PRIMS Full-text transcription (HTML)
Note: 28bG. Partheÿ.

EX · LIBRIS · GVSTAVI · PARTHEY ·

acc. ms. Note: 1921. 144

1r
Note: Ms. Germ. qrt. 1711.
Alexander von HumboldtVorlesungen über physikalische Geographie.
Novembr. 1827 bis April, 1828.
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1v2r
1.

acc. ms.

1

Physikalische Geographie bei A. v. Humboldt.

1. Vorlesung, 03.11.1827

Als Einleitung in diephysikalischeGeographiegebe ich eine Übersicht der Zustände im allgemeinen, in welchen die Materie uns im Weltraume erscheint, und fange daher mit denjenigen Körpern an,welche in der Lichtbildung begriffen scheinen. Durch Herschelsche und Frauenhofersche Teleskope bemerkt man nämlich Nebelflekke, welche einen mehr oder minder hellen Kern mit einer Lichthülle umgeben zeigen: in dieser Lichthülle nimt manein Ab - und Zunehmender Lichtstärke wahr, eine Ebbe und Flut; diese mögen zu den primitiven Formazionen, zu den Uranfängen des Aggregatzustandes gehören. Ihre Ent - fernung ist unermeslich: durch die Verfinsterungen der Jupi - tertrabanten sind wir im Stande, die Geschwindigkeit des Lichtes zu berechnen, welches von Röselzuerst geschah. Olaf Römer, ein Däne 1676 mit dem ältern Caſsinizu Paris [Das] Licht braucht von der Sonne bis zu uns 8 Min. 13 Sek. vondijenenentferntesten Nebelflekken aber 20 30,000 Jahre. 2vDies ist alles, was wir von jenen entfernten Weltkörpern wissen können, wir gehn zu solchen über, welche uns näher stehn, und in der linsenförmigen Sternschicht selbst liegen, in der unser Planetensystem sich befindet. Hier finden wir nun die Doppelsterne, deren man bis jezt 700 entdekt hat: einige davon drehen sich, wie Besselgezeigt hat, um einen gemeinsamen Schwerpunkt, haben sich also noch nicht selbstständigaufkonstituiren können: man findet deren 3 4 zusammen; ja im Sigma des Orion laufen 16 Sterne umeEinen Schwerpunkt. Auch scheinen hieher diejenigen zu gehören, welche nur auf der einen Seite leuchten, und daher in gewissen Periodender Umdrehung verschwinden und wieder - kehren, wovon wir in der Kassiopeia und sonst Bei - spiele finden.

Bei der ungemein grossen Menge von Sternen müssen wir annehmen, da〈…〉〈…〉ssdie Himmelsräume mit einer licht -3r schwächenden Materie angefült sind, die man auch wohl Aether genant hat: denn sonst würde uns, wie schon Olbersbewiesen hat, aus allen Theilen des Himmels ein unbegreif - lich scharfes reflektirtes Licht entgegenstrahlen; (ja wir müssen sogar dem Aether eine Bewegung-schwächende Kraft beimessen, wie weiter unten gezeigt werden wird.) Anstatt jenes scharfen Lichtes aber sehn wir am Him - melsraume eine sehr verschiedene Helligkeit, je nachdem die Sterne dicht oder dünn vertheilt sind:jaes kommen auch mehrere ganz von Sternen entblöste Stellen vor, wovon ich vor allen die sogenanten Kohlensäkke (von den Engländern coal-bags genant) anführe: den einen an der Spize des südlichen Kreuzes, den andern nahe am Südpol, welche ich beide auf der südlichen Halbkugel beobachtete: eine andre leere Stelle〈…〉〈…〉von 6 8 Graden im Durchmesser findet sich im Krebs: doch mus ich hiebei eine auffallende3v Erkescheinung bemerken, dass nämlich die Intensität der Dunkelheit bei diesen Flekken nicht gleich ist: der im Krebs ist heller.

Welchen Plaz unser Planetensystem in der linsenförmi - gen Sternschicht einnehme, ist nur im allgemeinen zu bestimmen: nach der neuesten Ansicht steht es dem Adler am nächsten.

Nach Herschelist unsre Sternschicht in einer fortwäh - renden Bewegung begriffen, und zwar in einer sich nach allen Seiten hin auflösenden. Unser Sonnensystem bewegt sich gegen das λ im Herkules.

Über die Kometen hat sich neuerlich die Meinung der Astronomen sehr geändert, jener[Gedanke], dass sie ein Planetensystem mit dem andern verbinden, ist ganz ver - schwunden: man nimt jezt an, dass keine ihrer Bahnen über den Uranus, ja nicht einmal über den Saturn hi - naus gehe.

4r

Beschränken wir uns nun zuerst auf unser Planetensystem, so werden wir alle Planeten in 2 Klassen theilen können: in innere und äussere,oderd. h.solche, welche innerhalb und ausserhalb der Bahnen der Ceres, Vesta, Pallas & Juno liegen, diese 4, welche wir kleine Planeten nennen, sind alle zusam - men nicht so gros als unser Mond, ja die Vesta als der kleinste, hat eine Oberfläche von 10,000Quadratmeilen,also weniger als der preussische Staat. Die 4 innern Planeten, Merkur, Venus, Erde, Mars haben eine grössere Dichtigkeit: nämlich:

MerkurVenusErdeMars
PlatinGoldMagneteisenstein

sie sind auch deshalb, weil sich ihre Masse mehr konzentrirte, mondarm, und haben alle zusammen nur einen Mond.[Die] 4 äussern sind weit〈…〉〈…〉weniger dicht:[Pallaspp. Jupiter,Saturn,UranusBernstein.NaphtaWasser.]und sehr abgeplattet. Wir haben hier eine Menge von Satelliten,4v und die Erscheinung eines Ringes, welcher nichts anderes ist, als eine Menge knotenförmig verwachsener Trabanten.

Man hat bis jezt von solchen Kometen, welche zwi - schen der Erde und der Sonne durchgehn, 400 beobachtet, rechnen wir aber alle dazu, welche ausserhalb der Erde ihre Bahnen ziehn, so kann ihre Zahl leicht auf einige 100,000 gesteigert werden, welche alle zu unserm Planeten - systeme gehören.

Die wichtigste Entdekkung in dieser Hinsicht machte vor wenigen Jahren unser Astronom Encke: er fand, dass ein Komet in [Jahren] um die Sonne läuft, bei seinem lezten Erscheinen hatte er ihn genau vorhergesagt, und man ent - dekte ihn auch zuerst in NeuHolland in Paramatta, fand aber, dass er sich ein wenig verspätet hatte, und dies führte auf die Bewegung-hemmende Eigenschaft des Aethers, welche oben erwähnt wurde.

Der Hauptmann Bielafand einen 2tenKometen, welcher5r in [Jahren] herumläuft, und ausser diesen sind uns noch 2 bekant, welche regelmässig wiederkehren.

Die Abplattung der Erde an den Polen ist bedeutender, als man früher glaubte, man nahm sie sonst zu 1 /310305 1 /315310an: jezt weis man, dass sie zwischen 1 / 2889 1 / 2990liegt. Die spezi - fische Dichtigkeit der Erde ist , wie Kavendishzuerst zeigte, von dem man dahermit Recht sagte, er habe die Erde gewogen.

Die nach dem innern der Erde zunehmende Temperatur macht es höchst wahrscheinlich, dass die Erde in einernoch unbe - stimmten Tiefe flüssig sei: diese Flüssigkeit steht ihrer Dich - tigkeit gar nicht entgegen, eben so wenig als bei den KometendieihreLeichtigkeit es hindert, dass die obern Schichten der sie um - gebenden Hülle auf die untern drükken, und dennoch kann man durch den Kern mancher Kometen Fixsterne der 6 7tenGrösse erkennen, ja ihre Dunsthülle übertrift alles bei weitem an Dünnigkeit, was wir von gasförmigen Körpern auf der Erde kennen: sie sind mehrere 1000 mal weniger dicht als die Erde.

5v

Wir müssen unsre Erde in einer fortdauernder elektro-ma - gnetischen Spannung annehmen, und es ist sehr wahrschein - lich, dass diese Spannung durch die Sonnenwärme erhalten wird, wie dies aus der schönen Entdekkung Seebeck's vom Thermomagnetismus und den Beobachtungen der gelehrten Engländerin, Lady Sommervilleüber die Eigenschaften der Sonnenstrahlen hervorgeht.

2. Vorlesung, 07.11.1827

Nachträglich zur ersten Vorlesung:

Im Weltenraume nehmen wir die Materie in 2erlei Gestalt wahr:

  • 1, zu Weltkörpern geballt,
  • 2, als Dunstmasse dazwischen verbreitet.

Die Weltkörper liegen schichtenweis übereinander, und unser Planeten - system liegt in einer linsenförmigen Sternschicht.

Ein Theil der Nebelflekke läst sich durch starke Fernröhrein Sterne auflösen, ein andrer bleibt selbst vor dem40-füssigen Herschelschen Tele - skop unaufgelöst als Nebel: der grosse Nebelflek im Orion, welcher auch dem blossen Auge sichtbar ist, bleibt stets unauflösbar, und doch steht er uns höchst wahr - scheinlich näher, als mancher andre auflösbare.

6r2.

Bei den Doppelsternen ist zu bemerken, dass diejenigen, welche sich um die andern bewegen, meist ein buntes gefärbtes, vielleicht verlöschendes Licht haben, und dass ihre Bewegung von Osten nach Westen ist, im Gegensaze unseres Systemes, wo alle Bewegung von Westen nach Osten fortrükt.

Unser System besteht aus einem Zentralkörper, um welchen sich 11 Hauptplanetenund18 Nebenplaneten bewegen, der Zentralkörper ist von so ungeheurer Grösse, dass unser Mond fast2-mal darin seinen Umlauf um die Erde vollen - den könte.

Die 4 kleinen Planeten, Vesta, Ceres, Pallas und Juno heissen auch Asteroïden, und obgleich sie wegen der Unregelmässigkeit ihrer Bahnen,[den Übergang zu den Kometen] zu bilden scheinen, so ist man doch jezt alge - mein überzeugt, dass Kometen nie in Planeten und umgekehrt sich verwandeln können.

6v

Der Komet des Hauptmanns Biela(in Böhmen) könte uns allerdings gefährlich werden, da man berechnet hat, dass einer seiner Knoten wirklich in der Erdbahn liegt, indessen kann uns die grosse Leichtigkeit dieser Welt - körper von aller Besorgnis befreien: denn man hat nach - gewiesen, dass einer derselben durch das Trabantensystem des Jupiter gegangen ist, ohne dasselbe im mindesten in Unordnung zu bringen. Die Dichtigkeit der Ko - meten beträgt 1 / 5000 von der Dichtigkeit der Erde: sie sind also noch weit dünner, als die dünste Luft, welche wir unter der Luftpumpe hervorbringen können.

Bei der Dichtigkeit der äussern Planeten ist zu be - merken, dass der Uranus etwas dichter ist als der Saturn: nämlich wie Wasser zu Naphta.

Der dem Saturn am nächsten laufende Mond ist kleiner als Vesta, mithin der kleinste planetarische7r Körper, den wir kennen.

Bei allen Messungen im Weltraume ist es weit interes - santer, die Grössen und Zahlen in ihrer relativen Ausdeh - nung zu kennen, als in ihrer absoluten: grade wie bei den Berghöhen. Die Schneekoppe ist ½ mal so hoch als der höchste Gipfel der Pyrenaeen: der Pik von Teneriffa ½ von der Spize des Himalaya; der Brokken des Schimboraço. So wird auch eine vergleichende Berechnung von der Grösse des Weltraumes, wie sie Herschelanstelte, hier an ihrer Stelle sein. Man seze den Durchmesser unser Sonnensystems mit den äussersten Kometen - bahnen = 1 Linie; so wird die grössere Axe unsrer linsenförmigen Sternschicht = 260 Fus gleich sein; und von uns bis zum fernsten Nebelflek = 4⅓ geogr. Meile. Die Sehweite des bewafneten Auges ist also 4⅓ Meile, die7v des unbewafneten im gleichen Verhältnis 3 Fus.

Man hat Infusorien beobachtet, deren Durchmesser 1 / 1000 Linie beträgt: diese verhalten sich zu einem Wallfisch von 60 70 Fus Länge, wie der Durchmesser unseres Sonnensystemes zu der Entfernung desselben von den weitesten Nebelflekken.

Bei allen diesen Berechnungen ist natürlich eine Ungewisheit vorhanden, welche aber dadurch verringert wird, dass man sie in ganz bestimte Gränzen einschliessen kann, so kann man mit Bestimtheit behaupten, das der Sirius 10,000 mal weiter als Uranus steht, weil seine Parallaxe noch nicht eine Sekunde be - trägt. Bei der Entfernung des Mondes von 51,000 Meilen ist man nur um 14 15 Meilen ungewis, welches so viel heist, als ob man bei der Höhe des Brokkens von 3200′ um1 2′ ungewis wäre.

Über die geologische Beschaffenheit der Weltkörper hat man geglaubt, durch die Aerolithen Aufschlus zu erhalten, welche aus sehr entfernten Gegenden zu kommen scheinen: ohne sonderlichen Erfolg.

Wenn wir nun zu den tellurischen Verhältnissen übergehn, so8r müssen wir zuerst 2 flüssige Hüllen um den Erdkörper bemerken, die des Meeres und der Luft, wodurch man schon auf die Kugel - gestalt der Erde geführt werden könte. Schon Aristoteles(de coelo) stelt die Behauptung auf, dass die Erde rund sei, weil man bei den Mondfinsternissen den Erdschatten rund in die Mondscheibe eintreten sieht. Aus der Mondbahn selbst hat man auf die Ab - plattung der Erde an den Polen geschlossen. Nach Freycinet's lezten sehr genauen Messungen ist es erwiesen, dass die Erde am Südpoldieselbnicht mehr abgeplattet ist als am Nordpol, wie man früher glaubte.

Die Attrakzion der Berge, nach der man in verschiedenen Gegenden die Schwere der Erde gemessen hat, gab verschiedene Resultate: in Schottland, 4,7 schwerer als Wasser; am Mont - cenis, 4,4. durch Kavendish ' Erdwage 5,4. nehmen wir aus allen diesen Angaben das Mittel, so erhalten wir 4,5 5,0: wir müssen also annehmen, dass im Innern der Erde eine grössere Dichtigkeit herscht, als wir in den dichtesten Gebirgs -8v arten antreffen, der Basalt hat nur 3,5spezifischeSchwere. Auch die Stabilität des Meeres, d. h. die Sicherheit, welche wir haben, dass es nicht seine Ufer übertritt, ist nur auf der nach innen zunehmenden Dichtigkeit der Schichten begründet.

Die magnetische Spannung der Erde äussert sich horizontal und vertikal, oft auch oscillirend, und wird durch die innere und äussere Erwärmung vermehrt. Die Versuche von Morecchiniin Rom und von Miss Sommervillehaben bewiesen, dass man unmagnetisches Eisen durch Sonnenstrahlen ma - gnetisiren kann: doch gelingen diese Versuche sehr selten.

Die relative Tiefe der Bergwerke ist zwar sehr verschieden, doch ist man bis jezt nur auf 900′ unter der Oberfläche des Meeres vorgedrungen.

Eine konstante Erscheinung ist es, dass die tiefer herauf - kommenden Quellen immer die wärmeren sind, wodurch es um so wahrscheinlicher gemacht wird, dass der Erdkör - per bei wenigen Meilen Tiefe sich im geschmolzenen Zu -9r stande befindet, doch werden die Schichten durch den Druck gehalten.

Die vulkanischen Erscheinungen sind von 2erlei Art:

  • 1, bleibende, welche als ein Zusammenhang zwischen dem innern geschmolzenen Kerne des Erdkörpers und der At - mosphäre zu betrachten sind.
  • 2, temporäre: dahin gehören Erupzionen, Inselbildungen, wie Zabrina, Methana. Monte nuovo. Ischia.pp.[Den] Ausbruch von Chorydo in Mexiko 1759 beobachtete ich selbst sehr genau.

Wenn wir mithin annehmen müssen, dass die Erdoberfläche früher eine weit grössere Wärme gehabt, so erklärt sich hieraus sehr leicht das Vorkommen der tropischen Produkte in den nördlichsten Gegenden; und wir können es ohne Beden - ken aussprechen, dass unsre Erde sich früher in einem chao - tischen Sonnenzustande befunden haben müsse: darauf ging jene Oxydazion vor sich, die wir noch jezt an der Kruste wahr - nehmen, nachdem aber diese einmal geschehn ist, so schüzt sie9v den innern glühenden Kern vor Erkältung,〈…〉〈…〉demindemsie selbst vom Zentrum aus gleichmässig erwärmt wird. Fourierhat be - rechnet, dass die Temperatur in 1000 Jahren kaum um ½ Grad Reaumur fallen wird.

Die bleibenden Vulkane bilden Gebirgketten eines körnigen Gesteins,[welches] früher fest gewesen ist: in ihrer Nähe erkennen wir einen Übergang zwischen alten und neuen Gebirgsarten.

Steigen wir von oben nach unten hinab, so finden wir

  • 1, einen aufgeschwemten Boden mit Thierknochen, die einem riesenartigen Geschlechte angehören.
  • 2, Kalkstein und Sandstein, ebenfals mit Thierknochen.
  • 3, Thonschiefer, schwarzen Kalkstein, Grauwakke,pp. mit wenigen Spuren von Organisazion.
  • 4, die 4 körnigen ältesten Gebirgsarten. Granit, Gn[?]eus, Glimmerschiefer, Syenit, mit diesen vermengt: Serpentin,
    D[?]olomi[?]t
    1 Trachyt, Porphyr, Basalt, Dolerit.

Steigen wir von unten herauf: so finden wir am tiefsten10r3.im Thonschiefer die ersten Vegetabilien, höher hinauf auch Kon - chylien, nicht anders als ob die Natur auch hier von den unvolkommen zu volkomneren Geschöpfen fortgeschritten wäre. Im Ganzen aber nehmen wir 2 grosse Zerstörungen von Wäldern wahr. Die ersten Wälder bestanden aus Mono - kotyledonen und dem Material der Steinkohlen, die 2tenaus Dikotyledonen, wie wir sie in unsern Gegenden haben. Bei den Versteinerungen finden sich überall Palmen und tro - penartige Farrenkräuter: man hat berechnet, dass bei jener früheren Vegetazion fast gar keine Dikotyledonen vorge - kommen sind: während jezt die Palmen nur 1 / 30 derganzenPflanzenwelt ausmachen.

3. Vorlesung, 10.11.1827

Den grösten Theil meines Lebens habe ich dem Studium der Geognosie, Meteorologie und Pflanzengeographie gewid - met, ich darf daher wohl hoffen, in diesen Theilen der Wis - senschaft Ihnen ein deutliches Bild davon aufzustellen.

10v

Wir müssen vor allem auf eine chemische und mechanische Heterogeneïtät in den Bestandtheilen der Erde aufmerk - sam machen: hienach wird darzustellen sein, wie die kon - stanten Assoziazionen der Gesteine eine Gebirgsart bilden, welche man mit derselben Mischung in allen Theilen der Erde wiederfindet. Die Gebirgsarten bilden Gruppen, welche man Formazionen nent: es ist Werner's un - sterbliches Verdienst, zuerst auf die Bildung der Forma - zionen aufmerksam gemacht zu haben, so finden sich z. B. immer beisammen:

  • Granit, Gneus, Glimmerschiefer,
  • Basalt, Mandelstein,
  • Steinkohle, Quarzporphyr, Sandstein.

und dies nent man geognostische Reihen.

Die Geognosie ist nichts anderes als die wissenschaft - liche Betrachtung dieser Reihen von Gebirgsarten,11r welche man entweder arithmetische oder periodische nennen könte, je nachdem die einzelnen Gebirgsarten sich ein - oder mehreremale hintereinander finden.

Es ist ein Triumph der Bergwissenschaft, dass durch Betrachtung dieser Reihen an manchen Stellen die Entdekkung des so unentbehrlichen Steinsalzes her - beigeführt worden ist.

In Hinsicht auf ihre äussere Gestaltung theilt man die Gebirgsarten in 3 Klassen ein:

  • 1, plattenförmige.z. B. Kalkstein mit Versteine - rungen, und Süswasserthieren; ferner die terziären Bildungen, mit welchem Namen man diejenigen Flöz - gebirge bezeichnet, welche über der Kreide liegen.
  • 2, fragmentarische, wohin der Sandstein gehört.
  • 3, körnige, wie karrarischer Marmor, Granit,11v Trachyt, (woraus der Chimboraço besteht) Porphyr.

Bemerkt mus es werden, dass die Flözgebirge an man - chen Stellen ganz fehlen,z. B. in dem ganzen Theile von Nordamerika, welchen Captain Franklinneuerlich durch - wandert hat: auch in jenen Gegenden am Orinoco, welche ich in grosser Ausdehnung durchzogen habe.

Das Organische in diesen Gesteinen hat sich nicht immer gleichmässig ausbilden können, doch bemerken wir hier ganz unzweifelhaft im Fortschreiten der Formazionen von unten herauf, von den Gräsern, Trilobyten, zu den Eidexen, welche mit unsern Kro - kodillen Ähnlichkeit haben, bis zu den Vögeln und Säugethieren hinauf.

Bei den beiden Schichten untergegangener Wälder mus hier erinnert werden, dass die tiefere Schicht12r zwischen den Flöz - und Übergangsgebirgen liegt, und das unbekante Material zu den Steinkohlen geliefert hat, das aber ohne Zweifel aus Monokotyledonen bestand. die 2tehöhere Schicht liegt zwischen den terziären Bil - dungen und den Flözgebirgen, und hier finden sich unter den Dikotyledonen die meisten unsrer Waldbäume. Beide Schichten bilden, so zu sagen, grosse geognostische Ho - rizonte, nach denen sich der Forschungerin allen Him - melstrichen sogleich orientiren, und die relative Stel - lung der vorgefundenen Gebirgsarten zu einander be - stimmen kann. Man kann sich dieselben als iso - chronisch in den entferntesten Weltgegenden entstan - den denken.

Früher glaubte man, dass die einzelnen Gebirgsarten durch gewisse Menstrua im Wasser aufgelöst ent -12v halten gewesen, und aus demselben durch Niederschlag abgesezt worden: man sprach von Granitwasser, Gneus - wasser, und hatte, um es grade heraus zu sagen, sehr unchemische Ideen über ihre Entstehung gefast, wovon man jezt zurükgekommen ist: denn nicht über - all finden sich[Auflagerungen], sondern vielmehr Anla - gerungen der Gesteine. Granit liegt oft höher als die andern Gebirgsarten, oft findet man ihnüberhängend.auf gleicher Höhe mit denselben.

Es ist jezt keine Frage mehr, dass im Innern der Erde viele brennbare Stoffe existiren, welche in Verbindung mit den komprimirten glühenden Däm - pfen die Erdbeben herbeiführen. Wie wäre es sonst zu erklären, dass zu derselben Zeit,ja in derselben Stunde wo Lissabon durch ein Erdbeben unterging, das Meer an den Antillen13r weit über seine Ufer hinausgetrieben wurde, und in Böhmen (ein durchaus konstatirtes Faktum) mehrere Heilquellen momentan versiegt sind.

Die jezige Erdrinde ist durch Säuren oxydirt worden, welche sich in der Luft befinden: wenn man eine kleine Kugel von Potassiumdieinder Luft aufhängt, so wird sie sogleich ihren Glanz verlieren, indem ihre Oberfläche durch den Sauerstof der Athmosphäre oxydirt wird. Wahrscheinlich ist es, dass die körnigen Gebirgsarten das erste Produkt dieser Oxydazion gewesen sind: wo wir daher den Granit auf den Höhen finden, da müs - sen wir annehmen, dass er dorthin gehoben sei. Auf den geognostischen Karten sehn wir, dass Granit, Gneus, Glimmerschiefer sich in grossen elliptischen Formen über die andern erheben, wie dies sehr auffallend in den Gebirgen von Kornwall stattfindet: ja man findet13v die Spalten der neueren Formazionen mit Granit gefült, wel - ches sich nur durch Heraufhebung erklären läst, wenn man nicht ein sonderbares echinus-artiges Aussehn der Erdoberfläche annehmen will. Der Granit hängt oft über, ja im südlichen Tyrol liegt Granit auf Kalkstein auf, und hat eine Penumbra von mehreren 100 Fus schwarzen Kalksteins gebildet. Diese Verwandlung läst sich in manchen Fällen auch durch die Kunst hervorbringen: Hallin England hat gewöhnlichen Kalkstein in karrarischen Marmor verwandelt, indem er ihn unter einem ungeheuren Drukke geschmolzen. Im südlichen Tyrol hat man mitten in Kalkschichten schöne schwarze Augitkrystalle entdekt, welche zu - gleich Thonschiefer und Grauwakke in die Höhe ge - hoben haben. Wenn wir also auf den höchsten Gebirgen Konchylien finden, so sind diese durch Hebung, keines -14r4.weges aber durch Niederschlag aus dem Wasser (wie man früher annahm) dahingekommen: so fand man auf den Liparischen Inseln Meerespflanzen im Tuff der Vulkane. Alles dies, man kan es jezt ohne Zandern ausprechen, geschah durch die Gewalt elastischer Dämpfe, welche auch vielleicht bei der Erzeugung der Metalle, wovon wir alle Gebirgsarten durchzogen finden, mitgewirkt haben.

Die gänzliche Revoluzion in den geognostischen Ideen ist von dieser Stadt selbst ausgegangen: wir verdanken sie dem Herrn Leopold v. Buch, dem verdienstvolsten Geognosten, der alle Klimaten der Erde, von dem tropi - schen Himmel der kanarischen Inseln bis zu den nördlichsten Gegenden unsrer Zone mit gleichem rast - losen Eifer durchforscht hat.

Die zweite Stelle nimt die höchst wichtige Entdekkung ein, dass man mehrere Gesteine, wie Glimmer, Pyroxenpp.14v künstlich darstellen könne: dies geschah durch einen unsrer ersten Krystallographen, Herrn Mitscherlich, welcher diese Produkte in den Hochöfen erhalten hat.

Die Athmosphäre, welche unsern Erdball umgiebt, besteht aus Sauerstoff, Stikstof und einem unbedeu - tenden Theile Kohlenstof. Die Quantität Sauerstof scheint auf allen Höhen dieselbe zu sein, wie dies durch vielfältige Versuche erhärtet worden ist: ich holte Luft aus einer Höhe von 15000′, noch höher kamHerr Gay Lussacmit einem Luftballon; überall aber fand man dieselbe Menge Sauerstof.

Wir müssen uns denken, dass unser Luftmeer nach oben zu Wellen schlägt, und daher erklärt sich die Veränderung des Barometers im Grossen: ausser dieser hat man aber noch 2 Ebben und Fluten bemerkt, welche täglich wiederkehren: der erste höchste Stand15r ist von 9 früh, der 2teum 11 Uhr Abends: diese Oszillation wird von Stürmen nicht unterbrochen, und steht auch nicht, wie die Meeresflut, mit dem Monde in Verbindung: eben so wenig hat die Wärme Einflus da - rauf, noch die Verhältnisse von Zenith und Nadir. In den Tropenländern[habe] ich diesen Beobachtungen nur wenige Tage gewidmet, in Deutschland braucht man kaum 20 Tage, um die Mittelzalen in den Stunden zu finden.

Nicht minder als dies verdient die Quantität des Regens, welcher in den verschiedenen Zonen fällt, unsre Aufmerksamkeit. Man hat berechnet, dass unter den Tropen jährlich 120 Zoll Regen fallen, bei uns nur 15″ und im südlichen England, wo es im Verhältnis sehr viel regnet, 30 35″.

Eine nicht minder wichtige Wissenschaft ist die Klima - tologie, wobei ich hier nur im allgemeinen bemerke, dass15v das Klima nicht blos von dem mehr oder minder schrägen Auffallen der Sonnenstralen abhängig ist, sondern vorzüglich durch die Wechselverhältnisse zwischen Meer und Land〈…〉〈…〉bestimt werde.

DieopakenstarrenTheile sind vorzugsweise wärmeerzeugend. Alle westlichen Küsten unter gleichen Breiten sind wärmer als die östlichen, und man bemerkt einen auf - fallenden Wärmeunterschied zwischen Europa, Nordame - rika und China.

Europa verdankt sein gemässigtes Klima nur dem Umstande, dass es

  • 1, nichts ist als dieWest-Küste des grossen alten Kontinentes
  • 2, dass ihm im Süden ein grosser Kontinent, Afrika liegt: (so ist Asien kälter, da ihm dieser Kontinent fehlt, die Südwinde sind daselbst kälter, weil die Son - nenstralen auf dem Wasser nicht so erwärmt werden als auf d. Lande.)
  • 16r
  • 3, dass es nicht ganz gegen den Nordpol hinaufreicht, sondern dass zwischen ihm und demNordpol ein eisfreies Meer sich befindet (welches wieder in Amerika und Asien fehlt) daher sind dieNordwinde in Europa nicht so kalt als in jenen Erdtheilen, weil sie nicht über einen eisigen Kontinent, sondern über ein eisfreies Meer kommen
  • 4, ausserdem gehn auch noch in diesem eisfreien Meere südliche Strömungen an den Küsten von Skan - dinavien aufwärts.

4. Vorlesung, 14.11.1827

Allerdings ist der Einfallswinkel der Sonnenstralen bei der Klimalehre von grosser Wichtigkeit, doch ist er es nicht allein, der die Temperatur eines Landes bestimt: je grösser dieser Winkel wird, um desto geringer ist der Unterschied, den er auf Wärme und Kälte hervorbringt: von 60 90° ist fast gar keine Verschiedenheit: daher haben die Länder unter dem Aequator bis 15° drüber und drunter fast ganz dasselbe Klima.

Im Ganzen hat der Ozean eine wärmere Temperatur,alsan16vseiner Oberfläche, als in der Tiefe. 1, weil nur die durchschei - nenden Theile sich leicht erwärmen 2, weil die kälteren Theile zu Boden sinken, die wärmeren aber aufsteigen. Wir müssen im Meere dreierlei Temperaturen annehmen.

  • 1, von oben nach unten nimmtdisieüberall auf gleiche Weise ab, und in den Tiefen der Aequatorialmeere herrschteine Polarkälte.

  • 2, schon Franklinmachte die Beobachtung, dass auf den Untiefen das Wasser kälter sei, als ringsumher: man könte also mit dem Thermometer die Gefahr erraten: ich erkläre diese Kälte aus einer Mischung der obern und untern Schichten, welche durch die unter dem Wasser befindlichen Spizen von Inseln (nichts anderes sind die Untiefen) aus ihrem Gleich - gewichte gebracht werden.

  • 3, die Temperatur der Strömungen, deren es im〈…〉〈…〉Wasser wie in der Luft giebt, ist gleichfals von der allgemeinen unterschieden: ich erinre hier nur an den Golfstrom, der an der östlichen Küste von Südamerika in die Höhe steigend, durch die Bocca del Dragone schiest, dann in dem Meer - busen von Mexiko einen grossen Wirbel beschreibt, durch17r die Bahama-strasse wieder herausfliest, und nun sich ge - gen die Küste von Irland wendet. Daher findet man nicht selten Tropenprodukte an die Küste von Schottland getrieben, und zwar ist dieses seit den ältesten Zeiten der Fall. Vor einem halben Jahrtausend, wurde Amerika durch Kolumbusent - dekt, vor einem Jahrtausend durch die Normannen, aber ein noch älteres Faktum hat uns Corn. Neposin einer seiner Biographien aufgezeichnet, wo es heist, dass ein keltischer König Inder erlangt habe, die durch Schifbruch an seine Küste verschlagen worden. Ohne Zweifel waren dies Eskimaux: denn unter Indern verstanden die Alten alle Völker von dunkler Hautfarbe: an Ost-indier ist in diesem Falle ohnehin nicht zu denken. Auch noch inmneuer ZeitMittelalterist ein lebender Eski - maux in seinem Boote in Schottland angekommen, und das Boot wird noch jezt in deruralten Kirche eines kleinen Städtchens aufbewahrt.

Wir gehn nun zur Betrachtung der organischen Theile unseres Erdbodens über, und müssen hier zuerst anführen, dass über das Aufkeimen der organischen Materie, wie über alle Anfänge17v der geschaffenen Welt, eine grosse Ungewisheit herrscht. Unendlich viel Versuche hat man über die sogenante Priest - leysche Materie, die Oszillatorien, Lamelliten, Infusorienpp.[ angestellt,] und es hat noch nicht einmal bestimt werden können, ob diese Uranfänge sich in eine vegetabilischeoderundanimalische Masse scheiden lassen, oder ob die animalische durch eine grosse Anhäufung von[vegetabilischer] entstehe. Dies ist der schwie - rigste Theil der Naturgeschichte, weil er nur auf mikro - skopischen Untersuchungen beruht, wobei der Übelstand eintrit, dass der eine etwas ganz anderes sieht, als der andre, und dass Laien fast gar nichts von dem sehn, was den Adepten deutlich ist: indessen können wir hier unbedingt den Män - nern trauen, die sich so lange mit diesen Gegenständen be - schäftigt haben. Bory de St Vincenthat in neuster Zeit der gröste Verdienst, und Latreillehat in seiner Naturgeschichte diese mikroskopischen Thiere als ein 4tes Naturreich aufgenommen.

Man glaubte früher, dass zur Hervorbringung jedes animalischen Lebens Licht erforderlich sei. Lavoisiererklärte daher auf eine geistreiche Art die Fabel des18r5.Prometheus, welche nur den Saz ausspricht; dass das Feuer organische Stoffe hervorruft. Man hat sich indessen in der neusten Zeit überzeugt, dass auch ohne Licht ein orga - nisches Dasein Statt finden kann: die organischen Stoffe gehn tiefer als all' unser Bergbau: beim Sprengen istein Gegenstand, mit dem ich mich in meiner frühsten Jugend beschäftigte. man auf unterirdische Höhlen gestossen, in welche durchaus kein Licht dringen konte, und die dennoch einige Flechten beherbe[ r] gten; in der Tiefe des Meeres, wohin fast so wenig ein Lichtstral dringt als in die Bergwerke, existiren grüne Vegetabilien: ich schöpfte in den antillischen Meeren aus einer sehr beträchtlichen Tiefe einenArt von grü - nem Fucus. Man kent[bis jezt] 1000 Species von Einge - weidewürmern, welche zwar in einer sehr gleichmässigen Temperatur, aber durchaus ohne Licht leben; in dem neusten Werke von Rudolphiüber die Thierklasse finden wir die höchst wichtige Entdeckung ausgesprochen, dass in denselben Organen derselben Thierklasse unter ganz verschiedenen Himmelstrichen sich dieselben Würmer finden,z. B.18v in den Eingeweiden des europäischen Rehes und der afri - kanischen Gazelle.

Kehren wir nun zu den Pflanzenanfängen in's be - sondere zurük, so müssen wir zuerst auf den rothen Schnee des Polareises aufmerksam machen, welcher aus jenen nördlichen Regionen zu uns gebracht, mehrere Jahre in England ausgehalten hat. Man fand, dass die rothe Farbe von nichts anderem herrühre, als von klei - nen organischen Körnern: anfangs nante man sie: Uredo noivalis, später gab ihr der grosse Brownden Namen: Tremella nivea: dieserThierPilzvegetirt tief unter dem Gefrierpunkt, und ist fast immer von Schnee ein - geschlossen; man entdekte nun auchdieselben Thiereähnliche Bildungenan andern Orten in England und Frankreich, und eine andre Art,von Usneen welche sich in Quellen von 60 68° Reaumur Hize aufhälten. Es giebt kaum einen grösseren Kontrast, als zwischen diesen mikroskopischen Gegenständen, als den Anfängen der vegetabilen und animalen Natur, und den Riesenprodukten der heissen Zone, unter denen sich19r die Palmen der Tropenländern von 280 300′ Höhe auszeich - nen, welche also den meisten unsrer europäischen Kirch - thürme an Höhe gleichkommen. Ganz ungeheure Exem - plare fandichDouglasam Rio Columbia undich selbst am Orénoco. Doch auch das nördliche Deutschland hat unter seinen Eichen undBuchen Produkte von einer sehr bedeutenden Grösse auf - zuweisen.

Bei der Vertheilung der Pflanzen ist nichts bewun - dernswürdiger, als die grosse Einheit der Natur, welche auch hier nach so bestimten Gesezen verfahren ist, dass man sogar ihre Operazionen der Rechnung hat un - terwerfen können, eine so grosse Übereinstimmung herrscht in der Verbreitung der einzelnen Spezies. Es ist hinlänglich, in einer bestimten Gegend die Zahl der Arten einer bestimten Gattung zu kennen, um daraus die über - raschendsten Resultate zu ziehn: indem man nämlich jene Zahl mit bestimten Quotzienten multiplizirt, erhält man sehr genau nicht nur die Anzahl der Spezies der andern Gattungen, sondern auch die Zahl der Arten überhaupt, welche19v in jener Gegend vorkommen. Noch ist hiebei die auffallende Erscheinung zu bemerken, dass diese numerischen Verhältnisse sich keinesweges nach der Zahl der einzelnen Pflanzenindivi - duen richten, sondern nach den Formen im allgemeinen.

Zur Karakteristik der Pflanzen gehört es ferner, dass sie nicht alle über den Erdball gleichmässig vertheilt sind, sondern dass jeder Form ihr bestimter Wohnplaz angewiesen ist: gewisse Familien könte man nordische, andre wieder tropische nennen, wobei jedoch nicht zu verkennen ist, dass die Gränzennichtnirgendscharf gezogen, sondern sehr in einander übergehend sind. Die Euphorbiaceen und Malvaceen nehmen nach dem Norden zu ab, die Ericeen und andre werden nach dem Süden zu seltener. Auch in Hinsicht auf dieBreitenLängengrade herscht eine grosse Verschiedenheit in den verschiedenen Welttheilen: die Vegetazion von Nordamerika ist von der europäischen ganz verschieden; man hat versucht, in dieser Hinsicht gewisse Formenlinien zu ziehn, welche diesen Unterschied angeben sollen. Zu den seltnern For -20r men in Nordamerika gehören die Labiaten und Cruciferen, die sich wieder bei uns in grosser Menge finden.

Es läst sich berechnen, dass die Masse der beschriebenen und bekanten Pflanzen sich auf 60,000 Spezies beläuft.[Von] der grösseren Menge, welche auf dem ganzen Erdboden sich befindet, läst sich nicht einmal eine Schäzung machen. Das gröste Herbarium auf der Welt hatHerr Lambertin England zusammengebracht, und in diesem finden sich〈…〉〈…〉allein30,000 Phanerogamen. Das ganze Reich der Vegetabilien läst sich nicht in einzelne grosse Klas - sen theilen: denn die Natur kent dieselben nicht, und hat die feinsten Übergänge von einer in die andre: man hat daher in neuer Zeit mit grossem Rechte angefan - gen, diese gewaltige Masse von Gewächsen in kleinere Gruppen, in natürliche Familien zu theilen, bei denen es zwar auch schwer, aber doch eher möglich ist, die gemein - schaftlichen Kennzeichen zu bestimmen und festzuhalten.

Bei dem Pflanzenleben im grossen drängen sich uns20v einige interessante Betrachtungen auf: einige Pflanzen leben vereinzelt, andre gesellig: einen grossen Unterschied bemerkt man zwischen dem alten und neuen Kontinente: während auf dem alten Kontinente unabsehbare Strekken Landes mit derselben Baumgattung, welche die Wälder bildet, bedekt sind, so wechselt diese Erscheinung sehr schnell in Amerika: am Orinoco besteht ein Wald auf jeder Quadratmeile aus andern Pflanzen, und es ist oft schwer, hier das Material der Wälder im Ganzen zu bestimmen. Es braucht hiebei kaum bemerkt zu werden, welchen entscheidenden Einflus diese starke Vegetazion auf die Kultur unter den Tropeneingewirktgehabthat: wäh - rend wir in den Urwäldern ganze Völker von Jägern und Fischern auf derselben Stufe der Ausbildung sehn, so müssen wir nicht verkennen, dass das noma - dische Leben, welche wir in den Steppen von Hochasien, in Arabien, und an andern Stellen der alten Welt be - obachten durch die Abwesenheit von hohen Baum - stämmen bedingt werde.

21r

Es darf ferner nicht übergangen werden, dass da, wo die Vegetazion ärmer ist, sich eine scheinbare Mannigfaltig - keit zeigt, weil zwar der Formen im Ganzen weniger sind, sich aber Repräsentanten jeder Form überal vorfinden müssen.

Gehn wir nun zu den Thieranfängen in's besondere über, so mus vorangeschikt werden, dass die Locumotivität der Thiere grösser ist als die der Pflanzen: bei diesen findet sie nur im Eie statt, bei jenen dauert sie das ganze Leben hindurch. Bei den unförmlichen Gestalten der Acephalen und Gasteropoden ist sie freilich nur sehr gering: denn diese scheinen von der Natur angewiesen zu sein, auf der Stelle zu bleiben, wo sie entstanden. Die Echinus oder Seeigel bewegen sich volkomner, indem sie lange weisse Fäden aus mehreren Öfnungen herausstrekken: dennoch sind sie nur Zoophyten. Eben wegen jener Locumotivität streifen die Thiere durch mehrere Klimaten, wovon wir auf - fallende Beispiele unter den Fischen finden: man trift dieselben Arten von den Inseln des grünen Vorgebirges bis zum Kap der guten Hofnung hinunter. Diese Erscheinung21v läst sich aber sehr gut erklären, wenn man bedenkt, dass die Fische in den verschiedenen Tiefen des Meeres alle verschie - denen Temperaturen antreffen, mithin weniger an das Klima, welches grade an der Oberfläche herscht, gebunden sind.

  • Man zälte bis jezt 45000 Insekten,
  • 5000 Vögel
  • 2000 Fische
  • 700 Säugethiere.

Die Säugethiere machen in den meisten Ländern der Vögel aus: dies Verhältnis muss aber früher ein anderes gewesen sein. Vor der ersten grossen Unnmwälzung unseres Planeten mus es mehr Säugethiere gegeben haben: der Grund aber, warum wir deren mehr in den Versteinerungen finden, liegt nicht allein darin, dass sie in grösserer Menge vorhanden waren, sondern offenbar auch in der grösseren Locumotivi - tät der Vögel, welche sich leichter retten konten. Verloren gegangen sind besonders solche Säugethiere, welche sich unsern Schweinen, Pferden und Elephanten nähern. Wir müssen hier wiederum die grosse Einheit der Natur bewundern, dieeinereinesolche Übereinstimmung in ihren Bildungen beobachtet, dass es uns möglich wird, aus einem einzelnen Organe auf alle übrigen, auf die ganze Gestalt des Thieres mit grosser Sicherheit zu schliessen.

22r6.

Unter den Amphibien sind verloren gegangen der Megalosaurus, eine ungeheure Eidexe von der Höhe eines Ochsen, und von 60 70′ Länge, während die grösten heutigen Krokodille, welche ich ge - messen habe, nur 22 24′ lang sind; der Pleisiosaurus, ein grosses Krokodil mit einem Schwanenhalse, der fast die halbe Länge des Körpers ausmacht: wir müssen uns denken, dass dieses gefährliche Thier am Ufer im Wasser gelegen, und von da aus mit dem lan - gen Halse seine Beute erhascht habe; der Ichthyosaurus, den man in den Juraformazionen antrift: er zeichnet sich durch seine grossen runden Fischaugen aus, während alle andern Kro - kodille kleine geschlizte Augen haben.

Es mus ferner in Betrachtung gezogen werden, dass auf den Südseeinseln sich fast lauter kleine mausartige Thiere finden, im indischen Ozean dagegen sehr grosse,z. B. ein Rhinozeros mit 2 Hörnern. Tief in Sumatra und in der Nähe von Paris fand man Tapirskelette, und so werden die entferntesten Länder auf diese Weise mit einander verbunden.

Das höchste Ziel aller Naturbeobachtung ist die Erkentnis unsrer eignen Natur, daher beschliesse ich das Naturbild, welches ich bis hieher zu entwerfen versucht habe, mit einer Darstel -22v lung der Menschenraçen. Ob es wirklich einen spezifischen Unter - schied in der Menschennatur gebe, lasse ich noch dahin gestelt sein, und bemerke nur, dass man zu der Eintheilung in Racen die verschiedenartigstenGegenständeMerkmale, wie: Knochenbau, Haut - farbe, Dermoïdalsystem, Haarepp. gewählt hat.

Cuviernimt 3 Menschenraçen an: eine weisse, gelbe und schwarze. Blumenbachhat diesen noch 2 hinzugefügt.

Wie unbestimt alle diese Eintheilungen sind, will ich nur an einem Beispiele zeigen: im Alterthume hielt man die Aethiopen für ein einziges grossesNeger-Volk von derselben Bildung: krauses Haar,eingequetschte Nase, unangenehm aufgeworfene Lippen waren die Kennzeichen desselben: in neuerer Zeit ent - dekte man aber Negervölker, welche keinesweges diese Merk - male zeigten, deren Bildung sich vielmehr schon der euro - päischen näherte.

Man kam nun auf einen Ein<thei>lungsgrund, der allerdings viel für sich zu haben scheint, nämlich auf die Sprachverschie - denheit. Meines Bruders, W. v. Humboldt: philosophische Untersuchungen über die Vertheilung der Sprachen auf der ganzen Erde beweisen indessen die Gleichheit der körperlichen Anlagen bei den verschiedenartigen Völkern, so dass zuweilen in einer23r und derselben Race die gröste Sprachverwirrungschiedenheit herscht, während in den Sprachen der entferntesten Völker sich Analogien finden: so bemerkt man eine Sprachähnlichkeit zwischen den Kopten, den Bewohnern von Kongo und den Vaskischen Völkern. 2

Bei andernVEintheilungen sind die Namen der Unterschei - dungsmerkmale sehr unbestimt gewählt. So braucht Meinersden Ausdruk volkomne und unvolkomne Racen, und rechnet die Chinesen, troz ihrer uralten und ausgebreiteten Kultur, die Inder, troz ihrer Poesie und Philosophie zu den unvolkomnen: doch hat er in seinen lezten Jahren diese Meinung geändert.

Man mus also auch hier, wie dies bereits in der Zoologie und Botanik geschehn ist, die allgemeinen Eintheilungen verlassen, und sich nur an die Betrachtung kleinerer Gruppen halten, bei denen man die Merkmale eher fixiren kann.

Wir haben also im Ganzen folgende 6 Abtheilungen durchzugehn.

  • 1, Astronomie.
  • 2, Geognosie. Betrachtung der festern Erdrinde.
  • 3, Klimatologie flüssigen Hüllen. (Meer & Luft)
  • 4, Geographie der Pflanzen.
  • 5, Thiere.
  • 6, Betrachtungen über die Menschenraçen.
23v

5. Vorlesung, 17.11.1827

Nachdem wir nun den Entwurf eines Naturgemäldes vollendet haben, welches den ersten Theil der Prolegomenen zu meinen Vorlesungen ausmacht, kommen wir jezt zum 2tenTheile derselben, welcher das Verhältnis unserer Wissenschaft zur Empirik und zur Naturphilosophie bestimmen soll: der dritte Theil wird eine kurze Geschichte der Entstehung des Gedankens von der Einheit der Natur geben.

Wenn wir uns in dem Naturgemälde von der Entstehung der wahrnehmbaren Materie Rechenschaft gegeben haben, wenn wir in der Geognosie die starren Theile des Erdkörpers, in der Meteorologie und Klimatologie die beiden flüssigen Hüllen desselben betrachteten, wenn wir endlich von der Geographie der Pflanzen und Thiere zu den Menschenraçen übergingen, so wird man diesen Theil, indem er die Gesamt - heit des Geschafnen umfast, nicht mit Unrecht einenMArt von Mikrokosmus nennen können, wobei ich allerdings fürchten mus, wegen der zu grossen Kürze, viel - leicht manchmal undeutlich geworden zu sein; die spätere ausführliche Behandlung dieser Gegenstände24r wird mir Gelegenheit geben, vieles in ein helleres Licht zu sezen. Zugleich mus ich hier bemerken, dass es durchaus nicht meine Absicht ist, von der Wissenschaft nur eine enzy - klopädische Ansicht zu geben, vielmehr hoffe ich, dass wir uns von der Oberflächlichkeit, der unzertrenlichen Gefähr - tin jener Ansicht, immer entfernt halten werden. Al - lerdings wird die grosse Fülle der Gegenstände, welche wir zu betrach - ten haben, oft eine gedrängte Kürze nöthig machen, bei andern werden wir länger verweilen müssen: denn es liegt immer nur in der Unvolkommenheit der Wissenschaft selbst, dass man sie nicht kurz vortragen kann. Wo schon vieles bekant und unter - sucht ist, oderwoin den Wissenschaften, welche einer mathe - matischen Behandlung fähig sind, da ist es leichter, kurz zu sein, als in solchen, wo es mehr auf eine richtige Beur - theilung von Thatsachen und Wahrnehmungen ankömt wiez. B. in der Meteorologie und in der Lehre vom Magnetismus.

Die Natur ist Einheit und Vielheit, sie ist der Inbegrif der Na - turdinge und der Naturkräfte; die Naturkentnis ist mithin die Kentnis der Dingeneben - oder nacheinander, und somit zer -24v fält sie in Naturbeschreibung und Naturgeschichte: es tritt hier der unglükliche Umstand ein, dass im Deutschen in dieser Hinsicht eine grosse Sprachverwirrung herscht. Meist wird die Naturgeschichte mit der Naturbeschreibung verwechselt, und es wäre wohl möglich, dass diesausvoneiner misverstandenen Übersezung von PliniusHistoria Naturalis herrührte: man gab nämlich Historia durch Geschichte, obgleich uns A. Gelliusin seinen attischen Nächten die Bedeutung dieses Wortes im altrömischen[Sinne aufbehalten hat (der ganz gewis sich dem griechischen (von ἱςτορέω, forschen) genau anschlos)]: er sagt nämlich: dass der alte Grammaticus Servius Flaccusdas Wort historia definirt habe, als: cognitio rerum prae - sentium.

Obgleich nun beide Theile: Naturbeschreibung und Naturge - schichte an sich streng geschieden sind, so kommen wir doch oft in den Fall, beide miteinander verbinden zu müssen, wie namentlich inder Geognosie, wo wir bei dem thatsächlichen immer auch an das ursächliche denken müssen, wo es uns nicht genügen wird, bei einer blossen Kentnis von der Lagerung der Gebirgmassen stehn zu bleiben, sondern wirwerden damit eine25r Geschichte der grossen Umwälzungen verbinden müssen, wodurch diese Lagerung herbeigeführt wurde.

Wir werden nie aus den Augen verlieren dürfen, dass die Natur - kentnis an sich 1, eine besondere 2, eine allgemeine ist: denn die Beziehung dieser Ideen aufeinander hat oft Verwirrung gegeben: so ist die beschreibende Botanik eine besondere Wissen - schaft im Vergleiche mit den Naturwissenschaften im allgemeinen; sie wird uns von den einzelnen Erscheinungen der Pflanzenwelt, wie sie als Thatsachen neben einander stehn, Rechenschaft geben; sie wird es nicht verschmähen, uns von dem ungeheuren Drachen - baum in Orotava zu erzälen, welcher seit 500 Jahren, seit der Epoche seiner Entdekkung, beinahe dieselbe Dikke behalten hat, und noch immerfort Blüten und Früchte trägt von der noch grösseren Adansonia, welche 40 Fus, nicht Umfang, sondern Durch - messer hat, in deren Stamm eine kleine Höhle ausgehauen ist, die der Kommune des umwohnenden Völkchens zum Versamlungs - platze dient. Die Geschichte der Botanik aber werden wir eine allgemeine nennen können, insofern sie nämlich tief in die Ge - schichte unseres Erdkörpers selbst eingreift. Sie mus bis auf25v das Keimen der Pflanzen zurückgehn, und wird nicht umhin können, eine Menge geologischer Verhältnisse bei dieser Gele - genheit zu berühren: sie wird uns mit den beiden grossen Ab - theilungen der Pflanzen bekant machen, je nachdem dieselben mit einem oder zwei Saamenlappen keimen: ich meine die Monoko - tyledonen und Dikotyledonen: zu den ersten gehören hauptsächlich die Palmen, Gräser und Farrenkräuter, zu den 2tenunsre gewöhn - lichen Waldbäume.

Nach den Objekten kann man die Naturgegenstände entweder für sich betrachten, und dies mit grosser Abstrakzion, oder auch als ein Ganzes, welches nur in verschiedene Zonen über den Erdkörper vertheilt ist, und dieser lezte ist grade die Wissen - schaft, von welcher ich versuchen[werde], Ihnen in dieser Vorle - sung einen Begrif zu geben.

Das erste Aufkeimen des Gedankens von einer Einheit der Natur findet sich bei dem verdienstvollen englischen Naturforscher Bernhard Varenius, der 1650 seine Geographia generalis herausgab. 3 Newtonselbst verschmähte es nicht, eine neue Ausgabe davon mit Erläuterungen und Zusäzen zu vermehren. 4Man findet darin schon die Anfänge zu einer vergleichenden Geographie.

26r7.

Der gröste Triumph der neuern Zeit ist die Erforschung und Ent - dekkung vom Zusammenwirken der verschiedenartigsten Kräfte und das Aufeinanderbeziehn und Erklären der entferntesten Erscheinungen: so hat man aus dem Mondumlauf 1, auf die Abplattung der Erde an den Polen mit solcher Sicherheit geschlossen, als es nur immer durch Rechnungges[?]und Messung bestimt werden konte. 2) auf die Unwahn- delbarkeit der Tageslänge seit Hipparch's Zeiten, also fast seit 2000 Jahren. 3) auf die Unwandelbarkeit der Temperatur des Erdkörpers, welcher seit jener Zeit nicht ½° Wärme (Reaumur) verloren haben kann: die Quantität Wärme, die er empfing und wieder aus - stralte, ist also ganz dieselbe geblieben; so ist man mit einem Stükke Doppelspath im Stande gewesen, zu entscheiden, ob das Licht der Kometen ein eignes oder ein fremdes sei; so hat durch die Höhe der Ebbe und Flut den Grad der Anziehung be - stimt, die der Mond auf unsre Erde ausübt, d. h. man hat die Nutazion der Erdaxe bestimtrechnet, wonach sich die kleinen Ellipsen er - klären lassen, welche von den Fixsternen aljährlicham Himmel beschrieben werden.

Bei der grossen Menge von Gegenständen, welche unsre Wissen - schaft umfast, war es schwer, ihr einen guten Namen zu geben. 26vPhysiologie würde nach unsern Begriffen zu enge sein, obgleich dieser Ausdruk bei den Alten einen umfassenderen Sinn hatte; ungefähr wie bei den Engländern noch jezt alle Ärzte Physiker heis - sen, und alle Physiker mit zu grosser Höflichkeit Naturphilo - sophen genant werden.

Den wahren Namen finden wir ineinereinempostumen Werke von Kant(seiner physischen Geographie) wo er unsre Wissenschaft in der Einleitung: die Weltbeschreibung nent, indem siein e[?]diekosmischen und tellurischen Zustände auseinandersezen soll. Ich will hier zugleich auf das klassische Werk von Karl Ritter, seine vergleichende Erdbeschreibung aufmerksam machen, in der er sich bei den algemeinen Betrachtungen nicht nur zu der Höhe der höchsten Abstrakzionen erhebt, sondern auch im Einzelnen den Einflus der Erdoberfläche auf das Wohlsein und Schiksal der Völker überhaupt,aufvortreflich und befriedigend dar - gestelt hat.

Indem wir aber die Weltbeschreibung auf eine solche Höhe stellen, müssen wir niegevergessen, dass sie immer nur Mate - rialien zu einer eigentlichen Naturphilosophie liefert, in derauch die Naturbeschreibung, derenblezter Zweck ein vernunftmässiger Begriff der Natur ist, eine untergeordnete Stelle einnimt.

27r

Vor nichts werden wir uns bei unsern Untersuchungen mehr zu hüten haben, als vor der Aufstellung von falschen Thatsachen, denn nichts ist gefährlicher zu bestreiten, und bringt grössere Unord - nung hervor: man findet sie nirgend häufiger als in der Medizin und Klimatologie.

Zwei Tendenzen unseres Zeitalters sind merkwürdig: die empirische und philosophische: bei der ersten sehn wir eine grosse Aufhäufung von Thatsachen, ohne[dass] dabei auf den Sinn des Ganzen Rüksicht genommen wird; bei der 2tensehn wir, dass Beobachtungen und Versuche verachtet werden: indem sie alles a priori erklärt, könte man die Chemie mit unbenezten Händen treiben: sie baut nur einen dogmatischen Schematismus auf, der durchaus zu keiner Realität der Kentnisse führt. Es solten aber Naturphilosophie und Empirie nie im Widerspruche stehn, und jeder Forschende solte sich be - streben, sie in ihrer Durchdringung zu erkennen. So ist manz. B. allerdings überzeugt, dass es so wenig einen Lichtstoff giebt, als[einen] Wärme - und Schallstoff: dennoch mus man dies bei den mathematischen Hypothesen in diesen Wissenschaften annehmen, um sie der Rechnung zu unterwerfen: ja es sind hiebei solche Voraussezungen nicht nur unschädlich, sondern sogar nöthig.

27v

Wir kommen nun zum dritten Theil unserer Prolegomenen, welcher einenkurze Geschichte unserer Wissenschaft bei den abendländischen Völkern geben soll: bei den andern ist uns zu wenig davon bekant, als dass wir sie genau verfolgen könten.

Eine begeisterte Ahndung des Algemeinen müssen wir auch bei den sogenanten wilden Völkern voraussezen, wenn wir bei ihnen das Gefühl des Naturganzen erklären wollen, jenes Naturganzen von dem wir eine vernunftmässige Erkentnis bei den mehr ge - bildeten Völkern vorfinden: so wie der Horizont sich allen Wissen - schaften erweitert, so rükt diese Erkentnis näher und näher.

Bei den Völkern welche den sogenanten Naturzustande näher sind, gleichsam wie Pflanzen an den Boden geheftet, bei diesen gewint jede Erscheinung der Natur eine Bedeutsamkeit, welche sich bis auf die ärmsten Theile herab erstrekt. Lichtvoll entwik - kelt finden wir diese Ansicht in Prof. Ehrenberg's Schrift über den Karakter der Nordafrikanischen Wüsten.

Die sogenanten Urvölker sind beinahe eine modische Sitte geworden, bei der wir uns nicht aufzuhalten haben: man rechnete nach und nach dazu die Semiten, die Atlanten, Kelten, die Bewohner von Irak, endlich die Inder, während man nach allen Beobachtungen annehmen kann, dass die Erkentnis einer Natureinheit28r sich bei allen wilden Völkern gleichmässig entwikkelt hat. Ja wenn ich eine Hypothese darüber aufstellen solte, so würde ich mich mehr zu der Meinung hinneigen, nach welcher alle wilden Völker (unter denen ich einige Jahre meines Lebens zugebracht habe) vielleicht Trümmer einer untergegangnen Kultur sind. Einen Urwilden wird kein Reisender je gefunden haben: dagegen findet man allerhand auffallende Kentnisse bei den sogenanten Wilden: sonderbar übereinstimmende Namen der Sternbilder, und dessen, was man im Monde sieht bei Völkern, die in ungeheuren Wäldern leben, und den Himmel nur wie durch einen Schornstein beobachten können: da man doch voraussezen mus, dass diese Ideen auf den grossen Savannen entständen sein mögen: es ist natürlich, dass das einzig Geregelte, was diese Wilden um sich sahen, der Lauf der Sterne, auf sie gewirkt haben mus, eine natürliche Astronomie ist daher gar nicht wunderbar:derdieAbtheilung des Jahres braucht nicht von einer Nazion zur andern übergegangen zu sein: es war nur nöthig, den wiederkehrenden Auf - gang der Sonne und des Mondes in Bezug auf einen Baum zu beobachten, der am Horizonte stand.

Der Wunderglaube an eine Naturweisheit hat sich bei gebildeten[Völkern] auf eine sehr übereinstimmende Weise gefunden, die Inder verehren dennördlich gelegenen Himalaya, und es geht bei ihnen die28v Sage, dass die Braminen aus den Norden hergekommen seien. Bei den Chaldaeern undhHellenen sind alle Religion-geheimnisse aus dem Norden herabgekommen. Sonderbare mythische Personen finden wir in Amerika vom Norden kommend, und im Osten und Westen der Andeskette Reiche stiftend. Man ist so weit gegangen, hierin eineAnspielunKentnis der magnetischen nach Norden wir - kenden Kräfte finden zu wollen. Pythagoraskehrte zu den Hyper - boraeern zurük, Pindarführt an, dass man den wilden Oelbaum an den Quellen des Ister fand. Ich erinre noch an den kaukasi - schen Prometheus, endlich an Zamolxis, welchen Herodotanalseine Gottheit, die Pythagoräer als einen Sklaven darstellen, und welchen zulezt der Kirchenvater Origenesunter den Druiden nent.

Wir dürfen daher das Gefühl von der Einheit der Natur bei allen wilden Völkern voraussezen, welches sie indendieNamen von mythischen Personen und Heroen einkleideten: ebendeshalb ist auch die epische Poesie am frühsten ausgebildet worden: auch grosse Naturkentnisse im einzelnen mögen bei ihnen verbreitet gewesen sein; auf keinen Fall können wir ihnen eine Erkentnis der Natureinheit zutrauen. Wir wollen daher die Druiden nicht um ihre bunten Glasstükke beneiden, welche wahrscheinlich nichts anderes gewesen sind, als Knöpfe, eben so wenig wie die Etrusker um ihre elektrischen Kentnisse.

29r

6. Vorlesung, 21.11.1827

In der Geschichte der Entstehung des Gedankens von der Einheit der Natur, werden wir 6 grosse Epochen feststellen können.

  • 1, die Ionische Naturphilosophie, und die Dorisch-Pythagorische Schule.
  • 2, die Züge Alexanders nach dem Osten.
  • 3, die Züge der Araber nach Osten und Westen.
  • 4, die Entdekkung von Amerika.
  • 5, die Erfindung neuer Organe zurNaturbeobachtungd. h. Fernrohr,Thermometer[, ]Barometer. v. 1591 1643.
  • 6, Cook's Weltreisen, welche den Grund zu späterenphysikalischenExpedizionen legten.

Es mus nun der Unterschied festgestelt werden zwischen der Schule der Ionier und der des Pythagoras, welche mehr einen dorisch-italischen Karakter angenommen hat. In der ersten, der ionischen Schule, finden wir zuerst Thales, welcher annahm, dass die Erde aus dem Feuerchten entstanden sei, Anaximenesmeinte: aus der Luft, und Anaximandernahm einen Grundstoff zw.wischenFeuerWasserund Luft an. Wir sehn also hier schon die Idee des Verdikkens und Verdünnens, der Attrakzion und Repulsion ausgesprochen. Man dachte sich indessen damals noch nichtVonHerrn Schleiermacher& Ritterhaben wir schäzbare Untersuchungen darüber. jeden Planeten als ein für sich abgeschiedenes Ganzen, kante auch weder die relativen noch absoluten Entfernungen der Himmels -29v körper: sondern man glaubte, dass ein Feuerhimmeldasdieganze Him - melskugel umschlösse, nach der Beobachtung, dass die Flamme, als das allerleichteste, von der Erde aufstrebend, überall die höchste Stelle einnehmen müsse. Das Feuerartige im Anblikke der Planeten sei daher nichts anderes, als das Hervorleuchten des Feuerhim - mels durch einen Schlitz. Indem aber alle 3 Philosophen an - nahmen, dass alles auseEinem Grundstoffe entstanden sei, hatten sie eine Ahndung davon, dass das Raumerfüllende im allgemeinen auf eine unabänderliche Einheit der Natur zurükgeführt werden könne. Nächst diesem Grundstoffe nahmen sie 2, 3, 4 Elemente an, und diese lezten 4 Elemente haben sich durch viele Jahr - hunderte hindurch erhalten, ja man hat sie in neuester Zeit wiederum in die Naturbeschreibung einführen wollen; wie mir scheint, mit wenigem Glükke. Er darf nicht übergan - gen werden, dass die Ionische Schulein manchen Einzelheiten richtige Beobachtungen angestelt hat: so untersuchte schon Diogenes von Apolloniadie Respirazion der Fische, (einen Gegen - stand, dem ich einen grossen Theil meiner Studien widmete) und er gelangte zu einem ganz richtigen Resultate.

30r8.

Die Schule des Pythagoras, welche durch Pherecydesmit der ionischen Schule verbunden wird, liefert uns das älteste Beispiel von einem weitverbreiteten Bunde, dessen Mitglie - der sich überall zusammenfanden. Pythagorasselbst wurde bei den Neupythagoräern, den Gnostikern und Neuplatonikern eine völlige[?]〈…〉〈…〉mythische Person, indem man ihn bald mit seinem goldnen Schenkel Wunder thun lies, bald ihn zu den Hyperboräern und Druiden hinaufführte. Eine Eigen - thümlichkeit seiner Geselschaft war es, dass auch Frauen an den Pythagorischen Bunde Theil nehmen konten. Das sicherste und beste, waswir über die merkwürdige Erscheinung des Pythagorasund seine Lehre haben, finden wir beim Philolaus, über den die Herrn Boeckhund Idelerso schöne Untersuchungen angestelt haben. Hienach läst sich aussprechen, dass die Philosophie des Pythagoraseine Philosophie der Maasse und der Harmonie war; der erste schwache Versuch des mensch - lichen Geistes, das numerische Element auf die Naturkunde anzuwenden: ferner war eine mathematische Symbolik damit verbunden.

30v

Die Neupythagoräer, welche schon in die kristlichen Zeiten fallen, haben wenig von dieser ursprünglichen Lehre behalten: so stellt Plutarchden Pythagorasmit Numazusammen, obgleich es erwiesen ist, dass fast ein Jahrhundert zwischen ihnen liegt. Es ist nicht zu läugnen, dass Copernicusdies System kante, und dass es auf seineso wie auf Kepler's Ideen über die Stellung der Planeten eingewirkt hat.

Nach Philolaosbefindet sich in der Mitte des Weltgebäu - des ein grosser Weltheerd: die Sonne ist ein Spiegel, welcher die Stralen dessMelben auf die Erde reflektirt. Die Ekklipsen werden durch eine Gegenerde bewirkt, welche man später mit Amerika verwechselt hat. EinEiAnklang dieser Vor - stellung findet sich in Platons Timaeus, diesem phanta - siereichen Systeme, wieder.

Bei den empirischen Untersuchungen Platons können wir nicht genug seinen Scharfsinn bewundern. Er er - kannte den Zusammenhang des unterirdischen Was - sers und Feuers: er stellte die Idee auf: dass im In - nern der Erde ein Feuerstrom, der Pyriphlegeton, sei,31r der durch die Vulkane mit der äussern Lufthülle in Verbindung stehe. Pliniusnante nach dieser Vorstellung die Vulkane: Schornsteine: obgleich diese Ansicht vom Pyriphlegeton später häufig misverstanden wurde, so liegt sie doch unsrer heutigen Theorie von dem glühen - den Erdkerne zum Grunde. Platonbetrachtete ferner das Mittelmeer von den Säulen des Hercules, bis zum äussersten Phasis als eine grosse Niederung, woran die Griechen, wie er sich spöttisch ausdrükte, gleich Fröschen wohnten. Zugleich mischte er freilich manche Fabeln von einem grossen westlichen Kontinente,[des] unterge - gangnen Atlantis ein. Er bemerkte, dass die polyedri - schen Körper aus einer bestimten Anzahl Flächen be - stehn, und warf die Frage auf,wie vielauf welche Art die Zahl derselben bestimt und begränzt werden könne. Er unterscheidet schon die Gebirgsarten, und theilt sie in solche, die aus dem Feuer und aus dem Wasser entstanden sind.

31v

Den zweiten grossen Hauptmoment in der Entwik - lungsgeschichte des menschlichen Geistes bezeichnet der Zug Alexanders. Obgleich er die Tropenklimaten nicht berührte, so wurden doch die Griechen durch ihn mit vielen Tropenprodukten bekant: denn die Länder am Indus haben einen Kontinentalzusam - menhang mit Indien. Pflanzen und Thiere gehn von Norden nach Süden über, ohne dass man eine bestimte Gränzlinie ziehen kann: so gehn die zarten Kolibri-arten in Amerika höher hinauf als die nörd - liche Breite von Memel und Riga. Vor Alexanders Zuge kanten die Hellenen die Tropenprodukte nur aus dem Handel. Herodotkante die βαμβοῦδα, das Bambusrohr, und, was sehr merkwürdig ist, er er - wähnt der Versteinerungen, welche man in seinen Knoten findet. Ctesias, welcher Leibarzt in Persien wahr, hat zwar den Fehler mancher Reisebeschreiber, dass er32r der Wahrheit oft zu nahe tritt, doch macht er uns mit manchen Tropenprodukten bekant. Sehr scharfsinnig meintHerr v. Schlegel, dass vielleicht die Lesung des Ctesiasden Alexanderzu seinem grossen Zuge angefeu - ert haben mögte.

Zum Glük sind uns so viele Relazionen von diesem Zuge erhalten worden, dass wir im Stande sind, ihn sehr genau zu verfolgen. Zu den neuen Dingen, welche die Griechen kennen lernten, gehörten Bäume von einer solchen Höhe, dass die Pfeile nicht bis zu ihrem Gipfel hinauf - reichten. Man fand die Frucht der Bananen. (Musa paradisiaca) und eine Menge von Thiergestalten (es kann hier bemerkt werden, dass die Architektur in dem mit Thieren überfülten Indien〈…〉〈…〉ihren Typus nach Thieren gebildet: dagegen in demwbewässerten pflan - zenreichenIndienAegyptennach den Pflanzen) man fand am Indus die Elephanten, welche als titanische Ochsen angeführt wurden: man wurde auf die Monson-winde32v aufmerksam, welche in bestimten Jahreszeiten nach entgegengesezten Richtungen wehen. Nearchglaubte im Indus nicht blos wegen der Krokodille den Nil zu sehn, sondern hauptsächlich wegen des perio - dischen Steigens und Fallens des Flusses, das man unrichtig aus dem geschmolzenen Schnee, nicht aber aus den tropischen Regengüssen herleitete. Was die Menschenraçen anbetrift, so bemerkte man zuerst, dass die Aethiopen nicht alle von gleicher Farbe und Gestalt wären, sondern dass sie sich in verschiedene Stämme theilten. Siehe Lassen's geistreiche Schrift über das Pendjab. Alexanderselbst drang nicht eigentlich bis in das kultivir - te und sehr bevölkerte Indien vor, wohl aber nach ihm Seleucus Nikator, der einen gewaltigen Erobe - rungszug bis an den Gangesüberunternahm, von welchem33r er unter andern 500 Elephanten mitbrachte, und es läst sich nicht mit Unwahrscheinlichkeit vermuthen, dass dies dieselben waren, welche unter Pyrrhusnach Italien hinübergeführt wurden.

Dass die Griechen von den Chaldäern viel in der Himmelskunde lernten, hatHerr Idelererst kürz - lich in seiner Chronologie gezeigt, wo er auch bemerk - lich macht, dass eine eigne Priesterkaste zu diesem Behufe beim Belustempel angestelt war. Die Aussage des Plinius, dass Kallisthenesdem Ari - stoteles1900 beobachtete Ekklipsen übersendet habe, dürfen wir in Zweifel ziehn, da Aristotelesnir - gend etwas davon erwähnt.

Wenn wir auch nicht annehmen wollen, dass, wie Pliniussagt, im Heere Alexanders 1000 Schü - zen und Vogelfänger angestellt gewesen, um alles33v was ihnen vorkam, für Aristoteleszu schiessen, so müssen wir doch sein Werk als die schönste Frucht von Alexanders Zügen ansehn. Indessen sezt er doch die blosse Naturbeschreibung an die Stelle des Gedan - kens von der Einheit der Natur, und hat in dem, was uns von ihm geblieben ist, eine nüchterne Ten - denz: vielleicht fehlen uns aber die allgemeineren Werke von ihm: das beste in dieser Hinsicht ist sein Buch: de coelo. In den Problemen hat er viele[tie - fe] Bemerkungen über Wärmeleitung, womit ich mich auch sehr viel beschäftigt habe. Sein Hauptwerk ist die Naturgeschichte, in dem sich der Geist des Sam - melns, der ihm vor allen eigen ist, besonders ausspricht. Auch hatte er in seiner schönen Villa eine auserordentliche, für die damalige Zeit gewis einzige Naturaliensamlung.

Später wurde nach diesem Muster in Alexandrien34r9.ein Museum angelegt, bei welchem Lehrer aus allen Fächern der Naturkunde angestelt waren, von denen Galenuns berich - tet, dass man sie zu gut bezalt, und dadurch ihrer wissenschaft - lichen Thätigkeit Eintrag gethan habe. Bald entstand auch eine Bibliothek in Alexandrien; und die meisten Städte Vorderasiens folgten diesem Beispiel. Als später Streitigkeiten zwischen den ägyptischen und syrischen Herschern entstanden, verboten diese die Ausfuhr des Papyrus, wodurch einegrosser und empfindlicher Papiermangel entstand; um diesem für die Zukunft vorzubeugen, legte man an vielen Orten Pa - pyruspflanzungen an, und so erklärt sich die sonderbare Erscheinung, dass jezt der Papyrus in Aegypten ganz fehlt, während er in Sizilien bei Syrakus vorkömt. Ein neuer verdienstvoller Reisender in Aegypten, Herr Passalacqua, fand ihn wohlerhalten in einem Grabe zu Theben.

Unter den römischen Schriftstellern verdient Straboeine〈…〉〈…〉 ausgezeichnete Stelle, der in AugustusGefolge die meisten Provinzen des römischen Reichessdurchwanderte: von ihm haben wir eine physische Erdbeschreibung, worin vortrefliche34v Beobachtungen vorkommen: so giebt er sehr richtig an, dass man aus der Gestalt der Thiere und Pflanzen das Klima bestimmen könne: so untersucht er die an sich irrige Mei - nung, dass in Asien die Palmen fehlen.

Nicht minder zu schäzen ist Diodor von Sizilien, obgleich er in den Zahlen nicht immer zuverlässig ist, und eher zuviel als zu wenig sagt: doch hat er richtige Ansichten über die Thier - und Pflanzengestaltungen.

Plinius37 Bücher sind das grosartigste Unterneh - men der alten Welt in wissenschaftlicher Hinsicht: doch kann es uns nicht entgehn, dass der Plan zu mächtig für die Ausführung war. Dazu kömt noch, dass Pliniusein vornehmer Mann war, der nicht immer selbst ar - beitete, sondern vieles durch seine Sekretarien machen lies: des - halb fehlt dem Ganzen eine zwekmässige Anordnung, und man mus mit manchen Angaben behutsam sein, da seine Auszüge nicht immer genau sind. Er selbst gesteht, dass er des Materiales zu viel habe, und wiederholet sich auch nicht seltenz. B. wo er von den Menschenraçen spricht. Es konte ihm bei seinen umfassenden Kentnissen nicht ent -35r gehn, und er spricht die Idee deutlich aus, dass ein gemässig - tes Klima die Ausbildung des menschlichen Geistes am meisten begünstige, während zu grosse Kälte an den Polen ihn aus - trokne, zu grosse Hize unter den Tropen ihn versenge.

Unter Hadriankam der ganze Wust der morgenländischen Theosophie nach Rom, der Kaiser selbst begünstigte die ä - gyptischen Religionen am meisten. Die Gnostiker führen uns wieder auf die Idee von der Einheit der Natur zurük: denn es ist nicht zu läugnen, dass sie Chemie studirten, und gewis manche schönen Entdekkungen machten.

7. Vorlesung, 24.11.1827

Sie lernten hierin von den Phoe - niziern und Aegyptern, von denen es bekant ist, dass sie sich ganz be - sonders mit dem Studium der Natur der Stoffe beschäftigten: so wie denn auch altes, was man in den ägypt. Gräbern findet, eine tiefe chemische Kentnis verräth. Vom Kaligulaweis man, dass er eine grosse Neigung zur Goldmacherei hatte, und aus dem Schwefel - arsenik das edle Metall herzustellenbrglauchtglaubte. Diese Thor - heit griff nach und nach so weit um sich, dass Diockletiansich veranlast fand, ein eignes Edikt gegen die Chemiker zu erlas - sen, welche Gold machen wolten. Beiläufig kann hier der Ety - mologie des Wortes Chemie erwähnt werden: wir finden zuerst:35v Χημαῖα im Plutarchde Iside, wo er damit Aegypten bezeichnet, als das Land des Cham: die Ableitung von Χυμὸς, Saft, Ge - schmak, scheint daher nicht so annehmbar: als die andre von τεχνὴ Χημεῖα, die ägyptische Kunst, die Kunst aus dem Lande Cham. Zwar wurde in den späteren Kaiserzeiten das Gefühl von der Einheit der Natur durch mystische Ideen verunreinigt, doch ist nicht zu verkennen, dass die arabische Revoluzion dadurch vorbereitet wurde. Die Schwächung des römischen Reiches nach aussen, gehässige Streitigkeiten über manche religiösenGegenstände und Unduldsamkeit von allen Seiten verbreiteten ein völliges Dunkel über das Abendland, während Griechen - land, obgleich zum Theil denselben Mängeln unterliegend, sich einen Schein des Lichtes bewahrte.

Es ist eine schöne Entdekkung, welche Klaprothin den chine - sischen Annalen machte, dass an der Gränze von China, am Baikalsee und in Kaschgar ein indo-germanischer Stamm ge - lebt habe, mit blauen Augen und blonden Haaren. Abel-Ré - musatbestätigte dies aus andern Quellen, und fand zugleich, dass dieser indo-germanische Stamm durch die Chinesen bei einer Gesandschaft aufgereizt wurde, sich auf die Hio-gnu, einen türki -36r schen Stamm zu werfen, und was sehr merkwürdig ist, schon 100 Jahr vor Christo: wir sehn also, dass die Völkerwanderung kei - nesweges plözlich hereinbrach, sondern mehrereJahrhundertehindurch sich vorbereitete. Die Hio-gnu warfen sich auf die Hunnen, einen finnischen Stamm, diese endlich auf Gothen und Alanen, die zu den germanischen Stämmen gehören.

Die 3teEpoche, welche durch den Einfall der Araber bezeichnet wird, hat ohne Zweifel die in Schwachheit versunkene Welt wieder aufgefrischt: die Araber waren ein semitischer Stamm, und warfen sich, nachdem sie 50 Jahre in Arabien herumgezogen waren, zuerst auf Aegypten. (Es mus bemerkt werden, dass schon früher eine solche Invasion Statt fand. Der General Rühle von Liliensternhat es wahrscheinlich gemacht, dass die uralten Hyksos nichts anderes waren als ein erobernder semitischer Stamm). Kaum haben sie aber ihre vaterländischen Gränzen verlassen, so verbreiten sie sich mit solcher Schnelligkeit nach allen Seiten, dass sie nach wenigen Jahren von den Ufern des Ganges bis an die äussersten Säulen des Hercules herschen. Sie selbst vergleichen sich in ihren Gedichten[mit einem] Wolkenzuge, der sich nur an den Bergen lagert, um von neuem der Richtung des Windes zu folgen. 36vIhrem Karakter nach sind sie im algemeinen unwissend aber nicht roh, und haben eine grosse Liebe zur Natur: bei den westlichen Stämmen zeigt sich zuerst eine gründliche Untersuchung der Natur: ja wir können sagen, dass die Art unserer heutigen Naturbeobach - tung bei den Arabern anfängt.

Schon vor Muhammedhatten sie eine wissenschaftliche Kentnis der griechischen Aerzte, deren einige, aus der Schule von Edessa und Athen sich in Mekka befanden. Die Dichtkunst stand damals in ihrer höchsten Blüte: es waren dichterische Kampfspiele in Mekka und Okkat angeordnet, welche, nicht unähnlich den olympischen, zu bestimten Zeiten gehalten wurden. (Gedichte des Antar.Hamaza von Freitagherausgegeben). 5Den höchsten Flor des Reiches kann man unter den Haschiniten & Abassidenwahrannehmen, wo auch die gelehrten Schulen von Mosul und Bagdad gestiftet wurden. Diese erhielten ihren ersten Glanz durch griechische Flüchtlinge, wie es denn von allen dankbar erkant werdenksollte, dass Griechenland,von jeher selbst im Stan - de der tiefsten Versunkenheit, Stralen der Zivilisazion nach allen Seiten ausgesendet hat.

Die Araber beobachteten den Himmel, wie die Pflanzenwelt, und verbesserten die Fehler der astronomischen Tafeln durch genauere37r Beobachtungen. Sie haben die indischen Zahlen in Europa einge - führt, welche wahrscheinlich im 13tenJahrhundertüber Persien nach Ara - bien eingewandert, von daher den Namen arabische bekommen haben. Wie wichtig die Erfindung war, durch diese 9 Zeichen und den Werth der Posizion alle möglichen Gruppen von Zalen ausdrükken zu können, wennirdam besten klar, wenn man sich vorstelt, welche unendliche Beschwerde es hat, mit römischen Zalen nur die geringste Rechnung auszuführen.

Die Araber hatten eine richtige Kentnis der Refrakzion oder Stralenbrechung: sie besassen aber auch mehrere höchst wichtige jezt verlorne, griechische Schriftsteller: so hattensie z. B. das Werk des Timochares, aus dem Hipparchdie Kentnis von der Vorrük - kung der Nachtgleichen schöpfte. Sie hatten eine arabische Ü - bersezung von PtolemäusWerk über die Refrakzion: ich habe den einzigen uns übrig-gebliebenen Kodex genau untersucht, undHerr Delambrehat sehr wichtige Auszüge daraus gegeben. Unter den Khalifen gab es nicht nur viele Übersezer, sondern einen eignen Übersezer-ausschus, dieerdie meisten griechischen Schrift - steller (leider erst aus dem syrischen) in das arabische übertrug. Da ihr Geist durchaus auf das Praktische gerichtet war, so hatten sie allerdings, besonders im 11tenJahrhundertgrosse beobachtende Astro -37v nomen, die aber in ihren Theorien weniger glüklich waren: denn allen Völkern des Islam ist die Freiheit des Geistes durchaus versagt, und die schöne Kentnis der Wissenschaften ging nie in das Volk über, sondern blieb wie in einer Mönchskaste abgeschlossen.

Zu ihren chemischen Entdekkungen gehört 1, die Auffindung der Säuren: sie kanten Salpetersäure und Königswasser (deren Entdekkung man fälschlich dem Raimundus Lulluszuschreibt)sie gebührt dem grossen Moussa Schafr el Sofi. )

2, das Destilliren: sie kanten Alkohol und Naphta, so wie Quek - silberoxyd. Die Destillazion des Rosenöles fält später: dasjenige Rosenöl, was man in dieser Epoche hatte, erhielt man, indem man Rosenblätter mit Baumwolle in Kontakt brachte, welche dann mit dem Geruch ganz impregnirt wurde.

Wir bemerken 2 Reflexe des arabischen wissenschaftlichen Lichtes[:] den einen gegen die Mongolen hin, wo einer der mongolischen Herscher einen Sternkatalog anfertigen lies, den andern nach Spanien, wo der König Al〈…〉〈…〉fonsin Toledo (mit einer Toleranz die man jezt schwer in Spanien begreifen würde) einen grossen Kongres von kristlichen, jüdischen und sarazenischen Astronomen versammelte, durch welche die berühmten Alphonsinischen Tafeln herausgegeben wurden. DieerHistoriker Mariannasagt bei dieser38r10.Gelegenheit: er verlor die Erde, um den Himmel zu gewinnen. Die glänzende Epoche der arab. Herrschaft begint[640. mit] der Eroberung von Aegypten, und schliest 1236 mit der Einnahme von Cordova.

Einen schwächeren Abglanz derarabischenForschungen sehn wir im Raimundus Lullus, einem Spanier in Majorka, der im 13tenJahrhundertden Grund zum Illuminatismus legte, in dessen Schriften man aber nichts als einen mystischen Spuk findet, der die ars magna hies.

Höher steht Robert[?]RogerBaco, der Dr mirabilis, von dem eine völlige Reform in der Naturlehre ausging: erwurdehatte das Schicksal, wegen Zauberei verklagt, und von den Franziskanern in den Ker - ker geworfen zu werden.

Die 4te Epoche, welche wir mit der Entdekkung von Amerika bezeich - nen, wurde vorbereitet, durch das Aufblühen des italischen Handels, und durch die Erfindung der Buchdrukkerkunst. 1436. Die klassische Litteratur verbreitete sich immer mehr: denn auch schon früher war die Verbindung zwischen Griechenland und Italien nie ganz auf - gehoben; Apulien blieb lange Zeit unter den Byzantinern, ja RobertKönig der Normannen schikte eigne Gesandte nach Konstantinopel, um Handschriften von guten Autoren zu erhalten. Wir erinnern hier nur an folgende Namen: Petrarca, Boccaccio, Lascaris, Poliziano, Bessarion, und an die Akademie der Medizäer in Florenz, welche beson -38v ders den Klassikern gewidmet war. Durchaus ungegründet ist die Be - hauptung, dass das Studium der klassischen Autoren, von dem der Natur abgehalten habe, vielmehr wurden dadurch viele einzelne Kentnisse erneuert.

Schon im Jahre 1003 waren skandinavische Schiffer nach Neu - fundland gekommen, wo sie eine Art Weinstok (der Vitis vinifera bis zum Verwechseln ähnlich) gefunden hatten: im Jahr 1390 be - suchten die Gebrüder Zeenj[?]einen grossen Kontinent, und obgleich ihre Nachrichten über die einzelnen Länder sehr dunkel sind, so kann man doch mit Gewisheit aussprechen, dass sie einen Theil der vereinigten Staaten müssen gesehn haben. Früher hatte der Venezianer Marco Poloviel zur Umwälzung in den naturhistorischen Ideen beigetragen, indem er nicht nur die nördlichen Theile von Asien bereiste, son - dern auch seinen Rükweg durch das Tropenklima von Sumatra und Java nahm; aber was ist der Einflus einzelner Reisenden im Vergleich mit dem Leben, man könte sagen, ganzer Völker, der Spanier & Por - tugiesen, welche nach Amerika hinüberzogen.

Die Entdekkung von Amerika mus zu einer Zeit, wo von den azo - rischen Inseln an bis nach Ostasien in der alten Welt noch so vieles unbekant war, von derselben Wichtigkeit gewesen sein, als ob wir jezt, bei unserm Stande der Wissenschaft, die abgekehrte Seite des Mondes entdekten.

39r

Nicht unwichtig ist es, dass um dieselbe Zeit die schönsten Gebilde der griechischen Kunst aus dem Schoosse der Erde ans Licht kamen: von 1498 1506 fand man den Laokoon, den Apoll, & den Torso.

Zugleich musten auch M. Lutherund Kalvinauftreten, um den Geistern eine neue Freiheit und Stärke (beide sind Eins) zu geben.

Copernicusneues Weltsystem wurde um 1543 bekant, obgleich es er - wiesen ist, dass er es schon 15 Jahre früher vollendet hatte: es heist: de orbium coelestium revolutionibus: er glaubte, nur das System des Philolaosherzustellen, obgleich dieser keinesweges die Sonne sondern einen grossen Weltheerd, ἑςτία, als Mittelpunkt des Weltgebäudes annahm: ihn begeisterte, wie Idelerbe - wiesen hat, eine Stelle aus dem Werke des M. Capellade nuptiis philologiae & Mercurii. Die Meinung des Ari - starchos von Samos, wie sie sich im Arenarius des Archi - medesfindet, und die mit Copernicusam meisten über ein - stimt, kan dieser nicht gekanthaben, weil der arenarius erst 1 Jahr nach Copernikus 'Tode entdekt wurde. Ideler's geistreiche Untersuchungen mus man hierüber immer zur Hand haben.

39v

Eine Menge neuer Erscheinungen boten sich den neuen Ankömlingen in Amerika dar. Man fand einen grossen ununterbrochenen Kontinent, in dem unter dem Aequatore[?], ewiger Schnee auf den Bergen lag: (die Himalayaberge und die Mondberge kante man noch nicht) dies führte auf eine genauere Bestimmung derunteren Schneegränze in den verschiedenen Klimaten, die man nach ihrer relativen Höhe über dem Meere unterscheiden lernte. Man fand verschiedene Pflanzen - und Thierformen nach dem Verhält - nis der Höhe und Breite: ja es kam zu sehr wunderlichen Diskussionen über die Entstehung der grossen reissenden Thiere. Man sah ein abgeschlossenes System von Völkern in Amerika, die zwar unter sich sehr verschieden, doch durch den eigenthümlichen Bau der Bakkenknochen, noch mehr aber durch eine gewisse grammatische Ana - logie der Sprachen verbunden sind. Man bemerkte, dass grade in den heisseren Gegenden die Amerikaner blasser sind, in den höher gelegenen kälteren dagegen schwärzer: man warf die Frage auf, warum es in Amerika keine Ne -40r ger gebe. Alles dies muste gründliche Untersuchungen über die Menschenraçen im algemeinen anregen und vorbereiten. Zugleich eröffnete sich eine neue Ansicht über die Natur des vulkanischen Feuers: noch nirgend hatte man, so wie hier in der Andeskette eine lange Reihe von Vulkanen nebeneinander gesehn: man faste damals die irrige Mei - nung der Wasserausbrüche, durch den Augenschein verleitet. Sobald nämlich vor dem Ausbruche der Krater von innen sich erwärmt, so dringt eine Menge geschmolzener Schnee durch die Spalten hinein, der alsdann bei der Erupzion mit grosser Gewalt hervorgeschleudert wird: daher: Volcanos de agua. Man wurde aufmerksam auf die grossen Meeres - strömungen, namentlich auf den Golfstrom, von dem oben die Rede war, und suchte den Grund derselben zu erforschen. P. Martyr de Angierain seiner Oceanica giebt davon eine eben so gründliche als anschauliche Beschreibung. Ein ganz neuer Himmel wurde entdekt: man fand die Magellanischen Wolken, 2 grosse Nebelflekke, und erkante, dass sie durchaus von der Milchstrasse abgesondert waren. 40v Idelerhat gezeigt, dass man sie schon bei den Arabern kante, denen es nicht entging, dass man dieselben nur im südlichsten Arabien, nicht aber im nördlichen Persien erblikken könne; man entdekte die schwarzen Kanopen des Magellan, jene dunklen Flekken, die zu so vielen Mei - nungen Anlas gegeben haben.

Zwei Bücher sind für diesen Theil vorzüglich zu nennen, welche man nur aufzuschlagen braucht, um sich einen Begrif von der grossen Umwälzung zu machen, welche damals in naturwissenschaftlicher Hinsicht vorging. 1, Acosta's Naturgeschichte ist für die Verbreitung der Pflanzen beson - ders wichtig und Petrus Martyr de Angierafür die kli - matischen Zustände.

Die Passatwinde, welche regelmässig von Osten nach Westen wehen, führten natürlich auf eine algemeinere Kentnis der Luftströmungen. Schon der Entdekker, Kolumbusfand, dass die magnetische Abweichung nicht immer dieselbe sei, und indemseinemneuerlichstvonherausgegebenen Reisejour - nale ist sorgfältig von ihm der Tag bemerkt, wo er diese41r merkwürdige Erscheinung zuerst wahrnahm.

Diese ungeheure Zunahme von Kentnissen in jedem Fache der Wissenschaft mustennothwendig die ergraute schola - stische Philosophie stürzen, welche bis jezt jeder freieren Untersuchung die lähmen<d>sten Fesseln angelegt hatte: einen bedeutenden Anstos dazu gab Jordano Bruno, ein arger Pantheist und sinlicher Epikuräer, der in London, Paris und Ingolstadt Naturwissenschaften lehrte, und das sonderbare Schiksal hatte, von Calvinusverkezert, und von der Inquisizion in Venedig verbrant zu werden.

8. Vorlesung, 28.11.1827

Die algemeine Umwälzung in den Wissenschaften, welche durch die Entdekkung von Amerika hereinbrach, wurde vorbereitet durch die gründlichen Studien der Araber in der Chemie und Physik. Sie waren es, welche eine Tafel der Monddistanzen anfertigten, ja sie hatten eine Art von nautischen Ephemeri - den berechnet, deren sich kastilische Schiffer mehrere 100 Jahre vor Kolumbusbedienten.

In Amerika fand man eine so grosse Menge edler Metalle, dass man auf neue Arten sann, sie auszuscheiden, und dies41v führte auf die Entdekkung des Amalgamirprozesses, den man bei den Arabern nur unvolkommen gekant, und wenig oder gar nicht in Ausübung gebracht hatte. Wie mächtig die Entdekkung von Amerika auf die Gemüter der Zeitgenossen ein - gewirkt, sehn wir aus 2 Briefen des Petrus Martyr d'An - giera, den einen über diese Entdekkung, den andern über die Kirchenreformazion, welche uns beide glüklicherweise erhalten sind, vom Januar 1493. (folgen die Stellen.)

Dass um dieselbe Zeit die scholastisch-dogmatische soge - nante[aristotelische] Philosophie gestürzt wurde, und einer reineren Naturanschauung Plaz machte, wargewisunstreitigmehr das Werk der ganzen fortrükkenden Zeit, alseEinzelner: doch müssen 3 Männer hier genant werden, deren Wirken und Schriften von entscheidenden Einflusse waren. 1, Jordano Bruno, dessen bereits Erwähnung geschehn: er beschäftigte sich zuerst mit dem Copernikanischen System, und kam dann auf die pantheistische Idee, das ganze Weltall für ein grosses Thier zu halten.

42r11.

2, der Kanzler Baco von Verulamin seinem Werke: de augmen - tis scientiarum,6 3, der Italiäner Campanellade philosophia instauranda. 7 Baco's Werk ist meist voll von praktischen Anwei - sungen, wie man die Wissenschaften betreiben solle, dagegen hat er weniger durch eigne Beobachtungen und Versuche geleistet, die sich in grosser Volkommenheit bei Campanellafinden.

Die 5te Epoche von 1590 1643 ist durch die Entdekkung neuer phy - sikalischer Instrumente bezeichnet, durch welche die natürli - chen Sinne des Menschen gestärkt und geschärft wurden: wir heben hier besonders 4 Organe heraus: das Fernrohr, das Barometer, das Thermometer und die Infinitesimalrechnung. Das Fernrohr wurde 1590 von Janssenin Mittelburg erfunden, und bis zum Jahre 1611 hatte man schon folgende wichtigen Entdekkungen gemacht: die Jupitertrabanten: die Phasen der Venus, höchst wichtig zum Beweise für das Kopernikanische Weltsystem, den Ring des Saturn, die Mondberge und die Sonnenflekken.

Das Thermometer um 1600 erfunden machte aufmerksam auf42v die Verschiedenheit der Klimate, und ihren Einflus auf die allgemeinen Vegetazionsverhältnisse: doch wurde es erst 100 Jahre später von Reaumurdahin vervolkomnet, dass es bei genauen Temperaturmessungen anwendbar war.

1643 fand der grosse Torricellidas Barometer, und der geistreiche Philosoph Pascalwandte dasselbe auf die Mes - sung der Berghöhen an.

Das wichtigste Organon aber ist das 4te, die Analysis des Unendlichen. In dem Streite, welcher sich darüber zwischen Leibnitzund Newtonerhob, behauptet Leibnitz, die Entdekkung schon 1676 gemacht zu haben, erschienen ist sie aber erst 1684. Die Anwendung davon auf Astronomie und Physik war von der grösten Wichtigkeit, und da die Beobachtungen sich nun immer mehr häuften, so ging die Wissenschaft mit Riesenschritten vorwärts.

Man beobachtete nun auch die Luftströmungen genauer, nicht blos in ihrem regelmässigen Wiederkehren, wie sie unter dem Namen der Etesien und Monsonen schon den43r Alten, namentlich auf Alexanders indischem Zuge bekant geworden, sondern auch in ihrem unregelmässigen Steigen und Fallen. Dampierund Halleysahen die Luft zuerst als einen grossen Ozean an, der nach oben zu Wellen schlägt.

Um 1700 zog man zuerst die magnetischen Linien, indem man alle diejenigen Punkte der Erde, auf denen die Nadel eine gleiche Inklinazion zeigt, durch Linien verband, und Halleyhat um diese Arbeit das gröste Verdienst.

Jemehr wir uns der neuern Zeit nähern, um desto schwerer wird es, ein Naturbild mit der nöthigen Vollendung zu ent - werfen: denn die Beobachtungen und Erfahrungen werden immer zahlreicher und wichtiger: wenn wir aber darauf sehn, das Gleichnamige immer streng zusammenzuhalten, so werden wir nicht anstehn, mit den Weltreisen Cooks die 6teEpoche oder den lezten Ruhepunkt zu bezeichnen. Durch diese erste, eigentlich physikalische Expedizion wurde die geographische Kentnis des Erdkörpers vollendet. Neuholland wurde zwar nicht43v erst entdekt, aber doch ein grosser Theil desselben umschift und geographisch bestimt. Die magnetischen Linien wurden nicht allein nach ihrer Deklinazion, sondern auch nach ihrer Inklinazion genauer bestimt. Die Temperatur des Meeres wurde untersucht und festgestelt. R. Forsterin Halle hat das Verdienst, alle Beobachtungen in ein Naturbild zusam - mengestellt zu haben, dasszwar nach dem jezigen Stande der Wissenschaft uns nicht mehr befriedigen kann, aber für die damalige Zeit von dem höchsten Interesse, auch durch den in - wohnenden Geist höchst achtungswerth war. Allerdings waren manche Zweige der Wissenschaften noch nicht ausge - bildet:diein der Geognosie und Hygrometrie (für welche Saussurenachher so viel gethan hat) war man noch nicht weit genug vorgerükt[. ]

Die lezten Expedizionen von Freycinetund Duperrey, wel - che als eigentliche physikalische Reisen zu betrachten sind, hatten nicht neue Länderentdekkungen zum Zwekke, sondern nur das Zusammenbringen einer grossen Anzahl von44r Beobachtungen aus allen Zonen und Klimaten, und haben in die - ser Hinsicht die glänzendsten Resultate geliefert: auch hatte man für sie ganz neue physikalische Instrumente erfunden. Die Figur der Erde wurde mit grosser Sorgfalt gemessen, und man fand das Resultat, dass die Erde am Südpol nicht mehr abgeplattet ist, als am Nordpol, was man früher wegen des vielen Eises glaubte. Es wurden auf dieser Expedi - zion von Stunde zu Stunde, Hygrometer, Barometer und Thermometer beobachtet, nicht blos auf dem Schiffe und auf dem Lande, manchmal auch in der Tiefe des Meeres.

Was die Landreisen anbetrift, so sind dieselben in neu - ster Zeit nicht so ausgedehnt, als im Mittelalter: damals war es keine Seltenheit, dass ein Europäer die äusserste Gränze von China erreichte, dann nach Timbuktu gelangte, und endlich in Corduba ankam: allein der Nuzen der neueren eingeschränkten Landreisen ist viel bedeutender. Für Asien nenne ich nur Niebuhrund Pallas, für Europa Saussüre; für das Kap der guten Hofnung Barrowund44v Lichtenstein, für das Innere von Afrika: Bruce, Hornemann, Mungo Park, Burkhardt, Denhamund Klapperton.

Durch die Entdekkung der geognostischen Reihen,ist[?]wobei Wernerganz besonderes Verdienst hat, ist man dahin gekom - men, die Gebirgformazionen mit grosser Sicherheit bestimmen zu können. Zugleich machte die vergleichende Anatomie so grosse Fortschritte, dass man im Stande war, aus den geringsten fossilen Überresten auf die Bildung des ganzen Thieres schliessen zu können: es müssen hier genant wer - den: Cuvier, Brogniartund v. Schlottheim. Man entdekte ferner die terziären Bildungen, welche über den Flözgebir - gen liegen, und wurde aufmerksam auf das ausgebreitete Nez der Vulkane in allen Zonen,man fand einen Zusam - menhang derselben mit dem Trachyt, einer Art von Syenitporphyr: man bemerkte die Hebung der Inseln und Berge, und gewann eine genauere Erkentnis der vorwelt - lichen grossen Revoluzionen unseres Erdkörpers. Leopold von Buchdehnte diese Hebung auf ganze Kontinente aus;45r Schon Celsiusfand, dass der Wasserspiegel an der schwedischen Küste niedriger werde, während er in Pommern unverändert bleibe, und man kann diese Erscheinung nicht anders als durch eine Hebung des ganzen schwedischen Kontinentes erklären. Man bestimte die Erschütterungskreise der Erdbeben genauer, und fand einen unterirdischen Zusammenhang, der sich durch alle Welttheile ausdehnt.

Wie man Italien überal zuerst nennen mus, wo von der Ausbreitung der menschlichen Kentnisse die Rede ist, so finden wir wieder in neuer Zeit in diesem Lande eine der merkwürdig - sten physikalischen Entdekkungen, die Voltasche Säule, welche noch viel wichtiger wird, durch die Anwendung davon, welche Berzeliusund Davyauf die Zerlegung der Stoffe machten. Man fand die Metalloide der Alkalien, und erkante, dass die Erdarten selbst nichts anderes sind, als Metalloxyde. Oerstädtmachte die wichtige Entdekkung von der Identität der ma - gnetischen und elektrischen Kraft. Seebekfand den Thermo - magnetismus. Bekcquerellbewies, dass jede chemische Erschei - nung mit einer elektrochemischen Wirkung verbunden sei.45v[Er] entdekte die kleinsten Quantitäten von Säuren, welche man kaum durch Reagenzien bemerken konte, durch den Kompas. Aragoendlich fand, dass man überall durch Rotazion Elek - trizität hervorbringen könne, nicht blos in festen Körpern, sondern auch in Wasser, sogar in Eis.

Trotz dem bleiben manche Erscheinungen: das Nordlicht,Wolkenbildungen, das Gewitter, namentlich der Gewitterregen, immer noch in ein unerklärliches Dunkel gehült. Le Roiin Montpellier, de Luc, Erman, Dalton& Gay Lussachaben in diesem Fache ausgezeichnete Entdekkungen gemacht.

In der Optik und Astronomie sind die Bemühungen von Dollond, Herschelund Frauenhofervon dem grösten Einflus - se gewesen: man fand am Ende unseresWeltPlanetensystems den Uranus mit 5 Monden, 2 Kometen, den Enckeschen und Bielaschen, die in sehr verlängerten Ellipsen um die Sonne gehn; jene Doppelsterne, welche die Bewegung zweier selbst - leuchtenden Körper um einander darstellen, endlich die Nebel - sterne. Zugleich entdekten Malusund Aragodie farbige und unfarbige Polarisazion des Lichtes, welche uns in den46r12.Stand gesezt hat, die physikalische Beschaffenheit der Welt - körper zu untersuchen und aufzufinden.

Auch in der Kentnis der Polargegenden sind wir durch die lezten Expedizionen weiter vorgerükt: zwar fehlen noch 26 Breitengrade bis zum Pole, doch ist Weddellschon 3 Gradenördsüdlicher als Cookhinaufgekommen.

Die Entwiklung der menschlichen Intelligenz hat mit der Entwiklung der Kentnis des Weltganzen nicht immer glei - chen Schritt gehalten: früher war sie fast allein um das Bekken des Mittelmeeres versammelt, in neuer Zeit hat sich aber dieCZivilisazion weiter ausgebreitet, aber nichts weniger als gleichmässig: dazu komt, dass die Fortschritte in den einzelnen Wissenschaften meist stossweise geschehn.

Der Karakter der neueren Zeit ist die Tendenz nach einem allgemeinen vergleichenden Naturstudium, und wir können sagen, dass wir hierin mit den himlischen Körpern fast zu Ende gekommen sind. Seit Keplerbis Laplacehat man sichmit der Bestimmung ihrer Geseze46v beschäftigt, und man kann sagen, dass sie das höchste Problem der Mechanik des Himmels in seiner schönstenman berechnet den Eintritt derJupitertrabanten in den Schatten bis auf 8 10 Sekunden Zeit Auflösung darbieten. Auf der Erde dagegen hat man noch keinen vernunftmässigen Einklang bestimmender Geseze auffinden können, weil die chemische Verschieden - heit der Stoffe so sehr in Anschlag kömt, von der man alles numerische, was man vielleicht festgestellt haben könte, sorgfältig scheiden mus. Auch hier komt man zu der Erkentnis, dass, je tiefer man in die Natur eindringt, um destofreier werde dieEinsichAnsichtdes Ganzen, und die Naturbeschreibung kann nur dann etwas wahrhaft grosartiges werden, wenn sie ganz in sich vollendet ist.

9. Vorlesung, 01.12.1827

Quellen der WissenschaftundLitteratur der Cosmographie.

S[?]Die Quellen unserer Wissenschaft sind doppelter Art: sie be - stehn 1, in dem Studium der Natur selbst. 2, in dem was sich darüber in Schriften findet: denn ein Einzelner kann selbst nur wenig sehen, er mus daher das zu Hülfe nehmen, was andre vor ihm gesehn haben: dabei ist es aber nothwendig,47r dass er immerfort prüfend selbst beobachte, wenn er die Beobach - tungen andrer verstehn will. Wir müssen indess hiebei wohl un - terscheiden, dass der Lehrer und die Studirenden 2 verschiedene Zwekke zu verfolgen haben. Jener, der Lehrer mus sich vorbereiten durch ein genaues Studium aller Reisebeschreibungen bei allen Völkern und in allen Sprachen: er mus alle einzelnen Abhandlun - gen durchgehn, die in seinem Fache erscheinen: denn nur aus dem speziellen kann das generelle hervorgehn. Dabei darf er nicht versäumen, gleichzeitig die Natur in allen ihren Erscheinungen zu beobachten. Diese, die Studirenden, denen es nicht möglich ist, in alles Einzelne einzudringen, müssen sich an Samlungen halten, und die in denselben aufgestelten Reihen mit Hin - blik auf das Ganze durchgehn. Für das Studium nenne ich daher hier nur algemeinere Werke:

Wenn wir bei den Alten wahrnehmen, dass sie nie den Ein - flus betrachtet haben, den der Anblik der unbelebten Natur auf den Menschenmachtausübt, so komt dies nur daher, dass der Mensch und das Studium desselben ihnen das Höchste und Einzige schien. Die Naturbetrachtung scheint den Indo-germani - schen Stämmen eigenthümlich zu sein. Doch finden wir auch einzelne Beispiele davon bei den Alten. Pliniushat uns eine schöne Beschreibung48v seiner beiden Villen, Laurentinum und Tuscum hinterlassen. 26Nie aber wurde es ein eigner Zweig der Litteratur, sondern immer nur als Hintergrund aufgestelt, um den lebenden Figuren mehr Licht zu geben, wie wir dies ja auch durchgängig auf den historischen Bildern in Pompeji wiederfinden. Man könte glauben, dass bei den germa - nischen Stämmen das rauhe Klima und die Entbehrung einer schönen Natur während eines grossen Theiles des Jahrs auf die Naturbetrachtung geleitet hätte: dies scheint aber nicht der einzige Grund zu sein: denn die südlicheren Inder und Perser haben sie ebenfals. In neuer Zeit finden wir die erste ästheti - sche Behandlung der Naturszenen beim Kardinal Bembo, in einer eignen kleinen Blumenschrift, die er beim Aufsteigen auf den Ätna verfaste: Ätna dialogus. 27(eine der seltensten Aldinen)

Freilich ist man hier auch auf grosse Abwege geraten, in den so - genanten poetischen Reisebeschreibungen: denn um grosse Ge - genstände zu schildern, ist es immer gefährlich, sich des poëtischen Schmukkes zu bedienen: die Hauptsache liegt darin, dass der, welcher das Bild aufstelt, ganz in demselben aufgeht, und sich selbst der Betrachtung entzieht.

Wir dürfen bei dieser Gelegenheit die Landschaftmalerei nicht übergehn, in so fern sie sich mit der karakteristischen Darstel - lung der einzelnen Pflanzenformen und der Physiognomie der Na - tur überhaupt beschäftigt. Bei den Alten war dies auch nur Nebenwerk, und sie bedienten sich zur Darstellung der anorga - nischen Natur gewisser feststehender Typen.

Den Anfang der Landschaftmalerei finden wir in der niederlän - dischen Schule bei den Schülern Van Eyck's: namentlich ver - suchte H. v. Blossdie Figuren sehr zu verkleinern, um dadurch die Landschaft mehr hervortreten zu lassen: doch ist seine Nach - ahmung der Natur mehr ängstlich als heroisch. Bei den Ita - liänern sind zu nennen: Tizian, Bassanound A. Caracci. Doch auch bei diesen findet sich keine genaue Nachahmung der exoti -49v schen Natur: auch sie hatten für manches konvenzionelle Formen,z. B. für die Dattelpalmen, welche doch aus Nordafrika nach Sizilien und Italien hinübergewandert waren.

F. Koeswar der erste, welcher 1642 in Brasilien treue Naturge - mälde anfertigte.

Hodgesbrachte herliche Zeichnungen von Cook's Reisen mit, und ging nachher mit Lord Hastingsnach Ostindien, wo er eben - fals schöne Arbeiten lieferte.

Daniel, oriental sceneries und Reise von Portsmouth nach Calcutta.

Rugendaswar neuerdings in Brasilien, und hat ausgezeichnete Landschaften zurükgebracht, die sich in Schleisheim befinden.

Durch alles dies werden unsre Weltansichten vermehrt und ver - grössert, und wenn ich von mir selbst angeben soll, was mich zuerst zur Unternehmung von weiten Reisen angetrieben, so war es: G. Forsters Schilderung der Südseeinseln,34 der Anblick des grossen Dra - chenbaumes, der sonst hier im botanischen Garten sich befand, und Hodgesvortrefliche Zeichnungen, die ich bei meiner frühsten Reise nach England zu sehn Gelegenheit hatte.

50r13.

Nachdem wir mit diesen Betrachtungen die Propädeutik geschlos - sen, gehn wir zur Wissenschaft selbst über, und beschäftigen uns hauptsächlich zuerst mit 3 Gegenständen:

Die Betrachtungen über die absolute Grösse sind oft in Spielereien aus - geartet, wie wir im Arenarius des Archimedisschon ein Beispiel finden, wenn dieser nicht in andrer Rücksicht merkwürdig wäre: es wird darin das Volumen eines Sandkorns mit demVolumender Sonne verglichen. Wir wollen eine ähnliche aber doch andere Betrachtung anstellen, um uns die absolute Grösse der Weltkörper deutlich zu machen. Der Durchmesser der Vesta, als des kleinsten Planeten, beträgt zwischen 59 60geographischeMeilen. Wir haben oben gesehn, dass es gar nichts unwahrscheinliches hat, die Aërolithen als kleine Weltkörper zu betrachten, die nicht zu unsrer Athmosphäre ge - hören: der Durchmesser des grösten derselben, den ich in Südamerika gemessen, beträgt zwischen 4 5 Fus: wir stellen also folgende Proportionen auf:Durchmesserd. Vesta zu dem der Sonne = 1: 3300. Durchmesserd. Aërolithen zu dem d. Vesta = 1: 270,000. 50v Herschelhat mit grosser Genauigkeit gezeigt, dass derDurchmesserder Veja wenigstens 34 mal grösser sein mus als der der Sonne: und hienach wäre:Durchmesserd. Veja:Durchmesserd. Vesta = Vesta: 2 Meteorsteinen.

Der innerste Trabant des Saturn ist noch kleiner als Vesta, und sezt man diesen statt der Vesta in die Proportion: so verschwindet der Unterschied zwischen Aerolithen und jenen Weltkörpern ganz: denn212135,000 Aërolithen nebeneinander gesezt, gebe〈…〉〈…〉nschon einen solchen kleinen Satelliten[oder Kometen,] dagegen verhält sich der Durch - messer eines Aerolithen zu dem der Veja wie 1: 20,000 Millionen und212135,000 Aerolithen212,000Vesta-Durchmesserneben einander bilden einen Weltkörper wieVestaVeja. In diesem Zusammenhange also läst sich jede Anhäufung der Materie unter demselben Gesichtspunkte betrachten.

Ausser diesen kompakten Massen giebt es auch dunst - förmige Anhäufungen der Materie. 1, jene Lichtpyramide, welche man bei uns nur selten im März und Oktober nach Sonnenuntergang von der Sonne aufsteigen sieht, das sogenante Zodiakallicht, das man früher für die Atmosphäre der Sonne hielt, man glaubt aber jezt, dass es wirklich leuch -51r tende Theilchen sind, die sich von der Sonne abgetrent haben, und deren Ausdehnung weit über die Erdbahn hinausreicht. Ich habe dasZodiThierkreislicht, welches zuerst von dem grossen Cassinigesehn wurde, inValencia in Spanien und dann auf d. hohen Bergen in Amerika genau beobachtet, und bemerkt, dass es nicht immer gleichförmig sondern oft stossweise in Lichtwellen ausgestralt wird.

2, noch in Nebel aufgelöste Weltkörper oder Nebelflekke[;] ich meine nicht jene scheinbaren, die sich bei verstärkter Vergrösserung in Sternhaufen verwandlen, sondern wirkliche planetarische, die sich nicht auflösen lassen: man ist bei diesen von Vergrösserungen von 70 80Durchmessernzu 800 900 fortgeschritten, und hat immer dasselbe matte Licht gefunden.

Jegrösserstärkerman an andern Orten die Vergrösserung genom - men hat, um desto mehr Sterne treten hervor, so dass das Himmelsgewölbe im eigentlichen Sinne aus einem Teppich von dichter oder dünner gewebten Sternen besteht: es müste also überall eine wahre Sonnenhelle von so vielen Sonnen reflektirt werden: dies brachte Olberszuerst auf den Gedanken, zwischen den Weltkörpern eine lichtschwä -51v chende Materie anzunehmen; und diese ist nichts an - ders, als eben jene dünstförmigen Stoffe, die sich noch nicht zu Weltkörpern gebalt haben. Ferner berechtet zu dieser Annahme die Retardazion des Enkeschen Kometen, die sich auf 40 Minuten beläuft. Dieser Komet bewegt sich von der Merkur'sbahn bis zu der desSaturnJupiter.

10. Vorlesung, 05.12.1827

Schon Halleywarf die Frage auf, ob nicht in jedem Punkte des Himmels ein leuchtender Körper stehe, welche bejaht werden mus: dies brachte auf den Gedanken einer feinen im Weltall verstreuten Materie, die man Aether nante. Ohne denselben würde die Sonne nur an ihren Flekken erken - bar sein, und die Planeten würden wie dunkle Scheiben am Himmel fortrükken.

Die Betrachtungen über die Anhäufung der Materie nach der Verschiedenheit ihrer chemischen Natur müssen wir damit beginnen, dass wir die Körper nach der Art ihrer Verdichtung in starre, tropfbarflüssige und elastischflüssige eintheilen. Manche Körper können aus dem tropfbar - flüssigen Zustande in den festen übergehn, wie das Wasser,52r an den Polen findet man das Eis konstant wie eine Gebirgsart anstehend, ohne dass es je in den tropbarflüssigen Zustand zurükkehrt. Zu den tropfbaren Massen gehört das Meer, dessen Wasser nach eignen Proportzionen zusammengesezt ist, und tropfbar sind gewis noch manche Stoffe im Innern der Erde: bei einer Tiefe von 48 Meilen würde man schon 1600° R. Wärme haben, wobei das Eisen schmelzen würde. Vom Queksilber wissen wir, dass es sich im blossen Kontakte mit der Luft verflüchtigt, und eineQueksilberathmosphäre bildet, und viel - leicht war es bei den[Uranfängen] unseres Planeten in diesem Zustande, und hat sich nachher niedergeschlagen: so schweben vielleicht, uns unsichtbar eine Menge Stoffe an der Gränze unserer Athmosphäre herum, die aber von den ewig auf - und abgehenden Luftströmen in Bewegung erhalten, und am Niederschlage gehindert werden.

Der Mond scheint blos starr zu sein, wie ein Aërolith, ohne vom tropfbar - und elastisch-flüssigen etwas an sich zu haben, wenigstens müste seine Athmosphäre dünner sein, als die dünste Luft, welche wir unter der Luftpumpe52v darstellen können. Man hat es als die beiden Karaktere aller Nebenplaneten angegeben, dass sie in der selben Zeit sich um sich selbst und um den Hauptplaneten drehen, und dass sie keine Athmosphäre haben, von diesem lezten findet sich aber eine Ausnahme bei einigen Jupiterstrabanten, wo man sonderbare Verdunkelungen und Erhellungen wahrnimmt.

Andre Weltkörper sind gasförmig, wie man dies jezt allgemein von den Kometen annimt, durch deren Kern man Sterne der 6 7 Grösse erkant hat: wir kennen aber immer nur die mitlere Dichtigkeit derselben, weil selbst bei den ela - stischen Schichten die obern auf die untern drükken müssen.

Die planetarischen Nebelflekke, welche Herschelentdekt hat, scheinen aber noch dünner zu sein als die Kometen.

Über die chemische Verschiedenheit der Körper können wir zwar nur bei unserem tellurischen Systeme mit Ge - wisheit etwas bestimmen, wir bekommen aber doch durch die Aerolithen eine Idee von der Beschaffenheit entfern - ter Weltkörper: die vortrefliche Arbeit des Prof. G. Rose53rüber die Aërolithen hat gezeigt, dass sie gröstentheils Ge - birgsarten enthalten, wie sie auf unsrer Erde vorkommen: und selbst von diesem Erdkörper kennen wir nur eine dünne Rinde, die man bis jezt in 51 einfache Körper zerlegt hat, welche in sehr ungleicher Quantität darin vertheilt sind: am häufigsten kommen vor Sauerstof und Kieselsäure, am wenigsten Vitriol und Kali. Der meiste Sauerstoff befindet sich nicht, wie man sonst glaubte, in der Luft, sondern in den festen Massen, welches durch Davy's & Berzelius ' Versuche bewiesen wurde: die Kalkerde allein, eine der am meisten verbreiteten Erden, enthält 28 Theile Sauerstoff. An[?]Beiden flüssigen Massen welche unsern Erdkörper um - geben finden wir eine geringere Mannigfaltigkeit in der Zusammensezung der Stoffe, als bei den festen. Die Ath - mosphäre enthält ¾ Stickstof, 1 / 1000 Kohlensäure, (die sich jedoch nach den[Jahreszeiten] zu ändern scheint) und ist also der[?]iegröste Vorrathkammer von Stikstof die wir kennen.

Eine noch dünnere Rinde um die Erde bildet die organische Natur, welche nur bis zu einer sehr geringen Tiefe in53v den Erdkörper eindringt: auch findetmanbei den Pflan - zen und Insekten im Innern der Erdklüfte eine schnelle Ausartung statt, die auch wohl von ihrer unbequemen Lage herrührt.

Bei den Anhäufungen der organischen Stoffe müssen wir bemerken, dass sie ihren Mischungszustand nicht ändern, so lange sie ein Ganzes bilden: sobald sie aber ge - treut sind, dann erfolgen chemische Veränderungen: wir müssen daher annehmen, dass sie in ihrem Innern bestimt abgeschlossen, und mit hinlänglichen Kräften ausgerüstet sind, um die chemischen Verwandschaften zu bezähmen.

Die Betrachtungen über die Anhäufung der Materie nach dem Maasse ihrer relativen Entfernungen führen nur zuerst auf die Entfernungen der verschiedenen Gruppen untereinander.

Alle Völker und alle Sprachen unterscheiden die Be - griffe Himmel und Erde, auf denen der ganze Kreis alles Sichtbaren sich bewegt. Wir beschränken uns zu - vörderst auf die Erde, und werfen 2 Fragen auf:54r14.

  • 1, welcher Himmelskörper ist der Erde je am nächsten gekommen: kein andrer als nach unsern Erfahrungen der nächststehende, der Mond, welcher 48000geographischeMeilen ent - fernt ist. Kein Komet kam der Erde näher als auf 6 Mondweiten, und zwar der von 1770, wäre dieser so dicht gewesen, als unsre Erde, so würde er unser Jahr um 3 Stunden verlängert haben: man merkte aber nicht die geringste Veränderung. Hiebei müssen wir jedoch unter - scheiden,dasszwischen einer Annäherung an die Erdbahn und an die Erde selbst. Der Bielasche planetarische Komet könte uns im[?]ndieser Rüksicht am gefährlichsten werden, er war 1826 nur 2 Mondweiten von der Erdbahn entfernt. Er komt ferner in Betracht,dassob es möglich sei, dass die Erde in einen Kometenschweif zu stehn kom - men könne. 1783 sah man einen sehr auffallenden Heerrauch, 3 Monate hindurch ging die Sonne ohne Stralen wie eine rothe Scheibe auf und unter; und den Mond sah man oft gar nicht: die Meinung war daher damals algemein,54v dass die Erde in einem Kometenschweif gestanden habe, bis neuerlich Aragodarauf aufmerksam machte, dass in diesem Falle der in Europa beobachtete Heerrauch auch jenseit der atlantischen Ozeans vorhanden gewesen sein müste: da dies aber erwiesenermaassen nicht der Fall war, so muste er eine andre Ursach haben: denn die Bewegung der Erde um sich selbst,ist so ungemein schnell, dass der Komet, auch bei eigner schnellster Bewegung doch um die ganze Erde herum einen Parallelkreis zwischen dem 44 55tenGrade der Breite beschrieben haben müste. Der Komet von 1819 hatte einen ausserordentlich schnellen Gang, und es ist von Olbersund Dirksenberechnet wor - den, dass er am 26tenJunius bei der Sonne vorbeigegangen ist, und obgleich ein grosser Streit darüber entstanden, ob es möglich sei, diesen Durchgang zu beobachten, so war dies doch entscheidend für die geringe Dichtigkeit der Kometen, dass man gar keine Veränderung am Sonnenlichte wahrge - nommen hat. Damals allerdings hätte sich der Kometen - schweif, wenn er lang genug war, mit unsrer Athmosphäre55r mischen können. Es steht in vielen älteren Schriftstellern die Behauptung, dass ein Jahr nach der Eroberung von Konstantinopel, also 1454, ein Komet den Mond verfin - stert haben soll: dies beruht auf einem Misverständniss des Phrantza, eines Maitre de Garderobe am byzantini - schen Hofe, der sehr weitläufig alles, was damals dort geschah, berichtet, und dessen Chronicon von den Jesui - ten misverstanden worden ist. Krieshat die Handschrift untersucht und gefunden, dass er blos erzält; es sei ein Komet erschienen, zur Zeit als der Mond verfinstert war.
  • 2, die 2te Frage ist die, welche 2 Himmelskörper ausserdem sich untereinander am nächsten kommen: dies ist der inner - ste Saturntrabant und der Saturn: diese beiden sind nur um eine halbe Mondweite von einander entfernt, also 27300 Meilen (übrigens ist der Mond der fünftnächste Trabant: 3 vom Saturn und 1 vom Uranus sind ihren respektiven Planeten näher.) Die Berechnungen über den Kometen von 1770 haben gezeigt, dass er zweimal, 1767 und 1779 durch die kleineren Jupiterstrabanten gegangen ist.55v[Diese] Trabanten sind im ganzen 33000 Meilen von dem Ju - piter entfernt: der Komet mus ihnen also wenigstens bis auf 1600 Meilen nahe gekommen sein, welches ¼ un - serer Mondweite beträgt. Der Komet von 1680 kam der Sonne auf Mondweiten nahe, also nicht ganz so nahe, als der durch die Jupitertrabanten ging, welcher uns das Beispiel der grösten Nähe 2er Weltkörper giebt.

Den Saturnring können wir als einen Komplexus von Trabanten betrachtetn, woher auch wohl die ungeheure Grösse und Höhe der Berge darauf kömt, deren einer anMasseGrössedem Merkur gleich kömt. Die Entfernung des Ringes vom Saturn beträgt nur 5800 Meilen.

Man könnte ver〈…〉〈…〉sucht werden, die Doppelsterne, welche so nahe beisammen stehn, für noch näher zu halten, dies wäre aber ein grosser Irthum: die nächsten, welche man beobachtet[hat], sind 5 Sekunden von einander entfernt, und doch beträgt ihr relativer Abstand wenigstens die Weite von der Sonne bis zum Saturn.

56r

Bei den dunstförmigen Massen, welche Herscheldurch sein stärkstes Teleskop in ungemesnen Weiten am Himmel wahr - nahm, findet sich die merkwürdige Erscheinung, dass oft 2 bis 3 Kerne in einer Dunstmasse liegen.

Unsre Kommunikazion mit den entfernteren Weltkörpern beruht nur auf 3erlei Mittheilungen:

  • 1, durch die Lichtstralen, bei deren Geschwindigkeit wir gar nicht das gewöhnliche Maas nach Meilen anwenden können, sondern nur nach der Zeit rechnen müssen: das Licht braucht vom Uranus Stunden vom Sirius 3 Jahre, von den äussersten Gränzen unserer linsenförmigen Sternschicht 2400 Jahr, von Herschels entferntesten Sternflekken 30 40,000 Jahr. Die Versuche der Engländerin Sommervillehaben es wahrscheinlich gemacht, dass der Verkehr des Lichtes mächtig dazu beiträgt, die magnetische Spannung auf der Erde zu erhalten.
  • 2, durch die Attrakzion welche natürlich bei dichten Mas - sen stärker ist, als bei dünnen: sie mus aber bei allen, auch den entferntesten, deren Licht 30,000 Jahre bis zu56v[ uns] braucht, stattfinden: ist aber für unsre Erde und für unser ganzes Sonnensystem völlig unmerklich. Die Perturbazion, so weit wir sie berechnen können, geht nur bis zum Saturn. Sie zeigt sich entweder a, translatorisch, indem das Zentrum der Erde aus seiner Stelle gerükt wird, oder b, durch Veränderung der Erdaxe, von denen aber die Erdbewohner so wenig etwas merken, als von der Bewegung der Erde selbst. Sie äussert sich aberz. B. durch die Ebbe und Flut im Meere, welche man dem Monde und der Sonne gemeinschaftlich zuschreiben mus; ferner durch die Ebbe und Flut im Luftozean, die man 4 mal in 24 Stun - den beobachten kann.
  • 3, durch die Aërolit〈…〉〈…〉hen, von denen wir oben bemerkten, dass sie wahrscheinlich〈…〉〈…〉von der Gränze unseres Plane - tensystems herkommen.

11. Vorlesung, 08.12.1827

Wir kommen nun zum astronomischen Theile unsrer Wissenschaft, der sichmitin Betrachtungen über die tellurischen und nichttellurischen Körper abtheilen läst.

57r

Wir beginnen mit den nicht-tellurischen, und sehn im al - gemeinen auf das, was entdekt ist, nicht wann und wie es entdekt ist. LaplaceSystème du Monde ist hierfür vor - treflich, und löset die Fragen der höhern,[himlischen] Mechanik auf eine überraschende, oft unerwartete Weise. Ganz speziel könte man diesen Theil unserer Wissenschaft die physische Astronomie nennen, nämlich die Lehre von der natürlichen Beschaffenheit der Weltkörper, wobei das wenige zur Sprache kommen wird, was wir von den phy - sischen Eigenschaften, der Oberflächepp. derselben wissen.

Es darf nicht übersehn werden, dass unsre Lage auf der Erde die allergünstigste für die Kentnis des Welt - gebäudes ist, insofern wir auf einem nichtleuchtenden Weltkörper wohnen. Wohnten wir in der Photosphäre der Sonne, so würden wir von der Existenz der Gestir - ne gar nichts wissen: eine Annäherung an[einen] solchen Zustand finden wir auf der Erde selbst: und zwar nicht etwa unter den Polen, sondern in dem schönen Tropenklima von57v Peru, wo der Himmel mehrere Monate des Jahres hindurchmitvon wässrigen Dünsten so verhüllt ist, dass man die Sonne nur als eine rothe Scheibe, wie im denkwürdigen Jahre 1783 bei uns, aufgehnsindsieht, und die Stelle, wo der Mond steht, oft gar nicht unterscheiden kann. Dieser Mangel würde aber auf die Ausbil - dung des Menschengeschlechtes den wesentlichsten Einflus haben. Der Ideenkreis würde sich in einem eingeschränkten Raume bewegen, während er jezt die entferntesten Weiten mit Schnel - ligkeit durchfliegt: es würde dies zugleich grossen Einflus auf die religiösen Gesinnungen haben: denn es ist nicht zu leugnen, dass die religiöse Begeisterung durch das Gesezmässige in der Bewegung der Himmelkörper hervorgerufen werden mus. Alle tellurischen Messungen würden sich nur höchst unvollkommen und unbequem ausführen lassen: denn sie gründen sich eines Theiles zwar auf die trigonometrischen Messungen an der Oberfläche selbst, anderes[Theiles] aber, und zwar hauptsächlich, auf die Vergleichung der Erdpunkte die - ser Messungen mit entsprechenden Messungen der Mondbahn. Es würden nur allerdings noch die Pendelversuche übrig bleiben, um die Gestalt der Erdkugel zu bestimmen, aber wer weis,58r15.ob man ohne vorhergegangene allgemeine Kentnis auf diese Versuche verfallen wäre. Die Lage der Länder gegeneinander würde durch die Magnetnadel bestimt werden können, aber die Abwei - chungen derselben würden sich nicht so leicht als jezt auffinden lassen, weil man nichts hätte, um sie damit zu vergleichen. Die Schiffahrt würde ihrer sichersten Stüze, der Sternbeobach - tung beraubt sein, und die höhere Mathematik, insofern sie auf die Berechnung der Bahnen jener entfernten Weltkörper ange - wendet wird, würde ganz fehlen. Wir sehn also, dass die Kentnis der Gestirne nicht allein vom grösten Einflus auf die Gefühle, sondern auch auf die Kultur der Menschen ist.

Wenn im allgemeinen unsre Erde als einmittlerer Planet die gün - stigste Lage für Sternbeobachtungen hat, so wird dies unter dem Aequator ganz besonders der Fall sein, indem man hier die Sterne der nördlichen und südlichen Hemisphäre sehn kann, und zu - gleich, bei den übereinanderliegenden Klimaten die Freiheit hat, auf einem hohen Berge die Sterne durch eine dünnere Luftschicht genauer zu beobachten. Der Gang, welchen die Kultur bisher auf unserm Erdboden genommen, hat es noch nicht möglich gemacht, Beobachtungen unter dem Aequator anzu - stellen, indem hat neuerdings der junge Herschelden Ent -58v schlus gefast, mit den Instrumenten, welche er von seinem un - sterblichen Vater35 geerbt, nach dem schönen Tropenklima zu gehn, um daselbst die Sterne zu beobachten.

Trotz aller Sorgfalt können wir den Täuschungen bei den Beo - bachtungen nicht entgehn. So erscheinen unserm Auge nur die Sonne und der Mond als Scheiben, alle andern Himmels - körper als strahlende Punkte: selbst die Planeten werden erst vor dem Fernrohr zu kleinen Flächen: dagegen verlieren die Fixsterne ihre Stralen, und der Anblick der Himmels ist des - halb durch ein Fernrohr trauriger, als der mit blossen Au - gen, wie man sich denn schon durch Kartenblatt, worin man ein kleines Loch macht, überzeugen kann, dass die Fixsterne in einen kleinen leuchtenden Punkt zusammenschrumpfen. Unter den Tropen ist der Anblick des Himmels nach den Jahreszeiten ein sehr verschiedner; zu der Zeit, wo lange eine gleichmässige Wärme in der Athmosphäre geherscht hat, ist der Anblick des Himmels ein planetarischer, (die Sterne leuchten mit milderem Lichte) ohne deshalb trauriger zu sein, wenn aber die Regenzeit eintreten soll, und die wässri - gen Dünste, welche die Athmosphäre vorher aufgelöst ent - hielt, anfangen sich zusammenzuballen, dann funkeln die59r Sterne mit einem weit stärkeren Lichte.

Eine andre Täuschung entsteht aus der Dilatazion und den Polygonalfiguren der Sterne. Es giebt nämlich für jedes Auge eine Entfernung des deutlichen Sehens, die nach den Indi - viduen verschieden ist. Steht nun ein Gegenstand vor oder hinter dieser Entfernung, so ist es natürlich, dass der Stralenkegel vor oder hinter die Netzhaut falle, also zu früh oder zu spät von derselben durchschnitten werde:hieraufauf diesem undeutlichen Sehenberuht die scheinbare Vergrösserung der Sterne: hierauf beruht es, dass beim An - blik des dreitägigen Mondes, der helle Theil desselben grösser zu sein scheint, als die dunkle Scheibe. Man nentb[?]dies beiden Sternen den Zerstreuungskreis. So hat Jupiter 40 Sek. DurchmesserMars 6 Sek, durch den Zerstreuungskreis wachsen sie bis zu 4 Minuten an. Eben so bei den Fixsternen. Veja hat nach Her - schel Sek. Durchmesser, und erscheint uns in einer Grösse von 4 Min. Uranus dagegen, bei dessen Grösse die Gränze des Ma - ximum 4 Sek. beträgt, erscheint so klein, dass es wenige Men - schen giebt, welche das Glück hatten, ihn mit blossen Augen zu sehn. Wir sehnhieraus, dassauf die Intensität des Lichtes hauptsächlich Rüksicht genommen werden mus. Alkol, das Reuterlein, über Miza im Schwanz des grossen Bären bildet59v einen Doppelstern, den junge Leute mit blossen Augen sehn können. Viele andre erblikken ihn aber nicht, obgleich er ein Stern fünfter Grösse ist, und sie andrerSterne 5terja 6terGrösse sehr deutlich erkennen. Alkol ist nämlich nur 3 Min. von Miza entfernt, und kömt daher in dessen Zerstreu - ungskreis, der beinahe43Min. beträgt.

Wenn der Mond bei einem Fixsterne vorüber geht, und ihn bedekt, so nent man dies eine Sternbedekkung oder Okkul - tazion. Bei diesen für die Bestimmung der Länge äusserst wichtigen Beobachtungen zeigt sich ein eignes Phänomen, dass nämlich der Stern einige Sekunden lang am Monde zu kleben scheint, während er doch, nach der Kugelgestalt des Mondes, in einem Augenblikke an ihn treten und verschwin - den solte: es ist aber falsch, wenn man glaubt, dass dies von einer Dilatazion des Mondrandes herrühre, weil diese ja im Fernrohre aufhört: vielmehr ist es eine Beugung der Lichtstrahlen, von der unten die Rede sein wird.

Die Polygonalfiguren der Sterne, welche einen andern Grund der Täuschung abgeben, findet man bei Fixsternen und Pla - neten. Venus, mit einem Durchmesser von 1 Min. zeigt sie uns no〈…〉〈…〉ch sehr deutlich, und von ihr, bis zum Monde, der ½ Grad60r imDurchmesserhat, haben wir leider keinen Übergang. Es mus also die interessante Frage unentschieden bleiben: wie gros müste ein Stern nach seinem scheinbarenDurchmessersein, um ihn mit blossen Augen als Kreis zu sehn? Eine Nachricht aus dem Mittelalter sagt uns, dass ein auflodernder Stern im Skorpion erschienen sei, der ¼ des Monddurchmessers gehabt habe, und nach wenigen Monaten wieder verschwunden sei. Sein scheinbarerDurchmessermüste also 7 8 Min. gewesen sein. Von den Polygonalfiguren wird aber nichts erwähnt. In eben solcher Ungewisheit lassen uns die Araber, welche 1006 einen Kometen beobachteten, der 4 mal grösser als Venus war. Auf andern Planeten müste die Frage entschieden werden können: die Sonne erscheint auf den kleinen Planeten mit einem Durchmesser von 10 Min, auf dem Jupiter von 6 Min.

Das Zukken der Strahlen ist nach Beschaffenheit der Augen verschieden, und Versuche damit macht man besser an Lichtern, die in bedeutender Entfernung aufgestellt sind, als an Sternen selbst. Deshalb hat man den Leuchtthürmen eine rotirende Be - wegung gegeben, nicht blos weil ein verschwindendes und wieder - auftauchendes Licht sich dem Gesichte leichter darbietet, son - dern auch um die Flamme des Leuchtthurms von den aufgehenden Sternen zu unterscheiden.

60v

Um hier meine Erfahrungen zum Vergleiche anzuführen, so sehe ich bei Sternen 1terGrösse nur 7 Stralen, von denen die oberen in einem Winkel von 60°, die unteren nur von 45° geneigt sind. Die meisten Menschen sehn 8 Stralen, je nach der Konstrukzion des Auges: denn dass blos hievon die Zahl und Neigung der Stralen abhängt, läst sich beweisen; wenn man nämlich das Auge dreht, d. h. rechts oder links den Kopf neigt, so dreht sich der Stern mit: eben so, wenn man das Auge zudrükt, so fahren die Stralen sehr weit auseinander, und erreichen von 4, eine Länge v. 40 Minuten.[Ja] wenn man den Finger vor das Auge hält, so gehn sie bis an denselben, und werden von ihm unterbrochen.

Eine ähnliche Bewandnis hat es mit der Suppression der Stralen: wenn man nämlich den Kopf senkt, in vertikaler Richtung, so verschwinden die obern, und umgekehrt, wenn man ihn hebt, verschwinden die untern.

Es läst sich hieran eine Bemerkung über die Hieroglyphik der Aegypter knüpfen: man hat nämlich bei ihnen ge - funden, dass die Zahl 5 durch einen Stern ausgedrücktnach Horapollon wird, und dass alle Sterne, die man abgebildet sieht, in 5 Stralen ausgehn, man kann also voraussezen, dass die Konstrukzion der Augen bei dem grösseren Theil der Nazion61r von der Art war, ihnen 5 Stralen bei den Sternen zu zeigen.

Das Funkeln der Sterne ist nicht, wie man früher glaubte, eine Folge der Dünste in der Athmosphäre oder der Translazion der Stralen (woher man die Undulazion des Sonnenrandes leiten könte[)], sondern es beruht auf andern optischen Erschei - nungen, für die man in dem neusten System der Optik einen sehr befriedigenden Grund gefunden hat. Schon der verdienst - volle englische Astronom Mitschellbeobachtete, dass die schein - bare Grösse des Sterns sichbeim Funkeln vermindert, und das dies Inter - mittiren bis zu 5 mal in einer Sekunde vorkomme, allein er fand nicht die rechte Er<klär>ung davon, indem er ein intermit - tirendes Licht annahm: nach den neusten Entdekkungen glaubt man, dass dies Phänomen mit der Interferenz des Lichtes zusammenhange, nach der 2 Lichtstralen, wenn sie in entge - gengesezter Richtung auffallen, sich zerstören können. Frau - Grimaldiin Bologna enhoferfand im Spectrum seiner Gläser Banden von weis und schwarz, welche regelmässig auf einander folgen, und man kann nun den Saz aussprechen, dass Licht zu Licht Dun - kelheit giebt: denn die schwarzen Banden zeigten sich nur61v da, wo 2 Lichtstralen auf einander trafen, und sich mithin zerstörten: durch die Beugung der Lichtstralen, indem sie durch einen engen Raum gehn, entstehn farbige Franzen, die manam besten erhalten kann, wenn man einen Lichtstral durch das Fenster bei einem dünnen Faden vorbei in ein dun - kles Zimmer auf eine helle Wand leitet: es entsteht alsdann auf der hellen Wand ein dünner Schatten des Fadens, dessen Schattenränder, was sehr merkwürdig ist, nicht blos äussere, sondern auch innere farbige Franzen haben. Der Dr. Thom. Young(der schon vor Champolliondie Entziffe - rung der Hieroglyphen fand) entdekte,1803 dass man durch einen vorgesezten Schirm die schwarzen Streifen auf der einen Seite fortschaffen kann. Aragomachte eine andre schöne Entdekkung, wobei er sich dikker Gläser bediente. Fresnelendlich, der den Wissenschaften zu früh entrissen wurde, hat in diesem Felde viel geleistet. Er stelte 2 Spiegel in einem bestimten Winkel untereinander, und fand, dass das reflektirte Licht auch schwarze oder weisse Banden bildet, je nachdem die Lichtstralen einzeln auffallen, oder62r16.2 zusammengenommen sich zerstören, und dass Papier, welches man mit Chlorsilber bestrichenhathat, an denen Stellen, wo die schwarzen Banden sich zeigen, (also 2 Lichtstralen auf - fallen) nicht violett gefärbt wurde, sondern dass dies nur durch die Wirkung einfacher Stralen geschah, welche mit gleicher Geschwindigkeit ihren Weg zurüklegen.

Man ist also jezt zu dem alten Undulazionsystem, von Huygens(das erst später von Euleraufgesteltwurde, und mit Unrecht von ihm den Namen bekommen hat) zurükgekehrt, wonach das Weltall mit einem Lichtäther angefült ist, der durchdie leuchtenden Körper in Bewegung gesezt wird. Das Emanazionsystem von Newtonkann auf die neueren Entdek - kungen nicht angewendet werden.

Dies führt uns nun wieder auf das Funkeln der Sterne zurük, wobei man annehmen mus, dass durch die verschie - dene Geschwindigkeit der Stralen Finsternis& mithin Intermittiren hervorgebracht wird.

12. Vorlesung, 12.12.1827

Man kann sich auch hier an die wellenförmige Bewegung des konzentrischen Kreises erinnern, welcher entsteht, wenn man62v einen Stein in's Wasser wirft. Wenn die beiden Wellenbe - wegungen so aufeinander stossen, dass grade die eine hinauf - geht, während die andre hinuntergeht, so wird Ruhe in der Mitte eintreten. Wenn nun der Stern seine Stralen durch ungleichförmig gemischte Luft führt, so werden 2 Strahlen ungleiche Geschwindigkeit erlangen, und dadurch sich selbst zerstören. Hieraus läst sich auch erklären, warum das Fun - keln geringer wird unter den Tropen und auf hohen Bergenals in mehr temperirten〈…〉〈…〉Zonen und auf Ebnen. Bei mei - nem Aufenthalte in Amerika habe ich bemerkt, dass unter den Tropen die Sterne funkelnd werden, wenn die Luft sich erkältet (nicht wenn sie feucht wird); das Beginnen der Regenzeit kündigt sich auf diese Weise an, wegen einer grösseren Elektrizität der Luft. Bei den leuchtenden Scheiben bemerken wir das Funkeln nicht, weil hier ein Lichtpunkt den andern ersezen kann. Mit der Interferenz hängen ferner zusammen: die Erscheinung, dass ein Stern an dem Monde zu kleben63r scheint, wenn dieser an ihn tritt; die farbigen Ringe und schwarzen Flekke, und endlich die Erscheinung, dass bei einer totalen Sonnenfinsternis ein grosser Ring mehrere Sekunden lang sichtbar bleibt.

Mit blossen Augen sehn wir nur die Sterne 1terbis 7terGrösse. Nach Herschels Beobachtungen ist es wahrschein - lich, dass Sterne 6ter 7terGrösse 10 Siriusweiten von uns entfernt sind, und folglich 30 Jahre gebrauchen, ehe ihr Licht zu uns gelangt. Man hat lange behauptet, dass man von finstern Orten aus, auch bei Tage die Sterne sehn könne: allein dies scheint falsch zu sein. Ich wenig - stens habe sie nie gesehn aus den vielen Schachten, in denen ich gewesen bin, und habe auch nie einen Menschen gefunden, der sie gesehn hat. In der Pariser Sternwarte war es ein Betrug des Astronomen Concierges. Die Führer auf dem Montblanc behaupten, die Sterne auf dem Gipfel dieses Berges bei Tage gesehn zu haben, allein auf gleichen und noch grösseren Höhen Südamerika's ist dergleichen63v nie vorgekommen. Es giebt übrigens Menschen, die stärkere Augen haben, als andere: so versichert Benzenberg, dass er einenHerrn v. Eschwegein Göttingen gekant habe, der bei Tagee den Regulus (einen Stern erster Grösse) sah, und andre, die dieJupiter trabanten mit blossen Augen sahen ( Enckeversichert, dass er auch dieJupitertrabantenmit unbewafnetem Auge sehn kann.) So habenHerr Bonplandund ich denJupiter noch 18 Minuten nach Sonnenaufgang unter den Tropen gesehn. Venus möchte noch am leichtesten bei Tage erkant werden, wodurch es indess erschwert wird, sie zu sehn, ist der Umstand, dass man selten den Platz, wo sie zu suchen ist, genau anzugeben vermag, und durch das Suchen eine Beweglichkeit des Auges bewirkt wird, die das Auffinden erschwert. Scheiben sieht man unter einem Winkel von 1 Min: Baumstämme von 15 18 Sek. Ableiter von 25 Sek. Ich sahHerrn Bonplandin weissen Kleidern auf dem schwarzen Trapezitgestein des Cha - puza, unter einem Winkel von 5 6 Sek. wozu indes der64r Umstand beförderlich war, dass jener sich bewegte. Warum aber, so mögen wir nun fragen, sieht man denn bei Tage die Sterne durch Fernröhre? Die Sterne werden durch die - selben ja nicht grösser, sondern kleiner. Die Ursache liegt in der Schnelligkeit der Bewegung so erklärt es sehr treffend Arago. Das Ausschliessen des äusseren Lichtes aus den Röhren trägt wohl etwas dazu bei, allein es ist nicht unumgänglich nöthig, wie man schon daraus sieht, dass man auch durch die älteren Luftfernröhre die Sterne gesehn. (Luftfernröhre sind die älteren Fern - röhre, welche man so ungeheuer lang machte, dass man sie nicht mehr mit einer Röhre umgeben konte. Man hatte deren von 250 Fus Länge: sie bestanden alsdann blos aus einem Objektiv und einem Okular, die man mit grossen Windeneinandernäherte oder entfernte. DominiqueCassiniwolte unter Ludwig XIVeines von 600 Fus Länge machen, wovon indess nur das Okular fertig ward. Natürlich, dass bei solchen gewaltigen64v Anstalten, das Volk viel aufmerksamer auf einen Astro - nomen ward als jezt!)

Man sagt häufig, dass die Zahl der Sterne, die man mit blos - sen Augen sehn könne, 5000 sei, allein Herschelhat gezeigt, dass es von Sternen 1 6terGrössewenigstens 11000 giebt. (Sterne 6terGrösseallein zälte Herschel8076; 7terGrösse14000.

Das teleskopische Sehen ist nicht blos merkwürdig, wegen der vielen neuen Erscheinungen, die man dadurch gefunden, z. B. den Ring des Saturn, die Sonnenflekken, sondern am wichtigsten ward es, als man es mit messenden Instrumenten in Verbin - dung sezte: so ward es nicht blos für die physische, sondern ganz besonders auch für die mathematischeGeoAstronomiegewinnreich. Diese Verbindung machte zuerst 1634 Morinin Paris, weiter ausgeführt wurde sie 1664 von Picard.e[?]Einen andern Vortheil bringen die Nachtfernröhre als Kometensucher, die nur 4 5 mal vergrössern, aber ein grösseres Objektiv haben. Hie - durch entsteht ein grösserer Lichteindruck, der durch eine stär - kere Vergrösserung, also auch Verzerrung verloren gehn würde.

13. Vorlesung, 15.12.1827

(Über die optische Erscheinung der Interferenz sehe man Annales de Chimie I, 1816. pag. 199. 239. das gekrönte Mémoire von Fresnelüber die65r Diffrakzion 1819. Thomson's Chimie übers. v. Rifaud1821. Suppl. bd. Fischermechanische Naturlehre IIterBd.[) ]

Bei der Eintheilung der Astrognosie müssen wir darauf sehn, dass die geballte und ungeballte Materie im Weltenraume in Inselgruppen vertheilt ist, zwischen denen sporadisch einzelne Sterne zerstreut liegen: diese Überzeugung gewint man aber erst durch die Fernröhre, was wir mit blossen Augen sehn, gehört alles zu der Insel unseres Sonnensystems, welches wiederum aus 11 Hauptpla - neten und 18 Nebenplaneten besteht. Die Entfernung von der Sonne bis zum Uranus ist der 100steTheilvon der Entfernung der Sonne bis zum äussersten Kometen. Trotz dem ist unser Sonnensystem sehr unwichtig und unerheblich für die linsenförmige Schicht: denn wenn man auch annimt, dass der äusserste Komet 80000 Jahre zu einem Umlauf um die Sonne braucht, so würde doch unser Sonnensystem mit den Kometen 37000 mal der Länge nach in un - srer Sternschicht Platz haben. Wir sehn in dieser linsenförmigen Schicht eine Graduazion der Anhäufung der Materie,undbegin - nen, (wie in der Geschichte mit der mythischen Urzeit) sohier bei den äussersten Gränzen des Sichtbaren, und schreiten dann bis zu unsrer Erde fort: so würdenz. B. die Einwohner eines65v kleinen Koralleneilandes in den Sozietätsinseln, dieses Eiland am genausten kennen, weniger würden sie wissen von den ihnen zunächst liegenden Sporaden, noch weniger von den ent - ferntesten Sozietätsinseln. Doch mus ich hiebei bemerken, dass alles, was ich vortragen werde, nicht nur blosse Vermuthungen, son - dern wirkliche Beobachtungen sind; vor 30 Jahren würden es nur Vermuthungen gewesen sein, jezt können wir aber die abso - luten Zalen in ziemlich enge Gränzen der Gewisheit einschlies - sen, indem wir die Fehler berechnen, die bei denselben vorkom - men können.

Wir beschäftigen uns also

  • a, mit den entferntesten Gruppen.
  • b, mit unsrer linsenförmigen Sternschicht.
  • c, Planetensysteme.

Schon oben haben wir bemerkt, dass einige Nebelflekke dem blossen Auge sichtbar sind, und zwar mit Sternen gemengt,z. B. der Flek im Gürtel der Andromeda, der sich wie ein Stab zu beiden Seiten ausbreitet; die Krippe im Krebs, ein Sternhaufen, auf den man sehr früh aufmerksam wurde, schon im 17tenJahrhunderthat man ihn beobachtet, und gemessen66r17.wurde er zuerst von S. Magus. Huygensuntersuchte den Nebelflek im Schwerdte des[?] Orion sehr genau, aber der wahre Kolumbus dieser Räume ist Herschel, ihm folgten Messierund Méchin. Herschelhatte die erste Idee von der körperlichen Gestalt dieser entfernten Weltkörper: er hat das Senkblei in die Tiefen des Himmels (coelum profun - dum) geworfen. Er fand, dass die Nebelflekke sich in auf - lösbare und unauflösbare theilen lassen: zu den ersten gehört die Milchstrasse, in der sich alles in Sterne auflösen läst: schon Huygenshatte 1724 diese Idee von auflösbaren und nicht auflösbaren Nebelflekken, war aber nicht im Stande, die Milchstrasse mit Fernröhren von 150 200′ Länge aufzulösen: zu den zweiten gehören die meisten andern Nebelflekken. Nun könte man freilich sagen, dass es an denAn[?]〈…〉〈…〉Unvolkommenheit unsrer Instrumente liege, und dass wir mit stärkeren Vergrösserungen doch am Ende dahin gelangen würden, sie in einzelne Sterne aufzulösen, dagegen streitet aber die Analogie. Denn im Falle diese66v Nebelflekken auflösbar wären, so würden doch, indem man von einer Vergrösserung von 150 mal zu 1800 Mal fortschrei - tet, einzelne Sterne daraus zum Vorschein kommen, wie dies bei den auflösbaren wirklich der Fall ist, dagegen bemerkt man hier nichts als ein einförmiges mattes Licht, auf welches die Vergrösserungen keinen Einflus haben. Bei eini - gen bemerkt man einen nach dem Innern zunehmenden glänzenden Kern (ganz anders als bei einem Stern, der in einen Nebel versenkt ist. ) oft stehn auch deutlich kleine Sterne in der Mitte;dnicht etwa vor oder hinter dem Nebel, welches wir daraus abnehmen können, dass sie sich mit demselben fortbewegen. Im Ganzen zält man 3000 Nebelflekke, von denen wenige nur auflösbar sind: zusam̃en genommen würden sie einen Raum von 600 Vollmonden einnehmen. Von der Entfernung derselben können wir uns kaum einen Begrif machen. Nach Herschels Berech - nung, oder vielmehr Schäzung ist der nächste nicht auflösbare Nebelflek an 8000 Siriusweiten von uns67r entfernt, und sein Licht braucht 24000 Jahre bis zu uns, der lezte ist vielleicht 300,000 Siriusweiten entfernt, und Herschelahndete ihn kaum in seinem40-füssigen Teleskope.

Wir können die Nebelflekke auch Dunstwolken nennen, wovon wir ihrer Gestalt nach 3 Arten unterscheiden:

  • 1, kernlos, rund, von gleicher Färbung, dies sind die soge - nanten planetarischen.
  • 2, solche, worin eine Zusammenziehung des Lichtes statfindet, die sich nach dem Rande zu verdünt. Die Verdikkung findet sich immeran〈…〉〈…〉inder Mitte, nie am Rande.
  • 3, solche in deren Innern Sterne sichtbar sind: auch Sternhaufen mit Nebel untermischt, wie der in der An - dromeda. Von diesen haben einige 12 15 Sek. Durchmesser, so viel als die meisten unsrer Planeten. Sie müssen also nach einer ungefähren Schäzungdereinen Raum wie von der Sonne bis zum Uranus einnehmen. Herschelglaubte, dass sie wegen ihrer ungeheuern Entfernung für uns ohne Be - wegung wären, und wolte deshalb die Lage aller Sterne darauf67v beziehn. Ihre Formen sind sehr verschieden. AlsHerr Southnahe bei Paris in Poissy sich eine Sternwarte erbaute, hatte ich Gelegenheit, einen grossen Theil derselben zu beo - bachten, und fand sie pinselartig, kammförmig, einige wie Kometenschweife, andre in kleinen Gruppen, die sich durch eine Reihe von Graden forterstrekten. So findet sich zwischen α und β der Leier eine[?]Ring mit kleinen tele - skopischen Sternen, der die Aufmerksamkeit der Astrono - men gar sehra[?]rege gemacht hat: er wurde zuerst von Dar - ginaisin Montpellier entdekt: dann von Herschelund andern genauer untersucht.

Es findet in diesen Räumen auch Bewegung statt, welche alles an Schnelligkeit übertrift, was wir kennen, und wogegen sogar die Geschwindigkeit des Lichtes nicht in Betracht kömt. So ist es erwiesen, dass der Nebelflek im Orion auseinandergeht. Herschelbeobachtete ihn nur von 1774 1810, und in dieser kurzen Zeit bemerkte er, ohne einmal die früheren Beobachtungen von Huygensmit68r in Anschlag zu bringen, mehrere Veränderungen. Sterne 8erGrössedie sonst in ihm standen, haben sich von ihm entfernt. Manche Flekken bestehn aus runden Massen mit einem Ringe, nicht unähnlich dem des Saturn, welche wahrschein - lich auch eine rotirende Bewegung haben. Herschelwar im Stande, Stufen der Verdichtung anzugeben: er sah einen auch zwei Kerne und verschiedene Formazionen in der Hülle: 600 von den 3000 Flekken sind in der Mitte verdichtet.

Wir gehn nun zu unsrer linsenförmigen Sternschicht über, welche man auch wohl einen Nebelflek genant hat, aber nur uneigentlich: denn die ganze Milchstrasse läst sich in einzelne Sterne auflösen: dennoch wäre es falsch, wenn man behaupten wolte, dass in denselben sich keine nebelartigen Massen befänden. Das Zodiakallicht gehört zu den Materien, in welchen ein beständiger Lichtprozes vorgeht; es erstrekt sich bis über die Bahn des Mars hinaus. Um die Form unsrer Sternschicht zu bestimmen, haben wir die verschiedene Lichtstärke68v der Sterne, welches eine grosse Genauigkeit giebt. Dass diese Lichtstärke immer von grossem Einflusse gewesen, sehn wir aus der Verehrung, welche die einzelnen arabischen Stäm - me (nach Idelers Untersuchungen) den verschiedenen Sternen, wie Canopus, Achernarpp. zolten: aber erst in der Alexandrinischen Schule, ging man zur messenden Astro - nomie über. Vom Hipparchhaben wir den ersten Stern - katalog, worüber uns Pliniuseine kurze aber wichtige Bemerkung mittheilt: er sagt, dass grade zu Hipparch's Zeiten ein hellleuchtender Stern verloren gegangen sei, wodurch Hipparchzuerst auf den Gedanken gekommen, alle Sterne zu zälen, und ihre Lichtstärke zu bestimmen: es war dies ohne Zweifelkein andererein eben solcherStern, als der, welcher im Mittelalter auflodernd und verschwindend gesehn wurde. Hipparchbestimte die Sterne bis zur 6tenGrösse, und sein Katalog ist ganz in den Almagest des Ptolemaeusüber - gegangen und darin enthalten. Die Anwendung einzelner69r Buchstaben für die Bestimmung der Lichtstärke der Sterne ist von der grösten Wichtigkeit geworden. T. Beyer (Mayer)⟨⟩kam zuerst auf eine solche Skala, nach der α stärkerals β, β stärker als γpp. leuchtet, und wandte sie auf die Karten an. Vergleicht man nun diese alten Karten mit dem jezigen Stande des Himmels, so findet man, dass sie nicht mehr damit übereinstimmen, ein Stern der mit δ darauf ver - zeichnet ist, wird uns vielleicht als α erscheinen: es ist also klar, dass entweder solche heller gewordenen Sterne uns näher gekommen sind, oder dass ein Lichtprozes in ihnen vorgegangen ist. Ich beobachtete die Sterne der süd - lichen Himmelskugel nach La Caille's vortreflichen Karten, und fand manche Abweichungen in der Lichtstärke. Ferner sind auch die photometrischen Messungen in so fern wichtig, als siefürüber die Grösse der Sterne entscheiden, und sich manche interessanten Beobachtungen dar<an>knüpfen lassen. Lambertfand, dass das Licht des Vollmondes zwischen 277,000 und 300,000 Mal schwächer sei als das der Sonne. 69v Olbersfand, dass der Aldebaran 400,000 mal schwächer sei als der Vollmond, und dass die Sonne uns so hell wie der Aldebaran erscheinen würde, wenn sie 311,000 Erdhalbmes - ser von uns entfernt wäre, also nur der Siriusweite. Beim Vollmonde hat ein Theil der Athmosphäre von der Grösse des Mondes 900,000 mal weniger Licht als die Vollmondscheibe selbst: Venus (nach Lambert) 3000 mal weniger als der Vollmond.

Unendlich gros ist die Verschiedenheit zwischen der inten - siven Lichtstärke selbstleuchtender Weltkörper, und dem schwachen reflektirten planetarischen Licht: ein Stern erster Grösse, der als Scheibe kaum 1 / 20 ja 1 / 50 Sek. im Durch - messer hat, funkelt mit bedeutender Helligkeit, während Uranus, der 4 Min. imDurchmesserhat, äusserst schwer mit blossen Augen gesehn werden kann. Man kam daher zu der Annahme, dass die Grösse der Masse an sich auch den Lichtprozes herbeiführe, und diesen bedinge; zum Gegenbeweise fand aber Herschelleuchtende Nebel, die noch70r18.gar nicht zu kompakten Massen gebalt sind. Das Zodiakal - licht könte vielleicht ein eignes Licht haben. Die dunkle Mondscheibe ist nicht ganz schwarz, sondern wird von dem Lichte erhellet,[das] von der Erde auf sie reflektirt wird: dieses Licht kann aber nicht bisfzur Venus reichen, und dennoch zeigt die dunkle Venusscheibe einen Lichtprozes, indem sie phosphoreszirend sichtbar wird.

Die Lichtstärke an sich ist schwer zu messen, doch hat man sich auf die Art geholfen, dass man nicht die beiden Lichter, sondern die beiden Schatten miteinander vergleicht, welchez. B. von Wasserstofgas und von Öl geworfen werden. Dies ist die Methode des Grafen Rumford: da das Ab - nehmen der Lichtstärke sich verhält, wie die Quadrate der Entfernung, so kann man die Rechnung darüber mit grosser Genauigkeit führen. Älter ist die Methode von Lambert, welcher Kerzenlicht und Sonnenlicht auf eine Wand projizirte, und dann beide verglich, doch ist dies jezt nicht mehr in Anwendung, da es viel leichter ist, die Gleichheit der Schatten zu bemerken, als die des Lichtes. 70vEine sehr schöne Methodefandwandte Herschelan, welche zuerst von Grandjean de Fouchy1732 bei Gelegenheit derJupiter - trabanten, (welche für die Bestimmung der Länge so sehr wichtig sind) angegeben wurde. Der verdienstvolle Bailly, der als ein Opfer der Revoluzion gefallen ist führte sie weiter aus, und Herschelhat sie zu ihrer Volkommenheit gebracht. Es ist dies die Methode der Diaphragmen, wobei das Objek - tiv theilweise bedekt wird. Herschelrichtete zuerst 2 Spiegel - teleskopevon gleicher Stärke auf einen Stern erster Grösse, und überzeugte sich, dass er in beiden gleich gros erschien: dann richtete er das eine Instrument auf einen Stern, der ihm vielleicht viermal kleiner schien, und verschleierte hierauf das Objek - tiv bei dem Stern 1terGrösseso lange, bis beide Sterne ihm genau dieselbe Grösse zu haben schienen: er bestimte nun den Flächenraum des verschleierten Theiles, und kontedannsehdanach sehrleicht die relative Lichtstärke beider Sterne berechnen.

Für die Reflexionsinstrumente (wie Spiegelsextanten) habe ich eine Methode angegeben, die auf dem Schieben71r des Fernrohres beruht. Man bringt nämlich die beiden zu bestimmenden Sterne in den bedekten und unbedekten Theil des Spiegels zusammen, und schraubt das Fernrohr so lange fort oder zurük, bis beide Sterne von gleicher Licht - stärke erscheinen: die Verrükkung des Fernrohres giebt dann ein sehr genaues Maas für die relative Lichtstärke.

14. Vorlesung, 19.12.1827

Als Berichtigung mus bemerkt werden, dass man den Nebelflek im Orion nicht mit blossen Augen sieht, sondern nur einen grossen Stern - haufen im Schwerdte desselben. Herschelminor hat ein eigenes - moire über diesen Nebelflek herausgegeben, und bewiesen, dass die Veränderungen in demselben von Huygensbis Legentilmüssen vor - gegangen sein: er hatte zugleich die glükliche Idee, eine Karte des - selben zu entwerfen, wonach man nun alle künftigen Veränderungen darin, die man mit Recht Weltbegebenheiten nennen kann, mit Genauigkeit wird nachweisen können. Zugleich kann hier bemerkt werden, welchen Vorzug die Frauenhoferschen Instrumente vor allen früheren haben. Herschelsah an einer bestimten Stelle dieses Nebelflekkesnur 4 kleine Sterne beisammenstehen. Struvehatdurch sein40-füssiges Teleskop. durch einen Frauenhoferschen Refraktor den 5tendazu entdeckt.

Durch die von mir angegebene Methode, im Spiegelsextanten71v die Lichtstärke der Sterne zu messen, ist endlich der Streit ent - schieden worden, ob der Kanopus oder Sirius heller leuchte.

Es liegt in der menschlichen Natur, alles weniger bekante sich schöner zu denken als es ist, daher hielt man den Kanopus lange Zeit für heller als Sirius, weil nur wenige ihn gesehn, und seine Lichtstärke nicht gemessen war. Ich habe gezeigt, dass er sogar nach etwas schwächer ist als Sirius, und sich zu diesem verhält, wie 98: 100.

  • Sirius = 100.
  • Kanopus = 98.
  • α Centaur = 96.
  • Fomalhaut = 94.

An unsrer nördlichen Hemisphäre sehn wir nur 14 Sterne 1terGrösseund an der südlichen ungefähr ebensoviel. Auch bei den nächstfolgenden Grössen ist der Unterschied nichtgrosbedeutend. Struvefand:

an d. nördl. Hemisph. an d. südlichen Hemisph.
Sterne1terGrösse 9 5
2Grösse 26.27.
3 76.101.
4. 195. 181.
72r

Gewöhnlich ist aber auch, wenn Sterne eine ungleiche Licht - stärke haben, die Art ihres Leuchtens verschieden. Frauenhoferhat darüber ganz herliche Betrachtungen gemacht: er hat verschiedene Lichter durch ein Prisma fallen lassen, und das Spektrum stark vergrössert beobachtet: er bemerkte darin sehr auffallende schwarze Streifen, welche zwischen den farbigen stehn: aus seinen Untersuchungen scheint hervorzugehen, dass das gleichartige Licht, auch wenn es reflektirt wird, dieselbe Wirkung hervorbringt: so sind die Spektraungleich für Sonnen - und Mondlicht, und dies scheint zugleich zu beweisen, dass im Monde gar keine Phosphorescenz mehr statt findet: dagegen sind Ofenfeuer, elektrisches Licht, und Sternlicht ganz verschieden. Pollux verhält sich wie die Sonne: Kastor wie Sirius. Auch für das blosse Auge giebt es nicht nur verschiedene Grössen der Sterne, sondern auch verschiedene Farben, welches schon von den Alten bemerkt wurde.

Die Perser in den Zendschriften theilen die Sterne in rothe und weisse. Antares und Aldebaran, welche die beiden Aequinokzialpunkte bei ihnen bezeichnen, heissen roth:72v dagegen Fomalhaut und Regulus, welche die Solstizial - punkte andeuten, weis: alle vier sind die Stelle regie. Bei den beiden ersten würde die Lage ziemlich gut passen, bei den beiden lezten dagegen ist ein Irthum von mehr als 10° Graden obwaltend. Bethagaize an der Schulter des Orion ist gleichfals roth. Sirius hies bei den Römern roth, jezt ist er weis, es scheint also, als ob der Verbren - nungsprozes seit jener Zeit auf ihm stärker geworden wäre: auch sein Stand hat sich verändernt: bei den Ae - gyptern erschien er, nach Idelers Untersuchungen, in der Morgendämmerung am 20tenJulius (denn 1461 ägyptische Jahre sind gleich 1460 julianischen)[;] er hies bei ihnen Seth oder Soth; sie kanten aber die Präcession der Aequinokzien noch nicht.

Zahl der Sterne.

1, die man mit blossem oder bewafnetem Auge sieht. 2, die man in unsern Breiten, am Aequator oder an den Polen sieht.

73r

Man giebt die Zahl der Sterne 1 6terGrösse, die man mit blossen Augen sieht, gewöhnlich auf 5000 an, dies ist aber ungenau. Herschelzälte den Sternkatalogus in Bode's Uranographie, und fand 8000 von denen allein 6700 zu den Sternen 6terGrössege - hören. Die Ungewisheit kömt daher, dass man nicht leicht die Sterne 6terund 7terGrösseunterscheiden kann. Struvezälte den Hardingschen Sternkatalogus und fand von 1 76terGr. 12000 Sterne: ein gutes Auge sieht gewöhnlich noch Sterne 7terGrösseund diese dazu gerechnet, beträgt die Zahl der mit blossen Augen sichtbaren: 14200. Nun enthält aber die Erd - oder die Himmelkugel 41,000 Quadratgrade: es kömt also von den 14200Sternen1 7terGrössenoch nicht ein Stern auf 12 Mondflä - chen, und deshalb ist es gar nicht zu verwundern, dass die Okkultazionen im Ganzen seltener sind, als man glaubt, wenn man den Mond durch die Menge von Sternen hinziehn sieht. Hipparchund Ptolemaeuskanten nur 1022 Sterne 1 7Grösse[,] jezt haben wir von der 5 und 6tenGrösseallein, 15 mal mehr. Es entsteht nun,die Frage: wieviel von allen diesen Sternensind73vsind bestimt, und wieviel überhaupt bekant. Bodehat in seiner Uranographie 17240 angeführt. Lalande (der Oheimund Neffe) haben 40,000 durch das Fernrohr laufen lassen. Rechnet man diejenigen hinzu, welche Hardingund Besselbeobachtet haben, so kann man die Zahl der bestimten Sterne auf 120,000 angeben: aber gut bestimt sind vielleicht nur 8 9000, welche sich meistens in des treflichen PiazziStern - katalog finden. Es ist eine sehr gute Idee der hiesigen Akademie der Wissenschaften, dass sie es unternommen hat, den Himmel in mehrere Zonen zu theilen, und die ersten Astronomen aufgefordert,jedjeeine Zone zu über - nehmen, und ganz genau zu untersuchen, so wie alle darin liegenden Sterne zu bestimmen. Dies würde nicht blos für die Kometen sehr wichtig sein, die man in immer grösserer Anzahl auffinden würde; sondern auch für die etwa noch vorhandenen Planeten: denn es scheint nach so vielen neuen Entdekkungen, dass unser Planetensystem noch nicht erschöpft ist. Kommen wir nun auf die74r19.nicht bestimten, teleskopischen Sterne, so ist ihre Menge ganz unglaublich. So sah Herschelam 22. Aug. 1792 als er die Milchstrasse beobachtete, in 40 Minuten Zeit an 258,000 Sterne durch sein Teleskop laufen: diese Zahl ist keinesweges blosse Schäzung, sie kann vielleicht um 1 / 15 oder 1 / 16 falsch sein, aber nicht um oder . Littrowglaubt, dass man auf jede Quadratminute Einen Stern rechnen könne, also im Ganzen 148,000,000 Sterne: von diesen kleinen teleskopischen Sternen würden 200 auf die Grösse eines Vollmondes kommen.

Zu den Sternen des südlichen Himmels rechne ich alle dieje - nigen, welche man unter 37½°Nordbreitealso in Rhodus, Madeira und Südspanien zu sehn bekömt. Man hat sich erst seit 2Jahrhundertenmit dem südlichen Himmel beschäftigt, und ihn genauer studirt. Die Alten kanten ihn nur bis zum Krebs, den man in Syene, als der äussersten südlichen Gränze, sehn kann. Die Aegypter hatten zwar Kolonien in Meroë, auch kante man die Fahrt durch die Enge von Bab-el-Mandel nach Indien: die Nachrichten aber, welche durch diese selte - nen und nur von Kaufleuten unternommenen Fahrten zu den74v Griechen herüberkamen, sind sehr unsicher und unbedeutend: durch die Vorrükkung der Nachtgleichen, welche in 35,000 Jahren eine ihrer Evoluzionen vollendet, können wir nachweisen, dass man bei den Alten mehr vom südlichen Himmel gesehn hat, als jezt; die schönen südlichen Sterne fliehen uns: man sah sonst das südliche Kreuz in Alexandrien sehr deutlich. Die Entdekkung von Amerika ist für die Sternkunde und namentlich für die Kentnis des südlichen Himmels von der grösten Wichtigkeit; und wie einst Posidoniusnach Kadix ging, um den Kanopus besser zu sehn (nach einer verwirten Idee von der Immersion der Stralen) so ging Halley(aber mit besserem Grunde) nach Helena, um den südlichen Himmel zu beobachten. Die besten Beobachtungen lieferte Lacailleam Kap der guten Hofnung: jezt befindet sichHerr Fallowdort, der auch schon einen guten Katalog geliefert hat, welcher zeigt, dass die Lichtstärke der Sterne sich sehr verändert hat. Am südlichen Himmel, von der Breite von Madeira an gerechnet, glänzen 6 Sterne 1terund 12 Sterne〈…〉〈…〉2terGrösse. Die der 1tenGrössesind:

  • Canopus.
  • Achernar.
  • α im Kreuz.
  • 2 indenFüssen des Zentauren〈…〉〈…〉und β im Schiffe Argo.
75r

Im Ganzen ist die Gruppirung der Sterne, die Landschaft des Himmels am südlichen Theile schöner als am nördlichen: die Gruppen sind mehr getrent, daher finden sich grössere Kontraste von vollen und leeren Stellen: schöne Gruppen bilden: der Schütze und diesüdlicheKrone: das Schiff und der Kanopus. die grosse und die kleine magellanische Wolke, und 2 schwarze Flekken. Nach der Reihe des Sichtbarwerdens folgen sie so:

  • 1, Kanopus unter 37½° den man in Karthago & Alexandrien sieht.
  • 2, Füsse des Zentauren
  • 3, Achernar im Eridanus.
  • 4, das südliche Kreutz.
  • 5, die beiden schwarzen Flekken: coal-bags.
  • 6, die Magellanischen Wolken.

So ist es aber nicht immer gewesen. α Crucis war sonst (zu Era - tosthenes 'Zeit) in Alexandrien 6°34′ über dem Horizont sichtbar, jezt steht es unter dem Horizont: auch die Stellung hat sich so wunderbar verschoben, dass die Reihefolge des Sichtbar - werdens verändert worden ist: auch hat, wie schon bemerkt, der südliche Himmel ein eigenthümliches planetarisches milder - funkelndes weisses Licht, wodurch er sich vom nördlichen unterscheidet.75v[Leuchtende] Nebel finden sich im Schiffe, im Schützen in der Krone, dagegen steht der Pfau, so wie Achernar in einem leeren, fast ganz von Sternen entblösten Raume. Lacailletheilte zuerst das Gebiet des südlichen Himmels in Provinzen, und gab ihnen Namen: daher ist der nördliche Himmel ein mythischer, der südliche ein industrieller. So wichtig auch die Buchdrukkerwerkstatt, die Luftpumpepp. für die Ausbildung des menschlichen Geistes gewesen, so passen sie doch wenig zu den schönen alten mythischen Namen der nördlichen Hemisphäre. So heissen die Plejaden (wo?) das Einmaleins, und die Mönche in Salzburg sezten das Wappen ihres Bischofs, der das Land am meisten unterdrükte, an den Himmel. In Kumana gab ich mir viele Mühe, beide schwarzen Flekken zu sehn: konte aber nur den einen gut erkennen, der andre war nie recht deutlich. α Crucis ist in den einen schwarzen Flek gesenkt: der 2teFlek mus wenigstens 28° hoch stehn, wenn man ihn deutlich sehn will: ich sah ihn erst bei den Katarakten der Orinoco, unter 3 Nordbreite, und nachher öfter, da ich bis 15°Südbreite herabge - kommen bin: ich konte ihn sehr genau messen, da er besonders von76r der einen Seite sehr scharf umgränzt ist: ich fand seinen grösten Durchmesser = ungefähr 6 Mondflächen breit. Lacaillemeint, diese Flekken entständen blos aus der Wirkung des Kontrastes, weil die umgebenden Stellen reicher an Sternen sind: allein dies scheint nicht der Fall zu sein, und schon Forsterhatte darüber die richtigste Meinung, der ich ganz beipflichtete. Wenn man sich denkt, dass das Himmelgewölbe aus mehreren Sternschichten gewebt sei, so sind diese schwarzen Flekken ein Durchbruch desselben, gleichsam längere Röhren, die in die Schichten hinein - gehn, und uns in die äussersten Gränzen des Weltraumes einen Blik werfen lassen, von deren Entfernung wir gar keinen Begrif haben können, da nicht einmal das Licht davon bis zu uns gelangen kann. Eine andre Bewandnis scheint es mit der klei - nen Insel zu haben, die man nicht weit vom Schwan in der Milchstrasse findet: diese erscheint wirklich nur des Kontrastes wegen dunkel, weil die nächsten Räume so sehr hell sind. Ebenso entdekte Herschel,eine dunkle Öfnung im Skorpion, Lalandeim Ophiuchus. Herschelmeinte, dass das Loch im Skorpion wohl daher kommen könne, dass der nächststehende grosse Haufe die Krippe, alle Sterne aus der Öfnung durch Anziehung76v weggenommen habe, und diese Erklärung hat etwas für sich: dennwenn Herschelmit seinem grossen Teleskope den Himmel fegte, (wie er es nante) so konte er schon ahnden, wann eine solche leere Stelle kommen würde: dies geschah immer, nachdem mehrere dichte Haufen durch den Gesichtkreis dahingerauscht waren.

15. Vorlesung, 22.12.1827

Wenn ich mich bei der Beschreibung unserer linsenförmigen Stern - schicht länger aufhalte, so geschieht dies blos darum, weileine[?]man nicht alles daran[?]vonin den Lehrbüchern zusammenfindet, sondern weil viel in einer Menge von einzelnen kleinen Schriften zerstreut ist: es gehört zu den Aufgaben der Weltbeschreibung, alles dies mehr zusammenzufassen, als es in der messenden und beobachtenden Astronomie geschehn kann.

Die magellanischen Wolken standen zu Eudoxus 'Zeit im Südpole selbst, sind aber jezt wegen der Vorrükkung der Nacht - gleichen daraus gewichen: sie kreisen um den Südpol, wie der grosse Bär um den Nordpol: ihr Glanz komt dem der Milchstrasse gleich: ich habe sie sehr häufig beobachtet, da ich aber auf meiner Reise keine sehr stark vergrössernden Fernröhre mit mirfführen konte, so habe ich nicht entscheiden können,77r ob sie sich auflösen lassen, oder nicht, obgleich ich wohl einzelne Sterne darin bemerken konte; eben so mus noch ausgemacht werden, ob sie innerhalb oder ausserhalb unserer linsenförmigen Sternschicht liegen. Die gröste hat in der längeren Axe 3 Ausdehnung. Die Griechen kanten sie nicht, wohl aber die Araber:Herr Idelerhat gezeigt, dass man sie bei ihnen die weissen Ochsen nante. 1515 wurden sie von Magellanzuerst gesehn. Horner, ein ausgezeich - neter Astronom, derHerrn v. Krusensternauf seiner Reise um die Welt begleitete, meint, dass diese weissen Wolken früher da ge - standen haben möchten, wo jezt die beiden sternleeren Flekke sind, da sie ungefähr dieselbe Grösse haben: ich kann aber diese Meinung nicht theilen, und glaube, dass sie ohne alle Beziehung auf einander sind. Das südliche Kreuz war schon den Griechen bekant, da es aber auf ihre Phantasie nicht den Eindruk machte, wie bei den〈…〉〈…〉christlichen Völkern, so hab [?]tten sie es nicht von den Füssen des Zentauren abgesondert. Seit der Entdekkung von Amerika wurde es wieder bei den nördlichen Völkern bekant; und wie gros der Eindruk war dennes auf die Phantasie der ersten Entdekker von Amerika machte, sieht man daraus, dass Orviedoes in sein Wappen sezte. Schon Acostaführt den Nuzen an,77v den man auf Reisen davon ziehn kann, um in der Nacht die Zeit zu bestimmen. Die beiden grossen Sterne der längeren Axe haben nämlich ungefähr dieselbe Rektaszenzsion, daher steht das Kreuz um Mitternacht senkrecht, und hierauf beziehn sich die Worte, welche man so oft von den Reisenden in diesen Ge - genden hört: es ist schon spät: das Kreuz neigt sich. Hier mus auch der vielbesprochenen und bestrittenen Stelle des Danteim Purgatorio erwähnt werden, welche man immer auf das südliche Kreuz gezogen hat:

Io mi volsi a man destra, e posi mente
All' altro polo, e vidi quattro stelle
Non viste mai fuor ch' alla prima gente.
Goder parea lo ciel di lor fiammelle;
O settentrional vedovo sito
Poiche privato sei di mirar quelle!

denn obgleich Dante1321 starb, so konte er doch auf seinen langen Reisen Nachrichten darüber von Venezianischen und Genuesischen Schiffern bekommen haben, die im arabischen MeerbusenhHandel trieben. Schwerlich hat er die Notiz in arabischen Schriftstellern gefunden, wie einige behaupten,.78r20.Schon der Pater Corsalizog diese Stelle auf das südliche Kreuz; andre Erklärer auf die mystische Idee der 4 weltlichen Tugenden.

Wir kommen nun zu einem wichtigen Theile unsrer Wissenschaft, zu der Winkelmessenden Astronomie für die entferntesten Fixsterne und Doppelsterne.

Schon Galileiwarf die Fragen auf: was wir eigentlich Doppel - sterne nennen? ob beide Sterne zu einander gehören? ob sie physi - sche oder optische Doppelsterne sind? und hatte die ganz richtige Meinung, dass sie zur Findung der Parallaxe dienen könten durch die Veränderung ihres optischen Ortes. Herschelnahm diese Un - tersuchung wieder auf und leistete sehr viel darin: er zeigte, zuerst 1782, dass sie in einer innern Beziehung zu einander stehn: neuerlich hat Besseldies mit noch grösserer Bestimtheit erkant: er beschäf - tigte sich besonders mit dem 61tenSterne des Schwans, welcher ein Doppelstern ist, und fand, dass beide Sterne auf gleiche Weise von einer eignen Bewegung affizirt werden.

Wir betrachten bei den Doppelsternen ihre Zahl, Natur, Farbe, Bewegung und Schnelligkeit.

Die Zahl derselben hat sich seit 2 Jahren ungemein vermehrt: Her - schel, Southund Besselzusammen haben 800 1000, von denen78v nur 675 genauer untersucht und beschrieben sind. Aber in dem schönen Katalog von Struve, der erst vor einigen Wochen erschienen ist,36 finden wir 3112 Doppelsterne verzeichnet, welche er, bis auf 74, alle selbst beobachtet hat, und 2300 sind ganz neu von ihm entdekt. Die Resultate, welche sich aus seinem Werke ziehn lassen, sind von der äussersten Wichtigkeit: er hat gefunden, dass unter den Sternen 1terbis 3terGrösseauf [Sterne] ein Doppelstern kömt; dagegen unter denen 6 und 7terGrössekaum auf 12 Sterne 1Doppelstern: aus der natürlichen Ursach, dass die entfern - teren Sterne nicht so leicht für uns zu finden sind, als die näher - stehenden grösseren. Nimt man aber alle Sterne 1ter 7Grössezu - sammen, so kömt auf 11 einDoppelstern. Da Struvenur 3000Doppelsterne fand, so gäbe dies im Ganzen 33,000 Sterne, welches mit unseren früheren Resultaten recht gut übereinstimmt. Aus dieser Berechnung läst sich also der Schlus ziehn, dass wenn die Doppelsterne blos Zufall, d. h. optischeDoppelsterne wären, sie unter kleinen und grossen gleich vertheilt sein müsten: da dies aber nicht der Fall ist, so sind wir zu der Annahme be - rechtigt, dass sie alle, oder doch die meisten, wirkliche, d. h. physische Doppelsterne sind.

79r

Ihre Natur können wir bis jezt nurnach ihrer Farbewenigbeurtheilen,worin sie grosse Verschiedenheiten zeigen. Kastor ist einDoppelstern2terund 4terGrössewovon der kleinere schön indigoblau ist: auch der Polar - stern ist einDoppelstern[:] der kleinere ist ein Stern 11terGrösse, und es kann schon für ein Fernrohr als Probe gelten, ob man dadurch diesen kleinen Stern unterscheiden kann. β in der Leyer ist 4 fach; ja ς (sigma) im Orion ist 16 fach: die ersten Beobachtungen über dieDoppelsternehaben wir von 1736 von Bradley, und 1759 von Maskeline: so dass man über den 61tenStern im Schwane nun schon genaueBeobachtungenvon 71 Jahren hat.

Ihre Farbe zeigt grosse Verschiedenheiten, und läst sich durch den Kontrast sehr deutlich unterscheiden: man kann mit Sicherheit aussprechen, dass der grössere Stern nie bunt, sondern immer weis ist: es finden sich allerdings manchmal 2 Sterne verschiedener Grösse, die bunt sind: alsdann dreht sich aber nicht der eine um den andern, sondern beide umeinander: man findet sie blau, gelb, indigo grün pp. und könte dadurch auf die Komplementarfarben geleitet werden. Die schönen Versuche Göthe's über die subjektiven FarbenDiese Versuche vindizirt Seebeck. sind bekant, wonach eine Farbe die andre fordern würde, und also die Verschiedenheit nur in unserm subjektiven Sehen liegt: diese79v lassen sich aber auf die Doppelsterne nicht anwenden: denn die grösseren Sterne sind manchmal roth, blau auch weis, wobei diese Theorie der Komplementarfarben nicht past. Die Farben der Doppelsterne zeigen sich ganz gleichmässig bei allen Beobachtern und in den ver - schiedenstenFTeleskopen, wodurch wir natürlich zu einer grossen Sicherheit in den Bestimmungen gelangen. Sehr merkwürdig ist es, dass auch unauflösliche Nebel farbig sind: der in der Andro - meda ist unzweideutig von röthlicher Farbe: vielleicht wird der Verdichtungsprozes durch dieses Farbenspiel angedeutet. Am selten - sten scheint die blaue und grüne Farbe zu sein: denn man hat sie nie bei isolirten Sternen gefunden, nach den Untersuchungen des jüngern Herschel.

Ihre Bewegung geht oft um einen gemeinschaftlichen Schwerpunkt, im Gegensaze zu unserm Planetensystem, wo der Schwerpunkt aller Planeten in der Sonneliegtals dem leuchtenden Körper liegt. Bei manchenDoppelsternen ist der Unterschied beträchtlich, obgleich sie gewis beide leuchtend sind: bei 2 oder 3 liegt er ausserhalb der Sterne selbst. Es geht also eine Veränderung der Distanz und des Positionswinkels vor, und daher komt die wunderbare Er - scheinung, dass es auch Okkultazionen 2er Fixsterne giebt:80r welches bei ζ[?] Herculis vorkömt: dies war früher einDoppelstern, seit 1795 aber ist der kleinere hinter den grösseren getreten, und man sieht nur nocheEinen: nach 12 Jahren ungefähr müste er auf der an - dern Seite wieder hervortreten.

Ihre Schnelligkeit ist ausserordentlich gros, und kann bis auf 10 12° in einem Jahre gehn: bei Kastor beträgt sie alle Jahre : oft ist sie auch abwechselnd z. B. bei Ψ im grossen Bären, wo sie sich von 6 12° in einem Jahre verändert, je nachdem einer der grossen Sterneunsnäher oder entfernter steht: in der Nähe des Zentralkörpers geht alle Bewegung schneller, wie wir an den Kometen sehn; Ψ im grossen Bären wird in 58 Jahren seinen Kreislauf vollendet haben. In unserm Planetensystem ist alle Bewegung von Westen nach Osten, doch finden sich manche Kometen, welche eine Ausnahme machen: auch dieDoppelsterne gehn nach allen Richtungen und oft von Osten gegen Westen.

Von der Entstehung neuer Sterne.

Es ist auffallend, dass gewisse Gegenden des Himmels gleichsam ein vulkanisirender Weltraum genant werden können, weil in ihnen noch jezt bedeutende Veränderungen vorfallen: fast alle neuenSterne80vSterne zeigen sich in der Gegend zwischen der Kassiopeia, dem Schwan, Adler, Ophiuchus und Skorpion. Die meisten neuen Sterne sind nur von kurzer Dauer, sie leuchten heller als Sterne 1terGrösse, verschwinden aber nach wenigen Monaten oder höchstens einem Jahre. Ihr Farbenwechsel ist sehr merkwürdig. Zuerst sind sie weis, und gehn dann durch mehrere Farben, bis sie verschwinden, als ob hier das verlöschende Licht durch Farbenwechsel angedeutet würde. So viel wir nachweisen können, haben sie nie Ortsveränderungen erlitten. Bei allen, welche von Tycho de Brahe, Kepler, Kassinipp. beobachtet sind, hat man durchaus keine Parallaxe gefunden. Das älteste Beispiel davon ist im Adler: hier loderte ein Stern auf 389 nach Chr. so stark als Venus, aber nur 3 Monat sicht - bar; ein andrer im Skorpion wurde von den Arabern beobachtet: er war ¼ so gros als der Mond, und leuchtete 4 Monate. ein andrer in der Kassiopeia, 1572 entdekt: er war so stark als Venus; erst weis dann gelb, roth, zulezt bleifarbig; er war auch bei Tage sichtbar, und leuchtete 16 Monate; er war an demselben Orte schon 2 mal vorher beobachtet worden, nämlich 945 und 1264: dann 1572. seine Periode liegt also zwischen 319[]81r und 308 Jahren, und er〈…〉〈…〉müste um 1880 wiederkommen; der grosse Cassinifand 1670 in der Kassiopeia 5 neue Sterne, von denen 2 ver - schwanden, 3 aber blieben und noch zu sehn sind; 1604 beobach - tete Keplereinen andern im Ophiuchus, und bemerkte dabei, dass alle solche Sterne mit dem stärksten Lichte anfangen: dann werden sie gelb, safran, purpur, und blasroth: grade im Jahre 1604 waren Mars, Jupiter und Saturn in Konjunkzion, dies führte Keplerauf manche mystische Ideen, und er hielt diesen neuen für den Stern der Weisen. Münterhat neuerlichst die Aufmerksamkeit der Astro - nomen auf diesen Gegenstand gelenkt. Idelerhat bewiesen, dass 747 nach Rom eine Konjunkzion vonJupiterund Saturn in den Fischen Statt fand: Dionysiussezt den Anfang unserer Zeitrechnung indasJahr 754. daher zälen wir immer 6 Jahr zu wenig; 1670 er - schien ein neuer Stern im Fuchse, der vom Pater Antelmzuerst gesehn wurde, er war 3terGrösseund leuchtete 3 Monate; 1671 loderte er wieder auf, und verschwand auf immer. Um kleines mit grossem zu vergleichen, so ist es hier, als ob der Meeresboden sich periodisch erhöbe. In den Plejaden hielt man lange einen Stern für verloren, weil man mit blossen Augen nur 6 von gleicher Grösse,81v oder aber 8 und 9 sieht: davon ist Alcyone 3terGrösse. Ovidin den Fasten meint, dass der eine davon komme und gehe. Die Griechen hatten hierüber den Mythus, dass dereine7teStern, Elektra, die Tochter des Atlas, bei der Zerstörung von Troja sich vom Himmel weggeschli -heist bei d. Griechen Alopex. chen habe, und nachher alsReuterlein im grossen Bären wieder zum Vorschein gekommen sei.

Es giebt auch Sterne, welche zwar nicht verschwinden, aber doch ihre Lichtstärke verändern. Algot in der Medusa geht in 3 Stunden von der 1ten 4tenGrösse über,ihredie ganze Periode ist von 2 Tagen 20 Stunden, 40 Sekunden; 1783 fand Goudrydass η im Antinouseine Sternin 7[Tagen] von der 3tenzur 4tenGrösse übergehe;[?].Andre Bewegungen sind unregelmässiger also auch gewaltsamer. Fabriziusentdeckte 1596 Misa im Wallfisch als einen veränderlichen Stern, dessen Periode Cassiniauf fast 1 Jahr (334 Tage) be - stimte, während welcher er von der 2tenzur 3tenGrösse übergeht, und dann ganz verschwindet[;] der im Schwan 1600 von P. Antelmund Keplerbeobachtete hat 19 Jahr geschienen, dann kam er 1655 wieder als ein Stern 3terGrösse, und blieb dann unverän - dert als ein Stern 6terGrösseam Himmel; 1686 entdekte82r21. Kircheinen veränderlichen Stern, welcher seitdem auch geblieben ist. Kastor war sonst heller als Pollux, jezt ist es umgekehrt, eben so mit einem Sterne im Adler; im Viereck des grossen Bären ist δ jezt der schwächste Stern, zu Tycho's Zeiten war er 2terGrösse: ja man kann annehmen, dass alle 7 Sterne ihr Licht verändert haben. Méranerklärte diese Erscheinung durch die Linsengestalt der Sterne, welche im Rotiren grösser und kleiner erscheinen: andre wollen, dass es auch dunkle Sterne gebe, in denen ein sehr schwacher oder gar kein Lichtprozes vorgehe; dies führt uns auf die alte Idee der Gegenerde, aus dem Philolaos.

16. Vorlesung, 29.12.1827

Bei den algemeinen Betrachmerkungen über unsre Sternenlinse müssen wir 1, die Entfernung der Fixsterne von der Erde selbst betrachten 2, die Gruppirung der Gestirne unter einander, ferner die Frage zu erörtern suchen, ob die Milchstrasse durch Projek - zion oder wirklich durch Zusammenstellung von Sternen ent - standen ist. Wir kommen dabei auf ganz einfache Schlüsse: so ist es klar, dass wenn alle Sterne uns gleich nahe wäre, so müsten sie auch unter sich von ungleicher Grösse sein: wahrscheinlicher82v ist es, dass sie uns nicht gleich nahe, aber auch nicht alle gleich gros sind. Sterne 1terGrössekönnen einen ungeheuren Durchmes - ser haben, aber es wird auch kleinere geben: nach der Wahr - scheinlichkeitsrechnung mus man eine mittlere Grösse der Sterne annehmen, und dann werden die entfernteren die klei - neren sein: wenn 17 Sterne zusammen stehn, so ist die Wahr - scheinlichkeit 50,000: 1, dass sie einander wirklich näher sind, und sich nicht blos auf diese Weise projiziren.

Herschelmachte die erste Stern-aichung, indem er mit seinem grossen Teleskope den Himmel fegte, und in einem kleinen Viereck, welches durch Diaphragmen gebildet wurde, die Sterne zälte: er wählte zu dieser Operazion die längeren und kürzeren Visionsradien unserer Sterneninsel, und fand, dass die Sternen - menge, welche an der Milchstrasse am dichtesten ist, immer mehr abnimt, je weiter man sich von derselben entfernt, und an den Polen derselben am dünstenisterscheint: er fand in einem Quadrat von 4 Min. Durchmesser nah<e>an der Milchstrasse 550 600 Sterne, entfernt davon kaum 5 6. 83rSie ist daher höchstwahrscheinlich Folge der Projektion: überdies wäre es einhöchstsehrwunderbarer Zufall,dasswennunsre kleine Erde, und unser ganzes unbedeutendes Planetensystem grade so in die Mitte des All gestelt wären, dass jene Massen von zusam - mengerükten Sternen einen grösten Kreis um uns beschreiben solten. Die Pole der Milchstrasse fallen in die an sich armen Sternbilder der Wage und des Wassermannes, oder genauer in das Haupthaar der Berenike beim Arktur, und in die Bildhauerwerkstatt beim[Fomalhaut]; ferner sieht man bei jedem wirklichen Sternhaufen, so zu sagen einen innern Grund der sternanhäufenden Kraft; jeder derselben ist nach innen zu dichter als nach aussen, und man hat kein Bei - spiel, dass er am Rande dichter wäre, als in der Mitte: bei der Milchstrasse aber sind grosse und kleine Sterne miteinander verbunden. Die grosse Axe unserer Sternlinse beträgt 800 Siriusweiten, die kleine nur 140 150. Herschelglaubte anfangs dass unsre Sternschicht von sternleeren Räumen umgeben sei, indem er den reinen Himmel dahinter zu sehn meinte:83v später fand er aber Nebelflekke, welche nicht blos unserer Sterneninsel nahe zu stehn scheinen, sondern vielleicht so - gar mit ihr in Berührung stehn: hierüber aber läst sich schwerlich Gewissheit erlangen, alles bleibt Wahrscheinlichkeit. Unser Planetensystem liegt zwischen dem Adler und Sirius,aber〈…〉〈…〉nicht in d. Mitte: sondern in einer Entfernung wie 5: 3; wenn unsre Linse 800 Siriusweiten im Durchmesser hat: so haben wir von uns in der Richtung nach dem Adler 500; nach dem Sirius nur 300. Herschelbeobachtete die Bifurkazion und mehrere auslaufende Trümmer der Milchstrasse, und schlos daraus, dass die Linse sich in einem Zustande der Verwüstung befinden müsse.

Lange ehe Herschelso glüklich war, die Milchstrasse in einzelne Sterne aufzulösen, wurde diese Idee von mehreren ausgesprochen. Maniliusim Astronomicon hat eine Stelle darüber; auf dem spekulativen Wege kam Kantdarauf, in seiner allgemeinen Naturgeschichte 1755, in Lambert's kosmologischen Briefen ist sie 1766 ausgesprochen,84r Herschelbestätigte sie durch seine Entdekkungen 1790.

Die Milchstrasse, Galaxias, Via lactea, bei den Arabern der Flus, von den Mönchen die Jakobstrasse genant, theilt sich bei β vom Schwan in 2 Arme, eben in jener Gegend, wo wir oben die grossen Revoluzionen am Himmel bemerkt haben; ein auslaufender Zipfel findet sich bei den Füssen der Zen - tauren; sie hat eine Breite von 2 17°, und erscheint am schönsten zwischen Orion und dem südlichen Schiffe, am schwächsten beim südlichen Kreuz in der Nähe der beiden grossen schwarzen Flekke. Eine grosse Zone von Nebel - flekken geht durch die Jungfrau, das Haupthaar der Bere - nike, durchschneidet die Milchstrasse nicht weit von der Kassiopeia, und geht herunter bis nach der Bildhauerwerk - statt. Diese Zone hat uns vielleicht manche Sterne ent - zogen, welche früher zur Milchstrasse gehörten.

Bewegung der Sterne.

Wir bemerken bei allen Fixsternen eine eigne Bewegung, welche84v unabhängig ist von der Projekzion und von der Aberrazion des Lich - tes: unabhängig von der Nutazion der Erdaxe, und von der Prae - zession der Aequinokzien: ausserdem verändern die Sterne ihre Stelle untereinander, indem unser ganzes Sonnensystem sich gegen ω Herculis fortbewegt: dies wäre also Folge der Translazion: allein andere Bewegungen gehören den Fixsternen selbst zu, wie sich aus den Ortsbestimmungen der Sterne untereinander ergiebt. Ich untersuchte bei meinem Aufenthalte auf der südlichen Halb - kugel die seit Lacaillenicht beobachteten Sterne, und bestimte ihre Veränderungen; Fallow, der seit einiger Zeit auf Kosten der englischen Regierung am Kap der guten Hofnung beobachtet, bestätigte meine Resultate volkommen. Aus denselben ergiebt sich, dass die Sterne erster Grösse auf der südlichen Halbkugel nur eine sehr kleine eigne Bewegung haben, welche kleiner als die des Arktur und Sirius ist: so ist auch Aldebaran auf unsrer Hemisphäre sehr schwach an Bewegung; und es scheint dies von den Massenverhältnissen der Sterne untereinander abzuhängen.

85r

Die absolute Entfernung der Fixsterne von uns und untereinander ist uns nicht bekant: allein wir kennen die unteren Gränzen der Entfernung, und können damit uns begnügen: da es hier, wie in der Statistik keine absolut-richtigen Zahlen giebt, aber dennoch die Berechnungenwrichtig sind, insofern sie annähernd den wahren Werth angeben. Wir müssen hier kurz der Parallaxe der Sterne gedenken. Wenn wir nämlich nach jedem beliebigen Fixsterne aus den entgegengesezten Punkten der Erdbahn Gesichtlinien ziehn, so geben diese nicht die mindeste Konvergenz. Hieraus läst sich berechnen, dass die nächsten Fixsterne wenigstens 4 Billionen Meilen entfernt sein müssen. Um dies näher zu be - leuchten, mag folgende Dedukzion dienen: der optische Ort eines Gegenstandes C ist der Punkt einer hinter C liegende Fläche, der uns durch C verdekt wird; verändert nun das Auge seinen Stand - punkt, so ist es klar, dass auch C auf einen andern Punkt der hinter ihm liegenden Fläche fallen wird, und die Quantität, warum sich der optische Ort von C verändert, wird uns das Maas seines Ab - standes vom Auge geben: da nun bei den Fixsternen der opti - sche Ort sich durchaus nicht verändert, wir mögen sie nun von85v[figure] dem einen oder dem andern Endpunkte der Erdbahnaus betrachten, (also von den beiden Enden einer Basis von 40[] Millionen Meilen) so kann man mit Gewisheit berechnen, dass sie uns nicht näher stehn können als 4 Billionen Meilen: daher ist Parallaxis (von παραλλάδδω, alternare, abwechseln) der Abstand 2er optischen Orte, und daher sagt man: die Parallaxe der Fixsterne ist Null, weil ihr optischer Ort sich nie verändert, wir mögen uns auf der Erdbahn befinden, wo wir wollen; Ausser dieser Parallaxe der Erdbahn giebt es eine Horizontal-parallaxe, welche sich auf Sonne, Mond und die Planeten bezieht, und welche gleich ist: dem Winkel, unter welchem z. B. vom Monde aus der Durchmesser derErdbalErdkugel gesehn wird: da dieser sich recht gut messen läst, so ist bei Beobachtung von Monddistanzen zur Bestimmung der Länge nöthig, dieselben geozentrisch zu machen,dass sdas heist, sie auf den Mittelpunkt der Erde zu reduziren.

An unsern grossen Repetizionskreisen können wir weniger als 1 Sekunde in Bogen unterscheiden, und doch beträgt die Parallaxe der Erdbahn, oder die Konvergenz 2er Linien, welche aus entgegen gesezten Punkten der Erdbahn nach einem Fixsterne86r22.gezogen werden, noch nicht 1 Sek. daher kann man die untere Gränze der Fixsterne auf 200,000 Erdweiten bestimmen. Diese Unbe - weglichkeit der Fixsterne diente im Anfange als ein mächti - ger Grund gegen das Kopernikanische System, indem man von der ungeheuren Entfernung der Fixsterne keinen Begrif hatte: später entdekte man die Aberrazion des Lichtes, und hielt diese für die Parallaxe: Corbeauschrieb sogar über diesen Gegenstand ein kleines Werk: Copernicus triumphans. Später veranlaste die Parallaxe einen langen Streit zwischen 2 englischen Astronomen: Brinkeleyin Dublin beobachtete mit einem sehr guten Instrumentel[?]Lyrae und Deneb im Schwan: er wolte eine Parallaxe von Sek. gefunden haben: allein seine Arbeit wurde völlig vernichtet durch die Bemühungen von Pondin Greenwich, wo ich mich einiger Pendelbeobachtungen wegen grade befand, als er seine Arbeit anfing. Er hatte ein sehr gutes Fernrohr von 12Fus Brennweite, an einem von den übrigen Gebäuden abgesonderten Orte aufgerichtet, damit es so wenig Störungen als möglich erleiden mögte: dies war genau gegen den Zenith gestelt, und er beobachtete Sterne von der verschieden -ster86vsten Lichtstärke: sein Resultat war: dass die Parallaxe noch nicht 0,2 Sek. beträgt.

Auch der Durchmesser der Fixsterne ist uns nur der unteren Gränze nach bekant: das beste Mittel dazu bieten uns die Okkultazionen von Sternen durch den Mond: es entspricht nämlichk[?]einer Sekunde im Bogen eine halbe Zeitsekunde: hätte also der Stern mehr als eine Bogensekunde im Durchmesser, so würde die Okkultazion auch beinahe eine Zeitsekunde einnehmen: nach allen Beobachtungen aber verschwindet der Stern augen - bliklich: also kann er nicht eine Sekunde im Durchmesser haben. ([Das] Kleben des Sternes an der Mondfläche hängt hie - mit nicht zusammen: es beruht auf der Deviazion der Lichtstralen.) Zwar hat Herscheldie Veja als eine kleine Scheibe von Sek. Durchmesser gesehn, und hienach wäre ihr wahrerDurchmesser34 mal grösser als der der Sonne.

Zu den ersten, welche diese Untersuchungen eröfneten, gehören Huygensund Halley, seitdem sind die Beobachtun - gen der Fixsterne ein Gegenstand der winkelmessenden Astronomie geworden: die photometrischen Messungen haben87r nur wenig dazu beitragen können, und sind erst später ausgebildet.

Schon Aristarch von Samoswuste, dass die Erde um die Sonne geht, und dass die Fixsterne feststehn, wie die Sonne. Sieheden Arenarius des Archimedes, der keine blosse Spielerei ist sondern ein Versuch, wie man grosse Zalen anschaulich ausdrükken kön - ne: Thalessprach die Meinung aus, dass die Fixsterne Sonnen wären. Heraclides Ponticushatte die richtige Meinung, dass die Fixsterne Welten wären, wie die unsrige, und aus Luft, Erde und Wasser bestehn, welches um so merk - würdiger ist, da man im Alterthume jenen[himlischen] Kör - pern gewöhnlich nur die leichteste, die Feuersubstanz zuschrieb. Bei den Pythagoräern finden wir sogar eine Stelle über das Rotiren der Sterne.

Wir kennen also, (um alles zusammenzufassen, was wir über[unsre] Sterneninsel wissen,) die Existenz der Sterne und Nebelflekke: Herschelhat hier entschiedenes Verdienst: sein40-füssiges Fernrohr ist wegen der ungeheuren Lichtstärke von dem grösten Nuzen gewesen, allein es giebt die Umrisse nicht genau genug an: daher konte er auch die Trabanten87v des Uranus durch dasselbe nicht finden. Wir kennen ferner die untere Gränze der Sternenzahl: von 1 7terGrössegiebt es an 120,000. auch von der Farbe derselben sind wir unterrichtet: die Gestalt der Sterne ist uns völlig unbekant, dagegen kennen wir die Gruppirung derselben, und die Bewegung dieser Stern - gruppen: wir kennen ferner das minimum ihrer Entfernung und ihrer Durchmesser: wir unterscheiden planetarische und kometenartige Weltkörper: ungewis ist die Projekzion und die Gränze unserer Linse; ungewis: ob alle Nebelflekke ent - fernter sind, als Sterne der 6 7tenGrösse: ungewis: die Dimension unserer Sternschicht selbst.

17. Vorlesung, 02.01.1828

Von unserm Sonnensystem in's besondere.

So genau als dieses, kennen wir durch wirkliche Beobachtungen nichts ähnliches im übrigen Himmelsraume. Unsre Sonne ist wahrscheinlich den Fixsternen sehr ähnlich: allein Planeten sehn wir bei andern Fixsternen nicht, sondern die sie etwa umge - benden Sterne sind selbstleuchtend. Wir sehn bei den Planeten eine doppelte Erleuchtung, nämlich bei den Hauptplaneten den Reflex der Sonne, und bei den Nebenplaneten den Reflex des Lichtes von den88r Hauptplaneten. Es giebt bei den Nebenplaneten noch ein drittes Licht, welches sich z. B. am Monde zeigt, wenn er bei einer totalen Mond - finsternis doch nicht ganz verschwindet.

Unser Sonnensystem besteht aus einer weit grösseren Zahl von Weltkörpern, als man bisher geglaubt, nämlich aus 1 Zentralkör - per, 11 Hauptplaneten, 18 Nebenplaneten, 2 Kometen, die in der Bahn der Kometen eingeschlossen bleiben, einer unzähligen Menge Kometen, die weiter hinaus schweifen, aus einer grossen Zahl von Aërolithen, und endlich aus dem Zodiakallicht selbst. DieHauptpla - neten haben noch den Namen Irrsterne behalten als Gegensazgezu den Fixsternen. Die Idee, dass die Sonne in der Mitte stehe, ist schon in den ältesten Zeiten ausgesprochen worden. Es sind also 6 Hauptkörperarten, aus denen unser System besteht, indessen sind die Kometen von diesen allen die wichtigsten geworden, weil wir durch sie die Entfernung messen ge - lernt haben.

Die Planeten werden nicht blos durch das Sonnenlicht er - leuchtet, sondern sie haben auch ein eignes phosphorisirendes Licht, so dass man, wie oben bemerkt wurde, die dunkle Scheibe der Venus gesehn hat. Ausserdem findet sich diese Erscheinung88v wahrscheinlich auch am Uranus, weil er, bei seiner grossen Ent - fernung und bei seinem kleinen Durchmesser dennoch von uns gesehn wird; Mars hat ein trübes röthliches Licht, da die andern Planeten doch alle weis erscheinen. Saturn ist graulich weis, Merkur und Venus am weissesten. An den Jupiterstrabanten hat man die blaue und orange Farbe wahr - genommen. In der Stellung des Planetensystem's ist man verschiedenen Ordnungen gefolgt. Die kleine Periode der Woche ist dadurch entstanden, dass die Planeten nicht sowohl den Tagen, als vielmehr den Stunden vorstehn. Unerachtet die Alten nur 5 Planeten kanten, so ahnten doch schon viele, dass es mehrere gebe: so Artemidorund Simplicius, welcher leztere meint; es gäbe viel häufiger Mondfinsternisse als wir sie erklären könten, und diese entständen dadurch, dass dunkle, unsichtbare Planeten zwischen ihn und die Sonne träten.

Reihenfolge der vorzüglichsten neuen Entdekkungen:

Von den Entfernungen der Planeten.

Wir werden hier wiederum durch Nebeneinanderstellung der hauptsächlichsten numerischen Verhältnisse am deut - lichsten werden.

Die Erde ist von der Sonne 108 Sonnendurchmesser entfernt,89v also 20½ Millionen Meilen. Der Jupiter ist 1030 Sonnendurch - messer entfernt: Uranus fast um das doppelte, nämlich 19 Erdweiten, also 2000 Sonnendurchmesser, oder 400 Millionen Meilen. Der Komet von 1811 ging 22 mal weiter von der Sonne weg als Uranus. Dennoch ist der Abstand des Ura - nus noch nicht 1 / 1000 von der Siriusweite.

Die Grösse der Planeten steht in keinem Zusammenhan - ge mit ihren Abständen: 3 mal werden sie grösser und, 2 mal kleiner, wenn wir vom Uranus zu zählen anfangen. Der kleinste aller Monde ist der innerste des Saturn, der gröste der dritte des Jupiter. Wenn wir die Abstände der nächsten und entferntesten Trabanten vergleichen: so erhalten wir folgendes Resultat:

Saturn hat die am wenigsten entfernten Monde, Halb - messer. Jupiter's Monde sind 13, Uranus '19 Durch - messer ihres Hauptplaneten entfernt. In absoluter Entfernung steht der 7teSaturntrabant am weitesten von seinem Planeten ab. Dagegen sind in unserm Systeme die90r23.beiden nächsten Weltkörper: Saturn und sein erster Trabant. In der pythagoräischen Schule meinte man, die Abstände der Planeten wären den Harmonien analog, die sich in einercegcegc1234567 musikalischen Skala angeben lassen. Keplerhat zuerst diese Abstände in eine Reihe gebracht, und behauptet: zwischen Mars und Jupiter müsse ein neuer Planet entdekt werden, welches durch die Auffindung der Asteroiden ge - rechtfertigt wurde.

Bewegung der Planeten.

Alle bewegen sich um die Sonne von Westen nach Osten, dagegen die Kometen nach allen Richtungen. Gegen den Sonnenäquator sind am meisten geneigt: Pallas um 17°8′ Juno 11°. Alle Bahnen der Uranustrabanten stehn selnk - recht auf dem Uranusäquator. Je grösser bei einem Planeten und seinen Monden die Neigung ist, um desto seltener sind die Verfinsterungen. Bei allen Monden ist die Umlaufzeit um den Planeten gleich der Rotazion um ihre Axe: d. h. sie bewegen sich im derselben Zeit um sich selbst, in der sie um90v den Planeten gehn. Die stärkste Exzentrizität der Bahn hat Juno: dann Mars, Jupiter, Venus. Eine grosse Exzentri - zität verbunden mit starker Neigung der Bahn sind Ei - genthümlichkeiten der Vesta und Venus.

18. Vorlesung, 05.01.1828

[Noch nicht seit 50 Jahren hat man 15 neue Weltkörper in unserm Systeme entdekt: nämlich 5 Planeten, 8 Satelliten & 2 Kometen]

Dichtigkeit der Planeten.

Genau kennen wir sie nur von 7 Planeten, und hiebei hat man das Gesez wahrgenommen, dass sie mit den Abständen von der Sonne abnimt: Uranus ist etwas dichter als Saturn. Keplermeinte, dass die Sonne als ein Zentralkörper auch die gröste Dichtigkeit haben müssen: dies ist aber nicht der Fall: sie hat nur dieDichtigkeitder Salpetersäure = 1,2, [wenn wir für alle diese Betrachtungen die Dichtigkeit des Wassers = 1,00 sezen] beim Merkur ist sie nicht genau bekant, doch können wir wenigstens die untere Gränze angeben, welche = 17, oder den Platinakörnern, nach andern 20 bis 21. Venus = 5,2. Erde 4,8 oder 5,4 [die lezte Zahl ist wahrscheinlicher] Mars 3,3 dann folgen die Asteroïden: dann Jupiter = 1,08, ungefähr wie Wasser,91r Saturn = 0,47, wie Tannenholz; Uranus 0,9 wieder wie Wasser[,] doch herscht bei diesem entfernten Weltkörper Ungewisheit. Troz dieser Dünnigkeit würde es fehlgeschlossen sein, wenn man sich diese Weltkörper wirklich flüssig da¨chte, sie[können] alle sehr fest sein, wenn siez. B. aus Sodium, einem leichten Metalle bestehn: so istBimsstein ein sehr harter, fester Körper, und wiegt nur 0,7. Bei Obsidian undflüssigenglasigenLaven haben wir eine noch auffallendere Erscheinung; dem Feuer ausgesezt, werden sie zellig, wie ein Wes - pennest, und schwimmen auf dem Wasser. Auch vom Mandelstein giebt es in Mexiko eine so spongöse Art, dass er auf dem Wasser schwimt. [[Daher] konte Cortezleicht die Häuser von den Pferden zer - treten lassen, da ein grosser Theil des alten Mexiko von dieser leich - ten Masse gebaut war.]

Masse ist die Zahl der wägbaren Theile. Dichtigkeit ist die Masse, dividirt durch das Volumen. Die Planeten ziehn also nach der Quantität ihrer materiellen Theile an. Die Masse hat man nur durch Erfahrung und Beobachtung der Perturbazionen bestimmen können: die Dichtigkeit wird danachndurch die Grösse bestimt. Um aber die Grösse zu haben, muste man vor allen den Durchmesser kennen,91v das[ Rochonsche] Mikrometer ist hiebei von grossen Nuzen gewesen: sehr genau kann man ihn auch messen, durch Anwendung eines Bergkristalls, der in das Fernrohr eingesezt wird, und dessen doppelte Bildereine gedie Grösse bestimmen. In der neuern Zeit hat mein Freund, der grosse französische Astronom, Arago, sich um diese Messun - gen das entschiedenste Verdienst erworben. Laplacenahm dieselben in sein grosses Werk auf. Gaushat neuerlich durch analytische Rechnungen die Jupitersmasse sehr verbessert, vorzüglich geleitet durch die Störungen der Pallas.

Sehr schwer ist die Dichtigkeit bei den Kometen zu bestimmen, da sie nur gasförmige Körper zu sein scheinen: nur von einem kann man angeben, dass er 1 / 5000 von derDichtigkeitder Erde zu haben scheine.

Einen grossen Unterschied in allen Stükken finden wir zwischen den äussern und innern Planeten: die innern haben eine 5 mal grös - sereDichtigkeitals die äusseren. Keplermeinte, dass dieselbe wie die Quadrate der Abstände abnehme: dies ist aber zuviel gesagt.

Die Sonne ist 825 mal grösser als alle übrigen Planeten zu - sammen, und hat 560 mal mehr Masse: dagegen gehörten¾ der ganzen Planetenmasse dem Jupiter zu: die Masse des Jupiters und Saturn zusammengenommen verhält sich zu der der92r übrigen Planeten zusammen, wie 20: 1. Auf der Erde sind wir, vermöge unserer Stellung zwischen Venus und Mars weniger dem Perturbazionen des Jupiter und Saturn ausgesezt, welche sonst sehr bedeutend sein würden. Die Satelliten sind nicht immer dünner als die Planeten: die Erde zum Monde = 1: 0,47. von den Saturn - monden sind 3 dichter als Saturn, und einer der Jupitermonde ist 1,7[?][also beinahe zwei] mal dichter als Jupiter.

Die innern Planeten sind von geringerer Grösse, auch nicht so sehr von einander verschieden, als die äusseren: sezen wir die Dichtigkeit der Erde = 1: so ist die von

    • Merkur
    • Venus
    • Erde
    • Mars
    = 0,5.

die äusserste Gränze schwankt daher zwischen 1 und0,050,1, dieser Unterschied könte sehr gros scheinen, allein wir sehn, dass er bei den äusseren Planeten noch viel bedeutender ist: diese sind sehr ungleich untereinander, und daher ist ihre mittlere Grösse zu der der Erde wie 780: 1, und die äussersten Gränzen schwanken zwi - schen 1333 und 77 oder 1 und 0,05.

Die innern Planeten schwanken in ihrer Dichtigkeit zwischen Platin und Magneteisenstein: die äussern sind ungefähr wie Wasser.

92v

Mars, der dünste der innern Planeten ist noch 3 mal dichter als Jupiter, der dichteste der äussern. Die innern Planeten haben fast alle eine Rotazion von 1 Tage, Mars von 24½ Stunden, ob - gleich Herschelbei ihm eine Abplattung von 1 / 15 annimt.

Die äussernPlanetenhaben 17 Satelliten und 1 Ring, der eigentlich nichts ist, als zusammengebakne Satelliten: die innern haben nur einen (unsern) Mond. [Der bei der Venus vermuthete ist nicht vorhanden.]

Alle äussernPlanetenhaben Zonen oder Streifen: man hie[?]ält diese Banden für Verdikkungen der Athmosphären.

  • Die Schiefe der Ekkliptik ist bei der Venus = 72°
  • bei Merkur, Mars und Erde zwischen 20 28°
  • Uranus steht mit der Axe senkrecht auf seiner Bahn,
  • Jupiter dagegen in einem Winkel von , wir hätten also hier 2 Planeten, welche fast entgegengesezt gestelt sind.

Die Rotazion der Planeten hat man erst sehr spät gefunden: die von Jupiter, Venus und Mars im 17Jahrhundertdurch den grossen Dom. Cassinizw. 1665 71. Saturn's durch Herschel1789. Merkur's durch Schröter1800. Die Abplattung des Mars wurde durch Herschelauf 1 / 15 bestimt; obgleich der langsame Umlauf dagegen zu sprechen scheint: sie hängt am meisten von der innern Dichtigkeit ab.

93r

Bei der Erde ist die Abplattung genau 1 / 290.

Jupiter 1 / 14, beim Saturn 1 / 11, beim Uranus unbestimt, viel - leicht sehr beträchtlich.

Klimatische Veränderungen auf der Erde.

Man hat besonders astronomische Ursachen für das Phänomen gesucht, dass man unter allen Breiten in der Erde Palmenforma - zionen findet: man glaubte1, anfangs, die Ursach läge in den Sonnenfakkeln, welche immer den Sonnenflekken vorauszugehn pfle - gen: allein die veränderliche Lichtstärke der Sonne scheint nicht hinreichend zu diesen Veränderungen: es ist sicher, dass die nordi - schen Gegenden früher wärmer waren.

Die 2teUrsach könte in der veränderten Schiefe der Ekkliptik gelegen haben: wir haben von den Chinesen über diesen Punkt Beobachtungen von 2600 Jahren, welche durch den Jesuiten Bobizu uns gekommen sind: nach diesen ist die Schiefe der Ekkliptik beständig im Abnehmen gewesen, und man könte schliessen, dass sie vielleicht einmal = Null werden könne, wodurch ein ewiger Frühling auf der Erde entstehn würde. [Man hat sogar eine Stelle des Herodothieher gezogen, wo er sagt, dass die Aegyptischen Priester ihm erzählt, die Sonne sei 2 mal da aufgegangen, wo sie93v gewöhnlich untergehe: allein Idelerhat die Stelle aufgeklärt, und gezeigt, dass hier von der Hundsternperiode die Rede ist von 1461 Jahren: die Stelle mus also so gefast werden: dass die Sommer - und Winterwende 4 mal in die entgegengesezten Zeiten gefallen seien, welches, wegen des Nichtinterkalirens bei den Aegyptern eine Periode von 11340 Jahren giebt, und diese durch 8 dividirt giebt ungefähr 1460, als die obenangeführte Hundsternperiode, mit einigen Jahr - hunderten Unterschied, die man als Rechenfehler bei den vielen ange - führten Priestergenerazionen ansehn kann.]

Allein Laplacefand, und zeigte es durch siegende Gründe, dass die Schiefe der Ekkliptik nicht ununterbrochen abnehmen wird, sondern dass sie periodisch ist: die Periode selbst ist zwar ungewis, weil sie ungeheuer gros ist: aber das Maximum der Veränderung kann nur 1½° sein, welches auf das Klima gar keinen Einflus haben kann: [Cadix würde an die Stelle von Toledo kommenpp.]

Eine andre Erklärung war die [als man sah, dass die Periode der Ekkliptik auf 25000 Jahr bestimt sei] dass eine grosse Zertrüm - merung durch einen Kometen, die Veränderung der Erdaxe her - beigeführt: denn obgleich die Kometen sehr dünn sind: so kömt doch viel auf die Richtung des Stosses an: Diese Erklärung ist daher möglich richtig: allein wir müssen untersuchen, ob die94r24.Klimaten dadurch so sehr verändert werden können, dass die Tropenpro - dukte unter die Pole versezt werden.

Durch die Lage der Ekkliptik wird die Sonnenstärke an einem be - stimten Punkte zu einer bestimten Zeit auf der Erde bestimt: wenn die Jahreszeiten gleich werden, so wird auch Tag und Nacht gleich. Die Umlaufzeit um die Sonne bestimt die Länge der Jahreszeiten. Die sind die Elemente der astronomischen Klimatologie, welche aber durchaus nicht mit den physischen Erfahrungen übereinstimen: denn bei 45° Sonnenhöhe ist keinesweges die Wärme gleich dem Mittel zwischen der Wärme bei 70° und 20°, weil bei 20° viele Licht - stralen zurükgeworfen, nicht aber absorbirt werden: ein merkwürdiges Gesez ist dieses, dass die Erwärmung dieselbe ist bei 70° und 90° Son - nenhöhe: dagegen von 20° bis 40[?]° nimt die Erwärmung beträchtlich zu. Als Extreme der Neigung des Aequators gegen die Bahn haben wir Jupiter mit Schiefe der Ekkliptik. Venus 72° Uranus 90°: je grösser die Schiefe ist, desto grösser ist der Unterschied der Jahres - zeiten, oder der grösten und kleinsten Meridianhöhe der Sonne über irgend einem Punkt.

19. Vorlesung, 09.01.1828

Nachträglich: beim Plutarchsagt Anaxagoras von Klazomenae, er glaube, dass die Erdaxe früher senkrecht auf der Erdbahn gestan - den habe. In unserm jezigen Erdzustande fliehen uns die Tropen. 94v Beide Erklärungen, dass die Erde früher mit ihrer Axe senkrecht[figure] auf der Erdbahn gestanden, oder dass die Neigung 90° betragen habe, sind gleich unstatthaft, um daraus das Vorkommen der Tropenpro - dukte in allen Breiten zu erklären. Im ersten Falle (I) würde für jeden gegebenen Punkt der Erdoberfläche die Sonne um Mittag immer denselben Stand haben, unter 70° Breite (also sehr nahe am Pole) würde sie noch 20° hoch stehn, unter 50° noch 40°pp. welches man sehr uneigentlich mit dem Namen eines ewigen Frühlings be - zeichnet hat: hiebei läst sich aber nachweisen, dass dennoch das Palmenklima nicht höher als das südliche Frankreich hinauf - reichen würde. Im 2tenFalle (II) würde es noch weit schlimmer um die Palmen stehn: denn an jedem Orte würde die Sonne einmal im Zenith, und einmal im Nadir stehn, man würde überall einen sehr langen Tag, und eine eben so lange Nacht haben: daher würde die Zeit in welcher Palmen wachsen könten, nur sehr kurz sein, man würde Palmen von 14 Tagen und 6 Wochen haben, nicht aber Stämme, die nach unserer Rechnung 60 70 unserer Jahre zum Wachsthum gebraucht.

Es ist ein glückliches Resultat meiner Reisen, dass wir über das Palmenklima genauer unterrichtet worden sind, und seine95r Gränzen nach Höhe und Breite bestimter gezogen haben, vorzüglich ist dies durch die Auffindung der Bergpalmen geschehn. Die baum - artigen Farrenkräuter finden sich bis zu einer Höhe von 400 800 Toisen: dennoch beträgt die mittlere Temperatur dieser Gegend 14° 17° R. (während die von Berlin nur beträgt) sie gehn bis nach Madeira unter 33° Nordbreite, dagegen findet sich auf der südlichen Halbkugel die Diksonia ant - arctica (auch ein baumartiges Farrenkraut) bis auf Van Diemensland unter 42° Süd Breite. Die mittlere Tempera - tur von Madeira, welche wir sehr genau durchHerrn von Buch's Untersuchungen kennen, ist immer noch 16° R.; von Diemensland kaum 10° R., also nicht viel von dem Klima von Mailand verschieden. Das baumartige Schilf, welches oft in den Versteinerungen vorkomt, geht nur bis zu einer Höhe von 800 900 Toisen, und braucht eine Temperatur von 15° R. Von den Bergpalmen verdienen besonders 3 unsre Aufmerksamkeit. 1, die Wachspalme, Ceroxylon anguicolaandicola,95v aus deren Rinde ein klebriger Saft, ganz ähnlich dem Wachse, ausschwizt: diese fand ich noch bei 1500 Toisen (9000′) Höhe, welches beinahe den höchsten Spizen derPyrenäenkette gleichkommen würde, in einer Temperatur, wie die von Mailand 10° R.

2, Kunthia montana bei 200 Toisen Höhe.

3, Eudoxiafrigida, bei 1400 .

Bei allen Palmen ist es bemerkenswerth, dass sie nicht so - wohl eine grosse Hize erfordern, als dass sie sehr leicht durch die Kälte leiden: man findet keine Palmen mehr auf 1700 Toisen Höhe; denn dies ist die unwirth - bare Region der Paramos in der Andeskette, derenmittlereTemperatur kaum beträgt: in einem Klima, wo die nur einmal im Jahre bis auf sinkt, kann keine Palme mehr gedeihen, selbst nicht bei +2° R. Sie erfordern wenigstens eine mittlere Temperatur von 10° und diese geht nur bis 44 oder 45°Nordbreite.

96r

Über die Athmosphäre der Planeten.

Man hat lange geglaubt, dass alle Stoffe bei jeder Temperatur gasförmig werden, und jeden Körper umhüllen können: allein Faradayhat durch sehr schöne Versuche gezeigt, dass dies nicht der Fall sei: wenn man eine Goldplatte im Sommer bei 18° R. über Queksilberdämpfe hält, so wirdesdas Goldnicht mehr von ihnen beschlagen, es giebt also hier eine Gränze der Temperatur, wo dies Phänomen sichtbar ist und aufhört.

Die erste Frage, welche wir hiebei aufwerfen können, ist: wie hoch ist unsre Luftathmosphäre? Man hat den Versuch gemacht, sie durch die Dämmerung vor und nach der Sonne zu messen, indem man den Einfallswinkel der Stralen bestimte, und hienach fand man sie 8 10 Meilen hoch; allein nach dem Mariotteschen Gesez, (welches man eigentlich das Boylesche nennen solte) würde in einer sol - chen Höhe die Queksilbersäule kaum ½ Linie betragen, welches96v wir unter der Luftpumpe schon ein vacuum zu nennen ge - wohnt sind. Bei den〈…〉〈…〉höchsten Höhen, welche man auf der Erde theils durch Besteigung von Bergen theils durchungefähr 1 deutsche Meile einzelne glükliche Luftfahrten erreicht hat, fand schon die Hälfte des gewöhnlichen Luftdrukkes statt, wollte man also diese Verdünnung progressive bis zu 10 Meilen steigern, so würde unsre Athmosphäre am Ende so sehr verdünt werden, dass die lezten Theile kaum mehr von der Erde angezogen werden würden, wir müsten also fürchten, einen Theil derselben zu verlieren. Es hat sich über diesen Punkt ein grosser Streit zwischen den Physikern und Mathema - tikern erhoben. Laplaceglaubte, dass man sich nur die Athmosphäre durch die Annahme erklären könne, dass in grösseren Höhen die Elastizität der Luft schneller abnehme, als unten, und so hätte die Erde einen grossen Theil der Mondathmosphäre angezogen, von der wir fast gar keine Spuren mehr bemerken: allein Wollastonsagte97r dagegen, dass in diesem Falle die andern grösseren Planeten uns eben so wohl unsre Athmosphäre entzogen haben müs - ten: er bewies gegen Laplace: dass, wenn ein Theil unsrer Athmosphäre in den Weltenraum sich verloren hätte, wir ihn am allerersten an der Sonne als eine verdikteAthmosphärebemerken müsten. Nun haben aber Katerin Ostindien, und Vidalin Toulouse die Venus in Konjunkzion mit der Sonne, und besonders die Okkultazionen der Venus genau und viel - fältig beobachtet, und durchaus keine Veränderung des wah - ren Ortes gegen den scheinbaren gefunden, welches aller - dings hätte eintreten müssen, wenn man an der Sonne eine Spur von Athmosphäre wahrnehmen könte, wodurch die Lichtstralen gebrochen, also von ihrem wahren Wege abgelenkt werden. Hieraus schliest Wollaston, dass unsre Athmosphäre eine bestimte Gränze habe, und immer gehabt haben müsse. Noch genauere Beobachtungen geben die Jupi - terstrabanten: bei diesem vermuthete man früher auch eine97v Athmosphäre: allein dann müste der Gang der Trabanten, wenn sie vor die Jupiterscheibe treten, verlangsamert werden, aus dem obigen Grunde von der Brechung der Lichtstralen in der Jupiterathmosphäre: allein von dem ist nichts zu be - merken, vielmehr glaubt man jezt, dass die Zonen im Jupiter von andern Flüssigkeiten herrühren, welche zwar auch sehr beweglich, aber doch näher an der Oberfläche des Planeten sich befinden.

Von den Bergmassen auf den Planeten.

Ehe man die höchsten Punkte der Himalayakette kennen gelernt und gemessen, hielt man die Spizen der Cordilliren für die höchsten Berge der Erde, und glaubte darin eine merk - würdige Übereinstimmung mit den übrigen Planeten zu finden, wo sich auch die höchsten Höhen auf der südlichen Halbkugel befinden. Schröter(dessen Messungen indessen nicht ganz verbürgt werden können) fand auf der Venus Berge von 26000 Toisen, auf dem Merkur von 19000 Toisen. Die Berge auf dem Monde, welche wir nicht nur obenhin,98r25.sondern mit recht sehr grosser Genauigkeit kennen, sind ungefähr von gleicher Höhe mit der Himalayakette. Die Spizen: Dörfel und Leibnitz haben 4100 Toisen, sind aber gegen den Mondhalbmesser viel bedeutender als die unsern, indem sie〈…〉〈…〉1 / 214 desselben ausmachen: dagegen der Diawa - lageri im Himalaya von 4170 Toisen Höhe nur 1 / 746 des Erdhalbmessers ausmacht: man schlos daraus, dass die ela - stischen Dämpfe, denen man die Bildung der Gebirge zuschreibt, auf dem Monde, als dem kleineren Planeten mit grösserer Kraft könten gewirkt haben, als auf der grös - seren Erde.

Wir haben oben gesehn, dass in Hinsicht der Neigung der Axen, der Dichtigkeit, der Grösse, ebenso wenig, wie der Exzentrizität der Bahnen und der Abplattung, die Planeten irgend einem bestimten Geseze folgen: das Gesezliche für uns fängt erst an, wenn alle diese Eigen - schaften als etwas faktisches gegeben sind, und jene Geseze98v welche Kepler, von einer Ahnung getrieben, feststellte,[musten] erst von Newtondurch die Annahme einer Zentral - bewegung mathematisch bewiesen werden.

Es ist merkwürdig, dass 5 grosse Astronomen in ununter - brochener Reihe den ungeheuren Zeitraum von der Entdek - kung von Amerika bis zu Friedrich IIeinnehmen:

Wenn Kopernikusder Schöpfer unseres Weltsystems ge - nant werden kann, indemer die Ideen des Philalausvon neuem anregte: so brachte dagegen Tycho de Brahedie beobachtende Astronomie auf eine Höhe, welche man früher nicht gekant hatte. Galileierwarb sich beson - ders grosse Verdienste um die physische Astronomie,99r Keplerendlich fand die vornehmsten Geseze durch Analogie und Indukzion.

Bei den merkwürdigen 3 Keplerschen Gesezen können wir uns nur wenig aufhalten:

  • 1tesGesez: Die Planeten bewegen sich in Ellipsen, in deren einem Brennpunkte die Sonne steht.
  • 2tesGesez. Die Sektoren der Flächen, welche man durch 2 Linien nach einem Brennpunkte gezogen, bilden kann, verhalten sich wie die Zeiten der durchlaufenen Bahn. (Dieses Gesez entdekte er eigentlich zuerst, es heist,:das Gesez von der Gleichung der Bahnen. )[Es] bezieht sich nicht allein auf die Ellipse, sondern auf allenkrummen Linien.[) ]
  • 3tesGesez. Die Quadratzalen der Umlaufzeiten verhalten sich wie die mittlere Entfernung der Planeten vom Zentral - körper; er kam auf dies lezte Gesez durch phanta - stische Ideen von einer Übereinstimmung der Entfernungen nach der diatonischen Skala, und fand es nur nach lan - gem unsichern Herumtappen: in seiner Harmonice mundi
    3699v hat er uns den Tag aufbehalten: am 15 May 1618 kam er auf das 3teGesez, verrechnete sich aber bei der Anwendung auf die Himmelskörper, bis er nach 2 Monaten mühseeligen Forschens den Rechenfehler fand, und das Gesez bestimt aussprechen konte. Sehr naiv beschreibt er die Angst, in der er während dieser Zeit schwebte, wo er gleichsam durch einen dunkeln Instinkt die Richtigkeit des Gesezes erkant hatte, aber es mit den Rechnungen nicht übereinstimend fand.

20. Vorlesung, 12.01.1828

Weltkörper unseres Sonnensystemes selbst.

  • 1, Planeten a, innere b, äussere.
  • 2, Kometen, planetarische und andere.
  • 3, Aërolithen, welche beim geognostischen Theil abzuhandeln sind.

Von der Sonne.

Schon oben wurde bemerkt, dass wenn man sich alle Planeten zusammen in eine Kugel geballt denkt, die Sonne doch noch 825 mal mehr Volumen und 560 mal mehr Masse hat. Ihr Durchmesser beträgt 109¾ Durchm. der Erde: sie ist von uns 20,871,000 Meilen entfernt, und da der Mond von uns100r nur 150,000 Meilen entfernt ist: so kann man leicht berechnen, dass er seinen Umlauf beinahe 2 mal in dem Sonnenkörper vollenden könte. Obgleich solche numerische Spielereien nicht nach meinem Geschmakke sind, so dienen sie doch oft dazu, eine Sache zu verdeutlichen, ich will daher noch anführen, dass eine Kanonenkugel, welche mit einer Wurfkraft von 1500 Fus in der ersten Sekunde abgeschossen wird, von Paris bis Berlin 18 Mi - nuten brauchen würde, von der Erde bis zum Monde 9 Tage, und bis zur Sonne 9 Jahre.

(Das Sonnenlicht braucht nach den genausten Untersuchungen von Delambre, bis zur Erde 8 Minuten 13 Sek.) Lagrangehat berechnet, dass die Mondvulkane uns sehr gut Aërolithen zuwerfen könten, wenn ihre Wurfkraft nur 4 mal grösser wäre als die der gedachten Kanonenkugel.

Die merkwürdigste Erscheinung auf der Sonne sind die Son - nenflekken, man bemerkt sie zuerst an dem östlichen Rande, sieht, wie sie von Osten nach Westen sich bewegen, und meist nach 13 Tagen verschwinden: man hat daraus die Rotazion der Sonne sehr genau auf 25,12 Tage berechnet. Das älteste Bei -100v spiel, wo diese Flekken erwähnt sind, findet sich in den chinesischen Annalen 321 nachChr., wo man bemerkt hat, dass sehr grosse Flekke in der Sonne sichtbar gewesen sind; ebenso 626und635 wo die arabischen Astronomen die schwarze Merkurscheibe in der Sonne zu sehn geglaubt haben: dies war aber gar nicht mög - lich wegen der Kleinheit des Merkur, sondern sie sahen Sonnen - flekken: aber auch Abulfaradsch, Averroësund selbst Keplerwurden dadurch getäuscht. In Peru, wo die Garūa, oder ein dichter Nebel die Sonne monatelang verhült, waren schon bei der Entdekkung im 16. Jahrhundertden Einwohnern dieSonnenflekken bekant. Nach den Untersuchungen des Herrn v. Zach, war der Engländer Harriotder erste, welcher sie als wirkliche Flekken er - kante am 8. Dezember1610. Auch Joh. Fabrizius, der Sohn eines ostfriesischen Predigers hatte sich gegen Ende 1610 eini[?]neuerfunde - nes Teleskop in Holland angeschaft, und entdekte dieSonnenflekken: da er aber nicht auf die einfache Idee eines Blendglases kam, so quälte er seine Augen entsezlich, um ohne Blendung in die Sonne zu sehn. Gewöhnlich schreibt man die Entdekkung dem Jesuiten Scheilerin Ingolstadt zu. Keplerspricht ausführlich101r darüber, und führt an, dass der Priordem Pater Scheilergesagt habe, die Flekken wären nicht in der Sonne, sondern in seinem Auge.

Die Flekken sind durchgehends kohlschwarz, mit aschfarbenem scharfbegränztem Rande: wenn man dieSonnenscheibe einer Vergrös - serung von 300 400 mal unterwirft, so erscheint sie völlig wie gegittert: sie ist nämlich ganz mit hellen Adern durchzogen, zwischen denen viele dunkle Flekke stehn; die lezten bewegen sich, aber die Adern nicht. Die grösseren Flekken entfernen sich vomSonnen -Aequator nur um 30°. Zuerst erscheint gewöhnlich eine Lichtfakkel, dann 2 Stunden darauf 1 schwarzer Flek mit einer Penumbra, welche volkommen scharf begränzt ist. Es ist eine Entdekkung von Watson1773, dass die Penumbra, wenn der Flek in der Mitte der Sonne steht, ringsum gleich gros ist, dass er aber, an der Seite, wo der Flek verschwindet, breiter wird; also grade umgekehrt, wie es sich nach perspektivischen Gesezen verhalten solte, wenn[figure] alles in einer Fläche läge.

Es ist die gewöhnliche Meinung, welche auch noch in Bode's sehr lehrreichen Schriften vorkömt, dass die Sonne selbst nicht leuchtend sei, sondern eine Photosphäre habe, in welcher durch eine Anhäufung des Lichtes die Fakkeln hervortreten: die101v Flekken wären dann ein Theil des sichtbar gewordenen dunkelnSonnenkörpers, und die aschfarbene Penumbra eine Projekzion der Sonnenathmosphäre. In diesem Falle würde aber die Penumbra sich sehr unbestimt verlaufen, und nicht scharf abgränzen, wie es durchaus immer der Fall ist.

Da diese Erklärungsart nicht past, so müssen wir also zu einer Hypothese unsre Zuflucht nehmen, nach welcher derSonnen -körper von 2 Wolkenschichten umgeben ist, von denen die nächste an derSonneaschfarben, die fernere aber hell sein kann. Nun er - giebt sich alles auf eine einfache Art. Befindet sich das Auge

[figure]

in g: so ist a b der Durchmesser desSonnenflekkens, c e die Ausdehnung der Penumbra, befindet sich dagegen das Auge in h (oder was dasselbe ist, rükken dieSonnenflekken gegen den Rand,) so wird i k derDurchmesserdesSonnenflekkens und d f die Penumbra: während diese also auf der einen Seite um die Entfernung c d abnimt, so wächst sie auf der andern um e f, und bringt die verlangte Projekzion hervor.

102r26.

[Die Meinung, dass die Sonne nicht selbst leuchtend, sondern ein dunkler Körper sei, hielt man noch vor 40 Jahren für so toll, dass sie einem jungen Menschen in Oxford das Leben rettete. Dieser hatte nämlichin einer Dissertazion[behauptet], die Sonne sei dunkel, wurde nachher wegen Verfälschungen zum Tode verurtheilt, und sein Advokat konte ihn nur dadurch retten, dass er jene Disser - tazion als augenscheinlichen Beweis der Tollheit anführte. ]

Über das Entstehn derSonnenflekken kann man nur anführen, dass wahrscheinlich auf demSonnenkörper sich Gasarten oder ähnliche Fluida entwikkeln, beim Aufsteigen die beiden Wolkenschichten trennen, denSonnenkörper sichtbar machen, und jene Projekzion hervorbringen, wie sie in der Figur angedeutet ist. Raschein Dresden fand vor ungefähr 10 Jahren, dass manchmal der asch - farbene Rand 2er Flekken sich dekt: dieser Rand kann mithin nicht in derselben Fläche liegen wie der schwarze Kern. Herschelwar der Meinung, dass eine grosse MengeSonnenflekken auf der Erde Wärme erzeugen: er machte daher eine lange Reihe von Beobachtungen, und gab Tafeln heraus, in denen die Erschei - nung derselben mit denjährlichen Kornpreisen in England zusam̃en - gestelt war, welches anfangs paradox klingt; es ist aber gewis,102v dass derSonnenschein einen grossen Einflus auf das Wachsen des Ge - treides, also auch auf seinen Preis hat. Aus diesen Tafeln ergab sich nun zwar kein genauer Zusammenhang derSonnenflekken mit der Erndte, aber doch ein periodisches Wiederkehren derselben, wie man es auch beim Nordlicht beobachtet hat, welches indes damit in keinem Zusammenhange zu stehn scheint.

Die Sonnenstralen sind von dreierlei Art:

  • 1, nichtleuchtende, wärmende.
  • 2, magnetisirende.
  • 3, leuchtende.

Schon Mariotteentdekte die unsichtbaren Wärmestralen; Rochon(dem wir die Erfindung des sehr nüzlichen prismatischen Mikrometers verdanken) fand 1776, also lange vor Herschel, dass der violette Stral fast gar nicht erwärmt, der rothe aber sehr stark. Herschelendlich machte die merkwürdige Entdekkung, dass das Maximum der Wärme da ist, wo gar kein Licht hinfält, ausserhalb des rothen Strales. Seebekfand noch kleine Verschiedenheiten hierin, bisweilen fällt das Maximum der Wärme näher, ja es gelang ihm, dasselbe bis in den rothen Stral hineinzurükken. Man könte noch eine chemische Eigenschaft103r derSonnenstralen annehmen, indem sie den Kohlenstof des Pflanzen enthüllen, und dadurch die grüne Farbe hervorbringen: deshalb ist unter den Tropen das Grün so intensiv und dunkel, weil mehrSonnenstralen auf die Pflanzen fallen. Scheelefand, dass das Chlorsilber vom violetten Stral geschwärzt wird, nicht aber vom rothen. Gay Lussac& Thénardzeigten, dass eine Mischung von Hydrogen und Chlor augenbliklich und mit Heftigkeit explodirt, wenn ein violetter Stral darauf fält, beim rothen aber nicht: man kann also die Erscheinung hervorbringen, wie man will, je nachdem man die Mischung in rothe oder violette Flaschen einschliest. Seebeckfand, dass Barytphosphor im violetten Stral leuchtet, im rothen aber sogleich verlischt. Young, Fresnelund Aragobrachten durch 2 auf einander fallendeSonnenstralen Finsternis hervor, wovon oben die Rede war. Morecchiniendlich und Miss Sommervillefanden die magnetisirenden Stralen, welche auf das Eisen wirken: beim violetten Stral sind die elektrischen Versuche am lebhaftesten. Baumgartenhat diese Versuche wiederholt, und sich dabei eiserner Nägel bedient: er erkante, dass die verschiedene Glättung derselben nicht ohne Einflus auf das Phänomen ist.

103v

Man war einige Zeit der Meinung, dass der Durchmesser der Sonne durch das fortwährende Ausströmen von Licht kleiner werden, und die Scheibe überhaupt an Helle verlieren müsse: ein sehr schäzbarer Astronom,Herrvon Lindenau, glaubte dies gefunden zu haben: allein es ist kein Zweifel dassdie Anicht die Sonne, sondern die Augen des englischen Astronomen Nestleynach dessen Beobachtungen Lindenauseine Berechnungen anstelte, abgenommen hatten.

Nach Lambertund Bouguers Versuchen ist die Lichtstär - ke der Sonne 300,000 mal grösser als die des Vollmondes; wenn die Sonne unter 66° oder 19 20° Höhe steht: so verha¨lten sich die Quantitäten Licht, welche wir in beiden Fällen er - halten, wie 2: 3. Daher ist unter den Tropen einer der ergreifendsten Eindrükke die ungemeine Lichtstärke, wel - che nach allen Seiten hin sich verbreitet.

Lange war die Frage unentschieden, ob die Sonne an den Rändern heller ist oder in der Mitte. Am Rande sind die Stralen enger, daher glaubte Bouguerlange, dass die Ränder wärmer wären: allein schon die Dikke derSonnenath -104r mosphäre, durch welche der Stral gehn mus, würde dies kom - pensiren, Keplerhielt daher die Mitte für wärmer[. ]und mitRecht.Eine spätere Entdekkung ist es, dass die Quantität des Lichtes, welche zurükgestralt wird, von der Neigung der stralenden Fläche abhängt, und sich zur Fläche verhält wie die sinus der Winkel. Ganz neuerlich ist indes ausge - macht, dass die Sonne in der Mitte eben so licht ist als an den Rändern; es wurde durch die kolorirte Polarisazion welche Aragoentdekte, bewiesen; man sieht nämlich durch einen Bergkristall, dessen Seiten parallel dermEinfalswinkel der Stralen geschnitten sind, 2 Bilder in den Komplementar - farben z. B. roth und grün. Läst manmanun 2 Sonnenbilder

[figure]

so aufeinander fallen, dass der Mittelpunkt des einen in die Peripherie des andern fält: wodurch man also Stralen aus der Mitte der Sonne und von dermPeripherieRandeübereinanderbringt, so wird man in der Mitte bei c immer weis erhalten, zum Beweise, dass beideLichterStralenvon gleicher Beschaffen - heit und Stärke sind. Auf ähnliche Art konte man auch beweisen, dass dasjenige, was das Licht der Sonne ausstralt,104v ein gasförmiger Körper, und keine feste Masse ist: bei gas - förmigen Körpern nämlich wird das Licht nicht polarisirt, wohl aber bei festen: um den Versuch recht schlagend zu machen, richtet man den Bergkristal zuerst auf ein roth - glühendes oder selbst geschmolzen-flüssiges Eisen: dann auf eine Lampe von Wasserstofgas, endlich auf die Sonne: man findet, dass die Sonne sich grade so verhält wie die Lampe.

Gauskam durch diesen Versuch auf die Erfindung seines Heliotropes, der bei geodätischen Messungen von der grösten Wichtigkeit ist: während man früher grosse Signalstangen aufrichtete, nach denen visirt wurde, so bedient man sich jetzt eines kleinen Spiegels, der das Sonnenlicht zurükwirft, und nicht grösser ist, als die Spiegel auf den Sextanten: das Sonnenbild erscheint darin bei Tage wie ein Stern 3 4terGrösse, und Gauskonnte es bis auf 7 9 Meilen erkennen.

Dandossah Körper, welche sich auf derSonnenfläche sehr schnellvorbei bewegten, und w〈…〉〈…〉ohl nichts anders waren, als Aerolithen: ein englischer Astronom hielt sie für Vögel in unserer Athmosphäre, welche vor dem Fernrohr vorbei -105r gefahren, ohne zu bedenken, dass eine Schnelligkeit von 40 50 Meilen in der Sekunde wohl einem Aerolithen, aber keinem Vogel zuzumuthen sei.

Das Schwanken des Mittelpunktes der Sonne, welches durch die Anziehung der Planeten hervorgebracht wird, ist äus - serst unbedeutend, und beträgt kaum 60 Meilen; wenn es ausserhalb desSonnenkörpers fiele, so würden wir dieselbe Erschei - nung wie bei den Doppelsternen haben, wo oft 2 um einen gemeinschaftlichen Schwerpunkt sich drehen.

Eine andre, äusserst schwierige Frage ist die von der Translazion unseresSonnensystems in eine andere Gegend unserer linsenförmig-abgeplatteten Sternschicht: man nahm an, dass es sich gegen λ Herculis hinbewege: da dies aber mit der eignen Bewegung der Fixsterne zusammenhängt, so werden wir wohl noch lange in Ungewisheit darüber bleiben.

21. Vorlesung, 16.01.1828

Von den Planeten.

Man theilt sie in obere und untere,je nachdem sie nach der Sonne zu innerhalb der Erdbahn oder ausserhalb derselben kreisen. Zu den unteren gehören Merkur und Venus, zu den äusseren alle übrigen. Bei den unteren Planeten mus man wiederum die obere und105v untere Konjunkzion unterscheiden. In der obern Konjunkzion stehn sie (von der Erde aus gesehn) jenseit der Sonne: dann erscheinen ihre Scheiben im vollen Lichte, ihr Durchmesser dagegen ist wegen der grösseren Entfernung kleiner; in der unteren Konjunkzion, wo sie zwischen der Erde und der Sonne stehn, und mithin einen scheinbar grösseren Durchmesser haben, zeigen sich die Phasen, dieses höchst wichtige Phänomen.

Vom Merkur.

Der Merkur ist bei uns sehr schwer mit blossen Augen zu sehn, weil er sich selten über 29° von der Sonne entfernt. Kopernicusbereute es noch auf seinem Sterbebette, ihn nie gesehn zu haben; selbst der grosse Delambre, welcher so viele Jahre sich mit der beobachtenden Astronomie beschäftigte, hat ihn nur 2 mal in seinem Leben gesehn. Dagegen unter 30 35° Nordbreite, in Ba - bylon und Aegypten, kann man ihn sehr leicht entdekken. Seine Lichtstärke ist grösser, als die des Jupiter; sein Durch - messer variirt von 4 11½Sekunden, und beträgt 580 Meilen, er ist grösser als der des Mondes; Umlauf 87 Tage. Bahn sehr exzentrisch, nur von den Asteroïden in dieser Hinsicht übertroffen. 106r27.Entfernung von der Sonne 8,000,000 Meilen (dieEntfernungder Erde von der Sonne ist 21,000,000, des Mondes von der Erde, 51,000 Meilen)[. ]Schon die Aegypter glaubten, dass Merkur und Venus sich um die Sonne bewegten, und es ist nicht zu läugnen, dass grade die grosse Sonnennähe des Merkur auf Kopernicus 'System vielen Ein - flus gehabt habe. Seine Rotazion ist sehr spät, erst um 1800 bestimt, und zwar nicht durch seine Berge, obgleich diese nach Schrö - ter's freilich nicht ganz zuverlässigen Messungen bis 58,000 Fus Höhe haben, sondern durch eine Folge von Beobachtungen der Athmosphäre, welche Merkur zu haben scheint, und welche bei den Phasen eine Dämmerung hervorbrachte. Noch genauer hat Hardingdie Rotazion durchBeobachtungenvon Flekken und Streifen bestimt, welche er darauf wahrgenommen. Dennoch bleibt es immer zweifelhaft, ob er eine Athmosphäre habe, und ob nicht das, was man sieht, andere Flüssigkeiten sind, welche sehr nahe an der Oberfläche sich befinden. Monnierwill dieAthmosphärebeim Durchgange durch die Sonne gesehn haben: ich konte bei dem von mir in Lima beobachteten Durchgange nicht das mindeste entdekken. Der erste Durchgang wurde von Gassendibeobachtet, nachdem ihn Keplervorausgesagt hatte; Halleyging106v deswegen nach St Helena: man hat bis jezt 21 Durchgänge beo - bachtet, der nächste wird 1832 im April vorkommen: der fol - gende 1835, welchesJahr zuerstgleichdurch eine andre himlische Erscheinung merkwürdig ist: man erwartet nämlich alsdann den grossen Halleyschen Kometen.

Von der Venus.

Man schreibt dem Parmenidesaus der pythagoreïschen Schule die Entdekkung zu, dass es derselbe Stern, nämlich Venus sei, welcher als Morgen - und Abendstern, Lucifer und Hesperus am Himmel erscheint. Der grosse Lambertberechnete, dass die Lichtstärke der Venus nur 3000 mal schwächer sei, als die des Vollmondes. Durchmesser 86 mal kleiner als der der Erde. Die Berge sind, wie auf der Erde in Ketten vertheilt, nicht wie auf dem Monde, wo sie um den Rand von Kratern herumliegen. Schon Lahireäusserte die Meinung, dass sie höher sein müsten, als die der Erde: Schröterbestimte sie auf 7 Meilen, und will auch eine Dämmerung, also eine Athmosphäre darauf entdekt haben: er faste seine Beobachtungen in einem grossen107r Werke zusammen, dem er den eleganten Titel gab: Aphroditogra - phische Fragmente (für den Merkur: Cynthiographische Fragmente; für den Mond: SelenotopographischeFragmente)[. ]Über die Umdrehung der Venus ist ein langer Streit zwischen Cassiniund Bianchinientstanden: man hat die Gestalten der südlichen Hornes in den Phasen dazu benuzt, um die Rotazion auf 23Stunden21. Min. zu bestimmen. Was man von einem Venusmonde gesagt hat, ist eine blosse Fabel. Fontanawolte ihn 1645 gesehn haben, und Lambertnahm sich die unnüze Mühe, sogar Tafeln dafür zu berechnen. Zwar wollen beim Durchgange 1769 einige Astro - nomen mehrere Stunden nach dem Austritt des Venus den Mond derselben vor derSonnenscheibe gesehn haben: allein schon die Angabe dieser Zeit zeigt hinreichend, dass sie sich geirrt haben müssen. Die Phasen der Venus gaben einen der schönsten Beweise für die Richtigkeit desKopernikanischenSystems, und gehören zu den frühsten Entdekkungen durch die neu-erfundenen Fernröhre. Die Reihe der Entdekkungen ist kurz folgende:

1, Sonnenflekke.3, Ring des Saturn.
2, Jupitertrabanten.4, Phasen der Venus. 1610.
107v

Da es in jener Zeit Sitte war, die neuen Entdekkungen durch einen Logogryph zu bezeichnen, wo eine gewisse Anzahl von Buchstaben das Geheimnis enthielten: so mag hier angeführt werden, dass Galileiin seinem Nuncius sid〈…〉〈…〉ereus die Entdekkung des Saturnringes so verzifferte: Altissimum planetam tergeminum observavit. Und die Phasen der Venus: Cynthii figuram aemulatur mater amorum.

Keplersagte den ersten Durchgang der Venusbeobvoraus, und Horroxbeobachtete ihn, ein junger Astronom, welcher leider sehr früh starb, und von Newtonhöchlich geschäzt wurde. Halleymachte zuerst auf die Wichtigkeit der Durchgänge für die Messungen über Entfernung der Sonnepp. aufmerksam.[ Schon] 1761 ging Maskelinenach St. Helena, um einen Durchgang zu beobachten: aber der wichtigste ist der von 1769. Cookunternahm dafür seine 2teWeltumseglung, und blieb lange auf Otaheiti, wo dWalesden Durchgang beobachtete. Der Pater Hellwurde nach Lapland geschikt, und Chapternach Kalifornien. Zulezt endlich hat Enckealle diese108r Beobachtungen von neuem berechnet und zusammengestelt, um dieSonnenparallaxe so genau als möglich zu bestimmen: sie variirt jezt zwischen 8 Min. 5 Sek. und 6 Sek. (8,5 8,6) oder zwischen 21,577,000 und 21,755,000 Meilen; dies beträgt immer noch 3 Mond - abstände, aber es ist gar nicht viel, wenn man die ungeheure Grösse und Entfernung der Sonne bedenkt: das Mittel der Un - sicherheit ist 1 / 232 der ganzen Entfernung, welches so viel sagen will, als ob man bei der Höhe der Schneekoppe von 4950 Fus um 20 Fus ungewis wäre. [Den Abstand des Mondes von der Erde kennen wir 13 mal genauer als den der Sonne, er ist bis auf 15 oder 16 Meilen bestimt: also beträgt hier das Mittel der Ungewisheit 1 / 3300 der ganzen Entfernung.]

Von der Erde.

Wir berühren hier nur die Erscheinungen, welche mit der Astronomie in Verbindung stehn, d. h. solche, bei denen die Erde in ihrer Eigenschaft als Planet in Betracht komt. Von 1683, (wo man zuerst auf diese Erscheinung aufmerksam war) bis 1718 glaubte man (und dieser Meinung folgten Kassiniund Maraldi) dass die Erde am Aequator abgeplattet sei: dies108v ergab sich aus den damals freilich unvolkommenen Messungen: allein der Irthum kam daher, dass wirklich an jenen Stellen, wo man die Gradmessungen vornahm, Ungleichheiten in der Figur der Erde sich fanden. Später wurde Condaminenach Amerika geschikt, um einen Grad zu messen, und Maupertuisnach Finn - land; die Messungen des lezten sind verbessert durch einen Dr Schwanenberg, der sie wiederholte, und grosse Differenzen fand: nach Maupertuisbeträgt der 66te°NördlicherBreite 57,400 Toisen, Schwanenberg 51,188. doch hat Rosenbergerneuerlich gezeigt, dass der Fehler Mau - pertuis 'nicht so sehr gros sei, und dass wohl ein Theil davon auf Schwanenbergs Rechnung kommen könne, welcher keine Kreise von Frauenhofer, sondern von Lenoirhatte.

Die Vergleichung zwischen Peru & Lapland giebt fürdieAbplattung1 / 330 die Frankreich & Lapland [304] 1 / 304 Die genauen Pendelmessungen geben sie noch grösser auf 1 / 289.

Die Anziehung des Mondes läst auf 1 / 305 schliessen, Duperrey's neuste Untersuchungen auf 1 / 289. Die Schwankung ist also nur zwischen 1 / 305 und 1 / 289. Die Grösse der Irrung in der Figur der Erde ist 593 Toisen, oder 3600 Fus; = 1 / 18 der Abplattung.

109r

Die Exzentrizität der Erdbahn ist jezt im Abnehmen, so wie bei den meisten Planeten, ausser bei Merkur, Mars und Jupiter, wo sie im Zunehmen ist.

Für die Rotazion der Erde hat man 3 Beweise:

  • 1, die Abplattung selbst, welche nicht da sein würde, wenn die Erde still stände.
  • 2, die Verschiedenheit der Pendellänge.
  • 3, der Fall der Körper.

Wäre die Rotazion 17 mal schneller, als sie ist, so würde die Schwere am Aequator = Null sein, d. h. kein Körper würde mehr fallen; wäre sie aber noch grösser, so würde sie die An - ziehungskraft der Erde besiegen, und alle Körper würden weg - geschleudert werden.

Man behauptete zuerst gegen dasKopernikanischeSystem, dass wenn die Erde sich drehe, so müsse ein Körper, den man von der Spize eines Thurmes fallen lassen, nicht am Fusse desselben ankom - men, sondern (da die Erde während dessen von Westen nach Osten fortgerükt sei) er müsse etwas gegen Westen zurükbleiben: es wurden viele Versuche darüber gemacht: allein man konte nichts von dem Zurükbleiben bemerken, bis endlich Newton109vdarthat, dass ein Körper, der von der Spize eines Thurmes fält, in dem[Augenblikke] des Abfals eine grössere Wurfkraft habe, als wenn er unten am Fusse sich befände, weil er nämlich um die ganze Höhe des Thurmes weiter vom Mittelpunkt der Erde entfernt sei: hieraus folgt, dass er nun nicht mehr nach Westen zurükbleiben, sondern, wenn der Thurm hoch genug, also die Wurfkraft stark genug ist, noch um ein geringes nach Osten vorangeschleudert werden wird. Dies bestätigten die Versu - che volkommen, welche theils von Guglielminiin Bologna am Thurme degl 'Asinelli (demselben, wo schon Galileiseine Versuche machte) angestelt wurden, theils neuerlich vom Prof. Benzenbergan einer Kirche in Hamburg, und in einigen Kohlen - gruben in der Grafschaft Mark. Man fand überall eine Deviazion nach Osten, weil die Schwungkraft an der Spize des Thurms grösser ist, als unten, bei 250 260 Fus Höhe von 4 5 Zoll. Auf dem Observatorium in Paris (wo ich so lange Jahre wohnte) existirt noch ein Loch von der Spize des Thurmes bis in die Keller hinab, von 280 Fus Höhe, welche zwar nicht mehr brauchbar ist,ob[?]und von Kassinizu diesen Versuchen eingerichtet wurde, obgleich er mit Riccioliglaubte, die Deviazion sei nach Westen.

110r28.

Einen Beweis für die Translazion der Erde finden wir in der Aberrazion des Lichtes der Fixsterne. Da dies aber ein sehr schwieriges Thema ist, so werde ich mich darauf beschränken, den Weg des Raisonnements anzugeben, wodurch die Sache am deutlichsten werden wird.

Nachdem Kopernikus 'System bekannt wurde, beobachtete man sehr häufig die Fixsterne, um eine Veränderung in ihrer Gruppirung zu bemerken, allein man konte keine Ver - rükkung wahrnehmen. Bis Bradley1728 fand, dass alle Sterne, wenn sie bei Tage erscheinen, nach Süden rükken, wenn bei Nacht, nach Norden: dass also der scheinbare Ort der Sterne sich nach der Gegend hinbewegt, wohin die Erde geht: jeder Stern durchläuft eine Ellipse von 40 SekundenDurch - messergrosser Axe, welche an Werth einem Bogen entsprechen, den die Erde auf ihrer Bahn in 16〈…〉〈…〉Zeitsekunden durchläuft: nun fand Besseldie höchstmerkwürdige Übereinstimmung, dass das Licht grade 16 Sekunden braucht, um die Erdbahn zu durchschneiden: es ist also nichts wahrscheinlicher, als dass jene 40Bogen-Sekunden (grosser Axe der Sternellipsen) von den110v 16 Zeitsekunden hervorgebracht werden, welche das Licht zur Zurük - legung der Erdbahn braucht: wir sehn also die Sterne an ver - schiedenen Stellen,je nachdem wir uns an dem einen oder dem andern Endpunkt der Axe der Erdbahn befinden. Die Bewegung des Lichts ist 10,000 mal schneller, als die der Erde, und wir sehn die Sterne nicht an ihrem wahren Orte, sondern in der Richtung der Diagonale des Parallelogrammes dieser zusammengesezten Bewegung. Eben so,alswenn man auf ein schnellsegelndes Schiff eine Kanonenkugel abfeuert: so werden die beiden Löcher in der Vorder - und Hinterwand des Schiffes nicht genau in der graden Linie liegen, welche mandurchindieerRichtung der Kanone bis zu dem Loche in der Vorwand ziehn kann: sondern das Loch in der Hin - terwand wird etwasgegenhinterdieerBewegung des Schiffes zu - rükbleiben.

Ein andrer schwieriger Punkt ist die Vorrükkung der Nachtgleichen. Nach demKopernikanischenSystem nahm man die Rotazionsaxe der Erde als mit sich selbst parallel an: allein später fand man, dass in 25700 Jahren diese Axe einen kleinen Kreis beschreiben wird, und zwar rührt dies111r (sonderbar genug) von der Abplattung der Erde selbst her. Wäre die Erde eine genaue Kugel, so würde dies Phänomen nicht statt finden, so aber, da gleichsam ein erhöhter Ring um den Aequator liegt, wird dieser Theil von der Sonne stärker angezogen, als die andere Hälfte. Wenn wir uns denken Ca[figure] sei der Aequator, und die Sonne stehe in der Richtung von S unter 45° so wird der Kreisschnitt PCe gleich sein eCa: nehmen wir aber, nach der Abplattung der Erde den Aequa - tor Cb an, so ist klar, dass nunanzudem Kreisschnitt PCe nur das Stükchen Ped hinzugekommen ist, dagegenzuder Kreisschnitt eCa um deab gewachsen ist: er hat also an Masse den ersten übertroffen, und wird von der Sonne stärker angezogen, als der andere: daher wird der Winkel PCS nach und nachkleinergrösserwerden.

Schon Hipparchentdekte die Vorrükung der Nachtgleichen, indem er die Beobachtungen der älteren Astronomen Timocharisund Aristillosverglich. Später wurde sie genauer bestimt, und a priori bewiesen, durch die Betrachtung, dass eine Kugel durch keineäussere Kraft eine solche Verrükkung erleiden kann, indem sie auf gleiche Weise in allen ihren Theilen angezogen wird.

111v

AuchNicht nurdie Sonneundsondern auchder Mond haben eine Tendenz die Schiefe der Ekkliptik zu verändern: allein die Rotazion hindert wieder das Zusammenfallen desrEkliptik und des Aequators: die Vorrükkung geschieht von Osten nach Westen, und der Antheil, welchen Sonne und Mond daran haben, verhält sich wie 3: 1.[Auch] die Planeten haben eine solche Tendenz, aber die Wirkung derselben ist unabhängig von der Gestalt der Erde, und fällt einige Jahrtausende mit der Tendenz der Sonne zusammen, wirkt ihr aber dann wieder entgegen.

Aus der Vorrükkung der Nachtgleichen erklärt es sich, dass die Sternbilder der Ekliptik ihren Namen nicht mehr entsprechen, weil die Vorrükkung seit den 2000 Jahren, dass diese Sternbilder benant sind, ungefähr den Raum eines Sternbildes ausmacht.

22. Vorlesung, 19.01.1828

Die Franzosen beobachteten auf ihrem Zuge nach Aegypten in den dortigen Tempeln mehrere Thierkreise, denen man ein hohes Alter zuzuschreiben geneigt war: der von Dendera (Tentyris) wel - cher sich jezt in Paris befindet, ist auf einem Steine von 12 14′ im Quadrat in Basrelief ausgearbeitet, zwar ist das Material Sandstein, es sieht aber dem Basalt ähnlich, weil es durch112r das häufige Beleuchten mit Fakkeln ganz geschwärzt wurde; die französische Regierung gab 150,000 fr. dafür. In Esneh finden sich 2 andre Thierkreise, die nicht zirkelförmig sind, wie der von Dendera, sondern wo die 12 Zeichen in 2 Reihen aufgestelt sind: bei dem von Dendera stehn die Zeichen in einer Spirale, und der Löwe eröfnet den Zug, in Esneh dagegen die Jungfrau: dies solte sich nun auf das vorrükkende Sonnenjahr der Ae - gypter beziehn: da nämlich 2700 vor Chr. der Frühaufgang des Sirius bis auf 2 Tage mit dem Sommersolstizium zusammenfiel: so glaubte man, dass das Som̃ersolstizium damals in das Zeichen des Löwen gefallen sei: da nun auf die Vorrük - kung jedes Zeichens 2000 Jahre kommen: so berechnete der französische Astronom Burckardtfür den Thierkreis von Den - dera ein Alter von 4300 Jahren (oder 2470 v.Chr. ) Allein die An - nahme ist wilkührlich, dass jenes Monument so alt sei, als der Zustand des Himmels, der darauf angedeutet ist, und so wird wenigstens das Alter dersTempels selbst sehr zweifelhaft; und wie es bei allen solchen Wegschleppungen von112v Denkmalen der Fall ist, man hatte den wichtigern Stein an der Dekke zurükgelassen, auf welchem Champollion der jüngereeine Cartouche entdekte, die den Namen Αὐτοκράτως ent - hielt, den man auf einigen Münzen des Neround Claudiuseben so absolute gebraucht findet. Dies führt uns daher auf eine Vermuthung des grossen Antiquares Viscontizurük, der das Somersolstizium blos aus dem beweglichen Jahre der Aegypter erklärte. Ausserdem fand man auf dem äus - seren Pronaos (der zwar aus neuerer Zeit sein kann als der hintere Tempel) eine Inschrift aus den Zeiten des Tiberius. Der Thierkreis in Latopolis (Esneh) fängt mit dem Zeichen der Jungfrau an, und hierzeigt sich schon die Unwahrscheinlich - keit, dass dieser also um 2000 Jahre von dem von Denderah verschieden sein müste, während man beiden Monumenten kaum einen Unterschied von einigen 100 Jahren zugestehn kann. Man warf es dem Monumente vor, dass das Zeichen der Waage darauf fehle: allein diese ist erst zu Caesar's Zeit an den Himmel gekommen, während vorher bekantlich113r die Scheeren des[Skorpions]diesen Raum ausfülten: Butt - mann's und Idelers Untersuchungen haben bewiesen, dass die Waage schon weit früher bekant war, und bei den Indern vorkömt. Caesarzog bei seinen Bestimmungen den Astronomen Sosigeneszu Rathe, dem diese indischen Systeme gewis bekant waren. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass die 12. Sternbilderaus[?]aus den 27 Mondstazionen der Inder hergeleitet sind. Schon La -〈…〉〈…〉placemachte die richtige Bemerkung dass man den Steinbock (ein Thier, welches auf den Höhen wohnt) nicht in den Stand der Sonne gesezt haben wird, wo sie am niedrigsten steht: dass also damit die Sommersonnenwende möchte bezeichnet worden sein.

Das Vorrükken der Nachtgleichen verändert die Jahreszeiten nicht, aber andre Sterne werden in andern Monaten sichtbar: daher kömt es, dass die südlichen Sterne, und grade die schön - sten uns fliehen, wie denn schon jezt das südliche Kreuz in Alexandrien unter dem Horizonte steht, welches man früher dort sehn konte. Auch der Polarstern verändert sich: zu113v Eudoxus 'Zeiten lag der Pol zwischen α und β des kleinen Bären: er wird jezt nach demCKepheus fortrükken, und später wird Deneb im Schwan zum Polarstern werden. Wie dunkel die Ideen der Alten über dergleichen Materien in mancher Hin - sicht waren, zeigt uns eine Stelle im Plinius, wo er sagt,Taprobăne. Ovid. Pont. I, 5, 80. dass die Gesandten der Insel Taprobānein Romsich gewundert hatten, in Rom den Polarstern, und die 7 Sterne des grossen Bären zu sehn: als ob man diese nicht eben so gut in Taprobane sähe.

Eine andre Bewegung ist die Veränderung der Schiefe der Ekkliptik welche 18 Sek. beträgt, und das hervorbringt, was man die Nuta - zion der Erdaxe nent: in 18 Jahren und 18 Monaten beschreibt sie einen kleinen Kreis, und rührt her von dem Einflus, den der Mond auf die Erde ausübt. Sie hat eine Periode von 21,000 26,000 Jahren. Der erste, welcher die Schiefe der Ekkliptik gemes - sen, ist Anaximander(er führte auch die Sonnenuhren in Griechen - land ein, die man für eine babylonische Erfindung hält, und eben, um diese richtig zu stellen, muste er die Schiefe der Ekliptik kennen. Die älteste Beobachtung dieser Schiefe (welches auch114r29.überhaupt die älteste astronomische Beobachtung ist, die wir historisch auf der Erde kennen) findet sich in den chinesischen Annalen, und wurde in Lojan gemacht 1100 vor Chr.; damals betrug die Schiefe 23° 54′; zu PytheasZeit 350 v. Chr.: 23° 49′; zu Ebn - Younes, des ausgezeichnetsten arabischen Astronomen Zeit: 1000 nach Chr.: 23° 36′ 36″; zu Bessel's Zeit 1800. 23° 27′ 56″. Man könte nun veranlast sein, zu glauben, dass dies immer so fortgehn, und die Ekliptik am Ende mit der Erdbahn zusammenfallen könne: allein Laplacehat dies sehr genau untersucht, und gezeigt, dass auch hier eine Periode von mehreren 1000 Jahren Statt findet, und dass der Unterschied nicht mehr als Grad betragen kann: als ob Kadix an der Stelle von Toledo läge.

Vom Monde.

Es ist eine alte Frage, wann der Mond zuerst gesehn worden sei: und in Griechenland ging man so weit, die Arkadier Antiseleniten zu nennen, weil sie älter seien als der Mond; welcher erst in einer Schlacht erschienen sei, die Hercules gegen die Giganten kämpfte. Creuzerhält dies für eine Anspielung auf die Einführung des Mondjahres. Maupertuisglaubte, der Mond sei früher ein Komet114v mit einem langen Schweife gewesen, der sich der Erde genähert, und bei ihr fixirt habe.

Sein Durchmesser beträgt 466 Meilen, also ist das russische Reich noch etwas grösser, als die Hälfte des Mondes, welche wir von hier aus sehn.

Seine Rotazionsaxe steht senkrecht auf seiner Bahn. Die Ent - fernung von der Erde beträgt 51,800 Meilen, und ist 1 / 3300 ungewis. Genau wurde sie zuerst von Lacailleam Vorgebirge der guten Hofnung gemessen: dann von Lalande, der besonders deswegen nach Berlin kam, und obgleich der Meridian des Vorgebirges etwas weniges östlich von dem von Berlin fält, so war diese Reise doch für die Bestimmungen von Wichtigkeit. Wie gering übrigens die Entfernung des Mondes sei, ergiebt sich aus der Betrach - tung, dass ein englischer Kapitain auf dem Paketboot nach Kanton ungefähr 6 Reisen hin und her zu machen braucht, um so weit gewesen zu sein, als der Mond entfernt ist.

Sein Licht ist nach Lambert's Messungen 300,000 mal geringer als das der Sonne: im 1tenund lezten Viertel bemerkt man auf dem dunkeln Theile ein aschfarbenes Licht, das von der Zurükstralung der Erde herrührt. Hipparchdachte dabei an115r eine Phosphoreszenz des Mondkörpers, (wie wir sie durch Fernröhre am Merkur und an der Venus wahrnehmen) doch scheint dies nicht der Fall zu sein. Merkwürdig ist, dass der grosse Maler Leo - nardo da Vinci, die ersteRrichtige Erklärung daran gab, welche man gewöhnlich dem Lehrer Kepler's, Möstlinzuschreibt: dieser lebte im 16tenJahrhundert. Leon. da V.starb um die Zeit der Entdekkung von Amerika. Bei Mondfinsternissen verliert man den Mond nie ganz, sondern sieht ihn in einem rothen Lichte, wie ich es sehr auffallend in dem Golf von Darien bemerkte: dies rührt von der Athmosphäre der Erde her, durch welche das Sonnenlicht inflektirt wird, und so stark bleibt, dass der Mond nie ganz verschwindet. Auch sieht man bei Finster - nissen grosse schwarze Flekke im Monde.

Die Wärme des Mondes ist gradezu = Null: ich habe mitHerrn Aragoauf der Pariser Sternwarte sehr viele Versuche darüber mit einem grossen Hohlspiegel angestelt, allein es war durchaus keine Spur von Temperaturerhöhung zu bemerken, nicht blos an dem Thermometer, sondern an einemeigens eingerichteten sehr empfind - lichen Apparat. Daniel, der vor wenigen Monaten eine schöne Me - teorologie herausgegeben, hat dieselben Resultate mit einem andern grossen Hohlspiegel gefunden.

115v

Das Ansehn des Mondes bietet uns mehrere Flekken dar, welche die Alten für eine Spiegelung hielten. Plutarchsagt, dass der Mond uns die Gestalt der Erde und das Bild unserer Meere zurükwürfe; dieselbe Meinung hat sich, sonderbar genug, bei den Persern,Indern und Arabernerhalten. Der persische Gesandte in Paris, der mich zuweilen besuchte, und dem ich durch ein ziemlich star - kes Fernrohr den Mond und eine Mondkarte daneben zeigte, sagte mir, das sei alles vergebne Mühe: denn man sehe im Monde nichtsweiter als Persien, einen Theil von Indien und Arabien.

Die Flekken im Monde hielt man lange Zeit für Meere, Keplerfür Höhen: man bemerkte auch, dass die Ebnen durch Berge ver - bunden sind. Wasser ist gewis nicht auf dem Monde: denn die klein - sten Theile der Flächen, welche man für Meere hält, liegen nicht in einer Ebne, sondernüber - und untereinander. Herr Kunowskyhat eine schöne Zeichnung vom Mare crisiumgemacht, vorauf man dies am deutlichsten sieht: einzelne Stellen sind schwärzlich. Caesar und Boscovichfast ganz schwarz.

Schon Galileiwar auf die Berge im Monde aufmerksam geworden für deren Messung es 3 Mittel giebt, von denen aber nur eins sicher ist. 1, man beobachtet an der Gränze des erleuchteten und dunkeln Theiles, die einzelnen leuchtenden Punkte im dunkeln116r Theile sind die Berge, deren Spizen noch von der Sonne beschienen werden: je höher sie sind, desto länger bleiben sie sichtbar: da aber die Schat - tengränze nie ganz scharf ist: so giebt dies keine grosse Genauigkeit. 2, man mist die Erhöhung der Berge durch Projekzion auf dem Mondrande selbst, bei Sonnenfinsternissen. 3, und dies ist die beste Art; durch die Länge des Mondschattens: hier erhält man eine solche Genauig - keit, dass man den Mond weit besser kent, als die Erde, und Höhen von 3 4 500 Fus (ungefähr so hoch als die Müggelsberge) gemes - sen hat; ja wenn wir voraussezen dürfen, dass man auf dem Monde dieselben Fernröhre habe, als hier: so mus man von dort aus die Erde auch weit genauer kennen, als wir, und manche Frage, welche wir hier vergebens zu lösen suchen,z. B. dieNordwestlicheDurchfahrt, müste sich vom Monde aus aufklären lassen.

Genau genommen solten wir nur die Hälfte des Mondes sehen, welche er uns zukehrt: wir sehn aber wegen der Schwankung der Mondaxe etwas mehr. Galileifand dies zuerst 1657 in seinem Gefäng - nisse in Arcetri, und nante es die Titubazion des Mondes. 37Später beobachteten daran Hevel, Tobias Meyer, Bouvardund Nicoletman benuzte besonders den Flekken Manilius dazu. Die Vibrazion, wie man es jezt nent, beträgt 6 in der Breite und Höhe. Die Rotazion der Axe ist zwar gleichförmig, aber der Umlauf um die Erde116v ist Störungen unterworfen: von diesen glaubte man, dass sie am Ende so gros werden könten, dass mit der Zeit auch die andre Hälfte des Mondes sichtbar werden könne: allein es läst sich beweisen,<da>ss diese Hofnung auch für unsre spätesten Enkel nicht vorhanden ist.

Die Topographie des Mondes ist in Hinsicht auf die Gebirgsl[?]emerkwürdig, und von den übrigen Phänomenen unseres Systemes abweichend; wenn wir nämlich auf der Erde und Venus die Ge - birge in Ketten vertheilt sehn, so sind diese auf dem Monde äusserst selten, und man zählt deren nur 3: die Alpen, Py - renäen unddie Acherusische Kette, welche ohne Krater sind: in diesen erhebt sich Huygens bis auf 3900 Toisen; ein Theil des Mondes ist ganz von Kratern durchlöchert, und auf der südli - chen Hemisphäre findet man die grösten Höhe,n, welches vor der genauen Messung des Himalaya eine Analogie mit der Erde und andern Planeten darbot: Leitnitz und Dörfel, die beiden höchsten Punkte des Mondes erheben sich bis zu 4166 Toisen, d. i. 1 / 214 des Mondhalbmessers, während der Dha - valagiri, als höchsterSpize des Himalaya, obgleich noch nicht117r hinlänglich genau bestimt, nur 1 / 700 des Erdhalbmessers ausmacht: daher lassen sich Monde-und Erdberge nicht gut miteinander vergleichen. Es giebt auch Plateaus auf dem Monde, die benant werden: Hipparch und Platon sind von bedeutender Grösse: der lezte hat 20 Meilen im Durchmesser, also ungefähr so gros als Böhmen. Da sehr viel auf die Masse der Berge ankömt, so habe ich dafür in Amerika mehrere Messungen angestelt, und gefunden, dass man sich einen übertriebenen Begrif davon gemacht hat: der Durchmesser des Chimboraço am Grunde beträgt nicht über 5 6000 Toisen, der des Antisana 2 3 Meilen.

Die Mehrzahl der Berge auf dem Monde haben ein vul - kanisches Ansehn, und die Krater sind den unsrigen sehr ähnlich. Oft findet man auf den Berg einen Aschenkegel aufgesezt, wie beim Vesuv, oft ist er auch an der Seite des Berges, wie bei einigen Vulkanen von Südamerika. Flus - betten finden sich nicht, was man dafür gehalten hat, ist ein Zusammenhang von kleinen Kratern, die oft ein künst -117v liches Ansehn haben, indem sie auf einer Höhe, wiedereinerTeufels - mauer fortlaufend eingesenkt sind.

Seit dem Jahre 1783 hat man von Ausbrüchen der Mond - vulkane gesprochen, welche wohl möglich wären, obgleich die Mondathmosphäre für uns ein vacuum ist: denn es ist nicht zu läugnen, dass es Feuererscheinungen ohne Luft giebt. Her - schelglaubte sie gesehn zu haben, so wie der Graf Brühlin London, der sich um die Pendelmessungen sehr verdient ge - macht hat. Schröterbehauptete, ohne Zweifel von seiner Ein - bildungskraft etwas verleitet, an solchen Stellen nach 2 Tagen kleine Kegel sich bilden gesehn zu haben; allein der Zustand unsrer Athmosphäre selbst ist zu unbeständig, um so etwas mit Gewisheit auszusprechen, und wir können sagen, dass wir auf dem Monde vor unsern Augen nichts neues haben entstehn sehn. Höchst wahrscheinlich sind es spiegelnde Felsen, welche in eine solche Lage zu unserer Erde kommen, dass sie das Licht der Sonne zurükwerfen. Diese Phänomene sind fast immer auf demselben Punkte, im Aristarch sichtbar, den schon Hevelwegen seines röthlichen Ansehns mons porphyrites118r30.nante: es ist dazu eine besondere Lage der Erde gegen den Mond nöthig, die gewis nicht oft vorkomt.

Wenn der Mond von der Erde Licht empfängt, so ist es nicht gleichgültig, in welcher Lage sich dieselbe befindet, ob sie ihm mehr Land oder Meer zuwendet: von den opaken Theilen der Südsee mus natürlich das Licht schwächer reflektirt werden, als von dem Innern von Afrika oder Hochasien. Bouguerglaubte sogar, dass das Licht von den vegetazionsreichen Ufern des Orinoco und Amazonenflusses im Monde grünlicher als gewöhnlich erscheinen müsse. Der Stand der Erde mus den Mondbewohnern, bei einiger Aufmerksamkeit, als eine recht genaue Uhr dienen können.

23. Vorlesung, 23.01.1828

Die spezielsten und besten Mondkarten sind die von Lohrmannin Dresden; eine kleine sehr gute Karte lieferte Gruithusenin den Bonner Schriften derKayserlichenNaturforscheres ist diese eigentlich die alte Karte von T. Meyer, worin Gruithusenalle neuen Beobachtungen, besonders die von Schrötereingetragen hat.

So wie auf der Erde ein Unterschied zwischen den beiden Hemisphären118v stattfindet, indem man die nördliche die Kontinental -[,] die südliche die ozeanische Hemisphäre nennen kann, eben so auf dem Monde; obgleich man keine Flüssigkeiten darauf bemerkt, und kann ein Raum ¼ so gros als Berlin gefunden werden kann, der völlig in demselben Niveau läge: nur in der nördlichen Hemisphäre des Mondessindsehn wirKettengebirge; von deren die Apenninen das höchste sind nur mit 2 Kratern, grade als ob die elastischen Dämpfe nur an diesen 2 Stellen das Gebirge hätten durchbrechen können. Sie sind unserm Alpengebirge nicht unähnlich, und liegen zwischen dem Mare hybriumund dem Mare serenitatis. Daneben ist eine sehr tiefe Spalte; auf der südlichen Hemisphäre sieht man nur Centralgebirge oder Umwallungen. Zwischen dem Ptolemaeus und Orontiusliegt eine grosse Masse von zusammenhängenden Essen (wie sich Leop. v. Buchin dem treflichen Werke über die Vulkane ausdrükt) welches lauter Krater sind. Bei schwa - chen Vergrösserungen sieht man noch eine andre Erscheinung, für welche wir keine genügende Erklärung haben. Vom Tycho anfangend sieht man eine Menge von weissen Streifen, die wie Lichtfäden über Berg und Thal gehn, als ob grosse Strekken Lan -119r des mit weissen Blüten besezt wären. Bei stärkeren und den stärksten Vergrösserungen nimt das Phänomen an Deutlichkeit ab.

Von 1790 und 94 an beobachtete man vulkanische Feuererschei - nungen auf dem Monde: man hält aber jezt dafür, dass er Reflexe des Erdenlichtes im aschfarbenen Theile des Mondes sind, die wie röthliche und weisliche Funken erscheinen: sie stehn immer in der Nähe vom Helikon, zweifelhaft beim Platon. Lamberthat bemerkt, dass diese Funken nur dann vorkommen, wenn das Innere von Afrika sein Licht auf den Mond wirft. Ich beobachtete mit Aragoin Paris mehrere solche Flekken, die wie Sterne der 3tenund 4tenGrösse erschienen, und es scheint mir nicht unmöglich, dass es grosse spiegelnde Glimmermas -flächensensein können.

Boeckhin seinem Philolaosführt alle die Meinungen an, welche die Alten von den Bewohnern im Monde und ihren Werken hatten, und eine Stelle im Ciceroist sehr merkwürdig für diese Ansicht. Um aber zu bestimmen, auf eine wie grosse Ge - nauigkeit wir bei diesen Untersuchungen rechnen können, müssen wir zuerst die Frage beantworten, wie hoch oder wie gros mus119v ein Gegenstand sein, damit wir ihn auf dem Monde unterschei - den können? Diese Frage läst sich mit so grosser mathemati - scher Sicherheit beantworten, als nur irgend eine. Man macht sich auf der Erde gewöhnlich zu grosse Vorstellungen von der Ausdehnung der Städte: denn wenn[ man] auch für London 5 englische Meilen in die Länge und 3 in die Breite annimt, so ist der Flä - chenraum noch nicht 1 geogr. Quadratmeile, sondern nur 7 / 10. Berlin ist fast um die Hälfte kleiner; man würde indessen doch noch auf dem Monde einen Raum von denGens-d'armes-Thürmen bis zurKöniglichenBibliothek als einen sichtbaren Punkt unter - scheiden. Trozdem sind manche Astronomen auf wunderliche Phantasien gekommen. Schröterselbst wolte auf dem Monde die Pracht der bebauten Felder wahrgenommen, und im Marius eine Selenitenwohnung von 80 Fus Höhegesehn haben. Neuerlich sind diese Träume im südlichen Deutschland noch weiter ausgeführt worden. Man sah Chausseen, auf denen die Mondbewohner sich begegneten, Palmenwälder und baumartige Farrenkräuter, einen im Viereck gebauten Sternentempel, ja es wurde die Frage ventilirt, ob Brunnenkresse im Monde120r wüchse, und dies alles wolte man durch Fernröhre von Frauenhoferbemerken, die nicht einmal dem grossen Dorpater Refraktor gleich kamen, sondern nur 5 60 Fus Brennweite hatten. Messen kann man im Monde nicht mehr alseine½Sek. Angulardistanz[,] d. h. 1800 Fus: nun kann man aber noch manches unterscheiden ohne es zu messen, indem sich noch bis auf dieser Distanz durch den Schatten unterscheiden läst; also sind 6 700 Fus die äusserste Gränze des Unterscheidbaren. Bei Perpendikular - höhen kann man 5 ja 300 Fus mit Sicherheit messen. Die Pyramide des Cheops hat 440 Fus, der Münster in Strasburg ungefähr eben - soviel. Bei dem allen wird es aber nicht möglich sein, Kunst - werke von Naturwerken zu unterscheiden: denn die Basalt - kuppen von Vivarais in Auvergne könte man aus der Ferne gesehn sehr gut für Kunstwerke halten. Die Mondstädte, welche man zu sehn geglaubt, haben wenigstens 30 40 Quadrat - meilen im Umfang, sind also eher Länder als Städte zu nennen.

Die Athmosphäre des Mondes nähert sich dem, was wir unter unsern Pumpen ein vacuum nennen, und ist über 1000120v mal geringer als die unsrige, wie sich dies aus der Stralenbre - chung sehr genau berechnen läst. Das Queksilber im Barometer würde sich also kaum auf der Höhe von einigen Linien erhalten. Schröterhat berechnet, dass dieAthmosphärekaum 800 Fus Höhe haben kann. Bei Sonnenfinsternissen hat man sie zu sehn geglaubt, wobei man auch Löcher im Monde bemerken wolte. Der Spanier Ulloa, welcher zulezt Gouverneur in Südamerika war, beobachtete auf seiner Rükreise, auf dem Meere eine Sonnenfinsternis am 24. Januar1778; und sah vor dem Austritte einen leuchtenden Punkt, den auch mehrere Personen bemerkten, die mit ihm auf dem Schiffe waren. Delambrehat alles genau nachgerechnet, und gefunden, dass diese Feuererscheinung nur wenige Minuten vor dem Austritte stattfand: es ist daher wahrscheinlich, dass so wie es auf dem Monde hohe Berge giebt, es auch an tiefen Schluchten nicht fehle, und dass ein solcher Ausschnitt am Rande gestanden habe, in welchen die Sonnenstralen einige Zeit früher hineinfielen. Etwas ähnliches beobachtete man 1725 in Rom: doch herscht hier noch grosse Unsicherheit. Auch hat man bei Sonnenfinsternissenbunte Ringe von mehreren Minuten Breite121r um den Mond gesehn: welches vielleicht von der Schwächung des Gesichtes bei anhaltendem Beobachten herzuleiten ist. Anders verhält es sich mit den Blizen, die Halleyund Newvillebei Finsternissen an den Rändern des Mondes zu sehn glaubten, und auch für eine Erscheinung im Auge hielten. Lemonnierbeschreibt es ausführlich. Als die Sonne verfinstert war, sah man eine Menge Raketen am Rande des Mondes aufsteigen, und dies war so auffallend und deutlich, dass in einer kleinen Stadt Frankreichs das Volk auf den Strassen zusammenlief. Es müs - sen hierbei in der Mondathmosphäre Prozesse vorgehn, die wir nicht weiter zu erklären im Stande sind.

Hevelwar der erste, welcher sich um die Topographie des Mondes verdient gemacht hat, indem[ er] den verschiedenen Ländern Namen gab; Grimaldiund Ricciolibenanten die Berge nach den Naturforschern, wozu später einige Philosophie kamen. 2 vor - trefliche handschriftliche Karten des Mondes befinden sich auf der Pariser Bibliothek; die eine vom grossen Dom. Cassini, die andre von Lahire: dann kamen die Arbeiten von Tobias Meyerin Göttingen, von Schröter, und endlich von Lohrmann.

121v

Der Einflus, den der Mond auf die Erdbewohner ausübt, ist in jeder Hinsicht sehr gros, wobei auch die Erleuchtung der Nächte in Betracht kommen mus, obgleich dies nur eine teleologische Ansicht ist; und Hevelsagte mit Recht, dass auf eben dieselbe Weise, den Bewohnern der uns zugekehrten Mondhälfte, die Erde, welche ihnen 4 5 mal grösser als uns der Mond erscheint, als nur für die Erhellung ihrer Nächte geschaffen vorkommen möchte. Laplacein seiner Méchaniquecéleste, bei der Untersuchung, ob der Mond nur zur Erleuchtung unsrer Nächte da sei, kam auf eine Betrachtung, die man scherzweise sein: Rezept zu einem beständigen Mond - schein genant hat; er sagte nämlich, wenn nur dies der Zweck des Mondesgewesensei, so habe es bei seiner Erschaffung ein weit besseres Mittel dazu gegeben: wenn nämlich der Mond bei seiner Entstehung in einergewissenbestimtenStellung zur Erde ge - wesen wäre, und beide sich in einer bestimten Zeit um die Sonne gedreht hätten, so würden wir beständig Vollmond haben. Der Mond erregt kleine Bewegungen nicht blos in den Meeren, sondern auch in der Athmosphäre der Erde. Für die Seefahrer122r31.ist er zur Bestimmung der Länge von der grösten Wichtigkeit. Die Messung der Monddistanzen verglichen mit der Zeit, giebt dem Schiffer den Punkt auf welchem er sich befindet: ja man hat neuerlich hierauf mehr als auf die Chronometer vertraut, weil die Monddistanzen absolute Beobachtungen sind.

Die ganze Mechanik des Himmels in ihrer schönsten Ausbil - dung verdanken wir den Beobachtungen am Monde. Die Figur und Abplattung der Erde ist durch ihnmitvermittelstblosser Rechnung mit so grosser Genauigkeit bestimt, alsmaneskaum durch weite Reisen, langwierige geodätische Messungen und schwie - rige Pendelbeobachtungen geschehen konte. Durch ihn beweisen wir die Unveränderlichkeit der Tageslänge seit Hipparch, sie hat in diesen 2000 Jahren nicht um ½ Sekunde ab - oder zuge - nommen: daraus schliessen wir, dass auch die mittlere Tempe - ratur der Erde immer dieselbe geblieben sei.

Wir bleiben noch in dem Raume, der uns zunächst liegt, und sprechen zuvörderst Von den Erscheinungen des Zodiakallichtes.

Man bemerkt in südlichen Klimaten nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang einen pyramidalen Lichtstreifen,122v der in der Richtung der Sonne sich schief vom Horizonte in die Höhe erstrekt. Cassinientdekte ihn für unsAbendNordländer zuerst 1683, und war so verwundert über diese neue Erscheinung, dass er die Frage aufwarf, ob das Thierkreislicht nicht damals überhaupt zuerst erschienen sei, so wie er auch in der Überzeugung gestorben ist, dass es sich in seinen lezten Lebensjahren verstärkt habe. Bald fand man aber, dassa〈…〉〈…〉ndreandreVölker es schon kanten. Chardinbeobachtete es in Persien, und erfuhr, dass es längst bekant sei, und einen eignen Namen Miasadsch habe. Unter den Tropen, wo fast keine Woche vergeht, ohne dass man bei völlig klarem Himmel einen schönen Sonnenuntergang sieht, mus es von jedermann bemerkt werden. Dennoch habe ich auf der Pariser Bibliothek einen mexikanischen codex gefunden, wo unter den Wun - dern, die der Ankunft des Fernand Cortez(1503 1520) vorangingen, diese pyramidale Lichterscheinung erwähnt wird. Méranund Cassinihielten es im Zusammenhange mit den Nordlichtern und den Sonnenflekken, welches sich nicht bestätigt hat. Ich habe es unter den Tropen sehr häufig beobachtet, und nicht immer von gleicher Stärke gefunden: ein gewisses Zukken darin war sehr deutlich,123r welches Cassiniauch bemerkte, aber für Ermüdung der Augen hielt. In Carracás fand ich, dass es von 2 zu 2 Minuten abwechselnd schwä - cher und stärker wurde, welches ich nicht blos auf Rechnung von Verdikkungen in unsrer Athmosphäre schreiben kann: denn wenn ich während des schwächeren Scheines einesnkleinen Nebelflekkenim Schiffeim Schiffe Argo beobachtete, so konte ich in der Lichtstärke desselben keinen Unterschied wahrnehmen. Man hielt es früher für die abge - plattete Athmosphäre der Sonne, allein Laplacehat gezeigt, dass diese höchstens bis zum Merkur gehen kann, er glaubt, dass es die Reste einer früheren Sonnenathmosphäre sind, die sich zu - sammengezogen hat.

Vom Mars.

Durchmesser 936 Meilen, also 55 / 100 von dem der Erde: er ist der lezte Planet, an dem man Phasen sieht. Herschelbestimte seine Abplattung sehr gros auf 1 / 12 Schröterdagegen auf 1 / 80, und Hardinghat sie wieder auf 1 / 12 zurükgebracht: er bemerkte gewal - tige Undulazionen, die er Flüssigkeiten zuschrieb, und 2erlei Arten von Flekken darauf; die eine Art ist den beweglichen Wolken ähnlich, das andre sind 2 helle Flekken an den Polen, die weisser123v werden, wenn der Pol in der Nachtseite steht: man kam daher auf den Gedanken, dass es Eisfelder sein könten. Maraldihat ihn viel beobachtet, auchHerr Kunowskiin Berlin. Lacaillemachte durch ihn, während Lalandein Berlin war, schöne Beobachtungen für die Sonnenparallaxe; für Keplerwurde er wichtig durch dieGgrosse Exzentrizität der Bahn, wodurch er auf sein 2tesGesez kam, dass alle Planeten sich in Ellipsen um die Sonne bewegen.

Von den 4 kleinen Planeten oder Asteroïden.

Schon die Alten vermutheten, dass zwischen Mars und Jupiter ein Planet kreisen müsse: Demokritusund Artemidorus, auch Aristotelesbeim Simplicius.

Alle 4 zusammen sind nicht viel grösser als der Mond: der Durchmesser der Vesta, als des kleinsten, beträgt 40 50 Meilen. Herschelhat den verächtlichen Namen Asteroïden eingeführt; (so wie man in der Chemie die Metalloïde aus den Alkalien nicht zu den wahren Metallen zälen will) Laplacenante sie teleskopische Planeten. Sie sind in der umgekehrten Ordnung entdekt, wie sie uns am nächsten stehn:

  • Sonne: Mars: Vesta
  • Juno
  • Pallas
  • Ceres.
124r

[Die] Vesta wurde 1807 von Olbersentdekt: Gausgab ihr den Namen, der überhaupt durch seine genauen Berechnungen der Aberrazionen vielEhreVerdienst um die Asteroïden hat. Juno von Hardingin Lilienthal 1804. Pallas von Olbers1802. Ceres von Piazzi. 1801.

Die Entdekkung der Ceres ist zufällig durch einen Schreibfehler im Wollastonschen Kataloge herbeigeführt: ein kleiner Stern stand nicht an seiner Stelle: statt dessen bemerkte Piazzieinen neuen, und fand, dass es ein Planet sei. Die Vesta aber wurde von Olbersrecht mit Absicht aufgesucht und entdekt; er fand durch Rechnung, dass am Flügel den Jungfrau die Stelle sei, wohin die Knoten der Bahnen aller kleinen Planeten fallen müssen, welche zwischen Mars und Jupiter kreisen, welcher seinem Scharfsinne die gröste Ehre macht. Enckehat berechnet, ob wohl eine Zeit ein - treten könne, wo sie alle 4 sich wieder so sehr nähern könten, dass sei, so zu sagen, sich zusammenballen müsten, und hat ge - funden, dass dies in 3400 Jahren der Fall sein wird. Die Umlauf - zeit der Vesta ist von 3 Jahr 7 Monaten, von Ceres und Pallas 4 Jahr 7 Monate, bis auf wenige Tage Unterschied. Die Exzentri - zität ist bei allen sehr gros, bei der Juno und Pallas am stärksten, wodurch sie etwas kometenähnliches erhalten. Die124v Neigung der Bahn bei allen sehr stark. FTroz des kleinen Durchmessers sind sie sehr leuchtend, vielleicht durch eine eigne Phosphoreszenz; die Bahnen sind so verschlungen, dass man bei einem Modelle davon nicht eine herausnehmen könte, ohne die andern zu berühren; in den Knoten kom̃en sie sich sehr nahe.

24. Vorlesung, 26.01.1828

Wahrscheinlich sind es Trümmer von einem früheren Planeten, der aber nicht grösser war als unser Mond.

Vom Jupiter.

Mit dem Jupiter begint das System der äusseren Planeten, das ein allgemeinen dünner, mondreicher, und mit einer grösseren Ab - plattung versehn ist. Die Massen des Jupiter und Saturn zusammen üben nicht allein einen bedeutenden Einflus auf die Bahnen der Planeten, sondern auch der Kometen.

Jupiter ist ausgezeichnet durch seine grosse Lichtstärke, die gelbe Farbe und den hellen Glanz: sein Durchmesser beträgt 11 Erddurchmesser: seine Grösse übertrift um die aller übrigen Planeten in eine Kugel vereinigt. Die Dichtigkeit ist nicht grösser als Salpetersäure: dennoch aber die Masse sehr gros: daher die Störungen bedeutend.

Man sieht auf ihm Streifen und Flekken, unabhängig vom Schatten125r der Jupitersmonde, auch einzelne leuchtende Punkte. Seine Athmosphäre ist von besonderen Streifen durchzogen, welche man später entdekte, als die Monde, nachdem die Fernröhre sich vervolkomnet hatten: ja nach jezt kann man die Güte des Fernrohrs und der Beobachtungen nach der grösseren oder geringeren Deutlichkeit bestimmen, womit man die Streifen gesehn: daher wird dies auch immer bei Verfinsterungen der Trabanten angegeben. Gewöhnlich sich man 5 Streifen von bräunlicher Farbe, von denen 2 in der Nähe des Aequators stehn: der mittlere ist heller: man hat schon bis 10 Streifen gezält: dann kommen kleine beweg - liche Flekken vor, die parallel mit den Streifen aber nicht in den - selben, fortgehn. Die Bewegung, welche man in den Streifen selbst wahrnimt, scheint mit der Rotazion zusammenzuhängen. Cassinihat zuerst die Rotazion des Jupiter bestimt: er bemerkte einen kleinen Flekken, welcher am Pol stand, und von 1665 66 ununterbrochen wie - derkam: hienach war die Rotazion 9 Stunden 56 Min. 1690 war derselbe Flek wieder mehrere Monate sichtbar. Schröterbei seinen Untersu - chungen über den Jupiter fand dasselbe Resultat. Cassinibestimte die Abplattung sehr gros 1 / 14. Schröterglaubt noch eine eigenthümliche Form des Jupiter wahrgenommen zu haben, wonach die Abplattung125v nicht dem Aequator parallel, sondern vonSüdwestnachNordostherumliefe, was aber unsicher ist.

Wichtig ist der Jupiter für die Schiffahrt, durch die Verfinsterung seiner Trabanten: diese Monde, 4 an der Zahl wurden zuerst von Simon Mayer(den man gewöhnlich Mayusnent) in Anspach ent - dekt 1609: er nante sie Sidera brandenburgica: da er aber seine Ent - dekkung nicht bekant machte; so kam ihm Galileizuvor, der sie 1610 entdekte, und Sidera medicaea nante. Auch diese haben Flekke, welche besonders beim 4tenauffallend sind: durch ihn wurde ein Gesez der Weltordnung bestätigt, dassdiebei allen Monden die Umdrehung um ihre Axe gleich ist der Umdrehung um den Planeten, d. h. dass sie alle ihren Planeten dieselbe Seite zudrehen, wie unser Mond; jeder der 4 Trabanten ist grösser als unser Mond: der 3teist der gröste. Vom 1tenTrabanten aus erscheint Jupiter in einer Grösse, die das ganze Sternbild des Orion bedekken würde.

Laplacehat für die Tafeln des Jupitertrabanten sehr viel gethan, und obgleich man sich zu Messungen auf dem Meere mehr der Monddistanzen für die Länge bedient: so hat man doch126r32.auch kürzlich angefangen,Jupitermonde zu beobachten, welche eigent - lich für die Geographie der Länder von dem grösten Nuzen sind. Laplacehat die Tafeln so vervolkomnet, dass dieFehlerBerechnunggegen die Beo - bachtung nur einen Fehler von 8, 10, 12 Sek. selten über 20 Sek. giebt. Er fand auch das merkwürdige Gesez, dass die 3 ersten Trabanten nichtezugleich verfinstert werden. Sie bewegen sich als lichte Punkte vor der Scheibe vorbei, und werfen einen Schatten, der auch deutlich sichtbar ist. Aragohat für diese Untersuchungen viel gethan.

Vom Saturn.

Er ist entfernter als Jupiter, hat aber ein kleineres Volumen, wodurch also das Gesez zerstört wird, welches bis zum Jupiter gegolten hat, dass die Planeten mit der Entfernung von der Sonne an Volumen zunehmen. Sein Durchmesser ist 9,4 Erddurchmesser. Seine Rotazion, welche man erst spät fandist von 10Stunden16 Min. Die Abplattung, 1789 von Herschelentdekt, ist eine doppelte, deren gröster Durchmesser einen Winkel von 45° mit dem Aequator macht: er ist daher am Aequator und an den Polen abgeplattet: bräunliche Streifen auf dem Saturn sahen Herschel, Schröterund Kunowski. Der Saturn hat 7 Trabanten, von denen man 5 schon126v früher kante, die 2 innersten aber wurden von Herscheldurch sein 40 - füssiges Teleskop entdekt, das sonst eben keinen grossen Nuzen in Verhältnis zu seiner Grösse gebracht hat, weil es die Weltkörper nicht terminirt: daher zeigte er es auch nicht den Astronomen, sondern nur den Liebhabern; diese beiden innersten sind die kleinsten planetarischen Körper welche wir kennen, kleiner als〈…〉〈…〉Vesta; der gröste Saturntrabant ist kleiner als unser Mond. Im 7tenhat man Flekken entdekt, welche es bestätigen, dass er dem Saturn immer dieselbe Seite zukehrt; in der Zälung der Trabanten herscht oft Verwirrung, in dem man die beiden neu-hinzugekommenen oft den 6ten& 7tennennt.

Der Ring des Saturn ist eine der wunderbarsten Erscheinungen, die in unserm Planetensystem vorkomt, und einzig in ihrer Art. Er wurde nicht von Galilei, sondern von Huygensentdekt. Galileiglaubte einen dreifachen Planeten zu sehn, daher nent er ihn mit spielender Geheimniskrämerei: tergeminum planetam. Huygenserkante ihn aber 1619 wirklich als Ring. Er verschwindet in den meisten Fernröhren, wenn die Sonne in der erweiterten Ebne des Ringes steht, weil er an seiner scharfen Kante nur 113 Meilen127r Dikke hat, bei Herschelist er aber nie verschwunden. Es sind eigent - lich 2 konzentrische Ringe, welche sich gegenseitig balanziren. Zweifelhaft ist es, ob er nicht mit dem Planeten durch eine dikke Masse zusammenhängt, obgleich in Priestley's Geschichte der Optik angeführt wird, dass man einen kleinen Stern in dem Zwischenraume gesehn habe. Schröterglaubte, dass der Ring unbeweglich sei, wel - ches mit der Theorie auf keine Weise zusammenstimt: aber auch Hardingfand dasselbe, indem er beobachtete, dass gewisse Knoten auf dem Ringe, die man für Berge gehalten hat, sich 16 Stunden lang nicht von der Stelle bewegten. Man hat die Erklärung versucht, dass mehrere konzentrische Ringe, welche nicht in einen Ebne liegen, diese Knoten verursachen könten: denn verdächtig ist es immer, dass man keinen Schatten der Berge gesehn hat. Die Nächte auf dem Saturn müssen sehr malerisch sein; denn die vielen Monde durch - laufen in 11 Stunden sehr viele Wechselstellungen.

Vom Uranus.

Durch seine Entdekkung ist die Gränze des Planetensystems um das doppelte hinausgerükt worden. Sein Durchmesser beträgt 4 Erddurchmesser: seine optische Grösse 4 Sek. dennoch ist er nicht127v selten mit blossen Augen gesehn worden, woraus man schliessen kann, dass er ein starkes eignes Licht, vielleicht von einer Phosphoreszenz herrührend, haben mus. Herschelglaubte 2 Ringe an ihm zu sehn, die rechtwinkl¨[?]ig auf einander ständen: dies bestätigt sich aber nicht: dagegen fand er 6 Satelliten, die ganz unzweifelhaft sind, obgleich bis jezt nur der 2teund der 4tevon andern Astronomen gesehn wurden. Von Flekken hat man nichts bemerken können, auch keine Rotazion: dagegenochläst sich von der Stellung der Monde auf die Lage des Aequators schliessen, der senkrecht auf der Bahn steht, also geschieht die Umdrehung vonNordnach Süd.

Von den Kometen.

Das Alterthum beschäftigte sich angelegentlich damit. Die Pythagoräer hielten sie für Planeten. Diod. Siculuserzählt, die Aegypter rühmten sich, die Wiederkunft der Kometen vor - hersagen zu können; dies gründet sich nur dazrauf, dass man bei den damaligen unvolkomnen Beobachtungen irgend einen nach 70 oder 100 Jahren erscheinenden Kometen für einen frü - her dagewesenen ansah: auch die Kentnisse der Chaldäer in diesem Punkt waren gewis ganz unbedeutend. Senecahat das128r beste geschrieben, was wir aus dem Alterthume über die Kometen haben: es war zu seiner Zeit ein sehr grosser erschienen, und er diskutirt weitläufig die Frage, ob dies derselbe sein könne, der bei Caesars Tode sichtbar war. Nachher verdunkelten sich die Vorstellungen davon sehr, und bis in das 16teJahrhunderthinein hielt man sie für Meteore. Acostawill noch daraus die Höhe der Passatwinde erklären: es war grade ein Komet erschienen, der vonOstnachWestging, und da die Passatwinde dieselbe Richtung haben: so glaubte er, sie gingen bis zur Höhe des Kometen hinauf. Alle bewegen sich in sehr exzentrischen Ellipsen, manche ohne Dunst - hülle und Schweif.

Gewöhnlich giebt man an, dass der gelehrte Dörfelzu Plauen im Voigtlande 1680 die parabolische Bahn der Kometen erkant habe, allein schon früher fand H. Percy, Herzog von Northumber - land, das richtige, dass sie sich in Ellipsen bewegen. Die genaue Theorie davon gab der grosse Newton, indes war der grosse Halley- sche von 1682 bis dahin der einzige, von dem man gewis wuste, dass er wiederkehrte. In den mexikanischen Analen steht die Erscheinung der Kometen von 1490 und 1527 unter den Wundern,128v die der Ankunft der Conquistadores vorangingen. Damals wurden, wie auch öfter in China, alle Astronomen gehangen, weil sie die Erscheinung nicht vorausgesagt hatten: selbst in Paris war 1811 und 1819 eine unwillige Bewegung darüber im Volke, dass die Astro - nomen den Kometen nicht vorhergesagt hatten.

Man glaubte anfangs, in den Asteroïden einen Übergang zwischen den Planeten und Kometen zu finden, theils wegen der Exzentrizi - tät der Bahnen, theils wegen der starken Neigung derselben: man glaubte auch um die kleinen Planeten Nebel zu entdekken: allein man hat sich durch Rechnung überzeugt, dass nie aus einem Planeten ein Komet und umgekehrt entstehn kann. Laplacehat diese Unmöglichkeit zur Evidenz erwiesen. Die Kometen gehn vonOstnachWest, auch umgekehrt, und überhaupt in allen möglichen Richtungen um die Sonne.

Der Kern der Kometen ist nicht von den übrigen Theilen so abgesondert, wie man früher glaubte: er verschwimt mit der Dunsthülle: welches mit der Theorie sehr gut stimt, indem die oberen Schichten immer auf die unteren drükken müssen: um sich von diesem Drukke einen Begrif zu machen, braucht man nur anzuführen, dass auf unserer Erde in einer Tiefe von 40 Meilen das129r Platina schon schwimmen würde. Trozdem ist der Kern des Kometen durchaus nicht dicht, sondern in einem völlig gasförmigen Zustande: denn Herschelsah am 9November1795 einen Doppelstern der 12tenund13tenGrösse durch den Kern eines Kometen, ganz deutlich: wie unendlich dünn müssen nun die äusseren Schichten sein, da schon das Innere so wenig Dichtigkeit hat. Schon Lahireglaubte 1682 Phasen an den Kometen wahrgenommen zu haben, und hielt sie für nicht selbstleuchtend, wel - ches sich auch volkommen bestätigt hat: denn sie haben nur ein reflektirtes Licht.

Olbershat berechnet, dass am 26 Juni 1819 ein Komet 3 Stunden vor der Sonne gestanden habe, und warf nun die Frage auf, ob er dunkel oder hell vor derselben erschienen sei: es entstand darüber ein grosser Streit unter den Astronomen. Der General Lindener, einer der fleissigsten Sonnenbeobachter, schlug sein Tagebuch vom 26 Juni nach, hatte aber nicht einmal einen Sonnenflekken gesehn: andre hatten Sonnenflekke gesehn, aber nur an den Rändern. Wildein Hannover wolte auch einen im Zentrum gesehn haben38: allein das scharfe kritische Urtheil von Olberszeigte dennoch, dass immer noch Ungewisheit vorhanden sei.

Die Dunsthülle, obgleich sie mit dem Kern verschwimt, hängt129v doch nicht mit dem Schweife zusammen: ja bei dem Kometen von 1811 war ein dunkler Raum zwischen dem Kern und der Dünsthülle,di[?]in welcher der Kern schwamm. Galileiverglich die Kometen mit einer Flamme, welche auch sehr transparent ist. ( Katerin England hat über die Durchsichtigkeit der Flamme schöne Versuche angestelt.) In der Sonnennähe hat man bemerkt, dass der Schweif grösser wird auf Kosten der Dunsthülle.

Der Schweif ist bei manchen Kometen von einer ungewöhnlichen Länge: der von 1680 nahm 70° ein, ja 1618 stand der Komet beinahe im Zenith, während der Schweif den Horizont berührte. 1744 erschien ein Komet mit 6 Schweifen, die durch dunkle Streifen getrent waren. Oft ist der Schweif nicht ganz in der Richtung von der Sonne ab, son - dern etwas inklinirt, doch so, dass die konkaven Seiten gegeneinander stehn: doch fand man auch 1823 einen Kometen mit 2 Schweifen, wo die konvexen Seiteneinander zugekehrt waren. Ein andrer vom Ende Januar 1823 hatte 2 Schweife, von denen der eine gegen die Sonne gerichtet war. Dies stöst alles um, was man bisher über die Natur der Kometen und die Bildung des Schweifes hat vorbringen können. Die beiden Schweife bildeten einen Winkel von 160° gegeneinander. Appiansoll es zuerst bemerkt haben, dass der Schweif immer von der130r33.Sonne abgekehrt ist; Delambrehat aber in seiner Geschichte der Astro - nomie bewiesen, dass dies erst 1537 von Fra Castorogeschehn ist.

1825 wolte DunlowRühmkerin Paramatta eine Rotazion von 19Stunden36 Min. im Schweife des zurükgekehrten Enckeschen Kometen wahrgenommen haben, die Sache ist aber zweifelhaft. Nicht alle Kometen haben bei ihrem Wiedererscheinen dieselbe Gestalt: bei dem Halleyschen hat sich der Schweif sehr vermindert, so oft er wiederkehrte, gleich - sam als ob auf der langen Reise von den gasähnlichen Theilen einiges verloren gegangen wäre. Mit dem von 1811 hat man sich besonders viel in physikalischer Hinsicht beschäftigt, daher kent man auch seine Masasse genauer. Herschelgiebt den Durchmesser des Kerns auf 93 Meilen an, also 2 mal so gros als Vesta: diekkugelförmige Hülle auf 27,000 Meilen Durchmesser, und den Schweif auf 22 Millionen Meilen Länge. 1819 am 3 July erschien plözlich ein sehr grosser Komet, und an diesem untersuchte ich mit Aragoob er ein phosphoreszirendes eignes Licht, oder nur ein reflektirtes habe: wir bedienten uns dabei des prismatischen Fernrohrs vonBergkrystall von Rochon, an welchem Aragoeine glükliche Verbesserung angebracht. Durch Bergkrystall gesehn, giebt nämlich das reflektirte Licht die Komplementarfarben: Aragofand wirklich für den Kometen130v eine kolorirte Polarisazion, zugleich beobachteten wir Capella, welche in der Nähe des Kometen stand, und fanden die doppelten Bilder unverändert. Derselbe Versuch wurde mit einem Wachslicht ge - macht, welches gradezu angesehn, unveränderte Bilder gab: lies man aber dasselbe auf einen Metallspiegel fallen, so gab das nun reflek - tirte Licht eine farbige Polarisazion wie der Komet.

Die Zahl der Kometen ist schwer zu bestimmen: 400 sind uns historisch bekant, nur 128 wirklich beobachtet: im 17[. ]Jahrhundertbeobach - tete man nur 10, im 18ten65, und im 19tennoch mehr, jemehr die Fernröhre sich vervolkomnet haben. Bedenkt man nun, wie viele ungesehn in den Sonnenstralen bleiben, berechnet man nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung die verschiedene Neigung ihrer Bah - nen: nimt man hiezu ihre verschiedene Entfernung von der Sonne: so dass manche ihre Sonnennähe zwischen Jupiter und Saturn haben: so darf man die Zahl derselben auf 400,000 angeben, und zwar als Gränze des Minimum.

25. Vorlesung, 30.01.1828

Man sieht also, dass die Kometen beiweiten den grösten Theil der Bevölkerung unseres Sonnensystems ausmachen. Nessierund Pons, früher in Marseille, jezt in Italien sind als die beiden Astronomen zu nennen, welche die gröste Menge von Kometen131r entdekt haben: doch mus man auch eingestehn, dass wir in unsererneusten Zeit für Kometenbeobachtungen sehr begünstigt gewesen sind: denn von 1769 1807 ist kein grosser Komet erschienen: dann kamen aber die bedeutenden von 1807, 1811 und 1819.

Noch vor 8 9 Jahren kante man nur die Wiederkehr eines einzigen Kometen mit Sicherheit, die des Halleyschen, welche 1682 berechnet wurde, dann erschien er 1759 und wird 1835 wiederkommen. Enckemachte 1819 die glänzende Entdekkung, dass ein kleiner Komet in ungefähr 3 Jahren um die Sonne gehe, welchen daher die Franzosen: Comête de courte période nanten. Der 3te Bielasche Komet wurde erst 1826 erkant. Zwar hat Olberseinen Kometen von 1815 elliptisch berechnet, und seine Periode auf 75 Jahre bestimt: allein es findet sich gar kein früherer Komet, welcher dazu paste, und die Zukunft wird entschei - den, ob er Recht hatte. Auch hielt man die beiden Kometen von 1532 und 1660 für identisch, und erwartete ihn 1790; allein vergeblich, wie es auch Olbersvorausgesagt, welcher einsah, dass die Elemente dieser beiden Bahnen nicht übereinstimten.

Wenn durch die Astronomen, und namentlich durch Lalande, eine grosse Furcht vor der Nähe eines Kometen verbreitet worden131v ist, so wurde auch dieselbe Furcht durch die Berechnungen der Astronomen wieder gehoben. Wir müssen also betrachten, in welche Sonnennähe und Erdnähe der nächste Komet bis jezt gekommen ist; und die Nähe berüksichtigen, in welche er zur Erdbahn kommen kann. Der von 1680 warnur 34,000 Meilen von der Sonneentfernt, also 5 / 8 einer Mondweite, von der Erde 10 Millionen Meilen ent - fernt. Der von 1770 war 6 Mondweiten von der Erde vorbeigegan - gen; durch den Physiker Lichtenbergwar der Irthum entstan - den, als sei er zwischen Erde und Mond durchgegangen, dies ist aber von keinem einzigen Kometen historisch nachgewie - sen. Der 2teinnere Komet, dieer Bielasche komt der Erdbahn am nächsten, indem er in manchen Fällen nur 2 Mondweiten von derselben entfernt ist.

Die Gefahr wird überhaupt sehr vermindert durch den Gedanken an die äusserst geringe Masse der Kometen, ob - gleich nicht zu läugnen ist, dass die Geschwindigkeit der Kometen, besonders wenn die Richtung grade entgegen - gesezt wäre, einen starken Stos hervorbringen würde,132r der Komet von 1770 ging durch das System der Jupitertrabanten, ohne die mindeste Störung in demselben hervorzubringen, also mus auch die Attrakzion sehr klein gewesen sein; von demselben Kometen berechnete Laplace, dass wenn er 1 / 5000 von der Masse der Erde gehabt, so würde unser Jahr um 3 Stunden ver - längert worden sein, da es aber nicht einmal um einige Sekun - den verlängert worden ist, so läst sich daraus auf die unend - lich geringe Masse des Kometen schliessen. Der Bielasche Komet durchschneidet zwar die Erdbahn, allein dennoch ist die Unwahrscheinlichkeit sehr gros, dass er je mit der Erde zusammentreffen wird.

Der Enckesche Komet zieht seine Bahnen zwischen Merkur und Jupiter, und wurde zuerst 1786 von Méchainbeobach - tet: dann 1795 von Miss Herschel, der Schwester des Astro - nomen, von Messierund Bode. 1805 von Pons, 1819 wieder von Pons. 1822 (nach der Vorhersagung von Encke) von Rühmkerin Paramatta in Neuholland, wo man ihn sogar mit blossen Augen sehn konte. 1825 von Hardingin Göttingen. Seine Umlaufzeit132v wurde 1819 entdekt; er geht wie alle übrigen Planeten vonWestennach Osten, und kann der Erde nie gefährlich werden, da ertheilsin zu grosser Entfernung von ihr bleibt, und nicht einmal mit seiner Bahn die〈…〉〈…〉Erdbahn berührt. Die Umlauf - zeit war verschieden, welches man einer eignen im Weltraum verbreiteten Materie zuschreibt, die vielleicht mit dem Zodia - kallicht Ähnlichkeit hat, aber sonderbar genug, so auf den Kometen wirkte, dass sie ihn der Sonne näher brachte, also seine Umlaufzeit verkürzte.

Dieser Komet wird nicht nur viel Licht über die Natur der Kometen verbreiten, sondern auch für manche Erscheinungen in unserem Systeme von Wichtigkeit sein: so wird er gewis mit der Zeit über die Masse des Merkur grosse Aufschlüsse geben, über die wir fast ganz in Ungewisheit schweben.

Der Bielasche Komet wurde 1772, 1805, 1822 gesehn, und133r seine Umlaufzeit beträgt 6 Jahr 9 Monate: in der Sonnennähe ist er nicht weit von der Erdbahn, während er auf der andern Seite nicht über den Jupiter hinausgeht. Sein Umlauf wurde 1826 von Bielagefunden, und fast gleichzeitig von Gambardin Frankreich: 1826 war er 114,000 Meilen von der Erde entfernt; es könte daher wohl der Fall eintreten, dass sein Schweif sich mit unsrer Athmosphäre vermischte: man glaubte, dass dies 1783 geschehn sein, wo ein merkwürdiger Höhenrauch die Sonne mehrere Monate lang verhülte, bis zulezt Aragobewiesen hat, dass auch bei der schnellsten Bewegung des Kometen dieselbe Verdunkelung auch jenseit des Atlantischen Meeres in Amerika müste Statt gefunden haben, wov<on>sich aber keine Spur findet. Der Höhenrauch mus also anderen uns unbekanten Ursachen zuzuschreiben sein.

Von den äusseren Kometen kennen wir nur einen, den Halleyschen; er wurde zuerst 1456 gesehn, und fält also in die ominöse Zeit, wo zugleich die Araber in Westen sehr schnell aus Spanien verjagt wurden, während sie in Osten133v reissend vordrangen, und 1453 Konstantinopel eroberten. Der Papst Kalixtuslies Gebete gegen diesen Kometen ausschreiben, und ihn förmlich verwünschen. Man hat ihn beobachtet: 1531,1682, 1759 und erwartet ihn wieder am 16November1835. Er hat also eine Periode von 76 Jahren, welche zwischen 75½ und 76 schwankt wegen der Anziehung der beiden gewaltigen Mas - sen des Jupiter und Saturn, die schon (allein) für sich ein eignes System von Planeten und Satelliten ausmachen. Halleyhatte sein Erscheinen 1682 vorhergesagt, und Clairaultüberreichte der Akadémie ein Mémoire, worin sein Erschei - nen auf die Mitte April 1759 bestimt war: er erschien wirklich in der Mitte März, und wenn man damals die Störungen des Jupiter und Saturn genauer gekant, und vom Uranus etwas gewust hätte, so würde man eine Genauig - keit von 5 bis 6 Tagen erreicht haben.

Noch ist zu erwähnen, dass der Komet von 1770 durch Lexelauf Jahr Umlaufzeit berechnet wurde: er134r34.wolte aber nicht erscheinen; Burkhardtin Paris hat sich sehr darum bemüht, und endlich fand man durch eine Menge der mühseligsten Rechnungen, dass seine Bahn inflektirt worden sei: er näherte sich nämlich 1779 dem Jupiter wieder auf so weit, dass dieser auf ihn einwirken konte, und nach den unab - änderlichen Gesezen, die man mit Unrecht Störungen nent, wurde die Bahn des Kometen so sehr perturbirt, dass er sich von uns entfernte, und wahrscheinlich nie wider er - scheinen wird. Der Komet von 1815, den Olbersauf 75 Jahr ellip - tisch berechnete, stand in seiner Sonnenferne 34 Erd - Halbmesser von der Erde entfernt, der Halleysche 36 Halbmesser.

Ganz algemein betrachtet können die Bahnen der Kome - ten: Kreise, Parabeln, Ellipsen und Hyperbeln (alle 4 Ke - gelschnitte) sein: allein nur eine mögliche Geschwindigkeit giebt Kreise und Parabeln; viele Geschwindigkeiten, wie sie durch die Perturbazionen bedingt werden, geben Ellipsen und Hyperbeln. Die Parabel ist die unwahrscheinlichste, die Ellipse die wahrscheinlichste Bewegung. Die Berechnungen134v aber werden gewöhnlich für die parabolische Bewegung gemacht, weil hier die grosse Axe eliminirt wird.

Laplacehat unwidersprechlich bewiesen, dass, so grosse[Ähnlichkeiten] man auch zwischen den Asteroïden und den neu-entdekten Kometen finden wolte, doch nie ein Planet zum Kometen und umgekehrt werden könte. Er hielt die Ko - meten für irrende Nebelflekke, die von einem Sonnensystem zum andern gehn können. Überhaupt nahm er an, dass alle Weltkörper aus einem Nebelzustande hervorgegangen wären; nach Herschels Beobachtungen, welcher sah, dass die entfernten Nebelflekke sich zerspalten, theilen und zusam - menziehn. So könten aus einem Nebelflekke, worin mehrere Kerne sich befinden, Sternenhaufen entstanden sein, wie die Plejaden; wo Kerne vorhanden sind, da wird sich ein Zu - stand bilden, wie wir ihn bei den Doppelsternen wahrnehmen, dass nämlich 2 Sonnen sich um einen gemeinschaftlichen Schwerpunkt drehen. Laplaceglaubt, dass jene dunstartige135r Materie sich ursprünglich so weit verbreitet habe, als unser Sonnensystem reicht. Der Zentralkörper zog sich langsam zusam - men und rotirte auch eben so langsam. Die Rotazion erstrek - te sich aber nur so weit, als die Schwere die Zentrifugalkraft das Gleichgewicht hielt. Sobald die einzelnen Körper sich dem Zentralkörper nähern, so wird die Rotazion, wegen der vermehr - ten Masse, schneller, und die Gränze der Athmosphäre ist kleiner, als vorher. Die Zusammenziehung derAthmosphäredes Zen - tralkörpers brachte nun eine Zerreissung der dunstförmigen Materie hervor, und an der Stelle der Planeten rotirten an - fangs Ringe von einer ungeheuren Grösse. Die Planeten ball - ten sich auf 2 verschiedene Arten zusammen, entweder als selbstän - dige Kerne, (wie Erdepp. ) oder als mehrere zusammengehörige Kerne, wie die Asteroïden, von denen aber Olbersmit grossem Scharfsinne annimt, dass sie Trümmer eines früheren Kernes wären, wodurch er mehrere[derselben] mit Absicht aufsuchte und entdekte. Die Planeten bildeten nun wieder ein Zentrum135v für ihr kleineres System von Trabanten, und ein ursprüng - licher Ring als specimen ist uns beim Saturn übrig ge - blieben: wenn dieser Ring sich wieder theilte, so würde der Sa - turn noch mehrinneTrabanten, und zwar lauter innere bekommen. Dieses System von Laplacehat einige Ähn - lichkeit mit dem von Buffon, welcher annahm, dass der Stos eines Kometen auf die Sonne die Planeten davon abgesprengt habe: wenn man annimt, dass der Stos vonWestnachOstund ungefähr in der Richtung des Sonnenae - quators Statt fand: so erklärt sich hieraussowohl die geringe Neigung der Planetenbahnen gegen den Sonnenaequator, als auch ihre Translazion vonWestnachOstaber die Rota - zion um ihre Axe ist nicht hinlänglich deduzirt.

Die Sicherheit von der Dauer unseres Planetensystems beruht auf der Kentnis der Mechanik des Himmels, und wir sehn, dass im Mittelalter viel darüber gestritten wurde. Dies liegt darin, dass wir alles für zufällig halten,136r was nicht nach bestimt aufeinanderfolgenden Gesezen erklärt werden kann: allein wir müssen nicht vergessen, dass in diesen Dingen die Periode grösser sein kann als unsre Erfahrungen: wir können sie deshalb nicht messen, und dennoch mag sie existiren; ferner aber ist auch das periodische gar nicht ein - mal no〈…〉〈…〉thwendig, um uns manche Erscheinungen zu erklä - ren; wir müssen sagen, dass alles das gesezlich ist, was aus Ursachen erkant werden kann, und wie könten wir behaupten dass uns alle Ursachen bekant sind. Eine Ordnung der Dinge kann auf die andre folgen, und alle können in einer grösseren unveränderlichen Weltordnung begriffen sein.

Noch mus hinzugefügt werden, dass in unserem Pla - netensysteme selbst durchaus keinePrinzip der Zerstörung aufzufinden ist: sie mus also immer von aussen kommen, und da sind die Kometen das einzige, das sie veranlassen könte. Alle Störungen in unserem Systeme sind nur Os - zillazionen um einen mittleren Zustand. Zuerst ändern136v sie blos die Richtung der Planeten in ihrer Bahn, dann affiziren sie selbst auch die Bahnen, welche aus ihrer Lage kommen; allein diese Sekularstörungen (so nent man die in grossen Perioden sich bewegenden) sind meist abz-und zunehmend, in einem beständigen Schwanken von hinüber und herüber begriffen. So verhält es sich mit der Exzen - trizität der Erdbahn, die sich sehr genau hat berechnen lassen: sie war 8400 Jahr vor unsrer Zeitrechnung am grös - ten, und wird von nun an noch 23,000 Jahre abnehmen, dann aber sich wieder nach der andern Seite hin in's Gleichge - wicht zu sezen suchen; so ist die Exzentrizität des Jupiter jezt im Wachsen bergiffen; die des Saturn dagegen nimt ab, und wird sich in 900 1000 Jahren (nach Laplace's Be - rechnung) wieder ausgleichen. Einer der merkwürdigsten Umstände aber ist es, dass die Sicherheit vor dem Über - handnehmen der Störungen durch Jupiter und Saturn, nur darauf beruht, dass ihre Umlaufzeiten nicht beide137r durch ganze Zahlen ausgedrükt werden können, d. h. sie sind irrazional zu einander. Sie sind ungefähr wie 12: 30, aber nicht ganz: denn dies gäbe 2: 5, und in diesem Falle würden sie nicht nur sich selbst, sondern auch alle andern Pla - neten zerstören. Der Jupiter hat 4332 Tage Umlauf Saturn 10739 , woraus man leicht berechnen kann, dass sie sich nur dem Verhält - nis 2: 5 nähern, aber schon diese Näherung ist es, wodurch sie in den Stand gesezt werden, so grosse Störungen in un - serem Systeme hervorzubringen, ein Erreichen des Verhält - nisses würde die Zerstörung nach sich zie〈…〉〈…〉hn.

Eine andre Bürgschaft für die Stabilität unseres Systemes haben wir in deruUnveränderlichkeit der grossen Axe der Planetenbahnen: sie bleibt in ihrer absoluten Grösse immer dieselbe; ferner in der ungeheuren Masse des Zentralkör - pers, die eine verhältnismässige Wurfkraft herbeiführt; ferner in der grossen Entfernung der Planeten von einander; so wie137v in der Kleinheit der Exzentrizität ihrer Bahnen, und der Neigung derselben gegeneinander. Laplacesieht nur 2 Gefahren, die im Sonnensysteme selbst begründet wären: 1, die widerstehenden Mittel, worüber der Enckesche Komet Aufschlus gegeben hat, der durch eine bewegung-hemmende Materie in seiner Bahn ge - stört, und der Sonne näher gebracht ist: so wird auch nach und nach bei den Planeten die Attrakzion gegen den Zentralkörper zunehmen; 2, das Abnehmen der Masse der Sonne durch langes Leuchten, wodurch sie immer schwächer und schwächer werden würde. Allein beide Gefahren sind wenigstens noch sehr entfernt.

Das einzige nicht-periodische in unserm System ist die Rich - tung der Absidenlinie (welche durch die beiden Erdpunkte der grossen Axe der Erdbahn geht) allein dies bringt weiter keine Gefahr, sondern veranlast nur, dass sie nach und nach gegen andre Fixsterne gerichtet wird.

138r
35.

26. Vorlesung, 02.02.1828

Wir kommen nun zum zweiten Theile unserer Wissenschaft, der die tellurischen Verhältnisse umfassen wird, und den man sonst gewöhnlich mit dem Namen: physikalische Geographie bezeichnet, welche hier nach der von Strabound Vareniusge - gebenen Erklärung: affectiones telluris generales umfast.

Im allgemeinen können wir 3 Hauptmomente feststel - len, auf die wir unsre Betrachtung werden zu richten haben:

  • 1, das starre.
  • 2, die Hüllen
    • a, die elastische
    • b, die tropfbarflüssige
  • 3, das Organische,(die Pflanzen und Thiere, welche in ihren Uranfängen so nahe zusammenlaufen, dass man sie nicht wohl trennen kann: sie machen der Masse nach den kleinsten der 3 Theile aus, sind uns aber deswegen wichtig, weil in ihnen die Masse durch die Form besiegt, und in Gestalten ausgebildet erscheint.)

Die Betrachtung des starren Theiles nent man nicht ganz richtig: Geognosie, als wenn es blos auf die Kentnis der Bestand -138v theile des Erdkörpers ankäme, und man nicht auf ihre Ent - stehung, ihr Verhalten zu einander, und auf die vielen Ver - änderungen sehn müste, welche nach und nach mit ihnen vor - gegangen sind. Indessen würde es nicht[ nöthig] sein, diesen Namen zu ändern, da er einmal eingeführt, und ein andrer nicht so leicht an sein〈…〉〈…〉eStelle gesezt ist: die beschriebende Mineralogie bezeichnet man sehr gut durch: Oryktognosie.

Die Geognosie theilen wir in 5 Abschnitte:

  • 1, Gestalt und Dichte der Erde.
  • 2, innere Wärme, Lichterscheinungen.
  • 3, Elektrizität und Magnetismus, welches dieselbe Kraft ist.
  • 4, Veränderungen an der Oberfläche als Folgen der Verbindung des Innern der Erde mit dem Äusseren: Vulkane, heisse Quellen. Erdbeben.
  • 5, das Gegliederte der Kontinente, die Bergketten.

Von der Gestalt und Dichte der Erde.

Dieser Gegenstand, mit dem sich schon das Alterthum ange - legentlich beschäftigte, ist in neueren Zeiten mit ganz be - sonderer Aufmerksamkeit behandelt worden, da er so sehr139r wichtig für die Schiffahrt, die Zeichnung der Landkarten, und überhaupt für alles graphische ist, was sich auf die Erde bezieht; ja es ist noch vor kurzem der Fall vorgekommen, dass man sehr theure geodätische Operazionen hat machen lassen, um einen Kataster anzufertigen; als man die einzelnen Blätter zusammensezen wollte, war dies ganz unmöglich und nichts pas - te aufeinander, weil man auf die Krümmung der Erde keine Rüksicht genommen. Die Messungenfder Abstände am Himmel und auf der Erde sind eben so unentbehrlich für das graphische in der Geographie, als für die Bestimmung der Maasse im allge - meinen.

Geschichte der Gradmessungen.

Eine flache Erdscheibe vom Okeanos umflutet war die älteste Vorstellung, welche wir bei den Griechen von der Gestalt der Erde finden, namentlich bei Thales, dem Stifter der ionischen Schule. Pliniusgiebt sehr unkritisch an, dass Thalesschon die Kugelgestalt der Erde angenommen habe, obgleich wir be - stimt wissen, dass dieser Gedanke erst beim Pythagorasund139v seiner Schule aufgekommen ist. Dasunverwerfliche Zeugnis dafür giebt Philolaos. Für die Annahme der Kugelgestalt hatte man fast alle Gründe gefunden, die wir jezt haben; man sah bei Mondfinsternissen den Schatten der Erde rund in den Mond eintreten; man machte die Bemerkung, dass wenn man von Cypern nach Alexand〈…〉〈…〉ria segelte, das Gestirn des Canopus am Horizonte höher zu stehn kam. Die merkwürdigste Stelle ist beim Aristotelesde coelo, wo er sagt: dass die Erde rund sein müsse, weil alle Theile gegen den Mittelpunkt eine gleiche Schwerkraft haben, und dass wenn einige Theile aus die - ser Lage koämmen, sie sich dahin zurük begeben würden, um das Gleichgewicht herzustellen. Man sieht, dass diese Ansicht eine grosse Ähnlichkeit mit dem Newtonschen Systeme von den Gesezen der Gravitazion hat. Auch kömt eine Stelle beim Dioge - nes Laertiusvor, wo er sehr richtig über die Gegenfüsler spricht, welche im Alterthum fast allgemein angenommen wurden. Dies änderte sich freilich später so sehr, dass es förmlich verbo - ten wurde, die Idee der Antipoden auszusprechen, und in den140r Zeiten der Barbarei hat der Papst Zachariasden Bischof Vir - gilius von Salzburgseiner Würden entsezt, weil er behauptet hatte, es gebe Antipoden. Columbusselbst fand in dieser Hinsicht Schwierigkeiten, und konte seine Gegner nicht überzeugen, obgleich er sich der Freundschaft des bedeutenden Physikers Toscanellirühmte. Bei der Gradmessung, welche der Khalif Almahmunin Mesopotamien anstellensahlies, sah man wohl ein, dass man nicht die ganze Erde messen könne, sondern nur einen sehr kleinen Theil ihres Umfangs: man vergleicht dabei einen Him - melsbogen mit einem Erdbogen: es sind also 2 Operazionen zu machen, eine geodätische und eine astronomische, welche sich aufeinander beziehn. Ein Theil der Astronomen ging nach Norden, der andre nach Süden, und sie standen still, alss[?]ein Gestirn in ihrem Zenith um einen Grad gesunken war. Ihren Weg maassen sie nun, freilich sehr unvolkommen, nach Tage - reisen, und diese Entfernung 360 mal genommen, gab den Um - fang der Erde. Auch in Nordamerika hat man beinahe Grade mit einer Kette gemessen, allein Delambrehat gezeigt,140v dass diese Messungen höchst unvolkommen und eines geringen Vertrauens werth sind. Snellius, nicht Picafiel zuerst darauf, dass es bequemer sei, die ganze Strekke nicht hintereinander zu messen, sondern über die ganze Gegend ein Nez von trigonometrisch bestim - ten Dreiekken zu werfen, und dieses mit einer genau zu messenden Basis zu verbinden, wie es zwischen Leyden und Alcmar geschah. Picamachte eine noch schönere Operazion, indem er zugleich viel für die Vervolkomnung der messenden Instrumente that. Hiezu bediente man sich anfangs bei der Messung in Peru, genauer Holzstäbe: dann nahm man sogar Platina, in England machte man sie aus Glas, und führte die genauste Rechnung über ihre Ausdehnung. Die Temperatur wurde jedesmal angegeben, und die etwaigen Veränderungen bei der Berechnung der Länge in Anschlag gebracht. Anfangs sezte man die Lineale an einander, da dies aber einen Stos, und mithin Verrükkung des Instrumentes hervorbrachte,<so>kam man bald darauf, rechts und links ein Lineal hinzulegen, und sie aneinander - zuschieben: allein auch dieses gab noch keine hinläng - liche Genauigkeit, und man dachte darauf, den unmittelbaren141r Kontakt der Regeln ganz zu vermeiden. Hiezu hat der ausge - zeichnete Mathematiker Tralles, der in der lezten Zeit hier gelebt hat,<d>as beste Mittel angegeben, indem er vorschlug die Regeln nebeneinander zu sezen, und an dem einen Ende ein rechtwinklich gegen die Regel stehendes Fernrohr anzubrin - gen; dann schraubt man dieaszuleztg〈…〉〈…〉elegte Regel so langes bis das Ende der vorhergehenden an das Fadenkreuz im Fernrohr anschlägt: auf diese sinnreiche Art ist der körperliche Kontakt in einen blos optischen verwandelt, und die höchste Genauig - keit kann erreicht werden.

Die andre eben so wichtige Operazion ist die astronomische. Die Winkel an den beiden Enden des Grades werden durch den Unterschied der Meridianhöhe eines Sterns gemessen. Wenn man annimt, dass über jedem der beiden Enden ein Zenital - stern stände, so würde der Abstand dieser beiden Sterne am Himmel gleich sein dem Abstande der Punkte auf der Erde. Wenn man also auch nur einen Stern hat, der in einem Punkte der Basis im Zenith steht, so giebt der Unterschied in der Höhe des Sterns die Bestimmung für die Länge der Basis.

141v

Eratostheneswar der erste, welcher eine Gradmessung anstelte, die aber mehr eine Schäzung zu nennen ist. Er war Bibliothe - kar am Museum in Alexandrien, und gründete seine Arbeit auf die Betrachtung, dass in Syene ein Brunnen sei,aufindessen Grunde man am längsten Tage das Sonnenbild im Wasser sehe; so wie es auch bekant war, dass an dieser Zeit alle[Tempel und Gebäude] in Syene und auf der Insel Philae keinen Schatten werfen. Er mas nun an diesem Tage die Höhe der Sonne, wie Cleomedessagt, mit einer kupfernen Schüssel, σκάφη, in deren Mitte ein Stift von vielen konzentrischen Ringen umgeben stand, also mit einem sehr rohen Instrument, und fand den Unterschied gegen Alexandrien 12′[. ]Die Karavanenstrasse (also wieder eine sehr ungenaue Messung) gab ihm für die Entfernung von Syene bis Alexandrien 5000 Stadien, und hienach berechnete er den Umfang der ganzen Erde auf 252,000 Stadien. Wie wenig Genauigkeit die ganze Sache hatte, sieht man schon aus der Vernachlässigung 2er Punkte[:] 1, dass er auf den Durch - messer des Sonnenbildes im Brunnen keine Rüksicht nahm, 2, dass Alexandria und Syene nicht genau in demselben Meridian142r36.liegen. Es ist daher nur Zufall zu nennen, dass diese Schäzung〈…〉〈…〉ohngefähr mit der Wahrheit übereinstimmt. Er fand 5800 geogra - phische Meilen statt 5400, also immer noch ein Unterschied von 400 Meilen.

Die 2teGradmessung machte Posidonius, Ciceros Lehrer, worüber man Ideler's trefliche Untersuchungen zur Hand nehmen mus: er mas die Höhe des Canopus in Rhodus und Alexandrien, und berechnete die Ent - fernung nach Schiffahrten, also sehr unvolkommen.

Die dritte machte Ptolemaeus; da er aber nicht der Richtung des Meridians folgte, sondern in einem Winkel mit demselben fort - ging: so ist sie sehr〈…〉〈…〉ungenau, und kaum zu brauchen.

Im 9tenJahrhundertwurde eine Gradmessung unternommen vom Khalifen Almahmun, aus dem Geschlechte der Abassiden. Er hatte eine solche Vorliebe für die Astronomie gefast, dass, als er den Kaiser Michael IIIgefangen genommen, es zur ausdrüklichen Frie - densbedingung gemacht wurde, dass Michaelihm ein Manuskript des Almagest überliefern solte, damit er sehn könne, ob seine Grad - messung mit dem Ptolemaeusübereinstimme. Die Messung wurde in der Ebne bei Sindia gemacht, zwischen Basraund Tadmor. Man sehe darüber Seguillots scharfsinnige Untersuchungen142v über den besten orientalischen Mathematiker Ebn Younes; 2 Banden Astronomen gingen nach Norden und Süden, maassen denAbstUnterschied der Zenitalsterne, und fanden dasselbe, was der Khalif wünschte, und was im Almagest stand, weniger durch Zufall, als indem sie durch eine vorgefaste Meinung geleitet wurden. Wie sehr dadurch Täuschungen herbeigeführt werden können, sieht man noch aus einer neueren Messung. 1525 mas Ferneldie Entfernung von Paris nach Amiens, indem er eine Vorrichtung an seinen Wagen machte, dass er die Umdrehungen des Rades zählen konte, und diese mit der Länge des zurükgelegten Weges multiplizirte: dies gab ihm für einen Grad 57070 Toisen; Lacaille, welcher später die - selbe Entfernung von Paris nach Amiens mas, fand, sonderbar genug, 57074 Toisen, also beinahe ganz dasselbe.

Snelliusmachte 1615 eine schöne Gradmessung, indem er sich zuerst eines Nezes von Dreiekken und einer Basis bediente: Nordenin England eine andre, die aber sehr falsch war, und wo - durch Newtonlange Zeit irregeleitet wurde, indem er schon damals die allgemeinen Gravitazionsgeseze gefunden hatte, und diese mit der durch Norden bestimten Gestalt der Erde nicht übereinstimten.

143r

Picamachte 1669 die erste genau Messung, welchesich durch grosse Sorgfalt und eine genaue Kontrolle über die Fehler auszeichnet; Maraldi, 1683, und die beiden Cassini1718 machten Gradmessungen, nach denen die Erde an den Polen nicht abgeplattet, sondern zu - gespizt erschien: allein Newtonhatte schon bewiesen, dass dies nach den Gesezen der Wurfkraft und des Schwunges gar nicht möglich sei; auch hatte schon der Captain Riché1671 eine Reise nach Cayenne gemacht, wo er fand, dass eine Pendeluhr welcheser aus Frankreich mitgebracht, und die Sekunden schlug, in Cayenne alle Tage um 2 Min. 18 Sek. zu langsam ging. Dies stimte volkommen mit Newton's Theo - rie: denn die grössere Wurfkraft, welche die Erde in Cayenne (gegen Frankreich) hat, mus die Schwere der Körper vermindern, den Fall derselben langsamer machen, mithinauch das Pendel, welches auf demnGesezen des Falles beruht, retardiren; ja wir haben gesehn, dass wenn die Rotazion der Erde sich beschleunigte, ein Punkt eintre - ten würde, wodunter dem Aequator alle Steine und Berge, und überhaupt alles bewegliche weggeschleudert werden würden.

Die verschiedenen Meinungen, welche immer noch über diesen Gegen - stand herschten, und die Ungewisheit, in der man über die eigent - liche Gestalt der Erde schwebte, veranlasten endlich unter Ludwig XV, 143v1735 die grosse Expedizion nach Amerika, woran Godet, La Conda - minepp. Theil nahmen. Sie hatten aber mit grossen Schwierigkei - ten zu kämpfen, und daher dauerte die Sache von 1735 46. Sie machten ihre Messungen bei Quito, welches damals noch nicht zu Nueva-Grenada, sondern zu Peru gehörte. (Die Fläche), in<D>as Bergthal, Plateau dermsie operirten, liegt 6 7000 Fus über dem Meere, und ist von 2 Ketten der Cordilleren eingeschlossen, welche sich beinahe von Norden nach Süden erstrekken. Man muste daher die Signalpunk - te auf hohe Bergspizen verlegen, und die Gelehrten musten oft lange Zeit nahe an der Schneegränze sich aufhalten,z. B. in dem Hause des Pichincha, wo das Thermometer bei Nacht bis auf Reaum. herabsank, und bei Tage sich selten über +8° bis 10° erhob, eine für den Aequator sehr bedeutende Kälte. Man bediente sich damals der pyramidalen Signale aus Balken aufgebaut, wel - che aber den Nachtheil haben, dass sie verschieden von der Sonne erleuchtet werden, also keinen deutlichen Punkt des Visirens geben: eben so unsicher sind die Kirchthürme, die man auch wohl dazu angewendet hat. Später zog man die Nachtsignale vor, und nahm dazu Lampen mit parabolischen Spiegeln, welche unge -144r mein weit gesehn werden können; als bei der französischen Messung in Spanien die Inseln Mentera und Cabrera mit Valencia ver - bunden wurden, hat man eine solche Lampe, welche freilich mehrere 100 Toisen über dem Meere erhaben war, in einer Entfernung von 80,000 Toisen, (25 26 deutsche Meilen) gesehn. Die 3teund beste Methode hat Besselangegeben, und gGaushat den Apparat dazu erfunden, und sie bei seiner Messung angewandt. Man bedient sich des Sonnenbildes selbst, welches durch einen kleinen Spiegel reflek - tirt wird, und könte sie also Tagsignale ab nennen: sie erscheinen wie ein Stern am Tage.

Gleichzeitig mit den Astronomen in Quito gingen 1736 Clairault, Camus, de Monnierund Maupertuis(welcher einige Zeit Präsi - dent der hiesigen Akademie war) nach Schweden und Lapland: sie maassen einen Grad zwischen Torneo und dem Berge Kittelallein die Resultate sind unsicher, weil die Gelehrten sich auf der langen Reise durchaus nicht vertragen konten, und sehr gereizt nach Hause zurükkamen. Durch Vergleichung der beiden Messungen in Peru und Lapland ergab sich die Abplattung aus 1 / 305 1 / 310. Der Doktor Schwaneberg, welcher diese Messungen wiederholte,144v glaubte den Gelehrten den ungeheuren Fehler von 1200 Fus auf den Grad nachweisen zu können: neuerlich hat aber der Dr Rosenbergerin Halle wieder ihre Vertheidigung übernommen, indem er die sämtlichen Ver - handlungen revidirte, und so die Ehre der französischen Astrono - men wiederherstellte: denn jener Fehler von 1200′ würde namentlich für den astronomischen Theil der Messung, den man Maupertuisanvertraut hatte, ein grosse Nachlässigkeit voraussezen.

Wir haben also:

  • 1, die alte peruanische Messung, welche nach Delambre's Berech - nungen sehr unvolkommen ist.
  • 2, die grosse französische Messung zur Bestimmung des mêtre man hatte nämlich festgesezt, dass der 10 Millionste Theil des Erdquadranten ein mêtre, als Grundlängenmaas sein solle, und man konte hiemit sehr glüklich das Körpermaas verbinden, indem man bestimte, dass 1 Kilogramm gleich sein solte = 1 / 1000 Kubikmêtre distillirtes Wasser bei seiner grösten Dichtigkeit, d. h. bei +3½ Grad Reaumur. Bei dieser Messung wurden zuerst Repetizionskreise von Bordaangewendet, wodsich, durch eine (zwar nicht in's Unendliche) fortgesezte Wiederholung der Winkel -145r messungen der Beobachtungsfehler wohl nicht ganz eliminiren, aber doch sehr verklein<ern>läst. Die Angabe dazu machte der grosse To - bias Meayerin Göttingen, dem wir auch die Verbesserungen der Mond - tafeln verdanken.
  • 3, die englischen Messungen unter dem General R. und M⟨⟩Herr Aragohat, in Verbindung mit mir diese Messungen an die französischen angeknüpft.
  • 4, Drei grosse Messungen in Ostindien von dem General Lund T
  • 5, in Rusland, von Struveund Argeland.
  • 6, endlich die Messung von Gausin Göttingen, von der man sich sehr viel versprechen kann; sie i〈…〉〈…〉st aber noch nicht ganz beendigt, und die Resultate daher noch nicht bekant.

Ziehn wir nun das Resultat aus allen Messungen: so ergiebt sich, dass die Grade gegen Nordenkleinerhin grösserwerden:

  • unter dem Aequator57731[?] Toisen56731 Toisen
  • in Frankreich57006[?] 57006
  • in Lapland56209[?] 57209

Ein andres gutes Mittel, um die Gestalt der Erde zu bestimmen, sind die Pendelbeobachtungen, bei denen es 2 Methoden giebt:145v

  • 1, entweder man macht sich an einem bestimten Ort ein Pendel, welches Sekunden schlägt, und mist dessen Länge: dies gab Bougueran, und Bordaverbesserte die Einrichtung für das Messen.
  • 2, oder man macht sich ein unveränderliches Pendel, und sieht nach, wie - viel es an jedem Orte differirt; (wurde auch von Bouguerangegeben.)
  • Eine 3teMethode, welche sehr vortheilhaft sein soll, hat Besselin Königsberg angegeben: wir erwarten aber noch die Bekantmachung. Der Engländer Satchwelcher auch mit Franklineiner Nord - polexpedizion beigewohnt, hat Pendelbeobachtungen gemacht unter dem Aequator, in Westindien, Spizbergen und Grönland, und zu - lezt ist dieser Zweig der Wissenschaft auf das gründlichste be - handelt worden auf der Erdumseglung von Freycinetund Duperrey.

Als Resultat kann man aussprechen, dass die Abplattung zwischen 1 / 305 und 1 / 280 schwankt, und zwar ist sie neuerdings grösser geworden; ungewis ist man um 3600 Fusoder 1 / 18 der Ab -[d. h. 1 / 5000 des Erdhalbmes -〈…〉〈…〉sers] als ob man bei der Messung der Schneekoppe um 1 Fus ungewis wäre. plattung selbst. Die Figur der Erde entfernt sich also um soviel von der Kugelgestalt, als wenn man den Himalaya mal unter dem Aequator übereinandersezte, oder: der Aequator ist 64200 Fus weiter vom Zentrum entfernt als die Pole; indem also eine geographische Meile 3800 Toisen oder 22800 Fus enthält, so146r37.würde der Meeresspiegel unter dem Aequator ungefähr 3 Meilen wei - ter vom Mittelpunkte entfernt sein, als an den Polen. Da der Halb - messer der Erde 860 Meilen beträgt, so bleibt die Abplattung zwischen 1 / 305 und 1 / 290. des Ganzen.

Man hat zu die Abplattung noch auf eine andre Art berech - nen können, nämlich nach der Mondtheorie, und diese giebt das gröste Resultat; Laplacefand hienach 1 / 305. Bouvardund Burkhardt, welche alle Gradmessungen durchgerechnet hatten: 1 / 299; die Pendelbeobachtungen 1 / 280 bis 1 / 290.

Die südliche Hemisphäre hielt man länger für abgeplatteter, als die nördliche, weil sie in Vergleich mit dieser eine Wasser - hemisphäre zu nennen ist. Lacaillehat darüber Messungen amfand die südliche Hemisphäre abgeplatteter als die nördlicheKap der guten Hofnung angestelt, aber Freycinets und Duper - rey's Untersuchungen haben bewiesen, dass nicht der geringste Unterschied gegen die nördliche Hälfte da ist, wodurch die Gestalt der Erde um so regelmässiger wird. Auch A. Malaspinastelte auf seiner Reise Untersuchungen darüber an, so wie früher der General Brisbanein Paramatta, welche dasselbe Resul -146v tat gaben. Wenn aber in dieser Hinsicht die Gestalt der Erde sehr regelmässig ist, so zeigen sich doch grosse Verschie - denheiten unter den verschiednen Meridianen. Die englischen Messungen geben ein Resultat, wonach die Erde an den Polen zugespizt wäre: dies liegt aber blos daran, dass die Lage der brittischen Inseln etwas abgeplattet ist. Die französischen1 / 55 Messungen allein geben 1 / 139 für die Abplattung, welches wieder - um viel zu viel ist.

Noch ist zu bemerken, dass bei und auf kleinen vulkanischen InselnIsle de Franceetc. das Pendel schneller s〈…〉〈…〉chlägt, und manchmal an einem Tage 12 13 Sekunden voreilt: da man nun gewöhnlich unter diesen Inseln eine Höhlung vorauszusezen pflegt, welche durch die Gewalt des unterirdischen Feuers hervorgebracht sein soll: so müste nach dieser Ansicht das Pendel langsamer gehn, weil es weniger Masse unter sich hat: es scheint aber, dass die basaltischen Lavenso wie der Augitporphyr an dieser Beschleunigung Schuld sind, weil sie eine grössere Substanz haben, als andre Gebirgsarten.

Man hat auch angefangen, Längengrade zu messen, und147r gleichfalls in dieser Richtung eine Abplattung gefunden. Hen - ry39, Bou〈…〉〈…〉ssaultund Carlinihaben sich Verdienste darum er - worben, und der Längengrad ist gemessen von Bordeaux bis Fiume: die östreichische Regierung wird ihn fortsezen bis Orzora in Siebenbürgen:man wird als dann 15 Längengrade gemessen haben.Nachträglich.

27. Vorlesung, 06.02.1828

Es ist theoretisch zu unterscheiden, ob diese grössere Dichtigkeit der vulkanischen Inseln zu derselben Zeit entstanden ist, als die Erdrinde erhärtete, oder ob die schon erhärtete Rinde sich gespalten, und von innen mit einer dichteren Masse ausgefült worden ist. Dies darf für die Rechnung nicht übersehn werden: denn danach mus sich die grössere oder geringere Dichtigkeit der Erde im algemeinen richten. Ein Beispiel mag dies erläutern: wenn man in unserer Stadt Pendelbeobachtungen auf dem Observatorium machte, so würden diese für die Dichtigkeit der Erde ein bestimtes Resultat geben: hätte man aber, ehe die Beobachtungen anfingen, eine Platinakugel von 6 7 Fus Durchmesser in das untere Geschos des Observatorium's wälzen können, ohne dass der Beobachter etwas davon gewust, so147v würde sein Resultat für die Dichtigkeit der Erde ein ganz an - deres werden.

Laplaceveranlaste die schönen Operazionen, welche man in neuen Zeitenvon derfranzösischensardinischenundöstreichischen Regierung nach den Längengraden, in der Richtung der Parallelen unternommen hat: und es fand sich auch in dieser Richtung eine Abplattung, die aber noch nicht bestimt ist. Schon 1733 machten Cassiniund Maraldidie ersten Messungen dieser Art, welche aber sehr unvolkommen ausfielen, weil sie sich noch nicht, der Pulver - signale bedienten, sondern die Azimuthe maassen. In Frankreich leitetenHenryund Boussaultdie Messungen, in Italien Planaund Carlini. Sie fangen an bei Maraine am Ausflusse der Ga - ranne und gehn über den Mont Cenis nach dem Mont Blanc (der mit in das Netz der Dreiekke gezogen ist, und auf dem man ein Signal erreichtet hat) durch die Lombardei bis Fiume in einer Ausdehnung von 15 Längengraden: wenn die Messung bis Orzora in Siebenbürgen fortgesezt sein wird, so werden es im Ganzen 24 Längengrade sein. Man schäzt die Abplattung auf 1 / 250 bis 1 / 260, und der berühmte französische Astronom Nicolet148rhat eine eigne Schrift darüber herausgegeben. Sie könte auch grös - ser erscheinen, als sie ist, wegen der grossen Ebne der Lombardei. Ich befand mich zufällig bei zwei von diesen wichtigen geodätischen Operazionen: einmal mit Herrn Delambrebei einer Basismessung, und vor 2 Jahren bei den Pulversignalen in Brest.

Die Dichtigkeit der Erdschichten nimt nach innen zu, in dem Verhältnis wie die Quadrate der Abstände. Laplacehat gezeigt, dass von diesem Verhältnis die Stabilität des Ozeans abhän - gig ist; ein Queksilbermeer würde die grösten Überschwemmungen veranlassen. Wenn die Schichten sich gegen das Zentrum hin nicht verdichteten, so würde nach der Theorie die Abplattung 1 / 270 betragen: es braucht aber im Innern nicht grade Magneteisenstein sich zu befinden, der eine Dichtigkeit von 4,5 hat, noch selbst Granat von 2,3 bis 2,5, es können auch komprimirte Flüssigkeiten oder Luft sein. Ich mus hiebei des Einfals eines Nordamerika - ners Simesgedenken, der das Innere der Erde für hohl hält: er glaubt, dass nördlichen Sibirien ein Loch von 12 16 Graden im Durchmesser sich befinde. Er hatte die Absicht, dieses Loch zu148v untersuchen, und schrieb nicht nur in dieser Sache an den Magi - strat von Augsburg, sondern wandte sich auch an mehrere andre Magistrate um Unterstüzung seines Unternehmens. Die Idee ist indessen nicht neu: schon Halley, der grosse Astronom äussert etwas ähnliches in den Philosophical transactions. Auch Franklinhat fast dieselbe Meinung, und findet hierin den Grund der Erdbeben. Um diese inneren Theile zu erhellen, nimt Simes2 leuchtende Planeten, den Pluto und die Proserpina an: allein dies ist ganz unnöthig: denn schon Chladnihat bewiesen, dass die blosse Kompression der Luft (wie wir es an manchen Feuer - zeugen sehn) nicht blos eine grosse Hize geben, sondern auch einen beständigen Lichtprozes hervorbringen würde. Man würde dies sehr leicht ermitteln können, wenn Maupertuis 'Gedanke ausgeführt worden wäre, der dem Könige Friedrich IIvorschlug, in unseren Sandebenen eine Schacht von 45 50 Meilen Tiefe schlagen zu lassen, wo das Platina in der Luft schwimmen würde. Franklinhielt die Existenz der beiden149r unterirdischen Planeten für möglich, und der verdiente Physiker Lichtenberg, der aber einige wunderbare Ideen hat, macht dies sogar sehr wahrscheinlich.

Die Erde ist auch gewogen worden, und zwar in neuer Zeit sehr genau gewogen. Man hat dazu die Bergarten angewendet, und zuerst bestimmen müssen, dass der Granit 2,3 mal schwerer sei als Wasser. Laplace, Th. Young(dem wir auch die ersten Entdekkungen in den Hieroglyphen verdanken) und Yvoryhaben sich damit beschäftigt. Nach den Versuchen fand man die Dichtigkeit der Erde 4 bis 5 mal grösser als Wasser: nach der Theorie 4,7. Man hat auf einen metallischen Kern geschlos - sen, welcher aber nicht nothwendig angenommenzu werden braucht.

Die ersten dieser Wägungen, wozu man die Anziehung der Gebirge benuzte, geschahen 1774 von Maskelineund Duttonin Pertshire im nördlichen England: sie suchten sich ein Gebirge den Schebhallionderasvon Osten nach Westen streicht:manund stelten im Norden desselben ein Fernrohr mit einem Bleiloth149v oder mit einer Wasserwage auf, wodurch sie die Zenitalsterne beobachteten: wurde nun das Fernrohr im Süden des Gebirges aufgestelt, so erhielt man verschiedene Resultate, indem das Loth von seiner Richtung abgelenkt wurde. Schon Lacondamineund Bouguerfanden beim Chimboraço eine Abweichung von 13 15 Sek., und kamen auf den sehr richtigen Gedanken, dass der ungeheure Bergkegel hohl sein müsse, weil sonst die Attrakzion noch viel grösser sein würde. Bei allen diesen Versuchen wird das Loth von 2 Kräften sollizitirt: 1, von der Schwere, die es nach dem Mittelpunkt der Erde ziehtd. h. von der Erde selbst,2, von der Masse des Berges, der es von seiner Richtung ablenkt: wenn man also die Ablenkung mist, und den Berg wiegt, so erhält man durch eine einfache Proporzion als viertes Glied die Schwere der Erde selbst. Maskelinehatte den Berg in Pertshire sehr genau gemessen, aber ihn als aus einer und der - selben Gebirgsart bestehend angenommen, nämlich aus Syenit; Playfairfand aber nachher 3 Gebirgsarten darin, die er alle bestimte und maas, und wonach das Resultat der150r38.Messung auf 4,7 modifizirt wurde.

Carliniaus Mailand hat Versuche andrer Art angestelt: er beobachtete das Pendel auf dem Mont-Cenis unter allen den Störungen der grossen Gebirgsmassen ringsumher, und verglich dies mit Biot's Versuchen in Bordeaux. Danach erhielt er: 4,4.

Der vortrefliche AstronomHerr v. Zachmachte Beobach - tungen an Bergen〈…〉〈…〉beiMarseille: allein ihre Höhe war zu gering, so dass eine Ungewisheitvon 1 / 10 bis 2 / 10 Statt fand: man kann also die Resultate nicht brauchen.

Sehr berühmte Versuche machte Cavendishmit einer vortreflichen Drehwage. Schon 1768 kam Mitchellauf die Idee einer solchen Wage, aber erst 1777 wurde sie von Couloneingeführt unter dem Namen: Balance à torsion: man kann daher Mitchellnicht eigentlich die Erfindung zu - schreiben: denn er wolte sie brauchen, um die Repulsion der Sonnenstralen zu messen. Später erhielt Wollastonden Ap - parat, und von ihm Cavendish, der einen neuen sehr sorgfältig150v konstruiren lies. Man denke sich einenhölzernen Stab, an dessen beiden Enden Bleikugeln befestigt sind, und der in der Mitte an einem Faden im völligen Gleichgewicht aufgehängt ist: an jeder Seite stehn 2 andre Bleikugeln, die ungefähr 6 mal grösser sind als die ersten: das Ganze ist von allen Seiten durch Glä - ser eingeschlossen. Nähert man nun die beiden kleinen Kugeln den beidenGgrossen, so sieht man bald dass durch die Attrak - zion Oszillatzionen entstehn: diese beobachtet man von weitem durch ein Fernrohr, um durchaus keine Störungen zu machen. Da aber theils sehr viele Korrekzionen ange - bracht werden, wobei sogar die Anziehung des Gehäuses in Anschlag komt, theils auch der Kalkul sehr schwierig, und oft unsicher ist, so kann man sich auf das Resultat: 5,4 nicht recht verlassen, und Carlini's Versuche machen es wahrscheinlich, dass die Wahrheit eher unter 4,7 liege, als darüber. Bei den Versuchen mit der Attrakzion der Gebirge macht der Umstand eine grosse Ungewisheit, dass151r man selten Bergenvon derselben Gebirgsart findet; oder wenigstens den Inhalt nach den verschiedenen Gebirgsarten nicht genau bestimmen kann. Bei der Erdwage komt Arago's Entdekkung in Betracht: dass jede Näherung 2er Körper Elektro-magnetismus erregt: schon Cavendishvermuthete, dass bei den Versuchen ein elektrischer Prozes vorgehe, den er aber nicht ergründen konte.

Von der innern Wärme des Erdkörpers.

Es giebt 3 Quellen derselben: 1, die Sonnenstrahlen, deren Wirkung aber nach der Zeit ihrer Dauer und nach dem Einfalswinkel verschieden ist: daher ist die Masse der Wär - me, welche sie im Ganzen auf der Erde erregen, sehr schwer zu bestimmen. 2, die Ausstralung aller Gestirne, welche eine Temperatur des Weltraums hervorbringt: Es könte wunderbar scheinen, in dem Raume zwischen Erde und Mond, so wie zwischen Sonne und Erde eine Temperatur anzunehmen: allein Fourierin seinem treflichen Werke:[ ] traité151v analytiquede la chaleur , hat gezeigt, dass es so sein müsse: denn sonst würde es mit der Temperatur überhaupt auf der Erde schlecht aussehn, und schon im September würde alle Wärme von uns weg nach den Polen hingezogen, und dort absorbirt werden. Fourierhat bewiesen dass die Quantität Wärme, welche wir uns im Weltraume denken können, etwas grösser sein müsse, als die mittlere Temperatur der Polarge - genden. Da wir wissen, dass diese 18° R. beträgt, so könte es scheinen, als wäre dies eine negative Wärme, also Kälte, es ist aber positive Wärme, wenn man bedenkt: dass gänzliche Abwesenheit aller Wärme,sich nur durch 3000° Reaum. annähernd ausdrükken liesse. Diese Temperatur des Welt - raumes macht es, dass der Erdkörper die einmal empfan - gene Wärme nicht so schnell wieder ausstralen, sondern leichter bei sich behalten kann. 3, die primitive Wärme des Erdkörpers. Bei jedem Körper, der aus dem flüssigen in den festen Zustand übergeht, wird Wärmefreient - bunden: eben so bei dem Erdkörper: der glühende Kern152r desselben hat an und für sich eine grosse Wärme, welche durch die oxydirte Rinde gleichsam inkarzerirt ist: sie kann aber keinen Einflus äussern auf[die] Veränderung der Temperatur dieser Rinde selbst: denn das Gleichgewicht zwischen dem innern und äussern Theile ist jezt so glüklich hergestelt, dass in Jahrtausenden die Wärme der Rinde nicht um 1 / 30° R. vermindert oder vermehrt werden kann. Laplacehat berechnet, dass die Quantität Wärme, welche wir dem innern Kerne verdanken, nicht ¼° R. beträgt: daher ist Büffon's Hypothese unhaltbar, nach welcher die Erde am Ende erstarren müste. In einer Tiefe von 10 12 Fus bemerkt manschon nicht mehr die täglichen Veränderungen, in 100 120 Fus nicht einmal die jährlichen, sondern das Thermometer hat einen unver - änderlichen Stand. In den Caves de l'Observatoire de Paris, [wo ich so lange wohnte] welches eigentlich keine Keller, son - dern grosse Hohlen von früheren Steinbrüchen sind, machte man die ersten Beobachtungen dieser Art, und da sie schon152v sehr tief liegen, so zeigt das Thermometer fast gar keiner Ver - änderung: man glaubte früher, es stände im Winter höher als im Sommer, weil die Sommerwärme sich erst nach 6 Monaten dem Gestein mittheile: allein dies ist ungegründet. Lambertmachte andre Versuche, indem er sehr grosse Alkohol - thermometer von 5, 8 ja 20 Fus Länge in die Erde graben lies: in 10 Fus Tiefestandwarschon der Stand bei Tag und Nacht der - selbe, wiewohl die Jahreszeiten noch einen Einflus äusserten. Wenn auf der Oberfläche der Erde das Maximum der Wärme 15 20 Tage nach dem Sommersolstizium eintrit, so braucht es 2 3 Monate, ehe es in diese Tiefe dringt, und erst Anfang Oktober fängt das Thermometer an zu steigen. AuchDanachhat man folgendes Gesez entdekt: dass nicht alle Punkte in einer Vertikale zu gleicher Zeit ihr maximumund minimum von Wärme er - reichen. Was im allgemeinen die Erde an Wärme durch den Aequator empfängt, das verliert sie wieder durch die Pole: aber nie kann dieser Verlust auf die mittleren Temperaturen sich erstrekken. Mondbeobachtungen haben153r gezeigt, dass seit Hipparch's Zeiten, also in 2000Jahren die Erdenichtin ihrer Rotazion nicht um 1 / 4000 einer Sekunde retardirt worden ist.

28. Vorlesung, 09.02.1828

Die verschiedenen Tiefen, in denen man keine Veränderungen mehr be - merkt, sind genauer folgende:

  • beiunter Fus keine Veränderung in 24 Stunden
  • 20 in einem Jahre.

daher kann man durch ein Bohrloch von 20 Fus Tiefe in einer Stunde die mittlere Temperatur des Ortes finden.

Die Caves de l'Observatoire sind 80 Fus tief. unter der Seine oder der Schwelle des Observatoire?

Herr Aragound ich, wir haben in den Gärten des Observatoriums an einem sehr heissen Tage Versuche gemacht, indem wir mehrere Thermometer in die Erde einsenkten; es war am 20. Julius 1825, wo dasThermometerim Schatten 26½° R. zeigte, und der Sand sich bis auf 42° er - hizte, (unter den Tropen habe ich den Sand bis auf 52° beobachtet.)

Wenn die Rotazion uns Translazion der Erde zunähme, so würde der Punkt, wo man keinen Unterschied der Temperaturen153v mehr wahrnimt, näher an der Oberfläche der Erde zu liegen kom - men: die Dauer der Veränderungen bestimt die Schnelligkeit dieser Ab - und Zunahme: je kürzer die Tage und Jahreszeiten werden, um desto wenigerZeithat die Oberfläche der Erde Zeit, die Veränderungen welche in der angränzenden Luft vor - gehn, anzunehmen. Die Theorie giebt, dass die Zeiten der Temperaturveränderungen sich verhalten wie die Quadrate der Entfernungen: die täglichen Veränderungen verhalten sich zu den jährlichen wie 1: 19 (welches ungefähr das Quadrat aus 365 ist) oder: ein Ort, wo man die jährlichen Oszilla - zionen nicht mehr bemerken soll, muss 19 mal tiefer liegen, als einer, wo man die täglichen nicht mehr wahrnimmt. Die Empirie giebt uns zwei Mittel, dies zu erforschen und zu bestätigen:

  • 1, die Beobachtungen in der Grubenluft und in den Gruben - quellen: allein diese sind gefährlich, in dem die Grubenluft immer komprimirt ist, und die Grubenquellen kein gutes Resultat geben, insofern sie meist aus den oberen Strekken154r39.herabfliessen, also die Temperatur der oberen Schichten, und nicht der unteren angeben. Hieran hatHerr v. Buchdie scharfsinnige Bemerkung geknüpft, dass das Eindringen der Wärme in den Erdkörper durch das Eindringen der Flüssigkeit selbst ge - schieht, welche ihre obere Temperatur mitbringen, und dass diesem Grunde die wohlthätige Erscheinung zuzuschreiben sei, dass im Ganzen die innere Erdwärme gegen den Nordpol hin grösser ist, als bei uns, und vielleicht selbst unter dem Ae - quator.
  • 2, die Beobachtungen der Quellen selbst, und dies ist das beste und sicherste Mittel. Je heisser eine Quelle ist, desto tiefer kömt sie herauf.

Schon den Alten war die Theorie der Vulkanebekant,womit sie eine poetischeundIdee von der Werkstatt des Hephaistos und dem Pyriphlegeton verbanden. Platohat eine Kentnis von der Zentralwärme. Descartes, Leibnitz, Halleyhaben Unter - suchungen darüber angestelt: am meisten aber beschäftigte sich154v Mérandamit, von dem 2 Mémoires in den Annalen der Aka - démie stehn: das erste vom Jahr 1720, das 2tevon 1765.40 (man wird nicht leicht von einem Gelehrten 2 Mémoires finden, die so weit auseinander liegen.) Da aber zu seiner Zeit der analytische Kalkul noch sehr unvollkommen war, so hat er viele[falsche] Resultate: so glaubte er berechnet zu haben, dass für Paris die Quantität Wärme, welche aus dem Zentrum strömt für ein Jahr 400 mal grösser sei, als die Sonnenwärme, die er: été solaire nante. Lamberthat schöne Versuche hierüber angestelt; eben so Jean Sanacin den Vogesen; Saussuremit viel grösserer Schärfe in Bex und dann auf seiner Reise; Foxund Boltin den Bergwerken von Devonshire; hier bemerkte man, wie die Luft durch die Wärme der obern Athmosphäre alterirt wird, weil ein beständiger Luftwech - sel stat findet: da durch Wärme die Luft verdünt wird und in die Höhe steigt, so solte man glauben, dass die Kälte (wenn man so sagen darf) weniger leicht in die Tiefen ein -155r dringt: allein hiebei scheint kein Unterschied zu sein. Das beste Mittel bleiben immer die Bohrlöcher, welche der verdienstvolleHerr v. Trebraschon vor langer Zeit in Sachsen angewendet hat: er fand in einer Tiefe von 90 Lachter +9° R. in 130 +12°

Dubuissontrieb ein Bohrloch bis auf 1000 Fus, und[ in] einigen Schach - ten von England kam man so tief, dass die Temperatur +20° R. betrug, während die mittlereTemperaturvon Freiberg nur +6° ist. In Peru auf einer Höhe von 11,000 Fus, deren mittlereTemperatur+5 bis war,(ungefähr wie Berlin) fuhr ich an, und fand in dem Bergwerke dieTemperaturvon +15°; in Mexiko auf 6000 Fus Höhe,dewo die mittlereTemperatur+12 13° war, befuhr ich einen Schacht von 1450 Fus Tiefe, der zu den tiefsten bekan - ten gehört, und fand unten eine Quelle von +27° R.

In ganz neuer Zeit ungefähr vor 1 2 Jahren hatHerr Cordierein schäzbares Mémoire herausgegeben, worin er die relative Tiefe mit dem Zunehmen der Wärme vergleicht: allein die Bedingun - gen sind so mannigfaltig, und veränderlich, dass man manbis jezt noch zu keinem Resultate hat kommen können; indes155v läst sich vergleichungsweise sagen, dass die Kälte nach dem Innern der Erde zu weit schneller abnimt, als die Wärme, wenn man sich von der Oberfläche der Erde erhebt: man braucht oft nur 80 Fus tief zu steigen, und die Wärme wird um zunehmen; in der Luft dagegen mus man sich 650 Fus erheben, wenn die Wärme um abnehmen soll. in Paris hat man in einer Tiefe von 85 Fus eine Temperatur, die konstant auf +9°,4 R. stehn bleibt, während die mittlereTemperaturdes Ortes +8°,5 R. ist.

Die ersten Versuche über die Quellen machte Roebuck1775, ein engli - scher Physiker, dessen Arbeiten in den Philosophical transactions stehn.

Wir unterscheiden bei den Quellen 2erlei Arten.

  • 1, solche die ihre Temperatur nicht verändern
  • 2, bei denen man kleine Oszillazionen der Monate bemerkt.

In der Reise von Buchund Wahlenbergist es zuerst bemerkt, dass im Norden eine grössere Erdwärme herscht als bei uns, und dass dies den Quellen zuzuschreiben sei. Wir sehn, dass es am Nord - kap und an der Hudsonsbay immer fliessende Quellen giebt.

In Schweden vom 56 bis 66° Nordbreite nimt die Wärme der Quellen um 3 bis zu. Herrn Ermans Untersuchungen am Luisenbrunnen156r haben gezeigt, dass bei uns dieTemperaturder Quellen noch etwas grösser ist als die mittlereTemperaturdes Orts: in Süddeutschland, unter 50°Nordbreite tritt der Punkt ein, wo die beidenTemperaturenganz gleich sind. Nach Italien zu werden die Quellen kälter als diemittlereTemperaturund besonders auffallend ist dies auf den kanarischen Inseln, wie wir aus dem treflichen Werke desHerrn v. Buchwissen. Ein ähnliches Phä - nomen beobachtete ich unter den Tropen, in der grossen Höhle del Guacharo, welche von einer eignen species von unterirdischen Vögeln, einer Art von Caprimulgus bewohnt wird: hier hatten Wasser und Luft eine niedrige Temperatur als aussen vor der Höhle.

Im allgemeinen kann man feststellen, dass die Schichten, welche ungleich vom Zentrum der Erde entfernt sind, nicht immer eine verschiedene Temperatur haben; oder: die isothermen Schichten folgen allen Undulazionen der Erdoberfläche, und die Quellen nehmen nurdieihreTemperatur nach der relativen Höhe der Schichten, nicht nach ihrer absoluten über dem Meere, an.

Herr v. Buchnahm an, dass zum Theil der Grund davon in der Periode der Regenzeit liegen könne. In allen Gegenden, wo sie statt156v findet,nämlich unter den Tropen fält sie in den Winter, und dauert nie über den Mai hinaus: die Wasser haben also eine niedrige Temperatur, indem sie in die Erde eindringen, und erkälten mithin unter den Tropen die von ihnen berührten Erdschichten: dagegen könte im Norden vielleicht die Schneedekke dazu beitragen, die Wärme festzuhalten, indem der Schnee einer der schlechtesten Wärmeleiter ist, den wir kennen. Indem wir annehmen, dass die isothermen Schichten nicht in derselben Entfernung vom Zentrum der Erde liegen, so müssen schon deshalb die nördlichen Länderimunter der Oberfläche wärmer sein als die Tropen.

Wir haben noch einiges von den Eismassen zu sagen, welche man nahe an der Oberfläche der Erde gefunden. Gmelinhat alles aus den Archiven in Rusland gesammelt, aber die Factaistsind nicht zuverlässig, genug: so ist einer Erzälung auch nicht zu trauen, nach welcher in der Nähe von Irkutzk von den Kosaken ein Brunnen gegraben wurde, bei dem sie in der Tiefe von 100 Fus auf Eismassen gestossen sein sollen, die sie verhinderten, in der Arbeit weiter fortzufahren.

Sicher ist das Factum, welches unsCaptain Franklinmittheilt: auf157r seiner Reise nach dem Coppermine - und Mackenzie-flusse traf er in der gar nicht bedeutenden Breite von 65½ Grad in einer Tiefe von 3 Fus auf grosse Eismassen. Wo diese Massen zu Tage anstehn, und nie wegschmelzen, kann es sogar eine Vegetazion auf ihnen geben, da ihre mittlere Sommertemperatur +5 bis R. ist. Herrv. Chamissohat uns eine schöne Beschreibung davon gegeben. Seguierfand auf den Eismassen Erde, worin Pflanzen sehr gut hätten fortkommen können.

Noch musbemerktangeführtwerden, dassHerr v. Buchdie scharfsinnige Bemerkung machte, dass Quellen, welche Kohlensäure enthalten, 3 bis R. wärmer sind, als andre: dies findet sich nicht nur in der Wetterau, zwischen Lahn und Main, sondern an vielen andern Orten: da man nun wahrgenommen, dass alle vulkanischen Explosionen mit der Entbindung von einer ungeheuren Menge von Kohlensäure verknüpft sind, so führte dies auf den Schlus, dass jene Quellen, welche Kohlensäure enthalten, wohl näher an den vulkanischen Heerden im Innern der Erde liegen könten: daher also ihre höhere Temperatur.

Eng verbunden mit den Erscheinungen der Erdwärme ist der Erdmagnetismus.

157v

Wir können uns hier nicht darauf einlassen, seine Natur genauer zu untersuchen, sondern wir wollen nur über die geographische Vertheilung dieser Kräfte etwas beibringen. Indessen müssen einige allgemeinen Notizen über die neusten höchst wichtigen Entdekkungen vorausgeschikt werden, obgleich die Hauptmomente in das Gebiet der Physik gehören.

Die älteste Beobachtung war die, dass der Magnetismus dem Eisen und den Eisenerzen allein angehöre; man glaubte aber, dass die höheren Schichten der Erde nicht so magnetisch wären, als die tieferen: dann kam auf die Entdekkung, dass das Eisen mit Kohle gemengt (als Stahl) den Magnetismus viel länger behalte, als sonst; man mengte das Eisen mit Schwefel und Phosphor, und brachte eine Mischung hervor, welche den Magnetismus sehr lange Zeit festhält. Bald fand man, dass Nikkel und Kobalt eben so gut zu Magnetnadeln dienen könne, als Eisen. DieHerren Ritterund Richterwolten auch Mangan und Chrom hieher ziehn, aber die Sache ist noch ungewis.

Endlich machte Aragodie grosse Entdekkung, dass alle Körper transitorisch von magnetischen Kräften sollizitirt werden können:158r40.Die Veranlassung war folgende: wir befanden uns zusammen in Greenwich, um Pendelbeobachtungen zu machen undHerr Aragolies eine Nadel in einem hölzernen Kasten schwingen, welche früher in Paris geschwungen hatte: er bemerkte dass sie stark retardirte, und kam sogleich auf den Gedanken, dass der hölzerne Kasten attraktorisch darauf wirken müsse, welches sich vollkom - men bestätigte. Er verfolgte nun diese Entdekkung, und lies Kup - ferringe um den schwingenden Magnet machen, welche ihn alsobald zum Stillstand brachten: es war dasselbe, als ob er ihn im Wasser oder in einer andern hemmenden Flüssigkeit hätte schwingen lassen: wenn die Nadel ohne die Kupferringe 62 Oszillazionen machte: so konte sie mit denselben nach 20Oszillazionenzum Stillstand gebracht werden: ja die Nähe von irgend einem Körper äussert einen hemmenden Einflus auf die Nadel, welches man sich so erklären mus, dass die Nadel in einem jeden Körper transitorisch einen Pot erregt, derdannauf sie hemmend zurükwirkt, sobald sie in Bewegung ist, und sie in Bewegung sezt, wenn sie vorher ruhte. Hängt man eine Nadel an einem Faden auf, und bringt darunter eine Scheibe an, die man schnell dreht, so wird in der Scheibe ein Pol erregt: dieser wirkt auf die Nadel zurük, und nach einiger158v Zeit sieht man, dass sie zu schwingen anfängt. Um zu zeigen, dass dies nicht etwa von der Erschütterung der Luft herkomme, kann man eine gläserne Tafel über der drehenden Scheibe befestigen, die Erscheinung bleibt dieselbe. Auf diese Weise hat man in Wasser, sogar in Eis Magnetismus erregt.

Coulonverfertigte schon vor 20 Jahren Nadeln von Holz und El - fenbein, und lies sie neben Magnetnadeln schwingen: allein er kam zu keinem Resultat, und Aragogebührt mit vollem Rechte die Entdekkung des transitorischenMagnetismus.

Hansteenin Norwegen hat bemerkt, dass Magnetnadeln verschie - den schwingen, je nachdem er sie an den Nord - oder Südseite der Bäume aufstellte, ja die Richtung der Bäume soll einen Ein - flus auf die Nadel gehabt haben.

Vor allen mus aber Oerstädt's schöne Entdekkungv. 1820 erwähnt wer - den, die: Wärme, Elektrizität und Magnetismus in Verbindung brachte: er stellte eine Magnetnadel vor die Voltaische Säule, und fand, wenn er die Kette schlos, dass die Nadel affizirt wurde: dies war verschieden, je nachdem er sie über oder unter den galva - nischen Strom brachte.

Ampèrefand:dasswenn 2 elektrische Ströme gegen einander ge -159r leitet werden, dass ein kupferner Draht ganz dieselbe Bewegung macht, wie die Magnetnadel. Man machte auf diese Weise Magnete, indem man Metalldrähte in einer Schraubenlinie um einen Kupferdraht wand, wobei nicht zu übersehn ist, dass wenn man rechts herum windet, der Nordpol oben ist, wenn links herum, unten. Durch Poggendorf's und Schweigger's Multi - plikator ist man dahin gekommen, die Erscheinungen bedeutend zu verstärken, und Beckquérellsprach es aus, dass bei jeder chemischen Veränderung ein elektro-magnetischer Prozes statt - findet: er machte selbst viele Versuche darüber, und entdekte durch die Magnetnadel so kleine Quantitäten von Säuren,dasals man durch Reagenzien nie würde haben auffinden können.

Seebeckmachte die glänzende Entdekkung des Thermomagne - tismus: er fand dass man Elektrizität und Magnetismus durch Wärme erregen kann; und danach könte man nicht ohne Wahr - scheinlichkeit schliessen, dass in der verschiedenen Erwärmung der Erdoberfläche der Grund zur Erdelektrizität zu suchen sei. Das vulkanische Feuer selbst mag die Spannung derErdelektrizitätmodifiziren, und ihm kann es beigemessen werden, dass der magne -159v tische Aequator, der ohnehin nicht mit dem Erdaequator zusam - menfält, sondern sich um ihn schlängelt, im Vorrükken begrif - fen ist.

Dass die Sonnenstralen in leuchtendeiund wärmeerzeugende zer - fallen, hattenman schon früher gefundenwust: allein Morecchiniin Rom fand: dass das violette Licht auch chemische Stralen enthält, durch deren Einflus unmagnetisches Eisen magnetisch wird. Lady Sommervilleund Wollastonwiederholten diese Versuche in England. Je nachdem das Licht polarisch oder unpolarisch ist erhält man den Nord - oder Südpol: doch scheint einebesonders glüklicher Einflus der Sonnenstralen dazu zu gehören: denn diese Versuche sind nur selten geglükt.

Man glaubte früher, dass diesemagnetischen Kräfte, welche in allen eben angeführten Erscheinungen thätig sind, sich sehr hoch über die Oberfläche der Erde erhöhen. Ich habe auf einer Höhe von 15000 Fus über dem Meere magnetische Versuche angestelt, aber durchaus keine Veränderung wahr - genommen. Gay Lussac, der sich bis 21500 Fus erhoben hat, lies in dieser Höhe Magnetnadeln schwingen, die ich vorher mit160r ihm in Paris sehr genau geprüft hatte, und fand ganz dieselbe Zahl von Schwingungen, wie unten: er schlos daraus, dass also auch die magnetische Spannung dieselbe sein müsse. AlleinHerr Kupferin Kasan hat gezeigt, dass die Wärme Einflus auf die Schwingungen habe, und siebeschleunigeverringere; unten in Paris hatten wir +27° R.Herr Gay Lussachatte oben R. wenn also wirklich die magnetische Spannung oben und unten dieselbe war, so hätte der Temperatur-unterschied allein, die Nadelaffizirenretarbeschleunigenmüssen: es läst sich also grade aus der gleich grossen Zahl der Schwingungen schliessen, dass die Intensität der magnetischen Kräfte in einer so grossen Höhe abgenommen habe.

29. Vorlesung, 13.02.1828

Meine Versuche wurden angestelt in der Höhe von 14000 Fus. in der Grotte von Antisana, und indem ich sie mit denen von Quito verglich, fand ich, dass die magnetische Spannung etwas schwächer geworden war, ungefähr wie 23: 21; indessen können auch die umgebenden Trachyt-massen die Intensität der Spannung vermehrt haben. Ermanmachte eine Reihe von interessanten Versuchen in Bergwerken, und fand nach dem innern der Erde zu160v durchaus kein Zunehmen der magnetischen Spannung: allein die umgebenden Gesteinmassen können hier manche Änderung her - vorgebracht haben.Troutonin England glaubte lange, dass in der Finsternis die magnetische Kraft nicht so gros sei, als im Hellen: allein die Versuche, welche Cassiniin den Caves de l'Observatoire anstelte, haben gezeigt, dass auch bei Lam - penschein die magnetische Spannung ganz dieselbe sei, als oben im Sonnenlicht: Woher die Elektrizität entstanden sei, ist hier nicht zu untersuchen: ich will nur die Meinungen darüber anführen: einige haben geglaubt, die Erstarrung der Erdrinde habe die elektrischen Kräfte hervorgebracht: so wie man annimt, dass die primitive Wärme dadurch er - zeugt worden sei; andre glaubten nach den Versuchen von Morecchiniund der Miss Sommerville, dass sie durch die Sonnenstralen erzeugt werde: dann würde sie sich aber nur an der Oberfläche der Erde finden; Seebekhat in seinem treflichen Mémoire über den Thermo-magnetismus ange - nommen, dass das vulkanische Feuer die Ursache davon sei,161r so wie er in einem metallnen Ringe durch ungleiche Erwär - mung Magnetismus hervorbrachte: so erregt das unterir - dische Feuer den Erdmagnetismus, indem es die Schichten des Gesteins und der Metalle ungleich erwärmt: so wieürdesich auch das Wandern der magnetischen Linien erklären lassen, wenn das Feuer an einem Orte bald stärker bald schwächer ist; grade umgekehrt glaubte Ampèrein Frankreich, dass alle Wär - me eine Folge der Elektrizität sei.

Wir gehn nun zu den Erscheinungen selbst über, deren es dreierlei giebt.

  • 1, die magnetische Abweichung.
  • 2, Neigung.
  • 3, Intensität der magnetischen Kraft.

Für die magnetische Kraft überhaupt nahm man bald 4 bald 2 Pole an, und hielt den Nord - und Süd-pol derselben für den Pol der grösten Kälte. Brewsterhat dies ausgeführt in der Übersezung meiner Schrift über die isothermen Linien:alleiner stüzte sich auf die allerdings richtige Wahrnehmung, dassdNord - amerika nicht so warm ist als Europa, oder dass die isothermen161v Linien dort südlicher fallen, als bei uns: wenn man also in den vereinigten Staaten einen Punkt sucht, dessen mittlere Temperatur der von Berlin gleich ist, so wird er in Amerika unter einem viel geringeren Breitengrade liegen;er übersahaber die Wahrnehmungdies leitete Brewsterdaher ab, dass jene Gegenden in Amerika dem magnetischen Pole oder dem Kälte-pol, der sich in 60 70 Grad Nordbreite befindet (in Nord - Kanada, östlich vom Mackenzieflusse) näher liegen, als wir, dass ihre magnetische Breite geringer ist vom Pol an gerech - net, als die unsrige: er übersah aber das Faktum, dass alle westlichen Küsten wärmer sind, als die östlichen, und dass wir einen Theil unseres milden Klima's in Europa zugleich denrvorgerükten Kultur verdanken; indem also bei den isothermen Linien von einer Vergleichung deröstlichenund westlichen Küsten des atlantischen Meeres die Rede war, würde dies schon nicht mehr auf die〈…〉〈…〉Westküste von Amerika passen. Brewsterhat sogar viele Berech - nungen darüber angestelt, und gezeigt, dass indem die magne -162r41.tischen Pole sich fortbewegen, dies eine wo〈…〉〈…〉hlthätige Einrichtung für mehrere Orte,ist; indem sich, nach seiner Meinung, das maximum von Kälte von ihnen entfernt; allein es giebt 2 Gründe dagegen: 1, fand Sevinedass die gröste Kälte nicht da herscht, wo Brewstersie annahm, sondern zwischen Neu-Sibirien und der Behringstrasse, welche viel zu eng ist, um die Eisschollen abströmen zu lassen, die sich nun nördlich von derselbenansamlen[?]ansammeln, und 2, ist die westliche Küste von Amerika weit wärmer als die östliche.

Man hat gefragt, ob die magnetischen Pole nicht vielleicht die alten Erdpole gewesen wären? Klügelhat dies mit vielem Scharfsinne in einem Mémoire auseinandergesezt, indem er die von Lacailleam Kap der guten Hofnung gemessene Abplattung damit in Einklang bringen wolte. Laplacehat aber durch Rechnung das Gegentheil bewiesen, und die neueren Gradmes - sungen haben es bestätigt, dass das maximum der Abplat - tung wirklich in und um die Pole fält, wie sie jezt stehn.

Am auffallendsten zeigen dies die neusten Längengradmessun -gen162vgen von Bordeaux bis Fiume. Wenn man den ganzen gemessenen Bogen in 5 Theile theilt: so ist die Abplattung derselben sehr ungleich. Bei den höheren Gebirgen, in der Auvergne, im Viva - rais, südlich von Genf am Montblanc, ist die Abplattung geringer, grade als ob hier dichtere Theile der Oberfläche der Erde näher gewesen wären, und ihre Abrundung verhindert hätten: der Unterschied beträgt auf einen Grad 95 Toisen, welches um so bedeutender ist, da ein Längengrad im Ganzen nur 40,000 Toisen ausmacht. Dagegen in den flacheren Strekken bei Bordeaux und in der Lombardei ist die Erde stärker konvex: auch für die Breitengrade ist die Längengradmes - sung nicht ohne Nuzen: die neue Formel von Puissantzeigt, dass der Meridiangrad bedeutend dadurch verbes - sert ist; an diesen flachen Stellen beträgt die Abplattungein1 / 250, während sie im Ganzen 1 / 290 ausmacht. Wenn die vortreflichen Operazionen, die der General von Müfflingzum Theil nach eignen Beobachtungen im Preussischen machen läst, vollendet sein werden: so wird man sie mit der163r am Seeberg gemessenen Basis verbinden können, und so eine Längengradmessung von Aachen bis Posen und Königsberg haben.

Die Zahl der magnetischen Pole wird bald zu 2 bald zu 4 angenommen. Eulernahm 2. Halley4, wovon 2 beweglich, und 2 unbeweglich; Hansteenwieder 2; T. Mayernahm einen Magnet im Innern der Erde an; ungefähr dasselbe ist in einem Mémoire gesagt, das ich zusammen mit Biotgleich nach meiner Zurükkunft von Amerika über die magnetischen Kräfte herausgegeben habe. 41Der Dr Stein - häusernimt einen Planeten Minerva im Innern der Erde an, der von andern Pluto genant wurde.

Von der magnetischen Abweichung.

Wenn man eine Magnetnadel frei aufhängt: so zeigt sie nicht nach dem wahren Nordpol hin, sondern bei uns südwestlich von demselben. Den Winkel, welchen die Richtung der Nadel mit dem Meridian an jedem gegebenen Ort macht, nent man die Abweichung der Nadel. Die Griechen hatten zwar163v eine Kentnis von der Anziehungskraft des Magnetes, aber nicht von der Richtung des magnetischen Eisens nach Norden. Gewöhnlich nimt man an, dass Fl. Gioiaaus Amalfi im 13tenJahrhundertdie Magnetnadel für die Schif - fahrt soll erfunden haben, allein dies ist ganz falsch: schon 1181 wird ein Roman de la Rosa von einem Dichteram Hofe Kaiser Friedrich Ierwähnt,42 worin öfters die Marinette (so genant von ihrem Nuzen für die Marine) vorkömt. Auch findet sich eine Nachricht aus dem 12tenJahrhundertdass Norweger auf ihren Fahrten Raben mitnahmen, und diese fliegen liessen, wenn sie in der Nähe des Landes zu sein glaubten, weil sie diesen Vögeln, den Instinkt zutrauten, das Land zu finden, und dann mit den Schiffen ihrem Fluge folgten. NB. wenn sie keinen Leitstein bei sich hatten. Bei den Chinesen war der Kompas von uralten Zeiten her bekant. Der Pater Gaudiberichtet, dass sie im 12tenJahrhundertschon die Abwei - chung der Magnetnadelgebemerkt und gemessen haben,[?]164r daher rühmt sich Kolumbusmit Unrecht (obgleich er von den chinesischen Entdekkungen keine Kentnis haben konte) dass er die Abweichung auf seiner ersten Reise 1592 zuerst erkant habe: er bemerkte auch, dass zwischen den kanarischen und azorischen Inseln ein Punkt eintritt, wo die Magnetnadel den wahren Nord zeigt, hier ist also eine Linie ohne Ab - weichung. Wo dies aber nicht der Fall ist, da sezt man sich grossen Irthümern aus, wenn man, wie nur zu häufig noch geschieht, geodätische Operazionen mit der Nadel macht: zu einer grossen Genauigkeit kann man auf diese Weise nie gelangen: denn manhat bei der Magnetnadel stünd - liche Abweichungen von fast ¼ Grad bemerkt; (ich selbst beobachtete sie von 18 Minuten-Bogen in 24 Stunden. ) wenn man also eine geodätische Messung des Morgens anfängt, und des Abends vollendet, so kann man sehr bedeutende Fehler hinein bekommen.

Früher bestimte man die Abweichung auf eine sehr weitläufige Art, indem man eine Mittagslinie mas, und eine rechtwinklige Bussole darauf stelte, wo denn die164v Unterschiede sehr mühsam aufzufinden waren. Die beste Methode hatHerr v. Zachangegeben. Wenn man nämlich auf einem Fernrohr mit eiserner oder kupferner Röhre einen starken Magnet befestigt, so wird das Fernrohr die Stelle der Magnet - nadel vertreten können, und wird sich, freihängend, von selbst in den magnetischen Meridian sezen. Hat man nun im Gesichts - felde ein Fadenkreuz aufgerichtet, und visirt damit nach irgend einem Punkte, so wird es von Minute zu Minute einen andern Punkt dekken, oder auf einen andern Gegenstand zeigen: ver - gleicht man dies mit dem Meridiane, den man sich durchundeutlich. einen Stern verschaft hat, so erhält man die Abweichung.

Auf Cook's zweiter Reise fand man, dass das Eisen auf dem Schiffe der Bussole gefährlich sei, und grosse Ab - weichungen derselben hervorbringe: es kömt indes nur auf die Richtung der Kraft an, und wenn man das Eisen auf dem Schiffe so stellen könte, dass es in derselben Richtung wirkte, wie der magnetische Pol, so würde die Störung Null sein. Vor kurzem machte Barrow⟨⟩die grosse Entdekkung, dass man durch eine kleine Stahlplatte den Irthum volkom - men korrigirten könte, und gewann den grossen Preis, den die165r Admiralität auf die Lösung dieser Frage gesezt hatte. Auf den Kriegsschiffen wirken nämlich die Kanonen, und alles darauf befindliche Eisennichtaus der Ferne nicht so stark auf die Nadel, als eine kleine Eisenplatte in der Nähe des Kompasses. Man visirt mit 2 Kompassen vom Lande nach dem Schiffe und umgekehrt gegeneinander, und dreht das Schiff nach und nach, bis man den Abweichungswinkel gefunden: dann wird die Kor - rekzionsplatte neben dem Kompas in einer solchen Entfernung befestigt, dass sie grade die Wirkung der Kanonenpp. aufhebt. Captain Basil Hall[,] Caryund andere haben die Sache auf ihren Reisen versucht, und ganz anwendbar befunden: nur wenn man in irgend einen Indifferenzpunkt auf der Erde komt, so wird die Korrekzion der Platte Null sein.

Der spanische Seefahrer P. Nuñezfand 1538 zuerst einen solchen Indiffer<en>zpunkt, nicht weit vom Kap der guten Hofnung, an einem Cap, das man daher Capo de Agulias (Cap des aiguilles) nante. Costakam darauf, dass man durch dieses Mittel die Länge finden könne: allein bei der im Ganzen geringen Abweichung und dem Wechsel der Linien selbst ist es sehr ungewis.

165v

Alonzo de St Cruzmachte 1530 die ersten magnetischen Kar - ten, wie dies von Salassartneuerlich bewiesen worden ist. Wie merklich die Nadel im Laufe der Zeit abweiche, soll uns[?] an dem Beispiel von London gezeigt werden.

In London war 1580 diemagnetischeAbweichung11° 15′ östlich 1657 1665 22′ westlich nach Paris rükte die Linie ohne Abweichung später. Früher kante man nur eine solche magnetische Linie ohne Abwei - chung, welche zwischen den azorischen und kanarischen Inseln in den atlantischen Ozean fiel: dann fand man, dass sie sich in 2 Zweige theile, von denen der eine durch Konstanti - nopel ging. Hansteenhat gezeigt, dass 1818 der Punkt der grösten Elongazion eingetreten war (welches man ohne Grund mit den Nordlichtern hat in Verbindung bringen wollen) und dass sich die Nadel jezt wieder dem Pol nähert.

In Ost-Asien herscht, troz der Reise des Astronomen Schubertnoch immer Unsicherheit über die Linie ohne Abweichung, und man mus jezt wenigstens 3 oder 4 an - nehmen:166r42.

  • 1, die erste fält in den atlantischen Ozean. Sandwichinseln, Cap Augustin, streift an Brasilien hin, und geht bis 12° nördlicher Breite von Trinidad.
  • 2, in der Südsee, an der Küste von Peru. Gallopagos.
  • 3, 4, die 3teund 4teLinie sind vielleicht eine und dieselbe, die sich bei den molukkischen Inseln scheidet, der eine Zweig geht gegen China und Japan hin, der andre wun - derbar verschlungen von Bengalen nach Kasan, wie Han - steenbehauptet. Merkwürdiger Weise scheint im Innern von Afrika keine Linie ohne Abweichung zu sein; auch ist es auffallend, dass wenn die Linie auf dem Kontinent steht, die Bewegung (der Nadel) nur sehr gering ist. Der magnetische Pol in Amerika selbst ist sehr ungewis. Parry, Lyonund Sabinehaben sich darum bemüht: er variirt vom 60 70° Nördl. Breite, und vom 80ten 100tenGrade der Länge.

30. Vorlesung, 16.02.1828

Die Angular-quantität, um welche die Nadel vom wahren[Diese ganze trefliche Stelle müste am Ende der Betrachtungen über den Magnetismus stehn: denn die Inkli - nazion wird darin erwähnt, welche erst viel weiter unten erklärt wird, eben so dermagnetischeAequator.] Norden abweicht, heist die Abweichung, und läst sich am besten durch ein magnetisches Fernrohr bestimmen.

166v

Die magnetische Kraft, als ein Substrat der magnetischen Spannung, zeigt sich am deutlichsten in dem Erdlicht, welches an den Polen ausgestralt wird, und das jedesmal die Magnet - nadel auffallend affizirt.

Dass die magnetische und elektrische Kraft ein und dieselbe seien, haben Oerstädt's glänzende Entdekkungen deutlich be - wiesen: da aber immer Heterogenität in den respektiven Erscheinungen statt findet, so bedient man sich 2er Instru - mente, um sie wahrzunehmen, der Magnetoskope und der Elektroskope.

Einen ruhigen Gang zeigt die elektro-magnetische Kraft in den stündlichen oder vielmehr täglichen Abweichungen der Nadel, die beim Aufgange der Sonne nach Osten hin inkli - nirt,dannzu Mittagdurch den Meridian geht, und am Abend nach Westen sich wendet. Unperiodische Strömungen aber zeigen sich bei Gewittern, wo die Elektroskope häufig vom positiven auf den negativen Pol, und umgekehrt, überspringen. Ausserdem giebt es aber noch bei nächtlichen Versuchen wunderbare Zukkungen, die ein Schwanken umd.einen167rMittelzustand der magnetischen Spannung anzudeuten scheinen.

In England haben sich um die Lehre vom Magnetismus besonders verdient gemacht: Faraday, Davy, Herschel jun.indessen ist noch kein allgemeines Resultat zu Stande gekommen; und wenn wir gleich sagen können, dass seit 1820 grosse Schritte geschehn sind im Begreifen des na - turgemässen Ganges der magnetischen Erscheinungen: so dürfen wir uns doch nicht verhehlen, dass diese Lehre noch weit davon entfernt ist, mit so grossergGenauigkeit bestim̃t durchgeführt zu sein: als etwa die von Newtonsentdekten Gravitazionsgeseze in der ausgeführten Mechanik des Himmels. Die beiden Probleme sind aber ganz verschie - dener Natur. Bei den Gesezen der Schwere haben wir es nur mit der Masse der Körper und mit ihrer Dichtigkeit zu thun: wenn aber von den physikalischen Eigenschaften der Körper die Rede ist: dann legten〈…〉〈…〉die Heterogeineität ihrerMischunStoffe, ihre chemische Mischung, und das167v Verhalten der einzelnen Theile zu einander, dem Forscher solche Schwierigkeiten in den Weg, dass es immer schwe - rer und schwerer wird, ihre Geseze zu erkennen.

Obgleich uns der magnetische Aequator[zugänglicher] ist als die magnetischen Pole, welche man fast gar nicht kennt: so wissen wir doch auch davon sehr wenig. Herr Hansteennimt 2 Nord - und 2 Südpole an. Von den beiden Nordpolen liegt der eine in Nordamerikazwischen60 70° Breite, der andre nördlich vom Ausflusse des Jenisei. Die beiden Südpole beruhen fast ganz auf Hypothesen, da man jene Länder so wenig untersucht hat: nach Hansteen's Meinung liegen sie näher beim Südpole, als die magne - tischen Nordpole beim Nordpol der Erde,:der erste südlich im Meridian von Van Diemensland, der 2teim Meridian des erst seit kurzem entdekten Neu-Shetland und Neu - Georgien. Der eine nördliche Pol in Kanada ist auf der lezten Expedizion von Parrynördlich umgangen wor - den, so dass ihnen die Nadel nicht mehr die Richtung168r nach Norden, sondern eine ganz abweichende nach Südwest zeigte.

Der magnetische Aequator liegt da, wo die Inklinazion〈…〉〈…〉[wovon weiter unten die Rede sein wird] gleich Null ist, sehr bemerkenswerth ist es aber, dass er nicht nur nicht mit dem Erdäquator zusammenfält (was sich freilich schon aus der abweichenden Stellung seiner Pole schliessen liesse) sondern dass er nicht einmal ein gröster Kreis ist: er windet sich sehr unregelmässig um die Erde,[und] durch - schneidet den Aequator der Erde an verschiedenen Stellen: darum eben ist jede mathematische Anwendung sowohl auf die Linien, als auch auf die Erscheinungen der magne - tischen Kraft so überaus schwierig. Man hat sich bis jezt darauf einschränken müssen, nur die empirischen Geseze, denen diemagnetischeKraft auf der Erde folgt, aufzusuchen, und die isodynamischen Linien zu bestimmen: man hat sie erklärt durch einen im Innern der Erde befindlichen Magnet, mit 1 oder 2 Polen (je nachdem man 2 oder 4 Axen annahm) der in einer gewissen Bewegung begriffen ist. Dies ist aber168v keine physische Erklärung: die Schwierigkeit wird dadurch nicht gehoben, sondern gleichsam nur von der Oberfläche der Erde in ihre Tiefe gebracht.

Bedenkt man aber wiederum, dass die Linien ohne Abwei - chung, wenn sie vom Meere auf den Kontinent übergehn, länger auf demselbenKontinente verweilen, so möchte dies zu der Vermuthung Anlas geben, dass die Dichtigkeit selbst der Massen, einen Einflus auf das schnellesoder lang - same Vorrükken derselben habe.

Wir müssen uns gestehn, dass wir bis jezt keine Einsicht in den physischen Kausalzusammenhang der magnetischen Erscheinungen haben, weil wir die Grundursach derselben noch nicht haben auffinden können. Wo von etwas quan - titativ-veränderlichen die Rede ist, da kann die Mathe - matik angewendet werden, bei allem andern aber ist sie von keinem Nuzen. So wäre es z. B. sehr leicht, eine Projek - zion des Amazonenstromes nach Abszissen und Ordinaten zu machen, die man einer ganz genauen Berechnung unterwerfen könte: man würde aber durchaus keinen Schlus169r von dem oberen Laufe auf den unteren machen können.

Man kann auch durch mathematisches Interpoliren man - ches finden, wenn man eine Reihe von Erscheinungen in grossen Entfernungen vor sich hat: allein der bestimte Zustand der magnetischen Erscheinungen hat[erst] seit ganz kurzem die genauereBeoAufmerksamkeitder Forscher auf sich gezogen: alle guten Beobachtungen datiren erst von 30 35 Jahren her, und danach will man Schlüsse auf Perioden von 3 4000 Jahren machen? So hatHerr Hansteenmehrere Perioden angenommen, von denen die eine 860, die andre 1400 Jahr dauern, aber noch sehr weit von der mathematischen Schärfe entfernt sind, die wir in andern Wissenschaften er - reichen konten.

Man ist noch weiter gegangen, und hat fast spielend diese neu gefundenen Perioden, in denen der Umlauf der magnetischen Pole um den Weltpol enthalten sein soll, mit den indischen Perioden des Kadariverglichen, welche alle Multipla der geheimnisvollen Zahl 234 oder 430 sind. Der deutsche Astronom Burkhardtin Paris berechnete auf diese169v Art eine Periode, (indem erdalle Umläufe des magnetischen Poles um den Weltpol addirte) welche auch ein Multiplum von 430 ist, und ungefähr 25000 Jahre beträgt. Nun ist dies auch die Periode für die Präzession der Aequinokzien, und hierin glaubte man ein neues Geheimnis zu finden.

Aber dies führte zu keinem Resultat, und bis jezt giebt es noch keine mathematische Theorie, welche auf genügende Weise, die Abweichung, Inklinazion und die dynamischen Linien mit einander verbindet. Für die Empirie ist sehr viel geschehn, und man kann sagen, dass, so kurz auch die Zeit ist, seitdem man sich mit den magnetischen Erscheinungen genauer beschäftigt, doch die Fortschritte in der Erkentnis we - nigstens der empirischen Geseze sehr gros gewesen sind. Vor allen mus hierHerr Hansteenin Norwegen genant werden, der sehr schöne Beobachtungen mit anhaltendem Fleisse gemacht, und zuerst einen Zusammenhang der magnetischen Oszillazionen mit den Nordlichtern nachgewiesen hat: er wird noch in diesem Jahre eine Reise nach Ostasien machen, um dort die Linien ohne Abweichung zu bestimmen, und man kann170r43.sich sehr viel von dieser Expedizion versprechen.

Wir fahren fort, von der Deklinazion oder Abweichung der Magnet - nadel einiges anzuführen. Bei den 4 Linien ohne Abweichung ist nachzutragen, dass die erste, welche in den atlantischen Ozean fält, sich am wenigsten scheint geändert zu haben, und dass die 3teNeuholland und die Molukken durchschneidet, und sich in 2 Zweigen nach Asien hinauf wendet.

DieDeklinazionstündliche Abweichungwurde nicht von Grahamzuerst gefunden, wie man gewöhnlich annimt, sondern schon 1682 von den Jesuiten in Siam beobachtet. Pronyfand das Mittel, sie vermöge eines magne -[oben hies esHerr v. Zach.] tischen Fernrohres zu messen.

Schon Cassinibemerkte ein Wiederkehren der magnetischen Dekli - nazion, und Guilpert's12-jährige Versuche haben es bestätigt, dass es nicht blos eine tägliche Ebbe und Flut giebt, sondern auch2-jährliche. Die beiden maxima fallen in den Juny und Dezember, die beiden minima in den März und September,alsosirichten sich also nach den beiden Solstizien und Aequinokzien, man darf daher einen Zusammenhang mit der Rotazion sowohl, als auch mit der Trans - lazion der Erde voraussezen. Die tägliche Deklinazion könte man zu einer Uhr benuzen, die fast bis auf ¼ Stunde[genau die Tageszeit] gäbe. 170vDie Quantität der Abweichung ist bei uns in manchen Winter - monaten nur 6 7 Minuten: sie wächst aber auf 8 10und12 Min.[Im] July kann der Unterschied vom Morgen bis Nachmittag 19 Minuten, also fast ⅓° betragen: bei Nordlichtern steigt die Ab - weichung auf 20 22 Minuten.

Schon früher fand Celsiusin Schweden, was auch nachher durch Hansteenbestätigt wurde, dass die Nordlichter einen starken Einflus auf die Oszillazion der Nadel ausüben, auchvonwennman sie nicht über dem Horizonte sieht. Aragoin Paris hat sehr genau die Stunden angemerkt, wo, während der Expedizion von Parrydie Nadel unruhig wurde, und es hat sich nachher ausge - wiesen, dass jedesmal zu derselben Zeit ein Nordlicht am Him - mel gewesen war.

Die tägliche Abweichung der Nadel geht bei uns von Osten nach Westen, welches man mit der verschiedenen Erwärmung des Erd - körpers hat erklären wollen. Freycinetund Duperreyfanden grade das entgegengesezte in der südlichen Hemisphäre. Man nent dies: affollement oder Beunruhigung der Nadel.

Im Jahre 1806 beobachtete ich hier in Berlin die Nadel, während eines Nordlichtes,[das] man auch hier wahrnehmen konte: ich bemerkte eine grosse Deklinazionsveränderung, aber171r keine Zukkungen oder Oszillazionen. Bei ganz heiterm Himmel giebt es auch Stunden in der Nacht, wo die Nadel äusserst un - ruhig wird, und von 20 25 Minuten oszillirt. MitHerrn Olbers(oder Oltmans) habe ich über 1 Jahr lang dieMagnetnadel beobach - tet, und wir haben es oft bei unsern nächtlichen Versuchen bemerkt, dass mehrere Nächte hintereinander die Nadel zu denselben Stun - den unruhig wurde, es fand eine plözliche Veränderung des magne - tischen Meridians Statt.

Von der Inklinazion.

Wenn man eine Nadel, deren beide Hälften von ganz gleicher Schwere sind, magnetisirt, und horizontal aufhängt, so wird sie sich(bei uns) gegen den Nordpol hinneigen: den Winkel, um welchen sie in den verschiedenen Breiten von der Horizontallinie abweicht, nent man die Inklinazion. Die Beobachtungen, welche man auf Cook's ersten beiden Reisen daraufübergemacht, sind so unvolkommen, dass man sie kaum brauchen kann. Erst auf der dritten Reise hatte man bessere Instrumente, und nun wurden auch die Beobach - tungen genauer. Der magnetische Aequator heist diejenige Linie, in welcher die Inklinazion Null ist, also wo die Nadel völlig hori - zontal steht. In Amerika bestimte ich diese Linie unter 4 5 Grad Südbreite, wo sie die Andeskette durchschneidet. Freycinetdurchschnitt171v denmagnetischenAequator 6 mal in der Südsee. So weit man ihn jezt kent, tritt er ein beim Kap Guardafui, südlich von der Strasse Bab-el-Mandeb, und geht in das Innere von Afrika, wo man ihn nicht weiter verfolgen kann: bei seinem Austritte auf der andern Seite bleibt er immer südlich vom Erdäquator, auch in Amerika bleibt er südlich vom Amazonenstrom, bei dem Gallapa - gos-Inseln schneidet er denErd -[?] Aequator wieder, und schlängelt sich dann nördlich. Er ist aber auch nicht als stillstehend zu betrach - ten: sondern sein Durchschnittspunkte mit dem Erdäquator rükken von Osten nach Westen vor. Magnetische Breite nent man den Abstand der Orte vommagnetischenAequator, dessen Fort - schieben eine Ursach der vermehrten oder verminderten Inklina - zion ist. Für Berlin bestimte ich 1805 mit Gay-Lussacdie Inklina - zion auf 69°50′, und 1827 mitdenHerren Ermanund Encke, im Thiergar - ten auf 68°39′. Man sieht, dass sie in 22 Jahren um mehr als einen Grad abgenommen hat: mithin mus der magnetische Aequator uns näher gerükt sein. Captain Parryfand unter 73°Nordbreiteim Port Bon in der Prince Regentstrasse die Inklinazion: 88° also fehlten nur noch , dass sie Nadel perpendikulär gestanden hätte.

Ähnliche Veränderungen wie in Berlin hat man auch in Paris beobachtet, und zufällig bin ich auch da der erste gewesen, der die172r älteste genaue Bestimmung im Jahre 1798 mitHerrn Bordagemacht hat. Dieser beobachtete mit seinem vortreflichen Inklinatorium, und man fand, dass bis 1827 die Inklinazion jährlich um 4 Minuten abgenommen habe. Auch in der Havannah machte ich die ersten ge - nauen Beobachtungen, dann wiederum derCaptain Sabinevor 2 Jahren, und auch hier war die Mittelzahl der jährlichen Vorrükkung 4 Min.

Eben wie die Deklinazion, so hat auch die Inklinazion eine stünd - liche oder tägliche Variazion. Aragohat in einem Mémoire aus - einandergesezt, dass sie von 9 Uhr früh bis 6 Uhr Abends wächst, und die Nacht hindurch bis um 9 Uhr früh abnimt. 43

Von der Intensität der magnetischen Kraft.

Borda, dem wir die schönen, nach T. Mayer's Idee angefertigten Repetizionskreise verdanken, kam zuerst auf den Gedanken, ob die magnetische Kraft unter den verschiedenen Breiten nicht eine Ver - schiedenheit der Intensität zeige, und gab die dazu nöthigen In - strumente an. Lapeyrousebekam demzufolge Instrukzionen, eine freihängende Nadel schwingen zu lassen, und die Schwingungen zu zählen. Von seinen Beobachtungen ist nichts bekant ge - worden, weil die Expedizion unterging. Ich habe auf meiner gan - zen Reise eine solche Nadel oszilliren lassen, und aus vielen 1000 Beobachtungen das Resultat ziehn können,:dass die172v Intensität dermagnetischenKräfte vom Aequator nach dem Pole zunimt: auch auf meiner Reise mit Gay Lussachabenwirichin Deutschland beständig verglichene Nadeln schwingen lassen; ich beobachtete die Oszillazion vom 16°Südlicherbis zum 52°NördlicherBreite, und fand das Verhältnis von 258 Schwingungen, zu 211 unter dem Aequator: die Temperatur ist nicht ohne Einflus darauf. Sezt man die Intensität unter dem Aequator = 1,00, so ist

  • Neapel = 1,20
  • Paris = 1,34
  • Berlin[] = 1,37
  • Polargegenden = 1,70

denn auch derKapitän Parryhat auf seiner Expedizion von mei - nen Nadeln einige mitgenommen, die ich zuvor in Paris hatte schwingen lassen. Er bemerkte, dass während des Nordlichtes die Stärke abnimt.

Indessen ist bei diesen Versuchen es sehr schlimm, dass man für längere Zeiträume kein sicheres Maas des Magnetismus hat: wir können den Nadeln nicht wilkürlich eine bestimte Stärke mittheilen, und sie verlieren auch nach und nach ihre Kraft: man wird also nach 1000 Jahren durchaus nicht wissen können, wie stark oder wie schwach unsre heutigen Nadeln gewesen sind: das173r beste Mittel wäre, Nadeln von ganz ungleicher Länge und ungleicher magnetischer Kraft anzuwenden: dann könte man nach einer Reihe von Jahren, wenn nicht ein grosser Zufall obwaltete, aus dem Unterschiede ihrer relativen Stärke auf die Ab - oder Zunahme der Intensität schliessen.

31. Vorlesung, 20.02.1828

Die magnetischen Erscheinungen im allgemeinen sind parziellen Gesezen unterworfen: so haben wir bemerkt, dass vor einiger Zeit die Elongazion der Deklinazion nach Ostenihr maximum erreicht hat, dass sie jezt in einer Periode des Zurükweichens nach der westlichen Seite begriffen ist: so weis man, dass die Inklinazion häufig da zunimt, wo die Intensität abnimt: aber es ist bis jezt noch nicht geglükt, alle 3 Erscheinungen: die Deklinazion, Inklinazion und Intensität auf ein gemeinschaftliches Gesez zurükzuführen.

Ehe ich meine Reise angetreten hatte, läugnete der grosse Cavendishnoch durchaus, dass ein Unterschied in der Intensität der magnetischen Kraft vom Aequator bis zu den Polen statt finde. Th. Youngglaubte eine Formel aufgefunden zu haben, worin er die Intensität als eine Funkzion der Abweichung an - sahe, welche gar nicht zusammengesezt war: 4 3 Sin. 2 Inklinazion.

Sabine,glaubtedereben so berühmt ist durch seine Reisen nach dem173v Nordpol, als durch seine Expedizionen nach den Tropengegenden, glaubte noch ein anderes Gesez gefunden zu haben: 1 3 Cos. 2magnetischePolardistanz.

Er lies in Afrika und in den Polargegenden Nadeln oszilliren, und fand den Unterschied vom Aequator zum Pol, wie 1: 2; ich lies Nadeln auf der Andeskette im südlichen Amerika oszilliren, die Parrymit nach den Polargegenden nahm, und diese gaben,:1: 1,7. Beide Resultate sind richtig: es folgt nur daraus, das die In - tensität auf dem magnetischen Aequator selbst nicht gleich ist, ja nachdem man sie auf der Andeskette oder in Afrika mist: d'Entrecasteauxfand im indischen Archipel ein Resultat, das mit dem meinigen übereinstimt. Die Verschiedenheit mag in der innern Beschaffenheit des Erdkörpers liegen, wo einige Theile mehr leiten mögen, als andre. Wir sind noch nicht so weit, die 3 magnetischen Systeme in eins zu vereinigen: dies würde das Ziel der empirisch-physischen Wissenschaften sein: so wie es wiederum der höchste Zwek der Naturphilosophie ist, zu unter - suchen, wie die Kräfte der Materie aus dem Wesen und Begriff der Materie selbst hergeleitet werden können.

174r44.

Von dem Erd - oder Polarlicht.

Es ist dasjenige, was an den Polen ausgestralt, und gewöhnlich mit dem Namen des Nordlichts bezeichnet wird. So wie es unzweifel - haft ist, dass Venus auf ihrer dunkeln Scheibe einen Lichtprozes habe, eben so könte auch die Erde ein eignes Licht haben; es ist auch nicht unmöglich, dass in Urzeiten, wo die innere Wär - me durch Spalten oder Risse sich noch Luft mache konte, die Planeten selbst leuchtend gewesen sind. Dass der Licht - prozes in den Weltkörper aufhören könne, sehn wir in jener vulkanischen Gegend des Himmels im Schlangenträger und in der Kassiopeia, wo mehrere Sterne verschwunden sind, d. h. sie haben keinen Lichtprozes mehr, der stark genug wäre, das Licht bis zu uns zu senden. Von den Optikern ist es nicht unbemerkt geblieben, dass, wenn der Himmel auch völlig bezogen ist, in der Nacht dennoch eine Erleuchtung statt findet, die zwar schwach, aber dennoch bemerkbar ist; besonders deutlich ist die Erscheinung auf dem Meere: auch könte es möglich sein, dass das Licht so zu sagen eingesogen wird[,] z. B. vom Schnee, der es dann wieder zurükstralt: So hat man bemerkt, dass in den Bergwerken das Holz nicht leuchtet, wenn es auch völlig in174v Fäulnis übergegangen ist. Einen sehr merkwürdigen Fall hab 'ich selbst entdekt, wo ein Schaft in einer Grube nur an dem Theil leuchtete, womit er zufällig dem Tageslichte ausgesezt war: der an - dre Theilwarbliebvöllig dunkel, obgleich der Zustand der Fäulnis in beiden ganz derselbe war. Als eine besondere Seltenheit mus es angemerkt werden, dass man kürzlich in einem Steinkohlen - bergwerke in Westphahlen leuchtende Pflanzen unter der Erde gefunden hat.

Was die Form der Erscheinung des Polarlichtes anlangt, so mus angeführt werden, dass die Alten nie deutlich davon sprechen obgleich sie bis zuden brittanischen Inseln vorgedrungen sind: zwar sprechen Pliniusund Diodorhäufig von trabes igneaepp. die man in der Luft gesehn: es ist aber keine einzige Stelle da, die man deutlich auf das Nordlicht beziehn könte. Die Sage vom wilden Jäger geht durch alle Zeiten und Länder, ohne dass sich daran etwas bestimtes knüpfen liesse.

In neuern Zeiten haben wir vortrefliche und genaure Be - schreibungen von Franklinerhalten, und denen, die nach ihm die Polarländer besuchten. Es fängt an mit dem Segment eines Kreises, der bis zu 6und8 Grad über dem Horizont sich175r erhebt: es wird begränzt von einer milchweissen Zone von 1 bis Grad Breite: aus dieser Zone gehn Stralen in die Höhe, die uns geneigt erscheinen, aber nur perspektivisch:m[?]endlichbilden diese Stralen manchmal einen Dom oder ein Zelt von grösserer und geringerer Ausdehnung.

Der Nebel ist bräunlich grau, und man sieht die klein - sten Sterne darin. Hansteen, der sehr materielle Ideen vom Nordlicht hat, glaubt, der Nebel sei ein Niederschlag von Dünsten; alsdann würde man aber die Sterne nicht so deutlich dadurch sehn.

Der Bogen oder die Zone steht manchmal 12 15 Grad über dem Horizont: der Baron Wrangelsah ihn nie über 1 obgleich er schon dem Pole sehr nahe war: doch diese Nähe scheint eben von keinem Einflus auf die Höhe zu sein. Der Bogen geht manchmal durch den Zenith: theilt sich dann aber gewöhnlich in mehrere. Hansteenhat zuerst gezeigt, dass die[Konvergenz] der Stralen nur Folge der Projekzion sei.

Die Farben sind von der grösten Schönheit, man sieht, purpur, grün, violett. Sonderbar ist es, dass wenn die Streifen sich175v zwischen 2 grossen Sternen befinden, eine Veränderung des Lichtes vorgeht: es sieht grade aus, als ob die Intensität von einem Sterne zum andern überginge.

Oft bemerkt man dabei auch wirklich-leuchtende Wolken. Tienemannin Island hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, dass die sogenanten Schäfchen (Cirrus striatus), (die ich auf dem Chimboraço in einer Höhe von 3 4000 Toisen über mir beobachtet) mit dem Nordlicht in Verbindung stehn können: er bemerkte, dass sie in manchen Nächten leuchtend sind.44 Parryführt an, dass er am nächsten Morgen nach einem Nordlicht Wolken entstehngsah, grade in der Richtung des Bogens, und man hat angefangen, diese Richtungen, in denen die Cirri erscheinen, Polarbanden zu nennen.

Die Stärke ist sehr ungleich nach Verschiedenheit der Breite, doch wird sie nicht grade grösser in höheren Brei - ten. Parrysah es in der Stärke des Vollmondes, so dass man dabei lesen konte.

Die Höhe, in der es steht hielt man früher für weit be - trächtlicher als jezt. Celsiusund Bergmannhaben Messun -176r gen gemacht, wonach es in 80 100 Meilen stehn würde: dies ist aber schon deswegen unwahrscheinlich, weil die Athmos - phäre, wenn es in solcher Höhe noch eine giebt, so dünn sein müste, dass das Queksilber im Barometer sich kaum auf der Höhe von 1 / 1000 Pariser Linie erhalten würde. Dass übrigens in solcher Höhe Feuererscheinungen Statt finden kön - nen, beweisen uns die Aerolithen und Sternschnuppen.

Cavendishmachte andere Messungen, und bestimte die Höhe auf 10 15 Meilen: der Baron Wrangelwill bemerkt haben, dass die Sternschnuppen das Nordlicht, so zu sagen anzün - den: d. h. wennSternschnuppen in der Nähe desselben entstehn: so zeigt sich bald darauf Nordlicht an diese Stelle, wenn es früher nicht da war. Er legt sehr grosses Gewicht auf diese Beobachtung, aber bei Franklinund Parryfindet sich durch - aus nichts dergleichen.

Auf den leztenNordpolexpedizionen endlich, hat man ganz genaue Messungen über die Höhe des Nordlichts angestellt: in Cumberlandhaven haben sich 3 Beobachter damit be - schäftigt. Parryund Richardsonmaassen eine Grundlinie176v von 2 Meilen, und beobachteten an den beiden Endpunkten: sie fanden, dass das Nordlicht gewöhnlich nur 1 oder Meilen hoch gewesen ist: also etwas höher als der Hima - laya: oft auch hat man es unter Wolken beobachtet, die sehr niedrig lagen.

Eine andre wunderbare Erscheinung ist durch 3 Zeugen bewiesen: Parry,Schererund Rosssahen einen Stral des Nordlichtes zwischen sich und dem nächstgelegenen Lande niederschiessen, das nicht über 9000 Fus entfernt war.

Schon Cookbemerkte auf seinen Reisen, dass der leuch - tende Bogen Schatten wirft, z. B. der Hand auf das Ver - deck, und dies haben auch die lezten Reisenden bestätigt gefunden. Nach Cook, Weddellund Billinghausenscheint es sicher, dass dasNordliPolarlichtam Südpol sich weit weniger häufig zeigt, vielleicht weil jener Pol so sehr von Kontinent entblöst ist.

In Europa hat man es nicht südlicher gesehn, als Lissabon, zweifelhaft ob in Malta, dagegen sieht man es in Mexiko, obgleich die schon unter den Tropen liegt;177r dies kömt aber daher,dasweilMexiko dem magnetischen Pole, der um 10 15° vom Weltpole entfernt ist, um so viel näher liegt. Die Periodizität desselben ist früh beobachtet worden. Herschelhat es mit den Sonnenflekken in Zusam̃en - hang bringen wollen, der Physiker Rittermit den Meteor - steinen. (derselbe wolte in der Flamme des Talglichts einen Puls entdekt haben) Indessen gehn die Beobachtungen nicht über das 15teJahrhunderthinauf: in manchen Perioden waren die Nordlichter äusserst häufig, in manchen wieder auf - fallend selten, ohne dass man bis jezt auf ein Gesez hat kommen können.

jezt werden sie wieder häufiger, indessen hat Parrydoch nur alle 3 Nächte eins gesehn. Er erkundigte sich sehr angele - gentlich darüber bei den Eskimaux, konte aber keine Tra - dizion unter ihnen finden. Er beobachtete in Port-Bowen in 180 Tagen 50Nordlichter. Dagegen fanden, dass die Erscheinung177v nach den Jahreszeiten sehr verschieden ist: imNovemberim Durch - schnitt 5, im Januar 15 16. Baron Wrangel, der in einer andern Gegend über Sibirien sich dem Nordpol näherte, fand grade das umgekehrte, imJanuarwenigNordlichte, und imNovemberdie meisten.

Das zischende Getön, wovon dieNordlichte begleitet werden, ist vielfach bestritten und behauptet worden. Nach einer Jagermythe soll es wie das Prasseln eines Feuerwerkes stärker und schwächer sich hören lassen, es sind indessen eben so viele Stimmen dafür als dagegen. Pallas, der auch in Sibirien gereist ist, läugnet es durchaus. Baron Wrangelglaubt etwas gehört zu haben. L. v. Buchhat sich bei seiner Reise nach Norwegen sehr häufig danach erkundigt, aber nichts gewisses erfahren können. Hansteendagegen will gehört haben, wie die magnetische Materie zischend aus dem Innern der Erde herausfährt. Edmonstoneund Hearnewollen auch etwas gehört haben. Franklinbehauptet, es sei eine Täuschung, und rühre vom Krachen des Schnees her.

178r45.

Die Sache bleibt also ungewis, und wir können nur sagen, dass es vielleicht einigeNordlichter giebt, bei denen ein Zischen hör - bar ist.

Zweifel andere Art hat man erhoben gegen den Einflus des Nordlichtes auf die Magnetnadel. Celsiusund Wilke45fanden, dass die Nadel beunruhigt wird, andere fanden nur eine Abweichung: ich habe bei meinen Versuchen immer nur eine Abweichung, wiewohl eine sehr bedeutende, gefunden.

Der Punkt der Konvergenz, wo die Dom - oder Zelt-bilden - den Stralen sich vereinigen, liegt oft im Magnetischen Me - ridiane, oft auch im Weltpole selbst: in Melville's island wurde er einmal sogar gegen Süd Osten geneigt gesehn. Kranzin Grönland fand ähnliche Abweichungen. 46

Die Unruhe der Magnetnadel ist zwar in einzelnen Fällen beim Nordlicht nicht zu läugnen, aber dass Hansteenmeh - rere Grade Abweichung will gefunden haben, scheint un - wahrscheinlich. Sehr auffallend ist es, dass unter dem 72 73°Nordbreite nicht eine Spur von Einflus auf die Nadel hat bemerkt werden können, und dass man dennoch in Paris178v ihn wahrgenommen hat, so oft einNordlicht am Himmel war. Man spürte also in dem Phänomen selbst weniger davon, als in der Entfernung. Die Beobachtungen in Paris sind mit einem vorzüglichen Instrument gemacht, und jahre - lang fortgesezt. Dagegen war wieder die stündliche Oszilla - zion bei Parryungemein stark von 5 täglich: Es scheint also fast, als ob in diesen stärkeren Perturbazionen die Abweichung beim Nordlicht maskirt würde. Auch fand Franklin, dass es Veränderungen in der Intensität hervorbringt.

Auf der lezten Expedizion war es besonders Parry's Augen - merk, zu entdekken, ob mit demNordlicht keine elektrische Er - scheinung verbunden sei. Die Masten wurden (125 Fus hoch) mit metallnen Spizen versehn, und Leitungsketten bis an einen elektrischen Apparat geführt, allein nie fand man irgend eine solche Erscheinung, obgleich die Luft während der Zeit im hohen Grade elektrisch war. Voltaam Komer See und Birkmannin Karlsruhe wollen an den Elektroskopen Veränderungen wahrge - nommen haben, aber dies ist ungewis.

Einige hielten das Nordlicht für Eistheilchen, die in der Luft179r schweben, und in denen Farben entstehn. Meiranhielt es für eine Folge des Zodiakallichtes, das von unsrer Athmosphäre angezogen, sich da sammelt, wo es die meiste Ruhe hat, näm - lich am Pol. Biothat die sonderbare Meinung, dass es durch Magneteisensand gebildet werde, der von den nördlichen Vulkanen ausgespieen ist.

Scoresbywar der erste, welcher bemerkte, dass es auf Winde, Stürmepp. Einflus habe: nachher fand man, dass es auch mit den Wolken in Verbindung steht: es bleiben gleichsam Spuren desselben am nächsten Morgen in den Wolken.

Gay-Lussachat auf eine scharfsinnige Art gezeigt, dass bei der Bildung von Gewittern, die ganze Quantität der Elektrizität, die auf jedem Wasserbläschen schwimt, gegen die Oberfläche der Wolke getrieben wird, wenn sich diese Bläschen zu einer Wolke zusammenballen, (und auf diese Art wäre wenigstens theilweise die Bildung der Gewitter erklärt) eben so könte es mit den federbuschartigen Wolken sein, die man alsNordlicht sieht:sieihrMagnetismus wird an die Oberfläche getrieben. Dazu kömt noch, dass die Stralen, die von dem179v Bogen ausgehn, sich nach dem magnetischen Pole hinneigen, also von ihm angezogen werden. Ganz dasselbe haben höchst merkwürdigerweise Davyund Aragoim kleinen entdekt. Bei den sehr starken Voltaischen Säulen, die man England hat, erscheint bei dem Überströmen der elektrischen Materie durch 2 Kohlen eine Flamme von 3 4 Zoll Länge (welche das(welcher d.magnetischenPol der Erde vorstelt) Nordlicht vorstelt). Aragohat durch einen Magnetdie Flam̃e abgelenkt, und zwar so, dass derNordpoldesMagnetssie anzog, der Südpol sie absties; grade wie der Erdmagnetismus die Stralen des Nordlichtes lenkt.

32. Vorlesung, 23.02.1828

Indem ich jezt zu den Erdbeben, heissen Quellen und Vulkanen übergehe, will ich in Erinnerung bringen, dass wir auch diese Erscheinungen nicht abgesondert und für sich betrachten werden, sondern im Zusammenhange dieser ganzen Reihe: denn nur, wenn man alle einzelnen Theile der Geognosie in Verbindung bringt, kann man einen Schematismus der geognostischen Erscheinungen zu Stande bringen.

Es wird dies klarer werden, wenn wir die 5 Abschnitte der Geognosie noch einmal kurz zusammenstellen:

180r

Wir sprachen

  • 1, von der Form und Dichtigkeit der Erde. Durch das Verdikken der flüssigen Theile entsteht die innere Erdwärme, sie trägt mächtig dazu bei,
  • 2, die elektro-magnetische Spannung zu bestimmen und zu erhalten, mit der das Polarlicht in der engsten Verbindung steht. Durch die innere Erdwärme werden zum Theil bedingt
  • 3, die Veränderungen auf der Erdoberfläche, die sich hauptsäch - lich in den 3 folgenden Gestalten zeigen, als
    • a, Erdbeben, dynamische Veränderungen.
    • b, heisse Quellen, so wie Moffetten, Luftquellen.
    • c, Vulkanen
  • 4, die äussere Rinde selbst, Gebirgsarten; neuere Ansicht, dass dieGebirgsartenVulkanekörniges Gestein bilden. Spuren der Organisazion in Versteinerungen. Phänomene von Erhebung der Gebirge im grossen.
  • 5, die Ansicht der Erdoberfläche; Gliederung der Kontinente, Richtung der Bergketten; Untersuchung, ob die Richtungsaxe der Gebirge parallel ist der Streichung, welche mit dem Fallen immer einen Rechten Winkel macht; EbnenundFlusthäler. 〈…〉〈…〉
180v

Wenn wir die Geognosie in dieser Algemeinheit fassen, so müssen wir sagen, dass die Alten sie nicht gekant haben; obgleich es bei ihnen, so gut wie bei uns, Vulkanisten und Neptunisten gab. Heraklit, der alles aus dem Feuer herleitete, war das Haupt der Vulkanisten, Thalesund die Ionier bildeten die neptunische Schule; aber eben so wie bei uns seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts, so gewannen bei den Alten seit Platodie vul - kanischen Ideen die Oberhand. Ich selbst bin ein Beispiel der Umänderung eines Neptunisten in einen Vulkanisten, und alge - mein betrachtet man jezt Porphyr und Granit als Produkte des Feuers. Douglasin England ist auf den scherzhaften Einfall gekommen, ein Thermometer von Geognosten zusammenzusezen, auf dem man angedeutet sieht, wie die verschiedenen Gelehrten von dem wässrigen Reiche des Neptunismus in die feurigen Regionen des Vulkanismus sich erhoben haben. 47Diese Veränderung kann aber durchaus nicht getadelt werden: denn in einer Wis - senschaft welche fortschreitet, wie die Geognosie, dürfen nur die Stillstehenden ihrer Stabilität sich rühmen.

Im Mittelalter gaben die Araber einen neuen heilsamen Anstos, indem sie die Gebirgsarten nach ihrem Gewebe und181r ihrer Struktur unterschieden. Vieles blieb ihnen aber völlig fremd. So kanten sie durchaus nicht die Kristallographie, eine so wichtige Wissenschaft. Diese ist erst in ganz neuer Zeit von Hauyin Frankreich, und unter uns von Weissgegründet. Über - haupt gehört die Geognosie im engern Sinne zu den allerneusten Wissenschaften. Sie zält seit ihrer Entstehung kaum 40 Jahr. Der eigentliche Gründer derselben, welcher zuerst auf die Lagerung der Schichten übereinander, auf die Formazionen aufmerksam gemacht hat, ist der unsterbliche Wernerin Freyberg. Vor ihm war die Geognosie in unserm Sinne gar nicht bekant; ihr Name erinnerte lange nur an geologische Träume und Spiele dichterischer Einbildungskraft. GeognostischenominabilisMythen ersezten und zerstörten die Beobachtungenaccusabilis, und es findet sich darin eine wunderbare Übereinstimmung bei allen Völkern. Ungewis bleibt es immer, ob zur Zeit jener Katastrophen, wo die Erdrinde, schon erhärtet, den furchtbarsten Umwälzungen mus ausgesezt gewesen sein, unser Geschlecht schon existirte, ob einzelne Grup - pen sich auf hohe Berge retteten, und so einen Anklang jener urweltlichen Vorgänge uns erhalten haben.

181v

Von den Erdbeben.

Die Definizion des Erdbebens ist: Erschütterung der festen und flüssigen Theile der Erdoberfläche durch eine unterirdische Ur - sache. Diese Ursach kennen wir nicht, wir können nur durch Analogie schliessen, von welcher Art sie sein könne. Dass sie sehr tief liegen müsse, läst sich daraus beweisen, dass mit den Landstrekken zugleich das Meer bewegt wird, wo es 6 7000 Fus Tiefe hat. Ich selbst erlebte 2 sehr heftige in der Südsee, und hatte Gelegenheit, die Erscheinung zu beobachten: es ist, als ob das Schiff barrirt, d. h. auf eine Sandbank gerathen wäre, eine solche Erschütterung geht durch alle Planken und Bal - ken desselben. In den meisten Gegenden schreibt man das Erdbeben lokalen Ursachen zu: bei vielen Städten, die dem - selben ausgesezt sind, schiebt man die Schuld auf einen nahegelegenen Berg: allein dies ist durchaus nicht richtig. Ein eben so verbreitetes Vorurtheil ist es, dass ein gewis - ser Zustand der Athmosphäre ihm vorangehe, dass das Barometer sehr tief stehe, dass der Horizont mit röth - lichen Dünsten bedekt sei[pp. :] alles dies ist vollkommen falsch. 182r46.Wohl aber ist es in Südamerika der Fall, dass vor der Re - genzeit sehr starke Erdbeben vorherzugehn pflegen: diesErd - beben sind in diesem Lande so häufig, dass man sie gar nicht zählen kann; aber nie hat die Athmosphäre Einflus darauf: in Folge der Erdbeben verändert sich manchmal das Wetter. Das schrekliche Erdbeben in Riobamba, wobei 40,000(in wenigen Minuten) Indianer umkamen, war auch kurz vor der Regenzeit ein - getreten; allerdings bemerkt man an manchen Orten vor dem Erdbeben einen veränderten Barometerstand, dies kömt aber daher, dass schon an einer andern Stelle eine Erschütterung Statt gefunden hat, deren Einflus, bei der grossen Schnelligkeit, womit die Athmosphäre diese Bewegungen fortpflanzt, auf das Barometer einwirkt. Dabei mus aber bemerkt werden, dass die tägliche Ebbe und Flut des Barometers,(welche unter den Tropen so regelmässig ist, dass man bis auf 10 Minuten die Zeit danach bestimmen könte) nicht im mindesten durch die Erdbeben gestört wird. Ich habe unzälige Beobachtungen darüber angestelt, und nie eine Veränderung bemerkt.

Oft ist mit dem Erdbeben ein unterirdisches Getöse verbunden. 182vDas was man in Italien hört, ist eben so unbedeutend, als die Erschütterungen selbst, in Amerika dagegen istdes viel stärker. In Quito, welches man für ganz unterminirt halten kann, hört man 7 8 Minuten vor dem Erdbeben ein Rasseln und Klirren, dazwischen einen hellen Klang, den die Eingebornen dem Klirren der Ketten vergleichen, den ich aber ähnlicher finde dem Zerspringen einer glasigen Masse oder dem Niederfallen von Obsidianfelsen. Sehr selten, obgleich nicht ohne Beispiel ist es, dass man einGuanaxuato Getöse ohne Erdbeben hört: so war es 1784 in Guai [?]jaquil der Fall, und[ ich] habe selbst viele Leute gesprochen, welche sich des Phänomens erinnerten und genau Rechenschaft davon abzulegen wusten. Die Spanier nennen dies Getöse: huelos subterraneos. Es lies sich zuerst ein ferner unterir - discher Donner hören, der nach und nach stärker wurde: er erreichte sein maximum, und nahm wieder ab, nachdem das ganze 3 Monate gedauert. Merkwürdig ist es, dass in den Bergwerken er nicht stärker wurde, man mochte auch bis in die lezte Tiefe hinab steigen: man hat damals183r viele Versuche angestelt, um zu entdekken, ob nur die leise - ste Erschütterung damit verbunden sei, aber vergebens: man stelte in die Bergwerke Gläser mit Wasser, die man übervoll gos, damit sie bei dem kleinsten Anstos überfliessen musten, aber sie blieben voll. Eben so sonderbar ist es, dass dies Getöse sich auf den Raum von ¼ Quadratmeile beschränkte, wenn man diesen verlies, so hörte man nichts mehr. Man hat aber bemerkt, dass diese ¼Quadratmeileaus jenem Thonschiefer besteht, der so häufig mit Silberadern durchsezt ist, rings - umher aber ist eine andre Gebirgsart. Eine ähnliche Erscheinung haben wir auf Meleda, einer Insel des adriatischen Meeres, wo sich lange Zeit ein unterirdisches Getöse hören lies, das aber mehr einzelnen Kanonenschüssen zu vergleichen ist.

Bei den grossen Vulkanen in Amerika ist es sehr merk - würdig, dass man das Getöse auf so unglaublich weite Ent - fernungen hört: wenn ein entfernter Vulkan Ausbrüche macht, so verbreitet sich in der ganzen Gegend der Donner, aber nicht durch die Luft, sondern durch die Erde, wie es ja auch bekant ist, dass man, um einen entfernten Kanonen -183v donner zu hören, das Ohr auf die Erde legt. Bei dem Aus - bruche des Cotopaxi am 30 April 1812 hörte man das Ge - töse in einer Entfernung, wie von hier nach Rom, oder von Lissabon nach Frankfurt. Dieser Ausbruch war einer der stärksten, den man lange Zeit erlebt hat. Bei demselben Vulkane hörte man 1814 das Getöse soweit wie von Berlin nach Sibirien. Wenn man dem Vulkan näher kömt, so müste man, da der Schall nach den Quadraten der Entfer - nung abnimt, ihn stärker hören: allein dies ist nicht der Fall: man hört ihn in der Nähe wie in der Ferne. Der Cotopaxi einer der grösten Vulkane der Erde, erhebt sich auf einer Ebne, die schon 11,000 Fus über dem Meere liegt: er ist rings von tiefen Einsenkungen umschlossen, hinter denen sich wieder hohe Gebirgsmassen erheben. Hier kann sich also der Schall schwerlich durch die Erdoberfläche fort - pflanzen, da diesezu sehr von Thälern durchschnitten ist: es wird wahrscheinlich, dass er sehr tief in dem Innern der Erde entsteht, und durch Spalten, die sich in ver - schiedener Richtung erstrekken, nach der Oberfläche derselben184r hingeleitet wird: eine davon geht dann nach der Öfnung des Vulkans und erregt die Explosion: das vulkanische Phäno - men aber, oder die Ursache der Ausbrüche mus in einer sehr bedeutenden Tiefe unter der Oberfläche liegen.

Es ist vielfach untersucht und erörtert worden, ob die Erdbeben Einflus auf die Magnetnadeln haben: ich habe viele Beobachtungen darüber angestelt, aber nie gefunden, dass eine Ursache in den Bewegungen statt fand, wohl aberdass einein Cumanà Veränderung der Inklinazion sich zeigte, und zwar blieb dies ver - änderte Richtung stehn: als ich nach Jahren wieder nach Cumanà kam, war sie dieselbe, als kurz nach dem Erdbeben.

Gewöhnlich nimt man bei Erdbeben eine Bewegung von oben nach unten, eine andre von der Seite, und noch eine schiebende Bewegung an: allein es ist nicht möglich, dies so genau zu unterscheiden; wenigsten komt ganz erstaunlich viel auf die Lage der verschiedenen Städte an, wie wir an dem Beispiele von Quito und Lima sehn können. Quito hat Häuser von 3 4 Stokwerken, Kirchen mit schönen gewölbten Kuppeln, und liegt am Fusse des Vulkans[Pichincha], wie Neapel am Fusse des184v Vesuv. Bei den stärker[?]sten Erdbeben ist aber die Bewegung so wunderbar sanft, dass alles an seinem Orte bleibt, die Häuser fallen nicht ein, und die hohen Gebäude erhalten nur zuweilen Risse, auf die man sorgfältig Acht giebt. Und doch sind der Erdbeben so viele, dass man sie gar nicht zälen kann, und man gewöhnt sich so bald daran, dass man in der Nacht nicht einmal versucht wird, jemanden, der etwa in demselben Zimmer schliefe, zu wekken. In Lima dagegen wagt man es nicht, hohe Häuser er zu bauen, weil man aus Erfahrung weis, dass sie bis dem geringsten Erdbeben über den Haufen geworfen werden: daher besteht die ganze Stadt aus einstökkigen leichten Häusern, die aus einer Mischung von Lehm und Gyps aufgeführt werden, und an denen sich ein sehr schlechter architektonischer Geschmak kund thut; da sich aber bei einzelnen Einwohnern der Glaube festgesezt hat, dass in Lima die Erdbeben in einer Periode von 30-40 Jahren sich folgen, so giebt es einige, welche sich höhere Häuser bauen, indem sie der Meinung sind, dass sie das nächste Erdbeben nicht mehr erleben werden. Dennoch ist es185r entschieden richtig, dass dem Gefühle nach die Erdbeben in Lima nicht so stark sind als in Quito.

Oft kömt auch der sonderbare Fall vor, dass die Oberfläche der Erde völlig versezt wird, aber unversehrt bleibt: wenn man also vorher auf einem Felde rechts Getreide und links Kohl pflanzte, so wird nach dem Erdbeben links Getreide und rechts der Kohl stehn. Bei dem Erdbeben von Riobamba ist das Ei - genthum auf eine sonderbare Weise verwirt worden. Die Men - beln eines ganzen Viertels wurden in ein anderes versezt, und es entstanden Streitigkeiten über die Zukrükgabe des früheren Besizes. Während meines dortigen Aufenthaltes habe ich einen Plan von Riobamba aufgenommen, (der noch nicht ge - stochen ist) auf dem sich die seltsamsten Unregelmässigkeiten finden. Viele Stellen sind in die Höhe gehoben: so finden sich mehrere 100 Menschengebeine auf der Kolka, einem HügelvonbeiRiobamba von 300 Fus Höhe über der Stadt. An andern Stellen komt es vor, dass die Gegenstände völlig von der Erde verschlungen sind: so in Riobamba alle Häuser: diese Stadt hatte früher 3 4 stökkige Häuser, ich fand aber185v auf der ganzen Fläche keinen Schutthaufen über 5 Fus hoch. Viele Personen, die sich nachher retteten, haben erzählt, dass sie plözlich mit ihrem ganzen Hause versunken wären: im ersten Schrekken glaubten sich sehr tief unter der Oberfläche der Erde zu sein, bis sie an der noch zuströmenden Luft merk - ten, dass wenigstens die Spize des Hauses hervorrage. Sie zün - deten Licht an, und konten nun durch alle Zimmer des Hau - ses gehn: denn nichts war zerstört, bis sie sich durch das Dach retteten. Aber eine weit grössere Anzahl fand den Tod; es dauerte lange, ehe die Nachricht nach Quito kam, und ehe sich von dort das Militair und eine grosse Anzahl von Mönchen aufmachen konten. Vielen, die man unten schrei - en hörte, wurde die Absolut[?]zion nach ihrer Beichte ertheilt, ohne dass es möglich war, sie hervorzuziehen, und sie star - ben vor Hunger oder an ihren Verwundungen. Einige Per - sonen sind Tage unter der Erde geblieben; und haben nachher glüklich einen Ausweg gefunden.

Den gröstenZzusammenhangenden Strich von Gegenden die dem Erdbeben unterworfen sind, finden wir an den Küsten der Südsee, wo die Erdbeben von Chili bis Guayaquil sich erstrek -186r47.ken, also einen Zug von 400 450geographischenMeilen einnehmen. Dass das Erdbeben überhaupt mit vulkanischen Erscheinungen zusammenhange, davon kann man sich am besten in dem Kra - ter eines brennenden Vulkans überzeugen. Es hat durchaus keine Gefahr, hineinzusteigen, wenn man nur irgend Vorsicht gebraucht. Zuerst hört man ein unterirdisches Getöse, dann fühlt man eine Erschütterung, und darauf werdendieSchlakken und Lava in die Höhe gestossen. Ich beobachtete dies sehr genau bei meiner 2tenReise nach dem Pichincha. Noch häufiger aber stossen die Vulkane blos eine grosse Masse von Dämpfen und Rauch in die Höhe, daher hat man sie mit vollkomnem Rechte Sicherheitsklappen genant: denn es ist bekant, dass wo sie speien, die Erdbeben aufhören. Daher wünschen die Umwoh - ner des Chimborazo, dass er ein Vulkan sein mögen, und gewis wenn sein hoher Trachytdom geöfnet wäre, so würde die Gegend weniger von Erdbeben zu leiden haben.

In mancher Hinsicht scheint das Gestein auf die Erdbeben keinen Einflus zu haben: es giebt denen eben so viele in Kalk - stein als in Gneus und Granit. In Cumanà, welches Kalk - stein hat, waren die Erdbeben von jeher häufig: die Einwohner186v von Carracas hielten sich daher für sicher, weil sie auf Gra - nit standen, aber leider wurde ihre Stadt im April 1812 wie durch eine Mine in die Luft gesprengt, und von Grund aus zerstört. Dagegen scheint in anderer Hinsicht die Gebirgsart nicht ohne Einflus zu sein. An der Küste von Chili giebt essStrekken von 5 6 Meilen, die nie erschüttert werden. Die Einwohner nennen dies sehr bezeichnend: Roca, que haze puente; die verschiedene Gebirgsart, woraus diese Strekken bestehn, bilden eine Brükke, und das Erdbeben überspringt sie.

Die Alten hatten schon ganz dieselbe Meinung, dass die Vulkane Sicherheitsventile wären: die schönste Stelle(ich kann sie nicht finden) finden wir bei Strabo. I.

Cumanà gegenüber liegt die Halbinsel Araya durch einen Meeresarm getrent: in dieser spürte man früher durchaus keine Erschütterung: aber seit dem grossen Erdbeben 1798 in Cumanà ist auch sie mit in den Erschütterungskreis gezogen worden, und es kann jezt nicht dieerleiseste Stos in Cumanà Statt finden, der nicht auch in Araya gefühlt würde. Dies scheint zu beweisen, dass sich jezt eine korrespondirende Öfnung unter der Halbin - sel befinde, die früher nicht vorhanden war, und nun die Stösse auf gleiche Weise nach Cumanà hin und nach Araya leitet.

187r

In Bogotà hat sich seit 6 8 Monaten eine solche Öfnung gebildet, und die Stadt ist, nach den Nachrichten, welche ich vonHerrn Boussingaulterhalten habe, durchaus der Zerstörung preisge - geben.

Auch Flammen und Rauch sieht man bei Erdbeben häufig aus der Erde aufsteigen, aber nicht immer. Sehr heftig waren sie 1755 in Lissabon, wo ein grosser Theil von beiden Küsten des atlantischen Meeres die Erschütterung fühlte: das Meer wich an den Antillen zurük, und in Böhmen merkte man einen Einflus auf die Heil - quellen[;] auch in Cumanà 1789 sah man Flammen.

Oft werden grosse Hügel aus der Erde hervorgehoben, die bei den Spanier moja hieeissen: man hielt sie lange für verwitterten Por - phyr: aber die Untersuchungen von Klaprothu{n}d neuerdings von G. Rosehaben bewiesen, dass sie zum Theil aus gekohltem Wasserstof - gas bestehn; also eine vegetabilische Substanz sind;:dies beweiset uns, dass nicht allevegetabilischenSubstanzen einen organischen Ursprung haben.

Ob Elektrizität bei den Erdbeben frei wird, ist zweifelhaft: wenig - stens kann man behaupten, dass es nicht immer der Fall ist. In Quito,wokannman, wenn die Erdbeben einmal angefangen haben, ganz sicher darauf rechnen, dass mehrere in einer kurzen Zeit folgen werden: ich habe daher unter freiem Himmel viele Versuche angestelt,187v indem ich das Elektroskop in der Hand hielt, habe aber nie die geringste Einwirkung bemerken können. Dagegen ist es ganz entschie - den, dass bei dem heftigen Erdbeben in Piemont 1808 die Wirkung auf das Elektrometer sehrheftistarkwar: in einigen Gemeinden in Pignerolles wurden aneEinem Tage 60 80 Stösse gespürt.

Die Ursache des Erdbebens ist in nichts anderm als in den elastischen Flüssigkeiten zu suchen, die sicheinimInnern der Erde zusammenhäufen, durch ihre Kompression immer mehr Kraft ge - winnen, und sich am Ende einen Ausweg suchen. Dies kann man, wie gesagt, im Krater eines brennenden Vulkanes am besten be -〈…〉〈…〉merken, wo Donner, Erschütterung und Schlakkenauswurf regel - mässig aufeinander folgen.

33. Vorlesung, 27.02.1828

Bei den Erdbeben müssen im Innern der Erde grosse Verände - rungen vorgehn: denn nicht immer kehren die erschütterten Erdschichten in dieselbe Lage zurük, in der sie vorher waren. Beispiele davon finden sich zwar nicht bei allen Erdbeben, aber doch bei einigen der heftigsten: ein sehr starkes erlebte ich an der Küste von Südamerika,welcheswodurcheine Untiefe in dem Hafen von Chilientstand, die seitdem geblieben ist. In Chili erhoben sich Kalksteinschichten bis 4 5 Fus, und blieben in Bänken stehn. Reinhart, dem wir viele Nachrich -188r ten über die molukkischen Inseln verdanken, erwähnt einer Er - scheinung, wo eine Erweichung stattfand; ein obsidianartiger Trachyt erhob sich mehrere Jahre lang aber äusserst langsam; besonders war dies in Bunda und Ternate der Fall. In der Südsee findet man Korallenfelsen von mehreren 100 FuseErhebung, auf deren Spizen sich Versteinerungen zeigen, während dasernoch im Meere stehende Theil die lebendige Korallenbildung ent - hält.

Ein ähnliches Phänomen zeigt sich auffallend genug in Schwe - den. Celsiusbemerkte, dass an einem Theil der südlichen Küste von Schweden der Meerespiegel bedeutend sinkt. Die ältesten Beobachtungen sind von 1730. Da man aber diese Sinken an den übrigen Küsten der Ostsee nicht bemerkte, so ist es nach hydrostatischen Gesezen unmöglich, dass es in Schweden allein der Fall sei. L. von Buchäusserte zuerst den scharfsinnigen Gedanken, dass also wohl der Kontinent sich erheben müsse;〈…〉〈…〉und so ist es wirklich, obwohl die Erhebung sehr langsam geht, in 100 Jahren 3 4 Fus.

Im englischen Guiana will man bemerkt haben, dass Gra - nitschichten sich gehoben.

188v

Auf einigen Inseln der Südsee hat man am Meere Fus - steige angelegt, wo sonst der Wasserspiegel stand.

Dies alles sind dynamische Erscheinungen, welche von elasti - schen Dämpfen hervorgebracht werden.

Von den heissen Quellen.

Wenn man jede Quelle eine Thermalquelle nennen wollte, die heisser ist als die umgebende Athmosphäre, so wür - den bei uns alles Thermalquellen sein, unter den Tropen dagegen ist es ungewis. Im algemeinen ist eine grosse Hizebeiinden Quellen nicht häufig; und äusserst selten gehen sie bis zum Siedpunkte: schon von 60 70° R. kom - men sie nicht oft vor. Bei Caracas fand ich eine Quelle von 72° R. Die wärmste, welche ich je getroffen ist in Mexiko bei Gualaxuata, und sprudelt aus einem Basalt - konglomerat; da wo ich die Hand darüber halten konte, hatte sie 77° R.[also] nur 〈…〉〈…〉weniger als den Siedpunkt, und ich zweifleichnicht, dass, wenn es möglich gewesen wäre, das Thermometer einige Fus tiefer einzusenken, so würde es bis 80° gestiegen sein.

189r

In der Auvergne giebt es eine Quelle von 70° R.

Alle diese entspringen aus dem Urgebirge, und sind nichts anderes als niedergeschlagene heisse Dämpfe von reinem distillirten Wasser. Schon Linkbemerkte dies auf seiner Reise nach Portugal, wo er einige schöne Untersu - chungen darüber angestelt hat. 48Ich habe ebenfals Versuche gemacht, und gezeigt, dass man aus vielen durch alle mög - lichen Reagenzien keinen Niederschlag erhält. Herr Bous - singaultwiederholte meine Versuche, und fand bei einer Quelle von 35° R. Stikgas[] als Bestandtheil des Wassers. In einer Quelle bei Aachen hat man Schwefelwasserstofgas finden wollen, allein hiebei ist wahrscheinlich eine Ver - wechselung vorgegangen, oder man hat sich durch den Geruch täuschen lassen, oder auch dasSchwefelwasserstofgas hat sich erst an der Luft gebildet.

Noch merkwürdiger sind die Wasser, welche freie Schwefel - säure enthalten,istin Popayan ist ein Flus unter dem Namen des Essigflusses bekant, der sich in den Cauca ergiest. Von dieser Stelle an sterben im Cauca die Fische189v auf viele Meilen weit, welches für die Einwohner von Popayan sehr traurig ist, da sie nicht wissen, wo sie in den Fasten ihre Nahrung hernehmen sollen. Dieser Essigflus enthält freieSchwefelsäure und überdies noch Salzsäure.

Eben dasselbe findet sich in einem Kratersee auf Java.

Ein andres Faktum findet sich beim Vulkan von Xorullo: dieser hat zu seinen Füssen eine Ebne, die sich dem Süd - meere zusenkt, früher gab es hier 2 Flüschen von 15° R.[Als] aber 1759 der Vulkan erschien, verschwanden sie beide, und brechen nun an einem ganz andern Orte mit einer Temperatur von 60° R. hervor. Das Wasser komt also mit heissen Dämpfen in Berührung die sich in ihm niederschlagen, und ihm ihre Wärme mittheilen.

Bei andern Quellen ist die Menge ihrer Bestandtheile zu bewundern; so gehört der Karlsbader Sprudel zu denen, wel - che fast die meisten Bestandtheile enthalten. Berzeliusfand bei seiner vortreflichen Analyse 12. Dazu gehören ganz neue, früher nicht gekante, wie Flusspathsäure, Strontian, Manganpp. In Eger und Pyrmont fand man190r48.Lithion. Struveund Soltmannhaben viele analysirt, und bilden sie nach, ja selbst den schwierigen Karlsbader Spru - del. Faradayhat diese Wasser analysirt, und keinen Un - terschied gegen die natürlichen gefunden.

Die Einwendungen, welche man gegen dieseVvolkomne Nach - bildung der Heilquellen gemacht hat, beziehn sich mei - stens auf Begriffe, die nicht zur Klarheit gekommen sind, indem man behauptete, dass ausser den sichtbaren Bestand - theilen auch noch unsichtbare vorhanden seien. Dass die künstlichen Wasser schneller ihre Wärme verlieren, als die natürlichen, ist nicht gegründet: man hat darüber genaue Versuche von 1 zu 1 Grad des Thermometers angestelt. In Wisbaden will man in dieser Hinsicht wunderbare Versuche an - gestelt, und gefunden haben, dass man die natürlichen Was - ser bei 58° R. in den Mund nehmen könne, ohne sich zu verbrennen; estist aber erwiesen, dass man sich schon bei 41 42° R. stark verbrent. Auch wolte man mit dem vor - treflichen Schweiggerund Poggendorfschen Multiplikator Versuche in künstlichen Wässern gemacht, und eine Abweichung190v der Magnetnadel von 15° gefunden haben: allein dies ist durch - aus nicht gegründet: nach Becquerels schöner Entdekkung ist zwar immer mit jedem Übergange irgend eines Körpers aus dem festen in den flüssigen oder aus diesem in den gasförmigen Zustand ein kleines elektro-magnetisches Gewitter verbunden: allein wenn man dies bei den Brunnen fand: so liegt der Grund nicht in den Wassern, sondern eben in der veränderten elektrischen Spannung.

Von Struvehaben wir eine schöne Arbeit über das Aus - laugen der Gebirgsarten: er lies distillirtes Wasser durch feingepulverte Gesteine gehn, unter einem sehr geringen Druk von kaum 2 3 Athmosphären, und wenig Tagen erhielt er eine Flüssigkeit, die den natürlichen Quellen, welche aus diesem Gestein hervorbrechen, zwar nicht gleich aber doch sehr ähnlich ist: so hat man z. B. das Biliner Wasser erhalten, und durch diesen Prozes erst hat man gefunden, dass der Basalt Lithion enthält, welches früher nicht unter seinen Bestandtheilen bekant war. In der Geyserquelle besteht fast der festen Bestandtheile aus Kiesel. In andern Quellen191r findet sich ein vegetabilisch-animalischer Bestandtheil, den die Spanier moja nennen, und welcher, sonderbar genug, Am - moniak enthält. Von dieser Art giebt es mehrere Quellen in Südamerika.

Man hielt früher die Quellen für eine Lokalerscheinung: d. h. man glaubte, dass sie an demselben Orte entspringen, wo sie hervorbrechen, wenigstens nicht weit davon. Um die heissen Quellen zu erklären, nahm man seine Zuflucht zu dem Brennen von Steinkohlenflözen, oder man hatte die unchemische und unphysische Idee von einer galvanischen Kette im Innern der Erde, welche durch übereinanderliegende verschiedenartige Schichten gebildet werde, und welche die Er - wärmung veranlaste: man bedachte aber nicht, dass wenn eine solcheLagerKette wirklich existirte, sie sich in jedem Augenblick entladenwund mithin ihre ganze Wirkung ver - lieren würde.

Manche Quellen haben eine äusserst geringe Quantität von festen Bestandtheilen, und sind doch von der grösten Wirkung, wie Gastein und Pfeffers. Die Berliner Brunnen geben nach den treflichen Unter -191v suchungen vonHerrn Roseauf ein Pfund Wasser von 3 12 Gran feste Bestandtheile: daer Brunnen in Landek auf 1 Pfund 3 Gran. Gastein nur 2 Gran, und man ist auf den Einfall gekommen, die grosse Wirksamkeit diese Heilquellen als eine Folge Rein - heit selbst anzusehn.

Eine andre merkwürdige Eigenschaft ist die Gleichheit dies Gehaltes und der festen Bestandtheile. Der Karlsbader Sprudel ist 1770 von Becheranalysirt worden, und hatte damals 59° Wärme, wie jezt: auch die Analysen desselben von Klaprothund Berzelius, welche gegen 30 Jahr auseinanderliegen, stimmen im Ganzen sehr überein.

Dagegen giebt es andre Quellen, welche ihre Temperatur und ihren Gehalt verändert haben: wenigstens vermuthet man es von denen in Pyrmont und in Marienbad.

Noch andre Quellen stossen blosse Luft aus: man hielt dies früher für ein Ausströmen von brennbarer Luft: es ist aber eigentlich eine natürliche Naphta-distillazion im Grossen. Eine solche findet sich bei Pietra-mala in Italien, eine andre fand Hofbaueran der südlichen Küste von Kleinasien, und derselben Natur sind die zahlreichen Naphtaquellen bei Baku am kaspi - schen Meere. Die älteste Gaserleuchtung gründet sich auf192r dieses Phänomen, und findet in den Tempeln der Bramapriester am Himalaya: man sah, dass Wasserstofgas, aus der Erde ausströmend, sich entzünden lies, und fortbrante, über solchen Stellen wurden dann die Tempel gebaut.

Aus allen heissen Quellen schlägt sich bei der Verdampfung etwas nieder, und dies sind schon Anfänge der Gebirgsarten, die sich, wie derFTufstein, noch täglich vor unsern Augen bilden. Besonders bilden sich aber diejenigen Quellen, welche Alkalien enthalten, ihr eignes Bekken, manchmal von ganz besonderer Gestalt. Im obern Peru ist eine heisse Quelle, (auf derselbe Ebne, wo der unglükliche Inka Huankagetödtet wurde) die aus einer sehr bedeutenden Höhe herab kömt. Diese hat sich eine eigne Mauer von 50 60 Fus Höhe, und von 12 Fus Breite gebildet, die aus nichts als kohlensaurer Talkerde besteht.

Von den Luftvulkanen, die bei den Italiänern Salse heissen, findet sich das älteste Beispiel in der Moccaluba bei Girgenti. Dies ist ein Lettenhügel von 150 160 Fus Höhe, auf dessen Spize sich viele kleinen Öfnungen befinden, aus denen Koth in die Höhe gestossen wird. Dieser fliest anfangs in ganz hellgrauen Streifen am Rande der kleinen Krater herab, wird aber nachher192v dunkler. Eine andre ähnliche Erscheinung beobachtete ich in Südamerika bei Carthagena: die Eingebornen nennen die Ge - gend: Volcancitos. In einem kleinen Umkreise erheben sich Kegel von Letten von 10 12 Fus Höhe, und verschwinden wieder. Ich fand ihre Stellung, wenn ich den nächsten Tag wiederkam, durchaus verändert. Oben ist ein kleiner Krater, wenn man ihn so nennen darf, nur von 8 9 Zoll Durchmesser, mit kal - tem Wasser angefült, aus welchem sich beständig Gas entwikkelt. Wenn ein Krater einige Zeit ruhig bleibt, so kömt darauf ge - wöhnlich ein starker Ausbruch, so dass man sich in einem Augenblikke ganz mit Schlamm bedekt sieht. Es findet sich auch bei den Bewohnern dieser Gegend die Tradizion, dass man Flammen aus den Kegeln habe aufsteigen sehn. Oft werden auch Steine aus den Kratern aufgeworfen, aus deren Unter - suchung es hervorgeht, dass das Phänomen der Erzeugung sehr tief liegt. Das entwikkelte Gas ist aber werder Kohlen - säure noch Hydrogen, wie man wohl früher geglaubt hat, sondern Stikgas. Wenigstens fand ich dies bei allen Quellen, die ich Amerika untersuchte.

In Italien, wo es leider fast gänzlich an Untersuchungen der193r Quellen fehlt, glaubt man Schwefelwasserstofgas gefunden zu ha - ben: allein es ist ungewis.

Ein andres Phänomen findet man auf dem Vulkan von Popayan, demselben in dessen Nähe der Essigflus entspringt, dessen Wasser freie Schwefelsäure und Salzsäure[ enthält]. Als ich diesen Vulkan er - stiegen hatte, fand ich oben keinen Krater, wie auf den meisten übrigen Vulkanen, sondern einen schön-gewölbten Dom von reinem Obsidiantrachyt, in dem eine Menge Öfnungen sich be - finden, welche Schwefeldämpfe ausstossen: dabei hört man einen gewaltigen Lärm wie von 30 40 Schmiede-essen, der von dem kochenden Schwefel hervorgebracht wird. Es mus hier ohne Zweifel ein grosser Vorrath von Schwefel angehäuft sein: denn in einiger Tiefe unter den kleinen Öfnungen findet man ihn fast ganz rein vorliegend: auch das Phänomen des schwefel - säurehaltigen Wassers in Essigflus liesse sich damit in Verbindung bringen.

Von den Vulkanen.

Man ist erst in neueren Zeiten darauf gekommen, dass die Vulkane nicht blos zerstören, sondern auch hervorbringen, und dass sie in der innigsten Verbindung mit der Bildung der kör -193v nigen Gebirgsarten stehn, deren Entstehung aus dem Feuer jezt Niemand mehr in Zweifel zieht.

Eine Definizion des Vulkan's ist schwer zu geben: denn die einzelnen Öfnungen auf der Spize beweisen nichts, auch nicht die vulkanische Entstehung. So hat L. v. Buchzuerst 1794 darauf aufmerksam gemacht, dass man den Monte Nuovo bei Bajae, der bei einem Ausbruche des Vesuv in einer Nacht entstand, eben so wenig wie die Monti Rossi am Ätna, besondere Vul - kane nennen könne.

Einen Vulkan nennen wir: einen hohen Kegel von Trachyt, der auf seiner Oberfläche (nicht immer grade auf der Spize) eine Öfnung hat, die mit dem innern glühenden Kerne der Erde zusammenhängt. Bei Explosionen fliessen Erdarten aus dem Krater, wie aus einer Erdquelle, die eine sehr hohe Tempe - ratur haben.

In der Verbindung mit dem Innern der Erde mus man eine Graduazion annehmen. Ganz Quito ist ein einziger Vulkan: eine grosse Glokke von Trachyt, über das unterir〈…〉〈…〉dische Feuer gestürzt: der Cotopaxi und Pichincha sind einzelne brennende Essen: allein diese Erklärung würde nicht ganz richtig sein: denn jeder Vulkan ist wie ein Zentrum von eignen Erscheinungen an -194r49.zusehn, die wohl in ihrer Grundursach, aber nicht immer unter sich zusammenhangen. In Amerika scheint eine grosse Spalte von Osten nach Westen zu gehn, auf der die meisten Vulkane stehn: auch der von Xorullo ist in dieser Richtung entstanden, und wenn man gewust hätte, dass ein Vulkan sich bilden sollte: so hätte man voraussagen können, dass er in keiner andern Richtung sich zeigenkonwerde. Seit 2 Jahrhunderten scheint sich in Amerika das Feuer von Norden nach Süden gezogen zu haben, weil die nördlichen Vulkane weniger speien. In dem Zentralvul - kan von Teneriffa ist nur ein Krater, aber bei dem Ausbruch von Lancerote mus ein andrer unter dem Meere entstanden sein, und zwar da, wo das Gestein am schwächsten, also leicht zu durchbrechen war.

34. Vorlesung, 01.03.1828

Bei dem Studium der Naturwissenschaften überhaupt, und besonders bei dem der Geognosie, welche so viele Phänomene in ihren Tiefen um - fast, ist es von besonderer Wichtigkeit, dass wir uns nicht in den einzel - nen Erscheinungen verlieren, sondern, das Gemeinsame derselben auf - fassend, ihren Kausalnexus zu errathen suchen. Daher werden wir den Zusammenhang des innern Erdkörpers mit der äussern Rinde als in dreierlei Gestalt sich offenbarend, betrachten müssen: 1, durch194v Bewegung allein: daher die Erdbeben, welche um so schreklicher für uns sind, da wir seit der frühesten Kindheit uns daran gewöhnt, den Boden, worauf wir treten, als etwas festes und unbewegliches zu betrachten. 2, indem durch das Verschiebbare der Erdrinde etwas ungewöhnliches zum Vorschein kömt: Dampf, Luft, Wasser, Schlamm; oft werden auch Steine, von Flammen begleitet, herum - geschleudert. 3, durch intermittirende, geschmolzene Erde er - giessende Quellen, die aus einem Trachytkegel ausfliessen.

Eben so wie man beim organischen Baue von dem einfachen zum zusammengesezten übergeht, wie der Zusammenhang der Formen klarer wird, indem man zuerst bei einer Bildung mit wenigen Gliedern verweilt, und dann eines und mehrere zusezt: eben so hier. Bei jeder folgenden Gruppe von Erscheinungen findet man alles vor, was in der früheren vorhanden war. Bei den Vulkanen zeigt sich z. B. Feuer, wie bei den Erdbeben und bei den Luftquellen. Bei den Quellen von Baku, über die leider noch fast gar nichts bekant ist, scheint es der Fall zu sein, dass sie sich von selbst entzünden, und dass man das Feuer wellenförmig über die Erde sich dahinwälzen sieht, welches195r aber doch nicht durch das Ausströmen von Wasserstofgas hervor - gebracht wird, wie man früher glaubte. Bei Pietramala dagegen scheint keine Selbstentzündung Statt zu finden, sondern die Spalten nur immer von den Reisenden angezündet worden zu sein. Selbst bei den Schlammvulkanen sind Flammen aus der Erde aufstei - gend gesehn worden. Die Vulkane vereinigen alle Erscheinungen, die wir bei den heissen Quellen und Erdbeben gesehn haben, näm - lich ausstossen vonheissem Wasser, Luft, Flammen, und haben nun noch ein neues Phänomen, nämlich die Erdquellen, welche dann in einzelnen Schichten erstarren und sich konsolidiren.

Die unterirdische Kraft, welcher diese Erdquellen ihr Dasein[verdanken], ist eine schaffende, wie alle Naturkräfte, indem sie die alten Verwandschaften der Körper löst, und daher neue her - vorbringt; sie ist aber nicht blos eine schaffende, sondern auch eine bewegende, indem sie die von ihr bereiteten Massen bis auf die Oberfläche der Erde emporhebt, wo sie an der Luft erstarren. Dies Erstarren,es mag nunje nachdem esunter einem grossen oder geringen Drukke (unter dem der Athmosphäre oder des ungeheuren Meeres) vor sich geht, ist steinartig als Lava, glas - artig als Obsidian.

195v

Die gröste Masse der Gebirgsarten ist vor unserer Geschichte entstanden, aber ein grosser Theil davon schreibt sich, so zu sagen, noch aus der historischen Zeit her, und wird hervorgebracht:

  • 1, durch Quellen wie der Travertino von der Umgegend Rom's, der sich bis zu 500 Fus Höhe erhebt: die schönen Kaskatellen von Tivoli bestehn daraus: man hat sie genau untersucht und gefunden, dass sie nichts sind, als eine Anhäufung von koh - lensaurer Kalkerde, meist zylindrisch um ein Zentrum gelagert, das dem Pflanzenreiche angehört: der kleine Flus Aniene, welcher die Wasserfälle bildet, bringt noch heut zu Tage solche Schichten hervor; eine Menge der grösten Gebäudedes altenundneuen Rom sind aus diesem Travertino gebaut, der zu den Süswasserfor - mazionen gehört. Ähnliche Erscheinungen finden sich in Paris in den Kalkbrüchen: auch in Ungarn giebt es mehrere Seeen, die noch immer Gebirgsarten absezen.
  • 2, durch Anschwemmung: wenn wir bei den Quellenbildungen annahmen, dass sie wirklich das Gestein durch Niederschlag bilden: sow[?]müssen wir hier bemerken, dass die Bildung nur durch Verschiebung hervorgebracht wird: dahin gehören die196r Tufschichten und Breccien: der fragmentarische Sandstein, den wir bei uns finden, ist auch dazu zu rechnen, indem seine Ent - stehung nur als Folge des Fortschiebens angesehn werden kann. Die Salse oder Kothvulkane bringen Lettenschichten durch Auf - stossen hervor; ja bei dem grossen Kotopaxi ist es der Fall ge - wesen, dass er Letten in ungeheurer Menge umherschleuderte, welche mehrere Quadratmeilen Landes bedekten. Wenn wir noch weiter gehn, so hängen vielleicht die Lettenschichten auf den Basaltinseln (wie Böhmen) mit Vulkanen zusam - men, die wir uns nicht so mikroskopisch denken können, als die Salse. Aber in den Trachytvulkanen ist der eigentliche Sitz der Hervorbringung von körnigen Gesteinen.

Diese Trachytvulkane oder eigentlichen feuerspeienden Berge betrachten wir in 3 Rüksichten:

  • 1, nach ihrer Entstehung. Hier komt es sehr häufig vor, dass sie sich im Nassen bilden, also: Aufsteigen von Inseln aus dem Meere: sehr selten ist die Bildung im Troknen, an der Erdoberfläche auf dem Boden des Luftozeans. Der Vulkan von Xorullo in Mexiko, den ich beschrieben habe, ist kein eigentlicher zu nennen,obglso wenig als der Epomeo auf Ischia,196v obgleich dieser lezte 1302 einen sehr starken Ausbruch hatte.
  • 2, nach ihrem gegenwärtigen Zustande in voller Wirksam - keit, den man ihr reiferes Alter nennen könte. hiebei kön - nen lange Pausen von Unthätigkeit eintreten, so wie es bekant ist, dass der Vesuv, vor dem grossen Ausbruche von Pompeji und Herculanum mehrere Jahrhunderte ruhte, so dass der Glaube an seine feuerspeiende Eigenschaft sich beinahe aus dem Gedächtnis deruUmwohner verloren hatte.
  • 3, nach ihrem〈…〉〈…〉veralteten Zustande, wo sie als Solfataren erscheinen: dies ist das lezte Stadium der Vulkane, gar sehr von ihrem reiferen Alter abweichend: denn auch die che - mischen Erscheinungen, Entwiklung von Gasartenpp. sind nicht dieselben bei den Solfataren und den Vulkanen.

Schon die Alten[machten] die Beobachtung, dass bei den Vulkanen dasjenige, was auf die Oberfläche der Erde aus - geströmt wird, von sehr ferne herkomme, und Senecasagt vollkommen richtig vom Ätna: er sei nicht alimentum sondern via ignis.

Dem ausgezeichneten Naturforscher,Herrn L. v. Buch, dem wir197r so viel neues über die Vulkane im algemeinen verdanken, ge - hört auch die Bemerkung, dass man den Ausbruchskrater wohl vom Erhebungskrater unterscheiden müsse. Wenn die feste Gestein-masse durch elastische Dämpfe gehoben wird: so mus sie entweder oben zerbersten und einen Krater bilden oder sie zeigt sich als Dom, wie der Chimboraco und die Kuppen in Vivarais und Auvergne. Nachdem der Erhe - bungskrater sich gebildet, entwikkelt eine andre Hebung den Trachytkrater als Ausbruchskrater. So fand L. v. Buchauf Palma, einer der kanarischen Inseln, dass die ganze Insel nichts ist als ein Erhebungskrater. Blökke von Glimmerschiefer,⟨⟩worin man Granaten findetsind hervorgeschleudert worden: dann Stükke von Basalt. Der Pic von Teneriffa ist wie mit einem Mantel, oder mit Wall und Graben durch den Erhebungskrater umgeben. Dieser bildet auf einer bedeutenden Höhe eine grosse Ebne, wo fast nichts wächst als Retama, nach dem spanischen Dialekte der Insel. (Spartium nubigenum.) In Fortaventura (um noch ein Beispiel von den kanarischen Inseln zu nehmen) liegt die Stadt Sta Maria della Graziaganz197v in dem Erhebungskrater. Bei der Erhebung einer solchen Insel entstehen Barancos, tiefe Thäler, die strahlförmig gegen den Krater in die Höhe gehn, ein sehr merkwürdiges factum: denn durch das Dasein der Thäler selbst wird der vulkanische Ur - sprung der Insel beurkundet: es war nicht anders möglich, als dass dieInselMasse, nachdem sie aus dem Meer heraufgestiegen war, an der Luft erkaltend und erstarrend, in unzählige Einsenkun - gen sich spaltete. Die kleine Insel Amsterdam (zwischen dem Kap der guten Hofnung und Van Diemensland) ist eine ganz ähnliche pelagische Erscheinung, sie besteht aus einem basalti - schen Ringe mit einer Bresche, aus der zuweilen siedend - heisses Wasser stürzt.

Die Erscheinung von Santorin im griechischen Archipelagus wurde schon von den Alten beobachtet: hier hat die Trachyt - masse erst Thonschiefer und darauf Kalkschiefer hervorge - hoben, so dass man also fast die Natur in ihrer Werk - statt belauschen kann. Die 3 Inseln:TSantorino, Therasia und Astronisi bilden ebenfals einen Ring, der aber nicht ganz volständig ist, und in dem Mittelpunkte der 3 hat198r50.sich noch eine kleinere Insel bilden wollen, die aber kaum zu Stande gekommen ist. So bildeten sich im Jahre 1573 die alten Kamenenund 1700 und 1709 die neuen Kamenenbei welchen, mehrere Naturforscher, die sich grade in der Nähe be - fanden, so glüklich waren, den Verlauf der ganzen Entstehung mit anzusehen: es erfolgte kein Schlakkenausbruch, sondern ein Felsen schob sich aus dem Meere hervor.

Unter den Azorischen Inseln ist eine, die ordentlich eine Epo - che des Entstehens und Verschwindens hat: bei St Michael erhob sich eine Insel zuerst 1638, verschwand aber bald wieder, sie kehrte zurük, obgleich nicht ganz an derselben Stelle 1719, und verschwand wieder: endlich hob sie sich wieder 1811, aber immer nur auf kurze Dauer. Ihre Höhe betrug 200 Fus, und nachdem sie versunken war, sondirte man das Meer, und fand 400 Fus, sodas also die ganzeErbebungAusdehnungdes Phänomens 600 Fus beträgt. Zwischen dem 1tenund2tenAus - bruche verflossen 81 Jahre, zwischen dem 2tenund3ten: 92. Ob nun wirklich die elastischen Dämpfe diese bestimte Periode brau - chen, um eine Kraft zu erlangen, welche den Dom in die Höhe198v heben könne, oder ob diese Zwischenräume zufällig sind, mus unentschieden bleiben.

Eine andre mit submarinen Bewegungen zusammenhän - gende Erscheinung, ist die grosse Unruhe des Meeres in manchen Tropengegenden, ohne Sturm, ja selbst ohne Wind - stos. Besonders häufig findet sie sich an den Küsten von Lima und Peru. Ich wurde in diesen Gegenden oft durch das Brausen der Wellen gewekt, welche ohne einen Lufthauch in einer Höhe von 20 25 Fus an das Ufer rolten. Auch ver - sicherten die Einwohner, dass manchmal Flam̃en aus dem Meere aufstiegen.

Ein ähnliches unterirdisches Phänomen mus es veranlast haben, dass 1739 eine grosse Menge todter Fische in Lanze - rote an's Ufer geworfen wurden.

An einigen Stellen wird das Meer erwärmt. Im Golf von Cariaco ist ungefähr auf ¼Quadratmeiledas Wasser wärmer als in den übrigen Stellen: welche gewaltige Hize mus dazu gehören, um diese grosse Wassermasse von unten durchzuwär - men. Am schwierigsten ist〈…〉〈…〉von allen Erscheinungen das Em - porsteigen der Flammen aus dem Meere zu erklären, auf199r eine Art nämlich, die sich mit einer gesunden Physik vertrüge. Herr v. Buchnimt an, und dabei müssen wir für erste stehn bleiben, dass Blökke von den neuen Metalloiden der Alkalien in die Höhe geworfen würden: diese wuerden beim Durchgange durch das Was - ser an ihrer Oberfläche oxydirt, zerplazen aber an der Luft und verbrennen mit Feuererscheinung.

Es ist eine verbreitete Meinung, dass die Nähe des Wassers zur Unterhaltung der Vulkane nöthig sei, durch Hervorbrin - gung von Wasserstofgas, weil wirklich die meisten Vulkane nicht weit vom Meere liegen, aber überall läst sich dies nicht durchführen: denn die Entfernungen werden manchmal zu beträchtlich. So habe ich durch trigonometrische Messungen gefunden, dass der Vulkan Kopakatelepekin Mexiko volle 32 Meilen vomjedem Meere entfernt ist, (scil. der Südsee und dem atlantischen Ozean). Der Guatamajo[(]welcher merkwürdig ist wegen des gewaltigen unterirdischen Donners, den man fast regelmässig von halber Stunde zu halber Stunde hört,) östlich von der Andeskette im Innern gelegen, ist 40 Meilen vom Meere entfernt. DurchHerrn Rüppelhat man Nachrichten von einem Vulkan, der sich in Kordofan befinden soll, und wenigstens 120199v Meilen vom Meere abstehn würde. Aber bei weitem die gröste Entfernung, (und zwar historisch erwiesen) eines Vulkans vom Meere finden wir in dem Innern von Asien. Herr Klaprothmachte die Entdekkung in den chinesischen Annalen, welche auch von Abel-Rémusatbestätig wurde, dass sich unter 42½ Grad Nordbreite ein Feuerberg: Ko-tschang nicht weit von der Stadt Ku-tsche befinde, also 270 Meilen vom Meere, so weit als von Moskau bis[zum schwarzen] Meere. Dieser Feuerberg ist nicht blos ein einzelner Ausbruch, sondern die Beschreibung von den Ausbrüchen der geschmolzenen Erdarten, der Steinepp. sind so detaillirt, dass man an der Richtigkeit nicht zweifeln kann: man hätte dies sonst für ein Phänomen halten können, wie das der Boraxsäureim Florentinischen: allein es ist ein eigner Vulkan, und es liesse sich vielleicht, um die Hypothese zu retten, annehmen, dass ein grosser See in der Nähe sich vorfände. So liegt nördlich von Teheran, der Vulkan Dunawengi[?], der nicht weit vom kaspischen Meere entfernt liegt. Doch überhaupt ist die Annahme einer grossen Wassermasse nicht nöthig zur Unterhaltung des unterirdischen Feuers, und wir müssen sagen, dass uns der erste Grund davon unbekant ist,200r wenigstens kann ein Eindringen des Wassers in die Vulkane der Grund nicht sein.

Der Monte nuovo entstand 1538 in den phlegräischen Feldern bei Neapel: ich habe selbst Gelegenheit gehabt mich zu über - zeugen, dass er nichts ist als ein Schlakkenhügel, und ich ent - dekte auch einen sehr kleinen Ergus von Lava. Da nun ganz neuerlich in Ischia ein Erdbeben gewesen ist, so wäre es sehr möglich, dass das vulkanische Feuer sich auf kurze Zeit (viel - leicht auf einige Jahrhunderte) von dem Vesuv weg nach der Gegend des Epomeo zöge, von dem wir wissen, dass er 1302 einen heftigen Ausbruch gehabt hat. (Beste Beschreibung des Epo - meo von L. von Buch.)

Höchst merkwürdig ist die Entstehung des mexikanischen Vulkans Xorullo, 1759. Er liegt in einer schönen Hochebne, wo Basalt und Trachyt in der Nähe sind, also auf vulkani - sche Mächte hindeuten. Früher waren hier reicheIndigo - und Kaffeepflanzungen, deren Pfleger in leichten Schilf - und Mooshütten wohnten. Sie hörten zuerst einen unterir - dischen Donner; sahen dass die Erde sich in Klüfte spaltete, aus welchenBimsstein e und andre leichte Materien hervor -200v geschleudert wurden (grade wie in der Beschreibung des Aus - bruches des Vesuv beim Plinius) dazu geselte sich ein Aschen - regen: als mehrere Arbeiter bemerkten, dass ihre Strohhüte voller Asche wurden, riefen sie den andern zu, und die Ein - wohner flohen alle von der gefährlichen Ebne auf den nahe ge - legenen Hügel von Aguasaco, von wo auch ich das Phänomen betrachtet habe. Ich mas vonhier aus in der Ebne eine Erhebung von 280 300 Fus, wie eine Blase mit einer Spalte, worauf sich der[Krater] von Xorullo und mit ihmzugleich3 andre Vulkane erhoben hatten. Zugleich war damit ein grosser Lava - ausbruch verbunden gewesen. Das merkwürdigste aber ist, dass auf dieser vulkanischen Fläche sich 3 4000 kleine Kegel befinden, von 5 6 Fus Höhe, von den Eingebornen fornitos, die Öfen genant, welche immerfort rauchen: daher glaubt man in der Ferne, die Gegend sei bebaut, und der Rauch steige aus den Hütten der Dörfer.

Nicht immer haben die Vulkane, wenn sie zum reiferen Alter gelangt sind, dieselbe Thätigkeit: sondern die Erschei - nungen sind sehr ungleich. In dem Krater des Stromboli sind201r ununterbrochen Erupzionen, und die Auswürfe von Flammen und glühenden Steinen, welche man vom Meere aus sehn kann, folgen sich beinahe regelmässig von 6 7 Minuten. Da man nun schon mehrere Jahrhunderte vor Chr. dieselben Erscheinungen ge - sehn hat, so läst sich denken, wie viele Millionen male die Erupzionen sich müssen wiederholt haben, und man kann dies nur: eine pulsirende Lichterscheinung nennen. Auch scheint es, dass die kleinen Vulkane häufigere Ausbrüche haben, als die grossen. Die ganz hohen in Amerika bleiben oft 60 70 Jahre ruhig, vielleicht weil eine grössere Kraft dazu gehört, die Lava so hoch zu heben; daher kommen denn auch bei ihnen die häufigen Seitenausbrüche, worauf sie viele Jahre ohne Rauch und Feuer bleiben. Doch mus man bedenken, dass in so be - deutenden Höhen der Rauch nicht so leicht sichtbar ist, weil er sich nicht sobald niederschlagen kann. Beim Vesuv sind die Rauchsäulen nichts als Wasserdämpfe, die sich aus der Athmosphäre niederschlagen, und auf d〈…〉〈…〉em heissen Krater in Verdampfung übergehn: daher scheint es, als stiegen sie aus dem Krater.

201v

Meist haben die Vulkane die Gestalt von Domen, gleich viel ob mit oder ohne Öfnung. Der Chimboraço hat keine Öfnung doch entdekte ich einen kleinen niedrig-liegenden Seitenvulkan mit Lava, zum〈…〉〈…〉deutlichen Beweise, dass die elastischen Däm - pfe nicht Kraft genug gehabt hatten, den Dom selbst zu sprengen, sondern sich eine Seitenöfnung gesucht.

Der höchste bekante Vulkan ist der Kotopaxi, nach meinen Messungen 17700 Fus, nach andern 17712, dann folgt der Kopatopeletl 16600 Fus.

Man stelt sich gewöhnlich die Vulkane steiler vor als sie sind. Wenn man die Höhe nach dem Verhältnis des[figure] Grunddurchmessers berechnet, so findet sich eine merkwürdi - ge Übereinstimmung zwischen dem Vesuv, Aetna & Pic von Teneriffa, wie 1: 28[,] also die Höhe ist ungefährein1/ 30 des Umfangs: daher sind die Abhänge meist so sehr gering, kaum810 12 Grad.

[figure]Das Verhältnis der Höhe des Aschenkegels zur Höhe des Vul - kans ist sehr verschieden: je stärker die Erupzionen, um desto höher der Aschenkegel: beim Vesuv beträgt er der ganzen Höhe, beim Pic 1 / 22: beim Vesuv 200 Toisen, beim Pic 84.

202r51.

Nach sicheren Zeichen des Ausbruches hat man viel und vergebens gesucht; in Neapel glaubt man, dass der Vesuv im Herbst häufiger speie als sonst: aber man würde sich nur einen schwachen Begriff von der Stärke der vulkanischen Heerde machen, wenn man annähme, dass der Zustand unsrer Athmosphäre Einflus darauf haben könte, im Gegentheil istanzunehmenzu glauben, dass die vulkanischen Erscheinungen auf den Luftkreis einwirken. Indessen wird es beim Stromboli behauptet, und scheint durch alle Zeugnisse bestätigt, dass er wirklich im Winter heftiger speie als im Sommer: vielleicht ist bei diesem kleinen Vulkan ein Zunehmen der Kräfte durch Verdampfung denkbar, indem im Winter mehr Regen hineinfält als im Som̃er.

Beim Vesuv hat man jedoch ein sicheres Zeichen entdekt, es ist das Ausbleiben der Quellen von Resina, weil die grosse her - annahende Hize die Dämpfe verhindert, sich niederzuschlagen. Der Herzog della Torrehat in Resina und in Torre dell 'Annun - ziata viele Versuche darüber angestelt, und ihm verdanken wir das meiste was wir darüber wissen. 49

Die Grösse des Kraters ist durchaus nicht bestimt, und ver - ändert sich auch durch Ausbrüche und Einstürze. Beim Pic von[] Teneriffa ist er von 300 Fus im Durchmesser. Beim Ätna ist er202v nach den lezten Messungens[?]viel kleiner als man glaubte. Den grosten Krater fand ich beim Pichincha, an dessen Fusse Quito liegt: er hat 4200 Fus im Durchmesser: auf dem Rande desselben bilden sich wieder kleine Krater, welche das Umhergehn auf derSpize dscharfen Kante des Krater sehr erschweren: eben so wie beim Vulkan von Xorullo. Bei diesen kleinen[Kratern] geschickt der Ausbruch wie von einem neuen Zentralpunkt. Auch ist der Krater nicht immer becherartig (wie sein Name besagt) sondern oft unregelmässig. Der Kratersee von Choruca in Mexiko ist wie mit hohen einzeln - stehenden Thürmen umgeben: dazwischen liegt ewiger Schnee, über den man nicht wagen darf, zu schreiten, da er in allen Tropenlän - dern nicht Konsistenz genug hat, um den Menschen zu tragen: man würde alsobald einbrechen, und vielleicht 3 400 Fus tief hinabsinken. Auf dem Pichincha ist derselbe Fall: daher blieb mir, als ich zu einer Ansicht des Kraters gelangen wolte, nichts anders übrig, als diese thurmähnlichen Felsen zu erklimmen, wobei ich zufällig ohne Führer war, diese Felsen haben oben nur 8 9 Fus Durchmes - ser, daher muste ich mich gleich zur Erde werfen, sobald ich oben angelangt war, um nicht herabzustürzen: aber zu trigonometrischen Messungen sind diese Spizen vortreflich geeignet: und ich fand da - durch den Diameter des Pichincha von 4200 Fus, bei einer Tiefe von 3 4000 Fus. Eine der erhabensten Ansichten!

203r

35. Vorlesung, 05.03.1828

Der Prozes, durch welchen die Gebirgsarten gebildet werden, so weit wir ihn nämlich nach unsrer geringen Kentnis des Innern der Erde verfolgen können, ist dreierlei: durch unorganische Kräfte geschieht die Bildung auf 2erlei Art, durch organische auf eine[:]

  • 1, unorganische Bildung[:]
    • a, durch Quellen; offenbart sich in den Süswasserformazionen, als Niederschlag aus kalten und warmen Quellen, oder durch Anschwem - mung, Strömung und Fortführung der lokkern Theile.
    • b, durch vulkanische Wirkungen, als Laven, Porphyrmassen, Granit, Tuff, entweder trokken zusammengehäuft an dem Krater emporsteigend,alsoder als Konglomerat im wahren Sinne des Wortes.
  • 2, organische Bildung: sichtbar an den Koralleninseln: die Gehäuse und Wohnungen der Koralle steigen durch Anbau über die Meeresfläche empor, und zerbrökkeln sich.

Die vulkanischen Gesteine werden oft in Geselschaft der Konglome - rate gefunden, indem sie (die Gesteine) durch Zertrümmerung der Lagen von den Konglomeraten umgeben werden. Hievon sah ich ein sehr merk - würdiges Beispiel in den Antillischen Inseln, südlich von Kuba, bei den durch Kolumbusberühmt gewordenen Gärten des Königs und der Königin, wo sich eine Menge Koralleninseln mit Konglomera - ten zeigen.

203v

Indem ich nun zu den Vulkanen zurükkehre, bemerke ich, dass zu einem eigentlichen Vulkan nicht blos ein einzelner Ausbruch gehört: sondern eine Folge von Erupzionen. Solche einzelnen Er - scheinungen finden sich oft auf vulkanischem Boden. Wir wissen durch den vortreflichen ägyptischen Reisenden,Herrn Rüppel, dass auf Lipari sich 300 Fus hoch eine Tuffschicht befindet, welche durch feldspathartige Lava〈…〉〈…〉so hoch gehoben wurde.SolEin - zelne Ausbrüche finden sich in unserer Geschichte, aber von der Bildung eines permanenten Vulkans auf dem Boden des troknen Luftmeeres ist noch kein Beispiel vorhanden, so weit wir die Geschichte dieser Erscheinungen verfolgen können.

An seiner Spize ist der Pic von Teneriffa in dem Zustand einer Solfatara, wie die phlegraischen Felder bei Pozzuoli, dagegen geschehn an seinen Seiten noch manchmal Lavaausbrüche, er ist also immer noch ein eigentlicher und zwar Zentralvulkan zu nennen.

Die Vulkane sind ihrer Gestalt nach meist kegelförmig, doch giebt es Ausnahmen: so bildet der Pichincha, (höher als der Mont - blanc) einen langen mauerartigen Rükken: scheint also auf einer204r Spalte zu stehn. Der gröste bekante Vulkan, der Kotopaxi ist wieder ein kegelförmiger Trachytberg: er ist3[?]5mal höher als der Vesuv,und als der Pic von Teneriffa. Eine schöne Abbildung findet man in meinen Vues pittoresques pp.

Vergleichende Maase.

Höhe des Aschengkegels.ganze Höhe des Vulkans.
Vesuv. 1338 Fus nach meiner lezten Messung3750
Ätna 1020. 10,200 nach sehr übereinstim - menden Messungen von Saussure, Scopeund Herschel jun.
Pic 504. 11430.

Die Höhe des Aschenkegels nimt also ab, jemehr die des Berges zunimt: nicht als ob dies ein allgemeines Gesez sein solte: es hängt ganz natürlich damit zusammen, dass die kleinen Vul - kane mehr an der Spize auswerfen, wo der Aschenkegel sich bildet, die grossen dagegen öfter Seitenausbrüche haben.

Bei manchen fehlt der Ausbruchskrater, den man nicht mit dem Erhebungskrater verwechseln mus; dann findet sich nur ein einziger Lavastrom. Eine Ausnahme von dieser durchgehenden Regel fand ich beim Antisana, der, weit höher als der Montblanc,204v auf einer Ebne von 12000 Fus Höhe liegt, wo die Luft so dünn ist, dass, wenn man auf den Weiden das Rindvieh jagt, dieses sehr bald eine Menge Blut auswirft, weil in so dünner Luft auch eine geringe Muskelbewegung das Blut heftig in Wallung sezt. Der Antisana hat keine Öfnung auf dem Gipfel, und doch sieht man viele Lavaströme an ihm herabfliessen, die aber vielleicht gleichzeitig entstanden sein können. Der Chimboraço, welcher auch ein trachytischer Dom ist, hat keinen Krater, aber ich war so glücklich, einen kleinen Seitenauswurf von Lava zu finden, einen Ausbruch dampfartiger Substanzen, nahe von dem Orte, der im mexikanischen der Feuerberg heist, auf der - selben Ebne von Tapia, wo ich die trigonometrische Mes - sung des Chimboraço anstelte.

Der Vesuv, welcher zu den kleinsten Vulkanen gehört, hat dennoch einen Krater von 1600 Fus Durchmesser.

Der Pic von Teneriffa nur 300 Fus.[Einen] 2tenKrater, den von Chahorra entdekte Cordiererst im vorigen Jahrhundert.

Man glaubte lange, dass die Höhe der Kraterwände unbeständig sei: allein neuere Messungen haben gezeigt, dass ihre Höhe sich sehr gleich bleibt:

Der Vesuv ist sehr oft gemessen:205r

also ein Zwischenraum von fast 50 Jahren, und in diesen haben die Kraterwände ihre Höhe unbedeutend wenig verändert, ja die Rocca del Palo ist eher etwas gestiegen. 1794 war die nördliche Spize 500 Fus niedriger als die südliche: sie ist seitdem wieder von Lord Miltownund von mir gemessen worden, und es hat sich nur ein geringer Unterschied gefunden.

L. von Buchhat die Bemerkung zuerst gemacht, dass die Tiefe des Kraters das Maas für die wahrscheinliche Entfernung der Erupzion ist: nach der Erupzion von 1822 sank der Boden des Kraters bis 600 Fus tief, während er vorher so weit über den Rand gehoben wurde, dass man den Boden des Kraters von Neapel aus sehr deutlich sehn konte;wal v[?]jezt bildet er wieder ein Thal auf dem Rükken des Berges mit einzelnen Schlakkenkegeln darin: vor dem Ausbruch von 1822 war der Boden des Kraters an 200 Fustiefhochüber den Rand emporgestie - gen: daher sind die Nachrichten falsch, in denen man lieset, dass die Spize des Kraters eingestürzt sei: es ist nur der durch205v elastische Dämpfe gehobene Schlakkenkegel in der Mitte des Kra - ters, die Wände bleiben sich in ihrer Höhe sehr gleich.

Die Dikke des Kraters ist sehr bedeutend, und doch sind die heissen Dämpfe im Stande, in jenen Gegenden, wo er sich mit Schnee bedekt, den Schnee in einer Nacht zu schmelzen. So geschah es beim Kotopaxi, im Jahre 1804, während ich in der Südsee war, dass der weisse Kegel sich in einer Nacht in einen schwarzen Schlakkenhaufen verwandelte, nicht etwa, weil die Hize des Vulkans ihn auswärmte, sondern weil die überallaus den Spalten des Konus hervorquellenden heissen Dämpfe den Schnee schmolzen.

Bei den meisten Vulkanen haben sich die Ränder des Krate〈…〉〈…〉rs als Schichten von Lava gebildet, die durch einzelne Gänge gespalten wurden: dies sah man besonders deutlich am Vesuv nach dem Ausbruch von 1822.

Die Erupzionsgeseze kann ich hier nur nach der Reihe nennen:

  • 1, Erdbeben gehn dem Ausbruch vorher, aber begleiten ihn nie: zwar sind 1822 in mehreren Häusern von Portici die Dekken gespalten: dies geschah aber durch den Druk der Luft, als der 500 Fus hohe Schlakkenkegel einstürzte. Man hat, um sich zu überzeugen, an mehreren Orten in Portici gefülte Wassergläser206r52.hingestellt, aber keines derselben hat das Wasser verschüttet.
  • 2, Lavenausbruch, der an den Seiten des Berges herabfliest.
  • 3, Rauch - und Aschenauswurf: dieser bildet sich wie ein grosses Gewölbe, erzeugt eine starke elektrische Spannung und ein vulka - nisches Gewitter, daher Blize, Regen und Wasserströme aus dem Vulkan aufgeschleudert.
  • 4, Ausbruch der Moffetten von kohlensaurem Gase: eine solche führte wahrscheinlich den Tod des älteren Pliniusherbei. Früher hatte man den Vesuv nur nach einer Vermuthung des Vitruvius für einen Vulkan gehalten aber 79 nach Chr. erfolgte der gewal - tige Ausbruch, der PompejiundHerculanum verschüttete, und dem Pliniusdas Leben kostete. Nachher ruhte er wieder eine lange Zeit, so dass Braccinisagt, man habe Holz aus dem Krater geholt, der ganz überwachsen war. Der Ausbruch von 1500 ist unsicher: aber 1631, nach 3JahrhundertenRuhe, fängt er wieder an zu speien, und seitdem folgen sich die Ausbrüche in sehr schnellen Perioden.

Wo die Vulkane in den ewigen Schnee hineinreichen, unter den Tropen auf der Andeskette bei 2450 Toisen Höhe da zeigen sich eigne Phänomene:[es] erfolgt nämlich bei den Ausbrüchen ein Auswurf von vielen 1000 todter Fische, die aus dem Vulkan206v hervorbrechen. Dies ist so zu erklären: Vor dem Ausbruche füllen die geschmolzenen Schneemassen die unterirdischen Höhlen des Vulkans, und bilden grosse Teiche oder Seeen, in welche dieser kleine Fisch, Silurus Cyclopum oder Pymelodessich verkriecht, theils weil er Stille und Dunkelheit liebt, theils auch, weil ihm die kühlere Temperatur zusagt. Man erkent ihn sehr leicht an den feinen Barthaaren und Fäden um den Mund. Die Spanier nennen ihn: Preñadilla, und man findet ihn in allen Strömen von Quito. Dieser wird, vielleicht schon todt, mit dem Schneewasserin die Hohegehoben, und komt dann aus einer Höhe von 5 6000 Fus herab. So geschah es am dem Schrek - kenstage des 20 Juni 1698, als der Kangurascowelcheran Höhe den Chimboraço übertreffen haben soll, seinen Gipfel verlor. So bei den Ausbrüchen des Ipabarawo ein breiartiger Tuff mehrere Quadratmeilen bedekte, und eine solche Masse todter Fische ausgeworfen wurden, dass man diesem Umstande und dem heissen Sommer die vielen Faulfieber in der Gegend, allein zuschreiben kann.

Bei den Erupzionen ist dreierlei zu bemerken:

  • 1, das Auswerfen von Fragmenten des uranfänglichen Gesteins,207r als Granit, Syenit, Glimmerschiefer. Dieses findet man besonders in den alten Ausbrüchen des Vesuv, im Fosso de' Cervipp.[,] auch auf Palma bemerkte L. v. Buchsolche Fündlinge, die aus gros - ser Tiefe heraufgekommen sein müssen: diese Massen sind oft in die Lava eingebakken, wie ich dies häufig beim Jorullo wahr - nahm.
  • 2, Veränderung, die das Gestein erleidet: so wird der dichte Kalkstein der Apenninen vom Vesuv in parischen Marmor oder in Dolomit verwandelt.
  • 3, Hervorbringung von Lava, welche sich unter dem Drukke des Meeres als Lavaschicht, unter dem geringeren der Athmosphäre als Lavastrom zeigt. Die Tiefe des Ausbruchs bedingt die Stärke des Stroms, und die Höhe wird durch die Natur der Masse selbst bestimt, welches sehr merkwürdig und beachtenswerth ist. L. v. Buchmachte diese Bemerkung zuerst auf den kanarischen Inseln. Die Obsidiane haben einen geringeren Druk nöthig, als die Laven. Aus dem Trachyt entsteht der Obsidian, aus diesem derBimsstein, und viele Vulkane verwandeln denBimsstein noch in Asche. Der Ätna hat weder Obsidian nochBimsstein.
207v

Die gröste Masse vonBimsstein findet sich am Fusse des Koto - paxi, wo ich Stükkevon30 Fus lang und 6 8 Fus hoch antraf: welche von den Einwohnern für anstehendes Gestein gehalten wurden: es ist aber eine Folge der vulkanischen Kräfte, und nichts als umgewandelter Obsidian. Am Pichincha fand ich Glim̃er in der Lava, welche hier das Ansehn von gewaltigen Eisschol - len hat. Die Verwüstung ist hier so ungeheuer, dass die Spanier diese Gegend: mal pays, wüstes Land nennen. Wo die Lava sich nicht mit Asche bedekt, da kann sie 1000 Jahre liegen, ohne dass auch nur Flechten sich darauf zeigen. Beim Jorullo rühren die 3 4000 Kegel welche immerfort rauchen, von elastischen Dämpfen her, die auf eine zähe Masse gewirkt haben. Sie verhalten sich ungefähr wie Seifenblasen im Grossen. 1822 sah man dasselbe Phänomen beim Vesuv, aber nur mit einigen wenigen Kegeln.

Die Höhlen, welche sich in der Lava bilden, verdienen un - sre ganze Aufmerksamkeit, und nehmen insofern eine aus - gezeichnete Stelle in der Reihe der vulkanischen Erscheinun - gen ein, als in ihnen die Sublimazion der Metalle vor208r sich geht: es bildet sich Eisenglanz an den Wänden der Höhle, des - sen Zunehmen man sehr deutlich wahrnehmen kann. Bis jezt fand man in denvulkanischenProdukten 7 Metalle: Eisen, Titan, Kupfer, Mangan, Spiesglanz, ArsenikundSelenium.

Dies kann vielleicht einmal einen Aufschlus geben über den Zusammenhang im allgemeinen zwischen den MetallenundVulkanen.

Die Masse der Lava kömt in den verschiedenen Ausbrüchen aus höheren und tieferen Schichten, wie man dies aus ihrem Inhalte beurtheilen kann. In den Trachytbergen giebt es feld - spathartige Laven, in den Basaltbergen aber AugitundOlivin.

Die Masse ist sehr verschieden, oft bei nahestehenden Vul - kanen eine ganz andre: beim Ätna meist Hornblende, beim Vesuv dagegen Augit. Man findet grosse Unterschie - de bei Ausbrüchen desselben Berges, die 5 6 Monate aus - einanderliegen. Bald ist diese Masse ein dichtes Gewebe, bald ein dünneres mit einzelnen Krystallen oder Porphyrmassen. Es scheint aber doch, als ob die Krystalle präexistirten, und in der zähen Masse geschwommen haben.

208v

Beim Vesuv bildet sich nach dem Aschenausbruch eine grosse Pinie von Asche, wie schon Pliniussie beschreibt, und dies bezeichnet das Ende der Erupzion: die eingekerkerten elastischen Dämpfetbretchen dann hervor, und reissen Asche und Rauch mit in die Höhe.

Diese Asche zeigt sich:

  • 1, aus dem Krater selbst hervorgeschleudert. Wie heftig der Ausbruch des Vesuv von 79 n. Chr. gewesen sein mus, läst sich aus der Höhe der Asche schliessen, welche 70 80 Fus über Pom - peji aufgehäuft ward, und zwar nicht etwa herabgeflossen, sondern aus der Luft niedergefallen. Man hat die Ausbrü - che von 1631 und 1822 jenem ersten gleichstellen wollen, und vieles in den Angaben übertrieben, die Asche solte 1822 an 12 15 Fus hoch gelegen haben, während nach meinen Messun - gen es nur 2 Fus betrug.
  • 2, oft fliest sie aus Seitenspalten, welches sehr merkwür - dig ist: 1822 hies es, nahe am Krater habe sich eine heisse Quelle gebildet: als man aber genauer nachsah, war es ganz trokne Asche, die wie eine Flüssigkeit sich hervorschob, und es war leicht, den Staub und den Wasserdampf zu verwechseln.
  • 209r
  • 3, schlammige Ausbrüche mit Wasserdämpfen vermengt, hat man nur aus vorhistorischer Zeit nachgewiesen: namentlich sind sie am Rhein beobachtet, im Tuff der Eifelundvon Andernach.
  • 4, als Anschwemmungsschichten.

Der lezte Zustand in den Stadien der Vulkane ist der, wo sie als Solfataren oder Kraterseeen erscheinen. Sie stossen dann ein Gemenge von Schwefelwasserstofgas und Salzsäure aus. Von den Kraterseeen erreichen einige eine bedeutende Tiefe im Vulkan; bei dem von Tolnea bei Mexiko hatte ich, auf dem Rande des Kraters stehend, denSpiegel des Sees 5000 Fus unter mir. Ein See in Siebenbürgen, namens Doschelibei Wasuchenent - hält in seinem Wasser Schwefelsäure. Dies stimt volkommen damit überein, dass ich im Glimmerschiefer Schwefelmassen gefunden habe, welchesfrüherVorkommen früher bestritten worden war: bei Quito liegt der Schwefel in einem Quarzlager, und die Geognosten betrachten jezt den Gyps als durch die Einwirkung von Schwefeldämpfen entstanden.

36. Vorlesung, 08.03.1828

Es bleibt uns nun noch übrig, einigesübervondieerAneinanderreihung der Vulkane zu sagen; ein Studium, welches erst in ganz neuster Zeit seine209v Ausbildung erhalten. Das meiste und gediegenste darüber haben wir von L. v. Buch, theils in seiner Beschreibung der kanarischen Inseln, theils in einem neuren Aufsaz in Poggendorf's Journal: über die Natur und den Zusammenhang der Vulkane.

Man theilt die Vulkane in Zentral-vulkane und in Reihen-vul - kane. Jene bilden den Mittelpunkt einer Menge um sie her fast gleichmässig nach allen Seiten wirkender Ausbrüche. Diese liegen in einer Reihe hintereinander, oft nur wenig von einander entfernt, wie Essen auf einer grossen Spalte. In Hinsicht ihrer Lage sind die Reihenvulkane dann wieder von 2erlei Art. Entweder erheben sie sich als einzelne Kegel-inseln aus dem Grunde der See: dann läuft gewöhnlich ihnen zur Seite ein primitives Gebirge völlig in derselben Richtung, dessen Fus sie zu bezeichnen scheinen, oder diese Vulkane stehn auf dem höchsten Rükken dieser Gebirgs - reihe, und bilden die Gipfel selbst. In ihrer Zusammensezungundin ihren Produkten sind sie nicht von einander verschieden. Es sind fast immer Berge von Trachyt, und die festen Produkte daraus lassen sich auf Trachyt zurükführen.

Zu den Zentralvulkanen gehören: der Vesuv, mit den phlegraischen Feldern, und vieleicht dem Epomeo; der Ätna, mit den liparischen Inseln, worunter Stromboli; der Pic von Teneriffa mit den kanari -210r53.schen Inseln; die azorischen Inseln; die Cap-Verdischen Inseln; die Gallāpăgospp .[. ]

Zu den Reihen-vulkanen: die Andeskette, (Siehemeine geognostischen An - sichten von Südamerika) sehr merkwürdig ist es, dass wenn man hier vom Granit und Glimmerschiefer verlassen wird, das Vorkommen von Trachytkonglomeraten die Nähe eines Vulkans anzeigt; die Reihe von Guatemala; die Molukken; die Philippinen; die kurilischen Inseln.

Mit der Erscheinung derErde scheiVulkane scheinteine Hebung der Erde verbunden bei den Zykladen und in Mexiko: äusserst selten ist das Vorkommen von uranfänglichem Gestein in der Nähe eines Vulkans, doch giebt es Beispielez. B. ; am Vesuv sieht man solche granitischen Fünd - linge im Fosso grande; aber sehr wenig; bei Tunguragua in Mexiko nahe von der grossen Hängebrükke aus Strikken, ist Gneis vom Vulkane ge - hoben worden.

Indem wir einige allgemeine Betrachtungen über die Geognosie hin - zufügen, können wir uns natürlich nicht in das einzelne einlassen,in -demda dies der Gegenstand der Geognosie selbst ist. Erst in neueren Zei - ten hat man angefangen, auch die schaffende Kraft der Vulkane hervor - zuheben, da man früher nur auf ihre zerstörende gesehn hatte: es ist erwiesen, dass die Vulkane immer noch körnige Gebirgsarten bilden. Wir sehn diesen Prozes unter unsern Augen, und man hat in Folge210v davon versucht, die Massen welche wir durch die Vulkane erhalten, künst - lich nachzuahmen: um diesen Zweig der Naturkunde haben sich beson - ders verdient gemacht die Engländer Greenough, Warburton& Söwerby[. ] L. v. Buchhat im Flemser Thal im südlichen Tyrol eine Stelle ent - dekt, wo dichter Kalkstein in körnigen verwandelt ist durch eine Spalte des hervorgedrungenen Urgebirges; endlich haben die neusten Versuche von Mitscherlichkünstliche Fossilien hervorgebracht, indem er die Materialien derselben der Hize einesHochofens aussezte: er fand auf diese Weise, dass man künstlich darstellen könne: Glimmer, Augit, Olivin und Titan. Andre Chemiker haben die Schlakken derHochöfen untersucht, und auch schon da mehrere[künstliche] Mi - neralien gefunden. Diese Versuche sind nicht blos in chemischer Hinsicht von grosser Wichtigkeit, sondern auch für die Theorie be - deutend: denn es ist klar, dass die verwandelnde Masse jünger sein mus als die verwandelte: wenn wir also, wie im Flemser Thale dichten Kalkstein in körnigen umgeändert sehn, und daneben eine Spalte mit Urgebirge, so mus dieses später aus der Spalte her - vorgedrungen, also in seiner Bildung auf den Kalkstein ge - folgt sein.

Ich lasse nun noch einige Bemerkungen über die äussere Erdrinde im allgemeinen folgen, worüber ich ausführlich mich211r ausgesprochen in meinem: Geognostischen Versuch über die Lagerung der Gebirgsarten in beiden Erdhälften. 50

Es ist oft die Frage aufgeworfen, wie tief wir unter die Erdrinde, vom Spiegel des Meeres an gerechnet, gekommen sind? Lange hielt man die Grube von Ansin bei Valenciennes für die tiefste, welche 850 Fus unter dem Meere hat: allein die Messungen 2er ausgezeich - neten Geognosten, derHerren v. Dechenund von Oeynhausenhaben ge - zeigt, dass die tiefste Arbeit der Menschen unter dem Meeresspiegel bei Lüttich ist. Die Grube im Maasthale bei Val St Lambert hat 1500 Fus ganze Tiefe: da der Ort nun ungefähr 100 Fus über dem Meere liegt, so ist man hier 1400 Fus unter dem Meeres-niveau. Man hielt auch die Gruben von Whitehaven für die tiefsten, aber sie erreichen nur 1000 Fus. In Kornwall hat man eine Grube, wo einSchachtStollenmehrere 1000 Fus unter dem Meere hinläuft, und der äusserste Punkt desselben ist nur 8 Fus von dem Wasser entfernt. In dem Gebiete von Penswanist eine noch merkwürdigere Erscheinung: hier ist eine Grube auf einer Klippe im Meere, die gegen die Fluth durch Dämme hat geschüzt werden müssen, man baute 5 Jahre lang auf Eisenerze, bis endlich ein Schiffde[?]an der Klippe scheiterte und den Damm zerstörte, worauf die Grube ersoff; zum Glükke war Niemand unten. In Freiberg ist die tiefste Grube der Thonhofer Zug,211v der 1670 Fus hat: da aber Freiberg schon 1200 Fus über dem Meere liegt, so bleiben nur 400 Fus für die absolute Tiefe übrig. In Mexiko maas ich eine Grube von 1530 Fus, die zu den tiefsten be - kanten gehört, allein die ganze Gegend liegt 6000 Fus über dem Meere. Im Ganzen kann man annehmen, dass der Mensch 4[figure] mal so tief unter das Meer sich gearbeitet hat, als das Maas der höchsten menschlichen Bauwerke über der Erde beträgt, für welche es auch eine bestimte Gränze zu geben scheint: die Pyra - mide von Ghizeh, der Cheops genant, das Strasburger Münster, die Peterskirche in Rom (Dom in Antwerpen) alle schwanken zwischen 440 450 Fus Höhe, und dies ist wiederum nur 40 mal höher als die Bauwerke der Thiere: denn die Wohnungen der weissen Ameisen erheben sich bis 10 und 12 Fus.

Allein ausser den Gruben haben wir andere Mittel, das In - nere der Erde zu erforschen: wir bedienen uns der Hebung der Gebirge, obgleich dies auch noch nicht viel ist. Nehmen wir an, dass die ganzen Gebirgsketten durch elastische Däm - pfe aus der Tiefe hervor gehoben sind, wie es nach den neuen Ansichten sehr wahrscheinlich ist: so ist also der unterste Fus des höchsten Gebirges die tiefst-heraufgehobene Stelle. Nun hat man auf dem Himalaya bis jezt die Höhe von 18500212r Fus über dem Meere erreicht, und der höchste Gipfel, der Deva - lagiri ist, wiewohl noch ziemlich unsicher, auf 26400 Fus ge - messen worden.,Bedenken wir fernerund dass [?]erFus dieses Gebirges wäre also die aus dem tiefsten Grunde hervorgehobene Stelle, die wir kennen. Bedenken wir aber, dass einegeographischeMeile 22800 Fus hat, und dass der Erdhalbmesser 860 Meilen beträgt, so sieht man, dass wir etwas über eine Meile, also nur einen sehr geringen Theil dersErdradius kennen.

Aus noch grösserer Tiefe indessen wirken die Vulkane herauf, und namentlich müssen wir annehmen, dass die Fündlinge kör - nigen Gesteines, wie man sie beim Vesuv am Fosso grandepp. findet, aus bedeutender Tiefe hervorgeschleudert worden sind.

Wenn wir von oben nach unten hinabsteigen, so unterscheiden wir 5 körnige Gebirgsarten:

  • 1, neuste Laven mit Eisenoxyd.
  • 2, ältere Basaltformazion.
  • 3, Trachyt mit glasigem Feldspath.
  • 4, Porphyr mit und ohne Quarz.
  • 5, Syenit, Gneis, Granit.

Die 5teAbtheilung nante man lange: Urgebirge, aber Berzeliusfand in[dem] Syenit: Olivin. Nehmen wir die übrigen Fossile dazu, so212v haben wir von oben nach unten gehend:

  • 1, lokkere Schichten von Dammerde mit Thierknochen.
  • 2, dichtere Schichten von Kalkstein mit[Seefischen], Bivalven, Polytha - lamen, Tellinenpp.
  • 3, Thonschiefer mit einigen Spuren von Bambus.
  • 4, körnige feldspathreiche Massen, Serpentin.
  • 45, Granite, Dolerite, Basalte, ohne Reste organischer Körper.

Die 3tevon diesen Gruppen heist auch Übergangsgebirge: in ihr findet sich das erste Aufkeimen des organischen Lebens: Bambus, baumartige Farrenkräuterpp .[. ]

Die 2teGruppe sind die Flözgebirge mit Palmenstämmenpp .[. ]

Darüber lagert sich die erste Gruppe als terziäre Bildung, und hier finden wir Baumstämme von Dikotyledonen, wie aus unsern nordischen Wäldern.

Dann folgt ein aufgeschwemtes Gebirge mit Goldsand und fossi - len Landthieren, und dies bildet die oberste Erdschicht.

Zwei grosse Zerstörungen der Vegetazion, nachdem die Erdrin - de schon erhärtet und erkaltet war, können wir in diesen Erscheinungen wahrnehmen: sie bezeichnen die Gränzen der Flözgebirge nach oben und nach unten. Die oberste ist die Stein - kohlenformazion, welche aus einer untergegangenen Palmenforma -213r zion also Monokotyledonen entstanden ist: darunter die bernstein - haltige Braunkohle aus Dikotyledonen. Hier greift die Botanik so eng in die Geognosie ein, dass sie kaum mehr von einander zu trennen sind, daher kann es bemerkt werden, dassMonokotyledonensolche Pflanzen sind, deren Stamm meist einfach in die Höhe steigt, und aus einer schwammigen Masse besteht;Dikotyledonenaber einen festen vielfach-verzweigten Stamm haben, der bei seinem Wachsthum Jahresringe ansezt. Daher ist der oberste geognostische Horizont durch die Gestalten der meist oval-abgeplatteten Stämme ausgezeich - net. Man mus aber nicht glauben, dass diese Formazionen überall abgesondert sind; es finden sich Übergänge, so enthält der Gyps Knochen von Rhinozeros und Elephanten-artigen Thieren zusam̃en mit Palmen und baumartigen Farrenkräutern, die man in so gros - ser Menge antrift, dass man annehmen mus, die Vegetazion der Vorwelt habe nur daraus bestanden, während jezt unter den Tropen die Masse der Wälder nicht aus einer Mehrzahl von Mono - kotyledonen besteht, ausgenommen jene dichtbewachsenen Stellen am Orenoco, und am Rio Apure.

In diesen beiden grossen Ablagerungen der Steinkohlen und der Braunkohle ist es zu bemerken, dass man noch nie fossile Men -213v schenknochen gefunden hat: dies läst auf das hohe Alter dieser Revoluzionen schliessen. Die Flora und Fauna finden sich über - einandergelagert, aber sie gehören einer früheren längst unterge - gangenen Welt an, in der noch keine Menschen existirten. Diese Verbindung der vegetativen und animalischen Welt mit den Fossi - len giebt der Geognosie unserer Zeiten einen neuen eignen Reiz. Es wird möglich, auch in ihr das Leben zu verfolgen, wie es von den ersten Anfängen aufwärts steigend, zusammengesezte Formen an - nimt, und sich endlich bis zur höchsten animalischen Bildung erhebt.

Wir müssen nun kurz die Typen der Organisazion, wie sich die - selben in den verschiedenen Schichten gelagert finden, angeben:

Im Übergangsgebirge, woraus ein grosser Theil des Harzes besteht, findet sich zu unterst: Bambusschilf mit Korallen und baumartigen Gräsern: zugleich Trilobiten, von der Art, die man sonst Käfermuscheln nante: also sehr ausgebildete Thiere, von denen eins mit grossen gegitterten Augen, dem Käfer auf Japan nicht unähnlich, der zu den grösten bekanten ge - hört, indem er 3 4 Fus Länge hat, ferner Sepiaartige Fische, Cephalopoden, Orthozerathitenpp. Im Flözgebirge fin -214r54.det sich eine zahllose Menge von Polythalmen, die sogenanten Ammonshörner und Belemniten: auch ein Thier, das seine Schale in dem Leibe hat, anstatt aussen um denselben, und welches man lange für untergegangen hielt; aber bei der Reise des Capitain Baudinist es dem Naturforscher Pérongeglükt, ein solches Thier, die Spirula lebendig zu finden. Ich habe es in Paris in Spiritus gesehn, und es gelang, die Schale in seinem Leibe zu er - kennen und herauszunehmen. ferner Nummuliten, von denen man eine grosse Menge in dem Gesteine sieht, aus dem die Pyra - miden in Aegypten gebaut sind. Sepien;Herr Buklandin Oxford hat sogar den farbigen Theil einer Sepia als eine gelbliche Mas - se gefunden, und es ist gelungen; dieselbe in heissem Wasser aufzu - lösen: ich habe ein Bildnis dieses kleinen Fisches mit seiner eignen Farbe gemalt gesehn, die also viele 1000 Jahre ungebraucht gelegen hatte. Fische von allen Arten, die ich nicht weiter aufzählen will. Tropenformen: krokodill-artige Thiere. Im Lyassind besonders abwei - chende Formen: hier[findet] man die ungeheuer grossen Thiere; den ge - waltigen Megalosaurus, eine Eidexe von 40 50 Fus Länge (die grösten Krokodille, welche ich gemessen habe, hatten nur 20 22 Fus) deren Schenkelknochen 4 Fus mist; den Pleisiosaurus, ein Krokodill mit einem Schwanenhals; von dem man sich denken kann, dass214v es auf dem Troknen gelegen habe, und seinen langen Hals in das Wasser hinab lassen konte, um seine Beute zu erhaschen; den Ichthyosaurus, ein Krokodil mit Fischaugen, während alle andern lange geschlizte Augen haben; dann das wirkliche Krokodill, wie es als Gaviale im Ganges vorkömt; eine sonderbare Flügel-ei - dexe, die einen eignen Finger hat, der mit dem Flügel verbun - den ist, Pterodactyles genant, worüber zwischen Cuvierund Sömmeringein langer Streit geführt wurde; dann die ganze Reihe der Cetaceen, wallfisch-artige Thiere, warmblütige Be - wohner des Meeres; Seekühe, wie man sie in den antillischen Meeren findet, Lamantins genant. Über der Kreide fangen die Säugethiere des Landes an; ungeheure, Rhinozeros-ähnliche: wie das Anaplotherion, Palaiotherion; der kolossale Tapir, den man lange für ein blos amerikanisches Thier hielt, bis man kürzlich in Malakka einen entdekt hat, den man zwar für eine neue Spezies ansehn mus, der aber mit dem amerika - nischen viel Ähnlichkeit hat; merkwürdig genug ist nie ein Auerochse fossil gefunden worden. Man hat in neuern Zeiten erwiesen, dass unser Rindvieh nicht von dem Auer - ochsen abstamt, sondern dass der Urstam sich in Amerika215r findet; einen höheren und grösseren Elephanten; ein Rhino - zeros, neue Spezies vom Nilpferdpp. einen solchen ungeheu - ren Elephanten hat man im nördlichen Asien entdekt. Schon 1771 fand man daselbst fossile Elephantenknochen mit Stük - ken Fleisch daran: aber die wichtigste Entdekkung machte Adams, ein in russischen Diensten stehender Physiker, auf einer Reise 1799 in Sibirien: er fand eine grosse Eismasse mit einzelnen Knochen und Fleisch: es brauchte 5 6 Jahre, ehe das Thier ganz vom Eise frei wurde; unterdessen zehrten Hun - de und Wölfe in grosser Menge daran; endlich 1804 meldeten die Jakuten an Adams, dass das Thier frei sei, und nun wurden endlich die Reste nach Petersburg geschaft. Man fand die Augen und einen Theil des Gehirns; das Thier war mit 15 Zoll langen Haaren bedekt, und dies gab Veranlassung zu der Ver - muthung, dass es dadurch gegen die Kälte habe geschüzt werden sollen, und dass es also auch in der kalten Zone könne Elephantenpp. gegeben; allein die Behauptung ist nicht wahr - scheinlich: wenn man auch zugiebt, dass Elephanten in der kalten Zone gelebt haben: so findet man doch neben den Überresten215v dieser Thiere, und zwar gleichzeitig mit ihnen, Palmen und andre Tropengewächse; es istabererwiesen, dass in der kalten Zone nur Gewächse leben können, welche im Winter ihr Leben auf ihre mittlere Axe konzentriren, und ihre appendikulären Organe (zu deutsch: die Blätter) abwerfen können: wenn man aber eine Palme köpft, oder ihr die obere Krone nimt, so stirbt sie alsbald, und dasselbe würde geschehn, wenn sie durch den Frost ihr Laub verlöre; man findet endlich das Megatherion, von Daltonin Bonn sehr gut beschrieben,51 welches von so wunderbarer Zusammensezung ist, dass es beinahe wie ein Aerolith aus einem andern Weltkörper herübergekommen zu sein scheint, ein Mittelding zwischen Faulthier und Armadill.

In älterer Zeit haben sich besonders um die Wissenschaft der vergleichenden Anatomie verdient gemacht: Kamper, Sömme - ringund Blumenbach; in neuer Zeit Cuvierfür die Knochen, Lamarkund Borongniartfür die Thiere selbst.

37. Vorlesung, 12.03.1828

Beinahe alle urweltlichen Thiere gehören zu der Klasse der heu - tigen Pachydermen, Dikhäuter. Cuvieruntersuchte 130 Skelette von Landthieren: darunter waren 60 Rhinozeros - und Elephanten-ar - tige, 20 wiederkäuende, wie Hirsche, Elennthierepp.[, ]22 reissende,216r wie Löwen, Hyänen, Bärenpp.[,] von den Vögeln fand man nur sehr wenige, weil diese bei der allgemeinen Zerstörung sich am besten retten konten.

Die Masse der umgekommenen Thiere ist ungeheuer, in Frankreich, in der Limagne finden sich Hügel von vielen 100 Fus Höhe, die aus nichts als aus den Tuben einer Libelle bestehn, andre aus den Früchten der Chara, auch Hierogoniten genant. Dagegen giebt es andre Gegenden, denen die Formazion, worin die Versteinerungen sich finden, gänzlich mangelt: so: ein[ Theil] von Nordwest-amerika, der neuerdings vom Captain Franklinuntersucht ist, so die skandinavische Halbinsel, so ein grosser von mir beschriebener Strich des südlichen Amerika zwischen den Mündungen des Orenoco und dem Amazonenstrom: hier überall fehlen die Flözgebirge, und mithin die organischen Spuren: vielleicht ist dies einer spätern Erkältung der Erdoberfläche zuzuschrei - ben. Menschenknochen, wie schon oben bemerkt wurde, findet man nirgends, obgleich man öfter in den Irthum geraten ist. Schon der alte Scheuchzerbeschrieb einen: homo diluvii testis: man fand aber nachher, dass es ein Wels sei (Silurus glanis) und Cuviererkan - te es für einen gigantischen Salamander. Auch die Menschenknochen, welche ich aus den mexikanischen Seeen mitgebracht, sind aus späterer Zeit. In der Guadeloupe fand man Menschengerippe ver -216v steinert, allein sie gehören einer historischen Zeit an: es sind Körper von vielen 100 Kariben, alle mit dem Gesichte nach Abend gerichtet, also ein karibischer Kirchhof, in einer neueren Süswasserformazion eingeschlossen. Vor 3 oder 4 Jahren zeigte man in Paris einen ver - steinerten Menschen zu Pferde mit Helm und Lanze, der in London und selbst in Nordamerika gesehn wurde. Die Eigenthümer sollen ihn für eine grosse Summe in England gekauft haben: man wolte sogar in den Bestandtheilen phosphorsauren Kalk, als auf die Knochenmasse hindeutend, vorgefunden haben. Ich machte auch Untersuchungen darüber, konte aber nichts entdekken, und wurde dadurch in einen Streit mit dem fossilen Mann verwikkelt. Das Auge und Ohr des Pferdes sah man besonders deutlich: wie solten aber diese weichen Theile sich bei der Versteinerung eben so erhalten haben, als die harten: es war nichts als ein Spiel der Einbil - dungskraft. Bei Köstriz fand man eine grosse Menge von Menschen - knochen zusammen mit Hühnerknochenpp. in einer unterirdischen Höhle: es zeigte sich aber, dass die Menschenknochen durch einen Erdsturz dahin gekommen waren:52 eben so verhielt es sich an einer Stelle in südlichen Frankreich.

Professor Buklandin Oxford entdekte eine Höhle bei Kirkdale,217r worin eine so ungeheure Menge von Knochen von Elephanten, Rhino - zerospp. zusammenlagen, dass man weder begreifen konte, wie so viele Thiere in dieser Gegend hatten leben können, nochw[?]auch wie die Knochen alle in die Höhle kommen konten: Buklandhat darüber eine scharfsinnige Hypothese: er fand auch Knochen von Hyänen darun - ter, und〈…〉〈…〉wuste es wahrscheinlich zu machen, dass alle jene Thiere von den Hyänen angefallen, und in die Höhle geschlept wurden. Die - renknochen waren auf dieselbe Weise benagt, wie noch jezt zu Tage die Hyänen solche Knochen zu benagen pflegen, und Buklandmachte selbst darüber Versuche bei den Hyänen von Exeter-change: ja was noch mehr ist: er fand die Exkremente von Hyänen als kleine ver - steinerte Kugeln, und als er diese dem Wärter solcher noch lebenden Thiere zeigte, erkante dieser die Sache sogleich für das, was es war, und noch heute bei den Hyänen sich findet. In den Ländern, wo es Hyänen giebt, ist die Eigenschaft derselben, Knochen auszu - scharren und zu benagen, so bekant, dass man in Darfur schwere Steine auf die Gräber legt, um es zu verhindern. Buklandhat auch einen sehr karakteristischen Unterschied zwischen denante diluvianischen Knochen und denen aus historischer Zeit ent - dekt: die ältern nämlich sind von aller animalischen Substanz217v frei, und deshalb sehr porös. Wenn man ein Stük auf die Zunge bringt: so klebt es so fest, dass man sich fast verwundet, indem mansichesherunternehmen will: die neueren dagegen, römische, mexikani - sche und Druiden-knochen haben nichts von dieser Erscheinung.

Bis in die neueren Zeiten hat man das körnige Gestein für das aller älteste gehalten, allein L. v. Buchhat gezeigt, dasserwenn es auch nicht jünger ist als[das] Flözgebirge, es doch wenigstens später heraufgehoben sein mus. Die 3 Gebirgsmassen, welche man sonst zur Urformazion rechnete, unterscheiden sich durch das karakteristische Merkmal der Alternanz, Abwechselung, und der Praelusion, des Überganges. Die Alternanz besteht in einem Wechseln der Schichte, das nach gewissen Gesezen vor sich geht, und die Praelusion findet statt, wenn eine folgende Gebirgsart durch eine vorhergehende gleichsam angekündigt wird. Diese Reihen - phänomene deuten auf gewisse Verhältnisse der sich oxydi - renden Erdrinde hin, welche von den heutigen Verhältnissen ganz abweichen. In den neueren vulkanischen Bildungen fin - det man Kontraste, in den körnigen Urgebirgen aber Spuren eines fortgehenden Prozesses, und wir sind jezt so weit in218r55.der Geognosie vorgerükt, dass wir sagen müssen, die Chemie mus jezt die wichtigsten Aufschlüsse über die Mineralogie geben. Perkinsin England hat schöne Versuche mit dem Druk von 1000 Athmosphären gemacht,53 aber die Tri - und Bisilikate bleiben immer noch unerklärbar.

Das Aufquellen der Basaltmassen aus terziärem Gestein ist bis jezt an 3 Orten in Deutschland gefunden worden, welches das einzige Land ist, wo bis jezt in rein wissenschaftlicher Hinsicht solche Arbeiten angestellt sind: 1, bei Marksuhl 1810 in buntem Sandstein; der emporsteigende Basalthügel endigt in einem deutlichen Zapfen. 2, am Druidenstein 2 Meilen von Siegen, in einem Grauwakkenschiefer, woL[?]Herr. Berghauptmann v. Gerhard2 Schächte treiben lies um den Berg aufzuschliessen. 3, auf der blauen Kuppe bei Eschwege in buntem Sandstein, 1823, wovonProfessor Hofmanneine sehr gute Zeichnung gegeben hat.

In den Flöz - und terziären Gebirgen sind Kalkgebilde vorherr - schend, dann Konglomerate und Sandsteingebilde. Wir unter - scheiden hier überhaupt 2 grosse Abtheilungen: nämlich frag - mentarische und nicht-fragmentarische Gebilde.

218v

Die Typen der Flözgebirge von unten nach oben sind folgende:

  • Ein grosses Steinkohlengebirge auf demFlözÜbergangsgebirge auf - liegend mit rothem Sandstein und Flöz-porphyr, auch eingela - gertem Mandelstein, Grünstein und Kalkstein.

  • Zechstein oder Alpenkalk, wasserhaltiger Gyps; Steinsalz eingelagert ist Kupferschiefer, wie im Mansfeldischen, wo man auch Entrochiten findet, Terebratuliten, Pentakriniten, Trilobiten, Ammoniten, Fische, Abdrükke von Lycopodiaceen und Bambu - saceen, Blätter von Dikotyledonen, ähnlich denen der Weide, Mytulites rostratuspp.

  • bunter, thonartiger Sandstein mit Gyps und Steinsalz: ist arm an Versteinerungen: Strombites speciosus, Pectinites fragilis, Mytulites ruens.

  • Muschelkalk: ausgezeichnet durch eine unermesliche Menge zum Theil zerbrochener Muscheln: er erfült weitläufige Gebiete im nördlichen und südlichen Deutschland; und enthält viele Versteinerungen: Chamites striatus ( Lamark) Belemri - tes paxillosus, Ammonites amaltheus, Nautilites binodatus; die Masse des Gesteins verbunden zu dichten Schichten von En - trochiten, Turbiniten, Strombiten, Mytuliten trift man zu -219r sammengedrängt den Muschelkalk durchziehend. Die Berge von Rüdersdorf gehören dazu.

  • Mergel und quarziger Sandstein: deutliche Formazion am Ufer der Elbe zwischen Pirna und Schandau[. ]

  • Jurakalk, eine höchst verwikkelte Formazion, mit Gryphiten - kalk, Lyasschiefer, und einer grossen Menge von Versteinerungen: Chamites, Myacites, Tellinites, Donacites, auch Fische und Oolithen, Ammoniten, Gryphaea arcuata und Krokodil-artige Thiere.

  • Quadersandstein mit eisenschüssigem Sand: darin Versteine - rungen, wie Gryphaea columbapp. endlich

  • Kreide mit Lederkalk: mit Feuersteinen, auch kugelige Eisen - kiese und[schwefelsaurer] Strontian. Versteinerungen-Ananchi - tes, Galerites, Spatangus, Catillus Cuvieri, Nummulites.

Um eine philosophische Ansicht zu gewinnen, können wir die ganze Formazion in 2 Abtheilungen trennen: Sandsteinge -gbilde und Kalkgebilde, diese werden von unten durchdrungen durch: Steinsalz, Gyps, Talkerde, Schwerspath, Braunkohle pp.

Der äusserste Theil der Erdoberfläche ist mit Blökken und Geschieben bedekt, und enthält die für uns kostbarsten Sub -219v stanzen, wie Demanten, PlatinaundGold. In einem sehr reichen Waschwerke von Brasilien gewint man alle diese 3 Substanzen, und noch Palladium.

Was die Blökke anbetrift, so wollen wir nur zweierlei davon betrachten: 1, die auf dem östlichen Abfalle des Jurakalksteins, wo ein Blok manchmal 20 25 Fus Durchmesser hat, und bis auf 2000 Fus Höhe gelagert ist. 2, die in den baltischen Wäldern, welche durch Rusland und Polen bis nach Holland sich hinüber - ziehn: es sind loose Granitmassen, (die man nicht verwechseln mus mit den thurmähnlichen Massen auf dem Plateau von Spanien, die der Gegend ein sehr malerisches Ansehn geben: sehr schöne fand ich in der Gegend des Eskuriales. ) ja in der Bretag - ne sind sehr merkwürdige, welche pivotiren, und nur einer mässi - gen Kraft bedürfen, um in Bewegung zu kommen.

Über die Granitblökke auf dem Jurakalk hat L. v. Buch1811 eine vortrefliche Abhandlung geliefert, welche das wich - tigste darüber enthält: er hat gezeigt, dass diese〈…〉〈…〉Blökke von den Alpen herabgekommen sind, eben so wie die bei Trient. Die Lage der Blökke zeigt, dass sie nicht durch Eisschollen herübergeführt sind, sonst würden sie den Weg in die Thä -220r ler, aber nicht auf die Höhen genommen haben; eben so wenig sind sie durch Herabrollen auf einer schiefen Fläche dahin ge - kommen: sondern L. v. Buchzeigte, dass der Stos der Wasser sie herübergebracht habe; und es hat sich, merkwürdig genug, in ganz neuer Zeit, 1818 im Wallis-thale ein ähnliches Faktum ereignet: es bildete sich ein See, der durch seine Gewalt einen Blok von 18 Fus Durchmesser bis mitten auf den Markt von Martigny absezte. Nach Mailand zu finden sich diese Blökke nur in den Thälern, die bis gegen die uranfängliche Kette hin - reichen, und auf der lombardischen Ebne fehlen sie ganz, welches mit der obigen Erklärung sehr gut stimt.

Die Blökke in den baltischen Wäldern, die sich von Rus - land bis Holland vorfinden, erstrekken sich südlich bis auf das Schlachtfeld von Lützen, und hören auf, wo sich eine andre Gebirgsformazion nähert. Sie liegen nicht in der Ebne, sondern auf gewissen Höhen, die für diese Gegenden bedeutend sind. Der Markgrafenstein bei Fürstenwalde, aus dem aufSeinerMajestät des Königs Befehl eine Granit-vase von 28 Fus Durchmesser für das Museum wird gearbeitet werden, liegt nach Hofmanns Messung 460 Fus über dem Meere; in Meklenburg findet220v man Steine, die bis auf 700 Fus hoch über dem Meere liegen: meist sind sie nicht in den Sand eingegraben, sondern flach auf demsel - ben aufliegend, und merkwürdig ist es, dass man dieselbe Er - scheinung am Nordpol gefunden hat. Parrysah an der Bar - rowstrasse,auch im Port Bowen Granitmassen auf Kalkstein auf - liegend, und bemerkt, ohne von der obigen Theorie etwas zu wissen, dass es auffallend sei, wie diese Blökke immer auf der Spize der Hügel, nicht aber im Thale lägen. Unsre baltischen Granite sind so übereinstimmend mit den skandinavischen, dass man sich in der Identität gar nicht irren kann: selbst Muschel - kalk mit Trilobiten und Asaphusfindet sich wie in Öland und Gothland als Transizionsformazion. Am frühesten hat den Ursprung der meklenburger und pommerschen Granitblökke einHerr v. Arenswaldnachgewiesen, der vor 30 Jahren in einer eignen kleinen Abhandlung sie aus Schweden herleitete. 54 L. v. Buchbemerkte auch, dass die Granitblökke, indem sie durch Stos ankamen, oft an Ort und Stelle zertrümmert wurden,z. B. am Jura und auf den RaunischenBergen bei uns, wovonHerr Kantianeine schöne Zeichnung bekant gemacht hat. Hofmannbeobachtete an dem Johannesstein in Westphalen,221r der 24 Fus im Durchmesser hat, ein kleineres Stük daneben, wel - ches abgesprungen war, und durch seine Winkel genau zu dem grösseren gehört.55

38. Vorlesung, 15.03.1828

Wir kommen nun zum lezten Theil der Geognosie, zur Gliederung der Kontinente, welche in genauer Verbindung steht mit der Vertheilung der Klimate, und dies macht dann den natürlichsten Übergang zur Klimatologie.

Es ist wahrscheinlich, dass die Hebung der Kontinente früher statt fand, als die der Bergketten selbst, und überall hängt die Ver - schiedenheit der Temperatur von dem Verhältnis der Kontinente zu denFflüssigen Theilenab, aus denen sie emporstiegen: wenn man dieses Verhältnis ändern könte, so würde das Klima ganz anders werden.

Über diesen Theil der physikalischen Geographie haben die gros - artigen und geistreichen Ansichten des Prof. Ritterviel Licht verbreitet; er hat gezeigt, wie von dem Klima die Gesittung und der ganze Kulturzustand der Völker abhängt.

Die Oberfläche der Erde theilt sich

  • 1, in das trokne, starre, die Kontinente, und
  • 2, in das flüssige[] die Meere.

Der Kontakt dieser beiden Elemente bestimt die Form und221v[] den Umris der Kontinente, welcher (Umris) in Bezug auf die Kultur und den geselligen Zustand der Völker von der grösten Wich - tigkeit ist. Im allgemeinen hat zwar das Meer fast dasselbe Niveau rings um[das] Sphäroid, das wir bewohnen, aber im ein - zelnen finden sich Abweichungen. So sind die Ansamlun - gen von süssen Binnenwassern, die Seeen von verschiedener Höhe gegen das Meer: dasiekaspischeMeerSeeist niedriger als das schwarze Meer. Der höchste Binnensee ist der Munn - sarabaauf dem Himalaya. Der See Tiliaccain Peru hat 8000 Fus Höhe, und ist sehr reich an Fischen, die sich also in einer Region befinden, 3 mal höher als die Wolkenschich - ten in der jezigen Jahreszeit.

Die chemische Natur der Seeen ist sehr verschieden: man hat lange geglaubt, dass durch das Zuströmen von süssem Wasser und die Dekomposizion so vieler[animalischer] und[vegetabiler] Körper sich gewisse Salze bilden müsten, besonders wo kein unterirdischer Abflus stattfindet: es hat sich hierüber noch neuerdings ein Streit wegen des Seees Tschad, im Innern von Afrika erhoben, ob er süsses oder salziges Wasser habe[](bei222r56.Gelegenheit der von Denhamund Clappertongemachten Entdekkung dieses Seees)[. ]Ich habe den See von Tacarigua, zwischen den bei - den Bergketten von Venezuela untersucht, und darin nur salz - sauren Kalk gefunden; es war kein Abflus desselben zu be - merken.

Ausser den Seeen giebt es schmale longitudinale Wasser - bekken, Flüsse genant, welche unendlich viel zur Belebung und Bevölkerung der Kontinente beitragen. Meist bilden sie ihr Wassersystem für sich, selten sind Verzweigungen oder Ana - stomosen derselben, wie in Südamerika; als ob ein Arm des Rhein in die Donau fiele solche inneren Inseln (wenn wir näm - lich jeden mit Wasser umschlossenen Raum so nennen wollen) welche durch Bifurkazion zweier Ströme entstehn, bilden Mesopo - tamie〈…〉〈…〉 n, wie zwischen dem Euphrat und Tigris, wo die beiden Flüsse mehrfach durch Kanäle verbunden sind: die gröste dieser Erscheinungen zeigt deas spanische Guiana, von den Ausflüssen des Orenoco an, der einen Nebenarm, den Kasu[?]iquiare in den Rio Negro sendet, und dieser fliest in den Amazonenstrom, wel - cher die Insel vollendet.

Die Breite der Flüsse ist oft so bedeutend, dass dadurch nicht222v allein die Wanderungen der Völker aufgehalten werden, sondern auch an beiden Ufern des Flusses ganz verschiedene Produk - zionen sich finden. Manche Flüsse in Amerika haben 200 300 Meilen von ihrem Ausflusse eine Breite von 12 18000 Fus, und an ihrer Mündung Süswassergolfe von 40 Meilen Öfnung. Schon Franklinmachte die scharfsinnige Bemerkung, dass der gröste Theil dieser Golfe nicht in das Meer ausflies - se, weil dieses durch seine Fluten das Wasser zurükdrängt, sondern in die Luft verdunstet werde.

Wir müssen das Wasser, welches 4 mal so viel Sauerstof enthält, als die[ Luft], und die Luft selbst, als die beiden Hauptbedingungen des organischen Lebens auf der Erde ansehn; (daher kann auf dem Monde das, was wir organisches Leben nennen, nicht statt findetn; es giebt daselbst keine Flüssig - keit, wie das Wasser: denn, so weit man ihn untersucht hat, ist das Niveau von jeden 2 Punkten seiner Oberfläche unter sich verschieden.) Früher hielt man das Licht als unumgäng - lich nothwendig dafür: allein man hat diese Meinung auf - gegeben, seitdem man unterirdische Pflanzen und Thiere ken -223r nen gelernt hat, und auf Fische aufmerksam geworden ist, welche in einer solchen Tiefe des Meeres leben, dass daselbst nach Bou - guers und anderer Untersuchungen eine absolute Dunkelheit herschen mus.

Von den flüssigen Umhüllungen der Erde unterscheiden wir 2:

  • 1, eine allgemeine: den Luftozean;
  • 2, eine partikuläre: das Wassermeer.

Den Boden der ersten bilden das Meer und die Erde, deren höchste Berggipfel nichts anderes sind, als Untiefen auf dem Grunde des Luftozeans. Das Wasser ist in den oberen Schichten am mei - sten bewohnt, die Luft in den unteren: nur wenigen Geschöpfen ist es erlaubt, sich in die höhern Regionen der Luft zu erheben, am meisten den Vögeln. Auf 18000 Fus Höhe am Chimboraço fand ich: Geyer, Kondur's und Insekten, namentlich Schmet - terlinge: auch auf dem Himalaya hat man sie bemerkt: sie erheben sich aber nicht wilkührlich dahin, durch die Kraft ihrer Muskeln (wenn man ihnen überhaupt Muskeln zuschreiben kann) sondern durch aufströmende Luftzüge. Bei Tage nämlich erhizt sich die Erdoberfläche durch die auffallenden Sonnenstrahlen,223v und es erzeugen sich courants ascendeants welche die Insekten bis zu einer Höhe heben, wo sie einige Zeit ohne Nahrung leben müssen. Herr Boussingault, der nach mir die Silla von Caracas gemessen hat (man behauptete nämlich, wie es gewöhnlich bei Erdbeben zu geschehn pflegt, dass bei dem lezten Erdbeben von 1812 ein Theil der Silla eingestürzt sei: deshalb war die Messung wichtig; sie differirte von der meinigen kaum um 5 6 Fus, und zeigte, dass die Höhe des Berges ganz die - selbe wie früher ist. ) fand auf dieser Höhe von 9000 Fus eben - fals Insekten, und[]sehr merkwürdig, Halme von Gräsern: er bemerkte, dass leuchtende Körper aus der Athmosphäre nie - derfielen, sammelte sie, undHerr Kunthin Paris bestim̃te, dass es eine neue Spezies von Tilingia sei, die in grosser Ent - fernung davon wächst, wo also der Saame sehr weit durch die courans ascendents geführt sein mus. Der rothe Schnee am Nordpol ist ebenfals eine vegetabilische Sub - stanz, ein kleiner Pilz, durch den man auf die Vermuthung kam, als ob Luftvegetabilien existirten, die in den obern Schich - ten schwebend erhalten werden: allein wahrscheinlicher ist es224r wohl eine meteorische Flechte, die sich erst nach dem Fallen des Schnees bildete.

Erde, Wasser und Luft bilden ein Naturganzes, deshalb kann man die 3 Substanzen hier nicht von einander trennen: so wie die Klimatologie sich nicht auf die Luft allein beschränkt: son - dern vielmehr d〈…〉〈…〉erGeognosie anheim gefallen ist, da das Kli - ma durch so mannigfache Ursachen bestimt wird. Erst in neuer Zeit ist man auf die Wirkung aufmerksam geworden, welche die Wärmestralung der Erde auf das Klima hat: sie ist viel stärker bei klarem Himmel als bei bedektem: daher pflegt man zu sagen:,und zwar ganz richtig: dass sternen - klare Nächte kälter sind; nicht als ob das Licht der Ster - ne Kälte hervorbrächte, sondern weil die Wärmestralung gegen den heitern Himmel stärker ist; eine Wolkenschicht dagegen läst die zurükgestralte Wärme nicht durch, son - dern wirft sie wieder auf die Erde zurük.

Die ganzen Kontinente mit ihren Bergketten sind durch Hebung über den Meeresspiegel hervorgetreten: die unterir - dischen Kräfte wirkten daher mittelbar mit zur Bildung der224v Erdoberfläche, wie wir sie jezt sehn. Nach der Erhärtung der äus - seren Rinde haben vielleicht kleine Zufälligkeiten im Unterschie - de des Gleichgewichtes mehr nach dem Nordpol hingewirkt, als nach dem Südpol, daher dort eine grössere Ländermasse als hier. Bei der Hebung von Amerika wirkten die unterirdischen Kräfte mehr von Norden nach Süden, vielleicht auf einer grossen Spalte: dagegen erstrekt sich der alte Kontinent mehr von Osten nach Westen. Ganz anders würde bei uns die Tempe - ratur sein, wenn etwa das Mittelmeer nicht existirte, wenn sein Bekken zu derselben Höhe wie die lombardischen Ebnen und die Flächen der Cyrenaica sich erhoben hätte. Europa würde viel kälter sein, wenn Afrika nicht aus den Fluten emporgestiegen wäre: nun aber liegt uns südlich in dem Meridian von Lissabon und vom Ural ein grosser fester Kontinent, der als opaker Körper die Sonnenstralen besser reflektirt, als der durchsichtige Ozean: daher müssen die unter dem Aequator erwärmten Luftschichten über Eu - ropa hinfliessen, und die Kälte mindern. Darum ist Asien225r kälter als Europa 1, weil es eine Ostküste ist, und diese alle sind kälter als die Westküsten 2, weil sein Aequator sich in einem transparenten Mittel befindet, und die Luftschich - ten über ihm nicht so erwärmt werden können, als über dem Lande. Ganz anders würde das Klima der Erde sein, wenn Amerika sich von Osten nach Westen in der Tropenzone aus - dehnte, anstatt dass jezt nur ein kleiner Theil davon unter den Wendekreisen liegt.

Die Quantität der Erhebung im allgemeinen ist sehr gering, insofern wir nämlich die Kontinente als Bergrükken ansehn, deren Fus im Meere liegt. Der grosse Laplacehat sich vielfäl - tig mit der Erhebung der Kontinente und mit der Meerestiefe beschäftigt, und eine Menge von Berechnungen darüber an - gestelt. Einzelne Tiefen des Meeres entscheiden hier nichts, sondern die Sache muste von einer andern Seite genommen werden. Laplacehatte aus der Ebbe und Flut die Tiefe des Meeres auf 50 60,000 Fus, als 3 4 Meilen berechnet (wel - ches uns hier zu weit führen würde, genauer auszuführen)225v allein dies ist viel zu tief: er hat nachher seine Rechnungen wie - der vorgenommen, und einen andern Coëffizienten erhalten: er fand nun, dass die mittlere Tiefe des Meeres gleich sei der mittleren Höhe der Kontinente. Denkt man sich nämlich die gan - ze Masse der Gebirge gleichförmig über die Erde zerstreut, so dass kein Punkt höher ist als der andre, so wird natürlich diese Erhebung äusserst gering sein, und dasieOberfläche des Erdsphäroides läst sich dann in gleiche Polygonalfiguren theilen: eben dasselbe ge - schieht, wenn man die Tiefen des Meeres auf diese Weise gleich ver - theilt. Nach Laplace's lezter Rechnung ist nun diese Konvexität und Konkavität über und unter der mittleren Fläche des Meeres gleich 900 1000 Fus. Aber noch immer zu gros. Er forderte mich auf, diesen Gegenstand zu bearbeiten, und ich habe die Resultate in einer kleinen Abhandlung: über die Kulminazionspunkte der Erde niedergelegt. Die Pendelversuche, mit denen man sich in neu - ern Zeiten so viel beschäftigt hat, haben auch hierüber genauere Untersuchungen möglich gemacht: die mittlere Höhe ist nicht mehr als 500 600 Fus. Bei Frankreich und der Lombardei beträgt sie 4 500 Fus; die Gegend zwischen Stettin, Dresden und226r57.Posen hat 180 200 Fus. Rusland hat 870 Fus, also sehr beträchtlich: man hat dies nach einer Masse von Barometerbeobachtungen in Moskau berechnen können; die Schweiz troz ihrer Berge 1300 Fus; Bayern, zwar nur klein, aber sehr hoch: 1560 Fus; Spanien, wo ich selbst bei meiner Durchreise viele Beobachtungen anstelte, in der Gegend zwischen Almanza und Astorga 2100 Fus; die Ebne von Mysore in Indien 2760′; die Wüste Gobi, zwischen Kiachta und Peking 3000 Fus; die Ebne von Tibet, nach einer ungefähren Berechnung, weil es hier an Barometerbeobachtungen sehr fehlt: 6000 Fus; die höch - ste dieser Hochebnen findet sich aber jenseit (scil. nördlich) des Hi - malaya, unter 35 36° Breite, welche Captain Weddelluntersuchte, im Thale des Soutledge bei Dava (Lata) hier hat man die wunder - bare Erscheinung, dass Kornfelder sich bis auf 14000 Fus Höhe fin - den, so hoch als die Spize des Montblanc. Auch in Amerika erheben sich die Thäler zu beinahe 12000 Fus, das von Huanteteka⟨⟩hat 11600 Fus; Mexiko 6000 Fus. Wenn auch Europa diese Höhen nicht erreicht, so haben wir doch einige sehr bedeutende Punkte; früher hielt man Dörfer auf 4000 Fus Höhe für die[höchsten], aberHerr von Wellhat in seinen Untersuchungen über den Mont-Rosa gezeigt, dass das Dorf Cetta7100 Fus hoch liege.

226v

Die Tiefe des Meeres ist nicht so leicht zu bestimmen; besonders ist es an einzelnen Stellen schwer, die perpendikuläre Tiefe zu erhalten: denn theils verliert das Senkblei einen Theil seiner Schwere durch das Schwimmen des Seiles, theils wird es durch Strömungen fortgeführt, und wenn man glaubt, dass es senkrecht hinabgehe, so macht es vielleicht einen Winkel von 40 50°; dies giebt also einen grossen Unter - schied, und die Tiefen werden bedeutender, als sie sind. Captain Sabinehat auf alle diese Umstände genau geachtet, und in den antillischen Meeren viele Sondirungen angestelt: südlich von Cuba hat er ther - mometrisch auf 7200 Fus perpendikulär sondirt; indem er ein Thermo - meter herablies, um die Temperatur des Meeresgrundes zu erforschen. In Südamerika ist die Andeskette ganz auf den Westrand hinge - drängt, vielleicht über einer Spalte vulkanisch in die Höhe gehoben: sie hat nicht mehr als 15 20 Meilen Breite und kaum 1 Meile Höhe; dagegen beträgt der Lauf des Amazonenstromes 6 700geographischeMeilen, ohne bedeutendes Gefälle: denkt man sich also die kleine zylindrische Masse der Anden auf die ganze Fläche verstreut, welche der Amazonen - strom bewässert, so sieht man leicht ein, dass dies für die ganze Fläche kaum einige Zoll Erhebunghöhungausmachen würde.

Man hat bis jezt viel häufiger die Berge als die Ebnen gemessen, welches zum Theil nur eine Befriedigung der Neugierde ist: viel nüz -227r licher wäre es, wenn man durch Barometerbeobachtungen die Höhe der kultivirten Ebnen messen wolte, um zu bestimmen, wie hoch hinauf manche geselligen Pflanzen, wie die Cerealienpp. leben können.

Der Umris unserer Kontinente, welcher durch den Kontakt des star - ren und flüssigen bestimt wird, würde ganz verschieden sein, wenn die Höhe des Meeres nur um ein geringes zunähme: daher ist dieasstabile Verhältnis dieser beiden Elemente für den geselligen Zustand von der höchsten Wichtigkeit; nur 130 Fus brauchte die Ostsee zu steigen, und ganz Norddeutschland so wie Polen würden verschwinden. Die Ebne des Amazonenstromes liegt nicht so hoch, als man glauben solte: ich ging ganz besonders an den östlichen Fus der Andeskette, um die Länge von Tamapenda zu erhalten, wo La Condamineseine Arbeiten über den Amazonenstrom angefangen: bei dieser Gelegenheit bestimte ich die Höhe des Ortes auf 1200 Fus, (also niedriger als München) nicht weit vom Wasserfall von Rustega, aber noch 700 Meilen vom Ausflusse: steigt man etwas weiter hinab, als Tamapenda, so ist die Höhe nur noch 400 Fus: also brauchte das Meer dort nur 400 Fus zu steigen, so würde ganz Südamerika untergehn, und die Andeskette wie[eine] lange schmale Insel vonNordennachSüdensich erstrekken.

Solten aber solche Erhöhungen des Niveau eintreten, so würden sie über die ganze Erde gleichmässig sich vertheilen müssen. So[ hat] man fälschlich227v auf eineAnschwellung und Abnahme des Mittelmeeres geschlossen, weil man an den Säulen des Serapistempels bei Pozzuoli, 8 bis 10 Fus über dem Boden angebakne Muscheln aus Salzwasser herrührend, bemerkte. Dies müste aber in historischen Zeiten geschehn sein: denn der Serapistem - pel ist ganz gewis aus historischer Zeit: wie wäre es aber möglich: dass wir alsdann durchaus keine Erwähnung einer solchen Flut hätten, die hinreichend gewesen wäre, um die Ebnen von ValenzaundGrenada, so wie ganz Aegypten plötzlich zu überschwemmen zu ersäufen?[Andre] meinen, die Säulen hätten lange Zeit im Wasser gelegen, und da hätten sich die Muscheln angesezt; ist auch unwahrscheinlich: denn theils würde man nicht solche beschädigten Säulen für den Tempel ge - braucht haben, theils hätte man sie gewis gereinigt, um sie aufzustellen. Das wahrscheinlichste ist, dass eine Dünenreihe vor dem Tempel nicht weit vom Ufer entstanden ist, und dass sich eine Mare oder Salz - lache bildete von 10 Fus Höhe, worin die Muscheln lebten. Solche Er - scheinungen von höheren Salzlachen am Ufer sind gar nicht selten.

Kleine Unterschiede des Niveau finden sich aber auch bei den grösten Wasserbekken der Erde: so nivellirten die französischen Ge - lehrten, besondersHerr Lepiredie Meerenge von Suez, und fanden, dass das rothe Meer nach dem Stande der unbedeutenden Ebbe 25 oder228r 30 Fus höher ist als das Mittelmeer, daher ist eine Kanalverbindung durch Schleusen sehr möglich. Dagegen liegt das kaspische Meer be - deutend tiefer als das schwarze. Engelhardtund Parrowhaben eine äusserst genaue doppelte Nivellirung zwischen dem Ausflus des Kuba und dem des Terek gemacht, wobei sie von 3 Meilen zu 3 Meilen ihre Barometer verglichen, und gefunden, dass das kaspische Meer 280 oder 324 Fus niedriger liegt. Neuere Untersuchungen, welche man darüber an - gestelt hat, sind lange nicht so genau: denn man hat dabei nicht bestimt, ob die Kapillarität in den Barometern gleichsgewirkt hat. Die Zweifel desHerrn Patznergegen Engelhardts Messungen sind daher nicht gegründet; er fand indessen immer 200 Fus. Durch Vergleichungen von Barometerbe - obachtungen in Astrakan, Moskau und Petersburg hat man gefunden, dass auch die Ostsee um so viel höher liegt (nämlich 200 Fus) als das kaspische Meer, allein es ist vielmehr wahrscheinlich, dass das schwarze Meer etwas höher liegt als die Ostsee.

Auf die Sagen der Samothraken bauend, hatten die Alten ein ganzes Schleusensystem der Meere gegründet, wonach zuerst ein Durchbruch des schwarzen Meeres, dann des[Mittelmeers] erfolgt seien: die beiden grossen Schleusen lagen bei Byzanz und Kalpe.

Rennell(von dem die schöne Karte von Ostindien) hat sehr geistreiche theoretische Betrachtungen über die Höhe der beiden antillischen Meere228v angestelt, in denen der heftige Golfstrom allerdings einen Unterschied des Niveau hervorbringen mus. Neuere Reisende haben den Isthmus von Panamabe[?]untersucht, den ich nicht durchreichen konte, obgleich ich in Darien war: nach meinen Berechnungen wäre dasas antillische Meer höher als die Südsee: man hält aber umgekehrt jezt die Südsee für 10 12 Fus höher, welches für eine Kanalisirung sehr wenig ist.

39. Vorlesung, 19.03.1828

Nach den Messungen von Girardsind die Bitterseeen in Aegypten 24 Fus tiefer gelegen als das Mittelmeer. Auch kann man in den Strömun - gen einen Grund zu kleinen Niveau-verschiedenheiten in dem Stande der Gewässerschliessenfinden. Schon Franklinbemerkte, dass in den grossen Seeen vonNordamerika dies der Fall sei: wenn lange der Wind in einer bestimten Richtung geweht hatte, so hatte der eine Theil des Seees eine grössere Konvexität, als der andere, wo Frank - linseine Instrumente aufgestelt hatte. Ein sehr merkwürdiges Faktum hat sich vor wenigen Jahren im südlichen Frankreich, in der Provence ereignet, wo nach heftigem Wehen einesOst-Nord-Ost -⟨⟩Windes der Hafen von Marseille mehrere Stunden lang trokken blieb. Dies mus einen Unterschied von 10 12 Fus im Niveau ausge - macht haben. Im Genfer See und in den mexikanischen Seeen findet eine ähnliche Erscheinung des Sinkens und Steigens statt, die229r man sogar für eine Ebbe und Flut gehalten hat; wohl mit Unrecht: denn die Regelmässigkeit, welche man nach den Jahreszeiten wahr - zunehmen glaubte, beruht nur auf den wiederkehrenden Winden. Selbst die Veränderungen des Barometerdrukkes haben Einflus auf das Niveau. Ich habe an einem andern Orte gezeigt, dass die Meeresströmungen unter den Tropeneine Folge sind von den stünd - lichen Variazionen des Barometers; indem dieseVariazionenan dem einen Orte früher eintreten, als an dem andern, so wird die Wasser - fläche ungleich gedrükt, und geräth in's Strömen.

Von der Gliederung der Kontinente.

Wenn wir oben gesehn haben, dass der Kontakt des starren und flüssigen die Umrisse der Kontinente auf unserem Erdsphäroïd bedingt, so wenden wir uns nun zu den festen Theilen selbst, und bemerken zuvörderst, dass sie in 2 grosse Massen zerfallen, die man gewöhnlich den alten und den neuen Kontinent nent.

  • 1, die alte Welt, hat ihre Haupterstrekkung von Osten nach Westen und dies hat, wie wir oben gesehn haben, nicht geringen Ein - flus auf die Temperatur derselben: es folgt daraus, dass sie eine grössere Kälte annehmen wird, wenn ihre nördlichen Flächen mit229v Schnee bedekt sind; eine grössere Wärme aber, wenn die Sonnenstra - len von derselben, als von einem opaken Gegenstande reflektirt werden.

  • 2, die neue Welt hat ihre Hauptausdehnung von Norden nach Süden, und daraus erklärt sich die merkwürdige geographische Verbreitung der Gewächse, dass,z. B. Tropen-pflanzen sich bis tief in die temperirte Zone hinein vorfinden; bei uns in Europa ist es ganz anders: da hindert das Mittelmeer die Wanderungen der Pflanzen und Thiere von den nord-afrikanischen Küsten.

Im alten Kontinent hat sich einöstlicherBusen gebildet, an des - sen östlicher Seite Neuholland, an der westlichen Afrika liegt, dies ist der Busen der Monsone, die abwechselnd in den verschie - denen Jahreszeiten in entgegengesezter Richtung wehen.

Die nördliche können wir eine Kontinental-halbkugel nennen, die südliche eine pelagische. Berechnet man den Unterschied, genauer: so hat die nördliche anArea des Kontinents mehr, als die südliche: die Hauptmasse macht hier Asien aus, welches den Aequator nicht erreicht, und zum Theil daher unter gleichen Breiten kälter ist als Europa.

Eine auffallende Erscheinung ist es, dass gegen den Nordpol zu230r58.alle Kontinente unter 70 73°Nordbreiteabgeschnitten sind, und an das Meer stossen. Die Barrowstrasse liegt zwar noch viel nörd - licher, aber südlich von derselben befindet sich wieder eine ganze Inselwelt. Hearne's und Mackenzie's Reisen haben gezeigt, dass fast ganzNordamerika unter 72° Br. aufhört; dagegen schliessen sich eine Menge Inseln nach Norden an, und machen die Verbin - dung der Kontinente. Amerika hat eine grosse Menge von Inseln im Norden liegen: in Asien ist in der Länge des Nord - kaps das Meer frei von Inseln, dann folgt aber die Bäreninsel und Spitzbergen; daher rührt zum Theil das milde Klima von Europa. Im Norden von Schweden friert das Meer nicht, und dies rührt hauptsächlich von der wärmeren Strömung her, die vonSüdostnachNordwestan den Küsten in die Höhe zieht: so ist es zu erklären, warum die Küsten der nördlichen Skandinavischen Halbinsel wärmer sind, als das[?]iesüdlicher gelegenen Theile des inneren Landes.

Wahrscheinlich ist der Nordpol frei von Land. Barring - tonhat neuerdings alles zusammengestelt, was man von Reisen dahin kent. 56Aus seinem Werke ergiebt sich, dass schon230v im Jahre 1527 Robert Torleaus Bristol die Regierung auf diese Durchfahrt aufmerksam machte, und andeutete, dass man einen viel kürzeren Weg nach Indien, queer über den Nordpol nehmen könne; unter Heinrich VIIIwurden wirklich Versuche zu dieser Durchfahrt gemacht: indessen mus man sagen, dass es bei dem jezigen Zustande des Eises sehr schwierig ist, nur bis 80° vorzudringen. Lord Mulgraveauf seiner berühmten Expedizion kam bis 80°48′ und dies hielt man lange für die höchste nördliche Breite; neuerdings aber ist Scoresbyim May 1806 bis 81°13′ vorgedrungen, wie er aus einer guten Mittagshöhe der Sonne abnehmen konte, und Nachmittags noch bis 81°30′. Er hat auch dargethan, dass die Breite von 86°, die〈…〉〈…〉nach Barringtonfrüher erreicht worden sein soll, gewis übertrieben und falsch ist. Parry's Expedizion, um zu Lande nach dem Pole zu gelangen, ist bekantlich nicht geglükt; es ereignete sich nämlich der eigne Unfall, dass die Eisschollen, auf denen seine Kähne oder Schlitten fortge - zogen wurden, nach Süden hin in Bewegung waren: er kam231r daher mehr rükwärts als vorwärts. Er that bei dieser Gelegenheit dasselbe, was schon Chr. Columbusgethan er verbarg die wahre Breite seinen Leuten, um sie nicht muthlos zu machen. Die englische Regierung hat einen Preis von 5000 für den ausge - sezt, der bis 89° vordringt, einen von 20,000 für das Auf - finden einerNordwest -Durchfahrt, aber beide sind noch nicht errungen.

Bei der Stellung der Kontinente müssen wir bemerken, dass sie der Länge nach, auffallend auf eine Seite zusammengedrängt sind. Von der einen Seite nimt das Land unter dem Aequator 250 Längengrade ein; von der andern das Wasser 110° (nämlich unter dem Aequator)[. ]Denken wir uns daher, dass die Erde so gesehn würde, wie der Mond: so würde die erste Seite unter dem Aequa - tor (wo er durch Afrika und Amerika geht) ganz voller Konti - nent erscheinen; dagegen auf der andern Seite, wo er durch das Wasser geht, würden auf jeder Seite nur 35° Kontinent hervorstehn. Aber nicht nur in der ebenerwähnten Richtung, (wenn man eine Ebne durch die Pole legt) theilt sich die Erdku - gel in eine Kontinentalmasse, sondern auch wenn man die Ebne231v durch den Aequator legt: dann wird die südliche eine Wasser - halbkugel, die nördliche eine Landhalbkugel sein. Es ist klar, dass dies einen grossen Einflus auf die Temperatur der verschie - denen Örter haben mus. Man hat auch schon vorgeschlagen, die Südsee wegen ihrer bedeutenden Ausdehnung den grossen Ozean zu nennen.

West-Asien und Ost-Amerika ist von dem Bekken des atlan - tischen Ozeans durchschnitten, und man hat in neueren Zeiten angefangen, diesen als eine wirkliche Thalbildung zwischen beiden Kontinenten zu betrachten,〈…〉〈…〉um so mehr, da die entgegenstehenden Theile der Kontinente eine gleiche Richtung haben. Für Amerika ist es merkwürdig, dass in Südamerika die französische Guiana oder die Gegend, wo Cayen - ne liegt, in geognostischer Hinsicht viel Ähnlichkeit mit Labrador inNordamerika hat, ganz Brasilien dagegen mit den Alleghanis. Die Küste von Brasilien erstrekt sich vonSüdwestennachNordosten, Guiana dagegen vonSüdostennachNordwesten, undNordamerika wiederum vonSüdwestennach Nordosten, eben so232r ist es ungefähr an der Westküste von Afrika und an der von[figure] Asien (scil. Europa).

Im Norden der nördlichen Hemisphäre ist an den Ufern des atlantischen Bekkens eine grosse Zertrümmerung sichtbar, die sich auf der einen Seite an der Hudsonsbay, auf der andern an den britannischen Inseln offenbart: mehr gegen Süden findet sich auch Übereinstimmung, in so fern auf der einen Seite das Bekken des antillischen Meeres, auf der andern das Mittelmeer liegt. Betrachtet man das Mittelmeer allein, so sieht man, dass es mit den Wasserbekken des rothen Meeres und des persischen Meerbusens im genauen Zusammenhange steht, und dass diese 3 auf Verkehr und Kultur besonders in früher Zeit mächtig eingewirkt haben.

Nur des Aequatorialkreises geht durch den Kontinent, die übrigen fallen in das Meer, und man sieht leicht, dass diese Vertheilung grossen Einflus auf die Temperatur haben mus. Wenn wir einen Blik auf die Karte werfen, so232v kann es uns nicht entgehn, dass alle Kontinente gegen Süden eine Pyramidalform haben: dies zeigt sich,〈…〉〈…〉und zwar am auf - fallendsten, nicht nur in Amerika, und Afrika, sondern auch in Neuholland, selbst nördlich vom Aequator in Hin - dostan und〈…〉〈…〉weniger deutlich bei Malacca. Diese Bemerkung gehört nicht dem geistvollen Reinhold Forster, sondern lange vor ihm machte sie Baco von Verulamin seinem Werke:57. Auch die Erstrekkung gegen den Südpol hin ist zwar ungleich, aber doch in einem bestimten Verhält - nisse; vom Cap Horn nach Van Diemensland geht es treppen - förmig in die Höhe.

Ferner scheint sich die Regel auszusprechen, dass je weiter die Kontinente nach Norden hinaufgehn, um desto tiefer erstrekken sie sich nach Süden. Amerika hat nach beiden Polen hin die weiteste Ausdehnung: dann folgt Europa mit233r Afrika von Spitzbergen nach dem Vorgebirge der guten Hofnung: endlich Asien und Neuholland, von Novasemlia bis Van - Diemensland.

Südamerika und Afrika, deren Ähnlichkeit der Gestalt schon dann auffält, wenn man anfängt, die Karte zu betrachten, haben überdies eine merkwürdige Übereinstimmung inihrenWestküstender Einbusung ihrer Westküsten: der Golf von Guinea entspricht der Bai von Arika in Amerika, und hier mus nicht übersehn werden, dass auch die Andeskette der Biegung der Bai folgt, was sehr merkwürdig ist. Freilich ist in Amerika die Einbiegung unter 14° 20′südlicherBreite, in Guinea unter Nordbreite; allein man könte sagen, dies hänge mit dem obenerwähn - ten Faktum zusammen, dass Afrika sich nicht so weit gegen den Südpol erstrekke, als Amerika, und dass deshalb auch hier die Einbiegung südlicher sein müsse. Eine ähnliche Erschei - nung, wiewohl nicht so deutlich, läst sich bei Malakcca und Neu Holland nachweisen.

Ungefähr vor 15 Jahren entdekte man im südlichen Meere233v den Archipelagus von Neu-Shetland, den Powels-inseln und Neu-Georgien, und es wurde dadurch eine Meinung wieder hervorgesucht, welche schon Cookglaubte bekämpft und vernich - tet zu haben, nämlich dass diese Inseln Vorboten eines gros - sen südlichen Kontinentes seien: allein Weddelhat vor 5 Jah - ren gezeigt, dass es nur ein kleiner Archipelagus sei, und dass weiter gegen Süden sich kein Kontinent finde. Bis dahin glaubte man, dass Cookmit 71° 10′ die gröste südliche Breite erreicht habe: allein Weddelkam bis 74° 15′, und fand in dieser Gegend, sonderbar genug, ein eisfreies Meer: er behaup - tete daher, es sei leichter, nach dem Südpol, als nach dem Nordpol zu kommen.

Ein eignes Zusammentreffen ist es, dass das nördlichste Volk die Russen, das südlichste Land entdekt haben: nämlich Captain Billinghausenfand unter 70°Südbreitedie beiden Inseln Peter I und Alexander I.

Da man auf dem Archipel der Neu-Shetlands-islands einige sehr grosse Thiere, wie Elephanten, Rhinozeros, auch234r59.eine reissende aus dem Kazengeschlecht antraf, (während auf den übrigen Inseln der Südsee sich meist nur kleine Nager befinden) so glaubte man hieraus schliessen zu dürfen, dass diese Inseln Reste eines untergegangnen Kontinentes seien, wo nun die grossen Thiere gleichsam durch Konzentrirung zurükgeblieben wären: allein es scheint wahrscheinlich, dass die Inseln durch Hebung entstanden sind: dass, umgekehrt, ein grosser Kontinent sich hat bilden wollen, von dem aber nur die Spizen hervorgehoben sind. Als Beispiel können wir die Zentralrepublik Guatemala anführen, wo sich Vul - kane von 8 9000 Fus Höhe finden: wäre das Meer so hoch gestiegen als der See von Nicaragua, so würden alle dieseIn -selnVulkane wie Inseln, etwa wie die Molukken, aus dem Mee - re hervorsehn. Über die Höhe des Sees von Nicaragua über dem Meere habe ich mir eine ältere Messung zu verschaffen gewust: er wurdevon1781 von dem spanischen IngenieurDon Galisteozu 140 Fus über dem Meerespiegel bestimt: dies würde für die Legung eines Kanals durchaus keine Schwierigkei -234v ten machen, im Gegentheil das Reinigen der Schleusen noch erleichtern.

Der gröste Theil aller Inseln auf der Erde befindet sich in den südlichen Meeren, und zwar entweder sporadisch in selbständige Gruppen vertheilt, oder den Kontinenten parallel laufend. So ist es der Fall zwischen Amerika und Asien, und da wir in Asien, zum Theil auf seiner Ostküste, zum Theil auf Japan, und den andern, dieser Ostküste paral - lel laufenden Inseln, Spuren einer uralten, ja der ältesten Kultur finden, so liesse es sich wohl denken, dass durchdjene Inselreihe, welche hier vonOstnachWestsich hinzieht, eine Verbindung von Asien und Amerika statt gefunden habe, und auf diese Weise die Kultur nach Amerika ver - pflanzt sei: wenigstens ist dies wahrscheinlicher, als die An - nahme, dass dieser Kulturgang über das feste Land stattgehabt habe, wo die asiatischen Einwanderer bis auf 60°Nordbreite, in ein abscheuliches Klima hätten hinaufwandernsteigenmüssen.

In Asien sehn wir, dass die Kultur von Osten nach Westen235r fortgeschritten ist, in Amerika von Norden nach Süden. Den(oben hies es, sie sei bei allen Völkern vo<n>Norden gekommen. <)> grösten Kontrast, den wir für die Gliederung der Kontinente finden können, bildet in der alten Welt das vielfach-durch - schnittenewessüdwestlicheAsien samt Europa gegen die einförmige abgerundete Bildung von Afrika, worin die Bai von Guinea beinahe die einzige bedeutende Einbiegung ist.

Von den Bergen.

Die Berge sind Erhöhungen, die auf der Veste emporsteigen. ( Cic.de nat. Deor. ) wir theilen sie in 2 Systeme:

  • 1, wo eine elliptische Masse durch die elastischen Dämpfe sich gehoben hat: dahin gehört der Gebirgstok zwischen den beiden ungeheuren Flüssen des neuen Kontinentes, (dem Orenoco und dem Amazonenstrom) den ich den Gebirgstok von Parime genant habe; dahin der von Sta Martha, dessen Gipfel sich 4000 Fus höher als der Montblanc, also bis 18000 Fus erheben.
  • 2, wo man die emporgehobene Masse, gleichsam als Kette durch die Länder sich hinstrekken sieht: dahin gehört die Andeskette, welche sich 6 700 Meilen vonNordennach[]Süden hinzieht, und meh -235v rere Knoten bildet. Ich habe diese Knoten genau untersucht, und gefunden, dass sie nicht im Verhältnis zur Höhe des Ge - birges stehn. Man hat dies früher behauptet,als obgleich - wie an einer Stelle, wo 2 Flüsse sich vereinigen, eine grössere Wassermasse zusammenkomt. (Eine Karte der Andeskette von mir, die bald erscheinen wird, wird dies noch deutlicher zei - gen.) Eine der seltenen Ausnahmen, wosi2 Knoten zusam - men kommen, und eine grössere Höhe bilden, findet sich in Ostindien bei den Nigel-hils oder blauen Bergen, die der Dr Leydenbeschrieben hat; ihr Gipfel erhebt sich bis zu 8000 Fus, während die Hochebne von Mysore 6000 Fus hat.

Eine ältere und nicht gegründete Vermuthung ist es, dass alle Ketten zusammenhangen; ungefähr als ob alle Gänge in den Gebirgen, die ein gleiches Streichen haben, im Zusammenhange stehn müsten.

Eben so wie man auf die Höhe der Knoten, welche wie Stra - len aus einem Mittelpunkte ausgehn, zuviel Wichtigkeit ge - legt hat, eben so unrichtig hat man behauptet, dass die236r Zentralkette höher sein müsse, als die begleitenden Ketten: dies ist durchaus nicht in der Natur der Erscheinungen begründet, und läst sich weder theoretisch noch praktisch beweisen. In der Andeskette finden wir grade das Gegentheil: wo der eine von den beiden parallel-laufenden Gebirgszügen aufhört, in die Gränze des unteren Schnees hinaufzureichen, da ungefähr hebt sich der andere bis in die Schneegränze hinein. Noch ein andres Vorurtheil ist es, dass die Flüsse nie die Gebirgsketten durchbrechen sollen. Davon finden sich unzählige Beispiele, und das deutlichste in Amerika, wo der Amazonenstrom sogar die Zentralkette der Andes durchbricht, die sich ihm queer in den Weg wirft, und hier schöne Wasserfälle bildet. Ich habe diese Gegend besucht, und die Erschei - nungen genau beschrieben. Ein anderes Beispiel giebt der Indus, wel - cher nördlich vom Pendjab aus dem Himalaya komt, und eine ent - gegenstehende Gebirgske〈…〉〈…〉tte durchbricht.

Eine besondere Aufmerksamkeit habe ich auf die Höhen der Flä - chen gerichtet, die man in der Nähe der Gebirgsketten findet, und gefunden, dass sie von doppelter Art sind: entwedersie[?]erstrekken sie sich in gleichem Niveau bis an den Fus der Kette, die dann steil aus236v der Ebne emporsteigt, oder sie haben ein almäliges Anschwellen gegen das Gebirge zu: von beiden haben wir Fälle in Amerika, die sehr auffallend sind. Der Gebirgstok von Parime gehört zu denen, die steil aus der Ebne emporsteigen: hier ist es einerlei, ob man sich in grösserer oder geringerer Nähe des Gebirges befinde, die Höhe der Ebne bleibt fast ganz dieselbe bis an den Fus des - selben; bei der Andeskette dagegen findet ein Anschwellen statt, und die Höhe der Ebne nimt zu, je mehr man sich den Bergen nähert.

Eine merkwürdige Erscheinung ist es, dass die grösten Höhen im alten Kontinent sporadisch zerstreut sind, wogegen sie in dem neuen Kontinent alle auf eine Linie zusammengedrängt liegen. In Amerika findet man ausser der Andeskette keine Höhen weiter, die nur 8000 Fus erreichten, es ist also anzu - nehmen, dass hier die Andes wirklich die Zentralkette sind:nehmen wirsezen wir aber in Europa die Schweiz als einen solchen Zentralstok, weil sie die grösten Höhen unseres Erdtheils hat, so zeigen sich ausserdem Höhen von 6000 10800 Fus sehr237r weit davon entfernt, und hieraus scheint hervorzugehn, dass die elastischen Kräfte ganz anders bei der Bildung der beiden Konti - nente wirkten.

40. Vorlesung, 22.03.1828

Manche Kontinente liegen tiefer als das Meer, dahin gehört die Gegend um den Aralsee und einige Theile vom innern Asien.

Wenn das Meer austroknete, so würden wir in dem Falle sein, in dem der Mond sich befindet: wir würden kein allgemeines Niveau haben, worauf - hen und Tiefen sich reduziren liessen. Darin liegt mit der Grund, warum bei Vergleichungen der Mondhöhen mit den unsrigen, jene im Vortheilesind,z. B. der Leibnitz und Himalaya; beim Monde nämlich r〈…〉〈…〉echnet man von dem tief - sten Punkte seiner Oberfläche an, bei uns vom Meeresspiegel.

Die Längenthäler, welche sich zwischen 2 Bergrükken hinziehn, haben oft eine bedeutende Höhe, daher kömt es, dass sie unter den Tropen ein sehr mildes Klima haben: die Andesthäler haben 7 8000 Fus Erhebung, und die bedeutendsten Städte von Südamerika liegen in denselben.[Das] Wallisthal, welches von der Rhone durchflossen wird, hat nur 1200 Fus Höhe.

Nicht immer ist es der Fall, dass die höchsten Spizen eines Gebirges da liegen, wo die allgemeine Erhebung die gröste ist, bei manchen finden wir grade das Gegentheil. Der Chimboraco steht an einem Punkte, wo die Andeskette sich so verflacht, dass man in einer Länge von 70 80237v Meilen in seiner Nähe keinen Gipfel findet, der nur so hoch wäre, als die höchste Spize der Pyrenäen. Eben so ist die Stellung des Montblanc.

In Amerika sind die grösten Höhen nur 20 25 Meilen von der Südsee - küste entfernt, dagegen ein Terrain von 300,000 Quadratmeilen, (also mehr als 10 mal so gros als Deutschland) hat keinen einzigen Schneeberg, oder der sich bis zu 8400 Fus erhöbe.

Die Höhen von Europa und Asien sind sporadisch vertheilt, und man kann die Alpen, welche durch die Cevennen schwach mit den Pyrenäen zusammenhangen, als Zentralgebirge betrachten: dennoch giebt es entfernt davon hohe Berge,z. B. in der Sierra nevada in Spanien, Berge, die dem Pic von Teneriffa gleichkommen.

Ein anderes Höhengesez läst sich numerisch entwikkeln: es betrift näm - lich das Verhältnis der Rükken zu den Gipfeln der Ketten: die Kent - nis der mittleren Rükken ist wichtig für den Handel und die Ver - bindung der Staaten, insofern die Pässe über dieselben gelegt werden. Das es natürlich ist, dass die Menschen ihre Pässe nicht über die höch - sten sondern über die niedrigsten Stellen des Gebirges legen: so findet man die mittlere Erhebung des Rükkens, indem man 10 oder 12 Pässe mit einander vergleicht, die immer unter der Schneegränze238r60.liegen. Es ist also ganz richtig, wenn man annimt, dass der mittlere Rükken zwischen den höchsten Pässen und der unteren Schneegränze oszillirt.

In einem Mémoire über das Verhältnis der Gipfel zu den Rükken habe ich die 6 hauptsächlichsten Systeme von Bergen zusam̃engestelt, und gezeigt, dass dies Verhältnis = 1: 1,8 oder 2,0 sei, d. h. die Gipfel sind meist doppelt so hoch als die Rükken. 58So prägt es sich dem Gedächtnisse leichter ein, wenn man sich merkt dass der Rükken des Himalaya so hoch ist als der Montblanc, oder der Rükken der Andeskette so hoch als der Pic von Nettu in den Pyrenäen.

Um nicht durch Zahlen zu ermüden, gebe ich nur einige Data:

  • Der Rükken der Alpen = 1200 Toisen, der Montblanc 2464 Toisen.
  • Anden = 1850. Chimboraço. 3350.

ich binsogarauf der Reise nach Quito über den Pass Katlukge - gangen, der sogar höher ist als der Montblanc.

Der Rükken des Himalaya 2430Toisender Dhavalagiri 4400Toisenman hat bis jezt im Himalaya 14 Pässe kennen gelernt, welche von den englischen Ingenieurs sehr genau gemessen worden sind, diese geben als MittelfürdenRükken die Höhe des Montblanc. Der Dhavalagiri ist trigonometrisch bestimt, und so hoch, als ob man den Gotthard auf238v den Chimboraço sezte. Meist bestehen die Gipfel aus demselben Gestein wie die Rükken: als Ausnahme kann man die Andeskette anführen, wo die Rükken granitisch sind, die Gipfel aber, kastellartig in die Höhe stehend, aus vulkanischen Massen, Grünsteinpp. bestehen. Der Trachit ist gewöhnlich Dom-förmig gewölbt, wiez. B. der Chimboraço.

Der höchste Punkt des Kaukasus, der Elb¨ [?]rus (nicht der Kasbi, wie man früher glaubte) ist kürzlich von Kapezewskytrigonometrisch auf 2783 Toisen bestimt worden, die Pässe dagegen haben 1326Toisen. 59

Bei den Alleghani's inNordamerika ist der höchste Punkt der Washington-pic = 1040 Toisen, die Pässe 550.Toisen.

Im Gebirge, das sich an der Nordküste von Südamerika hinzieht, d. h. der Kette von Venezuela, ist der höchste Punkt: die Silla de Caraccas, die ich auf 1350 Toisen bestimte, während die Pässe 750Toisenalso wieder ungefähr die Hälfte haben.

Die Pyrenäen dagegen machen eine Ausnahme. Der Pic von Nettu im Gebiet Maladetta hat 1790Toisendie Pässe aber von Frankreich nach Spanien sind höher als selbst die Alpenpässe.

Auch bei den Apenninen findet eine Ausnahme Statt: ich habe239r selbst 3 Pässe messen können:

  • 1, den von Scheggio.
  • 2, den zwischen Spoleto und Macerata.
  • 3, den: delle Macere bei Bologna.

Ihre mittlere Höhengielbt für den Rükken der Apenninen 200 Toisen während der höchste Gipfel 1490Toisensich erhebt: hier ist das Verhält - nis also = 1: 3,5, während es oben überall zwischen 1: 2oder1: 1,8 schwankte. Wir könten demnach sagen, die Pyrenäen seien zu niedrig, und dieAlpenApenninenzu hoch.

Bei den skandinavischen Gebirgen hat〈…〉〈…〉Herr Hisinger20 Pässe, sehr genau barometrisch gemessen, und fand als Mittel für den Rük - ken 420Toisenfür den Gipfel 1200. Hier ist also auch das Verhältnis wie 1: 3,0 oder genauer 1: 26 / 7

Wenn der Meerespiegel sänke, (und dies ist eine sehr merkwürdige Erscheinung) so würde dies Verhältnis1: 2 der meisten Rükken zu den Gipfeln nicht mehr richtig sein: denn es ist klar, dass wenn wir die Proportzion machen: Rükken: Gipfel = 1: 2 und wir zu den beiden lezten Gliedern etwas hinzusezen, die Proporzion239v nicht mehr dieselbe bleibt: daher ist es sehr wahrscheinlich, dass der Spiegel des Meeres im Zusammenhange steht, mit der relativen Neuheit der Gebirgsmassen. Die Ursachen der Entstehung der Ge - birge mögen sehr tief liegen, aber die unterirdischen Bekken, in welchen die vulkanischen Erscheinungen vorbereitet werden, können sehr nahe an der Oberfläche der Erde sein, und die Masse des Meeres mag nicht ohne Einflus darauf sein.

Bei den Gebirgen müssen wir 5 Elemente ihrer Axen wohl un - terscheiden:

  • 1, die Linie, welche man durch den Rükken legt, und dies ist die gewöhnlichste.
  • 2, die Linie durch die Divortia aquarum oder Wasserscheiden, die oft sehr abweicht.
  • 3, die Linie durch die Maxima aller Höhen (ligne des faites)
  • 4, die Linie, welche nach der Natur der Gesteinarten gezogen wird, woz. B. Granit und Kalk parallel laufen: diese Linie ist oft der Axe durch den Rükken gleich, aber manchmal durchschneidet sie auch dieselbe, wie in dem Gebirge von Venezuela.

  • 5, die Linie, welche durch das Streichen der Schichten gezogen wird:240r meist ist sie parallel mit dem Ausgehen der Gebirgsarten, aber auch sehr oft verschieden davon.

Bei den Gränzstreitigkeiten zwischen Frankreich und Spanien sind diese Elemente der Axen zur Sprache gekommen, und man hat gefunden, dass die Linie der Wasserscheiden sehr abweicht von der Linie des Rükkens: die lezte ist aber als Norm festgestelt worden.

Ferne Ketten haben oft einen grossen Einflus auf das Streichen der Gebirgsarten; und dieser Loxodromismus (besser als Paralle - lismus) der Schichten läst sich oft auf eine Strekke hin verfolgen, die 2 mal so gros ist als Deutschland.

Dem grossen Geognosten L. v. Buchverdanken wir eine Einthei - lung von Deutschland in dieser Hinsicht: er nimt 4 Systeme von Gebirgszügen an:

  • 1, den von Belgien, wozu er auch die brittischen Inseln rechnet, hier ist das Streichen vonNordostgegenSüdwest.
  • 2, das nordöstliche System, von Teutoburger Walde bis nach der Donau. Streichen vonNordwestgegenSüdost.
  • 3, das System des Rhein's.
  • 4, das Alpensystem.

240vauch der Lauf der Flüsse folgt meistens diesen 4 Systemen, und es ist auffallend, dass wenn man sie nachSüdostfortsezt, selbst die griechischen Inseln ein Streichen vonNordwestnachSüdosthaben, und westlich, eben so die Pyrenäen. (vonNordwestnachSüdost.)

Über die grosse Hochebne der Lüneburger Haide hatHerrProf. Hofmanneben so gründliche als scharfsinnige Untersuchungen angestelt, und gezeigt, dass die Spree und Havel die Verbindungundeutlich oder er hat sich versprochen. zwischen der Elbe und Weser bestimenBei Kuxhaven müste eigentlich die Mündung der Oder sein.

Auf der Hochebne von Mexiko haben die Gesteine ihr Streichen vonSüdostnachNordwestaber die Gipfel folgen einer andern Rich - tung: eben so scheint es in Asien, in den Ketten des Himalaya zu sein.

Eine absolute Ebne, d. h. eine solche, wo die Erde durchaus nicht von Erhöhungen durchschnitten ist, findet sich sehr selten: wir haben eine solche in Ungarn, wo sie Pustas heissen, zwischen der Teis und Donau; wo sich eine Area von 1700Quadratmeilenso gleichförmig hinzieht, dass man mit einem Spiegelsextanten wie über dem Meereshorizont, daran Sonnenhöhen nehmen könte.

241r

Nicht immer sind diese Ebenen baumlos. In Südamerika giebt esderen3, sehr ausgedehnte Ebnen:

  • 1, die Llanos von Venezuela.
  • 2, die Ebnen zwischen dem Orenoco und Amazonenstrom.
  • 3, die Pampas von Buenos-ayres.

die 1teund 3teoder die nördlichste und südlichste sind fast baumlos, und nur mit Gras bedekt, worin unzählbare Heerden ihren Au - fenthalt haben; die mittlere dagegen ist mit dendichtenWaldun - gen zwischen dem Orenoko und Amazonenstrom bedekt, die von einer solchen Dichtigkeit sind, dass wenn nicht die grossen Rinn - sale der Flüsse sie durchschnitten, die Affen jener Gegenden eine Strekke von 600 Meilen von Zweig zu Zweig würden zurüklegen können.

Die Ebnen von Afrika, worüber der gelehrte ReisendeHerrDr Ehrenbergeine schöne Abhandlung geliefert, sind gar nicht so eben, als man geneigt ist zu glauben, sondern werden vielfach von Höhenzügen durchschnitten: auch ist die Masse des Sandes in den - selben gar nicht bedeutend: sondern mehr festes Gestein.

Die Flüsse, aus den Gebirgen herabkommend, entwikkeln ihren241v Lauf in den Ebnen. Häufig ist es der Fall, dass sie einen im Wege liegenden Gebirgszug rechtwinklig durchschneiden, dann aber, anstatt diese Richtung weiter zu verfolgen, sich wenden, und eine Strekke langan dem Fusse des Gebirges hingehn, eine Bemerkung, die wir, wie so viele andre, dem Prof. Ritterverdanken.

In den Ebnen bilden sich auch die Anastomosen der Flüsse: häu - fig als Delta an den Mündungen, selten im Innern des Landes.

Das Thalbett der Flüsse ist ein System von Punkten, wo alle Linien der grösten Neigung sich in einer Rinne vereinigen.

Westphalen hat eine Anastomose, die durch 2 kleine Flüsse die Hase und die Else gebildet werden, die in einem Thale flies - sen: die eine nach der Ems, die andre nach der Weser zu.

Wenn der Lauf der Flüssenachnahe an einem Grat ist, und ein niedriger Punkt sich in der Nähe befindet, so geht ein Arm des Flusses in dieser Richtung ab, und es entsteht Bifurkazion, wo die arête durchschnitten wird. So haben wir oben die grosse Mesopotamie betrachtet, welche durch den Orenoco, Cassiquiare, Rio Negro und Amazonenstrom gebildet wird, der das ganze Guiana angehört.

242r61.

In einem Aufsaz, welchen ich mitHerrn Pronyin den Mémoires de l'école polytechnique herausgegeben,60 habe ich diese Bifurkazionen genauer betrachtet, wie auch früher schon in meiner Reise aus - führlich davon gehandelt, und durch Karten erläutert. Fossom - bronihat bemerkt, dass in Italien eine alte Bifurkation zwischen dem Arno und der Tiber durch den Arno-Teverone im Val di Chiana statt gefunden hat. L. v. Buchfand dasselbe nur im kleineren Maasstabe an der Küste von Schweden, bei derTornäa[?]-elfKalix-elf von Tornes. Die durch Petrarcasobeberühmt gewordene Quelle von Vaucluse bildet dasselbe Phäno - men, indem sie sich theilt und auf der einen Seite nach der Sorbe auf der andern nach der Neste hinabfliest. Auch tempo - rär werden solche Verbindungen durch Regengüsse hervorgebracht: so im nördlichen Amerika, wo in der Regenzeit durch das Me - dium der grossen Seeen der Guavachemit dem Ohio〈…〉〈…〉eine Bifurkazion bildet; so in Süd-amerika, wo der Kanal della Raspadura die Südsee mit den antillischen Meeren verbindet. Ein Mönch, der Pfarrer von Novita, bemerkte, dass die Quellen des Rio Atrato und Rio San Juan de Choco nicht weit von242v einander entfernt lagen, er wünschte Fische für seinen Tisch aus dem einen Flusse zu haben, die sich im andern nicht finden, und lies daher den Kanal von den Indianern seines Kirch - sprengels in einer von natürlichen Überschwemmungenbetrof -periodisch betroffenen Bergschlucht durchgraben: allein in den lezten Kriegsunruhen ist er vernächlässigt und versandet; und wirduauch nie von grosser Wichtigkeit für die Schif - fahrt werden.

Bewundernswürdig ist die Kleinheit des Gefälles an den meisten Flüssen, so wie der Einflus der Flut auf das Stei - gen und Fallen des Flusses: der Orenoko hat in einer Ent - fernung von 80 100 Meilen von seiner Ausmündung 13 14 Zoll Flut. Die neusten Beobachtungen an der Garonne haben gezeigt, dass die Flut immer parallel an dem Boden des Flusses, wie an einer geneigten Ebne aufsteigt.

41. Vorlesung, 24.03.1828

Wie verschieden die hebende Kraft in ihren Momenten sei, kann man sehr deutlich an den Kratern der Vulkane sehn: hier werden einige Schlakken nicht einmal so weit gehoben, dassdiesie den Rand des Kraters übersteigen können, sondern in denselben zurükfallen, andre243r dagegen werden sehr weit hinausgeschleudert, und da sie nicht senk - recht niederfallen, sondern mit einiger Abweichung parabolisch: so kann man die Gränze davon sehr genau bestimmen: denn diese Kraft wirkt ganz regelmässig, wenigstens einige Stunden lang, und man ist so im Stande, sich in der grösten Nähe der Ausbrüche zu sezen.

Eben so verschieden ist die organische Kraft in den Bildungen der Thiere, hier sehn wir, dass es auch eine Mittelgrösse giebt, aber eben so wohl giebt es ein Maximum derselben.

Wenden wir dies nun auf die Ströme an, so findet sich, dass sie auch ihr maximum der Wassermasse haben, das aber meist ge - ringer ist, als man glaubt. Besonders ist dies bei denen von Amerika der Fall. Denn vom Ufer an kann man vielleicht 2 3000 Fus weit hineinreichen und das Pferd hat nicht mehr als32oder 3 Fus Wasser: dann komt eine tiefe Rinne die vielleicht 130 Fus (oder 30) Tiefe nach: dann weiter nach der Mitte zu eine andre seichte Stelle und eine neue Rinne: so sind die grossen Flüsse in viele solcher tiefen Rinnen oder einzelnen Flüsse abgetheilt. Wenn nun eine solche einzelne Rinne von ihrer Richtung in ein benachbartes Flusgebiet abgelenkt243v wird, so entsteht Bifurkazion, wie beim OrenocoundCassiquiare.

Die Grösse der Flüsse ist daher eine ganz andere, ob man in nach der Wassermenge, oder nach dem Areal ihrer Flusgebiete berechnet. Für den lezten Fall ist wenn man:〈…〉〈…〉

  • den Rhein = 1 sezt:
  • die Donau = 4.
  • d. Amazonenstrom = 22.

Nach der Wassermenge dagegen ist es anders; wenn im Flus - gebiete des Rhein's in einem Jahre 24 28 Zoll Wasser fallen, so fallen in dem des Amazonenstrom 80 82.

In dieser Hinsicht könte man also die Flüsse als grosse Ombrometer, Regenmesser, betrachten, und dies führt uns auf die bewundernswürdige Gleichheit in der Quantität ihres Anschwellens und ihrer Wasserhöhe. Der Nil ist in dieser Hinsicht sehr merkwürdig: bei Kairo steigt er grade eben so hoch, als der Orenoco bei der Angostura (beide Orte sind ungefähr gleich weit von den beiden Mündungen ent - fernt) nämlich 24 Fus, und wenn wir bedenken, dass dieses Anschwellen seit Jahrtausenden dasselbe geblieben ist: so244r müssen wir über die wunderbare Regelmässigkeit in diesen grossen Naturphänomenen erstaunen: dazu kömt noch, dass man berechnet hat, wie die Zeit des Anschwellens seit jener Epoche nie um 5 6 Tage abgewichen ist.

Eine andre Untersuchung ist die über[ die] Masse des Wassers, wel - che ein Flus fortführt, und diese hat man früher ganz unrich - tig gemessen: sie kann nur bestimt werden durch eine Sek - zion, welche man durch das Strombett[legt], und die Area die - ser Sekzion giebt das Wassermenge. Hierüber hat man eigent - lich sehr wenig genaues. Die früheren Untersuchungen über den Rhein und die Donau sind ungenügend: als Muster ver - dient das Mémoire aufgestelt zu werden, welches Girardüber den Nil geliefert hat: sowohl für die Messungen der Wasser - masse, als auch für die Geschwindigkeit, Absezung des Nil - schlammespp.

Die Flüsse münden sich aus 1, entweder in Binnenseeen, wie im Innernvon Afrika, dann nent man sie Steppenflüsse, oder 2, in das Meer, wofür Franklinrichtiger sagt, dass244v sie in die Athmosphäre verdampfen. Es ist hierüber in Hin - sicht auf den Niger ein Streit entstanden, man hat aber über - haupt nur wenige Beobachtungen darüber. Messungen am Oran - geriver in Süd-Afrika zeigen, dass er während seines Laufes an Wassermenge verliert; ich habe den Rio Apure, welcher so gros ist als die Donau, an vielen Punkte untersucht, seine Breite, Geschwindigkeit und Wassermenge gemessen, und ge - funden, dass je weiter er geht, er desto mehr an Wasser ver - liert. Dies liegt aber darin, dass die sandigen Ebnen seiner Ufer sich durch die Sonnenstralen bis zu 52° R. erhizen, und gleichsam wie Schwämme das Wasser anziehn: dennoch lie - fert er eine bedeutende Wassermasse in den Orenoco: es ist daher unwahrscheinlich, dass der Niger seine ganze Wasser - masse auf diese Weise verlieren solte.

Von der Ebbe und Flut.

Ebbe und Flut sind periodische Schwingungen der Wasser - masse, durch die Anziehung der Sonne und des Mondes ver - anlast. Komt ein Strom bei seinem Ausflusse in's Meer mit245r der Flut in Berührung: so sinkt das Salzwasser, als das schwerere nieder,unddas süsse wird gehoben, und verdampft an der Luft. Man hat darüber schöne Beobachtungen in Schottland mit Sonden, deren ich mich auch immer bedient habe. Sie haben 2 Ventile, und man schöpft erst das süsse Wasser und tiefer das salzige; wo die Flut 15 16 Fus erreicht, da mischen sich durch die Bewegung die Wasser bald untereinander.

Die Oszillazionen der Ebbe und Flut sind die augenschein - lichsten Beispiele von der Attrakzion der Weltkörper. Da das Mittelmeer nur eine geringe Flut hat, so konnten nur die Phönizier bei ihren Fahrten ausserhalb der Herkules - säulen etwas davon wissen: daher kam es auch, dass bei der Schif - fahrt des Nearchim Indus die Griechen ein grosses Wunder daraus machten, als sie die Flut im Indus bemerkten. Pytheasging eigens nach Massilia, um Beobachtungen darüber zu machen.

Plato, der alles aus dem Innern der Erde herleitet, glaubte, es sei ein Aufsprudeln und Zurükfliessen. Dass〈…〉〈…〉den Alten aber die wahre Ursach bekant wurde, zeigt Pliniusder jüngere,245v der ganz ausdrüklich sagt: caussa in sole lunaque. Auf die algemeinen Gravitazionsgeseze zurükgeführt wurden diese Er - scheinungen zuerst durch Newton1687. aber zu einem wahren Triumph der analytischen Rechnungen haben sie dem grossen Laplacegedient, der sich schon 1772 damit beschäftigte: dann aber auch später wieder. Auf seinen Antrag wurden in Brest, wo die Flut 40 45 Fus Höhe erreicht, an 6000 Beobachtungen angestelt, um den Coëffizienten genauer zu bestimmen; ich gebe hier nur die Resultate aus der 13terLieferung der - canique céleste, die kurz vor seinem Tode erschienen ist. Man glaubte früher, dass die Sonne 13 Millionen mal stärker an - ziehe als der Mond: allein er fand, dass das Verhältnis der beiden Anziehungen = seiSonne 2,4:Mond 1. Die Flut erfolgt 2 mal zwischen jeder Kulminazion, und zwar alle Tage 49 50 Mi - nuten später, weil der Mond täglich um so viel später durch den Meridian geht. Wirken Sonne und Mond zusam̃en, so entsteht eine Springflut, wovon wir die älteste Anfüh - rung beim Caesarhaben, dessen[ Heer] dadurch, an der gallischen246r62.Küste, Brittannien gegenüber, in grosse Gefahr kam. Die Theorie dieser Erscheinungen ist so weit gediehen, dass man sogar astronomische Elemente daraus gefunden hat: so bestimte Laplacedaraus nach Bouvards Berechnungen, die Masse des Mondes mit einer ganz unglaublichen Genauigkeit, eben so das Wanken der Erdaxe. In Brest hat man beobachtet, dass die Flut 5 Fus höher ist, wenn der Mond in der Erdnähe steht; auch die Sonnennähe der Erde hat Einflus auf diese Erscheinungen und verstärkt die Flut. Der höchste Punkt des Wellenasser- ellipsoides ist immer gegen den Mond hin gerichtet: die Anschwellung ist aber auch auf der andern Seite: daher kommen eben 2 Fluten, im Zenith und Nadir des Mondes, und diese erklärt man folgendermaassen:

Der Mittelpunkt der Erde wird nicht so stark angezogen, als der Punkt des Wasser-ellipsoïdes,derüber dem der Mond im Zenith steht; dies giebt die Flut auf der einen Seite: dann wird aber der Mittelpunkt der Erde stärker angezogen als der vom Monde entfernteste Theil des Wasser-ellipsoides:246v dieser Theil wird also zurükbleiben, und dies äussert sichfür uns nicht anders als durch das Steigen des Wassers; dies giebt die 2teFlut im Nadir des Mondes. Im Vollmond und im 1tenViertel sind die Fluten am stärksten, weil im ersten Falle der Mond in entgegengesezter Richtung mit der Sonne steht, im 2tenFalle mit ihr zusammen.

Die Beobachtungen kann man aber nur in grossen Meeren machen, in kleinen sind sie nicht sichtbar, weil immer eine gewisse Zeit dazu gehört, ehe der Wasserberg sich aufthürmt, und die Wasser nicht schnell genug nachlaufen können, ehe wieder die Ebbe eintrit. Sehr viel kömt hiebei auf die Richtung vonOstgegenWestoder vonNordgegenSüdan; bei der ersten (der vonOstnachWest) ist die Flut etwas grösser; ja Laplacehat sogar bewiesen, dass sie sich verhalten mus wie der Längen - durchmesser des Meeres gegen den Halbmesser der Erde. Daher hat das kaspische Meer keine Ebbe und Flut, und was man davon hat wahrnehmen wollen, war nur Wirkung des Windes, der das Wasser an der einen Seite aufstaute. Im247r Mittelmeer würde eine Flut bemerklich sein östlich von Malta, weil es da seine gröste Entwikkelung hat: allein sie ist ganz unbedeutend, auch zum Theil daher, weil die Öfnung bei den Herkules-säulen zu klein ist, wodurch aus dem atlantischen Ozean etwas hineinfliessen könte. Die Flut können wir eine Welle nennen, welche nicht durch Seitendruk (wie bei den Win - den) sondern durch den Zug eines Weltkörpers veranlast wird. Auch ist die Lage des Mittelmeeres in dieser Hinsicht un - günstig: wenn es gegen Syrien hin, nachO[?]den Mündungen des Euphrat zu, geöfnet wäre, so würde die Flut in demselben bedeutender sein: denn der Gang der Flut ist vonOstnachWestwie der Gang des Mondes.

Nach der Theorie solte über 65° Breite keine Flut mehr Statt finden, und dennoch beobachtete Parryan der Hudsonsbay in einer Breite von 70° die Flut von 15 Fus Höhe: dies macht es um so mehr wahrscheinlich, dass von der Hudsonsbay durch die Barrowstrasse eine Kommunikazion mit der Baring - strasse Statt finde. In der Ostsee ist gar keine Flut: man247v hat darüber ganz genaue Beobachtungen, und diese zeigen, dass momentane Schwellen (wie beim kaspischen Meere) nur[?]durch das Wehen periodischer Winde hervorgebracht werden können. In den antillischen Meeren, wo ich viele Beobachtungen angestelt, ist die Flut 8 10 Zoll hoch; am höchsten ist sie in Frank - reich bei St Malo, wo sie gewöhnlich 46 Fus erreicht, durch Springfluten aber kann sie bis 55 und 60 Fus, also zu einer ungeheuren Höhe steigen.

Eine andre Bewandnis hat es mit den sogenanten Masca - rettes oder Barren, wie sie sich am Ausflusse der Dordogne[,] Garonne und andrer Flüsse bilden. Hier sieht man oft Wasser - massen häuserhoch sich aufthürmen, wodurch die Ausfahrt für kleinere Schiffe oft sehr gefährlich wird. Dies Anschwellen ist eine Folge des Zusammenflusses lokaler Strömungen.

Von den Wellen.

Verschieden davon ist wieder die Wellenbewegung an sich: über die Höhe der Wellen ist viel gestritten worden: man mus aber die absolute Höhe wohl unterscheiden von der Brandung,248r oder von dem blossen Anschlagen an einen festen Körper. Über dieses lezte habe ich Messungen angestelt am Herkulesthurm in Gallizien, und gefunden, dass man hier auf einer Höhe von 200 240 Fus stand, und fortwährend von den Wellen besprüzt wurde. Eine noch weit merkwürdigere Messung machte Captain Sabinein Warmuz[?] im nördlichsten Skandinavien unter 70°Nordbreite[;] hier fand er eine Hochebne, welche 400 Fus über dem Meere lag, von dem Wellenschlage ganz überschwemt. Messungen über die wahre Höhe der Wellen, wie sie im freien Ozean ohne hinderndes Ufer vorkommen, sind sehr schwierig. Wolte man Instrumente am Ufer aufstellen, so würde dies zu gar nichts helfen. Ich habe eine Methode angegeben, wie man diese Höhe sehr genau auf dem Schiffe selbst durch die Depression des Horizontes messen kann, und brachte sie in Anwendung bei einem der heftigsten Stürme in der Südsee, den die Einwohner Papagallo nennen, und der 3 4 Tage dauert; hiebei sieht man die grösten Wellen, die es vielleicht irgendwo auf der Erde giebt. Wenn die Sonne sich zum Untergange neigt: so ist〈…〉〈…〉sieuntenin dem Wellenthalauf dem Verdek248vschon untergegangen, während man〈…〉〈…〉sieauf dem Maste noch sieht: nimt man nun mit dem Spiegelsextanten Sonnenhöhen oben auf dem Wasserberg, und dann unten im Wellenthal, und vergleicht genau die Zeit, so läst sich daraus die Höhe der Welle bestim̃en; so fand ich, dass die gröste Höhe selten 42 44 Fus übersteigt. Dies ist auch die Meinung von sehr vielen englischen Seefah - rern, die ich Gelegenheit hatte, darüber zu befragen.

Wenn der Wind immer in derselben Richtung weht, so ist es möglich, dass die Wassermasse sich zu dieser Höhe auf - thürmt, allein wenn die Wellen durch einen Wind eine bestim - te Richtung erhalten haben, und ein andrer Wind kömt dazu: so treffen dann Wellenberg und Wellenthal auf einander, und es entsteht eine sehr gefährliche Verwirrung der Wellen, die aber bald in Ruhe übergeht.

W[?]Über den Wellenbewegung im algemeinen haben wir im französischen ein ausgezeichnetes Werk von Brémontier: er giebt an, dass das Meer nur 60 80 Fus unter der Oberfläche aufgewühlt würde: allein dies ist zu wenig, es mus manchmal wohl 160 200 Fus tief aufgewühlt werden. Dies sieht man an der Bank von Newfundland; ich habe selbst Gelegenheit ge -249r habt, zu bemerken, dass als wir auf diese Bank kamen, der Wel - lenschlag des Meeres plözlich ganz verändert wurde: da nun die Bank bis 200 Fus unter der Oberfläche liegt: so ist klar, dass bis in diese Tiefe sich die Bewegung der Wellen erstrekken mus. Eine ähnliche Bemerkung machte der geistreiche Rennell, der wahrnahm, dass die Bank de Agulias an der Süd - Westküste von Afrika, welche 480 Fus tief liegt, die Richtung der Strömung ver - ändere, welche von Amerika herüberkomt.

ImD[?]deutschen haben wir von den Brüdern E.und W. Weberein vortrefliches Werk über die Wellentheorie, von einer Gründ - lichkeit, dass kein schiffahrende Nazion sich eines ähnlichen rühmen kann. Sie kamen zuerst auf die Theorie beim Reinigen des Queksilbers, wo sie auf die Interferenz der Wellen aufmerk - sam wurden: zulezt besuchten sie noch die Ufer des Mittelmee - res, und fügten die praktische Ansicht der Wellen hinzu. Sie machten zuerst darauf aufmerksam, dass die Dichtigkeit der Flüssigkeit bei den Wellen in Anschlag komme.

Das Meer umfast ungefähr der ganzen Erdoberfläche; mit Sicherheit ist es sondirt worden bis 7000 Fus Tiefe, und sonderbar genug haben schon die Alten dies erraten. Plutarchim Leben des249v Paulus Aemiliussagt, bei Gelegenheit des Krieges gegen des Perseus, ganz deutlich, dass die gröste Tiefe der Meere gleich sei der grös - ten Höhe der Berge; und als von der Höhe des Olymp die Rede ist, den man für den höchsten Berg hielt, meint er, dass die Tiefe des Meeres eben so viel, 10 Stadien betrage, welches ungefähr 7000 Fus sind, wenn man nämlicholympischeStadien annimt.

Von der Dichtigkeit und chemischen Beschaffenheit des Meers.

Über diesen Gegenstand ist viel gearbeitet worden, aber jemehr man sich darum bemüht hat, um desto unklarer ist die Sache geworden. Ich habe mich auch sehr viel damit beschäftigt, und vermuthete eine Zone der grösten Dichtigkeit des Meeres, welche sich in einer Kurve um die Erde zieht.

Die fixen Bestandtheile des Meeres betragen 3,5 pr. Cent. Gay - Lussachat eine schöne Arbeit geliefert bei Gelegenheit der Reise von Duperreyund Freycinet. Diese Seefahrer waren nämlich an - gewiesen, an den verschiedensten Stellen kleine Fläschchen mit Meerwasser zu füllen, und hierauf machte Gay-Lussacseine Ver - suche. Auch John Davy(der Bruder des grossen Humphry) machte Beobachtungen darüber auf seiner Reise nach Ceylon. Gay-Lussac250r63.zeigte, dass bei allen jenen Proben der Unterschied in der Dichtigkeit und im Salzgehalte ganz unbeträchtlich sei.

Die chemischen Bestandtheile des Meeres sind grossentheils Natron und Bittererde. Die Versuche von Marsethierüber sind sehr schön, und weit besser, als die von Morin, welche man gewöhnlich anführt.

Man giebt jezt die Bestandtheile so an:

  • salzsaures Natron = 2,6
  • Bittererde =21,5
    60
  • schwefelsaures Natron = 0,5
  • kohlensauren Kalk = 0,01
    60

Balardfand auch Brom und Jod darin, welches man schon vermuthet hatte, weil dieselben einfachen Körper sich in der Mutter - lauge des Seegrases vorfinden. Wollastonentdekte sogar 0,001 schwe - felsaures Kali, dessen Existenz unbezweifelt ist. Die kohlensaure Kalkerde, welche man darin findet, ist ganz sicher die Quelle der unzähligen Konchylienschalen, und wird durch einen orga - nischen Prozes von diesen Thieren zu Muscheln umgebildet.

Sehr merkwürdig ist die Reinigung des Salzwassers im Innern der Erde: so findet man oft süsse Quellen entfernt von allen Ge - birgen, mitten im Meere auf flachen Sandbänken. Ich habe eine250v solche beschrieben, die sich südlich von Kuba befindet, wo die Schiffe mitten im Meere süsses Wasser einnehmen können: hier scheinen sogar die Manatis, oder Seekühe, die Nähe desselben gleichsam gewittert zu haben: denn man trift sie in grosser Menge um diese Sandbank an.

Volkommen gereinigt wird das Wasser des Meeres durch Destillazion, und dieses Mittels bediente sich Freycinetauf seiner Reise; ja er fand es so anwendbar, dass eresfast ausschliessend sich desselben bediente. Unvolkommen wird es gereinigt, indem man es durch troknen Sand laufen läst, der wenigstens 15 Fus hoch sein mus: allein hiebei mus man bemerken, dass wegen der Kapillarität des Sandes anfangs zwar das süsse Wasser durchläuft, später aber kömt auch das salzige. Die Alten wusten auch schon etwas davon. Plutarchspricht davon, und Aristoteleshat eine Stelle in den ihm zugeschriebenen Problemen, wo er sagt, dass man das Meer - wasser durch Wachskugeln reinigen könne. Auch machten die Alten die Bemerkung, dass der Thau süs sei: daher verfielen sie darauf, das Seewasser in grossen Schalen verdunsten zu lassen, und Schwämme darüber zu halten; die sich dann mit süssem Wasser fülten.

251r

Man findet auch einen bittern Schleim im Meerwasser als or - ganische Materie vertheilt, und es ist sehr wahrscheinlich, dass dies zum Theil eine Nahrung für die grossen Cetaceen abgebe: von diesem bittern Körper rührt die Übelkeit her, die man beim Trin - ken des Meereswassers empfindet, und wohl auch das Leuchten des Meeres, wodes eine ganz flammende Oberfläche erhält. Eine herrliche Erscheinung ist dies besonders unter den Tropen, wo die Delphine lange Furchen ziehn, aus denen Flammen auffahren. Man giebt für das Leuchten 2 Gründe an: 1, soll es von Thieren herrühren, die darin schwimmen, und allerdings findet man solche a, unvolkomne Thiere, wie Beroë und Medusa, b, volkomne wie Pyrosomen und Monophera nuctiluca nach Bory de St Vincent: allein dies ist wohl nur ein sehr kleiner Theil: der 2teGrund ist besser: 2, man nimt an, dass eine leuchtendeanorganische Masse darin herum - schwimme: ich habe selbst Untersuchungen darüber angestelt, und ein viel besserer Beobachter als ich, der Dr Ehrenberghat dies be - stätigt, indem er die organischen leuchtenden Theile im rothen Meere untersuchte: er fand kein ganzes lebendes Thier. Oft, wenn ich mich im Meere gebadet, fand ich an meinem Körper eine Menge leuchtender Punkte: ich nahm von demselben Wasser, und seihte es vielfach durch251v Tücher, fand aber immer nur Membranen, keine Thiere; leuchtende Infusorien sind noch nicht nachgewiesen worden. Sicher ist es, dass jede Erschütterung das Leuchten erregt: ich legte eine Medusa auf einen zinnernen Teller, und sties ihn von der Seite an, sogleich fing sie an zu leuchten; ja man kann Thiere, welche keine Spur von Licht mehr geben, wieder zum Leuchten bringen, indem man sie galva - nisirt, also ihren Nervenreiz erhält. Das Phänomen des Leuchtens scheint auch mit der Witterung zusammen hängend zu sein, wie von vielen Seefahrern wahrgenommen wurde; besonders stimmen die Beo - bachter darin überein, dass es sehr stark bei dem elektrischen Zustande der Athmosphäre der Fall sei, und dies ist noch nicht hinlänglich erklärt. Unrichtig ist aber gewis die Annahme von Robertson, dass es eine meteorologische Erscheinung sei.

42. Vorlesung, 25.03.1828

Von den leuchtenden Insekten fand ich mehrere neue genera nicht weit von den kanarischen Inseln. Es kommen darunter Medusen von 1 Fus Länge vor, die man in 10 12 Fus Tiefe unter der Oberflä - che des Meeres leuchten sieht: es ist also deutlich, dass das Oxygen der Atmosphäre nicht zu diesem Leuchten nothwendig ist; noch weniger rührt es von gebundenem Schwefelwasserstofgas her, der im Kontakt mit der Luft frei wird. Meine Beobachtungen stimmen darin völlig mit denen des DrD Ehrenbergund Prof. Lichtensteinüberein. Unter den Tropen252r findet das Leuchten des Meeres nicht blos bei schnellsegelnden Schiffen Statt, die mit dem Kiel völlig in Flammen zu stehn scheinen: sondern auch bei der Brandung an einem entfernten Ufer.

Von der Farbe des Meeres.

Dies ist einer der schwierigsten Gegenstände für die Optik: denn man hat noch keine genügende Erklärung, warum z. B. die Rhone eine so schöne grüne Farbe habepp. man kann nur sagen, dass für süsses und für Meerwasser sich ein Unterschied in der Polarisazion des Lichtes zeigt. Das Meer ist unter den Tropen tiefer[indigoblau] als bei uns: dies ist aber kein Reflex der Luftbläue: denn auch beidbedektem Himmel findet das - selbe statt. Scoresby, der Wallfischfänger fand das Meer am Nordpol grasgrün, mitunter blau: er machte die Bemerkung, dass die Wall - fische sich immer im grünen, nie im blauen Wasser finden; und glaubte den Grund darin zu finden, dass im grasgrünen sich eine grosse Menge kleiner Mollusken, gleichsam schwimmende Bänke finden, von denen die Wallfische leben.

Wie tief das Licht in das Meer eindringen könne, ist ebenfals ungewis: die Versuche mit den Taucherglokken geben kein gutes Re - sultat, weil man hier, wie ich mich selbst überzeugt habe, schon in 40 Fus Tiefe nichts mehr sieht: es ist natürlich, dass wenn die Wasser sich kräuseln: so kann das vielfach gebrochene Licht nicht252v so tief eindringen. Schon die Alten wusten, dass wenn man Oel auf die Oberfläche des Meeres giest, die Wellen momentan beruhigt werden. Franklinund besonders neuerdings Weberhaben die theore - tischen Gründe davon angegeben. Unter den Tropen, wo die Regen - tropfen besonders gros sind, und weit von einander fallen, ist es nicht selten, dass ein plözlicher Regenschauer die Wellen beruhigt, daher haben sich die Taucher seit 1000 Jahren des Mittels bedient, Oel auf das Wasser zu giessen, ehe sie untertauchen, weil sie wis - sens dass man alsdann besser sieht: in Gibraltar bedienen sich die Schiffer dieses Mittels noch immer.

Über das Sehn unter dem Wasser und in das Wasser hinein hat man neuerlich Beobachtungen gemacht: es war schon früher be - kant, dass man den Grund des Meeres deutlicher sieht, wenn man sich auf einem hohen Punkte über der Oberfläche befindet: daher schikken die Schiffer, wenn sie fürchten, auf Untiefen zu kom - men, einen Matrosen auf den Mast, von wo aus er den Grund des Meeres wie eine Landkarte übersehn kann. Als Aragowegen der Gradmessung nach Minorka ging sah er von einer Höhe von beinahe 500 Fus auf das Meer herab, und konte den Grund sehr deutlich unterscheiden: er gab auch zugleich die Ursach davon an:253r das vom Meere unmittelbar in das Auge reflektirte Licht trübt den Blik: je grösser also der Unterschied oder der Abstand von der Oberfläche des Meeres ist, desto ungehinderter kann das Licht, welchesaufvondem Boden des Meeres reflektirt wird, in's Auge gelangen, und deshalb sieht man ihn von grossen Höhen aus deutlicher.

Von der Temperatur des Meeres, auf der Oberfläche, in der Tiefe und auf den Sandbänken.

Für diesen Zweig ist in neueren Zeiten sehr viel geschehn: früher hatte man nur lauter isolirte Phänomene aufgestelt, ohne sie zu einem Ganzen zu vereinigen, jezt ist man aber durch fortgesezte Beobachtungen auf manches allgemeine Gesez gekommen, und daher komt die grosse Einfachheit in den Resultaten, welche ich hier vorlegen kann.

Dass die Temperatur der Meeres-oberfläche den grösten Einflus auf die Klimatologie hat, braucht kaum bemerkt zu werden, da wir oben gesehn haben, dass in jedem Lande das Klima von dem gegenseitigen Verhältnis dertroknenfestenund flüssigen Theile gegeneinander abhängt.

Wir müssen die Oberfläche 1, in Ruhe und 2, in den Strö - mungen betrachten:

1, die Oberfläche in Ruhe erleidet bedeutendeTeVeränderung durch253v den Unterschied in der Erwärmung und Erkältung der Luft: daher ist es ganz gewis, dass die Begründung der Meteorologie als Wis - senschaft von den Tropen ausgehn solte, weil hier die wenigsten Perturbazionen statt finden; man mithin leichter auf die Geseze wird kommen können. So lange man versucht, aus dem nördlichen Theile der gemässigten Zone die Geseze der Meteorologie zu finden: so wird man schwerlich zu einem erwünschten Resultat kommen: dabei mus man noch bedenken, dass unter den Tropen nur ein ganz u〈…〉〈…〉nbedeutender Wechsel der Jahreszeiten Statt findet.

Für die Tropen läst sich als Resultat aussprechen, dass zwischen Tagdund Nacht derTemperatur-Unterschied in der Luft 6 7 mal grösser als im Meere, und dies ist selbst für das Palmenklima der Fall. Früher glaubte man, dass die Temperatur des Meeresan der Oberfläche sich gar nicht verändere, und ich selbst fiel mit vielen andern Reisenden in diesen Irthum, obgleich ich Beobachtungen darüber anstelte. Neuer - dings hat aber John Davyvon Ceylon zurükkommend, sich viel damit beschäftigt: auch Duperreyund Freycinetbei der Erdum - seglung. Sie fanden, dass der Unterschied vom Tage zur Nacht höchstens ½ ¾° R. an der Oberfläche beträgt. Mein Freund, der Capitän WelfordWilson,[welcher] die erste Reise mit dem254r64.Dampfboote von London nach Kalkutta machte, nahm Instrumente mit, welche ich vorher sorgfältig verglichen hatte, und fand ebenfals den Unterschied nicht über ¾° R.

Das Meer hat an sich eine Tendenz zur Erwärmung: denn da das Wasser immer dichter wird, je mehr es erkaltet, so mus also das kältere Wasser zu Boden sinken, und das wärmereobenauf schwimmen. Ein Resultat ist: dass vom Aequator bis zu 48 50°Nordbreite das Meer immer etwas wärmer ist, als die Luft. Man sieht leicht ein, welchen mächtigen Einflus dies auf die Meer - winde, und mithin auf die Temperatur aller der Länder haben mus, welche von ihnen erreicht werden. Ich lege um desto mehr Gewicht auf dieses völlig konstatirte factum, da Kirwan, ein achtbarer Gelehrter, das Gegentheil behauptet hat.

Die monatlichen Veränderungen sind unter den Tropen 6 mal kleiner im Meere als in der Luft, bei uns 7 mal kleiner. Erst vor unge - fähr einem Jahre habe ich Gelegenheit gehabt, die gröste Kälte genau zu bestimmen, zu welcher der atlantische Ozean herab - sinken kann. Ich habe viele genau[verglichene] Instrumente Reisenden mitgegeben, und erhielt noch handschriftliche Mit - theilungen von dem würdigen Rennell, dem80-jährigen Geographen von Indien, der seit einer Reihe von Jahren ein grosses Werk über254v die Strömungen im atlantischen Ozean vorbereitet. Es ist fast zu fürchten, dass dies vortrefliche Werk bei dem hohen Alter des Verfassers nicht mehr heraus kommen wird, obgleich die englische Regierung sich jezt lebhafter dafür zu interessiren scheint. Als Resultat läst sich geben, dass im atlantischen Ozean zwischen 50 und 52°Nordbreitedie Oberfläche nie weniger als +6 R. hat, während bei uns 8 10° sein können; +6 sind die mittlere Temperatur von Berlin im Anfang Mai; es müssen uns also Westwinde im Winter ein viel milderes Klima bringen, zwar kein Mai-klima, da die Luftschichten sich schon mit anderen kälteren gemischt haben. Unter 65 70°Nordbreiteist die mittlere Temperatur nach Rennellund Sabine(der sich, um Pendelver - suche anzustellen, lange auf Spizbergen aufhielt) +4½° R. wäh - rend diemittlereTemperatur jener Kontinente R. ist.

Unter den Tropen hat das Meer eine mittlereTemperaturvon +21 22° R. (Leider ist dies auch die Temperatur des Wassers im Orinoco und Amazonenstrom, daher bekömt man hier nichts als lauwarmes Wasser zu trinken.)

So oft Seefahrer den Aequator durchschneiden, so bemerken sie, dass gegen den Aequator hin die Temperatur zunimt: das maxi -255r mum aber ist nicht immer unter dem Aequator, sondern oft höher oder tiefer; eine Kurve, welche man durch alle diese maxi - ma der Wärme legt, heist die Kurve der grösten Wärmen: die maxima entfernen sich vom Aequator nicht eigentlich nach den Jahreszeiten, sondern nach dem Stande der Sonne. Alle Schif - fer, welche seit 20 30 Jahren sich mit diesem Gegenstande abgaben, fanden dieselbe mittlere Temperatur: für das maximum der Wärme 24 24½ Grad R. und dies ist so beständig und gleich - mässig, dass man die Thermometer danach berichtigen könte: wenn man nämlich bei einer Reise die den Aequator durch - schneidet, das Thermometer regelmässig beobachtet, somwird man ein Zunehmen und Abnehmen bemerken: das maximum mus immer 24 24½ Grad sein, die Skala mag nun zeigen, was sie will. Der dänische Offizier,Herr Dirking, ein trefli - cher Beobachter, der sich 3 Jahr in der Südsee aufgehalten hat, entdekte das Maximum der Wärme beim Cap Boiss[?]acamobei Panama mit 24¾° R.[;] es versteht sich, dass die Beo - bachtungen nicht bei Windstelle angestelt werden dürfen, son - dern wenn das Meer durch einen leichten Wind gekräu -255v selt wird. Auch die Nähe von Untiefen mus in Betracht ge - zogen werden: denn sie haben auf die Temperatur grossen Einflus.

2, die Oberfläche in Bewegung. Wir können die Strömungen wie pelagische Flüsse betrachten, nicht anders, wie in den Ländern sich Ströme süssen Wassers bilden. Sie sind in der Breite verschieden, je nachdem sie im ofnen Meer sich bilden, oder aus einer Meerenge kommen; zu den lezten gehört der Gulphstream zwischen Kuba und Florida, der anfangs nur die Breite der Meerenge hat, dann aber sich ausdehnt, wobei gleichsam die Ufer zurüktreten, und seine Richtung nachNordwestnimt. Wir müssen die Strömungen besonders nach ihrer Richtung unterscheiden, ob sie nämlich vom Aequator ab oder nach dem Aequator zu fliessen, d. h. ob sie kaltes Was - ser nach warmen Gegenden oder umgekehrt führen. Der Gulphstream ist nicht ohne Einflus auf das Klima von Europa, insofern er die warmen Wasser des Aequators an unsre Küsten führt. Unmittelbar ist er als eine Folge zu betrachten von der grossen Rotazion des Meeres von256rOstnachWest. Er würde nicht existiren, wenn der Isthmus von Pa - nama geöfnet würde, der sich ihm entgegenwirft. Aber diese Öfnung, von der kürzlich bei dem projektirten Kanal von Nicaragua die Rede gewesen, würde nicht allein auf den Gulph - stream Einflus haben, sondern auch den Handelsweg nach Asien sehr abkürzen, ja selbst die Angriffe von Europa auf China und Japan, wenn solche Statt finden sollten, erleichtern. Dieser Gulphstream wendet sich, durch den Isthmusinvonseiner Richtung abgelenkt, von dem Cap S. Antonio und der südlichen Spize von Yucatan in den Golf von Mexiko, wo er bei Vera-Cruz vorbeifliessend, einen grossen Wirbel beschreibt, die Mündung des Mississippi berührt, und durch die Meerenge zwischen Ha - vannah und Florida durchgeht; dann wendet er sich als ein Strom warmen Wassers, das die Tropen-temperatur mitbringt, auf die Bank von Terre-neuve gegen Europa, und theilt sich in 2 Arme, wovon der eine gegen die Azoren und vielleicht Gibraltar sich wendet, der andere stärkere gegen Irland, Schottland und das nördliche Skandinavien. So ist es mög - lich geworden, dass als ein Schiff an dem Capo Lopez an der256v Küste von Guinea in Afrika scheiterte, die Fässer mit Palmenöl (auf denen man noch ganz deutlich die Signatur des Kaufmans aus Hull erkante) nach Jahren unversehrt in Schottland ankommen konten; nachdem[ sie] jenen langen Weg nach Amerika hinüber und herüber zurükgelegt. So geschieht es, dass die Samen verschiedener Pflanzen, wie von Mimosa scandens, Dolichos urenspp. alle Jahre an die hebridischen Inseln geworfen werden. So wird ein Factum glaublich welches in Nekkers Reisen er - zält ist, dass ein Eigenthümer indeiner der Hebriden 2 Jahre hintereinander Fässer mit gutem französischen Wein an seinem Gartenhause schwimmend ankommen sah; ohne Zweifel von gescheiterten französischen Schiffen, die den Wein nach Amerika bringen solten. 61So erklärt es sich endlich, dass lebendige Eskimaux mit ihren Kähnen aus Fellen, in welchen sie wie eingenäht sizen 2 mal: 1682 und 1684 nach den beiden Hebriden Edda und Westra kommen konten,62 wie dies auch schon einmal ein Alterthum der Fall war, nach dem Zeugnis des Pomp. Melaund Corn. Nepos: (denn Inder hiessen bei den Alten alle Menschen von bräunlicher Hautfarbe.[) ]

257r

Einen andern grossen Strom fand ich an den Küsten von Peru. Man leitete lange Zeit das sonderbare Klima von Lima aus der Nähe der Schneeberge her: die Luft ist nämlich Monatelang mit Dünsten überfült, die man garūa nent, und als sich senkende Wolkenschichten ansah. Allein der Grund liegt wo anders. Bei meiner Reise vom obern Amazonenstrom nach Peru, wo ich die Südsee zum erstenmale sah, war ich sehr begierig, die Tempe - ratur der Meeresoberfläche zu prüfen, und glaubte sie nicht unter +22 23° R. zu finden: ich war daher sehr überrascht, als ich bei Truxillo mit dem Thermometer in's Meer ging, nur 12½° zu finden: eine sehr auffallende Erscheinung. Es findet hier, wie sich bald ergab, eine Strömung kalten Wassers nach dem Aequator statt, welche von Chili und aus der magellanischen Meerenge heraufkömt. Auf meiner Reise von Lima nach Guagaquil und weiter hinauf nahm die Temperatur wieder zu, und an den Küsten von Mexiko war sie wieder 22° R. Offenbar hängt das son - derbare Klima von Peru mit der Temperatur des Meeres an diesen Stellen zusammen: die Westwinde gehndurchübereine Wasser - schicht von 12½ Grad, müssen sich also bedeutend erkälten. Herr Dir - kinghat über dasselbe Phänomen viele Beobachtungen angestelt,257v und fand ebenfals die Temperatur der Oberfläche an den Küsten von Peru nur 12½ R.

Dass die Strömungen sehr tief gehn müssen, sahen wir schon oben bei der Bank de Agulias an der Westküste von Afrika, wel - che die Richtung der Strömung von Amerikaverändert. Diese Bank ist deshalb merkwürdig, weil man auf ihr die Inklinazion der Magnetnadel = 0 fand. Sie hat 500 Fus Tiefes und doch werden die hohen Wellen auf derselben gemindert. Bemerkenswerth ist es, dass in den atlantischen Ozean von beiden Seiten Strömungen einfliessen, die eine umdiAmerika herum, nach den Antillen herauf, die andre um die Spize von Afrika her.

Eine Abnahme der Temperatur findet nach oben und unten; von der Oberfläche des Meeres an gerechnet, statt. In einer Höhe von 6 8000 Fus über dem Meere ist sie beinahe = 0eben so nach der Tiefe des Meeres zu: nur dass hier die Abnahme 7 mal schnel - ler erfolgt, als in der Luft: daher ist es nicht zu wundern, dass man in demselben Meere die verschiedenartigsten Fische findet: diese Thiere können nämlich sehr schnell das Klima wechseln durch Auf - und Absteigen, und so wie unter den Tropen an den Gebirgen258r65.aufwärts alle Klimate übereinandergelagert sind, so dass man unter denselben Breitengraden die abweichendsten Erzeugnisse der Thier - und Pflanzenwelt finden kann, so sind im Meere alle Klimate für die Fische abwärts untereinander gelagert.

Die besten Beobachtungen über die Temperatur in der Tiefe hat Captain Sabinegemacht. In den antillischen Meeren fand er an der Oberfläche +22½ R. in einer Tiefe von 7000 Fus 4,4° R. wobei er sehr genau das Schwimmen des Seilespp. in Anschlag gebracht hatte. (Er machte seine Beobachtungen meist beim Cap S. Antonio.) Hieraus ergiebt sich also 70 Fus für R. In der Luft mus man 600 Fus aufsteigen, ehe das Thermometer um sinkt. Aus dem Abnehmen der Temperatur im Meere wolte Perronschliessen, dass im Grunde des Meeres sich Eis befinden müsse: al - lein dagegen spricht die höchst merkwürdige Eigenschaft des Wassers, dass es bei +4½° seine gröste Dichtigkeit erlangt: also ist klar, dass kein Eis, sondern Wasser von 4½° R. Dichtig - keit die unterste Stelle im Meere einnehmen mus. Ich weis sehr wohl, dass Graf Rumfordgegen diese Meinung Versuche mit einer gesättigten Salzauflösung angeführt hat: allein ohne damit etwas zu beweisen: denn noch neuerlich ist die Sache durch die258v Versuche von Scoresbyund SabineParryin das helste Licht gesezt wor - den, welche in sehr hohen nördlichen Breiten die Temperatur des Meeres prüften. Sie fanden, nicht weit von Spizbergen die Temperaturder Oberfläche 1½° R. dagegen in40001200 2000Fus Tiefe +2°R., zum deutlichsten Beweise, dass das wärmere Wasser hier das spe - zifisch-schwerere sei. Die Strömung von Nova Semlia her, die man auch erst in neuern Zeiten entdekt hat, giebt den Gewäs - sern um Spizbergen eine eigene Diagonal-richtung. Schon Saussurefand vor langer Zeit in allen Alpenseeen, die er unter - suchte, das Wasser in der Tiefe von +4½° R. aber es ist wahrscheinlich, dass unter den Tropen die Temperatur nicht einmal so tief herab - sinkt: denn die Gewässer haben selbst im Winter immer mehr als 4½° R. Wir müssen eine submarine Strömung vom Pol gegen den Aequator annehmen, da wir sehn, dass an der Oberfläche eine in umgekehrter Richtung statt findet: denn eine Strömung sezt die andere voraus. Unter den Tropen erkältet sich das Wasser bei Nacht nie mehr, als bis auf +15oder16° R.

43. Vorlesung, 26.03.1828

Alströmin Åbo hat die genausten Messungen über die Dichtigkeit des Wassers angestelt, und sie bei 3,3° R. gefunden (oben hies es 4,4°)259r Der grosse Physiker und Chemiker Berzeliustheilt die Meinung des Grafen Rumford, dass in der Tiefe sich Eis finde: es scheint aber nicht, als ob er eigne Versuche darüber angestelt habe. Dieser Gegenstand verdiente wohl, von neuem wieder vorgenommen zu werden.

Von den Sandbänken.

Als Benjamin Franklindie Bank von New Foundland befuhr, sah er, dass die Matrosen öfter die Hand in das Wasser stekten, um an der Temperatur-abnahme zu bemerken, ob man sich der Bank - here. Diese Wahrnehmung machte ihn zuerst darauf aufmerksam, wie es möglich sei, durch das Thermometer die Nähe von Untiefen zu bestimmen. Bänke indessen, auf denen eine schnelle Strömung Statt findet, erkälten sich sehr wenig, weil hier das Wasser nicht Zeit hat, sich mit den unteren kälteren Schichten zu mischen. Gewöhnlich liegt über den Bänken eine Nebelschicht: da nämlich die Wasserdünste, sobald sie mit der kälteren Luft der Bank in Berührung kommen, sich niederschlagen: so entstehn Wolken; und dies ist sehr wichtig für die Schiffahrt: denn an ihnen sehn die Schiffer schon von fern die Gefahr. Daher ist man auch bei den lezten wissenschaftlichen Reisen mehr darauf bedacht gewesen, die Tem - peratur der Oberfläche zu erforschen. Freycinetund Duperreyhaben eine besondere Aufmerksamkeit auf diese Untersuchungen ge -259v wendet, und von 2 zu 2 Stunden die Temperatur durch das Thermometer geprüft. Wenn sich dann Kälte zeigte, so konte sie nur aus 2 Ursa - chen entstehn: entweder war man in eine Strömung kalten Wassers geraten, und dies mus auch beachtet werden: oder es war eine Sand - bank in der Nähe. Für die Ursach der Wärmeabnahme gegen die Sandbänke hin, giebt man 2 Ursachen an: 1,Herr Davynimt an;:da das wärmere Wasser bis +4° R. dichter ist, als das kältere, so sinkt es überall im Meere bis auf den Grund: die kälteren Partikeln aber bleiben auf den Bänken, gleichsam auf einem submarinen Plateau liegen, und kommen nicht in die Tiefe. Dies kann allerdings dazu beitragen: ich glaube aber, der Hauptgrund liegt darin: dass die untern kälteren Wasserschichten an den Rand (the edge) der Bank anschlagen, und sich mit den oberen wärmeren mischen: daher komt es auch, dass der Rand der Bank kälter ist, als die Mitte. Der Unterschied beträgt 4 R. Ich besuchte die Bank von Newfoundland und den Gulphstream daneben, und fand im Monate August die Tem - peratur des Gulphstream, wenn ich mich recht erinnere, +17° R.[,] den unbewegten Theil des Wassers oder das Ufer der Bank 15 16° und die Bank selbst 12°. Auch auf der Bank südlich von Ja - maika (von den Spaniern Banco della Bivora genant) beträgt der260r Unterschied gegen das Ufer R. Damit hängt es zusammen, dass bei dem Nahen eines grossen Sturmes, man vorher eine Erkältung des Wassers bemerkt, die freilich nur gering ist. Die Alten hatten die verkehrte Meinung, dass durch den Wellenschlag das Wasser sich er - wärmen müsse, weil eine Reibung statt finde. Perron, der den Capitän Baudinauf seiner Reise begleitete, hat darüber viele Beobach - tungen angestelt.

Von der Meeresmasse als einem Starren, als Eis.

Diese Masse ist von dem grösten Einflusse auf die Klimatologie: denn sie macht fast einen Theil des festen Erdkörpers, gleichsam eine Gebirgsart aus: wenigstens können wir uns die an den Polen als eine solche denken: in den Polarmeeren aber, so hoch man auch hinauf gekommen, geht sie nie bis auf den Grund des Mee - res, sondern die gröste Dikke ist nur 6 7 Fus. Diese Masse er - scheint entweder als Eisberge oder als Eisfelder.

1, die Eisberge bilden sich ohne Zweifel am Lande im In - nern der Gebirge, und haben grosse Ähnlichkeit mit dem Gletschereise. Sie sind häufiger am Nordpol als am Südpol, und oft von ungeheurer Grösse: man trift sie bis zur Dikke von 1800 Fus an, nicht selten 300 Fus über die Oberfläche des Meeres hervorsehend. Robinsah auf seiner Reise an 700 solcher Eisberge260v um sich her, die sich in der Ferne wie Kreidefelsen ausnehmen. Man kann sich denken, dass Massen von Schnee vom Lande auf Eisfel - der stürzen, die sich ablösen und fortschwimmen. Man findet auf den Eisbergen öfter Granitstükke (die doch nur von einem Ge - birge kommen können) als auf den Eisfeldern. Eschholz, der den Kapitain Kotzebueauf der Weltumseglung begleitete, machte eine Entdekkung, die damals grosses Aufsehn erregte: er fand eine beträchtliche Vegetazion auf dem Eise. Grösse Stükke Rasen sind auf das Eis gestürzt, und haben fortvegetirt. Neuere Schiffer haben diese Erscheinung öfter gefunden, seitdem man darauf aufmerksam geworden ist. Aber Kotzebue's Ent - dekkung wurde dadurch besonders merkwürdig, dass der untere Theil eine grosse Menge von Knochen und Zähnen von Elephanten und andernantediluvianischen Thieren enthielt.

2, Die Eisfelder findet man von 4 5 Fus über, und 20 25 Fus unter dem Wasser anstehend; theils werden sie nicht alle gleichmässig gehoben, theils schieben sich auch die Schollen übereinander. Ihre Ausdehnung ist sehr bedeutend: man fin - det sie bis zu 20 22geographischeQuadratmeilenan Flächeninhalt[,] häufig von 20 Meilenbreitlangund 12 breit. Das Krachen, welches261r die Schiffer oft in der Ferne hören, kömt daher, dass diese Mas - sen oft eine rotirende Bewegung in entgegengesezter Richtung haben, und sich zerschlagen. Wenn 2 Massen an Flächenraum wie die Altmark und Neumark sich drehen, so kann man sich vorstellen, welche ungeheure Geschwindigkeit die Ränder haben müssen, und welche furchtbare ZertrümmerungundKrachen entstehn mus, wenn sie aneinanderstossen.

Nach den Wallfischfängern theilt sich das Eis in Süswasser - eis und Salzwassereis. Dies ist aber nicht ganz genau: denn gewöhnlich ist es immer etwas salzig, weil das Meerwasser in die Poren eindringt. Die Eisberge geben aber auch dadurch ihren terrestrischen Ursprung zu erkennen, dass sie mehr süsses Wasser enthalten, als die Eisfelder. Durch die ungeheu - re Grösse der Eisberge wird es erklärlich, wie sie bis zu sehr grossen südlichen Breiten fortgetrieben werden können, ohne zu schmelzen. Vor einigen Jahren fand man sehr grosse in der Breite der Azoren und des südlichen Portu - gal, also unter 40°, im atlantischen Ozean herumschwimmend. Auffallend ist es, dass sie nie nach den Hebriden oder nach Schottland hingetrieben werden. Scoresbymeint, weil viel -261v leicht hier sie auf eine submarine Strömung stossen, wel - che man nach der an der Oberfläche in entgegengesezter Richtung voraussezen mus.

Der Theorie nach, d. h. durch Berechnung des spezifischen Gewichtes müsten 8 / 9 des Eises unter dem Wasser bleiben, darüber hervorsehn, dies wird aber überall durch die Um - stände modifizirt.

Durch die Reflexion des Lichtes, welches vom Eise gegen den Himmel geworfen wird, und der Eisblink heist, erkent man das Dasein von Eisfeldern, ehe sie noch über dem Horizonte sicht - bar werden, und wenn sich zwischen diesen ein Wasserbekken befindet, so reflektirt sich dies als dunkler Flek gegen den Himmel: d. h. der dunkle Flek wird sichtbar durch die Ab - wesenheit des Lichtes, welches rings umher von dem Eise reflektirt wird. Daher können bei heiterm Himmel die Schiffer es leicht bemerken, ob Eismassen im Anzuge sind, und aus welcher Gegend sie kommen.

Wenngleich in jenen hohen Breitengraden, wo das Eis262r66.eigentlich seinen Siz hat, die Luft meist mit Nebeln und Wasserdünsten erfült ist: so zeigt es sich doch oft, dass Eis - berge die Luft reinigen, indem sich alle Wasserdämpfe auf ihnen niederschlagen. Auch ist es eine bekante Erfah - rung der Schiffer, dasssiedie Eisbergeden Wind nehmen, welches den Seefahrern oft nüzlich, aber auch verderblich werden kann. Dies Phänomen ist noch nicht hinlänglich erklärt. Auf der Höhe der Kordilleren und Anden habe ich oft bemerkt, dass grosse Eismassen Wind erregen: dies ist aber sehr erklärlich, da ihre Temperatur von der der umgebenden Luft so verschieden ist: aber die Eisberge am Pol haben eine nur wenig tiefere Tem - peratur als die Luft, und zeigen doch Einflus auf die Wit - terung.

Über die Dikke des Eises hat Parryauf seiner Winterstazion im Port-Bowen unter 73°Nordbreiteviele Messungen angestelt: er fand die Dikke im Januar 38½ Zoll. Februar55″ und im Mai, wo es die gröste Dikke erreicht 86½ engl. Zoll, also ungefähr 6 franz. Fus.

262v

Von der Gränze des Eises.

Das Ufer des ewigen Schneees, wo er nicht mehr schmilzt, istje nach dendeJahreszeiten verschieden, und rükt im Winter mehr nach Süden als im Sommer. Sie gestaltet sich für Europa sehr glüklich, durch das Vorhandensein des atlantischen Ozeans, der viel zu dem milden Klima unseres Erdtheiles bei - trägt. Die Wintergränze des Eises geht vom Cap Farewell durch die Mitte von Island gegen Spizbergen. Sie berührt also nicht das Nordkap, welches sehr wichtig ist. Sabinefand, dass noch im Januar die Schiffahrt offen ist von Warmuz nach Spizbergen, dass aber die Sherry-islands davon eingeschlossen sind. Die Sommergränze läst ganz Island frei, gegen Osten aber bleibt sie mit Nowaja Semlia in Verbindung, wohin man selbst im Sommer selten zu Schiffe gelangen kann: noch weiter gegen Osten nördlich von Sibirien ist alles mit Eis bedekt.

Wir haben also ein eisfreies Meer nördlich von Europa, wodurch die Wintertemperatur sehr gemildert wird: auch mus bemerkt werden, dass der atlantische Ozean die einzige Wasser - verbindung von grösserer Ausdehnung ist, durch die der Nord -263r pol mit dem Aequator kommunizirt, daher hat hier allein das Eis Gelegenheit, nach Süden abzulaufen, und zu schmelzen. Ganz anders würden die klimatischen Verhältnisse sich gestalten, wenn auf der andern Seite die Behringstrasse etwas weiter wäre: die Eismassen würden dann auch dort nach Süden ablaufen können, während sie sich jezt im Norden derselben in grosser Menge ansammeln und das Klima jener Gegenden erkälten. Zum Schmelzen des Eises im atlantischen Ozean trägt gewis auch der von Amerika heraufkommende Gulphstream bei, der ein re - lativ-wärmeres Wasser in jene hohen Breiten hinaufführt: auch noch ein anderer Strom, der an Skandinavien in die Höhe steigt, und ebenfals wärmeres Wasserinnach Norden führt; er ver - hindert, dass das Meer bei Maderoenicht friert. Nowaja Semlia dagegen kann nie ganz umschift werden, und noch weiter gegen Neu Sibirien hin (man könte diese kleine Insel: das Knocheneiland nennen, weil sie voll von Elephantenknochen und andern fossilen Überbleibseln der organischen Natur ist) wird das Eis immer häufiger, und hindert alles weitere Vordringen. Der Pol der Kälte, wenn man es so nennen darf, fält daher weder mit dem Erdpol zusammen,263v noch auch, wie man häufig angenommen, mit dem magnetischen Pol: denn dieser liegt westlich von der Barrowstrasse im nörd - lichen Kanada. Der Kältepol liegt zwischen Novaja Semlia, Neu - Sibirien und der Behringstrasse: wenn daher eine Expedizion von Spizbergen grade in nördlicher Richtung fortginge: so würde sie das Maximum der Kälte erst jenseit des Erdpols antreffen.

Von dem Luftmeere.

Der grosse Luftozean, in dem wir leben, hat als seines Bodens den flüssigen Wasserozean, und als die starre Masse des Landes: es ist begreiflich, wie verschieden nach diesen Unterlagen die Temperatur der Luft sein mus: die Berge mit ihrer Vege - tazion erheben sich als eben so viele Untiefen auf dem Boden des Luftmeeres. Die Höhe des Luftmeeres nach oben hat noch nicht genau bestimt werden können, indessen kann man anneh - men, dass noch in 30 32geographischenMeilen Höhe sich Luft befinde, denn in dieser Höhe leuchten die Sternschnuppen, und es scheint dass auch die sohäufig niederfallenden Aerolithen sich erst in dieser Höhe entzünden, wenn sie mit dem Sauerstof der Luft in Berührung kommen. Sie mus aber in jenen Regionen so dünn264r sein, wie der luftleere Raum, den wir unter unsern Luftpumpen hervor - bringen können. Das Queksilber im Barometer, welches am Ufer des Meeres ungefähr auf 28 Zoll steht, würde sich dort oben kaum auf ½ Linie Höhe erhalten.

Die lichtschwächende Kraft der Luft ist sehr verschieden nach den Breitengraden. Wo die Wasserdünste volkomner aufgelöst sind, da ist der Himmel schwärzer: d. h. es wird weniger weisses milchiges Licht zurükgestralt, welches eigentlich die blaue Farbe des Himmels ausmacht. Wenn das Erdsphäroïd aus blossen Luftschichten be - stände, die also auch nicht so stark auf einander drükken könten, dassz. B. in 30 Meilen Tiefe unter dem Meere eine Platinakugelin der Luft nicht weiter untersinken würde: so könte die Temperatur dieses Körpers nur sehr gering sein. Die Lichtstralen würden ihn, wie einen Kometen, von einem Ende zum andern durchstreifen, und keine Wärme erregen. Daher ist es von der grösten Wichtigkeit, den Einflus zu bestimmen, den die beiden Grundlagen des Luft - meeres, das Wasser und das Land auf seine Temperatur ausüben. Man hat mehrere Temperaturbeobachtungen auf dem Meere, und ich habe mitHerrn Aragoeine grosse Reihe von Untersuchungen in den Stunden von 12 3 angestelt: aus denen sich das Resultat264v ziehn läst: dass die Luft sich am Mittage erwärmt, wo das Meer kälter ist. Der Unterschied ist freilich nicht gros: er beträgt nur R. aber er ist von Wichtigkeit, da es hier überhaupt nur auf Unterschiede ankomt.

Man hat bis jezt nur ein sehr unbequemes Mittel gehabt, um die Bläue des Himmels zu messen, welches von Bouguerzuerst angegeben und von Saussureausgeführt wurde, und das man gewöhnlich Kyanometer nent. Er werden nämlich auf einenKreisScheibe, dessren Peripherie in mehrere Theile getheilt ist, alle Schat - tirungen des blauen vom Schwarzen bis zum weissen aufgetra - gen. Indem man nun diese Scheibe gegen den Himmel hält, vergleicht man die Farbe desselben mit den aufgetragenen Pig - menten, und bestimt sie nach Graden. Ich habe auf meinen Reisen dasselbe Instrument gebraucht, welches Saussureauf den Montblanc begleitet hatte, und danach die Bläue des Himmels in verschiedenen Höhen bestimt. Es läst sich auch noch eine Verbesserung daran mit dem Spiegelsextanten an - bringen. Die Unterschiede der Himmelsbläue in den verschiede - nen Klimaten sind beträchtlich. Bei uns beträgt sie im Mit - tel 14° Saussure, unter den Tropen 22°. Ich habe mehrere Tabellen265r zusammengestelt: wo auf der einen Seite die Quantität des Wasser - gases in der Luft angegeben ist, nach denPGraden des Hygrometers, auf der andern die Himmelsbläue nach dem〈…〉〈…〉Kyanometer. Es ist zu hoffen, dass wir bei den grossen Fortschritten in allen Wissenschaften auch bald einen verbesserten Kyanometer erhalten werden.

Die Luftperspektive wird modifizirt durch die relative Durch - sichtigkeit und Helligkeit der Luft. Es ist ein ganz besonderer Vorzug,südlicher Gegenden, dass alle Fernen, die Umrisse der Bergepp. wie in einen milden Duft gehült sind. Dies bemerkt man sehr deutlich, wenn man von hier nach Italien und Sizi - lien geht: noch mehr aber nimt es zu, wenn man sich noch weiter südlich den Tropen nähert.

Die chemischen Bestandtheile der Luft sind ein Gegenstand mannigfacher Untersuchung gewesen. Bis 1804 herschte in der Menge des Sauerstofs ein bedeutender Irthum, den noch der grosse Lavoisiertheilte, und der auf manche Zweige der Industrie, nament - lich auf die Zersezung des Zukkers Einflus gehabt hat. Man nahm den Sauerstofgehalt viel zu gros zu: 0,27 an. Im Jahre 1804 machte der spanische Chemiker De Martindie Entdekkung, dass er nur[:] 0,21 sei, und diese wurde volkommen bestätigt. Ich habe mitHerrn Gay Lussaceine Reihe von Versuchen angestelt, wobei wir265v Messungen bis auf 1 / 3000 genau anstelten, aber wir fanden ihn über - all gleich. Die Höhen, Jahreszeiten oder Winde haben gar kei - nen Einflus darauf. Die Insalubrität der Luft ist daher nicht nach der Menge des Sauerstoffes zu bestimmen, die sich überall gleich bleibt, sondern mus in etwas anderm ihremnGrund haben. Man hat sie in den Hospitälern von dem grösseren Vorhandensein der Kohlensäure herleiten wollen, ohne hinreichenden Beweis. In Paris hat man viele Versuche darüber angestelt. Mein Freund,Herr Thénard, hat in dem Hôtel-Dieu, als dort eine anstekkende Krank - heit, eine Art Typhus herschte, Schwämme mit destillirtem Wasser aufgehängt, und nach einiger Zeit untersucht. Er fand das Wasser in Fäulnis übergegangen, und es hatte sich auf der Ober - fläche eine feine organische Haut gebildet, die ohne Zweifel von feinen in der Luft schwebenden miasmatischen Bestand - theilen herrührte. Die Behauptung, dass viele Pflanzen durch Erzeugung von Sauerstof die Luft reinigen, ist nicht gegrün - det. Die Luft aus den[pflanzenreichen] Gegenden und aus dür - ren Steppen ist ganz dieselbe. Prévosthat berechnet, dass durch das Athmen aller Menschen und Thiere in 7000 Jahren266r67.der Sauerstofgehalt der ganzen Athmosphäre noch nicht um 1 / 200 verringert werden wird. Nach den lezten Untersuchungen be - steht die Luft aus:

  • 0,21 Sauerstof.
  • 0,79 Stikstof
  • 0,001 Kohlensäure.
  • 1,001

Es ist eine schöne Entdekkung des jungen Saussure, dass der Ge - halt an Kohlensäure im Winter geringer ist als im Sommer. Wasserstof hat man in der Athmosphäre durch aus nicht ent - dekken können: es sind theoretische Träume, wenn man die Bil - dung des Regens dadurch erklären will, dass Wasserstof in grosser Menge durch elektrische Wirkungen niedergeschlagen wäre, (auch für die Bildung der Aërolithen hat man diese Hy - pothese benuzen wollen.) Richtig ist es, dass in jedem Augenblik sich Wassergas in der Athmosphäre befindet, aber nur gemengt, nicht gemischt als Bestandtheil. In den Versuchen, welche ich mit Gay Lussacgemacht, war〈…〉〈…〉1 / 300 Wasserstof nicht zu ent - dekken, und eine geringere Quantität kann sich, der athmo - sphärischen Luft beigemengt, nicht mehr entzünden, weil sie dann266v zu sehr mit den übrigen nicht-entzündlichen Bestandtheilen versezt ist. Eben so unhaltbar ist die Annahme, dass eine grosse Schicht von Wasserstof an der Gränze unserer Athmosphäre gelagert sei, wohin sie vermöge ihrer Leichtigkeit habe steigen müssen. In den grösten Höhen zu denen man sich erhoben, würde man alsdann ein wenig Wasserstof antreffen, der sich mit den untern Schichten gemengt: allein Gay Lussac, der sich bis zu 17000 Fus erhob fand nicht das mindeste davon. Aber schon durch die auf - und absteigenden Luftströme würde uns etwas davon zugekommen sein.

Es ist merkwürdig, an wie grosse Verschiedenheiten im Luftdrukke die menschliche Natur sich gewöhnen kann. Wenn der gewöhnliche Druk 28 Zoll im Barometer beträgt: so ist es vorgekommen, dass er auf grossen Höhen bis 13½ Zoll ver - ringert worden ist, unter der Taucherglokke dagegen bis 60 und 64 Zoll verstärkt. Von beiden Extremen habe ich die Erfahrung gemacht. Wenn die Menschen vom Meere nach den Hochebnen von Quito hinaufsteigen, wo der Barometerdruk von 28 auf 20 Zoll vermindert wird: so bemerkt man, dass sie nach anhalten - dem Sprechen eine Beklemmung auf der Brust empfinden;267r dies verliert sich aber nach einigen Tagen. Eine andre Erscheinung ist das Bluten auf hohen Bergen, welches ich an mir selbst erfuhr, als ich mich zu einer Höhe von 18000 Fus erhoben hatte. Das Blut drang aus den Lippen, Fingerspizen und Ohren, nicht etwa in Folge einer verstärkten Thätigkeit der Gefässe, sondern durch die Hin - wegnahme des äusseren Drukkes.

44. Vorlesung, 28.03.1828

Der Effekt der verdünten Luft auf das Abdominalsystem ist noch viel bedeutender als der auf die Respirazion. Das Bluten bemerkt man besonders bei jungen Personen, die eine feine Haut haben. Auf der Hochebne von Antisana, welche 1200 Fus höher liegt als der Pic von Teneriffa steht ein vereinzelter Meierhof: die: Ferma de An - tisana, wo sich eine Menge verwilderter Stiere befinden: wenn diese von Reitern gehezt werden: so ist es nicht selten, dass sie Blut speien und stürzen, weil durch die Muskelbewegung das Blut sehr stark in Wallung kömt.

Ein Hauptübel auf jenen Höhen ist die Lust zum speien, die man grade so findet wie auf dem Meere: daher nennen die Spanier es auch: mal de montañas: es äussert sich grade so wie die Seekrankheit, und besonders bei Frauen und schwächeren Personen. Wenn diese aus den Hochebnen von Bogotà ihre Verwandte in267v Guamanga an der Seeküste besuchen, so müssen sie über einen Pas, der höher ist als der Montblanc, und hier stelt sich die Übelkeit gewöhnlich ein, die meist von grosser Mattigkeit be - gleitet ist. Dies rührt von der geringeren Quantität Sauerstof her, welche bei jeder Inspirazion an das Blut tritt, denn die Luft wird durch den verringerten Barometerdruk dünner: nicht aber nimt ihr Sauerstofgehalt ab. Ich habe zuerst wieder auf dieses Phänomen aufmerksam gemacht, nachdem es lange ver - gessen war. Acostasagt in seinem Werke, welches als die erste physikalische Geographie zu betrachten ist, ganz deutlich, dass man auf hohen Bergen das Bluten und die Übelkeit wahr - nehme. Zumsteinwolte eine Messung des Mont Rosa machen, wurde aber durch Übelkeit davon abgehalten, und gab daher die Höhe des Berges viel grösser an, als sie nachher von dem Baron Wrangelbestimt wurde. Durch die lezten Berichte haben wir erfahren, dass auch auf dem Himalaya die Luft von den Einwohnern für giftig gehalten wird, wofür es im San - skrit ein eignes Wort giebt; die englischen Reisenden spürten den Einflus dieser giftigen Luft schon auf 15000 Fus Höhe.

268r

Das Feuer-anmachen und Kochen hat auf den hohen Bergen eine eigne Schwierigkeit. Ich habe mich viel damit beschäftigt, aber nur eine unvolkomne Methode anwenden können. Wasser, welches am Meere, also unter 28″ Barometerhöhesiedet, brabei 80° R. siedet, brauchtdazu auf hohen Bergen nur 62° R. In den Fällen, wo ichunterüberder Schneegränze in grossen Höhlen Feuer anzünden lies, war dies immer mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Die Flam̃e hält nicht zusammen, sondern läuft gleichsam auf der Erde fort. Merkwürdig ist es, dass Marco Polodasselbe auf einem hohen Bergrükken zwischen der grossen und kleinen Bucharei bemerkte; und als eine Folge des mangelnden Luftdrukkes angiebt. Die - selben Erscheinungen findet man bei der Flam̃e im luftverdün - ten Raum unter der Luftpumpe.

Die regelmässigen Störungen des Luftozeans, welche man auch Oszillazionen genant hat, bestehn in einer stündlichen Ebbe und Flut, die sich am Barometer äussert. Unter den Tropen sind sie so regelmässig, dass man bis auf ¼ Stunde genau die Zeit danach bestimmen kann. Das Barometer steht am höchsten um 9 Uhr früh, sinkt von da an, und erreicht seinen niedrigsten Stand um 4 Uhr Abend: dann steigt es, und steht268v um 11½ Uhr am höchsten, sinkt dann, und steht um 4 Uhr Morgens[am] niedrigsten, von wo es dann wieder um 9 Uhr früh seinen höchsten Stand erreicht. Man sieht also, dass die beiden Ebben um 4 Uhr früh und Abends fallen. Die grösten Stürme, Erdbeben, Donnerwetterpp. haben gar keinen Einflus darauf. Die erste Beobachtung darüber wurde 1682 von den französischen Reisenden Varelund Beauan den Küsten von Afrika gemacht. Das Phänomen er - strekt sich vom Meere an bis auf Höhen von 12 14000 Fus, auf denen ich lange genug verweilte, um diese Beo - bachtungen machen zu können. Sehr merkwürdig ist es, dass allein in Ostindien, während der Monsuns diese Erscheinung unterbrochen wird, wo eine ungeheure Menge Wasser aus der Athmosphäre herabstürzt. Horsewood, der dies konstatirte, fand zugleich, dass wenn man sich nur 5 6 Meilen von der Küste entfernt, das Phäno - men in seiner ganzen Regelmässigkeit wieder eintrit. In Europa kann man es wegen der Störungen in der Wit -269r terung nur nach Mittelzalen ausdrükken. Unter den Tropen braucht man einen Tag und eine Nacht, um die Erscheinung festzustellen: im Süden der gemässigten Zone, in Spanien 10 14 Tage[,]〈…〉〈…〉weiter gegen Norden viel längere Zeit: doch ist das factum selbst in Königsberg und Petersburg eruirt worden, und während[die]〈…〉〈…〉übrigen Perturbazionen in der Athmosphäre vom Ae - quator nach den Polen hin zunehmen: so ist es hierbei um - gekehrt: die Quantität der Ebbe und Flut nimt nach den Po - len zu ab. Unter dem Aequator beträgt der Unterschied des maximum und minimum 5 / 4 Linien, unter 30° Breite ¾ Linien, in Königsberg 0,02 Linien. In dem mexikanischen Meerbusen werden die Oszillazionen durch die Nordstürme unterbrochen, welche das Auslaufen aus dem Hafen von Vera-Cruz nach der Havannahpp. so sehr gefährlich machen: daher erlaubte schon zu meiner Zeit der Hafenkapitain Orta, welcher noch jezt dort ist, den Schiffen nicht eher auszulaufen, als bis die Oszillazionen des Barometers sich269v wiederhergestelt hatten: denn alsdann erst ist man sicher, dass der Nordsturm nicht wieder anfange, wenn auch sonst der Himmel ganz heiter ist. Der Name: Ebbe und Flut ist nicht gut gewählt, weil man dabei an dieselben Ursachen denken könte, welche die Flut im Meere bedingen. D'Alembertmachte zuerst die Betrachtung, dass die luftförmigen Flüssigkeiten, welche unsern Planeten umgeben, eben so gut als die tropf - barflüssigen von den andern Himmelskörpern angezogen werden müsten. Laplaceunterwarf dies tiefsinnigen Berech - nungen, fand aber, dass nach der Theorie die Anziehung 4 mal geringer sein müste, als in der Wirklichkeit: daher können die Oszillazionen wohl nicht Folge der Attrakzion der Sonne und des Mondes sein: es ist wahrscheinlicher, dass sie eine Wirkung der wärmeerregenden Kraft der Sonne sind, worüber wir aber noch nicht mit Gewisheit entscheiden können. Was man bis jezt darüber geschrieben, ist durchaus nicht genau. So behauptet Daniell, in seiner Theorie der Luftströme, dass während dasTherBarometerbei uns steigt, müsse es am Pol sinken: da dies aber nur270r68.1 / 20,000 eines Zolles betragen soll, so läst sich leicht begrei - fen, dass eine so unbedeutende Quantität durch Beobach - tungen nie wird ausgemittelt und bestätigt werden. Der ausgezeichnete amerikanische Chemiker Murisglaubt die Ursach davon im Einflusse des Mondes zu finden. Ich habe sehr viel Beobachtungen darüber gemacht, die zum Theil von Boussingaultwiederholt wurden, aber etwas gewisses läst sich nicht darüber aussprechen. Laplacehat10-jährige Beobachtungen vor sich gehabt, die er von Bouvardberechnen lies: er fand 1 / 10,000 von einem Millimeter als Mittelzahl.

Unter den regelmässigen Bewegungen des Luftozeans versteht man die Passatwinde, vents alisés, welche eigent - lich in einer grossen Rotazion des Luftmeeres vonOstnachWestihren Grund haben. Die Erklärung davon gaben D'Alembertund nach ihm Laplacemit grossem Scharfsinn, sie ist auf das beste in den kosmischen Verhältnissen un - seres Erdkörpers gegründet. Die Luft unter dem Aequator wird ungleich mehr erhizt als die unter〈…〉〈…〉den Polen: daher entsteht unter dem Aequator ein beständiger warmer270v aufsteigender Luftstrom, welcher sich in den obern Re - gionen unsrer Athmosphäre nördlich und südlich nach den beiden Polen hin ergiest. Da aber jeder Strom einen Gegenstrom voraussezt: so mus sich in den untern Regionen, also nahe an der Erde, ein Strom kälterer Luft bilden, der von den Polen nach dem Aequator hingeht. Die Rotazionsgeschwindigkeit der Erde, mithin der Luft, ist aber unter den Polen geringer als unter dem Aequator, daher werden die vom Pol herabkommenden Luftschichten nach ihrer natürlichen Trägheit zurük - bleiben: sie können nicht so gleich die Geschwindigkeit unter dem Aequator annehmen. Insofernnun[?]die Bewe - gung der Erde vonWestnachOstist: so müssen alle Körper auf derselben mit ihrer östlichen Seite an die träg-zurük - bleibende Luft anschlagen, und dies bringt die Empfindung eines Ostwindes hervor, den man seiner Regelmässigkeit wegen den Passatwind nent. Es ist für die Schiffer von der grösten Wichtigkeit, zu wissen, unter welchen Breiten271r sie auf regelmässige Winde treffen, daher ist diese Erschei - nung einer besondern Untersuchung unterworfen worden. Wenn überall auf der Erde Kontinent oder Wasser wäre: so würde die Gränze der Passatwinde genau unter dem Aequa - tor sein: da aber, wie wir oben gesehn haben, im Norden Kontinent mehr ist, als im Süden, und die Erwärmung auf der starren Erdhülle grösser ist, als auf der flüs - sigen (auf der opaken grösser als auf der durchsichtigen) so wird der Wärme-aequator nördlicher fallen als der physi - sche, und dieSüd-Ost -Winde werden etwas nördlich über den Aequator hinausgehn. Dies ist aber sehr verschieden in dem engen Meeresthale des atlantischen Ozeans und in dem ausgedehnten Bekken der Südsee. Weil um den atlan - tischen Ozean sich im Norden mehr Land befindet, als im Süden: so werden hier die Passatwinde nördlich über den Aequator hinausgehn. In der Südsee dagegen nähert sich der Zustand des[Erdsphäroïdes] schon mehr demjenigen, wo es ein pelagischer Körper wäre: auch liegt, wenn man271v Kalifornien etwa ausnimt, in der Südsee eben so wenig Land nördlich, wie südlich vom Aequator, daher wirdde[?]hier der Wärmeaequator oder die Gränze der Passatwinde sehr genau mit dem physischen Aequator zusammenfal - len. Die Regelmässigkeit der Passatwinde wurde schon frühe bemerkt, aber ohne den Grund davon angeben zu können, von Dampère1666. Später gab Haldleyeine vor - trefliche Abhandlung darüber. Man findet die Pas - satwinde nicht immer in gleichen Höhen über der Erde: L. v. Buchin seiner Beschreibung der kanarischen Inseln macht auf diese Erscheinung aufmerksam; auf dem Pic von Teneriffa herscht meist Westwind, und alle hohen Berge (über 14000 Fus) welche den Tropengegenden nahe lie - gen, haben denselben Westwind. Bei einem Ausbruche des Vulkans von St. Vincent, 1812 fiel die Asche auf die Insel Barbados, welche[im] Osten davon liegt, und durch den Ost - wind niemals Regen oder Wolken erhält. Mit dieser auffallenden Erscheinung ist der rükkehrende Strom in der Höhe erwiesen, und die Theorie der Passatwinde durch272r Erwärmung zu etwas mehr als Vermuthung geworden. Auch einen regelmässigen Land - und Seewind kann man aus der - selben Ursach erklären. Bei Tage, wo der opake Kontinent mehr erwärmt wird, als das Meer, bildet sich ein aufsteigen - der warmer Luftstrom, der einen Seewind veranlast: Abends dagegen, wo nach Sonnenuntergang das Meer länger seine Tem - peratur behält, aus der wärmeausstralende Kontinent, bildet sich ein Landwind, der oft weit in die See hinausreicht, und von den Küstenfahrern benuzt wird.

Unregelmässige Bewegungen in der Athmosphäre sind die Stürme, über〈…〉〈…〉deren Kraft man verschiedentlich Messungen angestelt hat. Die gewöhnliche Geschwindigkeit in einer Sekunde sind 60 Fus, doch giebt es auch Stürme, die 130 132 Fus zurük - legen. Vergleicht man damit die Schnelligkeit der Pferde, so zeigt es sich, dass sie nur wenig zurükbleibt; das berühmte Pferd Ecclipse, bei dem man genauere Messungen hat vorneh - men können, machte 58 Fus in einer Sekunde, aber nur mit an - fangender Geschwindigkeit: denn auf die Dauer konte es eine so starke Muskelbewegung nicht aushalten. Ich bringe hierbei in272v Erinnerung, dass der Schall 1038 Fus, eine Kanonenkugel mit an - fangender Geschwindigkeit 1500′ in einer Sekunde zurüklegen.

Über die hygrometrische Beschaffenheit der Luft habe ich mit dem Saussure 'schen Hygrometer sehr genaue Versuche anstellen können; es zeigte sich, dass der Feuchtigkeitsgehalt viel grösser ist, als man glaubt, unter den Tropen war er gewöhnlich 96°, wenn 100° als das Maximum angenommen werden. Ich habe da - durch eine grosse Genauigkeit erreicht, dass ich die Hygrome - ter vor und nach den Beobachtungen sorgfältig verglich. Es ist eine der lezten schönen Entdekkungen von Gay Lussac, dasserder Sättigungspunkt bei verschiedenen Flüssigkeiten verschieden ist, und manchmal schon bei 87° Saussure eintreten kann. Die Feuchtigkeit der Luft ist nach den Jahreszeiten und Zonen ver - schieden; unter den Tropen aber weit grösser, als man nach dem wenigen Regen erwarten solte. Wie wäre essonstmöglich, dass auf der Insel Marguerita, wo es oft in 2 Jahren nicht regnet,undinCumanà, in Marañon am obern Amazonen - strom, die wegen ihrer grossen Trokkenheit bekant sind, eine so herrliche Vegetazion herschte, wenn nicht eine grosse Menge Feuchtigkeit in der Luft suspendirt wäre. In der temperirten273r Zone sind im Mittel 0,78 Wässerdämpfe erforderlich, um die Luft zu sättigen, in der heissen Zonenaber 0,88. Es ist eine merk - würdige Eigenschaft der Pflanzen, dass sie die in der Luft schwe - benden Wasserdünste absorbiren, daher kann es eine üppige Ve - getazion in Gegenden geben, wo es nie regnet.

Die Trokkenheit der Luft nimt auf den Bergen nach oben hin zu, wie dies auch durch mehrere aërostatische Reisen bewiesen worden ist. Saussure's Hygrometer zeigte in Genf fortwährend 76°, während es auf dem Montblanc auf 51° stand. Ich sah es auf noch grösseren Höhen bis 48 und 46° herabgehn. Man bediente sich zu diesen Beobachtungen früher eines feinen Fischbeinstrei - fens, an dem die Veränderung der Längendimension durch einen Zeiger angedeutet wird: dies ist aber wegen der ungleichmässigen Zusammenziehung des Fischbein's nicht ganz zuverlässig: später machte man Versuche mit sehr konzentrirter Schwefelsäure, die man von salzsaurem Kalk absorbiren lies. Die beste Beo - bachtungsart ist aber die: dass man den Wärmegrad anmerkt, wobei ein kaltes Gefäs mit Wasserdünsten beschlägt,einedieMe - thode wurde von dem englischen Physiker Daltonangegeben, und Danielsverfertigte den Apparat dazu.

273v

Die Fortpflanzung des Schalles ist verschieden nach der Luft - reinheit und nach den Tageszeiten. Aristoteles, in den ihm zuge - schriebenen Problemen, hat schon die Bemerkung, dass man bei Nacht besser höre, als bei Tage, ohne den Grund davon zu ken - nen. Man hat geglaubt, dass bei Tage das Schwirren der Insekten, und das Geräusch der Menschen den Schall schwäche. Allein in den Wüsten des Orenoko, wo die Nachtinsekten ein stark-summendes Geräusch machen, und wo der Lärm der Brüll-affen und den von ihnen verfolgten Vögel gar nicht aufhört, sind die Nächte viel lauter als die Tage, und dennoch hört man das ferne Rauschen der Katarrakten in der Nacht ungleich deutlicher, als am Tage. Der Grund davon liegt gewis in der〈…〉〈…〉gleichmässigen Temperatur und Ausdehnung der Luftschichten bei Nacht. Die Schallwellen werden gebrochen, wenn sie durch nebeneinander - stehende Luftschichten von verschiedener Dichtigkeit gehn müs - sen. Dies ist bei Tage im höchsten Grade der Fall. Am Orenoko, wo der weisse Sand sich bis auf 42 50° R. erhizt, mus die über demselben aufsteigende Luftsäule viel dünner sein, als eine andre, welche über dem kühleren Rasen steht. Der grosse Mathematiker Poisson, der meineUntersuchunBeobachtungen274r69.der Berechnung unterworfen, hat gezeigt, dass in diesem Falle eine Art von Echo in der Luft entsteht,[das] den Schall schwächt. In dem Mémoire, welches ich darüber herausgegeben, habe ich einen sehr einfachen Versuch angeführt, der die Sache in's Licht sezt: wenn man an ein schäumendes Glas Bier oder Champagner schlägt: so klingt es wie Holz, weil der Schall aus dermtropfbarflüssigen Körper in den gasförmigen übergehn mus: sobald sich der Schaum gesezt hat, erhält das Glas seinen natürlichen Klang wieder. Parrybemerkte am Nordpol, dass man während der langen Nacht sehr viel weiter höre, als sonst. Er wolte eine Basis messen, und hatte bis zum Ende derselben mehrere Personen aufgestelt, um die Signale geben zu können: er fand bald, dass die mittleren Per - sonen ganz unnüz wären, weil man in der doppelten Entfernung sehr gut hören konte; er machte nun Versuche, wie weit sich dies treiben liesse, und fand, dass man in 6700 Fus Entfernung volkom - men gut verstanden wurde, ohne übermässig laut zu sprechen. Dies lag ohne Zweifel in der durchaus gleichmässigen Temperatur und Windstille der Luft. Der Schall nimt ab, mit abnehmen - dem Thermometer - und Barometerdruk: daher kömt es, dass man nahe Schlachten oft gar nicht, entfernte in grossen Weiten274v[] hört. In der Nähe von Paris haben Arago, Bouvardund ich Versuche mit Geschüzen in der Entfernung von 9500 Toisen an - gestelt, wo erst an dem einen Erde der Grundlinie, dann an dem andern abgefeuert würde, um so den Einflus aufzuheben, den der Wind auf die Beobachtungen haben könte. Wir fanden die Ge - schwindigkeit des Schalles bei +8° R. von 1038 Fus.

Wenn das Wassergas in die leichtere Luft aufsteigt: so ge - rint es zu Bläschen, von denen Gay Lussacannimt, dass sie mit feuchter Luft, welche leichter ist, als trokne, gefült sind: so geschieht es, dass die feuchten Wolken, welche aus einer gros - sen Menge solcher Bläschen bestehn, sich wie ein Montgol - fiere mit leichterer Luft heben: auch scheint es wahrschein - lich, dass die Luft zwischen den Wolken leichter ist. Fresnelhat eine vortreffliche Abhandlung darüber geliefert. An Bergen aufsteigend, wo Wolken sich gelagert hatten, bemerkte ich oft, dass in 4 5000 Fus Höhe die Temperatur grösser war, als sieundeutlich.sein solte, weil(mit jeder Lichterscheinung eine Erhizung ver - bunden ist.,)man in dieser Höhe in die Wolkenschicht gelangt, wel - che meist einen Raum von 2 3000 Fus einnimt, und durch die Sonnenstralen erwärmt wird.

275r

45. Vorlesung, 29.03.1828

Nachträglich. Die Meteorologie hat ihre numerischen Elemente wie die Physiologie, da man in neuern Zeiten den Zusammenhang ihrer Ursachen immer mehr und mehr eingesehn hat. Die hygrometrischen Versuche sind jezt zu grosser Volkommenheit gediehen, weniger gut aber sind die elektrischen Versuche. Die Elektroskope (denn Ele - ktrometer darf man sie kaum nennen) sind noch lange nicht genug ausgebildet, um auf die Beobachtung derselben numerische Verhältnisse gründen zu können.

Der chemischen Beschaffenheit der Luft habe ich nicht erwähnt,(sic) weil sie mit zu vielen fremden Bestandtheilen gemengt ist. Laplacehat vorgeschlagen, dass grosse wissenschaftliche Institute auf diesen Zweig der Naturwissenschaften einen besondern Fleis ver - wenden gchten, um die Beschaffenheit des Luftkreises genauer zu bestimmen: denn es ist die Frage noch unentschieden, ob seit den ältesten historischen Zeiten von den Annalen der Chinesen an, sich der Luftdruk verändert habe. Man glaubte etwas davon neu - erlich in den lombardischen Ebnen zu bemerken, allein es zeigte sich bei den verbesserten Thermometern und Barometern bald, dass es eine Täuschung gewesen war. Laplacedrang auch besonders275v darauf, dass die magnetischen Erscheinungen genauer bestimt würden. Allein für alle diese Zweige der Wissenschaft kann nur durch eine grosse Masse von Beobachtungen Genauigkeit erreicht werden, und man müste nicht etwa wie die Linnäische Geselschaft in Paris verfahren, die in ihren Statuten festsezte, dass jährlich einmal an Linnée's Geburtstag, das Thermometer und Barometer beo - bachtet werden solle.

Das Bluten auf hohen Bergen und beim Aufsteigen aus der Taucherglokke ist eine Folge von der Zerspringung der Gefässe. Auffallend ist es, dass Vögel, deren Respirazion doch am aller - volständigsten von allen Thieren organisirt ist, einem so gros - sen Unterschied des Barometerdrukkes ohne Schaden sich aussezen können; am meisten die grossen Geyer der Andeskette; diese sah ich oft 2 3000 Fus über den höchsten Gipfeln schweben, und sich dann auf die Hochebne von Quito, 6 7000 Fus tiefin wenigen Minuten herabstürzen; vielleicht senken sie sich noch weiter am Abhange gegen das Meer herab, und es läst sich berechnen, dass sie in kurzer Zeit 18000 Fus senkrechten Höhenunter - schied ertragen können.

Durch neuere Versuche hat man den Athmosphärendruk unter276r den Tropen und bei uns zu bestimmen gesucht, der nicht blos zur - henmessung von Bergen und Städten über dem Meere sehr wichtig ist, sondern auch in physikalischer Hinsicht. Da der aufsteigende Luftstrom unter den Tropen stärker ist als bei uns, so wird auch dort der Barometerdruk geringer sein. Dies habe ich durch eine Menge von Beobachtungen zu beweisen gesucht, undHerr Boussin - gaulthat es durch neuere Versuche in jenen Ländern bestätigt. Der mittlere Barometerdruk auf die Temperatur ± 0 R. redu - zirt, ist

  • in der temperirten Zone = 337,25 Lin. (28″ 1,2‴)
  • unter den Tropen = 336,94 (28″ 1 Lin.)
  • Differenz = 0,3 Linien.

Die Frequenz periodischer Winde macht für manche Gegenden Ausnahmen. In Paris hat man durch die mühsame Berech - nung von21-jährigen Beobachtungen eruiren können, dass bei Südwind das Barometer 3,5 Linien niedriger steht als bei Nordsturm: eben so verhält es sich in der Havannah. An - dre Ausnahmen werden durch Winde hervorgebracht, die eine feuchte Luft herbeibringen. L. v. Buchbemerkte, dass der Ba - rometerdruk in Skandinavien geringer sei, als bei uns, auf276v den kanarischen Inseln dagegen findet nach demselben Reisen - den eine grössere Anhäufung von Luft statt, welche das Barometer auf 28″ 3‴ erhält, bei 18° R.

Dass die Passatwindeihreihren Ursprung haben in dem Überfliessen der erhizten Aequatorialluft gegen die Pole hin, wurde zuerst von dem Engländer Hughbehauptet, wie man jezt aus seinen: postumous works ersehn kann. Der südöstliche Passatwind erstrekt sich 3 nördlich vom Aequator.

Auch die Verschiedenheit der mittleren Temperatur in den beiden Hemisphären hat man dem Kalkul unterworfen: Prévostin Genf hat berechnet, dass dieTemperaturder südlichen sich zu der der nördlichen verhalte wie 9: 10.

Ein Engländer John Beebemerkte 1665 zuerst, dass am Morgen das Barometer〈…〉〈…〉höher stände, als am Mittag: an den afrikanischen Küsten sahen es zuerst: Varinund Claude.

Für die Extension des Barometer-standes von dem höchsten bis zum niedrigsten Punkte kann man wieder277r nur Mittelzahlen nehmen: diese betragen:

für den Aequator= 1,5 Linie
für Montpellierfür Paris= 0,5
für Paris= 0,3
für Königsberg= 0,1

Das lezte Resultat hat Besselaus den10-jährigen Beobach - tungen vonHerrn Sommerberechnet, und so gering auch die Quan - tität ist, so ist sie doch richtig.

Eine Reihe von Beobachtungen in Sta de Bogotà eines Theiles, und die Berechnungen von Bouvardanderer Theils, der aus 8900Beobachtungendas Mittel nehmen komte, geben das Resultat, dass der Mond keinen bemerkbaren Einflus auf die horairen Oszillazionen der Athmosphäre hat, wenig - stens beträgt derselbe nicht 0,01 Linie.

Pictetin Genf, der kürzlich verstorbene Physiker hat veran - staltet, dass man Barometerbeobachtungen fast auf dem höchsten der bewohnten Punkte von Europa, in dem Kloster desSt. Bernard anstelt: es fand sich, dass das Barometer in Genf sinkt, wenn es auf dem Bernard steigt.

277v

Brandes, der früher in Breslau war, beschäftigte sich viel mit der Schnelligkeit der Fortpflanzung der Barometerverände - rungen über grosse Erdräume. Benj. Franklinhat beobachtet, dass die Nordstürme zuerst in Georgien gefühlt werden, dann in Virginien, endlich inNeu-England: die Luftveränderung entsteht also von Süden her. L. v. Buchfand dasselbe an den afrikanischen Küsten. Der Wind fängt da an, wohin er strebt. Dies hängt mit einer Erscheinung auf Gran Canaria zusammen, wo das maximum der Wärme nicht in den Juli, sondern in den Oktober fält, wegen der ver - änderten Richtung des Windes. George Glasbemerkte zuerst, dass auf dem Pic von Teneriffa fast immer West - wind hersche.

In Paris verhält sich die Zahl der Tage, in denen Ostwind weht zu denen, in denen Westwind weht, wie 23: 70, also beinahe wie 1: 3: die Westwinde sind also sehr vorherschend.[Wenn] das obige Verhältnis wie 1: 7 wäre, so würde die mittlere Temperatur von Paris um R. höher werden. Die grösse - re oder geringere Kultur kann keinen Unterschied in278r70.der Temperatur irgend eines Landes hervorbringen. Die Ursa - chen davon liegen zu fest begründet, und der Mensch ist nicht mächtig genug, gegen die Masse der Elemente anzukämpfen.

Zu den noch unerklärten Erscheinungen gehören die Aequatorinoxialstürme: in dem Steigen der Sonne ist durch - aus kein Grund zu finden. Die Gefahr dauert 3 Wochen, während welcher Zeit die Schiffe nicht gern auslaufen. Nach den Entdekkungen von Oerstädtüber die elektri - sche Kraft glaubte man annehmen zu können, dass es gewisse Linien im Weltraume giebt, in welche die Erde um diese Zeit trit; allein schon die Präzession der Ae - quinoxien verändert jährlich diesen Punkt, und dann müste es ein wunderbarer Zufal sein, dass grade seit den frühsten historischen Zeiten die Erde sich in dieser Läge während der Nachtgleichen befindet. Wahrschein - lich ist es der Effekt des gestörten Gleichgewichtes der südlichen und nördlichen Hemisphäre, welches um diese Zeit fühlbar wird.

278v

Es ist eine in den Alpengegenden bekante Erfahrung, dass die Fortpflanzung des Schalles mit dem Licht zu - sammenhängt: wenn man bei Nacht gut hört, so erwartet man bald Regen oder eine andre Wetterveränderung.

Die Wolken steigen bei Tage und sinken bei Nacht, wovon man sich an solchen Abhängen überzeugen kann, die in die Wolkenregion hinaufreichen.

Ein Berg wird anders die Wärme stralen, als die Luft: der Gipfel erkältet sich früher, die Wasserdämpfe werden nie - dergeschlagen: daher entsteht eine kleine Wolke, die am Berge hängen bleibt, und die man fast an allen isolirten Gipfeln sieht.[Man] nent sie den Hut oder die Haube. J〈…〉〈…〉Indessen scheint es nicht, als ob hierbei eine Molekular-anziehung des Berges gegen die Wasserbläschen statt fände, sondern es sind die am Berge aufsteigenden erwärmten Luftschichten. Daher die Erscheinung, dass wo ein Meeresufer, eine flache Küste, dann hohe Berge zusammenstehn, es selten auf der Küste regnet, weil die Wolken darüber weg bis an das Ge - birge ziehn: so in Aegypten, so an der peruanischen Küste.

279r

Über die Form der Wolken hat L. v. Buchsehr richtige Bemerkungen gemacht in einer Abhandlung über den Hagel.[Der] Engländer Howardhat dafür eigene Namen eingeführt, die alle aus dem lateinischen genommen sind, wie Cirrus,[Stratus],[Cumulus]pp. in deren deutscher Übersezung man nicht glük - lich gewesen ist. Die höchsten davon sind die sogenanten Schäfchen. Unter den Tropen habe ich sie unbeweglich in den grösten Höhen stehn sehn; eine Messung, die mehr als Schä - zung ist, ergab mir, dass sie bis zur ungeheuern Höhe von 27000 Fus sich erheben. In Island und auf Parry's Expedizion sah man sie bei Nacht leuchten nachdem vorher ein starkes Nordlicht gesehn worden war; mit dem sie vielleicht im Zusammenhange stehn. Die Höhe der niedern Wolkenschicht hat[ man] auf 2erlei Art zu messen versucht 1, an den Abhängen der Berge, wie Daltonin England: dies ist aber nicht genau, wegen der Attrakzion der Berge. 2, besser durch aerostatische Reisen: man fand, dass sie bei uns im Sommer gegen 3000 Fus hoch stehn, unter den Tropen 5000 Fus; nach meinen Winkel -279v messungen. Von dem schönen Klima von Galapa bis aufwärts nach dem Thale von Quito und der Hochebne von Antisana liegen mehrere Schichten übereinander: denn es ist klar, dass eine Hochebne, wenn sie nur Ausdehnung genug hat, wieder als eine Fläche wirkt, über der sich Wolken sammeln. Bou - guerhat sogar die Menge der Schichten der Probabilitätsrech - nung unterworfen. Er muste bei der Gradmessung mehrere Wochen auf einer Höhe von 9000 Fus warten, um ein Signal an der Südsee zu sehn, und berechnete während dem, wieviel Wolkenschichten sich zu öfnen hätten, bis er es sehn könne.

Auf allen niedrigen Inseln liegen Wolken, wegen der aufsteigenden warmen Luftsäule. Dies ist für die Schiffer vortheilhaft, wenn sie ihre Länge verloren haben: sie kön - nen die Insel als einen Berg von 5000 Fus sehn, wegen der Wolkenschicht: eben so ist es mit den Sandbänken, die man an den Wolken bis auf 32 LieueseEntfernung sehn kann.

Die Wolken wirken theils erwärmend, theils erkältend; erkältend, indem sie die Wirkung der Sonne verhindern; in Peru am Ufer des Meeres, klagt man schon bei +12° R. über280r Kälte; so tief können Wolken das Thermometer herabdrükken; wärmeerregend, indem sie die Stralung des Erdkörpers ver - mindern: das Thermometer steigt, wenn an heitern Tagen eine Wolke vor die Sonne tritt.

Wellsin England machte schöne Entdekkungen über die Theorie des Thaues: er fand dass zur Erkältung der Athmo - sphäre ein wolkenfreier Himmel und Mangel an Wind gehören. Körper, wie Wolle, Papierpp. können sich bisum6 oder R. erkäl - ten, wenn man sie des Nachts unter wolkenfreiem Himmel stehn läst: legt man dagegen eine Pappe darüber, so verlieren sie sehr wenig an Temperatur. Metallflächen werden nur um erkältet, weil das Metall ein sehr guter Wärme - mithin auch Kälte-leiter ist. Hierauf beruht die kälteerregende Ei - genschaft der Wälder. Das appendikuläre System der Pflan - zen, dessen unsre Dikotyd〈…〉〈…〉ledonen zu ihrer Ernährung bedür - fen, oder die Blätter-organe der Monokotyledonen bestehn in dünnen Scheiben, welche fortwährend Wärme ausstralen, und da sie selbst Wärme nöthig haben, der umgebenden Luft ihre Wärme entziehn, folglich sie erkälten. Daher wird es möglich,280v in Ostindien, wo das Thermometer selten auf +5 bis R. sinkt, Eis zu machen. Die Stralung ist auch grösser im Freien, als in bedekten Räumen, daher ist es nicht selten, dass man un - ter den Tropen am Morgen Eis in den Strassen sieht, obgleich die Temperatur in den Häusern noch nicht bis R. gesunken war. Die porösen Theile stralen Wärme gegen den wolkenfreien Himmel, und es bildet sich am meisten Eis, wenn die Athmosphäre ruhig ist. Damit hängt die Theorie der Akkerleute zusammen, dass der rothe Mond im Mai (la lune rousse) schädlich sei; weil wenn der Himmel um diese Zeit wolkenleer ist, durch die Wärmestralung der Erde die erwachende Vegetazion nicht Wärme genug findet.

46. Vorlesung, 31.03.1828

Die Meteorologie hat ihren geographischen Theil, wie die Bo - tanik, und um diesen gehörig aufzufassen, halten wir uns bei der Erklärung der einzelnen Phänomene nur insofern auf, als sie zur Deutlichkeit des Ganzen beiträgt; im allgemeinen wollen wir nur die Vertheilung der Erscheinungen nach den Erdzonen andeuten. Über die Bestimmung der mittleren Temperatur der Städte hat man erst seit 120 Jahren angefangen, Beobachtun -281r gen zu machen. Die Barometrie und Hygrometrie hat aber erst in ganz neuer Zeit ihre wahre Ausbildung erhalten.

Das Geographische des Thaues, wovon Wellsvor 15 Jahren die Theorie angab, besteht darin: dass es auf dem Meere sehr wenig thaut, wegen des geringen Temperatur-unterschiedes der vom Wasser aufsteigenden Luftschichten: daher dient das Erscheinen des Thaues auf dem Verdekke den Schiffern zum Zeichen, dass sie sich in der Nähe eines Kontinentes befinden. Unter den Tropen thaut es stärker als in der temperirten Zone: dies rührt von der lichtschwächende Kraft der Athmosphäre her: unter den Tropen ist das Wassergas in der Luft volständiger aufgelöst enthalten, deshalb wird des Abends eine grössere Menge von Feuchtigkeit niedergeschlagen.

Die Bildung des Regens ist lange räthselhaft gewesen, und es ist wahrscheinlich, dass mehrere Ursachen dabei zusammenwirken müssen. Die Hauptsache beruht aber auf folgendem Saz: die Expansivkraft der Wasserdämpfe steigt nicht in derselben Reihe wie dieGradzahl der wachsenden Tem -281v peratur: wenn dieses eine rein-arithmetische Reihe ist, so - hert sich jenes fast einer geometrischen. Wenn daher Luft - schichten von verschiedener Temperatur sich mengen, so erhält diese gemengte Luft eine mittlereTemperaturaus beiden, ist aber als dann nicht mehr im Stande, die Menge Wassergas, wel - che in beiden Luftschichten enthalten war, zu fassen, und es entsteht eine Prezipatazion oder Regen. Das Regen - wasser ist sich unter allen Zonen in seiner Zusammensezung gleich. Ich habe viele Versuche darüber angestelt, die aber nicht leicht zu machen sind, da man das Regenwasser weder in der Nähe der Wohnungen, noch auch der Wälder sam - meln darf, weil sonst durch die Verdampfung eine Men - ge fremder Bestandtheile mit in die Höhe gerissen werden. Berzeliushat in unserm Regenwasser nie salzsauren Kalk, wohl aber etwas Salpetersäure gefunden. Brandeswolte sehr viele Bestandtheile, unter andern einen Meteor-mucus darin gefunden haben: allein es ist wahrscheinlich, dass dies alles fremdartig-hinzugekommenes ist. Unter den Tropen,282r71.wo der Wechsel der Jahreszeiten nicht so heftig ist, als bei uns, nent man die Regenzeit den Winter, und die Zeit des heitern Himmels den Sommer, welcher grade in den Dezem - ber fält. Das Anfangen der Regenzeit fält mit dem Aufhören der östlichen Passatwinde zusammen. Bis zu dieser Zeit bleibt der Himmel fast ganz wolkenlos; und das einzige Wasser zur Nahrung der Thiere ist in den Pflanzen. Das Parenchyma der Pflanzen, besonders der Melo - cacten hat die Eigenschaft, dass es das in der Luft suspen - dirte Wassergas an sich saugt: dies wissen die Pferde und Esel durch einen sonderbaren Instinkt, und suchen mit ihren Hufen die Stacheln dieser melonenartigen Früchte wegzu - schlagen, um sich des Wasser zu bemeistern: oft verwunden sie sich dabei, und bleiben lahm. In Caracas sind in den 5 6 Sommermonaten die Wolken so selten, dass ein über dem Zenith hinziehendes Gewölk das Tagesgespräch der Stadt wird; dann aber, wenn die Regenzeit bevorsteht, verändert sich die Bläue des Himmels vom tiefen Indigo zu einem282v blässeren; das Hygrometer deutet Feuchtigkeit an, und die Sterne, welche vorher einen milden planetarischen Glanz hatten, fangen an zu funkeln. Wegen der eintretenden un - gleichen Mischung der Athmosphäre wird eine Neutrali - sirung der Lichtstralen möglich, von deren Interferenz das Funkeln herrührt: dann zeigt sich inNordostGewölk, und die östliche Brise hört auf; das Elektrometer, welches in der troknen Zeit eine gleichmässige Spannung zeigte, hat dann oft gar keine, bald springt es von + zu Elek - trizität: es ist ein Gewitterzustand ohne Gewölk; dann wetterleuchtet es alle Abend ohne Donner, und einzelne Wolken ziehn über den Zenith; endlich im April und Mai thürmen sich viel Wolken, und der Regen schiest in Strömen herab; die Passatwinde springen nachWestundSüdwest. Für alle diese Phänomene giebt es eine gut - ausreichende Erklärung. Wenn nämlich die Sonne in die nördlichen Zeichen tritt; so ist es in der temperirten Zone beinahe so heis als unter den Tropen: es findet283r alsdann das minimum der Differenz zwischen den beiden Temperaturen Statt: das Wassergas, welches also in der temperirten Zone niedergeschlagen wurde, häuft sich nun, wo die Hize in der temperirten Zone den Niederschlag nicht zuläst, unter dem Aequator an, und verursacht Regen: gegen den 15tenApril geht die Sonne durch den Zenith eines Ortes unter 10°Nordbreite, welches als das Mittel der heissen Zone anzusehn ist, und alsdann fängt die Regenzeit an.

Die Quantität des Regenwassers, welche in den verschiede - nen Zonen fält, ist sehr genau ermittelt worden.

  • Bei uns in einem Jahre 18 24 Zoll
  • unter den Tropen 108 120 Zoll.

Doch giebt es auch Ausnahmen davon:

  • an der Westküste von England 45 Zoll
  • an der Ostküste 22

L. v. Buchbemerkte, dass in derHUferstadt Bergen auf der skandinavischen Halbinsel 70 92 Zoll fallen; während im Innern des Landes, wenige Meilen davon, nur283v 10 15 Zoll fallen; das heist, wenn die Erde keine Einsau - gungskraft hätte: so würde das Wasser nach Verlauf eines Jahres so viel Zoll hoch stehn.

Unter den Tropen fält in einem Tage oft 4 mal so viel Regen als bei uns: denn es scheint, je höher die Wolken liegen, in denen er sich bildet, um desto grösser werden die Tropfen. Mit der Temperatur der Tropfen habe ich mich viel beschäftigt, und gefunden, dass sie meist 1¼° kälter sind als die Luft. Dies kann zum Theil seinen Grund haben in der Verdünstungskälte, die im Fallen erregt wird, oder in der Höhe der Region der Bildung. Beaugiraudder diese Versuche für die temperirte Zone wiederholte, fand dasselbe Resultat, dass die Tropfen bis 1½° R. kälter sind, als die Luft. Doch fand ich unter den Tropen auf grossen Höhen auch Ausnahmen von der Regel: die Tropfen waren etwas wärmer als die Luft. Auch in der temperirten Zone giebt es sonderbare Regengüsse. Während sonst im südlichen284r Frankreich in einem Monate gewöhnlich Zoll fallen: so erlebteTardy de la Fosseeinen Gus, der in 22 Stunden 1 Fus 5 Zoll lieferte. Etwas ähnliches geschah in Cayenne:Captain Houssinberechnete in 24 Tagen 12 Fus 7 Zoll, wel - ches noch etwas weniger ist, als im südlichen Frankreich.

Man hat Ombrometer auf der Höhe eines Thurmes und in der Ebne aufgestelt, und gefunden, dass auf dem Thur - me die Quantität geringer ist. In Frankreich hat man solche Versuche auf dem Observatoire von Paris gemacht, welches ungefähr 90 Fus über der Strasse erhoben sein mag. Bouvardberechnete den Unterschied von 10 Jahren, und fand, dass es unten um ¼ mehr regnete, als oben.

Vom Schnee.

Noch immer ist die Krystallisazion des Eises ungewis: vielleicht ist sie〈…〉〈…〉sogar nach den Zonen verschieden: früher hielt man sie für hexaedrische Prismen. Clarkefand aber, dass es Rhomboëder von 60und120° sind. Mit - scherlich's neue glänzende Entdekkungen lassen vermuthen,284v dass die Krystalle verschieden sein können, nach dem Druk - ke und andern Umständen, unter denen das Wasser kry - stallisirt. Der Schnee enthält eine grössere Quantität Luft, als das Eis; ich habe dies mit Gay Lussaczum Gegen - stande einer eignen Untersuchung gemacht. Bei jedem Frieren des Wassers wird Luft ausgestossen, aber bei der Eisbildung mehr als bei der Schneebildung. Wir fanden doppelt so viel Luft in dem Flus-eise als in dem Luft - eise. Die Schneebildung am Pol ist von Scoresbygenau untersucht worden. Unter den Tropen ist sie sehr merk - würdig; alle indianische Sprachen und auch die spani - sche haben eine Menge von Ausdrükken für die Anhäu - fungen und Mischungen von Schnee und Eis, die aus der Luft herabkommen. Diese gehören zu den grösten Unannehmlichkeiten, die man bei dem Ersteigen von ho - hen Bergen unter den Tropen zu dulden hat: das Gesicht wird davon wie zerschnitten. Es schneit häufiger auf dem Gipfel der Kordilleren, wenn die Temperatur über285r ± R. als wenn sie darunter ist: oft bei 2und Wärme: wäh - rend am Pol noch bei 12° R. Schnee fallen kann, wie dies Ross, Scoresby[und,] Sabineund andre beobachteten. In meiner Abhandlung über die isothermen Linien habe ich eine Tafel über die verschiedenen Höhen gegeben,unteraufdenen es zu schneien anfängt:

  • unter den Tropen in 12000 Fus Höhe.
  • unter dem Tropicus Caneri in 9300 Fus

in Mexiko, welches ungefähr so hoch liegt, sieht man äusserst selten Schnee, in 50 Jahren nur 2 mal, und son - derbar genug, das erstemal, als die Jesuiten aus jener Stadt vertrieben wurden, das 2temal, in dem Jahre, als sie dahin zurükkehrten. Auch in Neu-Valladolid gehört der Schnee zu den grossen Ausnahmen.

Über die Quantität des Wassers, das man aus dem Schnee ziehn kann, habe ich mehrere Versuche angestelt: nicht zusammengeprest giebt er seines[?]seinesVolumens an Wasser: sehr zusammengeprest 1 / 12[] her.

285v

In Argyleshire in Schottland will man leuchtenden Schnee gesehn haben: es war dies vielleicht ein elektrisches Phäno - men von eigner Art, welches mir indes nie vorgekommen ist. Wenn es gegründet ist, was man dabei behauptet, dass die Finger vom Anfassen leuchtend geworden sind, so ist auch vielleicht eine meteorische Vegetazion dabei im Spiele.

Vom Hagel.

Der Hagel wird, je mehr man sich mit Untersuchungen über ihn beschäftigt, immer räthselhafter. Man hat weder die Bedingungen für seine Bildung noch für sein Vorkommen feststellen können. Am Pol hagelt es fast gar nicht; mehr im südlichen Europa als im nördlichen; gar nicht unter den Tropen. Thibaut Chamballonführt an, dass es in Martinique während 50 Jahren nur 1 mal gehagelt habe. Von bis 10°Nord -Breite bildet er sich erst in 3000 Fus Höhe: in Caracas und an der ganzen Küste erregt er jedesmal grosses Aufsehn. Am häufigsten fält286r72.er am südlichen Ausgange der Alpenthäler: die Thäler von Ivrea, Aosta und Lugano haben deshalb eine traurige Be - rühmtheit erlangt. Sehr wenig hagelt es auf den grossen Höhen der Alpen, unter den Tropen in 8000 Fus Höhe wie - derum so häufig, dass dies ein Hauptgrund für das Nicht - fortkommen der Cerealien ist, die sonst in diesen Höhen ein vortrefliches Klima finden würden. Es hagelt mehr bei Tage als bei Nacht; ja man glaubte früher, dass es bei Nacht gar nicht hagle: dies hängt wahrscheinlich mit der Sonne nicht als einem leuchtenden sondern als einem erwärmenden Himmelsphänomen zusammen. Die Grösse der Hagelkörner ist im Süden beträchtlicher als bei uns: auf grossen Höhen findet man sie nicht selten von ¼ ½ Pfund an Gewicht. Haynein seiner Reise nach Ostindien erzählt, dass zur Zeit Tippo Sahibs ein Hagelkorn gefallen sei, so gros als ein Elephant, das beim Zerschmelzen sehr übel noch: allein die Beobachtung ist sehr unsicher. In Orenburg sollen Hagelkörner gefallen sein, die in der Mitte286vkristallinischen Schwefelkies enthalten sollen: allein dies beweist nur, dass in jener Gegend Schwefelkies auf dem Boden gefunden werde: ein schwefelkieshaltiges Hagelkorn ist noch von kei - nem Physiker untersucht worden.

Die Form der Körner ist sehr merkwürdig: da sie wäh - rend des Fals rotiren, so erhalten sie grade die Gestalt der Weltkörper: einzelne Lagen sind konzentrisch über einander geschichtet: an den Polen sind sie abgeplattet, unter dem Ae - quator hat sich oft schönes durchsichtiges Eis angehäuft; ja 2 mal ist es mir geglükt, kleine Saturnringe zu entdekken, die bei leichtem Klopfen abfielen. L. v. Buchfand in Skandi - navien sehr merkwürdige Hagelkörner, die eine Spize nach oben hatten. Ein seltenes Phänomenunteraufder Andes - kette ist rother Hagel, doch kömt er vor; rothen Schnee dage - gen fand ich nie unter den Tropen, und konte auch keine Spur davon entdekken, so oft ich mich auch bei den India - nern danach erkundigte; der rothe Hagel ist um so merk - würdiger, da man bis jezt nie etwas vegetabilisches im287r Hagel gefunden hat. Der rothe Schnee besteht in einem kleinen Pilze, der sich auch in wärmeren Klimaten fortgepflanzt hat: wenn man Abends 2 3 Körner unter das Mikroskop legte, so fand man am Morgen 5 6: in der Nacht warenKapfelKapselnaufgesprungen, in denen mehrere Körner lagen.

Volta, der gröste Physiker unserer Zeit hat eine Theorie des Hagels gegeben, wonach er durch eine grössere Verdunstung des Wassergases in der Luft herbeigeführt we[?]ird. Das Rasseln, welches man vor dem Falle des Hagels in den Wolken hört, er - klärt er dadurch, dass die Körner von 2 Wolkenschichten ange - zogen und abgestossen werden, die entgegengesezte Elektrizität haben. Beim Überspringen aus einer Wolke in die andre mus ein Geräusch entstehn. Das Rasseln hört man weniger unter den Tropen, als bei uns, vielleicht weil dort sich der Hagel in einer höhern Region bildet.

Von der Luftwärme.

Die mittlere Temperatur eines Ortes, wenn wir von allen mög - lichen andern störenden Ursachen abstrahiren, hängt von287v von der Höhe der Sonne und dem Einfallen ihrer Stralen ab. Von der senkrechten Incidenz bis 20° Abstand davon ist die Wir - kung für die Wärme ganz dieselbe: daher kömt es, dass die Zone vom Aequator bis 15 und 18°Nord -undSüd -Breite davon ganz gleich in der mittleren Temperatur sind; auch bemerkt man von Mittag bis 3 Uhr wenig Unterschied in der Wärme. Wenn wir uns der atomistischen Vorstellungsart bedienen wollen: so können wir sagen: wenn eine Fläche von einem Lichtstral getrof - fen wird: so wird ein Theil verschlukt, der andre zurükgeworfen. Da nun die Berge, vermöge der Polygonalfiguren ihrer Ober - fläche mehr Area darbieten: so erhöhen sie die Quantität der absorbirten Lichtstrahlen. Die Entdekkung, dass der senkrechte Stral und der unter 20° einfallende dieselbe Wärme geben, ver - danken wir Arago's photometrischen Versuchen. In der Lombardei hat man die Erfahrung gemacht, dass der Oel - baum nicht in den Ebnen fortkomt,weilsondernan Ab - hängen gepflanzt werden mus, weil er hier mehr Wärme erhält. Die hügligen Gegenden am Fusse eines Berges eignen sich am besten dazu.

288r

47. Vorlesung, 01.04.1828

Wenn wir uns zu höheren Ansichten erheben, so finden wir, dass die Vertheilung der Wärme auf dem Erdkörper zu den wich - tigsten Momenten gehört, auf welche das Leben und der Kultur - zustand der Menschen basirt sind. Hier ist der Punkt, wo die grosse Lehre von der Vertheilung der Wärme über den Erdkör - per sich an die Geschichte der Menschheit anknüpft. Ebendes - halb fält das Problem ausserhalb des Gebietes einer rein phy - sikalischen Empirie. Man kann nicht läugnen, dass das Klima, und sein erhebender oder niederdrükkender Einflus gleichsam das ganze häusliche und bürgerliche Leben einer Nazion durchdringen. Es hat den grösten Einflus auf die Entwilderung des Menschengeschlechtes: es offenbart sich in dem Karakter, dem Kulturzustande, vielleicht selbst in der Sprach-entwik - kelung einzelner Volkerstämme. Im Abendlande wird es als eine der ältesten geschichtlichen Überlieferungen betrachtet, dass das gemässigte Klima für die Geistes-ausbildung am günstigsten ist: allein das Wort gemässigt hat einen so weiten Sinn, dass man nicht immer genau sagen kann, was damit288v bezeichnet ist. Zwischen dem 30und45°Nordbreitemüssen wir im Abend - lande den Hauptsiz alter Kultur und Gesittung annehmen, und in Griechenland insbesondere östlich vom thermäischen Meer - busen bis an den Ausflus des Aous. In den Gegenden wo die mittlere Temperatur des Jahres 11° bis[?] 14° R. beträgt, wo diemittlereTemperaturder 3 Sommermonate sich bis 20°und21° R. erhebt (während sie für Berlin in derselben Zeit kaum 13½° ist) da ist die gesegnete Zone der Oelbäume und andrer treflicher Gewächse. Diese Ansicht herschte schon in der alten religiösen und politischen Geselschaft der Pythagoräer, worüber uns eine merkwürdige Stelle beim Photiuserhalten ist, die ich hier anführen werde:

Die Griechen haben an sittlicher Bil - dung alle Barbaren übertroffen, weil sie den gemässigten Theil der Erde bewohnen. Die Skythen und Aethiopier, von denen die einen durch Kälte, die andern durch Hize gequält werden, sind eben deshalb von heftiger und leiden - schaftlicher Natur. Die Griechen und vor allen die Athener haben verbessert, was ihnen von den Barbaren zugebracht wor -289r den ist: Malerei und andre Künste, Mathematik und Wohlre - denheit haben sie zuerst erfunden. Diese Art der Bildsamkeit ist aber dem Lande der Griechen eigen, weil dort die reinsten und dünnsten Lüfte wehen. Attika ist unfruchtbar und dürr, denn eine solche Luftbeschaffenheit schadet dem Ertrage des Bodens, ist aber heilsam den Seelen der Athener.

Eine noch ältere Menschenkultur zwischen dem 30und45°Nordbreite finden wir in Aegypten, Susiana Medien und Persien: hier wo die mittlere Temperatur des Jahres 18 bis 19°R., die der 3 Som̃ermonate 24° ist, finden wir die fruchtbare Zone des Zukkerrohres. Dies Klima ist dem der Tropen so ähnlich, dass man es nur gemässigt nent, weil es nicht unter den Wendekreisen liegt.

Einen eben so alten Siz des Menschenkultur finden wir mit - ten unter den Tropen in Meroë, einem leuchtenden Mittel - punkte priesterlich-begründeter Zivilisazion; in derSüd-West - ekke von Arabien, berühmt durch die Homeriten und Sa - bäer; in Indien; nicht dem von Alexandereroberten im289v Pendjab, sondern in dem südlich vom Ganges gelegenen, in Cambodja und Dekan. In allen drei Punkten wohnte die Kultur nicht auf Berghöhen, sondern in den Ebnen selbst; wo diemittlereTemperaturim Sommer 26 bis 27° R. erreicht. An - dere Mittelpunkte der Kultur sind durch einwildesunbeständigesKli - ma ausgezeichnet: so Benares in Indien, aber den Bergen schon näher gelegen, wo man eine Masse von Beobachtun - gen mit maxima-thermometern von Symesangestelt hat, durch welche es erwiesen ist, dass dort die Hize im Sommer bis 34° R. steiim Schatten steigen kann, wäh - rend sie im Winter bis auf +[?] sinkt: hier ist also ein ganz unverhältnismässiger Unterschied in den Jahres - zeiten. Vom Aequator an bis 45°Nordbreitewo die mittlere Temperatur zwischen 11 und 22° sich hält, da ist das schöne Klima des Oelbaums, des Weinstoks, der Dattel - palme und des Zukkerrohres. Unmöglich ist es nicht, dass die Kultur in diesen schönen Himmelstrich einge -290r73.wandert sei, wenigstens haben wir keine sichern Data da - rüber: allein Memphis, Babylon und Iran, wo eine so hohe und ausgedehnte Kultur herschte, stehn diesen Ideen entgegen, und zeigen, dass die Zivilisazion ihre Ursize auch unter den Tropen haben kann.

Ganz anders wirkt die Kälte auf die menschlichen Verhältnisse. In jenen Gegenden, wo die mittlere Temperatur des Jahres 1 bis 1,5° R. beträgt, wo die des Sommers sich nicht über +7° R. erhebt, (bei welcher Temperatur erst die Birken anfangen auszuschlagen) da kann das Menschengeschlecht nicht besonders gedeihen, noch we - niger zur Kultur sich erheben. Da wo nicht einmal die mehlreichen Gräser fortkommen, die dem Menschen zur hauptsächlichsten Nahrung angewiesen sind, da kann keine Geistesausbildung Statt finden; (am höch - sten hinauf gedeihen die Gerste und die Kartoffeln) dies ist das ganze nördliche Asien über 60°Nordbreite[,] in290v Amerika fängt diese traurige Zone schon unter 53° an, und erstrekt sich aufwärts vom Parallelkreise des südli - chen Labrador.

In Europa ist der nördliche Theil, die skandinavische Halbinsel so gegliedert, und ihr Klima durch die oben - erwähnten Ursachen so gemildert, dass Gerste unter 69½° bis Lingnochhinauf gebaut wird, nach L. v. Buchund Wahlenberg. Jener Strich aber in Asien, zwischen den Flüssen Lena, Jenisei und Obi, wo Finnen und Tschuden wohnen, ist der sittlichen Bildung immer schäd - lich gewesen. Diese Völker sind noch Barbaren zu nennen gegen die zwar auch ungebildeten Bewohner der Berg - rükken von Zentral-asien. Denn wenn auch Mittel - asien nie Epoche gemacht hat, weder in der Völker,-noch in der Kulturgeschichte: so gehört doch der Flor von Kaschgar zu den schönen Zeitpunkten: eben so die mongo - lische Herschaft; Olug Begaus dem Stamme der291r Timuriden begünstigte sogar die Astronomie: die Stern - warte von Samarkand war zu ihrer Zeit berühmt: doch war dies alles nur, wie wir oben gesehn haben, ein Ab - glanz der〈…〉〈…〉arabischen Kultur.

Klimate, wo diemittlereTemperatur+2 und R. beträgt, sind der Entwilderung des Menschengeschlechtes ebenfals sehr ungünstig. Zwar finden wir im höchsten Norden, in Island, die Blüte der skandinavischen Dichtkunst, allein es scheint, als ob sie von fernher hereingebracht wäre.

Nicht so mit der Wärme; sie hindert die freie Muskelbewegungistnicht, und überhebt den Menschen der ängstlichen Sorge für seine Unterhaltung.

Unter allen Instrumenten ist das Thermometer das - jenige, was den Menschen die meisten Ideen gegeben hat: denn die Betrachtungen über die Vertheilung der Wärme auf dem Erdkörper führten zu neuen Ideen über291v Akkerbau, Handel und Kultur überhaupt: kein Instrument erweiterte so sehr den Horizont, als grade dieses. Es wurde 1600 von Drebbein Alkmaar erfunden, aber lange noch nicht benuzt. Merkwürdig ist es, dass der grosse Halleyseine vielentheoretischen Untersuchungen über die Vertheilung der Wärme auf der Erde ohne Thermometer gemacht hat. Reaumurin Paris hat das Verdienst, dass er zuerst das Thermometer anwendbar machte, indem es durch ihn vergleichbar wurde. Er gab sie mehreren Reisenden, besonders Jesuiten mit, die nach dem innern Afrika und Indien gingen, und nun erst wurde es möglich, die Temperaturen dieser Länder mit der von Paris zu vergleichen. Damals klagte man sogar das Instru - ment an, indem man nicht glauben wolte, dass die hohen Wärmegrade bis 28°, die man bei uns auch zu - weilen findet, unter den Tropen so selten seien: man stelte sich vor, dass das Thermometer dort bis 60° R. und noch höher hinaufgehn müste; man vergas, dass292r die Dauer einer Wirkung die Stärke derselben überwiegt, und die Hize würde unter den Tropen noch viel uner - träglicher sein, wenn man dort so lange Tage hätte als bei uns: so aber ist die Sonne regelmässig 12 Stun - den unter dem Horizonte, und die Wärme des einen Tages kann sich daher nicht gleich an die Wärme des vorangehenden anschliessen. Auch schwächt unter den Tropen die Luft die Lichtstralen weniger beim Durch - gange: die Wärmestralung der Erde gegen den wolken - freien Himmel ist überaus gros: daher kühlt sich die Oberfläche der Erde in der Nacht mehr ab.

Von der Temperatur der Wendekreise selbst wissen wir mehr, als von der des Aequators: denn viele[bedeutende] Städte liegen grade unter den beiden Tropici: Vera Cruz, Havannah, Macao und Kalkutta liegen beinahe unter 23½°Nordbreiteund in der südlichen Hemisphäre haben wir Rio de Janeiro in derselben Lage. Das maximum292v der Temperatur der Sommermonate ist unter den Tropici grösser als unter dem Aequator selbst: aus mehrerer Grün - den. Unter dem Aequator geht zwar die Sonne durch den Zenith, aber es liegen mehrere Monate dazwischen, ehe sie wieder d〈…〉〈…〉a[?]h[?]in; unter den Tropici bleibt sie länger im Zenith, und ihre Bewegung ist langsamer, daher erregt sie mehr Hize. Merkwürdig ist es, dass Geminusdie meisten dieser Gründe sehr richtig angiebt, besonders den von der langsamen Bewegung der Sonne unter den Tropici.

Von der Temperatur der Ebnen in der Nähe von Bergen.

Die Einwirkung der Berge auf die Temperatur der Ebnen ist sehr verschieden, bald erwärmend bald erkältend, je nach den Lage und Himmelsgegend. Wo die Bergthäler in die Ebnen auslaufen, da wirken sie wärmend, als Polygonalfiguren; die der Sonne eine grössere Fläche anbieten: schüzend, wo sie die kälteren Luftströme abhalten: erkältend, wo sie dieselben aufhalten; wenn also bei uns eine Bergkette im Süden einer293r Ebne hinzieht, so wird diese dadurch erkältet, weil die Nordwinde aufgehalten werden. Vom Harz bis zum Ural findet sich nördlich eine Ebne, die kaum von kleinen Hügelreihen durchzo - gen wird, die die Nordwinde nicht abhalten können: daher ist das Klima der Ebne kälter, als es sein solte: doch hat man diesem Grunde zu viel Gewicht beigelegt. Die älteren Schriftsteller z. B. Hippocrateshaben sich mehr an Localphänomene ge - halten, als dass sie das Ganze richtig verstanden hätten: doch kann man dies dem grossen Griechen um so weniger verdenken, da er einen Kontinent vor sich hatte, der wie keiner anderer, re - gelmässig gegliedert ist. GanzNordamerika undNord- Asien sind den erkältenden Nordwinden ohne Schuz ausgesezt, deshalb ist ihre mittlere Temperatur so niedrig. Die Berge welche als erhobene Erdmassen oder Zapfen sichinauf dem Boden des Luft - meeres erheben, erwärmen sich im Sommer anders, als die umgebende Luft. Eine kahle Bergspize mus erkältend wirken, weil sie in der Nacht mehr Kälte stralt, als das umgebende Erdreich: allein eine grüne bewachsene Bergmasse wird mehr Sonnenstralen absorbiren, und daher die Luft erwärmen.

293v

Eine Bergspize erkältet, indem bei Tage ein warmer Luftstrom an ihren Seiten in die Höhe steigt:dah[?]der allerlei leichte Körper mit sich fortführt: daher findet man Insekten auf Höhen von 18000 Fus, daherweitentfernt wachsende Gräser auf der Silla von Caracas. In der Nacht dagegen geht ein Luft - strom von der Spize des Berges abwärts. Allein auch diesem Einflusse darf man auf die Temperatur eines Ortes nicht zuviel zuschreiben. Endlich erkälten die Berge noch, insofern sie Schat - ten geben, und den am Fusse liegenden Ebnen die Sonnenstra - len früher entziehn.

Weit mehr als alle Gebirge wirkt auf die Temperatur eines Ortes der Zustand der Ebne selbst, und es sind hi〈…〉〈…〉er eine Menge von Bedingungen zu beachten, die auf vielfache Weise in das Klima eingreifen. Nicht allein die chemische oder geognostische Beschaffenheit der Ebne kömt hier in Anschlag, sondern auch das Ansehn ihrer Oberfläche und besonders ihre Farbe. Ganz anders wird der Zustand, wenn sie dunkel ist oder hell, rauh oder eben, mit Rasen oder294r74.mit Sand bedekt;[ob] Thonschiefer, Sandstein oder Flözkalk darauf vorkomtpp. ob die Luft darüber trokken oder feucht, ruhig oder bewegt ist. Davyin seiner Agricultur-chemie führt eine Menge Versuche an, die er mit verschiedenen Erdarten nach ihrer relativen Erwärmung und Erkältung gemacht. Ein schwarzes Erdreich 1 Stunde der Sonne aus - gesezt, erhizte sich von 15 bis auf 25° R. ein weislicher Mergel, also eine dekomponirte Gebirgsart nur von 15 bis 16½°. Dafür steht aber die nächtliche Erkältung durch Wärme - stralung mit der Erhizung in demselben Verhältnis: weil alle guten Wärmeleiter die Wärme eben so leicht wieder ausstralen, oder, wenn man will, gute Kälteleiter sind: der schwarze Boden, in der Nacht einem wolkenfreien Himmel ausgesezt, verlor in einer halben Stunde R. der weisse nur .

Die Moräste und Wälder sind wichtig für die Temperatur einer Ebne. Schon die Alten haben es eingesehn, dass die Mo - räste, wenn sie im Winter nicht frieren, temperirend auf die294v Athmosphäre einwirken, grade wie das Meer, welches Wärme und Kälte mildert. Wo sie aber frieren, da bilden sie gleich - sam Gletscher im flachen Lande, die oft bis in den Juny hinein nicht aufthauen, und eine Menge Wärme aus der Luft absorbieren. Da wirken sie also erkältend. Die Wälder erkälten nicht durch den Schatten, den sie geben, wie man dies gewöhnlich annimt, sondern als wärmestralende Kör - per. Es ist durch Wells 'schöne Versuche erwiesen, dass dünne Flächen, Pappierstreifen, Wollepp. wenn sie dem wolkenfreien Himmel bei Nacht ausgesezt werden, sich schnellerErerkälten, als dikke Flächen: darauf beruht die erkältende Eigenschaft der Wälder; im Winter wirft der Baum sein appendikuläres System ab, und lebt allein auf seiner holzigen Axe: im Sommer aber stralt jedes Blatt Wärme, und erkältet die umgebende Luft.

Unter den Tropen überall, und bei uns auf den Bergen ist die Stralung des Bodens stärker, als in unsern Ebnen, wo die Luft feuchter und dunstiger ist: daher ist auf den295r lezten bei Tage die Wirkung der Sonne im Verhältnis stärker. In Peru, wo es nie regnet, kann man dennoch lange Zeit hin - durch die Sonne und den Mond mit blossen Augen betrachten, weil ein nebelartiger Dunst, die garūa, den Himmel mehrere Monate lang umschleiert. Daher ist es glaublich, dass die Peruaner die Sonnenflekken früher gekant haben, als die Chi - nesen. (Die Araber glaubten, Merkur sei von der Sonnenschei - be sichtbar.) Wenn in jenen Ländern die Sonne 5 6 Monate lang, nur als eine rothe Scheibe erscheint, so kann es kom̃en, dass das Thermometer bis auf +13° R. sinkt, eine dort sehr bedeutende Kälte, die dem Akkerbau oft Gefahr bringt.

In Caxamarca, das 10000 Fus über dem Meere liegt, ist die mittlere Temperatur +14° R. welches mit dem schönen Klima von Bordeaux und Marseille übereinstimt; dennochgeerfriert im Sommer das Getreide fast alle Monate, und es ist natür - lich, dass dies auch auf den Zustand der Menschen Einflus hat. Da dies Thermometer in Caxamarca nie auf ±0°R. sinkt, und doch das Getreide erfriert, so sieht man, dass dies blosseeine295v Wirkung von der starken Wärmestralung der dünnen Halme ist. Den Kältegrad zu bestimmen, den diese Körper erreichen, ist nicht gut möglich, da keine Thermometerkugel klein genug ist, um sie in das Parenchyma der Pflanzen zu bringen. Der tiefste Stand des Thermometers in Caxamarca ist +3° R.: allein auf die Stralung kann man wenigstens noch rechnen, und so ist es möglich, dass das Getreide sehr leicht erfriert.

48. Vorlesung, 02.04.1828

Die geographische Verbreitung der Wärme zerfält in 2Haupt- momente, in die Temperatur der Land - und Seeluft. Die See - luft hat eine mehr gleichmässige Temperatur: so ist es erwie - sen, dass der atlantische Ozean sich selten unter +7° R. er - kältet, und die Luft darüber nicht unter +5°. Bei der See - luft mus man unterscheiden, ob sie auf dem flüssigen Meere ruht, oder auf dem starren (dem Eise) und hierbei sind wieder einzelne Momente zu unterscheiden, welche die Tem - peratur modifiziren. Die Winde können wir betrachten:

1, als blosse Bewegungen der Luft, ohne auf ihre Richtung Rüksicht zu nehmen:〈…〉〈…〉in dieser allgemeinen Eigenschaft296r sind sie bei bedektem Himmel erkältend: denn sie vermehren die Ausdünstungskälte. Captain Parryhat bei seinem Au - fenthalt am Nordpol bemerkt, dass man die gräsliche Käl - te von 37° R. im Freienmehrere Stunden recht gut ertragenertragenkonte: wenn man einigermaassen warm gekleidet war, und kein Wind wehte; beim Winde aber wurde eine Kälte von 25° unerträglich, weil alsdann in jedem Augenblikke die wär - meren Luftschichten von der Haut weggeweht werden. Da - gegen wirkt der Wind erwärmend, insofern er die Ausstra - lung der Wärme schwächt: daher kömt es, dass man bei einem sternenklaren Himmel Frost prophezirt, dass die künstliche Eis-bereitung in Indien je besser von Statten geht, je ruhiger die Luft ist.

2, nach der Richtung, aus der sie wehen, und da sind die beiden Kardinalpunkte: Land - und Seewinde, wegen der immer verschiedenen Temperatur des Landes und Meeres. Dies ist von gröster Wichtigkeit für die Schiffahrt in den Inselmeeren. Länge Zeit hielten sich die spanischen Gallionen,296v welche von Acapulco nach den Philippinen gehn, entfernt von allen den vielen Inseln, welche dazwischen lieg〈…〉〈…〉en, und suchten eine nördliche Breite von 40 45° um den Wind zu nehmen: daher wurden diese Inseln so spät entdekt: allein seit 10 Jahren hat man die Erfahrung gemacht, dass man die Fahrt von Manilla nach Peru machen kann, indem man zwischen den Tropen bleibt, indem man aufmerksam auf die Landwinde bei den Inseln geworden ist. Eben so ist es mit der Fahrt an der Küste von Peru. Von Callas nach Guayaquil gelangte ich in 3 Tagen, während man zu der Rükfahrt oft so viele Monate brauchte: man entfernte sich sehr von der Küste, um den Wind zu finden: allein seit kurzem hat man angefangen, nahe an der Küste zu bleiben, um die Land - und Seewinde zu benuzen, und nun macht man diese Fahrt bei - nahe eben so schnell hinauf als herab.

Bestimtere Kardinalpunkte, aus denen der Wind bläst sind im Grossen für die beiden Hemisphären die heteronymen Pole: bei uns wird der Himmel durch denSüd - undSüdwestwind297r mit Wolken bedekt, in der südlichen Halbkugel durch den Nord - wind. Bei uns ist der Nordwind ein kalter, bei jenen der Südwind.

Die Schnelligkeit des Windes ist durchKraftberechnet worden auch Oltmannsin Kuxhaven hat Versuche darüber gemacht. Ein heftiger Wind, (kein Sturm) wie er im Winter häufig weht, legt 25 Fus in einer Sekunde zurük, mithin 4 Meilen in einer Stunde: er braucht von Nova Semla, als demaslezten Eisbolwerk von Asien bis zu uns 4 Tage: daher können die Luftschichten sich doch unterweges etwas erwärmen. Von den Küsten von Afrika bis Berlin braucht er 2 Tage, und wird während dessen bedeutend erkältet.

Hier wäre der Ort, etwas von den Moussons zu sagen, die in dem Bassin des alten Kontinentes zwischen Madagaskar und dem vielfach zertrümmerten Archipelagus von Indien wehen, in dem Meere, welches man: das indische nent, in wel - ches sich die Pyramidalform von Indien selbst hineiner - strekt. Sie beruhen auf einer ungleichen Erwärmung des Kontinents und des Meeres und wehen mit grosser Regel - mässigkeit vonNordostund wieder vonSüdwest. Dieser Wechsel ist297v für die Schiffahrt von der grösten Wichtigkeit. In der indischen Halbinsel trüben dieSüdwestwinde die Luft, und bringen Regen. Man sagt besser Moussons als Monsoune: man könte glau - ben, es käme aus dem französischen: aber weit entfernt davon stamt es aus dem malayischen, wo Mousin, Jah - reszeit bedeutet. Die Griechen, unter Alexanderund seinen Nachfolgern, wurden durch die Regelmässigkeit dieser Winde sehr in Verwunderung gesezt. Arrian, der auf alle Naturphä - nomene sehr aufmerksam ist, vergleicht sie mit den etesi - schen Winden in Aegypten, die vonNordwesther das Nilthal durchziehn.

Manche Temperatur-veränderung wird auch durch andre Luftbewegungen von oben nach unten herbeigeführt: wir sehn, dass oben oft eine andre Bewegung ist, als unten: Gewölk, dasssich in 6000 Fus Höhe bildet, zieht in anderer Richtung als die Wolken näher der Erde. Dies hängt mit dem Strome warmer Luft zusammen, der sich beständig von dem Ae - quator nach den Polen hin ergiest. L. von Buchmacht es298r75.wahrscheinlich, dass diesem Umstande die westlichsten der kana - rischen Inseln ihr sonderbares Klima verdanken. Vielleicht komt eine ähnliche Bewegung von oben nach unten im Innern von Afrika vor; wir haben darüber in der lezten Reise von Denhamund Clappertongenaue Nachrichten: in einer Ebne, die höchstens 800 Fus über dem Meere liegt ist der Dr Oudneyin einer Nacht erfroren und Wasserschalen, die neben ihm ge - standen hatten, waren mit Eis bedekt: wenn aber auch diese lezte Beobachtung nicht ganz sicher ist, und auch wohl eine blosse Erkältung dem Dr Oudneykann den Tod zugezogen haben: so ist es doch sicher, dass am Morgen die ledernen Wasserschläuche hart gefroren waren. Eine andre Beobach - tung dieser Art verdanken wir den verdienstvollen Reisenden Ehrenbergund dem unglüklichen Hemprich. 63Unter 19°Nordbreitein〈…〉〈…〉den Wüsten von Dongola stand das Thermometer auf +2½° R. beim Nordwinde, eine in diesen Breiten ungewöhnliche Erscheinung. In Westindien habe ich es nie unter +15 bis 16° sinken sehn, und doch liegen diese Gegenden unter derselben Parallele wie Dongola: hier kann diese ausserordentliche Erscheinung nicht blos eine Wirkung des298v Nordwindes sein, der auch bei gröster Geschwindigkeit sich kalt nicht erhalten könte: vielleicht es eine Folge von der Ausdehnung der Dämpfe, wegen der grossen hygroskopischen Trokkenheit der Wüste: man hat die Beobachtung gemacht, dass wenn nasse Luft sich in trokne ergiest, so wird Kälte erregt: nun könte es sein, dass von obenher nässere Luftschichten in die troknen der Wüste geführt würden, und dass diese Vermi - schung das Thermometer so weit herabdrükte.

L. v. Buchund Wahlenberghaben uns schäzbare Bemer - kungen über das Küsten - und Kontinental-klima der skandinavischen Halbinsel gegeben. Von Altenbis zum Nordkap, welche 1½° auseinanderliegen, verändert sich die Schneegränze um 12100 Fus: an dem ersten Ort findet man Schnee in 3300 Fus Höhe, an dem 2tenin 2200 Fus obgleich ihre mittleren Temperaturen nicht ausserordentlich verschie - den sind: allein die Schneegränze hängt nicht von dermittlerenTemperatur des ganzen Jahres, sondern von der des heisse - sten Monats im Jahre ab. Am äussersten Ende der Bretagne fand ich vor einigen Jahren Pflanzen, welche sonst nur in südlicheren Breiten vorkommen: Laurus nobilis im Freien,299r von 60 Fus Höhe, und wie ein Mann im Leibe dik; Arbutus Unedo den wir bei uns in den Treibhäusern ziehn, als ein kleines Gebüsch am Strande des Meeres; dennoch wächst in diesen Gegenden kein Wein, weil der Winter zwar wenig kalt, aber der Sommer auch wenig warm ist: und den Pflanzen, welche im Winter ihr appendikuläres System abwerfen, kann es gleichgültig sein, ob alsdann die Kälte etwas stärker ist oder nicht: allein im Sommer brauchen sie einen bestimten Hizegrad, um zu blühen und Früchte zu tragen. Dazu kömt, dass jene Gegenden Küstenländer sind; das Meer nimt jede Tem - peraturveränderung langsamer an: es gefriert dort, so wenig als bei uns, daher können sich weder Schnee noch Eis darauf lagern, wohl aber auf dem Lande. Überdies hat jede grosse Wassermasse eine Tendenzim Winter warm zu bleiben, weil(im Winter)die kälteren Theile als die dichteren, zu Boden sinken; im Sommer aber wirkt sie erkältend durch die Verdünstung, bei der jedesmal Kälte entsteht: daher sind die Küsten meist neblig, weil die Dämpfe sich auf dem ungleich-erwärmten Kontinente niederschlagen. Mit einem Worte: die Nähe des299v Meeres wirkt temperirend auf Sommer und Winter.

Die entgegengesezte Erscheinung sehn wir an den Kontinental - klimaten, wohin man Ungarn und Rusland rechnen kann: hier sind die Sommer sehr heis, und die Winter sehr kalt. Buffonnent sie sehr richtig: climats excessifs. Das Maximum eines solchen Temperatur-unterschiedes findet sich in den ver - einigten Staaten von Nordamerika: hier giebt es Orte, wo der Sommer so heis ist, wie in Palermo und Malta, der Winter so kalt, wie in Upsal. Es ist natürlich, dass dies einen grossen Einflus auf das Wohlbefinden der Menschen, auf ihnen ganzen bürgerlichen Zustand haben mus.

Wenn man diese Veränderungen durch Zahlen ausdrükt, wenn man das numerische Element in denselben auf - sucht: so ist man oft verwundert über die kleine Verschiedenheit bei anscheinend sehr abweichenden Klimaten, die besonders in den Pflanzen gar nicht über einzustimmen scheinen. Dies brachte Arthur Youngauf denG〈…〉〈…〉 tGedanken, eine Karte zu entwerfen, wo durch Linien die Kultur des Weines und des Oeles angedeutet war. In England, Dännemark300r und bei uns mus man〈…〉〈…〉denschönen Rasen durch Sonnenmangel erkaufen; in Ländern, wo der Oelbaum und Weinstok fort - kommen, ist der Rasen ausgedört und verbrant. Der numeri - sche Unterschied zwischen der weinlosen Bretagne und den weinreichen Hügeln von Orléans und der Champagne beträgt nur 1[oder] 1,2° R. in der mittleren Temperatur.

Wir haben aber auch gar kein Mittel, die grosse Hize zu bestimmen, die in dem Parenchyma der Pflanzen und bei andern Gelegenheiten durch den Kontakt mit den reinen Sonnenstralen erregt wird. Unsere Thermometer können im - mer nur die Temperatur der Luft angeben. Gay Lussachat hierüber viele Versuche angestelt, bei denen ich meist gegen - wärtig war. Ein Gemenge von Wasserstof und Chlor, dem reflektirten oder getrübten Sonnenlichte ausgesezt, explodirt durchaus nicht,demimreinen Sonnenstral aber augenbliklich. Im August ist zwar die Erleuchtung der Athmosphäre weit stärker, als im Januar, aber ein bezogener Himmel re - flektirt das Licht fast wie ein Spiegel, und an dunstigen300v heissen Tagen im August explodirt jenes Gemenge nicht, wäh - rend ein schwacher Stral im kalten Januar es augenblik - lich entzündet. Etwas ähnliches mag wohl im Parenchyma der Pflanzen〈…〉〈…〉gevorgehn, daher ist es gar nicht einerlei, ob sie coelo sudo oder sereno wachsen.

Die Passatwinde sind Ostwinde, die herschenden Winde in der temperirten Zone sind Westwinde: daher sind alle westlichen Küsten bei uns wärmer als die östlichen. Da man an den beiden Ufern des atlantischen Meeres, in Europa und an der Ostküste von Amerika die meisten Temperatur-beobachtungen gemacht hat: so ist daher der falsche Begrif entstanden, als ob Amerika überhaupt kälter wäre, als Europa: es liegt blos darin, dass das erste eine Ostküste das andre eine Westküste ist. Kalifornien ist eben so warm als die Länder bei uns unter derselben Breite, ja vielleicht noch etwas wärmer. Captain Lewisfand am Ausflusse des Rio Columbia,zwischen46 und 18°Nordbreite, dass es nur wenige Tage und sehr leicht im Winter gefroren hatte: unter 37° wachsen in Californien schon die Oelbäume. 301rDieser Breite entspricht in den vereinigten Staaten ungefähr Baltimore, aber weit entfernt, dass dort Oelbäume fortkom̃en solten, findet man sie kaum in Süd-Georgien. Eben so verhält es sich gegen Asien hin: um in Amerika ein Klima zu finden, was dem von Paris gleich sei, müste man bis in die Breite von Neapel heruntergehn; in Asien auch bis 40°Nordbreitewo Peking ungefähr dasselbe Klima wie Paris hat. Verbindet man diese 3 Punkte, so entsteht eine isotherme Linie, die sich nachOstenundWestenhin gegen den Aequator senkt. Berlin, Kamtschat[?]ka, der Peter-Paulshafen und Labrador haben dieselbe Breite, und doch ist in Berlin diemittlereSommertemperatur +7° R.[,] die des Winters ½°R. ; in Labrador für den Sommer R.[,] für den Winter 12° R.

Hieraus kann man sich schon einen Begrif machen, wie man isotherme Linien zieht. So wie Halleyzuerst darauf kam, alle Punkte der Erde, die eine gleiche Abweichung der Ma - gnetnadel haben, durch Linien zu verbinden, so hat man in neuer Zeit alle Punkte verbunden, die eine gleichemittlereTemperaturhaben. Es war aber hiebei nöthig, auf eine Idee zu verfallen,301v wie man durch eine einfache Zahl die Temperatur angeben könte. Maraldiund Celsiuswolten von 2 Tagen das maximum und minimum〈…〉〈…〉der Wärme und Kälte nehmen, um die mitt - lere Temperatur zu finden: allein diese Data sind nur Zufällig - keiten. So verglich Maraldidas heisse Jahr von 1719 mit den sehr kalten von 1709 und 1740. Dann fiel man darauf,die 2den heissesten und kältesten Monat, Dezember und August zu vergleichen. Réaumurhatte den richtigen Begrif von der Sache; dass in jedem Tage eine arithmetische Progres - sion von Kälte und Wärme statt finde: so bestimte er durch eine Menge von Beobachtungen die mittlere Temperatur von Paris für 1735. Man müste eigentlich von Stunde zu Stunde beobachten: die Beobachtungen summiren und durch die Zahl derBeobachtungendividiren, um ein genaues Resultat zu erhalten. Die gewöhnlichen Beobachtungen um 9 Uhr früh, 12 Uhr Mittags und 11 Uhr Abends geben fehlerhafte Resultate, theils weil hiebei das maximum der Kälte vernachlässigt wird, das gegen Morgen fält, theils wegen der nicht-berüksichtig - ten ungleichen Dauer der Zwischenzeiten. Man addirt auch302r

Carte des lignes Isothermes par M. A. de Humboldt

302v303r76.wohl die Beobachtungen vonmMorgen und Nachmittag zusam - men, ohne zu bedenken, dass die Kurve der Wärme in der Nacht sich ändert. Indessen ist dieser Unterschied sehr gering, und be - trägt nach meinen Berechnungen kaum 0,1° R. Am besten ist es man addirt das minimum und maximum des ganzen Tages, und nimt das Mittel daraus. Alströmhat eine gründliche Ab - handlung daraufübergeliefert, nach der Idee von Tralles, der die Temperatur eines Tages durch 4 Parabeln darstellen wolte. Posseltund Poggendorfgaben Formeln für die Berechnung, und Gauseine sehr gute Formel für die Interpolazion. Die Be - rechnungen des Dr Waldekin Koburg passen nur für eine gewisse Breite: denn bei uns ist das maximum der Wärme um 2 Uhr Nachmittags,〈…〉〈…〉an andern Orten um 1 Uhrpp. Auch die mühsamen10-jährigen Beobachtungen von Brandesin Cuxhaven sind nur von relativer Wichtigkeit. Grasmannkam darauf, die Temperatur nacheidem falschen Gange einer Uhr ohne Kompensazion zu bestimmen, die durch das Thermo - meter berichtigt werden solte: allein die Sache ist zu unsicher.

Ein wichtiges Resultat ist dies: dass es eine Stunde des Tages303v geben mus, die diemittlereTemperaturdes ganzen Tages darstelt, einen Tag, der die des Monats giebt, einen Monat, der das Jahr repräsentirt. Dies erhielt man durch 17500 Beobachtungen auf dem Schlosse Leece bei Edinburgh: wenn man um 9 Uhr 13 Min. Morgens, und 8 Uhr 27 Min. Abends beobachtet, so erhält man die mittlere Temperatur des Tages: oder auch, wenn man dieTemperaturvon 8 Uhr Morgens und 8 Uhr Abends addirt, und durch 2 divi - dirt. In Ofen in Ungarn liegt die mittlere Temperatur des Jahres zwischen dem 15 20 Apriloder18 22 Okt. in Mayland: 15 20 16 20. in Paris: 15 22 15 22. nach Bouvard20Jjährigen Berechnungen: wenn man daher diemittlereTemperaturdes ganzen Jahres haben will: so braucht man nur den ganzen Oktober hindurch zu beobachten: dieser eignet sich noch besser als der unbeständige April.

49. Vorlesung, 09.04.1828

Wir haben uns bisher mit der Athmosphäre nach ihren Ana - logieen und Kontrasten beschäftigt. Das Minimum davon finden wir beim Monde, das Maximum bei den Kometen. Der Bielasche Komet, welcher unsaufamgefährlichsten werden könte, da er die304r Erdbahn schneidet, hat nach Olbers 'Messung 15 24 Meilen Durch - messer: also ist er die Hälfte kleiner als Vesta, welche 60 Meilen hat. Man konte durchaus keinen Schweif an ihm ent - dekken; er enthält vielleicht nicht mehr bewegbare Materie als ein grosser Meteorstein: dennoch beträgt seine Dunsthülle 4⅔ Erdhalbmesser.

Nach der Dämmerung würde unsre Athmosphäre 10 Meilen hoch sein: nach den Sternschnuppen aber, und den Entzündungen der Meteorsteine mag sie wohl bis 30 Meilen hinaufreichen.

Die Klimatologie ist die Lehre von den wichtigsten Modifika - zionen des Luftkreises.

Eine Skala für die mittlere Temperatur eines Ortes giebt uns die Kultur der Gewächse: von Süden nach Norden folgen sich: die Kokuspalme, die Musaceen, die Dattelpalme, das Zuk - kerrohr, derWeinOelbaum, der Weinstok, die mehlreichen Gräser und die Kartoffel.

Der Wein erstrekt sich höher an den Bergen hinauf, als er im Verhältnis der mittleren Temperatur nördlich in den Ebnen fort〈…〉〈…〉komt: denn auf den Bergen ist dünnere und troknere304v Luft, daher grössere Intensität der Wärme. Von der grossen Wärme,derdiedas Eindringen der reinen Sonnenstralen in das Parenchyma und Zellgewebe der Pflanzenmomentan erregt, können wir uns nur nach den Versuchen von GayLussac(der eine Gemen - ge von Chlor und Hydrogen durch den reinen Stral entzünden lies) einen ungefähren Begrif machen: denn unsre Thermome - ter geben nichts davon an.

Wenn trokne Luftschichten sich in feuchte ergiessen, so entsteht Verdunstung und Kälte. GayLussacumwikkelte die Kugel eines Thermometers mit dünnen nassem Papier, und blies darauf einen Strom sehr trokner Luft von +25° R. er konte dasThermometerdadurch bis auf +10° herabdrükken; eine Erkältung, die viel bedeutender ist, als die, welche Wells〈…〉〈…〉durch Radiazion eintreten sah. Über die sonderbare Einwirkung des veränderten Ausdehnungszustandes berichtet Captain Sabine. Als er sich in Gorian der Westküste von Afrika befand, drükte der sonst so heisseSWüstenwind Harmattan das Thermometer bis +15° R. herab, ohne Zwei -fel305rfel, weil sich trokne Luftschichten aus dem Innern von Afri - ka in die feuchteren Küstenlüfte ergossen.

Wir haben gesehn, dass alle Westküsten wärmer sind, als die Ostküsten. Parrybemerkte in den nördlichen Gewässern, dass alle Ostküsten mit Eis belegt waren, die Westküsten frei da - von, und erklärt dies,durch die Rotazion der Erde, was al - lerdings seinen physikalischen Kentnissen nicht viel Ehre macht.

Wir haben von den isothermen Linien gesprochen, und bemerkt, dass sie weder mit den Parallelen noch auch mit dem Ae - quator in Verbindung stehn, sondern nach Norden zu diver - giren. Paris und Berlin sind nicht sehr verschieden in der mittleren Temperatur, von hier aus aber wird es kälter, wenn man sich nach Osten entfernt, weil man mehr in ein Kontinentalklima hineinkömt, und ist auch kälter an der gegenüberstehenden Küste von Amerika, weil es eine West - küste ist. Peking liegt südlicher als Neapel, und doch frieren alle Jahre die Kanäle dort mehrere Monate. New York liegt305v auch südlicher als Neapel, hat einemittlereSommertemperatur von +21°R, und dennoch friert der Strom dabei alle Jahre. Dagegen ist es am Ausflusse des Columbia-river milder im Winter, als in Europa: Peking, Berlin und New-York bilden eine isotherme Linie mit konvexem Scheitel.

Bei uns ist das maximum der Temperatur um Uhr Nachmittag, das minimum kurz vor Sonnenaufgang: das Mittel aus 2 solchen Beobachtungen gezogen, giebt die mitt - lere Temperatur des Tages: wollte man eine 3teBeobachtung etwa am Mittage hinzufügen, so würde man ein zu grosses Resultat bekommen. Da aber die eine dieser Stun - den unbequem zur Beobachtung ist, so hat man die ent - sprechenden Stunden des Tages aufgesucht, welche die mitt - lere Temperatur repräsentiren, und so die Kurve für die Tage, Monate und Jahre bestimt: in Edinburgh fällt diese Stunde um früh und Abends, in Paris um früh für das ganze Jahr fällt diemittlereTemperatursehr übereinstimmend in den verschiedenen Orten vom 15 20 April, und vom 15 20306r Oktober. Da man aber auf diese Art immer noch 800 Beobach - tungen machen müste, um diemittlereTemperatureines Ortes zu finden: so hat man für die Reisenden mittelbare Beobachtungen vorge - schlagen: aus der Quellenwärme läst sich sehr genau auf diemittlereTemperatureines Ortes schliessen: durch Bohrlöcher von 32 Fus Tiefe erhält man sie vielleicht um ½° zu hoch, weil die Zentral - wärme des Erdkörpers hier schon einwirkt; auch die Tempera - tur des Meeres ist dazu anzuwenden; unter 52½°Nordbreitewürde dieTemperaturdesMeatlantischen Ozeans dermittlerenTemperaturvon Ber - lin entsprechen; auch nach der Kultur der Pflanzen läst sie sich bestimmen, worüber schon Strabosehr richtige Be - griffe hatte.

Um Vergleichungen anstellen zu können, bemerken wir, dass diemittlereTemperaturvon Berlin für das ganze Jahr +7° R. ist, wel - ches auch diemittlereTemperaturunserer Monate Oktober und April ist; diemittlereTemperaturunseres wärmsten Monates, des August ist zwischen +14 und 15° R.

In der Tropenzone ist zum Früchtetragen der Dattelpalme,306v (Phoenix dactylifera) einemittlereTemperaturvon +18° R. nöthig: zum blossen Wachsthum aber weniger: zwischen Genua und der fran - zösischen Gränze im Bor di Gherawo viele 1000 Dattelpal - men einen wahren Tropenanblik gewähren, ist diemittlereTemperaturnur +14° R.; starke Zitronen in freier Luft gezogen (nicht in unsern Gewächshäusern, die man mit Hospitälern vergleichen könte) können sehr gut eine Kälte von R. ertragen, wie dies nach Rissots Versuchen in der Riviera di Genova erwiesen ist: sie brauchen einemittlereTemperaturvon +13〈…〉〈…〉½° R.; Der Oelbaum welcher zwischen 36 und 44°Nordbreitefortkömt, braucht +11,5 bis 15° R. doch darf diemittlereTemperaturnicht unter +4,5° R. sinken. Guter, alkoholreicher Wein braucht +7 bis R. auch mus diemittlereTemperaturder Wintermonate nicht unter den Gefrierpunkt sinken: am Rhein haben die Wintermonate einemittlereTemperaturvon +1° R. bei uns von + ¾°R. : die Sommerwärme ist am Rhein +15° R. In Europa wächst Wein bis 50°Nordbreitein Ame - rika nur bis 40°Nordbreite Die Cerealien oder mehlreichen Gräser gedeihen, wo die Wintertemperatur 1½° ist, die des Sommers +7 oder , bei welcher Temperatur grade die Birken ausschlagen,307r77.also die Natur zu erwachen anfängt. [Über diese Erscheinung habe ich viele Untersuchungen angestellt, und bemerkt, dass die Wärme schnell steigen mus, wenn das Erwachen der Pflan - zen sich zeigen soll: meistens mus die mittlereTemperatursich auf +5 bi erheben, doch blühen die Pfirsichen schon bei +4½°: die Birken schlagen aus, wenn diemittlereTemperaturdes Monates +8¾° R. ist, und dies ist in Rom der März, in Berlin der Mai, in Upsal der Juli. Im südlichen Frankreich haben 270 aufeinander folgende Tage einemittlereTemperaturvon +9°, in Petersburg nur 120:] Die Gerste wächst da, wo nur 90 Tage einemittlereTemperaturvon +7° haben. Die Kartoffel braucht noch weniger, da der - jenige ihrer Theile, den wir zur Nahrungbrauchennehmen, ein unterirdischer ist, und vor der Kälte geschüzt steht.

Noch anschaulicher werden dieseTemperaturverhältnisse, wenn man diemittlereTemperaturzweier aufeinander folgender Monate ver - gleicht, und das Maximum davon aufsucht: der gröste Unterschied fält bei uns zwischen den März und April: er beträgt 4½° R.: der zwischen April und May nur 3,2°: mehr gegen Norden wird das Verhältnis ganz anders: in Peters -307v burg beträgt der Unterschied zwischen April und Mai 7¼°, und doch ist diemittlereWärme dieser beiden Monate nur +3°.

Daraus läst sich auch der Unterschied der Empfindung von Wärme und Kälte erklären, die man im Sommer oder im Winter beim Übergange aus dem Schatten in die Sonne, und umgekehrt, hat. [In Potosi, welches fast 12000 Fus hoch liegt, fürchtet man Erkältung beim Übergange aus der Sonne in den Schatten.] Bei +3° im Schatten, wird dieTemperaturdurch , die man hinzufügt, verdoppelt: bei +18° im Schatten wird sie durch mehr, nur wenig erhöht: es sind dann ein ali - quoter Theil, der sehr wenig wirken kann.

Von der geographischen Vertheilung der Temperatur.

Das allgemeinste ist, dass sie vom Aequator nach den Polen zu abnimt; die Eintheilung in Zonen ist hier nicht ganz befriedigend, man mus Zwischenpunkte annehmen; Petersburg und Madeira liegen beide in der gemässigten Zone, und wie verschieden sind sie im Klima.

Über die Temperatur unter dem Aequator hat man viele Un - tersuchungen angestelt. Atkinsonin einer Abhandlung über308r die Refrakzion64 behauptet, sie müsse +24° R. sein; allein nach mei - nen Beobachtungen kann man sie nur zu +22,4° annehmen: Ceylon giebt +21° Batavia 22,2°. Sie ist also 1½° höher, als diemittlereTemperaturdes wärmsten Monates in Rom, und höher als des August in Berlin.

Zwischen 18 und 23°nördlichund südlich vom Aequator ist sie +19 oder 20° R. wir haben hier viele grosse Städte, welche un - gefähr unter den Tropici liegen; in Macao +19°[,] in Kanton +19°, in der Havannah +20°, in Rio Janeiro +19° dennoch friert es in Macao im Winter durch die starke Wärmestralung der Nacht: daher sind dieenglischen Kaufleute dort gezwungen, Feuer zu machen, um sich zu wärmen. Durch L. v. Buchkennen wir das Kli - ma der kanarischen Inseln sehr genau; unter 28°Nordbreitebe - trägt es +18,2° R. also mehr als der Sommer in Berlin. Nach Nouets Beobachtungen, die ich berechnen lies, ist das Klima von Kairo (unter 30°Nordbreite) = +18° R.mittlereTemperatur

Von 45 bis 52°Nordbreite ist das Klima zwischen +7 bis + 10° R. Mailand +8, Paris +7, Berlin beinahe +7°. [In Berlin wird diemittlereTemperaturvon Paris durch den Monat Mai dargestelt. ]

308v

In Stokholm, = +4,5° R. in Åbo +4, in Petersburg +2,7.

Nahe am Pole fehlt es freilich an längeren Beobachtungen, doch konte Scoresbyunter 78°NordbreitediemittlereTemperaturauf 5,5° R. bestimmen; in Lapland, unter76Nordbreite[,] in Labrador und in Königsberg ist siedem kältesten Punkte, wo Menschen wohnen, nämlich Kupferindianer. ±0° R. In dem Fort Entreprisean der Hudsonbay unter 64°Nordbreiteist diemittlereTemperatur 7,5° R. Auf den Melville islands unter 74°Nordbreitefand ParrydiemittlereTemperaturder 6 Wintermonatebeivon der gräslichen Kälte von 25° R.[;] diemittlereTemperaturdes ganzen Jahres mag 14,8° betragen. DiemittlereTemperaturdes Pols selbst kann man nur durch Analogie finden: Aragonimt sie auf 20° R. an. Doch ist es schon bemerkt, dass der Pol der Kälte nicht mit dem Erdpol zusammenfält: sondern östlich von der Lena, westlich vom Eiskap, bei der Bäreninsel in Neusibirien unter 84°Nordbreitewo man die grosse Menge fossiler Knochen findet. Der grosse Tobias Meyer, dem wir eine so schöne Ab - handlung über die Vertheilung der Wärme verdanken, fält noch in den sonderbaren Irthum, dass er die Polarkälte = 0 R. an - nimt. Im allgemeinen ist diemittlereTemperaturdes Pols so tief unter dem Nullpunkt, als die des Aequators über demselben.

309r

50. Vorlesung, 10.04.1828

Die Temperaturabnahme ist verschieden in den verschiedenen Sy - stemen der isothermen Linien, dem trans - und cis-atlantischen. Wenn man von Mexiko nach der Hudsonsbay fortgeht, so nimt die Temperatur schneller ab, als in Europa unter denselben Brei - ten. Wenn man, wie es auf meiner Karte von den isothermen Linien geschehn ist, die Breitengrade in Zonen von 10 zu 10° abtheilt, so findet sich vom Aequator bis zum Pol die schnellste Abnahme der Wärme zwischen 40 und 45°; und dies stimt mit der Theorie volkommen: denn die Variazion des Quadrates des Cosinus, wodurch die Abnahme der Wärme ausgedrükt wird, ist die gröstmögliche bei 45°. In jenen Gegenden, wo die nörd - liche Kultur desWOelbaums mit der des Weines zusammen - fält, da treffen alle Umstände für die Entwilderung des Men - schengeschlechtes zusammen; wo die verschiedensten Produkte neben einander stehn, da bildet sich Austausch und Handel, und die Kultur mus ihre gröste Höhe erreichen.

In der mittleren Temperatur ist ein Jahr von dem andern verschieden: dies beträgt in der temperirten Zone oft R., also309v fast ein Fünftheil der ganzen Quantität der Jahreswärme, und beim Akkerbau komt es grade auf die Vertheilung der Wärme durch das ganze Jahr am meisten an, besonders bei den mehlrei - chen Gräsern. Man mus daher wenigstens das Mittel aus 10 Jahren nehmen, um die Temperaturz〈…〉〈…〉bis auf genauzu bestimmen: also gehören hiezu: das Jahr zu 400 Tagen, und an jedem Tage 4Beobachtungengerechnet; an 8000Beobachtungendazu. Unter den Tropen ist dieser Unterschied viel geringer: er beträgt nur 1 / 20 der ganzen Menge: bei 22° nur 1 oder 1½°UAbweichung. In den einzelnen Monaten ist der Unterschied wieder bedeutender: in Paris hat man Beobachtungen seit 27 Jahren, die mit denselben oder doch verglichenen Instrumenten sehr genau angestelt sind: hier beträgt er in dermittlerenTemperaturder Wintermonate oft 5 bis R.[;] für den Januar〈…〉〈…〉wechselt dieTemperaturvon +3oder R. bis zu 0,5°[;] für den August schwankt sie zwischen +14 und +17°.

Vom Maximum der Wärme.

Man macht sich davon oft unrichtige Begriffe nach den unsichern Beobachtungen die ohne Unterschied im Schatten,310r in der Sonne oder bis starker Reverberazion vorgenommen sind. Nach den vielfachen Untersuchungen, die ich mitHerrn Aragoan - gestelt, scheint es ein sicheres Resultat zu sein, dass kein Reisender bei reiner Athmosphäre (in der keine Sandtheilchen schwammen) 9 Fus über der Erde, im Schatten das Thermometer über +37° R. hat steigen sehn. Herr Bartermachte in Alla - habad mit treflichen von Cavendishgefertigten Instrumen - ten Beobachtungen, und fand die Tage von +36° R. die Nächte von +29,7° bis 30°; Captain Tuckey, der auf der unglükli - chen Expedizion nach Kongo zugleich mit dem treflichen Botaniker Smith(der denHerrn v. Buchnach den kanarischen Inseln begleitet hatte) umkam, fand die Tage von +36° die Nächte von +28° R.; Captain Beaufort, der ebenfals, ein Opfer des Klima, am Senegal fiel, will dasThermometerauf +38,5 beo - bachtet haben, doch ist dies zweifelhaft; Mein Freund Ritchie, der in der Oase von Murzuk starb, beobachtete das Thermometer zwischen +38° und 43° R. um 2 Uhr Nach - mittags, und zwar Monate lang: doch war alsdann die Ath -310v mosphäre mit feinem Staub erfült. Die Sandkörner, welche an die Thermometer-kugel und mithin an die Menschen, und alles was im freien ist, anschlagen, erwärmen sich mehr als die Luft, und bilden Wärme-zentra, die nothwendig die Temperatur sehr erhöhen müssen: dennoch ertragen die 3000 Einwohner von Murzuk diese Hize ohne Beschwerde.

Auffallend könte es erscheinen,[dass] in[der] temperirten Zone weit häufiger als unter den Tropen eine momenta - ne grosse Hize eintritt. In Berlin haben wir Beobachtun - gen von 20 Jahren, und nur alle 10 Jahr einmal steigt das Thermometer bis +26°, zum Theil, weilim Som̃er in denkurzenlangenNächten der Tropen mehr Wärme ausgestralt wird, als in unsern kurzen Sommernächten: in Paris ist in 20 Jahren dasThermometernur einmal auf +29,5° R. gestiegen; und 1793 auf +30,7° R. ;nur 8 mal auf +28°.

Es ist ein verbreitetes Vorurtheil, dass man keine grössere Hize als die des Blutes ertragen könne, denn schon in den Dampfbädern steigt sie bei weitem höher: eben so falsch311r78.ist die Angabe in den meisten physikalischen Handbüchern, dass die Blutwärme +32° sei: sie beträgt beim Menschen noch nicht +30° nach den Untersuchungen von John Davy. Bei den Vögeln dagegen findet man es von +32 bis 35° R. die Tauben haben +32°; Blacton, Banksund andere haben Versuche in einem stark geheizten Zimmer gemacht: sie konten 8 Minuten bei +102°R. aushalten: neben ihnen sott das Wasser, Eier wurden gekocht, Beafsteaks gar; ihre Uhrketten konten sie nicht anfassen, weil alles Metall glü - hend wurde: dennoch schadete ihnen die übermässige Hize nicht, weil sich eine Hülle um den menschlichen Körper durch die kältere Espiration der Poren bildet, die ihn schüzt. Der Sand unter den Tropen erreicht eine hohe Temperatur: am Orenoco fand ich ihn nicht selten von 54° R. Die schwarzen Steine in den Schellalas oder Katarakten, welche durch eine besondere, hier nicht näher zu erläuternde Eigenschaft des Wassers geschwärzt werden, haben oft 42 bis 44° R. Ich untersuchte sie oft mitten in der Nacht, wo die Wärme der Luft +18° war. Dies ist um so wunderbarer, da die schwarzen Körper311v sonst bei Tage viel Hize anziehn, aber bei Nacht auch wieder aus - stralen.

Die gröste Kälte mas Parrymit eignen von Wollastonangefer - tigten Weingeistthermometern, weil Queksilber sehr bald frieren würde, und fand sie von 40° R. Die Eskimaux, welche in die - ser Temperatur leben, gehören dennoch zu den fröhlichsten Men - schen, die man kent: sie wohnen in kleinen Hütten mit Eis - scheiben, die zwar von innen manchmal schmelzen, aber bald ersezt werden. Parrybemerkt, dass man in ruhiger Athmosphäre bei 40° mehrere Stunden spazieren gehn kann, ohne sehr warm gekleidet zu sein, dagegen fühlte man Beklemmungen, wenn man in eine Temperatur von R. zurükkam, und die Offiziere mach - ten alle Fenster auf, weil sie es vor Hize nicht aushalten konten. Als Gegenstük dazu bemerkte ich in Guajaquil, dass bei +18°R. die Leute anfangen, ihre Mäntel umzunehmen, um sich nicht zu erkälten. Man kann es leicht im Gedächtnis behalten, dass auch die maxima und minima der Temperatur unter dem Aequator durch 40 über und unter dem Gefrierpunkt ausgedrükt werden, so wie die mittlerenTemperaturnicht weit von 20 liegen.

312r

Es giebt noch eine zufällige Kälte, die nicht mit den Breiten - graden zusammenhängt: in Petersburg, wo man seit 1772 genaue Beobachtungen hat, sank dasThermometereinmal bis 39,2° R.[,] in Berlin nach sichern Beobachtungen bis 21,5°. Herr Mögler, der sich viel mit dermittlerenTemperaturvon Berlin beschäftigt, hat auf meine Bitte dieU[?]Beobachtungender lezten 20 Jahre kritisch untersucht, und alleBeobachtungenausgeworfen, die mit unzuverlässigen Instrumenten gemacht wurden: er fandin 27 Jahren nur 3 mal dasThermometerunter 20° am 24Januar1823: dann 1820 und 1809, und nur 4 mal unter 17°R. ;65 in Paris fiel es 1794 auf 18,8°; in Marseille, dessenmittlereTemperatur+11,5 ist, auf 13,5°ein[?]imJahr 1789.

Die mittlere Kälte, welche in den maxima und minima media besteht, und welche jemand im Laufe von 3 4Jahren in den folgenden 3 Städten erwarten könte, ist

  • für Paris 8,5° R.
  • für Berlin 12,5 °
  • für Petersburg 24,5 °

Eine sehr merkwürdige zufällige Kälte findet sich in der Geschich - te der Araber. Als der Patriarch von Nicaeaden Khalifen Al - Mamun829 n. Ch. G. nach Aegypten begleiteten,fanden sie den312v Nil bei Kairo gefroren, welches Abdellatif, nebst andern naturwis - senschaftlichen Bemerkungen, genau berichtet; es ist vorge - kommen, dass es in Lissabon, in Cadix, Algier und Kairo ge - schneit hat. Das schöne Klima, wo man dieser unangenehmen Empfindung auch nicht einmal auf ein paar Stunden mehr ausgesezt ist, fängt erst unter 29°Nordbreitean, wo es auch nicht mehr friert. Jene ausserordentlichen Erscheinungen kommen aber bei der Vertheilung der Wärme auf die Jahreszeiten nicht in Betracht. Wo die isothermen Linien einen konvexen Scheitel bilden, da herscht wenig Verschiedenheit in dermittlerenTemperaturdes Sommers und des Winters: dies ist das cisatlantische System; wo sie einen konkaven bilden, da herscht sehr grosse: dies ist das transatlantische System, welches Buffonmit Recht: cli - mats excessifs nent. New-York unter 40¾°Nordbreitealso südli - cher als Neapel, hat einen Sommer wie Rom, einen Winter wie Koppenhagen: in Quebek wird es noch schlimmer: hier ist ein Sommer wie in Paris, ein Winter wie in Petersburg. In meiner Abhandlung über das gelbe Fieber66,〈…〉〈…〉habe ich zu zeigen gesucht, dass die Tendenz dazu in dem Climat excessif mancher313r Länder zu liegen scheint. Die Menschen aus den Aequatorialgegenden oder nahe dabei, werden in der temperirten Zone selten vom gelben Fieber angefallen: man sieht also, dass die Kentnis der isothermen Linien auch in pathologischer Hinsicht nicht unwichtig ist: ich habe auf meiner Karte durch 2 Zahlen die wie ein Bruch geschrie - ben sind, die Temperatur des Sommers und Winters ausgedrükt, und man wird finden, dass imcisatlantischenSystem der Unter - schied zwischen beiden weit geringer ist, als im transatlantischen.

Vom Unterschiedezwischender nördlichen undsüdlichenHemisphäre.

Durch Cooks Reisen ist das Vorurtheil verbreitet, dass die südliche Hemisphäre kälter sei, als die nördliche, namentlich weil der Südpol mehr mit Eis belegt sei, als der Nordpol: allein Captain Weddel, der kürzlich Neu Shetland genauer untersuchte, fand im Süden davon ein eisfreies Meer, und be - hauptete, es sei leichter den Südpol als denNordpolzu erreichen. Vergleicht man Spanien und Kalabrien mit Chile und Bue - nos-ayres, so ist es in Chili nicht kälter als in Cadix, welche beide unter 36° Breite liegen. Am Vorgebirge der guten Hofnung ist diemittlereTemperatur+15,5° R. im Port Jakson inNeu-Holland +15,4°[,]313v in Buenos-ayres +15,8° R. Die grosse Kälte dersüdlichenHemisphäre fängt erst in der Breite von Berlin unter 51° am Cap Horn und im Feuerlande an. Man hat viele Ursachen des Phänomenes aufgesucht. Lambertin seiner Pyrometrie giebt an, dass die Ir - radiazion oder Bestralung beider Hemisphären zwar gleich sei, aber der Verlust in der südlichen grösser, weil dort der Win - ter 8 Tage länger ist. Die Sonne verweilt nämlich 8 Tage länger in den nördlichen Zeichen. [ Prévostsur le caloriquerayonnant] Allein dies ist zu unbedeutend, als dass es Einflus haben könte: der Hauptgrund ist der Mangel an Kontinenten in dersüdlichenHemisphäre, sie ist eine pelagische, ozeanische, die weniger Land enthält als die nördliche. Der Unterschied würde noch viel grösser sein, wenn nicht unter dem Aequator eine Kompen - sazion statt fände, welcher in Amerika und in Afrika einen grossen Land〈…〉〈…〉strich durchschneidet.

Vom Luftkreise im Verhältnis zu den Bergen.

Vor der Erfindung der Aerostaten im Aug. 1782. war uns die Kentnis der obern Luftschichten nur durch Aufsteigen an den Bergen be - kant. Sonderbar ist es, dass einer der grösten Mathematiker des vorigen Jahrhunderts Daniel Bernouilli, glaubte: die Temperatur314r nehme nach oben zu: er sagt in seiner Hydrodynamik ausdrük - lich, [folgt die Stelle] verleitet durch die Beobachtungen des Pater Feuillet. So glauben auch die Indianer in Südamerika, dass es auf den Bergen wärmer sein müsse, und dass der Schnee von den salpe - trigen Salzen herrühre. Dass es aber nach oben zu kälter werde, zeigt schon Gay Lussac's Luftfahrt,derwounten in Paris +23° R. waren, dagegen in einer Höhe, die den Chimboraço übertraf; 5 bis R. Die Alten theilten Bernouilli's Meinung nicht: Aristo - telessagt ganz deutlich, dass es immer kälter werde, je mehr man sich von der Erde entferne: freilich nimt er noch höher hinauf eine wärmere Aetherschicht an, wie die Alten über - haupt im Wiederkehren der Extreme sich gefielen: so glaubten sie, dass es nach Norden hin bis zu den Riphäischen Bergen zwar immer kälter werde, aber jenseit denselben wieder ein schönes gemässigtes Klima hersche. So führt Geminusdie Meinung an, dass es unter dem Aequator kalt sein müsse; die Berge standen ihnen daher nur bis zu einer gewissen Höhe in der kal - ten Luft: dann kam eine wärmere Schicht, welche die Gipfel ein - hülte, wo man den olympischen Siz der Götter annahm.

314v

Die Kentnis der obern Luftschichten ist besonders wichtig für die Bildung des Regens, Hagels und Thaues; sie bestimt die Gränze, bis zu welcher Menschen wohnen können. In Europa haben wir wenig Hochebnen: die von Spanien hat 2000 Fus Höhe, die von Bayern nur 1500: unter den Tropen findet man sie von 10000 Fus. Zwar fand der Graf Veldenin dem Val di Beltaein Dorf auf 7100 Fus Höhe, aber dies gehört zu den Ausnahmen. Über 40°Nordbreitekönnen die Menschen auf einer Hochebne von 6000 Fus nicht mehr leben. Über die Zentralebne von Asien waltet gewöhnlich ein Misverständnis. Die Gebirgsketten folgen sich von Süden nach Norden so: Himalaya, Zuml,BoktoAltai: ich habe den Flächeninhalt nach sehr genauen Karten berech - net, und gefunden, dass er so gros ist als Neu-Holland. Dieser Raum wird aber auch von tiefen Thälern durchschnitten. Gérardauf seinen Reisen 1821und22 bestätigt es, dass zwischen Ladak und Manes auf 14000 Fus Höhe Akkerbau getrieben wird, wo schon unter dem Aequator ewiger Schnee liegt. Es ist dies eine Folge der Wärmestralung auf den weiten Ebnen, die es möglich macht, dass viele Millionen Menschen in diesen Höhen leben können.

315r79.

Über die Ursach, warum es kälter auf den Bergen als in den Ebnen sei, hat zwischen den Physikern ein grosser Streit Statt gefunden. Das Licht durchstreift die Luftschichten, ohne sie zu er - wärmen: sie werden nur dann erwärmt, wenn das Licht durch einen festen Körper absorbirt wird. Ich gehe daher, mit Wollaston, davon aus, dass die Oberfläche der Erde als die Quelle der Wärme zu betrachten sei, und dass mithin die Wärme abnehme, jemehr man sich nach oben von ihrer Quelle entferne. Wenn man in eine Eisenbarre nach einer logistischen Reihe Thermometer einsenkt, und an dem einen Ende eine Quelle der Wärme anbringt, so werden nach dem andern Ende zu dieThermometerimmer weniger zeigen, und zwar nach einem bestimten Verhältnis. Eben so wird es ein Ver - hältnis geben, in dem die Wärme der Erdoberfläche nach oben hin abnimt. Die Quantität des Wassergases, welches in den untern Luftregionen schwimt, trägt auch viel zur Absorbzion der Wär - mestralen bei. Laplaceerinnert sehr richtig, dass wenn keine Athmosphäre da wäre: so würde es in 24000 Fus über dem Meere nicht kälter sein, als am Meere selbst, weil dann nur die Dilatazion der Wärmestralen in Betracht käme, die man als315v Radien eines auf der Erdoberfläche aufstehenden Gewölbes betrach - ten kann: ein Radius von 24000 Fus würde sich zum Halbmes - ser der Erde verhalten, wie 0,001: 1; Leslieglaubt, dass die Kälte in den obern Schichten von der Ausdehnung der Luft her - rühre: da man gefunden hat, dass die Wärmekapazität der Luft mit der Dichtigkeit zunimt: ebendeshalbdaher erklärte er die wärmere Temperatur in den Bergwerken: allein er bedachte nicht, dass jeder aufsteigende Luftstrom einen niedersteigenden voraus - sezt, dass daher für Kälte und Wärme eine Kompensazion,wenngleich nicht eine ganz volständige, Statt finde.

51. Vorlesung, 11.04.1828

Der Mythos vom Phaeton erwekte bei den Alten die falschen Begriffe, als ob es nach den obern Luftschichten zu wärmer wäre: doch haben wir eine Stelle vom Senecaüber die rela - tive Kleinheit der Berge in Verhältnis zur ganzen Erde, worin er deutlich ausspricht, dass die obere Luft kälter sei. Plutarchin der kleinen Schrift über die Ursachen der Kälte, und Theophrastüber die Winde: sahen sehr wohl die Wirkung des Luftkreises auf die Temperatur ein. Straboerkante den Einflus, den die Höhe des Bodens auf die Kultur hat: er316r bemerkt, dass auf der Hochebene zwischen dem[Taurus] und Ar - gäus in Kleinasien kein Oel wächst, obgleich es nördlicher bei Sinope wieder gedeiht.

Das Licht geht durch Glas, aber nicht die stralende Wärme, oder doch, nachLaroche's Versuchen erst bei sehr[hoher] Temperatur.

Rumfordwar der irrigen Meinung, dass die Wärme im Was - ser durch Bewegung seiner Theilevon unten entstehe: dagegen sprechen Pictet's und Leslie's Versuche: sie erwärmten Wasser, indem sie eine heisse Metalplattedarüber hielten: hier fand also eine Bewegung von oben nach unten statt.

DieTemperaturder obern Schichten hängt von der der darunterlie - genden Erdoberfläche ab: daher wird man in einer Höhe von 7000 Fus eine andereTemperaturfinden, je nachdem man sich über dem Meere, über einemK[?]hohen Gebirge, oder dem Innern von Afrika befindet.

Wenn das Meer plözlich um 4000 Fus sänke, so würden alle Länder an demselben kälter werden, weil sie nun zu Bergen oder Hochebnen geworden wären: doch würde sich dies mehr an316v den Küsten als im Innern äussern.

Bei den Bergen müssen wir 2 Umstände beachten 1, sie sind die Ursach von Wärme, weil sie bei Tage mehr Wärme - stralen absorbiren: 2, auch von Kälte, indem sie bei Nacht mehr Wärme ausstralen: daher sind sie bei Tage wärmer, und bei Nacht kälter, und haben auf ihrer Spize oft hängende Wolken von niedergeschlagenen Wasserdünsten.

Die Wärmeabnahme von der Erdoberfläche nach oben ist nicht allein wichtig für die Astronomie, sondern auch für die Barometerformeln: selbst die besten und neusten sezen bei die - ser Abnahme eine arithmetische Progression voraus, die eigent - lich nicht statt findet: um diese Abnahme zu prüfen, hat man:

  • 1, die Reisen auf hohe Berge, welche aber allein keine grosse Sicherheit geben würden.

  • 2, die mittlere Temperatur von Orten, die am Gebirge liegen, welches bei uns meist nur elende Dörfer sind, unter den Tropen aber liegen Städte von 50 60000 Einwohnern auf 10000 Fus Höhe. Ich habe zuerst am westlichen Abhange der Anden die Temperatur aufsteigend von 500 zu 500 Toisen eruirt.

  • 317r
  • 3, die aërostatischen Reisen: die von Biotund Gay Lussacgaben ein Resultat, das mit dem meinigen übereinstimte, doch ist man auch hier nicht ganz sicher, weil zufällige Winde in diesen Höhen die Temperatur verändern können. Sehr gut wäre es, wenn man Stazionen in der Luft haben könte, und wirklich hat Parryam Pole durch kleine Drachen die Temperatur erforscht: auch könte man kleine Luftbälle an Schnüren bis 3000 Fus in die Höhe gehn lassen, welche grade ein Maximum - und mi - nimum-Thermometer tragen könten.

  • 4, durch die Wärme der Quellen auf hohen Bergen: doch ist hier nicht sicher, dieTemperaturzu hoch anzugeben, da die Quellen sehr tief heraufkommen können.

  • 5, man hat auch die Temperatur der Höhlen auf Bergen vorgeschlagen: dies ist aber trüglich und gänzlich falsch, weil aus dem Innern eine kalte Luft herausströmt. Fourierzeigte überdies, dass die isothermen Schichten nach dem Innern der Erde zu nicht in Bezug auf das Niveau des Mee - res stehn, sondern auf den Bergen höher, in den Flächen tiefer liegen, nach ihrem Abstande von der Erdoberfläche; ich317v habe in Mexiko Bergwerke untersucht, welche auf 12000 Fus Höhe lagen, und fand in ihnen eine eben so hohe Temperatur als in andern Bergwerken auf der Ebne.

Die Beobachtungen an den Abhängen der Berge sind sicherer, als man glauben solte. Trotz der lokalen Perturbazionen wird der ganze Abhang des Gebirges von dem ganzen Luftmeere ge - badet. Wenn man 700 Fus für R. annimt: so fand ich 32 Punkte am Abhange der Andes, deren mittlere Temperatur der der entsprechenden Ebnen bis auf R. gleich ist; nur bei 6 Punkten war der Unterschied 1,5° R. Die Städte indenAmerikaAndeswelche auf 8000 Fus Höhe liegen, sind gewöhnlich der Bequemlichkeit wegen, auf kleinen Hochebnen von einigen Meilen Durchmesser gebaut, und haben deshalb eine etwas - here Temperatur als Städte, die in gleichen Höhen am Ab - hange des Gebirges liegen, weil die Ebnen mehr Wärme absorbiren: doch ist der Unterschied äusserst gering. Wenn die Ebnen sich zu weiten Thälern ausdehnen, so wird auch ihr Einflus als Ebne auf dieTemperaturgrösser. Die Wärme-ab - nahme an den Kordilleren ist nicht gleich; zwischen 3000und318r7000 Fus ist sie sehr gering: denn hier liegt grade die erste Wolkenschicht, welche vom Meere aufsteigt, am Gebirge, und bringt, da sie wie ein Aërostat sich hebt, eine wärmere Luft - schicht von unten mit.

Spricht man die Resultate in Zahlen aus: so mus man unter den Tropen 700 Fus steigen, damit das Thermometer um R. falle; nach meinen Untersuchungen. Saussure, Ramond, Daubuissonbestimmen diese Höhe zwischen dem 45 und 47°Nordbreite im Sommer auf 5020 Fus, im Winter auf 700. Laplacefand es sonderbar, dass die Wärmeabnahme unter den Tropen geringer sei, als bei uns: weil man bis dahin annahm, auch die Refrakzion sei unter den Tropen geringer. Nach meinen Beobachtungen und denen von Mas - kelineauf Jamaika(die Oltmansin Rechnung brachte) fand ich, dass die Refrakzion unter 10° ganz gleich sei unter der Tropen und in der gemässigten Zone, und Laplacegab nun eine Formel, um aus der Strahlenbrechung die Wär - meabnahme zu berechnen. Hienach konte man bestim -318v men, dass bei der Gradmessung von Schwanenberg, die in einer Kälte von 24°R angestelt wurde, im Winter die Wärme - abnahme für einen Grad Réaumur nicht 700 sondern 900 Fus betragen habe. Bei den Barometerformeln mus man zur Berechnung der Höhe die Temperatur der überein - anderliegenden Schichten haben, und hier komt die Hypo - these, dass sie in einer arithmetischen Reihe fortschrei - te, der Wahrheit noch amnächtennächsten, obgleich es sicherer wäre, durch sehr genaue astronomische Beobach - tungen und Berechnungen der Refrakzion die Temperatur zu bestimmen.

Unter den Tropen, wo von Jahreszeiten fast gar nicht die Rede ist,〈…〉〈…〉scheint es am besten die Temperatur des ganzen Jahres mit der von einzelnen Monaten an andern Orten zu vergleichen; so ist es volkommen an - schaulich, wenn man sagt: am Orinoco ist die mittlere Temperatur gleich der des Monats August in Rom; in dem schönen Klima der Chinarinde, bei Loxa, Popayanpp. 319r80.auf 6000 Fus über dem Meere ist diemittlereTemperaturgleich der des Monats August in Berlin, was uns zwar hier sehr heis scheinen würde, was aber dort, wo man an so viel - here Wärmegrade gewöhnt ist, eine angenehme Kühlung heissen kann,:in Quito, was 8000 Fus hoch liegt, ist diemittlereTemperaturgleich der des Anfang's Mai in Berlin; auf den Pa - ramos (wovon die Etymologie nicht recht klar ist) oder Hoch - ebnen, wo die Bäume nicht mehr fortkommen, sondern nur niedriges myrthen-artiges Gestrüp von 3 4 Fus Höhe, wo dieTemperaturin der Nacht oft bis R. herabsinkt, und die Mönche den Leuten erzählen, sie müsten sich geisseln, um nicht zu erfrieren; auf dieser Höhe von 11000 Fus über dem Meere ist diemittlereTemperaturgleich der von Ber - lin +7°R., oder wie das Ende des April in Berlin. In der Tropenzone ist auf 6000 Fus Höhe diemittlereTemperaturvon Kalabrien, unter 46°Nordbreitedie von Lapland.

Es entsteht nun die Frage, wie hoch mus man unter einerbeligegebenen Breite senkrecht aufsteigen,319v um eine beliebige Temperatur zu finden. Hier mus zuerst dieTemperaturder untern Schneegränze bestimt werden, und diese ist nicht = , wie Lesliemeinte, sondern unter dem Ae - quator +1,5° R. unter 48°Nordbreite 3; unter 69°Nordbreite(nach den Beobachtungen von L. v. Buch) R.

Die Höhe der Berge ist schon früh mit den Breiten - graden verglichen worden, und ich müste hier zuerst den Kardinal Bemboin seiner Ätnareise nennen; auch Tournefortbemerkte, als er den Ararat bestieg, dass die Vegetazion sich nach der Höhe über der Meeresfläche än - dere, dass am Fusse die Pflanzen Kleinasiens, auf der mitt - leren Höhe die von Frankreich, auf der Spize die lapp - ländische Flora sich zeigten; obgleich ihn hier die Ähn - licheit der Formen täuschte. In neuer Zeit hat man diese Vergleichung sehr genau nach denTemperaturendurch - geführt, besonders an den ersten 3000 Fus der Alpen. Im Winter entsprechen 300 Fus Höhe einem Breitengra - de oder 15 Meilen nach Norden. Wenn man daher die320r Schneekoppe besteigt, so ist dies soviel, als ob man 17° oder 250 Meilen nach Norden fortgerükt wäre, also von dermFusse der Schneekoppe bis Lapland unter 68°Nordbreite. Nimt man diemittlereTemperaturvon Schlesien auf +7°R. an, so ist ein Grad gleich 600 Fus: mithin wird dieTemperaturauf der Schneekop - pe um geringer sein, also R. und dies ist grade dieselbe Temperatur, welche L. v. Buchzu Enondekiesim nördlichen Skandinavien beobachtete. Im Sommer verändert sich das Verhältnis, und es gehn auf 300 Fus senkrechte Höhe nur 10 Meilen nach Norden. Durch diese Wahrnehmung wurde Decandollein seiner schönen Schrift über die Verbreitung der Pflanzen irre geleitet: denn die Kultur der Pflanzen steigt höher[an den Bergen hinauf] als sie sich nach Norden in den Ebnen ausbreitet, weil auf den Bergen die Luft reiner, und die Intensität derLuftWärme grösser ist. Die reinen Sonnenstralen könnendort mehr Hize im Parenchyma der Pflanzen erregen, als320v in einer niedrigen mehr mit Dünsten gefülten Region. In 2400 Fus Höhe wächst im südlichen Frankreich noch Wein, während er nördlicher nicht mehr vorkomt: hier entsprächen also, nach der Kultur des Weines 300 Fus Höhe nur 7 Meilen nördlicher Fortrükkung.

Von der Schneegränze.

Die Schneegränze hat schon früh die Einbildungskraft der Menschen beschäftigt, indem sie ein sinnlicher Be - weis der kalten Zone über unsern Köpfen ist. Der Hagel war kein so schlagender Beweis, da man nicht wissen konte, wodurch die plözliche Kälte entstanden sein mochte. Einen schönen Kontrast der Landschaft findet man an der Westseite der Andes, wo Palmen - und Pisang-blätter sich gegen die Schneemassen pro - jiciren. Auch erkante man früh an der Schneegränze die höheren und höchsten Berge, indem sie ein Ni - veau macht, das sehr wenig abweicht. Schon vorher, ehe La Condamineund Bouguerden Chimboraço trigonome -321r trisch gemessen, und seine Höhe bestimt hatten, wusten die Umwohner, dass er der höchste Berg sei, weil er seinen Gipfel am tiefsten in die Region des ewigen Schnees eintaucht: allein solch 'ein Schlus wäre nur unter den Tropenrichtig,swo eine so grosse Einförmigkeit und Übereinstim - mung in allen Naturphänomenen sichtbar sind. Die Schneegränze ist hier so beständig, dass der Schnee an dem einen Berge nicht um 80 Toisen höher liegt, als an dem andern. Wenn man daher Zeichnungen, wo dies dargestelt ist, nach unsern Ländern bringt, so finden es die meisten Beschauer unnatürlich, und glauben, es sei ein Versehn gemacht worden. Schon in den Pyrenäen würde ein Schlus nach der Schneegränze nicht richtig sein: denn hier gehn tiefe Schluchten und Thäler hinab, und bringen den Schnee in tiefere Regionen, als wo er eigentlich anfangen sollte;denn hier sind zu viel Lokalperturbazionen vorhanden.

Die Alpen, der Paropamisus, der Kaukasus haben meist nur an ihremnWestäbhängen Schnee: daher konten321v die Alten nichts über die Schneegränze wissen: auch findet sich keine einzige Stelle, welche deutlich darüber Auskunft gäbe. In dieser Hinsicht ist die Entdekkung von Amerika so sehr wichtig, wovon die gleichzeitigen Schriftsteller, besonders Acosta, Zeugnis ablegen. Man sah hier zuerst in dem neuen Kontinent eine Bergkette, welche sich vom 52° Süd - breite bis zum 60°Nordbreite, dem Eliasberge in Kamtschatka, gegenüber, erstrekte, und überal dieselbe Schneegränze hatte; die man in den verschiedenen Breiten zu bestimmen bemüht war. Es ist ein Irthum, der durch den Pater Bartolomeoin viele Geographien gekommen ist, dass der Descabezçado höher sei als der Chimboraço: man schlos dies an der Wahrneh - mung, dass der Descabeçado höher in die Schneegränze hinauf - reiche: bedachte aber nicht, dass er unter 35°Südbreitein Chili liegt, wo die Schneegränze weit tiefer hinabgeht: er ist nicht über 9000 Fus hoch.

Von den Gletschern und Eisgrotten.

Die Gletscher sind Schnee-eis in grossen Massen, welche sich322r in die[ Queer -] Thäler hinab geschoben haben. Wenn man sie genau un - tersucht: so findet man, dass es Schnee ist, in welchen Wasser ein - drang, und darin gefror. Ihr Anblik ist der eines bewegten Meeres, das plözlich erstarte: auf der Oberfläche finden sich Unebenheiten von der grösten Verschiedenheit. An ihrem obern Anfange hängen die Gletscher allerdings mit der untern Schnee - gränze zusammen, aberanmitihrer untern Seite erstrekken sie sich oft weit tiefer: in Chamounix findet sich derieuntere Grän - ze der Gletscher schon auf 3000 Fus Höhe. Man hat bemerkt, dass sie nicht an derselben Stelle bleiben, sondern, wenn auch nur langsam, vor und zurük gehn. Man glaubte früher, dieasVorrükken gesche - he, indem das Schnee-eis gefriere, und sich dabei ausdehne: al - lein Escherzeigte, dass das Vorrükken grade im Sommer Statt finde, wo es nicht friert. Saussuregab davon die richtige Er - klärung. Im Sommer, wo die Erde sich mehr erwärmt, schmilzt der untere Theil des Gletschers, der auf dem Bogden aufliegt, und fliest ab: dadurch bilden sich grosse Bogen von Eis, die zusammenstürzen, und dadurch einen Theil des Gletschers vorschieben.

322v

Auf der Oberfläche der Gletscher bildet sich eine sonderbare Erscheinung: runde Löcher gehn wie kleine Brunnen tief in das Eis hinab. Diese rühren von einem eignen Spiele des Was - sers her, das grade wie im Bohrer wirkt. Denken wir uns, dass auf der Oberfläche des Eises sich eine kleine Lache befindet: so erreicht das Wasser bei +4°R. das maximum seiner Dichtigkeit, sinkt zu Boden und wird etwas von dem Eise wegschmelzen: da - bei erkaltet es aber wieder, vielleicht bis , wird dann leichter, und steigt in die Höhe: erwärmt sich an der Luft und Sonne bis +4° und sinkt zu Boden; so bildet sich durch dieses Spiel ein konisches Loch von bedeutender Tiefe.

Die Eisgrotten hängen noch viel weniger mit der Schnee - gränze zusammen, als die Gletscher, am Ural findet man sie viel tiefer. Sie bilden Luftquellen, aus denen eine sehr kalte Luft strömt, die Saussureim Sommer von +3° R. fand. Das Eis entsteht durch senkrechte Öfnungen, wo hinein die kalte Winterluft dringt, und nicht wieder zu - rük kann. Man findet Gletscher vom Himalaya bis Grön - land: aber in Peru und Chili habe ich sie nirgends entdekken323r81.können; es ist wahrscheinlich, dass die gleichmässige Tropen - temperatur ihr Entstehn hindert. Nur am westlichen Abhange des Chimboraço findet sich eine analoge Erscheinung, ein unter - irdisches Eis: wenn man in einerBimsstein - oder Sand-lage 3 4 Fus tief gräbt: so findet man eine grosse Masse gefrorner Hagelkörner, 80 Toisen unter der Schneegränze.

Die untere Schneegränze ist eine sehr verwikkelte Erschei - nung: sie ist keiner isothermen Linie von R. parallel, son - dern weicht ganz davon ab; sie hängt auch nicht von der mitt - lerenTemperaturdes Jahres ab: sondern von der Krümmung der iso - theren Linie, der Linie gleicher Sommerwärme; ist also durch die Jahreszeiten bedingt: die isotheren Linien entfernen sich noch mehr von den Parallelkreisen, als die isothermen; dies wird durch ein Beispiel sehr deutlich, wenn man bedenkt, dass Moskau und der Ausflus der Loire dieselbe Sommerwärme haben, obgleich sie 11 Breitengrade aus einanderliegen.

52. Vorlesung, 14.04.1828

Die relative Höhe der Schneegränze hat einen grossen Einflus auf die Verbreitung der organischen Stoffeaund die Kultur der - selben, ja auf die ganze Glükseeligkeit der Völker.

323v

Dies sehn wir besonders im innern Asien, wo das hohe Plateau nördlich vom Himalaya eigentlich mit Eis und Schnee be - dekt sein müste: dennoch wohnen auf demselben mehrere Mil - lionen von Tübetanern.

So wie wir oben bei der Auseinandersezung der magnetischen Phänomene gesehn haben, dass sich 3 magnetische Linien auf der Erde ziehn lassen nach der Deklinazion, Inklinazion und Intensität jener Kräfte: eben so lassen sich auch drei - erlei Temperatur-linien ziehn: die isothermen, isotheren und isocheimonen Linien: die ersten verbinden alle diejenigen Orte auf der Erde, dieeinedieselbemittlere Temperatur des Jahres haben, die zweiten alle die Orte, wo diemittlereTemperaturdes Sommers dieselbe ist, und die dritten alle die Orte, wo diemittlereTemperaturdes Winters übereinstimt. Die beiden lezten sind besonders wichtig für den Akkerbau: denn es kömt bei allen Cerea - lien darauf an, dass sie im Sommer eine hinreichende Quantität von Wärme empfangen, um zur Reife zu kom̃en, dagegen brauchen andre Gewächse weniger Sommerwärme, sind324r aber gegen die Winterkälte sehr empfindlich.

Die Annäherung der Schneeberge drükt die Schneegränze mehr herunter, und Schneeberge erkälten sich auch gegenseitig: so hat man in den Pyrenäen bemerkt, dass die Schneelinie nach innen zu, wo die Schneeflächengegen einander stehn tiefer ist, als an den äussern Abhängen. Unter den Tropen, wo alle diese Phä - nomene beständiger sind, weil die Perturbazionen gleichsam nach den Quadraten der Entfernung von der Erdoberfläche abneh - men, ist auch die Einwirkung der Wärmestralung auf die Schnee - gränze nicht so bedeutend.

In den Alpen und Pyrenäen ist die Schneelinie an dem nördlichen Abhange etwas höher als an dem südlichen; im Himalaya dagegen ist es umgekehrt: hier geht diesüdliche Schnee - gränze unmittelbar über dem Tempel von Kendallweg, wel - cher nach 6 verschiedenen Bestimmungen auf 12000 Fus Höhe liegt: die nördliche aber dagegen Ladak hin, nach der chinesischen Tartarei, (welche eigentlich ein Theil von Klein - Tibet ist) wo sich eine grosse Hochebne von 8000 Fus Höhe fin -324v det (die durch Moorcroft, Weddellund vor 4 Jahren noch durch den Capitän Gérardgemessen wurde) die nördliche Schneelinie liegt hier in der ungeheuren Höhe von 15600 Fus und Waizen wird noch auf 14000 Fus Höhe gebaut. In dem wenig-zerschnittenen Asien liegt die Schneelinie im allge - meinen höher, als man nach der Analogie der andern Welt - theile glauben solte, weil das Klima, als ein Kontinental - klima im Ganzen kälter ist. Parrerund Engelhardthaben die Schneegränze zwischen dem schwarzen und kaspischen Meere untersucht; da dort die Sommer heisser sind als im westlichen Theile des alten Kontinentes, so fängt im Kaukasus die Schneelinie höher an als in Europa. Nach Wahlenberg's Messungen in den Karpathen unter 48°Nord- breite liegt sie hier höher, als in den Pyrenäen und Alpen. Ich habe in dem Atlas zu meiner Reise eine Kar - te von der ewigen Schneegränze gegeben, worauf sie vom Aequator bis nach den Polen hin angedeutet ist.

Über die Aequatorialhöhe des ewigen Schnees ist viel325r gestritten worden; vor meiner Reise betrug der Unterschied in den Angaben 800 Fus. Da nun die Schneelinie selbst unter dem Aequator nicht über 80 Fus variirt:Note: (oben hies es 80 Toisen?) so kann der Unterschied nur in den unvolkomnen Instrumenten von Don Juan La Condamineund Bouguergelegen haben; sie vereinigten nämlich trigonometrische und Barome - ter-Messungen: die Bergspizen wurden von den Hochebnen aus trigonometrisch bestimt, und die Höhe der Hochebnen〈…〉〈…〉über dem Meere barometrisch.

Das Mittel aus 20 bis 22 Messungen ist, dass unter dem Aequator derieSchneelinie auf 14660 Fus Höhe anfängt, also würde der Montblanc mit seiner Spize sie grade berühren. Zwischen 19°und20°Nordbreitehabe ich die Schneelinie durch Mes - sungen in Neu-Spanien bestimt, und mit Verwunderung gefunden, dass sie nur ungefähr um 1000 Fus sinkt; sie be - gint bei 13800 Fus.

Zwischen dem 19°und30°Nordbreitehat man bis jezt keinen Berg gefunden, auf dem der Schnee das ganze Jahr hindurch lie -325v gen bliebe: vielleicht giebt es deren im Innern von Afrika, aber man hat sie bis jezt noch nicht messen können. In Amerika fehlen sie sogar vom 19 40°Nordbreite. Unter 40° gab es lange keine Messungen: nun hat man aber gefunden, dass in dieser Breite die Oszillazion der Schneelinie (welch am Pol eineoskulierende Kurve wird) 2200 Fus beträgt, d. h. um soviel steht sie im Winter tiefer als im Sommer.

Unter dem 30°Nordbreiteim Himalaya: 12000 Fus amsüdlichenAbhang, 15600 am nördlichen; ein wichtiges Lokalphänomen.

Zwischen 40und45°Nordbreite8400 Fus im Som̃er nach v. Buchund Wahlenberg.

Unter 52°Nordbreitewo Berlin liegt, haben wir zwar keinen Schnee - berg, allein durch das Gesez der absteigenden Wärme und durch Interpolazion hat man berechnet, dass sie unter 7000 Fus anfangen würde.

In Skandinavien ist ein grosser Unterschied zwischen dem Innern des Landes und den Küsten.

Unter 70°Nordbreiteim Innern liegt die Schneelinie nach L. v. Buchauf 3300 Fus Höhe.

Unter 71½° am Ufer liegt sie auf 2200 Fus. Man hat zu die -326r sen Bestimmungen nicht immer die Berge selbst nöthig, son - dern kann sie durch Rechnung finden. Die Pinus-arten und Bir - ken nämlich bleiben in diesen Ländern in einem immer glei - chen Abstande von der Schneelinie: wenn also ein wirklicher Schneeberg fehlt, so mist man die Höhe der Pinus, und addirt dazu den anderswo gefundenen Abstand von der Schneelinie.

Allein alle diese Angaben gelten nur für bestimte Orte, d. h. Längengrade, nicht für den ganzen Breitengrad: daherdsind die Tabellen von Leslie, wo in einer Spalte der Breitengrad, in der andern die Höhe der Schneelinie steht, ohne Nuzen, worauf schon Brewsteraufmerksam gemacht hat. Man kann aller - dings eine isotherme Breite annehmen, sie besteht in dem glei - chen Polarabstande vom Kältepol, wie Brewstersich zu abstrakt in der Übersezung meiner Schrift von den isothermen Linien ausgedrükt hat. Es ist immer sehr mislich, dass nicht die mathematische Anwendung, (die sonst von so grosser Vortref - lichkeit ist) auf empirische Phänomene in eine blosse Spielerei ausarte, wie wir oben bei dem Laufe der Flüsse gesehn haben, die man eben so gut durch eine Formel, wie durch eine Karte dar -326v stellen könte, ohne deshalb mit Gewisheit von dem obern Lauf auf den untern schliessen zu können.

Wo ist die Kurve des ewigen Schnees eineoskulierende Kurve? d. h. wo berührt sie die Erde? auch dies ist nach den Längengra - den sehr verschieden.

In Spizbergen, unter 82°Nordbreitewo selbst im August Schnee fält.

Am Ende der Baffinsbay: unter 78°Nordbreite.

In dem kleinen Archipel vonNeu-Sibirien: unter 76°Nordbreite, also nur nördlicher als das mit einer recht schönen VegetazionWo bleibt die obere Schnee - gränze? prangende Nordkap.

Von der Seeluft.

Da der Erde mit Wasser bedekt sind, so ist die Luft, welche darüber hinweht, von grosser Wichtigkeit für uns. Ihre Wärme hängt von der Absorpzion der Lichtstralen ab, auch Winde und Strömungen haben Einflus. Von hohen Gebirgen bringen die Win - de eine kältere Luft herab, die auf der schiefen Fläche leichter heruntergleitet; nicht etwa weil es eine schiefe Flä - che ist, sondern weil am Abhange der Berge selbst Tempera - turveränderungen vorgehn. Als ich in der Südsee am Gebirge327r82.von S. Martha vorbeifuhr, dassan der westlichen Küste von Süd - amerika, nicht weit von der Landenge von Panama bis auf 18000 Fus Höhe sich erhebt: so fühlten wir, 15 20 Meilen vom Gestade gegen Abend die kalten Landwinde. Der heisse Harmattan aus dem Innern von Afrika kann Kälte erregen, welches durch die Erscheinung zu erklären ist, dass eine sehr trokne Luft von +30° R. auf eine Thermometerkugel geblasen, das Queksilber um 12 bis 15° herab - drükken kann. Wir haben das flüssige und starre Meer als Eis und Wasser betrachtet, und seinen Einflus auf die Temperatur der Luft bestimt. Auf der Bank von Newfoundland und auf der Bank della Bivora (Vigora) südlich von Jamaika habe ich viele Versuche über die Temperatur des Meeres und der Luft angestelt. Der Golf - strom, welcher fliegende Fische oft weit nördlich hinaufführt, hat, wo er seine Richtung vonSüdsüdwestnachNordnordostnimt, eine Temperatur, die 4 bis höher ist als die des Meeres an seinen Ufern: es giebt auch Ströme kalten Wassers, wie der an der Küste von Chili auf - wärts, der +14° R. hat, während das Meer daneben +21° hat.

Über das starre Meer, als Boden des Luftmeeres, hat Scoresbyviel Untersuchungen angestelt. Die Eisberge hüllen sich manch -327v mal in Wolken, und machen die ganze Athmosphäre trübe, oft aber auch, wenn alle wässrigen Dünste sich auf ihnen nieder - geschlagen haben: so ist die Luft umher von einer wunderbaren Klarheit. Es ist eine Untersuchung der neuern Zeit, wo das Wasser wärmer als die Seeluft sei. Duperreyund Freycinethaben hierüber 3 Jahre lang alle 2 Stunden Beobachtungen angestelt, und gefunden, dass vom Aequator bis 48° Breite das Meer überall etwas wärmer ist als die Luft. Auch für die Astronomie ist diese Beobachtung nicht unwichtig: der Weg des Lichtes hängt von der Dichtigkeit der Schichten ab, die es durchstreift: sind sie von ungleicher Dichtigkeit, so bekömt der Lichtstral eine Konvexität, und der Horizont erscheint niedriger: (daher kann schon ein oft in das Meer getauchtes Thermometer den Schif - fern die Gefahr anzeigen, ob sie auf eine Insel stossen werden) Die Depression des Horizontes kann 4 5 Minuten, also über 1 deutsche Meile betragen: eine meiner frühesten Arbeiten beschäf - tigt sich mit diesem Gegenstande. Hiemit hängt auch das Phänomen des Mirage, oder Kimmung zusammen (im italieni - schen: Fata morgana, im Sanskrit: der Durst der Gazelle) welches328r alle Armeen kennen gelernt haben, die durch diese Wüsten gezogen sind. Noch neuerlich ist es durch Bonaparte's Expedizion nach Aegypten bekant geworden: allein schon Nearchkante es zu A - lexanders Zeit sehr gut.

Die höchste Temperatur der Seeluft, (wenn wir uns erinnern, dass die der Landluft auf +38° R. steigen kann) istdunter den Tropen, im Vergleich mit jener eine angenehme Wärme von +23 bis 24° R. oft auch nur +20°: im mittelländischen Meere steht sie ver - hältnismässig sehr hoch: die höchste scheint das rothe Meer zu haben. Bis 30°Nordbreitehat die Seeluft eine höhere Temperatur als die Landluft.

Wir wollen nun noch kurz die 3 Gründe wiederholen, warum Europa ein milderes Klima hat, als andere Erdtheile, welches so mächtig zur Entwilderung des Menschengeschlechtes und zum Gedeihen organischer Körper beiträgt.

  • 1, ist es eine Westküste, welche allemal wärmer sein mus als eine Ostküste.

  • 2, wenn seine Längengrade von Petersburg bis Madrid gegen den Aequator verlängert werden, so liegt hier Afrika gleichsam wie328v ein warmer Stein.

  • 3, unter allen Kontinenten ist es derjenige, der am wenigsten Masse gegen Norden, und über sich gegen den Pol hin ein eis - freies Meer hat, wozu man noch den Golfstrom rechnen könte, der aljährlich tropische Sämereien an die Küsten von SkandinavienundWeinfässer nach Schottland bringt, ferner den bequemen Ablauf der nordischen Polar-eismassen durch das grosse Wasserbekken des atlantischen Ozeans.

Auf 3erlei Art könte also Europa kälter werden:

  • 1, wenn Afrika, wie das alte Atlantis versänke.
  • 2, wenn das alte Atlantis im Westen wieder aufstiege, und Europa mithin nicht mehr Westküste bliebe.
  • 3, wenn sich im Norden die Eismassen ansammelten, und dies wür - de schon geschehn, wenn der Isthmus von Panama geöfnet wäre; dadurch würde nämlich der Golfstrom verschwinden, oder wenig - stens nicht mehr an unsre Küsten kommen.

53. Vorlesung, 15.04.1828

Von den 6 Momenten über die luftförmige Hülle der Erde haben uns besonders die Zyanometrie und Diaphanometrie beschäftigt, wir kommen nun zum 6tenMoment:

329r

Von der Geographie der Elektrizität.

Dies schliest sich sehr gut an dieTLehre von der Temperatur und der Feuchtigkeitsbildung an. Die Elektrizität giebt Wärme und Licht, und〈…〉〈…〉steht in Wechselwirkung mit dem ele - ktrischen Zustande der Erde; im starren Erdkörper erscheint sie als Magnetismus, in der Athmosphäre als elektrische Spannung: im ersten Falle bringt sie vielleicht mehr Wärme hervor, im 2tenbil - det sie das Erd - oder Polarlicht.

Die Elektrizität kann durch 4 5 Mittel erregt werden, die sich vielleicht mit der Zeit alle auf Eins werden zurükführen lassen. 1, durch Reibung, und dies ist wahrscheinlich nur eine Temperatur - veränderung. 2, durch Dampfbildung. 3, durch chemische Verän - derungen, neuerlich bewiesen durch Becquerels schöne Versuche, d〈…〉〈…〉er mit einer Magnetnadel kleine Quantitäten von Säuren entdekte. 4, durch Kontakt, worauf die Erfindung der Voltaschen Säule gegrün - det ist. 5, auf eine geheimnisvolle Weise im organischen Leben verbreitet, in den elektrischen Fischen am meisten. Bei den Gymno - ten von 5 6 Fus Länge, die ich untersuchte, und mit denen es mir sogar gelang, Pferde zu tödten, hat man es sonderbar gefunden,329v dass diese Anhäufung von elektrischer Materie sich unter dem Wasser findet, welches zu den leitenden Körpern gehört, und nicht in der Luft, die nicht leitet. Die Einwirkung der Muskeln auf die Nerven hängt mit dieser elektrischen Erscheinung zusammen. Die Vögel haben gewis einen ähnlichen Prozes, nur kann er nicht bei ihnen sich so deutlich äussern, als bei den Gymnoten, wo die elektrische Materie in der Medullarsubstanz und in einer grossen Menge arteriellen Blutes angehäuft ist.

Die elektrische Spannung hängt auch mit dem Zustande der Dünste zusammen, der besonders unter den Tropen sehr wirk - sam ist, auch die räumliche Lage der Dämpfe hat Einflus, ob sie im Luftozean vertheilt, oder zu Wolken gebalt sind. Ich habe auf grossen Höhen hygrometrische Versuche angestelt, wo - nach in der Nähe der Wolken die Luft zum Verwundern trokken war. Die grosse Quantität von Elektrizität entsteht nach Gay Lussac's äusserst scharfsinniger Hypothese da - durch: dass jedes kleine Bläschen in der Luft eine elektri - sche Spannung hat; wenn sie nun zu einer Wolke zusam - men dringen, so bleibt keine Elektrizität mehr im Innern der330r Wolke, sondern wird auf die Oberfläche derselben vertheilt: da manche Wolke ½ Kubikmeile umfast: so läst sich denken, wie stark diese Spannung auf der Oberfläche sein mus. Daher ist es begreiflich, wie aus derselben Wolke sie viele Gewitterschläge nach einander kommen können, einzelne Theile werden entladen, und durch eine eigne Bewegung der Wolke wieder geladen.

Man ist früh darauf aufmerksam gewesen, dass ein Mangel an Gewittern in der arktischen Zone herscht, und in bestimten Jah - reszeiten auch unter den Tropen. In Grönland blizt es zwar, aber es donnert nicht. 67 Scoresby, der sich lange in den Sechziger und Sieb - ziger Graden der Nordbreite aufhielt, hat nie bei Spizbergen ein Gewitter bemerkt. Schon in den nördlichen Theilen von Skandi - navien sind sie sehr selten: in der Hudsonsbay dagegen häufig, doch erstrekt sich diese von 52 bis 64°Nordbreite. In der Barrowstrasse fehlen sie wiederum: obgleich die Luft dort so mit Dämpfen gesät - tigt ist, als es der geringe Wärmegrad erlaubt: allein theils schlägt sich das Wasser auf den Eisbergen nieder, theils können sich die Wolken nicht gut von dem Erdkörper absondern, und bilden dichte Nebel.

330v

Unter den Tropen kann man 2 Zeitabschnitte unterscheiden 1, vom Dezember bis in den Mai, wo weder Wolken noch Gewitter sich zeigen, und eine über dem Horizont hinziehende Wolke eben so auf - fallend sein würde als ein Aërolith. Während dieser Zeit fand ich immer positive Elektrizität in der Luft. 2, vom Mai bis in den Oktober, diessist die Regenzeit, und in diesen Gegenden der Winter: auch sind in den dortigen Sprachen: Regen, Winter und Donner - wetter gleichbedeutend, die bei uns freilich verschiedene Begrif - fe bezeichnen. In dieser Zeit sind die Passatwinde nicht mehr so regelmässig als früher: ich fand von 8 Uhr früh bis 1 Uhr keine Spur vonElektrizitätin der Luft: dann aber, nach dem Durch - gange der Sonne durch den Meridian zeigt sich eine starke Spannung; beim Gewitter selbst springt sie schnell vom posi - tiven zum negativen und umgekehrt. Das Gewitter fängt gewöhnlich 2 Stunden nach dem Maximum der Wärme an, und bleibt bis gegen Sonnenuntergang: dann heitert sich die Athmosphäre auf, und in der Nacht zeigt sich keine Spur von Elektrizität. Ich konte diese Phänomene bis zu einer Höhe von 14000 Fus verfolgen, und fand, dass sie nur dem Grade,331r83.nicht der Art nach von einander verschieden sind.

Mit dem Wetterleuchten haben sich die Physiker noch nicht genug beschäftigt. Manche Wolken geben es fast ununter - brochen, wie phosphoreszirend: niemals aber sieht man es über 42° Höhe, noch weniger je im Zenith, sondern meist in 10 bis 25° Höhe über dem Horizont. Die gewöhnliche Hy - pothese, dass es von einem fernen Gewitter herrühre, reicht nicht mehr aus: denn wenn man die Höhe der Wolken auf 6000 Fus annimt: so müste ein Gewitter 23 Meilen weit im Zenith stehn, um uns unter einem Winkel von 10° zu erscheinen: da aber bei uns die Wolken meist 3000 Fus hoch stehn, so müste es nur 5 Meilen entfernt sein Ferner hat man bemerkt, dass das Wetterleuchten sich in 12 bis 15 Sekunden wiederholt, beim Gewitter dagegen die Blize selten unter 30 40 Sek. sich wiederholen. Es ist eine verbreitete Meinung unter den Tropen, dass, da die Wolken höher ziehn, der Bliz auch selten die Erde er - reiche: da aber jene Gegenden weit weniger bewohnt sind331v[ als] Europa, so kann man nicht so viel Beobachtungen darüber haben, und die Sache bleibt noch unsicher.

Auf die Blizröhren ist man erst in neueren Zeiten auf - merksam geworden, seitdem Henserin der Senner Haide in Westphalen eine gefunden hat. Es sind lange hohle Massen, die man mit dem Réaumurschen Porzellan vergleichen kann; sie sind eine ähnliche Verglasung der Sandkörner durch den Bliz: in Dresden bewahrt man eine von 14 Fus, die abgebro - chen ist: vielleicht hatte sie bis 30 Fus Länge. Neuerdings fand man eine grosse bei Bahia, und Clappertonhat einige aus der Wüste nördlich vom See Tschad mitge - bracht, obgleich man bis jezt gar nichts in jenen Gegenden von Gewittern weis. Einige Naturforscher haben daraus auf eine grosse Temperatur-veränderung in diesen Orten schliessen wollen. Dass diese Röhren wirklich vom Blize herrühren, hat man noch kürzlich in Amrun in Schleswig eruiren können. Matrosen sahenvorbeifahrend einen Bliz am Lande einschlagen,〈…〉〈…〉als sie ausstiegen, und auf die Stelle gingen, fanden sie eine porzellanartige Verglasung,332r die in das Kabinet von Amrun gebracht wurde. Ihre wahre Natur und Beschaffenheit wurde zuerst von Chladnier - kant. Eine merkwürdige Erscheinung zeigte sich mir auf dem Vulkan von Toluca in Mexiko, der sich über 14000 Fus er - hebt: die äussersten Spizen des sehr zerklüfteten Kraters, die kaum 5 6 Fus in Durchmesser haben, sind verglast völlig wie die Blizröhren, auch ist der harte Trachytpor - phyr durchlöchert, und das Innere dieser Löcher ebenso verglaset.

Von den Meteorsteinen.

Mit deneben genanten Fulguriten mus man nicht die Aërolithen oder Meteorsteine verwechseln. Chladniwar der erste, der sie für unabhängige Weltkörper hielt, die im Raume herumfliegen, daher hätten sie beim Zodiakallicht abge - handelt werden müssen: insofern sie aber erst beim Eintritt in unsre Athmosphäre sich entzünden und sichtbar werden: so gehören sie auch hieher in den Luftkreis.

Steine, die vom Himmel gefallen sein sollen, werden sehr häu -332v fig in der Geschichte erwähnt, am ältesten ist eine Andeutung in den chinesischen Annalen. Bekant ist der Steinfall von Aegos - potamos, der des Numa, viele Fälle unter den Khalifen, bekant: dass mongolische Fürsten aus Meteorsteinen sich Dolche und Schwerd - ter klingen machen liessen: dennoch wolt〈…〉〈…〉eniemand an die Sache glauben, bis Chladni1794 Licht über diese Erscheinungen verbrei - tete. Noch 1751 als das bischöfliche Kollegium in Agram in Kroazien über 2 Steinmassen, die vor den Augen vieler Menschen vom Himmel gefallen waren, nach dem Zeugenverhör, eine völlig beglaubigte, juristische Urkunde darüber abfassen lies, und die Steine samt der Schrift nach Wien schikte, wolte niemand etwas davon wissen, ja der Abbée Stützwelcher darüber schrieb, sagt: er zweifle, dass jemand eine solche Fabel glauben werde. Ich war selbst in Paris, als Pictetin der Akademie von Chladni's Bemühungen und den Steinfällen in Indien Be - richt abstattete, und die ganze Akademie lächelte ungläubig: aber sonderbar genug, in demselben Monat, 26. April 1803 ereig - nete sich in Frankreich selbst einer der grösten Steinfälle bei Aiguesim Dép. de l'Orme:,wo über 2000 Steine auf einer Fläche von 2 Quadratmeilen niederfielen. Biotwurde von der333r Akademie hingeschikt, und las ein sehr interessantes Mémoire darüber, wodurch die Sache konstatirt ward.

Seitdem zweifelt Niemand mehr daran, und man ist aufmerk - sam geworden, dass schon in der ionischen Schule sich ähnliche Ideen vorfanden. Diogenes von Apolloniasagt: Mit denErd -[?]Weltkörpern bewegen sichnicht-leuchtende Sterine, die auf die Erde fallen. Diogenes Laërtiusmeint, sie fielen aus der Sonne. Anaxagoras: die seien von der Erde weggeschleudert, kreisen um dieselbe und fallen darauf zurük. Dies alles ist schön auseinan - dergesezt in H. Ritters Geschichte der ionischen Philosophie. Man hat auch behauptet, dass bei Mondfinsternissen Steine fallen. In Syrien ist es Meinung des Volkes, dass sie aus dem Monde fallen, daher fürchtet manauf[einer] Nachtreise bei kla - rem Mondschein getroffen zu werden; der Stein in der Kabba von Mekka ist nach Seetzens genauesten Nachrichten ein Meteorolith; nicht wie jener Spanier behauptet, ein Basalt mit Feldspathkrystallen. Eine berühmte Masse ist die, welche 1492, am 7November:e clará unbe coeloquesereno in En - zisheim herabfiel, und 270 wog. Kayser Maximilianlies333v sie zerschlagen, und ein Stük davon in die Mauer von Enzis - heim einsezen. Pallasfand eine sehr grosse Meteormasse in Asien 1774, von der eine mongolische Tradizion sagte, sie sei vom Himmel gefallen, und welche schon 1749 von den Kosakken gekant war.

Von der Grösse der Massen.

Die gröste zuverlässig bekante fand der spanische Offizier Celisin Südamerika bei Yotunga in Chacca: sie ist Fus lang, und Fus breit, und wiegt 300 Zentner eine andere fand Morneyin Brasilien, 7 Fus lang, 2 breit, 3 hoch; wovon Wol - lastonStükke untersuchte[. ]Unsicher ist die Masse von mehreren 100 Fus Durchmesser, die neuerlich nach der Anga - be der Kantoner Zeitung in China herabgefallen sein soll. Abel Rémusatfand in den chinesischen Annalen, dass ein Fels von 40 Fus Höhe vom Himmel herabgefallen sei; auch dies ist nicht sicher. Nehmen wir aber auch blos den Stein von 7 Fus Länge als den grössesten an, so bleibt immer noch die Vergleichung mit dem kleinsten Planeten, der Vesta, und den gros - sen Sonnen richtig.

Von den chemischen Bestandtheilen.

334r

Es herscht eine grosse Verschiedenheit zwischen den Massen selbst, in Hinsicht auf ihre Zusammensezung. Die einen enthalten gediege - nes Eisen und Nikkel, die andern erdige, steinartige Substanzen, wie schwarze Basalte; oft sind auch ganze grobkörnige Gebirgs - massen herabgefallen. G. Rose, der darüber trefliche Untersuchun - gen anstelte, fand eine Masse, dem Labrador ähnlich; 5 6 Mas - sen waren ganz ohne Nikkel. Ihre Dichtigkeit ist nicht immer verschieden: die Masse von Allay1806 war zerreiblich: ähnlich einem schwarzen Torf, enthielt Kohlenstof, und hatte ein spezi - fisches Gewicht von nur 2,0. Man findet aber Massen die 3,0 bis spezif. Gewicht haben, und dies ist grade die Dichtigkeit der Planeten, welche diesseit der kleinen Planeten kreisen. Saturn hat eine Dichtigkeit, die der des Wassers noch nicht gleichkomt: man könte daher glauben, dass die Meteormassen im Weltraume uns näher liegen. Chladniführt an, dass manauch[?]staubartige Massen hat herabfallen sehn, allein da diese vom Winde können in die Höhe geführt sein, so ist dies noch unsicher: auch flössen die Analysen, die man in Italien davon gemacht, kein grosses Vertrauen ein. Der Stein von Jouvenassiehtisteiner Syenitmasse nicht unähnlich. Im Äussern zeigt sich eine grosse Übereinstimmung334v bei allen Massen: sie haben meist eine glasige schwarze Rinde: da diese oft zweigartig über die Oberfläche verbreitet ist, und wohl ent - fernt den verschlungenen arabischen Schriftzügen ähnelt: so glaub - ten einige arabische Schriftsteller, es sei die Adresse der Personen, welche von den Dämonen getödtet werden solten.

Die chemischen Bestandtheile sind sehr mannigfaltig: man fand: Eisen, Nikkel, Kobalt und Chrom; Schwefel, Natron und Kali; Salzsäure mit Sicherheit; Kieselerde, Alaunerde und Wasser, sehr deutlich: Die Gebirgsarten sind nicht so sicher: der Prozes ist sehr mühsam, um sie aufzufinden, indessen gelang es doch demHerrn G. Rosedurch Schlemmen und durch äussere Kennzeichen Olivin und Pyroxen darin zu entdekken.

Man kann 2 Abtheilungen von Meteorsteinen machen: die erste, welche viel Nikkel enthält, hat auch viel Talk, aber wenig Kalk; die 2tedie wenig Nikkel wenig viel [. ]

Das Herabfallen geht gewöhnlich so vor sich: bei hellem Tage sieht man einen leuchtenden Punkt, der sich in Dämpfe hült, und ein kleines schwarzes Gewölk bildet, aus welchen Lichtflam - men von einer sehr grossen Intensität herausfahren, die dem Sonnenlicht gleichkommen. (Kurz vor meiner Ankunft in Popayan,335r84.war zwischen 12und1 Uhr Mittags eine Feuerkugel über die Stadt hin - gefahren, von solcher Helligkeit, dass das Innere aller Häuser zum Schrekken vieler Personen davon erleuchtet wurde. Man kann sich leicht denken, welch eine Intensität von Licht dazu gehört, um das Sonnen - licht unter den Tropen am Mittage zu überstralen.) Man hat die Höhe dieses schwarzen Rauches und Dampfes messen können, wobei freilich der Fehler die Hälfte des Ganzen betragen kann, und ihn in 10, 12 bis 15 deutschen Meilen Höhe gefunden.

Die Richtung ist kein Herabfallen: sondern sie geht horizon - tal fort, wie ein Projektil, und nähert sich nur almählig der Erde. Die Geschwindigkeit ist ganz der der Weltkörper gleich. Man hat sie mit grosser Gewisheit 1771und1798 messen können, bei Feuerkugeln, die über Dublin, Paris und Deutschland fort - zogen: sie beträgt 5 6 Meilen in einer Sekunde (während eine Kanonenkugel nur 1500 Fus in der ersten Sek. zurüklegt)[. ]Schon hieraus geht hervor, dass schwerlich die Wurfkraft eines Vulkans sie zu uns senden kann. Ablenkungen von der Richtung sind sehr selten, kommen aber vor, ja sogar Ricochets, welches sich bei der grossen Geschwindigkeit dieser Körper recht gut aus dem Widerstande der Luft erklären läst. Man hört beim Fallen335v immer ein Getöse bis auf 18 Meilen weit, das oft dem Kanonendonner, oft dem Kleingewehrfeuer ähnlich ist. Beim Fall sind die Steine heis, versengen aber nicht einmal das Gras. Berzeliusschlos daraus sehr scharfsinnig, dass das Innere der Massen durch die Verglasung nicht gelitten habe, auch fandHerr v. Schreibersin Wien, dass der Schwefelkies darin unverändert sei: daher gehört die hohe Tempe - ratur nur der äusseren Masse an. Im Jahre 1810 fieleinMeteor - stein auf ein amerikanisches Schiff; (wenn man die Ausdehnung des atlantischen Ozeans und die winzige Kleinheit des Schiffes bedenkt: so gehört dies zu den ungeheuersten Zufällen, die man sich denken kann;) schlug das Verdek durch, schwärzte aber nicht einmal das Holz, obgleich man ihn sehr heis fand.

Ihr Vorkommen ist völlig unabhängig von den Jahreszeiten, auch ihre Richtung nicht bestimt: man hat nichts periodisches dabei finden können, eben so wenig hängen sie mit den Nordlich - tern und Sonnenflekken zusammen, wie man wohl sonst angenom - men hat. Schreibersin Wien warf die Frage auf, wie viel Steinfälle überhaupt vorkommen mögen, und fand nach der Wahrscheinlichkeits - rechnung,dassindem er, freilich unsicher genug, vom bekanten auf das unbekante schlos, dass in 2000 Jahren 100,000 Steine herab - gekommen sein mögen:aufineinem Jahre ungefähr 2500.

336r

Über die Ursachen des Phänomenes hat man 3 Hypothesen: 1, dass sich die Steine in der Athmosphäre der Erde bilden, indem man annimt, dass an den äussersten Gränzen derAthmosphäresich eine grosse Menge Wasserstof befinde, der durch eine elektrische Explosion zusam - mengeschmolzen würde: dies ist unhaltbar: denn in einer Höhe, wo der Barometerdruk noch nicht 0,01 Linie beträgt, würde eine ganze Athmosphäre nöthig sein, um einen[massigen] Aerolithen zu ma - chen: ferner sprichtauchdie Schnelligkeit der Massen dagegen, welche viel grösser ist, als durch blossen Fall möglich wäre; endlich findet man durchaus keine Spur von Wasserstofgas, so hoch man auch in der Athmosphäre gekommen ist: bis zu〈…〉〈…〉1 / 3000 derathmosphärischenLuft beigemengt, würde man ihn noch entdekken können. 2, dass sie aus den Mondvulkanen hergeschleudert werden. Mit Unrecht hat man diese Meinung Laplaceund Olberszugeschrieben: diese beiden grossen Astronomen haben nur untersucht, wie gros die Wurfkraft sein müsse, um die Steine bis zu uns zu bringen. Aber wahrscheinlich giebt es im Monde gar keine Vulkane, und die leuchtende Stelle im Aristarch, welche man dafür hielt, zeigt uns wahrscheinlich nur das reflektirte Erdlicht, welches sogar verschieden erscheint, je nachdem es von dem dunkeln Meere, oder von dem hell erleuchten Innern von Afrika kömt. Poissonhat berech -336v net, dass eine Wurfkraft von 7100 Fus in der 1tenSekunde dazu gehört um die Steine vom Monde auf die Erde zu schleudern: also 4 mal stärker als eine Kanonenkugel. Laplacefand, dass auf diese Art ein Stein in Tagen zu uns kommen könne: allein Olbersbewies mit musterhaftem Scharfsinn, dass Laplacedabei nicht auf die Translazion des Mondes gerechnet habe, und dass, wenn man diese in Anschlag bringt, die Steine aus den Mondvulkanen Erdsatelli - ten werden würden. Im Jahre 1660 wurde in Mayland ein Fran - ziskanermönch durch einen Meteorstein getödtet, wie der Physiker Tortona berichtet, und schon um dieselbe〈…〉〈…〉Zeit 1660, sagte Turzagoin einem Mémoire darüber: dass der Stein aus dem Monde gekom - men sei. 683, und dies ist das wahrscheinlichste, dass die Steine im Weltraume selbst herumfliegen, welches von Chladnizuerst ausge - sprochen wurde: die relativen Grössen im Weltraume sind nichts, wie wir an der Vergleichung der Vesta mit den Sonnen gesehn ha - ben. Jene kleinen Meteormassen fallen durch eigne Perturba - zionen bald auf den einen, bald auf den andern Weltkörper, dem sie sich am meisten in ihren Bahnen nähern. Olbershat die Meinung, dass ihre grosse Menge vielleicht von einem grössern zerplazten Weltkörper herrühre, und dass dies vielleicht der Fall könne gewesen sein, als die 4 kleinen Planeten sich337r gebildet. Lagrangehat kurz vor seinem Tode ein äusserst tiefsin - niges Mémoiredarüber herausgegeben.

54. Vorlesung, 16.04.1828

Von der organischen Erdrinde.

Manche Physiker denken sich die Erde selbst als belebt, durch Erdbeben erschüttert, respirirend in den Vulkanenpp. ich bin dieser Ansicht fremd, und glaube, dass man das organische im Gegensaz um unorganischen betrachten mus, indem man unter dem lezten die magnetisch-elektrischen Kräfte, so wie die Luft - und Wasser - hülle, unter dem ersten die die Pflanzen und Thiere begreift.

Das organische ist für uns nur ein tellurisches: denn was man von Palmenpp. im Monde hat sehn wollen, ist zu unsicher, um darauf zu fussen: nicht sowohl wegen der Grösse der Organisazion: denn es giebt bei uns Gewächse von 250 Fus Höhe: allein da man im Monde die Grössen nur nach dem Schatten messen kann: so sieht man leicht ein, dass solche hohen Gewächse viel zu wenig Dikke haben, um einen hinlänglichen Schatten zu werfen.

Die organische Rinde um unsre Erde ist äusserst dünn; ein Hauch des Lebens über eine todte Masse ergossen, die 1720 Meilen im Durchmesser hat, eine sehr geringe Kruste auf dem grossen337v unbelebten Kerne.

Wir bemerken, dass im Flüssigen und im unorganischen Erdkörper die Masse vorherscht, und wenn wir auch annehmen, dass alle Ge - birgsarten aus zerriebenen Krystallen bestehn: so ist doch auch im Krystall die Präponderanz der Masse nicht zu verkennen; anders in den organischen Stoffen, hier ist die Masse von der Form besiegt; wenn im Ozean und in der Luft, wo unablässige wilde Bewegung herscht, die Ordnung nur als Ausnahme erscheint: so ist im Pflanzenreiche das Gesez als Regel zu betrachten: wir können es verfolgen vom ersten Entfalten des Keims, das an eine bestimte Zeitepoche gebunden ist, bis zum Blühen und Verwelken der Pflanzen, und die alte Weltordnung der Vergangenheit bürgt uns für die Gesezmässigkeit der Zukunft, bürgt uns, dass nach 1000 Jahren die Keime sich eben so entfalten werden, wie jezt. Aber auch in der Betrachtung dieser Einheit werden der Geognost, der die Lagerung und Bildung der Gesteine nachzuweisen sucht, und der Physiker, der den Zusammenhang der Naturkräfte mit dem organischen Leben darzu〈…〉〈…〉legen strebt, von dem Eindruk des gewaltsam-Wechselnden mächtig ergriffen.

Die Weltbeschreibung hat es nicht mit der Anatomie und Phy -338r siologie der Pflanzen zu thun, worum Link, Rudolphi, Lamarkund Delandollesich so sehr verdient gemacht haben; dies sezt sie voraus; sondern nur mit der Geographischen Vertheilungin den[Kli - maten]; sie behandelt nicht die Pflanzen und Thiere sondern die mit Pflanzen und Thieren bedekte Erde.

Eine Definizion, wie das Organische sich vom Unorganischen unterscheide, ist schwer zu finden, und die Bemühungen der Naturforscher waren bis jezt in dieser Hinsicht nicht glüklich; man kann eher durch ein Kriterion oder Experiment Wahrschein - lichkeit erhalten, als durch eine Definizion, und organische Stoffe solche nennen, welche nur so lange als sie ein Ganzes bilden, diesel - be chemische Mischung behalten; allein hiebei mus man 2 Be - dingungen nicht ausser Acht lassen: 1, müssen die äussern Um - stände immer dieselben bleiben 2, mus die Trennung der Theile in jeder Richtung gemacht werden können: denn eine Trennung nach einer Richtung sehn wir bei den Pflanzen beim pfropfen und kopuliren; daher herscht im Organischen mehr der Karakter der Individualität und Einheit, daher sagt man: organische Ver - bindung, wenn alle Theile zu einem Ganzen übereinstimmen. Schon Aristotelesgab im wesentlichen dieselbe Definizion. Damit ist338v aber nicht gesagt, dass imnOorganischen Körpern nicht auch chemische Kräfte wirken solten, nur mus man annehmen, dass sie durch elek - tro-magnetische Erscheinungen, die wir nicht kennen, bedingt sind: denn wir sehn, dass der chemische Prozes angeht, sobald die Theile sich vom Ganzen trennen. Die einzelnen, auf diese Art bedingten Kräfte kann man Lebensthätigkeiten nennen, welches auf die ma - gnetischen und elektrischen Kräfte allein nicht passen würde: doch ist es nicht zu vermeiden, dass in diesen Begriffen oft Verwirrung entsteht. Nicht diese Kräfte selbst, sondern das Resultat der - selben nennen wir Leben: das Eingehn in ein andres Mischungs - verhältnis ist der Tod; dieser kann beim Ganzen und bei einzelnen Theilen stattfinden: so können die holzigen Theile von den Pflanzen getrent, und sehr lange in ihrem früheren Aggregatzustande er - halten werden, welches für die Kultur der Menschen von so gros - ser Wichtigkeit ist.

Es ist ferner ein Kennzeichen des Organischen, dass in ihm eine sukzessive Entwikkelung der Theile sichtbar ist, eine Abstam - mung derselben von einander, und eine bestimte Dauer oder Periodizität ihrer Erscheinung. Gewisse Elemente sind ihm fremd: von den 52 einfachen Körpern, welche die Chemiebis339r85.jezt aufgefunden hat, stöst es manche aus, selbst wenn sie von aussen hinein gebracht werden; nur sehr wenige einfachen Stoffe gehn in das Band der organischen Körper ein; Kobalt und Nikkel hat man noch in keinem organischen Wesen ge - funden. In dieser Hinsicht ist die Lehre von den chemischen Pro - porzionen sehr wichtig. Man bemerkt, dass im Unorganischen sich fast nur Atome der ersten Ordnung finden, im Organischen dagegen sind sie meist ternäre und quaternäre, und Berzeliusleitete daher den Unterschied derorganischenundunorganischenNatur ab. Beide Organismen können indessen von demselben Reize stimu - lirt werden. Ich habe selbst die Versuche gemacht, dass Chlor oder Salzsäure den Saamen der Pflanzen reizt. Wenn ein Saa- menkorn der Kresse im Wasser in 37 Stunden einen Keim von ½ Linien trieb: so konte ich es durch Chlor in 6 Stunden da - hin bringen: man hat daher dies Mittel in vielen Gärten ange - wandt, um alte Samen zum Keimen zu bringen; eben so wirkt es auf die Thiere. Opium und Arsenik sind, wie man in neu - eren Zeiten gefunden hat, eben so wirksam auf die Pflanzen als auf die Thiere.

339v

Früher wurde es algemein angenommen, dass alles organische mit dem Lichte in Verbindung stehe, und Lavoisiererklärte daher auf eine schöne Art den Mythus vom Prometheus. Im algemeinen ist es wahr, dass alle organischen Wesen das Licht lieben, allein es giebt Ausnahmen: man findet unter - irdische Pflanzen und Insekten bis zu einer grossen Tiefe unter der Oberfläche der Erde. Man glaubte, dass dies in den Berg - werken eine Folge des Zimmerholzes sei, mit dem diese Geschö - pfe heruntergebracht wären: allein während meines bergmän - nischen Lebens fand ich oft solche Pflanzen auf Strekken, wo gar kein Holz angewandt worden〈…〉〈…〉war. Ich war in der Gailen - reuter Höhle gegenwärtig, als ein Theil derselben durch Schiessen eröfnet wurde, und fand im Innern an den Wänden eine eigne Lichen-art, die ich auch beschrieben habe, wie Epheu rankend ausgebreitet. Mögen nun auch die Samen davon durch das tröpfelnde Wasser herabgekommen sein, so keimten und wuchsen sie doch dort unten in einer volkomnen Dunkelheit. Die grüne Farbe scheint nur durch eineaAn - samlung von Wasserstof und Stikstof hervorgerufen zu340r werden: so ist es gelungen, selbst bei Lampenlicht die Pflanzen schwach grün zu färben. Es finden sich auch grüne Pflanzen in einer Tiefe des Meeres, wo nach Bouguers photometrischen Ver - suchen gar kein Licht mehr hingelangen kann. Ich zog selbst eine Ulva, die ganz grün war, mit dem Senkblei aus einer Tiefe von 5 600 Fus. Die Rhamnoideen, Malvaceen und Citrus - arten haben in der Frucht einen gefärbten Keim, obgleich die Frucht gewis dicht genug ist, um kein Licht durchzulassen: die Färbung scheint hier mit eignen Gasarten zusammenzuhängen.

Etwas ähnliches finden wir bei manchen Thieren, z. B. den Eingeweidewürmern, von denen Rudolphiüber 1100 Arten beschrie - ben hat, und was〈…〉〈…〉sehr merkwürdig ist, er hat gefunden, dass viele Spezies in unsern Rehen und Hirschen, in den Gazellen von Afrika und in den Kängurus vonNeu-Holland dieselben sind. Diese Thiere leben gewis in einem volständigen Dunkel.

In den ersten Anfängen ist das Vegetabilische vom Animali - schen wenig getrent. Man hat lange nicht gewust, wohin man die Priestleysche Materie rechnen solte, einen grünen Schlamm, der sich auf den faulenden Wassern bildet. Jezt hat man mehrere340v Stoffe darin gefunden, wie Konferven, die man zu den Pflanzen rech - net, Oszillatorien fadenartige Thiere, die eine eigenthümliche will - kührliche Bewegung haben, Infusorien Lamellitnen (von Bory deGruppe St Vincentbeschrieben) ein Genus das LatreilleGymnogenen nent. Es hat sich daher ein Streit zwischen den Physikern erhoben, ob ver - schiedene Wesen der Infusorien sich in eine gerade schlauchartige Pflanze vereinigen können. Bei dieser grossen Scheidung unter den Physiologen hatten Giraud undoChantramndie Idee, welche nachher auch von Agardhund Hornschuc[?] herangenommen wurde: dass eine Pflanze nichts sei, als ein Zusammensezung von thieri - schen Stoffen, die sich in ihren Anfängen vereinigen und um die sich eine Haut bildet. Dagegen glauben andre trefliche Beo - bachter, wie Turpin, Raspailleund Ehrenberg, dass es nicht Gründe genug giebt, um mit Bestimtheit zu diesem Resul - tat zu kommen. Die Hauptursache der Täuschung liegt darin: dass eines Theils der erste Keim des organischen Lebens abgesondert existiren kann, dann aber: dass er auch Theile der zusammenge - sezten Körper ausmachen kann. G. A[?]. Müllerhat auf einem Blatte eine Zusammenstellunggemacht von Vibrio tripunctatus, welches ein Thier ist, das manwegen seiner Ähnlichkeit[?] mit einem Schiffe Noavi -341r cula genant; und mit der Chantramnia, deren Konkamerazionen mit den Stoffen das Vibrio angefült sind: wenigstens mit so ähnli - chen, dass man sie nicht mehr davon unterscheiden kann. Eben so ist es mit dem neuen Genus Girodella, welches früher Conferva hies. Hieraus scheint hervorzugehn, dass die Schläuche er Organismenentweder eine Komposizion ausmachen, oder einzeln existiren können.

Andre sehr merkwürdige Beobachtungen hat man an einer Wasserpflanze: Chara flexilis gemacht. Sie enthält Röhren wie Kom - partimente, in denen eigne Bewegung herscht. Kleine Körner steigen an der einen Seite der Röhre auf, an der a〈…〉〈…〉ndern herab, ohne sich zu berühren oder zu stören, die leitende Flüssigkeit in der sie sich befinden, ist ohne Scheidewand. Wenn man diese Kompartimente unterbindet, so schneidet sich die Le - bens-strömung ab, und es bildetsich eine neue Abtheilung mit einer neuen Bewegung. Wie lange diese Entdekkung vergessen blieb, sieht man daraus, dass sie schon 1774 von Cortigemacht, und ausführlich beschrieben wurde:69 später wurde sie von Fontanabestätigt;70 bei uns machte Treviranuswieder darauf aufmerksam, und ganz neuerlich Amiciin Modena, der sich viel Verdienst um die Mikroskope erworben hat. Vor341v wenigen Monaten hat ein sehr guter Physiologe,Herr Meyerin Bonn, die Entdekkung gemacht, dass die Kügelchen der Chara eine eigne Bewegung haben, selbst wenn sie sich von derselben trenten:detwas ähnliches bemerkte er bei der Valisneria spi - ralis. Die Bewegung dieser Biosphären, (wie man die Kügel - chen nent) will man auch an den Blutkügelchen einiger Thiere wahrgenommen haben. Da ich neuerdings keine Versuche darüber gemacht habe, so lasse ich die Sache unentschieden.

HerrProfessor Schulzein Berlin fand gleichfals im Ficus und Nerium Oleander eine Bewegung von Kugeln in abgesonderten Kanälen,71 welche sowohlHerrProf. Link, als ich, deutlich wahr - genommen haben. Carusfand sogar in den Libellen 2 verschie - dene Bewegungen 1, wie in der Chara in demselben Kanale auf - und[] absteigend 2, in verschiedenen Röhren auf -undabwärts. Die Biosphären im Blute sind besonders von Raspaillebeobach - tet worden. Dumasbehauptet sogar, dass〈…〉〈…〉man nur einen Blutstropfen zu sehn brauche, um nach der Grösse der Kügel - chen zu entscheiden, welchem Thiere er angehöre: doch auch in der Form sind die Kügelchen verschieden: man findet sie ab -342r geplattet auch linsenförmig. Das thierische Gewebe, nimt man demnach an, besteht nicht blos im Blute aus einer geronne - nen und einer gerinbaren Masse. Prochaskaund Sömmeringfan - den die Kügelchen auch in der Muskelmasse. Bei Gerinnen scheint sich die Masse in zweierlei Stoffe zu sondern, in Blätchen und Fasern, je nachdem die Längen - oder Breitendimension vorherr - schend war; beide zusammen bilden das Zellgewebe.

Hieraus geht genugsam hervor, dass man in den Anfängen das vegetabilische von dem animalischen nicht absondern kann: wir müssen sagen, dass in den unteren Formen dieser Dualismus nicht existirt, und sich erst in den höheren Formen zu zeigen anfängt: denn alle Definizionen, welche man geben kann, um diesen Unterschied festzustellen, werden durch Ausnahmen widerlegt. Wenn man sagt, dass eine wilkührliche Bewe - gung den Thieren eigen sei: so past dies darum nicht, weil wir viele Thiere sehn, welche sich nicht bewegen: dagegen bewegt sich das Hedysarum gyrans nicht blos im regelmässigen Auf - und Abstieg der Blätter, wenn sie von der Sonne beschienen werden:342v sondern auch in der Nacht haeben und senken sich die kleinen Blät - chen, welche am Stamme sizen, ohne dass wir einen äussern Grund dafür finden können. Hedwigfand einen scheinbaren Grund der Theilung in den Fortpflanzungswerkzeugen, die bei den Pflanzen abfallend, decidua bei den Thieren bleibend permanentia, sind: allein er irte darin, dass er die Pflanze als ein Ganzes betrach - tete, während man dies nur von der Blüte sagen solte. Bei Pflanzen, wo die Geschlechter getrent sind, ist dies am auffallendsten, hier kann man unmöglich jede Pflanze ein Ganzes nennen. Die Gemmen mit den männlichen und weiblichen Genitalien sind oft weit entfernt von einander: daher mus man jede Pflanze als eine Zusammensezung von mehreren Gemmen betrachten, die ein Leben für sich haben: blühen, welken, und abfallen. Man hat einen Unterschied aus der Chemie nehmen wollen, und gesagt, dass die Thiere Stikstof enthalten, die Pflanzen aber nicht: in - dessen kenne wir viele Thiere, welche keinen Stikstof enthalten. Eben so wenig ist es richtig, dass die Nahrung der Pflanzen aus dem Unorganischen hergenommen sei, die der Thiere aus den Organischen: ich erinre nur an die Respirazion, eine Hauptnah -343r86.rung der höhern Thierklassen: da von der Mischung und Menge des Ehrenberg: alles was sein Volumen ver - mindern kann ist ein Thier, alles an - dre sind Pflanzen Sauerstoffs Leben und Gesundheit derselben abhängt. Man könte höchstens sagen, dass bei den höheren Pflanzen und Thieren sich ein Gegensaz im Verkehr mit dem Luftkreise findet, insofern bei den Pflanzen Kohlensäure zersezt, bei den Thieren aber hervorgebracht wird.

Die Masse des organischen Stoffes ist weit grösser imvVegeta - bilischen als im Animalischen. Wenn man freilich einer Elephan - tenjagd auf Zeylon beiwohnte, wo 100 Elephanten aufeinander ge - schichtet werden: so dass Hügel von 30 40 Fus Höhe sich bilden,; oder wenn man in den kleinen Strömen, die sich in Südamerika in die Südsee ausmünden, Heerden von 50 60 Krokodillen herab - kommen sieht, wovon jedes 14 18 Fus lang, und wenn es auf den Füs - sen steht Fus hoch ist: so erstaunt man über die Masse des Animalischen: allein was ist selbst die ungeheure Masse der Mol - lusken im Vergleich mit den Urwäldern von Amerika und In - dien, wo viele Stämme 180 Fus Höhe und 5 6 Fus Dikke haben? so dass, wenn sie gefält werden, man einen Menschen hinter dem lie - genden Stamme nicht sehn kann. Welch 'eine Masse von Vegetabi - lien ist als Steinkohle von den unterirdischen Kräften in die Höhe gehoben. Der Kontinent hateine grössremehrThierePflanzen, das Meer343v eine grössere Masse vonPflanzenThieren. Von den 50 60,000 bekan - ten und beschriebenen Pflanzenspezies, gehören nur 300 350 zu den Thalassophyten, und auch bei diesen ist die Anzahl der Indivi - duen geringer: dagegen findet man die gallertartigen Akalyphen in ungeheuren Massen im Meere.

55. Vorlesung, 17.04.1828

Die Geographie der Pflanzen selbst verbindet auf das beste die Kli - matologie und Meteorologie mit den organischen Erscheinungen und ist, ihrer Definizion nach, eine Übersicht der dermaligen Ver - theilung der Pflanzen auf der Oberfläche der Erde; ich sage: der dermaligen; um sie von der eigentlichen Geschichte der Pflan - zen zu trennen, mit der man sie wohl früher verwechselt. Stroh - meyerbetitelt eine kleine geistreiche Dissertazion: de historia geographica plantarum: doch läst sich dies nach dem la - teinischen Sprachgebrauche sehr gut rechtfertigen; auch Will - denowverbindet Geschichte und Geographie der Pflanzen. Über die Geschichte der Pflanzen haben wir fast nur Hypothesen: allein wir können nach Analogieen schliessen, und nach den kultivirten oder zahmen die wildwachsenden beurtheilen.

Die Geographie der Pflanzen im engern Sinne ist eine sehr neue Wissenschaft. Zwar von jeher hat man Wasserpflanzen, Alpen -344r pflanzen und Wiesenpflanzen〈…〉〈…〉unterschieden, aber erst in neuen Zei - ten hat man angefangen, die Stazionen und Habitazionen der Pflanzen gehörig zu sondern. So verwechselte man nicht selten das Palmenklima mit dem Tropenklima, während in der südlichen Hemisphärenbis zu einer Breite, die der von Lyon analog ist, Palmen vorkommen. Im Persischen unterscheidet man sehr rich - tig das warme Land vom kalten Lande, und ebenfals die Pflan - zen, welche auf beiden wachsen. Die Peruaner unterscheiden die Champayuncasoder die Zone der Chinarinde (Chincona) und der baumartigen Farrenkräuter, von der Zone der Punas, in welcher die Pflanzen bis 11000 Fus aufsteigen. Der Kardinal Bemboschrieb im 16tenJahrhundertsein kleines Werk: Ätna dialogus, worin er die nach einander aufsteigenden Pflanzen am Ätna be - schreibt, und vielleicht hierdurch wurde Tourneforts Phantasie aufgeregt, als er mit dem Dr Gundelsheimer(demselben, der den hiesigen botanischen Garten gegründet hat) den Ararat bestieg, und durch die Ähnlichkeit des Aussehns verleitet, in den über - einanderliegenden Vegetazionsschichten die Floren mehrerer Länder, zulezt die lapländische erkennen wolte. Dieselben Ideen344v äusserte der grosse Linnaeusin 2 Abhandlungen: de telluris habitabilis incremento und de coloniis plantarum. Cook's Reisen trugen, fast ohne es zu wissen, viel zur Geographie der Pflanzen bei. So glaubte Forsterin der südlichen Hemisphäre dieselben Spezies zu finden, wie in der nördlichenz. B. die Ra - nunculaceen: es waren aber diejenige, welche wir weiter unten mit dem Namen der: ersezenden Arten belegen werden.

Schon Adansonam Senegal hatte ein Gefühl davon, dass nicht alle Arten in allen Zonen gleichmässig vertheilt sind: dass z. B. die Umbelliferen fast ganz in den Tropen fehlenpp. So lange man indessen an künstlichen Systemen hing, kon - te man keine klare Einsicht in die Geographie der Pflan - zen gewinnen; und so war es auch mit dem Linnaeischen System: die Zahl der Staubfäden ist zufällig: man hat daher angefangen, mehr die Analogie der Form und innern Beschaf - fenheit aufzusuchen.

Der Name der Wissenschaft existirte viel früher als sie selbst. Am frühesten hat ihn der Dr Menzelaus Fürstenwalde ausgesprochen in einer unedirten Flora von Japan. Später Bernardin de St345r Pierrein seinen Etudes de la Nature, wo er diesem Gegenstande ein eignes Kapitel vol scharfsinniger Bemerkungen widmet. Giraud-Soulavieunter dem vielversprechenden Titel: Geographie physique des végétaux de la France méridionale;72er ist ausserdem ein wunderbarer Mann, welcher behauptet dass die Gebirgsarten des Landes Einflus auf den Karakter der Menschen haben; dass die auf dem Sandboden wohnenden stupider sein müsten als die auf Kalk oder Granit wohnenden. Sein Buch bezieht sich nur auf die kul - tivirten Pflanzen, ist aber darum merkwürdig, weil er das erste Profil, freilich nur für Kastanien und Weinbau (was nachher Ar - thur Youngweit besser ausgeführt hat) und eine sehr vague Barometerskala daneben.

Zwei Messungen gehören nothwendig zu jeder Pflanze 1, die Messung der Höhe des Standortes durch das Barometer, 2, die Messung der Temperatur durch das Thermometer. Es war ein Hauptzwek meiner Reise, dies durch eine Menge von Beobach - tungen festzustellen. Das Verdienst davon gehört nicht mir, sondern meinem unglüklichen Reisegefährten Bonpland. Wir haben 6000 Pflanzen zurükgebracht: wovon 3800 neue Spezies, alle nach345v Höhe und Temperatur bestimt. Sie finden die Resultate in 2 kleinen Werken von mir, die ihnen vielleicht einmal in die Hän - de fallen: de distributione plantarum secundum coeli tempe - riem et montium altitudinem73; und: de Geographia plantarum: in neueren Zeiten ist die Zahl der bestimten und beschriebenen Pflan - zen auf 12000 gestiegen; besonders durch die Bemühungen von Ramond, der in den Pyrenäen sehr viel Barometerbeobachtungen anstelte; ferner durch einen treflichen Physiker, den ich schon oft und gern genant habe. L. v. Buch, in der Flora der kanari - schen Inseln und von Skandinavien; durch Wahlenberg's Ar - beiten über die Alpen, Lapland und die Karpathen, durch Parrers Beobachtungen am Kaukasus,74 Decandolle's im ganzen südlichen Frankreich, des Dänen Schouw(sprich Sko) der auch eine kleine Pflanzengeographie in deutscher Sprache heraus - gegeben hat.

Man hat in neueren Zeiten zuviel von der Meteorologie in die Pflanzengeographie gemischt, welche wegen der klimatischen Verbreitung der Gewächse gleichsam parallel mit ihr geht. 346r Ich hätte gewünscht, die Geographie der Thiere und Pflanzen gleich - mässig behandeln zu können: allein in der Kentnis der Thiere sind wir noch nicht weit genug vorgerükt, und müssen uns mit wenigen Wahrnehmungen begnügen. So machte schon Büffondie Entdekkung, dass unter den Tropen in der neuen Welt kein Säuge - thier der höhern Klassen vorkomme, das dem der alten Welt gleich sei, und jezt kann man hinzusezen, dass es mit den Pflanzen eben der Fall sei, wenn man einige Küstenpflanzen und wenige Gräser ausnimt. Die Pflanzen und Thiere dagegen der niedern Klassen sind gleichmässig in allen Zonen verbreitetz. B. die Infu - sorien. Manche Pflanzen zeigen die Erscheinung des Wanderns oder Versezens: so ist Oenothera biennis und Erigeron canadense bei uns wild geworden; eben so wie die Perlhühner, Meleagris auf Kuba wild geworden sind. Bei den Thieren fehlt es fast gänzlich an Barometermessungen. Die Insekten, welche beinahe aller Thierformen ausmachen, sind nach der Höhe zu welcher sie sich erheben fast gar noch nicht bekannt.

Wir werden in der Pflanzengeographie 6Abtheilungenmachen können:

346v
  • 1, Beantwortung der Frage, wie weit geht die Pflanzendekke auf der Oberfläche der Erde?
  • 2, Wieviel Arten giebt es auf der Erde?
  • 3, Geographische Verschiedenheit in dem Leben der Pflanzen, und in der Mannigfaltigkeit des Natur-anblikkes.
  • 4, Verbreitung nach Identität der Pflanzen-arten.
  • 5, - der Zahl. Präponde - ranz gewisser Familien, und Wiederkehr von bestimten numeri - schen Verhältnissen.
  • 6, Störungen, welche die Verbreitung der Pflanzen ändern. Wir - kung des Menschen durch Reisen; Wirkung der Strömungen und andrer Erdbegebenheiten.

1, Wieweit geht die Pflanzendekke?

Dass das Licht zur Pflanzen-organisazion nicht durchaus - thig sei, haben wir oben gesehn: hier mus noch bemerkt werden, dass nur Agamen oder Kryptogamen allein sich vom Lichte ent - fernen, und zwar:

  • a, nach der Stazion.
  • b, nach der ganzen Beschaffenheit.
347r87.

Die unterirdischen Pflanzen sind entweder von der Luft umgeben, wie im Innern der Bäume, wohin kein Lichtstrahl dringt; unter den Tropen findet man hohle Bäume von 15 bis 20 Fus nicht Um - fang sondern Durchmesser, in denen man einen wahren Reichthum eine ganze messis von Kryptogamen antrift; oder von der Erde, wo sie zwar immer mit der Luft in Verbindung stehn, aber doch unmittelbar von der Erde umschlossen werden: wie die Trüffel, Lichen subterraneus und andre, die oft 4 5 Fus in der Erde sizen. Die Tuber-arten sind die grösten Kryptogamen, welche wir kennen. Ich sah in Philadelphia Wilde vom Missouri kommen, welche grosse Trüffelmassen von 6 bis 8 Zoll Durchmes - ser wie Brodte an einem Strikke bei sich trugen. Sie versicherten, dass diese Trüffeln sich getroknet viele Monate halten, und bezeichnen sie mit einer ähnlichen Benennung wie das Brodt: ich konte die Sache nicht g〈…〉〈…〉enauer untersuchen, doch sprichtHerrMartinin seiner Reise ausführlich davon. Eben so kann man alle Wurzeln als unterirdische Pflanzen betrachten, auch die Samen können sehr lange Zeit im Innern der Erde im Winter - schlaf versenkt liegen, und nachlangvielen Jahren wieder zum347v Vorschein kommen. Daher entstehn an Orten Pflanzen, die man früher gar nicht kante. In Wiborg auf Seeland zeigte sich bei der Austroknung eines Seees: Carex cyperoïdes, das man früher in Dännemark gar nicht gekant hatte: auch bei der Zerstörung von alten Druidentempeln soll etwas ähnliches vorgekommen sein. Manche Seepflanzen haben eine bedeutende Länge: ich fand einen Fucus peyripherus von 340 Fus Länge, der schräg vom Meeresbo - den in die Höhe steigt.

Nach Norden hin findet sich unter 75° Breite noch eine ansehnli - che Zahl von Pflanzen,Br[?]wenn man bedenkt, wie kalt es in so grosser Breite des transatlantischen Systems sein mus, wo die isothermen Linien einen konvexenkavenScheitel haben. Parryfand auf der Melville's insel, deren mittlere Temperatur vielleicht 14° R. beträgt, 60 70 Phanerogamen, worunter Saxifragen und Andromeden: sogar einen kleinen Baum, Salix arctica, der zwar nur 3 4 Zollhoch wird, aber alle Eigenschaften eines Baumes hat.

Spizbergen scheint bis jezt das an Pflanzen ärmste Land zu sein. Scoresbyfand nur 15 Spezies.

In der südlichen Hemisphäre hat man lange nicht so viele348r Beobachtungen. Forstermeinte, dass auf dem Sandwichslande,wdas er aber nur im Vorbeifahren sah, gar keine Pflanze vorhanden sei: allein dies ist ein Irthum: denn Weddellfand auf den weit südlicher gelegenen Shetlandsinseln noch eine reiche Flora, und eben so Billinghausenauf dem südlichsten Lande, den Peter und Alexandersinseln.

Steigt man an den Bergen auf, so finden sich Pflanzen in sehr grossen Höhen. Saussurefand bei seiner Reise auf den Montblanc die Silene acaulis in 10700 Fus Höhe. Dies ist aber nichts im Ver - gleich mit der Andeskette. Hier fand ich beim Aufsteigen auf den Chimboraço eine Umbilicaria in 17100 Fus Höhe: in Klüften, welche sich ohne Schnee erhalten. Von den Phanerogamen steigen die Gentiana und Eudema am höchsten, die ich in 15000 Fus fand. (Auf meiner Karte komt der Name jeder Pflanze 2 mal vor, zu - erst unten, woersieanfängt, und dann höher hinauf mit einem Kreuz, gleichsam wo sie abstirbt.) In diesen Höhenaber, ist es nicht so - wohl die Kälte, welche die Pflanzen zerstört, sondern die Schnee - dekke, welche sie nicht fussen läst, sowohl nach den Polen zu, als auch an den Bergen aufwärts. In den untern und mittleren348v Regionen aber ist es die Temperatur, welche das Leben der Pflan - zen bestimt; während die thierische Organisazion sich zum Theil ihre Temperatur selbst bereitet. Bei den Pflanzen ist die Respira - zion durch die appendikulären Organe der wichtigste Theil des Lebens: daher ist bei den Gebirgspflanzen die grosse Trokkenheit Hindernis ihrer Ausbreitung. Auch bemerkt man, dass die Alpenpflanzen einen kurzenStiel und eine grosse Blüte haben, eben so wie kränkelnde und zu junge Pflanzen leichter blühen, und dann welken, nicht als ob das Blühen und Früchtetragen an sich sie erschöpfte, sondern weil es schon ein pathologisches Zeichen ist[,] dass sie blühen. Das dürre, harzige, haarige der Alpenpflanzen läst sich sehr gut durch den verminderten Barometerdruk erklären, der mit der Respi - razion der Pflanzen zusammenhängt. Die Alpenpflanzen dünsten unter einem geringeren Drukke aus, und werden durch ein reineres Licht zur Transspirazion gereizt: daher sind sie mehr resinös als aquös. Aus derselben Ursach kommen dielangen Haare: je mehr ein Theil exzitirt wird, um desto stärker entwikkelt er sich: daher ruft die grössere Transspirazion der Alpenpflanzen die Haare hervor. Auch die stär - kere Elektrizität trägt dazu bei, welche sich in diesen Höhen findet. 349rEs sind hierüber schöne Versuche auf Kosten des östreichischen Kay - sers und der Erzherzöge gemacht worden. Nicht so wichtig ist nach des jüngern Saussuretreflichen Versuchen diechemische Beschaffenheit des Bodens: er hat Pflanzen inFTalk-Kalken und Alaunerde keimen lassen, und gefunden, dass es nicht sowohl auf die chemische Natur der Erde ankömt, ob eine Pflanze wachsen kann, sondern mehr auf seine Qualität, das Wasser bei sich zu behalten. Daher ist es unrichtig, einen spezifischen Unterschied zwischen den Pflanzen zu machen, die blos auf Kalk, Sandpp. wachsen sollen. Decandollezeigte, dass die ächte Kastanie (Pharus Castanea) nicht blosFagus auf Kalkboden wächst: sondern auch auf Granit und vulkanischen Produkten: eben so wie der Buxbaum, der nicht blos auf Kalk fort - komt, wie man behauptete. Von den Alpenpflanzen wächst das Rhododendrum ferrugineum und alpinum ohne Unterschied auf Kalk und Urgebirge.

2, in wieviel Arten kann die Pflanzendekke zertheilt werden? Dies ist eine der schwierigsten Untersuchungen: denn die Natur ist unendlich an Varietäten. Gärtner wie Botaniker klagen darüber: nicht blos: dass die aus dem Samen gezogenen Pflanzen nicht mehr[dieselben] sind: sondern dass nicht einmal ein Stekling dem andern349v gleich ist. So herschen auf den westindischen Inseln, welche nahe bei - sammen liegen, immer kleine Varietäten in denselben Vögelarten, die in entfernteren Inseln sich noch grösser zeigen. Der grosse Botani - ker R. Brownhat auf meine Bitte einige Untersuchungen hierüber angestelt, indem er die Pflanzenregister derjenigen Botanikerverglich, welche alle Namen leichtsinnig aufgenommen haben, mit solchen ver - glich, welche eine grosse Strenge in der Aufnahme von neuen Spezies zeigen; doch wird dadurch die ganze Menge kaum um oder 1 / 12 vermindert.

Wissen zu wollen, wieviel Spezies es überhaupt giebt, würde eine müssige Frage sein, die man gar nicht beantworten kann, sondern wir können nur fragen, wieviel sind bekant, beschrieben und in den Herbarien? Nach einer Untersuchung, die ich 1807 mit R. Brownangestelt habe, fanden wir 38000 Phanerogamen 6000 AgamenoderKryptogamen, zusam̃en 44000 Spezies. Davon kamen auf die Tropenländer von Amerika 13000. Asien nur 4500.

In Persoon's bekantem Enchiridion sind 21000 Phanerogamen be - schrieben. Decandolleaber versichert, dass die Zahl der Pflanzen, wel - che er verglichen und beschrieben habe, sich auf 56000 belaufe; wir350r kommen also 60000[schon] sehr nahe. In den neusten Zeiten ist der Zuwachs an Pflanzen ganz ungemein gros gewesen. Von meiner Reise brachte ich 6000 Pflanzen zurük. Aus Neu Holland sind 3700 Spezies gekommen. Brasilien ist in dieser Hinsicht am merkwürdigsten: hier kante man nach Decandolleim Jahr 1800 nur 500 Spezies: durch die Reisen von St Hilaire, Martiuspp. kent man jezt 17000: allein in 27 Jahren. Die meisten Reisenden haben dieselbe Quantität, näm - lich ungefähr 6000 Spezies mitgebracht. Burchill, der am Vorgebirge der guten Hofnung einen Flächenraum wie Frankreich durchforschte, brachte über 7000 zurük: die gröste Zahl aus einem einzelnen Lande erreichte der Dr Pohl, er brachte aus Brasilien 8000 Spezies.

56. Vorlesung, 19.04.1828

Neuerdings habe ich wieder eine Zählung mit denHerren Brownund Decandolleangestelt, welche uns 60 65000 bekante Pha - nerogamen gab. Bedenkt man nun, dassalledas Land nur der Erdoberfläche beträgt, und zu Millionen Quadratmei - len angeschlagen werden kann, so kömt 1 Spezies auf 42Quadrat- meilen: dies ist allerdings sehr wenig: indessen mus man nicht vergessen, dass deshalb die Zahl der Individuen von derselben Spezies sehr gros sein kann. In allen Gärten von England,350v welche die reichsten in der Welt sind, werden 16000 Spezies kul - tivirt, eine ungeheure Zahl, das Viertel aller bekanten Pflanzen. Weit mehr dagegen haben wir in den Herbarien. Früher galt ein Herbarium von 9000 Pflanzen für sehr reich; jezt hatHerr Lambertin England eines von 35000 Spezies zusammengebracht, worun - ter 30000 Phanerogamen: dies ist die Hälfte aller bekanten Pflanzen.

Es fält leicht in's Gedächtnis, wenn man sich merkt, dass es eben so viel Thiere als Pflanzen giebt, nähmlich 66000 Thiere, wovon nach Kunthund Latreille44000 Insekten. Es darf hier nicht übersehn werden, dass wenn bei den Pflanzen die höheren Organisazionen die zahlreicheren sind, bei den Thieren dies umge - kehrt von den niedrigen gilt, ja wenn man die 4 unteren Thier - klassen: Insekten, Würmer, Zoophyten und Mollusken zusam - mennimt: so machen sie der ganzen Thierwelt aus. Bei den Pflanzen kömt der Unterschied gegen die höheren For - mazionen auch daher, dass man sich zu wenig mit den Kryptogamen beschäftigt hat, sie machen nur des gan -351r88.zen Pflanzenreichthums aus. In Europa kann man mit R. Brown7000 Spezies von Pflanzen annehmen; den Flächenin - halt zu 155,000 Quadratmeilen berechnet, komt auf 22Quadratmeilen1 Spezies. Rechnet man nun noch die Spezies ab, welche Europa mit Nordamerika und Asien gemeinh〈…〉〈…〉at, die sich für Amerika auf 400, für Asien auf 4000 belaufen, so bleiben für Europa ganz eigne Pflanzen 1800 bis 2000, welches nur 1 Spezies auf 70Quadratmeilengiebt.

Bro Decandollenimt an, dass die Hälfte der existirenden Pflanzen beschrieben sei, sezt also ihre Zahl auf 120,000: man kann indes wohl glauben, dass dies zu gering sei, und dass kaum ¼ der existirenden Pflanzen beschrieben sei. Dies stimt sonderbar genug mit den Mythus aus der Zendavesta, wo eine Übersicht aller Thiere, Fische und Vögel gegeben wird: nicht blos im algemeinen, sondern nach Zahlen: da sagt auch Zoroaster, dass 120,000 Pflanzengestalten aus dem Stier - blute hervorgegangen seien, die sich von Hiran aus über die ganze Erde verbreitet hätten.

351v

Es entsteht die Frage, ob die Zahl der Pflanzen in histori - scher Zeit zunehmend oder abnehmend gewesen sei? Von Thieren haben wir Beispiele, dass sie verloren gegangen sind: so die Dronte ein Vogel fast so gros als der Straus, von dem eine Klaue im British Museum, der Kopf in Oxford aufbewahrt werden; dass manche niedern Pflanzen untergehn mögen, ist nicht unmög - lich, aber schwerlich entstehn jezt noch neue aus den höheren Klassen: doch liegt diese Frage ausserhalb der Gränzen der naturhistorischen Untersuchung. Zwar giebt es in Otaheiti eigne Süswasserfische in vulkanischen Bildungen; in den hohen Seeen von Amerika fand ich mehrere neue Genera von Fischen, die sich wieder in ganz entlegene Seeen 12 14000 Fus hoch finden; in Frankreich sind Pflanzen aus einem Flus - thale in das andre übergegangen, obgleich hohe Gebirgszüge da - zwischen liegen. So fand Decandolle, dass der Po und die Rhone mehrere Pflanzen gemeinschaftlich haben; dann ist es auch nicht zu läugnen, dass hybride Pflanzen immer noch entstehn, eben so gut als Thiere;:eine Fragaria monophylla,352r eine Erdbeere mit einem einzigen Blatte entstand vor ungefähr 40 Jahren in den Gärten von Paris, und hat sich bis jezt dort er - halten.

Von den Polen nach dem Aequator hin ist die Pflanzendekke im - mer dichter gewebt. Noch im Anfange dieses Jahrhunderts glaub - te man mit Brown, dass der gröste Pflanzenreichthum sich zwischen 28 und 30° Südbreite befinde, weil er ( Brown) in Neu Hol - land eine sehr grosse Menge von Pflanzen vorfand. Allein schon vor meiner Reise glaubte ich annehmen zu dürfen, dass die Pflanzen - masse unter dem Aequator am grösten sei, und jezt hat Brownseine frü - here Meinung aufgegeben. Der Dr Pohlbrachte allein 8000 Spezies aus Brasilien, die er auf einer Area von 18000Quadratmeilengesammelt hatte: wenn man aber bedenkt, dass die Reisenden immer nur auf schmalen Fus - steigen durch die Länder gehn, und lange nicht alle Pflanzen finden können, welche rechts und links davon im Innern des Landes liegen, so begreift man wohl, wie reich im Ganzen die brasilianische Flora sein müsse, da Frankreich mit 11000Quadratmeilennur 6000 Phanerogamen und Kryptogamen hat,undobgleich in den südlichen Theilen ein sehr üppiger Pflanzenwuchs herscht. Brasiliens Lage unter den Wendekreisen352v ist die Hauptursache dieses Pflanzenreichthums.

  • Für die Tropen rechnet man 7500Phanerogamen.
  • Für Frankreich, dessen mittlere Temperatur +9 bis 12° R. ist: 3800.Phanerogamen.
  • Für Deutschlandinklusivedie SchweizmittlereTemperatur+7 bis . 3400Phanerogamen. nach Suter's Untersuchungen.
  • Für Deutschland allein nur 2300.
  • Die Flora von Berlin ist nicht so arm als man denken solte: sie enthält nachHerrn v. Schlechtendahl1000 Phanerogamen und 1200 Kry - ptogamen, also zusammen 2200 vegetabilische Formen.
  • Wirtemberg, ein gesegnetes Land voll Hügelreihen und Thäler hat nach Schülernur 1230 Phanerogamen.
  • Die Flora von Berlin ist darum so reich, weil die Individuen in nicht grosser Menge vorhanden sind.
  • In Lapland, wo dieTemperatur± R. beträgt, vom 66 bis 69°Nordbreitefand Wahlenbergnoch 526 Spezies[]Phanerogamen, und 1100 Spe - zies, wenn man die Lichenen und Pilze dazu rechnet.
  • Island, das für seine Breite ein mildes Klima hat, enthält als Insel eine kleinere Zahl von Pflanzenformen, unter 63 67°Nordbreite374 Phanerogamen.
  • Auf der Melville's insel fandCaptain Parryunter 75°Nordbreite67 Pflanzen.
353r

Dies ist die absteigende Skala nach denmPolenzu. Betrachten wir nun die Inselklimate, so finden wir sie sehr arm. St Helena hat nach Roxburghnur 50 60 Spezies, und von einigen ist es noch ungewis, ob sie nicht von[aussen her] dahin gebracht sind. ; S. Tristan d'Acunha hat nur 55 Pflanzen. ;

Aegypten, ein schmales Flusthal, hat nach Delille, Ehrenbergund Hemprichnur 1000 Phanerogamen; Nubien und Dongola nur 200 Spezies, auch glaubtHerr Ehrenberg, dass künftige Botani - ker kaum noch 100 Arten dazu finden werden.

Südamerika, unter derselben Breite wie Nubien, hat 7 8000 Spezies. 3, Die Frage, ob die geographische Verschiedenheit in Rüksicht auf die physische Beschaffenheit der Pflanzen, unter den Tropen grösser sei oder in der temperirten Zone, glaubt man gleich mit Ja für die Tropen beantworten zu können: allein wir werden sehn, dass auch bei uns sich grosse Kontraste finden.

Fangen wir von unten an, so sind die kleinsten Pflanzen die mi - kroskopischen, und man rechnet jezt nach Mitschdie Vacillarien und Oszillatorien (die früher zu den Thieren gezählt wurden) auch zu den Pflanzen; ferner die ganze meteorische Vegetazion im rothen Schnee, die man früher für eingemischte Glimmerblätchen hielt. 353vHerr Bauerhält sie jezt für Uredo und Tremella. Es sind kleine Sphä - ren, aus denen neue entstehn; nicht blos bei einer Temperatur von unter R. sondern bei +15 bis 16° R. können sie sich fortpflanzen. Bauerfand am Morgen ihre Zahl oft verdoppelt: so haben sie in Paris, Lon - don, Genf Jahr fortgedauert, jezt ist aber nichts mehr davon vorhanden.

Diese kleinen Vegetabilien bilden einen starken Kontrast gegen die Palmen der Andeskette, von denen die höchsten nicht in der Ebne wachsen,wohl aber sonderbar genug auf den Bergen. Ich war so glüklich, mitHerrn Bonplanddies neue Genus zu entdekken. Es ist die Wachspal - me, welche erst auf 4000 Fus Höhe anfängt. Da die Messungen mit dem Schatten sehr unsicher sind, so fälte ich einige Bäume, um genau zu wissen, wie gros sie〈…〉〈…〉wären, und fand sie von 180 Pariser Fus Länge. In Neu Holland hat man[Melaleuceen] von 170 180 Fus gemessen. Noch grösser aber ist die Araucaria, welche auf den Norfolksinseln29° Südbreite vorkömt; von derAraucariaexcelsa hat man Stämme gefunden, die die ungeheuere Höhe von 240 Fus er - reichten, also so hoch als unsre Kirchthürme. Aber noch rie - senhafter ist der Baum, den ganz neuerlich, 1826, Douglasge - messen hat, der mit demKapitän Franklin(nicht jenem der nach354r der Baringstrasse ging) eine Reise machte. Er fand am Ausflusse des Columbiarivers, unter 48 bis 50° in Kanada ein Exemplar von einem Baume, den man zu voreilig Pinus canadensis genant hat, der 15 Fus Durchmesser und 260 Fus Höhe hatte. Die Zapfen von Fus Länge sind jezt nach England geschikt worden.

Diese grossen Vegetabilien hat maninalso fast alle in der tempe - rirten Zone gefunden, dagegen ist die Ausdehnung in die Breite unter den Tropen am grösten. Bei der Länge finden sich die Kontraste in 2 verschiedenen Zonen: unter 48°NordbreiteGewächse von 260 Fus Höhe, in Spizbergen und auf den Melville's inseln Bäumchen von 2 Zoll Höhe: (Salix arctica).

Schon Cadamustaim 16. Jahrhundertbewunderte die Dikke der Adan - sonien und Boa-bäume, die er in der heissen Zonne antraf. Die Adan - sonia digitata welche Goulberryam Senegal untersuchte, hatte 60 Fus Höhe und234 Fus Durchmesser: sie war hohl geworden: die Ne - ger hatten aus den freistehenden Stükken Säulen ausgehauen mit architektonischen Verzierungen, und im Innern des Stammes hielt das Volk seine Rathsversamlungen. Die Dracaena Draco, der Dra - chenbaum auf Orotava, eines der ältesten organischen Monumente unseres Erdkörpers hat 15 Fus im Durchmesser. Die berühmte Kastanie354v auf dem Ätna, welche aus vielen zusammengewachsenen Stämmen besteht kann man nicht einmal hieher rechnen.

Auch in den Blüten zeigt sich ein auffallender Unterschied. Die der Umbelliferen sind oft so klein, dass man sie mikroskopisch nen - nen könte. Arnoldentdekte eine Rafflesia, deren Blüte 3 Fus im Durchmesser hatte, und 15 wog: sie findet sich an den Wur - zeln von Cistus angustifolins. Horsfieldschikte sie nach England wohl verwahrt in einenSanKasten mit Sand eingepakt, wie Pezizasie troknet dann volkommen, und hat ein schwammi - ges Ansehn. Brownzählt sie zur Familie der Cytisus und Casuarinen. Mit Herrn Bonplandentdekte ich in der Andes - kette die Blüte einer Aristolochia von 16 17 ZolldDurchmesser, welche die Kinder wie Hüte auf den Kopf gesezt hatten.

Der Karakter der Tropenvegetazion besteht in der Grösse und in dem Emporstreben der Formen. Wenn wir in Deutschland 70, und in Lapland 11 Spezies von Bäumen haben, die zu einer gewissen Höhe sich erheben, so giebt es unter den Tropen weit mehr als die doppelte Anzahl, in einer ungleich beträchtliche - ren Höhe; während unser Schilf kaum die Höhe von 10 Fus er -355r89.reicht, so findet man dort Bambusaceen von 50 Fus Höhe. Die Monokotyledonen, welche den Tropen eigen sind, tragen auch viel dazu bei, die Vegetazion zu verschönern. Die meisten Bäume erreichen dort eine bedeutende Höhe; der Ausdruk: Baum ist unbestimt, bei uns rechnet man alles dazu, was über 15 Fus Höhe erreicht, und davon haben wir kaum 12 bis 15 Arten in Deutschland. Wenn man daher von hier nach den Tropenländern von Amerika geht: so erstaunt man über die Grösse der Vegetazion: aber noch stärker ist der Kon - trast, wenn man von dort nach Europa zurükkömt, und unsre nie - drige Vegetazion erblikt: denn wenige Bäume bei uns überschreiten die Höhe von 50 oder 60 Fus.

Die Baumartigkeit hängt nicht blos vom Klima ab, sondern auch von der Beschaffenheit des Bodens. Bei uns in der temperir - ten Zone giebt es nur 2 Eichenarten, in Nordamerika unter den - selben Breiten 40, wozu ich mitHerrn Bonpland25 neue Spezies aus Neu-Spanien hinzufügte. Alle Malvaceen, die bei uns nie - drig sind, erheben sich dort zu einer grossen Höhe: ihnen gehört die gewaltige Adansonia an.

Bei den Tropengewächsen zeigt sich der gröste Kontrast in der355v Ausdehnung des Parenchyma. Die appendikulären Organe der Ba - nanen werden so gros, dass eine Person sich volkommen in ein Blatt einwikkeln kann: dagegen zeigt sich das gröste Zusammen - ziehn des Parenchyma in derKColletia, die wir aus Peru mitge - bracht haben, und in den Casuarinen.

Ein Vorzug der temperirten Zone sind die schönen Wiesen, welche da am besten fortkommen, wo es am meisten regnet, und der Himmel häufig mit Wolken bedekt ist: kurzer Rasen findet sich unter den Tropen gar nicht, wo die Sonne einen Theil des Jahres fast senkrecht ihre Strahlen herabschiest.

Die annuellen und bisannuellen Pflanzen sind wiederum in der temperirten Zone am häufigsten: sie nehmen nach den Polen und nach dem Aequator hin ab. Die einjährigen Pflan - zen machen in Lapland 1 / 60, in Deutschland 1 / 30 der ganzen Vegetazion aus.

Der auffallendste Unterschied der gemässigten Zone gegen die Tropen liegt in der Farbe der Blüten. Über die Blütenzeit unserer[Amentaceen] und Coniferen haben wir uns nicht sehr zu erfreuen: denn sie blühen grün, wie die Blätter der Bäume,356r und sind auch sonst sehr unscheinbar; wogegen unter den Tropen alles mit den herlichsten Formen und Farben prangt, wie Nym - phaea und andere: man kann sagen, dass dort die Lebensfülle grös - ser ist als bei uns. Während die Baumstämme bei uns mit klei - nen Moosarten bedekt sind, prangen sie dort mit Achilleen, Pan - linien und anderen schönen Gewächsen: so dass man mehr Pflanzen mit herlichen Blüten dort auf einem einzigen Stamme vereinigt findet, als bei uns auf einer Quadratmeile.

Betrachten wir ferner den Unterschied zwischen den isolirt - und gesellig-lebenden: so sehn wir, dass unter den Tropen der gesellig - lebenden weniger sind, wie ich schon früher in meinen Aphorismi ex physiol. chem. plant. gezeigt habe. In unsern Haideländern bil - den Caluna vulgaris, Erica tetralix und Cenomycerangiferina ganze Pflanzenregionen, die Coniferen sind fast der einzige Be - standtheil unserer Wälder. In Spanien und Italien hört Erica vulgaris auf, und es fangen anEricascoparia undEricaarborea zu erscheinen, anfangs nur sporadisch, dann aber in grösseren Mas - sen und fast ausschlieslich. In den[Kryptogamen] findet sich ein356v grosser Unterschied der Lebensweise. Dicranum glaucum lebt gesel - lig, die Hypna-arten einsam.

Die Frage, woraus ein Wald besteht, die man bei uns sehr leicht beantworten kann, hat unter den Tropen keinen Sinn: denn die ver - schiedensten Formen folgen ununterbrochen auf einander: Die Gluut- tiferae und Laurus-arten, einige Amenthaceen,KCroton argenteumpp. Die Cactus-arten, und besonders die welche man zu den Cerei rechnet: erreichen eine Höhe von 25 30 Fus, und stehn wie Orgelpfeifen neben einande〈…〉〈…〉r: in dem gegenüberliegenden Afrika werden sie durch die Euphorbien ersezt: so dass ein Schiffer, der an einer der beiden Küsten landete, schon aus der Pflanzenphysiognomie des Landes urtheilen könte, in welchem Welttheil er sich befände. Nach den alten spanischen Gesezen soll jede Festung mit Cactusartpflan - zungen umgeben sein, wie z. B. Carthagena, weil diese einen undurchdringlichen Wall bilden.

Durch die Bambusaceen werden die Tropenländer überall verschönert: besonders durch das grosse: Arundo Bambus, wel - ches schon zu Onei SikritusZeiten berühmt war, der den Alexanderauf seinem Zuge begleitete. Es giebt Gräser unter den Tropen,357r welche 50 Fus hoch werden, und Fus Durchmesser haben.

Nichts ist wichtiger für die Schiksale der Menschen, als die Gewohnheit der Pflanzen, gesellig zu leben. Die Amenthaceen und Haiden bei uns sind zwar einförmig, aber sie bedekken unsere Felder mit einer unendlichen Zahl von Individuen, und werden und in vielfacher Hinsicht nüzlich. In den grossen Steppen da - gegen, wo niedrige Grasarten zusammenwohnen, die sich fast un - unterbrochen von der chinesischen Mauer bis an das kaspische Meer erstrekken, da wird das Leben der Völker auf andere Weise bedingt, und die Existenz der Hirtenvölker in Asien möglich gemacht; welche vom Zustande der Nomaden indendaspatriarchalische Leben, und dann zur Despotie übergegangen sind. Auf diese Weise konten bewafnete Völkerstämme so weit erobernd sich verbreiten: sie führ - ten ihre Rinder als Proviant mit sich, und hatten in den endlosen Steppen nie Mangel an Futter zu befürchten.

57. Vorlesung, 21.04.1828

Einige wenige Spezies der Kryptogamen leben sporadisch, die mei - sten andern aber gesellig: so wie es einige Arten von Heul-affen, Alonaten giebt, wo immer ein Mänchen und ein Weibchen zu - sammen herumklettern, während andre einzeln umherlaufen, noch357v andere in Heerden sich versammeln: bei den Psittaci bemerkt man dasselbe, von denen einige gregatim leben: auch die Arrasgeschlechter. Das Zusammenleben der Pflanzen verändert die Zahl der genera im Verhältnis zu den speciebus sehr oft. Obgleich das Genus eine künstliche Gruppirung ist: so mus es doch eine gewisse Ähnlichkeit der Form geben, wodurch man bestimt wird, Pflanzen zu demselben genus zu rechnen. Unter den Tropen giebt es allerdings mehr Spezies auf einem bestimten Raume zusammengedrängt, dagegen wird von den Tropen nach Norden zu der Anblik der Natur in sofern mannig - faltiger, als die Genera im Verhältnis zu den Spezies sich vermehren: In Lapland komt auf GenusSpezies(denn man bei diesen numerischen Ver - hältnissen auch in Brüchen reden) nur 1SpeziesGenus; in Frankreich mus man 5 6 Spezies aufsuchen, um ein neues Genus zu finden; unter den Tropen wächst das Verhältnis ungemein, und man mus vielleicht 200 Spezies aufsuchen, um ein neues Genus zu fin - den. Daher findet man beim Bergebesteigen einen scheinbar-grös - seren Reichthum von Pflanzen wegen der grösseren Menge der verschiedenen Blüten, dafür sind aber weniger Genera da. Für Deutschland und die Schweiz kommtenauf 5 Spezies 1 Genus, bei358r Berlin auf 2 bis 3 Spezies 1 Genus, und dieser Hinsicht kann man die Flora von Berlin reich nennen. Wir haben nachHerrn v. Schlechtendahl420 Genera auf 1000 Spezies Phanerogamen: Frankreich 683 Genera auf 3600 Spezies.

Die ersezenden Formen in den verschiedenen Klimaten haben oft eine solche Ähnlichkeit, dass früher die Botaniker davon irre gemacht wurden. Daher glaubte man, dass Nordamerika viele eu - ropäische Pflanzen habe, obgleich man mit demselben Rechte grade das umgekehrte sagen könte. So glaubte La Condaminein der Andes - kette europäische Pflanzen zu finden. Die Erdbeere der Anden und die von Pensylvanienistsindso gleichaussehend, dass man sie nur nach genauer Untersuchung von einander absondern kann. Besonders auffallend sind manche genera, die nur 2 Spezies haben, welche oft 1000 Meilen von einander entfernt vorkommen: so der Platanus orientalis und occidentalis: so 2 Spezies von Valisnerien; so derCyChirocarpus, von dem früher 1 Spezies in Ostindien vorkam, die andre fand ich mitHerrn Bonplandauf der Andeskette, beide sind sich sehr ähnlich; so die Swenodeawovon eine Spezies in Malabar,Sphenoclea die andre in Mexiko vorkömt. Linkführt in seiner Flora porto -358v galensis75 die Urtica candata an, welche derUrticadioïca zum verwech - seln ähnlich ist, eben so die Stachys germanica und russica

4, Verbreitung nach der Identität der Pflanzenarten. Dies ist ein so reiches und wenig angebautes Feld der Wissenschaft, dass in den neueren Zeiten die Physiker sehr zwekmässig angefan - gen haben, sich mit den beschreibenden Botanikern zu verbinden, um sicher zu gehn. Da man dies früher unterlies, so entstanden in manchen Schriften viele vague Ideeen. So behauptete man, dass unsre gemeinen Pflanzen, wie Solanum nigrum, Portulacca, Medicagopp. Kosmopoliten seien, und sich überall vorfinden. Dies ist durchaus falsch. Nicht einmal in dem entsprechenden Klima von Nordamerika finden sich ganz dieselben Pflanzen, wie bei uns. Man kann sagen, dass die Spezies nicht Produkte der Klimate sind, sondern nur ihre Form nach ihnen verändern. So erheben sich unsre niedrigen Gräser unter den Tropen auf 50 Fus Höhe, und unsre Syngenesisten nehmen ein baumar - tiges Ansehn an. Auf der Silla von Caracas, die 9000 Fus hoch ist, findet sich ganz oben eine Befaria, und 250 Meilen davon in der Andeskette fängt eine andre Befaria, auf derselben359r90.Höhe an sich zu zeigen. Diese schöne Pflanze geht so hoch hinauf, dass sie mit ihren purpurrothen Blüten einen Kranz um den Schnee bildet, etwa wie auf unsern Alpen Rhododendrum ferrugineum. (Die erste Spezies ist Befaria lilifolia, die 2teBefariaglauca.)

Es ist nur eine zufällige Benennung, wenn man die Gentianen, Cerastien, Andromeden europäische Formen nent. Ich fand ganz dieselben am Chimboraço aufsteigend in der entsprechen - den Höhe, und neuerlich hat man sie auch am Himalaya ent - dekt. Dagegen giebt es auch einige endemische Genera: am Kap der guten Hofnung die Hermannia und Antholyza; die Cactusarten und Fuchsien kommen allein in Amerika vor; in Neu Holland die Banksia und(Delia)Thelyra

Auf die ausgeschlossenen Pflanzen bin ich besonders aufmerk - sam gewesen, und da ergeben sich sonderbare Resultate;:so giebt es in der ganzen südlichen Hemisphäre keine Rose und keine Pinusart (für die lezten ist die Araucaria die ersezende Form. ); dagegen sind dieser Halbkugel die Calceolarien eigen, wovon wohl 50 Spezies vorkommen, die aber in Peru nicht359v einmal bis an den Aequator herangehn;:So findet sich in ganz Amerika keine Erica, obgleich die Andromeden und Azalea als ergänzende Formen auftreten.

In den Graden der Verbreitung herscht grosse Verschiedenheit. Nur die Pilze und der Schimmel sind sich in allen Zonen gleich. Ehrenbergfand in der Oase des Jupiter Ammon unsern ganz gewöhnlichen Schimmel;76[dagegen] ist es schon falsch, dass unser Sonchus oleraceus überall vorkömt. Unter den Tropen, wo sich so viele Kryptogamen finden, sind nur einige niedrige Stufen auch den andern Ländern gemein. Diejenigen welche wir aus Amerika mitgebracht haben, sind erst von Willdenow, dann von Achgardhuntersucht worden, so dass wir völlige Ge - wisheit darüber haben. Zu den gemeinschaftlichen Krypto - gamen für Amerika und Europa gehören: Stictacpulmao- naceaund Parmelia perforata; Dicranum scopatrium gehört zu den Pflanzen, welche die gröste Verbreitung haben: man trift es nicht allein in den Thälern von Nepal, in den Andes und Europa: sondern R. Brownbrachte es auch aus Neu Holland zurük. Ebenso Polytrichum juniperinum. 360rVon dem Genus Hypnum, welches bei Berlin fast alle Moose aus - macht, haben wir hier 40 Spezies, von denen sich keine einzige in den vereinigten Staaten findet. Sehr merkwürdig ist es, dass an derSüd-Westküste von der Bretagne sich 2 Pflanzen: Sticta crocata und Fiscia flagvitcans vorfinden, welche ausserdem nur in Jamaika angetroffen werden: so dass man auf den Gedanken kommen könte: der Saame sei durch die anhaltenden Süd - westwinde dahingetragen worden.

Wenn die Frage entsteht, welche Pflanzen den beiden Konti - nenten eigen sind: so sehn wir nur sehr wenige: von 1000 Farrenkräutern nur 2 Spezies: Aspidiumund As - pleniumBei den Phanerogamen und Dikotyle - donen etwas mehr; unter den Gräsern kommen 20 Spezies von Cyperus auch in Amerika vor, die als Beispiel der Ähnlichkeit angeführt werden können, und nicht mit den Juncaceen zu verwechseln sind.

Büffonentdekte zuerst das Gesez, dassdie Saugethiere und Vogel, (mit einem Worte: Wirbelthiere) der Tropen bei uns nicht gefunden werden: die sich gleichsehenden aus dem Kazengeschlecht: Löwen,360v Panther, Tiger sind doch wesentlich verschieden. Eben so ist es mit den Pflanzen der höhern Ordnungen. Dorties Gesez bezieht sich aber nicht auf die vereinigten Staaten. Rhizophora Man - gle (die Alexanderauf seinem Zuge um Indus fand) und Avi - cennia tomentosa finden sich dort. R. Brown, der gröste Bota - niker unserer Zeit, glaubte früher, dass gar keine Spezies den beiden Kontinenten gemein sei: man entdekte aberSpPhenocleazeilanica auch in Surinam, und in Brasilien finden sich einige Spezies aus Afrika.

Die Identität der beiden temperirten nördlichen Zonen ist sehr gros: man giebt gewöhnlich an, dass 400 europäische Pflanzen sich in den vereinigten Staaten finden: theils sind sie aber nicht genau genug untersucht, theils hinübergebracht; vielleicht sind nur 180 Spezies gemeinschaftlich, wie Satyrium viride, Betula Nana und andre. Kaum 8 10 kleine Farren - kräuter sind uns aus dieser grossen Familie mit Amerika gemein: dahin gehören: Pteris aquilina und Aspidium crispum. Die Farrenkräuter machen bei uns der Vegetazion aus; in den vereinigten Staaten hat man nur 70 Spezies. 361r Michaudfand in Nord-Amerika 137 Bäume, die über 30 Fus hoch werden, bei uns in Mittel-europa giebt es nur 45. In den verei - nigten Staaten giebt es gegen 50 Eichenarten, bei uns 2. Dort giebt es Blätter von 2 Fus Länge, und an der Magnolia macrophylla Blüten von 3 Fus Länge, in einem Klima, das dem von Danzig entspricht. In Amerika wird die gröste Schönheit derFVegetazion durch die Gewächse hervorgebracht, welche folia pinnata, gefie - derte Blätter haben, wie Mimosa,(Strangea)LaurusPassi - flora und die Orchideendie sich von den südlichen Gegenden nach oben hin verbreitet haben. Bei uns hindert das mit - telländische Meer, welches vielleicht durch einen westlichen Einbruch des Ozeans entstanden ist, die Verbreitung der nord - afrikanischen Gewächse.

Auch die Identität der nördlichen und südlichen temperir - ten Zone läst sich nachweisen, für Schweden und die magella - nische Strasse giebt es nur eine kleine Anzahl von Beispie - len. Unser Aspidium aculeatum, findet sich bei Pritzhagen, auf dem Atlas und am Vorgebirge der guten Hofnung, aber nicht in der dazwischen liegenden Tropenzone, in Amerika gar nicht. 361vBotrychium Lunaria findet sich einzig und allein bei Berlin undnach Ehrenbergauch in Aegypten häufig im Feuerlande. Adianthum Capillus Venerus nur auf der Insel Bourbon und bei uns. InNeu-Holland sieht manunser Arundo Phlrag - mites sogar jenseit der blauen Berge im Innern des Landes, ferner 45 andre ganz gewöhnliche europäische Pflanzen, die aber freilich durch die Schiffe eingewandert sein können. Von der Oenothera biennis und dem Erigeron canadense ist schon die Rede gewesen. Noch auffallender ist aber: Galinsogea parviflora, ursprünglich eine peruanische Pflanze, die aber bis vor den Thoren von Berlin wild anzutreffen ist. Herr Cavanilloshat sie vor wenigen Jahren aus Peru nach Europa gebracht. Bei Montpellier, wo Baum - wolle aus der Levante getroknet wird, finden sich viele orienta - lische Pflanzen, wie Psoralea Palestinae und Hypericum cris - pum,ausgestreut, deren Samen ohne Zweifel mit der Baum - wolle eingesammelt und hinüber geführt wurden.

Wenn auch durch den Akkerbau der Anblik der Natur lang - weiliger geworden ist, indem das Vorherschen einer einzigen, wenig malerischen Form, der mehlreichen Gräser, dadurch herbeige - führt wurde: so ist die Kultur dieser Gewächse doch von so gros -362r ser Wichtigkeit für das Leben und den geselligen Zustand der Men - schen, dass man sich schon früh mit den Untersuchungen über das Vaterland der Getraide beschäftigt hat; früher schon Bekmann: dann aber mit vielem Glükke: Linkin den Schriften der Berliner Akad.77 und in der Urwelt I, 5, II, 4,78 wo die Sache mehr philologisch - gründlich behandelt ist, als bei den neuern französischen Untersuchungen.

5, Wir kommen nun zu dem wunderbaren Naturgesez über die Zahl der Arten in den Genera; wodurch es deutlich wird, dass in der Natur die Formen sich unter einander bestimmen. In den Thier - klassen ist dies derselbe Fall: wenn man die Zahl der Vögel in einem Lande kent: so kann man mir grosser Gewisheit auf die Zahl der Fische schliessen, die sich daselbst vorfinden müssen. So: wenn man die Zahl der Leguminosae hat, kann man die Junceen und Malvaceen bestimmen. R. Brownwar der erste, der hierauf aufmerksam machte in seinen Untersuchungen über die 3 grossen Klassen: Acotyledonen, Monocotyledonen und Diko - tyledonen, theils in seinen Schriften über die Flora von Neu - Holland, theils in der Flora von Kongo, die von Tuckey's Expedizion durch Smithzurükgebracht wurde. Ich habe diese Arbeiten fort -362v gesezt, und fand eine Sicherheit in den Resultaten, die mich in Erstaunen sezte. Eine andre Frage bleibt es immer, wieviel Spezies sich in einem Lande finden. z. B. von den 1000 Farrenkräutern, die es giebt: findet man 300 Spezies in den Tropen von Amerika, 20 in den kälte - ren Theilen, also ist das Verhältnis wie 20: 300; eine andre Frage wieder, wie verhält sich eine Pflanzenklasse z. B. die Agamen zur ganzen Masse der Vegetazion. Da es also 2 Variabeln giebt: eine der ganzen Masse, eine andre der einzelnen Theile: so hat man die Methode der Quozienten einführen können;um zu bestimmenwennman aber a〈…〉〈…〉uch im Stande ist, zu bestimmen, wieviel Genera zu einer Spezies gehören: so hat dies doch nichts mit der Zahl der Individuen zu thun. Bei uns bedekt eine Spezies von Haidekraut in unzählbaren Individuen an 1000Quadratmeilen, eine Pinusart mehrere 100Quadratmeilen. Es ist daher die Quantität der Individuen und der Spezies genau zu unterscheiden: Wir haben bei Berlin 60 Spezies von Leguminosen, und wenige Juncaceen: dennoch sind die Individuen bei den lezten überwiegend an Zahl.

Die erste Frage wäre hier: wie verhält sich die Verbreitung der Kryptogamen zu der der Phanerogamen: allein grade diese ist nicht genügend zu beantworten, da wir in der Kentnis der363r

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363v364r91.ersten noch nicht weit genug sind: zu solchen Untersuchungen müssen alle Theile gleichmässig bearbeitet sein. In Frankreich giebt es mehrPhanerogamenals Kryptogamen: das Verhältnis ist wie 1: 2: also sind 1600Phanerogamenmehr dort alsKryptogamen: dagegen in Deutsch - land mit der Schweiz mehr Kryptogamen; 4300Kryptogamen3400 Pha - nerogamen; dasselbe Verhältnis, aber in geringerer Zahl findet in Lapland statt. Überhaupt scheint auf dieKryptogamendie Temperatur keinen so grossen Einflus zu haben, als auf die Phanerogamen. Einige Flechten können eine grosse Hize erleiden, besonders wenn sie auf Steinen von dunkler Farbe sizen, die sich weit mehr er - wärmen als der Sand; ich habe das Thermometer an solche Steine gehängt, und gefunden, dass diese Flechten den ganzen Tag eine Hize von 60 bis 62° R. aushalten: die also beinahe der in den therma - len Quellen gleich komt.

Schon sicherer ist das Verhältnis der Monocotyledonen und Di - kotyledonen. Es ist richtig, dass das erste Aufkeimen der Pflan - zenwelt auf unserm Planeten eine Tropenvegetazion genant werden kann, insofern man in den darüber gelagerten Gebirgsformazionen nur Palmen und Bambusaceen findet: dennoch mus der An - blik der Natur in jener frühen Zeit von dem Anblik der jezigen364v Tropen sehr verschieden gewesen sein, wo die Dicotyledonen immer vor - herschen. Dies bestätigt aber den Saz, dass die Vegetazion von den einfachsten Formen anfing, dass nach und nach die Organe sich häuften, und die zusammengesezten Formen bildeten.

Unter den Tropen machen dieMonokotyledonen der ganzen Vegetazion aus; in Lapland schon , weil hier die Gräser in der Kälte besser ausdauern können. Bei uns zwischen 44 und 55° N. B. machen die Gräser von der ganzen Vegetazion der Phanerogamen aus; eben so: wenn man bei uns die Zahl der Schmetterlingsblumen mit 18 mul - tiplizirt: so erhält man die Zahl allerPhanerogamen. Die Malvaceen sind bei uns nur 1 / 200. der Vegetazion.

Die Ericineen, Amentaceen, Umbelliferen nehmen vom Aequator nach Norden und Süden zu.

Unter den Tropen giebt es nur eine Spezies von Umbelliferen und Cruciferen.

In Lapland giebt es gar keine Malvaceen.

In dertemperirtenZone vor Amerika, in Mexiko keine Labiaten[. ]

Wenn man 2 Länder betrachtet, die aneinander gränzen, wie Deutschland und Frankreich, so bleibt das Verhältnis doch dasselbe. Schülerin Tübingen hat eine verdienstvolle Arbeit darüber gegeben. Ich habe vor 10 Jahren Tabellen davon gemacht.

365r

Wenn man sich bei den Thierklassen denken kann, dassz. B. die Vögel, welche sich von kleinen Körnern nähren, nur in den Gegenden vorkommen werden, wo Pflanzen wachsen, die diese Nahrung liefern, dass also das Dasein der Vögel durch das Dasein der Pflanzen be - dingt wird: so ist es doch mit den Pflanzenformen unter sich etwas anderes: hier werden Formen durch Formen bestimt: gleichsam als ob eine Spezies in die andre übergegangen wäre. Im Grossen finden wir diese Verhältnisse bei den Thieren wieder. In Europa giebt es 400 Spezies Vögel und 80 Säugethiere: also ist das Verhältnis wie 5: 1; und ebenso haben wir in Europa 5 mal so viel Synge - nesisten als Amentaceen. Eben so am Kap. Nach den kleinen Samlungen von Lacaille, und nach Lichtenstein's Noten, der so tiefe zoologische Kentnisse vom Innern von Afrika besizt: ist dasVerhältnisder Säugethiere zu den Vögeln am Kap = 1: 4,8 (beinahe 5,0)[. ]Überhaupt giebt es auf der Erde 900 Säugethiere und 5000 Vögel, wir finden hier ungefähr wieder 1: 5.

Diese Betrachtungen müssen uns immer mehr davon überzeu - gen, dass die Natur als ein grosses Ganze zu betrachten sei, und die Methode der Quozienten wird uns die einzelnen Verhältnisse genau bestimmen lehren.

365v

58. Vorlesung, 22.04.1828

Nachdem wir jezt die Pflanzenwelt absolvirt haben, treten wir in die Sphäre des thierischen Organismus ein, der mit leicht erkenbaren Apparaten der Empfindung ausgerüstet, dem Menschen näher steht; weil er sogar unser Mitleid erregen kann: denn ein Hauptmoment des thie - rischen Lebens ist der Schmerz. Wir messen den Schmerz nach dem Ausdrukke desselben, und haben dann an unserm eignen Schmerze einen Maasstab. Cuvierhat zwar an einigen Nautilus-arten Augen, Ohren und andre Organe der Empfindung nachgewiesen: aber doch stehn sie uns fast so fern als die Pflanzen. Zwar erinnern einige reizbare Mimosen durch das Zusammenfalten der Blätter an die Reizbarkeit der Thiere: allein wir können nicht sagen, dass die Mimosendas zeigen, was wir Schmerz nennen: denn der Schmerz ist das uralte Band, das den Menschen an die Thierwelt knüpft:,so wie das Mitleiden ihn ehrt.

Die Thiere werden durch ihre Nahrung, welche grossentheils aus dem Pflanzenreiche herkomt, modifizirt, und Linnéesagt sehr rich - tig, dass die Existenz der Thierwelt die der Pflanzenwelt voraus - seze: dies beweiset auch der Anblik der Gebirgsschichten: in denen das erste Aufkeimen derPflanzenNaturmit den Pflanzen anfängt; noch vor den Mollusken und dann gleichzeitig mit ihnen sehn wir in dem thonartigen[Übergangsgebirge] Bambusaceen und Cac -366r tusarten; im Übergangskalkstein Seetang und Zostera.

Dass manche Pflanzensamen, besonders die gefiederten, durch den Wind sehr weit getrieben werden können, dass viele durch Meeresströmun - gen, wie durch den grossen Golfstrom an entfernte Küsten kommen können, das sehn wir an den Littoralgewächsen, die an beiden Ufern des atlantischen Ozeans sich finden: nicht unähnlich unter den Völkern den Malayen, die sich in Indien auch nur an den Küsten aufhal - ten, und die im Innern der Länder gefunden werden.

Die Thiere sind, schon,ihrer mehr volkomnen Organe wegen, be - weglicher als die Pflanzen; die gröste Verbreitung derselben sehn wir bei den Vögeln und Fischen, welche die tropfbar-flüssige und luftförmige Umhüllung des Erdkörpers bewohnen; sie finden in den auf - und absteigenden Schichten eine Verschiedenheit des Klima, die ihrer Organisazion zuträglich ist. Wenn die nördlichen Fische gegen Süden ziehn: so finden sie in der Tiefe des Meeres ihr kal - tes nördliches Klima wieder. Weniger ist dies mit den Vögeln der Fall: denn wenn wir auch oben gesehn haben, dass die Tempe - ratur von dem Meeresspiegel an, nach oben und unten hin ab - nimt, so ist die Abnahme nach oben hin, in der Luft lange nicht so bedeutend, als die im Wasser.

366v

In dem grossen Werke von Cuvierund Valenciennesüber die Fische wird es gezeigt, dass nur wenige Fische von England nach Nordameri - ka hinübergegangen zu sein scheinen: sehr viele aber sich von West - europa an Spanien hin bis zum Senegal ziehn, wenigstens sind die Ar - ten sich sehr ähnlich. Seriola Cosmopolita, eine Art Makrele, hat von ihrer grossen Verbreitung den Namen: sie findet sich in Europa, Westindien, Ostindien und auf den Sandwichinseln; Squalus galeusim Mittelmeer, in Brasilien und am Kap. ; Thermodon hepta - canthus in Europa, an der Isle de Bourbon in Westindien, und neu - erlich ist er sogar in Madagascar gefunden worden;

Weniger ist dies mit den Süswasserfischen der Fall; in den Anden trift man in Seeen von78810,000 Fus Höhe eigne Genera an, Astronepusund Erimophilus; in den Pyrenäen auf 7000 Fus Höhe fand Ramondeine eigne Art von Fischen, an die er interessante meteorologische Untersuchungen knüpft: Diese Thiere leben in einermittlerenTemperatur von höchstens +1°R., und 4 Monate hindurch ist die Oberfläche des Seees gefroren: sie verdanken ihr Leben nur der merkwürdigen und wohlthätigen Eigenschaft des Wassers, dass es bei +4½° R. seine gröste Dichtigkeit erreicht, und zu Boden sinkt: so dass die Fische unten eine etwas mildere367r Temperatur finden.

Die Geographie der Thiere, obgleich sie 2 mal so alt ist als die[ der] Pflan - zen, ist doch nur 40 Jahre alt: aber lange noch nicht so ausge - bildet als die Pflanzengeographie. Das erste Buch von Bedeutung darüber ist: ZimmermannGeogr. animal. Specimen; welches viel Ver - dienst hat eben weil es das erste ist, aber auf zu unsichern Grund - lagen gebaut, weil damals diese Wissenschaft noch ohne den Beistand der Meteorologie und Physik betrieben wurde. Sehr schäzbare Be - merkungen sind in den vielen Journalen der Reisenden enthalten, aber noch niemand hat sie zusammengestelt. Doch müssen genant werden: LatreilleGéographie des Insektes; und Marcel de SerreEssai sur les animaux de la France méridionale, wo in der Ein - leitung sehr ausführlich und schön die Geographie der Thiere ab - gehandelt wird.

Wir fragen zuerst: wieweit ist das Thierleben verbreitet, und na - mentlich: ist es so weit verbreitet als die Pflanzen? Hier ist das Resultat, dass es nach oben nicht so weit vordringt als die Pflanzen, wohl aber nach unten, nur nicht in so grosser Menge. Thermestes und besonders einige Apteren findet man in den unterirdischen Pflanzen der Bergwerke. Ehrenbergfand Infusorien im Brunnen -367v wasser verdekter Brunnen, das aber sehr trinkbar war. Proteus ur - binuslebt in den unterirdischen Seeen in Krain. Wie bei den Pflanzen finden sich auch viele Insekten von Erde umgeben:vielemanche graben sich selbst Löcher und Höhlen in den humus, und leben hier in einer Luft, die beinahe ganz aus gekohlten Wasserstof be - steht, und kaum 0,03 Sauerstof enthält (während die athmosphär. Luft, 0,21 enthält.) Ich machte viele Versuche dieser Art mit Po - lyoptern: ich tauchte sie in Stikstof, dem kaum 0,01 Sauerstof beigemischt war, und sah, dass sie noch lange fortlebten: auf diese Weise mögen sie sich in den Bergwerken, wo die Stollen sich schon geschlossen haben, Jahrhunderte lang fortpflanzen und er - halten. So erhielt ich neulich aus Freiberg einen gewöhnlichen PietzkerCorbites barbatula, der sich dort 7 800 Fus unter der Erde aufhält. In den Anden findet man den Pymelodes Cy - clopum, einen kleinen Fisch, der in unterirdischen Höhlen lebt, und von den Vulkanen gleichsam destillirt,wirdund nahe an der Schnee - gränze todt herausgeworfen wird. Alle diese Fische haben sehr grosse Augen, von denen man nicht weis, wozu sie in der totalen Finsternis nüzen.

Es scheint, dass es doch weniger Fische in der Tiefe alsan368r92.nahe an der Oberfläche giebt. Biotund de Larochehaben im Mittel - meer Untersuchungen darüber angestelt, und Fische aus 5000 Fus heraufgeholt, welches die gröste Tiefe ist, in der man je gefischt hat. Ihre Schwimblase, die bei allen andern reines[Stikstof] enthält, war mit fast reinem Sauerstofgas angefült; 0,80 an Gehalt.

Auf die Berge steigt das Thierleben nicht so hoch als das Pflan - zenleben. Marcelführt es an: dass in den Pyrenäen das thierische Leben schon 2000 Fus vor der Schneegränze aufhört. Es ist natür - lich hier nicht von fliegenden Insekten die Rede, die man auf der Silla de Caracas, dem Chimboraco, dem Montblanc und fast allen hohen Bergen findet, besonders Dipteren und Tepulaediese werden durch die aufsteigenden Luftströme in die Höhe geführt, können aber nicht daselbst leben. Die Vögel steigen noch höher, aber nur temporär. Ich sah über dem Chimboraco, wohl in 22,000 Fus Höhe den grossen Kondur schweben: allein dies ist nur der Fall, wo die Berge sich wie Untiefen auf dem Boden des Luft - meeres erheben, die Vögel schweben also vielleicht nur einige 1000 Fus über dem höchsten Gipfel, wo noch eine Hofnung der Nah - rung sein kann. Gay Lussacbei seiner aërostatischen Reise befand sich schon auf 2 3000 Fus Höhe in einer völligen Einöde.

368v

Was die Quantität der Spezies anbetrift, so haben die neueren Ent - dekkungen die Thierwelt in's unglaubliche vermehrt. Wenn von Linnéebis auf uns die Pflanzenspezies von 10,000 auf 60,000 angewachsen sind, eben so kante Fabriziusnur 11000 Insekten, während Klugund La - treillebereits 44000 aufgezält haben. Das Museum in Berlin erhält allein gegen 30000 Spezies. 1790 kante man 420 Säugethiere auf der Erde, jezt 900.

Ich will kurz ein Inventarium der ganzen Thierwelt geben, insoweit sie beschrieben und bestimt ist.

  • 900 Säugethiere: davon auf Europa 80 Landsäugethiere, die Ceta - ceen dazu gerechnet, giebt 100.
  • 5000 Vögel: hier walten manche Zweifel über die Varietäten, doch ist die Zahl eher zu klein. Cuvierbehauptet, dass im Museum zu Paris allein 5800 Spezies von Vögeln sich finden.
  • 700 Amphibien: hier giebt es gewis mehr, weil diese Thiere dem Menschen so leicht entgehn.
  • 5000 Fische, nach dem grossen Werke, was Cuvierund Valenciennesherauszugeben angefangen haben. Dies stimt bis auf 12 oder 15 mit den Vögeln überein.

Dies alles sind Thiere mit einem Knochengerüste und Gehirn, das die Medullarsubstanz zusammengedrängt enthält: bei den369r höhern Thierklassen ist das Gehirn zusammengedrängter, als bei den niedern. Sömmeringmachte die schöne Entdekkung, dass die geistigen Fähigkeiten nicht nach der Grösse des Gehirnesan sich beurtheilt werden müssen: sondern nach seinem Verhältnis zu den übrigen Nerven: in dieser Hinsicht ist es beim Menschen am grösten: bei den Thieren dagegen sind die Nerven mehr ausgebildet; bei ihnen wird der galvanische Prozes, der durch die Medullarsubstanz und das arterielle Blut hervorgebracht wird, in jedem einzel - nen Gliede bedingt: daher haben die Theile ein längeres par - zielles Leben, wenn sie von dem Körper getrent werden.

Von den Thieren mit Rükkenwirbeln (animaux vertébrés) giebt es 11600, wovon 10 / 11 den flüssigen Umhüllungen angehören, wegen der grossen Menge der Vögel und Fische. Bei den Vögeln finden wir das maximum, bei den Fischen das minimum der Luftrespi - razion: bei den Vögeln ist überdies die gröste Blutwärme: ein Huhn hat 33½° R. nach J. Davy, und 176 Pulsschläge in der Minute. Ein Pferd dagegen 29½° R. Blutwärme, und 56 bis 58 Pulsschläge. Die schwache Respirazion der Fische durch die Kiemen, ist ein Prozes, durch den der Sauerstof aus dem Wasser369v abgeschieden wird. In süssem Wasser beträgt er 0,31, in der Luft 0,21. In Wasser, welches mit vieler Sorgfalt von aller Luft gereinigt war, habe ich Fische eben so schnell ersäuft, als ob sie vergiftet wären, welches Spallanzanigeläugnet hatte. Die Operazion mus unter Queksilber vorgenommen werden. Ich be - merkte zugleich dass verschiedene Luftgemenge mit verschiedener Geschwindigkeit in dies ganz luftreine Wasser hinabsteigen, und sich damit vermischen. Daher komt es, dass die Goldfische, welche man in Gläsern hat, am Ende das Wasser erschöpfen, d. h. die Luft daraus absorbiren: dann sieht man, wie sie an die Oberflä - che kommen, um Luft zu schöpfen, ohne welche sie nicht〈…〉〈…〉leben können. Aal-arten können nach ihrer eignen Organisazion lange Zeit in der Luft leben, wie eine Raze: allein es scheint, als ob durch das blosse Athmen von LuftdasihrBlut vom Sauerstof so erhizt wird, dass sie daran sterben. Im Wasser ist eine äusserst kleine Quantität von Sauerstof hinlänglich, um die schwache Respirazion der Fische lange zu erhalten.

Die Ursach, warum Vögel und Fische der höheren Orga - nisazionen ausmachen, liegt darin, dass sie den grossen Kata - strophen, die unsern Erdball verändert haben, leichter entfliehen370r konten, die Thiere der Veste dagegen sind mehr zerstört worden. Von den Pachydermen, deren es jezt 17 18 auf der Erde giebt, sind nach Cuvier, allein 56 Spezies verschwunden.

Am meisten scheint sich die Natur in der Bildung der Insek - ten gefallen zu haben, wegen der grossen Menge derselben; 5000 Schaalthiere und Seegewürme, 6000 Zoophyten; im Ganzen:

= 66600 Spezies von Thieren, und zufällig eben so viel Pflan - zenspezies. Die Insektennmachen aller Thiere aus: allein es mus noch weit mehr geben als 44000, wie man aus der Ana - logie schliessen kann: wenn im Ganzen 44000 Insektenund60,000 Pflanzen vorhanden sind: so komt auf jede Pflanze noch nicht 1 Insekt. In der Gegend von Berlin aber, wo wir 2000 Pflanzen haben, giebt es nach Klug5000 Insekten: also 2: 5. Es fehlen uns also noch sehr viele Insekten, ehe wir für die 60,000 Pflanzenspezies das Verhältnis 2: 5 erhalten. In den lezten50 Jahren ist sehr viel dafür geschehn: dennoch herscht hier die gröste Unsicher - heit in der Zahl der möglichen Formen, welche bei den andern Thierklassen kaum oder beträgt.

Der Reichthum an Thieren nimt mit der Wärme zu: die Lebensfülle der Spezies ist unter den Tropen am stärksten. 370vDie meisten Thiere finden sich zusammengedrängt in Südamerika, am Himalaya, auf einigen Inseln des indischen Archipels, kurz da am mannigfaltigsten, wo der Karakter der Landschaft am meisten individualisirt ist.

Es ist nur ein Vorurtheil, dass das thierische Leben in Amerika auf einer geringeren Stufe der Ausbildung stehe, als im alten Kontinent: man schliest dies gewöhnlich daraus, dass im Amerika die grossen Pachydermen fehlen allein dies ist ganz zufällig, sie haben früher doch existirt, und sind nur jezt verschwunden, denn man findet die unzweifelhaften Reste. Ich fand 3 neue Spezies von Elephanten, (welche Cuviernach den Zähnen bestimte[)] auf den höchsten Bergrükken in Peru, Mexikopp. auf 6 7000 Fus Höhe, wo die Temperatur unsrer nördlichen Gegenden herscht. Auch im alten Kontinent ziehn sich seit ein paar Jahrhunder - ten die Elephanten gar sehr zusammen, und fangen in einigen Ländern an, ganz zu fehlen. In Amerika erreichen die Panter - artigen Kazen dieselbe Grösse wie in Asien. In den vereinig - ten Staaten giebt es Bisons, die 2000 wiegen. Der President Jefferson, in einem Mémoire über die Grösse der amerikanischen371r Thiere, beschreibt Bisons, welche 9 10 Fus Höhe bis auf den Rük - ken haben, also einem Elephanten wenig nachstehn: sie finden sich in Heerden von 8 10,000 Stük früher zwischen dem Ohio und Missouri, jezt aber, durch die Kultur nach Westen gedrängt, zwi - schen dem Missouri und den Stonymountains.

Diese grossen Thiere sind immer krautfressend, wie Cuvierbemerkt nach einer wohlthätigen Einrichtung der Natur. Das gröste Kro - kodil hat man in Sussexgefunden: es ist 70 80 Fus lang (wäh - rend unsre heutigen selten 22 24 Fus übersteigen) und erreicht die Höhe des Rhinozeros. ( Cuviernante es Yguanodon) also eins der fürchterlichsten Thiere, und auch dies ist nach den Zähnen zu schlies - sen, ein Grasfresser.

Die Kontraste der Grösse sind bei den Thieren eben so stark als bei den Pflanzen, und sicherer zu messen. Von den Infusorien Monas lens und M. Thermo können wir aufsteigen bis zu den Wallfischen; bei den kleiner Pflanzen ist es immer ungewis, ob es wirklich mikro - skopische Pflanzen giebt, ob es nicht Thieranfänge sind. Die Grösse der Thiere hängt wieder mit gewissen Bedingungen ihres Organismus zusammen: so giebt es keinen mikroskopischen Fisch oder Nagetthier es findet sich hier eine Gränze des maximum und minimum für371v jede Form. Früher glaubte man der kleinste Fisch sei der gewöhn - liche Stekling von Zoll Länge; allein Ehrenbergbrachte aus dem rothen Meere kleine Korallenfische mit vor 7 8 Linien Länge,Gobins die man fälschlich für die Brut gehalten hatte, und dem GovinsChaetodon oder Chatedonbeigemessen. Er machte daraus 2 neue Genera:PriolepisAcanthopomus Spiolepusfasciatus und Acanthocomus Meleagris.

Vergleicht man diese kleinen Fische von 7 8 Linien mit dem Wan - derhayfisch; Squalus maximus, der an 30 Fus lang wird: so hat man das Verhältnis 1: 700.

Der Straus im Verhältnis zu denTrochilusarten oder Kolibri zeigt keine so grosse Verschiedenheit. Man hat die Grösse der Wallfi - sche sehr übertrieben; in Lacepède's treflichem Werke über die Fi - sche, findet sich noch die Behauptung, dass die Wallfische gegen 300 Fus lang werden. Scoresby, der auf seinen nördlichen Reisen 322 Wallfische getödtet hat, fand nie ein Exemplar, dass über 65 oder 70 Fus lang gewesen wäre; ja er berechnet sehr genau nach der Quantität des Thrans, dass man auch in früheren Jahrhun - derten niemals längere gefangen habe. Einzelne Potfische oder Cachelots mögen wohl manchmal die Länge von 92 100 Fus er - reichen. Vergleicht man das kleinste Nagethier von Zoll mit372r93.einem solchen Cachelot: so hat man das Verhältnis von 1: 600 (fast dasselbe wie oben.) Es ist Spielerei, wenn man das kleinste Infusorium von 1 / 1600 Linie Länge mit dem Cachelot vergleicht: man bekömt das Verhältnis = 1: 23 Millionen, indessen man sieht daraus, dass eine unbegreifliche Verschiedenheit in der Masse der Thiere herscht, die weit grösser ist als bei den Pflanzen.

59. Vorlesung, 23.04.1828

Da alle Naturgeseze sich auf genaue Beobachtungen der That - sachen gründen: so habe ich bei der Geographie der Thiere, wo noch so vieles schwankend ist, immer die Autoritäten angeführt. Wir sind in dieser Wissenschaft so wenig vorgerükt, dass man fast nur die Fragen anregen, nicht aber zu Resultaten kommen kann.

Das thierische Leben geht weiter gegen die Pole als das Leben der Pflanzen,:kleine Nager, Renthiere, Wölfepp. streifen bis auf die Melville'sInseln, woCaptain Parry, während seiner langen freiwilligen Verbannung daselbst, viele geschossen hat, unter 75°Nordbreite.

Merkwürdig ist es, dass man unter allen Thierklassen bei den Vögeln allein kein Beispiel von völliger Blindheit hat: dagegen bei den Nagern, z. B. die Blindmaus: der Maul -372v wurf: Sorex aureus; Proteus anguineus, deie man gewöhn - lich Sirene nent, und welche in den unterirdischen Seeen in Krain lebt. Rudolphihat viele Versuche damit angestelt. Von den Fi - schen sind blind: Muraena coeca; Silurus coecutiens nach Lichtenstein: ein blinder Käfer, der Clavigerwird in den Amei - senhaufen samt seiner ganzen Brut von den Ameisen ernährt, so dass er also die Augen nicht nöthig hat.

In den vorweltlichen Formazionen finden sich die Fische von dem Kupferschiefer an, bis zu dem terziären Gyps von Paris, in dem lezten neben den Dikotyledonen.

Hinsichtlich der Grösse oszillirt die thierische Organisazion in weiteren Gränzen als die Pflanzen. Das oben angegebene Verhältnis von 1: 23,000,000 ist nur dann interessant, wenn man bedenkt, dass es nur 4 mal kleiner ist, als das Ver - hältnis eines5-füssigen Meteorsteines zum Durchmesser des Jupiter.

Es ist gar nicht zu berechnen, wie viele Millionen Infu - sorien in einer Wassermasse von 10 Kubikfluss sich befinden: Blumenbachfand nach einer Schäzung, dass die Milch einesCer[?]carien grossen Karpfen 250,000 Millionen Cetarienenthalte. 79

373r

Wenn die Masse der Urbestien, deren Knochen wir finden, schon sehr gros ist, so ist auch die noch lebende thierische Organisazion sehr bedeutend. Lichtensteinführt aus der Reise von Albertian (der sich sehr viel mit den Kaffern und ihrem Lande beschäf - tigte) dass man dort früher Heerden von 300 Elephanten ange - troffen habe, von denen manche 14 Fus hoch waren. Von einer Taubenart: Columba migratoria, weis man, dass in Nordame - rika viele Millionen wolkenartig ganze Tage lang vorüber - ziehn. Wo sie sich niederlassen, werden die Zweige zerbrochen. Gewöhnlich schlägt man sie mit Knitteln todt, oft treiben sogar die Landleute ihre Schweine in diese Gegenden, und mästen sie mit dem Fleische der Tauben. Fast eben so gros ist die Menge der Strandvögel am Orenoko und Ama - zonenflus. In der Südsee sah ich oft 5 6 Stunden lang untunterbrochen Züge von Seevögeln wie ein Gewölk über den Zenith hinziehn. Man hat an den Orten, wo sie vor - beiziehn ein eignes Düngungsmittel, Guano, genant, das aus dem Harnstof dieser Vögel besteht, mit Erde und Eisen - oxyd vermischt. Es finden sich diese Exkremente in Schich -373v ten von 25 bis 30 Fus Höhe (und man kann sich denken, wel - che Masse von Vögeln dazu gehört, um diese hervorzubringen)Phoenicopteren mit vielem Gefieder der Filicopteren und Ardea vermischt; ich habe Proben davon nach Europa gebracht.

Doch diese ganze Thiermasse ist geringe gegen die Pflan - zenmasse, wenn man bedenkt, dass vom bis22°Nordbreite in Südamerika die ganze Erdoberfläche mit Bäumen be - dekt ist, deren die meisten 5 Fus Dikke haben.

Die Frage, ob nicht eine Thierspezies über den ganzen〈…〉〈…〉Erdkörper verbreitet sei, kann man nur für die niedern Formazionen, und auch hier nur wahrscheinlich, mit Ja beantworten. Ehrenbergfand in Afrika unter den vielen Infusionsformen 14 mit den europäischen ganz über ein - stimmend, wie Monas Thermo und M. lens, Vibriopp. LepidopternCarduiVon den Insektenbesonders den Epidoptern ist Papilio Carbo sehr verbreitet; unsere gewöhnliche Sphynx Atropos hat Deppeaus Mexiko mitgebracht. Von den Säugethieren ist keins auf der gan - zen Erde verbreitet: wohl aber gehn manche Vögel sehr weit, besonders Sumpfvögel. Nach Lichtensteinwerden374r Tringa pugnax und andre, in allen temperirten und Tropenzo - nen gefunden, nur in den Polarzonen fehlen sie. Cuvierglaub - te, dass Strix flammea, die Thurmeule sehr weit verbreitet sei, doch scheint die in Mexiko gefundene eine andre Spezies.

Buffon's Gesez, dass keine 2 Pflanzen und Thiere des alten und neuen Kontinentes übereinstimmen ist für die tempe - rirte Zone nicht ganz wahr, wohl aber für die Tropen; doch machen auch hier die Epidoptern eine Ausnahme, wiez. B. Sphynx Atalanta und Antiope. In der temperirten Zone hielt man früher die Bisons und Auerochsen für überein - stimmend, während man jezt viele Unterschiede zwischen ihnen gefunden hat. Die Renthiere und Elennthiere sind beiden Kontinenten gemeinsam, von denen auch Pallasnach - weiset, dass sie über das Eis Wanderungen von einem Erd - theil nach dem andern machen; vielleicht sind es auch die Biber, welche in Amerika noch gesellig leben, bei uns aber zu sehr gedrängt werden, als dass sie zum Bauen kommen könten; auch die Sumpfotter ist nach Lichtensteindieselbe in den beiden Kontinenten. Den Ursus gulo〈…〉〈…〉374voder Vielfras hält Cuviergewis mit Recht für identisch in beiden Welttheilen, für den Wolf und Fuchs scheint es noch zweifelhaft.

Nach R. Brownhat Neuholland 20 Pflanzen, welche sich auch in den brittischen Inseln finden. Falco acer und Cypselus milva sind nach Lichtensteinfür Deutschland und Afrika gemeinschaftlich; vielleicht auch einige Taubenarten.

Die tropischen Formen verbreiten sich im algemeinen mehr gegen Süden als gegen Norden; doch in der neuen Welt mehr gegen Norden als in Europa. Die vereinigten Staaten werden durch schöne Waldbäume mit grossen farbigen Blüten ge - schmükt, während die unsern nur farblose unscheinbare Blüten haben. Nach Wilsonund Karl Buonaparte, 2en nord - amerikanischen Naturforschern gehn Tanagra aestiva und Fringilla cyanea, die mit so schönen Farben prangen, sehr nördlich hinauf. Die schwächlichen Trochilus-arten, Kolibri's gehn in Kanada bis zu den Seeen, und machen vom März bis zum Juny eine Reise von 270 280 Meilen. Mackenziefand sie bis auf 52°Nordbreite, so hoch als Danzig. Dies ist eine375r Folge der Kontinuität von Amerika. Captain King, dem wir die völlige Umschiffung und Aufnahme aller Küsten von Neu Hol - land verdanken, und der jezt den Archipel des Feuerlandes un - tersucht, fand Kolibri's bis 54° Südbreite, woraus man sieht, dass es nur ein Vorurtheil ist, die südliche Hemisphäre für kälter als die nördliche zu halten. In Van Diemen-land findet man baumartige Farrenkräuter in einer Breite, die der von Lyon ent - spricht, wo doch an solche Gewächse nicht mehr zu denken ist. Auf den Kemble und Macquerie-inseln, die erst 1810 entdekt wurden, giebt es eine eigne Art von Psittacus, unter 55°Südbreite, der von Lessonin Duperrey's Reise beschrieben ist.

Von den ersezenden Formen sehn wir ein merkwürdiges Bei - spiel bei den Elephanten, von denen man jezt 2 Spezies, den asiatischen und afrikanischen unterscheidet. Fréderic Cuvier(der Bruder des grossen) und Geoffroy St Hilairehaben den afri - kanischen nach dem Kranze seiner Zähne: Loxodonta genant. Seit 1681 war kein afrikanischer〈…〉〈…〉Elephant in Europa gewesen, jezt ist ein junger in Paris, und man sieht, dass die Ptolemäer und Karthager〈…〉〈…〉ihre Streitelephanten nicht aus Asien zu375v holen brauchten, denn dieafrikanischensind eben so gelehrig, und zeigen eben so viel Intelligenz, als die asiatischen.

Vom Rhinozeros giebt es einhörnige in Indien und Java, zwei - hörnige am Kap und in Sumatra.

Den Tapir hielt man lange für eine eigenthümliche Form von Amerika, jezt hat man ihn in Malacca und im Innern von Sumatra entdekt.

Die Kolibri's werden in der alten Welt durch die Gattung Sui - manga ersezt; auch von den Straussen giebt es 2 Arten.

Die Schlangen von 18 Fus denn die von 30 Fus sind sehr zweifel - haft, und es scheint, dass die Schlangen das Maas der Krokodille nicht überschreiten mit einem schachbrettartigen Felle, die man gewöhnlich constrictores nent, theilt Cuviernach ihren Wohnorten in Boa und Python ein.

In Amerika erhebt sich der Affe nicht über 3000 Fus über dem Meere, um dort zu wohnen: dennoch findet man ihn oft in ganzen Banden in 5 6000 Fus Höhe, um zu rauben: doch geht er bald wieder in die Tiefen hinab.

Der kleine sehr beschwerliche Floh, Pulex penetrans hat sei - ne bestimte Höhe: er fängt in 8 900 Fus über dem Meere376r94.an, und geht bis 3000 Fus hinauf: höher und tiefer hat man nichts von ihm zu fürchten: er sezt sich gewöhnlich unter die - gel der Füsse: das befruchtete Weibchen schwilt auf, und macht schmerzhafte Beulen. Die Neger, welche sich nicht in Acht nehmen, haben oft grosse elephantenartige Füsse.

Papilio Apollo, der in Deutschland sich nur in der Ebne zeigt, kömt in den Cevennen erst auf 4000 Fus Höhe vor.

Desfontaines, welcher in Tripolis und Marocco eine Flora atlan - tica sammelte von 1500 Spezies, hätte 270 davon ebenfals in Süd - spanien und in Majorka finden können. Ich sammelte mit Bon - plandviele〈…〉〈…〉in Spanien viele dieser sogenanten afrikanischen Formen.

In Nordafrika fehlen die Hirsche gänzlich: daher ist es wahrschein - lich, dass der Durchbruch der Meeres bei den Säulen des Herkules vor der Zeit erfolgte, in welcher diese Thiere existirten. Von den Affen, die sich auf den Felsen von Gibraltar aufhalten, ist es sicher, dass sie von Arabern dort ausgesezt wurden, und sich in den Klüften vermehrten, doch weis man nicht, in welchem Jahre.

Bei den Thieren sind die Zahlenverhältnisse unbestimter, als bei den Pflanzen: wenn wir zu den Säugethieren die 128 Spezies der376v Vorwelt hinzurechnen, so wird das Verhältnis natürlich ganz anders werden. Vögel und Amphibien nehmen nach den Tropen hin schnel - ler zu als Säugethiere: doch müste man die Faunen erst genau kennen, um ein Resultat anzusprechen. Nur durch die Gleich - mässigkeit der Bedingungen, welche bei den Beobachtungen obwalten, kann Gewisheit in diesen mathematischen Berechnungen erreicht werden. Die vielen sous-genres, welche die Franzosen machen, sind der Wissenschaft eher nachtheilig als förderlich gewesen.

Die reissenden Thieren verhalten sich zu den wiederkäuenden wie 1: 3. Die Pachydermen haben sich seit der verweltlichen Zeit vermindert, auchdievieleInsekten sind untergegangen: alle die man[ im] Bernstein findet, und untersucht hat sind neue Spezies von bekanten Gattungen. Das Beutelthier in Amerika ist von demNeu-Holländischen ver - schieden. Von dem Schnabelthier in Neu-Holland ist es noch zwei - felhaft, ob es wirklich ein eierlegendes Säugethier sei. Das Kän - guru steht auch nicht so isolirt, als die Pflanzen von Neu - Holland: man findet eine andre Spezies auf den Agroë-inseln bei Banda. Der indische Archipel hat sehr viele grosse Säuge - thiere: dagegen die west-indischen und Südsee-inseln haben nur kleine Nager von 4 5 Zoll Höhe, und nicht einmal Affen:377r doch ist Trinidad ausgenommen, welches ganz dicht von der Küste von Paria abgerissen zu sein scheint. Der indische Archipel hat Rhinozeros[,] Elephanten und Känguru, and ist sicher ein von Asien abgerissenes Stük Land.

Am weitesten verbreitet von allen Thieren höherer Organisa - zion ist der Mensch: denn der Wille vermehrt die Biegsam - keit der Natur. Die sogenanten Wilden haben die geringste Bieg - samkeit der Natur: daher[gebieten] die alten spanischen Geseze, dass man die kupferfarbigen Amerikaner nicht von den Höhen in die Ebnen und umgekehrt, verpflanzen solle; in den Anden dürfen sie nicht über einenhohgewissen hohen Gebirgspas geschikt werden, weil dies ihrer Gesundheit sehr schädlich ist: man macht oft Um - wege von 10 bis 12 Tagen, um diesem Passe zu entgehn, und doch herscht oben ein Temperatur wie beiuns im Anfang des Mai. Wenn man einzelne Neger-individuen ausnimt, so hat die weisse Men - schenrace die gröste Flexibilität der Natur, weil bei ihnen am meisten das materielle Leben durch das geistige beherscht wird.

Von dem Menschen, und seiner Verbreitung auf dem Erdkörper.

In den einzelnen Elementen der physischen Natur findetnsich377v wenig Unterschiede vom Menschen zu den Wirbelthieren. Die Quelle der hohen Blutwärme ist im Menschen geringer, als in manchen Thieren, und beträgt kaum 30° R. Die einzigen Versuche darüber sind von J. Davy. Er fand, dass diese 30° R. bei den verschieden - sten Völkerstämmen gleich sind: sie mochten nun gar kein Fleisch essen, wie die Buddhapriester, oder nur Fleisch wie ein Stamm auf Zeylon. Die richtige Blutwärme erhält man, wenn man die Thermometerkugel unter die Wurzel der Zunge hält, und alle Ver - suche stimmen bei den verschiedensten Individuen bis auf ¼° R. überein. Unter den Vögeln kann die Blutwärme von 32° bis 35½°R. steigen. Die Hühner und Tauben haben ein wärmeres Blut als die Papageien. Die Amphibien und Fische sind nicht kaltblütig zu nennen: ihr Blut ist meist 3 bis R. wärmer als das Medium worin sie sich halten; auch die Insekten haben einige Wärme, wie man an einigen grossen Epidoptern sehn konte: denen man kleine Thermometerkugeln unter die Flügel hielt.

Bei den Menschenracen scheint das Klima eine, wiewohl schwa - che Veränderung hervorzubringen: wenn Europäer nach Ostindien gehn, so wird ihr Blut vielleicht um 0,5° R. wärmer.

Der Puls erleidet gar keine Veränderung durch die Höhe des378r Standortes, wohl aber durch temporäre Wärme. Herr Roulin, Professor in Bogotá, machte mit seiner Familie und vielen Dienstboten eine Reise über das Gebirge, und prüfte von 400 zu 400 Toisen Höhe den Puls der ganzen Geselschaft, aber sobald man sich nur etwas vom Steigen erholt hatte, war keine Veränderung zu bemerken, und er fand dasselbe, was Bonplandauch in Quito wahrgenommen hatte. (Über Roulin's ReiseSiehe MagendieJournal de Physiologie.)

Wie gros die Hize sei〈…〉〈…〉welche der Mensch ertragen könne, zeigen uns schon die Dampfbäder, in Mexiko Themaskalengenant, doch hat man auch andre Versuche. Schon 1764 sperte der Naturforscher Tiletein Mädchen 10 Minuten in einen Ofen von 105° R. wo Kar - toffeln neben ihr siedeten, ohne dass es ihrer Gesundheit schadete.

In England machten Banks, Solander, Blakstoneund der Captain Phips(nachher Lord Mulgrave, der von seiner arktischen Expedizion wo er 30° R. in der Kälte ausgehalten, nach England in das Schwiz - bad ging) an sich selbst Versuche, und sperten sich mehrere Minu - ten in einen Ofen von 102° R. Sie musten in hölzernen Schuhen gehn, Eier wurden in 15 Minuten hart, und Wasser war im höchsten Sieden: dennoch fühlten sie diese hohe Wärme nicht: ihre thierische Wärme wurde nicht um 1,5° R. vermehrt, die Pulsschläge nahmen378v aber auf eine unerhörte Weise zu. Wenn man sich in einer Taucher - glokke hinabläst, und auf hohe Gebirge steigt, so verändert sich der Barometerdruk sehr bedeutend; im ersten Falle habe ich einen Druk von 60 Zollen, im 2tenvon nur 13¼ Zoll ausgehalten ohne Schaden für die Gesundheit. Bedenkt man, dass der Mensch 40° R. Kälte und +105° R. Wärme aushalten kann, so ergiebt sich ein Unterschied von 145° R. Die Eskimaux, welche 5 6 Monate lang eine Kälte zwischen 30 bis 34° R. haben, sind ein sehr fröhliches Volk, welches die Flexibilität der menschlichen Natur durch die Willenskraft genug - sam bezeugt.

60. Vorlesung, 24.04.1828

Kein Gegenstand ist mit einer grösseren, man kann sagen, mehr gehässigen Lebendigkeit behandelt worden, als die Geschichte der Menschenracen, und man hat Sachen hier hineingemischt, die den historischen Untersuchungen fremd bleiben solten. In neuer Zeit ist man auf einen besseren Weg geraten. Die Untersuchungen über die Völker des innern Asiens haben auch über Europa Licht verbreitet.

Wenn man früher das Vorgeschichtliche verwechselt hat mit den einfachen Beobachtungen der Erscheinungen: so werden wir uns besonders bemühen müssen beides zu trennen, und daher 1, den blossen Kausalzusammenhang in den Erscheinungen nicht verwachseln379r 2, mit der physischen Geschichte der Menschenracen; eben so wie Geologie und Geognosie streng geschieden werden müssen.

Wir haben gesehn, dass die Flexibilität der menschlichen Natur nicht von der grösseren Blutwärme oder von der Eigenschaft herrührt, sich eine eigne Temperatur zu bilden, sondern von der Intelligenz, die sich als Willenskraft ausspricht, und dass die ungebildeten Völker am we - nigsten Biegsamkeit haben. Die Missionare in Südamerika wissen sehr wohl, wie gefährlich es ist, die Waldindianer in die Ebne zu ver - pflanzen: denn es sterben 60 70Prozent davon. Wenn man sieht, dass die Neger aus Afrikawelche durch die Grausamkeit der Europäer nach dem neuen Kontinent geschlept werden, hier sehr gut aus - dauern, so liegt dies nicht an der grösseren Flexibilität ihrer Na - tur,alssondern daran, dass oder ¼ von ihnen auf der Überfahrt sterben, also kommen schon die an sich stärkeren nach Amerika hin.

Man hat lange geglaubt, dass die Menschen allein Stimmwerk - zeuge zu einer artikulirten Sprache haben. Camperwar der Meinung, dass der Larynx der Affen von dem der Menschen verschieden sei. Einige wilde Völker behaupten, dass die Affen leise unter sich sprechen, weil, wenn die Menschen es hörten, man sie zur Arbeit zwingen würde. Es ist aber gewis, dass sie stumm sind, nicht weil ihr Larynx anders gebaut ist, sondern weil sie sich nichts zu sagen haben, wie379v der geistreiche Verfasser der Monographie der grünen Affen sehr rich - tig bemerkt: Rudolphi's anatomische Untersuchungen haben ge - zeigt, dass es nicht an den Sprachwerkzeugen, sondern an der mangeln - den Intelligenz liegt. Es giebt zwar einen Urtypus für jede Klasse von Pflanzen und Thieren, aber das, was die Menschheit eigentlich kara - kterisirt, ist im geistigen zu suchen. Die Merkmale im physichen sind: das Übergewicht dersGehirns im Verhältnis zur Dünnigkeit der Nerven, die Bestimmung zum aufrechten Gange; Die Capaci - tät des Schädels im Verhältnis zur Antliz, der Schädel ist beim Menschen überwiegend: die Beis -[,] Kau - und Geruchsorgane sind nicht so sehr entwikkelt. Bei den Thieren veranlast die grössere Ausbildung des Unterkiefers das Zurüksinken der Stirn, und dies führt uns auf die Kampersche Gesichtslinie, die bei den Hellenen, Zirkassiern und Georgiern (die wir fast nur spielend Kaukasier nennen) 80 bis 85° beträgt. Da alle Völker ihre Lieblingsbildung zu idealisiren pflegen, so finden sich auch bei den Antiken Gesichtslinien, die nicht in der Natur existirt haben. Die Gesichtslinie der Neger beträgt 70°, die der Neuseeländer im stillen Meere nach Lessonund Gar - naux65°[. ] Sömmeringfand sie bei keinem Affen über 58°, beim Chimpanse oder Jokko 50°. Dass sie beim Orang Utang 65° betra -380r{9}5.gen solle, ist ein Irthum.

Als einen karakteristischen Unterschied des Menschen hat man es angegeben, dass ihm der Intermaxillarknochen fehle, der die Schneidezähne enthält: allein bei einigen Affen fehlt er auch, welche statt dessen Suturen haben, grade wie die Suturae spu - riae im Munde des Menschen. Die neuen schönen Untersuchun - gen darüber zeigen, dass wo diese Suturen fehlen, sie durch die Struktur der Lamellen angedeutet werden, wenn man den Kno - chen zersägt. Bei den tieferen Klassen treten die Knochen an die Stelle der Suturen.

Mekelin Halle fand, dass beim Neger die Nerven des 5tenPaares allemal dikker sind. Diejenigen, welche sich freuen, wozu ich nicht gehöre, dass die Neger etwas thierisches an sich haben, werden hier den thierischen Karakter ganz deutlich ausgesprochen finden.

Die mehr ausgedrükte Existenz eines Kinnes, durch[das] Her - vortreten des Unterkiefers veranlast, ist kein hinlänglich-un - terscheidendes Merkmal für den Menschen; eben so wenig, wie die regelmässige Anwesenheit des Hirnsandes, der sich auch beim Damhirsch findet. Auch sie schiefe Lage des Herzens ist nicht karakterisirend genug. Die grössere Ausbildung der380v Nase findet sich auch bei dem Rüsselaffen, Simia rostrata, der eine sehr entwikkelte Nase hat. De la Metherie behaup - tete daher, dass die Affen, wenn sie sich schnaubten, auch eine Nase haben würden, wie Lamark, dassSumpfvögel, um sich nicht zu benezen, so hohe Beine hätten; obgleich diesen paradoxen Behauptungen etwas wahres zum Grunde liegt, dass nämlich der häufige Gebrauch der Organe ihre grössere Ausbildung herbeiführt.

Nicht blos lieblos, sondern auch der Untersuchung fremd ist die von einigen Forschern angenommene Stufenleiter der Huma - nität. Meinersin Göttingen nahm gar eine volkomne und un - volkomne Menschenrace an. Zu der lezten rechnete er die Neger, und doch giebt es kein Beispiel von anthropofagen Negern, wohl aber von weissen Racen. So steigt er mehrere Stufen auf - wärts, und komt nach und nach zu sich selbst, der volkomnen kaukasischen Race.

Zwei Affenarten stehn dem Menschen sehr nahe:

1, der Orangutang, über dessen Existenz lange Ungewisheit hersch - te, bis man jezt zu der Überzeugung gekommen ist, dass dieses sanfte Thier nichts ist als ein junges Individuum eines sehr381r bösartigen Affen. Marsdenhat gezeigt, dass in den malayischen Sprachen Orang, verständig bedeutet, und auf den Menschen und Elephanten angewendet wird; Utang, sylvestre. In neuern Zeiten hat man sie lebendig nach Europa gebracht: sie haben einen sehr zar - ten Körperbau, und werden nur 35 36 Zoll hoch; im Lande selbst mögen sie vielleicht 4 Fus erreichen. Überhaupt habe ich bemerkt, dass je mehr man sich den Ländern naht, in denen die Affen wohnen, um desto mehr hören die Mährchen auf, die man sich wie Jagd - geschichten von ihnen erzält. Doch sagte man nur in Südameri - ka selbst, dass die Affen beim Maisstehlen einen Knoten schür - zen, was den Gebrauch des Daumens vor aussezen würde. Da die Affen 4 Hände haben, und die gröste Zeit ihres Lebens nicht gehn, sondern klettern, so entsteht bei ihnen ein Anschein von Handlungen, denen wir Intelligenz zuschreiben. In England sah ich einen Orangutang, der krank war, und sonderbar genug, die Arznei sehr gern trank: als die Medizinflasche umgefallen war, und auf dem Tische hin und her oszillirte, hielt er sei - nen Daumen vor, so lange bis sie stillstand. Tilesiuszeigte zuerst, dass allejOrangutang-Schädel in unsern Museen jungen381v Thieren angehören. Cuvierund später Rudolphi(in einem eignen Mémoire in den Schriften der Akadémie) bewiesen, dass das kleinezarte Thier mit einem klagenden A<us>druk in den Augen zu einem häs - lichen hundsartigen Affen wird. Man hat man auch gefunden, dass junge Paviane kugelrunde Köpfe haben wie Kinder, aber nach wenigen Jahren tritt die Stirn zurük. Der Orang-Utang wird wahrscheinlich zum asiatischen Pongo mit schreklichen scharfen Zähnen.

2, der Jokko, Simia troglodytesden man in den Kolonien so weit gebracht hat, dass er bei Tische aufwartet, auch Thee und Kaffee trinkt. Er ist im Körperbau nicht so sehr dem Menschen ähnlich, als der Orang-Utang. Der Gibbon hat beinahe gar keine Stirn, und der ganze Leib ist mit Haaren besezt.

Meinersmacht bei seinen Menschenracen noch die sonderbare Ein - theilung in slavische und nicht-slavische Völker, die ersten gehören zu den unvolkommen Racen.

Ob es eine oder mehrere Spezies von Menschen gebe, ist eine Unter - suchung, die seit 70 80 Jahren am lebendigsten betrieben worden ist: allein schon Leibnitzhat damit eine andre Untersuchung: die über die Verwandschaft der Sprachen verwechselt, und dies ist ein382r sehr trügliches Kenzeichen. Auch das verdienstvolle Werk: der Mithri - dat von Adelungund Vatervermengt diese beiden Untersuchungen wel - che ganz getrent bleiben solten. In neuen Zeiten haben die Forschungen über die Völkeramzwischen demAral-See und der chinesischen Mauer von Abel Rémusatund 2 Werke von J. Klaproth: Asia polyglotta und Tableaux de l'Asiepp. viel Licht verbreitet. Für das Sprachstudium haben Bopp, Schlegelund mein Brudersehr viel gethan. Über Meder und Assyrer hatHerr St Martin, der mit Grotefenddie Keilschriften entzifferte, viel Verdienst: einzelne Fragmente seiner Forschungen finden sich in Balbi's Sprachkatalog.

Die Griechen unterschieden von den Menschen nur Eingeborne und Ein - gewanderte. Herodotkent in Afrika nur 4 Stämme: 2 Eingeborne: dieLybyerLibyerim Norden, und die Aethiopen im Süden, und 2 fremde: die Phönizier und die Hellenen: In Afrika haben aber 3 oder 4 mal Ein - wanderungen von weissen Racen Statt gefunden. 1, aus Persien und Medien, ein Stamm der nachher mit den Numidern und Garamanten zusammenschmolz. 2,die Hyksos, ein arabischer Stamm; blond und gelb - lich-weis, im Gegensaz zu den brauneren Aegyptern: dass sie aus Arabien und nicht etwa den Nil herunterkamen, zeigt schon der Name Hirtenkönige, der nur auf die Araber als Nomaden past. 3, die ei -382v gentliche Völkerwanderung im 4 5 Jahrhundert, wo Vandalen sich in Karthago niederliessen, die sich noch jezt auf den Höhen des Atlas als Kabilenfinden. Im Agricola ist eine merkwürdige Stelle über die alten Gallier und Britannier: cap. 11. Habitus corporum varii, atqueex eo argumenta: namquerutilae Caledoniam habitantium comae, magni artus, Germanicam originem adseverant. Silurum colora - ti vultus et torti plerumquecrines, et posita contra Hispania, Iberos veteres trajecisse easquesedes occupasse, fidem faciunt: pro - ximi Gallis et similes sunt: seu durante originis vi, seu, procur - rentibus in diversa terris, positio coeli corporibus habitum dedit.

Die Idee von der Einheit des Menschengeschlechtes ist erst durch das Christenthum aufgekommen, das die Menschen einander mehr genähert hat, und die Behandlung der Sklaven sehr verbesserte. Als Amerika entdekt wurde, entstand die Frage, ob die dortigen Menschen, als Waldmenschen thierischer Natur seien: denn es gab keine Hirtenvölker bei ihnen, wegen des Mangels an Hausthie - ren, sie waren nicht darauf verfallen, den Bison, der jezt als Haus - thier benuzt wird, zu zähmen, um seine Milch zu trinken. In China ist so sehr alle Spur des Hirtenlebens verwischt, dass manim Innern nicht einmal den Gebrauch der Milch kent. Abel Rémusatund383r Klaprothfanden nie die Milch in chinesischen Büchern angeführt. Eben so ist es in Amerika, und nicht allein aus astronomischen Denkmä - lern, sondern auch aus dieser Milchscheu kann man schliessen, dass in früheren Jahrhunderten ein grosser Verkehr zwischen Asien und Amerika Statt gefunden habe. Gegen die Ansicht, dass die Amerika - ner thierischer Natur seien, wurden mehrere Bullen der Päpste ge - geben, und die Einheit der Natur vom päpstlichen St¨[?]uhle herab prokla - mirt. Im 15tenund 16tenJahrhundert nimt die Sklaverei zu; die Guan - chos von den kanarischen Inseln, die Karaiben und Neger werden auf die Sklavenmärkte von Amerika geschlept: dadurch die plözlich gewekte Handelsindustrie einiger europäischen Völker.

Von den beiden Fragen:

  • 1, Welche Verschiedenheit des Körperbaus bieten die Menschen dar?
  • 2, Wie sind[sie] auf dem Erdboden vertheilt? er

ist die 2terein historisch, und mus eignen Untersuchungen vorbe - halten werden.

Die grosse Verschiedenheit, welche uns der Körperbau der Menschen darbietet, kann auf 2erlei Art entstanden sein:

  • a, indem ein Urtypus durch Degénérazion verändert wurde,383v dies sehn wir bei den hybriden Pflanzen, der Fragaria monophyllapp.
  • b, indem mehrere Typen gleichzeitig entstanden sind.

Im ersten Falle ist von Pallas, Prichard80und andern angenommen worden, dass die schwarze Farbenichtdie[ursprüngliche] sei, nach der Analogie, dass wilde Thiere lichter werden, wenn man sie in Haus - thiere umwandelt, und nach ihnen wäre dieweisseschwarzeMenschenrace die ursprüngliche, und aus ihr die weisse durch Zivilisazion und Kul - tur entstanden. Dies Resultat wird unter den weissen Menschen wenig Beifall finden, eben so wenig als das entgegengesezte unter den schwarzen Völkern. Denhamerzälte mir oft von dem ekelhaften Eindruk, den seine proeminente Nase im Innern von Afrika hervor - gebracht habe. Die Frauen hatten beim Anblik seiner weissen Ge - sichtsfarbe Übelkeiten bekommen: er versicherte mich, dass er nicht Philosoph genug gewesen sei, um sich darüber hinwegzu - sezen, und dass die beständigen Übelkeiten, welche sein Anblik bei den Weibern erregte, zu den unangenehmsten Erinnerungen seiner Reise gehöre.

Jedes Volk sucht freilich den Typus der Schönheit in seiner eignen Organisazion: aber es mus doch einen Urtypus der Schön - heit geben, der auf das Ebenmaas der Theile und den Ausdruk der384r96.Seele begründet, von den Menschenstämmen unabhängig ist, und einem höheren Ideenkreise angehört. Der schwarzen Farbe fehlt der zarteste Ausdruk der Seele, das Erröthen; zwar bemerkt man etwas davon bei den Negerfrauen aus Kongo, es ist aber nur eine schwache Andeu - tung. Bei den Negern zeigt sich Frischheit und Gesundheit grade durch ein tieferes Schwarz. Sobald sie krank werden, bleicht sich die Hautfarbe.

Der Streit über die Menschenracen kann eben so wenig geschlich - tet werden, als der über die Sprachen und die Schriftzüge: wenn man Gewalt anwendet, so kann man allerdings alle Sprachen und Schriften auf einen Urtypus zurükführen: aber Crawfurdfand allein in der Südsee und im indischen Archipelmehreine grössere Menge von Schriftzeichen, als es überhaupt Sprachen giebt. Eben so kann man alle Sprachen für die Trümmer einer Ursprache halten, und in allen Wurzeln Ähnlichkeit und Übereinstimmung finden. Die Vaskische und zeltische Sprache hat man lange für die ältesten gehalten, ohne einen Grund dafür zu haben.

In einer physischen Weltbeschreibung können wir blos die klima - tische Vertheilung der Sprachen〈…〉〈…〉und Menschenstämme berük - sichtigen. Dast,was für Christen und Muhamedaner eine Quelle384v des Glaubens ist, mus der Naturforschung fremd bleiben.

Wir haben keine Gründe, die Einheit der menschlichen Natur ab - solut zu läugnen: vielmehr scheint sie sich durch Übergangsformen zu offenbaren, so wie es von den verschiedenen Thierklassen, die dem Menschen überall hin gefolgt sind, und sich mit ihm verändert haben, den Hunden und Rindern, auch einen Urtypus gegeben haben mus. Dagegen haben wir oben gesehn, dass in historischen Zeiten die Fraga - ria monophylla und eine Art Siringa neu entstanden sind: eben soAnconsheep. Abh. v. Humphries weis man noch das Jahr, wo in PensylvanienConnecticut ein Schaaf mit gekrüm - ten Vorderfüssen entstanden ist: es war ein junger Bock, der geworfen wurde, und sich nachher fortpflanzte. Diese neue Race ist jezt auch in England verbreitet, und man hat sie darum gern, weil sie nicht über die Zäune springen. Everard Home'sUntersuchungen zeigten die Möglichkeit der Degenerazion menschlicher Typen.

61. Vorlesung, 25.04.1828

Schon das Wort Race muste bei diesen Untersuchungen auf eine Ver - mengung hinleiten, da es, von den Thieren hergenommen, den Begriff der Abstammungeininvolvirt, und man komt in Versuchung, auf For - schungen dieser Art das Wort des alten französischen Philosophen Montaigneanzuwenden: der Mensch irret leicht, weil er viel Neu - gierde, schlechte Augen, und einen beschränkten Gesichtskreis hat. 385r Das Zusammentreffen mehrerer Karaktere kann alleinaufzur zwek - mässigen Aufstellung von Gruppen führen, wie man sie jezt in der Zoologie und Botanik angenommen hat.

Es ist eine eigne Erscheinung, dass die Zeit der Pubertät in den verschie - denen Zonen selbst bei denselben Völkerstämmen verschieden ist: die Zeit der Gestazion aber überall genau dieselbe.

Schon die Alten kanten die Vermischung der Racen z. B. bei den〈…〉〈…〉LybyernLibyern und Phoeniziern, Eingebornen und Freindlingen, voraus die Libophoenizier entstanden, ganz wie unsere Mestizen in Amerika.

Alles, was wir über de Abstammung von einem Paare bei allen Völkern erfahren, bezieht sich auf Lokalmythen, und kann uns nicht als etwas allgemeines gelten.

Schon die alten Philosophen unterschieden den Urtypus von der Einwirkung des Klima: est durans origins vis. Tacit.Agricola. Bei der Verachtung der Alten gegen alle Fremden oder Barbaren, ist es kein Wunder, dass sie uns in volkomner Unkentnis der fremden Sprachen gelassen haben.

Es gab ganze Familien mit 7 Fingern. Bilfingerund Maupertuis.

In Ungarn kömt noch jezt ein Hausschwein mit ungetheilten Hufen vor, von dem schon Aristotelesspsagt, dass es in Kleinasien sich finde.

385v

Syringa(chinensis) MarliDie Siringa Varinzwischen derSyringapersica und vulgaris, entstand vor 20 Jahren in Rouen im Garten desHerrn Varin, von dem sie benant wurde.

Dass die Typen feststehn, sieht man daran, dass Neger, wenn sie nach dem Norden kommen, und Weisse, wenn sie nach Süden gehn, alle ihre Karaktere beibehalten. Die Erzählung von Portugiesen, welche in Angola schwarz geworden sein sollen, ist eine Fabel. Einige Phi - losophen haben die sonderbare Meinung, dass alle Neger mit einer be - ständigen Leberkrankheit behaftet wären, wodurch das schwarze Pigment auf dem Malpighischen Netze niedergeschlagen würde. Allein Thénard 'und Dupuytren's Versuche haben gezeigt, dass in ἴκτερος, Gelbsucht. den ikterischen Krankheiten keine Galle abgesezt wird.

Dass das Klima keinen vorherschenden Einflus habe, sieht man an den Pescherä's des Feuerlandes von kaum 4 Fus Höhe, neben den kolossalen Patagoniern von 5 Fus 6 8 Zoll, den Karaiben am obern Orinoko, einem sehr schönen Menschenstamme nicht unähnlich. Die Hottentotten haben nach Lichtensteinnur 4 Fus Höhe, und leben neben den schlanken und schönen Kaffern. In Schottland sind die Lowlanders blauäugig und blond, die Highlanders schwarzäugig wie alle Kelten.

Da wir am meisten auf die Extreme aufmerksam sind, so würden wir ohne die Neger vielleicht gar nicht auf die Idee von den verschiedenen Menschenracen gekommen sein. Bei den Thieren sehn386r wir, dass genau dieselbe Spezies ganz verschiedene Farben hat, dass also bei ihnen das Pigment der Haut nicht von der Wichtigkeit ist, wie bei uns. Die Hauptunterschiede der Racen hat man gesucht:

  • 1, in dem Pigment der Haut.
  • 2, in den Haaren.
  • 3, in der Richtung der Kamperschen Gesichtslinie.
  • 4, in den Sprachen.

Nach dem Pigmente der Haut hat man die Menschen getheilt in weisse, gelbe, rothe, schwarze. Bei den Griechen, wenn sie nachAegyKanopus hinüberschiffend durch Aegypten nach Nubien kamen, muste die Idee entstehn, dass nach dem Aequator zu die Farbe der Haut immer dunkler werde. Alexanders Expedizion trug noch zu dieser Meinung bei;〈…〉〈…〉doch warfen Aristobulosund Oneisikritosschon die Frage auf, warum die östlich wohnenden Inder nicht so dunkel wären, als die westlichen. Man hat jezt gefunden, dass in Indien einzelne Ka - sten schwärzer sind, als die andern, und zwar nicht blos die niederen, zur Arbeit verdamten: Alexanderfand schwarze Ichthyophagen im Süden von Iran am persischen Meerbusen. Pliniussagt: dass die Men - schen von der Sonne gefärbt werden;81 Buffon: l'homme porte la livrée du climat.

Nach den Haaren hat man die Menschen getheilt:1, in〈…〉〈…〉solche mit386v schlichten Haaren. Dies sind die Amerikaner, wo die Haare beständig benezt zu sein scheinen, so glatt hängen sie herab. 2, mit lokkigen Haaren, dies ist die kaukasische Race. 3, mit krausen, wolligen Haaren, die Neger: allein in allen 3 Stämmen giebt es Ausnahmen.

Nach der Kamperschen Faziallinie glaubte man am besten die Menschenähnlichkeit der Affen, und die Affenähnlichkeit der Men - schen zurükweisen zu können. Wenn man von den obern Schneide - zähnen eine Linie nach der Stirn, eine andre nach dem Ohre zieht, so giebt die Grösse des Winkels das Maas für die höhere[oder] nuiedere Stufe der Menschenklasse. Man hat kürzlich einige Köpfe von Neuseeländern erhalten, deren Gesichtswinkel nur 68 65° betrug: dies können aber Ausnahmen sein, von denen man nicht auf das ganze Volk schliessen darf.

Nach den Sprachen glaubten schon die Alten die Völker klassifi - ziren zu müssen. Aus dem Herodotist die Geschichte des Psamme - tichbekant, der das Experiment mit den neugebornen Kindern machte: dar Wort βέκος ist aber nicht phrygisch, sondern semitisch. Ich beziehe mich auf die Untersuchungen meines Brudersüber den Zusammenhang aller Sprachen auf der Erde in einem noch unge - drukten Werke. 82

387r

Es kann uns hier genügen, mit Cuvier3 grosse Abtheilung anzu - nehmen. BlumenbachBuffonmachte 7, welche Blumenbachnachher auf 5 reduzirte. Cuviernimt eine weisse, gelbe und schwarze Race an.

1, bei der weissen Race ist die höchste Zivilisazion des Abendlan - des, die edelsten Werke der Denkkraft, die schönsten Gebilde der Kunst. In ihr haben sich 3 Religionen gebildet: die Mosaische, das Christenthum und der Islam. Sie hat die Typen ihrer Schön - heit in den Zirkassiern und Georgiern, früher in den Hellenen. Den Name: kaukasische Race ist nicht glüklich gewählt. Die jezigen Bewohner des Kaukasus ausser den Osseten, sind mit den Lappen und Finnen verwandt, wie die Alanen und Meder. Die grosse Menge der Völkerschaften im Kaukasus ist nicht etwas ausserordentliches: denn in jedem Gebirgslande, dass eine grosse Heer - strasse der Völker bildet, sind einzelne Stämme sizen geblieben. So giebt es in Mexiko, dem Kaukasus des neuen Kontinentes, 40 verschiedene Sprachen. Wenn in der alten Welt der Völkerstrom vonOstennachWestenso nahm er in der neuen seinen Weg vonNordennachSüden. Vom Gilastrom gingen die Azteken aus. Den Übergang über den Isthmus von Panama können wir nicht historisch nachweisen, wir können den Zug nur bis Nicaragua verfolgen.

387v

Den Namen Kaukasier kann man nur gelten lassen, wie in der Bota - nik den Namen Rosaceen um Citrusarten. Die Einwanderungen aus Asien gingen nicht durch den Kaukasus, sondern nördlich und südlich davon weg. Zu den Kaukasiern gehören alle Europäer, die Magiaren, (Un - garn) Lappen und Tschuden. Einzelne Gruppen lassen sich leichter herausheben.

In Europa findet sich die kleinste Masse von Völkern, kaum 5oder6.[I] n den slavischen Sprachen hat man jezt Ähnlichkeit mit dem Sans - krit gefunden: das lettische stamt so unmittelbar daraus her, als das griechische: dennoch müssen wir Slaven und Kelten unterschei - den. Vom Westen anfangend, finden wir zuerst die Vasken (Iberer)[,] Kelten, durch Vermischung von beiden Keltiberier) Germanen, Finnen, Tschuden (unter denen die Ungarn ein sehr schöner Menschenschlag sind. ) in Italien ein altes Gemisch von Hellenen, Oskern, Tyrrhenern und Etruskern: endlich Slaven und Letten, die nach Preussen einwan - derten. Siehe VogtGeschichte von Preussen. Tschuden und Finnen nent man auch wohl einen uralischen Stamm, weil man nach den alten Träumereien alles auf die Gebirge zurükführen wolte, auf denen (bei der aus den sinkenden Wasser abtroknenden Erde,) die ersten Menschen sich wieder vorfanden. Zu den Tschuden gehören die Hunnen, welche De Guignesnoch fälschlich für die Hiognu hält,388r97.da doch leztere, die sich selbst Tis nennen, von türkischem Ur - sprung sind. Diese Hunnen geben uns durch ihre Verheerungen freilich keine gute Idee von den Tschuden. Dionys. Periegetesnennen sie zuerst: Οὔνοι. Jornandessagt von ihnen: oculi eorum, sicut puncti. Der Bischof v. Clermont, Sidonius v. Apolloniaim 5tenJahrh. erwähnt, dass sie nasenlos wären. Die Mütter verdrükken nämlich den Kindern die Nasen, damit das Helm - visier bequemer übergezogen werden könne. Die Hunnen sind nicht mit den Mongolen zu verwechseln, auch gränzen sie nicht einmal aneinander sondern die Türken liegen dazwischen. Zu den Finnen gehören die Magiaren oder Ungarn, aber wahr - scheinlich mit Türken gemischt, welches allemal die Racen verschönert hat; in Indien findet man sehr schöne Gemälde des grossen Moguls. Ferner rechnen die systematisirenden Philosophen zu den Kaukasiern noch die Türken, Abyssinier, Inder, Araber und Perser, welches freilich eine sehr weite Gränze für diese Abtheilung stekt.

62. Vorlesung, 26.04.1828

Zu der kaukasischen Race gehören 440 Millionen Menschen, wovon ¼ indischen Ursprungs. Die südlichen Araber, dem ara - mäischen Stamme angehörend, leiten sich selbst von Kusch, dem388v Sohne des Cham ab; wie Hanssen⟨⟩neuerlich in seiner historia Jemani bewiesen hat. 83Die Japhetitischen Stämme der Bibel erinnern an die Japetiden der Griechen.

Die Sprachfamilien von Europa sind nicht zahlreich. Wer alle europäischen Sprachen lernen wolte, würde doch nur 8oder9 ganz verschiedene vor sich haben; oder eigentlich nur 3; näm - lich:

  • 1, das Vaskische (Iberische)
  • 2, den Sanskritischen Stamm.
  • 3, das Finnische[. ]

Man hat gefunden, das die keltischen Sprachen in der gram - matischen Form (welche ein weit besseres Merkmal ist, als die Wurzeln) mit dem Sanskrit Ähnlichkeit haben.

Will man 9 Sprachen annehmen: so hat man folgende, vom Westen anfangend:

  • 1, das Vaskische, die Sprache der Eskoaren, wie sie sich selbst nennen, jezt nur noch 700,000 Köpfe, von denen die Meehr - zahl auf den Philippinen und in Mexiko angesiedelt sind. Sie scheinen früher das ganze Bekken des Mittelmeeres umwohnt zu haben, wie man aus vielen Namenähnlich -389r keiten schliessen kann. So ist Astura in den pontinischen Süm - pfen rein vaskisch.

    Zu den Vasken gehören die Turgetaner, welche eine grosse leider untergegangene Litteratur besassen.

  • 2, das Keltische oder Galische, dem Kimbrischen verbunden, wie es noch in Schottland, Irland, Wales von Million Menschen gesprochen wird.

  • 3, das Germanische von 60 Millionen Menschen gesprochen.

  • 4, das Slavische, von 70 72 Mill. gesprochen: im östlichen Europa fängt es vom adriatischen Meere und von den Gränzen von Tyrol an, geht hinauf bis gegen die Ostsee; durch das nördliche Asien nach West-amerika bis an die Gränzen der Republik Mexiko.

  • 5, das lettische, von dem tschudischen oder uralischen Stamme gesprochen, den man fälschlich den germano - slavischen genant hat. Valer, Vogtund kürzlich v. Bohlenzeigten den Unterschied zwischen dem lettischenundslavischen.

    389v

    Das lettische in Preussen wurde früh unterdrükt: schon 1309 gab der Grosmeister Siegmund von Feuchtwangenein Dekret, die Sprache auszurotten.

  • 6, das finnische oder tschudische, wird in Rusland gespro - chen, dann von den Magiaren oder Ungarn.

  • 7, das romanische von 75 Millionen Menschen gesprochen, die man das lateinische Europa nent.

  • 8, das hellenische, es mus hier die neuste Entdekkung an - geführt werden, dass die jezige albanesische Sprache einer der ältesten griechischen Dialekte ist, dem äolischen am meisten verwandt.

  • 9, das semitische, wenn man die Sprache der Malteser mitzählen will, die sehr korrumpirt ist.

Nach neuen Forschungen geben die chinesischen Geschichts - bücher die Ursachen der Völkerwanderung viel früher an, als gewöhnlich. 200 Jahr vor Chr. wohnte ein indo-ger - manischer Stamm zwischen der chinesischen Mauer, dem Baikal-see und Kaschgar: sie hiessen U-sün oder390r chinesisch Tin-lin, und wurdenentdurch chinesische Ge - sandschaften gereizt, auf die Hio-gun oder Hunnen zu fallen, welche nachher die Völkerwanderung veranlasten, die sich wie ein Strom v.OstnachWestüber Europa wälzte.

Die Kirgisen, ein blonder Stamm, die sich Hakkas nen - nen, und bis zu den U-sün hinaufreichen, sind Urheber der sonderbaren Inschriften zwischen dem Jenisei und Obi, die mit den Runenbuchstaben Ähnlichkeit haben: das Volk spricht jezt türkisch, zum deutlichen Beweise, dass die Stammverwandschaft nicht die Sprache bedinge; eben so findet man in Transoxiana persisch-sprechende Bukharen. N〈…〉〈…〉ochauffallender ist die Entdekkung von Abel Rémusat, dass man lange vor Christus im Norden des Himālăyă in der Gegend von Khoten und Kaschgar (also bis tief in Mittel-asien) 〈…〉〈…〉ein so reines Sanskrit geredet hat, wie in Bēnărĕs.

Zu der zweiten, der gelben Menschenrace zählt man 400 Mill. Menschen. Mongolen, Chinesen[,] Japanesen und390v Malayen. Diese Race hat die grösten Reiche gegründet; das des Attila, Dgengiskan, Tamerlan, und das jezige chi - nesische,danach dem russischen das gröste. Mongolischundtatarisch sind identisch, wie man früher annahm, und jezt wieder nachgewiesen hat, aber in einer Zwischenzeit wurden von Schlözerund Meinersdie beiden Sprachen[ einander] entgegengesezt[. ]Als die Mongolen im 13tenJahrh. Rusland und Polen erobert hatten, und bis Schlesien vordrangen, wurden sie 1241 von Herzog Heinrich dem Frommenbei[Wahlstadt] geschlagen. Damitals schrieb der Heilige Ludwigan seine Mutterund sagte, wenn man diese Tataren nicht: ad tartareos sedes zurükjagte, so würde alles verloren sein. Durch dieses Wortspiel kam der Name: Tartaren auf; so wie in Amerika die Kannibalen aus dem Worte Kariba ge - bildet worden sind, weil einige Stämme das rundn ver - wechseln: daher spricht der Kardinal Bembovon ihrer: rabies canina, Menschen zu fressen.

Dgingiskanmit seinen Mongolen hatte auch viele tür -391r kische Völker in seinem Heere, welche die Khanate von Kasan und Astrakan besezten; darum heissen sie noch jezt Tataren, und werden erzürnt, wenn man sie Mongolen nent.

Die dritteoder schwarze Varietät findet sich nicht blos im Sudan von Afrika, sondern auch von den Andama-inseln bei Zeylon anfangend, durch Haraforasnach dem Innern von Malakka (Man hat neuerlich gefunden, dass die Papus von Neu Guinea nur das Littorale bewohnen, im Innern wohnt ein anderer Stamm, die Erdamenen[?]denNeu-Holländern nicht unähnlich). Die Bewohner von Van Diemensland sind auch sehr schwarz.

Man glaubte früher, dass schwarze Haut, Wollhaar und platte Stirn sich zusammenfänden: allein dies ist gar nicht der Fall. Die Jolof-neger aus dem Innern von Afrika sind ganz schwarz, haben aber dünne Lippen und europäischen Nasen. Ich war so glüklich, einige davon in Amerika zu sehn. Die Fullahs und Timb[?]os sind so blas, dass man sie mit den Arabern verwechseln könte, haben aber Wollhaar und gedrükte Stirnen. Die Kaf -391v fern haben europäische Nasen und Wollhaar. Die Neuseeländer, deren Fazialwinkel nur 68 66° beträgt, sind wenig schwarz, haben aber Wollhaar, dabei europäische Nasen. Wenn man einen Meri - dian, durch die Spize von Neu-Guinea zieht: so ist westlich alles schwarz, östlich aber wohnen die schönen Malayen.

Die Tuariks und Tibboos im östlichen Theile der Wüste Sahara könte man für die alten Atlanten halten: sie thei - len sich in Stämme, von denen einige ganz schwarz, die andern beinahe weis sind. Die Nigritos, welche das Innere der Phi - lippinen bewohnen, sind vielleicht Malayen.

Sehr unglüklich war es für Lapeyrouse, dass sein Schiff grade unter der bösartigen schwarzen Race scheiterte, welche ihn und die ganze Equipage niedermezelte, 10 20 Meilen weiter würde er auf den Tonga-inseln oder andern die freund - lichste Aufnahme gefunden haben.

Die schönsten Bewohner der Südsee sind die von Neu Ka - rolina und den Mulgrave's inseln. Die Schädel, welche man in Paris hat, sind der mongolischen Race ähnlich.

In Polynesien kann man 3 Racen unterscheiden:

392r98.
  • 1, die nördliche, schöne Race.
  • 2, die westliche schwarze in Neuseeland.
  • 3, die östliche der Malayen auf den Geselschaft - und Freundschafts - inseln.

Die Amerikaner sind sehr abgeschlossen, und obgleich diese Race, welche vom 60°Nordbreitebis nach der Magellanstrasse hin wohnt sich in viele Unterabtheilungen spalten läst, so haben doch alle eine gewisse Ähnlichkeit in den grammatischen Formen. Un - ter den Amerikanern giebt es sogar Kaukasier, nämlich die Eskimaux und Grönländer, deren Kinder ganz weis sind, und nur durch den Schmuz gelb werden.

Blumenbach, dem wir so viel für diese Untersuchungen ver - danken glaubte: die preshaften Polarmenschen: Samojeden, Lappen und Eskimaux gehörten zusammen: allein sie sind alle 3 verschieden. Die Samojeden wohnen nicht blos im Norden, son - dern auch hinunter bis an die chinesische Gränze. Klaprothin seiner Asia polyglotta gab ihre verschiedenen Dialekte an; im Perm-schen Departement findet man weisse und schlanke Samojeden: daher sind sie vielleicht am ersten den Mongolen392v beizuzälen. Eskimaux kamen schon früher nach Europa, und wurden von einem gallischen Könige dem gallischen Prokonsul Q. Metel - lus Celervorgestelt, als Inder84. Den wahren Zusammenhang fand nicht Malte-Brunzuerst, sondern dieholländischenPhilologen.

Auch bei den Ureinwohnern von Amerika findet man einen Unterschied der Farbe. Die Menschenstämme sind so umhergescho - ben, dass die in der temperirten Zone die dunkelsten sind: nämlich die Mexikaner zwischen 28° und 30°Nordbreite, welche auch schwarze Bärte haben. Die ganz abgeplatteten Karaiben-schädel in der Dekas cranium von Blumenbach85sind ein Werk der Kunst: der Kopf der Kinder wird zwischen 2 Bretter geschnürt. Eben so bildet sich das wellenförmige Muskelfleisch an ihren Schenkeln, indem man den unglüklichen Kindern lederne Rie - men umlegt. Schon Herodoterwähnt das Modelliren der Köpfe. Am Norfolksund hat der franz. Capitain Marchandeine blauäugige Menschenrace gefunden, die nie Gemeinschaft mit Europäern gehabt. Vielleicht ist sie von den Indo - Germanen in Asien abzuleiten.

393r

Noch müssen wir von den ungeheuren Habichtsnasen reden, die sich auf〈…〉〈…〉den amerikanischen Denkmalen finden, wogegen dieder Fa - milie des Mithridatesauf den parthischen Münzen klein zu nennen sind. In Guatemala findet sich ein solches Monument, wo auch die Anbetung des Kreuzes ganz deutlich dargestelt ist. Siehedas englische Werk: Ancient monuments of Palmetadessen Kupfer sehr schön sind, der Text aber voll phantastischer Träume. Coxcox auf dem Berge Tla-lok, den man dem Noah vergleichen kann, selbst Eva, die Frau des Fleisches haben diese ungeheuren Nasen, die viel - leicht früher dieser Race eigen waren.

Die hohe Kultur gehört nicht blos der weissen Race zu, die Mongolen haben Astronomie und technische Künste, so wie die Chinesen, Inder, Aegypter (die Einwohner von Meroë mögen schwarz gewesen sein, aber die ägyptischen Mumie,n, welche man noch jezt findet, gehören zu den Kaukasiern). Leuchtende Punkte der Zivilisazion sehn wir in Ostindien, am Euphrat, in Iran (durch die〈…〉〈…〉Pelvi-sprache) in Baktriana (durch die Zendsprache mit eigener Keilschrift) in Persepolis, (wo bei den Keilschriften man 3 Sprachen untereinander gefunden hat, von393v denen[nur eine] noch ungewis ist. Die Ziegel vom Thurm zu Babel, von dem man neuerlich grosse Überreste gefunden, enthalten zwar Keilschrift, aber nicht in der Zendsprache) in Hellas, bei den Turge - tanern, den Etruskern und Tyrrhenern. Von diesen Kulturepochen wissen wir, wie von den leuchtenden Himmelskörpern, zwar das Da - sein, aber nicht die relative Entfernung und den Zusammenhang: daher sind die verschiedenen Alter der Kultur nicht zu bestimmen, und wir können annehmen, dass nicht sowohl Abstammung als Welt - und Lokalverhältnisse zur Kultur führen. Bei den Mongolen wo aus dem Hirtenleben ein stereotyper Despotismus sich gebildet, sehn wir eine Massenkultur, Bauten von ungeheuren Kanälen, Strassen; dazu Manufakturen und Fabriken: bei den Hellenen nichts von alle dem, aber〈…〉〈…〉die schönste Blüte der Kultur im einzelnen, weil den Individuen die meiste Freiheit gestattet war.

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About this transcription

TextVorlesungen über physikalische Geographie
Author Gustav Parthey
Extent801 images; 131822 tokens; 16694 types; 876841 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Christian ThomasNote: Herausgeber Sandra BalckBenjamin FiechterChristian ThomasNote: Bearbeiter Humboldt-Universität zu BerlinNote: Projektträger Hidden Kosmos: Reconstructing A. v. Humboldt’s »Kosmos-Lectures« (Leitung Prof. Dr. Christian Kassung)Note: Finanzierung der Bild- und Volltextdigitalisierung Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer KulturbesitzNote: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationVorlesungen über physikalische Geographie Gustav Parthey. . Berlin1828.

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Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Ms. germ. qu. 1711http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-3087752http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB00015BDE00000000

Physical description

Hands
  1. Hand des Nachschreibers Gustav Parthey, braune Tinte, in lateinischer Schrift.
  2. Vier Überarbeitungen, schwarze Tinte, vermutlich von Gustav Parthey selbst.
  3. Hand des Archivars, der die Signatur und die Akzessionsnummer mit schwarzer Tinte verzeichnet hat.
  4. Einige Überarbeitungen, Kommentare und Unterstreichungen mit Bleistift, vermutlich von Gustav Parthey selbst.

Handschrift

LanguageGerman
ClassificationWissenschaft; Naturwissenschaft; ready; avhkv

Editorial statement

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Abweichungen von den DTA-Richtlinien:I/J: Lautwert transkribiert

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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