PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Anno 1741.
Num. 64.
Stats-u.
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Gelehrte Zei-
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tung Des Hamburgiſchen unpartheyiſchen CORRESPONDENTEN
LXIV. Stuͤck, am Sonnabend, den 22. April.

Der Herr Campillo, Finanz-Rath, hat alle Be - dienungen erhalten, welche der verſtorbene Patinho verwaltete. Seine Freunde haben ihm ſchon laͤngſt dieſes guͤtige Schickſal vorher geſagt, und die Goͤnner des Marquis von Villarias haben es auch vermuthet, ihr Anſehn faͤngt ſchon an viel ſchwaͤcher zu werden. Der Herr Campillo hat das Lob, daß er ein geſchick - ter Staatsmann iſt, der ſich in ſeinen Handlungen unverdroſſen, arbeitſam, geſetzt, und ohne allen Eigen - nutz bezeigt. Die 30000. Mann, welche nach Jta - lien gehen ſollten, ſind neu gekleidet worden; aber die meiſten glauben, ihre Kleider werden ſich abnutzen, ehe ſie an die Alpen kommen, oder eingeſchiffet wer - den. Jnzwiſchen hat der Hof die Hoffnung, die Ver - faſſung der gegenwaͤrtigen Vorfaͤlle ſollen ſich aͤn - dern, und Frankreich werde alsdenn ſchon den Durch - zug der Voͤlker zugeſtehen.

Den 27. Merz giengen die Kriegs-Schiffe Livo - ly und Briſtol mit neun Proviant-Schiffen nach Ja - maica. Man ſpricht noch immer von einem See - Gefechte, welches in Weſtindien vorgefallen iſt, undworinn die Englaͤnder 3. Gallionen genommen und nach Jamaica gebracht haben. Unſere Flotten wer - den nunmehro bald in der See erſcheinen. Der Ad - miral Cavendiſch hat ſeine Verhaltungs-Befehle, und wird ſeine Reiſe nach der Oſt-See mit eheſten antreten. Auf die Flotte, welche der Admiral Rorris anfuͤhren wird, muͤſſen ſich ſchon alle Offi - ciers begeben, und ſie wird auf das allereylfertigſte mit der noͤthigen Beduͤrfniß verſorgt. Ob es gleich noch nicht gewiß iſt, wenn der Koͤnig Londen verlaſ - ſen und nach Deutſchland aufbrechen wird, ſo laſſen doch ſchon unterſchiedene Officiers vom Stande ihre Geraͤthſchaft zurechte machen, um den Koͤnig zu be - gleiten, und es heißt, der Koͤnig werde eine gewiſſe Anzahl von ſeiner Leib-Wacht mitnehmen. Wir ha - ben jetzo in unſern Haͤfens 94. Kriegs-Schiffe, 31. Branders und andere Fahrzeuge liegen. Bey dem Admiral Haddock befinden ſich 11. und 4. kreutzen in den Gewaͤſſern. Jn Jrrland liegen 4, der Com - mandeur Anſon hat 5. der Admiral Vernon 17. und der Ritter Ogle 22. Von den Kriegs-Schiffen er - ſtreckt ſich die Anzahl auf 171., die Bombardier - Gallioten, Branders und dergleichen ſind mitge - rechnet.

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Den erſten May wird ſich die Leib-Wacht in der Ebene von Sablon verſammlen, und in Gegenwart des Koͤnigs gemuſtert werden. Jn dem Monat Ju - nius werden die allgemeinen Aufſeher der Voͤlker die uͤbrigen Regimenter beſichtigen. Man arbeitet jetzo an Kleidern fuͤr 30000. Mann, und viele glauben, daß die neugeworbenen Soldaten damit bekleidet werden ſollen. Nachdem die Wagſpiele in den Pal - laͤſten von Geßvres und Soiſſons aufgehoͤret, hat der Koͤnig die Prinzen und Prinzeßinnen gebeten, niemals dergleichen Spiele wieder im Schwange zu bringen, was ſie auch fuͤr Namen haben. Der Herzog von Geßvres hat die Haͤlfte von ſeiner Hofſtatt abge - dankt, und in vielen Stuͤcken ſeine Tafel eingeſchraͤnkt. Dieſes gereicht ihm zu einem groſſen Ruhme, und der Hof wird ihm wegen der aufgehobenen Wageſpiele ei - nen beſondern Gehalt geben. Das Jtaliaͤniſche Re - giment, welches der Graf Severin erhalten, bringt jaͤhrlich 20000. Franken ein. Der Marquis von Maillebois wird mit etlichen Voͤlkern aus Corſica hier wieder erwartet, ſobald er daſelbſt die neue Re - gierungs-Art, welche mit Genehmhaltung der Re - publick Genua abgefaſſet iſt, bekannt gemacht haben wird. Es werden nur wenige Voͤlker zu Calvi und Ajaccio bleiben, um die Bewohner der Jnſel im Zaum zu halten. Der Graf von Teßin iſt von Sr. Maje - ſtaͤt dem Koͤnige von Schweden zum auſſerordent - lichen Geſandten an unſerm Hofe ernennet worden, ſo lange bis ein anderer aus Rorden hier ankommen wird.

Es iſt auf einmal alles ſtille geworden, daß eine Anzahl Engliſcher Voͤlker uͤber See nach den Nieder - landen gehen ſollten, und man macht auch in ganz England nicht die geringſte Anſtalt darzu. Hier wollen einige die Reiſe des Koͤnigs von Groß-Brit - tannien nach Deutſchland in dieſem Jahre ſchlechter - dings in Zweiffel ziehen, weil es die Vorfaͤlle kaum zuzulaſſen ſcheinen, in welchen ſich jetzo Groß-Brit - tannien befindet.

Hier ſind unterſchiedene Pferde und Geraͤthſchaft durchgegangen, und man glaubt, daß ſie dem Gene - neral-Feld-Marſchall von Muͤnnich zugehoͤren, von dem es heißt, daß er nach Deutſchland gehen will. Von dem ungluͤcklichen Herzog von Curland wird we - nig oder gar nichts mehr geſprochen. Der Primas des Koͤnigreichs Pohlen hat die Staͤnde von Chur - land ermahnet, daß ſie bald wieder zu der Wahl einesneuen Herzogs ſchreiten moͤgten, und die Republick Pohlen will zween Magnaten nach Mietau ſenden, welche bey der Wahl gegenwaͤrtig ſeyn ſollen.

Am 5ten dieſes kam der commandirende General, Graf von Neuperg, mit der Armee allhier an, ſie hat - te einen ſehr beſchwerlichen Marſch gehabt, und la - gerte ſich unter den Canonen dieſer Veſtung. Die hohe Generalitaͤt ritte hierauf in die Stadt, und je - dermann war uͤber dieſe Ankunft hoͤchſt vergnuͤgt. Vorgeſtern wurde eine Huſſaren-Parthey ausgeſen - det, um die Preuſſen zu beobachten, welche denn bey ihrer Zuruͤckkunft ausſagten, daß der Feind ungefehr 2. Meilen von hier eine Bruͤcke uͤber die Neuß ge - ſchlagen, um hinuͤber marſchiren zu koͤnnen. Hierauf erhielten 2. Huſſaren-Regimenter Befehl, eyligſt zu Pferde zu ſteigen, und den Feind zu beunruhigen, da immittelſt die Cavallerie und ſaͤmmtlichen Grena - diers ebenfalls zu marſchiren Ordre erhielten. Wie die Unſrigen ankamen, hatten die Preuſſen Retrenche - menter aufgeworfen, um den Platz viele Fußangeln geleget, damit die Pferde nicht anruͤcken konnten, und feureten mit den bey ſich fuͤhrenden vielen Canonen ſtark auf die Unſrigen, ſo daß auch ein Huſſar an der Seite des General von Roͤmer tod geſchoſſen wurde, worauf ſich die Unſrigen wieder zuruͤck gezogen. Ge - ſtern brach die Armee von hier wieder auf, um mit der Preußiſchen eine Schlacht zu wagen.

Das unter dem commandirenden General, Grafen von Neuperg in Schleſien eingeruͤckte Haupt-Corpo iſt 24000. Mann ſtark, die unter Commando des General Philibert dahin vorausgegangene Avant - Garde betraͤgt 9000. Mann, und der General Len - tulus iſt zugleicher Zeit mit einem Obſervations - Corpo von 8000. Mann von hier uͤber Landeck und Johannesberg gegangen. Ein anſehnliches bey Oll - muͤtz verſammletes Corpo iſt auch noch von dort im Anmarſche. Die letztern Nachrichten haben darinn beſtanden, daß unſere Armee bereits im Grunde bey Zuckmantel und dortiger Gegend eingeruͤckt ſey, auch naͤchſter Tags die Preuſſen angreiffen wuͤrde, welche ſich jedoch zuruͤck zu ziehen im Begriff waͤren. Allhier ſind auch noch 14. Canonen nebſt 2. Haubitzen durch und weiter zu der Armee gefuͤhret worden, welche be - reits Oderberg; Ratibor und Herlitz beſetzt hat.

Von dem am 10ten dieſes Monats im Briegiſchen Fuͤrſtenthum bey Hermsdorf und Mollwitz zwiſchen der Boͤhmiſchen und Preußiſchen Armeen vorgefalle -[3]nen Haupt-Treffen hat man folgende vorlaͤufige doch zuverlaͤßige Nachricht: Am 9. April ſuchten Se. Majeſtaͤt der Koͤnig von Preuſſen durch eine verſtell - te Retirade die Boͤhmiſche Armee, welche ſich in dem Grotkauiſchen Fuͤrſtenthum befand, naͤher herbey zu locken, ſo auch in ſo weit erfolgte, daß die Boͤhmiſchen Truppen denſelben Tag immer annaͤherten, und mit einbrechender Nacht nur 3. Meilen von Ohlau ſich ſetzten. Am 10. April fruͤh brachen beyde Armeen auf, und der Koͤnig naͤherte ſich abermals beſagter Stadt bis gegen eine Meile mit ſeiner Armee, dieſes geſchahe auch von der Boͤhmiſchen Armee, ſo, daß kei - ne die andere aus den Augen ließ. Gegen Mittag wendete ſich die Boͤhm. Armee, welche uͤber 26000. Mann ſtark war, dergeſtalt, als ob ſie ſich nach der Veſtung Brieg ziehen wollte. Doch Se. Majeſtaͤt der Koͤnig, und der General-Feld-Marſchall, Graf von Schwerin, ſuchten dieſes Vorhaben zu hinter - treiben, marſchirten deswegen in Schlacht-Ord - nung gegen dieſelbe, funden ſie auch eine halbe Meile ſeitwerts Brieg bey dem Dorfe Mollwitz in guter Ordnung ſtehen, und griffen ſolche nach 1. Uhr Nach - mittags in einer ebenen Gegend an. Die Preußiſche gegenwaͤrtig geweſene Armee beſtund in 18000. Mann, und war in 3. Treffen geſtellet, wovon der rechte Fluͤgel den erſten Angriff gethan, aber auch den Widerſtand gefunden, weil auf den linken Fluͤgel der Boͤhmiſchen Armee, unter Commando des Generals von Broune, ſich der Kern ihrer Truppen befunden. So bald die Preuſſen das erſte Feuer aus ihren Feld - Schlangen gegeben, ſind die zwey Cavallerie-Regi - menter von Geßler und Marggraf von Bareuth eyl - fertigſt von Ohlau aufgebrochen, und zu ihrer Armee geſtoſſen. Das Treffen iſt ſehr hitzig geweſen, und hat bis gegen Abend um 7. Uhr gedauert, da die Boͤhmi - ſche Armee, welche ſich ganz ungemein tapfer und wohl verhalten, auch in die 6. Stunden ein beſtaͤndi - ges Feuer aus geſtanden, endlich die Flucht ergriffen, und den Preuſſen das Feld uͤberlaſſen. Den Verluſt auf beyden Theilen kann man eigentlich noch nicht wiſſen, weil, wegen eingefallener Nacht, die Todten erſt heute koͤnnen begraben werden; doch iſt nicht zu leugnen, daß Boͤhmiſcher Seits faſt 2. mal ſo viel, als auf Preußiſcher Seits, geblieben, und mit naͤchſtem werden die Liſten derer Todten und Verwundeten von beyden Armeen ausgefertiget werden. Jnzwiſchen verlautet, daß von der Boͤhmiſchen Armee ein Corpo von ungefaͤhr 6000. Mann ſich in einem bey der Wahlſtatt liegenden Wald gezogen gehabt, jedoch geſtern von den Preuſſen ebenfalls angegriffen, undgeſchlagen worden, wobey zwar den regulirten Trup - pen Quartier gegeben worden, eine Menge Bauren aber, welche darunter geweſen, ſind niedergehauen worden. Eine umſtaͤndlichere Nachricht wird kaͤnf - tigen Poſttag unfehlbar erfolgen.

Vorgeſtern Nachmittags iſt von 1. Uhr bis in die 5te Stunde anderthalb Meilen hinter Ohlau zwi - ſchen Hermansdorf und Frauenhan zwiſchen den Koͤ - nigl. Preußiſchen und Oeſterreichiſchen Truppen eine Haupt-Action vorgefallen, darinn die erſtern den Sieg erhalten. Von den Oeſterreichiſchen ſind, wie man gewiß verſichern will, 12000. Mann geblieben, und der Reſt hat ſich in einen Wald retiriret, wo ſie von den Preuſſen wol zu Kriegs-Gefangenen gemacht werden duͤrften. Das beſtaͤndige Schieſſen hat man hier eigentlich hoͤren koͤnnen. Nunmehro gehet es uͤber Brieg und Neuß her, wovon die Uebergabe naͤch - ſtens zu vernehmen ſeyn wird.

Mit vierfach beſtaͤtigter und uͤber Breßlau einge - laufener Nachricht vernimmt man, daß am verwiche - nen Montage, als vorgeſtern, die Koͤnigl. Preußiſche Armee bey Hermannsdorf uͤber die Koͤnigl. Ungari - ſche Truppen, ſo ohngefaͤhr 28000. Mann ſtark ge - weſen, einen vollkommenen Sieg erfochten. Das Ge - fechte hat bis halb 6. Uhr gedauret. Ganz genaue und zuverlaͤßige Umſtaͤnde, und wie viel eigentlich auf beyden Seiten geblieben, weiß man noch nicht. Ohn - gefaͤhr ſoll die Anzahl der Todten auf Ungariſcher Seite ſich gegen 11000. Mann erſtrecken, worunter der Graf Broune und der junge Graf Carl Palfy be - findlich. Die Anzahl der Gefangenen rechnet man auf 6000. Mann, und eben ſo viel, heißt es, waͤren auf Preußiſcher Seite geblieben, darunter inſonder - heit der Marggraf Friederich und der Graf von Schulenburg ſehr bedauret wuͤrden. Die uͤbrigen 8. bis 10000. Mann Ungariſcher Truppen waͤren von den Preuſſen in einem Walde eingeſchloſſen.

Von neuen merkwuͤrdigen gelehrten Sachen.

Leipzig.

Der vortreffliche Gottesgelehrte, Hr. Teller, an dem die Wahrheit einen gruͤndlichen und lebhaſten Verehrer findet, der ſie auf eine liebenswuͤr - dige Art ausbreitet und vertheidiget, hat folgende theologiſche Abhandlung gehalten: De Inæqualitate Peccatorum Diſputatio prima, & ea quidem in So - lennitate doctorali exhibita, quam pro Loco in Or - dine Theologorum obtinendo tuebitur. L. Roma -[4]nus Teller, S. Theol. Prof. Publ. Ord. & in Aede Petrina Eccleſiaſtes, Reſpondente M. Chriſt. Got - fried. Huhm., Catecheta ad D. Petri. 62. Seiten. Der verdiente Hr. D. Teller hat einen Satz genommen, der ſeiner Wiſſenſchaften und Einſicht wuͤrdig iſt. Das Wort Suͤnde wird von vielen genennt, erklaͤrt und verboten, die es lange nicht nach ſeinen vielfachen Umſtaͤnden anſehen, wodurch es immer eine andere Geſtalt erhaͤlt. Man bleibt insgemein bey dem all - gemeinen Ausdruck ſtehen, und betrachtet es ſelten nach den verſchiedenen Urſachen, Einfluß und Folgen, welches doch billig geſchehen muͤßte, wenn man die Groͤſſe und das Abſcheuliche der Suͤnde bekannt ma - chen und ruͤhrend einpraͤgen wollte. Der wuͤrdige Herr Verfaſſer gehet alle Stuffen der Erkaͤnntniß durch, die man von der Suͤnde haben ſoll, und ſetzt die - ſe Lehre dadurch in ein deutliches Licht. Die voͤllige Abhandlung von der Ungleichheit der Suͤnden wird der Herr Verfaſſer in 6. Hauptſtuͤcken vortragen. Jn dieſer Diſſertation ſind zwo enthalten, und die uͤbrigen werden kuͤnftig folgen. Das erſtere zeigt, was die Woͤrter ihrer Natur nach bedeuten, und da giebt der geprieſene Hr. Verfaſſer zuerſt eine Beſchrei - bung von der Suͤnde; denn werden die Woͤrter: Pec - cata, Vitia, Crimina unterſucht, wie ſie ihrer Staͤrke nach von einander unterſchiedẽ ſind. Ferner kom̃en ei - nige Stellen aus dem Bibelbuche des alten und neuen Bundes, in welchen die verſchiedene Groͤſſe der Suͤn - den enthalten iſt; die Woͤrter: Inæqualitas, Diffe - rentia, Diſſimilitudo Gradus werden erklaͤrt, und der Verſtand gezeigt, in welchem Quantitas und Mag - nitudo bey den Suͤnden anzunehmen ſind. Jn dem andern erklaͤrt der Herr Prof. den Hauptſatz dieſer Abhandlung, die Suͤnden, welche aus Bosheit und Schwachheit geſchehen, werden betrachtet, und die Folgen aus ihrer Natur gezeigt. Die Sterblichkeit hegt insgemein den Trieb, die Suͤnden ſich als geringe Fehltritte vorzuſtellen, und geſetzt, daß viele von der Groͤſſe der Laſter uͤberzeuget ſind, ſo arbeiten doch die vermiſchten Neigungen in dem Menſchen, der Suͤnde das zu rauben, wodurch ſie abſcheulich wird. Der Herr Verfaſſer giebt vier Gruͤnde an, woraus dieſe ungepruͤfte Schmeicheley entſteht. Es traͤgt ſehr viel dazu bey, wenn man einen dunklen Begriff von dem unendlichen GOtt hat, aus dieſer Unvollkom - menheit flieſſen der Mangel der auszuuͤbenden Pflich - ten und die thoͤrigten Handlungen. Ferner praͤgt ſich bey den meiſten das Vorurtheil ein: Suͤnden, die von angeſehenen Maͤnnern begangen werden, koͤnnen weder zu groß noch zu abſcheulich ſeyn. Es ſey zumBeyſpiel das Laſter des Vollſaufens. Viele von dem gemeinen Haufen ſehen, daß Maͤnner, denen ihre Wuͤr - de Ehrfurcht zuwege bringt, ſehr oft von einem Glaſe Wein auf den Fuͤſſen ſchwach werden. Sie hoͤren uͤberall von der Einſicht, Klugheit und groſſen Kaͤnnt - niß dieſer Maͤnner auf das vortheilhafteſte ſprechen. Sehen ſie dieſelben in taumelnden Umſtaͤnden, ſo machen ſie nach ihrer Schwaͤche im Urtheilen den Schluß: Es muͤſſe dieſe Ausſchweifung ſchoͤn ſeyn. Waͤre dieß nicht, es wuͤrden angeſehene und kluge Maͤnner dieſelbe gewiß vermeiden. Setzet man zu dem Vorurtheil die Gewohnheit und die tadeluͤswuͤr - dige Eigenliebe, ſo kann leicht erklaͤrt werden, woher es komme, daß man groſſe Suͤnden fuͤr kleine haͤlt.

Bey dem Ausdruck, da man die Suͤnden in dieje - nigen eintheilt, wodurch der Tod verwuͤrket wird, (peccata mortalia,) und in die, welche eine Entſchul - digung verdienen, (peccata venialia,) erinnert der Herr Profeſſor, daß man behutſam ſeyn muͤſſe. Die Lehrer der Roͤmiſchen Kirche prangen hier mit ihren eingebildeten Verdienſten. Zum Beyſpiel ſey Bel - larmin, der erklaͤrt peccatum veniale dadurch, weil es der Vergebung wuͤrdig iſt. Wir behalten zwar dieſe Eintheilung auch noch in unſerer Kirche bey; aber es ſey ferne, daß uns die Eigenliebe dabey zu ei - ner ſolchen Thorheit verleiten ſollte. Das peccatum veniale verdient allerdings die Strafe des allmaͤch - tigen Richters; doch der wuͤrkende Glaube an die Verdienſte des Welt-Erloͤſers iſt Urſache, daß die un - endliche Barmherzigkeit daſſelbe nicht ahndet. Der ehrwuͤrdige Herr Verfaſſer macht folgenden Schluß wider die Erklaͤrung des Bellarmin: Alles, warum GOtt gebeten werden muß, erhalten wir von dem unendlichen Weſen aus Gnaden. Jſt dieſer Satz wahr, den kein vernuͤnftiger Chriſt in Zweifel ziehen kann, ſo hat die Sache keinen Bewegungsgrund in ſich, warum uns GOtt dieſelbe zugeſtehen ſoll. Man mache die Anwendung auf das peccatum veniale, ſo wird man den Ungrund der Bellarminiſchen Erklaͤ - rung bemerken. Endlich zeigt der Herr Profeſſor, daß die Suͤnden nicht gleich wichtig ſind. Man kann ſich die deutlichſten Begriffe davon machen, weñ man dieſelbe in ihrem ganzen Zuſammenhange betrachtet, und jeden Umſtand dabey bemerkt. Sind dieſe bey der Ausuͤbung eines Laſters in groſſer Menge, ſo wird zugleich wider mehrere Vorſchriften gehandelt, daraus erhellet, daß einer fuͤr dem andern groͤſſere Suͤnden begehen kann; ja bey dieſer genauen Unter - ſuchung wird man niemals zwey gleichwichtige Suͤn - den antreffen.

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TextNum. 64, 22. April 1741
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Britt-Marie SchusterManuel WilleArnika LutzNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2014-07-28T10:00:34Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationNum. 64, 22. April 1741 . Hamburg1741. Stats- u. Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten

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