PRIMS Full-text transcription (HTML)
Phyſikaliſches Woͤrterbuch
oder Verſuch einer Erklaͤrung der vornehmſten Begriffe und Kunſtwoͤrter der Naturlehre
mit kurzen Nachrichten von der Geſchichte der Erfindungen und Beſchreibungen der Werkzeuge begleitet in alphabetiſcher Ordnung
Zweyter Theil von Erd bis Lin mit ſechs Kupfertafeln, Taf. VIII. bis XIII.
Neue Auflage.
Leipzig,im Schwickertſchen Verlage1798.
1

Phyſikaliſches Woͤrterbuch oder Verſuch einer Erklaͤrung der vornehmſten Begriffe und Kunſtworte der Naturlehre, in alphabetiſcher Ordnung.

E

Erdaͤquator, ſ. Aequator der Erde.

Erdaxe, Axis terrae, Axe de la terre.

Die gerade Linie von einem Pole der Erde zum andern. Dieſe Linie bleibt bey der taͤglichen Umdrehung der Erdkugel unbewegt, und heißt daher auch die Axe der Umdrehung (Axis rotationis) der Erde. Sie iſt die Axe des Erdaͤquators und aller mit ihm parallel laufenden Kreiſe, durch deren Mittelpunkte ſie geht, ſ. Axe. Ihre Groͤße wird bey dem Worte: Erdkugel angegeben.

Erdbeben, Terrae motus, Tremblement de terre.

Eine Erſchuͤtterung eines Theils der Erdflaͤche, welche eine laͤngere oder kuͤrzere Zeit hindurch anhaͤlt, und oft mit den gewaltſamſten und ſchrecklichſten Folgen begleitet iſt. Die Erdbeben haben auf der Oberflaͤche unſerer Erdkugel die ausgezeichnetſten Veraͤnderungen hervorgebracht, ganze Striche Landes mit Truͤmmern uͤberſchuͤttet, Laͤnder, die vom Meere bedeckt waren, aufs Trockne verſetzt, Inſeln aus dem Schooße des Meeres emporgehoben, Berge geſpalten oder eingeſtuͤrzt, anſehnliche Theile vom feſten Lande abgeriſſen, das Meer von ſeinem Grunde erhoben, die fuͤrchterlichſten Ueberſchwemmungen veranlaſſet, den Lauf der Fluͤſſe veraͤndert, die bluͤhendſten Staͤdte zertruͤmmert, und ihre ungluͤcklichen Einwohner unter den Ruinen ihrer Wohnungen begraben.

Schon die aͤlteſten Schriftſteller erwaͤhnen ſolcher durch Erdbeben angerichteten Verwuͤſtungen, und der Veraͤnderungen, welche die Erdflaͤche dadurch erlitten hat. Beſonders ſind diejenigen Laͤnder und Gegenden, welche in der2 Nachbarſchaft von Vulkanen oder heißen Quellen und nicht weit vom Meere liegen, den Erdbeben ausgeſetzt geweſen. So hat man ſchon bey den Alten geglaubt, daß Sicilien von dem feſten Lande durch eine Erderſchuͤtterung abgetrennt worden ſey. Die Staͤdte Herculanum und Pompeji wurden nach dem Seneca (Quaeſt. nat. VI. 1.) unter Nerons Regierung faſt gaͤnzlich durch ein Erdbeben zerſtoͤrt, ſechszehn Jahre darauf aber durch einen Ausbruch des Veſuvs unter vulkaniſche Aſche begraben. In Sicilien hat man nach einem chronoligiſchen Verzeichniſſe, welches Hr. Lichtenberg (Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſik und Naturgeſch. II. B. 2. St. S. 109.) mittheilt, ſeit dem Jahre 1169 faſt eben ſo viel Erdbeben, als Ausbruͤche des Aetna gezaͤhlet. Die aͤoliſchen oder lipariſchen Inſeln, welche nach den Berichten der Alten durch Erdbeben aus dem Meere hervorgegangen ſind, zeigen noch jetzt die deutlichſten Spuren von Vulkanen und vulkaniſchen Produkten. Faſt in allen Laͤndern, welche haͤufige Erderſchuͤtterungen erlitten haben, ſindet man auch deutliche Spuren ehemaliger Vulkane, z. B. in Peru, den mittaͤglichen Provinzen Frankreichs u. ſ. w. Sehr oft ſind auch die Bewegungen der feuerſpeyenden Berge mit Erderſchuͤtterungen begleitet, welche bey dem voͤlligen Ausbruche aufhoͤren, ſo daß man an dem augenſcheinlichen Zuſammenhange der Erdbeben mit den Vulkanen keinesweges zweifeln kan.

Die fuͤrchterlichſten Erdbeben der neuern Zeiten ſind die von den Jahren 1746, 1755, 1774 und 1783 geweſen. Das erſtere verwuͤſtete Callao, und die Stadt Lima, welche ſchon ſeit dem 15ten Jahrhunderte haͤufigen Anfaͤllen des Erdbebens ausgeſetzt geweſen war. Am erſten November 1755 ward Liſſabon durch ein ſchreckliches Erdbeben zerſtoͤrt, welches man zu gleicher Zeit auf einem ſehr großen Theile der Erdflaͤche von Groͤnland an bis nach Afrika empfand. In Norwegen, Schweden, Deutſchland, der Schweitz, und mehrern Orten bemerkte man es zwar nur an den ungewoͤhnlichen Bewegungen des Waſſers; aber verſchiedene Orte in Frankreich, faſt ganz Spanien, Marocco, Salee, Fez, Tetuan und Cadix wurden von ernſthaftern3 Folgen deſſelben betroffen. Selbſt in Amerika bemerkte man Spuren dieſer Erſchuͤtterung. Sie ward von einer gewaltſamen Erhebung des Meeres begleitet, welche eine faſt allgemeine Ueberſchwemmung der weſtlichen Kuͤſten unſers feſten Landes veranlaſſete. Das Gewaͤſſer des Tago ergoß ſich zu verſchiedenen malen uͤber die Truͤmmern der bereits zerſtoͤrten Stadt. (ſ. Sam. Chriſt. Hollmann de terrae motibus, inprimis nupero Vlyſſipponenſi, in Sylloge Commentat. p. 1.) Ein drittes eben ſo ſchreckliches Erdbeben verwuͤſtete im Jahre 1774 Guatimala; und ein viertes verheerte im Februar 1783 ganz Calabrien und Meſſina. (Man ſehe des Ritter Hamilton Erzaͤhlung hievon, Philoſ. Trans. Vol. LXXIII. P. I. uͤberſetzt unter der Aufſchrift: Nachricht von dem letzten Erdbeben in Calabrien und Sicilien rc. aus dem Engliſchen von G. F. Wehrs, Hannover. 4.)

Man hat oft wahrgenommen, daß die Erdbeben auf vorzuͤglich naſſe Jahre folgen, daß vor ihrem Ausbruche haͤufige Sternſchnuppen, Feuerkugeln und andere leuchtende Meteore, ſchweflich riechende Daͤmpfe, eine heiße druͤckende und das Sonnenlicht rothfaͤrbende Luft mit dicken und ſchwarzen Wolken, vorhergehen; ob ſie gleich bisweilen auch nach einer vollkommnen Stille und Heiterkeit der Luft erfolgt ſind. Gewoͤhnlich ſcheinen die Thiere vorher von Schrecken und Aengſtlichkeit befallen zu werden, die ſie durch Geheul und Winſeln ausdruͤcken; die Voͤgel fliegen unruhig hin und her: oft hoͤrt man auch ein Getoͤſe, wie einen unterirdiſchen Donner, wie das Abfeuern des ſchweren Geſchuͤtzes, oder wie ein Krachen und Ziſchen; an mehrern Orten treten die Gewaͤſſer der Fluͤſſe, Brunnen und Quellen zuruͤck, und kommen erſt nach einiger Zeit truͤb und mit Erde oder Sand vermiſcht, wieder. Faſt allezeit ſind die Erdbeben mit heftigen Bewegungen des Meeres begleitet, welches abwechſelnd zuruͤcktritt und ſich wieder erhebet; die Schiffe ſtoßen in den Haͤfen gegen einander, und ſelbſt in der ofnen See bemerkt man außerordentliche Erſchuͤtterungen.

Die Wirkung der Erdbeben ſelbſt aͤußert ſich durch4 dreyerley Bewegungen, wovon man bisweilen nur eine oder zwo, bisweilen aber alle drey bemerket. Die erſte beſteht aus horizontalen Schwingungen des Bodens, welche, wenn ſie heftig und anhaltend ſind, den Grund ſammt allem, was darauf ſtehet, zerſtoͤren. Dieſe Bewegung fand ſich hauptſaͤchlich bey dem Erdbeben zu Liſſabon. Die zwote beſteht in aufwaͤrts gerichteten Stoͤßen, wodurch die Erdrinde in die Hoͤhe gehoben wird, oft auch bricht, und ganz oder zum Theile wieder einſinket. Das Waſſer folget wegen ſeiner Fluͤßigkeit dieſer Bewegung noch geſchwinder, als die Erdrinde, ſo wie der Tago zu Liſſabon auf einmal zuruͤcktrat, und binnen vier Minuten wieder 30 Fuß uͤber ſeine gewoͤhnliche Hoͤhe emporſtieg. Die dritte Bewegung gleichet eiuer Exploſion oder gewaltſamen und nach allen Seiten wirkenden Zerſprengung, wobey mehrentheils Flammen aus der Erde hervorbrechen, und durch die geriſſenen Oefnungen Waſſer, Aſche, Erde und Steine ausgeworfen werden. Hiebey zeigt ſich die Aehnlichkeit mit den Vulkanen am deutlichſten. Solche Exploſionen zerſtoͤrten im Jahre 1746 binnen drey Minuten den groͤßten Theil der Stadt Lima, uͤberſchwemmten Callao, verſenkten 23 Schiffe, und ließen von 4000 Perſonen nur 200 entkommen. Es brachen dabey in einer Nacht vier Vulkane aus. Dies iſt der hoͤchſte und ſchrecklichſte Grad der Erdbeben, nach deſſen Erreichung ſie auch gemeiniglich nachlaſſen.

Die Stoͤße der Erdbeben folgen bisweilen langſam, mit dazwiſchen fallenden langen Pauſen, bisweilen mit großer Geſchwindigkeit auf einander. In Lima empfand man deren in 24 Stunden uͤber zweyhundert. Sie nehmen gewoͤhnlich einen gewiſſen Strich, daher oft Gebaͤude, die außerhalb dieſes Striches liegen, verſchont bleiben, dagegen andere ganz nahe liegende auf die entgegengeſetzte Seite geworfen werden. Auch die Dauer dieſer ganzen fuͤrchterlichen Begebenheit iſt ſehr verſchieden; in Amerika haben die Erdbeben oft Jahre lang an einerley Orte gewuͤthet, und faſt taͤglich ihre Stoͤße erneuert. Die meiſten Erdbeben erſtrecken ſich nur uͤber eingeſchraͤnkte Gegenden; viele aber breiten ſich auch durch einen ungeheuren Umfang aus,5 wie das in Kleinaſien (Plin. H. N. II. 84.), welches im Jahre 17 nach C. G. dreyzehn große Staͤdte in einer Nacht zerſtoͤrte, und ſich durch einen Kreis von 300 Meilen im Durchmeſſer verbreitete, oder das vom 1ſten Nov. 1755, deſſen weiten Umfang wir ſchon im Vorigen angefuͤhrt haben.

Man kan leicht denken, daß die Phyſiker zur Erklaͤrung einer ſo auffallenden Naturbegebenheit mancherley Verſuche gemacht haben. Da man ihren unlaͤugbaren Zuſammenhang mit den Vulkanen gar bald gewahr ward, ſo hat man ſie gemeinſchaftlich mit denſelben aus dem unterirdiſchen Feuer erklaͤrt, unter welchem man ſich in aͤltern Zeiten ein ſogenanntes Centralfeuer vorſtellte, welches die Mitte der Erdkugel ausfuͤllen ſollte, ſ. Centralfeuer. Dieſe groben Begriffe verlohren ſich mit der Zeit, und man fieng an, theils auf andere Urſachen der Erdbeben, z. B. unterirdiſche Winde, Daͤmpfe u. dgl. zu denken, theils das unterirdiſche Feuer naͤher an die Oberflaͤche der Erde zu ſetzen, und die Entſtehung deſſelben aus den Entzuͤndungen der Kieße und anderer brennbaren Mineralien herzuleiten, ſ. Vulkane.

Eine der beruͤhmteſten neuern Hypotheſen uͤber die Urſache der Erdbeben iſt die des D. William Stukeley (Letter to Martin Folkes on the cauſes of Earthquakes, Philoſ. Trans. Vol. XLVI. no. 497. The philoſophy of Earthquakes natural and religious. London, 1750. 8. ), welcher ſie ganz von der Elektricitaͤt herleiten will. Zwey zu London am 8. Febr. und 8. Maͤrz 1749 verſpuͤrte ziemlich ſchwache Erdbeben hatten ihm dazu Gelegenheit gegeben. Er beſtreitet zuerſt die Meynung, daß ſie von Exploſionen, welche den Erdboden erheben, herruͤhren koͤnnten, mit einigen nicht ſehr ſtarken Gruͤnden. Es ſey, ſagt er, noch unerwieſen, daß die Erde ſo viele Kluͤfte und Hoͤhlen habe, man habe bey der letztern Erſchuͤtterung, die ſich doch auf dreyßig Meilen im Durchmeſſer erſtreckt, keinen Dampf, Rauch oder Geruch bemerkt, das Syſtem der Brunnen und Quellen ſey nicht geſtoͤrt worden; die Theorie der Minen lehre, daß eine 30 Meilen weit reichende Erſchuͤtterung eine 15 20 Meilen tiefe wirkende Kraft erfordere, und6 nach eben dieſer Theorie muͤßte das Erdbeben in Kleinaſien im 17ten Jahre nach C. G. aus einer Tiefe von 200 Meilen herauf und mit einer Kraft gewirkt haben, welche durch Daͤmpfe gar nicht hervorgebracht werden koͤnnte. Man ſieht, daß er theils aus Bemerkungen ſchließet, die bey ſehr ſchwachen Erſchuͤtterungen gemacht, und bey weitem nicht allgemein ſind, theils aber auch die Theorie der Minen auf einen Fall anwendet, wobey das Regelmaͤßige, das ſie voraus ſetzt, nicht mehr ſtatt findet.

Er ſucht es hierauf wahrſcheinlich zu machen, daß das Erdbeben in einer elektriſchen Erſchuͤtterung beſtehe, zeigt aus der vorhergegangnen Witteruug und Fruchtbarkeit, aus den Nordlichtern und Meteoren rc., daß die Atmoſphaͤre zur Zeit der londner Erdbeben vorzuͤglich elektriſch geweſen ſey. Wenn ſich nun eine unelektriſche Wolke dieſer Atmoſphaͤre genaͤhert, und ihren Gehalt auf die hoͤchſtelektriſche Erde entladen habe, ſo muͤſſe daraus eine Erſchuͤtterung der Erdflaͤche entſtanden ſeyn, aus welcher er alle Phaͤnomene der damaligen londner Erdbeben ganz ungezwungen erklaͤret. Dom Andreas Bina (Ragionamente ſopra la cagione de' terremoti, in Perugia, 1751. 4. ) leitet die Erdbeben ebenfalls aus dem leidner Verſuche her, und laͤßt unterirdiſche Waſſerbehaͤlter mit Schwefel und Pech umzogen, die Stelle der geladnen Flaſchen vertreten. D. Hales (Some conſiderations on the cauſes of Earthquakes, in d. Phliloſ. Trans. Vol. XLVI. no. 497.) begnuͤgt ſich damit, bloß die ſchwaͤchern Erſchuͤtterungen, welche nicht durch nahe Vulkane verurſachet werden, fuͤr Wirkungen der Entzuͤndung aufſteigender Schwefeldaͤmpfe durch das Blitzen einer ſchweflichten Wolke zu erklaͤren.

Beccaria (Lettere dell'elettricismo, Bologna 1758. 4. ) trug die Erklaͤrung der Erdbeben aus der Elektricitaͤt auf eine beſſere Art vor, zu einer Zeit, da man ſchon richtigere Begriffe von der Entſtehung des Blitzes und von den elektriſchen Erſchuͤtterungen hatte. Er nahm hiebey eine Stoͤrung des Gleichgewichts der Elektricitaͤt tief im Innerſten der Erde an, welche durch mehrere erſchuͤtternde Schlaͤge gegen die Atmoſphaͤre, oder gegen andere Theile der Erdflaͤche7 wieder gehoben werde. Er benuͤtzt die Umſtaͤnde, daß bey den meiſten Ausbruͤchen der Vulkane, beſonders des Veſuvs, aus den aufſteigenden Dampfſaͤulen haͤufige Blitze ausbrechen, daß bey den Erdbeben ſelbſt Blitze in der Luft entſtehen, und Flammen aus der Erde hervorbrechen, daß man ein Getoͤſe, gleich einem Donner, hoͤret, und daß endlich die Stoͤße der Erdbeben kein allmaͤhliges Heben, wie man etwa von andern Urſachen erwarten koͤnnte, ſondern augenblickliche Erſchuͤtterungen, wie die elektriſchen Schlaͤge, ſind, welche ſich ſogar durch das Waſſer mittheilen, ſo daß ſie auf den Schiffen, viele Meilen weit von den Kuͤſten, gefuͤhlt werden, als ob das Schiff gegen eine Klippe ſtieße. Er fuͤhrt noch uͤberdies den Verſuch an, daß der elektriſche Schlag durch ein Metall zwiſchen zwo Glaspiatten geleitet, die Hand erſchuͤttert, welche die Glasplatten feſthaͤlt.

Dieſen Verſuch hat man in der Folge dem Erdbeben noch aͤhnlicher zu machen geſucht. Cavallo (Vollſtaͤndige Abhdl. der Lehre v. der Elektr. dritte Aufl. Leipz. 1785. gr. 8. S. 184 und 234.) legt die Enden zweener Draͤthe auf ein Glas, ſo daß ſie mit einander in einer geraden Linie liegen, und etwa einen Zoll weit von einander abſtehen, ſetzt zwiſchen dieſelben auf das Glas ein ſtarkes Stuͤck Elfenbein, mit einem Gewichte beſchwert, worauf ſich kleine Kartenhaͤuschen befinden, und laͤßt den Schlag einer Batterie durch die Draͤthe zwiſchen dem Glaſe und Elfenbein hindurchgehen. Das Glas wird dabey mehrentheils zerbrochen, und die Kartenhaͤuſer leiden eine ſtarke Erſchuͤtterung. Alles dieſes aber iſt ein bloßes Spielwerk, und keinesweges geſchickt, den Urſprung der Erdbeben aus der Elektricitaͤt zu erweiſen. Cavallo geſteht auch ſelbſt, (S. 56.) daß die Erklaͤrungen ſo vieler Naturbegebenheiten aus der Elektricitaͤt auf den erſten Blick ausſchweifend ſcheinen, und begehrt nur, daß man ſie als Muthmaßungen zulaſſe, welche bey Gelegenheit weiter unterſucht werden koͤnnten.

Inzwiſchen hat man beſonders in Frankreich die Erdbeben mit vieler Zuverlaͤßigkeit fuͤr unterirdiſche Gewitter anſehen und gaͤnzlich fuͤr elektriſche Wirkungen erklaͤren wollen. 8Wenn auch gleich Einige dabey unterirdiſches Feuer und Daͤmpfe mitwirken laſſen, ſo leiten ſie doch wenigſtens den Urſprung der Entzuͤndung von Blitzen her, die ſich im Innern der Erde erzeugen ſollen. Der Abbé Bertholon de St. Lazare (Journal de Phyſique de l'Abbé Rozier, Août 1779.) hat auf dieſe Hypotheſe ſogar einen Vorſchlag gegruͤndet, ganze Gegenden vor den Wirkungen der Erdbeben zu ſchuͤtzen. Er raͤth an, in dieſer Abſicht lange eiſerne Stangen (para tremblement de terre) ſo tief als moͤglich in die Erde einzugraben, deren beyde Enden, ſowohl das eingegrabene, als das in die Luft hervorragende, mit einer Krone von mehreren Spitzen verſehen ſeyn ſollen. Das untere Ende dieſer Stangen ſoll ſich in mehrere lange Zweige verbreiten, um durch dieſes Mittel eine beſtaͤndige leitenden Verbindung und ein ſtetes elektriſches Gleichgewicht zwiſchen der Atmoſphaͤre und dem Innern der Erde zu erhalten, oder, im Falle einer Stoͤrung deſſelben wenigſtens einen unſchaͤdlichen Weg zum Uebergange zu eroͤfnen. Auch einige deutſche Schriftſteller, z. B. Herr Wiedeburg (Ueber die Erdbeben, Jena, 1784. 8. ) haben dieſe Vorſchlaͤge wiederholt, und zum Theil als einen Schutz gegen die Erdbeben die Errichtung von Pyramiden u. dgl. vorgeſchlagen. Es fehlt aber ſolchen Vorſchlaͤgen, welche uͤbrigens auf einerley Gruͤnden mit den zugeſpitzten Blitzableitern beruhen, nur daran, daß die Identitaͤt der Erdbeben mit den unterirdiſchen Gewittern eine bloße Hypotheſe und durch keine ſo deutlichen Erfahrungen beſtaͤtiget iſt, als die Identitaͤt der Gewitter mit der Elektricitaͤt.

So gewiß es auch iſt, daß man bey den Erdbeben zu Zeiten Wirkungen der Elektricitaͤt verſpuͤrt, ſo geht man doch gewiß viel zu weit, wenn man hierinn die Haupturſache derſelben zu finden glaubt. Ihre Verbindung mit den Vulkanen und uͤberhaupt mit einem Boden, in welchem ſich Kluͤfte, Hoͤhlen, brennbare Materien und unterirdiſche Entzuͤndungen oder Erhitzungen befinden, iſt gar zu offenbar, als daß man ſie nicht fuͤr Wirkungen eben des unterirdiſchen Feuers halten ſollte, welches die Vulkane und heiſſen9 Quellen hervorbringt, und von deſſen Entſtehung bey dem Worte: Vulkane geredet werden ſoll.

In dieſem unterirdiſchen Feuer, verbunden mit der Luft und dem Waſſer, finden wir Urſachen, deren Staͤrke hinreichend iſt, alle die im Obigen angefuͤhrten ſchrecklichen Phaͤnomene des Erdbebens zu bewirken. Findet die in den Hoͤhlen der Erde durch das Feuer verduͤnnte Luft keinen Ausgang, wie z. B. durch einen Vulkan, oder wird durch heftige Entzuͤndungen das unterirdiſche Waſſer in einem eingeſchloſſenen Raume in Daͤmpfe verwandelt, ſo iſt keine Wirkung ſo groß und erſtaunenswuͤrdig, daß ſie nicht von Kraͤften dieſer Art koͤnnte hervorgebracht werden, ſ. Daͤmpfe. Eben ſo heftig ſind die Wirkungen des Waſſers, wenn es auf ſchmelzendes Metall faͤllt, wobey oft ein einziger Tropfen deſſelben die gewaltſamſten Exploſionen veranlaſſet. Es wird nicht leicht bey den Erdbeben ein Umſtand vorkommen, der ſich nicht durch dieſes Zuſammenwirken des Feuers, der Luft und des Waſſers mit hinlaͤnglicher Deutlichkeit erklaͤren ließe. Ich muß aber hieruͤber zu Vermeidung unnoͤthiger Wiederholungen auf den Artikel: Vulkane verweiſen.

Der einzige Umſtand, deſſen Erklaͤrung ohne Beyhuͤlfe der Elektricitaͤt Schwierigkeiten zu haben ſcheint, iſt die aͤußerſt geſchwinde und faſt augenblickliche Fortpflanzung der Erderſchuͤtterungen durch eine ſo große Entfernung. In eben dem Augenblicke, in welchem Liſſabon verwuͤſtet ward, empfand man die Stoͤße des Erdbebens in Amerika, und auf den Schiffen in der See, welche ſich in der Richtungslinie deſſelben befanden. Man fragt, ob dieſes nicht einem elektriſchen Schlage weit aͤhnlicher ſey, als einer durch entzuͤndete Materie und elaſtiſche Daͤmpfe erregten Exploſion, von welcher ſich kaum denken laͤßt, daß ſie einen Raum von dieſer Groͤße einnehmen oder ſo ſchnell durchdringen koͤnne. Es laͤßt ſich aber hierauf antworten, daß theils Niemand wiſſe, wie weit ſich die Communicationen der unterirdiſchen Hoͤhlen und Gaͤnge erſtrecken, theils daß das Hinzukommen elektriſcher Erſcheinungen bey den Vulkanen und Erdbeben keinesweges gelaͤugnet werde. 10

Einen von dem Mechanikus Salſano in Neapel erfundenen Erdbebenmeſſer beſchreibt Herr Lichtenberg (Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſ. rc. II. B. 2 St. S. 68.). Er beſteht aus einem Pendel mit einem Gewichte von 36 Pfund, das am untern zugeſpitzten Ende einen feinen Pinſel mit fluͤßiger Farbe hat. Dieſer zeichnet die Richtung der Stoͤße auf ein uͤber einer Bouſſole liegendes Papier. Am Pendel iſt eine Queerſtange mit Kloͤppeln, die bey der Bewegung deſſelben an eine Glocke ſchlagen, um den Beobachter aufmerkſam zu machen.

Briſſon Dictionnaire de phyſ. art. Tremblement de terre.

Bergmann phyſikal. Beſchreibung der Erdkugel; aus dem Schwed. uͤberſ. v. Roͤhl, Greifswalde, 1780. 2ter B. §. 150. u. f.

Erde, ſ. Erdkugel.

Erden, Terrae, Terres.

Feſte, feuerbeſtaͤndige, geſchmackloſe, im Waſſer nicht aufloͤsliche Subſtanzen, welche bey der Zerſetzung der Koͤrper uͤbrig bleiben, ſelbſt aber bisher nicht weiter haben zerlegt werden koͤnnen. Man giebt ihnen den allgemeinen Namen der Erden, weil ſie mit der Maſſe, welche unſern Erdkoͤrper auszumachen ſcheint, in vielen Eigenſchaften uͤbereinkommen, und zaͤhlt ſie zu den chymiſchen Grundſtoffen der Koͤrper.

Man hat es ſonſt fuͤr ſehr wahrſcheinlich angeſehen, daß es nur eine einzige elementariſche Erde gebe, welche beſonders die Alchymiſten aus dem Regen, Thaue, der Pflanzenaſche, den Mineralien und andern Koͤrpern zu ziehen geſucht, und unter dem Namen der reinen Erde (terra virgo) zu den Elementen der Koͤrperwelt gezaͤhlt haben, ſ. Elemente. Da aber die Natur die Erden nie ganz unvermiſcht erzeuget, die aus den zuſammengeſetzten Koͤrpern erhaltenen aber weſentliche Verſchiedenheiten zeigen, ſo haben die beſten Chymiſten, als Becher, Pott, Gerhard, Bergmann u. a. ſich genoͤthiget geſehen, mehrere Grunderden anzunehmen.

Bergmann (Anleitung zu Vorleſungen uͤber die Chymie. Stockholm u. Leipz. 1779. 8. ) unterſcheidet außer der im Diamant und einigen andern Edelſteinen befindlichen Edelerde, die er aber in ſeiner Sciagraphia regni mineralis11 (Lipſ. et Deſſav. 1782.) wieder aus der Anzahl der Grunderden hinweggelaſſen hat, noch fuͤnf einfache Erden, die Schwererde, Kalcherde, Bitterſalzerde, Thonerde und Kieſelerde, von welchen eigne Artikel dieſes Woͤrterbuchs handeln. Die vier erſten geben mit der Vitriolſaͤure verbunden den Schwerſpath, den Gyps, das Bitterſalz und den Alaun, die letzte aber iſt in dieſer Saͤure ganz unaufloͤslich.

Leonhardi Anm. zu Macquer's chymiſchem Woͤrterbuch. Art. Erde.

Erdferne, Apogaeum, Apogée.

Derjenige Punkt in der Bahn eines um die Erde laufenden Geſtirns, in welchem daſſelbe von der Erde am weitſten abſteht.

In dem Weltſyſteme des Ptolemaͤus war die Erde der Mittelpunkt aller Planetenbahnen, daher man der Sonne ſowohl, als allen uͤbrigen Planeten eine Erdferne beylegen konnte. Seitdem aber die copernikaniſche Meynung vom Weltbau allgemein angenommen worden iſt, bleibt unter allen Geſtirnen der Mond das einzige, das ſeinen Umlauf um die Erde verrichtet, und man kan alſo jetzt bloß nach der Erdferne des Mondes fragen; was ſonſt z. B. Erdferne der Sonne hieß, heißt jetzt Sonnenferne der Erde, ſ. Sonnenferne.

Der Mond laͤuft um die Erde in einer elliptiſchen Bahn ADPE (Taf. I. Fig. 17.), in deren Brennpunkte S die Erde ſteht. Seine Erdferne faͤllt dabey in A, wo ſein Durchmeſſer von der Erde geſehen unter einem Winkel von 29°27′ erſcheint. Dieſem Punkte gegen uͤber liegt in D die Erdnaͤhe, und AP iſt die Apſidenlinie oder Axe der Bahn, ſ. Erdnaͤhe, Apſidenlinie. Die Punkte A und P bewegen ſich jaͤhrlich um 41 Grad von Abend gegen Morgen fort, und kommen jaͤhrlich in weniger als 9 Jahren in einem Kreiſe der Himmelskugel herum, ſo daß ſich in dieſer Zeit die Apſidenlinie voͤllig einmal umwendet. In der Erdferne iſt der Mond von uns um 63,62 Erdhalbmeſſer oder 54686 geographiſche Meilen entfernt.

Die uͤbrigen Planeten ſind von der Erde am weitſten entfernt, wenn ſie hinter der Sonne oder in ihrer obern12 Conjunction mit der Sonne ſtehen, und alsdann erſcheinen auch ihre Durchmeſſer am kleinſten. Es iſt aber weder ſchicklich, noch gewoͤhnlich, dieſe Punkte ihrer Bahnen mit dem Namen der Erdfernen zu belegen.

Erdguͤrtel, ſ. Erdſtriche.

Erdharze, Bitumina, Bitumes.

Oelichte Materien von ſtarkem Geruche und veraͤnderlicher Conſiſtenz, die man im Innern der Erde findet.

Ein fluͤßiges Erdharz iſt das Bergoͤl (Petroleum), welches aus den Spalten gewiſſer Felſen fließet, und deſſen feinere und hellere Gattungen den Namen der Naphta fuͤhren. Feſte ſind der Bernſtein (Electrum, ſuccinum), der Copal, das Ambra, der Gagat, Aſphalt und die Steinkohle. Alle dieſe Materien machen nebſt dem Schwefel die brennbaren Materiale oder Inflammabilien des Mineralreichs aus, ſ. Brennbare Materien. Bernſtein und Copal heißen in ganz eigentlichem Verſtande Bergharze; Gagat, Aſphalt und Steinkohle werden auch Bergpeche genannt.

Alle dieſe Erdharze enthalten eine Menge von Oel, welches ſie entzuͤndlich macht, und dem Bergoͤle ſehr aͤhnlich iſt. Da ſich in der Zuſammenſetzung der uͤbrigen Mineralien keine Oele finden, ſo haben ſehr viele Chymiſten den Urſprung der Erdharze von den unter die Erde begrabnen vegetabiliſchen Subſtanzen hergeleitet. Hiezu koͤmmt noch, daß man durch die Verbindung der mineraliſchen Saͤuren mit Pflanzenoͤlen die natuͤrlichen Erdharze nachahmen kan; daß die auf der Erdflaͤche beſtaͤndig untergehenden vegetabiliſchen Materien nothwendig oͤlichte Materien in die Erde bringen, welche mit der Zeit die Eigenſchaften der Erdharze annehmen muͤſſen; daß man endlich ſo viele Stuͤcken Bernſtein antrift, in deren Innerm Inſekten und Spuren von Pflanzen eingeſchloſſen find. Demohnerachtet iſt dieſer vegetabiliſche Urſprung der Erdharze noch bey weitem nicht voͤllig erwieſen, und Gerhard (Beytraͤge zur Chymie und Geſchichte des Mineralreichs, Th. II. S. 298.) haͤlt es aus dem Grunde, weil man in dieſen Subſtanzen außer dem13 Oele nichts Vegetabiliſches finde, fuͤr wahrſcheinlicher, daß dieſes Oel durch die Wirkung der Sonnenſtralen unter dem Waſſer erzeugt werde.

Macquer chym. Woͤrterbuch, Art. Erdharze.

Erdkugel, Erde, Terra, Globus terraqueus, Terre.

Dies iſt der Name des Planeten, den wir bewohnen, deſſen Kenntniß alſo einen der wichtigſten Theile der Naturlehre ausmacht. Die Lehre hievon heißt die Geographie oder Erdbeſchreibung, und wird in die mathematiſche, phyſiſche und politiſche abgetheilt, ſ. Geographie. Wir werden in dieſem Artikel aus den beyden erſtern Theilen derſelben Einiges beybringen, was die Erde im Ganzen betrachtet, ohne Ruͤckſicht auf einzelne Theile derſelben, angeht, und daher von ihrer Geſtalt und Groͤße, ihrem Verhaͤltniſſe zu dem Sonnenſyſtem, von ihrer Oberflaͤche im Ganzen genommen und der innern Beſchaffenheit ihrer Rinde reden, zuletzt aber die vornehmſten Hypotheſen der Naturforſcher uͤber ihre Entſtehung und Bildung hinzufuͤgen. Erſte Begriffe von der Kugelgeſtalt der Erde.

Die Erde erſcheint uns uͤberall, wo keine hervorragenden Gegenſtaͤnde die Ausſicht hindern, als eine kreisfoͤrmige platte Scheibe, deren aͤußerſte Grenze, der Horizont, unmittelbar an das ſcheinbare blaue Gewoͤlbe des Himmels anſtoͤßt. Man kan ſich indeſſen gar bald uͤberzeugen, daß dies nur eine bloße Erſcheinung ſey, wenn man bedenkt, daß der Umfang dieſer geſehenen Flaͤche ſich ſelten uͤber einige Meilen erſtreckt, da es doch Gegenſtaͤnde, z. B. Berge, giebt, welche ihrer Hoͤhe und Groͤße nach auf eine viel groͤßere Weite hin ſichtbar bleiben muͤßten, wenn die Erde von einer ebnen Flaͤche begrenzt wuͤrde.

Zwar blieben unter den Alten ſehr viele bey dieſer erſten Erſcheinung ſtehen, oder machten ſich auch wohl, durch Begriffe vom Schwimmen der Erde verfuͤhrt, von ihrer Geſtalt noch ſeltſamere Vorſtellungen, welche Riccioli (Almageſtum nov. To. I. L. 2. cap. 1.) aus den Schriften der Alten mit vielem Fleiße zuſammengetragen hat. So legte Leucippus nach dem Berichte des Diogenes Laer -14 tius (Vit. Philoſophorum L. IX. ) der Erde die Geſtalt einer Walze, d. i. einer platten Scheibe, bey, welcher Meynung die Kirchenvaͤter großentheils beygetreten ſind; Demokrit hingegen gab ihr die Figur eines Kahns oder Schiffes, welches auch die Meynung der Chaldaͤer geweſen ſeyn ſoll. Doch haben die meiſten und angeſehenſten Weltweiſen Griechenlands, Thales, Anaximander, Parmenides, Epikur und Pythagoras bereits die richtige Meynung von der Kugelgeſtalt der Erde angenommen.

Ariſtoteles (De coelo L. II. c. 4.) verſucht ſogar einen Beweis dieſer kugelaͤhnlichen Geſtalt aus bloßen Vernunftſchluͤſſen zu geben. Da das Waſſer, ſagt er, allezeit die niedrigſte, d. i. die dem Mittelpunkte der Erde naͤchſte, Stelle ſucht, ſo kan es in keinem Theile des Meeres hoͤher oder vom Mittelpunkte entfernter, als in dem andern, ſtehen; es wuͤrde ſonſt von den hoͤhern Theilen ab und ſo lange gegen die niedrigern fließen, bis es uͤberall eine gleiche Hoͤhe, d. i. einen gleichen Abſtand vom Mittelpunkte erlangt haͤtte. So folgt, daß alle Stellen des Meeres von einem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte gleich weit abſtehen, welches bey keinem andern Koͤrper, als bey einem kugelaͤhnlichen, gedacht werden kan. Offenbar enthaͤlt dieſer vermeynte Beweis eine Vorausſetzung deſſen, was zu erweiſen war, daß es nemlich einen Mittelpunkt gebe; die Vertheidiger der platten Geſtalt wuͤrden dies nicht einraͤumen, ſondern die Richtungslinien, nach welchen die fluͤßigen Koͤrper ſinken, uͤberall fuͤr gleichlaufend annehmen. Inzwiſchen haben doch auch Riccioli und Snellius (Eratoſthenes Batavus L. I. c. 2.) dieſen Beweis aufgenommen, und ihn auf den Satz des Archimedes (De inſidentibus humido L. I. prop. 2.), daß die Oberflaͤche des Waſſers eine kugelrunde Geſtalt annehme, gegruͤndet.

Den einleuchtendſten Beweis von der Kugelgeſtalt der Erde geben die Mondfinſterniſſe. Da es bey einiger Aufmerkſamkeit auf den Himmel gar bald in die Augen faͤllt, daß das, was den Vollmond verdunkelt, nichts anders als der Schatten ſey, den die Erde der Sonne gegenuͤber auf denſelben hinwirft, und da die Grenzen dieſes Schattens15 ſich jederzeit als Kreisbogen zeigen, ſo iſt der Schluß ſehr leicht, daß der voͤllige Erdſchatten ein Kreis ſeyn muͤſſe. Nun giebt es aber außer der Kugel keinen Koͤrper, der in allen Lagen einen kreisfoͤrmigen Schatten wirft; es lehrt alſo der Augenſchein ſelbſt die kugelfoͤrmige Rundung der Erde. Wahrſcheinlich ſind auch die griechiſchen Weltweiſen, und vielleicht noch vor ihnen andere Voͤlker, welche richtige Kenntniſſe von der Urſache der Mondfinſterniſſe hatten, hiedurch auf den rechten Begriff von der Geſtalt der Erde geleitet worden.

Eben ſo deutliche Beweiſe dieſer Geſtalt finden ſich in den verſchiedenen Stellungen der Himmelskoͤrper gegen den Horizont, wenn ſie von verſchiedenen Orten der Erdflaͤche aus betrachtet werden. Wenn ein Reiſender ſeinen Weg beſtaͤndig nach Norden richtet, ſo ſteigen ihm die dorthin ſtehenden Sterne immer weiter uͤber ſeinen Horizont empor, indeß die nach Suͤden ſtehenden immer tiefer hinabſinken: auch bleiben ihm am noͤrdlichen Horizonte immer mehr Sterne ſichtbar, die ſich vorher unter dieſen Horizont verbargen; am ſuͤdlichen hingegen verliert er immer mehr Geſtirne gaͤnzlich aus den Augen. So erhebt ſich z. B. in Alexandrien der Stern Canopus im Ruder des Schiffs Argo taͤglich um einige Grade uͤber den ſuͤdlichen Horizont; zu Rhodus ſtreicht eben derſelbe Stern nur gerade am Horizonte hin, und verſchwindet ſogleich wieder; wenn man endlich noch weiter nordwaͤrts bis nach Griechenland koͤmmt, ſo verliert man ihn gaͤnzlich aus den Augen. Dies ſind Erſcheinungen, welche auf einer ebnen Erdflaͤche gar nicht ſtatt finden koͤnnten, auf welcher ein Geſtirn, das ſich einmal uͤber ihr befindet, von allen Punkten aus ſichtbar bleiben muß. Auf einer gekruͤmmten Flaͤche hingegen, wie ZR (Taf. VIII. Fig. 1.), iſt es leicht begreiflich, wie der Stern S, der dem in Z befindlichen Auge ſichtbar war, dem nach R uͤbergegangenen Auge, deſſen Ausſicht durch die Flaͤche HR begrenzt wird, verſchwinden, und ſich unter den Horizont HR verbergen kan. Es lehrt aber auch die Erfahrung, daß dieſes Herabſteigen der ſuͤdlichen Geſtirne gegen den ſuͤdlichen Horizont und die Erhebung der noͤrdlichen16 auf der andern Seite ziemlich gleichviel betraͤgt, wenn man um gleichviel weiter gegen Norden geht; dies zeigt eine ziemlich gleichfoͤrmige, d. i. eine kreisaͤhnliche Kruͤmmung der Erdflaͤche nach der Richtung von Suͤden gegen Norden an. Und da man dieſelbe Erſcheinung in allen Gegenden der Erde, in welchen man von Suͤden gegen Norden reiſen kan, in Europa ſowohl, als in Amerika und auf dem Weltmeere mit gleicher Groͤße bemerkt, ſo folgt, daß ſich rings um die Erdflaͤche gleich große Kreiſe in der erwaͤhnten Richtung ziehen laſſen.

Daß aber die Erdflaͤche auch nach der Richtung von Oſten gegen Weſten, welche auf der vorigen ſenkrecht ſtehet, rund ſey, erhellet daraus, weil alle Himmelskoͤrper bey ihrem ſcheinbaren taͤglichen Umlaufe um die Erde den oſtwaͤrts liegenden Laͤndern fruͤher auf - und untergehen, als den weſtwaͤrts gelegnen. Man bemerkt dieſes ſehr deutlich bey ſolchen Himmelsbegebenheiten, welche allen Bewohnern der Erde zugleich in einerley Augenblicke erſcheinen muͤſſen, dergleichen die Verfinſterungen des Mondes und der Jupiterstrabanten ſind. So wird z. B. bey dem Anfange einer Mondfinſterniß Rußland eine ſpaͤtere Tagesſtunde, als Deutſchland, Deutſchland eine ſpaͤtere, als England u. ſ. w. zaͤhlen, ein Beweis, daß der Mittag, als der Anfang der Tagesſtunden in Rußland fruͤher als in Deutſchland u. ſ. w. eingetreten ſey, mithin die Sonne bey ihrem taͤglichen Umlaufe Rußland fruͤher, als Deutſchland und England beſchienen habe. Und da dies rings um die ganze Erde auf eine voͤllig gleichfoͤrmige Art erfolget, ſo laͤßt ſich ſchließen, daß denen von Oſten nach Weſten gehenden Tagekreiſen der Geſtirne aͤhnlich liegende Kreiſe auf der Oberflaͤche der Erde correſpondiren, welches die Ueberzeugung von der Rundung der Erde nach allen Richtungen gaͤnzlich vollendet.

Hiezu koͤmmt, daß den Reiſenden, und vornehmlich den Seefahrern, die Spitzen der Berge und die Maſten der Schiffe eher ſichtbar werden, als der Fuß oder Grund, worauf dieſelben ſtehen eine Erſcheinung, welche auf einer ebnen Flaͤche unmoͤglich waͤre, auf welcher ſich entlegne17 Berge u. dgl. nothwendig auf einmal mit ihrer ganzen Hoͤhe darſtellen muͤßten.

Die Umſchiffungen der Erdkugel haben endlich, ſelbſt fuͤr den gemeinſten und ungebildetſten Theil der Menſchen, die Rundung der Erde zu einer unbezweifelten Gewißheit gebracht. Es iſt nemlich bereits uͤber 25mal unſere Erdkugel von Seefahrern mehrerer Nationen ſo umſegelt worden, daß dieſelben durch eine nach einerley Weltgegend fortgeſetzte Reiſe, ohne umzukehren, an den Ort ihrer Abreiſe wieder zuruͤckgekommen ſind. Hernand Magellans, ein Portugieſe, der erſte Weltumſegler, lief mit ſeiner Flotte den 10. Aug. 1519 von Sevilla aus, entdeckte an der ſuͤdlichen Spitze von Amerika die lange Meerenge, welche das feſte Land von dem ſogenannten Feuerlande ſcheidet, und noch von ihm den Namen der magellaniſchen Straße fuͤhrt, gieng durch dieſelbe in die Suͤdſee und nach Aſien uͤber, und ob er gleich in der philippiniſchen Inſel Sebu ſein Leben verlohr, ſo kam doch eines ſeiner Schiffe, durch einen beſtaͤndig weſtwaͤrts gerichteten Lauf, am 7. Septbr. 1522 wieder nach Spanien zuruͤck. Die merkwuͤrdigſten unter den folgenden Umſchiffungen ſind die des Franz Drake, eines Englaͤnders, vom Ende des Jahres 1577 bis zum 16. Sept. 1580; des William Dampier von 1689 bis 1691; des Lord Georg Anſon von 1740 bis 1744, des Commodore Byron von 1764 bis 1766, der Capitains Wallis und Carteret in den Jahren 1766 bis 1769, des Bougainville, eines Franzoſen, ebenfalls 1766 bis 1769; und endlich die drey Seereiſen des unvergeßlichen engliſchen Seecapitains James Cook, deren erſte in den Jahren 1768 1771 mit den Herren Banks und D. Solander, die zwote mit beyden Herren Forſter 1772 1775, die dritte endlich als eine Entdeckungsreiſe im Ocean zwiſchen Amerika und Aſien von 1776 1780 gemacht wurde. Auf der letztern verlohr zwar der durch ſo viele wichtige Entdeckungen beruͤhmte Seefahrer auf der Inſel O-wai-hi im nordlichen Theile des großen Oceans ungluͤcklicher Weiſe ſein Leben; es kam aber doch ſein Schiff unter der Fuͤhrung des Capitains King nach England zuruͤck. Alle dieſe Reiſen, nur18 die beyden letztern ausgenommen, ſind ganz in der Richtung von Morgen gegen Abend ausgefuͤhrt worden, und zeigen aus dem beſtaͤndig aͤhnlichen Anblicke der Erde und des Himmels in den mancherley beſuchten Gegenden unwiderſprechlich, daß die ganze Erd - und Waſſermaſſe nirgends von einem andern Koͤrper unterſtuͤtzt, ſondern eine im Weltraume freyſchwebende Kugel ſey. Daß uͤbrigens die auf der Erdflaͤche befindlichen Erhoͤhungen viel zu unbetraͤchtlich ſind, um eine merkliche Abweichung von der Kugelgeſtalt zu veranlaſſen, iſt bereits bey dem Worte: Berge erinnert worden.

Man nehme die Erde einſtweilen, und bis genauere Unterſuchungen etwas anders ergeben, fuͤr eine vollkommne Kugel an, auf deren Flaͤche ſich nach den Regeln der Sphaͤrik groͤßte und kleinere Kreiſe ziehen laſſen. Die Folge wird auch lehren, daß dieſe Vorausſetzung wenigſtens nicht weit von der Wahrheit abweiche. Horizont, Pole, Aequator und Mittagskreiſe der Erdkugel.

Derjenige Kreis, welcher auf einem ebnen Felde oder auf der See uͤberall um uns her unſere Ausſicht begraͤnzt, heißt der Horizont oder Geſichtskreis. Seine Ebne hor (Taf. VIII. Fig. 2.) beruͤhrt die Erdflaͤche in o, wo der Zuſchauer ſtehet, die Oberflaͤche des ſtillſtehenden Waſſers iſt aller Orten mit ihr parallel, und die Richtung des Bleyloths oder der Schwere oC ſteht auf ihr lothrecht, wie der Halbmeſſer auf der Tangente des Kreiſes. Waͤre alſo die Erde eine vollkommne Kugel, ſo wuͤrde die Schwere auf ihr uͤberall genau nach dem Mittelpunkte C wirken.

Ob gleich der Horizont hor nur einen ſehr kleinen Theil der Erdflaͤche uͤberſehen laͤßt, ſo lehren doch die Beobachtungen der Sternſeher, daß er uns von der ſcheinbaren Himmelskugel, an welcher die Fixſterne zu ſtehen ſcheinen, die voͤllige Helfte oder 180° eines jeden groͤßten Kreiſes derſelben zu ſehen erlaube. Denn, wenn man die Wirkungen der Stralenbrechung abrechnet (ſ. Stralenbre -19 chung, aſtronomiſche), ſo geht von zween Fixſternen, die einander gerade entgegenſtehen, oder um 180° aus einander ſind, der eine zu eben der Zeit unter, wenn der andere aufgeht, und ein Fixſtern, der ſeinen taͤglichen Umlauf in einem groͤßten Kreiſe zu verrichten ſcheint, iſt eben ſo lange Zeit uͤber, als unter dem Horizonte. In der Figur laͤßt ſich dieſes auf keine Weiſe darſtellen. Da man doch die ſcheinbare Himmelskugel HZRN als einen Kreis um den Mittelpunkt der Erde C vorſtellen muß, weil ſonſt, wenn man ſie um o beſchreiben wollte, jeder Ort der Erde eine andere ihm eigne Himmelskugel erfordern wuͤrde, ſo bleibt der Theil hZr, den der Horizont abſchneidet, von dem wirklichen Halbkreiſe HZR allezeit um die Bogen Hh, Rr unterſchieden. Dieſe Bogen aber werden deſto kleiner, oder machen einen deſto unbetraͤchtlichern Theil des ganzen Kreiſes aus, je groͤßer der Halbmeſſer der Himmelskugel CZ in Vergleichung mit dem Halbmeſſer der Erde Co angenommen wird. Iſt CZ etwa 60mal ſo lang, als Co, ſo betraͤgt Hh etwas weniger, als einen Grad; iſt CZ = 24000 Co, ſo macht Hh nur 8 9 Secunden aus u. ſ. w. Soll Hh aber gaͤnzlich verſchwinden, ſo muß CZ unendlich groß gegen Co, oder was eben ſo viel iſt, Co als ein bloßer Punkt gegen CZ angeſehen werden. Nun zeigen die aſtronomiſchen Beobachtungen in der That, daß bey dem ſcheinbaren taͤglichen Umlaufe der Geſtirne, der Bogen Hh fuͤr den Mond ohngefaͤhr einen Grad, fuͤr die Sonne 8 9 Secunden betrage, fuͤr die Fixſterne aber ganz unmerklich ſey; woraus folget, daß der Halbmeſſer der Himmelskugel, wenn ſich dieſelbe nur bis an den Mond erſtreckt, etwa 60mal; wenn ſie bis an die Sonne reicht, 24000mal; wenn ſie aber, wie doch nothwendig iſt, bis zu den Fixſternen ausgedehnt werden ſoll, unendlichemal groͤßer, als der Halbmeſſer der Erde, geſetzt werden muß. Das heißt, ſo groß uns auch die Erdkugel in Vergleichung mit den uns bekannten Maaßen ſcheinen mag, ſo iſt doch ihr Halbmeſſer, mithin auch die ganze Kugel ſelbſt, in Vergleichung mit dem Abſtande der Fixſterne und mit der Groͤße des ganzen Weltgebaͤudes blos fuͤr einen unbetraͤchtlichen20 Punkt zu halten. Genauere Beſtimmungen hieruͤber wird man bey dem Worte: Parallaxe finden.

Man muß ſich daher bey der Figur, welche doch die Erde nothwendig mit einiger Groͤße vorſtellen muß, immer hinzudenken, daß ſich dieſe Groͤße in einen einzigen Punkt zuſammenzieht, wenn das richtige Verhaͤltniß gegen die Groͤße der Himmelskugel beobachtet werden ſoll. Bey dieſer Zuſammenziehung faͤllt o in C, und der ſcheinbare Horizont hor wird nun einerley mit dem wahren Horizonte HCR, ſ. Horizont.

Wenn man ſich auf dieſe Art Erd - und Himmelskugel als zwo concentriſche Kugeln gedenkt, deren erſte nur ungemein viel kleiner als die letztere iſt, ſo laͤßt ſich fuͤr jeden Punkt und Kreis der letztern auch ein correſpondirender Punkt oder Kreis auf der erſtern angeben. Was die Punkte betrifft, ſo darf man nur von dem Punkte der Himmelskugel einen Halbmeſſer nach dem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte C ziehen, welcher auf der Erdflaͤche den uͤbereinſtimmenden Punkt abſchneiden wird. So viel die Kreiſe anlangt, ſind ſie entweder groͤßte oder kleinere. Bey den groͤßten geben ſich die uͤbereinſtimmenden Kreiſe auf der Erdkugel da, wo ihre Ebne ſich mit der Erdflaͤche ſchneidet. Auf den kleinern, z. B. DE, laͤßt ſich bis an den Mittelpunkt C der ſenkrechte Kegel DCE aufrichten, deſſen Durchſchnitt mit der Erdflaͤche de den uͤbereinſtimmenden kleinern Kreis auf der letztern giebt. So ſtimmt z. B. der Punkt Z des Himmels (ſ. Zenith) mit dem Standorte auf der Erdkugel o, der wahre Horizont am Himmel HR mit dem groͤßten Kreiſe der Erdkugel mn uͤberein, welcher vom Standorte o uͤberall um 90° eines groͤßten Kreiſes der Erde entfernt iſt, u. ſ. w. Von allen dieſen Kreiſen und Punkten wird der folgende Artikel: Erdkugel, kuͤnſtliche, mehrere Nachricht geben; hier wird nur noͤthig ſeyn, von den Polen, dem Aequator und den Mittagskreiſen noch etwas weniges anzufuͤhren.

Die ganze Himmelskugel mit allen Geſtirnen ſcheint ſich binnen 24 Stunden von Morgen gegend Abend ſo herum zu bewegen, daß alle Punkte derſelben Kreiſe beſchreiben,21 die mit einander ſelbſt, und mit einem gewiſſen groͤßten Kreiſe AQ parallel laufen, welcher letztere in unſern Laͤndern eine ſchiefe Lage gegen den Horizont HR hat, und der Aequator genannt wird. Nach den Lehren der Sphaͤrik haben alle dieſe parallelen Kreiſe eine gemeinſchaftliche auf dem Aequator ſenkrecht ſtehende Axe PS, die Weltaxe deren aͤußerſte Punkte P und S ihre Pole, die Weltpole, ſind, und die Bewegung ſcheint ſo zu erfolgen, als ob die ganze geſtirnte Hohlkugel ſich taͤglich um die unbewegt bleibende Axe PS umdrehete. Dem Aequator, den Weltpolen und der Weltaxe correſpondiren auf der Erdkugel der Aequator der Erde ap, die Erdpole p und s, und die Erdaxe ps, welche ein Stuͤck der Weltaxe PS ſelbſt iſt.

Der taͤgliche Umlauf der Geſtirne kan nun entweder in einer wirklichen Umwaͤlzung der ganzen Himmelskugel um die Erde beſtehen, welches jedoch wegen der ungeheuren Entfernung der Fixſterne und der ungemeinen Kleinheit der Erde hoͤchſt unwahrſcheinlich iſt, oder er kan eine bloße Erſcheinung ſeyn, und ohne die mindeſte Bewegung der Sterne lediglich daher ruͤhren, daß ſich die Erdkugel, ohne daß wir es bemerken, nach der entgegengeſetzten Richtung, d. i. von Abend gegen Morgen, um die Erdaxe ps drehet, wobey die Pole p und s unbewegt bleiben, alle uͤbrige Punkte der Erdflaͤche aber Kreiſe beſchreiben, welche unter einander ſelbſt und mit dem Aequator aq parallel ſind. Dieſe letztere Erklaͤrung iſt jetzt zu einem Grade der Wahrſcheinlichkeit erhoben, der ſich faſt der Gewißheit gleich ſetzen laͤßt, ſ. Weltſyſtem. Dem ſey aber vorjetzt, wie ihm wolle, ſo ſind doch die erwaͤhnten Punkte und Kreiſe der Erdkugel vorzuͤglich wichtig. Wir nennen denjenigen Pol p, der unſerm Standorte oder o am naͤchſten liegt, den Nordpol den entgegengeſetzten s den Suͤdpol, und geben den beyden Helften, in welche die Erdflaͤche durch den Aequator aq eingetheilt wird, die Namen der noͤrdlichen und ſuͤdlichen Halbkugel.

So wie am Himmel derjenige groͤßte Kreis, welcher durch die Pole und das Zenith des Beobachtungsorts geht,22 PZAHSRP, der Mittagskreis heißt, ſo fuͤhrt der uͤbereinſtimmende groͤßte Kreis der Erdflaͤche poamsnp, welcher durch die Erdpole und den Standort o gezogen werden kan, den Namen des Mittagskreiſes oder Meridians fuͤr den Ort o. Man pflegt aber dieſen Namen bisweilen auch nur derjenigen Helfte des Kreiſes poms beyzulegen, in welcher der Ort o ſelbſt liegt, und die andere Helfte snp als den entgegengeſetzten Meridian zu betrachten. In dieſem Sinne iſt der Meridian von Leipzig derjenige halbe groͤßte Kreis der Erdflaͤche, welcher durch beyde Pole und Leipzig geht. Alle diejenigen Orte, durch welche dieſer Halbkreis geht, haben mit Leipzig einerley Meridian, und es laſſen ſich auf der Erdflaͤche ſoviel Meridiane denken, als man Punkte im Aequator annehmen kan. Alle dieſe Halbkreiſe laufen in den beyden Polen zuſammen, und durchſchneiden den Aequator unter rechten Winkeln.

Jeder Mittagskreis wird, wie der Cirkel uͤberhaupt, in 36 Grade, und der Grad ferner in Minuten und Secunden getheilt. Wer auf der Erdflaͤche in der Richtung des Mittagskreiſes, d. i. genau nach Mitternacht oder Mittag zu, z. B. von o nach d fortgeht, deſſen Zenith muß an der Himmelskugel zugleich von Z nach D fortruͤcken, und alſo ſeinen Abſtand vom Pole P, von dem im Mittagskreiſe liegenden Punkte des Aequators A, und uͤberhaupt von allen feſten Punkten des Mittagskreiſes am Himmel, um den Bogen ZD aͤndern. Da dieſer Bogen ZD dem od gleich, oder das Maaß ebendeſſelben Winkels ZCD iſt, ſo erfaͤhrt man, um wieviel Grade, Minuten rc. des Mittagskreiſes man fortgegangen ſey, wenn man durch aſtronomiſche Werkzeuge mißt, um wieviel ſich der Abſtand des Pols, des Aequators, des Durchgangspunkts eines Sterns durch den Mittagskreis u. ſ. w. vom Zenith oder, was eben ſoviel iſt, vom Horizonte geaͤndert habe. Mit andern Worten: Die Aenderung der Polhoͤhe, Aequatorhoͤhe, Mittagshoͤhe der Geſtirne giebt die Anzahl der Grade des Mittagskreiſes an, um welche man fortgegangen iſt. Faͤnde man z. B. den Pol in d um hoͤher uͤber den Horizont geruͤckt, als man ihn in o ſahe, oder faͤnde man die Mittagshoͤhe23 eben deſſelben Sterns in d um einen Grad von der in o verſchieden, ſo wuͤrde daraus folgen, daß der Bogen od einen Grad des Mittagskreiſes betruͤge. Wenn man nun durch geometriſche Mittel die Laͤnge des Weges od in gewoͤhnlichen Maaßen abmaͤße, ſo wuͤrde ſich daraus die Groͤße eines Grades vom Umfange der Erdkugel, und unter der Vorausſetzung, daß ſie eine vollkommne Kugel ſey, durch Multiplication mit 360 die Laͤnge des Umfangs, mithin auch die des Durchmeſſers, und uͤberhaupt die Groͤße der ganzen Kugel ergeben. Ehe wir aber dieſe Unterſuchungen weiter fortſetzen koͤnnen, muͤſſen wir zuvor die eigentliche Geſtalt der Erde genauer pruͤfen. Abgeplattete Geſtalt der Erde.

Die phyſikaliſche Urſache, welche der Erde bey ihrer Entſtehung eine kugelaͤhnliche Rundung gegeben hat, iſt unſtreitig die Schwere der ganzen zur Erde gehoͤrigen Materie, ſ. Gravitation, Schwere der Erdkoͤrper. Dieſe Kraft, von deren Daſeyn uns die Erfahrung uͤberzeugt, ob wir gleich ihre Urſache nicht kennen, treibt jeden zur Erde gehoͤrigen Theil der Materie nach allen uͤbrigen zu, woraus eine mittlere Richtung nach dem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte aller Anziehungen entſtehet, nicht als ob dieſer Mittelpunkt mit einer beſondern Kraft verſehen waͤre, ſondern weil die Gravitationen nach allen auf verſchiedenen Seiten liegenden Theilen durch ihr Zuſammenkommen eine Bewegung oder Sollicitation nach dieſer mittlern Richtung bewirken. So muß ſich eine Menge von Theilen, in welche keine weitere Kraft, als dieſe ihre wechſelſeitige Gravitation gegen einander wirkt, von ſelbſt in die Geſtalt einer Kugel ordnen, weil die Theile von allen Seiten her ſo nahe, als moͤglich, auf das Ganze zu gehen, und ſich ſo lange bewegen und vertheilen werden, bis auf allen Seiten eine voͤllige Gleichfoͤrmigkeit ſtatt findet. Aus eben dieſer Urſache finden wir auch die Kugelgeſtalt an allen bisher bekannten Himmelskoͤrpern.

Die Erfahrung belehret uns, daß die Richtung der Schwere, an allen Orten der Erdflaͤche, auf der Oberflaͤche24 des ſtillſtehenden Waſſers oder auf der Ebne des Horizonts, welche die Erdflaͤche ſelbſt beruͤhrt, lothrecht ſtehe. Waͤre die Erde eine vollkommne Kugel, ſo muͤßten alle dieſe Richtungslinien der Schwere in einen gemeinſchaftlichen Mittelpunkt zuſammentreffen. Auch wuͤrde nach den Geſetzen der Gravitation die Schwere, als beſchleunigende Kraft betrachtet, an allen Stellen der Erdflaͤche gleich groß ſeyn muͤſſen, weil ſie alle von dem Mittelpunkt gleich weit entfernt waͤren, vorausgeſetzt, daß ſich die Erde in einer vollkommnen Ruhe befaͤnde.

Wenn ſich aber die Erdkugel, wie das copernikaniſche Syſtem annimmt, taͤglich einmal um ihre Axe drehet, ſo entſteht hieraus fuͤr jeden Punkt der Erdflaͤche ein Schwung (ſ. Centralbewegung, Centralkraͤfte) oder eine Schwungkraft, deren Richtung in dem Halbmeſſer des von den Koͤrpern beſchriebenen Kreiſes liegt, indem ſich dieſe Koͤrper von dem Mittelpunkte dieſes Kreiſes, vermoͤge der ihnen mitgetheilten Bewegung, zu entfernen ſtreben. So wird z. B. wenn ſich die Kugel (Taf. VIII. Fig. 3.) um die Axe PR drehet, in Q ein Schwung nach q, in E und G nach e und g entſtehen. Die Richtung dieſer Schwungkraͤfte iſt unter dem Aequator in Q der Richtung der Schwere QC gerade und gaͤnzlich, in E und G aber den Richtungen der Schwere EC und GC wenigſtens zum Theil entgegengeſetzt. Daher wird ein Theil der Schwere darauf verwendet werden, die Wirkung des Schwunges aufzuheben, und die Koͤrper, welche ſonſt von der Erde hinwegfliegen wuͤrden, auf der Oberflaͤche derſelben zu erhalten. Dieſer verwendete Theil der Schwere kan natuͤrlich nichts weiter bewirken; er wird alſo der Schwere der Erdkoͤrper, in ſofern man dieſelbe durch ihre uͤbrigen Wirkungen bemerkt, abgehen, d. h. man wird die Schwere vermindert finden. Aus einer doppelten Urſache muß dieſe Verminderung der Schwere unter dem Aequator AQ am ſtaͤrkſten ſeyn; einmal, weil der Kreis der taͤglichen Umdrehung daſelbſt am groͤßten iſt, und die Koͤrper ſchneller, als in den Kreiſen DE und FG, geſchwungen werden, und dann, weil hier die Richtung der Schwungkraft Qq der25 Schwere nach C gerade, bey E und G aber nur zum Theil entgegengeſetzt iſt. Im Pole P hingegen muß die Kraft der Schwere ganz unvermindert bleiben, weil daſelbſt die umdrehende Bewegung gar nicht mehr ſtatt findet. Ausfuͤhrlichere Beſtimmungen hievon ſ. bey dem Artikel: Schwungkraft.

Die Verminderung der Schwere laͤßt ſich am bequemſten durch den Gang eines Pendels wahrnehmen, welches nach den bey dem Worte: Pendel beyzubringenden Gruͤnden, ſeine Schwingungen in deſto kuͤrzerer Zeit vollendet, je kuͤrzer es ſelbſt, und je groͤßer die Kraft der Schwere iſt. Dreht ſich alſo die Erde wirklich um ihre Axe, ſo laͤßt ſich erwarten, daß eben daſſelbe Pendel ſeine Schwingungen in den Gegenden des Aequators langſamer, als in unſern Laͤndern, verrichten werde.

Picard (Méſure de la terre. Paris, 1671. 8. Art. 4.) gedenkt zum Erſtenmale einer in der Akademie der Wiſſenſchaften vorgetragnen Muthmaßung, daß ſchwere Koͤrper, wenn die Umwaͤlzung der Erde angenommen werde, unter dem Aequator mit geringerer Kraft fallen muͤßten, als unter den Polen. Er bemerkt, daß hieraus eine Verſchiedenheit in den Secundenpendeln entſtehen muͤſſe, welche da geſchwinder gehen wuͤrden, wo mehr Schwere ſtatt faͤnde, und fuͤgt hinzu, einige in London, Lion und Bologna gemachte Erfahrungen ſchienen anzuzeigen, daß man das Secundenpendel deſto kuͤrzer machen muͤſſe, je mehr man mittagwaͤrts oder gegen den Aequator der Erde zu gehe. Doch ſchienen andere Erfahrungen zu widerſprechen, indem man im Haag und zu Paris die Laͤngen des Secundenpendels gleich groß gefunden habe.

Die Pariſer Akademie ertheilte im Jahre 1671 dem Herrn Richer unter andern den Auftrag, bey ſeinem Aufenthalte auf der Inſel Cayenne, welche bey Suͤdamerika nur nordwaͤrts vom Aequator liegt, die dortige Laͤnge des Secundenpendels zu unterſuchen. Er fand (Obſervations aſtronomiques et phyſiques faites à Cayenne. Paris, 1670. fol.), daß ſeine aus Paris mitgebrachte Pendeluhr in Cayenne taͤglich um 2 Minuten zu langſam gieng, ſo26 daß er genoͤthigt war, die Pendelſtange derſelben um 1 1 / 4 Lin. zu verkuͤrzen, wenn ſie ihre 3600 Schwingungen in einer Stunde richtig ſchlagen ſollte. Dagegen mußte ſie bey der Zuruͤckkunft nach Paris, weil nun die Uhr zu geſchwind gieng, wieder auf die vorige Laͤnge zuruͤckgebracht werden. Hiedurch ward es alſo außer Zweifel geſetzt, daß die Schwere der Koͤrper gegen den Aequator hin geringer werde, und man erhielt dadurch zugleich einen ſtarken Beweis fuͤr die Wirklichkeit der Umwaͤlzung der Erde und fuͤr das copernikaniſche Syſtem.

Von dieſer Zeit an kam Huygens, welcher die Saͤtze von der Schwungkraft im Kreiſe zuerſt bekannt gemacht hat, auf die Vermuthung, daß die mit geringerer Schwere verſehenen Theile der Erde um den Aequator, mit den ſchwerern Theilen gegen die Pole hin nicht im Gleichgewichte ſtehen koͤnnten, wenn die Erde eine vollkommne Kugel waͤre. Geſetzt auch, ſie ſey Anfangs eine fluͤßige Kugel geweſen, ſo wuͤrden doch ihre Theile durch die taͤgliche Umdrehung ſich deſto mehr erhoben haben, je naͤher ſie dem Aequator geweſen waͤren, dagegen wuͤrden die ſchwereren Theile um die Pole tiefer gegen den Mittelpunkt herabgeſunken ſeyn, und das Ganze wuͤrde alſo die Geſtalt eines um die Pole zuſammengedruͤckten oder abgeplatteten Sphaͤroids (Sphèroide applâti) (Taf. VIII. Fig. 4.) erhalten haben. Eben das muͤßte erfolgt ſeyn, wenn auch nur die Oberflaͤche der Erde uͤberall mit Waſſer bedeckt geweſen waͤre. Und da die Erde um den Aequator herum wirklich große Meere hat, ſo muß der Schwung ihnen dieſe Geſtalt wirklich geben, welche auch das feſte Land haben muß, weil es ſonſt vom Meere uͤberſchwemmt werden muͤßte.

Aus dieſen Gruͤnden erklaͤrt Huygens (De cauſa gravitatis, in Opp. cura s'Graveſande. Lugd. Bat. 1724. 4. To. I.) die Erde fuͤr ein abgeplattetes Sphaͤroid, deſſen Durchmeſſer durch den Aequator AQ etwas groͤßer ſey, als die von Pol zu Pol gehende Axe PS. Er fuͤhrt zu Beſtaͤrkung dieſes Satzes den Verſuch mit einer weichen Thonkugel an, welche an eine Axe geſteckt und ſchnell herumgedreht. wirklich eine ſolche Geſtalt erhaͤlt, an dem Pole der Umdrehung27 ſich abplattet, und um den Aequator aufſchwillt. Er wagt ſich ſogar an eine Berechnung des Verhaͤltniſſes CA: CP, indem er dieſe beyden Laͤngen als communicirende Roͤhren mit Fluͤßigkeiten von ungleichen Schweren gefuͤllt anſieht, und deren Hoͤhen fuͤr den Fall des Gleichgewichts nach hydroſtatiſchen Geſetzen berechnet. Da er gefunden hatte, daß die Schwungkraft im Aequator (1 / 289) von der Schwere daſelbſt betrage, ſo beſtimmt er hieraus, daß CP um (1 / 578) kleiner, als CA ſey.

Newton (Philoſ. natur. principia math. L. III. prop. 18. 19. ) traͤgt eben dieſen Satz von der ſphaͤroidiſchen Geſtalt der Erde als eine Folge ſeines vortreflichen Syſtems uͤber die Geſetze der Gravitation und Schwungkraft vor. Die Planeten, ſagt er (prop. 18.), muͤßten, wenn ſie ſich nicht taͤglich umdrehten, wegen der von allen Seiten her gleichen Schwere der Theile, eine Kugelgeſtalt an nehmen. Durch die Kreisbewegung aber werden die Thei le von der Axe entfernt, und ſtreben ſich um den Aequa tor zu erheben. Daher wird die Materie, wofern ſie fluͤßig iſt, den Durchmeſſer um den Aequator durch ihr Aufſteigen vergroͤßern, die Axe hingegen durch ihr Nie derſinken bey den Polen verkuͤrzen. So findet man den Durchmeſſer des Jupiters, nach Caſſini und Flam ſtead's Beobachtungen, zwiſchen ſeinen Polen kuͤrzer, als nach der Richtung von Morgen gegen Abend. Aus eben dem Grunde muß unſere Erde um den Aequator hoͤ her, als bey den Polen, ſeyn; ſonſt wuͤrde ſich das Meer an den Polen ſenken, um den Aequator aber in die Hoͤhe treten und alles uͤberſchwemmen Er berechnet hierauf (prop. 19.) das Verhaͤltniß der Axe zu dem auf ſie ſenkrechten Durchmeſſer nach richtigern Gruͤnden, als Huygens, indem er zugleich den Umſtand mit in die Rechnung bringt, daß die Materie bey A nicht blos durch den Schwung, ſondern auch darum leichter, als die bey P werden muͤſſe, weil ſie weiter vom Mittelpunkte C entfernt iſt, indem die Schwere im umgekehrten Verhaͤltniſſe des Quadrats der Entfernung von C abnimmt, welcher Umſtand bey Huygens gaͤnzlich fehlet. Dadurch wird die Rechnung zwar28 verwickelter, aber auch der Natur gemaͤßer, und giebt endlich das Reſultat, daß ſich bey der Erde AC: CP = 692: 689 oder wie 230 2 / 3: 229 2 / 3 verhalte. Huygens und Newtons Berechnungen ſind von Friſi (Disquiſitio in cauſam phyſicam figurae et magn. telluris. Mediolani, 1750. gr. 4.) und Clairaut (Theorie de la figure de la terre tirée des principes de l'hydroſtatique. à Paris, 1743. 8. ) umſtaͤndlicher erlaͤutert worden.

Dieſe blos aus der Theorie gezognen Muthmaßungen waren indeß noch nicht hinreichend, eine vollkommne Ueberzeugung von der Wahrheit des Satzes zu gewaͤhren. Der ganze Schluß ließ ſich entkraͤften, wenn man annahm, die Erde ſey anfangs laͤnglich rund geweſen. Denn ſo wuͤrde ſie der Schwung in eine vollkommne Kugel haben verwandeln koͤnnen. Es blieb alſo noch immer noͤthig, die Frage durch wirkliche auf der Erde ſelbſt gemachte Beobachtungen und Abmeſſungen zu entſcheiden.

Was dergleichen Abmeſſungen hieruͤber lehren koͤnnen, beruhet auf folgenden Gruͤnden. Taf. VIII. Fig. 4. ſey die krumme Linie PQSA ein Meridian der Erdkugel. Waͤre die Erde eine Kugel, und der Meridian ein vollkommner Kreis, ſo muͤßten alle Grade deſſelben gleich ſeyn, und alle Richtungen der Schwere, oder alle Scheitellinien, im Mittelpunkte zuſammenlaufen. Hat ſie aber eine ſphaͤroidiſche Geſtalt, wie in der Figur, ſo wird ihr Meridian bey P, wo ſie eingedruͤckt iſt, flach oder weniger gekruͤmmt ſeyn, bey A hingegen, wo ſie mehr erhoben iſt, eine ſtaͤrkere Kruͤmmung haben; mithin wird der Halbmeſſer dieſer Kruͤmmung bey B groͤßer, bey A kleiner ſeyn. Auch werden die Richtungen der Schwere oder die auf der Oberflaͤche lothrecht ſtehenden Linien PD, pD, AE, aE, welche in die Richtung des Halbmeſſers der Kruͤmmung fallen, nicht mehr in dem Mittelpunkte, ſondern in andern Punkten, z. B. in D und E, zuſammenkommen. Nun legt man nach dem, was oben gelehrt worden iſt, einen Grad des Meridians zuruͤck, wenn man in dieſem Kreiſe ſo weit fortgeht, bis der Scheitelpunkt am Himmel ſich um verſchoben, oder, was eben ſoviel iſt, bis die Richtung der Schwere29 ſich um geaͤndert hat. Stellen alſo die Stuͤcken Pp, Aa Grade des Mittagskreiſes vor, ſo laſſen ſich dieſelben als Kreisbogen anſehen, die mit den Halbmeſſern der Kruͤmmung DB, EA beſchrieben ſind, und deren zugehoͤrige Winkel PDp, AEa, jeder betragen. Es iſt aber der Halbmeſſer PD laͤnger, als EA, mithin auch der Bogen Pp groͤßer, als der aͤhnliche Bogen Aa, oder: Der Grad des Mittagskreiſes iſt da groͤßer, wo die Erde flach und eingedruͤckt, da kleiner, wo ſie erhaben iſt. Die Entſcheidung der Frage kam alſo darauf an, ob man den Grad des Mittagskreiſes bey wirklicher Abmeſſung uͤberall gleich oder verſchieden, und wo man ihn groͤßer finden werde. Sollte ſich Huygens und Newtons Muthmaßung beſtaͤtigen, ſo mußte man den Grad nach den Polen zu oder gegen Norden groͤßer finden, als gegen den Aequator zu oder gegen Suͤden.

Durch Abmeſſungen, von denen weiter unten umſtaͤndlichere Nachrichten folgen, hatte Snellius den Grad des Mittagskreiſes in den Niederlanden 55021, Picard in Frankreich 57060 Toiſen gefunden. Hiebey iſt der noͤrdlichere Grad kleiner als der ſuͤdliche. Daraus ſchloß ſchon Eiſenſchmidt (Diatribe de figura telluris elliptico-ſphaeroide, Argentorati 1691. 8. ), daß die Erde ein laͤngliches Sphaͤroid, d. i. um die Pole erhaben, und um den Aequator eingedruͤckt ſey, welches mit Newtons Behauptungen ſtreitet. Allein das Reſultat des Snellius iſt ſehr unrichtig; auch liegen ſich beyde Grade zu nahe, um etwas Sicheres aus ihrer Vergleichung zu ſchließen.

In den Jahren 1700 und 1701 zog Johann Dominicus Caſſini (ſ. Mém. de l'Acad. des Sc. ann. 1701.) eine von der pariſer Sternwarte bis an die Pyrenaͤen fortgehende Mittagslinie, welche den aſtronomiſchen Beobachtungen zufolge 18′ eines Mittagskriſes der Erdkugel ausmachte. Die geometriſche Meſſung gab hiebey den naͤchſten Grad an Paris 57126 1 / 2 Toiſen an, und da Picard den nordwaͤrts von Paris gelegnen Grad nur 57060 Toiſen gefunden hatte, ſo ſchien hieraus wiederum das Gegentheil von Newtons Muthmaßung zu folgen. 30

Um noch mehrerer Gewißheit willen, und zugleich zu Vervollkommnung der Geographie von Frankreich ward dem Sohne des vorigen, Jacob Caſſini nebſt Maraldi und de la Hire im Jahre 1718 aufgetragen, die pariſer Mittagslinie auch nordwaͤrts, und durch das ganze Koͤnigreich zu verlaͤngern. Sie fanden fuͤr beyde Bogen, wovon der ſuͤdliche bis Collioure, der noͤrdliche bis Duͤnkirchen gieng, folgende Reſultate

BogenLaͤnge in ToiſenGroͤſ. d Grad.
ſuͤdlicher Bogen18′57″360614-57097
noͤrdlicher -2129 1 / 2125454-56960

(ſ. Jaques Caſſini Tr. de la figure et de la grandeur de la terre, in der Suite des Mém. de l'Acad. des Sc. ann. 1718. auch beſonders gedruckt, Amſt. 1723. 8. Jacob Caſſini von der Figur und Groͤße der Erde, herausg. von Klimm. Leipz. 1741. 8.) Weil nun auch hier der noͤrdliche Grad kleiner, als der ſuͤdliche, angegeben ward, ſo beſtritten von dieſer Zeit an die franzoͤſiſchen Akademiſten Newtons Muthmaßung, nahmen die Erde fuͤr ein laͤngliches Sphaͤroid an, und behaupteten, man muͤſſe der Erfahrung und Meſſung mehr, als theoretiſchen Vermuthungen glauben, welche ſich auf unerwieſene Vorausſetzungen gruͤndeten. Dagegen vertheidigten die Englaͤnder, z. B. Gregory, Keill, Maclaurin, Stirling auch Hermann und Kraft die newtoniſche Meynung, hielten die franzoͤſiſchen Meſſungen fuͤr unzuverlaͤßig, und behaupteten mit Recht, die gemeſſenen Bogen laͤgen einander zu nahe, und auf einem allzukleinen Theile der Erdflaͤche beyſammen, als daß man daraus ſicher auf die Geſtalt des ganzen Umfangs ſchließen koͤnnte.

Um dieſen Streit voͤllig zu entſcheiden, bedurfte es einer Ausmeſſung zweyer aͤußerſten Grade, die ſo nahe als moͤglich, der eine am Pole, der andere am Aequator, laͤgen. Denn hiebey mußte der Unterſchied beyder ſo groß ausfallen, daß kein Zweifel daruͤber, welcher der groͤßere ſey, zuruͤckbleiben konnte.

In dieſer Abſicht beſchloß der franzoͤſiſche Hof im Jahre 1735 eine der glaͤnzendſten und fuͤr die Naturwiſſenſchaften31 uͤberhaupt vortheilhafteſten Unternehmungen. Es wurden zu Abmeſſung zweener ſo nahe als moͤglich am Pol und Aequator gelegner Grade die Herren Bouguer, de la Condamine, Godin, Juſſieu und Couplet nach Quito im noͤrdlichen Theile von Peru, von Maupertuis, Clairaut, Camus, le Monnier und der Abbé Outhier nach Lappland geſendet. Die letztern vollendeten ihr Werk zuerſt. Sie hatten in den Jahren 1736 und 1737 bey der Stadt Torneaͤ einen Grad des Mittagskreiſes gemeſſen, der den Polarkreis ſchneidet, und gaben ſchon 1738 Nachricht von den gefundenen Reſultaten (ſ. Figure de la terre determinée par les obſervations des Mſsrs. de Maupertuis, Clairaut, Camus etc. faites par l'ordre du Roi au cercle polaire. à Paris, 1738. 8. Figur der Erde, beſtimmt durch die Beobachtungen der Herren von Maupertuis rc. Zuͤrich, 1741. 8. Journal d'un voyage au Nord par Mr. l'Abbé Outhier, Paris 1738. 8.). Der gemeſſene Bogen betrug nach zwoen verſchiedenen Reihen von aſtronomiſchen Beobachtungen 57′ 27″ 57′ 30 1 / 2″, woraus man das Mittel von 57′ 28 3 / 4″ nahm, und ſeine Laͤnge, durch eine auf dem Eiſe gemeſſene Grundlinie von 7406 Toiſen und trigonometriſche Berechnung der damit verbundnen Dreyecke beſtimmt, fand ſich 55023 1 / 2 Toiſe. Hieraus folgt der in Lappland gemeſſene Grad = 57437,9 Toiſen, alſo um ein betraͤchtliches groͤßer, als alle in Frankreich gemeſſene. Herr von Maupertuis entſchied daher ohne Bedenken fuͤr die newtoniſche Muthmaßung, ob er gleich anfaͤnglich, beſonders in Frankreich, noch einigen Widerſpruch fand.

Alle Zweifel aber wurden voͤllig gehoben, als die nach Peru geſendeten Gelehrten das Reſultat ihrer aͤußerſt langwierigen und beſchwerlichen Arbeiten bekannt machten. Sie kamen erſt nach mehreren Jahren, zum Theil nach mancherley uͤberſtandenen Muͤhſeligkeiten, zuruͤck. (ſ. La figure de la terre determinée par les obſervations des Mſsrs. Bouguer et de la Condamine envoyés au Perou par l'ordre du Roi, par M. Bouguer. Paris, 1749. 4. Méſure des trois premiers degrés du Meridien dans l'hémiſphère auſtral, par Mr. de la Condamine. Paris, 1751. 4. Rela -32 cion hiſtorica del viage a la America meridional. Madrid 1748. 4., das letztere von Don Georg Juan de Ulloa, einem ſpaniſchen Officier, der nebſt ſeinem Bruder Antonio de Ulloa die Akademiſten begleitet hatte). Sie hatten einen ſuͤdwaͤrts vom Aequator gelegnen Bogen von 3. gemeſſen, und den Grad in Peru 56753 Toiſen, mithin weit kleiner, als die Grade in Frankreich, gefunden, ſo daß nunmehr die abgeplattete Geſtalt der Erde außer allen Zweifel geſetzt, und Newtons Meynung voͤllig beſtaͤtiget war.

Neuere Gradmeſſungen, welche ich im folgenden anfuͤhren werde, ſtimmen durchgaͤngig hiemit uͤberein. Man hat auch die genaue Geſtalt der Erdmeridiane unter der Vorausſetzung, daß ſie alle einander gleich ſind, zu beſtimmen geſucht. Natuͤrlich mußte man zuerſt darauf fallen, jeden Meridian als eine Ellipſe zu betrachten, wobey ſich denn mittelſt der Theorie der Kegelſchnitte aus Vergleichung zweener gemeſſenen Grade das Verhaͤltniß CA: CP beſtimmen laͤßt. Dazu haben ſchon Maupertuis und Bouguer, auch Clairaut und Mallet (Allgemeine oder mathematiſche Beſchreibung der Erdkugel, aus dem Schwed. von Roͤhl. Greifsw. 1774. 4.) Formeln gegeben. Allein es giebt unter den gemeſſenen Graden jedes Paar eine andere Ellipſe. Sie paſſen alſo nicht in eine einzige, und es wird daher unwahrſcheinlich, daß die Kruͤmmung der Meridiane elliptiſch und die Erdkugel ein Ellipſoid ſey. Bouguer, der doch damals nicht mehr, als drey verſchiedne Grade vergleichen konnte, fand dies ſchon, und ſchrieb alſo der Erde eine Kruͤmmung von anderer Art zu, welche auch de la Lande (Aſtronomie §. 2683.) annimmt und Hube (De telluris forma. Varſov. 1780. 8. ) genauer zu beſtimmen geſucht hat. Des Abt de la Caille Gradmeſſung am Vorgebirge der guten Hoffnung hat auch Zweifel veranlaſſet, ob die ſuͤdliche Helfte der Erde eben ſo, wie die noͤrdliche, gekruͤmmt ſey. Es ſind aber bis jetzt der Beobachtungen noch zu wenig, und der Umſtaͤnde, welche Fehler darinn veranlaſſen koͤnnen, zu viele, als daß man uͤber alle dieſe Fragen entſcheiden koͤnnte. Wir muͤſſen uns begnuͤgen zu wiſſen, daß zwar die Erdaxe kleiner als der Durchmeſſer33 des Aequators, daß aber auch dieſe Abplattung nicht ſehr betraͤchtlich ſey.

Aehnliche Abplattungen haben Caſſini am Jupiter, und ganz neuerlich Herr Herſchel am Mars bemerket, welche beyde Planeten ſich ebenfalls, der erſte in etwa 10, der zweyte in 24 1 / 2 Stunden, um ihre Axen drehen, ſ. Jupiter, Mars. Man ſieht hieraus, wie genau die aus dem kopernikaniſchen Weltſyſtem und den Geſetzen der Gravitation und Schwungkraft gezognen Folgen mit der Natur uͤbereinſtimmen. Groͤße der Erde.

Die im Vorigen bereits angegebne Art, die Groͤße des Bogens vom Mittagskreiſe od (Taf. VIII. Fig. 2.) dadurch zu finden, daß man bemerkt, um wieviel beym Fortgange von o nach d der Pol, Aequator, oder irgend ein beſtimmter Punkt im Mittagskreiſe, ſeinen Abſtand vom Zenith oder Horizonte aͤndert, iſt ſchon bey den Griechen zur Abmeſſung der Erde angewendet worden.

Das Vorgeben, daß Anaximander von Milet, einer der vornehmſten Schuͤler des Thales, die erſte Abmeſſung der Erde unternommen habe, gruͤndet ſich blos auf eine uͤbel verſtandne Stelle des Diogenes Laertius (Vit. Philoſ. L. II. 〈…〉〈…〉1), welche nichts weiter ſagt, als daß dieſer Weltweiſe den Umfang der Kuͤſten von den damals bekannten Laͤndern zuerſt in einer Zeichnung dargeſtellt habe. Eben ſo wenig kan man eine vom Archytas aus Tarent veranſtaltete Erdmeſſung aus der Stelle des Horaz (Od. I. 28.):

Te maris et terrae, numeroque carentis arenae Menſorem, Archyta etc.

beweiſen, da der Dichter offenbar blos die Abſicht hat, die Talente und Kenntniſſe des Archytas zu erheben.

Die erſte hiſtoriſch gewiſſe Abmeſſung der Erde iſt die von Eratoſthenes in Alexandrien (400 Jahre v. C. G.), deren außer dem Strabo und Plinius, auch Cleomedes (Theoria cyclica, Baſil. apud Henr. Petri 1547. 8. cap. 10.) gedenkt. Eratoſthenes nahm hiebey an, daß die Stadt34 Syene, an den Grenzen Egyptens und Aethiopiens, mit Alexandrien unter einerley Mittagskreiſe liege, wiewohl dieſe Vorausſetzung falſch iſt, und Syene nach dem Prolemaͤus (Geogr. L. IV. c. 5.) um 1°53′ oſtwaͤrts von Alexandrien gelegen hat. Nun war es bey den Alten bekannt, daß in Syene am Mittage des laͤngſten Tages die Sonne im Scheitelpunkte ſtehe, und die Koͤrper auf keine Seite einen Schatten wuͤrfen, daher auch Lucan (Pharial. II. v. 586) von der

umbras nusquam flectente Syene redet. Zu Alexandrien aber beobachtete Eratoſthenes den Schatten der Mittagsſonne am laͤngſten Tage mit Huͤlfe des Taf. VIII. Fig. 5. vorgeſtellten Werkzeugs (Scapha, Scaphium). Es war dies eine hohle Halbkugel AFB, mit einem getheilten Halbkreiſe, von deren Grunde F der ſenkrechte Stift FC (gnomon) aufgerichtet war. Stellte man dies an die Sonne, und richtete den Stift FC nach dem Zenith Z, ſo gab die Laͤnge ſeines Schattens Fs in Theilen des Kreiſes ausgedruͤckt, das Maaß des Winkels FCs = ZCS, d. i. den Abſtand der Sonne vom Scheitel, an. So fand Eratoſthenes dieſen Abſtand am Mittage des laͤngſten Tages = (1 / 50) des Kreiſes (nach dem bey uns gewoͤhnlichen Ausdrucke = 12′). Er ſchloß hieraus, daß Alexandrien von Syene, wo in eben dem Augenblicke die Sonne im Scheitel ſelbſt ſtehe, um (1 / 50) des ganzen Umkreiſes der Erde entfernt ſey, und ſetzte daher dieſen Umkreis, da beyde Staͤdte nach den Berichten der Reiſenden 5000 Stadien weit aus einander lagen, auf 50X5000 = 250000 Stadien, wiewohl Plinius (Hiſt. nat. II. 108.) angiebt, er habe 252000 Stadien gefunden. Es iſt aber ſehr ſtreitig, was fuͤr ein Maaß dieſes Stadium geweſen ſey. Rechnet man es mit Lulofs (Einleitung zur mathemat. und phyſikal. Kenntniß der Erdkugel, S. 67.) zu 570 pariſer Fuß, ſo giebt dieſe Meſſung den Umkreis der Erde bey weitem zu groß. Uebrigens ſoll ſie hundert Jahre nachher von Hipparchus berichtiget worden ſeyn, obgleich Plinius und Strabo (lib. II. ) in ihren Nachrichten von dieſer Verbeſſerung ſich ſehr widerſprechen. 35

Eine andere Angabe der Groͤße der Erde ruͤhrt von dem Stoiker Poſidonius zu Rhodus her, und gruͤndet ſich nach dem Berichte des Cleomedes auf die Beobachtungen der Hoͤhe des Canopus. Da dieſer Stern zu Rhodus taͤglich nur auf kurze Zeit im ſuͤdlichen Horizonte ſichtbar ward, und ſogleich wieder verſchwand, zu Alexandrien aber im Mittagskreiſe ſich um den 48ſten Theil des Kreiſes (d. i. um 7 1 / 2) uͤber den Horizont erhob, ſo nahm Poſidonius den Abſtand beyder Orte, welcher 5000 Stadien betrug, fuͤr den 48ſten Theil des Umkreiſes der Erde an, und ſetzte daher den letztern auf 240000 Stadien. Da dies griechiſche Stadien ſind, welche genau 180000 alexandriniſche ausmachen, und das alexandriniſche Stadium auf 685 pariſer Fuß geſetzt werden kan (Lulofs §. 44. 45. ), ſo giebt dieſe Beſtimmung jeden Grad 500 Stadien, oder 342500 par. Fuß = 57083 1 / 3 Toiſen, welches der Wahrheit ſehr nahe koͤmmt. Auch Strabo fuͤhrt an, daß Poſidonius die Groͤße des Umfangs der Erde 180000 Stadien ſetzte: Prolemaͤus (Geogr. L. VII. c. 5.) nimmt eben dieſe Groͤße der Erde an, ſchreibt aber ihre Beſtimmung dem Eratoſthenes, Hipparch und Maximus Tyrius zu. Weitlaͤufigere Unterſuchungen uͤber dieſe Meſſungen der Alten und die dabey gebrauchten Maaße findet man bey Riccioli (Geographia reform. lib. V. c. 7.), Snellius (im Eratoſthenes Batavus), Struyck (Over de Grotte der Aarde) und Eiſenſchmidt (De ponderibus et menſuris. Argent. 1708. 8.).

Um das Jahr 827 der chriſtlichen Zeitrechnung ließ der beruͤhmte Kalif Al-Mamon durch viele nach Bagdad berufene Mathematiker zween Grade des Mittagskreiſes in der Ebne Singar laͤngſt den Kuͤſten des arabiſchen Meerbuſens abmeſſen. Von dieſer Meſſung giebt Alfraganus in ſeiner Aſtronomie die Nachricht, daß man die Groͤße des Grades 56 bis 56 2 / 3 arabiſche Meilen gefunden habe. Man iſt aber auch uͤber dieſes Maaß noch ungewiß

Die im Jahre 1525 von dem franzoͤſiſchen Arzte Fernel verſuchte Meſſung, deren Snellius und Riccioli erwaͤhnen, beruhte auf aͤußerſt unſichern Gruͤnden. Er beobachtete die Polhoͤhe von Paris, fuhr dann gerade nach Norden,36 bis er aus der mittaͤglichen Sonnenhoͤhe glaubte, einen Grad weiter gekommen zu ſeyn, und maß den Weg durch die Anzahl der Umlaͤufe ſeines Wagenrads. Nach der Zeit haben Clavius, Kepler, Caſari u. a. viele geometriſche Methoden, die Groͤße der Erdkugel aus Beobachtungen auf Bergen zu finden, angegeben, welche man beym Varenius (Geogr. gener. ed. Cantabr. 1672. 8. p. 27.) und Riccioli (Geograph. reform. L. V. c. 14. ſqq. ) zum Theil auch beym Wolf (Elementa geograph. mathem. Cap. I. Problem. 2. ſqq. ) findet, die aber ſaͤmmtlich wegen der dabey unvermeidlichen Fehler keine Aufmerkſamkeit verdienen.

Das einzige Verfahren, welches hiebey die noͤthige Richtigkeit gewaͤhren kan, iſt die Ausmeſſung eines an der Mittagslinie hinlaufenden Stuͤcks der Erdflaͤche durch eine Dreyeckverbindung. Eine ſolche ſtellt Taf. VIII. Fig. 6. vor. Es ſey Aβ die durch den Ort A gehende Mittagslinie; B, C, D, E, F ſeyen Standpunkte, z. B. Signale auf Bergen, Thuͤrme u. dgl., von deren jedem man auf einige der benachbarten frey ſehen kan; ab eine angenommene Grundlinie, von deren Endpunkten ebenfalls eine freye Ausſicht auf einige der naͤchſten Signale ſtatt findet; ſo werden ſich, wie die Figur deutlich zeiget, ſaͤmmtliche Punkte durch die von A bis B reichende Reihe von Triangeln AFE, Fab, bFE, EbC, bCD, DCB verbinden laſſen. Iſt nun die Grundlinie ab nebſt allen in der Figur vorkommenden Winkeln bekannt, ſo laͤßt ſich durch trigonometriſche Berechnung die Laͤnge jeder Seite der Dreyecke beſtimmen, und die ganze Figur genau in Grund legen. Kennt man ferner die Winkel FAβ, EAβ, welche die an A liegenden Seiten mit der Mittagslinie Aβ machen, ſo laſſen ſich auch diejenigen Dreyecke der Figur, welche einen Theil der Mittagslinie zur Seite haben, wie AFγ, E〈…〉〈…〉2 u. ſ. w. bis an den Punkt β (wo bey β ein rechter Winkel iſt) berechnen. Die Summe der Linien A〈…〉〈…〉3 u. ſ. f. giebt alsdann die Laͤnge des ganzen gemeſſenen Stuͤcks vom Mittagskreiſe Aβ. Wird nun noch durch aſtronomiſche Beobachtungen in A und B ausgemacht, um wieviel ſich die Polhoͤhen oder die Abſtaͤnde eines culminirenden Sterns vom37 Scheitel an beyden Orten unterſcheiden, ſo giebt dieſer Unterſchied die Groͤße des Bogens Aβ in Graden, Minuten rc. des Umkreiſes der Erde an. Die Vergleichung lehrt dann ſogleich, wie groß an dieſer Stelle ein Grad des Mittagskreiſes ſey. Und da hiebey alles auf Meſſung einer einzigen Grundlinie, auf Meſſungen von Winkeln auf der Erde und am Himmel, und auf Berechnung beruht, ſo ſieht man bald, daß der ganze Plan auf die ſicherſten Gruͤnge gebaut iſt, die man bey dem gegenwaͤrtigen Zuſtande der mathematiſchen Praxis nur immer haben kan.

Dieſen einzig richtigen Weg hat zuerſt der Hollaͤnder Willebrord Snellius im Jahre 1615 betreten, und ſeine Meſſung in einem eignen Werke (Eratoſthenes Batavus ſ. de terrae ambitus vera quantitate. Lugd. Bat. 1617. 4. ) beſchrieben. Seine Triangelverbindung gieng von Alkmaar nach Leiden und nach Bergen op Zoom. Ihm bleibt zwar das unſtreitige Verdienſt, dieſen Weg, worauf ihm nach der Zeit alle andern Geometer gefolgt ſind, zuerſt betreten zu haben, welches Verdienſt um deſto groͤßer iſt, da er ſich bey den trigonometriſchen Berechnungen des Vortheils der Logarithmen noch nicht bedienen konnte, und alſo den ermuͤdendſten Weitlaͤuftigkeiten der Rechnung ausgeſetzt war; allein eben dadurch fiel auch ſein Reſultat, welches den Grad in Holland 28500 rheinl. Ruthen oder 55021 Toiſen ſetzt, viel zu klein aus, und ob er gleich ſelbſt die Fehler ſeiner Meſſung und Rechnung einſahe, ſo hinderte ihn doch der Tod im Jahre 1626 ſie zu verbeſſern. Muſſchenbroek hat nachher dieſe Arbeit wiederholt, und das Reſultat (Diſſertationes phyſicae et geometricae. Lugd. 1729. 4. Diſſ. de magnitudine terrae) auf 29514 rheinl. Ruthen oder 57033 Toiſen geſetzt.

Norwood's Meſſung zwiſchen London und York im Jahre 1635 gab den Grad 57300 Toiſen, und die Verſuche des Riccioli und Grimaldi, welche dieſe Aufgabe auf mannigfaltige Art bearbeiteten, ſetzten ihn auf 61478 Toiſen. Die letztere Beſtimmung aber verdient gar keine Aufmerkſamkeit, weil ſich ihre Urheber unzuverlaͤßiger Methoden38 bedient haben; dahingegen die erſtere von der Wahrheit nur wenig abweicht.

Ich komme nunmehr auf die ſo beruͤhmt gewordene Meſſung des Picard, welcher den von Snellius angegebnen Weg zuerſt mit beſſern Werkzeugen und mehrern Huͤlfsmitteln der Rechnung verfolgte. Dieſem Gelehrten ward bey der Errichtung der Akademie zu Paris aufgetragen, eine Gradmeſſung in Frankreich zu veranſtalten. Er machte daher im Jahre 1669 eine von Malvoiſine bis Amiens reichende Verbindung von Dreyecken, bediente ſich dabey zur Meſſung der Winkel zum Erſtenmale der Inſtrumente mit Fernroͤhren oder teleſkopiſchen Dioptern, und beſtimmte dadurch den Grad in dieſer Gegend auf 57060 Toiſen. (Méſure de la terre par M. Picard, Paris 1671. 8. auch im Auszuge bey ſeinem Traité du nivellement. Paris 1684. 12.). So genau ſein Verfahren war, ſo hat dennoch Herr von Maupertuis (Degré du meridien entre Paris et Amiens, Paris, 1740. 8. ) noch einige Berichtigungen deſſelben verſucht.

Unter der damals noch allgemein angenommenen Vorausſetzung der vollkommnen Kugelgeſtalt folgte aus Picard's Beſtimmung der Umkreis des Meridians = 360 X 57060 = 20541600 Toiſen; hieraus durch das Verhaͤltniß 355: 113 die Groͤße des Durchmeſſers der Erde = 6538600 Toiſen; die des Halbmeſſers = 3269300 Toiſen, oder 19615800 pariſer Schuh. Dieſe Beſtimmung haben Huygens und Newton bey ihren Berechnungen zum Grunde gelegt, und man gebraucht ſie noch jetzt, wenn es nicht nothwendig iſt, auf die abgeplattete Geſtalt der Erde Ruͤckſicht zu nehmen.

Allein da Picard ſelbſt anrieth, die von ihm angefangene Gradmeſſung fortzuſetzen, ſo veranlaſſete dies die in den Jahren 1683, 1700 und 1718 unternommene Verlaͤngerung der pariſer Mittagslinie durch ganz Frankreich, bey welcher die beyden Caſſini die noͤrdlichen Grade kleiner, als die ſuͤdlichen, zu finden glaubten und dadurch den bereits im Vorigen erzaͤhlten Streit uͤber die Geſtalt der Erde erregten, welcher erſt durch die in den Jahren 1735 bis 174439 in Peru und Lappland von Bouguer und Maupertuis angeſtellten Meſſungen entſchieden ward Da die Geſchichte dieſer Unternehmungen ſchon oben erzaͤhlt worden iſt, ſo habe ich hier nur anzufuͤhren, was fuͤr Schluͤſſe man daraus in Abſicht auf die Groͤße der Erdkugel hergeleitet hat.

Folgende Tabelle (Bode Kenntniß der Erdkugel, S. 82.) zeigt die Laͤnge aller bisher gemeſſenen Grade des Mittagskreiſes in Toiſen.

Beobachter.Orte und Gegenden.Mittlere Breite.Laͤnge d.
Grads.
BouguerPeru --20′S.56753
de la CailleVorgeb. d. g. Hofn.3318S.57037
MaſonPenſylvanien -3912N.56888
Boscowichbey Rom -43156979
CaſſiniPerpignan, Rhodes443357048
BeccariaTurin --444457138
LiesganigUngarn -455756881
CaſſiniRhodes Bourges461457040
Bourges Paris472857071
LiesganigWien --484357086
CaſſiniParis, Amiens492057074
Amiens, Duͤnkirch.502757092
SnelliusHolland -52257145
NorwoodEngland -53057300
v. MaupertuisLappland -661957422

Wegen der abgeplatteten Geſtalt der Erde wird die genauere Unterſuchung ihrer Groͤße abhaͤngig von den Beſtimmungen ihrer Figur, und von dem Verhaͤltniſſe ihrer Axe zum Durchmeſſer des Aequators. Es iſt aber noch bis hieher unmoͤglich, hieruͤber etwas gewiſſes anzugeben. Man wird ſchon in der Tabelle bemerken, daß der von de la Caille gemeſſene Grad groͤßer ausfaͤllt, als man bey der Breite, unter der er gemeſſen iſt, erwarten ſollte, welches auf die Vermuthung leitet, daß die ſuͤdliche Halbkugel anders, als die noͤrdliche, gekruͤmmt, mithin die Erde kein vollkommnes Ellipſoid ſey, wie man doch bey den Berechnungen ihrer Groͤße annehmen muß. Inzwiſchen bemerkt Herr Kluͤgel (in Bode aſtronomiſchem Jahrbuche von40 1787 und 1788), daß demohnerachtet die Erde ein Ellipſoid ſeyn koͤnne, deſſen Axe aber nur von der Axe der Umdrehung in etwas verſchieden ſey. Waͤre dieſe Verruͤckung der Axe oder des Schwerpunkts durch eine Revolution bewirkt worden, und haͤtte das Cap ehedem vom Aequator weiter abgelegen, als jetzt, ſo ließe ſich die Groͤße des Grades daſelbſt erklaͤren, ohne eine andere als die ellipſoidiſche Geſtalt der Erde anzunehmen.

Unter der Vorausſetzung dieſer Geſtalt kommen bisher noch immer andere Verhaͤltniſſe des Durchmeſſers zur Axe heraus, je nachdem man dieſes oder jenes Paar von Graden vergleicht. Mallet (Mathem. Beſchr. der Erdkugel, Cap. IV. §. 23.) giebt nach ſeiner auf die Natur der Ellipſe gegruͤndeten Formel Folgendes an:

Verglichene Paare vonVerhaͤltniß des Durch -
Graden.meſſers zur Axe.
Lappland, Frankreich144,5: 143,5
Cap der guten Hofnung, Peru180,7: 179,7
Lappland, Peru215,2: 214,2
Lappland, Cap der gut. Hofn. 240,6: 239,6
Frankreich, Peru300,6: 299,6
Italien, Peru351,5: 350,5

Das Mittel aus dieſen allen iſt 238,8: 237,8, welches Newtons aus der bloßen Theorie hergeleitetem Verhaͤltniſſe 230,6: 229,6 nahe genug koͤmmt. Euler (Mem. de l'Acad. de Pruſſe 1753. p. 265.) hat die vier von Picard, Maupertuis, Bouguer und de la Caille gemeſſenen Grade dadurch in eine Ellipſe zu bringen geſucht, daß er jeden um etwas aͤndert. Er findet dieſer Ellipſe Durchmeſſer zur Axe wie 230: 229, welches Newtons Verhaͤltniß ſelbſt iſt. De la Caille aber war mit dieſen Aenderungen nicht zufrieden. Nach andern Regeln und Vorausſetzungen finden das Verhaͤltniß des Durchmeſſers zur Axe

Maupertuis wie178: 177
Bouguer179: 178
de la Caille200: 199
Ulloa266: 265
de la Condamine300: 299

41

Uebrigens laͤßt ſich dieſes Verhaͤltniß auch unmittelbar durch Vergleichung der Pendeln an verſchiedenen Orten, ohne beſondere Gradmeſſung finden; ſ. Pendel.

Legt man ein anderes Verhaͤltniß zum Grunde, ſo erhaͤlt man natuͤrlich auch andere abſolute Groͤßen des Durchmeſſers und der Axe ſelbſt. Einige der vornehmſten Angaben hieruͤber ſind folgende, in Toiſen ausgedruͤckt:

Halbe Axe.Halbm. d. Aequ.
Maupertuis3262800-3255398
Bouguer3262688,5-3281013
die berliner aſtr. Tafeln
(Newtons Verhaͤltniß)3262875-3277123
Mallet. (200: 199) -3264049-3280451

Herr Kluͤgel, welcher ſehr ſcharfſinnig unterſucht hat, was ſich aus allen bisherigen Meſſungen auf der Nordſeite des Aequators noch am wahrſcheinlichſten folgern laſſe, giebt folgendes an:

Mittlerer Halbmeſſer der Kruͤmmung3 271 589Toiſen.
Mittlerer Grad des Mittagskreiſes57 100
Halbmeſſ. der Kruͤmm. unter d. Aequ.3 251 249
----- unter d. Pol3 303 045
Halbmeſſer des Aequators3 279 991
Halbe Erdaxe3 262 447
Verhaͤltniß beyder187: 186
Mittlerer Halbmeſſer der Erde3 275 790Toiſen.
Groͤße des Grads auf dem Aequ.57 247
Groͤße des Grads auf dem mittlern
Umfange der Erde57 173,5
Der 15te Theil hievon, oder die
geographiſche Meile3 811,6
oder 23661 rheinl. Fuß = 26274 leipz. Fuß.

nach welchen Angaben auf den Umfang eines Meridians 5393, und auf den Umfang des Aequators 5407 geographiſche Meilen kommen.

Mallet theilt, freylich nach andern Vorausſetzungen, analytiſche Berechnungen der ellipſoidiſchen Oberflaͤche und des koͤrperlichen Inhalts mit, nach welchen42

der Umkreis eines Meridians5389 geogr. Meilen
die Oberflaͤche der Erde8400165 Quadr. Meilen
der koͤrperliche Inhalt2669064400 Cubikmeilen

betraͤgt.

Soweit reichen die Reſultate der bisherigen Beobachtungen, welche es ſogar unwahrſcheinlich machen, daß ſich jemals etwas Beſtimmteres uͤber die Groͤße und Geſtalt der Erde werde angeben laſſen. Inzwiſchen iſt das Gefundene zu den meiſten Abſichten voͤllig hinreichend. Da die Abplattung der Erde (degré d' applatiſſement) oder die Groͤſſe, um welche die Axe kuͤrzer als der Durchmeſſer iſt, nur ſehr wenig (zwiſchen (1 / 178) und (1 / 300) des Durchmeſſers) betraͤgt, ſo ſieht man leicht, daß es ganz uͤberfluͤßig ſeyn wuͤrde, bey Verfertigung der Landkarten und Globen darauf Ruͤckſicht zu nehmen.

In den mehreſten Faͤllen wird man ſich ſchon damit begnuͤgen koͤnnen, die Erde als eine vollkommne Kugel zu betrachten, auf der der Grad eines groͤßten Kreiſes nach Picards Meſſung 57060 Toiſen, oder nach Herrn Kluͤgels Mittel aus den neuern Beſtimmungen 57173 1 / 2 Toiſen betraͤgt. Nennt man den funfzehnten Theil eines ſolchen Grades eine Meile (ſ. Meile, geographiſche), ſo enthaͤlt der ganze Umfang 5400 ſolcher Meilen, woraus man nach den bekannten Regeln der Geometrie

den Durchmeſſer1719 Meilen,
die Oberflaͤche -9 282 060 Quadr. Meilen,
den koͤrperlichen Inhalt2659 310 190 Cubikmeilen,

findet. In churſaͤchſiſchen Meilen, jede zu 2000 achtelligen Ruthen oder 32000 leipziger Fuß gerechnet (ſ. Meile), und das Verhaͤltniß des pariſer Fußes zum leipziger, wie 14400: 12529 geſetzt, wuͤrde nach den Kluͤgeliſchen Angaben

der Durchmeſſer des Aequators -1413,7 Meilen
der mittlere Durchmeſſer der Erdkugel1409,9
die Axe der Erde ---1406,1

betragen. 43Die Erdkugel, als Planet betrachtet.

Es kan in unſern Zeiten nicht mehr als zweifelhaft angeſehen werden, daß unſere Sonne einer von den unzaͤhlbaren leuchtenden Himmelskoͤrpern ſey, welche wir Fixſterne nennen, und daß die Erde unter die Anzahl der dunkeln Koͤrper gehoͤre, welche in elliptiſchen Bahnen um die Sonne laufen, und denen wir den Namen der Planeten geben. Mit welchem hohen Grade der Wahrſcheinlichkeit ſich dieſes behaupten laſſe, wird bey dem Worte: Weltſyſtem mit mehrerm gezeigt werden.

Die Erde iſt unter den ſieben um die Sonne laufenden Planeten, vom Mittel oder von innen aus gerechnet, der dritte. Ihre Laufbahn umſchließt die Bahnen des Merkurs und der Venus (der untern Planeten), dagegen ſie von den Bahnen des Mars, Jupiter, Saturn und Uranus (der obern Planeten) umſchloſſen wird. Daher koͤmmt es, daß wir von der Erde aus die untern Planeten beſtaͤndig bey oder neben der Sonne, die obern aber bisweilen auch der Sonne gegenuͤber ſehen (ſ. Aſpecten, Oppoſition).

Der Umlauf der Erde um die Sonne (motus periodicus, revolution périodique) erfolgt in der elliptiſchen Erdbahn, in deren Brennpunkte die Sonne ſteht. Nach den neuſten aſtronomiſchen Beſtimmungen laͤßt ſich die halbe große Axe dieſer Bahn, oder der mittlere Abſtand der Erde von der Sonne auf 23430 Halbmeſſer oder 11715 Durchmeſſer der Erde ſetzen. Man kan ſich den Begriff hievon ſo machen, daß gegen 12000 Erdkugeln an einander geſetzt werden muͤßten, um von hier aus die Sonne zu erreichen. Theilt man dieſe Groͤße in 100000 Theile, ſo macht die Eccentricitaͤt der Erdbahn (ſ. Eccentricitaͤt) 1683 ſolcher Theile aus. Ohngefaͤhr um den Anfang des Jahres iſt die Erde der Sonne am naͤchſten, und um den erſten Junius ſteht ſie von ihr am weitſten ab; ſ. Sonnennaͤhe, Sonnenferne.

Die Zeit, in welcher unſere Erde dieſe große Bahn voͤllig einmal durchlaͤuft, heißt das Sonnenjahr, und betraͤgt44 ohngefaͤhr 365 1 / 4 Tage, oder 8766 Stunden. Genauere Beſtimmungen derſelben werden bey dem Worte: Sonnenjahr, gegeben. Nimmt man die Erdbahn zur Erleichterung der Rechnung fuͤr einen Kreis an, deſſen Halbmeſſer 23430 Erdhalbmeſſer betraͤgt, ſo findet man daraus den in 8766 Stunden zuruͤckgelegten Umfang = 147214 Erdhalbmeſſern, deren jeder 859 1 / 2 geographiſche Meile gerechnet werden kan. Die Erde durchlaͤuft alſo in einer Stunde (147214 X 859,5 / 8766) = 14434, folglich in einer einzigen Secunde 4 Meilen oder 94644 rheinl. Fuß, welches die Geſchwindigkeit einer Kanonenkugel, die man auf 600 Fuß in einer Secunde ſetzen kan, 157mal uͤbertrift.

Die Richtung dieſer Bewegung geht nach der Folge der himmliſchen Zeichen, d. i. ſo, daß die Erde einem innerhalb ihrer Bahn geſtellten mit dem Haupte gegen den Nordpol gekehrten und gegen die Erde ſehenden Zuſchauer ſtets von der Rechten gegen die Linke zu laufen ſcheinen wuͤrde, ſ. Folge der Zeichen.

Die Umwaͤlzung der Erde um ihre Axe (motus vertiginis, revolution diurne, rotation) geſchieht in einem Zeitraume, der ſich immer gleich bleibt, und daher das eigentliche aus der Natur ſelbſt genommene Maaß der Zeit abgiebt. Er heißt der Sterntag, oder Tag der erſten Bewegung, ſ. Sternzeit, und macht in mittlerer Sonnenzeit nur 23 St. 56 Min. 4 Sec. aus. Die Richtung dieſer Bewegung iſt ebenfalls nach der Folge der Zeichen, oder von Abend gegen Morgen. Dieſe Umwaͤlzung der Erdkugel, welche wir an nichts weiter, als an den Geſtirnen, bemerken, macht, daß ſich die Himmelskugel taͤglich nach der entgegengeſetzten Richtung, oder von Morgen gegen Abend, um die verlaͤngerte Erdaxe zu drehen ſcheint.

Bey dieſer Umwaͤlzung beſchreibt jeder Ort einen deſto groͤßern oder kleinern Kreis, je geringer oder groͤßer ſein Abſtand vom Aequator der Erde iſt. Taf. VIII. Fig. 3., wo PR die Axe der Umdrehung iſt, beſchreibt der Ort E einen Kreis vom Halbmeſſer HE, G einen vom Halbmeſſer KG. 45Der im Aequator AQ ſelbſt gelegne Ort beſchreibt einen groͤßten Kreis, und legt alſo binnen 24 Stunden 5400 Meilen, d. i. in einer Secunde 1540 rheinl. Fuß zuruͤck, welche Geſchwindigkeit die einer Kanonenkugel etwa 2 1 / 2mal uͤbertrift.

Es ſteht aber die Are der taͤglichen Umwaͤlzung der Erde nicht ſenkrecht auf der Ebne ihrer jaͤhrlichen Bahn, ſondern neigt ſich vielmehr um einen Winkel von etwa 23 1 / (ſ. Schiefe der Ekliptik) gegen diejenigen Himmelsgegenden, in welchen die Weltpole ſtehen. Dieſe Neigung behaͤlt die Erdaxe in allen Stellen der Erdbahn ohne betraͤchtliche Veraͤnderung bey, ſo daß ſie ſich jederzeit ziemlich parallel bleibt. Die ſchiefe Stellung der Erdaxe gegen die Erdbahn macht, daß ſich der Aequator des Himmels und die Ekliptik unter eben dieſem Winkel von 23 1 / zu durchſchneiden ſcheinen; daher die Sonne in unſern Gegenden vom 21. Maͤrz bis 21. Jun. um 23 1 / uͤber den Aequator hinauf gegen den Nordpol ſteigt, vom 23. Sept. aber bis 21. Dec. um eben ſoviel unter den Aequator hinab gegen den Suͤdpol ſinkt. Hierinn liegt der Grund der abwechſelnden Tageslaͤngen und Jahrszeiten auf unſerer Erdkugel. Die einfache und ſchoͤne Erklaͤrung, welche ſich im kopernikaniſchen Weltbau hievon geben laͤßt, wird bey dem Worte: Weltſyſtem ausfuͤhrlicher vorgetragen werden.

Der jaͤhrliche Umlauf der Erde um die Sonne erfolgt ſo, wie es die Geſetze der elliptiſchen Centralbewegungen erfordern, ſ. Centralbewegung, Centralkraͤfte. Es folgt alſo daraus, daß die Erdkugel gegen die Sonne durch eine Gravitation getrieben werde, welche ſich umgekehrt, wie das Quadrat ihres Abſtandes von derſelben, verhaͤlt. Zu dieſer Gravitation muß im erſten Anfange ein Stoß oder eine mitgetheilte Bewegung nach einer Tangente der Erdbahn hinzugekommen ſeyn, deſſen Verbindung mit der Gravitation den Anfang der Umlaufsbewegung verurſacht hat, welche nun durch beſtaͤndige Verbindung der einmal mitgetheilten Bewegung mit eben dieſer Gravitation unaufhoͤrlich fortdauert. Ein anderer Stoß, oder eine andere mitgetheilte Bewegung iſt die Urſache der Umdrehung um die46 Axe geworden, welche nun ganz unabhaͤngig von dem jaͤhrlichen Umlaufe, als eine einmal mitgetheilte Bewegung, vermoͤge der Traͤgheit der Materie, ſich ſtets gleichfoͤrmig in eben derſelben Geſchwindigkeit erhaͤlt. Beyde Bewegungen gehen zwar nach einerley Seite zu, ihre Richtungen aber ſchneiden ſich doch unter einem Winkel von 23 1 / 2 Graden.

Inzwiſchen wird die Erdkugel bey ihrem jaͤhrlichen Umlaufe um die Sonne, durch ihre Gravitation gegen andere Weltkoͤrper, hauptſaͤchlich gegen den Mond, die Venus und den Jupiter, ein wenig geſtoͤrt. Davon ruͤhren die Veraͤnderungen der Sonnennaͤhe und Sonnenferne, und andere Ungleichheiten in der ſcheinbaren Bewegung der Sonne her, auf welche man bey der Berechnung ihres jedesmaligen wahren Ortes aus den aſtronomiſchen Tafeln Ruͤckſicht nehmen muß, und von welchen ſich in keinem andern, als in dem kopernikaniſchen Syſtem und nach Newtons Lehre von der allgemeinen Schwere, eine Urſache angeben laͤßt.

Der ſcheinbare Durchmeſſer der Erdkugel wuͤrde aus der Sonne betrachtet, nur unter einer Groͤße von 17 Sekunden oder wenig druͤber, erſcheinen, ſ. Sonnenparallaxe, d. i. die Erde zeigt ſich daſelbſt nur ſo groß, als uns der Planet Mars, wenn er Abends um 9 Uhr in Suͤden ſteht. Da uns nun der Durchmeſſer der Sonne etwas uͤber einen halben Grad (32′) groß, und alſo 112mal groͤßer, erſcheint, ſo folgt hieraus, daß die Erdkugel

im Durchmeſſer 112mal

an Oberflaͤche 12544mal

an koͤrperlichem Raume 1404928mal

kleiner, als die Sonne, ſey.

Aus den Vergleichungen der Gravitation der Planeten gegen die Sonne mit der Schwere der Erdkoͤrper berechnet de la Lande, daß in gleichen Entfernungen die Gravitation nach der Sonne 365412mal ſtaͤrker, als die Schwere nach der Erde ſey. Weil ſich nun nach Newtons Grundſaͤtzen die Gravitation in gleichen Abſtaͤnden, wie die Maſſe des anziehenden Koͤrpers verhaͤlt, ſo folgt hieraus, daß die47 Maſſe der Erde nur den 365412ten Theil von der Maſſe des Sonnenkoͤrpers ausmache. Da endlich die Dichtigkeiten ſich, wie die Quotienten der Maſſen durch die Volumina, verhalten, ſo findet ſich die Dichte des Erdkoͤrpers (1404928 / 365412) d. i. beynahe viermal groͤßer, als die Dichte der Sonne.

Man bezeichnet in der Sternkunde die Erde, wenn man ſie als einen Planeten betrachtet, mit

[figure]

.

Sie hat zum beſtaͤndigen Begleiter in ihrer jaͤhrlichen Laufbahn den Mond, einen im Durchmeſſer beynahe viermal kleinern kugelfoͤrmigen Koͤrper, welcher ſeinen elliptiſchen Umlauf um die Erde, von der er etwa um 60 Erdhalbmeſſer abſteht, monatlich einmal vollendet, und von welchem in einem eignen Artikel gehandelt wird. Oberflaͤche der Erde.

Nach der im Vorigen angegebnen Groͤße der Erde begreift ihre Oberflaͤche einen Raum von 9282060 geographiſchen Quadratmeilen. Zwar iſt die wahre Oberflaͤche wegen der durch Berge und Thaͤler verurſachten Unebenheiten groͤßer; da ſich aber hieruͤber keine Rechnung fuͤhren laͤßt, ſo giebt obige Zahl wenigſtens die der Meeresflaͤche gleich liegende Grundoberflaͤche an.

Der groͤßte Theil dieſer Oberflaͤche iſt mit Waſſer bedeckt, uͤber welches vornehmlich zwey große Stuͤcken feſten Landes, außerdem aber auch noch viele tauſend kleinere Inſeln von verſchiedener Groͤße hervorragen, und die den Menſchen angewieſenen Wohnplaͤtze ausmachen. Da das ſuͤdwaͤrts von den Molucken gelegne Neuholland eine ſehr große Inſel iſt, ſo wird es von Herrn Forſter (Bemerkungen uͤber Gegenſtaͤnde der phyſikaliſchen Erdbeſchreibung, a. d. Engl. Berlin, 1783. 8. ) fuͤr ein drittes Stuͤck feſten Landes gerechnet.

Das erſte Stuͤck des feſten Landes, gemeiniglich die alte Welt genannt (weil es groͤßtentheils ſchon den Alten bekannt war), begreift die drey Welttheile, oder Erdtheile Europa, Aſien und Afrika. Europa bedeckt ohngefaͤhr48 den 54ſten Theil der Erdflaͤche, liegt faſt ganz in der noͤrdlichen gemaͤßigten Zone, und erſtreckt ſich nur mit einem geringen Theile uͤber den Polarkreis hinaus in die noͤrdliche kalte Zone. Aſien graͤnzt an Europa oſtwaͤrts, macht den 14ten Theil der Erdflaͤche aus, ſein mittlerer und ganz zuſammenhaͤngender Theil faͤllt in die noͤrdliche gemaͤßigte, der noͤrdliche in die kalte, und der ſuͤdliche ſtreckt ſich mit drey Landſpitzen bis in die heiße Zone. Afrika, welches ſuͤdwaͤrts von Europa liegt, und den 17ten Theil der Erdflaͤche bedeckt, faͤllt groͤßtentheils in die heiße, und hat nur ſeinen nordlichen Theil und ſeine ſuͤdliche Spitze in den beyden gemaͤßigten Zonen.

Das zweyte Stuͤck oder die von Chriſtoph Colom im Jahre 1492 entdeckte neue Welt beſtehet aus dem vierten Welttheile, welcher von dem Florentiner Amerigo Veſpucci den Namen Amerika erhalten hat. Dieſer Welttheil liegt von Europa aus, wenn man den naͤchſten Weg waͤhlet, weſtlich, nimmt etwa den 16ten Theil der Erdflaͤche ein und erſtreckt ſich von der nordlichen kalten Zone uͤber die nordliche gemaͤßigte, und durch die heiße bis tief in die ſuͤdliche gemaͤßigte Zone hinein. Er wird durch die in der Mitte befindliche ſchmale Landenge bey Panama in zwey Theile, Nord - und Suͤdamerika getheilt. Von dem nordlichſten Theile deſſelben kennen wir groͤßtentheils nur die Kuͤſten.

Die im großen Suͤdmeere oder ſtillen Meere zwiſchen Aſien und Amerika gelegnen haͤufigen Inſeln haben einige neuere Geographen, unter dem Namen Auſtralien oder Polyneſien, als einen fuͤnften Welttheil betrachtet. Es gehoͤren dazu Neuholland, Neuguinea, das Land der Papuas, Neubritannien, Neuirland, Louiſiade, Neuſeeland und mehrere in der heißen und in der ſuͤdlichen gemaͤßigten Zone gelegne Inſeln.

Nach einer aus Tempelmann (New Surview of the Globe in 35 Kupfertafeln) und Kluͤgel (Encyclopaͤdie, Th. II. S. 422.) genommenen Berechnung giebt Herr Bode den Flaͤchenraum von49

Europa-171834geogr.
[figure]
meilen.
Aſien-641093
Afrika-531638
Amerika-572110
Neuholland-143000
Summe2,059675

Rechnet man nun auch die uͤbrigen Inſeln und das, was den neuſten Entdeckungen zufolge noch fuͤr die Groͤße von Amerika hinzuzuſetzen ſeyn moͤchte, auf eine Million Quadratmeilen, ſo hat man doch fuͤr das ſaͤmmtliche trockne Land nicht mehr als 3,059675 Quadratmeilen. Dies gegen die oben angegebne Groͤße der Kugelflaͤche gehalten, zeigt, daß uͤber 2 / 3 der Erdflaͤche mit Waſſer bedeckt ſind, und das feſte Land noch nicht 1 / 3 betraͤgt. Die Hofnung, noch ein großes feſtes Land gegen Suͤden zu finden, mit der man ſich ſonſt ſchmeichelte, ſcheint auch nunmehr ziemlich verſchwunden zu ſeyn (Man ſ. Forſters Bemerkungen uͤber Gegenſt. der phyſik. Erdbeſchr. S. 58. u. f.).

Wie Vorſtellungen von der Oberflaͤche der Erde entworfen werden, ſ. bey dem Worte: Landkarten. Die ganze Oberflaͤche legen vor Augen: Eaſtern and Weſtern Hemiſphere, London, by Jefferies and Faden. 1773. 1775, auf zwey Bogen. Die nordliche und ſuͤdliche Erdoberflaͤche, auf der Aequatorflaͤche entworfen, von Chriſtlieb Benedikt Funk. Leipzig, 1781 auf zwey Bogen, nebſt einer Anweiſung zum Gebrauch. Hemiſphere ſuperieur et inferieur de la Mappemonde, projettés ſur l'horizon de Paris par le P. Chryſologue de Gy. Paris 1778, zwey Bogen. Die obere oder nordliche, die untere oder ſuͤdliche Halbkugel der Erde, mit den neuſten Entdeckungen, auf den Horizont von Berlin ſtereographiſch entworfen von J. E. Bode. Berlin, 1783. Zwey Bogen mit Anweiſung zum Gebrauch.

Bey der Betrachtung dieſer Abbildungen fallen folgende Bemerkungen leicht in die Augen.

1) Man kan die Erdkugel in zwo Helften theilen, deren eine groͤßtentheils mit Land, die andere mit Waſſer bedeckt50 iſt. Die Landhalbkugel hat Grosbritannien zu ihrem Mittelpunkte, und begreift alle vier Welttheile blos mit Ausſchluß der ſuͤdlichen Spitzen von Amerika und Aſien; da hingegen die Waſſerhalbkugel, deren Mittel in die Neuſeelandsinſeln faͤllt, außer dieſen Spitzen lauter Meer und Inſeln in ſich faſſet. Auf der kuͤnſtlichen Erdkugel theilt der Horizont beyde Halbkugeln ab, wenn man den 185ſten Grad der Laͤnge unter den meſſingenen Meridian fuͤhrt, und den Globus ſelbſt auf die ſuͤdliche Polhoͤhe von 50 Grad ſtellt.

2) Faſt alle große Stuͤcken des feſten Landes endigen ſich gegen Suͤden zu in Spitzen mit hohen Vorgebirgen, welche weſtwaͤrts große Buchten oder Meerbuſen, oſtwaͤrts Inſeln neben ſich haben. Dieſe Anordnung findet ſich an der Spitze von Afrika, am Cap Comorin in Aſien, an der Spitze von Amerika, an Neuholland rc. Der Anblick iſt faſt ſo, als ob eine große von Suͤden hereingebrochne Waſſerfluth dem trocknen Lande ſeine Geſtalt gegeben haͤtte.

Uebrigens habe ich wegen anderer hiemit verbundenen Materien auf die Artikel: Meer, Berge, Quellen, Fluͤſſe, Seen zu verweiſen. Innere Beſchaffenheit der Erdrinde.

Es iſt unmoͤglich, von der innern Beſchaffenheit der Erde ſelbſt etwas mehr, als Muthmaßungen anzugeben. Selbſt die tiefſten Bergwerke erſtrecken ſich nicht uͤber eine Teufe von 500 Lachtern oder etwa 510 Toiſen, welches kaum (1 / 6000) des Halbmeſſers der Erde austraͤgt. Und ſelbſt dieſe Oefnungen ſind in Bergen, d. i. an hoͤhern Stellen der Erdflaͤche gemacht, da die niedrigſten vom Meere bedeckt werden. Aus den Erfahrungen im Innern der Berge auf das Innere der Erde ſchließen, waͤre alſo eben ſoviel, als die innere Structur einer Eiche nach ihrer Rinde beurtheilen. Inzwiſchen werden doch die vornehmſten Reſultate der Erfahrungen uͤber die Rinde ſelbſt hier eine ſchickliche Stelle finden.

Wo man auch in die Erde graͤbt, findet man im platten Lande den lockern Theil ihrer Rinde aus verſchiedenen51 uͤber einander gelegten Schichten oder Lagern (Strata, couches) zuſammengeſetzt. Die oberſte Lage beſteht gemeiniglich aus der ſogenannten Damm - oder Gartenerde, vegerabiliſchen Erde, worinn die Pflanzen wachſen, und in welche auch die Thiere und Pflanzen durch Faͤulniß, Vertrocknung und Abreibung wieder aufgeloͤſet werden. Man findet aber auch dergleichen Dammerde bisweilen in einiger Tiefe unter andern Schichten. Die Ordnung der Schichten richtet ſich nicht immer nach der eigenthuͤmlichen Schwere der Materien. Beyſpiele ſolcher, beſonders beym Brunnengraben gemachter, Erfahrungen, finden ſich unter andern bey Bergmann (Phyſikal. Beſchr. der Erdkugel, Th. I. S. 176 u. f.). So fand man in Amſterdam im Jahre 1616 obenauf Dammerde 7 Fuß, ſodann Torf 9 Fuß; weichen Thon 9; Sand 8; Erde 4; Thon 10; Erde 4; Sand 10; blauen Thon 2; weißen groben Sand 4; duͤrre Erde 5; feine weiche Erde 1; Sand 14; Sand mit Thon 8; Sand mit Conchylien 4; Thon 102; Sand 31, zuſammen eine Tiefe von 232 Fuß bis auf das Waſſer.

Dergleichen Schichten entſtehen ſonſt, wenn Waſſer mehreremal mit ungleichen Materien vermiſcht wird, und dann jedesmal ſoviel Ruhe genießet, daß die beygemiſchten Theile niederfallen und Bodenſaͤtze bilden koͤnnen. Sind die Erdſchichten ſo entſtanden, ſo muß alles trockne platte Land einmal mit Waſſer bedeckt geweſen ſeyn; und dieſes Waſſer muß zu verſchiedenen Zeiten verſchiedene Beymiſchungen gehabt haben. Die haͤufigen Conchylien, die man hin und wieder in den Erdſchichten, bisweilen in großen Tiefen findet, ingleichen die Unebenheiten mancher Schichten, welche gleichſam das wellenfoͤrmige Schwanken des Waſſers zur Zeit des Niederfallens anzeigen, ſetzen es beynahe außer Zweifel, daß die obere Erdrinde auf dieſe Art gebildet ſey. Alles dies kan auch nicht durch ploͤtzliche Ueberſchwemmungen, ſondern nur durch einen langwierigen und ruhigen Stand des Waſſers bewirkt worden ſeyn.

Andere Schichten ſind neuer, und durch wiederholte Ueberſchwemmungen des Trocknen entſtanden. Darauf kan52 man vornehmlich ſchließen, wenn man die Dammerde in der Tiefe mit andern Schichten bedeckt wieder findet. Dieſe neuern Schichten zeigen auch nie Ueberreſte von Conchylien. Oft finden ſich Schichten von Lava und andern vulkaniſchen Materien, deren Urſprung offenbar von Ausbruͤchen des unterirdiſchen Feuers herzuleiten iſt.

Eben dieſe Reſultate laſſen ſich auch aus der Betrachtung des Innern der Berge herleiten. Zwar zeigen die urſpruͤnglichen oder zur erſtern Ordnung gehoͤrigen Berge, welche groͤßtentheils aus Granit beſtehen, keine regelmaͤßigen Schichten und keine Spuren von Seeprodukten; deſto haͤufiger aber trifft man ſowohl den lagerfoͤrmigen Bau, als auch die Seekoͤrper in den Schiefergebirgen und vorzuͤglich in den Floͤtzgebirgen oder Bergen der zweyten Ordnung an. Eine dritte Claſſe der Berge, welche aus Sandſtein, Mergelſchichten, Eiſen und Kupfererzen, Gypsſteinen u. dgl. beſteht, ſcheint neuer zu ſeyn, und enthaͤlt, ſtatt der Seeprodukte, Spuren von Holz, Pflanzen und Landthieren. Eine vierte Claſſe endlich zeigt deutlich ihren vulkaniſchen Urſprung. Man ſehe hieruͤber den Artikel BergeZu dem Artikel Berge gehoͤren noch folgende ſeit der Ausgabe des erſten Bandes erſchienene vorzuͤgliche Buͤcher:C. Haidingers Entwurf einer ſyſtematiſchen Eintheilung der Gebirgsarten welcher den von der ruſſiſch - kayſerl. Acad. der W. fuͤr d. J. 1785 ausgeſetzten Preis erhalten hat. Petersburg, 1786. 4.A. G. Werners kurze Claſſification und Beſchreibung der verſchiedenen Gebirgsarten. Dreßden, 1787 8.Klaſſifikation der Gebirgsarten, nach den Voigtiſchen drey Briefen uͤber die Gebirgslehre. Leipz. 1787. 8..

Oefters haben neben einander liegende Berge einerley Schichten in einerley Ordnung, und es hat das Anſehen, als ob das Thal zwiſchen ihnen herausgeriſſen waͤre. Bisweilen haben auch die Thaͤler ihre eignen Lagen, als ob dieſelben erſt nach der Bildung des Thals entſtanden waͤren. Im Innern beſtehen die Berge aus großen Steinmaſſen, welche hie und da große Hoͤhlen, Spalten und Riſſe haben, ſ. Hoͤhlen. Manche dieſer Spalten, beſonders in den Schiefergebirgen, ſind mit mineraliſchen Koͤrpern ausgefuͤllt, und53 werden in der Lehre vom Bergbau Gaͤnge genannt. Sie koͤnnen als Parallelepipeda angeſehen werden, wovon zwo Dimenſionen ſehr groß gegen die dritte ſind. Man nennt die Richtung ihres Fortgangs nach den Weltgegenden ihr Streichen, ihre Neigung gegen die Verticalebne ihr Fallen, und ihre dritte, gemeiniglich nur geringe, Dimenſion ihre Maͤchtigkeit. Sie ſtreichen bisweilen ſehr weit, indem ſie ſich der Maͤchtigkeit nach verſchiedentlich erweitern, verengern und oft ploͤtzlich abſchneiden. Außer den großen Steinmaſſen trifft man auch hin und wieder anſehnliche Haufen einzelner loſen Steine, neben und uͤber einander aufgethuͤrmt, oder am Fuß der Berge Geſchiebe von eben dem Geſtein an, das die Berge enthalten.

Die hoͤchſten und aͤlteſten Gebirge der Erdflaͤche werden gewoͤhnlich von den niedrigern Thonſchiefergebirgen, dieſe von den Kalkbergen, und letztere an manchen Stellen von den Sandhuͤgeln der dritten Ordnung umringt, welche ſich allmaͤhlig im flachen Lande verlieren.

Was endlich das Innere der Erdkugel ſelbſt betrifft, uͤber deſſen Beſchaffenheit uns unmittelbare Beobachtungen gaͤnzlich fehlen, ſo haben ſich Einige daſſelbe als eine ungeheure Hoͤhlung vorgeſtellt, Andere haben es mit Feuer, Waſſer, einem Magnete u. dgl. anfuͤllen wollen. Die Beobachtungen aber, welche Herr Maſkelyne bey dem Berge Shehallien in Schottland uͤber die Anziehung der Berge gegen das Bleyloth angeſtellt hat, und von welchen ich bey dem Worte: Gravitation, ausfuͤhrlicher rede, haben gezeigt, daß die mittlere Dichtigkeit der Erdkugel (ſ. Dichte) ſich mit hinlaͤnglicher Sicherheit doppelt ſo groß, als die Dichtigkeit dieſes Berges, der ein dichter gleichfoͤrmiger Granit iſt, ſetzen laſſe, welche Erfahrung nach Hrn. Maſkelyne's eigner Bemerkung alle Syſteme umſtoͤßt, die aus der Erde eine hohle Kugel machen. Hypotheſen uͤber die Entſtehung und Bildung der Erde.

Die Menge der hieruͤber entworfenen Theorien iſt ungemein zahlreich. Schon im entfernteſten Alterthume finden54 ſich haͤufige Spuren von Verſuchen, die Kosmogonie zu erklaͤren. Viele unter den Alten nahmen ein Chaos an, aus welchem durch den Streit der Elemente eine Scheidung derſelben erfolgt, und alles an ſeine gehoͤrige Stelle getreten ſey,

Lucidus hic aer, et quae tria corpora reſtant, Ignis, aquae, tellus unus acervus erant.

Ut ſemel haec rerum ſeceſſit lite ſuarum, Inque novas abiit maſſa ſoluta domos;

Flamma petit altum, propior locus aëra cepit, Sederunt medio terra fretumque ſolo.

Ovid. Faſt. I. 105 ſqq.

Leucipp, Epikur und Demokrit hingegen ließen die Welt aus Atomen entſpringen, welche von jeher in einer lothrechten fallenden Bewegung geweſen ſeyn, durch eine ploͤtzliche Stoͤrung aber von ihrem geradlinichten Wege abgelenkt, ſich zufaͤllig zuſammengefuͤgt und ſo die Koͤrper gebildet haben ſollten. Ueber dieſe Meynungen der Alten hat Bayle im hiſtoriſch-kritiſchen Woͤrterbuche unter den Art. Ovid und Epikur mit vielem Scharfſinn und Gelehrſamkeit geſchrieben.

Descartes (Principia philoſophiae, im 2ten B. ſeiner Opp. auch Amſt. 1685. 4. ) bildet die Welt aus einem harten Klumpen Materie, den der Schoͤpfer durch ſeine Allmacht zerſchlug und in Bewegung ſetzte. Durch das Abreiben der Theile an einander entſtand eine ſehr ſubtile Materie, eine Menge kugelfoͤrmiger Theilchen und eine Anzahl grober eckichter Stuͤcke. Dies ſind ſeine drey Elemente. Die ſubtile Materie bildete die Sonnen oder Fixſterne; die kugelfoͤrmigen Theilchen machten den Aether oder die Materie der Wirbel aus; die eckigten Stuͤcken gaben den Stoff zu den Planeten und Kometen. Die Erde war Anfangs ein Stern mit einem eignen Wirbel, aber mit vieler groben Materie vermiſcht, welche endlich eine ganz dunkle Rinde darum bildete, aus der das innere Centralfeuer nur hie und da noch hervorbricht. So ward ſie von dem Wirbel der Sonne ergriffen und fortgeriſſen. Die groͤbſten Theile des dritten Elements in der Erdrinde ſtuͤrzten zuerſt nieder, und55 bildeten die Erdſchichten und das Waſſer. Da aber die feinen Theile des dritten Elements, welche uͤber dem Waſſer lagen, nicht ganz von den groͤbern befreyt werden konnten, ſo wuchs von ihnen ein Bette uͤber dem Waſſer zuſammen, das endlich einſtuͤrzte, und Plaͤnen, Anhoͤhen und Berge hervorbrachte. Auf eine eben ſo mechaniſche Art faͤhrt dieſer Weltweiſe fort, die Entſtehung der Vulkane, Salze, brennbaren Materien, Metalle, Quellen u. ſ. f. zu erklaͤren, ſo daß ſich die Aufgabe: Datis materia et motu facere mundum