ganz herliche Betrachtungen gemacht: er hat verschiedene Lichter durch ein Prisma fallen lassen, und das Spektrum stark vergrössert beobachtet: er bemerkte darin sehr auffallende schwarze Streifen, welche zwischen den farbigen stehn: aus seinen Untersuchungen scheint hervorzugehen, dass das gleichartige Licht, auch wenn es reflektirt wird, dieselbe Wirkung hervorbringt: so sind die Spektraungleich für Sonnen - und Mondlicht, und dies scheint zugleich zu beweisen, dass im Monde gar keine Phosphorescenz mehr statt findet: dagegen sind Ofenfeuer, elektrisches Licht, und Sternlicht ganz verschieden. Pollux verhält sich wie die Sonne: Kastor wie Sirius. Auch für das blosse Auge giebt es nicht nur verschiedene Grössen der Sterne, sondern auch verschiedene Farben, welches schon von den Alten bemerkt wurde.

Die Perser in den Zendschriften theilen die Sterne in rothe und weisse. Antares und Aldebaran, welche die beiden Aequinokzialpunkte bei ihnen bezeichnen, heissen roth:72v dagegen Fomalhaut und Regulus, welche die Solstizial - punkte andeuten, weis: alle vier sind die Stelle regie. Bei den beiden ersten würde die Lage ziemlich gut passen, bei den beiden lezten dagegen ist ein Irthum von mehr als 10° Graden obwaltend. Bethagaize an der Schulter des Orion ist gleichfals roth. Sirius hies bei den Römern roth, jezt ist er weis, es scheint also, als ob der Verbren - nungsprozes seit jener Zeit auf ihm stärker geworden wäre: auch sein Stand hat sich verändernt: bei den Ae - gyptern erschien er, nach Idelers Untersuchungen, in der Morgendämmerung am 20tenJulius (denn 1461 ägyptische Jahre sind gleich 1460 julianischen)[;] er hies bei ihnen Seth oder Soth; sie kanten aber die Präcession der Aequinokzien noch nicht.

Zahl der Sterne.

1, die man mit blossem oder bewafnetem Auge sieht. 2, die man in unsern Breiten, am Aequator oder an den Polen sieht.

73r

Man giebt die Zahl der Sterne 1 6terGrösse, die man mit blossen Augen sieht, gewöhnlich auf 5000 an, dies ist aber ungenau. Herschelzälte den Sternkatalogus in Bode's Uranographie, und fand 8000 von denen allein 6700 zu den Sternen 6terGrössege - hören. Die Ungewisheit kömt daher, dass man nicht leicht die Sterne 6terund 7terGrösseunterscheiden kann. Struvezälte den Hardingschen Sternkatalogus und fand von 1 76terGr. 12000 Sterne: ein gutes Auge sieht gewöhnlich noch Sterne 7terGrösseund diese dazu gerechnet, beträgt die Zahl der mit blossen Augen sichtbaren: 14200. Nun enthält aber die Erd - oder die Himmelkugel 41,000 Quadratgrade: es kömt also von den 14200Sternen1 7terGrössenoch nicht ein Stern auf 12 Mondflä - chen, und deshalb ist es gar nicht zu verwundern, dass die Okkultazionen im Ganzen seltener sind, als man glaubt, wenn man den Mond durch die Menge von Sternen hinziehn sieht. Hipparchund Ptolemaeuskanten nur 1022 Sterne 1 7Grösse[,] jezt haben wir von der 5 und 6tenGrösseallein, 15 mal mehr. Es entsteht nun,die Frage: wieviel von allen diesen Sternensind73vsind bestimt, und wieviel überhaupt bekant. Bodehat in seiner Uranographie 17240 angeführt. Lalande (der Oheimund Neffe) haben 40,000 durch das Fernrohr laufen lassen. Rechnet man diejenigen hinzu, welche Hardingund Besselbeobachtet haben, so kann man die Zahl der bestimten Sterne auf 120,000 angeben: aber gut bestimt sind vielleicht nur 8 9000, welche sich meistens in des treflichen PiazziStern - katalog finden. Es ist eine sehr gute Idee der hiesigen Akademie der Wissenschaften, dass sie es unternommen hat, den Himmel in mehrere Zonen zu theilen, und die ersten Astronomen aufgefordert,jedjeeine Zone zu über - nehmen, und ganz genau zu untersuchen, so wie alle darin liegenden Sterne zu bestimmen. Dies würde nicht blos für die Kometen sehr wichtig sein, die man in immer grösserer Anzahl auffinden würde; sondern auch für die etwa noch vorhandenen Planeten: denn es scheint nach so vielen neuen Entdekkungen, dass unser Planetensystem noch nicht erschöpft ist. Kommen wir nun auf die74r19.nicht bestimten, teleskopischen Sterne, so ist ihre Menge ganz unglaublich. So sah Herschelam 22. Aug. 1792 als er die Milchstrasse beobachtete, in 40 Minuten Zeit an 258,000 Sterne durch sein Teleskop laufen: diese Zahl ist keinesweges blosse Schäzung, sie kann vielleicht um 1 / 15 oder 1 / 16 falsch sein, aber nicht um oder . Littrowglaubt, dass man auf jede Quadratminute Einen Stern rechnen könne, also im Ganzen 148,000,000 Sterne: von diesen kleinen teleskopischen Sternen würden 200 auf die Grösse eines Vollmondes kommen.

Zu den Sternen des südlichen Himmels rechne ich alle dieje - nigen, welche man unter 37½°Nordbreitealso in Rhodus, Madeira und Südspanien zu sehn bekömt. Man hat sich erst seit 2Jahrhundertenmit dem südlichen Himmel beschäftigt, und ihn genauer studirt. Die Alten kanten ihn nur bis zum Krebs, den man in Syene, als der äussersten südlichen Gränze, sehn kann. Die Aegypter hatten zwar Kolonien in Meroë, auch kante man die Fahrt durch die Enge von Bab-el-Mandel nach Indien: die Nachrichten aber, welche durch diese selte - nen und nur von Kaufleuten unternommenen Fahrten zu den74v Griechen herüberkamen, sind sehr unsicher und unbedeutend: durch die Vorrükkung der Nachtgleichen, welche in 35,000 Jahren eine ihrer Evoluzionen vollendet, können wir nachweisen, dass man bei den Alten mehr vom südlichen Himmel gesehn hat, als jezt; die schönen südlichen Sterne fliehen uns: man sah sonst das südliche Kreuz in Alexandrien sehr deutlich. Die Entdekkung von Amerika ist für die Sternkunde und namentlich für die Kentnis des südlichen Himmels von der grösten Wichtigkeit; und wie einst Posidoniusnach Kadix ging, um den Kanopus besser zu sehn (nach einer verwirten Idee von der Immersion der Stralen) so ging Halley(aber mit besserem Grunde) nach Helena, um den südlichen Himmel zu beobachten. Die besten Beobachtungen lieferte Lacailleam Kap der guten Hofnung: jezt befindet sichHerr Fallowdort, der auch schon einen guten Katalog geliefert hat, welcher zeigt, dass die Lichtstärke der Sterne sich sehr verändert hat. Am südlichen Himmel, von der Breite von Madeira an gerechnet, glänzen 6 Sterne 1terund 12 Sterne〈…〉〈…〉2terGrösse. Die der 1tenGrössesind:

  • Canopus.
  • Achernar.
  • α im Kreuz.
  • 2 indenFüssen des Zentauren〈…〉〈…〉und β im Schiffe Argo.
75r

Im Ganzen ist die Gruppirung der Sterne, die Landschaft des Himmels am südlichen Theile schöner als am nördlichen: die Gruppen sind mehr getrent, daher finden sich grössere Kontraste von vollen und leeren Stellen: schöne Gruppen bilden: der Schütze und diesüdlicheKrone: das Schiff und der Kanopus. die grosse und die kleine magellanische Wolke, und 2 schwarze Flekken. Nach der Reihe des Sichtbarwerdens folgen sie so:

  • 1, Kanopus unter 37½° den man in Karthago & Alexandrien sieht.
  • 2, Füsse des Zentauren
  • 3, Achernar im Eridanus.
  • 4, das südliche Kreutz.
  • 5, die beiden schwarzen Flekken: coal-bags.
  • 6, die Magellanischen Wolken.

So ist es aber nicht immer gewesen. α Crucis war sonst (zu Era - tosthenes 'Zeit) in Alexandrien 6°34′ über dem Horizont sichtbar, jezt steht es unter dem Horizont: auch die Stellung hat sich so wunderbar verschoben, dass die Reihefolge des Sichtbar - werdens verändert worden ist: auch hat, wie schon bemerkt, der südliche Himmel ein eigenthümliches planetarisches milder - funkelndes weisses Licht, wodurch er sich vom nördlichen unterscheidet.75v[Leuchtende] Nebel finden sich im Schiffe, im Schützen in der Krone, dagegen steht der Pfau, so wie Achernar in einem leeren, fast ganz von Sternen entblösten Raume. Lacailletheilte zuerst das Gebiet des südlichen Himmels in Provinzen, und gab ihnen Namen: daher ist der nördliche Himmel ein mythischer, der südliche ein industrieller. So wichtig auch die Buchdrukkerwerkstatt, die Luftpumpepp. für die Ausbildung des menschlichen Geistes gewesen, so passen sie doch wenig zu den schönen alten mythischen Namen der nördlichen Hemisphäre. So heissen die Plejaden (wo?) das Einmaleins, und die Mönche in Salzburg sezten das Wappen ihres Bischofs, der das Land am meisten unterdrükte, an den Himmel. In Kumana gab ich mir viele Mühe, beide schwarzen Flekken zu sehn: konte aber nur den einen gut erkennen, der andre war nie recht deutlich. α Crucis ist in den einen schwarzen Flek gesenkt: der 2teFlek mus wenigstens 28° hoch stehn, wenn man ihn deutlich sehn will: ich sah ihn erst bei den Katarakten der Orinoco, unter 3 Nordbreite, und nachher öfter, da ich bis 15°Südbreite herabge - kommen bin: ich konte ihn sehr genau messen, da er besonders von76r der einen Seite sehr scharf umgränzt ist: ich fand seinen grösten Durchmesser = ungefähr 6 Mondflächen breit. Lacaillemeint, diese Flekken entständen blos aus der Wirkung des Kontrastes, weil die umgebenden Stellen reicher an Sternen sind: allein dies scheint nicht der Fall zu sein, und schon Forsterhatte darüber die richtigste Meinung, der ich ganz beipflichtete. Wenn man sich denkt, dass das Himmelgewölbe aus mehreren Sternschichten gewebt sei, so sind diese schwarzen Flekken ein Durchbruch desselben, gleichsam längere Röhren, die in die Schichten hinein - gehn, und uns in die äussersten Gränzen des Weltraumes einen Blik werfen lassen, von deren Entfernung wir gar keinen Begrif haben können, da nicht einmal das Licht davon bis zu uns gelangen kann. Eine andre Bewandnis scheint es mit der klei - nen Insel zu haben, die man nicht weit vom Schwan in der Milchstrasse findet: diese erscheint wirklich nur des Kontrastes wegen dunkel, weil die nächsten Räume so sehr hell sind. Ebenso entdekte Herschel,eine dunkle Öfnung im Skorpion, Lalandeim Ophiuchus. Herschelmeinte, dass das Loch im Skorpion wohl daher kommen könne, dass der nächststehende grosse Haufe die Krippe, alle Sterne aus der Öfnung durch Anziehung76v weggenommen habe, und diese Erklärung hat etwas für sich: dennwenn Herschelmit seinem grossen Teleskope den Himmel fegte, (wie er es nante) so konte er schon ahnden, wann eine solche leere Stelle kommen würde: dies geschah immer, nachdem mehrere dichte Haufen durch den Gesichtkreis dahingerauscht waren.

15. Vorlesung, 22.12.1827

Wenn ich mich bei der Beschreibung unserer linsenförmigen Stern - schicht länger aufhalte, so geschieht dies blos darum, weileine[?]man nicht alles daran[?]vonin den Lehrbüchern zusammenfindet, sondern weil viel in einer Menge von einzelnen kleinen Schriften zerstreut ist: es gehört zu den Aufgaben der Weltbeschreibung, alles dies mehr zusammenzufassen, als es in der messenden und beobachtenden Astronomie geschehn kann.

Die magellanischen Wolken standen zu Eudoxus 'Zeit im Südpole selbst, sind aber jezt wegen der Vorrükkung der Nacht - gleichen daraus gewichen: sie kreisen um den Südpol, wie der grosse Bär um den Nordpol: ihr Glanz komt dem der Milchstrasse gleich: ich habe sie sehr häufig beobachtet, da ich aber auf meiner Reise keine sehr stark vergrössernden Fernröhre mit mirfführen konte, so habe ich nicht entscheiden können,77r ob sie sich auflösen lassen, oder nicht, obgleich ich wohl einzelne Sterne darin bemerken konte; eben so mus noch ausgemacht werden, ob sie innerhalb oder ausserhalb unserer linsenförmigen Sternschicht liegen. Die gröste hat in der längeren Axe 3 Ausdehnung. Die Griechen kanten sie nicht, wohl aber die Araber:Herr Idelerhat gezeigt, dass man sie bei ihnen die weissen Ochsen nante. 1515 wurden sie von Magellanzuerst gesehn. Horner, ein ausgezeich - neter Astronom, derHerrn v. Krusensternauf seiner Reise um die Welt begleitete, meint, dass diese weissen Wolken früher da ge - standen haben möchten, wo jezt die beiden sternleeren Flekke sind, da sie ungefähr dieselbe Grösse haben: ich kann aber diese Meinung nicht theilen, und glaube, dass sie ohne alle Beziehung auf einander sind. Das südliche Kreuz war schon den Griechen bekant, da es aber auf ihre Phantasie nicht den Eindruk machte, wie bei den〈…〉〈…〉christlichen Völkern, so hab [?]tten sie es nicht von den Füssen des Zentauren abgesondert. Seit der Entdekkung von Amerika wurde es wieder bei den nördlichen Völkern bekant; und wie gros der Eindruk war dennes auf die Phantasie der ersten Entdekker von Amerika machte, sieht man daraus, dass Orviedoes in sein Wappen sezte. Schon Acostaführt den Nuzen an,77v den man auf Reisen davon ziehn kann, um in der Nacht die Zeit zu bestimmen. Die beiden grossen Sterne der längeren Axe haben nämlich ungefähr dieselbe Rektaszenzsion, daher steht das Kreuz um Mitternacht senkrecht, und hierauf beziehn sich die Worte, welche man so oft von den Reisenden in diesen Ge - genden hört: es ist schon spät: das Kreuz neigt sich. Hier mus auch der vielbesprochenen und bestrittenen Stelle des Danteim Purgatorio erwähnt werden, welche man immer auf das südliche Kreuz gezogen hat:

Io mi volsi a man destra, e posi mente
All' altro polo, e vidi quattro stelle
Non viste mai fuor ch' alla prima gente.
Goder parea lo ciel di lor fiammelle;
O settentrional vedovo sito
Poiche privato sei di mirar quelle!

denn obgleich Dante1321 starb, so konte er doch auf seinen langen Reisen Nachrichten darüber von Venezianischen und Genuesischen Schiffern bekommen haben, die im arabischen MeerbusenhHandel trieben. Schwerlich hat er die Notiz in arabischen Schriftstellern gefunden, wie einige behaupten,.78r20.Schon der Pater Corsalizog diese Stelle auf das südliche Kreuz; andre Erklärer auf die mystische Idee der 4 weltlichen Tugenden.

Wir kommen nun zu einem wichtigen Theile unsrer Wissenschaft, zu der Winkelmessenden Astronomie für die entferntesten Fixsterne und Doppelsterne.

Schon Galileiwarf die Fragen auf: was wir eigentlich Doppel - sterne nennen? ob beide Sterne zu einander gehören? ob sie physi - sche oder optische Doppelsterne sind? und hatte die ganz richtige Meinung, dass sie zur Findung der Parallaxe dienen könten durch die Veränderung ihres optischen Ortes. Herschelnahm diese Un - tersuchung wieder auf und leistete sehr viel darin: er zeigte, zuerst 1782, dass sie in einer innern Beziehung zu einander stehn: neuerlich hat Besseldies mit noch grösserer Bestimtheit erkant: er beschäf - tigte sich besonders mit dem 61tenSterne des Schwans, welcher ein Doppelstern ist, und fand, dass beide Sterne auf gleiche Weise von einer eignen Bewegung affizirt werden.

Wir betrachten bei den Doppelsternen ihre Zahl, Natur, Farbe, Bewegung und Schnelligkeit.

Die Zahl derselben hat sich seit 2 Jahren ungemein vermehrt: Her - schel, Southund Besselzusammen haben 800 1000, von denen78v nur 675 genauer untersucht und beschrieben sind. Aber in dem schönen Katalog von Struve, der erst vor einigen Wochen erschienen ist,36 finden wir 3112 Doppelsterne verzeichnet, welche er, bis auf 74, alle selbst beobachtet hat, und 2300 sind ganz neu von ihm entdekt. Die Resultate, welche sich aus seinem Werke ziehn lassen, sind von der äussersten Wichtigkeit: er hat gefunden, dass unter den Sternen 1terbis 3terGrösseauf [Sterne] ein Doppelstern kömt; dagegen unter denen 6 und 7terGrössekaum auf 12 Sterne 1Doppelstern: aus der natürlichen Ursach, dass die entfern - teren Sterne nicht so leicht für uns zu finden sind, als die näher - stehenden grösseren. Nimt man aber alle Sterne 1ter 7Grössezu - sammen, so kömt auf 11 einDoppelstern. Da Struvenur 3000Doppelsterne fand, so gäbe dies im Ganzen 33,000 Sterne, welches mit unseren früheren Resultaten recht gut übereinstimmt. Aus dieser Berechnung läst sich also der Schlus ziehn, dass wenn die Doppelsterne blos Zufall, d. h. optischeDoppelsterne wären, sie unter kleinen und grossen gleich vertheilt sein müsten: da dies aber nicht der Fall ist, so sind wir zu der Annahme be - rechtigt, dass sie alle, oder doch die meisten, wirkliche, d. h. physische Doppelsterne sind.

79r

Ihre Natur können wir bis jezt nurnach ihrer Farbewenigbeurtheilen,worin sie grosse Verschiedenheiten zeigen. Kastor ist einDoppelstern2terund 4terGrössewovon der kleinere schön indigoblau ist: auch der Polar - stern ist einDoppelstern[:] der kleinere ist ein Stern 11terGrösse, und es kann schon für ein Fernrohr als Probe gelten, ob man dadurch diesen kleinen Stern unterscheiden kann. β in der Leyer ist 4 fach; ja ς (sigma) im Orion ist 16 fach: die ersten Beobachtungen über dieDoppelsternehaben wir von 1736 von Bradley, und 1759 von Maskeline: so dass man über den 61tenStern im Schwane nun schon genaueBeobachtungenvon 71 Jahren hat.

Ihre Farbe zeigt grosse Verschiedenheiten, und läst sich durch den Kontrast sehr deutlich unterscheiden: man kann mit Sicherheit aussprechen, dass der grössere Stern nie bunt, sondern immer weis ist: es finden sich allerdings manchmal 2 Sterne verschiedener Grösse, die bunt sind: alsdann dreht sich aber nicht der eine um den andern, sondern beide umeinander: man findet sie blau, gelb, indigo grün pp. und könte dadurch auf die Komplementarfarben geleitet werden. Die schönen Versuche Göthe's über die subjektiven FarbenDiese Versuche vindizirt Seebeck. sind bekant, wonach eine Farbe die andre fordern würde, und also die Verschiedenheit nur in unserm subjektiven Sehen liegt: diese79v lassen sich aber auf die Doppelsterne nicht anwenden: denn die grösseren Sterne sind manchmal roth, blau auch weis, wobei diese Theorie der Komplementarfarben nicht past. Die Farben der Doppelsterne zeigen sich ganz gleichmässig bei allen Beobachtern und in den ver - schiedenstenFTeleskopen, wodurch wir natürlich zu einer grossen Sicherheit in den Bestimmungen gelangen. Sehr merkwürdig ist es, dass auch unauflösliche Nebel farbig sind: der in der Andro - meda ist unzweideutig von röthlicher Farbe: vielleicht wird der Verdichtungsprozes durch dieses Farbenspiel angedeutet. Am selten - sten scheint die blaue und grüne Farbe zu sein: denn man hat sie nie bei isolirten Sternen gefunden, nach den Untersuchungen des jüngern Herschel.

Ihre Bewegung geht oft um einen gemeinschaftlichen Schwerpunkt, im Gegensaze zu unserm Planetensystem, wo der Schwerpunkt aller Planeten in der Sonneliegtals dem leuchtenden Körper liegt. Bei manchenDoppelsternen ist der Unterschied beträchtlich, obgleich sie gewis beide leuchtend sind: bei 2 oder 3 liegt er ausserhalb der Sterne selbst. Es geht also eine Veränderung der Distanz und des Positionswinkels vor, und daher komt die wunderbare Er - scheinung, dass es auch Okkultazionen 2er Fixsterne giebt:80r welches bei ζ[?] Herculis vorkömt: dies war früher einDoppelstern, seit 1795 aber ist der kleinere hinter den grösseren getreten, und man sieht nur nocheEinen: nach 12 Jahren ungefähr müste er auf der an - dern Seite wieder hervortreten.

Ihre Schnelligkeit ist ausserordentlich gros, und kann bis auf 10 12° in einem Jahre gehn: bei Kastor beträgt sie alle Jahre : oft ist sie auch abwechselnd z. B. bei Ψ im grossen Bären, wo sie sich von 6 12° in einem Jahre verändert, je nachdem einer der grossen Sterneunsnäher oder entfernter steht: in der Nähe des Zentralkörpers geht alle Bewegung schneller, wie wir an den Kometen sehn; Ψ im grossen Bären wird in 58 Jahren seinen Kreislauf vollendet haben. In unserm Planetensystem ist alle Bewegung von Westen nach Osten, doch finden sich manche Kometen, welche eine Ausnahme machen: auch dieDoppelsterne gehn nach allen Richtungen und oft von Osten gegen Westen.

Von der Entstehung neuer Sterne.

Es ist auffallend, dass gewisse Gegenden des Himmels gleichsam ein vulkanisirender Weltraum genant werden können, weil in ihnen noch jezt bedeutende Veränderungen vorfallen: fast alle neuenSterne80vSterne zeigen sich in der Gegend zwischen der Kassiopeia, dem Schwan, Adler, Ophiuchus und Skorpion. Die meisten neuen Sterne sind nur von kurzer Dauer, sie leuchten heller als Sterne 1terGrösse, verschwinden aber nach wenigen Monaten oder höchstens einem Jahre. Ihr Farbenwechsel ist sehr merkwürdig. Zuerst sind sie weis, und gehn dann durch mehrere Farben, bis sie verschwinden, als ob hier das verlöschende Licht durch Farbenwechsel angedeutet würde. So viel wir nachweisen können, haben sie nie Ortsveränderungen erlitten. Bei allen, welche von Tycho de Brahe, Kepler, Kassinipp. beobachtet sind, hat man durchaus keine Parallaxe gefunden. Das älteste Beispiel davon ist im Adler: hier loderte ein Stern auf 389 nach Chr. so stark als Venus, aber nur 3 Monat sicht - bar; ein andrer im Skorpion wurde von den Arabern beobachtet: er war ¼ so gros als der Mond, und leuchtete 4 Monate. ein andrer in der Kassiopeia, 1572 entdekt: er war so stark als Venus; erst weis dann gelb, roth, zulezt bleifarbig; er war auch bei Tage sichtbar, und leuchtete 16 Monate; er war an demselben Orte schon 2 mal vorher beobachtet worden, nämlich 945 und 1264: dann 1572. seine Periode liegt also zwischen 319[]81r und 308 Jahren, und er〈…〉〈…〉müste um 1880 wiederkommen; der grosse Cassinifand 1670 in der Kassiopeia 5 neue Sterne, von denen 2 ver - schwanden, 3 aber blieben und noch zu sehn sind; 1604 beobach - tete Keplereinen andern im Ophiuchus, und bemerkte dabei, dass alle solche Sterne mit dem stärksten Lichte anfangen: dann werden sie gelb, safran, purpur, und blasroth: grade im Jahre 1604 waren Mars, Jupiter und Saturn in Konjunkzion, dies führte Keplerauf manche mystische Ideen, und er hielt diesen neuen für den Stern der Weisen. Münterhat neuerlichst die Aufmerksamkeit der Astro - nomen auf diesen Gegenstand gelenkt. Idelerhat bewiesen, dass 747 nach Rom eine Konjunkzion vonJupiterund Saturn in den Fischen Statt fand: Dionysiussezt den Anfang unserer Zeitrechnung indasJahr 754. daher zälen wir immer 6 Jahr zu wenig; 1670 er - schien ein neuer Stern im Fuchse, der vom Pater Antelmzuerst gesehn wurde, er war 3terGrösseund leuchtete 3 Monate; 1671 loderte er wieder auf, und verschwand auf immer. Um kleines mit grossem zu vergleichen, so ist es hier, als ob der Meeresboden sich periodisch erhöbe. In den Plejaden hielt man lange einen Stern für verloren, weil man mit blossen Augen nur 6 von gleicher Grösse,81v oder aber 8 und 9 sieht: davon ist Alcyone 3terGrösse. Ovidin den Fasten meint, dass der eine davon komme und gehe. Die Griechen hatten hierüber den Mythus, dass dereine7teStern, Elektra, die Tochter des Atlas, bei der Zerstörung von Troja sich vom Himmel weggeschli -heist bei d. Griechen Alopex. chen habe, und nachher alsReuterlein im grossen Bären wieder zum Vorschein gekommen sei.

Es giebt auch Sterne, welche zwar nicht verschwinden, aber doch ihre Lichtstärke verändern. Algot in der Medusa geht in 3 Stunden von der 1ten 4tenGrösse über,ihredie ganze Periode ist von 2 Tagen 20 Stunden, 40 Sekunden; 1783 fand Goudrydass η im Antinouseine Sternin 7[Tagen] von der 3tenzur 4tenGrösse übergehe;[?].Andre Bewegungen sind unregelmässiger also auch gewaltsamer. Fabriziusentdeckte 1596 Misa im Wallfisch als einen veränderlichen Stern, dessen Periode Cassiniauf fast 1 Jahr (334 Tage) be - stimte, während welcher er von der 2tenzur 3tenGrösse übergeht, und dann ganz verschwindet[;] der im Schwan 1600 von P. Antelmund Keplerbeobachtete hat 19 Jahr geschienen, dann kam er 1655 wieder als ein Stern 3terGrösse, und blieb dann unverän - dert als ein Stern 6terGrösseam Himmel; 1686 entdekte82r21. Kircheinen veränderlichen Stern, welcher seitdem auch geblieben ist. Kastor war sonst heller als Pollux, jezt ist es umgekehrt, eben so mit einem Sterne im Adler; im Viereck des grossen Bären ist δ jezt der schwächste Stern, zu Tycho's Zeiten war er 2terGrösse: ja man kann annehmen, dass alle 7 Sterne ihr Licht verändert haben. Méranerklärte diese Erscheinung durch die Linsengestalt der Sterne, welche im Rotiren grösser und kleiner erscheinen: andre wollen, dass es auch dunkle Sterne gebe, in denen ein sehr schwacher oder gar kein Lichtprozes vorgehe; dies führt uns auf die alte Idee der Gegenerde, aus dem Philolaos.

16. Vorlesung, 29.12.1827

Bei den algemeinen Betrachmerkungen über unsre Sternenlinse müssen wir 1, die Entfernung der Fixsterne von der Erde selbst betrachten 2, die Gruppirung der Gestirne unter einander, ferner die Frage zu erörtern suchen, ob die Milchstrasse durch Projek - zion oder wirklich durch Zusammenstellung von Sternen ent - standen ist. Wir kommen dabei auf ganz einfache Schlüsse: so ist es klar, dass wenn alle Sterne uns gleich nahe wäre, so müsten sie auch unter sich von ungleicher Grösse sein: wahrscheinlicher82v ist es, dass sie uns nicht gleich nahe, aber auch nicht alle gleich gros sind. Sterne 1terGrössekönnen einen ungeheuren Durchmes - ser haben, aber es wird auch kleinere geben: nach der Wahr - scheinlichkeitsrechnung mus man eine mittlere Grösse der Sterne annehmen, und dann werden die entfernteren die klei - neren sein: wenn 17 Sterne zusammen stehn, so ist die Wahr - scheinlichkeit 50,000: 1, dass sie einander wirklich näher sind, und sich nicht blos auf diese Weise projiziren.

Herschelmachte die erste Stern-aichung, indem er mit seinem grossen Teleskope den Himmel fegte, und in einem kleinen Viereck, welches durch Diaphragmen gebildet wurde, die Sterne zälte: er wählte zu dieser Operazion die längeren und kürzeren Visionsradien unserer Sterneninsel, und fand, dass die Sternen - menge, welche an der Milchstrasse am dichtesten ist, immer mehr abnimt, je weiter man sich von derselben entfernt, und an den Polen derselben am dünstenisterscheint: er fand in einem Quadrat von 4 Min. Durchmesser nah<e>an der Milchstrasse 550 600 Sterne, entfernt davon kaum 5 6. 83rSie ist daher höchstwahrscheinlich Folge der Projektion: überdies wäre es einhöchstsehrwunderbarer Zufall,dasswennunsre kleine Erde, und unser ganzes unbedeutendes Planetensystem grade so in die Mitte des All gestelt wären, dass jene Massen von zusam - mengerükten Sternen einen grösten Kreis um uns beschreiben solten. Die Pole der Milchstrasse fallen in die an sich armen Sternbilder der Wage und des Wassermannes, oder genauer in das Haupthaar der Berenike beim Arktur, und in die Bildhauerwerkstatt beim[Fomalhaut]; ferner sieht man bei jedem wirklichen Sternhaufen, so zu sagen einen innern Grund der sternanhäufenden Kraft; jeder derselben ist nach innen zu dichter als nach aussen, und man hat kein Bei - spiel, dass er am Rande dichter wäre, als in der Mitte: bei der Milchstrasse aber sind grosse und kleine Sterne miteinander verbunden. Die grosse Axe unserer Sternlinse beträgt 800 Siriusweiten, die kleine nur 140 150. Herschelglaubte anfangs dass unsre Sternschicht von sternleeren Räumen umgeben sei, indem er den reinen Himmel dahinter zu sehn meinte:83v später fand er aber Nebelflekke, welche nicht blos unserer Sterneninsel nahe zu stehn scheinen, sondern vielleicht so - gar mit ihr in Berührung stehn: hierüber aber läst sich schwerlich Gewissheit erlangen, alles bleibt Wahrscheinlichkeit. Unser Planetensystem liegt zwischen dem Adler und Sirius,aber〈…〉〈…〉nicht in d. Mitte: sondern in einer Entfernung wie 5: 3; wenn unsre Linse 800 Siriusweiten im Durchmesser hat: so haben wir von uns in der Richtung nach dem Adler 500; nach dem Sirius nur 300. Herschelbeobachtete die Bifurkazion und mehrere auslaufende Trümmer der Milchstrasse, und schlos daraus, dass die Linse sich in einem Zustande der Verwüstung befinden müsse.

Lange ehe Herschelso glüklich war, die Milchstrasse in einzelne Sterne aufzulösen, wurde diese Idee von mehreren ausgesprochen. Maniliusim Astronomicon hat eine Stelle darüber; auf dem spekulativen Wege kam Kantdarauf, in seiner allgemeinen Naturgeschichte 1755, in Lambert's kosmologischen Briefen ist sie 1766 ausgesprochen,84r Herschelbestätigte sie durch seine Entdekkungen 1790.

Die Milchstrasse, Galaxias, Via lactea, bei den Arabern der Flus, von den Mönchen die Jakobstrasse genant, theilt sich bei β vom Schwan in 2 Arme, eben in jener Gegend, wo wir oben die grossen Revoluzionen am Himmel bemerkt haben; ein auslaufender Zipfel findet sich bei den Füssen der Zen - tauren; sie hat eine Breite von 2 17°, und erscheint am schönsten zwischen Orion und dem südlichen Schiffe, am schwächsten beim südlichen Kreuz in der Nähe der beiden grossen schwarzen Flekke. Eine grosse Zone von Nebel - flekken geht durch die Jungfrau, das Haupthaar der Bere - nike, durchschneidet die Milchstrasse nicht weit von der Kassiopeia, und geht herunter bis nach der Bildhauerwerk - statt. Diese Zone hat uns vielleicht manche Sterne ent - zogen, welche früher zur Milchstrasse gehörten.

Bewegung der Sterne.

Wir bemerken bei allen Fixsternen eine eigne Bewegung, welche84v unabhängig ist von der Projekzion und von der Aberrazion des Lich - tes: unabhängig von der Nutazion der Erdaxe, und von der Prae - zession der Aequinokzien: ausserdem verändern die Sterne ihre Stelle untereinander, indem unser ganzes Sonnensystem sich gegen ω Herculis fortbewegt: dies wäre also Folge der Translazion: allein andere Bewegungen gehören den Fixsternen selbst zu, wie sich aus den Ortsbestimmungen der Sterne untereinander ergiebt. Ich untersuchte bei meinem Aufenthalte auf der südlichen Halb - kugel die seit Lacaillenicht beobachteten Sterne, und bestimte ihre Veränderungen; Fallow, der seit einiger Zeit auf Kosten der englischen Regierung am Kap der guten Hofnung beobachtet, bestätigte meine Resultate volkommen. Aus denselben ergiebt sich, dass die Sterne erster Grösse auf der südlichen Halbkugel nur eine sehr kleine eigne Bewegung haben, welche kleiner als die des Arktur und Sirius ist: so ist auch Aldebaran auf unsrer Hemisphäre sehr schwach an Bewegung; und es scheint dies von den Massenverhältnissen der Sterne untereinander abzuhängen.

85r

Die absolute Entfernung der Fixsterne von uns und untereinander ist uns nicht bekant: allein wir kennen die unteren Gränzen der Entfernung, und können damit uns begnügen: da es hier, wie in der Statistik keine absolut-richtigen Zahlen giebt, aber dennoch die Berechnungenwrichtig sind, insofern sie annähernd den wahren Werth angeben. Wir müssen hier kurz der Parallaxe der Sterne gedenken. Wenn wir nämlich nach jedem beliebigen Fixsterne aus den entgegengesezten Punkten der Erdbahn Gesichtlinien ziehn, so geben diese nicht die mindeste Konvergenz. Hieraus läst sich berechnen, dass die nächsten Fixsterne wenigstens 4 Billionen Meilen entfernt sein müssen. Um dies näher zu be - leuchten, mag folgende Dedukzion dienen: der optische Ort eines Gegenstandes C ist der Punkt einer hinter C liegende Fläche, der uns durch C verdekt wird; verändert nun das Auge seinen Stand - punkt, so ist es klar, dass auch C auf einen andern Punkt der hinter ihm liegenden Fläche fallen wird, und die Quantität, warum sich der optische Ort von C verändert, wird uns das Maas seines Ab - standes vom Auge geben: da nun bei den Fixsternen der opti - sche Ort sich durchaus nicht verändert, wir mögen sie nun von85v[figure] dem einen oder dem andern Endpunkte der Erdbahnaus betrachten, (also von den beiden Enden einer Basis von 40[] Millionen Meilen) so kann man mit Gewisheit berechnen, dass sie uns nicht näher stehn können als 4 Billionen Meilen: daher ist Parallaxis (von παραλλάδδω, alternare, abwechseln) der Abstand 2er optischen Orte, und daher sagt man: die Parallaxe der Fixsterne ist Null, weil ihr optischer Ort sich nie verändert, wir mögen uns auf der Erdbahn befinden, wo wir wollen; Ausser dieser Parallaxe der Erdbahn giebt es eine Horizontal-parallaxe, welche sich auf Sonne, Mond und die Planeten bezieht, und welche gleich ist: dem Winkel, unter welchem z. B. vom Monde aus der Durchmesser derErdbalErdkugel gesehn wird: da dieser sich recht gut messen läst, so ist bei Beobachtung von Monddistanzen zur Bestimmung der Länge nöthig, dieselben geozentrisch zu machen,dass sdas heist, sie auf den Mittelpunkt der Erde zu reduziren.

An unsern grossen Repetizionskreisen können wir weniger als 1 Sekunde in Bogen unterscheiden, und doch beträgt die Parallaxe der Erdbahn, oder die Konvergenz 2er Linien, welche aus entgegen gesezten Punkten der Erdbahn nach einem Fixsterne86r22.gezogen werden, noch nicht 1 Sek. daher kann man die untere Gränze der Fixsterne auf 200,000 Erdweiten bestimmen. Diese Unbe - weglichkeit der Fixsterne diente im Anfange als ein mächti - ger Grund gegen das Kopernikanische System, indem man von der ungeheuren Entfernung der Fixsterne keinen Begrif hatte: später entdekte man die Aberrazion des Lichtes, und hielt diese für die Parallaxe: Corbeauschrieb sogar über diesen Gegenstand ein kleines Werk: Copernicus triumphans. Später veranlaste die Parallaxe einen langen Streit zwischen 2 englischen Astronomen: Brinkeleyin Dublin beobachtete mit einem sehr guten Instrumentel[?]Lyrae und Deneb im Schwan: er wolte eine Parallaxe von Sek. gefunden haben: allein seine Arbeit wurde völlig vernichtet durch die Bemühungen von Pondin Greenwich, wo ich mich einiger Pendelbeobachtungen wegen grade befand, als er seine Arbeit anfing. Er hatte ein sehr gutes Fernrohr von 12Fus Brennweite, an einem von den übrigen Gebäuden abgesonderten Orte aufgerichtet, damit es so wenig Störungen als möglich erleiden mögte: dies war genau gegen den Zenith gestelt, und er beobachtete Sterne von der verschieden -ster86vsten Lichtstärke: sein Resultat war: dass die Parallaxe noch nicht 0,2 Sek. beträgt.

Auch der Durchmesser der Fixsterne ist uns nur der unteren Gränze nach bekant: das beste Mittel dazu bieten uns die Okkultazionen von Sternen durch den Mond: es entspricht nämlichk[?]einer Sekunde im Bogen eine halbe Zeitsekunde: hätte also der Stern mehr als eine Bogensekunde im Durchmesser, so würde die Okkultazion auch beinahe eine Zeitsekunde einnehmen: nach allen Beobachtungen aber verschwindet der Stern augen - bliklich: also kann er nicht eine Sekunde im Durchmesser haben. ([Das] Kleben des Sternes an der Mondfläche hängt hie - mit nicht zusammen: es beruht auf der Deviazion der Lichtstralen.) Zwar hat Herscheldie Veja als eine kleine Scheibe von Sek. Durchmesser gesehn, und hienach wäre ihr wahrerDurchmesser34 mal grösser als der der Sonne.

Zu den ersten, welche diese Untersuchungen eröfneten, gehören Huygensund Halley, seitdem sind die Beobachtun - gen der Fixsterne ein Gegenstand der winkelmessenden Astronomie geworden: die photometrischen Messungen haben87r nur wenig dazu beitragen können, und sind erst später ausgebildet.

Schon Aristarch von Samoswuste, dass die Erde um die Sonne geht, und dass die Fixsterne feststehn, wie die Sonne. Sieheden Arenarius des Archimedes, der keine blosse Spielerei ist sondern ein Versuch, wie man grosse Zalen anschaulich ausdrükken kön - ne: Thalessprach die Meinung aus, dass die Fixsterne Sonnen wären. Heraclides Ponticushatte die richtige Meinung, dass die Fixsterne Welten wären, wie die unsrige, und aus Luft, Erde und Wasser bestehn, welches um so merk - würdiger ist, da man im Alterthume jenen[himlischen] Kör - pern gewöhnlich nur die leichteste, die Feuersubstanz zuschrieb. Bei den Pythagoräern finden wir sogar eine Stelle über das Rotiren der Sterne.

Wir kennen also, (um alles zusammenzufassen, was wir über[unsre] Sterneninsel wissen,) die Existenz der Sterne und Nebelflekke: Herschelhat hier entschiedenes Verdienst: sein40-füssiges Fernrohr ist wegen der ungeheuren Lichtstärke von dem grösten Nuzen gewesen, allein es giebt die Umrisse nicht genau genug an: daher konte er auch die Trabanten87v des Uranus durch dasselbe nicht finden. Wir kennen ferner die untere Gränze der Sternenzahl: von 1 7terGrössegiebt es an 120,000. auch von der Farbe derselben sind wir unterrichtet: die Gestalt der Sterne ist uns völlig unbekant, dagegen kennen wir die Gruppirung derselben, und die Bewegung dieser Stern - gruppen: wir kennen ferner das minimum ihrer Entfernung und ihrer Durchmesser: wir unterscheiden planetarische und kometenartige Weltkörper: ungewis ist die Projekzion und die Gränze unserer Linse; ungewis: ob alle Nebelflekke ent - fernter sind, als Sterne der 6 7tenGrösse: ungewis: die Dimension unserer Sternschicht selbst.

17. Vorlesung, 02.01.1828

Von unserm Sonnensystem in's besondere.

So genau als dieses, kennen wir durch wirkliche Beobachtungen nichts ähnliches im übrigen Himmelsraume. Unsre Sonne ist wahrscheinlich den Fixsternen sehr ähnlich: allein Planeten sehn wir bei andern Fixsternen nicht, sondern die sie etwa umge - benden Sterne sind selbstleuchtend. Wir sehn bei den Planeten eine doppelte Erleuchtung, nämlich bei den Hauptplaneten den Reflex der Sonne, und bei den Nebenplaneten den Reflex des Lichtes von den88r Hauptplaneten. Es giebt bei den Nebenplaneten noch ein drittes Licht, welches sich z. B. am Monde zeigt, wenn er bei einer totalen Mond - finsternis doch nicht ganz verschwindet.

Unser Sonnensystem besteht aus einer weit grösseren Zahl von Weltkörpern, als man bisher geglaubt, nämlich aus 1 Zentralkör - per, 11 Hauptplaneten, 18 Nebenplaneten, 2 Kometen, die in der Bahn der Kometen eingeschlossen bleiben, einer unzähligen Menge Kometen, die weiter hinaus schweifen, aus einer grossen Zahl von Aërolithen, und endlich aus dem Zodiakallicht selbst. DieHauptpla - neten haben noch den Namen Irrsterne behalten als Gegensazgezu den Fixsternen. Die Idee, dass die Sonne in der Mitte stehe, ist schon in den ältesten Zeiten ausgesprochen worden. Es sind also 6 Hauptkörperarten, aus denen unser System besteht, indessen sind die Kometen von diesen allen die wichtigsten geworden, weil wir durch sie die Entfernung messen ge - lernt haben.

Die Planeten werden nicht blos durch das Sonnenlicht er - leuchtet, sondern sie haben auch ein eignes phosphorisirendes Licht, so dass man, wie oben bemerkt wurde, die dunkle Scheibe der Venus gesehn hat. Ausserdem findet sich diese Erscheinung88v wahrscheinlich auch am Uranus, weil er, bei seiner grossen Ent - fernung und bei seinem kleinen Durchmesser dennoch von uns gesehn wird; Mars hat ein trübes röthliches Licht, da die andern Planeten doch alle weis erscheinen. Saturn ist graulich weis, Merkur und Venus am weissesten. An den Jupiterstrabanten hat man die blaue und orange Farbe wahr - genommen. In der Stellung des Planetensystem's ist man verschiedenen Ordnungen gefolgt. Die kleine Periode der Woche ist dadurch entstanden, dass die Planeten nicht sowohl den Tagen, als vielmehr den Stunden vorstehn. Unerachtet die Alten nur 5 Planeten kanten, so ahnten doch schon viele, dass es mehrere gebe: so Artemidorund Simplicius, welcher leztere meint; es gäbe viel häufiger Mondfinsternisse als wir sie erklären könten, und diese entständen dadurch, dass dunkle, unsichtbare Planeten zwischen ihn und die Sonne träten.

Reihenfolge der vorzüglichsten neuen Entdekkungen:

Von den Entfernungen der Planeten.

Wir werden hier wiederum durch Nebeneinanderstellung der hauptsächlichsten numerischen Verhältnisse am deut - lichsten werden.

Die Erde ist von der Sonne 108 Sonnendurchmesser entfernt,89v also 20½ Millionen Meilen. Der Jupiter ist 1030 Sonnendurch - messer entfernt: Uranus fast um das doppelte, nämlich 19 Erdweiten, also 2000 Sonnendurchmesser, oder 400 Millionen Meilen. Der Komet von 1811 ging 22 mal weiter von der Sonne weg als Uranus. Dennoch ist der Abstand des Ura - nus noch nicht 1 / 1000 von der Siriusweite.

Die Grösse der Planeten steht in keinem Zusammenhan - ge mit ihren Abständen: 3 mal werden sie grösser und, 2 mal kleiner, wenn wir vom Uranus zu zählen anfangen. Der kleinste aller Monde ist der innerste des Saturn, der gröste der dritte des Jupiter. Wenn wir die Abstände der nächsten und entferntesten Trabanten vergleichen: so erhalten wir folgendes Resultat:

Saturn hat die am wenigsten entfernten Monde, Halb - messer. Jupiter's Monde sind 13, Uranus '19 Durch - messer ihres Hauptplaneten entfernt. In absoluter Entfernung steht der 7teSaturntrabant am weitesten von seinem Planeten ab. Dagegen sind in unserm Systeme die90r23.beiden nächsten Weltkörper: Saturn und sein erster Trabant. In der pythagoräischen Schule meinte man, die Abstände der Planeten wären den Harmonien analog, die sich in einercegcegc1234567 musikalischen Skala angeben lassen. Keplerhat zuerst diese Abstände in eine Reihe gebracht, und behauptet: zwischen Mars und Jupiter müsse ein neuer Planet entdekt werden, welches durch die Auffindung der Asteroiden ge - rechtfertigt wurde.

Bewegung der Planeten.

Alle bewegen sich um die Sonne von Westen nach Osten, dagegen die Kometen nach allen Richtungen. Gegen den Sonnenäquator sind am meisten geneigt: Pallas um 17°8′ Juno 11°. Alle Bahnen der Uranustrabanten stehn selnk - recht auf dem Uranusäquator. Je grösser bei einem Planeten und seinen Monden die Neigung ist, um desto seltener sind die Verfinsterungen. Bei allen Monden ist die Umlaufzeit um den Planeten gleich der Rotazion um ihre Axe: d. h. sie bewegen sich im derselben Zeit um sich selbst, in der sie um90v den Planeten gehn. Die stärkste Exzentrizität der Bahn hat Juno: dann Mars, Jupiter, Venus. Eine grosse Exzentri - zität verbunden mit starker Neigung der Bahn sind Ei - genthümlichkeiten der Vesta und Venus.

18. Vorlesung, 05.01.1828

[Noch nicht seit 50 Jahren hat man 15 neue Weltkörper in unserm Systeme entdekt: nämlich 5 Planeten, 8 Satelliten & 2 Kometen]

Dichtigkeit der Planeten.

Genau kennen wir sie nur von 7 Planeten, und hiebei hat man das Gesez wahrgenommen, dass sie mit den Abständen von der Sonne abnimt: Uranus ist etwas dichter als Saturn. Keplermeinte, dass die Sonne als ein Zentralkörper auch die gröste Dichtigkeit haben müssen: dies ist aber nicht der Fall: sie hat nur dieDichtigkeitder Salpetersäure = 1,2, [wenn wir für alle diese Betrachtungen die Dichtigkeit des Wassers = 1,00 sezen] beim Merkur ist sie nicht genau bekant, doch können wir wenigstens die untere Gränze angeben, welche = 17, oder den Platinakörnern, nach andern 20 bis 21. Venus = 5,2. Erde 4,8 oder 5,4 [die lezte Zahl ist wahrscheinlicher] Mars 3,3 dann folgen die Asteroïden: dann Jupiter = 1,08, ungefähr wie Wasser,91r Saturn = 0,47, wie Tannenholz; Uranus 0,9 wieder wie Wasser[,] doch herscht bei diesem entfernten Weltkörper Ungewisheit. Troz dieser Dünnigkeit würde es fehlgeschlossen sein, wenn man sich diese Weltkörper wirklich flüssig da¨chte, sie[können] alle sehr fest sein, wenn siez. B. aus Sodium, einem leichten Metalle bestehn: so istBimsstein ein sehr harter, fester Körper, und wiegt nur 0,7. Bei Obsidian undflüssigenglasigenLaven haben wir eine noch auffallendere Erscheinung; dem Feuer ausgesezt, werden sie zellig, wie ein Wes - pennest, und schwimmen auf dem Wasser. Auch vom Mandelstein giebt es in Mexiko eine so spongöse Art, dass er auf dem Wasser schwimt. [[Daher] konte Cortezleicht die Häuser von den Pferden zer - treten lassen, da ein grosser Theil des alten Mexiko von dieser leich - ten Masse gebaut war.]

Masse ist die Zahl der wägbaren Theile. Dichtigkeit ist die Masse, dividirt durch das Volumen. Die Planeten ziehn also nach der Quantität ihrer materiellen Theile an. Die Masse hat man nur durch Erfahrung und Beobachtung der Perturbazionen bestimmen können: die Dichtigkeit wird danachndurch die Grösse bestimt. Um aber die Grösse zu haben, muste man vor allen den Durchmesser kennen,91v das[ Rochonsche] Mikrometer ist hiebei von grossen Nuzen gewesen: sehr genau kann man ihn auch messen, durch Anwendung eines Bergkristalls, der in das Fernrohr eingesezt wird, und dessen doppelte Bildereine gedie Grösse bestimmen. In der neuern Zeit hat mein Freund, der grosse französische Astronom, Arago, sich um diese Messun - gen das entschiedenste Verdienst erworben. Laplacenahm dieselben in sein grosses Werk auf. Gaushat neuerlich durch analytische Rechnungen die Jupitersmasse sehr verbessert, vorzüglich geleitet durch die Störungen der Pallas.

Sehr schwer ist die Dichtigkeit bei den Kometen zu bestimmen, da sie nur gasförmige Körper zu sein scheinen: nur von einem kann man angeben, dass er 1 / 5000 von derDichtigkeitder Erde zu haben scheine.

Einen grossen Unterschied in allen Stükken finden wir zwischen den äussern und innern Planeten: die innern haben eine 5 mal grös - sereDichtigkeitals die äusseren. Keplermeinte, dass dieselbe wie die Quadrate der Abstände abnehme: dies ist aber zuviel gesagt.

Die Sonne ist 825 mal grösser als alle übrigen Planeten zu - sammen, und hat 560 mal mehr Masse: dagegen gehörten¾ der ganzen Planetenmasse dem Jupiter zu: die Masse des Jupiters und Saturn zusammengenommen verhält sich zu der der92r übrigen Planeten zusammen, wie 20: 1. Auf der Erde sind wir, vermöge unserer Stellung zwischen Venus und Mars weniger dem Perturbazionen des Jupiter und Saturn ausgesezt, welche sonst sehr bedeutend sein würden. Die Satelliten sind nicht immer dünner als die Planeten: die Erde zum Monde = 1: 0,47. von den Saturn - monden sind 3 dichter als Saturn, und einer der Jupitermonde ist 1,7[?][also beinahe zwei] mal dichter als Jupiter.

Die innern Planeten sind von geringerer Grösse, auch nicht so sehr von einander verschieden, als die äusseren: sezen wir die Dichtigkeit der Erde = 1: so ist die von

    • Merkur
    • Venus
    • Erde
    • Mars
    = 0,5.

die äusserste Gränze schwankt daher zwischen 1 und0,050,1, dieser Unterschied könte sehr gros scheinen, allein wir sehn, dass er bei den äusseren Planeten noch viel bedeutender ist: diese sind sehr ungleich untereinander, und daher ist ihre mittlere Grösse zu der der Erde wie 780: 1, und die äussersten Gränzen schwanken zwi - schen 1333 und 77 oder 1 und 0,05.

Die innern Planeten schwanken in ihrer Dichtigkeit zwischen Platin und Magneteisenstein: die äussern sind ungefähr wie Wasser.

92v

Mars, der dünste der innern Planeten ist noch 3 mal dichter als Jupiter, der dichteste der äussern. Die innern Planeten haben fast alle eine Rotazion von 1 Tage, Mars von 24½ Stunden, ob - gleich Herschelbei ihm eine Abplattung von 1 / 15 annimt.

Die äussernPlanetenhaben 17 Satelliten und 1 Ring, der eigentlich nichts ist, als zusammengebakne Satelliten: die innern haben nur einen (unsern) Mond. [Der bei der Venus vermuthete ist nicht vorhanden.]

Alle äussernPlanetenhaben Zonen oder Streifen: man hie[?]ält diese Banden für Verdikkungen der Athmosphären.

  • Die Schiefe der Ekkliptik ist bei der Venus = 72°
  • bei Merkur, Mars und Erde zwischen 20 28°
  • Uranus steht mit der Axe senkrecht auf seiner Bahn,
  • Jupiter dagegen in einem Winkel von , wir hätten also hier 2 Planeten, welche fast entgegengesezt gestelt sind.

Die Rotazion der Planeten hat man erst sehr spät gefunden: die von Jupiter, Venus und Mars im 17Jahrhundertdurch den grossen Dom. Cassinizw. 1665 71. Saturn's durch Herschel1789. Merkur's durch Schröter1800. Die Abplattung des Mars wurde durch Herschelauf 1 / 15 bestimt; obgleich der langsame Umlauf dagegen zu sprechen scheint: sie hängt am meisten von der innern Dichtigkeit ab.

93r

Bei der Erde ist die Abplattung genau 1 / 290.

Jupiter 1 / 14, beim Saturn 1 / 11, beim Uranus unbestimt, viel - leicht sehr beträchtlich.

Klimatische Veränderungen auf der Erde.

Man hat besonders astronomische Ursachen für das Phänomen gesucht, dass man unter allen Breiten in der Erde Palmenforma - zionen findet: man glaubte1, anfangs, die Ursach läge in den Sonnenfakkeln, welche immer den Sonnenflekken vorauszugehn pfle - gen: allein die veränderliche Lichtstärke der Sonne scheint nicht hinreichend zu diesen Veränderungen: es ist sicher, dass die nordi - schen Gegenden früher wärmer waren.

Die 2teUrsach könte in der veränderten Schiefe der Ekkliptik gelegen haben: wir haben von den Chinesen über diesen Punkt Beobachtungen von 2600 Jahren, welche durch den Jesuiten Bobizu uns gekommen sind: nach diesen ist die Schiefe der Ekkliptik beständig im Abnehmen gewesen, und man könte schliessen, dass sie vielleicht einmal = Null werden könne, wodurch ein ewiger Frühling auf der Erde entstehn würde. [Man hat sogar eine Stelle des Herodothieher gezogen, wo er sagt, dass die Aegyptischen Priester ihm erzählt, die Sonne sei 2 mal da aufgegangen, wo sie93v gewöhnlich untergehe: allein Idelerhat die Stelle aufgeklärt, und gezeigt, dass hier von der Hundsternperiode die Rede ist von 1461 Jahren: die Stelle mus also so gefast werden: dass die Sommer - und Winterwende 4 mal in die entgegengesezten Zeiten gefallen seien, welches, wegen des Nichtinterkalirens bei den Aegyptern eine Periode von 11340 Jahren giebt, und diese durch 8 dividirt giebt ungefähr 1460, als die obenangeführte Hundsternperiode, mit einigen Jahr - hunderten Unterschied, die man als Rechenfehler bei den vielen ange - führten Priestergenerazionen ansehn kann.]

Allein Laplacefand, und zeigte es durch siegende Gründe, dass die Schiefe der Ekkliptik nicht ununterbrochen abnehmen wird, sondern dass sie periodisch ist: die Periode selbst ist zwar ungewis, weil sie ungeheuer gros ist: aber das Maximum der Veränderung kann nur 1½° sein, welches auf das Klima gar keinen Einflus haben kann: [Cadix würde an die Stelle von Toledo kommenpp.]

Eine andre Erklärung war die [als man sah, dass die Periode der Ekkliptik auf 25000 Jahr bestimt sei] dass eine grosse Zertrüm - merung durch einen Kometen, die Veränderung der Erdaxe her - beigeführt: denn obgleich die Kometen sehr dünn sind: so kömt doch viel auf die Richtung des Stosses an: Diese Erklärung ist daher möglich richtig: allein wir müssen untersuchen, ob die94r24.Klimaten dadurch so sehr verändert werden können, dass die Tropenpro - dukte unter die Pole versezt werden.

Durch die Lage der Ekkliptik wird die Sonnenstärke an einem be - stimten Punkte zu einer bestimten Zeit auf der Erde bestimt: wenn die Jahreszeiten gleich werden, so wird auch Tag und Nacht gleich. Die Umlaufzeit um die Sonne bestimt die Länge der Jahreszeiten. Die sind die Elemente der astronomischen Klimatologie, welche aber durchaus nicht mit den physischen Erfahrungen übereinstimen: denn bei 45° Sonnenhöhe ist keinesweges die Wärme gleich dem Mittel zwischen der Wärme bei 70° und 20°, weil bei 20° viele Licht - stralen zurükgeworfen, nicht aber absorbirt werden: ein merkwürdiges Gesez ist dieses, dass die Erwärmung dieselbe ist bei 70° und 90° Son - nenhöhe: dagegen von 20° bis 40[?]° nimt die Erwärmung beträchtlich zu. Als Extreme der Neigung des Aequators gegen die Bahn haben wir Jupiter mit Schiefe der Ekkliptik. Venus 72° Uranus 90°: je grösser die Schiefe ist, desto grösser ist der Unterschied der Jahres - zeiten, oder der grösten und kleinsten Meridianhöhe der Sonne über irgend einem Punkt.

19. Vorlesung, 09.01.1828

Nachträglich: beim Plutarchsagt Anaxagoras von Klazomenae, er glaube, dass die Erdaxe früher senkrecht auf der Erdbahn gestan - den habe. In unserm jezigen Erdzustande fliehen uns die Tropen. 94v Beide Erklärungen, dass die Erde früher mit ihrer Axe senkrecht[figure] auf der Erdbahn gestanden, oder dass die Neigung 90° betragen habe, sind gleich unstatthaft, um daraus das Vorkommen der Tropenpro - dukte in allen Breiten zu erklären. Im ersten Falle (I) würde für jeden gegebenen Punkt der Erdoberfläche die Sonne um Mittag immer denselben Stand haben, unter 70° Breite (also sehr nahe am Pole) würde sie noch 20° hoch stehn, unter 50° noch 40°pp. welches man sehr uneigentlich mit dem Namen eines ewigen Frühlings be - zeichnet hat: hiebei läst sich aber nachweisen, dass dennoch das Palmenklima nicht höher als das südliche Frankreich hinauf - reichen würde. Im 2tenFalle (II) würde es noch weit schlimmer um die Palmen stehn: denn an jedem Orte würde die Sonne einmal im Zenith, und einmal im Nadir stehn, man würde überall einen sehr langen Tag, und eine eben so lange Nacht haben: daher würde die Zeit in welcher Palmen wachsen könten, nur sehr kurz sein, man würde Palmen von 14 Tagen und 6 Wochen haben, nicht aber Stämme, die nach unserer Rechnung 60 70 unserer Jahre zum Wachsthum gebraucht.

Es ist ein glückliches Resultat meiner Reisen, dass wir über das Palmenklima genauer unterrichtet worden sind, und seine95r Gränzen nach Höhe und Breite bestimter gezogen haben, vorzüglich ist dies durch die Auffindung der Bergpalmen geschehn. Die baum - artigen Farrenkräuter finden sich bis zu einer Höhe von 400 800 Toisen: dennoch beträgt die mittlere Temperatur dieser Gegend 14° 17° R. (während die von Berlin nur beträgt) sie gehn bis nach Madeira unter 33° Nordbreite, dagegen findet sich auf der südlichen Halbkugel die Diksonia ant - arctica (auch ein baumartiges Farrenkraut) bis auf Van Diemensland unter 42° Süd Breite. Die mittlere Tempera - tur von Madeira, welche wir sehr genau durchHerrn von Buch's Untersuchungen kennen, ist immer noch 16° R.; von Diemensland kaum 10° R., also nicht viel von dem Klima von Mailand verschieden. Das baumartige Schilf, welches oft in den Versteinerungen vorkomt, geht nur bis zu einer Höhe von 800 900 Toisen, und braucht eine Temperatur von 15° R. Von den Bergpalmen verdienen besonders 3 unsre Aufmerksamkeit. 1, die Wachspalme, Ceroxylon anguicolaandicola,95v aus deren Rinde ein klebriger Saft, ganz ähnlich dem Wachse, ausschwizt: diese fand ich noch bei 1500 Toisen (9000′) Höhe, welches beinahe den höchsten Spizen derPyrenäenkette gleichkommen würde, in einer Temperatur, wie die von Mailand 10° R.

2, Kunthia montana bei 200 Toisen Höhe.

3, Eudoxiafrigida, bei 1400 .

Bei allen Palmen ist es bemerkenswerth, dass sie nicht so - wohl eine grosse Hize erfordern, als dass sie sehr leicht durch die Kälte leiden: man findet keine Palmen mehr auf 1700 Toisen Höhe; denn dies ist die unwirth - bare Region der Paramos in der Andeskette, derenmittlereTemperatur kaum beträgt: in einem Klima, wo die nur einmal im Jahre bis auf sinkt, kann keine Palme mehr gedeihen, selbst nicht bei +2° R. Sie erfordern wenigstens eine mittlere Temperatur von 10° und diese geht nur bis 44 oder 45°Nordbreite.

96r

Über die Athmosphäre der Planeten.

Man hat lange geglaubt, dass alle Stoffe bei jeder Temperatur gasförmig werden, und jeden Körper umhüllen können: allein Faradayhat durch sehr schöne Versuche gezeigt, dass dies nicht der Fall sei: wenn man eine Goldplatte im Sommer bei 18° R. über Queksilberdämpfe hält, so wirdesdas Goldnicht mehr von ihnen beschlagen, es giebt also hier eine Gränze der Temperatur, wo dies Phänomen sichtbar ist und aufhört.

Die erste Frage, welche wir hiebei aufwerfen können, ist: wie hoch ist unsre Luftathmosphäre? Man hat den Versuch gemacht, sie durch die Dämmerung vor und nach der Sonne zu messen, indem man den Einfallswinkel der Stralen bestimte, und hienach fand man sie 8 10 Meilen hoch; allein nach dem Mariotteschen Gesez, (welches man eigentlich das Boylesche nennen solte) würde in einer sol - chen Höhe die Queksilbersäule kaum ½ Linie betragen, welches96v wir unter der Luftpumpe schon ein vacuum zu nennen ge - wohnt sind. Bei den〈…〉〈…〉höchsten Höhen, welche man auf der Erde theils durch Besteigung von Bergen theils durchungefähr 1 deutsche Meile einzelne glükliche Luftfahrten erreicht hat, fand schon die Hälfte des gewöhnlichen Luftdrukkes statt, wollte man also diese Verdünnung progressive bis zu 10 Meilen steigern, so würde unsre Athmosphäre am Ende so sehr verdünt werden, dass die lezten Theile kaum mehr von der Erde angezogen werden würden, wir müsten also fürchten, einen Theil derselben zu verlieren. Es hat sich über diesen Punkt ein grosser Streit zwischen den Physikern und Mathema - tikern erhoben. Laplaceglaubte, dass man sich nur die Athmosphäre durch die Annahme erklären könne, dass in grösseren Höhen die Elastizität der Luft schneller abnehme, als unten, und so hätte die Erde einen grossen Theil der Mondathmosphäre angezogen, von der wir fast gar keine Spuren mehr bemerken: allein Wollastonsagte97r dagegen, dass in diesem Falle die andern grösseren Planeten uns eben so wohl unsre Athmosphäre entzogen haben müs - ten: er bewies gegen Laplace: dass, wenn ein Theil unsrer Athmosphäre in den Weltenraum sich verloren hätte, wir ihn am allerersten an der Sonne als eine verdikteAthmosphärebemerken müsten. Nun haben aber Katerin Ostindien, und Vidalin Toulouse die Venus in Konjunkzion mit der Sonne, und besonders die Okkultazionen der Venus genau und viel - fältig beobachtet, und durchaus keine Veränderung des wah - ren Ortes gegen den scheinbaren gefunden, welches aller - dings hätte eintreten müssen, wenn man an der Sonne eine Spur von Athmosphäre wahrnehmen könte, wodurch die Lichtstralen gebrochen, also von ihrem wahren Wege abgelenkt werden. Hieraus schliest Wollaston, dass unsre Athmosphäre eine bestimte Gränze habe, und immer gehabt haben müsse. Noch genauere Beobachtungen geben die Jupi - terstrabanten: bei diesem vermuthete man früher auch eine97v Athmosphäre: allein dann müste der Gang der Trabanten, wenn sie vor die Jupiterscheibe treten, verlangsamert werden, aus dem obigen Grunde von der Brechung der Lichtstralen in der Jupiterathmosphäre: allein von dem ist nichts zu be - merken, vielmehr glaubt man jezt, dass die Zonen im Jupiter von andern Flüssigkeiten herrühren, welche zwar auch sehr beweglich, aber doch näher an der Oberfläche des Planeten sich befinden.

Von den Bergmassen auf den Planeten.

Ehe man die höchsten Punkte der Himalayakette kennen gelernt und gemessen, hielt man die Spizen der Cordilliren für die höchsten Berge der Erde, und glaubte darin eine merk - würdige Übereinstimmung mit den übrigen Planeten zu finden, wo sich auch die höchsten Höhen auf der südlichen Halbkugel befinden. Schröter(dessen Messungen indessen nicht ganz verbürgt werden können) fand auf der Venus Berge von 26000 Toisen, auf dem Merkur von 19000 Toisen. Die Berge auf dem Monde, welche wir nicht nur obenhin,98r25.sondern mit recht sehr grosser Genauigkeit kennen, sind ungefähr von gleicher Höhe mit der Himalayakette. Die Spizen: Dörfel und Leibnitz haben 4100 Toisen, sind aber gegen den Mondhalbmesser viel bedeutender als die unsern, indem sie〈…〉〈…〉1 / 214 desselben ausmachen: dagegen der Diawa - lageri im Himalaya von 4170 Toisen Höhe nur 1 / 746 des Erdhalbmessers ausmacht: man schlos daraus, dass die ela - stischen Dämpfe, denen man die Bildung der Gebirge zuschreibt, auf dem Monde, als dem kleineren Planeten mit grösserer Kraft könten gewirkt haben, als auf der grös - seren Erde.

Wir haben oben gesehn, dass in Hinsicht der Neigung der Axen, der Dichtigkeit, der Grösse, ebenso wenig, wie der Exzentrizität der Bahnen und der Abplattung, die Planeten irgend einem bestimten Geseze folgen: das Gesezliche für uns fängt erst an, wenn alle diese Eigen - schaften als etwas faktisches gegeben sind, und jene Geseze98v welche Kepler, von einer Ahnung getrieben, feststellte,[musten] erst von Newtondurch die Annahme einer Zentral - bewegung mathematisch bewiesen werden.

Es ist merkwürdig, dass 5 grosse Astronomen in ununter - brochener Reihe den ungeheuren Zeitraum von der Entdek - kung von Amerika bis zu Friedrich IIeinnehmen:

Wenn Kopernikusder Schöpfer unseres Weltsystems ge - nant werden kann, indemer die Ideen des Philalausvon neuem anregte: so brachte dagegen Tycho de Brahedie beobachtende Astronomie auf eine Höhe, welche man früher nicht gekant hatte. Galileierwarb sich beson - ders grosse Verdienste um die physische Astronomie,99r Keplerendlich fand die vornehmsten Geseze durch Analogie und Indukzion.

Bei den merkwürdigen 3 Keplerschen Gesezen können wir uns nur wenig aufhalten:

  • 1tesGesez: Die Planeten bewegen sich in Ellipsen, in deren einem Brennpunkte die Sonne steht.
  • 2tesGesez. Die Sektoren der Flächen, welche man durch 2 Linien nach einem Brennpunkte gezogen, bilden kann, verhalten sich wie die Zeiten der durchlaufenen Bahn. (Dieses Gesez entdekte er eigentlich zuerst, es heist,:das Gesez von der Gleichung der Bahnen. )[Es] bezieht sich nicht allein auf die Ellipse, sondern auf allenkrummen Linien.[) ]
  • 3tesGesez. Die Quadratzalen der Umlaufzeiten verhalten sich wie die mittlere Entfernung der Planeten vom Zentral - körper; er kam auf dies lezte Gesez durch phanta - stische Ideen von einer Übereinstimmung der Entfernungen nach der diatonischen Skala, und fand es nur nach lan - gem unsichern Herumtappen: in seiner Harmonice mundi
    3699v hat er uns den Tag aufbehalten: am 15 May 1618 kam er auf das 3teGesez, verrechnete sich aber bei der Anwendung auf die Himmelskörper, bis er nach 2 Monaten mühseeligen Forschens den Rechenfehler fand, und das Gesez bestimt aussprechen konte. Sehr naiv beschreibt er die Angst, in der er während dieser Zeit schwebte, wo er gleichsam durch einen dunkeln Instinkt die Richtigkeit des Gesezes erkant hatte, aber es mit den Rechnungen nicht übereinstimend fand.

20. Vorlesung, 12.01.1828

Weltkörper unseres Sonnensystemes selbst.

  • 1, Planeten a, innere b, äussere.
  • 2, Kometen, planetarische und andere.
  • 3, Aërolithen, welche beim geognostischen Theil abzuhandeln sind.

Von der Sonne.

Schon oben wurde bemerkt, dass wenn man sich alle Planeten zusammen in eine Kugel geballt denkt, die Sonne doch noch 825 mal mehr Volumen und 560 mal mehr Masse hat. Ihr Durchmesser beträgt 109¾ Durchm. der Erde: sie ist von uns 20,871,000 Meilen entfernt, und da der Mond von uns100r nur 150,000 Meilen entfernt ist: so kann man leicht berechnen, dass er seinen Umlauf beinahe 2 mal in dem Sonnenkörper vollenden könte. Obgleich solche numerische Spielereien nicht nach meinem Geschmakke sind, so dienen sie doch oft dazu, eine Sache zu verdeutlichen, ich will daher noch anführen, dass eine Kanonenkugel, welche mit einer Wurfkraft von 1500 Fus in der ersten Sekunde abgeschossen wird, von Paris bis Berlin 18 Mi - nuten brauchen würde, von der Erde bis zum Monde 9 Tage, und bis zur Sonne 9 Jahre.

(Das Sonnenlicht braucht nach den genausten Untersuchungen von Delambre, bis zur Erde 8 Minuten 13 Sek.) Lagrangehat berechnet, dass die Mondvulkane uns sehr gut Aërolithen zuwerfen könten, wenn ihre Wurfkraft nur 4 mal grösser wäre als die der gedachten Kanonenkugel.

Die merkwürdigste Erscheinung auf der Sonne sind die Son - nenflekken, man bemerkt sie zuerst an dem östlichen Rande, sieht, wie sie von Osten nach Westen sich bewegen, und meist nach 13 Tagen verschwinden: man hat daraus die Rotazion der Sonne sehr genau auf 25,12 Tage berechnet. Das älteste Bei -100v spiel, wo diese Flekken erwähnt sind, findet sich in den chinesischen Annalen 321 nachChr., wo man bemerkt hat, dass sehr grosse Flekke in der Sonne sichtbar gewesen sind; ebenso 626und635 wo die arabischen Astronomen die schwarze Merkurscheibe in der Sonne zu sehn geglaubt haben: dies war aber gar nicht mög - lich wegen der Kleinheit des Merkur, sondern sie sahen Sonnen - flekken: aber auch Abulfaradsch, Averroësund selbst Keplerwurden dadurch getäuscht. In Peru, wo die Garūa, oder ein dichter Nebel die Sonne monatelang verhült, waren schon bei der Entdekkung im 16. Jahrhundertden Einwohnern dieSonnenflekken bekant. Nach den Untersuchungen des Herrn v. Zach, war der Engländer Harriotder erste, welcher sie als wirkliche Flekken er - kante am 8. Dezember1610. Auch Joh. Fabrizius, der Sohn eines ostfriesischen Predigers hatte sich gegen Ende 1610 eini[?]neuerfunde - nes Teleskop in Holland angeschaft, und entdekte dieSonnenflekken: da er aber nicht auf die einfache Idee eines Blendglases kam, so quälte er seine Augen entsezlich, um ohne Blendung in die Sonne zu sehn. Gewöhnlich schreibt man die Entdekkung dem Jesuiten Scheilerin Ingolstadt zu. Keplerspricht ausführlich101r darüber, und führt an, dass der Priordem Pater Scheilergesagt habe, die Flekken wären nicht in der Sonne, sondern in seinem Auge.

Die Flekken sind durchgehends kohlschwarz, mit aschfarbenem scharfbegränztem Rande: wenn man dieSonnenscheibe einer Vergrös - serung von 300 400 mal unterwirft, so erscheint sie völlig wie gegittert: sie ist nämlich ganz mit hellen Adern durchzogen, zwischen denen viele dunkle Flekke stehn; die lezten bewegen sich, aber die Adern nicht. Die grösseren Flekken entfernen sich vomSonnen -Aequator nur um 30°. Zuerst erscheint gewöhnlich eine Lichtfakkel, dann 2 Stunden darauf 1 schwarzer Flek mit einer Penumbra, welche volkommen scharf begränzt ist. Es ist eine Entdekkung von Watson1773, dass die Penumbra, wenn der Flek in der Mitte der Sonne steht, ringsum gleich gros ist, dass er aber, an der Seite, wo der Flek verschwindet, breiter wird; also grade umgekehrt, wie es sich nach perspektivischen Gesezen verhalten solte, wenn[figure] alles in einer Fläche läge.

Es ist die gewöhnliche Meinung, welche auch noch in Bode's sehr lehrreichen Schriften vorkömt, dass die Sonne selbst nicht leuchtend sei, sondern eine Photosphäre habe, in welcher durch eine Anhäufung des Lichtes die Fakkeln hervortreten: die101v Flekken wären dann ein Theil des sichtbar gewordenen dunkelnSonnenkörpers, und die aschfarbene Penumbra eine Projekzion der Sonnenathmosphäre. In diesem Falle würde aber die Penumbra sich sehr unbestimt verlaufen, und nicht scharf abgränzen, wie es durchaus immer der Fall ist.

Da diese Erklärungsart nicht past, so müssen wir also zu einer Hypothese unsre Zuflucht nehmen, nach welcher derSonnen -körper von 2 Wolkenschichten umgeben ist, von denen die nächste an derSonneaschfarben, die fernere aber hell sein kann. Nun er - giebt sich alles auf eine einfache Art. Befindet sich das Auge

[figure]

in g: so ist a b der Durchmesser desSonnenflekkens, c e die Ausdehnung der Penumbra, befindet sich dagegen das Auge in h (oder was dasselbe ist, rükken dieSonnenflekken gegen den Rand,) so wird i k derDurchmesserdesSonnenflekkens und d f die Penumbra: während diese also auf der einen Seite um die Entfernung c d abnimt, so wächst sie auf der andern um e f, und bringt die verlangte Projekzion hervor.

102r26.

[Die Meinung, dass die Sonne nicht selbst leuchtend, sondern ein dunkler Körper sei, hielt man noch vor 40 Jahren für so toll, dass sie einem jungen Menschen in Oxford das Leben rettete. Dieser hatte nämlichin einer Dissertazion[behauptet], die Sonne sei dunkel, wurde nachher wegen Verfälschungen zum Tode verurtheilt, und sein Advokat konte ihn nur dadurch retten, dass er jene Disser - tazion als augenscheinlichen Beweis der Tollheit anführte. ]

Über das Entstehn derSonnenflekken kann man nur anführen, dass wahrscheinlich auf demSonnenkörper sich Gasarten oder ähnliche Fluida entwikkeln, beim Aufsteigen die beiden Wolkenschichten trennen, denSonnenkörper sichtbar machen, und jene Projekzion hervorbringen, wie sie in der Figur angedeutet ist. Raschein Dresden fand vor ungefähr 10 Jahren, dass manchmal der asch - farbene Rand 2er Flekken sich dekt: dieser Rand kann mithin nicht in derselben Fläche liegen wie der schwarze Kern. Herschelwar der Meinung, dass eine grosse MengeSonnenflekken auf der Erde Wärme erzeugen: er machte daher eine lange Reihe von Beobachtungen, und gab Tafeln heraus, in denen die Erschei - nung derselben mit denjährlichen Kornpreisen in England zusam̃en - gestelt war, welches anfangs paradox klingt; es ist aber gewis,102v dass derSonnenschein einen grossen Einflus auf das Wachsen des Ge - treides, also auch auf seinen Preis hat. Aus diesen Tafeln ergab sich nun zwar kein genauer Zusammenhang derSonnenflekken mit der Erndte, aber doch ein periodisches Wiederkehren derselben, wie man es auch beim Nordlicht beobachtet hat, welches indes damit in keinem Zusammenhange zu stehn scheint.

Die Sonnenstralen sind von dreierlei Art:

  • 1, nichtleuchtende, wärmende.
  • 2, magnetisirende.
  • 3, leuchtende.

Schon Mariotteentdekte die unsichtbaren Wärmestralen; Rochon(dem wir die Erfindung des sehr nüzlichen prismatischen Mikrometers verdanken) fand 1776, also lange vor Herschel, dass der violette Stral fast gar nicht erwärmt, der rothe aber sehr stark. Herschelendlich machte die merkwürdige Entdekkung, dass das Maximum der Wärme da ist, wo gar kein Licht hinfält, ausserhalb des rothen Strales. Seebekfand noch kleine Verschiedenheiten hierin, bisweilen fällt das Maximum der Wärme näher, ja es gelang ihm, dasselbe bis in den rothen Stral hineinzurükken. Man könte noch eine chemische Eigenschaft103r derSonnenstralen annehmen, indem sie den Kohlenstof des Pflanzen enthüllen, und dadurch die grüne Farbe hervorbringen: deshalb ist unter den Tropen das Grün so intensiv und dunkel, weil mehrSonnenstralen auf die Pflanzen fallen. Scheelefand, dass das Chlorsilber vom violetten Stral geschwärzt wird, nicht aber vom rothen. Gay Lussac& Thénardzeigten, dass eine Mischung von Hydrogen und Chlor augenbliklich und mit Heftigkeit explodirt, wenn ein violetter Stral darauf fält, beim rothen aber nicht: man kann also die Erscheinung hervorbringen, wie man will, je nachdem man die Mischung in rothe oder violette Flaschen einschliest. Seebeckfand, dass Barytphosphor im violetten Stral leuchtet, im rothen aber sogleich verlischt. Young, Fresnelund Aragobrachten durch 2 auf einander fallendeSonnenstralen Finsternis hervor, wovon oben die Rede war. Morecchiniendlich und Miss Sommervillefanden die magnetisirenden Stralen, welche auf das Eisen wirken: beim violetten Stral sind die elektrischen Versuche am lebhaftesten. Baumgartenhat diese Versuche wiederholt, und sich dabei eiserner Nägel bedient: er erkante, dass die verschiedene Glättung derselben nicht ohne Einflus auf das Phänomen ist.

103v

Man war einige Zeit der Meinung, dass der Durchmesser der Sonne durch das fortwährende Ausströmen von Licht kleiner werden, und die Scheibe überhaupt an Helle verlieren müsse: ein sehr schäzbarer Astronom,Herrvon Lindenau, glaubte dies gefunden zu haben: allein es ist kein Zweifel dassdie Anicht die Sonne, sondern die Augen des englischen Astronomen Nestleynach dessen Beobachtungen Lindenauseine Berechnungen anstelte, abgenommen hatten.

Nach Lambertund Bouguers Versuchen ist die Lichtstär - ke der Sonne 300,000 mal grösser als die des Vollmondes; wenn die Sonne unter 66° oder 19 20° Höhe steht: so verha¨lten sich die Quantitäten Licht, welche wir in beiden Fällen er - halten, wie 2: 3. Daher ist unter den Tropen einer der ergreifendsten Eindrükke die ungemeine Lichtstärke, wel - che nach allen Seiten hin sich verbreitet.

Lange war die Frage unentschieden, ob die Sonne an den Rändern heller ist oder in der Mitte. Am Rande sind die Stralen enger, daher glaubte Bouguerlange, dass die Ränder wärmer wären: allein schon die Dikke derSonnenath -104r mosphäre, durch welche der Stral gehn mus, würde dies kom - pensiren, Keplerhielt daher die Mitte für wärmer[. ]und mitRecht.Eine spätere Entdekkung ist es, dass die Quantität des Lichtes, welche zurükgestralt wird, von der Neigung der stralenden Fläche abhängt, und sich zur Fläche verhält wie die sinus der Winkel. Ganz neuerlich ist indes ausge - macht, dass die Sonne in der Mitte eben so licht ist als an den Rändern; es wurde durch die kolorirte Polarisazion welche Aragoentdekte, bewiesen; man sieht nämlich durch einen Bergkristall, dessen Seiten parallel dermEinfalswinkel der Stralen geschnitten sind, 2 Bilder in den Komplementar - farben z. B. roth und grün. Läst manmanun 2 Sonnenbilder

[figure]

so aufeinander fallen, dass der Mittelpunkt des einen in die Peripherie des andern fält: wodurch man also Stralen aus der Mitte der Sonne und von dermPeripherieRandeübereinanderbringt, so wird man in der Mitte bei c immer weis erhalten, zum Beweise, dass beideLichterStralenvon gleicher Beschaffen - heit und Stärke sind. Auf ähnliche Art konte man auch beweisen, dass dasjenige, was das Licht der Sonne ausstralt,104v ein gasförmiger Körper, und keine feste Masse ist: bei gas - förmigen Körpern nämlich wird das Licht nicht polarisirt, wohl aber bei festen: um den Versuch recht schlagend zu machen, richtet man den Bergkristal zuerst auf ein roth - glühendes oder selbst geschmolzen-flüssiges Eisen: dann auf eine Lampe von Wasserstofgas, endlich auf die Sonne: man findet, dass die Sonne sich grade so verhält wie die Lampe.

Gauskam durch diesen Versuch auf die Erfindung seines Heliotropes, der bei geodätischen Messungen von der grösten Wichtigkeit ist: während man früher grosse Signalstangen aufrichtete, nach denen visirt wurde, so bedient man sich jetzt eines kleinen Spiegels, der das Sonnenlicht zurükwirft, und nicht grösser ist, als die Spiegel auf den Sextanten: das Sonnenbild erscheint darin bei Tage wie ein Stern 3 4terGrösse, und Gauskonnte es bis auf 7 9 Meilen erkennen.

Dandossah Körper, welche sich auf derSonnenfläche sehr schnellvorbei bewegten, und w〈…〉〈…〉ohl nichts anders waren, als Aerolithen: ein englischer Astronom hielt sie für Vögel in unserer Athmosphäre, welche vor dem Fernrohr vorbei -105r gefahren, ohne zu bedenken, dass eine Schnelligkeit von 40 50 Meilen in der Sekunde wohl einem Aerolithen, aber keinem Vogel zuzumuthen sei.

Das Schwanken des Mittelpunktes der Sonne, welches durch die Anziehung der Planeten hervorgebracht wird, ist äus - serst unbedeutend, und beträgt kaum 60 Meilen; wenn es ausserhalb desSonnenkörpers fiele, so würden wir dieselbe Erschei - nung wie bei den Doppelsternen haben, wo oft 2 um einen gemeinschaftlichen Schwerpunkt sich drehen.

Eine andre, äusserst schwierige Frage ist die von der Translazion unseresSonnensystems in eine andere Gegend unserer linsenförmig-abgeplatteten Sternschicht: man nahm an, dass es sich gegen λ Herculis hinbewege: da dies aber mit der eignen Bewegung der Fixsterne zusammenhängt, so werden wir wohl noch lange in Ungewisheit darüber bleiben.

21. Vorlesung, 16.01.1828

Von den Planeten.

Man theilt sie in obere und untere,je nachdem sie nach der Sonne zu innerhalb der Erdbahn oder ausserhalb derselben kreisen. Zu den unteren gehören Merkur und Venus, zu den äusseren alle übrigen. Bei den unteren Planeten mus man wiederum die obere und105v untere Konjunkzion unterscheiden. In der obern Konjunkzion stehn sie (von der Erde aus gesehn) jenseit der Sonne: dann erscheinen ihre Scheiben im vollen Lichte, ihr Durchmesser dagegen ist wegen der grösseren Entfernung kleiner; in der unteren Konjunkzion, wo sie zwischen der Erde und der Sonne stehn, und mithin einen scheinbar grösseren Durchmesser haben, zeigen sich die Phasen, dieses höchst wichtige Phänomen.

Vom Merkur.

Der Merkur ist bei uns sehr schwer mit blossen Augen zu sehn, weil er sich selten über 29° von der Sonne entfernt. Kopernicusbereute es noch auf seinem Sterbebette, ihn nie gesehn zu haben; selbst der grosse Delambre, welcher so viele Jahre sich mit der beobachtenden Astronomie beschäftigte, hat ihn nur 2 mal in seinem Leben gesehn. Dagegen unter 30 35° Nordbreite, in Ba - bylon und Aegypten, kann man ihn sehr leicht entdekken. Seine Lichtstärke ist grösser, als die des Jupiter; sein Durch - messer variirt von 4 11½Sekunden, und beträgt 580 Meilen, er ist grösser als der des Mondes; Umlauf 87 Tage. Bahn sehr exzentrisch, nur von den Asteroïden in dieser Hinsicht übertroffen. 106r27.Entfernung von der Sonne 8,000,000 Meilen (dieEntfernungder Erde von der Sonne ist 21,000,000, des Mondes von der Erde, 51,000 Meilen)[. ]Schon die Aegypter glaubten, dass Merkur und Venus sich um die Sonne bewegten, und es ist nicht zu läugnen, dass grade die grosse Sonnennähe des Merkur auf Kopernicus 'System vielen Ein - flus gehabt habe. Seine Rotazion ist sehr spät, erst um 1800 bestimt, und zwar nicht durch seine Berge, obgleich diese nach Schrö - ter's freilich nicht ganz zuverlässigen Messungen bis 58,000 Fus Höhe haben, sondern durch eine Folge von Beobachtungen der Athmosphäre, welche Merkur zu haben scheint, und welche bei den Phasen eine Dämmerung hervorbrachte. Noch genauer hat Hardingdie Rotazion durchBeobachtungenvon Flekken und Streifen bestimt, welche er darauf wahrgenommen. Dennoch bleibt es immer zweifelhaft, ob er eine Athmosphäre habe, und ob nicht das, was man sieht, andere Flüssigkeiten sind, welche sehr nahe an der Oberfläche sich befinden. Monnierwill dieAthmosphärebeim Durchgange durch die Sonne gesehn haben: ich konte bei dem von mir in Lima beobachteten Durchgange nicht das mindeste entdekken. Der erste Durchgang wurde von Gassendibeobachtet, nachdem ihn Keplervorausgesagt hatte; Halleyging106v deswegen nach St Helena: man hat bis jezt 21 Durchgänge beo - bachtet, der nächste wird 1832 im April vorkommen: der fol - gende 1835, welchesJahr zuerstgleichdurch eine andre himlische Erscheinung merkwürdig ist: man erwartet nämlich alsdann den grossen Halleyschen Kometen.

Von der Venus.

Man schreibt dem Parmenidesaus der pythagoreïschen Schule die Entdekkung zu, dass es derselbe Stern, nämlich Venus sei, welcher als Morgen - und Abendstern, Lucifer und Hesperus am Himmel erscheint. Der grosse Lambertberechnete, dass die Lichtstärke der Venus nur 3000 mal schwächer sei, als die des Vollmondes. Durchmesser 86 mal kleiner als der der Erde. Die Berge sind, wie auf der Erde in Ketten vertheilt, nicht wie auf dem Monde, wo sie um den Rand von Kratern herumliegen. Schon Lahireäusserte die Meinung, dass sie höher sein müsten, als die der Erde: Schröterbestimte sie auf 7 Meilen, und will auch eine Dämmerung, also eine Athmosphäre darauf entdekt haben: er faste seine Beobachtungen in einem grossen107r Werke zusammen, dem er den eleganten Titel gab: Aphroditogra - phische Fragmente (für den Merkur: Cynthiographische Fragmente; für den Mond: SelenotopographischeFragmente)[. ]Über die Umdrehung der Venus ist ein langer Streit zwischen Cassiniund Bianchinientstanden: man hat die Gestalten der südlichen Hornes in den Phasen dazu benuzt, um die Rotazion auf 23Stunden21. Min. zu bestimmen. Was man von einem Venusmonde gesagt hat, ist eine blosse Fabel. Fontanawolte ihn 1645 gesehn haben, und Lambertnahm sich die unnüze Mühe, sogar Tafeln dafür zu berechnen. Zwar wollen beim Durchgange 1769 einige Astro - nomen mehrere Stunden nach dem Austritt des Venus den Mond derselben vor derSonnenscheibe gesehn haben: allein schon die Angabe dieser Zeit zeigt hinreichend, dass sie sich geirrt haben müssen. Die Phasen der Venus gaben einen der schönsten Beweise für die Richtigkeit desKopernikanischenSystems, und gehören zu den frühsten Entdekkungen durch die neu-erfundenen Fernröhre. Die Reihe der Entdekkungen ist kurz folgende:

1, Sonnenflekke.3, Ring des Saturn.
2, Jupitertrabanten.4, Phasen der Venus. 1610.
107v

Da es in jener Zeit Sitte war, die neuen Entdekkungen durch einen Logogryph zu bezeichnen, wo eine gewisse Anzahl von Buchstaben das Geheimnis enthielten: so mag hier angeführt werden, dass Galileiin seinem Nuncius sid〈…〉〈…〉ereus die Entdekkung des Saturnringes so verzifferte: Altissimum planetam tergeminum observavit. Und die Phasen der Venus: Cynthii figuram aemulatur mater amorum.

Keplersagte den ersten Durchgang der Venusbeobvoraus, und Horroxbeobachtete ihn, ein junger Astronom, welcher leider sehr früh starb, und von Newtonhöchlich geschäzt wurde. Halleymachte zuerst auf die Wichtigkeit der Durchgänge für die Messungen über Entfernung der Sonnepp. aufmerksam.[ Schon] 1761 ging Maskelinenach St. Helena, um einen Durchgang zu beobachten: aber der wichtigste ist der von 1769. Cookunternahm dafür seine 2teWeltumseglung, und blieb lange auf Otaheiti, wo dWalesden Durchgang beobachtete. Der Pater Hellwurde nach Lapland geschikt, und Chapternach Kalifornien. Zulezt endlich hat Enckealle diese108r Beobachtungen von neuem berechnet und zusammengestelt, um dieSonnenparallaxe so genau als möglich zu bestimmen: sie variirt jezt zwischen 8 Min. 5 Sek. und 6 Sek. (8,5 8,6) oder zwischen 21,577,000 und 21,755,000 Meilen; dies beträgt immer noch 3 Mond - abstände, aber es ist gar nicht viel, wenn man die ungeheure Grösse und Entfernung der Sonne bedenkt: das Mittel der Un - sicherheit ist 1 / 232 der ganzen Entfernung, welches so viel sagen will, als ob man bei der Höhe der Schneekoppe von 4950 Fus um 20 Fus ungewis wäre. [Den Abstand des Mondes von der Erde kennen wir 13 mal genauer als den der Sonne, er ist bis auf 15 oder 16 Meilen bestimt: also beträgt hier das Mittel der Ungewisheit 1 / 3300 der ganzen Entfernung.]

Von der Erde.

Wir berühren hier nur die Erscheinungen, welche mit der Astronomie in Verbindung stehn, d. h. solche, bei denen die Erde in ihrer Eigenschaft als Planet in Betracht komt. Von 1683, (wo man zuerst auf diese Erscheinung aufmerksam war) bis 1718 glaubte man (und dieser Meinung folgten Kassiniund Maraldi) dass die Erde am Aequator abgeplattet sei: dies108v ergab sich aus den damals freilich unvolkommenen Messungen: allein der Irthum kam daher, dass wirklich an jenen Stellen, wo man die Gradmessungen vornahm, Ungleichheiten in der Figur der Erde sich fanden. Später wurde Condaminenach Amerika geschikt, um einen Grad zu messen, und Maupertuisnach Finn - land; die Messungen des lezten sind verbessert durch einen Dr Schwanenberg, der sie wiederholte, und grosse Differenzen fand: nach Maupertuisbeträgt der 66te°NördlicherBreite 57,400 Toisen, Schwanenberg 51,188. doch hat Rosenbergerneuerlich gezeigt, dass der Fehler Mau - pertuis 'nicht so sehr gros sei, und dass wohl ein Theil davon auf Schwanenbergs Rechnung kommen könne, welcher keine Kreise von Frauenhofer, sondern von Lenoirhatte.

Die Vergleichung zwischen Peru & Lapland giebt fürdieAbplattung1 / 330 die Frankreich & Lapland [304] 1 / 304 Die genauen Pendelmessungen geben sie noch grösser auf 1 / 289.

Die Anziehung des Mondes läst auf 1 / 305 schliessen, Duperrey's neuste Untersuchungen auf 1 / 289. Die Schwankung ist also nur zwischen 1 / 305 und 1 / 289. Die Grösse der Irrung in der Figur der Erde ist 593 Toisen, oder 3600 Fus; = 1 / 18 der Abplattung.

109r

Die Exzentrizität der Erdbahn ist jezt im Abnehmen, so wie bei den meisten Planeten, ausser bei Merkur, Mars und Jupiter, wo sie im Zunehmen ist.

Für die Rotazion der Erde hat man 3 Beweise:

  • 1, die Abplattung selbst, welche nicht da sein würde, wenn die Erde still stände.
  • 2, die Verschiedenheit der Pendellänge.
  • 3, der Fall der Körper.

Wäre die Rotazion 17 mal schneller, als sie ist, so würde die Schwere am Aequator = Null sein, d. h. kein Körper würde mehr fallen; wäre sie aber noch grösser, so würde sie die An - ziehungskraft der Erde besiegen, und alle Körper würden weg - geschleudert werden.

Man behauptete zuerst gegen dasKopernikanischeSystem, dass wenn die Erde sich drehe, so müsse ein Körper, den man von der Spize eines Thurmes fallen lassen, nicht am Fusse desselben ankom - men, sondern (da die Erde während dessen von Westen nach Osten fortgerükt sei) er müsse etwas gegen Westen zurükbleiben: es wurden viele Versuche darüber gemacht: allein man konte nichts von dem Zurükbleiben bemerken, bis endlich Newton109vdarthat, dass ein Körper, der von der Spize eines Thurmes fält, in dem[Augenblikke] des Abfals eine grössere Wurfkraft habe, als wenn er unten am Fusse sich befände, weil er nämlich um die ganze Höhe des Thurmes weiter vom Mittelpunkt der Erde entfernt sei: hieraus folgt, dass er nun nicht mehr nach Westen zurükbleiben, sondern, wenn der Thurm hoch genug, also die Wurfkraft stark genug ist, noch um ein geringes nach Osten vorangeschleudert werden wird. Dies bestätigten die Versu - che volkommen, welche theils von Guglielminiin Bologna am Thurme degl 'Asinelli (demselben, wo schon Galileiseine Versuche machte) angestelt wurden, theils neuerlich vom Prof. Benzenbergan einer Kirche in Hamburg, und in einigen Kohlen - gruben in der Grafschaft Mark. Man fand überall eine Deviazion nach Osten, weil die Schwungkraft an der Spize des Thurms grösser ist, als unten, bei 250 260 Fus Höhe von 4 5 Zoll. Auf dem Observatorium in Paris (wo ich so lange Jahre wohnte) existirt noch ein Loch von der Spize des Thurmes bis in die Keller hinab, von 280 Fus Höhe, welche zwar nicht mehr brauchbar ist,ob[?]und von Kassinizu diesen Versuchen eingerichtet wurde, obgleich er mit Riccioliglaubte, die Deviazion sei nach Westen.

110r28.

Einen Beweis für die Translazion der Erde finden wir in der Aberrazion des Lichtes der Fixsterne. Da dies aber ein sehr schwieriges Thema ist, so werde ich mich darauf beschränken, den Weg des Raisonnements anzugeben, wodurch die Sache am deutlichsten werden wird.

Nachdem Kopernikus 'System bekannt wurde, beobachtete man sehr häufig die Fixsterne, um eine Veränderung in ihrer Gruppirung zu bemerken, allein man konte keine Ver - rükkung wahrnehmen. Bis Bradley1728 fand, dass alle Sterne, wenn sie bei Tage erscheinen, nach Süden rükken, wenn bei Nacht, nach Norden: dass also der scheinbare Ort der Sterne sich nach der Gegend hinbewegt, wohin die Erde geht: jeder Stern durchläuft eine Ellipse von 40 SekundenDurch - messergrosser Axe, welche an Werth einem Bogen entsprechen, den die Erde auf ihrer Bahn in 16〈…〉〈…〉Zeitsekunden durchläuft: nun fand Besseldie höchstmerkwürdige Übereinstimmung, dass das Licht grade 16 Sekunden braucht, um die Erdbahn zu durchschneiden: es ist also nichts wahrscheinlicher, als dass jene 40Bogen-Sekunden (grosser Axe der Sternellipsen) von den110v 16 Zeitsekunden hervorgebracht werden, welche das Licht zur Zurük - legung der Erdbahn braucht: wir sehn also die Sterne an ver - schiedenen Stellen,je nachdem wir uns an dem einen oder dem andern Endpunkt der Axe der Erdbahn befinden. Die Bewegung des Lichts ist 10,000 mal schneller, als die der Erde, und wir sehn die Sterne nicht an ihrem wahren Orte, sondern in der Richtung der Diagonale des Parallelogrammes dieser zusammengesezten Bewegung. Eben so,alswenn man auf ein schnellsegelndes Schiff eine Kanonenkugel abfeuert: so werden die beiden Löcher in der Vorder - und Hinterwand des Schiffes nicht genau in der graden Linie liegen, welche mandurchindieerRichtung der Kanone bis zu dem Loche in der Vorwand ziehn kann: sondern das Loch in der Hin - terwand wird etwasgegenhinterdieerBewegung des Schiffes zu - rükbleiben.

Ein andrer schwieriger Punkt ist die Vorrükkung der Nachtgleichen. Nach demKopernikanischenSystem nahm man die Rotazionsaxe der Erde als mit sich selbst parallel an: allein später fand man, dass in 25700 Jahren diese Axe einen kleinen Kreis beschreiben wird, und zwar rührt dies111r (sonderbar genug) von der Abplattung der Erde selbst her. Wäre die Erde eine genaue Kugel, so würde dies Phänomen nicht statt finden, so aber, da gleichsam ein erhöhter Ring um den Aequator liegt, wird dieser Theil von der Sonne stärker angezogen, als die andere Hälfte. Wenn wir uns denken Ca[figure] sei der Aequator, und die Sonne stehe in der Richtung von S unter 45° so wird der Kreisschnitt PCe gleich sein eCa: nehmen wir aber, nach der Abplattung der Erde den Aequa - tor Cb an, so ist klar, dass nunanzudem Kreisschnitt PCe nur das Stükchen Ped hinzugekommen ist, dagegenzuder Kreisschnitt eCa um deab gewachsen ist: er hat also an Masse den ersten übertroffen, und wird von der Sonne stärker angezogen, als der andere: daher wird der Winkel PCS nach und nachkleinergrösserwerden.

Schon Hipparchentdekte die Vorrükung der Nachtgleichen, indem er die Beobachtungen der älteren Astronomen Timocharisund Aristillosverglich. Später wurde sie genauer bestimt, und a priori bewiesen, durch die Betrachtung, dass eine Kugel durch keineäussere Kraft eine solche Verrükkung erleiden kann, indem sie auf gleiche Weise in allen ihren Theilen angezogen wird.

111v

AuchNicht nurdie Sonneundsondern auchder Mond haben eine Tendenz die Schiefe der Ekkliptik zu verändern: allein die Rotazion hindert wieder das Zusammenfallen desrEkliptik und des Aequators: die Vorrükkung geschieht von Osten nach Westen, und der Antheil, welchen Sonne und Mond daran haben, verhält sich wie 3: 1.[Auch] die Planeten haben eine solche Tendenz, aber die Wirkung derselben ist unabhängig von der Gestalt der Erde, und fällt einige Jahrtausende mit der Tendenz der Sonne zusammen, wirkt ihr aber dann wieder entgegen.

Aus der Vorrükkung der Nachtgleichen erklärt es sich, dass die Sternbilder der Ekliptik ihren Namen nicht mehr entsprechen, weil die Vorrükkung seit den 2000 Jahren, dass diese Sternbilder benant sind, ungefähr den Raum eines Sternbildes ausmacht.

22. Vorlesung, 19.01.1828

Die Franzosen beobachteten auf ihrem Zuge nach Aegypten in den dortigen Tempeln mehrere Thierkreise, denen man ein hohes Alter zuzuschreiben geneigt war: der von Dendera (Tentyris) wel - cher sich jezt in Paris befindet, ist auf einem Steine von 12 14′ im Quadrat in Basrelief ausgearbeitet, zwar ist das Material Sandstein, es sieht aber dem Basalt ähnlich, weil es durch112r das häufige Beleuchten mit Fakkeln ganz geschwärzt wurde; die französische Regierung gab 150,000 fr. dafür. In Esneh finden sich 2 andre Thierkreise, die nicht zirkelförmig sind, wie der von Dendera, sondern wo die 12 Zeichen in 2 Reihen aufgestelt sind: bei dem von Dendera stehn die Zeichen in einer Spirale, und der Löwe eröfnet den Zug, in Esneh dagegen die Jungfrau: dies solte sich nun auf das vorrükkende Sonnenjahr der Ae - gypter beziehn: da nämlich 2700 vor Chr. der Frühaufgang des Sirius bis auf 2 Tage mit dem Sommersolstizium zusammenfiel: so glaubte man, dass das Som̃ersolstizium damals in das Zeichen des Löwen gefallen sei: da nun auf die Vorrük - kung jedes Zeichens 2000 Jahre kommen: so berechnete der französische Astronom Burckardtfür den Thierkreis von Den - dera ein Alter von 4300 Jahren (oder 2470 v.Chr. ) Allein die An - nahme ist wilkührlich, dass jenes Monument so alt sei, als der Zustand des Himmels, der darauf angedeutet ist, und so wird wenigstens das Alter dersTempels selbst sehr zweifelhaft; und wie es bei allen solchen Wegschleppungen von112v Denkmalen der Fall ist, man hatte den wichtigern Stein an der Dekke zurükgelassen, auf welchem Champollion der jüngereeine Cartouche entdekte, die den Namen Αὐτοκράτως ent - hielt, den man auf einigen Münzen des Neround Claudiuseben so absolute gebraucht findet. Dies führt uns daher auf eine Vermuthung des grossen Antiquares Viscontizurük, der das Somersolstizium blos aus dem beweglichen Jahre der Aegypter erklärte. Ausserdem fand man auf dem äus - seren Pronaos (der zwar aus neuerer Zeit sein kann als der hintere Tempel) eine Inschrift aus den Zeiten des Tiberius. Der Thierkreis in Latopolis (Esneh) fängt mit dem Zeichen der Jungfrau an, und hierzeigt sich schon die Unwahrscheinlich - keit, dass dieser also um 2000 Jahre von dem von Denderah verschieden sein müste, während man beiden Monumenten kaum einen Unterschied von einigen 100 Jahren zugestehn kann. Man warf es dem Monumente vor, dass das Zeichen der Waage darauf fehle: allein diese ist erst zu Caesar's Zeit an den Himmel gekommen, während vorher bekantlich113r die Scheeren des[Skorpions]diesen Raum ausfülten: Butt - mann's und Idelers Untersuchungen haben bewiesen, dass die Waage schon weit früher bekant war, und bei den Indern vorkömt. Caesarzog bei seinen Bestimmungen den Astronomen Sosigeneszu Rathe, dem diese indischen Systeme gewis bekant waren. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass die 12. Sternbilderaus[?]aus den 27 Mondstazionen der Inder hergeleitet sind. Schon La -〈…〉〈…〉placemachte die richtige Bemerkung dass man den Steinbock (ein Thier, welches auf den Höhen wohnt) nicht in den Stand der Sonne gesezt haben wird, wo sie am niedrigsten steht: dass also damit die Sommersonnenwende möchte bezeichnet worden sein.

Das Vorrükken der Nachtgleichen verändert die Jahreszeiten nicht, aber andre Sterne werden in andern Monaten sichtbar: daher kömt es, dass die südlichen Sterne, und grade die schön - sten uns fliehen, wie denn schon jezt das südliche Kreuz in Alexandrien unter dem Horizonte steht, welches man früher dort sehn konte. Auch der Polarstern verändert sich: zu113v Eudoxus 'Zeiten lag der Pol zwischen α und β des kleinen Bären: er wird jezt nach demCKepheus fortrükken, und später wird Deneb im Schwan zum Polarstern werden. Wie dunkel die Ideen der Alten über dergleichen Materien in mancher Hin - sicht waren, zeigt uns eine Stelle im Plinius, wo er sagt,Taprobăne. Ovid. Pont. I, 5, 80. dass die Gesandten der Insel Taprobānein Romsich gewundert hatten, in Rom den Polarstern, und die 7 Sterne des grossen Bären zu sehn: als ob man diese nicht eben so gut in Taprobane sähe.

Eine andre Bewegung ist die Veränderung der Schiefe der Ekkliptik welche 18 Sek. beträgt, und das hervorbringt, was man die Nuta - zion der Erdaxe nent: in 18 Jahren und 18 Monaten beschreibt sie einen kleinen Kreis, und rührt her von dem Einflus, den der Mond auf die Erde ausübt. Sie hat eine Periode von 21,000 26,000 Jahren. Der erste, welcher die Schiefe der Ekkliptik gemes - sen, ist Anaximander(er führte auch die Sonnenuhren in Griechen - land ein, die man für eine babylonische Erfindung hält, und eben, um diese richtig zu stellen, muste er die Schiefe der Ekliptik kennen. Die älteste Beobachtung dieser Schiefe (welches auch114r29.überhaupt die älteste astronomische Beobachtung ist, die wir historisch auf der Erde kennen) findet sich in den chinesischen Annalen, und wurde in Lojan gemacht 1100 vor Chr.; damals betrug die Schiefe 23° 54′; zu PytheasZeit 350 v. Chr.: 23° 49′; zu Ebn - Younes, des ausgezeichnetsten arabischen Astronomen Zeit: 1000 nach Chr.: 23° 36′ 36″; zu Bessel's Zeit 1800. 23° 27′ 56″. Man könte nun veranlast sein, zu glauben, dass dies immer so fortgehn, und die Ekliptik am Ende mit der Erdbahn zusammenfallen könne: allein Laplacehat dies sehr genau untersucht, und gezeigt, dass auch hier eine Periode von mehreren 1000 Jahren Statt findet, und dass der Unterschied nicht mehr als Grad betragen kann: als ob Kadix an der Stelle von Toledo läge.

Vom Monde.

Es ist eine alte Frage, wann der Mond zuerst gesehn worden sei: und in Griechenland ging man so weit, die Arkadier Antiseleniten zu nennen, weil sie älter seien als der Mond; welcher erst in einer Schlacht erschienen sei, die Hercules gegen die Giganten kämpfte. Creuzerhält dies für eine Anspielung auf die Einführung des Mondjahres. Maupertuisglaubte, der Mond sei früher ein Komet114v mit einem langen Schweife gewesen, der sich der Erde genähert, und bei ihr fixirt habe.

Sein Durchmesser beträgt 466 Meilen, also ist das russische Reich noch etwas grösser, als die Hälfte des Mondes, welche wir von hier aus sehn.

Seine Rotazionsaxe steht senkrecht auf seiner Bahn. Die Ent - fernung von der Erde beträgt 51,800 Meilen, und ist 1 / 3300 ungewis. Genau wurde sie zuerst von Lacailleam Vorgebirge der guten Hofnung gemessen: dann von Lalande, der besonders deswegen nach Berlin kam, und obgleich der Meridian des Vorgebirges etwas weniges östlich von dem von Berlin fält, so war diese Reise doch für die Bestimmungen von Wichtigkeit. Wie gering übrigens die Entfernung des Mondes sei, ergiebt sich aus der Betrach - tung, dass ein englischer Kapitain auf dem Paketboot nach Kanton ungefähr 6 Reisen hin und her zu machen braucht, um so weit gewesen zu sein, als der Mond entfernt ist.

Sein Licht ist nach Lambert's Messungen 300,000 mal geringer als das der Sonne: im 1tenund lezten Viertel bemerkt man auf dem dunkeln Theile ein aschfarbenes Licht, das von der Zurükstralung der Erde herrührt. Hipparchdachte dabei an115r eine Phosphoreszenz des Mondkörpers, (wie wir sie durch Fernröhre am Merkur und an der Venus wahrnehmen) doch scheint dies nicht der Fall zu sein. Merkwürdig ist, dass der grosse Maler Leo - nardo da Vinci, die ersteRrichtige Erklärung daran gab, welche man gewöhnlich dem Lehrer Kepler's, Möstlinzuschreibt: dieser lebte im 16tenJahrhundert. Leon. da V.starb um die Zeit der Entdekkung von Amerika. Bei Mondfinsternissen verliert man den Mond nie ganz, sondern sieht ihn in einem rothen Lichte, wie ich es sehr auffallend in dem Golf von Darien bemerkte: dies rührt von der Athmosphäre der Erde her, durch welche das Sonnenlicht inflektirt wird, und so stark bleibt, dass der Mond nie ganz verschwindet. Auch sieht man bei Finster - nissen grosse schwarze Flekke im Monde.

Die Wärme des Mondes ist gradezu = Null: ich habe mitHerrn Aragoauf der Pariser Sternwarte sehr viele Versuche darüber mit einem grossen Hohlspiegel angestelt, allein es war durchaus keine Spur von Temperaturerhöhung zu bemerken, nicht blos an dem Thermometer, sondern an einemeigens eingerichteten sehr empfind - lichen Apparat. Daniel, der vor wenigen Monaten eine schöne Me - teorologie herausgegeben, hat dieselben Resultate mit einem andern grossen Hohlspiegel gefunden.

115v

Das Ansehn des Mondes bietet uns mehrere Flekken dar, welche die Alten für eine Spiegelung hielten. Plutarchsagt, dass der Mond uns die Gestalt der Erde und das Bild unserer Meere zurükwürfe; dieselbe Meinung hat sich, sonderbar genug, bei den Persern,Indern und Arabernerhalten. Der persische Gesandte in Paris, der mich zuweilen besuchte, und dem ich durch ein ziemlich star - kes Fernrohr den Mond und eine Mondkarte daneben zeigte, sagte mir, das sei alles vergebne Mühe: denn man sehe im Monde nichtsweiter als Persien, einen Theil von Indien und Arabien.

Die Flekken im Monde hielt man lange Zeit für Meere, Keplerfür Höhen: man bemerkte auch, dass die Ebnen durch Berge ver - bunden sind. Wasser ist gewis nicht auf dem Monde: denn die klein - sten Theile der Flächen, welche man für Meere hält, liegen nicht in einer Ebne, sondernüber - und untereinander. Herr Kunowskyhat eine schöne Zeichnung vom Mare crisiumgemacht, vorauf man dies am deutlichsten sieht: einzelne Stellen sind schwärzlich. Caesar und Boscovichfast ganz schwarz.

Schon Galileiwar auf die Berge im Monde aufmerksam geworden für deren Messung es 3 Mittel giebt, von denen aber nur eins sicher ist. 1, man beobachtet an der Gränze des erleuchteten und dunkeln Theiles, die einzelnen leuchtenden Punkte im dunkeln116r Theile sind die Berge, deren Spizen noch von der Sonne beschienen werden: je höher sie sind, desto länger bleiben sie sichtbar: da aber die Schat - tengränze nie ganz scharf ist: so giebt dies keine grosse Genauigkeit. 2, man mist die Erhöhung der Berge durch Projekzion auf dem Mondrande selbst, bei Sonnenfinsternissen. 3, und dies ist die beste Art; durch die Länge des Mondschattens: hier erhält man eine solche Genauig - keit, dass man den Mond weit besser kent, als die Erde, und Höhen von 3 4 500 Fus (ungefähr so hoch als die Müggelsberge) gemes - sen hat; ja wenn wir voraussezen dürfen, dass man auf dem Monde dieselben Fernröhre habe, als hier: so mus man von dort aus die Erde auch weit genauer kennen, als wir, und manche Frage, welche wir hier vergebens zu lösen suchen,z. B. dieNordwestlicheDurchfahrt, müste sich vom Monde aus aufklären lassen.

Genau genommen solten wir nur die Hälfte des Mondes sehen, welche er uns zukehrt: wir sehn aber wegen der Schwankung der Mondaxe etwas mehr. Galileifand dies zuerst 1657 in seinem Gefäng - nisse in Arcetri, und nante es die Titubazion des Mondes. 37Später beobachteten daran Hevel, Tobias Meyer, Bouvardund Nicoletman benuzte besonders den Flekken Manilius dazu. Die Vibrazion, wie man es jezt nent, beträgt 6 in der Breite und Höhe. Die Rotazion der Axe ist zwar gleichförmig, aber der Umlauf um die Erde116v ist Störungen unterworfen: von diesen glaubte man, dass sie am Ende so gros werden könten, dass mit der Zeit auch die andre Hälfte des Mondes sichtbar werden könne: allein es läst sich beweisen,<da>ss diese Hofnung auch für unsre spätesten Enkel nicht vorhanden ist.

Die Topographie des Mondes ist in Hinsicht auf die Gebirgsl[?]emerkwürdig, und von den übrigen Phänomenen unseres Systemes abweichend; wenn wir nämlich auf der Erde und Venus die Ge - birge in Ketten vertheilt sehn, so sind diese auf dem Monde äusserst selten, und man zählt deren nur 3: die Alpen, Py - renäen unddie Acherusische Kette, welche ohne Krater sind: in diesen erhebt sich Huygens bis auf 3900 Toisen; ein Theil des Mondes ist ganz von Kratern durchlöchert, und auf der südli - chen Hemisphäre findet man die grösten Höhe,n, welches vor der genauen Messung des Himalaya eine Analogie mit der Erde und andern Planeten darbot: Leitnitz und Dörfel, die beiden höchsten Punkte des Mondes erheben sich bis zu 4166 Toisen, d. i. 1 / 214 des Mondhalbmessers, während der Dha - valagiri, als höchsterSpize des Himalaya, obgleich noch nicht117r hinlänglich genau bestimt, nur 1 / 700 des Erdhalbmessers ausmacht: daher lassen sich Monde-und Erdberge nicht gut miteinander vergleichen. Es giebt auch Plateaus auf dem Monde, die benant werden: Hipparch und Platon sind von bedeutender Grösse: der lezte hat 20 Meilen im Durchmesser, also ungefähr so gros als Böhmen. Da sehr viel auf die Masse der Berge ankömt, so habe ich dafür in Amerika mehrere Messungen angestelt, und gefunden, dass man sich einen übertriebenen Begrif davon gemacht hat: der Durchmesser des Chimboraço am Grunde beträgt nicht über 5 6000 Toisen, der des Antisana 2 3 Meilen.

Die Mehrzahl der Berge auf dem Monde haben ein vul - kanisches Ansehn, und die Krater sind den unsrigen sehr ähnlich. Oft findet man auf den Berg einen Aschenkegel aufgesezt, wie beim Vesuv, oft ist er auch an der Seite des Berges, wie bei einigen Vulkanen von Südamerika. Flus - betten finden sich nicht, was man dafür gehalten hat, ist ein Zusammenhang von kleinen Kratern, die oft ein künst -117v liches Ansehn haben, indem sie auf einer Höhe, wiedereinerTeufels - mauer fortlaufend eingesenkt sind.

Seit dem Jahre 1783 hat man von Ausbrüchen der Mond - vulkane gesprochen, welche wohl möglich wären, obgleich die Mondathmosphäre für uns ein vacuum ist: denn es ist nicht zu läugnen, dass es Feuererscheinungen ohne Luft giebt. Her - schelglaubte sie gesehn zu haben, so wie der Graf Brühlin London, der sich um die Pendelmessungen sehr verdient ge - macht hat. Schröterbehauptete, ohne Zweifel von seiner Ein - bildungskraft etwas verleitet, an solchen Stellen nach 2 Tagen kleine Kegel sich bilden gesehn zu haben; allein der Zustand unsrer Athmosphäre selbst ist zu unbeständig, um so etwas mit Gewisheit auszusprechen, und wir können sagen, dass wir auf dem Monde vor unsern Augen nichts neues haben entstehn sehn. Höchst wahrscheinlich sind es spiegelnde Felsen, welche in eine solche Lage zu unserer Erde kommen, dass sie das Licht der Sonne zurükwerfen. Diese Phänomene sind fast immer auf demselben Punkte, im Aristarch sichtbar, den schon Hevelwegen seines röthlichen Ansehns mons porphyrites118r30.nante: es ist dazu eine besondere Lage der Erde gegen den Mond nöthig, die gewis nicht oft vorkomt.

Wenn der Mond von der Erde Licht empfängt, so ist es nicht gleichgültig, in welcher Lage sich dieselbe befindet, ob sie ihm mehr Land oder Meer zuwendet: von den opaken Theilen der Südsee mus natürlich das Licht schwächer reflektirt werden, als von dem Innern von Afrika oder Hochasien. Bouguerglaubte sogar, dass das Licht von den vegetazionsreichen Ufern des Orinoco und Amazonenflusses im Monde grünlicher als gewöhnlich erscheinen müsse. Der Stand der Erde mus den Mondbewohnern, bei einiger Aufmerksamkeit, als eine recht genaue Uhr dienen können.

23. Vorlesung, 23.01.1828

Die spezielsten und besten Mondkarten sind die von Lohrmannin Dresden; eine kleine sehr gute Karte lieferte Gruithusenin den Bonner Schriften derKayserlichenNaturforscheres ist diese eigentlich die alte Karte von T. Meyer, worin Gruithusenalle neuen Beobachtungen, besonders die von Schrötereingetragen hat.

So wie auf der Erde ein Unterschied zwischen den beiden Hemisphären118v stattfindet, indem man die nördliche die Kontinental -[,] die südliche die ozeanische Hemisphäre nennen kann, eben so auf dem Monde; obgleich man keine Flüssigkeiten darauf bemerkt, und kann ein Raum ¼ so gros als Berlin gefunden werden kann, der völlig in demselben Niveau läge: nur in der nördlichen Hemisphäre des Mondessindsehn wirKettengebirge; von deren die Apenninen das höchste sind nur mit 2 Kratern, grade als ob die elastischen Dämpfe nur an diesen 2 Stellen das Gebirge hätten durchbrechen können. Sie sind unserm Alpengebirge nicht unähnlich, und liegen zwischen dem Mare hybriumund dem Mare serenitatis. Daneben ist eine sehr tiefe Spalte; auf der südlichen Hemisphäre sieht man nur Centralgebirge oder Umwallungen. Zwischen dem Ptolemaeus und Orontiusliegt eine grosse Masse von zusammenhängenden Essen (wie sich Leop. v. Buchin dem treflichen Werke über die Vulkane ausdrükt) welches lauter Krater sind. Bei schwa - chen Vergrösserungen sieht man noch eine andre Erscheinung, für welche wir keine genügende Erklärung haben. Vom Tycho anfangend sieht man eine Menge von weissen Streifen, die wie Lichtfäden über Berg und Thal gehn, als ob grosse Strekken Lan -119r des mit weissen Blüten besezt wären. Bei stärkeren und den stärksten Vergrösserungen nimt das Phänomen an Deutlichkeit ab.

Von 1790 und 94 an beobachtete man vulkanische Feuererschei - nungen auf dem Monde: man hält aber jezt dafür, dass er Reflexe des Erdenlichtes im aschfarbenen Theile des Mondes sind, die wie röthliche und weisliche Funken erscheinen: sie stehn immer in der Nähe vom Helikon, zweifelhaft beim Platon. Lamberthat bemerkt, dass diese Funken nur dann vorkommen, wenn das Innere von Afrika sein Licht auf den Mond wirft. Ich beobachtete mit Aragoin Paris mehrere solche Flekken, die wie Sterne der 3tenund 4tenGrösse erschienen, und es scheint mir nicht unmöglich, dass es grosse spiegelnde Glimmermas -flächensensein können.

Boeckhin seinem Philolaosführt alle die Meinungen an, welche die Alten von den Bewohnern im Monde und ihren Werken hatten, und eine Stelle im Ciceroist sehr merkwürdig für diese Ansicht. Um aber zu bestimmen, auf eine wie grosse Ge - nauigkeit wir bei diesen Untersuchungen rechnen können, müssen wir zuerst die Frage beantworten, wie hoch oder wie gros mus119v ein Gegenstand sein, damit wir ihn auf dem Monde unterschei - den können? Diese Frage läst sich mit so grosser mathemati - scher Sicherheit beantworten, als nur irgend eine. Man macht sich auf der Erde gewöhnlich zu grosse Vorstellungen von der Ausdehnung der Städte: denn wenn[ man] auch für London 5 englische Meilen in die Länge und 3 in die Breite annimt, so ist der Flä - chenraum noch nicht 1 geogr. Quadratmeile, sondern nur 7 / 10. Berlin ist fast um die Hälfte kleiner; man würde indessen doch noch auf dem Monde einen Raum von denGens-d'armes-Thürmen bis zurKöniglichenBibliothek als einen sichtbaren Punkt unter - scheiden. Trozdem sind manche Astronomen auf wunderliche Phantasien gekommen. Schröterselbst wolte auf dem Monde die Pracht der bebauten Felder wahrgenommen, und im Marius eine Selenitenwohnung von 80 Fus Höhegesehn haben. Neuerlich sind diese Träume im südlichen Deutschland noch weiter ausgeführt worden. Man sah Chausseen, auf denen die Mondbewohner sich begegneten, Palmenwälder und baumartige Farrenkräuter, einen im Viereck gebauten Sternentempel, ja es wurde die Frage ventilirt, ob Brunnenkresse im Monde120r wüchse, und dies alles wolte man durch Fernröhre von Frauenhoferbemerken, die nicht einmal dem grossen Dorpater Refraktor gleich kamen, sondern nur 5 60 Fus Brennweite hatten. Messen kann man im Monde nicht mehr alseine½Sek. Angulardistanz[,] d. h. 1800 Fus: nun kann man aber noch manches unterscheiden ohne es zu messen, indem sich noch bis auf dieser Distanz durch den Schatten unterscheiden läst; also sind 6 700 Fus die äusserste Gränze des Unterscheidbaren. Bei Perpendikular - höhen kann man 5 ja 300 Fus mit Sicherheit messen. Die Pyramide des Cheops hat 440 Fus, der Münster in Strasburg ungefähr eben - soviel. Bei dem allen wird es aber nicht möglich sein, Kunst - werke von Naturwerken zu unterscheiden: denn die Basalt - kuppen von Vivarais in Auvergne könte man aus der Ferne gesehn sehr gut für Kunstwerke halten. Die Mondstädte, welche man zu sehn geglaubt, haben wenigstens 30 40 Quadrat - meilen im Umfang, sind also eher Länder als Städte zu nennen.

Die Athmosphäre des Mondes nähert sich dem, was wir unter unsern Pumpen ein vacuum nennen, und ist über 1000120v mal geringer als die unsrige, wie sich dies aus der Stralenbre - chung sehr genau berechnen läst. Das Queksilber im Barometer würde sich also kaum auf der Höhe von einigen Linien erhalten. Schröterhat berechnet, dass dieAthmosphärekaum 800 Fus Höhe haben kann. Bei Sonnenfinsternissen hat man sie zu sehn geglaubt, wobei man auch Löcher im Monde bemerken wolte. Der Spanier Ulloa, welcher zulezt Gouverneur in Südamerika war, beobachtete auf seiner Rükreise, auf dem Meere eine Sonnenfinsternis am 24. Januar1778; und sah vor dem Austritte einen leuchtenden Punkt, den auch mehrere Personen bemerkten, die mit ihm auf dem Schiffe waren. Delambrehat alles genau nachgerechnet, und gefunden, dass diese Feuererscheinung nur wenige Minuten vor dem Austritte stattfand: es ist daher wahrscheinlich, dass so wie es auf dem Monde hohe Berge giebt, es auch an tiefen Schluchten nicht fehle, und dass ein solcher Ausschnitt am Rande gestanden habe, in welchen die Sonnenstralen einige Zeit früher hineinfielen. Etwas ähnliches beobachtete man 1725 in Rom: doch herscht hier noch grosse Unsicherheit. Auch hat man bei Sonnenfinsternissenbunte Ringe von mehreren Minuten Breite121r um den Mond gesehn: welches vielleicht von der Schwächung des Gesichtes bei anhaltendem Beobachten herzuleiten ist. Anders verhält es sich mit den Blizen, die Halleyund Newvillebei Finsternissen an den Rändern des Mondes zu sehn glaubten, und auch für eine Erscheinung im Auge hielten. Lemonnierbeschreibt es ausführlich. Als die Sonne verfinstert war, sah man eine Menge Raketen am Rande des Mondes aufsteigen, und dies war so auffallend und deutlich, dass in einer kleinen Stadt Frankreichs das Volk auf den Strassen zusammenlief. Es müs - sen hierbei in der Mondathmosphäre Prozesse vorgehn, die wir nicht weiter zu erklären im Stande sind.

Hevelwar der erste, welcher sich um die Topographie des Mondes verdient gemacht hat, indem[ er] den verschiedenen Ländern Namen gab; Grimaldiund Ricciolibenanten die Berge nach den Naturforschern, wozu später einige Philosophie kamen. 2 vor - trefliche handschriftliche Karten des Mondes befinden sich auf der Pariser Bibliothek; die eine vom grossen Dom. Cassini, die andre von Lahire: dann kamen die Arbeiten von Tobias Meyerin Göttingen, von Schröter, und endlich von Lohrmann.

121v

Der Einflus, den der Mond auf die Erdbewohner ausübt, ist in jeder Hinsicht sehr gros, wobei auch die Erleuchtung der Nächte in Betracht kommen mus, obgleich dies nur eine teleologische Ansicht ist; und Hevelsagte mit Recht, dass auf eben dieselbe Weise, den Bewohnern der uns zugekehrten Mondhälfte, die Erde, welche ihnen 4 5 mal grösser als uns der Mond erscheint, als nur für die Erhellung ihrer Nächte geschaffen vorkommen möchte. Laplacein seiner Méchaniquecéleste, bei der Untersuchung, ob der Mond nur zur Erleuchtung unsrer Nächte da sei, kam auf eine Betrachtung, die man scherzweise sein: Rezept zu einem beständigen Mond - schein genant hat; er sagte nämlich, wenn nur dies der Zweck des Mondesgewesensei, so habe es bei seiner Erschaffung ein weit besseres Mittel dazu gegeben: wenn nämlich der Mond bei seiner Entstehung in einergewissenbestimtenStellung zur Erde ge - wesen wäre, und beide sich in einer bestimten Zeit um die Sonne gedreht hätten, so würden wir beständig Vollmond haben. Der Mond erregt kleine Bewegungen nicht blos in den Meeren, sondern auch in der Athmosphäre der Erde. Für die Seefahrer122r31.ist er zur Bestimmung der Länge von der grösten Wichtigkeit. Die Messung der Monddistanzen verglichen mit der Zeit, giebt dem Schiffer den Punkt auf welchem er sich befindet: ja man hat neuerlich hierauf mehr als auf die Chronometer vertraut, weil die Monddistanzen absolute Beobachtungen sind.

Die ganze Mechanik des Himmels in ihrer schönsten Ausbil - dung verdanken wir den Beobachtungen am Monde. Die Figur und Abplattung der Erde ist durch ihnmitvermittelstblosser Rechnung mit so grosser Genauigkeit bestimt, alsmaneskaum durch weite Reisen, langwierige geodätische Messungen und schwie - rige Pendelbeobachtungen geschehen konte. Durch ihn beweisen wir die Unveränderlichkeit der Tageslänge seit Hipparch, sie hat in diesen 2000 Jahren nicht um ½ Sekunde ab - oder zuge - nommen: daraus schliessen wir, dass auch die mittlere Tempe - ratur der Erde immer dieselbe geblieben sei.

Wir bleiben noch in dem Raume, der uns zunächst liegt, und sprechen zuvörderst Von den Erscheinungen des Zodiakallichtes.

Man bemerkt in südlichen Klimaten nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang einen pyramidalen Lichtstreifen,122v der in der Richtung der Sonne sich schief vom Horizonte in die Höhe erstrekt. Cassinientdekte ihn für unsAbendNordländer zuerst 1683, und war so verwundert über diese neue Erscheinung, dass er die Frage aufwarf, ob das Thierkreislicht nicht damals überhaupt zuerst erschienen sei, so wie er auch in der Überzeugung gestorben ist, dass es sich in seinen lezten Lebensjahren verstärkt habe. Bald fand man aber, dassa〈…〉〈…〉ndreandreVölker es schon kanten. Chardinbeobachtete es in Persien, und erfuhr, dass es längst bekant sei, und einen eignen Namen Miasadsch habe. Unter den Tropen, wo fast keine Woche vergeht, ohne dass man bei völlig klarem Himmel einen schönen Sonnenuntergang sieht, mus es von jedermann bemerkt werden. Dennoch habe ich auf der Pariser Bibliothek einen mexikanischen codex gefunden, wo unter den Wun - dern, die der Ankunft des Fernand Cortez(1503 1520) vorangingen, diese pyramidale Lichterscheinung erwähnt wird. Méranund Cassinihielten es im Zusammenhange mit den Nordlichtern und den Sonnenflekken, welches sich nicht bestätigt hat. Ich habe es unter den Tropen sehr häufig beobachtet, und nicht immer von gleicher Stärke gefunden: ein gewisses Zukken darin war sehr deutlich,123r welches Cassiniauch bemerkte, aber für Ermüdung der Augen hielt. In Carracás fand ich, dass es von 2 zu 2 Minuten abwechselnd schwä - cher und stärker wurde, welches ich nicht blos auf Rechnung von Verdikkungen in unsrer Athmosphäre schreiben kann: denn wenn ich während des schwächeren Scheines einesnkleinen Nebelflekkenim Schiffeim Schiffe Argo beobachtete, so konte ich in der Lichtstärke desselben keinen Unterschied wahrnehmen. Man hielt es früher für die abge - plattete Athmosphäre der Sonne, allein Laplacehat gezeigt, dass diese höchstens bis zum Merkur gehen kann, er glaubt, dass es die Reste einer früheren Sonnenathmosphäre sind, die sich zu - sammengezogen hat.

Vom Mars.

Durchmesser 936 Meilen, also 55 / 100 von dem der Erde: er ist der lezte Planet, an dem man Phasen sieht. Herschelbestimte seine Abplattung sehr gros auf 1 / 12 Schröterdagegen auf 1 / 80, und Hardinghat sie wieder auf 1 / 12 zurükgebracht: er bemerkte gewal - tige Undulazionen, die er Flüssigkeiten zuschrieb, und 2erlei Arten von Flekken darauf; die eine Art ist den beweglichen Wolken ähnlich, das andre sind 2 helle Flekken an den Polen, die weisser123v werden, wenn der Pol in der Nachtseite steht: man kam daher auf den Gedanken, dass es Eisfelder sein könten. Maraldihat ihn viel beobachtet, auchHerr Kunowskiin Berlin. Lacaillemachte durch ihn, während Lalandein Berlin war, schöne Beobachtungen für die Sonnenparallaxe; für Keplerwurde er wichtig durch dieGgrosse Exzentrizität der Bahn, wodurch er auf sein 2tesGesez kam, dass alle Planeten sich in Ellipsen um die Sonne bewegen.

Von den 4 kleinen Planeten oder Asteroïden.

Schon die Alten vermutheten, dass zwischen Mars und Jupiter ein Planet kreisen müsse: Demokritusund Artemidorus, auch Aristotelesbeim Simplicius.

Alle 4 zusammen sind nicht viel grösser als der Mond: der Durchmesser der Vesta, als des kleinsten, beträgt 40 50 Meilen. Herschelhat den verächtlichen Namen Asteroïden eingeführt; (so wie man in der Chemie die Metalloïde aus den Alkalien nicht zu den wahren Metallen zälen will) Laplacenante sie teleskopische Planeten. Sie sind in der umgekehrten Ordnung entdekt, wie sie uns am nächsten stehn:

  • Sonne: Mars: Vesta
  • Juno
  • Pallas
  • Ceres.
124r

[Die] Vesta wurde 1807 von Olbersentdekt: Gausgab ihr den Namen, der überhaupt durch seine genauen Berechnungen der Aberrazionen vielEhreVerdienst um die Asteroïden hat. Juno von Hardingin Lilienthal 1804. Pallas von Olbers1802. Ceres von Piazzi. 1801.

Die Entdekkung der Ceres ist zufällig durch einen Schreibfehler im Wollastonschen Kataloge herbeigeführt: ein kleiner Stern stand nicht an seiner Stelle: statt dessen bemerkte Piazzieinen neuen, und fand, dass es ein Planet sei. Die Vesta aber wurde von Olbersrecht mit Absicht aufgesucht und entdekt; er fand durch Rechnung, dass am Flügel den Jungfrau die Stelle sei, wohin die Knoten der Bahnen aller kleinen Planeten fallen müssen, welche zwischen Mars und Jupiter kreisen, welcher seinem Scharfsinne die gröste Ehre macht. Enckehat berechnet, ob wohl eine Zeit ein - treten könne, wo sie alle 4 sich wieder so sehr nähern könten, dass sei, so zu sagen, sich zusammenballen müsten, und hat ge - funden, dass dies in 3400 Jahren der Fall sein wird. Die Umlauf - zeit der Vesta ist von 3 Jahr 7 Monaten, von Ceres und Pallas 4 Jahr 7 Monate, bis auf wenige Tage Unterschied. Die Exzentri - zität ist bei allen sehr gros, bei der Juno und Pallas am stärksten, wodurch sie etwas kometenähnliches erhalten. Die124v Neigung der Bahn bei allen sehr stark. FTroz des kleinen Durchmessers sind sie sehr leuchtend, vielleicht durch eine eigne Phosphoreszenz; die Bahnen sind so verschlungen, dass man bei einem Modelle davon nicht eine herausnehmen könte, ohne die andern zu berühren; in den Knoten kom̃en sie sich sehr nahe.

24. Vorlesung, 26.01.1828

Wahrscheinlich sind es Trümmer von einem früheren Planeten, der aber nicht grösser war als unser Mond.

Vom Jupiter.

Mit dem Jupiter begint das System der äusseren Planeten, das ein allgemeinen dünner, mondreicher, und mit einer grösseren Ab - plattung versehn ist. Die Massen des Jupiter und Saturn zusammen üben nicht allein einen bedeutenden Einflus auf die Bahnen der Planeten, sondern auch der Kometen.

Jupiter ist ausgezeichnet durch seine grosse Lichtstärke, die gelbe Farbe und den hellen Glanz: sein Durchmesser beträgt 11 Erddurchmesser: seine Grösse übertrift um die aller übrigen Planeten in eine Kugel vereinigt. Die Dichtigkeit ist nicht grösser als Salpetersäure: dennoch aber die Masse sehr gros: daher die Störungen bedeutend.

Man sieht auf ihm Streifen und Flekken, unabhängig vom Schatten125r der Jupitersmonde, auch einzelne leuchtende Punkte. Seine Athmosphäre ist von besonderen Streifen durchzogen, welche man später entdekte, als die Monde, nachdem die Fernröhre sich vervolkomnet hatten: ja nach jezt kann man die Güte des Fernrohrs und der Beobachtungen nach der grösseren oder geringeren Deutlichkeit bestimmen, womit man die Streifen gesehn: daher wird dies auch immer bei Verfinsterungen der Trabanten angegeben. Gewöhnlich sich man 5 Streifen von bräunlicher Farbe, von denen 2 in der Nähe des Aequators stehn: der mittlere ist heller: man hat schon bis 10 Streifen gezält: dann kommen kleine beweg - liche Flekken vor, die parallel mit den Streifen aber nicht in den - selben, fortgehn. Die Bewegung, welche man in den Streifen selbst wahrnimt, scheint mit der Rotazion zusammenzuhängen. Cassinihat zuerst die Rotazion des Jupiter bestimt: er bemerkte einen kleinen Flekken, welcher am Pol stand, und von 1665 66 ununterbrochen wie - derkam: hienach war die Rotazion 9 Stunden 56 Min. 1690 war derselbe Flek wieder mehrere Monate sichtbar. Schröterbei seinen Untersu - chungen über den Jupiter fand dasselbe Resultat. Cassinibestimte die Abplattung sehr gros 1 / 14. Schröterglaubt noch eine eigenthümliche Form des Jupiter wahrgenommen zu haben, wonach die Abplattung125v nicht dem Aequator parallel, sondern vonSüdwestnachNordostherumliefe, was aber unsicher ist.

Wichtig ist der Jupiter für die Schiffahrt, durch die Verfinsterung seiner Trabanten: diese Monde, 4 an der Zahl wurden zuerst von Simon Mayer(den man gewöhnlich Mayusnent) in Anspach ent - dekt 1609: er nante sie Sidera brandenburgica: da er aber seine Ent - dekkung nicht bekant machte; so kam ihm Galileizuvor, der sie 1610 entdekte, und Sidera medicaea nante. Auch diese haben Flekke, welche besonders beim 4tenauffallend sind: durch ihn wurde ein Gesez der Weltordnung bestätigt, dassdiebei allen Monden die Umdrehung um ihre Axe gleich ist der Umdrehung um den Planeten, d. h. dass sie alle ihren Planeten dieselbe Seite zudrehen, wie unser Mond; jeder der 4 Trabanten ist grösser als unser Mond: der 3teist der gröste. Vom 1tenTrabanten aus erscheint Jupiter in einer Grösse, die das ganze Sternbild des Orion bedekken würde.

Laplacehat für die Tafeln des Jupitertrabanten sehr viel gethan, und obgleich man sich zu Messungen auf dem Meere mehr der Monddistanzen für die Länge bedient: so hat man doch126r32.auch kürzlich angefangen,Jupitermonde zu beobachten, welche eigent - lich für die Geographie der Länder von dem grösten Nuzen sind. Laplacehat die Tafeln so vervolkomnet, dass dieFehlerBerechnunggegen die Beo - bachtung nur einen Fehler von 8, 10, 12 Sek. selten über 20 Sek. giebt. Er fand auch das merkwürdige Gesez, dass die 3 ersten Trabanten nichtezugleich verfinstert werden. Sie bewegen sich als lichte Punkte vor der Scheibe vorbei, und werfen einen Schatten, der auch deutlich sichtbar ist. Aragohat für diese Untersuchungen viel gethan.

Vom Saturn.

Er ist entfernter als Jupiter, hat aber ein kleineres Volumen, wodurch also das Gesez zerstört wird, welches bis zum Jupiter gegolten hat, dass die Planeten mit der Entfernung von der Sonne an Volumen zunehmen. Sein Durchmesser ist 9,4 Erddurchmesser. Seine Rotazion, welche man erst spät fandist von 10Stunden16 Min. Die Abplattung, 1789 von Herschelentdekt, ist eine doppelte, deren gröster Durchmesser einen Winkel von 45° mit dem Aequator macht: er ist daher am Aequator und an den Polen abgeplattet: bräunliche Streifen auf dem Saturn sahen Herschel, Schröterund Kunowski. Der Saturn hat 7 Trabanten, von denen man 5 schon126v früher kante, die 2 innersten aber wurden von Herscheldurch sein 40 - füssiges Teleskop entdekt, das sonst eben keinen grossen Nuzen in Verhältnis zu seiner Grösse gebracht hat, weil es die Weltkörper nicht terminirt: daher zeigte er es auch nicht den Astronomen, sondern nur den Liebhabern; diese beiden innersten sind die kleinsten planetarischen Körper welche wir kennen, kleiner als〈…〉〈…〉Vesta; der gröste Saturntrabant ist kleiner als unser Mond. Im 7tenhat man Flekken entdekt, welche es bestätigen, dass er dem Saturn immer dieselbe Seite zukehrt; in der Zälung der Trabanten herscht oft Verwirrung, in dem man die beiden neu-hinzugekommenen oft den 6ten& 7tennennt.

Der Ring des Saturn ist eine der wunderbarsten Erscheinungen, die in unserm Planetensystem vorkomt, und einzig in ihrer Art. Er wurde nicht von Galilei, sondern von Huygensentdekt. Galileiglaubte einen dreifachen Planeten zu sehn, daher nent er ihn mit spielender Geheimniskrämerei: tergeminum planetam. Huygenserkante ihn aber 1619 wirklich als Ring. Er verschwindet in den meisten Fernröhren, wenn die Sonne in der erweiterten Ebne des Ringes steht, weil er an seiner scharfen Kante nur 113 Meilen127r Dikke hat, bei Herschelist er aber nie verschwunden. Es sind eigent - lich 2 konzentrische Ringe, welche sich gegenseitig balanziren. Zweifelhaft ist es, ob er nicht mit dem Planeten durch eine dikke Masse zusammenhängt, obgleich in Priestley's Geschichte der Optik angeführt wird, dass man einen kleinen Stern in dem Zwischenraume gesehn habe. Schröterglaubte, dass der Ring unbeweglich sei, wel - ches mit der Theorie auf keine Weise zusammenstimt: aber auch Hardingfand dasselbe, indem er beobachtete, dass gewisse Knoten auf dem Ringe, die man für Berge gehalten hat, sich 16 Stunden lang nicht von der Stelle bewegten. Man hat die Erklärung versucht, dass mehrere konzentrische Ringe, welche nicht in einen Ebne liegen, diese Knoten verursachen könten: denn verdächtig ist es immer, dass man keinen Schatten der Berge gesehn hat. Die Nächte auf dem Saturn müssen sehr malerisch sein; denn die vielen Monde durch - laufen in 11 Stunden sehr viele Wechselstellungen.

Vom Uranus.

Durch seine Entdekkung ist die Gränze des Planetensystems um das doppelte hinausgerükt worden. Sein Durchmesser beträgt 4 Erddurchmesser: seine optische Grösse 4 Sek. dennoch ist er nicht127v selten mit blossen Augen gesehn worden, woraus man schliessen kann, dass er ein starkes eignes Licht, vielleicht von einer Phosphoreszenz herrührend, haben mus. Herschelglaubte 2 Ringe an ihm zu sehn, die rechtwinkl¨[?]ig auf einander ständen: dies bestätigt sich aber nicht: dagegen fand er 6 Satelliten, die ganz unzweifelhaft sind, obgleich bis jezt nur der 2teund der 4tevon andern Astronomen gesehn wurden. Von Flekken hat man nichts bemerken können, auch keine Rotazion: dagegenochläst sich von der Stellung der Monde auf die Lage des Aequators schliessen, der senkrecht auf der Bahn steht, also geschieht die Umdrehung vonNordnach Süd.

Von den Kometen.

Das Alterthum beschäftigte sich angelegentlich damit. Die Pythagoräer hielten sie für Planeten. Diod. Siculuserzählt, die Aegypter rühmten sich, die Wiederkunft der Kometen vor - hersagen zu können; dies gründet sich nur dazrauf, dass man bei den damaligen unvolkomnen Beobachtungen irgend einen nach 70 oder 100 Jahren erscheinenden Kometen für einen frü - her dagewesenen ansah: auch die Kentnisse der Chaldäer in diesem Punkt waren gewis ganz unbedeutend. Senecahat das128r beste geschrieben, was wir aus dem Alterthume über die Kometen haben: es war zu seiner Zeit ein sehr grosser erschienen, und er diskutirt weitläufig die Frage, ob dies derselbe sein könne, der bei Caesars Tode sichtbar war. Nachher verdunkelten sich die Vorstellungen davon sehr, und bis in das 16teJahrhunderthinein hielt man sie für Meteore. Acostawill noch daraus die Höhe der Passatwinde erklären: es war grade ein Komet erschienen, der vonOstnachWestging, und da die Passatwinde dieselbe Richtung haben: so glaubte er, sie gingen bis zur Höhe des Kometen hinauf. Alle bewegen sich in sehr exzentrischen Ellipsen, manche ohne Dunst - hülle und Schweif.

Gewöhnlich giebt man an, dass der gelehrte Dörfelzu Plauen im Voigtlande 1680 die parabolische Bahn der Kometen erkant habe, allein schon früher fand H. Percy, Herzog von Northumber - land, das richtige, dass sie sich in Ellipsen bewegen. Die genaue Theorie davon gab der grosse Newton, indes war der grosse Halley- sche von 1682 bis dahin der einzige, von dem man gewis wuste, dass er wiederkehrte. In den mexikanischen Analen steht die Erscheinung der Kometen von 1490 und 1527 unter den Wundern,128v die der Ankunft der Conquistadores vorangingen. Damals wurden, wie auch öfter in China, alle Astronomen gehangen, weil sie die Erscheinung nicht vorausgesagt hatten: selbst in Paris war 1811 und 1819 eine unwillige Bewegung darüber im Volke, dass die Astro - nomen den Kometen nicht vorhergesagt hatten.

Man glaubte anfangs, in den Asteroïden einen Übergang zwischen den Planeten und Kometen zu finden, theils wegen der Exzentrizi - tät der Bahnen, theils wegen der starken Neigung derselben: man glaubte auch um die kleinen Planeten Nebel zu entdekken: allein man hat sich durch Rechnung überzeugt, dass nie aus einem Planeten ein Komet und umgekehrt entstehn kann. Laplacehat diese Unmöglichkeit zur Evidenz erwiesen. Die Kometen gehn vonOstnachWest, auch umgekehrt, und überhaupt in allen möglichen Richtungen um die Sonne.

Der Kern der Kometen ist nicht von den übrigen Theilen so abgesondert, wie man früher glaubte: er verschwimt mit der Dunsthülle: welches mit der Theorie sehr gut stimt, indem die oberen Schichten immer auf die unteren drükken müssen: um sich von diesem Drukke einen Begrif zu machen, braucht man nur anzuführen, dass auf unserer Erde in einer Tiefe von 40 Meilen das129r Platina schon schwimmen würde. Trozdem ist der Kern des Kometen durchaus nicht dicht, sondern in einem völlig gasförmigen Zustande: denn Herschelsah am 9November1795 einen Doppelstern der 12tenund13tenGrösse durch den Kern eines Kometen, ganz deutlich: wie unendlich dünn müssen nun die äusseren Schichten sein, da schon das Innere so wenig Dichtigkeit hat. Schon Lahireglaubte 1682 Phasen an den Kometen wahrgenommen zu haben, und hielt sie für nicht selbstleuchtend, wel - ches sich auch volkommen bestätigt hat: denn sie haben nur ein reflektirtes Licht.

Olbershat berechnet, dass am 26 Juni 1819 ein Komet 3 Stunden vor der Sonne gestanden habe, und warf nun die Frage auf, ob er dunkel oder hell vor derselben erschienen sei: es entstand darüber ein grosser Streit unter den Astronomen. Der General Lindener, einer der fleissigsten Sonnenbeobachter, schlug sein Tagebuch vom 26 Juni nach, hatte aber nicht einmal einen Sonnenflekken gesehn: andre hatten Sonnenflekke gesehn, aber nur an den Rändern. Wildein Hannover wolte auch einen im Zentrum gesehn haben38: allein das scharfe kritische Urtheil von Olberszeigte dennoch, dass immer noch Ungewisheit vorhanden sei.

Die Dunsthülle, obgleich sie mit dem Kern verschwimt, hängt129v doch nicht mit dem Schweife zusammen: ja bei dem Kometen von 1811 war ein dunkler Raum zwischen dem Kern und der Dünsthülle,di[?]in welcher der Kern schwamm. Galileiverglich die Kometen mit einer Flamme, welche auch sehr transparent ist. ( Katerin England hat über die Durchsichtigkeit der Flamme schöne Versuche angestelt.) In der Sonnennähe hat man bemerkt, dass der Schweif grösser wird auf Kosten der Dunsthülle.

Der Schweif ist bei manchen Kometen von einer ungewöhnlichen Länge: der von 1680 nahm 70° ein, ja 1618 stand der Komet beinahe im Zenith, während der Schweif den Horizont berührte. 1744 erschien ein Komet mit 6 Schweifen, die durch dunkle Streifen getrent waren. Oft ist der Schweif nicht ganz in der Richtung von der Sonne ab, son - dern etwas inklinirt, doch so, dass die konkaven Seiten gegeneinander stehn: doch fand man auch 1823 einen Kometen mit 2 Schweifen, wo die konvexen Seiteneinander zugekehrt waren. Ein andrer vom Ende Januar 1823 hatte 2 Schweife, von denen der eine gegen die Sonne gerichtet war. Dies stöst alles um, was man bisher über die Natur der Kometen und die Bildung des Schweifes hat vorbringen können. Die beiden Schweife bildeten einen Winkel von 160° gegeneinander. Appiansoll es zuerst bemerkt haben, dass der Schweif immer von der130r33.Sonne abgekehrt ist; Delambrehat aber in seiner Geschichte der Astro - nomie bewiesen, dass dies erst 1537 von Fra Castorogeschehn ist.

1825 wolte DunlowRühmkerin Paramatta eine Rotazion von 19Stunden36 Min. im Schweife des zurükgekehrten Enckeschen Kometen wahrgenommen haben, die Sache ist aber zweifelhaft. Nicht alle Kometen haben bei ihrem Wiedererscheinen dieselbe Gestalt: bei dem Halleyschen hat sich der Schweif sehr vermindert, so oft er wiederkehrte, gleich - sam als ob auf der langen Reise von den gasähnlichen Theilen einiges verloren gegangen wäre. Mit dem von 1811 hat man sich besonders viel in physikalischer Hinsicht beschäftigt, daher kent man auch seine Masasse genauer. Herschelgiebt den Durchmesser des Kerns auf 93 Meilen an, also 2 mal so gros als Vesta: diekkugelförmige Hülle auf 27,000 Meilen Durchmesser, und den Schweif auf 22 Millionen Meilen Länge. 1819 am 3 July erschien plözlich ein sehr grosser Komet, und an diesem untersuchte ich mit Aragoob er ein phosphoreszirendes eignes Licht, oder nur ein reflektirtes habe: wir bedienten uns dabei des prismatischen Fernrohrs vonBergkrystall von Rochon, an welchem Aragoeine glükliche Verbesserung angebracht. Durch Bergkrystall gesehn, giebt nämlich das reflektirte Licht die Komplementarfarben: Aragofand wirklich für den Kometen130v eine kolorirte Polarisazion, zugleich beobachteten wir Capella, welche in der Nähe des Kometen stand, und fanden die doppelten Bilder unverändert. Derselbe Versuch wurde mit einem Wachslicht ge - macht, welches gradezu angesehn, unveränderte Bilder gab: lies man aber dasselbe auf einen Metallspiegel fallen, so gab das nun reflek - tirte Licht eine farbige Polarisazion wie der Komet.

Die Zahl der Kometen ist schwer zu bestimmen: 400 sind uns historisch bekant, nur 128 wirklich beobachtet: im 17[. ]Jahrhundertbeobach - tete man nur 10, im 18ten65, und im 19tennoch mehr, jemehr die Fernröhre sich vervolkomnet haben. Bedenkt man nun, wie viele ungesehn in den Sonnenstralen bleiben, berechnet man nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung die verschiedene Neigung ihrer Bah - nen: nimt man hiezu ihre verschiedene Entfernung von der Sonne: so dass manche ihre Sonnennähe zwischen Jupiter und Saturn haben: so darf man die Zahl derselben auf 400,000 angeben, und zwar als Gränze des Minimum.

25. Vorlesung, 30.01.1828

Man sieht also, dass die Kometen beiweiten den grösten Theil der Bevölkerung unseres Sonnensystems ausmachen. Nessierund Pons, früher in Marseille, jezt in Italien sind als die beiden Astronomen zu nennen, welche die gröste Menge von Kometen131r entdekt haben: doch mus man auch eingestehn, dass wir in unsererneusten Zeit für Kometenbeobachtungen sehr begünstigt gewesen sind: denn von 1769 1807 ist kein grosser Komet erschienen: dann kamen aber die bedeutenden von 1807, 1811 und 1819.

Noch vor 8 9 Jahren kante man nur die Wiederkehr eines einzigen Kometen mit Sicherheit, die des Halleyschen, welche 1682 berechnet wurde, dann erschien er 1759 und wird 1835 wiederkommen. Enckemachte 1819 die glänzende Entdekkung, dass ein kleiner Komet in ungefähr 3 Jahren um die Sonne gehe, welchen daher die Franzosen: Comête de courte période nanten. Der 3te Bielasche Komet wurde erst 1826 erkant. Zwar hat Olberseinen Kometen von 1815 elliptisch berechnet, und seine Periode auf 75 Jahre bestimt: allein es findet sich gar kein früherer Komet, welcher dazu paste, und die Zukunft wird entschei - den, ob er Recht hatte. Auch hielt man die beiden Kometen von 1532 und 1660 für identisch, und erwartete ihn 1790; allein vergeblich, wie es auch Olbersvorausgesagt, welcher einsah, dass die Elemente dieser beiden Bahnen nicht übereinstimten.

Wenn durch die Astronomen, und namentlich durch Lalande, eine grosse Furcht vor der Nähe eines Kometen verbreitet worden131v ist, so wurde auch dieselbe Furcht durch die Berechnungen der Astronomen wieder gehoben. Wir müssen also betrachten, in welche Sonnennähe und Erdnähe der nächste Komet bis jezt gekommen ist; und die Nähe berüksichtigen, in welche er zur Erdbahn kommen kann. Der von 1680 warnur 34,000 Meilen von der Sonneentfernt, also 5 / 8 einer Mondweite, von der Erde 10 Millionen Meilen ent - fernt. Der von 1770 war 6 Mondweiten von der Erde vorbeigegan - gen; durch den Physiker Lichtenbergwar der Irthum entstan - den, als sei er zwischen Erde und Mond durchgegangen, dies ist aber von keinem einzigen Kometen historisch nachgewie - sen. Der 2teinnere Komet, dieer Bielasche komt der Erdbahn am nächsten, indem er in manchen Fällen nur 2 Mondweiten von derselben entfernt ist.

Die Gefahr wird überhaupt sehr vermindert durch den Gedanken an die äusserst geringe Masse der Kometen, ob - gleich nicht zu läugnen ist, dass die Geschwindigkeit der Kometen, besonders wenn die Richtung grade entgegen - gesezt wäre, einen starken Stos hervorbringen würde,132r der Komet von 1770 ging durch das System der Jupitertrabanten, ohne die mindeste Störung in demselben hervorzubringen, also mus auch die Attrakzion sehr klein gewesen sein; von demselben Kometen berechnete Laplace, dass wenn er 1 / 5000 von der Masse der Erde gehabt, so würde unser Jahr um 3 Stunden ver - längert worden sein, da es aber nicht einmal um einige Sekun - den verlängert worden ist, so läst sich daraus auf die unend - lich geringe Masse des Kometen schliessen. Der Bielasche Komet durchschneidet zwar die Erdbahn, allein dennoch ist die Unwahrscheinlichkeit sehr gros, dass er je mit der Erde zusammentreffen wird.

Der Enckesche Komet zieht seine Bahnen zwischen Merkur und Jupiter, und wurde zuerst 1786 von Méchainbeobach - tet: dann 1795 von Miss Herschel, der Schwester des Astro - nomen, von Messierund Bode. 1805 von Pons, 1819 wieder von Pons. 1822 (nach der Vorhersagung von Encke) von Rühmkerin Paramatta in Neuholland, wo man ihn sogar mit blossen Augen sehn konte. 1825 von Hardingin Göttingen. Seine Umlaufzeit132v wurde 1819 entdekt; er geht wie alle übrigen Planeten vonWestennach Osten, und kann der Erde nie gefährlich werden, da ertheilsin zu grosser Entfernung von ihr bleibt, und nicht einmal mit seiner Bahn die〈…〉〈…〉Erdbahn berührt. Die Umlauf - zeit war verschieden, welches man einer eignen im Weltraum verbreiteten Materie zuschreibt, die vielleicht mit dem Zodia - kallicht Ähnlichkeit hat, aber sonderbar genug, so auf den Kometen wirkte, dass sie ihn der Sonne näher brachte, also seine Umlaufzeit verkürzte.

Dieser Komet wird nicht nur viel Licht über die Natur der Kometen verbreiten, sondern auch für manche Erscheinungen in unserem Systeme von Wichtigkeit sein: so wird er gewis mit der Zeit über die Masse des Merkur grosse Aufschlüsse geben, über die wir fast ganz in Ungewisheit schweben.

Der Bielasche Komet wurde 1772, 1805, 1822 gesehn, und133r seine Umlaufzeit beträgt 6 Jahr 9 Monate: in der Sonnennähe ist er nicht weit von der Erdbahn, während er auf der andern Seite nicht über den Jupiter hinausgeht. Sein Umlauf wurde 1826 von Bielagefunden, und fast gleichzeitig von Gambardin Frankreich: 1826 war er 114,000 Meilen von der Erde entfernt; es könte daher wohl der Fall eintreten, dass sein Schweif sich mit unsrer Athmosphäre vermischte: man glaubte, dass dies 1783 geschehn sein, wo ein merkwürdiger Höhenrauch die Sonne mehrere Monate lang verhülte, bis zulezt Aragobewiesen hat, dass auch bei der schnellsten Bewegung des Kometen dieselbe Verdunkelung auch jenseit des Atlantischen Meeres in Amerika müste Statt gefunden haben, wov<on>sich aber keine Spur findet. Der Höhenrauch mus also anderen uns unbekanten Ursachen zuzuschreiben sein.

Von den äusseren Kometen kennen wir nur einen, den Halleyschen; er wurde zuerst 1456 gesehn, und fält also in die ominöse Zeit, wo zugleich die Araber in Westen sehr schnell aus Spanien verjagt wurden, während sie in Osten133v reissend vordrangen, und 1453 Konstantinopel eroberten. Der Papst Kalixtuslies Gebete gegen diesen Kometen ausschreiben, und ihn förmlich verwünschen. Man hat ihn beobachtet: 1531,1682, 1759 und erwartet ihn wieder am 16November1835. Er hat also eine Periode von 76 Jahren, welche zwischen 75½ und 76 schwankt wegen der Anziehung der beiden gewaltigen Mas - sen des Jupiter und Saturn, die schon (allein) für sich ein eignes System von Planeten und Satelliten ausmachen. Halleyhatte sein Erscheinen 1682 vorhergesagt, und Clairaultüberreichte der Akadémie ein Mémoire, worin sein Erschei - nen auf die Mitte April 1759 bestimt war: er erschien wirklich in der Mitte März, und wenn man damals die Störungen des Jupiter und Saturn genauer gekant, und vom Uranus etwas gewust hätte, so würde man eine Genauig - keit von 5 bis 6 Tagen erreicht haben.

Noch ist zu erwähnen, dass der Komet von 1770 durch Lexelauf Jahr Umlaufzeit berechnet wurde: er134r34.wolte aber nicht erscheinen; Burkhardtin Paris hat sich sehr darum bemüht, und endlich fand man durch eine Menge der mühseligsten Rechnungen, dass seine Bahn inflektirt worden sei: er näherte sich nämlich 1779 dem Jupiter wieder auf so weit, dass dieser auf ihn einwirken konte, und nach den unab - änderlichen Gesezen, die man mit Unrecht Störungen nent, wurde die Bahn des Kometen so sehr perturbirt, dass er sich von uns entfernte, und wahrscheinlich nie wider er - scheinen wird. Der Komet von 1815, den Olbersauf 75 Jahr ellip - tisch berechnete, stand in seiner Sonnenferne 34 Erd - Halbmesser von der Erde entfernt, der Halleysche 36 Halbmesser.

Ganz algemein betrachtet können die Bahnen der Kome - ten: Kreise, Parabeln, Ellipsen und Hyperbeln (alle 4 Ke - gelschnitte) sein: allein nur eine mögliche Geschwindigkeit giebt Kreise und Parabeln; viele Geschwindigkeiten, wie sie durch die Perturbazionen bedingt werden, geben Ellipsen und Hyperbeln. Die Parabel ist die unwahrscheinlichste, die Ellipse die wahrscheinlichste Bewegung. Die Berechnungen134v aber werden gewöhnlich für die parabolische Bewegung gemacht, weil hier die grosse Axe eliminirt wird.

Laplacehat unwidersprechlich bewiesen, dass, so grosse[Ähnlichkeiten] man auch zwischen den Asteroïden und den neu-entdekten Kometen finden wolte, doch nie ein Planet zum Kometen und umgekehrt werden könte. Er hielt die Ko - meten für irrende Nebelflekke, die von einem Sonnensystem zum andern gehn können. Überhaupt nahm er an, dass alle Weltkörper aus einem Nebelzustande hervorgegangen wären; nach Herschels Beobachtungen, welcher sah, dass die entfernten Nebelflekke sich zerspalten, theilen und zusam - menziehn. So könten aus einem Nebelflekke, worin mehrere Kerne sich befinden, Sternenhaufen entstanden sein, wie die Plejaden; wo Kerne vorhanden sind, da wird sich ein Zu - stand bilden, wie wir ihn bei den Doppelsternen wahrnehmen, dass nämlich 2 Sonnen sich um einen gemeinschaftlichen Schwerpunkt drehen. Laplaceglaubt, dass jene dunstartige135r Materie sich ursprünglich so weit verbreitet habe, als unser Sonnensystem reicht. Der Zentralkörper zog sich langsam zusam - men und rotirte auch eben so langsam. Die Rotazion erstrek - te sich aber nur so weit, als die Schwere die Zentrifugalkraft das Gleichgewicht hielt. Sobald die einzelnen Körper sich dem Zentralkörper nähern, so wird die Rotazion, wegen der vermehr - ten Masse, schneller, und die Gränze der Athmosphäre ist kleiner, als vorher. Die Zusammenziehung derAthmosphäredes Zen - tralkörpers brachte nun eine Zerreissung der dunstförmigen Materie hervor, und an der Stelle der Planeten rotirten an - fangs Ringe von einer ungeheuren Grösse. Die Planeten ball - ten sich auf 2 verschiedene Arten zusammen, entweder als selbstän - dige Kerne, (wie Erdepp. ) oder als mehrere zusammengehörige Kerne, wie die Asteroïden, von denen aber Olbersmit grossem Scharfsinne annimt, dass sie Trümmer eines früheren Kernes wären, wodurch er mehrere[derselben] mit Absicht aufsuchte und entdekte. Die Planeten bildeten nun wieder ein Zentrum135v für ihr kleineres System von Trabanten, und ein ursprüng - licher Ring als specimen ist uns beim Saturn übrig ge - blieben: wenn dieser Ring sich wieder theilte, so würde der Sa - turn noch mehrinneTrabanten, und zwar lauter innere bekommen. Dieses System von Laplacehat einige Ähn - lichkeit mit dem von Buffon, welcher annahm, dass der Stos eines Kometen auf die Sonne die Planeten davon abgesprengt habe: wenn man annimt, dass der Stos vonWestnachOstund ungefähr in der Richtung des Sonnenae - quators Statt fand: so erklärt sich hieraussowohl die geringe Neigung der Planetenbahnen gegen den Sonnenaequator, als auch ihre Translazion vonWestnachOstaber die Rota - zion um ihre Axe ist nicht hinlänglich deduzirt.

Die Sicherheit von der Dauer unseres Planetensystems beruht auf der Kentnis der Mechanik des Himmels, und wir sehn, dass im Mittelalter viel darüber gestritten wurde. Dies liegt darin, dass wir alles für zufällig halten,136r was nicht nach bestimt aufeinanderfolgenden Gesezen erklärt werden kann: allein wir müssen nicht vergessen, dass in diesen Dingen die Periode grösser sein kann als unsre Erfahrungen: wir können sie deshalb nicht messen, und dennoch mag sie existiren; ferner aber ist auch das periodische gar nicht ein - mal no〈…〉〈…〉thwendig, um uns manche Erscheinungen zu erklä - ren; wir müssen sagen, dass alles das gesezlich ist, was aus Ursachen erkant werden kann, und wie könten wir behaupten dass uns alle Ursachen bekant sind. Eine Ordnung der Dinge kann auf die andre folgen, und alle können in einer grösseren unveränderlichen Weltordnung begriffen sein.

Noch mus hinzugefügt werden, dass in unserem Pla - netensysteme selbst durchaus keinePrinzip der Zerstörung aufzufinden ist: sie mus also immer von aussen kommen, und da sind die Kometen das einzige, das sie veranlassen könte. Alle Störungen in unserem Systeme sind nur Os - zillazionen um einen mittleren Zustand. Zuerst ändern136v sie blos die Richtung der Planeten in ihrer Bahn, dann affiziren sie selbst auch die Bahnen, welche aus ihrer Lage kommen; allein diese Sekularstörungen (so nent man die in grossen Perioden sich bewegenden) sind meist abz-und zunehmend, in einem beständigen Schwanken von hinüber und herüber begriffen. So verhält es sich mit der Exzen - trizität der Erdbahn, die sich sehr genau hat berechnen lassen: sie war 8400 Jahr vor unsrer Zeitrechnung am grös - ten, und wird von nun an noch 23,000 Jahre abnehmen, dann aber sich wieder nach der andern Seite hin in's Gleichge - wicht zu sezen suchen; so ist die Exzentrizität des Jupiter jezt im Wachsen bergiffen; die des Saturn dagegen nimt ab, und wird sich in 900 1000 Jahren (nach Laplace's Be - rechnung) wieder ausgleichen. Einer der merkwürdigsten Umstände aber ist es, dass die Sicherheit vor dem Über - handnehmen der Störungen durch Jupiter und Saturn, nur darauf beruht, dass ihre Umlaufzeiten nicht beide137r durch ganze Zahlen ausgedrükt werden können, d. h. sie sind irrazional zu einander. Sie sind ungefähr wie 12: 30, aber nicht ganz: denn dies gäbe 2: 5, und in diesem Falle würden sie nicht nur sich selbst, sondern auch alle andern Pla - neten zerstören. Der Jupiter hat 4332 Tage Umlauf Saturn 10739 , woraus man leicht berechnen kann, dass sie sich nur dem Verhält - nis 2: 5 nähern, aber schon diese Näherung ist es, wodurch sie in den Stand gesezt werden, so grosse Störungen in un - serem Systeme hervorzubringen, ein Erreichen des Verhält - nisses würde die Zerstörung nach sich zie〈…〉〈…〉hn.

Eine andre Bürgschaft für die Stabilität unseres Systemes haben wir in deruUnveränderlichkeit der grossen Axe der Planetenbahnen: sie bleibt in ihrer absoluten Grösse immer dieselbe; ferner in der ungeheuren Masse des Zentralkör - pers, die eine verhältnismässige Wurfkraft herbeiführt; ferner in der grossen Entfernung der Planeten von einander; so wie137v in der Kleinheit der Exzentrizität ihrer Bahnen, und der Neigung derselben gegeneinander. Laplacesieht nur 2 Gefahren, die im Sonnensysteme selbst begründet wären: 1, die widerstehenden Mittel, worüber der Enckesche Komet Aufschlus gegeben hat, der durch eine bewegung-hemmende Materie in seiner Bahn ge - stört, und der Sonne näher gebracht ist: so wird auch nach und nach bei den Planeten die Attrakzion gegen den Zentralkörper zunehmen; 2, das Abnehmen der Masse der Sonne durch langes Leuchten, wodurch sie immer schwächer und schwächer werden würde. Allein beide Gefahren sind wenigstens noch sehr entfernt.

Das einzige nicht-periodische in unserm System ist die Rich - tung der Absidenlinie (welche durch die beiden Erdpunkte der grossen Axe der Erdbahn geht) allein dies bringt weiter keine Gefahr, sondern veranlast nur, dass sie nach und nach gegen andre Fixsterne gerichtet wird.

138r
35.

26. Vorlesung, 02.02.1828

Wir kommen nun zum zweiten Theile unserer Wissenschaft, der die tellurischen Verhältnisse umfassen wird, und den man sonst gewöhnlich mit dem Namen: physikalische Geographie bezeichnet, welche hier nach der von Strabound Vareniusge - gebenen Erklärung: affectiones telluris generales umfast.

Im allgemeinen können wir 3 Hauptmomente feststel - len, auf die wir unsre Betrachtung werden zu richten haben:

  • 1, das starre.
  • 2, die Hüllen
    • a, die elastische
    • b, die tropfbarflüssige
  • 3, das Organische,(die Pflanzen und Thiere, welche in ihren Uranfängen so nahe zusammenlaufen, dass man sie nicht wohl trennen kann: sie machen der Masse nach den kleinsten der 3 Theile aus, sind uns aber deswegen wichtig, weil in ihnen die Masse durch die Form besiegt, und in Gestalten ausgebildet erscheint.)

Die Betrachtung des starren Theiles nent man nicht ganz richtig: Geognosie, als wenn es blos auf die Kentnis der Bestand -138v theile des Erdkörpers ankäme, und man nicht auf ihre Ent - stehung, ihr Verhalten zu einander, und auf die vielen Ver - änderungen sehn müste, welche nach und nach mit ihnen vor - gegangen sind. Indessen würde es nicht[ nöthig] sein, diesen Namen zu ändern, da er einmal eingeführt, und ein andrer nicht so leicht an sein〈…〉〈…〉eStelle gesezt ist: die beschriebende Mineralogie bezeichnet man sehr gut durch: Oryktognosie.

Die Geognosie theilen wir in 5 Abschnitte:

  • 1, Gestalt und Dichte der Erde.
  • 2, innere Wärme, Lichterscheinungen.
  • 3, Elektrizität und Magnetismus, welches dieselbe Kraft ist.
  • 4, Veränderungen an der Oberfläche als Folgen der Verbindung des Innern der Erde mit dem Äusseren: Vulkane, heisse Quellen. Erdbeben.
  • 5, das Gegliederte der Kontinente, die Bergketten.

Von der Gestalt und Dichte der Erde.

Dieser Gegenstand, mit dem sich schon das Alterthum ange - legentlich beschäftigte, ist in neueren Zeiten mit ganz be - sonderer Aufmerksamkeit behandelt worden, da er so sehr139r wichtig für die Schiffahrt, die Zeichnung der Landkarten, und überhaupt für alles graphische ist, was sich auf die Erde bezieht; ja es ist noch vor kurzem der Fall vorgekommen, dass man sehr theure geodätische Operazionen hat machen lassen, um einen Kataster anzufertigen; als man die einzelnen Blätter zusammensezen wollte, war dies ganz unmöglich und nichts pas - te aufeinander, weil man auf die Krümmung der Erde keine Rüksicht genommen. Die Messungenfder Abstände am Himmel und auf der Erde sind eben so unentbehrlich für das graphische in der Geographie, als für die Bestimmung der Maasse im allge - meinen.

Geschichte der Gradmessungen.

Eine flache Erdscheibe vom Okeanos umflutet war die älteste Vorstellung, welche wir bei den Griechen von der Gestalt der Erde finden, namentlich bei Thales, dem Stifter der ionischen Schule. Pliniusgiebt sehr unkritisch an, dass Thalesschon die Kugelgestalt der Erde angenommen habe, obgleich wir be - stimt wissen, dass dieser Gedanke erst beim Pythagorasund139v seiner Schule aufgekommen ist. Dasunverwerfliche Zeugnis dafür giebt Philolaos. Für die Annahme der Kugelgestalt hatte man fast alle Gründe gefunden, die wir jezt haben; man sah bei Mondfinsternissen den Schatten der Erde rund in den Mond eintreten; man machte die Bemerkung, dass wenn man von Cypern nach Alexand〈…〉〈…〉ria segelte, das Gestirn des Canopus am Horizonte höher zu stehn kam. Die merkwürdigste Stelle ist beim Aristotelesde coelo, wo er sagt: dass die Erde rund sein müsse, weil alle Theile gegen den Mittelpunkt eine gleiche Schwerkraft haben, und dass wenn einige Theile aus die - ser Lage koämmen, sie sich dahin zurük begeben würden, um das Gleichgewicht herzustellen. Man sieht, dass diese Ansicht eine grosse Ähnlichkeit mit dem Newtonschen Systeme von den Gesezen der Gravitazion hat. Auch kömt eine Stelle beim Dioge - nes Laertiusvor, wo er sehr richtig über die Gegenfüsler spricht, welche im Alterthum fast allgemein angenommen wurden. Dies änderte sich freilich später so sehr, dass es förmlich verbo - ten wurde, die Idee der Antipoden auszusprechen, und in den140r Zeiten der Barbarei hat der Papst Zachariasden Bischof Vir - gilius von Salzburgseiner Würden entsezt, weil er behauptet hatte, es gebe Antipoden. Columbusselbst fand in dieser Hinsicht Schwierigkeiten, und konte seine Gegner nicht überzeugen, obgleich er sich der Freundschaft des bedeutenden Physikers Toscanellirühmte. Bei der Gradmessung, welche der Khalif Almahmunin Mesopotamien anstellensahlies, sah man wohl ein, dass man nicht die ganze Erde messen könne, sondern nur einen sehr kleinen Theil ihres Umfangs: man vergleicht dabei einen Him - melsbogen mit einem Erdbogen: es sind also 2 Operazionen zu machen, eine geodätische und eine astronomische, welche sich aufeinander beziehn. Ein Theil der Astronomen ging nach Norden, der andre nach Süden, und sie standen still, alss[?]ein Gestirn in ihrem Zenith um einen Grad gesunken war. Ihren Weg maassen sie nun, freilich sehr unvolkommen, nach Tage - reisen, und diese Entfernung 360 mal genommen, gab den Um - fang der Erde. Auch in Nordamerika hat man beinahe Grade mit einer Kette gemessen, allein Delambrehat gezeigt,140v dass diese Messungen höchst unvolkommen und eines geringen Vertrauens werth sind. Snellius, nicht Picafiel zuerst darauf, dass es bequemer sei, die ganze Strekke nicht hintereinander zu messen, sondern über die ganze Gegend ein Nez von trigonometrisch bestim - ten Dreiekken zu werfen, und dieses mit einer genau zu messenden Basis zu verbinden, wie es zwischen Leyden und Alcmar geschah. Picamachte eine noch schönere Operazion, indem er zugleich viel für die Vervolkomnung der messenden Instrumente that. Hiezu bediente man sich anfangs bei der Messung in Peru, genauer Holzstäbe: dann nahm man sogar Platina, in England machte man sie aus Glas, und führte die genauste Rechnung über ihre Ausdehnung. Die Temperatur wurde jedesmal angegeben, und die etwaigen Veränderungen bei der Berechnung der Länge in Anschlag gebracht. Anfangs sezte man die Lineale an einander, da dies aber einen Stos, und mithin Verrükkung des Instrumentes hervorbrachte,<so>kam man bald darauf, rechts und links ein Lineal hinzulegen, und sie aneinander - zuschieben: allein auch dieses gab noch keine hinläng - liche Genauigkeit, und man dachte darauf, den unmittelbaren141r Kontakt der Regeln ganz zu vermeiden. Hiezu hat der ausge - zeichnete Mathematiker Tralles, der in der lezten Zeit hier gelebt hat,<d>as beste Mittel angegeben, indem er vorschlug die Regeln nebeneinander zu sezen, und an dem einen Ende ein rechtwinklich gegen die Regel stehendes Fernrohr anzubrin - gen; dann schraubt man dieaszuleztg〈…〉〈…〉elegte Regel so langes bis das Ende der vorhergehenden an das Fadenkreuz im Fernrohr anschlägt: auf diese sinnreiche Art ist der körperliche Kontakt in einen blos optischen verwandelt, und die höchste Genauig - keit kann erreicht werden.

Die andre eben so wichtige Operazion ist die astronomische. Die Winkel an den beiden Enden des Grades werden durch den Unterschied der Meridianhöhe eines Sterns gemessen. Wenn man annimt, dass über jedem der beiden Enden ein Zenital - stern stände, so würde der Abstand dieser beiden Sterne am Himmel gleich sein dem Abstande der Punkte auf der Erde. Wenn man also auch nur einen Stern hat, der in einem Punkte der Basis im Zenith steht, so giebt der Unterschied in der Höhe des Sterns die Bestimmung für die Länge der Basis.

141v

Eratostheneswar der erste, welcher eine Gradmessung anstelte, die aber mehr eine Schäzung zu nennen ist. Er war Bibliothe - kar am Museum in Alexandrien, und gründete seine Arbeit auf die Betrachtung, dass in Syene ein Brunnen sei,aufindessen Grunde man am längsten Tage das Sonnenbild im Wasser sehe; so wie es auch bekant war, dass an dieser Zeit alle[Tempel und Gebäude] in Syene und auf der Insel Philae keinen Schatten werfen. Er mas nun an diesem Tage die Höhe der Sonne, wie Cleomedessagt, mit einer kupfernen Schüssel, σκάφη, in deren Mitte ein Stift von vielen konzentrischen Ringen umgeben stand, also mit einem sehr rohen Instrument, und fand den Unterschied gegen Alexandrien 12′[. ]Die Karavanenstrasse (also wieder eine sehr ungenaue Messung) gab ihm für die Entfernung von Syene bis Alexandrien 5000 Stadien, und hienach berechnete er den Umfang der ganzen Erde auf 252,000 Stadien. Wie wenig Genauigkeit die ganze Sache hatte, sieht man schon aus der Vernachlässigung 2er Punkte[:] 1, dass er auf den Durch - messer des Sonnenbildes im Brunnen keine Rüksicht nahm, 2, dass Alexandria und Syene nicht genau in demselben Meridian142r36.liegen. Es ist daher nur Zufall zu nennen, dass diese Schäzung〈…〉〈…〉ohngefähr mit der Wahrheit übereinstimmt. Er fand 5800 geogra - phische Meilen statt 5400, also immer noch ein Unterschied von 400 Meilen.

Die 2teGradmessung machte Posidonius, Ciceros Lehrer, worüber man Ideler's trefliche Untersuchungen zur Hand nehmen mus: er mas die Höhe des Canopus in Rhodus und Alexandrien, und berechnete die Ent - fernung nach Schiffahrten, also sehr unvolkommen.

Die dritte machte Ptolemaeus; da er aber nicht der Richtung des Meridians folgte, sondern in einem Winkel mit demselben fort - ging: so ist sie sehr〈…〉〈…〉ungenau, und kaum zu brauchen.

Im 9tenJahrhundertwurde eine Gradmessung unternommen vom Khalifen Almahmun, aus dem Geschlechte der Abassiden. Er hatte eine solche Vorliebe für die Astronomie gefast, dass, als er den Kaiser Michael IIIgefangen genommen, es zur ausdrüklichen Frie - densbedingung gemacht wurde, dass Michaelihm ein Manuskript des Almagest überliefern solte, damit er sehn könne, ob seine Grad - messung mit dem Ptolemaeusübereinstimme. Die Messung wurde in der Ebne bei Sindia gemacht, zwischen Basraund Tadmor. Man sehe darüber Seguillots scharfsinnige Untersuchungen142v über den besten orientalischen Mathematiker Ebn Younes; 2 Banden Astronomen gingen nach Norden und Süden, maassen denAbstUnterschied der Zenitalsterne, und fanden dasselbe, was der Khalif wünschte, und was im Almagest stand, weniger durch Zufall, als indem sie durch eine vorgefaste Meinung geleitet wurden. Wie sehr dadurch Täuschungen herbeigeführt werden können, sieht man noch aus einer neueren Messung. 1525 mas Ferneldie Entfernung von Paris nach Amiens, indem er eine Vorrichtung an seinen Wagen machte, dass er die Umdrehungen des Rades zählen konte, und diese mit der Länge des zurükgelegten Weges multiplizirte: dies gab ihm für einen Grad 57070 Toisen; Lacaille, welcher später die - selbe Entfernung von Paris nach Amiens mas, fand, sonderbar genug, 57074 Toisen, also beinahe ganz dasselbe.

Snelliusmachte 1615 eine schöne Gradmessung, indem er sich zuerst eines Nezes von Dreiekken und einer Basis bediente: Nordenin England eine andre, die aber sehr falsch war, und wo - durch Newtonlange Zeit irregeleitet wurde, indem er schon damals die allgemeinen Gravitazionsgeseze gefunden hatte, und diese mit der durch Norden bestimten Gestalt der Erde nicht übereinstimten.

143r

Picamachte 1669 die erste genau Messung, welchesich durch grosse Sorgfalt und eine genaue Kontrolle über die Fehler auszeichnet; Maraldi, 1683, und die beiden Cassini1718 machten Gradmessungen, nach denen die Erde an den Polen nicht abgeplattet, sondern zu - gespizt erschien: allein Newtonhatte schon bewiesen, dass dies nach den Gesezen der Wurfkraft und des Schwunges gar nicht möglich sei; auch hatte schon der Captain Riché1671 eine Reise nach Cayenne gemacht, wo er fand, dass eine Pendeluhr welcheser aus Frankreich mitgebracht, und die Sekunden schlug, in Cayenne alle Tage um 2 Min. 18 Sek. zu langsam ging. Dies stimte volkommen mit Newton's Theo - rie: denn die grössere Wurfkraft, welche die Erde in Cayenne (gegen Frankreich) hat, mus die Schwere der Körper vermindern, den Fall derselben langsamer machen, mithinauch das Pendel, welches auf demnGesezen des Falles beruht, retardiren; ja wir haben gesehn, dass wenn die Rotazion der Erde sich beschleunigte, ein Punkt eintre - ten würde, wodunter dem Aequator alle Steine und Berge, und überhaupt alles bewegliche weggeschleudert werden würden.

Die verschiedenen Meinungen, welche immer noch über diesen Gegen - stand herschten, und die Ungewisheit, in der man über die eigent - liche Gestalt der Erde schwebte, veranlasten endlich unter Ludwig XV, 143v1735 die grosse Expedizion nach Amerika, woran Godet, La Conda - minepp. Theil nahmen. Sie hatten aber mit grossen Schwierigkei - ten zu kämpfen, und daher dauerte die Sache von 1735 46. Sie machten ihre Messungen bei Quito, welches damals noch nicht zu Nueva-Grenada, sondern zu Peru gehörte. (Die Fläche), in<D>as Bergthal, Plateau dermsie operirten, liegt 6 7000 Fus über dem Meere, und ist von 2 Ketten der Cordilleren eingeschlossen, welche sich beinahe von Norden nach Süden erstrekken. Man muste daher die Signalpunk - te auf hohe Bergspizen verlegen, und die Gelehrten musten oft lange Zeit nahe an der Schneegränze sich aufhalten,z. B. in dem Hause des Pichincha, wo das Thermometer bei Nacht bis auf Reaum. herabsank, und bei Tage sich selten über +8° bis 10° erhob, eine für den Aequator sehr bedeutende Kälte. Man bediente sich damals der pyramidalen Signale aus Balken aufgebaut, wel - che aber den Nachtheil haben, dass sie verschieden von der Sonne erleuchtet werden, also keinen deutlichen Punkt des Visirens geben: eben so unsicher sind die Kirchthürme, die man auch wohl dazu angewendet hat. Später zog man die Nachtsignale vor, und nahm dazu Lampen mit parabolischen Spiegeln, welche unge -144r mein weit gesehn werden können; als bei der französischen Messung in Spanien die Inseln Mentera und Cabrera mit Valencia ver - bunden wurden, hat man eine solche Lampe, welche freilich mehrere 100 Toisen über dem Meere erhaben war, in einer Entfernung von 80,000 Toisen, (25 26 deutsche Meilen) gesehn. Die 3teund beste Methode hat Besselangegeben, und gGaushat den Apparat dazu erfunden, und sie bei seiner Messung angewandt. Man bedient sich des Sonnenbildes selbst, welches durch einen kleinen Spiegel reflek - tirt wird, und könte sie also Tagsignale ab nennen: sie erscheinen wie ein Stern am Tage.

Gleichzeitig mit den Astronomen in Quito gingen 1736 Clairault, Camus, de Monnierund Maupertuis(welcher einige Zeit Präsi - dent der hiesigen Akademie war) nach Schweden und Lapland: sie maassen einen Grad zwischen Torneo und dem Berge Kittelallein die Resultate sind unsicher, weil die Gelehrten sich auf der langen Reise durchaus nicht vertragen konten, und sehr gereizt nach Hause zurükkamen. Durch Vergleichung der beiden Messungen in Peru und Lapland ergab sich die Abplattung aus 1 / 305 1 / 310. Der Doktor Schwaneberg, welcher diese Messungen wiederholte,144v glaubte den Gelehrten den ungeheuren Fehler von 1200 Fus auf den Grad nachweisen zu können: neuerlich hat aber der Dr Rosenbergerin Halle wieder ihre Vertheidigung übernommen, indem er die sämtlichen Ver - handlungen revidirte, und so die Ehre der französischen Astrono - men wiederherstellte: denn jener Fehler von 1200′ würde namentlich für den astronomischen Theil der Messung, den man Maupertuisanvertraut hatte, ein grosse Nachlässigkeit voraussezen.

Wir haben also:

  • 1, die alte peruanische Messung, welche nach Delambre's Berech - nungen sehr unvolkommen ist.
  • 2, die grosse französische Messung zur Bestimmung des mêtre man hatte nämlich festgesezt, dass der 10 Millionste Theil des Erdquadranten ein mêtre, als Grundlängenmaas sein solle, und man konte hiemit sehr glüklich das Körpermaas verbinden, indem man bestimte, dass 1 Kilogramm gleich sein solte = 1 / 1000 Kubikmêtre distillirtes Wasser bei seiner grösten Dichtigkeit, d. h. bei +3½ Grad Reaumur. Bei dieser Messung wurden zuerst Repetizionskreise von Bordaangewendet, wodsich, durch eine (zwar nicht in's Unendliche) fortgesezte Wiederholung der Winkel -145r messungen der Beobachtungsfehler wohl nicht ganz eliminiren, aber doch sehr verklein<ern>läst. Die Angabe dazu machte der grosse To - bias Meayerin Göttingen, dem wir auch die Verbesserungen der Mond - tafeln verdanken.
  • 3, die englischen Messungen unter dem General R. und M⟨⟩Herr Aragohat, in Verbindung mit mir diese Messungen an die französischen angeknüpft.
  • 4, Drei grosse Messungen in Ostindien von dem General Lund T
  • 5, in Rusland, von Struveund Argeland.
  • 6, endlich die Messung von Gausin Göttingen, von der man sich sehr viel versprechen kann; sie i〈…〉〈…〉st aber noch nicht ganz beendigt, und die Resultate daher noch nicht bekant.

Ziehn wir nun das Resultat aus allen Messungen: so ergiebt sich, dass die Grade gegen Nordenkleinerhin grösserwerden:

  • unter dem Aequator57731[?] Toisen56731 Toisen
  • in Frankreich57006[?] 57006
  • in Lapland56209[?] 57209

Ein andres gutes Mittel, um die Gestalt der Erde zu bestimmen, sind die Pendelbeobachtungen, bei denen es 2 Methoden giebt:145v

  • 1, entweder man macht sich an einem bestimten Ort ein Pendel, welches Sekunden schlägt, und mist dessen Länge: dies gab Bougueran, und Bordaverbesserte die Einrichtung für das Messen.
  • 2, oder man macht sich ein unveränderliches Pendel, und sieht nach, wie - viel es an jedem Orte differirt; (wurde auch von Bouguerangegeben.)
  • Eine 3teMethode, welche sehr vortheilhaft sein soll, hat Besselin Königsberg angegeben: wir erwarten aber noch die Bekantmachung. Der Engländer Satchwelcher auch mit Franklineiner Nord - polexpedizion beigewohnt, hat Pendelbeobachtungen gemacht unter dem Aequator, in Westindien, Spizbergen und Grönland, und zu - lezt ist dieser Zweig der Wissenschaft auf das gründlichste be - handelt worden auf der Erdumseglung von Freycinetund Duperrey.

Als Resultat kann man aussprechen, dass die Abplattung zwischen 1 / 305 und 1 / 280 schwankt, und zwar ist sie neuerdings grösser geworden; ungewis ist man um 3600 Fusoder 1 / 18 der Ab -[d. h. 1 / 5000 des Erdhalbmes -〈…〉〈…〉sers] als ob man bei der Messung der Schneekoppe um 1 Fus ungewis wäre. plattung selbst. Die Figur der Erde entfernt sich also um soviel von der Kugelgestalt, als wenn man den Himalaya mal unter dem Aequator übereinandersezte, oder: der Aequator ist 64200 Fus weiter vom Zentrum entfernt als die Pole; indem also eine geographische Meile 3800 Toisen oder 22800 Fus enthält, so146r37.würde der Meeresspiegel unter dem Aequator ungefähr 3 Meilen wei - ter vom Mittelpunkte entfernt sein, als an den Polen. Da der Halb - messer der Erde 860 Meilen beträgt, so bleibt die Abplattung zwischen 1 / 305 und 1 / 290. des Ganzen.

Man hat zu die Abplattung noch auf eine andre Art berech - nen können, nämlich nach der Mondtheorie, und diese giebt das gröste Resultat; Laplacefand hienach 1 / 305. Bouvardund Burkhardt, welche alle Gradmessungen durchgerechnet hatten: 1 / 299; die Pendelbeobachtungen 1 / 280 bis 1 / 290.

Die südliche Hemisphäre hielt man länger für abgeplatteter, als die nördliche, weil sie in Vergleich mit dieser eine Wasser - hemisphäre zu nennen ist. Lacaillehat darüber Messungen amfand die südliche Hemisphäre abgeplatteter als die nördlicheKap der guten Hofnung angestelt, aber Freycinets und Duper - rey's Untersuchungen haben bewiesen, dass nicht der geringste Unterschied gegen die nördliche Hälfte da ist, wodurch die Gestalt der Erde um so regelmässiger wird. Auch A. Malaspinastelte auf seiner Reise Untersuchungen darüber an, so wie früher der General Brisbanein Paramatta, welche dasselbe Resul -146v tat gaben. Wenn aber in dieser Hinsicht die Gestalt der Erde sehr regelmässig ist, so zeigen sich doch grosse Verschie - denheiten unter den verschiednen Meridianen. Die englischen Messungen geben ein Resultat, wonach die Erde an den Polen zugespizt wäre: dies liegt aber blos daran, dass die Lage der brittischen Inseln etwas abgeplattet ist. Die französischen1 / 55 Messungen allein geben 1 / 139 für die Abplattung, welches wieder - um viel zu viel ist.

Noch ist zu bemerken, dass bei und auf kleinen vulkanischen InselnIsle de Franceetc. das Pendel schneller s〈…〉〈…〉chlägt, und manchmal an einem Tage 12 13 Sekunden voreilt: da man nun gewöhnlich unter diesen Inseln eine Höhlung vorauszusezen pflegt, welche durch die Gewalt des unterirdischen Feuers hervorgebracht sein soll: so müste nach dieser Ansicht das Pendel langsamer gehn, weil es weniger Masse unter sich hat: es scheint aber, dass die basaltischen Lavenso wie der Augitporphyr an dieser Beschleunigung Schuld sind, weil sie eine grössere Substanz haben, als andre Gebirgsarten.

Man hat auch angefangen, Längengrade zu messen, und147r gleichfalls in dieser Richtung eine Abplattung gefunden. Hen - ry39, Bou〈…〉〈…〉ssaultund Carlinihaben sich Verdienste darum er - worben, und der Längengrad ist gemessen von Bordeaux bis Fiume: die östreichische Regierung wird ihn fortsezen bis Orzora in Siebenbürgen:man wird als dann 15 Längengrade gemessen haben.Nachträglich.

27. Vorlesung, 06.02.1828

Es ist theoretisch zu unterscheiden, ob diese grössere Dichtigkeit der vulkanischen Inseln zu derselben Zeit entstanden ist, als die Erdrinde erhärtete, oder ob die schon erhärtete Rinde sich gespalten, und von innen mit einer dichteren Masse ausgefült worden ist. Dies darf für die Rechnung nicht übersehn werden: denn danach mus sich die grössere oder geringere Dichtigkeit der Erde im algemeinen richten. Ein Beispiel mag dies erläutern: wenn man in unserer Stadt Pendelbeobachtungen auf dem Observatorium machte, so würden diese für die Dichtigkeit der Erde ein bestimtes Resultat geben: hätte man aber, ehe die Beobachtungen anfingen, eine Platinakugel von 6 7 Fus Durchmesser in das untere Geschos des Observatorium's wälzen können, ohne dass der Beobachter etwas davon gewust, so147v würde sein Resultat für die Dichtigkeit der Erde ein ganz an - deres werden.

Laplaceveranlaste die schönen Operazionen, welche man in neuen Zeitenvon derfranzösischensardinischenundöstreichischen Regierung nach den Längengraden, in der Richtung der Parallelen unternommen hat: und es fand sich auch in dieser Richtung eine Abplattung, die aber noch nicht bestimt ist. Schon 1733 machten Cassiniund Maraldidie ersten Messungen dieser Art, welche aber sehr unvolkommen ausfielen, weil sie sich noch nicht, der Pulver - signale bedienten, sondern die Azimuthe maassen. In Frankreich leitetenHenryund Boussaultdie Messungen, in Italien Planaund Carlini. Sie fangen an bei Maraine am Ausflusse der Ga - ranne und gehn über den Mont Cenis nach dem Mont Blanc (der mit in das Netz der Dreiekke gezogen ist, und auf dem man ein Signal erreichtet hat) durch die Lombardei bis Fiume in einer Ausdehnung von 15 Längengraden: wenn die Messung bis Orzora in Siebenbürgen fortgesezt sein wird, so werden es im Ganzen 24 Längengrade sein. Man schäzt die Abplattung auf 1 / 250 bis 1 / 260, und der berühmte französische Astronom Nicolet148rhat eine eigne Schrift darüber herausgegeben. Sie könte auch grös - ser erscheinen, als sie ist, wegen der grossen Ebne der Lombardei. Ich befand mich zufällig bei zwei von diesen wichtigen geodätischen Operazionen: einmal mit Herrn Delambrebei einer Basismessung, und vor 2 Jahren bei den Pulversignalen in Brest.

Die Dichtigkeit der Erdschichten nimt nach innen zu, in dem Verhältnis wie die Quadrate der Abstände. Laplacehat gezeigt, dass von diesem Verhältnis die Stabilität des Ozeans abhän - gig ist; ein Queksilbermeer würde die grösten Überschwemmungen veranlassen. Wenn die Schichten sich gegen das Zentrum hin nicht verdichteten, so würde nach der Theorie die Abplattung 1 / 270 betragen: es braucht aber im Innern nicht grade Magneteisenstein sich zu befinden, der eine Dichtigkeit von 4,5 hat, noch selbst Granat von 2,3 bis 2,5, es können auch komprimirte Flüssigkeiten oder Luft sein. Ich mus hiebei des Einfals eines Nordamerika - ners Simesgedenken, der das Innere der Erde für hohl hält: er glaubt, dass nördlichen Sibirien ein Loch von 12 16 Graden im Durchmesser sich befinde. Er hatte die Absicht, dieses Loch zu148v untersuchen, und schrieb nicht nur in dieser Sache an den Magi - strat von Augsburg, sondern wandte sich auch an mehrere andre Magistrate um Unterstüzung seines Unternehmens. Die Idee ist indessen nicht neu: schon Halley, der grosse Astronom äussert etwas ähnliches in den Philosophical transactions. Auch Franklinhat fast dieselbe Meinung, und findet hierin den Grund der Erdbeben. Um diese inneren Theile zu erhellen, nimt Simes2 leuchtende Planeten, den Pluto und die Proserpina an: allein dies ist ganz unnöthig: denn schon Chladnihat bewiesen, dass die blosse Kompression der Luft (wie wir es an manchen Feuer - zeugen sehn) nicht blos eine grosse Hize geben, sondern auch einen beständigen Lichtprozes hervorbringen würde. Man würde dies sehr leicht ermitteln können, wenn Maupertuis 'Gedanke ausgeführt worden wäre, der dem Könige Friedrich IIvorschlug, in unseren Sandebenen eine Schacht von 45 50 Meilen Tiefe schlagen zu lassen, wo das Platina in der Luft schwimmen würde. Franklinhielt die Existenz der beiden149r unterirdischen Planeten für möglich, und der verdiente Physiker Lichtenberg, der aber einige wunderbare Ideen hat, macht dies sogar sehr wahrscheinlich.

Die Erde ist auch gewogen worden, und zwar in neuer Zeit sehr genau gewogen. Man hat dazu die Bergarten angewendet, und zuerst bestimmen müssen, dass der Granit 2,3 mal schwerer sei als Wasser. Laplace, Th. Young(dem wir auch die ersten Entdekkungen in den Hieroglyphen verdanken) und Yvoryhaben sich damit beschäftigt. Nach den Versuchen fand man die Dichtigkeit der Erde 4 bis 5 mal grösser als Wasser: nach der Theorie 4,7. Man hat auf einen metallischen Kern geschlos - sen, welcher aber nicht nothwendig angenommenzu werden braucht.

Die ersten dieser Wägungen, wozu man die Anziehung der Gebirge benuzte, geschahen 1774 von Maskelineund Duttonin Pertshire im nördlichen England: sie suchten sich ein Gebirge den Schebhallionderasvon Osten nach Westen streicht:manund stelten im Norden desselben ein Fernrohr mit einem Bleiloth149v oder mit einer Wasserwage auf, wodurch sie die Zenitalsterne beobachteten: wurde nun das Fernrohr im Süden des Gebirges aufgestelt, so erhielt man verschiedene Resultate, indem das Loth von seiner Richtung abgelenkt wurde. Schon Lacondamineund Bouguerfanden beim Chimboraço eine Abweichung von 13 15 Sek., und kamen auf den sehr richtigen Gedanken, dass der ungeheure Bergkegel hohl sein müsse, weil sonst die Attrakzion noch viel grösser sein würde. Bei allen diesen Versuchen wird das Loth von 2 Kräften sollizitirt: 1, von der Schwere, die es nach dem Mittelpunkt der Erde ziehtd. h. von der Erde selbst,2, von der Masse des Berges, der es von seiner Richtung ablenkt: wenn man also die Ablenkung mist, und den Berg wiegt, so erhält man durch eine einfache Proporzion als viertes Glied die Schwere der Erde selbst. Maskelinehatte den Berg in Pertshire sehr genau gemessen, aber ihn als aus einer und der - selben Gebirgsart bestehend angenommen, nämlich aus Syenit; Playfairfand aber nachher 3 Gebirgsarten darin, die er alle bestimte und maas, und wonach das Resultat der150r38.Messung auf 4,7 modifizirt wurde.

Carliniaus Mailand hat Versuche andrer Art angestelt: er beobachtete das Pendel auf dem Mont-Cenis unter allen den Störungen der grossen Gebirgsmassen ringsumher, und verglich dies mit Biot's Versuchen in Bordeaux. Danach erhielt er: 4,4.

Der vortrefliche AstronomHerr v. Zachmachte Beobach - tungen an Bergen〈…〉〈…〉beiMarseille: allein ihre Höhe war zu gering, so dass eine Ungewisheitvon 1 / 10 bis 2 / 10 Statt fand: man kann also die Resultate nicht brauchen.

Sehr berühmte Versuche machte Cavendishmit einer vortreflichen Drehwage. Schon 1768 kam Mitchellauf die Idee einer solchen Wage, aber erst 1777 wurde sie von Couloneingeführt unter dem Namen: Balance à torsion: man kann daher Mitchellnicht eigentlich die Erfindung zu - schreiben: denn er wolte sie brauchen, um die Repulsion der Sonnenstralen zu messen. Später erhielt Wollastonden Ap - parat, und von ihm Cavendish, der einen neuen sehr sorgfältig150v konstruiren lies. Man denke sich einenhölzernen Stab, an dessen beiden Enden Bleikugeln befestigt sind, und der in der Mitte an einem Faden im völligen Gleichgewicht aufgehängt ist: an jeder Seite stehn 2 andre Bleikugeln, die ungefähr 6 mal grösser sind als die ersten: das Ganze ist von allen Seiten durch Glä - ser eingeschlossen. Nähert man nun die beiden kleinen Kugeln den beidenGgrossen, so sieht man bald dass durch die Attrak - zion Oszillatzionen entstehn: diese beobachtet man von weitem durch ein Fernrohr, um durchaus keine Störungen zu machen. Da aber theils sehr viele Korrekzionen ange - bracht werden, wobei sogar die Anziehung des Gehäuses in Anschlag komt, theils auch der Kalkul sehr schwierig, und oft unsicher ist, so kann man sich auf das Resultat: 5,4 nicht recht verlassen, und Carlini's Versuche machen es wahrscheinlich, dass die Wahrheit eher unter 4,7 liege, als darüber. Bei den Versuchen mit der Attrakzion der Gebirge macht der Umstand eine grosse Ungewisheit, dass151r man selten Bergenvon derselben Gebirgsart findet; oder wenigstens den Inhalt nach den verschiedenen Gebirgsarten nicht genau bestimmen kann. Bei der Erdwage komt Arago's Entdekkung in Betracht: dass jede Näherung 2er Körper Elektro-magnetismus erregt: schon Cavendishvermuthete, dass bei den Versuchen ein elektrischer Prozes vorgehe, den er aber nicht ergründen konte.

Von der innern Wärme des Erdkörpers.

Es giebt 3 Quellen derselben: 1, die Sonnenstrahlen, deren Wirkung aber nach der Zeit ihrer Dauer und nach dem Einfalswinkel verschieden ist: daher ist die Masse der Wär - me, welche sie im Ganzen auf der Erde erregen, sehr schwer zu bestimmen. 2, die Ausstralung aller Gestirne, welche eine Temperatur des Weltraums hervorbringt: Es könte wunderbar scheinen, in dem Raume zwischen Erde und Mond, so wie zwischen Sonne und Erde eine Temperatur anzunehmen: allein Fourierin seinem treflichen Werke:[ ] traité151v analytiquede la chaleur , hat gezeigt, dass es so sein müsse: denn sonst würde es mit der Temperatur überhaupt auf der Erde schlecht aussehn, und schon im September würde alle Wärme von uns weg nach den Polen hingezogen, und dort absorbirt werden. Fourierhat bewiesen dass die Quantität Wärme, welche wir uns im Weltraume denken können, etwas grösser sein müsse, als die mittlere Temperatur der Polarge - genden. Da wir wissen, dass diese 18° R. beträgt, so könte es scheinen, als wäre dies eine negative Wärme, also Kälte, es ist aber positive Wärme, wenn man bedenkt: dass gänzliche Abwesenheit aller Wärme,sich nur durch 3000° Reaum. annähernd ausdrükken liesse. Diese Temperatur des Welt - raumes macht es, dass der Erdkörper die einmal empfan - gene Wärme nicht so schnell wieder ausstralen, sondern leichter bei sich behalten kann. 3, die primitive Wärme des Erdkörpers. Bei jedem Körper, der aus dem flüssigen in den festen Zustand übergeht, wird Wärmefreient - bunden: eben so bei dem Erdkörper: der glühende Kern152r desselben hat an und für sich eine grosse Wärme, welche durch die oxydirte Rinde gleichsam inkarzerirt ist: sie kann aber keinen Einflus äussern auf[die] Veränderung der Temperatur dieser Rinde selbst: denn das Gleichgewicht zwischen dem innern und äussern Theile ist jezt so glüklich hergestelt, dass in Jahrtausenden die Wärme der Rinde nicht um 1 / 30° R. vermindert oder vermehrt werden kann. Laplacehat berechnet, dass die Quantität Wärme, welche wir dem innern Kerne verdanken, nicht ¼° R. beträgt: daher ist Büffon's Hypothese unhaltbar, nach welcher die Erde am Ende erstarren müste. In einer Tiefe von 10 12 Fus bemerkt manschon nicht mehr die täglichen Veränderungen, in 100 120 Fus nicht einmal die jährlichen, sondern das Thermometer hat einen unver - änderlichen Stand. In den Caves de l'Observatoire de Paris, [wo ich so lange wohnte] welches eigentlich keine Keller, son - dern grosse Hohlen von früheren Steinbrüchen sind, machte man die ersten Beobachtungen dieser Art, und da sie schon152v sehr tief liegen, so zeigt das Thermometer fast gar keiner Ver - änderung: man glaubte früher, es stände im Winter höher als im Sommer, weil die Sommerwärme sich erst nach 6 Monaten dem Gestein mittheile: allein dies ist ungegründet. Lambertmachte andre Versuche, indem er sehr grosse Alkohol - thermometer von 5, 8 ja 20 Fus Länge in die Erde graben lies: in 10 Fus Tiefestandwarschon der Stand bei Tag und Nacht der - selbe, wiewohl die Jahreszeiten noch einen Einflus äusserten. Wenn auf der Oberfläche der Erde das Maximum der Wärme 15 20 Tage nach dem Sommersolstizium eintrit, so braucht es 2 3 Monate, ehe es in diese Tiefe dringt, und erst Anfang Oktober fängt das Thermometer an zu steigen. AuchDanachhat man folgendes Gesez entdekt: dass nicht alle Punkte in einer Vertikale zu gleicher Zeit ihr maximumund minimum von Wärme er - reichen. Was im allgemeinen die Erde an Wärme durch den Aequator empfängt, das verliert sie wieder durch die Pole: aber nie kann dieser Verlust auf die mittleren Temperaturen sich erstrekken. Mondbeobachtungen haben153r gezeigt, dass seit Hipparch's Zeiten, also in 2000Jahren die Erdenichtin ihrer Rotazion nicht um 1 / 4000 einer Sekunde retardirt worden ist.

28. Vorlesung, 09.02.1828

Die verschiedenen Tiefen, in denen man keine Veränderungen mehr be - merkt, sind genauer folgende:

  • beiunter Fus keine Veränderung in 24 Stunden
  • 20 in einem Jahre.

daher kann man durch ein Bohrloch von 20 Fus Tiefe in einer Stunde die mittlere Temperatur des Ortes finden.

Die Caves de l'Observatoire sind 80 Fus tief. unter der Seine oder der Schwelle des Observatoire?

Herr Aragound ich, wir haben in den Gärten des Observatoriums an einem sehr heissen Tage Versuche gemacht, indem wir mehrere Thermometer in die Erde einsenkten; es war am 20. Julius 1825, wo dasThermometerim Schatten 26½° R. zeigte, und der Sand sich bis auf 42° er - hizte, (unter den Tropen habe ich den Sand bis auf 52° beobachtet.)

Wenn die Rotazion uns Translazion der Erde zunähme, so würde der Punkt, wo man keinen Unterschied der Temperaturen153v mehr wahrnimt, näher an der Oberfläche der Erde zu liegen kom - men: die Dauer der Veränderungen bestimt die Schnelligkeit dieser Ab - und Zunahme: je kürzer die Tage und Jahreszeiten werden, um desto wenigerZeithat die Oberfläche der Erde Zeit, die Veränderungen welche in der angränzenden Luft vor - gehn, anzunehmen. Die Theorie giebt, dass die Zeiten der Temperaturveränderungen sich verhalten wie die Quadrate der Entfernungen: die täglichen Veränderungen verhalten sich zu den jährlichen wie 1: 19 (welches ungefähr das Quadrat aus 365 ist) oder: ein Ort, wo man die jährlichen Oszilla - zionen nicht mehr bemerken soll, muss 19 mal tiefer liegen, als einer, wo man die täglichen nicht mehr wahrnimmt. Die Empirie giebt uns zwei Mittel, dies zu erforschen und zu bestätigen:

  • 1, die Beobachtungen in der Grubenluft und in den Gruben - quellen: allein diese sind gefährlich, in dem die Grubenluft immer komprimirt ist, und die Grubenquellen kein gutes Resultat geben, insofern sie meist aus den oberen Strekken154r39.herabfliessen, also die Temperatur der oberen Schichten, und nicht der unteren angeben. Hieran hatHerr v. Buchdie scharfsinnige Bemerkung geknüpft, dass das Eindringen der Wärme in den Erdkörper durch das Eindringen der Flüssigkeit selbst ge - schieht, welche ihre obere Temperatur mitbringen, und dass diesem Grunde die wohlthätige Erscheinung zuzuschreiben sei, dass im Ganzen die innere Erdwärme gegen den Nordpol hin grösser ist, als bei uns, und vielleicht selbst unter dem Ae - quator.
  • 2, die Beobachtungen der Quellen selbst, und dies ist das beste und sicherste Mittel. Je heisser eine Quelle ist, desto tiefer kömt sie herauf.

Schon den Alten war die Theorie der Vulkanebekant,womit sie eine poetischeundIdee von der Werkstatt des Hephaistos und dem Pyriphlegeton verbanden. Platohat eine Kentnis von der Zentralwärme. Descartes, Leibnitz, Halleyhaben Unter - suchungen darüber angestelt: am meisten aber beschäftigte sich154v Mérandamit, von dem 2 Mémoires in den Annalen der Aka - démie stehn: das erste vom Jahr 1720, das 2tevon 1765.40 (man wird nicht leicht von einem Gelehrten 2 Mémoires finden, die so weit auseinander liegen.) Da aber zu seiner Zeit der analytische Kalkul noch sehr unvollkommen war, so hat er viele[falsche] Resultate: so glaubte er berechnet zu haben, dass für Paris die Quantität Wärme, welche aus dem Zentrum strömt für ein Jahr 400 mal grösser sei, als die Sonnenwärme, die er: été solaire nante. Lamberthat schöne Versuche hierüber angestelt; eben so Jean Sanacin den Vogesen; Saussuremit viel grösserer Schärfe in Bex und dann auf seiner Reise; Foxund Boltin den Bergwerken von Devonshire; hier bemerkte man, wie die Luft durch die Wärme der obern Athmosphäre alterirt wird, weil ein beständiger Luftwech - sel stat findet: da durch Wärme die Luft verdünt wird und in die Höhe steigt, so solte man glauben, dass die Kälte (wenn man so sagen darf) weniger leicht in die Tiefen ein -155r dringt: allein hiebei scheint kein Unterschied zu sein. Das beste Mittel bleiben immer die Bohrlöcher, welche der verdienstvolleHerr v. Trebraschon vor langer Zeit in Sachsen angewendet hat: er fand in einer Tiefe von 90 Lachter +9° R. in 130 +12°

Dubuissontrieb ein Bohrloch bis auf 1000 Fus, und[ in] einigen Schach - ten von England kam man so tief, dass die Temperatur +20° R. betrug, während die mittlereTemperaturvon Freiberg nur +6° ist. In Peru auf einer Höhe von 11,000 Fus, deren mittlereTemperatur+5 bis war,(ungefähr wie Berlin) fuhr ich an, und fand in dem Bergwerke dieTemperaturvon +15°; in Mexiko auf 6000 Fus Höhe,dewo die mittlereTemperatur+12 13° war, befuhr ich einen Schacht von 1450 Fus Tiefe, der zu den tiefsten bekan - ten gehört, und fand unten eine Quelle von +27° R.

In ganz neuer Zeit ungefähr vor 1 2 Jahren hatHerr Cordierein schäzbares Mémoire herausgegeben, worin er die relative Tiefe mit dem Zunehmen der Wärme vergleicht: allein die Bedingun - gen sind so mannigfaltig, und veränderlich, dass man manbis jezt noch zu keinem Resultate hat kommen können; indes155v läst sich vergleichungsweise sagen, dass die Kälte nach dem Innern der Erde zu weit schneller abnimt, als die Wärme, wenn man sich von der Oberfläche der Erde erhebt: man braucht oft nur 80 Fus tief zu steigen, und die Wärme wird um zunehmen; in der Luft dagegen mus man sich 650 Fus erheben, wenn die Wärme um abnehmen soll. in Paris hat man in einer Tiefe von 85 Fus eine Temperatur, die konstant auf +9°,4 R. stehn bleibt, während die mittlereTemperaturdes Ortes +8°,5 R. ist.

Die ersten Versuche über die Quellen machte Roebuck1775, ein engli - scher Physiker, dessen Arbeiten in den Philosophical transactions stehn.

Wir unterscheiden bei den Quellen 2erlei Arten.

  • 1, solche die ihre Temperatur nicht verändern
  • 2, bei denen man kleine Oszillazionen der Monate bemerkt.

In der Reise von Buchund Wahlenbergist es zuerst bemerkt, dass im Norden eine grössere Erdwärme herscht als bei uns, und dass dies den Quellen zuzuschreiben sei. Wir sehn, dass es am Nord - kap und an der Hudsonsbay immer fliessende Quellen giebt.

In Schweden vom 56 bis 66° Nordbreite nimt die Wärme der Quellen um 3 bis zu. Herrn Ermans Untersuchungen am Luisenbrunnen156r haben gezeigt, dass bei uns dieTemperaturder Quellen noch etwas grösser ist als die mittlereTemperaturdes Orts: in Süddeutschland, unter 50°Nordbreite tritt der Punkt ein, wo die beidenTemperaturenganz gleich sind. Nach Italien zu werden die Quellen kälter als diemittlereTemperaturund besonders auffallend ist dies auf den kanarischen Inseln, wie wir aus dem treflichen Werke desHerrn v. Buchwissen. Ein ähnliches Phä - nomen beobachtete ich unter den Tropen, in der grossen Höhle del Guacharo, welche von einer eignen species von unterirdischen Vögeln, einer Art von Caprimulgus bewohnt wird: hier hatten Wasser und Luft eine niedrige Temperatur als aussen vor der Höhle.

Im allgemeinen kann man feststellen, dass die Schichten, welche ungleich vom Zentrum der Erde entfernt sind, nicht immer eine verschiedene Temperatur haben; oder: die isothermen Schichten folgen allen Undulazionen der Erdoberfläche, und die Quellen nehmen nurdieihreTemperatur nach der relativen Höhe der Schichten, nicht nach ihrer absoluten über dem Meere, an.

Herr v. Buchnahm an, dass zum Theil der Grund davon in der Periode der Regenzeit liegen könne. In allen Gegenden, wo sie statt156v findet,nämlich unter den Tropen fält sie in den Winter, und dauert nie über den Mai hinaus: die Wasser haben also eine niedrige Temperatur, indem sie in die Erde eindringen, und erkälten mithin unter den Tropen die von ihnen berührten Erdschichten: dagegen könte im Norden vielleicht die Schneedekke dazu beitragen, die Wärme festzuhalten, indem der Schnee einer der schlechtesten Wärmeleiter ist, den wir kennen. Indem wir annehmen, dass die isothermen Schichten nicht in derselben Entfernung vom Zentrum der Erde liegen, so müssen schon deshalb die nördlichen Länderimunter der Oberfläche wärmer sein als die Tropen.

Wir haben noch einiges von den Eismassen zu sagen, welche man nahe an der Oberfläche der Erde gefunden. Gmelinhat alles aus den Archiven in Rusland gesammelt, aber die Factaistsind nicht zuverlässig, genug: so ist einer Erzälung auch nicht zu trauen, nach welcher in der Nähe von Irkutzk von den Kosaken ein Brunnen gegraben wurde, bei dem sie in der Tiefe von 100 Fus auf Eismassen gestossen sein sollen, die sie verhinderten, in der Arbeit weiter fortzufahren.

Sicher ist das Factum, welches unsCaptain Franklinmittheilt: auf157r seiner Reise nach dem Coppermine - und Mackenzie-flusse traf er in der gar nicht bedeutenden Breite von 65½ Grad in einer Tiefe von 3 Fus auf grosse Eismassen. Wo diese Massen zu Tage anstehn, und nie wegschmelzen, kann es sogar eine Vegetazion auf ihnen geben, da ihre mittlere Sommertemperatur +5 bis R. ist. Herrv. Chamissohat uns eine schöne Beschreibung davon gegeben. Seguierfand auf den Eismassen Erde, worin Pflanzen sehr gut hätten fortkommen können.

Noch musbemerktangeführtwerden, dassHerr v. Buchdie scharfsinnige Bemerkung machte, dass Quellen, welche Kohlensäure enthalten, 3 bis R. wärmer sind, als andre: dies findet sich nicht nur in der Wetterau, zwischen Lahn und Main, sondern an vielen andern Orten: da man nun wahrgenommen, dass alle vulkanischen Explosionen mit der Entbindung von einer ungeheuren Menge von Kohlensäure verknüpft sind, so führte dies auf den Schlus, dass jene Quellen, welche Kohlensäure enthalten, wohl näher an den vulkanischen Heerden im Innern der Erde liegen könten: daher also ihre höhere Temperatur.

Eng verbunden mit den Erscheinungen der Erdwärme ist der Erdmagnetismus.

157v

Wir können uns hier nicht darauf einlassen, seine Natur genauer zu untersuchen, sondern wir wollen nur über die geographische Vertheilung dieser Kräfte etwas beibringen. Indessen müssen einige allgemeinen Notizen über die neusten höchst wichtigen Entdekkungen vorausgeschikt werden, obgleich die Hauptmomente in das Gebiet der Physik gehören.

Die älteste Beobachtung war die, dass der Magnetismus dem Eisen und den Eisenerzen allein angehöre; man glaubte aber, dass die höheren Schichten der Erde nicht so magnetisch wären, als die tieferen: dann kam auf die Entdekkung, dass das Eisen mit Kohle gemengt (als Stahl) den Magnetismus viel länger behalte, als sonst; man mengte das Eisen mit Schwefel und Phosphor, und brachte eine Mischung hervor, welche den Magnetismus sehr lange Zeit festhält. Bald fand man, dass Nikkel und Kobalt eben so gut zu Magnetnadeln dienen könne, als Eisen. DieHerren Ritterund Richterwolten auch Mangan und Chrom hieher ziehn, aber die Sache ist noch ungewis.

Endlich machte Aragodie grosse Entdekkung, dass alle Körper transitorisch von magnetischen Kräften sollizitirt werden können:158r40.Die Veranlassung war folgende: wir befanden uns zusammen in Greenwich, um Pendelbeobachtungen zu machen undHerr Aragolies eine Nadel in einem hölzernen Kasten schwingen, welche früher in Paris geschwungen hatte: er bemerkte dass sie stark retardirte, und kam sogleich auf den Gedanken, dass der hölzerne Kasten attraktorisch darauf wirken müsse, welches sich vollkom - men bestätigte. Er verfolgte nun diese Entdekkung, und lies Kup - ferringe um den schwingenden Magnet machen, welche ihn alsobald zum Stillstand brachten: es war dasselbe, als ob er ihn im Wasser oder in einer andern hemmenden Flüssigkeit hätte schwingen lassen: wenn die Nadel ohne die Kupferringe 62 Oszillazionen machte: so konte sie mit denselben nach 20Oszillazionenzum Stillstand gebracht werden: ja die Nähe von irgend einem Körper äussert einen hemmenden Einflus auf die Nadel, welches man sich so erklären mus, dass die Nadel in einem jeden Körper transitorisch einen Pot erregt, derdannauf sie hemmend zurükwirkt, sobald sie in Bewegung ist, und sie in Bewegung sezt, wenn sie vorher ruhte. Hängt man eine Nadel an einem Faden auf, und bringt darunter eine Scheibe an, die man schnell dreht, so wird in der Scheibe ein Pol erregt: dieser wirkt auf die Nadel zurük, und nach einiger158v Zeit sieht man, dass sie zu schwingen anfängt. Um zu zeigen, dass dies nicht etwa von der Erschütterung der Luft herkomme, kann man eine gläserne Tafel über der drehenden Scheibe befestigen, die Erscheinung bleibt dieselbe. Auf diese Weise hat man in Wasser, sogar in Eis Magnetismus erregt.

Coulonverfertigte schon vor 20 Jahren Nadeln von Holz und El - fenbein, und lies sie neben Magnetnadeln schwingen: allein er kam zu keinem Resultat, und Aragogebührt mit vollem Rechte die Entdekkung des transitorischenMagnetismus.

Hansteenin Norwegen hat bemerkt, dass Magnetnadeln verschie - den schwingen, je nachdem er sie an den Nord - oder Südseite der Bäume aufstellte, ja die Richtung der Bäume soll einen Ein - flus auf die Nadel gehabt haben.

Vor allen mus aber Oerstädt's schöne Entdekkungv. 1820 erwähnt wer - den, die: Wärme, Elektrizität und Magnetismus in Verbindung brachte: er stellte eine Magnetnadel vor die Voltaische Säule, und fand, wenn er die Kette schlos, dass die Nadel affizirt wurde: dies war verschieden, je nachdem er sie über oder unter den galva - nischen Strom brachte.

Ampèrefand:dasswenn 2 elektrische Ströme gegen einander ge -159r leitet werden, dass ein kupferner Draht ganz dieselbe Bewegung macht, wie die Magnetnadel. Man machte auf diese Weise Magnete, indem man Metalldrähte in einer Schraubenlinie um einen Kupferdraht wand, wobei nicht zu übersehn ist, dass wenn man rechts herum windet, der Nordpol oben ist, wenn links herum, unten. Durch Poggendorf's und Schweigger's Multi - plikator ist man dahin gekommen, die Erscheinungen bedeutend zu verstärken, und Beckquérellsprach es aus, dass bei jeder chemischen Veränderung ein elektro-magnetischer Prozes statt - findet: er machte selbst viele Versuche darüber, und entdekte durch die Magnetnadel so kleine Quantitäten von Säuren,dasals man durch Reagenzien nie würde haben auffinden können.

Seebeckmachte die glänzende Entdekkung des Thermomagne - tismus: er fand dass man Elektrizität und Magnetismus durch Wärme erregen kann; und danach könte man nicht ohne Wahr - scheinlichkeit schliessen, dass in der verschiedenen Erwärmung der Erdoberfläche der Grund zur Erdelektrizität zu suchen sei. Das vulkanische Feuer selbst mag die Spannung derErdelektrizitätmodifiziren, und ihm kann es beigemessen werden, dass der magne -159v tische Aequator, der ohnehin nicht mit dem Erdaequator zusam - menfält, sondern sich um ihn schlängelt, im Vorrükken begrif - fen ist.

Dass die Sonnenstralen in leuchtendeiund wärmeerzeugende zer - fallen, hattenman schon früher gefundenwust: allein Morecchiniin Rom fand: dass das violette Licht auch chemische Stralen enthält, durch deren Einflus unmagnetisches Eisen magnetisch wird. Lady Sommervilleund Wollastonwiederholten diese Versuche in England. Je nachdem das Licht polarisch oder unpolarisch ist erhält man den Nord - oder Südpol: doch scheint einebesonders glüklicher Einflus der Sonnenstralen dazu zu gehören: denn diese Versuche sind nur selten geglükt.

Man glaubte früher, dass diesemagnetischen Kräfte, welche in allen eben angeführten Erscheinungen thätig sind, sich sehr hoch über die Oberfläche der Erde erhöhen. Ich habe auf einer Höhe von 15000 Fus über dem Meere magnetische Versuche angestelt, aber durchaus keine Veränderung wahr - genommen. Gay Lussac, der sich bis 21500 Fus erhoben hat, lies in dieser Höhe Magnetnadeln schwingen, die ich vorher mit160r ihm in Paris sehr genau geprüft hatte, und fand ganz dieselbe Zahl von Schwingungen, wie unten: er schlos daraus, dass also auch die magnetische Spannung dieselbe sein müsse. AlleinHerr Kupferin Kasan hat gezeigt, dass die Wärme Einflus auf die Schwingungen habe, und siebeschleunigeverringere; unten in Paris hatten wir +27° R.Herr Gay Lussachatte oben R. wenn also wirklich die magnetische Spannung oben und unten dieselbe war, so hätte der Temperatur-unterschied allein, die Nadelaffizirenretarbeschleunigenmüssen: es läst sich also grade aus der gleich grossen Zahl der Schwingungen schliessen, dass die Intensität der magnetischen Kräfte in einer so grossen Höhe abgenommen habe.

29. Vorlesung, 13.02.1828

Meine Versuche wurden angestelt in der Höhe von 14000 Fus. in der Grotte von Antisana, und indem ich sie mit denen von Quito verglich, fand ich, dass die magnetische Spannung etwas schwächer geworden war, ungefähr wie 23: 21; indessen können auch die umgebenden Trachyt-massen die Intensität der Spannung vermehrt haben. Ermanmachte eine Reihe von interessanten Versuchen in Bergwerken, und fand nach dem innern der Erde zu160v durchaus kein Zunehmen der magnetischen Spannung: allein die umgebenden Gesteinmassen können hier manche Änderung her - vorgebracht haben.Troutonin England glaubte lange, dass in der Finsternis die magnetische Kraft nicht so gros sei, als im Hellen: allein die Versuche, welche Cassiniin den Caves de l'Observatoire anstelte, haben gezeigt, dass auch bei Lam - penschein die magnetische Spannung ganz dieselbe sei, als oben im Sonnenlicht: Woher die Elektrizität entstanden sei, ist hier nicht zu untersuchen: ich will nur die Meinungen darüber anführen: einige haben geglaubt, die Erstarrung der Erdrinde habe die elektrischen Kräfte hervorgebracht: so wie man annimt, dass die primitive Wärme dadurch er - zeugt worden sei; andre glaubten nach den Versuchen von Morecchiniund der Miss Sommerville, dass sie durch die Sonnenstralen erzeugt werde: dann würde sie sich aber nur an der Oberfläche der Erde finden; Seebekhat in seinem treflichen Mémoire über den Thermo-magnetismus ange - nommen, dass das vulkanische Feuer die Ursache davon sei,161r so wie er in einem metallnen Ringe durch ungleiche Erwär - mung Magnetismus hervorbrachte: so erregt das unterir - dische Feuer den Erdmagnetismus, indem es die Schichten des Gesteins und der Metalle ungleich erwärmt: so wieürdesich auch das Wandern der magnetischen Linien erklären lassen, wenn das Feuer an einem Orte bald stärker bald schwächer ist; grade umgekehrt glaubte Ampèrein Frankreich, dass alle Wär - me eine Folge der Elektrizität sei.

Wir gehn nun zu den Erscheinungen selbst über, deren es dreierlei giebt.

  • 1, die magnetische Abweichung.
  • 2, Neigung.
  • 3, Intensität der magnetischen Kraft.

Für die magnetische Kraft überhaupt nahm man bald 4 bald 2 Pole an, und hielt den Nord - und Süd-pol derselben für den Pol der grösten Kälte. Brewsterhat dies ausgeführt in der Übersezung meiner Schrift über die isothermen Linien:alleiner stüzte sich auf die allerdings richtige Wahrnehmung, dassdNord - amerika nicht so warm ist als Europa, oder dass die isothermen161v Linien dort südlicher fallen, als bei uns: wenn man also in den vereinigten Staaten einen Punkt sucht, dessen mittlere Temperatur der von Berlin gleich ist, so wird er in Amerika unter einem viel geringeren Breitengrade liegen;er übersahaber die Wahrnehmungdies leitete Brewsterdaher ab, dass jene Gegenden in Amerika dem magnetischen Pole oder dem Kälte-pol, der sich in 60 70 Grad Nordbreite befindet (in Nord - Kanada, östlich vom Mackenzieflusse) näher liegen, als wir, dass ihre magnetische Breite geringer ist vom Pol an gerech - net, als die unsrige: er übersah aber das Faktum, dass alle westlichen Küsten wärmer sind, als die östlichen, und dass wir einen Theil unseres milden Klima's in Europa zugleich denrvorgerükten Kultur verdanken; indem also bei den isothermen Linien von einer Vergleichung deröstlichenund westlichen Küsten des atlantischen Meeres die Rede war, würde dies schon nicht mehr auf die〈…〉〈…〉Westküste von Amerika passen. Brewsterhat sogar viele Berech - nungen darüber angestelt, und gezeigt, dass indem die magne -162r41.tischen Pole sich fortbewegen, dies eine wo〈…〉〈…〉hlthätige Einrichtung für mehrere Orte,ist; indem sich, nach seiner Meinung, das maximum von Kälte von ihnen entfernt; allein es giebt 2 Gründe dagegen: 1, fand Sevinedass die gröste Kälte nicht da herscht, wo Brewstersie annahm, sondern zwischen Neu-Sibirien und der Behringstrasse, welche viel zu eng ist, um die Eisschollen abströmen zu lassen, die sich nun nördlich von derselbenansamlen[?]ansammeln, und 2, ist die westliche Küste von Amerika weit wärmer als die östliche.

Man hat gefragt, ob die magnetischen Pole nicht vielleicht die alten Erdpole gewesen wären? Klügelhat dies mit vielem Scharfsinne in einem Mémoire auseinandergesezt, indem er die von Lacailleam Kap der guten Hofnung gemessene Abplattung damit in Einklang bringen wolte. Laplacehat aber durch Rechnung das Gegentheil bewiesen, und die neueren Gradmes - sungen haben es bestätigt, dass das maximum der Abplat - tung wirklich in und um die Pole fält, wie sie jezt stehn.

Am auffallendsten zeigen dies die neusten Längengradmessun -gen162vgen von Bordeaux bis Fiume. Wenn man den ganzen gemessenen Bogen in 5 Theile theilt: so ist die Abplattung derselben sehr ungleich. Bei den höheren Gebirgen, in der Auvergne, im Viva - rais, südlich von Genf am Montblanc, ist die Abplattung geringer, grade als ob hier dichtere Theile der Oberfläche der Erde näher gewesen wären, und ihre Abrundung verhindert hätten: der Unterschied beträgt auf einen Grad 95 Toisen, welches um so bedeutender ist, da ein Längengrad im Ganzen nur 40,000 Toisen ausmacht. Dagegen in den flacheren Strekken bei Bordeaux und in der Lombardei ist die Erde stärker konvex: auch für die Breitengrade ist die Längengradmes - sung nicht ohne Nuzen: die neue Formel von Puissantzeigt, dass der Meridiangrad bedeutend dadurch verbes - sert ist; an diesen flachen Stellen beträgt die Abplattungein1 / 250, während sie im Ganzen 1 / 290 ausmacht. Wenn die vortreflichen Operazionen, die der General von Müfflingzum Theil nach eignen Beobachtungen im Preussischen machen läst, vollendet sein werden: so wird man sie mit der163r am Seeberg gemessenen Basis verbinden können, und so eine Längengradmessung von Aachen bis Posen und Königsberg haben.

Die Zahl der magnetischen Pole wird bald zu 2 bald zu 4 angenommen. Eulernahm 2. Halley4, wovon 2 beweglich, und 2 unbeweglich; Hansteenwieder 2; T. Mayernahm einen Magnet im Innern der Erde an; ungefähr dasselbe ist in einem Mémoire gesagt, das ich zusammen mit Biotgleich nach meiner Zurükkunft von Amerika über die magnetischen Kräfte herausgegeben habe. 41Der Dr Stein - häusernimt einen Planeten Minerva im Innern der Erde an, der von andern Pluto genant wurde.

Von der magnetischen Abweichung.

Wenn man eine Magnetnadel frei aufhängt: so zeigt sie nicht nach dem wahren Nordpol hin, sondern bei uns südwestlich von demselben. Den Winkel, welchen die Richtung der Nadel mit dem Meridian an jedem gegebenen Ort macht, nent man die Abweichung der Nadel. Die Griechen hatten zwar163v eine Kentnis von der Anziehungskraft des Magnetes, aber nicht von der Richtung des magnetischen Eisens nach Norden. Gewöhnlich nimt man an, dass Fl. Gioiaaus Amalfi im 13tenJahrhundertdie Magnetnadel für die Schif - fahrt soll erfunden haben, allein dies ist ganz falsch: schon 1181 wird ein Roman de la Rosa von einem Dichteram Hofe Kaiser Friedrich Ierwähnt,42 worin öfters die Marinette (so genant von ihrem Nuzen für die Marine) vorkömt. Auch findet sich eine Nachricht aus dem 12tenJahrhundertdass Norweger auf ihren Fahrten Raben mitnahmen, und diese fliegen liessen, wenn sie in der Nähe des Landes zu sein glaubten, weil sie diesen Vögeln, den Instinkt zutrauten, das Land zu finden, und dann mit den Schiffen ihrem Fluge folgten. NB. wenn sie keinen Leitstein bei sich hatten. Bei den Chinesen war der Kompas von uralten Zeiten her bekant. Der Pater Gaudiberichtet, dass sie im 12tenJahrhundertschon die Abwei - chung der Magnetnadelgebemerkt und gemessen haben,[?]164r daher rühmt sich Kolumbusmit Unrecht (obgleich er von den chinesischen Entdekkungen keine Kentnis haben konte) dass er die Abweichung auf seiner ersten Reise 1592 zuerst erkant habe: er bemerkte auch, dass zwischen den kanarischen und azorischen Inseln ein Punkt eintritt, wo die Magnetnadel den wahren Nord zeigt, hier ist also eine Linie ohne Ab - weichung. Wo dies aber nicht der Fall ist, da sezt man sich grossen Irthümern aus, wenn man, wie nur zu häufig noch geschieht, geodätische Operazionen mit der Nadel macht: zu einer grossen Genauigkeit kann man auf diese Weise nie gelangen: denn manhat bei der Magnetnadel stünd - liche Abweichungen von fast ¼ Grad bemerkt; (ich selbst beobachtete sie von 18 Minuten-Bogen in 24 Stunden. ) wenn man also eine geodätische Messung des Morgens anfängt, und des Abends vollendet, so kann man sehr bedeutende Fehler hinein bekommen.

Früher bestimte man die Abweichung auf eine sehr weitläufige Art, indem man eine Mittagslinie mas, und eine rechtwinklige Bussole darauf stelte, wo denn die164v Unterschiede sehr mühsam aufzufinden waren. Die beste Methode hatHerr v. Zachangegeben. Wenn man nämlich auf einem Fernrohr mit eiserner oder kupferner Röhre einen starken Magnet befestigt, so wird das Fernrohr die Stelle der Magnet - nadel vertreten können, und wird sich, freihängend, von selbst in den magnetischen Meridian sezen. Hat man nun im Gesichts - felde ein Fadenkreuz aufgerichtet, und visirt damit nach irgend einem Punkte, so wird es von Minute zu Minute einen andern Punkt dekken, oder auf einen andern Gegenstand zeigen: ver - gleicht man dies mit dem Meridiane, den man sich durchundeutlich. einen Stern verschaft hat, so erhält man die Abweichung.

Auf Cook's zweiter Reise fand man, dass das Eisen auf dem Schiffe der Bussole gefährlich sei, und grosse Ab - weichungen derselben hervorbringe: es kömt indes nur auf die Richtung der Kraft an, und wenn man das Eisen auf dem Schiffe so stellen könte, dass es in derselben Richtung wirkte, wie der magnetische Pol, so würde die Störung Null sein. Vor kurzem machte Barrow⟨⟩die grosse Entdekkung, dass man durch eine kleine Stahlplatte den Irthum volkom - men korrigirten könte, und gewann den grossen Preis, den die165r Admiralität auf die Lösung dieser Frage gesezt hatte. Auf den Kriegsschiffen wirken nämlich die Kanonen, und alles darauf befindliche Eisennichtaus der Ferne nicht so stark auf die Nadel, als eine kleine Eisenplatte in der Nähe des Kompasses. Man visirt mit 2 Kompassen vom Lande nach dem Schiffe und umgekehrt gegeneinander, und dreht das Schiff nach und nach, bis man den Abweichungswinkel gefunden: dann wird die Kor - rekzionsplatte neben dem Kompas in einer solchen Entfernung befestigt, dass sie grade die Wirkung der Kanonenpp. aufhebt. Captain Basil Hall[,] Caryund andere haben die Sache auf ihren Reisen versucht, und ganz anwendbar befunden: nur wenn man in irgend einen Indifferenzpunkt auf der Erde komt, so wird die Korrekzion der Platte Null sein.

Der spanische Seefahrer P. Nuñezfand 1538 zuerst einen solchen Indiffer<en>zpunkt, nicht weit vom Kap der guten Hofnung, an einem Cap, das man daher Capo de Agulias (Cap des aiguilles) nante. Costakam darauf, dass man durch dieses Mittel die Länge finden könne: allein bei der im Ganzen geringen Abweichung und dem Wechsel der Linien selbst ist es sehr ungewis.

165v

Alonzo de St Cruzmachte 1530 die ersten magnetischen Kar - ten, wie dies von Salassartneuerlich bewiesen worden ist. Wie merklich die Nadel im Laufe der Zeit abweiche, soll uns[?] an dem Beispiel von London gezeigt werden.

In London war 1580 diemagnetischeAbweichung11° 15′ östlich 1657 1665 22′ westlich nach Paris rükte die Linie ohne Abweichung später. Früher kante man nur eine solche magnetische Linie ohne Abwei - chung, welche zwischen den azorischen und kanarischen Inseln in den atlantischen Ozean fiel: dann fand man, dass sie sich in 2 Zweige theile, von denen der eine durch Konstanti - nopel ging. Hansteenhat gezeigt, dass 1818 der Punkt der grösten Elongazion eingetreten war (welches man ohne Grund mit den Nordlichtern hat in Verbindung bringen wollen) und dass sich die Nadel jezt wieder dem Pol nähert.

In Ost-Asien herscht, troz der Reise des Astronomen Schubertnoch immer Unsicherheit über die Linie ohne Abweichung, und man mus jezt wenigstens 3 oder 4 an - nehmen:166r42.

  • 1, die erste fält in den atlantischen Ozean. Sandwichinseln, Cap Augustin, streift an Brasilien hin, und geht bis 12° nördlicher Breite von Trinidad.
  • 2, in der Südsee, an der Küste von Peru. Gallopagos.
  • 3, 4, die 3teund 4teLinie sind vielleicht eine und dieselbe, die sich bei den molukkischen Inseln scheidet, der eine Zweig geht gegen China und Japan hin, der andre wun - derbar verschlungen von Bengalen nach Kasan, wie Han - steenbehauptet. Merkwürdiger Weise scheint im Innern von Afrika keine Linie ohne Abweichung zu sein; auch ist es auffallend, dass wenn die Linie auf dem Kontinent steht, die Bewegung (der Nadel) nur sehr gering ist. Der magnetische Pol in Amerika selbst ist sehr ungewis. Parry, Lyonund Sabinehaben sich darum bemüht: er variirt vom 60 70° Nördl. Breite, und vom 80ten 100tenGrade der Länge.

30. Vorlesung, 16.02.1828

Die Angular-quantität, um welche die Nadel vom wahren[Diese ganze trefliche Stelle müste am Ende der Betrachtungen über den Magnetismus stehn: denn die Inkli - nazion wird darin erwähnt, welche erst viel weiter unten erklärt wird, eben so dermagnetischeAequator.] Norden abweicht, heist die Abweichung, und läst sich am besten durch ein magnetisches Fernrohr bestimmen.

166v

Die magnetische Kraft, als ein Substrat der magnetischen Spannung, zeigt sich am deutlichsten in dem Erdlicht, welches an den Polen ausgestralt wird, und das jedesmal die Magnet - nadel auffallend affizirt.

Dass die magnetische und elektrische Kraft ein und dieselbe seien, haben Oerstädt's glänzende Entdekkungen deutlich be - wiesen: da aber immer Heterogenität in den respektiven Erscheinungen statt findet, so bedient man sich 2er Instru - mente, um sie wahrzunehmen, der Magnetoskope und der Elektroskope.

Einen ruhigen Gang zeigt die elektro-magnetische Kraft in den stündlichen oder vielmehr täglichen Abweichungen der Nadel, die beim Aufgange der Sonne nach Osten hin inkli - nirt,dannzu Mittagdurch den Meridian geht, und am Abend nach Westen sich wendet. Unperiodische Strömungen aber zeigen sich bei Gewittern, wo die Elektroskope häufig vom positiven auf den negativen Pol, und umgekehrt, überspringen. Ausserdem giebt es aber noch bei nächtlichen Versuchen wunderbare Zukkungen, die ein Schwanken umd.einen167rMittelzustand der magnetischen Spannung anzudeuten scheinen.

In England haben sich um die Lehre vom Magnetismus besonders verdient gemacht: Faraday, Davy, Herschel jun.indessen ist noch kein allgemeines Resultat zu Stande gekommen; und wenn wir gleich sagen können, dass seit 1820 grosse Schritte geschehn sind im Begreifen des na - turgemässen Ganges der magnetischen Erscheinungen: so dürfen wir uns doch nicht verhehlen, dass diese Lehre noch weit davon entfernt ist, mit so grossergGenauigkeit bestim̃t durchgeführt zu sein: als etwa die von Newtonsentdekten Gravitazionsgeseze in der ausgeführten Mechanik des Himmels. Die beiden Probleme sind aber ganz verschie - dener Natur. Bei den Gesezen der Schwere haben wir es nur mit der Masse der Körper und mit ihrer Dichtigkeit zu thun: wenn aber von den physikalischen Eigenschaften der Körper die Rede ist: dann legten〈…〉〈…〉die Heterogeineität ihrerMischunStoffe, ihre chemische Mischung, und das167v Verhalten der einzelnen Theile zu einander, dem Forscher solche Schwierigkeiten in den Weg, dass es immer schwe - rer und schwerer wird, ihre Geseze zu erkennen.

Obgleich uns der magnetische Aequator[zugänglicher] ist als die magnetischen Pole, welche man fast gar nicht kennt: so wissen wir doch auch davon sehr wenig. Herr Hansteennimt 2 Nord - und 2 Südpole an. Von den beiden Nordpolen liegt der eine in Nordamerikazwischen60 70° Breite, der andre nördlich vom Ausflusse des Jenisei. Die beiden Südpole beruhen fast ganz auf Hypothesen, da man jene Länder so wenig untersucht hat: nach Hansteen's Meinung liegen sie näher beim Südpole, als die magne - tischen Nordpole beim Nordpol der Erde,:der erste südlich im Meridian von Van Diemensland, der 2teim Meridian des erst seit kurzem entdekten Neu-Shetland und Neu - Georgien. Der eine nördliche Pol in Kanada ist auf der lezten Expedizion von Parrynördlich umgangen wor - den, so dass ihnen die Nadel nicht mehr die Richtung168r nach Norden, sondern eine ganz abweichende nach Südwest zeigte.

Der magnetische Aequator liegt da, wo die Inklinazion〈…〉〈…〉[wovon weiter unten die Rede sein wird] gleich Null ist, sehr bemerkenswerth ist es aber, dass er nicht nur nicht mit dem Erdäquator zusammenfält (was sich freilich schon aus der abweichenden Stellung seiner Pole schliessen liesse) sondern dass er nicht einmal ein gröster Kreis ist: er windet sich sehr unregelmässig um die Erde,[und] durch - schneidet den Aequator der Erde an verschiedenen Stellen: darum eben ist jede mathematische Anwendung sowohl auf die Linien, als auch auf die Erscheinungen der magne - tischen Kraft so überaus schwierig. Man hat sich bis jezt darauf einschränken müssen, nur die empirischen Geseze, denen diemagnetischeKraft auf der Erde folgt, aufzusuchen, und die isodynamischen Linien zu bestimmen: man hat sie erklärt durch einen im Innern der Erde befindlichen Magnet, mit 1 oder 2 Polen (je nachdem man 2 oder 4 Axen annahm) der in einer gewissen Bewegung begriffen ist. Dies ist aber168v keine physische Erklärung: die Schwierigkeit wird dadurch nicht gehoben, sondern gleichsam nur von der Oberfläche der Erde in ihre Tiefe gebracht.

Bedenkt man aber wiederum, dass die Linien ohne Abwei - chung, wenn sie vom Meere auf den Kontinent übergehn, länger auf demselbenKontinente verweilen, so möchte dies zu der Vermuthung Anlas geben, dass die Dichtigkeit selbst der Massen, einen Einflus auf das schnellesoder lang - same Vorrükken derselben habe.

Wir müssen uns gestehn, dass wir bis jezt keine Einsicht in den physischen Kausalzusammenhang der magnetischen Erscheinungen haben, weil wir die Grundursach derselben noch nicht haben auffinden können. Wo von etwas quan - titativ-veränderlichen die Rede ist, da kann die Mathe - matik angewendet werden, bei allem andern aber ist sie von keinem Nuzen. So wäre es z. B. sehr leicht, eine Projek - zion des Amazonenstromes nach Abszissen und Ordinaten zu machen, die man einer ganz genauen Berechnung unterwerfen könte: man würde aber durchaus keinen Schlus169r von dem oberen Laufe auf den unteren machen können.

Man kann auch durch mathematisches Interpoliren man - ches finden, wenn man eine Reihe von Erscheinungen in grossen Entfernungen vor sich hat: allein der bestimte Zustand der magnetischen Erscheinungen hat[erst] seit ganz kurzem die genauereBeoAufmerksamkeitder Forscher auf sich gezogen: alle guten Beobachtungen datiren erst von 30 35 Jahren her, und danach will man Schlüsse auf Perioden von 3 4000 Jahren machen? So hatHerr Hansteenmehrere Perioden angenommen, von denen die eine 860, die andre 1400 Jahr dauern, aber noch sehr weit von der mathematischen Schärfe entfernt sind, die wir in andern Wissenschaften er - reichen konten.

Man ist noch weiter gegangen, und hat fast spielend diese neu gefundenen Perioden, in denen der Umlauf der magnetischen Pole um den Weltpol enthalten sein soll, mit den indischen Perioden des Kadariverglichen, welche alle Multipla der geheimnisvollen Zahl 234 oder 430 sind. Der deutsche Astronom Burkhardtin Paris berechnete auf diese169v Art eine Periode, (indem erdalle Umläufe des magnetischen Poles um den Weltpol addirte) welche auch ein Multiplum von 430 ist, und ungefähr 25000 Jahre beträgt. Nun ist dies auch die Periode für die Präzession der Aequinokzien, und hierin glaubte man ein neues Geheimnis zu finden.

Aber dies führte zu keinem Resultat, und bis jezt giebt es noch keine mathematische Theorie, welche auf genügende Weise, die Abweichung, Inklinazion und die dynamischen Linien mit einander verbindet. Für die Empirie ist sehr viel geschehn, und man kann sagen, dass, so kurz auch die Zeit ist, seitdem man sich mit den magnetischen Erscheinungen genauer beschäftigt, doch die Fortschritte in der Erkentnis we - nigstens der empirischen Geseze sehr gros gewesen sind. Vor allen mus hierHerr Hansteenin Norwegen genant werden, der sehr schöne Beobachtungen mit anhaltendem Fleisse gemacht, und zuerst einen Zusammenhang der magnetischen Oszillazionen mit den Nordlichtern nachgewiesen hat: er wird noch in diesem Jahre eine Reise nach Ostasien machen, um dort die Linien ohne Abweichung zu bestimmen, und man kann170r43.sich sehr viel von dieser Expedizion versprechen.

Wir fahren fort, von der Deklinazion oder Abweichung der Magnet - nadel einiges anzuführen. Bei den 4 Linien ohne Abweichung ist nachzutragen, dass die erste, welche in den atlantischen Ozean fält, sich am wenigsten scheint geändert zu haben, und dass die 3teNeuholland und die Molukken durchschneidet, und sich in 2 Zweigen nach Asien hinauf wendet.

DieDeklinazionstündliche Abweichungwurde nicht von Grahamzuerst gefunden, wie man gewöhnlich annimt, sondern schon 1682 von den Jesuiten in Siam beobachtet. Pronyfand das Mittel, sie vermöge eines magne -[oben hies esHerr v. Zach.] tischen Fernrohres zu messen.

Schon Cassinibemerkte ein Wiederkehren der magnetischen Dekli - nazion, und Guilpert's12-jährige Versuche haben es bestätigt, dass es nicht blos eine tägliche Ebbe und Flut giebt, sondern auch2-jährliche. Die beiden maxima fallen in den Juny und Dezember, die beiden minima in den März und September,alsosirichten sich also nach den beiden Solstizien und Aequinokzien, man darf daher einen Zusammenhang mit der Rotazion sowohl, als auch mit der Trans - lazion der Erde voraussezen. Die tägliche Deklinazion könte man zu einer Uhr benuzen, die fast bis auf ¼ Stunde[genau die Tageszeit] gäbe. 170vDie Quantität der Abweichung ist bei uns in manchen Winter - monaten nur 6 7 Minuten: sie wächst aber auf 8 10und12 Min.[Im] July kann der Unterschied vom Morgen bis Nachmittag 19 Minuten, also fast ⅓° betragen: bei Nordlichtern steigt die Ab - weichung auf 20 22 Minuten.

Schon früher fand Celsiusin Schweden, was auch nachher durch Hansteenbestätigt wurde, dass die Nordlichter einen starken Einflus auf die Oszillazion der Nadel ausüben, auchvonwennman sie nicht über dem Horizonte sieht. Aragoin Paris hat sehr genau die Stunden angemerkt, wo, während der Expedizion von Parrydie Nadel unruhig wurde, und es hat sich nachher ausge - wiesen, dass jedesmal zu derselben Zeit ein Nordlicht am Him - mel gewesen war.

Die tägliche Abweichung der Nadel geht bei uns von Osten nach Westen, welches man mit der verschiedenen Erwärmung des Erd - körpers hat erklären wollen. Freycinetund Duperreyfanden grade das entgegengesezte in der südlichen Hemisphäre. Man nent dies: affollement oder Beunruhigung der Nadel.

Im Jahre 1806 beobachtete ich hier in Berlin die Nadel, während eines Nordlichtes,[das] man auch hier wahrnehmen konte: ich bemerkte eine grosse Deklinazionsveränderung, aber171r keine Zukkungen oder Oszillazionen. Bei ganz heiterm Himmel giebt es auch Stunden in der Nacht, wo die Nadel äusserst un - ruhig wird, und von 20 25 Minuten oszillirt. MitHerrn Olbers(oder Oltmans) habe ich über 1 Jahr lang dieMagnetnadel beobach - tet, und wir haben es oft bei unsern nächtlichen Versuchen bemerkt, dass mehrere Nächte hintereinander die Nadel zu denselben Stun - den unruhig wurde, es fand eine plözliche Veränderung des magne - tischen Meridians Statt.

Von der Inklinazion.

Wenn man eine Nadel, deren beide Hälften von ganz gleicher Schwere sind, magnetisirt, und horizontal aufhängt, so wird sie sich(bei uns) gegen den Nordpol hinneigen: den Winkel, um welchen sie in den verschiedenen Breiten von der Horizontallinie abweicht, nent man die Inklinazion. Die Beobachtungen, welche man auf Cook's ersten beiden Reisen daraufübergemacht, sind so unvolkommen, dass man sie kaum brauchen kann. Erst auf der dritten Reise hatte man bessere Instrumente, und nun wurden auch die Beobach - tungen genauer. Der magnetische Aequator heist diejenige Linie, in welcher die Inklinazion Null ist, also wo die Nadel völlig hori - zontal steht. In Amerika bestimte ich diese Linie unter 4 5 Grad Südbreite, wo sie die Andeskette durchschneidet. Freycinetdurchschnitt171v denmagnetischenAequator 6 mal in der Südsee. So weit man ihn jezt kent, tritt er ein beim Kap Guardafui, südlich von der Strasse Bab-el-Mandeb, und geht in das Innere von Afrika, wo man ihn nicht weiter verfolgen kann: bei seinem Austritte auf der andern Seite bleibt er immer südlich vom Erdäquator, auch in Amerika bleibt er südlich vom Amazonenstrom, bei dem Gallapa - gos-Inseln schneidet er denErd -[?] Aequator wieder, und schlängelt sich dann nördlich. Er ist aber auch nicht als stillstehend zu betrach - ten: sondern sein Durchschnittspunkte mit dem Erdäquator rükken von Osten nach Westen vor. Magnetische Breite nent man den Abstand der Orte vommagnetischenAequator, dessen Fort - schieben eine Ursach der vermehrten oder verminderten Inklina - zion ist. Für Berlin bestimte ich 1805 mit Gay-Lussacdie Inklina - zion auf 69°50′, und 1827 mitdenHerren Ermanund Encke, im Thiergar - ten auf 68°39′. Man sieht, dass sie in 22 Jahren um mehr als einen Grad abgenommen hat: mithin mus der magnetische Aequator uns näher gerükt sein. Captain Parryfand unter 73°Nordbreiteim Port Bon in der Prince Regentstrasse die Inklinazion: 88° also fehlten nur noch , dass sie Nadel perpendikulär gestanden hätte.

Ähnliche Veränderungen wie in Berlin hat man auch in Paris beobachtet, und zufällig bin ich auch da der erste gewesen, der die172r älteste genaue Bestimmung im Jahre 1798 mitHerrn Bordagemacht hat. Dieser beobachtete mit seinem vortreflichen Inklinatorium, und man fand, dass bis 1827 die Inklinazion jährlich um 4 Minuten abgenommen habe. Auch in der Havannah machte ich die ersten ge - nauen Beobachtungen, dann wiederum derCaptain Sabinevor 2 Jahren, und auch hier war die Mittelzahl der jährlichen Vorrükkung 4 Min.

Eben wie die Deklinazion, so hat auch die Inklinazion eine stünd - liche oder tägliche Variazion. Aragohat in einem Mémoire aus - einandergesezt, dass sie von 9 Uhr früh bis 6 Uhr Abends wächst, und die Nacht hindurch bis um 9 Uhr früh abnimt. 43

Von der Intensität der magnetischen Kraft.

Borda, dem wir die schönen, nach T. Mayer's Idee angefertigten Repetizionskreise verdanken, kam zuerst auf den Gedanken, ob die magnetische Kraft unter den verschiedenen Breiten nicht eine Ver - schiedenheit der Intensität zeige, und gab die dazu nöthigen In - strumente an. Lapeyrousebekam demzufolge Instrukzionen, eine freihängende Nadel schwingen zu lassen, und die Schwingungen zu zählen. Von seinen Beobachtungen ist nichts bekant ge - worden, weil die Expedizion unterging. Ich habe auf meiner gan - zen Reise eine solche Nadel oszilliren lassen, und aus vielen 1000 Beobachtungen das Resultat ziehn können,:dass die172v Intensität dermagnetischenKräfte vom Aequator nach dem Pole zunimt: auch auf meiner Reise mit Gay Lussachabenwirichin Deutschland beständig verglichene Nadeln schwingen lassen; ich beobachtete die Oszillazion vom 16°Südlicherbis zum 52°NördlicherBreite, und fand das Verhältnis von 258 Schwingungen, zu 211 unter dem Aequator: die Temperatur ist nicht ohne Einflus darauf. Sezt man die Intensität unter dem Aequator = 1,00, so ist

  • Neapel = 1,20
  • Paris = 1,34
  • Berlin[] = 1,37
  • Polargegenden = 1,70

denn auch derKapitän Parryhat auf seiner Expedizion von mei - nen Nadeln einige mitgenommen, die ich zuvor in Paris hatte schwingen lassen. Er bemerkte, dass während des Nordlichtes die Stärke abnimt.

Indessen ist bei diesen Versuchen es sehr schlimm, dass man für längere Zeiträume kein sicheres Maas des Magnetismus hat: wir können den Nadeln nicht wilkürlich eine bestimte Stärke mittheilen, und sie verlieren auch nach und nach ihre Kraft: man wird also nach 1000 Jahren durchaus nicht wissen können, wie stark oder wie schwach unsre heutigen Nadeln gewesen sind: das173r beste Mittel wäre, Nadeln von ganz ungleicher Länge und ungleicher magnetischer Kraft anzuwenden: dann könte man nach einer Reihe von Jahren, wenn nicht ein grosser Zufall obwaltete, aus dem Unterschiede ihrer relativen Stärke auf die Ab - oder Zunahme der Intensität schliessen.

31. Vorlesung, 20.02.1828

Die magnetischen Erscheinungen im allgemeinen sind parziellen Gesezen unterworfen: so haben wir bemerkt, dass vor einiger Zeit die Elongazion der Deklinazion nach Ostenihr maximum erreicht hat, dass sie jezt in einer Periode des Zurükweichens nach der westlichen Seite begriffen ist: so weis man, dass die Inklinazion häufig da zunimt, wo die Intensität abnimt: aber es ist bis jezt noch nicht geglükt, alle 3 Erscheinungen: die Deklinazion, Inklinazion und Intensität auf ein gemeinschaftliches Gesez zurükzuführen.

Ehe ich meine Reise angetreten hatte, läugnete der grosse Cavendishnoch durchaus, dass ein Unterschied in der Intensität der magnetischen Kraft vom Aequator bis zu den Polen statt finde. Th. Youngglaubte eine Formel aufgefunden zu haben, worin er die Intensität als eine Funkzion der Abweichung an - sahe, welche gar nicht zusammengesezt war: 4 3 Sin. 2 Inklinazion.

Sabine,glaubtedereben so berühmt ist durch seine Reisen nach dem173v Nordpol, als durch seine Expedizionen nach den Tropengegenden, glaubte noch ein anderes Gesez gefunden zu haben: 1 3 Cos. 2magnetischePolardistanz.

Er lies in Afrika und in den Polargegenden Nadeln oszilliren, und fand den Unterschied vom Aequator zum Pol, wie 1: 2; ich lies Nadeln auf der Andeskette im südlichen Amerika oszilliren, die Parrymit nach den Polargegenden nahm, und diese gaben,:1: 1,7. Beide Resultate sind richtig: es folgt nur daraus, das die In - tensität auf dem magnetischen Aequator selbst nicht gleich ist, ja nachdem man sie auf der Andeskette oder in Afrika mist: d'Entrecasteauxfand im indischen Archipel ein Resultat, das mit dem meinigen übereinstimt. Die Verschiedenheit mag in der innern Beschaffenheit des Erdkörpers liegen, wo einige Theile mehr leiten mögen, als andre. Wir sind noch nicht so weit, die 3 magnetischen Systeme in eins zu vereinigen: dies würde das Ziel der empirisch-physischen Wissenschaften sein: so wie es wiederum der höchste Zwek der Naturphilosophie ist, zu unter - suchen, wie die Kräfte der Materie aus dem Wesen und Begriff der Materie selbst hergeleitet werden können.

174r44.

Von dem Erd - oder Polarlicht.

Es ist dasjenige, was an den Polen ausgestralt, und gewöhnlich mit dem Namen des Nordlichts bezeichnet wird. So wie es unzweifel - haft ist, dass Venus auf ihrer dunkeln Scheibe einen Lichtprozes habe, eben so könte auch die Erde ein eignes Licht haben; es ist auch nicht unmöglich, dass in Urzeiten, wo die innere Wär - me durch Spalten oder Risse sich noch Luft mache konte, die Planeten selbst leuchtend gewesen sind. Dass der Licht - prozes in den Weltkörper aufhören könne, sehn wir in jener vulkanischen Gegend des Himmels im Schlangenträger und in der Kassiopeia, wo mehrere Sterne verschwunden sind, d. h. sie haben keinen Lichtprozes mehr, der stark genug wäre, das Licht bis zu uns zu senden. Von den Optikern ist es nicht unbemerkt geblieben, dass, wenn der Himmel auch völlig bezogen ist, in der Nacht dennoch eine Erleuchtung statt findet, die zwar schwach, aber dennoch bemerkbar ist; besonders deutlich ist die Erscheinung auf dem Meere: auch könte es möglich sein, dass das Licht so zu sagen eingesogen wird[,] z. B. vom Schnee, der es dann wieder zurükstralt: So hat man bemerkt, dass in den Bergwerken das Holz nicht leuchtet, wenn es auch völlig in174v Fäulnis übergegangen ist. Einen sehr merkwürdigen Fall hab 'ich selbst entdekt, wo ein Schaft in einer Grube nur an dem Theil leuchtete, womit er zufällig dem Tageslichte ausgesezt war: der an - dre Theilwarbliebvöllig dunkel, obgleich der Zustand der Fäulnis in beiden ganz derselbe war. Als eine besondere Seltenheit mus es angemerkt werden, dass man kürzlich in einem Steinkohlen - bergwerke in Westphahlen leuchtende Pflanzen unter der Erde gefunden hat.

Was die Form der Erscheinung des Polarlichtes anlangt, so mus angeführt werden, dass die Alten nie deutlich davon sprechen obgleich sie bis zuden brittanischen Inseln vorgedrungen sind: zwar sprechen Pliniusund Diodorhäufig von trabes igneaepp. die man in der Luft gesehn: es ist aber keine einzige Stelle da, die man deutlich auf das Nordlicht beziehn könte. Die Sage vom wilden Jäger geht durch alle Zeiten und Länder, ohne dass sich daran etwas bestimtes knüpfen liesse.

In neuern Zeiten haben wir vortrefliche und genaure Be - schreibungen von Franklinerhalten, und denen, die nach ihm die Polarländer besuchten. Es fängt an mit dem Segment eines Kreises, der bis zu 6und8 Grad über dem Horizont sich175r erhebt: es wird begränzt von einer milchweissen Zone von 1 bis Grad Breite: aus dieser Zone gehn Stralen in die Höhe, die uns geneigt erscheinen, aber nur perspektivisch:m[?]endlichbilden diese Stralen manchmal einen Dom oder ein Zelt von grösserer und geringerer Ausdehnung.

Der Nebel ist bräunlich grau, und man sieht die klein - sten Sterne darin. Hansteen, der sehr materielle Ideen vom Nordlicht hat, glaubt, der Nebel sei ein Niederschlag von Dünsten; alsdann würde man aber die Sterne nicht so deutlich dadurch sehn.

Der Bogen oder die Zone steht manchmal 12 15 Grad über dem Horizont: der Baron Wrangelsah ihn nie über 1 obgleich er schon dem Pole sehr nahe war: doch diese Nähe scheint eben von keinem Einflus auf die Höhe zu sein. Der Bogen geht manchmal durch den Zenith: theilt sich dann aber gewöhnlich in mehrere. Hansteenhat zuerst gezeigt, dass die[Konvergenz] der Stralen nur Folge der Projekzion sei.

Die Farben sind von der grösten Schönheit, man sieht, purpur, grün, violett. Sonderbar ist es, dass wenn die Streifen sich175v zwischen 2 grossen Sternen befinden, eine Veränderung des Lichtes vorgeht: es sieht grade aus, als ob die Intensität von einem Sterne zum andern überginge.

Oft bemerkt man dabei auch wirklich-leuchtende Wolken. Tienemannin Island hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, dass die sogenanten Schäfchen (Cirrus striatus), (die ich auf dem Chimboraço in einer Höhe von 3 4000 Toisen über mir beobachtet) mit dem Nordlicht in Verbindung stehn können: er bemerkte, dass sie in manchen Nächten leuchtend sind.44 Parryführt an, dass er am nächsten Morgen nach einem Nordlicht Wolken entstehngsah, grade in der Richtung des Bogens, und man hat angefangen, diese Richtungen, in denen die Cirri erscheinen, Polarbanden zu nennen.

Die Stärke ist sehr ungleich nach Verschiedenheit der Breite, doch wird sie nicht grade grösser in höheren Brei - ten. Parrysah es in der Stärke des Vollmondes, so dass man dabei lesen konte.

Die Höhe, in der es steht hielt man früher für weit be - trächtlicher als jezt. Celsiusund Bergmannhaben Messun -176r gen gemacht, wonach es in 80 100 Meilen stehn würde: dies ist aber schon deswegen unwahrscheinlich, weil die Athmos - phäre, wenn es in solcher Höhe noch eine giebt, so dünn sein müste, dass das Queksilber im Barometer sich kaum auf der Höhe von 1 / 1000 Pariser Linie erhalten würde. Dass übrigens in solcher Höhe Feuererscheinungen Statt finden kön - nen, beweisen uns die Aerolithen und Sternschnuppen.

Cavendishmachte andere Messungen, und bestimte die Höhe auf 10 15 Meilen: der Baron Wrangelwill bemerkt haben, dass die Sternschnuppen das Nordlicht, so zu sagen anzün - den: d. h. wennSternschnuppen in der Nähe desselben entstehn: so zeigt sich bald darauf Nordlicht an diese Stelle, wenn es früher nicht da war. Er legt sehr grosses Gewicht auf diese Beobachtung, aber bei Franklinund Parryfindet sich durch - aus nichts dergleichen.

Auf den leztenNordpolexpedizionen endlich, hat man ganz genaue Messungen über die Höhe des Nordlichts angestellt: in Cumberlandhaven haben sich 3 Beobachter damit be - schäftigt. Parryund Richardsonmaassen eine Grundlinie176v von 2 Meilen, und beobachteten an den beiden Endpunkten: sie fanden, dass das Nordlicht gewöhnlich nur 1 oder Meilen hoch gewesen ist: also etwas höher als der Hima - laya: oft auch hat man es unter Wolken beobachtet, die sehr niedrig lagen.

Eine andre wunderbare Erscheinung ist durch 3 Zeugen bewiesen: Parry,Schererund Rosssahen einen Stral des Nordlichtes zwischen sich und dem nächstgelegenen Lande niederschiessen, das nicht über 9000 Fus entfernt war.

Schon Cookbemerkte auf seinen Reisen, dass der leuch - tende Bogen Schatten wirft, z. B. der Hand auf das Ver - deck, und dies haben auch die lezten Reisenden bestätigt gefunden. Nach Cook, Weddellund Billinghausenscheint es sicher, dass dasNordliPolarlichtam Südpol sich weit weniger häufig zeigt, vielleicht weil jener Pol so sehr von Kontinent entblöst ist.

In Europa hat man es nicht südlicher gesehn, als Lissabon, zweifelhaft ob in Malta, dagegen sieht man es in Mexiko, obgleich die schon unter den Tropen liegt;177r dies kömt aber daher,dasweilMexiko dem magnetischen Pole, der um 10 15° vom Weltpole entfernt ist, um so viel näher liegt. Die Periodizität desselben ist früh beobachtet worden. Herschelhat es mit den Sonnenflekken in Zusam̃en - hang bringen wollen, der Physiker Rittermit den Meteor - steinen. (derselbe wolte in der Flamme des Talglichts einen Puls entdekt haben) Indessen gehn die Beobachtungen nicht über das 15teJahrhunderthinauf: in manchen Perioden waren die Nordlichter äusserst häufig, in manchen wieder auf - fallend selten, ohne dass man bis jezt auf ein Gesez hat kommen können.

jezt werden sie wieder häufiger, indessen hat Parrydoch nur alle 3 Nächte eins gesehn. Er erkundigte sich sehr angele - gentlich darüber bei den Eskimaux, konte aber keine Tra - dizion unter ihnen finden. Er beobachtete in Port-Bowen in 180 Tagen 50Nordlichter. Dagegen fanden, dass die Erscheinung177v nach den Jahreszeiten sehr verschieden ist: imNovemberim Durch - schnitt 5, im Januar 15 16. Baron Wrangel, der in einer andern Gegend über Sibirien sich dem Nordpol näherte, fand grade das umgekehrte, imJanuarwenigNordlichte, und imNovemberdie meisten.

Das zischende Getön, wovon dieNordlichte begleitet werden, ist vielfach bestritten und behauptet worden. Nach einer Jagermythe soll es wie das Prasseln eines Feuerwerkes stärker und schwächer sich hören lassen, es sind indessen eben so viele Stimmen dafür als dagegen. Pallas, der auch in Sibirien gereist ist, läugnet es durchaus. Baron Wrangelglaubt etwas gehört zu haben. L. v. Buchhat sich bei seiner Reise nach Norwegen sehr häufig danach erkundigt, aber nichts gewisses erfahren können. Hansteendagegen will gehört haben, wie die magnetische Materie zischend aus dem Innern der Erde herausfährt. Edmonstoneund Hearnewollen auch etwas gehört haben. Franklinbehauptet, es sei eine Täuschung, und rühre vom Krachen des Schnees her.

178r45.

Die Sache bleibt also ungewis, und wir können nur sagen, dass es vielleicht einigeNordlichter giebt, bei denen ein Zischen hör - bar ist.

Zweifel andere Art hat man erhoben gegen den Einflus des Nordlichtes auf die Magnetnadel. Celsiusund Wilke45fanden, dass die Nadel beunruhigt wird, andere fanden nur eine Abweichung: ich habe bei meinen Versuchen immer nur eine Abweichung, wiewohl eine sehr bedeutende, gefunden.

Der Punkt der Konvergenz, wo die Dom - oder Zelt-bilden - den Stralen sich vereinigen, liegt oft im Magnetischen Me - ridiane, oft auch im Weltpole selbst: in Melville's island wurde er einmal sogar gegen Süd Osten geneigt gesehn. Kranzin Grönland fand ähnliche Abweichungen. 46

Die Unruhe der Magnetnadel ist zwar in einzelnen Fällen beim Nordlicht nicht zu läugnen, aber dass Hansteenmeh - rere Grade Abweichung will gefunden haben, scheint un - wahrscheinlich. Sehr auffallend ist es, dass unter dem 72 73°Nordbreite nicht eine Spur von Einflus auf die Nadel hat bemerkt werden können, und dass man dennoch in Paris178v ihn wahrgenommen hat, so oft einNordlicht am Himmel war. Man spürte also in dem Phänomen selbst weniger davon, als in der Entfernung. Die Beobachtungen in Paris sind mit einem vorzüglichen Instrument gemacht, und jahre - lang fortgesezt. Dagegen war wieder die stündliche Oszilla - zion bei Parryungemein stark von 5 täglich: Es scheint also fast, als ob in diesen stärkeren Perturbazionen die Abweichung beim Nordlicht maskirt würde. Auch fand Franklin, dass es Veränderungen in der Intensität hervorbringt.

Auf der lezten Expedizion war es besonders Parry's Augen - merk, zu entdekken, ob mit demNordlicht keine elektrische Er - scheinung verbunden sei. Die Masten wurden (125 Fus hoch) mit metallnen Spizen versehn, und Leitungsketten bis an einen elektrischen Apparat geführt, allein nie fand man irgend eine solche Erscheinung, obgleich die Luft während der Zeit im hohen Grade elektrisch war. Voltaam Komer See und Birkmannin Karlsruhe wollen an den Elektroskopen Veränderungen wahrge - nommen haben, aber dies ist ungewis.

Einige hielten das Nordlicht für Eistheilchen, die in der Luft179r schweben, und in denen Farben entstehn. Meiranhielt es für eine Folge des Zodiakallichtes, das von unsrer Athmosphäre angezogen, sich da sammelt, wo es die meiste Ruhe hat, näm - lich am Pol. Biothat die sonderbare Meinung, dass es durch Magneteisensand gebildet werde, der von den nördlichen Vulkanen ausgespieen ist.

Scoresbywar der erste, welcher bemerkte, dass es auf Winde, Stürmepp. Einflus habe: nachher fand man, dass es auch mit den Wolken in Verbindung steht: es bleiben gleichsam Spuren desselben am nächsten Morgen in den Wolken.

Gay-Lussachat auf eine scharfsinnige Art gezeigt, dass bei der Bildung von Gewittern, die ganze Quantität der Elektrizität, die auf jedem Wasserbläschen schwimt, gegen die Oberfläche der Wolke getrieben wird, wenn sich diese Bläschen zu einer Wolke zusammenballen, (und auf diese Art wäre wenigstens theilweise die Bildung der Gewitter erklärt) eben so könte es mit den federbuschartigen Wolken sein, die man alsNordlicht sieht:sieihrMagnetismus wird an die Oberfläche getrieben. Dazu kömt noch, dass die Stralen, die von dem179v Bogen ausgehn, sich nach dem magnetischen Pole hinneigen, also von ihm angezogen werden. Ganz dasselbe haben höchst merkwürdigerweise Davyund Aragoim kleinen entdekt. Bei den sehr starken Voltaischen Säulen, die man England hat, erscheint bei dem Überströmen der elektrischen Materie durch 2 Kohlen eine Flamme von 3 4 Zoll Länge (welche das(welcher d.magnetischenPol der Erde vorstelt) Nordlicht vorstelt). Aragohat durch einen Magnetdie Flam̃e abgelenkt, und zwar so, dass derNordpoldesMagnetssie anzog, der Südpol sie absties; grade wie der Erdmagnetismus die Stralen des Nordlichtes lenkt.

32. Vorlesung, 23.02.1828

Indem ich jezt zu den Erdbeben, heissen Quellen und Vulkanen übergehe, will ich in Erinnerung bringen, dass wir auch diese Erscheinungen nicht abgesondert und für sich betrachten werden, sondern im Zusammenhange dieser ganzen Reihe: denn nur, wenn man alle einzelnen Theile der Geognosie in Verbindung bringt, kann man einen Schematismus der geognostischen Erscheinungen zu Stande bringen.

Es wird dies klarer werden, wenn wir die 5 Abschnitte der Geognosie noch einmal kurz zusammenstellen:

180r

Wir sprachen

  • 1, von der Form und Dichtigkeit der Erde. Durch das Verdikken der flüssigen Theile entsteht die innere Erdwärme, sie trägt mächtig dazu bei,
  • 2, die elektro-magnetische Spannung zu bestimmen und zu erhalten, mit der das Polarlicht in der engsten Verbindung steht. Durch die innere Erdwärme werden zum Theil bedingt
  • 3, die Veränderungen auf der Erdoberfläche, die sich hauptsäch - lich in den 3 folgenden Gestalten zeigen, als
    • a, Erdbeben, dynamische Veränderungen.
    • b, heisse Quellen, so wie Moffetten, Luftquellen.
    • c, Vulkanen
  • 4, die äussere Rinde selbst, Gebirgsarten; neuere Ansicht, dass dieGebirgsartenVulkanekörniges Gestein bilden. Spuren der Organisazion in Versteinerungen. Phänomene von Erhebung der Gebirge im grossen.
  • 5, die Ansicht der Erdoberfläche; Gliederung der Kontinente, Richtung der Bergketten; Untersuchung, ob die Richtungsaxe der Gebirge parallel ist der Streichung, welche mit dem Fallen immer einen Rechten Winkel macht; EbnenundFlusthäler. 〈…〉〈…〉
180v

Wenn wir die Geognosie in dieser Algemeinheit fassen, so müssen wir sagen, dass die Alten sie nicht gekant haben; obgleich es bei ihnen, so gut wie bei uns, Vulkanisten und Neptunisten gab. Heraklit, der alles aus dem Feuer herleitete, war das Haupt der Vulkanisten, Thalesund die Ionier bildeten die neptunische Schule; aber eben so wie bei uns seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts, so gewannen bei den Alten seit Platodie vul - kanischen Ideen die Oberhand. Ich selbst bin ein Beispiel der Umänderung eines Neptunisten in einen Vulkanisten, und alge - mein betrachtet man jezt Porphyr und Granit als Produkte des Feuers. Douglasin England ist auf den scherzhaften Einfall gekommen, ein Thermometer von Geognosten zusammenzusezen, auf dem man angedeutet sieht, wie die verschiedenen Gelehrten von dem wässrigen Reiche des Neptunismus in die feurigen Regionen des Vulkanismus sich erhoben haben. 47Diese Veränderung kann aber durchaus nicht getadelt werden: denn in einer Wis - senschaft welche fortschreitet, wie die Geognosie, dürfen nur die Stillstehenden ihrer Stabilität sich rühmen.

Im Mittelalter gaben die Araber einen neuen heilsamen Anstos, indem sie die Gebirgsarten nach ihrem Gewebe und181r ihrer Struktur unterschieden. Vieles blieb ihnen aber völlig fremd. So kanten sie durchaus nicht die Kristallographie, eine so wichtige Wissenschaft. Diese ist erst in ganz neuer Zeit von Hauyin Frankreich, und unter uns von Weissgegründet. Über - haupt gehört die Geognosie im engern Sinne zu den allerneusten Wissenschaften. Sie zält seit ihrer Entstehung kaum 40 Jahr. Der eigentliche Gründer derselben, welcher zuerst auf die Lagerung der Schichten übereinander, auf die Formazionen aufmerksam gemacht hat, ist der unsterbliche Wernerin Freyberg. Vor ihm war die Geognosie in unserm Sinne gar nicht bekant; ihr Name erinnerte lange nur an geologische Träume und Spiele dichterischer Einbildungskraft. GeognostischenominabilisMythen ersezten und zerstörten die Beobachtungenaccusabilis, und es findet sich darin eine wunderbare Übereinstimmung bei allen Völkern. Ungewis bleibt es immer, ob zur Zeit jener Katastrophen, wo die Erdrinde, schon erhärtet, den furchtbarsten Umwälzungen mus ausgesezt gewesen sein, unser Geschlecht schon existirte, ob einzelne Grup - pen sich auf hohe Berge retteten, und so einen Anklang jener urweltlichen Vorgänge uns erhalten haben.

181v

Von den Erdbeben.

Die Definizion des Erdbebens ist: Erschütterung der festen und flüssigen Theile der Erdoberfläche durch eine unterirdische Ur - sache. Diese Ursach kennen wir nicht, wir können nur durch Analogie schliessen, von welcher Art sie sein könne. Dass sie sehr tief liegen müsse, läst sich daraus beweisen, dass mit den Landstrekken zugleich das Meer bewegt wird, wo es 6 7000 Fus Tiefe hat. Ich selbst erlebte 2 sehr heftige in der Südsee, und hatte Gelegenheit, die Erscheinung zu beobachten: es ist, als ob das Schiff barrirt, d. h. auf eine Sandbank gerathen wäre, eine solche Erschütterung geht durch alle Planken und Bal - ken desselben. In den meisten Gegenden schreibt man das Erdbeben lokalen Ursachen zu: bei vielen Städten, die dem - selben ausgesezt sind, schiebt man die Schuld auf einen nahegelegenen Berg: allein dies ist durchaus nicht richtig. Ein eben so verbreitetes Vorurtheil ist es, dass ein gewis - ser Zustand der Athmosphäre ihm vorangehe, dass das Barometer sehr tief stehe, dass der Horizont mit röth - lichen Dünsten bedekt sei[pp. :] alles dies ist vollkommen falsch. 182r46.Wohl aber ist es in Südamerika der Fall, dass vor der Re - genzeit sehr starke Erdbeben vorherzugehn pflegen: diesErd - beben sind in diesem Lande so häufig, dass man sie gar nicht zählen kann; aber nie hat die Athmosphäre Einflus darauf: in Folge der Erdbeben verändert sich manchmal das Wetter. Das schrekliche Erdbeben in Riobamba, wobei 40,000(in wenigen Minuten) Indianer umkamen, war auch kurz vor der Regenzeit ein - getreten; allerdings bemerkt man an manchen Orten vor dem Erdbeben einen veränderten Barometerstand, dies kömt aber daher, dass schon an einer andern Stelle eine Erschütterung Statt gefunden hat, deren Einflus, bei der grossen Schnelligkeit, womit die Athmosphäre diese Bewegungen fortpflanzt, auf das Barometer einwirkt. Dabei mus aber bemerkt werden, dass die tägliche Ebbe und Flut des Barometers,(welche unter den Tropen so regelmässig ist, dass man bis auf 10 Minuten die Zeit danach bestimmen könte) nicht im mindesten durch die Erdbeben gestört wird. Ich habe unzälige Beobachtungen darüber angestelt, und nie eine Veränderung bemerkt.

Oft ist mit dem Erdbeben ein unterirdisches Getöse verbunden. 182vDas was man in Italien hört, ist eben so unbedeutend, als die Erschütterungen selbst, in Amerika dagegen istdes viel stärker. In Quito, welches man für ganz unterminirt halten kann, hört man 7 8 Minuten vor dem Erdbeben ein Rasseln und Klirren, dazwischen einen hellen Klang, den die Eingebornen dem Klirren der Ketten vergleichen, den ich aber ähnlicher finde dem Zerspringen einer glasigen Masse oder dem Niederfallen von Obsidianfelsen. Sehr selten, obgleich nicht ohne Beispiel ist es, dass man einGuanaxuato Getöse ohne Erdbeben hört: so war es 1784 in Guai [?]jaquil der Fall, und[ ich] habe selbst viele Leute gesprochen, welche sich des Phänomens erinnerten und genau Rechenschaft davon abzulegen wusten. Die Spanier nennen dies Getöse: huelos subterraneos. Es lies sich zuerst ein ferner unterir - discher Donner hören, der nach und nach stärker wurde: er erreichte sein maximum, und nahm wieder ab, nachdem das ganze 3 Monate gedauert. Merkwürdig ist es, dass in den Bergwerken er nicht stärker wurde, man mochte auch bis in die lezte Tiefe hinab steigen: man hat damals183r viele Versuche angestelt, um zu entdekken, ob nur die leise - ste Erschütterung damit verbunden sei, aber vergebens: man stelte in die Bergwerke Gläser mit Wasser, die man übervoll gos, damit sie bei dem kleinsten Anstos überfliessen musten, aber sie blieben voll. Eben so sonderbar ist es, dass dies Getöse sich auf den Raum von ¼ Quadratmeile beschränkte, wenn man diesen verlies, so hörte man nichts mehr. Man hat aber bemerkt, dass diese ¼Quadratmeileaus jenem Thonschiefer besteht, der so häufig mit Silberadern durchsezt ist, rings - umher aber ist eine andre Gebirgsart. Eine ähnliche Erscheinung haben wir auf Meleda, einer Insel des adriatischen Meeres, wo sich lange Zeit ein unterirdisches Getöse hören lies, das aber mehr einzelnen Kanonenschüssen zu vergleichen ist.

Bei den grossen Vulkanen in Amerika ist es sehr merk - würdig, dass man das Getöse auf so unglaublich weite Ent - fernungen hört: wenn ein entfernter Vulkan Ausbrüche macht, so verbreitet sich in der ganzen Gegend der Donner, aber nicht durch die Luft, sondern durch die Erde, wie es ja auch bekant ist, dass man, um einen entfernten Kanonen -183v donner zu hören, das Ohr auf die Erde legt. Bei dem Aus - bruche des Cotopaxi am 30 April 1812 hörte man das Ge - töse in einer Entfernung, wie von hier nach Rom, oder von Lissabon nach Frankfurt. Dieser Ausbruch war einer der stärksten, den man lange Zeit erlebt hat. Bei demselben Vulkane hörte man 1814 das Getöse soweit wie von Berlin nach Sibirien. Wenn man dem Vulkan näher kömt, so müste man, da der Schall nach den Quadraten der Entfer - nung abnimt, ihn stärker hören: allein dies ist nicht der Fall: man hört ihn in der Nähe wie in der Ferne. Der Cotopaxi einer der grösten Vulkane der Erde, erhebt sich auf einer Ebne, die schon 11,000 Fus über dem Meere liegt: er ist rings von tiefen Einsenkungen umschlossen, hinter denen sich wieder hohe Gebirgsmassen erheben. Hier kann sich also der Schall schwerlich durch die Erdoberfläche fort - pflanzen, da diesezu sehr von Thälern durchschnitten ist: es wird wahrscheinlich, dass er sehr tief in dem Innern der Erde entsteht, und durch Spalten, die sich in ver - schiedener Richtung erstrekken, nach der Oberfläche derselben184r hingeleitet wird: eine davon geht dann nach der Öfnung des Vulkans und erregt die Explosion: das vulkanische Phäno - men aber, oder die Ursache der Ausbrüche mus in einer sehr bedeutenden Tiefe unter der Oberfläche liegen.

Es ist vielfach untersucht und erörtert worden, ob die Erdbeben Einflus auf die Magnetnadeln haben: ich habe viele Beobachtungen darüber angestelt, aber nie gefunden, dass eine Ursache in den Bewegungen statt fand, wohl aberdass einein Cumanà Veränderung der Inklinazion sich zeigte, und zwar blieb dies ver - änderte Richtung stehn: als ich nach Jahren wieder nach Cumanà kam, war sie dieselbe, als kurz nach dem Erdbeben.

Gewöhnlich nimt man bei Erdbeben eine Bewegung von oben nach unten, eine andre von der Seite, und noch eine schiebende Bewegung an: allein es ist nicht möglich, dies so genau zu unterscheiden; wenigsten komt ganz erstaunlich viel auf die Lage der verschiedenen Städte an, wie wir an dem Beispiele von Quito und Lima sehn können. Quito hat Häuser von 3 4 Stokwerken, Kirchen mit schönen gewölbten Kuppeln, und liegt am Fusse des Vulkans[Pichincha], wie Neapel am Fusse des184v Vesuv. Bei den stärker[?]sten Erdbeben ist aber die Bewegung so wunderbar sanft, dass alles an seinem Orte bleibt, die Häuser fallen nicht ein, und die hohen Gebäude erhalten nur zuweilen Risse, auf die man sorgfältig Acht giebt. Und doch sind der Erdbeben so viele, dass man sie gar nicht zälen kann, und man gewöhnt sich so bald daran, dass man in der Nacht nicht einmal versucht wird, jemanden, der etwa in demselben Zimmer schliefe, zu wekken. In Lima dagegen wagt man es nicht, hohe Häuser er zu bauen, weil man aus Erfahrung weis, dass sie bis dem geringsten Erdbeben über den Haufen geworfen werden: daher besteht die ganze Stadt aus einstökkigen leichten Häusern, die aus einer Mischung von Lehm und Gyps aufgeführt werden, und an denen sich ein sehr schlechter architektonischer Geschmak kund thut; da sich aber bei einzelnen Einwohnern der Glaube festgesezt hat, dass in Lima die Erdbeben in einer Periode von 30-40 Jahren sich folgen, so giebt es einige, welche sich höhere Häuser bauen, indem sie der Meinung sind, dass sie das nächste Erdbeben nicht mehr erleben werden. Dennoch ist es185r entschieden richtig, dass dem Gefühle nach die Erdbeben in Lima nicht so stark sind als in Quito.

Oft kömt auch der sonderbare Fall vor, dass die Oberfläche der Erde völlig versezt wird, aber unversehrt bleibt: wenn man also vorher auf einem Felde rechts Getreide und links Kohl pflanzte, so wird nach dem Erdbeben links Getreide und rechts der Kohl stehn. Bei dem Erdbeben von Riobamba ist das Ei - genthum auf eine sonderbare Weise verwirt worden. Die Men - beln eines ganzen Viertels wurden in ein anderes versezt, und es entstanden Streitigkeiten über die Zukrükgabe des früheren Besizes. Während meines dortigen Aufenthaltes habe ich einen Plan von Riobamba aufgenommen, (der noch nicht ge - stochen ist) auf dem sich die seltsamsten Unregelmässigkeiten finden. Viele Stellen sind in die Höhe gehoben: so finden sich mehrere 100 Menschengebeine auf der Kolka, einem HügelvonbeiRiobamba von 300 Fus Höhe über der Stadt. An andern Stellen komt es vor, dass die Gegenstände völlig von der Erde verschlungen sind: so in Riobamba alle Häuser: diese Stadt hatte früher 3 4 stökkige Häuser, ich fand aber185v auf der ganzen Fläche keinen Schutthaufen über 5 Fus hoch. Viele Personen, die sich nachher retteten, haben erzählt, dass sie plözlich mit ihrem ganzen Hause versunken wären: im ersten Schrekken glaubten sich sehr tief unter der Oberfläche der Erde zu sein, bis sie an der noch zuströmenden Luft merk - ten, dass wenigstens die Spize des Hauses hervorrage. Sie zün - deten Licht an, und konten nun durch alle Zimmer des Hau - ses gehn: denn nichts war zerstört, bis sie sich durch das Dach retteten. Aber eine weit grössere Anzahl fand den Tod; es dauerte lange, ehe die Nachricht nach Quito kam, und ehe sich von dort das Militair und eine grosse Anzahl von Mönchen aufmachen konten. Vielen, die man unten schrei - en hörte, wurde die Absolut[?]zion nach ihrer Beichte ertheilt, ohne dass es möglich war, sie hervorzuziehen, und sie star - ben vor Hunger oder an ihren Verwundungen. Einige Per - sonen sind Tage unter der Erde geblieben; und haben nachher glüklich einen Ausweg gefunden.

Den gröstenZzusammenhangenden Strich von Gegenden die dem Erdbeben unterworfen sind, finden wir an den Küsten der Südsee, wo die Erdbeben von Chili bis Guayaquil sich erstrek -186r47.ken, also einen Zug von 400 450geographischenMeilen einnehmen. Dass das Erdbeben überhaupt mit vulkanischen Erscheinungen zusammenhange, davon kann man sich am besten in dem Kra - ter eines brennenden Vulkans überzeugen. Es hat durchaus keine Gefahr, hineinzusteigen, wenn man nur irgend Vorsicht gebraucht. Zuerst hört man ein unterirdisches Getöse, dann fühlt man eine Erschütterung, und darauf werdendieSchlakken und Lava in die Höhe gestossen. Ich beobachtete dies sehr genau bei meiner 2tenReise nach dem Pichincha. Noch häufiger aber stossen die Vulkane blos eine grosse Masse von Dämpfen und Rauch in die Höhe, daher hat man sie mit vollkomnem Rechte Sicherheitsklappen genant: denn es ist bekant, dass wo sie speien, die Erdbeben aufhören. Daher wünschen die Umwoh - ner des Chimborazo, dass er ein Vulkan sein mögen, und gewis wenn sein hoher Trachytdom geöfnet wäre, so würde die Gegend weniger von Erdbeben zu leiden haben.

In mancher Hinsicht scheint das Gestein auf die Erdbeben keinen Einflus zu haben: es giebt denen eben so viele in Kalk - stein als in Gneus und Granit. In Cumanà, welches Kalk - stein hat, waren die Erdbeben von jeher häufig: die Einwohner186v von Carracas hielten sich daher für sicher, weil sie auf Gra - nit standen, aber leider wurde ihre Stadt im April 1812 wie durch eine Mine in die Luft gesprengt, und von Grund aus zerstört. Dagegen scheint in anderer Hinsicht die Gebirgsart nicht ohne Einflus zu sein. An der Küste von Chili giebt essStrekken von 5 6 Meilen, die nie erschüttert werden. Die Einwohner nennen dies sehr bezeichnend: Roca, que haze puente; die verschiedene Gebirgsart, woraus diese Strekken bestehn, bilden eine Brükke, und das Erdbeben überspringt sie.

Die Alten hatten schon ganz dieselbe Meinung, dass die Vulkane Sicherheitsventile wären: die schönste Stelle(ich kann sie nicht finden) finden wir bei Strabo. I.

Cumanà gegenüber liegt die Halbinsel Araya durch einen Meeresarm getrent: in dieser spürte man früher durchaus keine Erschütterung: aber seit dem grossen Erdbeben 1798 in Cumanà ist auch sie mit in den Erschütterungskreis gezogen worden, und es kann jezt nicht dieerleiseste Stos in Cumanà Statt finden, der nicht auch in Araya gefühlt würde. Dies scheint zu beweisen, dass sich jezt eine korrespondirende Öfnung unter der Halbin - sel befinde, die früher nicht vorhanden war, und nun die Stösse auf gleiche Weise nach Cumanà hin und nach Araya leitet.

187r

In Bogotà hat sich seit 6 8 Monaten eine solche Öfnung gebildet, und die Stadt ist, nach den Nachrichten, welche ich vonHerrn Boussingaulterhalten habe, durchaus der Zerstörung preisge - geben.

Auch Flammen und Rauch sieht man bei Erdbeben häufig aus der Erde aufsteigen, aber nicht immer. Sehr heftig waren sie 1755 in Lissabon, wo ein grosser Theil von beiden Küsten des atlantischen Meeres die Erschütterung fühlte: das Meer wich an den Antillen zurük, und in Böhmen merkte man einen Einflus auf die Heil - quellen[;] auch in Cumanà 1789 sah man Flammen.

Oft werden grosse Hügel aus der Erde hervorgehoben, die bei den Spanier moja hieeissen: man hielt sie lange für verwitterten Por - phyr: aber die Untersuchungen von Klaprothu{n}d neuerdings von G. Rosehaben bewiesen, dass sie zum Theil aus gekohltem Wasserstof - gas bestehn; also eine vegetabilische Substanz sind;:dies beweiset uns, dass nicht allevegetabilischenSubstanzen einen organischen Ursprung haben.

Ob Elektrizität bei den Erdbeben frei wird, ist zweifelhaft: wenig - stens kann man behaupten, dass es nicht immer der Fall ist. In Quito,wokannman, wenn die Erdbeben einmal angefangen haben, ganz sicher darauf rechnen, dass mehrere in einer kurzen Zeit folgen werden: ich habe daher unter freiem Himmel viele Versuche angestelt,187v indem ich das Elektroskop in der Hand hielt, habe aber nie die geringste Einwirkung bemerken können. Dagegen ist es ganz entschie - den, dass bei dem heftigen Erdbeben in Piemont 1808 die Wirkung auf das Elektrometer sehrheftistarkwar: in einigen Gemeinden in Pignerolles wurden aneEinem Tage 60 80 Stösse gespürt.

Die Ursache des Erdbebens ist in nichts anderm als in den elastischen Flüssigkeiten zu suchen, die sicheinimInnern der Erde zusammenhäufen, durch ihre Kompression immer mehr Kraft ge - winnen, und sich am Ende einen Ausweg suchen. Dies kann man, wie gesagt, im Krater eines brennenden Vulkanes am besten be -〈…〉〈…〉merken, wo Donner, Erschütterung und Schlakkenauswurf regel - mässig aufeinander folgen.

33. Vorlesung, 27.02.1828

Bei den Erdbeben müssen im Innern der Erde grosse Verände - rungen vorgehn: denn nicht immer kehren die erschütterten Erdschichten in dieselbe Lage zurük, in der sie vorher waren. Beispiele davon finden sich zwar nicht bei allen Erdbeben, aber doch bei einigen der heftigsten: ein sehr starkes erlebte ich an der Küste von Südamerika,welcheswodurcheine Untiefe in dem Hafen von Chilientstand, die seitdem geblieben ist. In Chili erhoben sich Kalksteinschichten bis 4 5 Fus, und blieben in Bänken stehn. Reinhart, dem wir viele Nachrich -188r ten über die molukkischen Inseln verdanken, erwähnt einer Er - scheinung, wo eine Erweichung stattfand; ein obsidianartiger Trachyt erhob sich mehrere Jahre lang aber äusserst langsam; besonders war dies in Bunda und Ternate der Fall. In der Südsee findet man Korallenfelsen von mehreren 100 FuseErhebung, auf deren Spizen sich Versteinerungen zeigen, während dasernoch im Meere stehende Theil die lebendige Korallenbildung ent - hält.

Ein ähnliches Phänomen zeigt sich auffallend genug in Schwe - den. Celsiusbemerkte, dass an einem Theil der südlichen Küste von Schweden der Meerespiegel bedeutend sinkt. Die ältesten Beobachtungen sind von 1730. Da man aber diese Sinken an den übrigen Küsten der Ostsee nicht bemerkte, so ist es nach hydrostatischen Gesezen unmöglich, dass es in Schweden allein der Fall sei. L. von Buchäusserte zuerst den scharfsinnigen Gedanken, dass also wohl der Kontinent sich erheben müsse;〈…〉〈…〉und so ist es wirklich, obwohl die Erhebung sehr langsam geht, in 100 Jahren 3 4 Fus.

Im englischen Guiana will man bemerkt haben, dass Gra - nitschichten sich gehoben.

188v

Auf einigen Inseln der Südsee hat man am Meere Fus - steige angelegt, wo sonst der Wasserspiegel stand.

Dies alles sind dynamische Erscheinungen, welche von elasti - schen Dämpfen hervorgebracht werden.

Von den heissen Quellen.

Wenn man jede Quelle eine Thermalquelle nennen wollte, die heisser ist als die umgebende Athmosphäre, so wür - den bei uns alles Thermalquellen sein, unter den Tropen dagegen ist es ungewis. Im algemeinen ist eine grosse Hizebeiinden Quellen nicht häufig; und äusserst selten gehen sie bis zum Siedpunkte: schon von 60 70° R. kom - men sie nicht oft vor. Bei Caracas fand ich eine Quelle von 72° R. Die wärmste, welche ich je getroffen ist in Mexiko bei Gualaxuata, und sprudelt aus einem Basalt - konglomerat; da wo ich die Hand darüber halten konte, hatte sie 77° R.[also] nur 〈…〉〈…〉weniger als den Siedpunkt, und ich zweifleichnicht, dass, wenn es möglich gewesen wäre, das Thermometer einige Fus tiefer einzusenken, so würde es bis 80° gestiegen sein.

189r

In der Auvergne giebt es eine Quelle von 70° R.

Alle diese entspringen aus dem Urgebirge, und sind nichts anderes als niedergeschlagene heisse Dämpfe von reinem distillirten Wasser. Schon Linkbemerkte dies auf seiner Reise nach Portugal, wo er einige schöne Untersu - chungen darüber angestelt hat. 48Ich habe ebenfals Versuche gemacht, und gezeigt, dass man aus vielen durch alle mög - lichen Reagenzien keinen Niederschlag erhält. Herr Bous - singaultwiederholte meine Versuche, und fand bei einer Quelle von 35° R. Stikgas[] als Bestandtheil des Wassers. In einer Quelle bei Aachen hat man Schwefelwasserstofgas finden wollen, allein hiebei ist wahrscheinlich eine Ver - wechselung vorgegangen, oder man hat sich durch den Geruch täuschen lassen, oder auch dasSchwefelwasserstofgas hat sich erst an der Luft gebildet.

Noch merkwürdiger sind die Wasser, welche freie Schwefel - säure enthalten,istin Popayan ist ein Flus unter dem Namen des Essigflusses bekant, der sich in den Cauca ergiest. Von dieser Stelle an sterben im Cauca die Fische189v auf viele Meilen weit, welches für die Einwohner von Popayan sehr traurig ist, da sie nicht wissen, wo sie in den Fasten ihre Nahrung hernehmen sollen. Dieser Essigflus enthält freieSchwefelsäure und überdies noch Salzsäure.

Eben dasselbe findet sich in einem Kratersee auf Java.

Ein andres Faktum findet sich beim Vulkan von Xorullo: dieser hat zu seinen Füssen eine Ebne, die sich dem Süd - meere zusenkt, früher gab es hier 2 Flüschen von 15° R.[Als] aber 1759 der Vulkan erschien, verschwanden sie beide, und brechen nun an einem ganz andern Orte mit einer Temperatur von 60° R. hervor. Das Wasser komt also mit heissen Dämpfen in Berührung die sich in ihm niederschlagen, und ihm ihre Wärme mittheilen.

Bei andern Quellen ist die Menge ihrer Bestandtheile zu bewundern; so gehört der Karlsbader Sprudel zu denen, wel - che fast die meisten Bestandtheile enthalten. Berzeliusfand bei seiner vortreflichen Analyse 12. Dazu gehören ganz neue, früher nicht gekante, wie Flusspathsäure, Strontian, Manganpp. In Eger und Pyrmont fand man190r48.Lithion. Struveund Soltmannhaben viele analysirt, und bilden sie nach, ja selbst den schwierigen Karlsbader Spru - del. Faradayhat diese Wasser analysirt, und keinen Un - terschied gegen die natürlichen gefunden.

Die Einwendungen, welche man gegen dieseVvolkomne Nach - bildung der Heilquellen gemacht hat, beziehn sich mei - stens auf Begriffe, die nicht zur Klarheit gekommen sind, indem man behauptete, dass ausser den sichtbaren Bestand - theilen auch noch unsichtbare vorhanden seien. Dass die künstlichen Wasser schneller ihre Wärme verlieren, als die natürlichen, ist nicht gegründet: man hat darüber genaue Versuche von 1 zu 1 Grad des Thermometers angestelt. In Wisbaden will man in dieser Hinsicht wunderbare Versuche an - gestelt, und gefunden haben, dass man die natürlichen Was - ser bei 58° R. in den Mund nehmen könne, ohne sich zu verbrennen; estist aber erwiesen, dass man sich schon bei 41 42° R. stark verbrent. Auch wolte man mit dem vor - treflichen Schweiggerund Poggendorfschen Multiplikator Versuche in künstlichen Wässern gemacht, und eine Abweichung190v der Magnetnadel von 15° gefunden haben: allein dies ist durch - aus nicht gegründet: nach Becquerels schöner Entdekkung ist zwar immer mit jedem Übergange irgend eines Körpers aus dem festen in den flüssigen oder aus diesem in den gasförmigen Zustand ein kleines elektro-magnetisches Gewitter verbunden: allein wenn man dies bei den Brunnen fand: so liegt der Grund nicht in den Wassern, sondern eben in der veränderten elektrischen Spannung.

Von Struvehaben wir eine schöne Arbeit über das Aus - laugen der Gebirgsarten: er lies distillirtes Wasser durch feingepulverte Gesteine gehn, unter einem sehr geringen Druk von kaum 2 3 Athmosphären, und wenig Tagen erhielt er eine Flüssigkeit, die den natürlichen Quellen, welche aus diesem Gestein hervorbrechen, zwar nicht gleich aber doch sehr ähnlich ist: so hat man z. B. das Biliner Wasser erhalten, und durch diesen Prozes erst hat man gefunden, dass der Basalt Lithion enthält, welches früher nicht unter seinen Bestandtheilen bekant war. In der Geyserquelle besteht fast der festen Bestandtheile aus Kiesel. In andern Quellen191r findet sich ein vegetabilisch-animalischer Bestandtheil, den die Spanier moja nennen, und welcher, sonderbar genug, Am - moniak enthält. Von dieser Art giebt es mehrere Quellen in Südamerika.

Man hielt früher die Quellen für eine Lokalerscheinung: d. h. man glaubte, dass sie an demselben Orte entspringen, wo sie hervorbrechen, wenigstens nicht weit davon. Um die heissen Quellen zu erklären, nahm man seine Zuflucht zu dem Brennen von Steinkohlenflözen, oder man hatte die unchemische und unphysische Idee von einer galvanischen Kette im Innern der Erde, welche durch übereinanderliegende verschiedenartige Schichten gebildet werde, und welche die Er - wärmung veranlaste: man bedachte aber nicht, dass wenn eine solcheLagerKette wirklich existirte, sie sich in jedem Augenblick entladenwund mithin ihre ganze Wirkung ver - lieren würde.

Manche Quellen haben eine äusserst geringe Quantität von festen Bestandtheilen, und sind doch von der grösten Wirkung, wie Gastein und Pfeffers. Die Berliner Brunnen geben nach den treflichen Unter -191v suchungen vonHerrn Roseauf ein Pfund Wasser von 3 12 Gran feste Bestandtheile: daer Brunnen in Landek auf 1 Pfund 3 Gran. Gastein nur 2 Gran, und man ist auf den Einfall gekommen, die grosse Wirksamkeit diese Heilquellen als eine Folge Rein - heit selbst anzusehn.

Eine andre merkwürdige Eigenschaft ist die Gleichheit dies Gehaltes und der festen Bestandtheile. Der Karlsbader Sprudel ist 1770 von Becheranalysirt worden, und hatte damals 59° Wärme, wie jezt: auch die Analysen desselben von Klaprothund Berzelius, welche gegen 30 Jahr auseinanderliegen, stimmen im Ganzen sehr überein.

Dagegen giebt es andre Quellen, welche ihre Temperatur und ihren Gehalt verändert haben: wenigstens vermuthet man es von denen in Pyrmont und in Marienbad.

Noch andre Quellen stossen blosse Luft aus: man hielt dies früher für ein Ausströmen von brennbarer Luft: es ist aber eigentlich eine natürliche Naphta-distillazion im Grossen. Eine solche findet sich bei Pietra-mala in Italien, eine andre fand Hofbaueran der südlichen Küste von Kleinasien, und derselben Natur sind die zahlreichen Naphtaquellen bei Baku am kaspi - schen Meere. Die älteste Gaserleuchtung gründet sich auf192r dieses Phänomen, und findet in den Tempeln der Bramapriester am Himalaya: man sah, dass Wasserstofgas, aus der Erde ausströmend, sich entzünden lies, und fortbrante, über solchen Stellen wurden dann die Tempel gebaut.

Aus allen heissen Quellen schlägt sich bei der Verdampfung etwas nieder, und dies sind schon Anfänge der Gebirgsarten, die sich, wie derFTufstein, noch täglich vor unsern Augen bilden. Besonders bilden sich aber diejenigen Quellen, welche Alkalien enthalten, ihr eignes Bekken, manchmal von ganz besonderer Gestalt. Im obern Peru ist eine heisse Quelle, (auf derselbe Ebne, wo der unglükliche Inka Huankagetödtet wurde) die aus einer sehr bedeutenden Höhe herab kömt. Diese hat sich eine eigne Mauer von 50 60 Fus Höhe, und von 12 Fus Breite gebildet, die aus nichts als kohlensaurer Talkerde besteht.

Von den Luftvulkanen, die bei den Italiänern Salse heissen, findet sich das älteste Beispiel in der Moccaluba bei Girgenti. Dies ist ein Lettenhügel von 150 160 Fus Höhe, auf dessen Spize sich viele kleinen Öfnungen befinden, aus denen Koth in die Höhe gestossen wird. Dieser fliest anfangs in ganz hellgrauen Streifen am Rande der kleinen Krater herab, wird aber nachher192v dunkler. Eine andre ähnliche Erscheinung beobachtete ich in Südamerika bei Carthagena: die Eingebornen nennen die Ge - gend: Volcancitos. In einem kleinen Umkreise erheben sich Kegel von Letten von 10 12 Fus Höhe, und verschwinden wieder. Ich fand ihre Stellung, wenn ich den nächsten Tag wiederkam, durchaus verändert. Oben ist ein kleiner Krater, wenn man ihn so nennen darf, nur von 8 9 Zoll Durchmesser, mit kal - tem Wasser angefült, aus welchem sich beständig Gas entwikkelt. Wenn ein Krater einige Zeit ruhig bleibt, so kömt darauf ge - wöhnlich ein starker Ausbruch, so dass man sich in einem Augenblikke ganz mit Schlamm bedekt sieht. Es findet sich auch bei den Bewohnern dieser Gegend die Tradizion, dass man Flammen aus den Kegeln habe aufsteigen sehn. Oft werden auch Steine aus den Kratern aufgeworfen, aus deren Unter - suchung es hervorgeht, dass das Phänomen der Erzeugung sehr tief liegt. Das entwikkelte Gas ist aber werder Kohlen - säure noch Hydrogen, wie man wohl früher geglaubt hat, sondern Stikgas. Wenigstens fand ich dies bei allen Quellen, die ich Amerika untersuchte.

In Italien, wo es leider fast gänzlich an Untersuchungen der193r Quellen fehlt, glaubt man Schwefelwasserstofgas gefunden zu ha - ben: allein es ist ungewis.

Ein andres Phänomen findet man auf dem Vulkan von Popayan, demselben in dessen Nähe der Essigflus entspringt, dessen Wasser freie Schwefelsäure und Salzsäure[ enthält]. Als ich diesen Vulkan er - stiegen hatte, fand ich oben keinen Krater, wie auf den meisten übrigen Vulkanen, sondern einen schön-gewölbten Dom von reinem Obsidiantrachyt, in dem eine Menge Öfnungen sich be - finden, welche Schwefeldämpfe ausstossen: dabei hört man einen gewaltigen Lärm wie von 30 40 Schmiede-essen, der von dem kochenden Schwefel hervorgebracht wird. Es mus hier ohne Zweifel ein grosser Vorrath von Schwefel angehäuft sein: denn in einiger Tiefe unter den kleinen Öfnungen findet man ihn fast ganz rein vorliegend: auch das Phänomen des schwefel - säurehaltigen Wassers in Essigflus liesse sich damit in Verbindung bringen.

Von den Vulkanen.

Man ist erst in neueren Zeiten darauf gekommen, dass die Vulkane nicht blos zerstören, sondern auch hervorbringen, und dass sie in der innigsten Verbindung mit der Bildung der kör -193v nigen Gebirgsarten stehn, deren Entstehung aus dem Feuer jezt Niemand mehr in Zweifel zieht.

Eine Definizion des Vulkan's ist schwer zu geben: denn die einzelnen Öfnungen auf der Spize beweisen nichts, auch nicht die vulkanische Entstehung. So hat L. v. Buchzuerst 1794 darauf aufmerksam gemacht, dass man den Monte Nuovo bei Bajae, der bei einem Ausbruche des Vesuv in einer Nacht entstand, eben so wenig wie die Monti Rossi am Ätna, besondere Vul - kane nennen könne.

Einen Vulkan nennen wir: einen hohen Kegel von Trachyt, der auf seiner Oberfläche (nicht immer grade auf der Spize) eine Öfnung hat, die mit dem innern glühenden Kerne der Erde zusammenhängt. Bei Explosionen fliessen Erdarten aus dem Krater, wie aus einer Erdquelle, die eine sehr hohe Tempe - ratur haben.

In der Verbindung mit dem Innern der Erde mus man eine Graduazion annehmen. Ganz Quito ist ein einziger Vulkan: eine grosse Glokke von Trachyt, über das unterir〈…〉〈…〉dische Feuer gestürzt: der Cotopaxi und Pichincha sind einzelne brennende Essen: allein diese Erklärung würde nicht ganz richtig sein: denn jeder Vulkan ist wie ein Zentrum von eignen Erscheinungen an -194r49.zusehn, die wohl in ihrer Grundursach, aber nicht immer unter sich zusammenhangen. In Amerika scheint eine grosse Spalte von Osten nach Westen zu gehn, auf der die meisten Vulkane stehn: auch der von Xorullo ist in dieser Richtung entstanden, und wenn man gewust hätte, dass ein Vulkan sich bilden sollte: so hätte man voraussagen können, dass er in keiner andern Richtung sich zeigenkonwerde. Seit 2 Jahrhunderten scheint sich in Amerika das Feuer von Norden nach Süden gezogen zu haben, weil die nördlichen Vulkane weniger speien. In dem Zentralvul - kan von Teneriffa ist nur ein Krater, aber bei dem Ausbruch von Lancerote mus ein andrer unter dem Meere entstanden sein, und zwar da, wo das Gestein am schwächsten, also leicht zu durchbrechen war.

34. Vorlesung, 01.03.1828

Bei dem Studium der Naturwissenschaften überhaupt, und besonders bei dem der Geognosie, welche so viele Phänomene in ihren Tiefen um - fast, ist es von besonderer Wichtigkeit, dass wir uns nicht in den einzel - nen Erscheinungen verlieren, sondern, das Gemeinsame derselben auf - fassend, ihren Kausalnexus zu errathen suchen. Daher werden wir den Zusammenhang des innern Erdkörpers mit der äussern Rinde als in dreierlei Gestalt sich offenbarend, betrachten müssen: 1, durch194v Bewegung allein: daher die Erdbeben, welche um so schreklicher für uns sind, da wir seit der frühesten Kindheit uns daran gewöhnt, den Boden, worauf wir treten, als etwas festes und unbewegliches zu betrachten. 2, indem durch das Verschiebbare der Erdrinde etwas ungewöhnliches zum Vorschein kömt: Dampf, Luft, Wasser, Schlamm; oft werden auch Steine, von Flammen begleitet, herum - geschleudert. 3, durch intermittirende, geschmolzene Erde er - giessende Quellen, die aus einem Trachytkegel ausfliessen.

Eben so wie man beim organischen Baue von dem einfachen zum zusammengesezten übergeht, wie der Zusammenhang der Formen klarer wird, indem man zuerst bei einer Bildung mit wenigen Gliedern verweilt, und dann eines und mehrere zusezt: eben so hier. Bei jeder folgenden Gruppe von Erscheinungen findet man alles vor, was in der früheren vorhanden war. Bei den Vulkanen zeigt sich z. B. Feuer, wie bei den Erdbeben und bei den Luftquellen. Bei den Quellen von Baku, über die leider noch fast gar nichts bekant ist, scheint es der Fall zu sein, dass sie sich von selbst entzünden, und dass man das Feuer wellenförmig über die Erde sich dahinwälzen sieht, welches195r aber doch nicht durch das Ausströmen von Wasserstofgas hervor - gebracht wird, wie man früher glaubte. Bei Pietramala dagegen scheint keine Selbstentzündung Statt zu finden, sondern die Spalten nur immer von den Reisenden angezündet worden zu sein. Selbst bei den Schlammvulkanen sind Flammen aus der Erde aufstei - gend gesehn worden. Die Vulkane vereinigen alle Erscheinungen, die wir bei den heissen Quellen und Erdbeben gesehn haben, näm - lich ausstossen vonheissem Wasser, Luft, Flammen, und haben nun noch ein neues Phänomen, nämlich die Erdquellen, welche dann in einzelnen Schichten erstarren und sich konsolidiren.

Die unterirdische Kraft, welcher diese Erdquellen ihr Dasein[verdanken], ist eine schaffende, wie alle Naturkräfte, indem sie die alten Verwandschaften der Körper löst, und daher neue her - vorbringt; sie ist aber nicht blos eine schaffende, sondern auch eine bewegende, indem sie die von ihr bereiteten Massen bis auf die Oberfläche der Erde emporhebt, wo sie an der Luft erstarren. Dies Erstarren,es mag nunje nachdem esunter einem grossen oder geringen Drukke (unter dem der Athmosphäre oder des ungeheuren Meeres) vor sich geht, ist steinartig als Lava, glas - artig als Obsidian.

195v

Die gröste Masse der Gebirgsarten ist vor unserer Geschichte entstanden, aber ein grosser Theil davon schreibt sich, so zu sagen, noch aus der historischen Zeit her, und wird hervorgebracht:

  • 1, durch Quellen wie der Travertino von der Umgegend Rom's, der sich bis zu 500 Fus Höhe erhebt: die schönen Kaskatellen von Tivoli bestehn daraus: man hat sie genau untersucht und gefunden, dass sie nichts sind, als eine Anhäufung von koh - lensaurer Kalkerde, meist zylindrisch um ein Zentrum gelagert, das dem Pflanzenreiche angehört: der kleine Flus Aniene, welcher die Wasserfälle bildet, bringt noch heut zu Tage solche Schichten hervor; eine Menge der grösten Gebäudedes altenundneuen Rom sind aus diesem Travertino gebaut, der zu den Süswasserfor - mazionen gehört. Ähnliche Erscheinungen finden sich in Paris in den Kalkbrüchen: auch in Ungarn giebt es mehrere Seeen, die noch immer Gebirgsarten absezen.
  • 2, durch Anschwemmung: wenn wir bei den Quellenbildungen annahmen, dass sie wirklich das Gestein durch Niederschlag bilden: sow[?]müssen wir hier bemerken, dass die Bildung nur durch Verschiebung hervorgebracht wird: dahin gehören die196r Tufschichten und Breccien: der fragmentarische Sandstein, den wir bei uns finden, ist auch dazu zu rechnen, indem seine Ent - stehung nur als Folge des Fortschiebens angesehn werden kann. Die Salse oder Kothvulkane bringen Lettenschichten durch Auf - stossen hervor; ja bei dem grossen Kotopaxi ist es der Fall ge - wesen, dass er Letten in ungeheurer Menge umherschleuderte, welche mehrere Quadratmeilen Landes bedekten. Wenn wir noch weiter gehn, so hängen vielleicht die Lettenschichten auf den Basaltinseln (wie Böhmen) mit Vulkanen zusam - men, die wir uns nicht so mikroskopisch denken können, als die Salse. Aber in den Trachytvulkanen ist der eigentliche Sitz der Hervorbringung von körnigen Gesteinen.

Diese Trachytvulkane oder eigentlichen feuerspeienden Berge betrachten wir in 3 Rüksichten:

  • 1, nach ihrer Entstehung. Hier komt es sehr häufig vor, dass sie sich im Nassen bilden, also: Aufsteigen von Inseln aus dem Meere: sehr selten ist die Bildung im Troknen, an der Erdoberfläche auf dem Boden des Luftozeans. Der Vulkan von Xorullo in Mexiko, den ich beschrieben habe, ist kein eigentlicher zu nennen,obglso wenig als der Epomeo auf Ischia,196v obgleich dieser lezte 1302 einen sehr starken Ausbruch hatte.
  • 2, nach ihrem gegenwärtigen Zustande in voller Wirksam - keit, den man ihr reiferes Alter nennen könte. hiebei kön - nen lange Pausen von Unthätigkeit eintreten, so wie es bekant ist, dass der Vesuv, vor dem grossen Ausbruche von Pompeji und Herculanum mehrere Jahrhunderte ruhte, so dass der Glaube an seine feuerspeiende Eigenschaft sich beinahe aus dem Gedächtnis deruUmwohner verloren hatte.
  • 3, nach ihrem〈…〉〈…〉veralteten Zustande, wo sie als Solfataren erscheinen: dies ist das lezte Stadium der Vulkane, gar sehr von ihrem reiferen Alter abweichend: denn auch die che - mischen Erscheinungen, Entwiklung von Gasartenpp. sind nicht dieselben bei den Solfataren und den Vulkanen.

Schon die Alten[machten] die Beobachtung, dass bei den Vulkanen dasjenige, was auf die Oberfläche der Erde aus - geströmt wird, von sehr ferne herkomme, und Senecasagt vollkommen richtig vom Ätna: er sei nicht alimentum sondern via ignis.

Dem ausgezeichneten Naturforscher,Herrn L. v. Buch, dem wir197r so viel neues über die Vulkane im algemeinen verdanken, ge - hört auch die Bemerkung, dass man den Ausbruchskrater wohl vom Erhebungskrater unterscheiden müsse. Wenn die feste Gestein-masse durch elastische Dämpfe gehoben wird: so mus sie entweder oben zerbersten und einen Krater bilden oder sie zeigt sich als Dom, wie der Chimboraco und die Kuppen in Vivarais und Auvergne. Nachdem der Erhe - bungskrater sich gebildet, entwikkelt eine andre Hebung den Trachytkrater als Ausbruchskrater. So fand L. v. Buchauf Palma, einer der kanarischen Inseln, dass die ganze Insel nichts ist als ein Erhebungskrater. Blökke von Glimmerschiefer,⟨⟩worin man Granaten findetsind hervorgeschleudert worden: dann Stükke von Basalt. Der Pic von Teneriffa ist wie mit einem Mantel, oder mit Wall und Graben durch den Erhebungskrater umgeben. Dieser bildet auf einer bedeutenden Höhe eine grosse Ebne, wo fast nichts wächst als Retama, nach dem spanischen Dialekte der Insel. (Spartium nubigenum.) In Fortaventura (um noch ein Beispiel von den kanarischen Inseln zu nehmen) liegt die Stadt Sta Maria della Graziaganz197v in dem Erhebungskrater. Bei der Erhebung einer solchen Insel entstehen Barancos, tiefe Thäler, die strahlförmig gegen den Krater in die Höhe gehn, ein sehr merkwürdiges factum: denn durch das Dasein der Thäler selbst wird der vulkanische Ur - sprung der Insel beurkundet: es war nicht anders möglich, als dass dieInselMasse, nachdem sie aus dem Meer heraufgestiegen war, an der Luft erkaltend und erstarrend, in unzählige Einsenkun - gen sich spaltete. Die kleine Insel Amsterdam (zwischen dem Kap der guten Hofnung und Van Diemensland) ist eine ganz ähnliche pelagische Erscheinung, sie besteht aus einem basalti - schen Ringe mit einer Bresche, aus der zuweilen siedend - heisses Wasser stürzt.

Die Erscheinung von Santorin im griechischen Archipelagus wurde schon von den Alten beobachtet: hier hat die Trachyt - masse erst Thonschiefer und darauf Kalkschiefer hervorge - hoben, so dass man also fast die Natur in ihrer Werk - statt belauschen kann. Die 3 Inseln:TSantorino, Therasia und Astronisi bilden ebenfals einen Ring, der aber nicht ganz volständig ist, und in dem Mittelpunkte der 3 hat198r50.sich noch eine kleinere Insel bilden wollen, die aber kaum zu Stande gekommen ist. So bildeten sich im Jahre 1573 die alten Kamenenund 1700 und 1709 die neuen Kamenenbei welchen, mehrere Naturforscher, die sich grade in der Nähe be - fanden, so glüklich waren, den Verlauf der ganzen Entstehung mit anzusehen: es erfolgte kein Schlakkenausbruch, sondern ein Felsen schob sich aus dem Meere hervor.

Unter den Azorischen Inseln ist eine, die ordentlich eine Epo - che des Entstehens und Verschwindens hat: bei St Michael erhob sich eine Insel zuerst 1638, verschwand aber bald wieder, sie kehrte zurük, obgleich nicht ganz an derselben Stelle 1719, und verschwand wieder: endlich hob sie sich wieder 1811, aber immer nur auf kurze Dauer. Ihre Höhe betrug 200 Fus, und nachdem sie versunken war, sondirte man das Meer, und fand 400 Fus, sodas also die ganzeErbebungAusdehnungdes Phänomens 600 Fus beträgt. Zwischen dem 1tenund2tenAus - bruche verflossen 81 Jahre, zwischen dem 2tenund3ten: 92. Ob nun wirklich die elastischen Dämpfe diese bestimte Periode brau - chen, um eine Kraft zu erlangen, welche den Dom in die Höhe198v heben könne, oder ob diese Zwischenräume zufällig sind, mus unentschieden bleiben.

Eine andre mit submarinen Bewegungen zusammenhän - gende Erscheinung, ist die grosse Unruhe des Meeres in manchen Tropengegenden, ohne Sturm, ja selbst ohne Wind - stos. Besonders häufig findet sie sich an den Küsten von Lima und Peru. Ich wurde in diesen Gegenden oft durch das Brausen der Wellen gewekt, welche ohne einen Lufthauch in einer Höhe von 20 25 Fus an das Ufer rolten. Auch ver - sicherten die Einwohner, dass manchmal Flam̃en aus dem Meere aufstiegen.

Ein ähnliches unterirdisches Phänomen mus es veranlast haben, dass 1739 eine grosse Menge todter Fische in Lanze - rote an's Ufer geworfen wurden.

An einigen Stellen wird das Meer erwärmt. Im Golf von Cariaco ist ungefähr auf ¼Quadratmeiledas Wasser wärmer als in den übrigen Stellen: welche gewaltige Hize mus dazu gehören, um diese grosse Wassermasse von unten durchzuwär - men. Am schwierigsten ist〈…〉〈…〉von allen Erscheinungen das Em - porsteigen der Flammen aus dem Meere zu erklären, auf199r eine Art nämlich, die sich mit einer gesunden Physik vertrüge. Herr v. Buchnimt an, und dabei müssen wir für erste stehn bleiben, dass Blökke von den neuen Metalloiden der Alkalien in die Höhe geworfen würden: diese wuerden beim Durchgange durch das Was - ser an ihrer Oberfläche oxydirt, zerplazen aber an der Luft und verbrennen mit Feuererscheinung.

Es ist eine verbreitete Meinung, dass die Nähe des Wassers zur Unterhaltung der Vulkane nöthig sei, durch Hervorbrin - gung von Wasserstofgas, weil wirklich die meisten Vulkane nicht weit vom Meere liegen, aber überall läst sich dies nicht durchführen: denn die Entfernungen werden manchmal zu beträchtlich. So habe ich durch trigonometrische Messungen gefunden, dass der Vulkan Kopakatelepekin Mexiko volle 32 Meilen vomjedem Meere entfernt ist, (scil. der Südsee und dem atlantischen Ozean). Der Guatamajo[(]welcher merkwürdig ist wegen des gewaltigen unterirdischen Donners, den man fast regelmässig von halber Stunde zu halber Stunde hört,) östlich von der Andeskette im Innern gelegen, ist 40 Meilen vom Meere entfernt. DurchHerrn Rüppelhat man Nachrichten von einem Vulkan, der sich in Kordofan befinden soll, und wenigstens 120199v Meilen vom Meere abstehn würde. Aber bei weitem die gröste Entfernung, (und zwar historisch erwiesen) eines Vulkans vom Meere finden wir in dem Innern von Asien. Herr Klaprothmachte die Entdekkung in den chinesischen Annalen, welche auch von Abel-Rémusatbestätig wurde, dass sich unter 42½ Grad Nordbreite ein Feuerberg: Ko-tschang nicht weit von der Stadt Ku-tsche befinde, also 270 Meilen vom Meere, so weit als von Moskau bis[zum schwarzen] Meere. Dieser Feuerberg ist nicht blos ein einzelner Ausbruch, sondern die Beschreibung von den Ausbrüchen der geschmolzenen Erdarten, der Steinepp. sind so detaillirt, dass man an der Richtigkeit nicht zweifeln kann: man hätte dies sonst für ein Phänomen halten können, wie das der Boraxsäureim Florentinischen: allein es ist ein eigner Vulkan, und es liesse sich vielleicht, um die Hypothese zu retten, annehmen, dass ein grosser See in der Nähe sich vorfände. So liegt nördlich von Teheran, der Vulkan Dunawengi[?], der nicht weit vom kaspischen Meere entfernt liegt. Doch überhaupt ist die Annahme einer grossen Wassermasse nicht nöthig zur Unterhaltung des unterirdischen Feuers, und wir müssen sagen, dass uns der erste Grund davon unbekant ist,200r wenigstens kann ein Eindringen des Wassers in die Vulkane der Grund nicht sein.

Der Monte nuovo entstand 1538 in den phlegräischen Feldern bei Neapel: ich habe selbst Gelegenheit gehabt mich zu über - zeugen, dass er nichts ist als ein Schlakkenhügel, und ich ent - dekte auch einen sehr kleinen Ergus von Lava. Da nun ganz neuerlich in Ischia ein Erdbeben gewesen ist, so wäre es sehr möglich, dass das vulkanische Feuer sich auf kurze Zeit (viel - leicht auf einige Jahrhunderte) von dem Vesuv weg nach der Gegend des Epomeo zöge, von dem wir wissen, dass er 1302 einen heftigen Ausbruch gehabt hat. (Beste Beschreibung des Epo - meo von L. von Buch.)

Höchst merkwürdig ist die Entstehung des mexikanischen Vulkans Xorullo, 1759. Er liegt in einer schönen Hochebne, wo Basalt und Trachyt in der Nähe sind, also auf vulkani - sche Mächte hindeuten. Früher waren hier reicheIndigo - und Kaffeepflanzungen, deren Pfleger in leichten Schilf - und Mooshütten wohnten. Sie hörten zuerst einen unterir - dischen Donner; sahen dass die Erde sich in Klüfte spaltete, aus welchenBimsstein e und andre leichte Materien hervor -200v geschleudert wurden (grade wie in der Beschreibung des Aus - bruches des Vesuv beim Plinius) dazu geselte sich ein Aschen - regen: als mehrere Arbeiter bemerkten, dass ihre Strohhüte voller Asche wurden, riefen sie den andern zu, und die Ein - wohner flohen alle von der gefährlichen Ebne auf den nahe ge - legenen Hügel von Aguasaco, von wo auch ich das Phänomen betrachtet habe. Ich mas vonhier aus in der Ebne eine Erhebung von 280 300 Fus, wie eine Blase mit einer Spalte, worauf sich der[Krater] von Xorullo und mit ihmzugleich3 andre Vulkane erhoben hatten. Zugleich war damit ein grosser Lava - ausbruch verbunden gewesen. Das merkwürdigste aber ist, dass auf dieser vulkanischen Fläche sich 3 4000 kleine Kegel befinden, von 5 6 Fus Höhe, von den Eingebornen fornitos, die Öfen genant, welche immerfort rauchen: daher glaubt man in der Ferne, die Gegend sei bebaut, und der Rauch steige aus den Hütten der Dörfer.

Nicht immer haben die Vulkane, wenn sie zum reiferen Alter gelangt sind, dieselbe Thätigkeit: sondern die Erschei - nungen sind sehr ungleich. In dem Krater des Stromboli sind201r ununterbrochen Erupzionen, und die Auswürfe von Flammen und glühenden Steinen, welche man vom Meere aus sehn kann, folgen sich beinahe regelmässig von 6 7 Minuten. Da man nun schon mehrere Jahrhunderte vor Chr. dieselben Erscheinungen ge - sehn hat, so läst sich denken, wie viele Millionen male die Erupzionen sich müssen wiederholt haben, und man kann dies nur: eine pulsirende Lichterscheinung nennen. Auch scheint es, dass die kleinen Vulkane häufigere Ausbrüche haben, als die grossen. Die ganz hohen in Amerika bleiben oft 60 70 Jahre ruhig, vielleicht weil eine grössere Kraft dazu gehört, die Lava so hoch zu heben; daher kommen denn auch bei ihnen die häufigen Seitenausbrüche, worauf sie viele Jahre ohne Rauch und Feuer bleiben. Doch mus man bedenken, dass in so be - deutenden Höhen der Rauch nicht so leicht sichtbar ist, weil er sich nicht sobald niederschlagen kann. Beim Vesuv sind die Rauchsäulen nichts als Wasserdämpfe, die sich aus der Athmosphäre niederschlagen, und auf d〈…〉〈…〉em heissen Krater in Verdampfung übergehn: daher scheint es, als stiegen sie aus dem Krater.

201v

Meist haben die Vulkane die Gestalt von Domen, gleich viel ob mit oder ohne Öfnung. Der Chimboraço hat keine Öfnung doch entdekte ich einen kleinen niedrig-liegenden Seitenvulkan mit Lava, zum〈…〉〈…〉deutlichen Beweise, dass die elastischen Däm - pfe nicht Kraft genug gehabt hatten, den Dom selbst zu sprengen, sondern sich eine Seitenöfnung gesucht.

Der höchste bekante Vulkan ist der Kotopaxi, nach meinen Messungen 17700 Fus, nach andern 17712, dann folgt der Kopatopeletl 16600 Fus.

Man stelt sich gewöhnlich die Vulkane steiler vor als sie sind. Wenn man die Höhe nach dem Verhältnis des[figure] Grunddurchmessers berechnet, so findet sich eine merkwürdi - ge Übereinstimmung zwischen dem Vesuv, Aetna & Pic von Teneriffa, wie 1: 28[,] also die Höhe ist ungefährein1/ 30 des Umfangs: daher sind die Abhänge meist so sehr gering, kaum810 12 Grad.

[figure]Das Verhältnis der Höhe des Aschenkegels zur Höhe des Vul - kans ist sehr verschieden: je stärker die Erupzionen, um desto höher der Aschenkegel: beim Vesuv beträgt er der ganzen Höhe, beim Pic 1 / 22: beim Vesuv 200 Toisen, beim Pic 84.

202r51.

Nach sicheren Zeichen des Ausbruches hat man viel und vergebens gesucht; in Neapel glaubt man, dass der Vesuv im Herbst häufiger speie als sonst: aber man würde sich nur einen schwachen Begriff von der Stärke der vulkanischen Heerde machen, wenn man annähme, dass der Zustand unsrer Athmosphäre Einflus darauf haben könte, im Gegentheil istanzunehmenzu glauben, dass die vulkanischen Erscheinungen auf den Luftkreis einwirken. Indessen wird es beim Stromboli behauptet, und scheint durch alle Zeugnisse bestätigt, dass er wirklich im Winter heftiger speie als im Sommer: vielleicht ist bei diesem kleinen Vulkan ein Zunehmen der Kräfte durch Verdampfung denkbar, indem im Winter mehr Regen hineinfält als im Som̃er.

Beim Vesuv hat man jedoch ein sicheres Zeichen entdekt, es ist das Ausbleiben der Quellen von Resina, weil die grosse her - annahende Hize die Dämpfe verhindert, sich niederzuschlagen. Der Herzog della Torrehat in Resina und in Torre dell 'Annun - ziata viele Versuche darüber angestelt, und ihm verdanken wir das meiste was wir darüber wissen. 49

Die Grösse des Kraters ist durchaus nicht bestimt, und ver - ändert sich auch durch Ausbrüche und Einstürze. Beim Pic von[] Teneriffa ist er von 300 Fus im Durchmesser. Beim Ätna ist er202v nach den lezten Messungens[?]viel kleiner als man glaubte. Den grosten Krater fand ich beim Pichincha, an dessen Fusse Quito liegt: er hat 4200 Fus im Durchmesser: auf dem Rande desselben bilden sich wieder kleine Krater, welche das Umhergehn auf derSpize dscharfen Kante des Krater sehr erschweren: eben so wie beim Vulkan von Xorullo. Bei diesen kleinen[Kratern] geschickt der Ausbruch wie von einem neuen Zentralpunkt. Auch ist der Krater nicht immer becherartig (wie sein Name besagt) sondern oft unregelmässig. Der Kratersee von Choruca in Mexiko ist wie mit hohen einzeln - stehenden Thürmen umgeben: dazwischen liegt ewiger Schnee, über den man nicht wagen darf, zu schreiten, da er in allen Tropenlän - dern nicht Konsistenz genug hat, um den Menschen zu tragen: man würde alsobald einbrechen, und vielleicht 3 400 Fus tief hinabsinken. Auf dem Pichincha ist derselbe Fall: daher blieb mir, als ich zu einer Ansicht des Kraters gelangen wolte, nichts anders übrig, als diese thurmähnlichen Felsen zu erklimmen, wobei ich zufällig ohne Führer war, diese Felsen haben oben nur 8 9 Fus Durchmes - ser, daher muste ich mich gleich zur Erde werfen, sobald ich oben angelangt war, um nicht herabzustürzen: aber zu trigonometrischen Messungen sind diese Spizen vortreflich geeignet: und ich fand da - durch den Diameter des Pichincha von 4200 Fus, bei einer Tiefe von 3 4000 Fus. Eine der erhabensten Ansichten!

203r

35. Vorlesung, 05.03.1828

Der Prozes, durch welchen die Gebirgsarten gebildet werden, so weit wir ihn nämlich nach unsrer geringen Kentnis des Innern der Erde verfolgen können, ist dreierlei: durch unorganische Kräfte geschieht die Bildung auf 2erlei Art, durch organische auf eine[:]

  • 1, unorganische Bildung[:]
    • a, durch Quellen; offenbart sich in den Süswasserformazionen, als Niederschlag aus kalten und warmen Quellen, oder durch Anschwem - mung, Strömung und Fortführung der lokkern Theile.
    • b, durch vulkanische Wirkungen, als Laven, Porphyrmassen, Granit, Tuff, entweder trokken zusammengehäuft an dem Krater emporsteigend,alsoder als Konglomerat im wahren Sinne des Wortes.
  • 2, organische Bildung: sichtbar an den Koralleninseln: die Gehäuse und Wohnungen der Koralle steigen durch Anbau über die Meeresfläche empor, und zerbrökkeln sich.

Die vulkanischen Gesteine werden oft in Geselschaft der Konglome - rate gefunden, indem sie (die Gesteine) durch Zertrümmerung der Lagen von den Konglomeraten umgeben werden. Hievon sah ich ein sehr merk - würdiges Beispiel in den Antillischen Inseln, südlich von Kuba, bei den durch Kolumbusberühmt gewordenen Gärten des Königs und der Königin, wo sich eine Menge Koralleninseln mit Konglomera - ten zeigen.

203v

Indem ich nun zu den Vulkanen zurükkehre, bemerke ich, dass zu einem eigentlichen Vulkan nicht blos ein einzelner Ausbruch gehört: sondern eine Folge von Erupzionen. Solche einzelnen Er - scheinungen finden sich oft auf vulkanischem Boden. Wir wissen durch den vortreflichen ägyptischen Reisenden,Herrn Rüppel, dass auf Lipari sich 300 Fus hoch eine Tuffschicht befindet, welche durch feldspathartige Lava〈…〉〈…〉so hoch gehoben wurde.SolEin - zelne Ausbrüche finden sich in unserer Geschichte, aber von der Bildung eines permanenten Vulkans auf dem Boden des troknen Luftmeeres ist noch kein Beispiel vorhanden, so weit wir die Geschichte dieser Erscheinungen verfolgen können.

An seiner Spize ist der Pic von Teneriffa in dem Zustand einer Solfatara, wie die phlegraischen Felder bei Pozzuoli, dagegen geschehn an seinen Seiten noch manchmal Lavaausbrüche, er ist also immer noch ein eigentlicher und zwar Zentralvulkan zu nennen.

Die Vulkane sind ihrer Gestalt nach meist kegelförmig, doch giebt es Ausnahmen: so bildet der Pichincha, (höher als der Mont - blanc) einen langen mauerartigen Rükken: scheint also auf einer204r Spalte zu stehn. Der gröste bekante Vulkan, der Kotopaxi ist wieder ein kegelförmiger Trachytberg: er ist3[?]5mal höher als der Vesuv,und als der Pic von Teneriffa. Eine schöne Abbildung findet man in meinen Vues pittoresques pp.

Vergleichende Maase.

Höhe des Aschengkegels.ganze Höhe des Vulkans.
Vesuv. 1338 Fus nach meiner lezten Messung3750
Ätna 1020. 10,200 nach sehr übereinstim - menden Messungen von Saussure, Scopeund Herschel jun.
Pic 504. 11430.

Die Höhe des Aschenkegels nimt also ab, jemehr die des Berges zunimt: nicht als ob dies ein allgemeines Gesez sein solte: es hängt ganz natürlich damit zusammen, dass die kleinen Vul - kane mehr an der Spize auswerfen, wo der Aschenkegel sich bildet, die grossen dagegen öfter Seitenausbrüche haben.

Bei manchen fehlt der Ausbruchskrater, den man nicht mit dem Erhebungskrater verwechseln mus; dann findet sich nur ein einziger Lavastrom. Eine Ausnahme von dieser durchgehenden Regel fand ich beim Antisana, der, weit höher als der Montblanc,204v auf einer Ebne von 12000 Fus Höhe liegt, wo die Luft so dünn ist, dass, wenn man auf den Weiden das Rindvieh jagt, dieses sehr bald eine Menge Blut auswirft, weil in so dünner Luft auch eine geringe Muskelbewegung das Blut heftig in Wallung sezt. Der Antisana hat keine Öfnung auf dem Gipfel, und doch sieht man viele Lavaströme an ihm herabfliessen, die aber vielleicht gleichzeitig entstanden sein können. Der Chimboraço, welcher auch ein trachytischer Dom ist, hat keinen Krater, aber ich war so glücklich, einen kleinen Seitenauswurf von Lava zu finden, einen Ausbruch dampfartiger Substanzen, nahe von dem Orte, der im mexikanischen der Feuerberg heist, auf der - selben Ebne von Tapia, wo ich die trigonometrische Mes - sung des Chimboraço anstelte.

Der Vesuv, welcher zu den kleinsten Vulkanen gehört, hat dennoch einen Krater von 1600 Fus Durchmesser.

Der Pic von Teneriffa nur 300 Fus.[Einen] 2tenKrater, den von Chahorra entdekte Cordiererst im vorigen Jahrhundert.

Man glaubte lange, dass die Höhe der Kraterwände unbeständig sei: allein neuere Messungen haben gezeigt, dass ihre Höhe sich sehr gleich bleibt:

Der Vesuv ist sehr oft gemessen:205r

also ein Zwischenraum von fast 50 Jahren, und in diesen haben die Kraterwände ihre Höhe unbedeutend wenig verändert, ja die Rocca del Palo ist eher etwas gestiegen. 1794 war die nördliche Spize 500 Fus niedriger als die südliche: sie ist seitdem wieder von Lord Miltownund von mir gemessen worden, und es hat sich nur ein geringer Unterschied gefunden.

L. von Buchhat die Bemerkung zuerst gemacht, dass die Tiefe des Kraters das Maas für die wahrscheinliche Entfernung der Erupzion ist: nach der Erupzion von 1822 sank der Boden des Kraters bis 600 Fus tief, während er vorher so weit über den Rand gehoben wurde, dass man den Boden des Kraters von Neapel aus sehr deutlich sehn konte;wal v[?]jezt bildet er wieder ein Thal auf dem Rükken des Berges mit einzelnen Schlakkenkegeln darin: vor dem Ausbruch von 1822 war der Boden des Kraters an 200 Fustiefhochüber den Rand emporgestie - gen: daher sind die Nachrichten falsch, in denen man lieset, dass die Spize des Kraters eingestürzt sei: es ist nur der durch205v elastische Dämpfe gehobene Schlakkenkegel in der Mitte des Kra - ters, die Wände bleiben sich in ihrer Höhe sehr gleich.

Die Dikke des Kraters ist sehr bedeutend, und doch sind die heissen Dämpfe im Stande, in jenen Gegenden, wo er sich mit Schnee bedekt, den Schnee in einer Nacht zu schmelzen. So geschah es beim Kotopaxi, im Jahre 1804, während ich in der Südsee war, dass der weisse Kegel sich in einer Nacht in einen schwarzen Schlakkenhaufen verwandelte, nicht etwa, weil die Hize des Vulkans ihn auswärmte, sondern weil die überallaus den Spalten des Konus hervorquellenden heissen Dämpfe den Schnee schmolzen.

Bei den meisten Vulkanen haben sich die Ränder des Krate〈…〉〈…〉rs als Schichten von Lava gebildet, die durch einzelne Gänge gespalten wurden: dies sah man besonders deutlich am Vesuv nach dem Ausbruch von 1822.

Die Erupzionsgeseze kann ich hier nur nach der Reihe nennen:

  • 1, Erdbeben gehn dem Ausbruch vorher, aber begleiten ihn nie: zwar sind 1822 in mehreren Häusern von Portici die Dekken gespalten: dies geschah aber durch den Druk der Luft, als der 500 Fus hohe Schlakkenkegel einstürzte. Man hat, um sich zu überzeugen, an mehreren Orten in Portici gefülte Wassergläser206r52.hingestellt, aber keines derselben hat das Wasser verschüttet.
  • 2, Lavenausbruch, der an den Seiten des Berges herabfliest.
  • 3, Rauch - und Aschenauswurf: dieser bildet sich wie ein grosses Gewölbe, erzeugt eine starke elektrische Spannung und ein vulka - nisches Gewitter, daher Blize, Regen und Wasserströme aus dem Vulkan aufgeschleudert.
  • 4, Ausbruch der Moffetten von kohlensaurem Gase: eine solche führte wahrscheinlich den Tod des älteren Pliniusherbei. Früher hatte man den Vesuv nur nach einer Vermuthung des Vitruvius für einen Vulkan gehalten aber 79 nach Chr. erfolgte der gewal - tige Ausbruch, der PompejiundHerculanum verschüttete, und dem Pliniusdas Leben kostete. Nachher ruhte er wieder eine lange Zeit, so dass Braccinisagt, man habe Holz aus dem Krater geholt, der ganz überwachsen war. Der Ausbruch von 1500 ist unsicher: aber 1631, nach 3JahrhundertenRuhe, fängt er wieder an zu speien, und seitdem folgen sich die Ausbrüche in sehr schnellen Perioden.

Wo die Vulkane in den ewigen Schnee hineinreichen, unter den Tropen auf der Andeskette bei 2450 Toisen Höhe da zeigen sich eigne Phänomene:[es] erfolgt nämlich bei den Ausbrüchen ein Auswurf von vielen 1000 todter Fische, die aus dem Vulkan206v hervorbrechen. Dies ist so zu erklären: Vor dem Ausbruche füllen die geschmolzenen Schneemassen die unterirdischen Höhlen des Vulkans, und bilden grosse Teiche oder Seeen, in welche dieser kleine Fisch, Silurus Cyclopum oder Pymelodessich verkriecht, theils weil er Stille und Dunkelheit liebt, theils auch, weil ihm die kühlere Temperatur zusagt. Man erkent ihn sehr leicht an den feinen Barthaaren und Fäden um den Mund. Die Spanier nennen ihn: Preñadilla, und man findet ihn in allen Strömen von Quito. Dieser wird, vielleicht schon todt, mit dem Schneewasserin die Hohegehoben, und komt dann aus einer Höhe von 5 6000 Fus herab. So geschah es am dem Schrek - kenstage des 20 Juni 1698, als der Kangurascowelcheran Höhe den Chimboraço übertreffen haben soll, seinen Gipfel verlor. So bei den Ausbrüchen des Ipabarawo ein breiartiger Tuff mehrere Quadratmeilen bedekte, und eine solche Masse todter Fische ausgeworfen wurden, dass man diesem Umstande und dem heissen Sommer die vielen Faulfieber in der Gegend, allein zuschreiben kann.

Bei den Erupzionen ist dreierlei zu bemerken:

  • 1, das Auswerfen von Fragmenten des uranfänglichen Gesteins,207r als Granit, Syenit, Glimmerschiefer. Dieses findet man besonders in den alten Ausbrüchen des Vesuv, im Fosso de' Cervipp.[,] auch auf Palma bemerkte L. v. Buchsolche Fündlinge, die aus gros - ser Tiefe heraufgekommen sein müssen: diese Massen sind oft in die Lava eingebakken, wie ich dies häufig beim Jorullo wahr - nahm.
  • 2, Veränderung, die das Gestein erleidet: so wird der dichte Kalkstein der Apenninen vom Vesuv in parischen Marmor oder in Dolomit verwandelt.
  • 3, Hervorbringung von Lava, welche sich unter dem Drukke des Meeres als Lavaschicht, unter dem geringeren der Athmosphäre als Lavastrom zeigt. Die Tiefe des Ausbruchs bedingt die Stärke des Stroms, und die Höhe wird durch die Natur der Masse selbst bestimt, welches sehr merkwürdig und beachtenswerth ist. L. v. Buchmachte diese Bemerkung zuerst auf den kanarischen Inseln. Die Obsidiane haben einen geringeren Druk nöthig, als die Laven. Aus dem Trachyt entsteht der Obsidian, aus diesem derBimsstein, und viele Vulkane verwandeln denBimsstein noch in Asche. Der Ätna hat weder Obsidian nochBimsstein.
207v

Die gröste Masse vonBimsstein findet sich am Fusse des Koto - paxi, wo ich Stükkevon30 Fus lang und 6 8 Fus hoch antraf: welche von den Einwohnern für anstehendes Gestein gehalten wurden: es ist aber eine Folge der vulkanischen Kräfte, und nichts als umgewandelter Obsidian. Am Pichincha fand ich Glim̃er in der Lava, welche hier das Ansehn von gewaltigen Eisschol - len hat. Die Verwüstung ist hier so ungeheuer, dass die Spanier diese Gegend: mal pays, wüstes Land nennen. Wo die Lava sich nicht mit Asche bedekt, da kann sie 1000 Jahre liegen, ohne dass auch nur Flechten sich darauf zeigen. Beim Jorullo rühren die 3 4000 Kegel welche immerfort rauchen, von elastischen Dämpfen her, die auf eine zähe Masse gewirkt haben. Sie verhalten sich ungefähr wie Seifenblasen im Grossen. 1822 sah man dasselbe Phänomen beim Vesuv, aber nur mit einigen wenigen Kegeln.

Die Höhlen, welche sich in der Lava bilden, verdienen un - sre ganze Aufmerksamkeit, und nehmen insofern eine aus - gezeichnete Stelle in der Reihe der vulkanischen Erscheinun - gen ein, als in ihnen die Sublimazion der Metalle vor208r sich geht: es bildet sich Eisenglanz an den Wänden der Höhle, des - sen Zunehmen man sehr deutlich wahrnehmen kann. Bis jezt fand man in denvulkanischenProdukten 7 Metalle: Eisen, Titan, Kupfer, Mangan, Spiesglanz, ArsenikundSelenium.

Dies kann vielleicht einmal einen Aufschlus geben über den Zusammenhang im allgemeinen zwischen den MetallenundVulkanen.

Die Masse der Lava kömt in den verschiedenen Ausbrüchen aus höheren und tieferen Schichten, wie man dies aus ihrem Inhalte beurtheilen kann. In den Trachytbergen giebt es feld - spathartige Laven, in den Basaltbergen aber AugitundOlivin.

Die Masse ist sehr verschieden, oft bei nahestehenden Vul - kanen eine ganz andre: beim Ätna meist Hornblende, beim Vesuv dagegen Augit. Man findet grosse Unterschie - de bei Ausbrüchen desselben Berges, die 5 6 Monate aus - einanderliegen. Bald ist diese Masse ein dichtes Gewebe, bald ein dünneres mit einzelnen Krystallen oder Porphyrmassen. Es scheint aber doch, als ob die Krystalle präexistirten, und in der zähen Masse geschwommen haben.

208v

Beim Vesuv bildet sich nach dem Aschenausbruch eine grosse Pinie von Asche, wie schon Pliniussie beschreibt, und dies bezeichnet das Ende der Erupzion: die eingekerkerten elastischen Dämpfetbretchen dann hervor, und reissen Asche und Rauch mit in die Höhe.

Diese Asche zeigt sich:

  • 1, aus dem Krater selbst hervorgeschleudert. Wie heftig der Ausbruch des Vesuv von 79 n. Chr. gewesen sein mus, läst sich aus der Höhe der Asche schliessen, welche 70 80 Fus über Pom - peji aufgehäuft ward, und zwar nicht etwa herabgeflossen, sondern aus der Luft niedergefallen. Man hat die Ausbrü - che von 1631 und 1822 jenem ersten gleichstellen wollen, und vieles in den Angaben übertrieben, die Asche solte 1822 an 12 15 Fus hoch gelegen haben, während nach meinen Messun - gen es nur 2 Fus betrug.
  • 2, oft fliest sie aus Seitenspalten, welches sehr merkwür - dig ist: 1822 hies es, nahe am Krater habe sich eine heisse Quelle gebildet: als man aber genauer nachsah, war es ganz trokne Asche, die wie eine Flüssigkeit sich hervorschob, und es war leicht, den Staub und den Wasserdampf zu verwechseln.
  • 209r
  • 3, schlammige Ausbrüche mit Wasserdämpfen vermengt, hat man nur aus vorhistorischer Zeit nachgewiesen: namentlich sind sie am Rhein beobachtet, im Tuff der Eifelundvon Andernach.
  • 4, als Anschwemmungsschichten.

Der lezte Zustand in den Stadien der Vulkane ist der, wo sie als Solfataren oder Kraterseeen erscheinen. Sie stossen dann ein Gemenge von Schwefelwasserstofgas und Salzsäure aus. Von den Kraterseeen erreichen einige eine bedeutende Tiefe im Vulkan; bei dem von Tolnea bei Mexiko hatte ich, auf dem Rande des Kraters stehend, denSpiegel des Sees 5000 Fus unter mir. Ein See in Siebenbürgen, namens Doschelibei Wasuchenent - hält in seinem Wasser Schwefelsäure. Dies stimt volkommen damit überein, dass ich im Glimmerschiefer Schwefelmassen gefunden habe, welchesfrüherVorkommen früher bestritten worden war: bei Quito liegt der Schwefel in einem Quarzlager, und die Geognosten betrachten jezt den Gyps als durch die Einwirkung von Schwefeldämpfen entstanden.

36. Vorlesung, 08.03.1828

Es bleibt uns nun noch übrig, einigesübervondieerAneinanderreihung der Vulkane zu sagen; ein Studium, welches erst in ganz neuster Zeit seine209v Ausbildung erhalten. Das meiste und gediegenste darüber haben wir von L. v. Buch, theils in seiner Beschreibung der kanarischen Inseln, theils in einem neuren Aufsaz in Poggendorf's Journal: über die Natur und den Zusammenhang der Vulkane.

Man theilt die Vulkane in Zentral-vulkane und in Reihen-vul - kane. Jene bilden den Mittelpunkt einer Menge um sie her fast gleichmässig nach allen Seiten wirkender Ausbrüche. Diese liegen in einer Reihe hintereinander, oft nur wenig von einander entfernt, wie Essen auf einer grossen Spalte. In Hinsicht ihrer Lage sind die Reihenvulkane dann wieder von 2erlei Art. Entweder erheben sie sich als einzelne Kegel-inseln aus dem Grunde der See: dann läuft gewöhnlich ihnen zur Seite ein primitives Gebirge völlig in derselben Richtung, dessen Fus sie zu bezeichnen scheinen, oder diese Vulkane stehn auf dem höchsten Rükken dieser Gebirgs - reihe, und bilden die Gipfel selbst. In ihrer Zusammensezungundin ihren Produkten sind sie nicht von einander verschieden. Es sind fast immer Berge von Trachyt, und die festen Produkte daraus lassen sich auf Trachyt zurükführen.

Zu den Zentralvulkanen gehören: der Vesuv, mit den phlegraischen Feldern, und vieleicht dem Epomeo; der Ätna, mit den liparischen Inseln, worunter Stromboli; der Pic von Teneriffa mit den kanari -210r53.schen Inseln; die azorischen Inseln; die Cap-Verdischen Inseln; die Gallāpăgospp .[. ]

Zu den Reihen-vulkanen: die Andeskette, (Siehemeine geognostischen An - sichten von Südamerika) sehr merkwürdig ist es, dass wenn man hier vom Granit und Glimmerschiefer verlassen wird, das Vorkommen von Trachytkonglomeraten die Nähe eines Vulkans anzeigt; die Reihe von Guatemala; die Molukken; die Philippinen; die kurilischen Inseln.

Mit der Erscheinung derErde scheiVulkane scheinteine Hebung der Erde verbunden bei den Zykladen und in Mexiko: äusserst selten ist das Vorkommen von uranfänglichem Gestein in der Nähe eines Vulkans, doch giebt es Beispielez. B. ; am Vesuv sieht man solche granitischen Fünd - linge im Fosso grande; aber sehr wenig; bei Tunguragua in Mexiko nahe von der grossen Hängebrükke aus Strikken, ist Gneis vom Vulkane ge - hoben worden.

Indem wir einige allgemeine Betrachtungen über die Geognosie hin - zufügen, können wir uns natürlich nicht in das einzelne einlassen,in -demda dies der Gegenstand der Geognosie selbst ist. Erst in neueren Zei - ten hat man angefangen, auch die schaffende Kraft der Vulkane hervor - zuheben, da man früher nur auf ihre zerstörende gesehn hatte: es ist erwiesen, dass die Vulkane immer noch körnige Gebirgsarten bilden. Wir sehn diesen Prozes unter unsern Augen, und man hat in Folge210v davon versucht, die Massen welche wir durch die Vulkane erhalten, künst - lich nachzuahmen: um diesen Zweig der Naturkunde haben sich beson - ders verdient gemacht die Engländer Greenough, Warburton& Söwerby[. ] L. v. Buchhat im Flemser Thal im südlichen Tyrol eine Stelle ent - dekt, wo dichter Kalkstein in körnigen verwandelt ist durch eine Spalte des hervorgedrungenen Urgebirges; endlich haben die neusten Versuche von Mitscherlichkünstliche Fossilien hervorgebracht, indem er die Materialien derselben der Hize einesHochofens aussezte: er fand auf diese Weise, dass man künstlich darstellen könne: Glimmer, Augit, Olivin und Titan. Andre Chemiker haben die Schlakken derHochöfen untersucht, und auch schon da mehrere[künstliche] Mi - neralien gefunden. Diese Versuche sind nicht blos in chemischer Hinsicht von grosser Wichtigkeit, sondern auch für die Theorie be - deutend: denn es ist klar, dass die verwandelnde Masse jünger sein mus als die verwandelte: wenn wir also, wie im Flemser Thale dichten Kalkstein in körnigen umgeändert sehn, und daneben eine Spalte mit Urgebirge, so mus dieses später aus der Spalte her - vorgedrungen, also in seiner Bildung auf den Kalkstein ge - folgt sein.

Ich lasse nun noch einige Bemerkungen über die äussere Erdrinde im allgemeinen folgen, worüber ich ausführlich mich211r ausgesprochen in meinem: Geognostischen Versuch über die Lagerung der Gebirgsarten in beiden Erdhälften. 50

Es ist oft die Frage aufgeworfen, wie tief wir unter die Erdrinde, vom Spiegel des Meeres an gerechnet, gekommen sind? Lange hielt man die Grube von Ansin bei Valenciennes für die tiefste, welche 850 Fus unter dem Meere hat: allein die Messungen 2er ausgezeich - neten Geognosten, derHerren v. Dechenund von Oeynhausenhaben ge - zeigt, dass die tiefste Arbeit der Menschen unter dem Meeresspiegel bei Lüttich ist. Die Grube im Maasthale bei Val St Lambert hat 1500 Fus ganze Tiefe: da der Ort nun ungefähr 100 Fus über dem Meere liegt, so ist man hier 1400 Fus unter dem Meeres-niveau. Man hielt auch die Gruben von Whitehaven für die tiefsten, aber sie erreichen nur 1000 Fus. In Kornwall hat man eine Grube, wo einSchachtStollenmehrere 1000 Fus unter dem Meere hinläuft, und der äusserste Punkt desselben ist nur 8 Fus von dem Wasser entfernt. In dem Gebiete von Penswanist eine noch merkwürdigere Erscheinung: hier ist eine Grube auf einer Klippe im Meere, die gegen die Fluth durch Dämme hat geschüzt werden müssen, man baute 5 Jahre lang auf Eisenerze, bis endlich ein Schiffde[?]an der Klippe scheiterte und den Damm zerstörte, worauf die Grube ersoff; zum Glükke war Niemand unten. In Freiberg ist die tiefste Grube der Thonhofer Zug,211v der 1670 Fus hat: da aber Freiberg schon 1200 Fus über dem Meere liegt, so bleiben nur 400 Fus für die absolute Tiefe übrig. In Mexiko maas ich eine Grube von 1530 Fus, die zu den tiefsten be - kanten gehört, allein die ganze Gegend liegt 6000 Fus über dem Meere. Im Ganzen kann man annehmen, dass der Mensch 4[figure] mal so tief unter das Meer sich gearbeitet hat, als das Maas der höchsten menschlichen Bauwerke über der Erde beträgt, für welche es auch eine bestimte Gränze zu geben scheint: die Pyra - mide von Ghizeh, der Cheops genant, das Strasburger Münster, die Peterskirche in Rom (Dom in Antwerpen) alle schwanken zwischen 440 450 Fus Höhe, und dies ist wiederum nur 40 mal höher als die Bauwerke der Thiere: denn die Wohnungen der weissen Ameisen erheben sich bis 10 und 12 Fus.

Allein ausser den Gruben haben wir andere Mittel, das In - nere der Erde zu erforschen: wir bedienen uns der Hebung der Gebirge, obgleich dies auch noch nicht viel ist. Nehmen wir an, dass die ganzen Gebirgsketten durch elastische Däm - pfe aus der Tiefe hervor gehoben sind, wie es nach den neuen Ansichten sehr wahrscheinlich ist: so ist also der unterste Fus des höchsten Gebirges die tiefst-heraufgehobene Stelle. Nun hat man auf dem Himalaya bis jezt die Höhe von 18500212r Fus über dem Meere erreicht, und der höchste Gipfel, der Deva - lagiri ist, wiewohl noch ziemlich unsicher, auf 26400 Fus ge - messen worden.,Bedenken wir fernerund dass [?]erFus dieses Gebirges wäre also die aus dem tiefsten Grunde hervorgehobene Stelle, die wir kennen. Bedenken wir aber, dass einegeographischeMeile 22800 Fus hat, und dass der Erdhalbmesser 860 Meilen beträgt, so sieht man, dass wir etwas über eine Meile, also nur einen sehr geringen Theil dersErdradius kennen.

Aus noch grösserer Tiefe indessen wirken die Vulkane herauf, und namentlich müssen wir annehmen, dass die Fündlinge kör - nigen Gesteines, wie man sie beim Vesuv am Fosso grandepp. findet, aus bedeutender Tiefe hervorgeschleudert worden sind.

Wenn wir von oben nach unten hinabsteigen, so unterscheiden wir 5 körnige Gebirgsarten:

  • 1, neuste Laven mit Eisenoxyd.
  • 2, ältere Basaltformazion.
  • 3, Trachyt mit glasigem Feldspath.
  • 4, Porphyr mit und ohne Quarz.
  • 5, Syenit, Gneis, Granit.

Die 5teAbtheilung nante man lange: Urgebirge, aber Berzeliusfand in[dem] Syenit: Olivin. Nehmen wir die übrigen Fossile dazu, so212v haben wir von oben nach unten gehend:

  • 1, lokkere Schichten von Dammerde mit Thierknochen.
  • 2, dichtere Schichten von Kalkstein mit[Seefischen], Bivalven, Polytha - lamen, Tellinenpp.
  • 3, Thonschiefer mit einigen Spuren von Bambus.
  • 4, körnige feldspathreiche Massen, Serpentin.
  • 45, Granite, Dolerite, Basalte, ohne Reste organischer Körper.

Die 3tevon diesen Gruppen heist auch Übergangsgebirge: in ihr findet sich das erste Aufkeimen des organischen Lebens: Bambus, baumartige Farrenkräuterpp .[. ]

Die 2teGruppe sind die Flözgebirge mit Palmenstämmenpp .[. ]

Darüber lagert sich die erste Gruppe als terziäre Bildung, und hier finden wir Baumstämme von Dikotyledonen, wie aus unsern nordischen Wäldern.

Dann folgt ein aufgeschwemtes Gebirge mit Goldsand und fossi - len Landthieren, und dies bildet die oberste Erdschicht.

Zwei grosse Zerstörungen der Vegetazion, nachdem die Erdrin - de schon erhärtet und erkaltet war, können wir in diesen Erscheinungen wahrnehmen: sie bezeichnen die Gränzen der Flözgebirge nach oben und nach unten. Die oberste ist die Stein - kohlenformazion, welche aus einer untergegangenen Palmenforma -213r zion also Monokotyledonen entstanden ist: darunter die bernstein - haltige Braunkohle aus Dikotyledonen. Hier greift die Botanik so eng in die Geognosie ein, dass sie kaum mehr von einander zu trennen sind, daher kann es bemerkt werden, dassMonokotyledonensolche Pflanzen sind, deren Stamm meist einfach in die Höhe steigt, und aus einer schwammigen Masse besteht;Dikotyledonenaber einen festen vielfach-verzweigten Stamm