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Phyſikaliſches Woͤrterbuch
oder Verſuch einer Erklaͤrung der vornehmſten Begriffe und Kunſtwoͤrter der Naturlehre
mit kurzen Nachrichten von der Geſchichte der Erfindungen und Beſchreibungen der Werkzeuge begleitet in alphabetiſcher Ordnung
Zweyter Theil von Erd bis Lin mit ſechs Kupfertafeln, Taf. VIII. bis XIII.
Neue Auflage.
Leipzig,im Schwickertſchen Verlage1798.
1

Phyſikaliſches Woͤrterbuch oder Verſuch einer Erklaͤrung der vornehmſten Begriffe und Kunſtworte der Naturlehre, in alphabetiſcher Ordnung.

E

Erdaͤquator, ſ. Aequator der Erde.

Erdaxe, Axis terrae, Axe de la terre.

Die gerade Linie von einem Pole der Erde zum andern. Dieſe Linie bleibt bey der taͤglichen Umdrehung der Erdkugel unbewegt, und heißt daher auch die Axe der Umdrehung (Axis rotationis) der Erde. Sie iſt die Axe des Erdaͤquators und aller mit ihm parallel laufenden Kreiſe, durch deren Mittelpunkte ſie geht, ſ. Axe. Ihre Groͤße wird bey dem Worte: Erdkugel angegeben.

Erdbeben, Terrae motus, Tremblement de terre.

Eine Erſchuͤtterung eines Theils der Erdflaͤche, welche eine laͤngere oder kuͤrzere Zeit hindurch anhaͤlt, und oft mit den gewaltſamſten und ſchrecklichſten Folgen begleitet iſt. Die Erdbeben haben auf der Oberflaͤche unſerer Erdkugel die ausgezeichnetſten Veraͤnderungen hervorgebracht, ganze Striche Landes mit Truͤmmern uͤberſchuͤttet, Laͤnder, die vom Meere bedeckt waren, aufs Trockne verſetzt, Inſeln aus dem Schooße des Meeres emporgehoben, Berge geſpalten oder eingeſtuͤrzt, anſehnliche Theile vom feſten Lande abgeriſſen, das Meer von ſeinem Grunde erhoben, die fuͤrchterlichſten Ueberſchwemmungen veranlaſſet, den Lauf der Fluͤſſe veraͤndert, die bluͤhendſten Staͤdte zertruͤmmert, und ihre ungluͤcklichen Einwohner unter den Ruinen ihrer Wohnungen begraben.

Schon die aͤlteſten Schriftſteller erwaͤhnen ſolcher durch Erdbeben angerichteten Verwuͤſtungen, und der Veraͤnderungen, welche die Erdflaͤche dadurch erlitten hat. Beſonders ſind diejenigen Laͤnder und Gegenden, welche in der2 Nachbarſchaft von Vulkanen oder heißen Quellen und nicht weit vom Meere liegen, den Erdbeben ausgeſetzt geweſen. So hat man ſchon bey den Alten geglaubt, daß Sicilien von dem feſten Lande durch eine Erderſchuͤtterung abgetrennt worden ſey. Die Staͤdte Herculanum und Pompeji wurden nach dem Seneca (Quaeſt. nat. VI. 1.) unter Nerons Regierung faſt gaͤnzlich durch ein Erdbeben zerſtoͤrt, ſechszehn Jahre darauf aber durch einen Ausbruch des Veſuvs unter vulkaniſche Aſche begraben. In Sicilien hat man nach einem chronoligiſchen Verzeichniſſe, welches Hr. Lichtenberg (Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſik und Naturgeſch. II. B. 2. St. S. 109.) mittheilt, ſeit dem Jahre 1169 faſt eben ſo viel Erdbeben, als Ausbruͤche des Aetna gezaͤhlet. Die aͤoliſchen oder lipariſchen Inſeln, welche nach den Berichten der Alten durch Erdbeben aus dem Meere hervorgegangen ſind, zeigen noch jetzt die deutlichſten Spuren von Vulkanen und vulkaniſchen Produkten. Faſt in allen Laͤndern, welche haͤufige Erderſchuͤtterungen erlitten haben, ſindet man auch deutliche Spuren ehemaliger Vulkane, z. B. in Peru, den mittaͤglichen Provinzen Frankreichs u. ſ. w. Sehr oft ſind auch die Bewegungen der feuerſpeyenden Berge mit Erderſchuͤtterungen begleitet, welche bey dem voͤlligen Ausbruche aufhoͤren, ſo daß man an dem augenſcheinlichen Zuſammenhange der Erdbeben mit den Vulkanen keinesweges zweifeln kan.

Die fuͤrchterlichſten Erdbeben der neuern Zeiten ſind die von den Jahren 1746, 1755, 1774 und 1783 geweſen. Das erſtere verwuͤſtete Callao, und die Stadt Lima, welche ſchon ſeit dem 15ten Jahrhunderte haͤufigen Anfaͤllen des Erdbebens ausgeſetzt geweſen war. Am erſten November 1755 ward Liſſabon durch ein ſchreckliches Erdbeben zerſtoͤrt, welches man zu gleicher Zeit auf einem ſehr großen Theile der Erdflaͤche von Groͤnland an bis nach Afrika empfand. In Norwegen, Schweden, Deutſchland, der Schweitz, und mehrern Orten bemerkte man es zwar nur an den ungewoͤhnlichen Bewegungen des Waſſers; aber verſchiedene Orte in Frankreich, faſt ganz Spanien, Marocco, Salee, Fez, Tetuan und Cadix wurden von ernſthaftern3 Folgen deſſelben betroffen. Selbſt in Amerika bemerkte man Spuren dieſer Erſchuͤtterung. Sie ward von einer gewaltſamen Erhebung des Meeres begleitet, welche eine faſt allgemeine Ueberſchwemmung der weſtlichen Kuͤſten unſers feſten Landes veranlaſſete. Das Gewaͤſſer des Tago ergoß ſich zu verſchiedenen malen uͤber die Truͤmmern der bereits zerſtoͤrten Stadt. (ſ. Sam. Chriſt. Hollmann de terrae motibus, inprimis nupero Vlyſſipponenſi, in Sylloge Commentat. p. 1.) Ein drittes eben ſo ſchreckliches Erdbeben verwuͤſtete im Jahre 1774 Guatimala; und ein viertes verheerte im Februar 1783 ganz Calabrien und Meſſina. (Man ſehe des Ritter Hamilton Erzaͤhlung hievon, Philoſ. Trans. Vol. LXXIII. P. I. uͤberſetzt unter der Aufſchrift: Nachricht von dem letzten Erdbeben in Calabrien und Sicilien rc. aus dem Engliſchen von G. F. Wehrs, Hannover. 4.)

Man hat oft wahrgenommen, daß die Erdbeben auf vorzuͤglich naſſe Jahre folgen, daß vor ihrem Ausbruche haͤufige Sternſchnuppen, Feuerkugeln und andere leuchtende Meteore, ſchweflich riechende Daͤmpfe, eine heiße druͤckende und das Sonnenlicht rothfaͤrbende Luft mit dicken und ſchwarzen Wolken, vorhergehen; ob ſie gleich bisweilen auch nach einer vollkommnen Stille und Heiterkeit der Luft erfolgt ſind. Gewoͤhnlich ſcheinen die Thiere vorher von Schrecken und Aengſtlichkeit befallen zu werden, die ſie durch Geheul und Winſeln ausdruͤcken; die Voͤgel fliegen unruhig hin und her: oft hoͤrt man auch ein Getoͤſe, wie einen unterirdiſchen Donner, wie das Abfeuern des ſchweren Geſchuͤtzes, oder wie ein Krachen und Ziſchen; an mehrern Orten treten die Gewaͤſſer der Fluͤſſe, Brunnen und Quellen zuruͤck, und kommen erſt nach einiger Zeit truͤb und mit Erde oder Sand vermiſcht, wieder. Faſt allezeit ſind die Erdbeben mit heftigen Bewegungen des Meeres begleitet, welches abwechſelnd zuruͤcktritt und ſich wieder erhebet; die Schiffe ſtoßen in den Haͤfen gegen einander, und ſelbſt in der ofnen See bemerkt man außerordentliche Erſchuͤtterungen.

Die Wirkung der Erdbeben ſelbſt aͤußert ſich durch4 dreyerley Bewegungen, wovon man bisweilen nur eine oder zwo, bisweilen aber alle drey bemerket. Die erſte beſteht aus horizontalen Schwingungen des Bodens, welche, wenn ſie heftig und anhaltend ſind, den Grund ſammt allem, was darauf ſtehet, zerſtoͤren. Dieſe Bewegung fand ſich hauptſaͤchlich bey dem Erdbeben zu Liſſabon. Die zwote beſteht in aufwaͤrts gerichteten Stoͤßen, wodurch die Erdrinde in die Hoͤhe gehoben wird, oft auch bricht, und ganz oder zum Theile wieder einſinket. Das Waſſer folget wegen ſeiner Fluͤßigkeit dieſer Bewegung noch geſchwinder, als die Erdrinde, ſo wie der Tago zu Liſſabon auf einmal zuruͤcktrat, und binnen vier Minuten wieder 30 Fuß uͤber ſeine gewoͤhnliche Hoͤhe emporſtieg. Die dritte Bewegung gleichet eiuer Exploſion oder gewaltſamen und nach allen Seiten wirkenden Zerſprengung, wobey mehrentheils Flammen aus der Erde hervorbrechen, und durch die geriſſenen Oefnungen Waſſer, Aſche, Erde und Steine ausgeworfen werden. Hiebey zeigt ſich die Aehnlichkeit mit den Vulkanen am deutlichſten. Solche Exploſionen zerſtoͤrten im Jahre 1746 binnen drey Minuten den groͤßten Theil der Stadt Lima, uͤberſchwemmten Callao, verſenkten 23 Schiffe, und ließen von 4000 Perſonen nur 200 entkommen. Es brachen dabey in einer Nacht vier Vulkane aus. Dies iſt der hoͤchſte und ſchrecklichſte Grad der Erdbeben, nach deſſen Erreichung ſie auch gemeiniglich nachlaſſen.

Die Stoͤße der Erdbeben folgen bisweilen langſam, mit dazwiſchen fallenden langen Pauſen, bisweilen mit großer Geſchwindigkeit auf einander. In Lima empfand man deren in 24 Stunden uͤber zweyhundert. Sie nehmen gewoͤhnlich einen gewiſſen Strich, daher oft Gebaͤude, die außerhalb dieſes Striches liegen, verſchont bleiben, dagegen andere ganz nahe liegende auf die entgegengeſetzte Seite geworfen werden. Auch die Dauer dieſer ganzen fuͤrchterlichen Begebenheit iſt ſehr verſchieden; in Amerika haben die Erdbeben oft Jahre lang an einerley Orte gewuͤthet, und faſt taͤglich ihre Stoͤße erneuert. Die meiſten Erdbeben erſtrecken ſich nur uͤber eingeſchraͤnkte Gegenden; viele aber breiten ſich auch durch einen ungeheuren Umfang aus,5 wie das in Kleinaſien (Plin. H. N. II. 84.), welches im Jahre 17 nach C. G. dreyzehn große Staͤdte in einer Nacht zerſtoͤrte, und ſich durch einen Kreis von 300 Meilen im Durchmeſſer verbreitete, oder das vom 1ſten Nov. 1755, deſſen weiten Umfang wir ſchon im Vorigen angefuͤhrt haben.

Man kan leicht denken, daß die Phyſiker zur Erklaͤrung einer ſo auffallenden Naturbegebenheit mancherley Verſuche gemacht haben. Da man ihren unlaͤugbaren Zuſammenhang mit den Vulkanen gar bald gewahr ward, ſo hat man ſie gemeinſchaftlich mit denſelben aus dem unterirdiſchen Feuer erklaͤrt, unter welchem man ſich in aͤltern Zeiten ein ſogenanntes Centralfeuer vorſtellte, welches die Mitte der Erdkugel ausfuͤllen ſollte, ſ. Centralfeuer. Dieſe groben Begriffe verlohren ſich mit der Zeit, und man fieng an, theils auf andere Urſachen der Erdbeben, z. B. unterirdiſche Winde, Daͤmpfe u. dgl. zu denken, theils das unterirdiſche Feuer naͤher an die Oberflaͤche der Erde zu ſetzen, und die Entſtehung deſſelben aus den Entzuͤndungen der Kieße und anderer brennbaren Mineralien herzuleiten, ſ. Vulkane.

Eine der beruͤhmteſten neuern Hypotheſen uͤber die Urſache der Erdbeben iſt die des D. William Stukeley (Letter to Martin Folkes on the cauſes of Earthquakes, Philoſ. Trans. Vol. XLVI. no. 497. The philoſophy of Earthquakes natural and religious. London, 1750. 8. ), welcher ſie ganz von der Elektricitaͤt herleiten will. Zwey zu London am 8. Febr. und 8. Maͤrz 1749 verſpuͤrte ziemlich ſchwache Erdbeben hatten ihm dazu Gelegenheit gegeben. Er beſtreitet zuerſt die Meynung, daß ſie von Exploſionen, welche den Erdboden erheben, herruͤhren koͤnnten, mit einigen nicht ſehr ſtarken Gruͤnden. Es ſey, ſagt er, noch unerwieſen, daß die Erde ſo viele Kluͤfte und Hoͤhlen habe, man habe bey der letztern Erſchuͤtterung, die ſich doch auf dreyßig Meilen im Durchmeſſer erſtreckt, keinen Dampf, Rauch oder Geruch bemerkt, das Syſtem der Brunnen und Quellen ſey nicht geſtoͤrt worden; die Theorie der Minen lehre, daß eine 30 Meilen weit reichende Erſchuͤtterung eine 15 20 Meilen tiefe wirkende Kraft erfordere, und6 nach eben dieſer Theorie muͤßte das Erdbeben in Kleinaſien im 17ten Jahre nach C. G. aus einer Tiefe von 200 Meilen herauf und mit einer Kraft gewirkt haben, welche durch Daͤmpfe gar nicht hervorgebracht werden koͤnnte. Man ſieht, daß er theils aus Bemerkungen ſchließet, die bey ſehr ſchwachen Erſchuͤtterungen gemacht, und bey weitem nicht allgemein ſind, theils aber auch die Theorie der Minen auf einen Fall anwendet, wobey das Regelmaͤßige, das ſie voraus ſetzt, nicht mehr ſtatt findet.

Er ſucht es hierauf wahrſcheinlich zu machen, daß das Erdbeben in einer elektriſchen Erſchuͤtterung beſtehe, zeigt aus der vorhergegangnen Witteruug und Fruchtbarkeit, aus den Nordlichtern und Meteoren rc., daß die Atmoſphaͤre zur Zeit der londner Erdbeben vorzuͤglich elektriſch geweſen ſey. Wenn ſich nun eine unelektriſche Wolke dieſer Atmoſphaͤre genaͤhert, und ihren Gehalt auf die hoͤchſtelektriſche Erde entladen habe, ſo muͤſſe daraus eine Erſchuͤtterung der Erdflaͤche entſtanden ſeyn, aus welcher er alle Phaͤnomene der damaligen londner Erdbeben ganz ungezwungen erklaͤret. Dom Andreas Bina (Ragionamente ſopra la cagione de' terremoti, in Perugia, 1751. 4. ) leitet die Erdbeben ebenfalls aus dem leidner Verſuche her, und laͤßt unterirdiſche Waſſerbehaͤlter mit Schwefel und Pech umzogen, die Stelle der geladnen Flaſchen vertreten. D. Hales (Some conſiderations on the cauſes of Earthquakes, in d. Phliloſ. Trans. Vol. XLVI. no. 497.) begnuͤgt ſich damit, bloß die ſchwaͤchern Erſchuͤtterungen, welche nicht durch nahe Vulkane verurſachet werden, fuͤr Wirkungen der Entzuͤndung aufſteigender Schwefeldaͤmpfe durch das Blitzen einer ſchweflichten Wolke zu erklaͤren.

Beccaria (Lettere dell'elettricismo, Bologna 1758. 4. ) trug die Erklaͤrung der Erdbeben aus der Elektricitaͤt auf eine beſſere Art vor, zu einer Zeit, da man ſchon richtigere Begriffe von der Entſtehung des Blitzes und von den elektriſchen Erſchuͤtterungen hatte. Er nahm hiebey eine Stoͤrung des Gleichgewichts der Elektricitaͤt tief im Innerſten der Erde an, welche durch mehrere erſchuͤtternde Schlaͤge gegen die Atmoſphaͤre, oder gegen andere Theile der Erdflaͤche7 wieder gehoben werde. Er benuͤtzt die Umſtaͤnde, daß bey den meiſten Ausbruͤchen der Vulkane, beſonders des Veſuvs, aus den aufſteigenden Dampfſaͤulen haͤufige Blitze ausbrechen, daß bey den Erdbeben ſelbſt Blitze in der Luft entſtehen, und Flammen aus der Erde hervorbrechen, daß man ein Getoͤſe, gleich einem Donner, hoͤret, und daß endlich die Stoͤße der Erdbeben kein allmaͤhliges Heben, wie man etwa von andern Urſachen erwarten koͤnnte, ſondern augenblickliche Erſchuͤtterungen, wie die elektriſchen Schlaͤge, ſind, welche ſich ſogar durch das Waſſer mittheilen, ſo daß ſie auf den Schiffen, viele Meilen weit von den Kuͤſten, gefuͤhlt werden, als ob das Schiff gegen eine Klippe ſtieße. Er fuͤhrt noch uͤberdies den Verſuch an, daß der elektriſche Schlag durch ein Metall zwiſchen zwo Glaspiatten geleitet, die Hand erſchuͤttert, welche die Glasplatten feſthaͤlt.

Dieſen Verſuch hat man in der Folge dem Erdbeben noch aͤhnlicher zu machen geſucht. Cavallo (Vollſtaͤndige Abhdl. der Lehre v. der Elektr. dritte Aufl. Leipz. 1785. gr. 8. S. 184 und 234.) legt die Enden zweener Draͤthe auf ein Glas, ſo daß ſie mit einander in einer geraden Linie liegen, und etwa einen Zoll weit von einander abſtehen, ſetzt zwiſchen dieſelben auf das Glas ein ſtarkes Stuͤck Elfenbein, mit einem Gewichte beſchwert, worauf ſich kleine Kartenhaͤuschen befinden, und laͤßt den Schlag einer Batterie durch die Draͤthe zwiſchen dem Glaſe und Elfenbein hindurchgehen. Das Glas wird dabey mehrentheils zerbrochen, und die Kartenhaͤuſer leiden eine ſtarke Erſchuͤtterung. Alles dieſes aber iſt ein bloßes Spielwerk, und keinesweges geſchickt, den Urſprung der Erdbeben aus der Elektricitaͤt zu erweiſen. Cavallo geſteht auch ſelbſt, (S. 56.) daß die Erklaͤrungen ſo vieler Naturbegebenheiten aus der Elektricitaͤt auf den erſten Blick ausſchweifend ſcheinen, und begehrt nur, daß man ſie als Muthmaßungen zulaſſe, welche bey Gelegenheit weiter unterſucht werden koͤnnten.

Inzwiſchen hat man beſonders in Frankreich die Erdbeben mit vieler Zuverlaͤßigkeit fuͤr unterirdiſche Gewitter anſehen und gaͤnzlich fuͤr elektriſche Wirkungen erklaͤren wollen. 8Wenn auch gleich Einige dabey unterirdiſches Feuer und Daͤmpfe mitwirken laſſen, ſo leiten ſie doch wenigſtens den Urſprung der Entzuͤndung von Blitzen her, die ſich im Innern der Erde erzeugen ſollen. Der Abbé Bertholon de St. Lazare (Journal de Phyſique de l'Abbé Rozier, Août 1779.) hat auf dieſe Hypotheſe ſogar einen Vorſchlag gegruͤndet, ganze Gegenden vor den Wirkungen der Erdbeben zu ſchuͤtzen. Er raͤth an, in dieſer Abſicht lange eiſerne Stangen (para tremblement de terre) ſo tief als moͤglich in die Erde einzugraben, deren beyde Enden, ſowohl das eingegrabene, als das in die Luft hervorragende, mit einer Krone von mehreren Spitzen verſehen ſeyn ſollen. Das untere Ende dieſer Stangen ſoll ſich in mehrere lange Zweige verbreiten, um durch dieſes Mittel eine beſtaͤndige leitenden Verbindung und ein ſtetes elektriſches Gleichgewicht zwiſchen der Atmoſphaͤre und dem Innern der Erde zu erhalten, oder, im Falle einer Stoͤrung deſſelben wenigſtens einen unſchaͤdlichen Weg zum Uebergange zu eroͤfnen. Auch einige deutſche Schriftſteller, z. B. Herr Wiedeburg (Ueber die Erdbeben, Jena, 1784. 8. ) haben dieſe Vorſchlaͤge wiederholt, und zum Theil als einen Schutz gegen die Erdbeben die Errichtung von Pyramiden u. dgl. vorgeſchlagen. Es fehlt aber ſolchen Vorſchlaͤgen, welche uͤbrigens auf einerley Gruͤnden mit den zugeſpitzten Blitzableitern beruhen, nur daran, daß die Identitaͤt der Erdbeben mit den unterirdiſchen Gewittern eine bloße Hypotheſe und durch keine ſo deutlichen Erfahrungen beſtaͤtiget iſt, als die Identitaͤt der Gewitter mit der Elektricitaͤt.

So gewiß es auch iſt, daß man bey den Erdbeben zu Zeiten Wirkungen der Elektricitaͤt verſpuͤrt, ſo geht man doch gewiß viel zu weit, wenn man hierinn die Haupturſache derſelben zu finden glaubt. Ihre Verbindung mit den Vulkanen und uͤberhaupt mit einem Boden, in welchem ſich Kluͤfte, Hoͤhlen, brennbare Materien und unterirdiſche Entzuͤndungen oder Erhitzungen befinden, iſt gar zu offenbar, als daß man ſie nicht fuͤr Wirkungen eben des unterirdiſchen Feuers halten ſollte, welches die Vulkane und heiſſen9 Quellen hervorbringt, und von deſſen Entſtehung bey dem Worte: Vulkane geredet werden ſoll.

In dieſem unterirdiſchen Feuer, verbunden mit der Luft und dem Waſſer, finden wir Urſachen, deren Staͤrke hinreichend iſt, alle die im Obigen angefuͤhrten ſchrecklichen Phaͤnomene des Erdbebens zu bewirken. Findet die in den Hoͤhlen der Erde durch das Feuer verduͤnnte Luft keinen Ausgang, wie z. B. durch einen Vulkan, oder wird durch heftige Entzuͤndungen das unterirdiſche Waſſer in einem eingeſchloſſenen Raume in Daͤmpfe verwandelt, ſo iſt keine Wirkung ſo groß und erſtaunenswuͤrdig, daß ſie nicht von Kraͤften dieſer Art koͤnnte hervorgebracht werden, ſ. Daͤmpfe. Eben ſo heftig ſind die Wirkungen des Waſſers, wenn es auf ſchmelzendes Metall faͤllt, wobey oft ein einziger Tropfen deſſelben die gewaltſamſten Exploſionen veranlaſſet. Es wird nicht leicht bey den Erdbeben ein Umſtand vorkommen, der ſich nicht durch dieſes Zuſammenwirken des Feuers, der Luft und des Waſſers mit hinlaͤnglicher Deutlichkeit erklaͤren ließe. Ich muß aber hieruͤber zu Vermeidung unnoͤthiger Wiederholungen auf den Artikel: Vulkane verweiſen.

Der einzige Umſtand, deſſen Erklaͤrung ohne Beyhuͤlfe der Elektricitaͤt Schwierigkeiten zu haben ſcheint, iſt die aͤußerſt geſchwinde und faſt augenblickliche Fortpflanzung der Erderſchuͤtterungen durch eine ſo große Entfernung. In eben dem Augenblicke, in welchem Liſſabon verwuͤſtet ward, empfand man die Stoͤße des Erdbebens in Amerika, und auf den Schiffen in der See, welche ſich in der Richtungslinie deſſelben befanden. Man fragt, ob dieſes nicht einem elektriſchen Schlage weit aͤhnlicher ſey, als einer durch entzuͤndete Materie und elaſtiſche Daͤmpfe erregten Exploſion, von welcher ſich kaum denken laͤßt, daß ſie einen Raum von dieſer Groͤße einnehmen oder ſo ſchnell durchdringen koͤnne. Es laͤßt ſich aber hierauf antworten, daß theils Niemand wiſſe, wie weit ſich die Communicationen der unterirdiſchen Hoͤhlen und Gaͤnge erſtrecken, theils daß das Hinzukommen elektriſcher Erſcheinungen bey den Vulkanen und Erdbeben keinesweges gelaͤugnet werde. 10

Einen von dem Mechanikus Salſano in Neapel erfundenen Erdbebenmeſſer beſchreibt Herr Lichtenberg (Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſ. rc. II. B. 2 St. S. 68.). Er beſteht aus einem Pendel mit einem Gewichte von 36 Pfund, das am untern zugeſpitzten Ende einen feinen Pinſel mit fluͤßiger Farbe hat. Dieſer zeichnet die Richtung der Stoͤße auf ein uͤber einer Bouſſole liegendes Papier. Am Pendel iſt eine Queerſtange mit Kloͤppeln, die bey der Bewegung deſſelben an eine Glocke ſchlagen, um den Beobachter aufmerkſam zu machen.

Briſſon Dictionnaire de phyſ. art. Tremblement de terre.

Bergmann phyſikal. Beſchreibung der Erdkugel; aus dem Schwed. uͤberſ. v. Roͤhl, Greifswalde, 1780. 2ter B. §. 150. u. f.

Erde, ſ. Erdkugel.

Erden, Terrae, Terres.

Feſte, feuerbeſtaͤndige, geſchmackloſe, im Waſſer nicht aufloͤsliche Subſtanzen, welche bey der Zerſetzung der Koͤrper uͤbrig bleiben, ſelbſt aber bisher nicht weiter haben zerlegt werden koͤnnen. Man giebt ihnen den allgemeinen Namen der Erden, weil ſie mit der Maſſe, welche unſern Erdkoͤrper auszumachen ſcheint, in vielen Eigenſchaften uͤbereinkommen, und zaͤhlt ſie zu den chymiſchen Grundſtoffen der Koͤrper.

Man hat es ſonſt fuͤr ſehr wahrſcheinlich angeſehen, daß es nur eine einzige elementariſche Erde gebe, welche beſonders die Alchymiſten aus dem Regen, Thaue, der Pflanzenaſche, den Mineralien und andern Koͤrpern zu ziehen geſucht, und unter dem Namen der reinen Erde (terra virgo) zu den Elementen der Koͤrperwelt gezaͤhlt haben, ſ. Elemente. Da aber die Natur die Erden nie ganz unvermiſcht erzeuget, die aus den zuſammengeſetzten Koͤrpern erhaltenen aber weſentliche Verſchiedenheiten zeigen, ſo haben die beſten Chymiſten, als Becher, Pott, Gerhard, Bergmann u. a. ſich genoͤthiget geſehen, mehrere Grunderden anzunehmen.

Bergmann (Anleitung zu Vorleſungen uͤber die Chymie. Stockholm u. Leipz. 1779. 8. ) unterſcheidet außer der im Diamant und einigen andern Edelſteinen befindlichen Edelerde, die er aber in ſeiner Sciagraphia regni mineralis11 (Lipſ. et Deſſav. 1782.) wieder aus der Anzahl der Grunderden hinweggelaſſen hat, noch fuͤnf einfache Erden, die Schwererde, Kalcherde, Bitterſalzerde, Thonerde und Kieſelerde, von welchen eigne Artikel dieſes Woͤrterbuchs handeln. Die vier erſten geben mit der Vitriolſaͤure verbunden den Schwerſpath, den Gyps, das Bitterſalz und den Alaun, die letzte aber iſt in dieſer Saͤure ganz unaufloͤslich.

Leonhardi Anm. zu Macquer's chymiſchem Woͤrterbuch. Art. Erde.

Erdferne, Apogaeum, Apogée.

Derjenige Punkt in der Bahn eines um die Erde laufenden Geſtirns, in welchem daſſelbe von der Erde am weitſten abſteht.

In dem Weltſyſteme des Ptolemaͤus war die Erde der Mittelpunkt aller Planetenbahnen, daher man der Sonne ſowohl, als allen uͤbrigen Planeten eine Erdferne beylegen konnte. Seitdem aber die copernikaniſche Meynung vom Weltbau allgemein angenommen worden iſt, bleibt unter allen Geſtirnen der Mond das einzige, das ſeinen Umlauf um die Erde verrichtet, und man kan alſo jetzt bloß nach der Erdferne des Mondes fragen; was ſonſt z. B. Erdferne der Sonne hieß, heißt jetzt Sonnenferne der Erde, ſ. Sonnenferne.

Der Mond laͤuft um die Erde in einer elliptiſchen Bahn ADPE (Taf. I. Fig. 17.), in deren Brennpunkte S die Erde ſteht. Seine Erdferne faͤllt dabey in A, wo ſein Durchmeſſer von der Erde geſehen unter einem Winkel von 29°27′ erſcheint. Dieſem Punkte gegen uͤber liegt in D die Erdnaͤhe, und AP iſt die Apſidenlinie oder Axe der Bahn, ſ. Erdnaͤhe, Apſidenlinie. Die Punkte A und P bewegen ſich jaͤhrlich um 41 Grad von Abend gegen Morgen fort, und kommen jaͤhrlich in weniger als 9 Jahren in einem Kreiſe der Himmelskugel herum, ſo daß ſich in dieſer Zeit die Apſidenlinie voͤllig einmal umwendet. In der Erdferne iſt der Mond von uns um 63,62 Erdhalbmeſſer oder 54686 geographiſche Meilen entfernt.

Die uͤbrigen Planeten ſind von der Erde am weitſten entfernt, wenn ſie hinter der Sonne oder in ihrer obern12 Conjunction mit der Sonne ſtehen, und alsdann erſcheinen auch ihre Durchmeſſer am kleinſten. Es iſt aber weder ſchicklich, noch gewoͤhnlich, dieſe Punkte ihrer Bahnen mit dem Namen der Erdfernen zu belegen.

Erdguͤrtel, ſ. Erdſtriche.

Erdharze, Bitumina, Bitumes.

Oelichte Materien von ſtarkem Geruche und veraͤnderlicher Conſiſtenz, die man im Innern der Erde findet.

Ein fluͤßiges Erdharz iſt das Bergoͤl (Petroleum), welches aus den Spalten gewiſſer Felſen fließet, und deſſen feinere und hellere Gattungen den Namen der Naphta fuͤhren. Feſte ſind der Bernſtein (Electrum, ſuccinum), der Copal, das Ambra, der Gagat, Aſphalt und die Steinkohle. Alle dieſe Materien machen nebſt dem Schwefel die brennbaren Materiale oder Inflammabilien des Mineralreichs aus, ſ. Brennbare Materien. Bernſtein und Copal heißen in ganz eigentlichem Verſtande Bergharze; Gagat, Aſphalt und Steinkohle werden auch Bergpeche genannt.

Alle dieſe Erdharze enthalten eine Menge von Oel, welches ſie entzuͤndlich macht, und dem Bergoͤle ſehr aͤhnlich iſt. Da ſich in der Zuſammenſetzung der uͤbrigen Mineralien keine Oele finden, ſo haben ſehr viele Chymiſten den Urſprung der Erdharze von den unter die Erde begrabnen vegetabiliſchen Subſtanzen hergeleitet. Hiezu koͤmmt noch, daß man durch die Verbindung der mineraliſchen Saͤuren mit Pflanzenoͤlen die natuͤrlichen Erdharze nachahmen kan; daß die auf der Erdflaͤche beſtaͤndig untergehenden vegetabiliſchen Materien nothwendig oͤlichte Materien in die Erde bringen, welche mit der Zeit die Eigenſchaften der Erdharze annehmen muͤſſen; daß man endlich ſo viele Stuͤcken Bernſtein antrift, in deren Innerm Inſekten und Spuren von Pflanzen eingeſchloſſen find. Demohnerachtet iſt dieſer vegetabiliſche Urſprung der Erdharze noch bey weitem nicht voͤllig erwieſen, und Gerhard (Beytraͤge zur Chymie und Geſchichte des Mineralreichs, Th. II. S. 298.) haͤlt es aus dem Grunde, weil man in dieſen Subſtanzen außer dem13 Oele nichts Vegetabiliſches finde, fuͤr wahrſcheinlicher, daß dieſes Oel durch die Wirkung der Sonnenſtralen unter dem Waſſer erzeugt werde.

Macquer chym. Woͤrterbuch, Art. Erdharze.

Erdkugel, Erde, Terra, Globus terraqueus, Terre.

Dies iſt der Name des Planeten, den wir bewohnen, deſſen Kenntniß alſo einen der wichtigſten Theile der Naturlehre ausmacht. Die Lehre hievon heißt die Geographie oder Erdbeſchreibung, und wird in die mathematiſche, phyſiſche und politiſche abgetheilt, ſ. Geographie. Wir werden in dieſem Artikel aus den beyden erſtern Theilen derſelben Einiges beybringen, was die Erde im Ganzen betrachtet, ohne Ruͤckſicht auf einzelne Theile derſelben, angeht, und daher von ihrer Geſtalt und Groͤße, ihrem Verhaͤltniſſe zu dem Sonnenſyſtem, von ihrer Oberflaͤche im Ganzen genommen und der innern Beſchaffenheit ihrer Rinde reden, zuletzt aber die vornehmſten Hypotheſen der Naturforſcher uͤber ihre Entſtehung und Bildung hinzufuͤgen. Erſte Begriffe von der Kugelgeſtalt der Erde.

Die Erde erſcheint uns uͤberall, wo keine hervorragenden Gegenſtaͤnde die Ausſicht hindern, als eine kreisfoͤrmige platte Scheibe, deren aͤußerſte Grenze, der Horizont, unmittelbar an das ſcheinbare blaue Gewoͤlbe des Himmels anſtoͤßt. Man kan ſich indeſſen gar bald uͤberzeugen, daß dies nur eine bloße Erſcheinung ſey, wenn man bedenkt, daß der Umfang dieſer geſehenen Flaͤche ſich ſelten uͤber einige Meilen erſtreckt, da es doch Gegenſtaͤnde, z. B. Berge, giebt, welche ihrer Hoͤhe und Groͤße nach auf eine viel groͤßere Weite hin ſichtbar bleiben muͤßten, wenn die Erde von einer ebnen Flaͤche begrenzt wuͤrde.

Zwar blieben unter den Alten ſehr viele bey dieſer erſten Erſcheinung ſtehen, oder machten ſich auch wohl, durch Begriffe vom Schwimmen der Erde verfuͤhrt, von ihrer Geſtalt noch ſeltſamere Vorſtellungen, welche Riccioli (Almageſtum nov. To. I. L. 2. cap. 1.) aus den Schriften der Alten mit vielem Fleiße zuſammengetragen hat. So legte Leucippus nach dem Berichte des Diogenes Laer -14 tius (Vit. Philoſophorum L. IX. ) der Erde die Geſtalt einer Walze, d. i. einer platten Scheibe, bey, welcher Meynung die Kirchenvaͤter großentheils beygetreten ſind; Demokrit hingegen gab ihr die Figur eines Kahns oder Schiffes, welches auch die Meynung der Chaldaͤer geweſen ſeyn ſoll. Doch haben die meiſten und angeſehenſten Weltweiſen Griechenlands, Thales, Anaximander, Parmenides, Epikur und Pythagoras bereits die richtige Meynung von der Kugelgeſtalt der Erde angenommen.

Ariſtoteles (De coelo L. II. c. 4.) verſucht ſogar einen Beweis dieſer kugelaͤhnlichen Geſtalt aus bloßen Vernunftſchluͤſſen zu geben. Da das Waſſer, ſagt er, allezeit die niedrigſte, d. i. die dem Mittelpunkte der Erde naͤchſte, Stelle ſucht, ſo kan es in keinem Theile des Meeres hoͤher oder vom Mittelpunkte entfernter, als in dem andern, ſtehen; es wuͤrde ſonſt von den hoͤhern Theilen ab und ſo lange gegen die niedrigern fließen, bis es uͤberall eine gleiche Hoͤhe, d. i. einen gleichen Abſtand vom Mittelpunkte erlangt haͤtte. So folgt, daß alle Stellen des Meeres von einem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte gleich weit abſtehen, welches bey keinem andern Koͤrper, als bey einem kugelaͤhnlichen, gedacht werden kan. Offenbar enthaͤlt dieſer vermeynte Beweis eine Vorausſetzung deſſen, was zu erweiſen war, daß es nemlich einen Mittelpunkt gebe; die Vertheidiger der platten Geſtalt wuͤrden dies nicht einraͤumen, ſondern die Richtungslinien, nach welchen die fluͤßigen Koͤrper ſinken, uͤberall fuͤr gleichlaufend annehmen. Inzwiſchen haben doch auch Riccioli und Snellius (Eratoſthenes Batavus L. I. c. 2.) dieſen Beweis aufgenommen, und ihn auf den Satz des Archimedes (De inſidentibus humido L. I. prop. 2.), daß die Oberflaͤche des Waſſers eine kugelrunde Geſtalt annehme, gegruͤndet.

Den einleuchtendſten Beweis von der Kugelgeſtalt der Erde geben die Mondfinſterniſſe. Da es bey einiger Aufmerkſamkeit auf den Himmel gar bald in die Augen faͤllt, daß das, was den Vollmond verdunkelt, nichts anders als der Schatten ſey, den die Erde der Sonne gegenuͤber auf denſelben hinwirft, und da die Grenzen dieſes Schattens15 ſich jederzeit als Kreisbogen zeigen, ſo iſt der Schluß ſehr leicht, daß der voͤllige Erdſchatten ein Kreis ſeyn muͤſſe. Nun giebt es aber außer der Kugel keinen Koͤrper, der in allen Lagen einen kreisfoͤrmigen Schatten wirft; es lehrt alſo der Augenſchein ſelbſt die kugelfoͤrmige Rundung der Erde. Wahrſcheinlich ſind auch die griechiſchen Weltweiſen, und vielleicht noch vor ihnen andere Voͤlker, welche richtige Kenntniſſe von der Urſache der Mondfinſterniſſe hatten, hiedurch auf den rechten Begriff von der Geſtalt der Erde geleitet worden.

Eben ſo deutliche Beweiſe dieſer Geſtalt finden ſich in den verſchiedenen Stellungen der Himmelskoͤrper gegen den Horizont, wenn ſie von verſchiedenen Orten der Erdflaͤche aus betrachtet werden. Wenn ein Reiſender ſeinen Weg beſtaͤndig nach Norden richtet, ſo ſteigen ihm die dorthin ſtehenden Sterne immer weiter uͤber ſeinen Horizont empor, indeß die nach Suͤden ſtehenden immer tiefer hinabſinken: auch bleiben ihm am noͤrdlichen Horizonte immer mehr Sterne ſichtbar, die ſich vorher unter dieſen Horizont verbargen; am ſuͤdlichen hingegen verliert er immer mehr Geſtirne gaͤnzlich aus den Augen. So erhebt ſich z. B. in Alexandrien der Stern Canopus im Ruder des Schiffs Argo taͤglich um einige Grade uͤber den ſuͤdlichen Horizont; zu Rhodus ſtreicht eben derſelbe Stern nur gerade am Horizonte hin, und verſchwindet ſogleich wieder; wenn man endlich noch weiter nordwaͤrts bis nach Griechenland koͤmmt, ſo verliert man ihn gaͤnzlich aus den Augen. Dies ſind Erſcheinungen, welche auf einer ebnen Erdflaͤche gar nicht ſtatt finden koͤnnten, auf welcher ein Geſtirn, das ſich einmal uͤber ihr befindet, von allen Punkten aus ſichtbar bleiben muß. Auf einer gekruͤmmten Flaͤche hingegen, wie ZR (Taf. VIII. Fig. 1.), iſt es leicht begreiflich, wie der Stern S, der dem in Z befindlichen Auge ſichtbar war, dem nach R uͤbergegangenen Auge, deſſen Ausſicht durch die Flaͤche HR begrenzt wird, verſchwinden, und ſich unter den Horizont HR verbergen kan. Es lehrt aber auch die Erfahrung, daß dieſes Herabſteigen der ſuͤdlichen Geſtirne gegen den ſuͤdlichen Horizont und die Erhebung der noͤrdlichen16 auf der andern Seite ziemlich gleichviel betraͤgt, wenn man um gleichviel weiter gegen Norden geht; dies zeigt eine ziemlich gleichfoͤrmige, d. i. eine kreisaͤhnliche Kruͤmmung der Erdflaͤche nach der Richtung von Suͤden gegen Norden an. Und da man dieſelbe Erſcheinung in allen Gegenden der Erde, in welchen man von Suͤden gegen Norden reiſen kan, in Europa ſowohl, als in Amerika und auf dem Weltmeere mit gleicher Groͤße bemerkt, ſo folgt, daß ſich rings um die Erdflaͤche gleich große Kreiſe in der erwaͤhnten Richtung ziehen laſſen.

Daß aber die Erdflaͤche auch nach der Richtung von Oſten gegen Weſten, welche auf der vorigen ſenkrecht ſtehet, rund ſey, erhellet daraus, weil alle Himmelskoͤrper bey ihrem ſcheinbaren taͤglichen Umlaufe um die Erde den oſtwaͤrts liegenden Laͤndern fruͤher auf - und untergehen, als den weſtwaͤrts gelegnen. Man bemerkt dieſes ſehr deutlich bey ſolchen Himmelsbegebenheiten, welche allen Bewohnern der Erde zugleich in einerley Augenblicke erſcheinen muͤſſen, dergleichen die Verfinſterungen des Mondes und der Jupiterstrabanten ſind. So wird z. B. bey dem Anfange einer Mondfinſterniß Rußland eine ſpaͤtere Tagesſtunde, als Deutſchland, Deutſchland eine ſpaͤtere, als England u. ſ. w. zaͤhlen, ein Beweis, daß der Mittag, als der Anfang der Tagesſtunden in Rußland fruͤher als in Deutſchland u. ſ. w. eingetreten ſey, mithin die Sonne bey ihrem taͤglichen Umlaufe Rußland fruͤher, als Deutſchland und England beſchienen habe. Und da dies rings um die ganze Erde auf eine voͤllig gleichfoͤrmige Art erfolget, ſo laͤßt ſich ſchließen, daß denen von Oſten nach Weſten gehenden Tagekreiſen der Geſtirne aͤhnlich liegende Kreiſe auf der Oberflaͤche der Erde correſpondiren, welches die Ueberzeugung von der Rundung der Erde nach allen Richtungen gaͤnzlich vollendet.

Hiezu koͤmmt, daß den Reiſenden, und vornehmlich den Seefahrern, die Spitzen der Berge und die Maſten der Schiffe eher ſichtbar werden, als der Fuß oder Grund, worauf dieſelben ſtehen eine Erſcheinung, welche auf einer ebnen Flaͤche unmoͤglich waͤre, auf welcher ſich entlegne17 Berge u. dgl. nothwendig auf einmal mit ihrer ganzen Hoͤhe darſtellen muͤßten.

Die Umſchiffungen der Erdkugel haben endlich, ſelbſt fuͤr den gemeinſten und ungebildetſten Theil der Menſchen, die Rundung der Erde zu einer unbezweifelten Gewißheit gebracht. Es iſt nemlich bereits uͤber 25mal unſere Erdkugel von Seefahrern mehrerer Nationen ſo umſegelt worden, daß dieſelben durch eine nach einerley Weltgegend fortgeſetzte Reiſe, ohne umzukehren, an den Ort ihrer Abreiſe wieder zuruͤckgekommen ſind. Hernand Magellans, ein Portugieſe, der erſte Weltumſegler, lief mit ſeiner Flotte den 10. Aug. 1519 von Sevilla aus, entdeckte an der ſuͤdlichen Spitze von Amerika die lange Meerenge, welche das feſte Land von dem ſogenannten Feuerlande ſcheidet, und noch von ihm den Namen der magellaniſchen Straße fuͤhrt, gieng durch dieſelbe in die Suͤdſee und nach Aſien uͤber, und ob er gleich in der philippiniſchen Inſel Sebu ſein Leben verlohr, ſo kam doch eines ſeiner Schiffe, durch einen beſtaͤndig weſtwaͤrts gerichteten Lauf, am 7. Septbr. 1522 wieder nach Spanien zuruͤck. Die merkwuͤrdigſten unter den folgenden Umſchiffungen ſind die des Franz Drake, eines Englaͤnders, vom Ende des Jahres 1577 bis zum 16. Sept. 1580; des William Dampier von 1689 bis 1691; des Lord Georg Anſon von 1740 bis 1744, des Commodore Byron von 1764 bis 1766, der Capitains Wallis und Carteret in den Jahren 1766 bis 1769, des Bougainville, eines Franzoſen, ebenfalls 1766 bis 1769; und endlich die drey Seereiſen des unvergeßlichen engliſchen Seecapitains James Cook, deren erſte in den Jahren 1768 1771 mit den Herren Banks und D. Solander, die zwote mit beyden Herren Forſter 1772 1775, die dritte endlich als eine Entdeckungsreiſe im Ocean zwiſchen Amerika und Aſien von 1776 1780 gemacht wurde. Auf der letztern verlohr zwar der durch ſo viele wichtige Entdeckungen beruͤhmte Seefahrer auf der Inſel O-wai-hi im nordlichen Theile des großen Oceans ungluͤcklicher Weiſe ſein Leben; es kam aber doch ſein Schiff unter der Fuͤhrung des Capitains King nach England zuruͤck. Alle dieſe Reiſen, nur18 die beyden letztern ausgenommen, ſind ganz in der Richtung von Morgen gegen Abend ausgefuͤhrt worden, und zeigen aus dem beſtaͤndig aͤhnlichen Anblicke der Erde und des Himmels in den mancherley beſuchten Gegenden unwiderſprechlich, daß die ganze Erd - und Waſſermaſſe nirgends von einem andern Koͤrper unterſtuͤtzt, ſondern eine im Weltraume freyſchwebende Kugel ſey. Daß uͤbrigens die auf der Erdflaͤche befindlichen Erhoͤhungen viel zu unbetraͤchtlich ſind, um eine merkliche Abweichung von der Kugelgeſtalt zu veranlaſſen, iſt bereits bey dem Worte: Berge erinnert worden.

Man nehme die Erde einſtweilen, und bis genauere Unterſuchungen etwas anders ergeben, fuͤr eine vollkommne Kugel an, auf deren Flaͤche ſich nach den Regeln der Sphaͤrik groͤßte und kleinere Kreiſe ziehen laſſen. Die Folge wird auch lehren, daß dieſe Vorausſetzung wenigſtens nicht weit von der Wahrheit abweiche. Horizont, Pole, Aequator und Mittagskreiſe der Erdkugel.

Derjenige Kreis, welcher auf einem ebnen Felde oder auf der See uͤberall um uns her unſere Ausſicht begraͤnzt, heißt der Horizont oder Geſichtskreis. Seine Ebne hor (Taf. VIII. Fig. 2.) beruͤhrt die Erdflaͤche in o, wo der Zuſchauer ſtehet, die Oberflaͤche des ſtillſtehenden Waſſers iſt aller Orten mit ihr parallel, und die Richtung des Bleyloths oder der Schwere oC ſteht auf ihr lothrecht, wie der Halbmeſſer auf der Tangente des Kreiſes. Waͤre alſo die Erde eine vollkommne Kugel, ſo wuͤrde die Schwere auf ihr uͤberall genau nach dem Mittelpunkte C wirken.

Ob gleich der Horizont hor nur einen ſehr kleinen Theil der Erdflaͤche uͤberſehen laͤßt, ſo lehren doch die Beobachtungen der Sternſeher, daß er uns von der ſcheinbaren Himmelskugel, an welcher die Fixſterne zu ſtehen ſcheinen, die voͤllige Helfte oder 180° eines jeden groͤßten Kreiſes derſelben zu ſehen erlaube. Denn, wenn man die Wirkungen der Stralenbrechung abrechnet (ſ. Stralenbre -19 chung, aſtronomiſche), ſo geht von zween Fixſternen, die einander gerade entgegenſtehen, oder um 180° aus einander ſind, der eine zu eben der Zeit unter, wenn der andere aufgeht, und ein Fixſtern, der ſeinen taͤglichen Umlauf in einem groͤßten Kreiſe zu verrichten ſcheint, iſt eben ſo lange Zeit uͤber, als unter dem Horizonte. In der Figur laͤßt ſich dieſes auf keine Weiſe darſtellen. Da man doch die ſcheinbare Himmelskugel HZRN als einen Kreis um den Mittelpunkt der Erde C vorſtellen muß, weil ſonſt, wenn man ſie um o beſchreiben wollte, jeder Ort der Erde eine andere ihm eigne Himmelskugel erfordern wuͤrde, ſo bleibt der Theil hZr, den der Horizont abſchneidet, von dem wirklichen Halbkreiſe HZR allezeit um die Bogen Hh, Rr unterſchieden. Dieſe Bogen aber werden deſto kleiner, oder machen einen deſto unbetraͤchtlichern Theil des ganzen Kreiſes aus, je groͤßer der Halbmeſſer der Himmelskugel CZ in Vergleichung mit dem Halbmeſſer der Erde Co angenommen wird. Iſt CZ etwa 60mal ſo lang, als Co, ſo betraͤgt Hh etwas weniger, als einen Grad; iſt CZ = 24000 Co, ſo macht Hh nur 8 9 Secunden aus u. ſ. w. Soll Hh aber gaͤnzlich verſchwinden, ſo muß CZ unendlich groß gegen Co, oder was eben ſo viel iſt, Co als ein bloßer Punkt gegen CZ angeſehen werden. Nun zeigen die aſtronomiſchen Beobachtungen in der That, daß bey dem ſcheinbaren taͤglichen Umlaufe der Geſtirne, der Bogen Hh fuͤr den Mond ohngefaͤhr einen Grad, fuͤr die Sonne 8 9 Secunden betrage, fuͤr die Fixſterne aber ganz unmerklich ſey; woraus folget, daß der Halbmeſſer der Himmelskugel, wenn ſich dieſelbe nur bis an den Mond erſtreckt, etwa 60mal; wenn ſie bis an die Sonne reicht, 24000mal; wenn ſie aber, wie doch nothwendig iſt, bis zu den Fixſternen ausgedehnt werden ſoll, unendlichemal groͤßer, als der Halbmeſſer der Erde, geſetzt werden muß. Das heißt, ſo groß uns auch die Erdkugel in Vergleichung mit den uns bekannten Maaßen ſcheinen mag, ſo iſt doch ihr Halbmeſſer, mithin auch die ganze Kugel ſelbſt, in Vergleichung mit dem Abſtande der Fixſterne und mit der Groͤße des ganzen Weltgebaͤudes blos fuͤr einen unbetraͤchtlichen20 Punkt zu halten. Genauere Beſtimmungen hieruͤber wird man bey dem Worte: Parallaxe finden.

Man muß ſich daher bey der Figur, welche doch die Erde nothwendig mit einiger Groͤße vorſtellen muß, immer hinzudenken, daß ſich dieſe Groͤße in einen einzigen Punkt zuſammenzieht, wenn das richtige Verhaͤltniß gegen die Groͤße der Himmelskugel beobachtet werden ſoll. Bey dieſer Zuſammenziehung faͤllt o in C, und der ſcheinbare Horizont hor wird nun einerley mit dem wahren Horizonte HCR, ſ. Horizont.

Wenn man ſich auf dieſe Art Erd - und Himmelskugel als zwo concentriſche Kugeln gedenkt, deren erſte nur ungemein viel kleiner als die letztere iſt, ſo laͤßt ſich fuͤr jeden Punkt und Kreis der letztern auch ein correſpondirender Punkt oder Kreis auf der erſtern angeben. Was die Punkte betrifft, ſo darf man nur von dem Punkte der Himmelskugel einen Halbmeſſer nach dem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte C ziehen, welcher auf der Erdflaͤche den uͤbereinſtimmenden Punkt abſchneiden wird. So viel die Kreiſe anlangt, ſind ſie entweder groͤßte oder kleinere. Bey den groͤßten geben ſich die uͤbereinſtimmenden Kreiſe auf der Erdkugel da, wo ihre Ebne ſich mit der Erdflaͤche ſchneidet. Auf den kleinern, z. B. DE, laͤßt ſich bis an den Mittelpunkt C der ſenkrechte Kegel DCE aufrichten, deſſen Durchſchnitt mit der Erdflaͤche de den uͤbereinſtimmenden kleinern Kreis auf der letztern giebt. So ſtimmt z. B. der Punkt Z des Himmels (ſ. Zenith) mit dem Standorte auf der Erdkugel o, der wahre Horizont am Himmel HR mit dem groͤßten Kreiſe der Erdkugel mn uͤberein, welcher vom Standorte o uͤberall um 90° eines groͤßten Kreiſes der Erde entfernt iſt, u. ſ. w. Von allen dieſen Kreiſen und Punkten wird der folgende Artikel: Erdkugel, kuͤnſtliche, mehrere Nachricht geben; hier wird nur noͤthig ſeyn, von den Polen, dem Aequator und den Mittagskreiſen noch etwas weniges anzufuͤhren.

Die ganze Himmelskugel mit allen Geſtirnen ſcheint ſich binnen 24 Stunden von Morgen gegend Abend ſo herum zu bewegen, daß alle Punkte derſelben Kreiſe beſchreiben,21 die mit einander ſelbſt, und mit einem gewiſſen groͤßten Kreiſe AQ parallel laufen, welcher letztere in unſern Laͤndern eine ſchiefe Lage gegen den Horizont HR hat, und der Aequator genannt wird. Nach den Lehren der Sphaͤrik haben alle dieſe parallelen Kreiſe eine gemeinſchaftliche auf dem Aequator ſenkrecht ſtehende Axe PS, die Weltaxe deren aͤußerſte Punkte P und S ihre Pole, die Weltpole, ſind, und die Bewegung ſcheint ſo zu erfolgen, als ob die ganze geſtirnte Hohlkugel ſich taͤglich um die unbewegt bleibende Axe PS umdrehete. Dem Aequator, den Weltpolen und der Weltaxe correſpondiren auf der Erdkugel der Aequator der Erde ap, die Erdpole p und s, und die Erdaxe ps, welche ein Stuͤck der Weltaxe PS ſelbſt iſt.

Der taͤgliche Umlauf der Geſtirne kan nun entweder in einer wirklichen Umwaͤlzung der ganzen Himmelskugel um die Erde beſtehen, welches jedoch wegen der ungeheuren Entfernung der Fixſterne und der ungemeinen Kleinheit der Erde hoͤchſt unwahrſcheinlich iſt, oder er kan eine bloße Erſcheinung ſeyn, und ohne die mindeſte Bewegung der Sterne lediglich daher ruͤhren, daß ſich die Erdkugel, ohne daß wir es bemerken, nach der entgegengeſetzten Richtung, d. i. von Abend gegen Morgen, um die Erdaxe ps drehet, wobey die Pole p und s unbewegt bleiben, alle uͤbrige Punkte der Erdflaͤche aber Kreiſe beſchreiben, welche unter einander ſelbſt und mit dem Aequator aq parallel ſind. Dieſe letztere Erklaͤrung iſt jetzt zu einem Grade der Wahrſcheinlichkeit erhoben, der ſich faſt der Gewißheit gleich ſetzen laͤßt, ſ. Weltſyſtem. Dem ſey aber vorjetzt, wie ihm wolle, ſo ſind doch die erwaͤhnten Punkte und Kreiſe der Erdkugel vorzuͤglich wichtig. Wir nennen denjenigen Pol p, der unſerm Standorte oder o am naͤchſten liegt, den Nordpol den entgegengeſetzten s den Suͤdpol, und geben den beyden Helften, in welche die Erdflaͤche durch den Aequator aq eingetheilt wird, die Namen der noͤrdlichen und ſuͤdlichen Halbkugel.

So wie am Himmel derjenige groͤßte Kreis, welcher durch die Pole und das Zenith des Beobachtungsorts geht,22 PZAHSRP, der Mittagskreis heißt, ſo fuͤhrt der uͤbereinſtimmende groͤßte Kreis der Erdflaͤche poamsnp, welcher durch die Erdpole und den Standort o gezogen werden kan, den Namen des Mittagskreiſes oder Meridians fuͤr den Ort o. Man pflegt aber dieſen Namen bisweilen auch nur derjenigen Helfte des Kreiſes poms beyzulegen, in welcher der Ort o ſelbſt liegt, und die andere Helfte snp als den entgegengeſetzten Meridian zu betrachten. In dieſem Sinne iſt der Meridian von Leipzig derjenige halbe groͤßte Kreis der Erdflaͤche, welcher durch beyde Pole und Leipzig geht. Alle diejenigen Orte, durch welche dieſer Halbkreis geht, haben mit Leipzig einerley Meridian, und es laſſen ſich auf der Erdflaͤche ſoviel Meridiane denken, als man Punkte im Aequator annehmen kan. Alle dieſe Halbkreiſe laufen in den beyden Polen zuſammen, und durchſchneiden den Aequator unter rechten Winkeln.

Jeder Mittagskreis wird, wie der Cirkel uͤberhaupt, in 36 Grade, und der Grad ferner in Minuten und Secunden getheilt. Wer auf der Erdflaͤche in der Richtung des Mittagskreiſes, d. i. genau nach Mitternacht oder Mittag zu, z. B. von o nach d fortgeht, deſſen Zenith muß an der Himmelskugel zugleich von Z nach D fortruͤcken, und alſo ſeinen Abſtand vom Pole P, von dem im Mittagskreiſe liegenden Punkte des Aequators A, und uͤberhaupt von allen feſten Punkten des Mittagskreiſes am Himmel, um den Bogen ZD aͤndern. Da dieſer Bogen ZD dem od gleich, oder das Maaß ebendeſſelben Winkels ZCD iſt, ſo erfaͤhrt man, um wieviel Grade, Minuten rc. des Mittagskreiſes man fortgegangen ſey, wenn man durch aſtronomiſche Werkzeuge mißt, um wieviel ſich der Abſtand des Pols, des Aequators, des Durchgangspunkts eines Sterns durch den Mittagskreis u. ſ. w. vom Zenith oder, was eben ſoviel iſt, vom Horizonte geaͤndert habe. Mit andern Worten: Die Aenderung der Polhoͤhe, Aequatorhoͤhe, Mittagshoͤhe der Geſtirne giebt die Anzahl der Grade des Mittagskreiſes an, um welche man fortgegangen iſt. Faͤnde man z. B. den Pol in d um hoͤher uͤber den Horizont geruͤckt, als man ihn in o ſahe, oder faͤnde man die Mittagshoͤhe23 eben deſſelben Sterns in d um einen Grad von der in o verſchieden, ſo wuͤrde daraus folgen, daß der Bogen od einen Grad des Mittagskreiſes betruͤge. Wenn man nun durch geometriſche Mittel die Laͤnge des Weges od in gewoͤhnlichen Maaßen abmaͤße, ſo wuͤrde ſich daraus die Groͤße eines Grades vom Umfange der Erdkugel, und unter der Vorausſetzung, daß ſie eine vollkommne Kugel ſey, durch Multiplication mit 360 die Laͤnge des Umfangs, mithin auch die des Durchmeſſers, und uͤberhaupt die Groͤße der ganzen Kugel ergeben. Ehe wir aber dieſe Unterſuchungen weiter fortſetzen koͤnnen, muͤſſen wir zuvor die eigentliche Geſtalt der Erde genauer pruͤfen. Abgeplattete Geſtalt der Erde.

Die phyſikaliſche Urſache, welche der Erde bey ihrer Entſtehung eine kugelaͤhnliche Rundung gegeben hat, iſt unſtreitig die Schwere der ganzen zur Erde gehoͤrigen Materie, ſ. Gravitation, Schwere der Erdkoͤrper. Dieſe Kraft, von deren Daſeyn uns die Erfahrung uͤberzeugt, ob wir gleich ihre Urſache nicht kennen, treibt jeden zur Erde gehoͤrigen Theil der Materie nach allen uͤbrigen zu, woraus eine mittlere Richtung nach dem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte aller Anziehungen entſtehet, nicht als ob dieſer Mittelpunkt mit einer beſondern Kraft verſehen waͤre, ſondern weil die Gravitationen nach allen auf verſchiedenen Seiten liegenden Theilen durch ihr Zuſammenkommen eine Bewegung oder Sollicitation nach dieſer mittlern Richtung bewirken. So muß ſich eine Menge von Theilen, in welche keine weitere Kraft, als dieſe ihre wechſelſeitige Gravitation gegen einander wirkt, von ſelbſt in die Geſtalt einer Kugel ordnen, weil die Theile von allen Seiten her ſo nahe, als moͤglich, auf das Ganze zu gehen, und ſich ſo lange bewegen und vertheilen werden, bis auf allen Seiten eine voͤllige Gleichfoͤrmigkeit ſtatt findet. Aus eben dieſer Urſache finden wir auch die Kugelgeſtalt an allen bisher bekannten Himmelskoͤrpern.

Die Erfahrung belehret uns, daß die Richtung der Schwere, an allen Orten der Erdflaͤche, auf der Oberflaͤche24 des ſtillſtehenden Waſſers oder auf der Ebne des Horizonts, welche die Erdflaͤche ſelbſt beruͤhrt, lothrecht ſtehe. Waͤre die Erde eine vollkommne Kugel, ſo muͤßten alle dieſe Richtungslinien der Schwere in einen gemeinſchaftlichen Mittelpunkt zuſammentreffen. Auch wuͤrde nach den Geſetzen der Gravitation die Schwere, als beſchleunigende Kraft betrachtet, an allen Stellen der Erdflaͤche gleich groß ſeyn muͤſſen, weil ſie alle von dem Mittelpunkt gleich weit entfernt waͤren, vorausgeſetzt, daß ſich die Erde in einer vollkommnen Ruhe befaͤnde.

Wenn ſich aber die Erdkugel, wie das copernikaniſche Syſtem annimmt, taͤglich einmal um ihre Axe drehet, ſo entſteht hieraus fuͤr jeden Punkt der Erdflaͤche ein Schwung (ſ. Centralbewegung, Centralkraͤfte) oder eine Schwungkraft, deren Richtung in dem Halbmeſſer des von den Koͤrpern beſchriebenen Kreiſes liegt, indem ſich dieſe Koͤrper von dem Mittelpunkte dieſes Kreiſes, vermoͤge der ihnen mitgetheilten Bewegung, zu entfernen ſtreben. So wird z. B. wenn ſich die Kugel (Taf. VIII. Fig. 3.) um die Axe PR drehet, in Q ein Schwung nach q, in E und G nach e und g entſtehen. Die Richtung dieſer Schwungkraͤfte iſt unter dem Aequator in Q der Richtung der Schwere QC gerade und gaͤnzlich, in E und G aber den Richtungen der Schwere EC und GC wenigſtens zum Theil entgegengeſetzt. Daher wird ein Theil der Schwere darauf verwendet werden, die Wirkung des Schwunges aufzuheben, und die Koͤrper, welche ſonſt von der Erde hinwegfliegen wuͤrden, auf der Oberflaͤche derſelben zu erhalten. Dieſer verwendete Theil der Schwere kan natuͤrlich nichts weiter bewirken; er wird alſo der Schwere der Erdkoͤrper, in ſofern man dieſelbe durch ihre uͤbrigen Wirkungen bemerkt, abgehen, d. h. man wird die Schwere vermindert finden. Aus einer doppelten Urſache muß dieſe Verminderung der Schwere unter dem Aequator AQ am ſtaͤrkſten ſeyn; einmal, weil der Kreis der taͤglichen Umdrehung daſelbſt am groͤßten iſt, und die Koͤrper ſchneller, als in den Kreiſen DE und FG, geſchwungen werden, und dann, weil hier die Richtung der Schwungkraft Qq der25 Schwere nach C gerade, bey E und G aber nur zum Theil entgegengeſetzt iſt. Im Pole P hingegen muß die Kraft der Schwere ganz unvermindert bleiben, weil daſelbſt die umdrehende Bewegung gar nicht mehr ſtatt findet. Ausfuͤhrlichere Beſtimmungen hievon ſ. bey dem Artikel: Schwungkraft.

Die Verminderung der Schwere laͤßt ſich am bequemſten durch den Gang eines Pendels wahrnehmen, welches nach den bey dem Worte: Pendel beyzubringenden Gruͤnden, ſeine Schwingungen in deſto kuͤrzerer Zeit vollendet, je kuͤrzer es ſelbſt, und je groͤßer die Kraft der Schwere iſt. Dreht ſich alſo die Erde wirklich um ihre Axe, ſo laͤßt ſich erwarten, daß eben daſſelbe Pendel ſeine Schwingungen in den Gegenden des Aequators langſamer, als in unſern Laͤndern, verrichten werde.

Picard (Méſure de la terre. Paris, 1671. 8. Art. 4.) gedenkt zum Erſtenmale einer in der Akademie der Wiſſenſchaften vorgetragnen Muthmaßung, daß ſchwere Koͤrper, wenn die Umwaͤlzung der Erde angenommen werde, unter dem Aequator mit geringerer Kraft fallen muͤßten, als unter den Polen. Er bemerkt, daß hieraus eine Verſchiedenheit in den Secundenpendeln entſtehen muͤſſe, welche da geſchwinder gehen wuͤrden, wo mehr Schwere ſtatt faͤnde, und fuͤgt hinzu, einige in London, Lion und Bologna gemachte Erfahrungen ſchienen anzuzeigen, daß man das Secundenpendel deſto kuͤrzer machen muͤſſe, je mehr man mittagwaͤrts oder gegen den Aequator der Erde zu gehe. Doch ſchienen andere Erfahrungen zu widerſprechen, indem man im Haag und zu Paris die Laͤngen des Secundenpendels gleich groß gefunden habe.

Die Pariſer Akademie ertheilte im Jahre 1671 dem Herrn Richer unter andern den Auftrag, bey ſeinem Aufenthalte auf der Inſel Cayenne, welche bey Suͤdamerika nur nordwaͤrts vom Aequator liegt, die dortige Laͤnge des Secundenpendels zu unterſuchen. Er fand (Obſervations aſtronomiques et phyſiques faites à Cayenne. Paris, 1670. fol.), daß ſeine aus Paris mitgebrachte Pendeluhr in Cayenne taͤglich um 2 Minuten zu langſam gieng, ſo26 daß er genoͤthigt war, die Pendelſtange derſelben um 1 1 / 4 Lin. zu verkuͤrzen, wenn ſie ihre 3600 Schwingungen in einer Stunde richtig ſchlagen ſollte. Dagegen mußte ſie bey der Zuruͤckkunft nach Paris, weil nun die Uhr zu geſchwind gieng, wieder auf die vorige Laͤnge zuruͤckgebracht werden. Hiedurch ward es alſo außer Zweifel geſetzt, daß die Schwere der Koͤrper gegen den Aequator hin geringer werde, und man erhielt dadurch zugleich einen ſtarken Beweis fuͤr die Wirklichkeit der Umwaͤlzung der Erde und fuͤr das copernikaniſche Syſtem.

Von dieſer Zeit an kam Huygens, welcher die Saͤtze von der Schwungkraft im Kreiſe zuerſt bekannt gemacht hat, auf die Vermuthung, daß die mit geringerer Schwere verſehenen Theile der Erde um den Aequator, mit den ſchwerern Theilen gegen die Pole hin nicht im Gleichgewichte ſtehen koͤnnten, wenn die Erde eine vollkommne Kugel waͤre. Geſetzt auch, ſie ſey Anfangs eine fluͤßige Kugel geweſen, ſo wuͤrden doch ihre Theile durch die taͤgliche Umdrehung ſich deſto mehr erhoben haben, je naͤher ſie dem Aequator geweſen waͤren, dagegen wuͤrden die ſchwereren Theile um die Pole tiefer gegen den Mittelpunkt herabgeſunken ſeyn, und das Ganze wuͤrde alſo die Geſtalt eines um die Pole zuſammengedruͤckten oder abgeplatteten Sphaͤroids (Sphèroide applâti) (Taf. VIII. Fig. 4.) erhalten haben. Eben das muͤßte erfolgt ſeyn, wenn auch nur die Oberflaͤche der Erde uͤberall mit Waſſer bedeckt geweſen waͤre. Und da die Erde um den Aequator herum wirklich große Meere hat, ſo muß der Schwung ihnen dieſe Geſtalt wirklich geben, welche auch das feſte Land haben muß, weil es ſonſt vom Meere uͤberſchwemmt werden muͤßte.

Aus dieſen Gruͤnden erklaͤrt Huygens (De cauſa gravitatis, in Opp. cura s'Graveſande. Lugd. Bat. 1724. 4. To. I.) die Erde fuͤr ein abgeplattetes Sphaͤroid, deſſen Durchmeſſer durch den Aequator AQ etwas groͤßer ſey, als die von Pol zu Pol gehende Axe PS. Er fuͤhrt zu Beſtaͤrkung dieſes Satzes den Verſuch mit einer weichen Thonkugel an, welche an eine Axe geſteckt und ſchnell herumgedreht. wirklich eine ſolche Geſtalt erhaͤlt, an dem Pole der Umdrehung27 ſich abplattet, und um den Aequator aufſchwillt. Er wagt ſich ſogar an eine Berechnung des Verhaͤltniſſes CA: CP, indem er dieſe beyden Laͤngen als communicirende Roͤhren mit Fluͤßigkeiten von ungleichen Schweren gefuͤllt anſieht, und deren Hoͤhen fuͤr den Fall des Gleichgewichts nach hydroſtatiſchen Geſetzen berechnet. Da er gefunden hatte, daß die Schwungkraft im Aequator (1 / 289) von der Schwere daſelbſt betrage, ſo beſtimmt er hieraus, daß CP um (1 / 578) kleiner, als CA ſey.

Newton (Philoſ. natur. principia math. L. III. prop. 18. 19. ) traͤgt eben dieſen Satz von der ſphaͤroidiſchen Geſtalt der Erde als eine Folge ſeines vortreflichen Syſtems uͤber die Geſetze der Gravitation und Schwungkraft vor. Die Planeten, ſagt er (prop. 18.), muͤßten, wenn ſie ſich nicht taͤglich umdrehten, wegen der von allen Seiten her gleichen Schwere der Theile, eine Kugelgeſtalt an nehmen. Durch die Kreisbewegung aber werden die Thei le von der Axe entfernt, und ſtreben ſich um den Aequa tor zu erheben. Daher wird die Materie, wofern ſie fluͤßig iſt, den Durchmeſſer um den Aequator durch ihr Aufſteigen vergroͤßern, die Axe hingegen durch ihr Nie derſinken bey den Polen verkuͤrzen. So findet man den Durchmeſſer des Jupiters, nach Caſſini und Flam ſtead's Beobachtungen, zwiſchen ſeinen Polen kuͤrzer, als nach der Richtung von Morgen gegen Abend. Aus eben dem Grunde muß unſere Erde um den Aequator hoͤ her, als bey den Polen, ſeyn; ſonſt wuͤrde ſich das Meer an den Polen ſenken, um den Aequator aber in die Hoͤhe treten und alles uͤberſchwemmen Er berechnet hierauf (prop. 19.) das Verhaͤltniß der Axe zu dem auf ſie ſenkrechten Durchmeſſer nach richtigern Gruͤnden, als Huygens, indem er zugleich den Umſtand mit in die Rechnung bringt, daß die Materie bey A nicht blos durch den Schwung, ſondern auch darum leichter, als die bey P werden muͤſſe, weil ſie weiter vom Mittelpunkte C entfernt iſt, indem die Schwere im umgekehrten Verhaͤltniſſe des Quadrats der Entfernung von C abnimmt, welcher Umſtand bey Huygens gaͤnzlich fehlet. Dadurch wird die Rechnung zwar28 verwickelter, aber auch der Natur gemaͤßer, und giebt endlich das Reſultat, daß ſich bey der Erde AC: CP = 692: 689 oder wie 230 2 / 3: 229 2 / 3 verhalte. Huygens und Newtons Berechnungen ſind von Friſi (Disquiſitio in cauſam phyſicam figurae et magn. telluris. Mediolani, 1750. gr. 4.) und Clairaut (Theorie de la figure de la terre tirée des principes de l'hydroſtatique. à Paris, 1743. 8. ) umſtaͤndlicher erlaͤutert worden.

Dieſe blos aus der Theorie gezognen Muthmaßungen waren indeß noch nicht hinreichend, eine vollkommne Ueberzeugung von der Wahrheit des Satzes zu gewaͤhren. Der ganze Schluß ließ ſich entkraͤften, wenn man annahm, die Erde ſey anfangs laͤnglich rund geweſen. Denn ſo wuͤrde ſie der Schwung in eine vollkommne Kugel haben verwandeln koͤnnen. Es blieb alſo noch immer noͤthig, die Frage durch wirkliche auf der Erde ſelbſt gemachte Beobachtungen und Abmeſſungen zu entſcheiden.

Was dergleichen Abmeſſungen hieruͤber lehren koͤnnen, beruhet auf folgenden Gruͤnden. Taf. VIII. Fig. 4. ſey die krumme Linie PQSA ein Meridian der Erdkugel. Waͤre die Erde eine Kugel, und der Meridian ein vollkommner Kreis, ſo muͤßten alle Grade deſſelben gleich ſeyn, und alle Richtungen der Schwere, oder alle Scheitellinien, im Mittelpunkte zuſammenlaufen. Hat ſie aber eine ſphaͤroidiſche Geſtalt, wie in der Figur, ſo wird ihr Meridian bey P, wo ſie eingedruͤckt iſt, flach oder weniger gekruͤmmt ſeyn, bey A hingegen, wo ſie mehr erhoben iſt, eine ſtaͤrkere Kruͤmmung haben; mithin wird der Halbmeſſer dieſer Kruͤmmung bey B groͤßer, bey A kleiner ſeyn. Auch werden die Richtungen der Schwere oder die auf der Oberflaͤche lothrecht ſtehenden Linien PD, pD, AE, aE, welche in die Richtung des Halbmeſſers der Kruͤmmung fallen, nicht mehr in dem Mittelpunkte, ſondern in andern Punkten, z. B. in D und E, zuſammenkommen. Nun legt man nach dem, was oben gelehrt worden iſt, einen Grad des Meridians zuruͤck, wenn man in dieſem Kreiſe ſo weit fortgeht, bis der Scheitelpunkt am Himmel ſich um verſchoben, oder, was eben ſoviel iſt, bis die Richtung der Schwere29 ſich um geaͤndert hat. Stellen alſo die Stuͤcken Pp, Aa Grade des Mittagskreiſes vor, ſo laſſen ſich dieſelben als Kreisbogen anſehen, die mit den Halbmeſſern der Kruͤmmung DB, EA beſchrieben ſind, und deren zugehoͤrige Winkel PDp, AEa, jeder betragen. Es iſt aber der Halbmeſſer PD laͤnger, als EA, mithin auch der Bogen Pp groͤßer, als der aͤhnliche Bogen Aa, oder: Der Grad des Mittagskreiſes iſt da groͤßer, wo die Erde flach und eingedruͤckt, da kleiner, wo ſie erhaben iſt. Die Entſcheidung der Frage kam alſo darauf an, ob man den Grad des Mittagskreiſes bey wirklicher Abmeſſung uͤberall gleich oder verſchieden, und wo man ihn groͤßer finden werde. Sollte ſich Huygens und Newtons Muthmaßung beſtaͤtigen, ſo mußte man den Grad nach den Polen zu oder gegen Norden groͤßer finden, als gegen den Aequator zu oder gegen Suͤden.

Durch Abmeſſungen, von denen weiter unten umſtaͤndlichere Nachrichten folgen, hatte Snellius den Grad des Mittagskreiſes in den Niederlanden 55021, Picard in Frankreich 57060 Toiſen gefunden. Hiebey iſt der noͤrdlichere Grad kleiner als der ſuͤdliche. Daraus ſchloß ſchon Eiſenſchmidt (Diatribe de figura telluris elliptico-ſphaeroide, Argentorati 1691. 8. ), daß die Erde ein laͤngliches Sphaͤroid, d. i. um die Pole erhaben, und um den Aequator eingedruͤckt ſey, welches mit Newtons Behauptungen ſtreitet. Allein das Reſultat des Snellius iſt ſehr unrichtig; auch liegen ſich beyde Grade zu nahe, um etwas Sicheres aus ihrer Vergleichung zu ſchließen.

In den Jahren 1700 und 1701 zog Johann Dominicus Caſſini (ſ. Mém. de l'Acad. des Sc. ann. 1701.) eine von der pariſer Sternwarte bis an die Pyrenaͤen fortgehende Mittagslinie, welche den aſtronomiſchen Beobachtungen zufolge 18′ eines Mittagskriſes der Erdkugel ausmachte. Die geometriſche Meſſung gab hiebey den naͤchſten Grad an Paris 57126 1 / 2 Toiſen an, und da Picard den nordwaͤrts von Paris gelegnen Grad nur 57060 Toiſen gefunden hatte, ſo ſchien hieraus wiederum das Gegentheil von Newtons Muthmaßung zu folgen. 30

Um noch mehrerer Gewißheit willen, und zugleich zu Vervollkommnung der Geographie von Frankreich ward dem Sohne des vorigen, Jacob Caſſini nebſt Maraldi und de la Hire im Jahre 1718 aufgetragen, die pariſer Mittagslinie auch nordwaͤrts, und durch das ganze Koͤnigreich zu verlaͤngern. Sie fanden fuͤr beyde Bogen, wovon der ſuͤdliche bis Collioure, der noͤrdliche bis Duͤnkirchen gieng, folgende Reſultate

BogenLaͤnge in ToiſenGroͤſ. d Grad.
ſuͤdlicher Bogen18′57″360614-57097
noͤrdlicher -2129 1 / 2125454-56960

(ſ. Jaques Caſſini Tr. de la figure et de la grandeur de la terre, in der Suite des Mém. de l'Acad. des Sc. ann. 1718. auch beſonders gedruckt, Amſt. 1723. 8. Jacob Caſſini von der Figur und Groͤße der Erde, herausg. von Klimm. Leipz. 1741. 8.) Weil nun auch hier der noͤrdliche Grad kleiner, als der ſuͤdliche, angegeben ward, ſo beſtritten von dieſer Zeit an die franzoͤſiſchen Akademiſten Newtons Muthmaßung, nahmen die Erde fuͤr ein laͤngliches Sphaͤroid an, und behaupteten, man muͤſſe der Erfahrung und Meſſung mehr, als theoretiſchen Vermuthungen glauben, welche ſich auf unerwieſene Vorausſetzungen gruͤndeten. Dagegen vertheidigten die Englaͤnder, z. B. Gregory, Keill, Maclaurin, Stirling auch Hermann und Kraft die newtoniſche Meynung, hielten die franzoͤſiſchen Meſſungen fuͤr unzuverlaͤßig, und behaupteten mit Recht, die gemeſſenen Bogen laͤgen einander zu nahe, und auf einem allzukleinen Theile der Erdflaͤche beyſammen, als daß man daraus ſicher auf die Geſtalt des ganzen Umfangs ſchließen koͤnnte.

Um dieſen Streit voͤllig zu entſcheiden, bedurfte es einer Ausmeſſung zweyer aͤußerſten Grade, die ſo nahe als moͤglich, der eine am Pole, der andere am Aequator, laͤgen. Denn hiebey mußte der Unterſchied beyder ſo groß ausfallen, daß kein Zweifel daruͤber, welcher der groͤßere ſey, zuruͤckbleiben konnte.

In dieſer Abſicht beſchloß der franzoͤſiſche Hof im Jahre 1735 eine der glaͤnzendſten und fuͤr die Naturwiſſenſchaften31 uͤberhaupt vortheilhafteſten Unternehmungen. Es wurden zu Abmeſſung zweener ſo nahe als moͤglich am Pol und Aequator gelegner Grade die Herren Bouguer, de la Condamine, Godin, Juſſieu und Couplet nach Quito im noͤrdlichen Theile von Peru, von Maupertuis, Clairaut, Camus, le Monnier und der Abbé Outhier nach Lappland geſendet. Die letztern vollendeten ihr Werk zuerſt. Sie hatten in den Jahren 1736 und 1737 bey der Stadt Torneaͤ einen Grad des Mittagskreiſes gemeſſen, der den Polarkreis ſchneidet, und gaben ſchon 1738 Nachricht von den gefundenen Reſultaten (ſ. Figure de la terre determinée par les obſervations des Mſsrs. de Maupertuis, Clairaut, Camus etc. faites par l'ordre du Roi au cercle polaire. à Paris, 1738. 8. Figur der Erde, beſtimmt durch die Beobachtungen der Herren von Maupertuis rc. Zuͤrich, 1741. 8. Journal d'un voyage au Nord par Mr. l'Abbé Outhier, Paris 1738. 8.). Der gemeſſene Bogen betrug nach zwoen verſchiedenen Reihen von aſtronomiſchen Beobachtungen 57′ 27″ 57′ 30 1 / 2″, woraus man das Mittel von 57′ 28 3 / 4″ nahm, und ſeine Laͤnge, durch eine auf dem Eiſe gemeſſene Grundlinie von 7406 Toiſen und trigonometriſche Berechnung der damit verbundnen Dreyecke beſtimmt, fand ſich 55023 1 / 2 Toiſe. Hieraus folgt der in Lappland gemeſſene Grad = 57437,9 Toiſen, alſo um ein betraͤchtliches groͤßer, als alle in Frankreich gemeſſene. Herr von Maupertuis entſchied daher ohne Bedenken fuͤr die newtoniſche Muthmaßung, ob er gleich anfaͤnglich, beſonders in Frankreich, noch einigen Widerſpruch fand.

Alle Zweifel aber wurden voͤllig gehoben, als die nach Peru geſendeten Gelehrten das Reſultat ihrer aͤußerſt langwierigen und beſchwerlichen Arbeiten bekannt machten. Sie kamen erſt nach mehreren Jahren, zum Theil nach mancherley uͤberſtandenen Muͤhſeligkeiten, zuruͤck. (ſ. La figure de la terre determinée par les obſervations des Mſsrs. Bouguer et de la Condamine envoyés au Perou par l'ordre du Roi, par M. Bouguer. Paris, 1749. 4. Méſure des trois premiers degrés du Meridien dans l'hémiſphère auſtral, par Mr. de la Condamine. Paris, 1751. 4. Rela -32 cion hiſtorica del viage a la America meridional. Madrid 1748. 4., das letztere von Don Georg Juan de Ulloa, einem ſpaniſchen Officier, der nebſt ſeinem Bruder Antonio de Ulloa die Akademiſten begleitet hatte). Sie hatten einen ſuͤdwaͤrts vom Aequator gelegnen Bogen von 3. gemeſſen, und den Grad in Peru 56753 Toiſen, mithin weit kleiner, als die Grade in Frankreich, gefunden, ſo daß nunmehr die abgeplattete Geſtalt der Erde außer allen Zweifel geſetzt, und Newtons Meynung voͤllig beſtaͤtiget war.

Neuere Gradmeſſungen, welche ich im folgenden anfuͤhren werde, ſtimmen durchgaͤngig hiemit uͤberein. Man hat auch die genaue Geſtalt der Erdmeridiane unter der Vorausſetzung, daß ſie alle einander gleich ſind, zu beſtimmen geſucht. Natuͤrlich mußte man zuerſt darauf fallen, jeden Meridian als eine Ellipſe zu betrachten, wobey ſich denn mittelſt der Theorie der Kegelſchnitte aus Vergleichung zweener gemeſſenen Grade das Verhaͤltniß CA: CP beſtimmen laͤßt. Dazu haben ſchon Maupertuis und Bouguer, auch Clairaut und Mallet (Allgemeine oder mathematiſche Beſchreibung der Erdkugel, aus dem Schwed. von Roͤhl. Greifsw. 1774. 4.) Formeln gegeben. Allein es giebt unter den gemeſſenen Graden jedes Paar eine andere Ellipſe. Sie paſſen alſo nicht in eine einzige, und es wird daher unwahrſcheinlich, daß die Kruͤmmung der Meridiane elliptiſch und die Erdkugel ein Ellipſoid ſey. Bouguer, der doch damals nicht mehr, als drey verſchiedne Grade vergleichen konnte, fand dies ſchon, und ſchrieb alſo der Erde eine Kruͤmmung von anderer Art zu, welche auch de la Lande (Aſtronomie §. 2683.) annimmt und Hube (De telluris forma. Varſov. 1780. 8. ) genauer zu beſtimmen geſucht hat. Des Abt de la Caille Gradmeſſung am Vorgebirge der guten Hoffnung hat auch Zweifel veranlaſſet, ob die ſuͤdliche Helfte der Erde eben ſo, wie die noͤrdliche, gekruͤmmt ſey. Es ſind aber bis jetzt der Beobachtungen noch zu wenig, und der Umſtaͤnde, welche Fehler darinn veranlaſſen koͤnnen, zu viele, als daß man uͤber alle dieſe Fragen entſcheiden koͤnnte. Wir muͤſſen uns begnuͤgen zu wiſſen, daß zwar die Erdaxe kleiner als der Durchmeſſer33 des Aequators, daß aber auch dieſe Abplattung nicht ſehr betraͤchtlich ſey.

Aehnliche Abplattungen haben Caſſini am Jupiter, und ganz neuerlich Herr Herſchel am Mars bemerket, welche beyde Planeten ſich ebenfalls, der erſte in etwa 10, der zweyte in 24 1 / 2 Stunden, um ihre Axen drehen, ſ. Jupiter, Mars. Man ſieht hieraus, wie genau die aus dem kopernikaniſchen Weltſyſtem und den Geſetzen der Gravitation und Schwungkraft gezognen Folgen mit der Natur uͤbereinſtimmen. Groͤße der Erde.

Die im Vorigen bereits angegebne Art, die Groͤße des Bogens vom Mittagskreiſe od (Taf. VIII. Fig. 2.) dadurch zu finden, daß man bemerkt, um wieviel beym Fortgange von o nach d der Pol, Aequator, oder irgend ein beſtimmter Punkt im Mittagskreiſe, ſeinen Abſtand vom Zenith oder Horizonte aͤndert, iſt ſchon bey den Griechen zur Abmeſſung der Erde angewendet worden.

Das Vorgeben, daß Anaximander von Milet, einer der vornehmſten Schuͤler des Thales, die erſte Abmeſſung der Erde unternommen habe, gruͤndet ſich blos auf eine uͤbel verſtandne Stelle des Diogenes Laertius (Vit. Philoſ. L. II. 〈…〉〈…〉1), welche nichts weiter ſagt, als daß dieſer Weltweiſe den Umfang der Kuͤſten von den damals bekannten Laͤndern zuerſt in einer Zeichnung dargeſtellt habe. Eben ſo wenig kan man eine vom Archytas aus Tarent veranſtaltete Erdmeſſung aus der Stelle des Horaz (Od. I. 28.):

Te maris et terrae, numeroque carentis arenae Menſorem, Archyta etc.

beweiſen, da der Dichter offenbar blos die Abſicht hat, die Talente und Kenntniſſe des Archytas zu erheben.

Die erſte hiſtoriſch gewiſſe Abmeſſung der Erde iſt die von Eratoſthenes in Alexandrien (400 Jahre v. C. G.), deren außer dem Strabo und Plinius, auch Cleomedes (Theoria cyclica, Baſil. apud Henr. Petri 1547. 8. cap. 10.) gedenkt. Eratoſthenes nahm hiebey an, daß die Stadt34 Syene, an den Grenzen Egyptens und Aethiopiens, mit Alexandrien unter einerley Mittagskreiſe liege, wiewohl dieſe Vorausſetzung falſch iſt, und Syene nach dem Prolemaͤus (Geogr. L. IV. c. 5.) um 1°53′ oſtwaͤrts von Alexandrien gelegen hat. Nun war es bey den Alten bekannt, daß in Syene am Mittage des laͤngſten Tages die Sonne im Scheitelpunkte ſtehe, und die Koͤrper auf keine Seite einen Schatten wuͤrfen, daher auch Lucan (Pharial. II. v. 586) von der

umbras nusquam flectente Syene redet. Zu Alexandrien aber beobachtete Eratoſthenes den Schatten der Mittagsſonne am laͤngſten Tage mit Huͤlfe des Taf. VIII. Fig. 5. vorgeſtellten Werkzeugs (Scapha, Scaphium). Es war dies eine hohle Halbkugel AFB, mit einem getheilten Halbkreiſe, von deren Grunde F der ſenkrechte Stift FC (gnomon) aufgerichtet war. Stellte man dies an die Sonne, und richtete den Stift FC nach dem Zenith Z, ſo gab die Laͤnge ſeines Schattens Fs in Theilen des Kreiſes ausgedruͤckt, das Maaß des Winkels FCs = ZCS, d. i. den Abſtand der Sonne vom Scheitel, an. So fand Eratoſthenes dieſen Abſtand am Mittage des laͤngſten Tages = (1 / 50) des Kreiſes (nach dem bey uns gewoͤhnlichen Ausdrucke = 12′). Er ſchloß hieraus, daß Alexandrien von Syene, wo in eben dem Augenblicke die Sonne im Scheitel ſelbſt ſtehe, um (1 / 50) des ganzen Umkreiſes der Erde entfernt ſey, und ſetzte daher dieſen Umkreis, da beyde Staͤdte nach den Berichten der Reiſenden 5000 Stadien weit aus einander lagen, auf 50X5000 = 250000 Stadien, wiewohl Plinius (Hiſt. nat. II. 108.) angiebt, er habe 252000 Stadien gefunden. Es iſt aber ſehr ſtreitig, was fuͤr ein Maaß dieſes Stadium geweſen ſey. Rechnet man es mit Lulofs (Einleitung zur mathemat. und phyſikal. Kenntniß der Erdkugel, S. 67.) zu 570 pariſer Fuß, ſo giebt dieſe Meſſung den Umkreis der Erde bey weitem zu groß. Uebrigens ſoll ſie hundert Jahre nachher von Hipparchus berichtiget worden ſeyn, obgleich Plinius und Strabo (lib. II. ) in ihren Nachrichten von dieſer Verbeſſerung ſich ſehr widerſprechen. 35

Eine andere Angabe der Groͤße der Erde ruͤhrt von dem Stoiker Poſidonius zu Rhodus her, und gruͤndet ſich nach dem Berichte des Cleomedes auf die Beobachtungen der Hoͤhe des Canopus. Da dieſer Stern zu Rhodus taͤglich nur auf kurze Zeit im ſuͤdlichen Horizonte ſichtbar ward, und ſogleich wieder verſchwand, zu Alexandrien aber im Mittagskreiſe ſich um den 48ſten Theil des Kreiſes (d. i. um 7 1 / 2) uͤber den Horizont erhob, ſo nahm Poſidonius den Abſtand beyder Orte, welcher 5000 Stadien betrug, fuͤr den 48ſten Theil des Umkreiſes der Erde an, und ſetzte daher den letztern auf 240000 Stadien. Da dies griechiſche Stadien ſind, welche genau 180000 alexandriniſche ausmachen, und das alexandriniſche Stadium auf 685 pariſer Fuß geſetzt werden kan (Lulofs §. 44. 45. ), ſo giebt dieſe Beſtimmung jeden Grad 500 Stadien, oder 342500 par. Fuß = 57083 1 / 3 Toiſen, welches der Wahrheit ſehr nahe koͤmmt. Auch Strabo fuͤhrt an, daß Poſidonius die Groͤße des Umfangs der Erde 180000 Stadien ſetzte: Prolemaͤus (Geogr. L. VII. c. 5.) nimmt eben dieſe Groͤße der Erde an, ſchreibt aber ihre Beſtimmung dem Eratoſthenes, Hipparch und Maximus Tyrius zu. Weitlaͤufigere Unterſuchungen uͤber dieſe Meſſungen der Alten und die dabey gebrauchten Maaße findet man bey Riccioli (Geographia reform. lib. V. c. 7.), Snellius (im Eratoſthenes Batavus), Struyck (Over de Grotte der Aarde) und Eiſenſchmidt (De ponderibus et menſuris. Argent. 1708. 8.).

Um das Jahr 827 der chriſtlichen Zeitrechnung ließ der beruͤhmte Kalif Al-Mamon durch viele nach Bagdad berufene Mathematiker zween Grade des Mittagskreiſes in der Ebne Singar laͤngſt den Kuͤſten des arabiſchen Meerbuſens abmeſſen. Von dieſer Meſſung giebt Alfraganus in ſeiner Aſtronomie die Nachricht, daß man die Groͤße des Grades 56 bis 56 2 / 3 arabiſche Meilen gefunden habe. Man iſt aber auch uͤber dieſes Maaß noch ungewiß

Die im Jahre 1525 von dem franzoͤſiſchen Arzte Fernel verſuchte Meſſung, deren Snellius und Riccioli erwaͤhnen, beruhte auf aͤußerſt unſichern Gruͤnden. Er beobachtete die Polhoͤhe von Paris, fuhr dann gerade nach Norden,36 bis er aus der mittaͤglichen Sonnenhoͤhe glaubte, einen Grad weiter gekommen zu ſeyn, und maß den Weg durch die Anzahl der Umlaͤufe ſeines Wagenrads. Nach der Zeit haben Clavius, Kepler, Caſari u. a. viele geometriſche Methoden, die Groͤße der Erdkugel aus Beobachtungen auf Bergen zu finden, angegeben, welche man beym Varenius (Geogr. gener. ed. Cantabr. 1672. 8. p. 27.) und Riccioli (Geograph. reform. L. V. c. 14. ſqq. ) zum Theil auch beym Wolf (Elementa geograph. mathem. Cap. I. Problem. 2. ſqq. ) findet, die aber ſaͤmmtlich wegen der dabey unvermeidlichen Fehler keine Aufmerkſamkeit verdienen.

Das einzige Verfahren, welches hiebey die noͤthige Richtigkeit gewaͤhren kan, iſt die Ausmeſſung eines an der Mittagslinie hinlaufenden Stuͤcks der Erdflaͤche durch eine Dreyeckverbindung. Eine ſolche ſtellt Taf. VIII. Fig. 6. vor. Es ſey Aβ die durch den Ort A gehende Mittagslinie; B, C, D, E, F ſeyen Standpunkte, z. B. Signale auf Bergen, Thuͤrme u. dgl., von deren jedem man auf einige der benachbarten frey ſehen kan; ab eine angenommene Grundlinie, von deren Endpunkten ebenfalls eine freye Ausſicht auf einige der naͤchſten Signale ſtatt findet; ſo werden ſich, wie die Figur deutlich zeiget, ſaͤmmtliche Punkte durch die von A bis B reichende Reihe von Triangeln AFE, Fab, bFE, EbC, bCD, DCB verbinden laſſen. Iſt nun die Grundlinie ab nebſt allen in der Figur vorkommenden Winkeln bekannt, ſo laͤßt ſich durch trigonometriſche Berechnung die Laͤnge jeder Seite der Dreyecke beſtimmen, und die ganze Figur genau in Grund legen. Kennt man ferner die Winkel FAβ, EAβ, welche die an A liegenden Seiten mit der Mittagslinie Aβ machen, ſo laſſen ſich auch diejenigen Dreyecke der Figur, welche einen Theil der Mittagslinie zur Seite haben, wie AFγ, E〈…〉〈…〉2 u. ſ. w. bis an den Punkt β (wo bey β ein rechter Winkel iſt) berechnen. Die Summe der Linien A〈…〉〈…〉3 u. ſ. f. giebt alsdann die Laͤnge des ganzen gemeſſenen Stuͤcks vom Mittagskreiſe Aβ. Wird nun noch durch aſtronomiſche Beobachtungen in A und B ausgemacht, um wieviel ſich die Polhoͤhen oder die Abſtaͤnde eines culminirenden Sterns vom37 Scheitel an beyden Orten unterſcheiden, ſo giebt dieſer Unterſchied die Groͤße des Bogens Aβ in Graden, Minuten rc. des Umkreiſes der Erde an. Die Vergleichung lehrt dann ſogleich, wie groß an dieſer Stelle ein Grad des Mittagskreiſes ſey. Und da hiebey alles auf Meſſung einer einzigen Grundlinie, auf Meſſungen von Winkeln auf der Erde und am Himmel, und auf Berechnung beruht, ſo ſieht man bald, daß der ganze Plan auf die ſicherſten Gruͤnge gebaut iſt, die man bey dem gegenwaͤrtigen Zuſtande der mathematiſchen Praxis nur immer haben kan.

Dieſen einzig richtigen Weg hat zuerſt der Hollaͤnder Willebrord Snellius im Jahre 1615 betreten, und ſeine Meſſung in einem eignen Werke (Eratoſthenes Batavus ſ. de terrae ambitus vera quantitate. Lugd. Bat. 1617. 4. ) beſchrieben. Seine Triangelverbindung gieng von Alkmaar nach Leiden und nach Bergen op Zoom. Ihm bleibt zwar das unſtreitige Verdienſt, dieſen Weg, worauf ihm nach der Zeit alle andern Geometer gefolgt ſind, zuerſt betreten zu haben, welches Verdienſt um deſto groͤßer iſt, da er ſich bey den trigonometriſchen Berechnungen des Vortheils der Logarithmen noch nicht bedienen konnte, und alſo den ermuͤdendſten Weitlaͤuftigkeiten der Rechnung ausgeſetzt war; allein eben dadurch fiel auch ſein Reſultat, welches den Grad in Holland 28500 rheinl. Ruthen oder 55021 Toiſen ſetzt, viel zu klein aus, und ob er gleich ſelbſt die Fehler ſeiner Meſſung und Rechnung einſahe, ſo hinderte ihn doch der Tod im Jahre 1626 ſie zu verbeſſern. Muſſchenbroek hat nachher dieſe Arbeit wiederholt, und das Reſultat (Diſſertationes phyſicae et geometricae. Lugd. 1729. 4. Diſſ. de magnitudine terrae) auf 29514 rheinl. Ruthen oder 57033 Toiſen geſetzt.

Norwood's Meſſung zwiſchen London und York im Jahre 1635 gab den Grad 57300 Toiſen, und die Verſuche des Riccioli und Grimaldi, welche dieſe Aufgabe auf mannigfaltige Art bearbeiteten, ſetzten ihn auf 61478 Toiſen. Die letztere Beſtimmung aber verdient gar keine Aufmerkſamkeit, weil ſich ihre Urheber unzuverlaͤßiger Methoden38 bedient haben; dahingegen die erſtere von der Wahrheit nur wenig abweicht.

Ich komme nunmehr auf die ſo beruͤhmt gewordene Meſſung des Picard, welcher den von Snellius angegebnen Weg zuerſt mit beſſern Werkzeugen und mehrern Huͤlfsmitteln der Rechnung verfolgte. Dieſem Gelehrten ward bey der Errichtung der Akademie zu Paris aufgetragen, eine Gradmeſſung in Frankreich zu veranſtalten. Er machte daher im Jahre 1669 eine von Malvoiſine bis Amiens reichende Verbindung von Dreyecken, bediente ſich dabey zur Meſſung der Winkel zum Erſtenmale der Inſtrumente mit Fernroͤhren oder teleſkopiſchen Dioptern, und beſtimmte dadurch den Grad in dieſer Gegend auf 57060 Toiſen. (Méſure de la terre par M. Picard, Paris 1671. 8. auch im Auszuge bey ſeinem Traité du nivellement. Paris 1684. 12.). So genau ſein Verfahren war, ſo hat dennoch Herr von Maupertuis (Degré du meridien entre Paris et Amiens, Paris, 1740. 8. ) noch einige Berichtigungen deſſelben verſucht.

Unter der damals noch allgemein angenommenen Vorausſetzung der vollkommnen Kugelgeſtalt folgte aus Picard's Beſtimmung der Umkreis des Meridians = 360 X 57060 = 20541600 Toiſen; hieraus durch das Verhaͤltniß 355: 113 die Groͤße des Durchmeſſers der Erde = 6538600 Toiſen; die des Halbmeſſers = 3269300 Toiſen, oder 19615800 pariſer Schuh. Dieſe Beſtimmung haben Huygens und Newton bey ihren Berechnungen zum Grunde gelegt, und man gebraucht ſie noch jetzt, wenn es nicht nothwendig iſt, auf die abgeplattete Geſtalt der Erde Ruͤckſicht zu nehmen.

Allein da Picard ſelbſt anrieth, die von ihm angefangene Gradmeſſung fortzuſetzen, ſo veranlaſſete dies die in den Jahren 1683, 1700 und 1718 unternommene Verlaͤngerung der pariſer Mittagslinie durch ganz Frankreich, bey welcher die beyden Caſſini die noͤrdlichen Grade kleiner, als die ſuͤdlichen, zu finden glaubten und dadurch den bereits im Vorigen erzaͤhlten Streit uͤber die Geſtalt der Erde erregten, welcher erſt durch die in den Jahren 1735 bis 174439 in Peru und Lappland von Bouguer und Maupertuis angeſtellten Meſſungen entſchieden ward Da die Geſchichte dieſer Unternehmungen ſchon oben erzaͤhlt worden iſt, ſo habe ich hier nur anzufuͤhren, was fuͤr Schluͤſſe man daraus in Abſicht auf die Groͤße der Erdkugel hergeleitet hat.

Folgende Tabelle (Bode Kenntniß der Erdkugel, S. 82.) zeigt die Laͤnge aller bisher gemeſſenen Grade des Mittagskreiſes in Toiſen.

Beobachter.Orte und Gegenden.Mittlere Breite.Laͤnge d.
Grads.
BouguerPeru --20′S.56753
de la CailleVorgeb. d. g. Hofn.3318S.57037
MaſonPenſylvanien -3912N.56888
Boscowichbey Rom -43156979
CaſſiniPerpignan, Rhodes443357048
BeccariaTurin --444457138
LiesganigUngarn -455756881
CaſſiniRhodes Bourges461457040
Bourges Paris472857071
LiesganigWien --484357086
CaſſiniParis, Amiens492057074
Amiens, Duͤnkirch.502757092
SnelliusHolland -52257145
NorwoodEngland -53057300
v. MaupertuisLappland -661957422

Wegen der abgeplatteten Geſtalt der Erde wird die genauere Unterſuchung ihrer Groͤße abhaͤngig von den Beſtimmungen ihrer Figur, und von dem Verhaͤltniſſe ihrer Axe zum Durchmeſſer des Aequators. Es iſt aber noch bis hieher unmoͤglich, hieruͤber etwas gewiſſes anzugeben. Man wird ſchon in der Tabelle bemerken, daß der von de la Caille gemeſſene Grad groͤßer ausfaͤllt, als man bey der Breite, unter der er gemeſſen iſt, erwarten ſollte, welches auf die Vermuthung leitet, daß die ſuͤdliche Halbkugel anders, als die noͤrdliche, gekruͤmmt, mithin die Erde kein vollkommnes Ellipſoid ſey, wie man doch bey den Berechnungen ihrer Groͤße annehmen muß. Inzwiſchen bemerkt Herr Kluͤgel (in Bode aſtronomiſchem Jahrbuche von40 1787 und 1788), daß demohnerachtet die Erde ein Ellipſoid ſeyn koͤnne, deſſen Axe aber nur von der Axe der Umdrehung in etwas verſchieden ſey. Waͤre dieſe Verruͤckung der Axe oder des Schwerpunkts durch eine Revolution bewirkt worden, und haͤtte das Cap ehedem vom Aequator weiter abgelegen, als jetzt, ſo ließe ſich die Groͤße des Grades daſelbſt erklaͤren, ohne eine andere als die ellipſoidiſche Geſtalt der Erde anzunehmen.

Unter der Vorausſetzung dieſer Geſtalt kommen bisher noch immer andere Verhaͤltniſſe des Durchmeſſers zur Axe heraus, je nachdem man dieſes oder jenes Paar von Graden vergleicht. Mallet (Mathem. Beſchr. der Erdkugel, Cap. IV. §. 23.) giebt nach ſeiner auf die Natur der Ellipſe gegruͤndeten Formel Folgendes an:

Verglichene Paare vonVerhaͤltniß des Durch -
Graden.meſſers zur Axe.
Lappland, Frankreich144,5: 143,5
Cap der guten Hofnung, Peru180,7: 179,7
Lappland, Peru215,2: 214,2
Lappland, Cap der gut. Hofn. 240,6: 239,6
Frankreich, Peru300,6: 299,6
Italien, Peru351,5: 350,5

Das Mittel aus dieſen allen iſt 238,8: 237,8, welches Newtons aus der bloßen Theorie hergeleitetem Verhaͤltniſſe 230,6: 229,6 nahe genug koͤmmt. Euler (Mem. de l'Acad. de Pruſſe 1753. p. 265.) hat die vier von Picard, Maupertuis, Bouguer und de la Caille gemeſſenen Grade dadurch in eine Ellipſe zu bringen geſucht, daß er jeden um etwas aͤndert. Er findet dieſer Ellipſe Durchmeſſer zur Axe wie 230: 229, welches Newtons Verhaͤltniß ſelbſt iſt. De la Caille aber war mit dieſen Aenderungen nicht zufrieden. Nach andern Regeln und Vorausſetzungen finden das Verhaͤltniß des Durchmeſſers zur Axe

Maupertuis wie178: 177
Bouguer179: 178
de la Caille200: 199
Ulloa266: 265
de la Condamine300: 299

41

Uebrigens laͤßt ſich dieſes Verhaͤltniß auch unmittelbar durch Vergleichung der Pendeln an verſchiedenen Orten, ohne beſondere Gradmeſſung finden; ſ. Pendel.

Legt man ein anderes Verhaͤltniß zum Grunde, ſo erhaͤlt man natuͤrlich auch andere abſolute Groͤßen des Durchmeſſers und der Axe ſelbſt. Einige der vornehmſten Angaben hieruͤber ſind folgende, in Toiſen ausgedruͤckt:

Halbe Axe.Halbm. d. Aequ.
Maupertuis3262800-3255398
Bouguer3262688,5-3281013
die berliner aſtr. Tafeln
(Newtons Verhaͤltniß)3262875-3277123
Mallet. (200: 199) -3264049-3280451

Herr Kluͤgel, welcher ſehr ſcharfſinnig unterſucht hat, was ſich aus allen bisherigen Meſſungen auf der Nordſeite des Aequators noch am wahrſcheinlichſten folgern laſſe, giebt folgendes an:

Mittlerer Halbmeſſer der Kruͤmmung3 271 589Toiſen.
Mittlerer Grad des Mittagskreiſes57 100
Halbmeſſ. der Kruͤmm. unter d. Aequ.3 251 249
----- unter d. Pol3 303 045
Halbmeſſer des Aequators3 279 991
Halbe Erdaxe3 262 447
Verhaͤltniß beyder187: 186
Mittlerer Halbmeſſer der Erde3 275 790Toiſen.
Groͤße des Grads auf dem Aequ.57 247
Groͤße des Grads auf dem mittlern
Umfange der Erde57 173,5
Der 15te Theil hievon, oder die
geographiſche Meile3 811,6
oder 23661 rheinl. Fuß = 26274 leipz. Fuß.

nach welchen Angaben auf den Umfang eines Meridians 5393, und auf den Umfang des Aequators 5407 geographiſche Meilen kommen.

Mallet theilt, freylich nach andern Vorausſetzungen, analytiſche Berechnungen der ellipſoidiſchen Oberflaͤche und des koͤrperlichen Inhalts mit, nach welchen42

der Umkreis eines Meridians5389 geogr. Meilen
die Oberflaͤche der Erde8400165 Quadr. Meilen
der koͤrperliche Inhalt2669064400 Cubikmeilen

betraͤgt.

Soweit reichen die Reſultate der bisherigen Beobachtungen, welche es ſogar unwahrſcheinlich machen, daß ſich jemals etwas Beſtimmteres uͤber die Groͤße und Geſtalt der Erde werde angeben laſſen. Inzwiſchen iſt das Gefundene zu den meiſten Abſichten voͤllig hinreichend. Da die Abplattung der Erde (degré d' applatiſſement) oder die Groͤſſe, um welche die Axe kuͤrzer als der Durchmeſſer iſt, nur ſehr wenig (zwiſchen (1 / 178) und (1 / 300) des Durchmeſſers) betraͤgt, ſo ſieht man leicht, daß es ganz uͤberfluͤßig ſeyn wuͤrde, bey Verfertigung der Landkarten und Globen darauf Ruͤckſicht zu nehmen.

In den mehreſten Faͤllen wird man ſich ſchon damit begnuͤgen koͤnnen, die Erde als eine vollkommne Kugel zu betrachten, auf der der Grad eines groͤßten Kreiſes nach Picards Meſſung 57060 Toiſen, oder nach Herrn Kluͤgels Mittel aus den neuern Beſtimmungen 57173 1 / 2 Toiſen betraͤgt. Nennt man den funfzehnten Theil eines ſolchen Grades eine Meile (ſ. Meile, geographiſche), ſo enthaͤlt der ganze Umfang 5400 ſolcher Meilen, woraus man nach den bekannten Regeln der Geometrie

den Durchmeſſer1719 Meilen,
die Oberflaͤche -9 282 060 Quadr. Meilen,
den koͤrperlichen Inhalt2659 310 190 Cubikmeilen,

findet. In churſaͤchſiſchen Meilen, jede zu 2000 achtelligen Ruthen oder 32000 leipziger Fuß gerechnet (ſ. Meile), und das Verhaͤltniß des pariſer Fußes zum leipziger, wie 14400: 12529 geſetzt, wuͤrde nach den Kluͤgeliſchen Angaben

der Durchmeſſer des Aequators -1413,7 Meilen
der mittlere Durchmeſſer der Erdkugel1409,9
die Axe der Erde ---1406,1

betragen. 43Die Erdkugel, als Planet betrachtet.

Es kan in unſern Zeiten nicht mehr als zweifelhaft angeſehen werden, daß unſere Sonne einer von den unzaͤhlbaren leuchtenden Himmelskoͤrpern ſey, welche wir Fixſterne nennen, und daß die Erde unter die Anzahl der dunkeln Koͤrper gehoͤre, welche in elliptiſchen Bahnen um die Sonne laufen, und denen wir den Namen der Planeten geben. Mit welchem hohen Grade der Wahrſcheinlichkeit ſich dieſes behaupten laſſe, wird bey dem Worte: Weltſyſtem mit mehrerm gezeigt werden.

Die Erde iſt unter den ſieben um die Sonne laufenden Planeten, vom Mittel oder von innen aus gerechnet, der dritte. Ihre Laufbahn umſchließt die Bahnen des Merkurs und der Venus (der untern Planeten), dagegen ſie von den Bahnen des Mars, Jupiter, Saturn und Uranus (der obern Planeten) umſchloſſen wird. Daher koͤmmt es, daß wir von der Erde aus die untern Planeten beſtaͤndig bey oder neben der Sonne, die obern aber bisweilen auch der Sonne gegenuͤber ſehen (ſ. Aſpecten, Oppoſition).

Der Umlauf der Erde um die Sonne (motus periodicus, revolution périodique) erfolgt in der elliptiſchen Erdbahn, in deren Brennpunkte die Sonne ſteht. Nach den neuſten aſtronomiſchen Beſtimmungen laͤßt ſich die halbe große Axe dieſer Bahn, oder der mittlere Abſtand der Erde von der Sonne auf 23430 Halbmeſſer oder 11715 Durchmeſſer der Erde ſetzen. Man kan ſich den Begriff hievon ſo machen, daß gegen 12000 Erdkugeln an einander geſetzt werden muͤßten, um von hier aus die Sonne zu erreichen. Theilt man dieſe Groͤße in 100000 Theile, ſo macht die Eccentricitaͤt der Erdbahn (ſ. Eccentricitaͤt) 1683 ſolcher Theile aus. Ohngefaͤhr um den Anfang des Jahres iſt die Erde der Sonne am naͤchſten, und um den erſten Junius ſteht ſie von ihr am weitſten ab; ſ. Sonnennaͤhe, Sonnenferne.

Die Zeit, in welcher unſere Erde dieſe große Bahn voͤllig einmal durchlaͤuft, heißt das Sonnenjahr, und betraͤgt44 ohngefaͤhr 365 1 / 4 Tage, oder 8766 Stunden. Genauere Beſtimmungen derſelben werden bey dem Worte: Sonnenjahr, gegeben. Nimmt man die Erdbahn zur Erleichterung der Rechnung fuͤr einen Kreis an, deſſen Halbmeſſer 23430 Erdhalbmeſſer betraͤgt, ſo findet man daraus den in 8766 Stunden zuruͤckgelegten Umfang = 147214 Erdhalbmeſſern, deren jeder 859 1 / 2 geographiſche Meile gerechnet werden kan. Die Erde durchlaͤuft alſo in einer Stunde (147214 X 859,5 / 8766) = 14434, folglich in einer einzigen Secunde 4 Meilen oder 94644 rheinl. Fuß, welches die Geſchwindigkeit einer Kanonenkugel, die man auf 600 Fuß in einer Secunde ſetzen kan, 157mal uͤbertrift.

Die Richtung dieſer Bewegung geht nach der Folge der himmliſchen Zeichen, d. i. ſo, daß die Erde einem innerhalb ihrer Bahn geſtellten mit dem Haupte gegen den Nordpol gekehrten und gegen die Erde ſehenden Zuſchauer ſtets von der Rechten gegen die Linke zu laufen ſcheinen wuͤrde, ſ. Folge der Zeichen.

Die Umwaͤlzung der Erde um ihre Axe (motus vertiginis, revolution diurne, rotation) geſchieht in einem Zeitraume, der ſich immer gleich bleibt, und daher das eigentliche aus der Natur ſelbſt genommene Maaß der Zeit abgiebt. Er heißt der Sterntag, oder Tag der erſten Bewegung, ſ. Sternzeit, und macht in mittlerer Sonnenzeit nur 23 St. 56 Min. 4 Sec. aus. Die Richtung dieſer Bewegung iſt ebenfalls nach der Folge der Zeichen, oder von Abend gegen Morgen. Dieſe Umwaͤlzung der Erdkugel, welche wir an nichts weiter, als an den Geſtirnen, bemerken, macht, daß ſich die Himmelskugel taͤglich nach der entgegengeſetzten Richtung, oder von Morgen gegen Abend, um die verlaͤngerte Erdaxe zu drehen ſcheint.

Bey dieſer Umwaͤlzung beſchreibt jeder Ort einen deſto groͤßern oder kleinern Kreis, je geringer oder groͤßer ſein Abſtand vom Aequator der Erde iſt. Taf. VIII. Fig. 3., wo PR die Axe der Umdrehung iſt, beſchreibt der Ort E einen Kreis vom Halbmeſſer HE, G einen vom Halbmeſſer KG. 45Der im Aequator AQ ſelbſt gelegne Ort beſchreibt einen groͤßten Kreis, und legt alſo binnen 24 Stunden 5400 Meilen, d. i. in einer Secunde 1540 rheinl. Fuß zuruͤck, welche Geſchwindigkeit die einer Kanonenkugel etwa 2 1 / 2mal uͤbertrift.

Es ſteht aber die Are der taͤglichen Umwaͤlzung der Erde nicht ſenkrecht auf der Ebne ihrer jaͤhrlichen Bahn, ſondern neigt ſich vielmehr um einen Winkel von etwa 23 1 / (ſ. Schiefe der Ekliptik) gegen diejenigen Himmelsgegenden, in welchen die Weltpole ſtehen. Dieſe Neigung behaͤlt die Erdaxe in allen Stellen der Erdbahn ohne betraͤchtliche Veraͤnderung bey, ſo daß ſie ſich jederzeit ziemlich parallel bleibt. Die ſchiefe Stellung der Erdaxe gegen die Erdbahn macht, daß ſich der Aequator des Himmels und die Ekliptik unter eben dieſem Winkel von 23 1 / zu durchſchneiden ſcheinen; daher die Sonne in unſern Gegenden vom 21. Maͤrz bis 21. Jun. um 23 1 / uͤber den Aequator hinauf gegen den Nordpol ſteigt, vom 23. Sept. aber bis 21. Dec. um eben ſoviel unter den Aequator hinab gegen den Suͤdpol ſinkt. Hierinn liegt der Grund der abwechſelnden Tageslaͤngen und Jahrszeiten auf unſerer Erdkugel. Die einfache und ſchoͤne Erklaͤrung, welche ſich im kopernikaniſchen Weltbau hievon geben laͤßt, wird bey dem Worte: Weltſyſtem ausfuͤhrlicher vorgetragen werden.

Der jaͤhrliche Umlauf der Erde um die Sonne erfolgt ſo, wie es die Geſetze der elliptiſchen Centralbewegungen erfordern, ſ. Centralbewegung, Centralkraͤfte. Es folgt alſo daraus, daß die Erdkugel gegen die Sonne durch eine Gravitation getrieben werde, welche ſich umgekehrt, wie das Quadrat ihres Abſtandes von derſelben, verhaͤlt. Zu dieſer Gravitation muß im erſten Anfange ein Stoß oder eine mitgetheilte Bewegung nach einer Tangente der Erdbahn hinzugekommen ſeyn, deſſen Verbindung mit der Gravitation den Anfang der Umlaufsbewegung verurſacht hat, welche nun durch beſtaͤndige Verbindung der einmal mitgetheilten Bewegung mit eben dieſer Gravitation unaufhoͤrlich fortdauert. Ein anderer Stoß, oder eine andere mitgetheilte Bewegung iſt die Urſache der Umdrehung um die46 Axe geworden, welche nun ganz unabhaͤngig von dem jaͤhrlichen Umlaufe, als eine einmal mitgetheilte Bewegung, vermoͤge der Traͤgheit der Materie, ſich ſtets gleichfoͤrmig in eben derſelben Geſchwindigkeit erhaͤlt. Beyde Bewegungen gehen zwar nach einerley Seite zu, ihre Richtungen aber ſchneiden ſich doch unter einem Winkel von 23 1 / 2 Graden.

Inzwiſchen wird die Erdkugel bey ihrem jaͤhrlichen Umlaufe um die Sonne, durch ihre Gravitation gegen andere Weltkoͤrper, hauptſaͤchlich gegen den Mond, die Venus und den Jupiter, ein wenig geſtoͤrt. Davon ruͤhren die Veraͤnderungen der Sonnennaͤhe und Sonnenferne, und andere Ungleichheiten in der ſcheinbaren Bewegung der Sonne her, auf welche man bey der Berechnung ihres jedesmaligen wahren Ortes aus den aſtronomiſchen Tafeln Ruͤckſicht nehmen muß, und von welchen ſich in keinem andern, als in dem kopernikaniſchen Syſtem und nach Newtons Lehre von der allgemeinen Schwere, eine Urſache angeben laͤßt.

Der ſcheinbare Durchmeſſer der Erdkugel wuͤrde aus der Sonne betrachtet, nur unter einer Groͤße von 17 Sekunden oder wenig druͤber, erſcheinen, ſ. Sonnenparallaxe, d. i. die Erde zeigt ſich daſelbſt nur ſo groß, als uns der Planet Mars, wenn er Abends um 9 Uhr in Suͤden ſteht. Da uns nun der Durchmeſſer der Sonne etwas uͤber einen halben Grad (32′) groß, und alſo 112mal groͤßer, erſcheint, ſo folgt hieraus, daß die Erdkugel

im Durchmeſſer 112mal

an Oberflaͤche 12544mal

an koͤrperlichem Raume 1404928mal

kleiner, als die Sonne, ſey.

Aus den Vergleichungen der Gravitation der Planeten gegen die Sonne mit der Schwere der Erdkoͤrper berechnet de la Lande, daß in gleichen Entfernungen die Gravitation nach der Sonne 365412mal ſtaͤrker, als die Schwere nach der Erde ſey. Weil ſich nun nach Newtons Grundſaͤtzen die Gravitation in gleichen Abſtaͤnden, wie die Maſſe des anziehenden Koͤrpers verhaͤlt, ſo folgt hieraus, daß die47 Maſſe der Erde nur den 365412ten Theil von der Maſſe des Sonnenkoͤrpers ausmache. Da endlich die Dichtigkeiten ſich, wie die Quotienten der Maſſen durch die Volumina, verhalten, ſo findet ſich die Dichte des Erdkoͤrpers (1404928 / 365412) d. i. beynahe viermal groͤßer, als die Dichte der Sonne.

Man bezeichnet in der Sternkunde die Erde, wenn man ſie als einen Planeten betrachtet, mit

[figure]

.

Sie hat zum beſtaͤndigen Begleiter in ihrer jaͤhrlichen Laufbahn den Mond, einen im Durchmeſſer beynahe viermal kleinern kugelfoͤrmigen Koͤrper, welcher ſeinen elliptiſchen Umlauf um die Erde, von der er etwa um 60 Erdhalbmeſſer abſteht, monatlich einmal vollendet, und von welchem in einem eignen Artikel gehandelt wird. Oberflaͤche der Erde.

Nach der im Vorigen angegebnen Groͤße der Erde begreift ihre Oberflaͤche einen Raum von 9282060 geographiſchen Quadratmeilen. Zwar iſt die wahre Oberflaͤche wegen der durch Berge und Thaͤler verurſachten Unebenheiten groͤßer; da ſich aber hieruͤber keine Rechnung fuͤhren laͤßt, ſo giebt obige Zahl wenigſtens die der Meeresflaͤche gleich liegende Grundoberflaͤche an.

Der groͤßte Theil dieſer Oberflaͤche iſt mit Waſſer bedeckt, uͤber welches vornehmlich zwey große Stuͤcken feſten Landes, außerdem aber auch noch viele tauſend kleinere Inſeln von verſchiedener Groͤße hervorragen, und die den Menſchen angewieſenen Wohnplaͤtze ausmachen. Da das ſuͤdwaͤrts von den Molucken gelegne Neuholland eine ſehr große Inſel iſt, ſo wird es von Herrn Forſter (Bemerkungen uͤber Gegenſtaͤnde der phyſikaliſchen Erdbeſchreibung, a. d. Engl. Berlin, 1783. 8. ) fuͤr ein drittes Stuͤck feſten Landes gerechnet.

Das erſte Stuͤck des feſten Landes, gemeiniglich die alte Welt genannt (weil es groͤßtentheils ſchon den Alten bekannt war), begreift die drey Welttheile, oder Erdtheile Europa, Aſien und Afrika. Europa bedeckt ohngefaͤhr48 den 54ſten Theil der Erdflaͤche, liegt faſt ganz in der noͤrdlichen gemaͤßigten Zone, und erſtreckt ſich nur mit einem geringen Theile uͤber den Polarkreis hinaus in die noͤrdliche kalte Zone. Aſien graͤnzt an Europa oſtwaͤrts, macht den 14ten Theil der Erdflaͤche aus, ſein mittlerer und ganz zuſammenhaͤngender Theil faͤllt in die noͤrdliche gemaͤßigte, der noͤrdliche in die kalte, und der ſuͤdliche ſtreckt ſich mit drey Landſpitzen bis in die heiße Zone. Afrika, welches ſuͤdwaͤrts von Europa liegt, und den 17ten Theil der Erdflaͤche bedeckt, faͤllt groͤßtentheils in die heiße, und hat nur ſeinen nordlichen Theil und ſeine ſuͤdliche Spitze in den beyden gemaͤßigten Zonen.

Das zweyte Stuͤck oder die von Chriſtoph Colom im Jahre 1492 entdeckte neue Welt beſtehet aus dem vierten Welttheile, welcher von dem Florentiner Amerigo Veſpucci den Namen Amerika erhalten hat. Dieſer Welttheil liegt von Europa aus, wenn man den naͤchſten Weg waͤhlet, weſtlich, nimmt etwa den 16ten Theil der Erdflaͤche ein und erſtreckt ſich von der nordlichen kalten Zone uͤber die nordliche gemaͤßigte, und durch die heiße bis tief in die ſuͤdliche gemaͤßigte Zone hinein. Er wird durch die in der Mitte befindliche ſchmale Landenge bey Panama in zwey Theile, Nord - und Suͤdamerika getheilt. Von dem nordlichſten Theile deſſelben kennen wir groͤßtentheils nur die Kuͤſten.

Die im großen Suͤdmeere oder ſtillen Meere zwiſchen Aſien und Amerika gelegnen haͤufigen Inſeln haben einige neuere Geographen, unter dem Namen Auſtralien oder Polyneſien, als einen fuͤnften Welttheil betrachtet. Es gehoͤren dazu Neuholland, Neuguinea, das Land der Papuas, Neubritannien, Neuirland, Louiſiade, Neuſeeland und mehrere in der heißen und in der ſuͤdlichen gemaͤßigten Zone gelegne Inſeln.

Nach einer aus Tempelmann (New Surview of the Globe in 35 Kupfertafeln) und Kluͤgel (Encyclopaͤdie, Th. II. S. 422.) genommenen Berechnung giebt Herr Bode den Flaͤchenraum von49

Europa-171834geogr.
[figure]
meilen.
Aſien-641093
Afrika-531638
Amerika-572110
Neuholland-143000
Summe2,059675

Rechnet man nun auch die uͤbrigen Inſeln und das, was den neuſten Entdeckungen zufolge noch fuͤr die Groͤße von Amerika hinzuzuſetzen ſeyn moͤchte, auf eine Million Quadratmeilen, ſo hat man doch fuͤr das ſaͤmmtliche trockne Land nicht mehr als 3,059675 Quadratmeilen. Dies gegen die oben angegebne Groͤße der Kugelflaͤche gehalten, zeigt, daß uͤber 2 / 3 der Erdflaͤche mit Waſſer bedeckt ſind, und das feſte Land noch nicht 1 / 3 betraͤgt. Die Hofnung, noch ein großes feſtes Land gegen Suͤden zu finden, mit der man ſich ſonſt ſchmeichelte, ſcheint auch nunmehr ziemlich verſchwunden zu ſeyn (Man ſ. Forſters Bemerkungen uͤber Gegenſt. der phyſik. Erdbeſchr. S. 58. u. f.).

Wie Vorſtellungen von der Oberflaͤche der Erde entworfen werden, ſ. bey dem Worte: Landkarten. Die ganze Oberflaͤche legen vor Augen: Eaſtern and Weſtern Hemiſphere, London, by Jefferies and Faden. 1773. 1775, auf zwey Bogen. Die nordliche und ſuͤdliche Erdoberflaͤche, auf der Aequatorflaͤche entworfen, von Chriſtlieb Benedikt Funk. Leipzig, 1781 auf zwey Bogen, nebſt einer Anweiſung zum Gebrauch. Hemiſphere ſuperieur et inferieur de la Mappemonde, projettés ſur l'horizon de Paris par le P. Chryſologue de Gy. Paris 1778, zwey Bogen. Die obere oder nordliche, die untere oder ſuͤdliche Halbkugel der Erde, mit den neuſten Entdeckungen, auf den Horizont von Berlin ſtereographiſch entworfen von J. E. Bode. Berlin, 1783. Zwey Bogen mit Anweiſung zum Gebrauch.

Bey der Betrachtung dieſer Abbildungen fallen folgende Bemerkungen leicht in die Augen.

1) Man kan die Erdkugel in zwo Helften theilen, deren eine groͤßtentheils mit Land, die andere mit Waſſer bedeckt50 iſt. Die Landhalbkugel hat Grosbritannien zu ihrem Mittelpunkte, und begreift alle vier Welttheile blos mit Ausſchluß der ſuͤdlichen Spitzen von Amerika und Aſien; da hingegen die Waſſerhalbkugel, deren Mittel in die Neuſeelandsinſeln faͤllt, außer dieſen Spitzen lauter Meer und Inſeln in ſich faſſet. Auf der kuͤnſtlichen Erdkugel theilt der Horizont beyde Halbkugeln ab, wenn man den 185ſten Grad der Laͤnge unter den meſſingenen Meridian fuͤhrt, und den Globus ſelbſt auf die ſuͤdliche Polhoͤhe von 50 Grad ſtellt.

2) Faſt alle große Stuͤcken des feſten Landes endigen ſich gegen Suͤden zu in Spitzen mit hohen Vorgebirgen, welche weſtwaͤrts große Buchten oder Meerbuſen, oſtwaͤrts Inſeln neben ſich haben. Dieſe Anordnung findet ſich an der Spitze von Afrika, am Cap Comorin in Aſien, an der Spitze von Amerika, an Neuholland rc. Der Anblick iſt faſt ſo, als ob eine große von Suͤden hereingebrochne Waſſerfluth dem trocknen Lande ſeine Geſtalt gegeben haͤtte.

Uebrigens habe ich wegen anderer hiemit verbundenen Materien auf die Artikel: Meer, Berge, Quellen, Fluͤſſe, Seen zu verweiſen. Innere Beſchaffenheit der Erdrinde.

Es iſt unmoͤglich, von der innern Beſchaffenheit der Erde ſelbſt etwas mehr, als Muthmaßungen anzugeben. Selbſt die tiefſten Bergwerke erſtrecken ſich nicht uͤber eine Teufe von 500 Lachtern oder etwa 510 Toiſen, welches kaum (1 / 6000) des Halbmeſſers der Erde austraͤgt. Und ſelbſt dieſe Oefnungen ſind in Bergen, d. i. an hoͤhern Stellen der Erdflaͤche gemacht, da die niedrigſten vom Meere bedeckt werden. Aus den Erfahrungen im Innern der Berge auf das Innere der Erde ſchließen, waͤre alſo eben ſoviel, als die innere Structur einer Eiche nach ihrer Rinde beurtheilen. Inzwiſchen werden doch die vornehmſten Reſultate der Erfahrungen uͤber die Rinde ſelbſt hier eine ſchickliche Stelle finden.

Wo man auch in die Erde graͤbt, findet man im platten Lande den lockern Theil ihrer Rinde aus verſchiedenen51 uͤber einander gelegten Schichten oder Lagern (Strata, couches) zuſammengeſetzt. Die oberſte Lage beſteht gemeiniglich aus der ſogenannten Damm - oder Gartenerde, vegerabiliſchen Erde, worinn die Pflanzen wachſen, und in welche auch die Thiere und Pflanzen durch Faͤulniß, Vertrocknung und Abreibung wieder aufgeloͤſet werden. Man findet aber auch dergleichen Dammerde bisweilen in einiger Tiefe unter andern Schichten. Die Ordnung der Schichten richtet ſich nicht immer nach der eigenthuͤmlichen Schwere der Materien. Beyſpiele ſolcher, beſonders beym Brunnengraben gemachter, Erfahrungen, finden ſich unter andern bey Bergmann (Phyſikal. Beſchr. der Erdkugel, Th. I. S. 176 u. f.). So fand man in Amſterdam im Jahre 1616 obenauf Dammerde 7 Fuß, ſodann Torf 9 Fuß; weichen Thon 9; Sand 8; Erde 4; Thon 10; Erde 4; Sand 10; blauen Thon 2; weißen groben Sand 4; duͤrre Erde 5; feine weiche Erde 1; Sand 14; Sand mit Thon 8; Sand mit Conchylien 4; Thon 102; Sand 31, zuſammen eine Tiefe von 232 Fuß bis auf das Waſſer.

Dergleichen Schichten entſtehen ſonſt, wenn Waſſer mehreremal mit ungleichen Materien vermiſcht wird, und dann jedesmal ſoviel Ruhe genießet, daß die beygemiſchten Theile niederfallen und Bodenſaͤtze bilden koͤnnen. Sind die Erdſchichten ſo entſtanden, ſo muß alles trockne platte Land einmal mit Waſſer bedeckt geweſen ſeyn; und dieſes Waſſer muß zu verſchiedenen Zeiten verſchiedene Beymiſchungen gehabt haben. Die haͤufigen Conchylien, die man hin und wieder in den Erdſchichten, bisweilen in großen Tiefen findet, ingleichen die Unebenheiten mancher Schichten, welche gleichſam das wellenfoͤrmige Schwanken des Waſſers zur Zeit des Niederfallens anzeigen, ſetzen es beynahe außer Zweifel, daß die obere Erdrinde auf dieſe Art gebildet ſey. Alles dies kan auch nicht durch ploͤtzliche Ueberſchwemmungen, ſondern nur durch einen langwierigen und ruhigen Stand des Waſſers bewirkt worden ſeyn.

Andere Schichten ſind neuer, und durch wiederholte Ueberſchwemmungen des Trocknen entſtanden. Darauf kan52 man vornehmlich ſchließen, wenn man die Dammerde in der Tiefe mit andern Schichten bedeckt wieder findet. Dieſe neuern Schichten zeigen auch nie Ueberreſte von Conchylien. Oft finden ſich Schichten von Lava und andern vulkaniſchen Materien, deren Urſprung offenbar von Ausbruͤchen des unterirdiſchen Feuers herzuleiten iſt.

Eben dieſe Reſultate laſſen ſich auch aus der Betrachtung des Innern der Berge herleiten. Zwar zeigen die urſpruͤnglichen oder zur erſtern Ordnung gehoͤrigen Berge, welche groͤßtentheils aus Granit beſtehen, keine regelmaͤßigen Schichten und keine Spuren von Seeprodukten; deſto haͤufiger aber trifft man ſowohl den lagerfoͤrmigen Bau, als auch die Seekoͤrper in den Schiefergebirgen und vorzuͤglich in den Floͤtzgebirgen oder Bergen der zweyten Ordnung an. Eine dritte Claſſe der Berge, welche aus Sandſtein, Mergelſchichten, Eiſen und Kupfererzen, Gypsſteinen u. dgl. beſteht, ſcheint neuer zu ſeyn, und enthaͤlt, ſtatt der Seeprodukte, Spuren von Holz, Pflanzen und Landthieren. Eine vierte Claſſe endlich zeigt deutlich ihren vulkaniſchen Urſprung. Man ſehe hieruͤber den Artikel BergeZu dem Artikel Berge gehoͤren noch folgende ſeit der Ausgabe des erſten Bandes erſchienene vorzuͤgliche Buͤcher:C. Haidingers Entwurf einer ſyſtematiſchen Eintheilung der Gebirgsarten welcher den von der ruſſiſch - kayſerl. Acad. der W. fuͤr d. J. 1785 ausgeſetzten Preis erhalten hat. Petersburg, 1786. 4.A. G. Werners kurze Claſſification und Beſchreibung der verſchiedenen Gebirgsarten. Dreßden, 1787 8.Klaſſifikation der Gebirgsarten, nach den Voigtiſchen drey Briefen uͤber die Gebirgslehre. Leipz. 1787. 8..

Oefters haben neben einander liegende Berge einerley Schichten in einerley Ordnung, und es hat das Anſehen, als ob das Thal zwiſchen ihnen herausgeriſſen waͤre. Bisweilen haben auch die Thaͤler ihre eignen Lagen, als ob dieſelben erſt nach der Bildung des Thals entſtanden waͤren. Im Innern beſtehen die Berge aus großen Steinmaſſen, welche hie und da große Hoͤhlen, Spalten und Riſſe haben, ſ. Hoͤhlen. Manche dieſer Spalten, beſonders in den Schiefergebirgen, ſind mit mineraliſchen Koͤrpern ausgefuͤllt, und53 werden in der Lehre vom Bergbau Gaͤnge genannt. Sie koͤnnen als Parallelepipeda angeſehen werden, wovon zwo Dimenſionen ſehr groß gegen die dritte ſind. Man nennt die Richtung ihres Fortgangs nach den Weltgegenden ihr Streichen, ihre Neigung gegen die Verticalebne ihr Fallen, und ihre dritte, gemeiniglich nur geringe, Dimenſion ihre Maͤchtigkeit. Sie ſtreichen bisweilen ſehr weit, indem ſie ſich der Maͤchtigkeit nach verſchiedentlich erweitern, verengern und oft ploͤtzlich abſchneiden. Außer den großen Steinmaſſen trifft man auch hin und wieder anſehnliche Haufen einzelner loſen Steine, neben und uͤber einander aufgethuͤrmt, oder am Fuß der Berge Geſchiebe von eben dem Geſtein an, das die Berge enthalten.

Die hoͤchſten und aͤlteſten Gebirge der Erdflaͤche werden gewoͤhnlich von den niedrigern Thonſchiefergebirgen, dieſe von den Kalkbergen, und letztere an manchen Stellen von den Sandhuͤgeln der dritten Ordnung umringt, welche ſich allmaͤhlig im flachen Lande verlieren.

Was endlich das Innere der Erdkugel ſelbſt betrifft, uͤber deſſen Beſchaffenheit uns unmittelbare Beobachtungen gaͤnzlich fehlen, ſo haben ſich Einige daſſelbe als eine ungeheure Hoͤhlung vorgeſtellt, Andere haben es mit Feuer, Waſſer, einem Magnete u. dgl. anfuͤllen wollen. Die Beobachtungen aber, welche Herr Maſkelyne bey dem Berge Shehallien in Schottland uͤber die Anziehung der Berge gegen das Bleyloth angeſtellt hat, und von welchen ich bey dem Worte: Gravitation, ausfuͤhrlicher rede, haben gezeigt, daß die mittlere Dichtigkeit der Erdkugel (ſ. Dichte) ſich mit hinlaͤnglicher Sicherheit doppelt ſo groß, als die Dichtigkeit dieſes Berges, der ein dichter gleichfoͤrmiger Granit iſt, ſetzen laſſe, welche Erfahrung nach Hrn. Maſkelyne's eigner Bemerkung alle Syſteme umſtoͤßt, die aus der Erde eine hohle Kugel machen. Hypotheſen uͤber die Entſtehung und Bildung der Erde.

Die Menge der hieruͤber entworfenen Theorien iſt ungemein zahlreich. Schon im entfernteſten Alterthume finden54 ſich haͤufige Spuren von Verſuchen, die Kosmogonie zu erklaͤren. Viele unter den Alten nahmen ein Chaos an, aus welchem durch den Streit der Elemente eine Scheidung derſelben erfolgt, und alles an ſeine gehoͤrige Stelle getreten ſey,

Lucidus hic aer, et quae tria corpora reſtant, Ignis, aquae, tellus unus acervus erant.

Ut ſemel haec rerum ſeceſſit lite ſuarum, Inque novas abiit maſſa ſoluta domos;

Flamma petit altum, propior locus aëra cepit, Sederunt medio terra fretumque ſolo.

Ovid. Faſt. I. 105 ſqq.

Leucipp, Epikur und Demokrit hingegen ließen die Welt aus Atomen entſpringen, welche von jeher in einer lothrechten fallenden Bewegung geweſen ſeyn, durch eine ploͤtzliche Stoͤrung aber von ihrem geradlinichten Wege abgelenkt, ſich zufaͤllig zuſammengefuͤgt und ſo die Koͤrper gebildet haben ſollten. Ueber dieſe Meynungen der Alten hat Bayle im hiſtoriſch-kritiſchen Woͤrterbuche unter den Art. Ovid und Epikur mit vielem Scharfſinn und Gelehrſamkeit geſchrieben.

Descartes (Principia philoſophiae, im 2ten B. ſeiner Opp. auch Amſt. 1685. 4. ) bildet die Welt aus einem harten Klumpen Materie, den der Schoͤpfer durch ſeine Allmacht zerſchlug und in Bewegung ſetzte. Durch das Abreiben der Theile an einander entſtand eine ſehr ſubtile Materie, eine Menge kugelfoͤrmiger Theilchen und eine Anzahl grober eckichter Stuͤcke. Dies ſind ſeine drey Elemente. Die ſubtile Materie bildete die Sonnen oder Fixſterne; die kugelfoͤrmigen Theilchen machten den Aether oder die Materie der Wirbel aus; die eckigten Stuͤcken gaben den Stoff zu den Planeten und Kometen. Die Erde war Anfangs ein Stern mit einem eignen Wirbel, aber mit vieler groben Materie vermiſcht, welche endlich eine ganz dunkle Rinde darum bildete, aus der das innere Centralfeuer nur hie und da noch hervorbricht. So ward ſie von dem Wirbel der Sonne ergriffen und fortgeriſſen. Die groͤbſten Theile des dritten Elements in der Erdrinde ſtuͤrzten zuerſt nieder, und55 bildeten die Erdſchichten und das Waſſer. Da aber die feinen Theile des dritten Elements, welche uͤber dem Waſſer lagen, nicht ganz von den groͤbern befreyt werden konnten, ſo wuchs von ihnen ein Bette uͤber dem Waſſer zuſammen, das endlich einſtuͤrzte, und Plaͤnen, Anhoͤhen und Berge hervorbrachte. Auf eine eben ſo mechaniſche Art faͤhrt dieſer Weltweiſe fort, die Entſtehung der Vulkane, Salze, brennbaren Materien, Metalle, Quellen u. ſ. f. zu erklaͤren, ſo daß ſich die Aufgabe: Datis materia et motu facere mundum, durch bloße Speculation ſchwerlich ſinnreicher aufloͤſen laͤßt. Und wenn gleich dies ganze Syſtem ein bloßer Traum und nicht im Mindeſten durch Erfahrungen unterſtuͤtzt iſt, ſo wird man doch das große und dreiſte Genie, das aus demſelben hervorleuchtet, nicht ohne Bewunderung bemerken.

Thomas Burnet (Telluris theoria ſacra, orbis noſtri originem et mutationes generales, quas aut jam ſubiit, aut olim ſubiturus eſt, complectens. Lond. 1681. 4. ) zieht in dieſem mit warmer Einbildungskraft geſchriebenen Werke die moſaiſche Schoͤpfungsgeſchichte blos auf unſern Erdball, welcher anfaͤnglich ein fluͤßiges Chaos von allerley Materien geweſen ſeyn ſoll. Die ſchwerern Materien, ſagt er, ſanken und bildeten den Kern, um dieſen ſammelte ſich das Waſſer, und daruͤber die Luft, aus welcher die erdichten und oͤlichten Theile herabfielen, der Luft ihre Durchſichtigkeit (das Licht) wiedergaben, und die alte Erdrinde, ohne Berge und Meere, den gluͤckſeligen Aufenthalt der erſten Menſchen, bildeten. Nach 1600 Jahren zerriß dieſe Rinde, von der Sonnenhitze vertrocknet, ſtuͤrzte in das Waſſer hinab, und nahm eine Menge Luft mit ſich, die das Gewaͤſſer noch mehr erhob. Dies war die Suͤndfluth. Allmaͤhlig eroͤfnete ſich das Waſſer Wege in unterirdiſche Hoͤhlen, verließ einen Theil der eingeſtuͤrzten Erdrinde, und brachte ſo unſre feſten Laͤnder und Inſeln, welche aus Truͤmmern jener Rinde beſtehen, aufs Trockne. Man wird bald bemerken, daß dies Syſtem blos zu Erklaͤrung der Suͤndfluth erfunden iſt, und wenig Kenntniß der Erdflaͤche verraͤth, welche keine Spuren eines56 ſolchen allgemeinen Einſturzes angiebt, und in deren Schichten auch keine Seethiere begraben werden konnten, zu einer Zeit, da ſie keine Meere hatte. Keil (Examen theoriae telluris a Burneto editae. Oxon. 1698. 8. ) hat daſſelbe ſchon ſehr gruͤndlich widerlegt.

William Whiſton (A new Theory of the earth. Cambridge, 1708. 8. ) nimmt an, die Erde ſey vor der Schoͤpfung oder Umbildung, welche von Moſe erzaͤhlt wird, und deren Tage er fuͤr Jahre erklaͤrt, ein Komet geweſen. Am erſten Tage aͤnderte nach ihm der Schoͤpfer ihre Laufbahn; nun ſenkten ſich die Theile des Schweifs gegen den Kern, und es ordneten ſich, faſt wie bey Burnet, Erde, Waſſer und Luft uͤber einander. Die ſchwerſten Theile der Erde ſanken am tiefſten; daher entſtanden Vertiefungen, in denen ſich das Waſſer ſammelte, und Ungleichheiten auf dem Trocknen. Nach und nach ward die Luft voͤllig hell, ſo daß im dritten Jahre durch den Einfluß der Sonnenwaͤrme die Pflanzen hervorkamen, im vierten die Geſtirne voͤllig erſchienen, und im fuͤnften und ſechſten Thiere und Menſchen hervorgebracht wurden. Nach 600 Jahren kam ein anderer Komet der Erde nahe, ſein Schweif ſtuͤrzte ſich in Regenguͤſſen herab, das von ihm angezogene unterirdiſche Waſſer durchbrach die Rinde, oder erhob ſie an mehreren Stellen, wodurch die großen Bergketten entſtanden. Als der Komet ſich wieder entfernte, verlief ſich das Waſſer theils in die entſtandenen Hoͤhlen, theils in eine Hauptvertiefung, welche nun das große Weltmeer bildete. Die kleinen Seen im Lande vertrockneten daher, und ließen die Ueberbleibſel ihrer Schalthiere auf dem Boden zuruͤck. Man wird in dieſer ſonſt ſinnreichen Hypotheſe die vielen willkuͤhrlichen Vorausſetzungen bald erkennen, obgleich ſonſt der Gedanke, unter den Schoͤpfungstagen Jahre oder Perioden von unbeſtimmter Dauer zu verſtehen, allgemeinen Beyfall verdient, und die Erklaͤrung der Suͤndfluth durch einen Kometen allenfalls auch Traditionen und Schriftſtellen (z. B. Amos V, 8.) fuͤr ſich hat (ſ. Chriſt Geſchichte des Erdkoͤrpers, S. 50. 51.).

John Woodward (Hiſtoria naturalis telluris. Lond.57 1695. 8. An Eſſay towards the natural hiſtory of the Earth. Lond. 1733. 8. ), der zwar viele Beobachtungen geſammelt hatte, aber doch ein ſchlechter Phyſiker war, hielt die Erde fuͤr eine Waſſerkugel mit einer feſten Rinde. Die Suͤndfluth erklaͤrt er durch ein Wunder. Gott hob auf einmal Schwere und Zuſammenhang der Koͤrper auf, wodurch ſich alles aufloͤſete; nur die Thiere blieben wegen der Verflechtung ihrer Fibern von dieſer allgemeinen Aufloͤſung ausgeſchloſſen (gerade, als ob bey aufgehobenem Zuſammenhange noch Fibern ſtatt finden koͤnnten). Er ließ darauf die Schwere wieder entſtehen. Nun ſanken die Materien nach der Ordnung derſelben nieder, bildeten Schichten, und fuͤhrten die organiſirten Koͤrper mit ſich in die Schichten von gleicher ſpecifiſchen Schwere. Dieſe neue Rinde zerbrach wieder an einigen Stellen, und oͤfnete dem Waſſer Wege, ſich zu verlaufen, wodurch die Unebenheiten der Erdflaͤche entſtanden. Es iſt aber ganz ungegruͤndet, daß die Materien der Schichten nach der Ordnung der ſpecifiſchen Schwere liegen; auch hat de Luͤc (Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen, Th. I. XVII. u. f. Briefe) die haͤufigen Irrthuͤmer und Fehlſchluͤſſe dieſes Syſtems ſehr umſtaͤndlich dargeſtellt.

Herr von Leibnitz (Protogaea ſ. de prima facie telluris et antiquiſſimae hiſtoriae veſtigiis in ipſis naturae monumentis diſſ. in Act. Erud. Lipſ. a. 1693. und beſonders durch Scheid, Goetting. 1749. 4. ) laͤßt die Erde aus einem ausgebrannten und geſchmolzenen Koͤrper entſtehen. Der Anfang ſeines Verloͤſchens iſt die Scheidung des Lichts von der Finſterniß und die Epoche der Schoͤpfung. Die durch Hitze verglaſeten Schlacken machten die Rinde aus, in welcher beym Erkalten Buckeln und Blaſen, d. i. Berge und große Hoͤhlen, entſtanden. Als die Oberflaͤche kalt genug war, fielen die Duͤnſte aus der Atmoſphaͤre herab, bedeckten die Flaͤche mit Waſſer, und loͤſten die Salze auf; daher das ſalzige Seewaſſer. Bey zunehmendem Abkuͤhlen zerriß die Rinde, das Waſſer verlief ſich zum Theil in die Hoͤlen, und brachte Laͤnder aufs Trockne, welche den erſten Menſchen zu Wohnplaͤtzen dienten. Endlich ſtuͤrzten die58 hoͤchſten, vormals vom Waſſer bedeckten und alſo ſchon mit Conchylien angefuͤllten, Theile auf einmal nieder, fielen in die mit Waſſer bedeckten Tiefen, und trieben dadurch das Waſſer zum Zweytenmale uͤber die ganze Erdflaͤche, bis ſich endlich Zugaͤnge zu neuen Hoͤhlen oͤfneten, worein ſich daſſelbe wieder verlaufen konnte. Man kan dieſem Syſtem vornehmlich entgegenſetzen, daß man keine allgemeinen Spuren einer ehemaligen Schmelzung oder Verglaſung in den Materien der Erdrinde (man ſ. Wallerii diſs. de tellure olim per ignem non fluida. Vpſal. 1761. 4. ) oder auch eines fortdaurenden Erkaltens antrifft; und daß die Conchylien erſt zu einer Zeit, da das Land ſchon bewohnt war, niedergeſunken ſeyn muͤſſen, weil man ſie oft mit Pflanzen und Theilen von Landthieren vermiſcht findet.

Johann Scheuchzer (Hiſt. de l'Acad. des Sc. de Paris. a. 1708.) wollte wegen der vielen horizontalen und parallelen Erdſchichten von dem Begriff einer anfaͤnglichen Fluͤßigkeit der Erdmaſſe nicht abgehen, konnte aber doch dieſen Begriff mit dem Anblicke der ungeheuren Alpen nicht vereinigen. Er nahm alſo an, nach der anfaͤnglichen Bildung der Erde durch Niederſinken im Waſſer, und nach einer zweyten Ueberſchwemmung, habe Gott durch ſeine Allmacht die ſteinigten und feſten Schichten der Erde emporgehoben und verſchoben, wodurch denn die Berge mit parallelen, aber nicht horizontalen, Schichten entſtanden, die Gewaͤſſer aber wieder in die Vertiefungen zuruͤckgetreten waͤren. Um einen neuen Einſturz zu verhuͤten, habe er dazu die am meiſten ſteinigten Gegenden, z. B. die Schweiz, gewaͤhlt. Aber eine ſolche Ableitung aus einem Wunder iſt keine Erklaͤrung.

John Ray (Phyſico-theological diſcourſes concerning the primitive chaos, the general deluge and the diſſolution of the world. London, 1692. 1713. 8. ) nimmt ebenfalls einen Niederſchlag der feſten Theile im anfaͤnglichen Chaos an, wobey die Oberflaͤche mit Waſſer bedeckt war. Er laͤßt aber bey der Schoͤpfung durch unterirdiſche Winde und entzuͤndete Duͤnſte Erdbeben entſtehen, die Berge und das trockne Land erheben, und das Waſſer ſich in den59 Vertiefungen ſammeln. Durch die Ritzen der Erde brach das Feuer aus und bildete neue vulkaniſche Berge, auch Hoͤhlen in der Tiefe. Die Suͤndfluth erfolgte durch eine allmaͤhlige Verruͤckung des Schwerpunkts der Erde, veranlaſſete große Veraͤnderungen der Oberflaͤche, und brachte Laͤnder aufs Trockne, die vordem Meergrund geweſen, und mit Seekoͤrpern angefuͤllt waren. Dies Syſtem empfiehlt ſich durch eine ziemlich ungezwungne Erklaͤrung der Suͤndfluth, und durch einige neue Ideen; es iſt auch nicht zu laͤugnen, daß die Vulkane und Erdbeben großen Antheil an der Bildung der Erdflaͤche gehabt haben; allein ihnen die Erhebung aller Berge zuzuſchreiben, iſt bey weitem mehr, als Wirkungen des unterirdiſchen Feuers jemals leiſten koͤnnen.

Auch D. Hook (Poſthumous Works, Lond. 1705. fol.) erklaͤrt die Veraͤnderung der Erdflaͤche durch Erdbeben, welche ganze Theile des Meergrundes ohne Verletzung der Schichten, woraus ſie beſtanden, und der darauf beſindlichen Berge emporgehoben haͤtten, durch gewaltſame Waſſerſtroͤme, Sturmwinde und allmaͤhliges Herunterfallen der ſchwerern Theile. Beſonders, glaubt er, ſey durch Erdbeben eine Verruͤckung des Schwerpunkts der Erde entſtanden, wodurch ſich die Bewegung der Erdkugel um ihre Axe ſowohl der Richtung, als der Zeit nach, merklich geaͤndert habe. Raſpe (Specimen hiſtoriae naturalis globi terraquei praecipue de novis e mari natis inſulis. Amſt. 1763. 8maj. ) hat dieſes Syſtem verbeſſert vorgetragen.

Am vollſtaͤndigſten iſt die Hypotheſe der Bildung der Erde durch das unterirdiſche Feuer von Anton Lazaro Moro (De' croſtacei e degli altri marini corpi, che ſi trovano ſu monti, Libri due, in Venezia, 1740. 4. Neue Unterſuchung der Veraͤnderungen des Erdbodens von A. L. Moro, aus d. Ital. Leipzig, 1751. 8. ) ausgefuͤhrt worden. Er nimmt von der Entſtehung einer neuen Inſel im Archipelagus am Meerbuſen der Inſel Santorin im Jahre 1707, ingleichen des Montenuovo bey Neapel im Jahr 1538, Gelegenheit zu behaupten, der ganze trockne Erdboden ſey durch60 unterirdiſches Feuer entſtanden. Bey der Schoͤpfung befand ſich im Mittel der Erde das Centralfeuer, daruͤber eine dicke Erdrinde, und zu oberſt 175 Toiſen hoch Waſſer. Am dritten Tage ließ der Schoͤpfer das Feuer wirken, das die Rinde hob und ſo die urſpruͤnglichen Berge bildete. Das Feuer durchbrach auch die Rinde hie und da, warf vulkaniſche Materien um ſich, bildete Schichten davon im Meere, und gab dieſem den ſalzigen Geſchmack, worauf es Seethiere und Pflanzen erhalten konnte. Inzwiſchen erhob das Feuer auch den Meergrund und bildete dadurch die Berge, welche Schichten, aber keine Seeprodukte, enthalten. Das Land ward durch die vulkaniſchen Ueberzuͤge fruchtbar und mit Menſchen, Thieren und Pflanzen beſetzt. Die immer fortdaurenden Wirkungen des Feuers hoben nun auch die mit Seekoͤrpern verſehenen Berge empor, und bildeten unſere Erdſchichten in den Plaͤnen. Die nachherigen Wirkungen der Vulkane haben noch bis auf unſere Zeiten manche locale Veraͤnderungen hervorgebracht, die Wohnplaͤtze der Thierarten rc. veraͤndert, woraus ſich erklaͤrt, daß man ſo viel Elephantenknochen in den Nordlaͤndern aus der Erde graͤbt, und an ſo vielen Orten verſteinerte Ammonshoͤrner findet, deren lebende Originale nicht mehr angetroffen werden. Sehr aͤhnlich mit Moro's Hypotheſe iſt diejenige, welche Hr. Keßler von Sprengseyſen (Unterſuchung uͤber die jetzige Oberflaͤche der Erde, beſonders der Gebirge. Leipz. 1787. 8. ) ganz neuerlich, nur mit mehr Ruͤckſicht auf die moſaiſchen Erzaͤhlungen, vorgetragen hat. Man findet in der That in dieſen Syſtemen mehr bekannte und wirklich vorhandene Urſachen angegeben, als in irgend einem der vorigen; allein es iſt unmoͤglich, daß die elaſtiſche Kraft der unterirdiſchen Daͤmpfe ſolche Bergketten, wie die Cordelieren und Alpen ſind, aus der Tiefe des Meeres erheben und mit gehoͤriger Feſtigkeit unterſtuͤtzen koͤnnte. Der Bau der Berge iſt offenbar dagegen; denn ſie machen kein uͤber einem Abgrunde auf Wiederlagen ruhendes Gewoͤlbe aus, ſondern ihr Fuß iſt vielmehr breiter, als ihr oberer Theil. Aus dieſen mechaniſch richtigen Gruͤnden hat de Luͤc (Briefe uͤber die Geſchichte d. Erde, XLVII. u. f. Briefe) alle dieſe61 Syſteme, welche die Berge durch unterirdiſches Feuer emporheben laſſen, ſehr ausfuͤhrlich widerlegt.

Der Abt Pluͤche (Spectacle de la nature. à la Haye, 1738 8. To. III. P. 2.) laͤßt bey der Entſtehung der Erde die Ebnen des Aequators und der Ekliptik zuſammenfallen, daraus einen beſtaͤndigen Fruͤhling erfolgen, und das Meer zum Theil in unterirdiſchen Hoͤhlen verborgen liegen. Ploͤtzlich aber lenkt der Schoͤpfer die Erdaxe nach den noͤrdlichen Geſtirnen, die Sonnenhitze faͤllt ganz auf die eine Halbkugel, es entſtehen gewaltſame Ausdehnungen der Luft, die Stuͤrme dringen zwiſchen das unterirdiſche Waſſer und die Woͤlbung der Hoͤhlen ein. Auch faͤllt das Waſſer der Atmoſphaͤre in heftigen Regenguͤſſen herab. Die Erde zerbricht davon, faͤllt ſtuͤckweis in die Tiefen, und treibt das Waſſer herauf. Hierdurch entſteht die Suͤndfluth. Endlich bringen Ausduͤnſtung und Ablauf die Erde wieder aufs Trockne, wo man noch die Erdſchichten, als Ueberbleibſel des aͤlteſten Baues, aber auch die Spuren der Veraͤnderungen antrifft, die das Waſſer und der Einſturz darauf verurſacht haben. In dieſem Syſtem iſt die angenommene Urſache unſtreitig zu ſchwach, um ſo gewaltſame Wirkungen hervorzubringen.

Bourguet (Lettres philoſophiques ſur la formation des ſels et des criſtaux. à Amſterd. 1729. 12mo) glaubte in der Geſtalt und Lage der Gebirge eine allgemeine Aehnlichkeit mit Feſtungswerken zu finden, wo immer einwaͤrtsgehende und hervorſpringende Winkel mit parallelen Schenkeln einander gegenuͤber ſtehen. Auch ſtand er, wie viele andere Naturforſcher, in den Gedanken, daß man in allen Bergen Schichten und Conchylien finde. Er erklaͤrte alſo die Bildung der Berge aus Stroͤmen des ehemaligen Meeres, ſo wie ſich an den Biegungen der Fluͤſſe ebenfalls Winkel mit parallelen Schenkeln an beyden Ufern gegenuͤber ſtehen. Allein dies iſt mehr die Wirkung eines reißenden Stroms, der ſich Wege durchbricht, als die eines weit ausgebreiteten und Niederſchlaͤge abſetzenden Meeres, zu geſchweigen, daß dieſe Anordnung nur bey einer ſehr geringen Anzahl von Bergen ſtatt findet, und daß dieſe Berge ſchon vorhanden ſeyn mußten, ehe ſich die Fluth den Weg durch dieſelben62 oͤfnet. Dieſe Anordnung zeigt ſich vielmehr bloß an den Seiten der Thaͤler, welche die großen Bergketten nach der Queere durchſchneiden.

Johann Gottlob Kruͤger (Geſchichte der Erde in den aͤlteſten Zeiten. Halle, 1746. 8) nimmt drey große Veraͤnderungen der Erde an. Zuerſt war ſie vom Waſſer bedeckt, in welchem die Schalthiere lebten: damals erhielt ſie ihre ſphaͤroidiſche Geſtalt: dann brannte ſie aus, die Conchylien wurden gekocht, und in Schiefer und andere geſchmolzene Materien begraben. Endlich ward ſie durch Erdbeben erſchuͤttert, welche den Bergen, Huͤgeln und Sandlagen ihre gegenwaͤrtige Geſtalt gaben.

De Maillet (Telliamed, ou Entretiens d'un Philoſophe Indien avec un Miſſionaire François ſur la diminution de la mer. Nouv. edit. à la Haye, 1755. To. II. 12.) erklaͤrt die Bildung der Erdflaͤche aus einer ſanftern und langſamer wirkenden Urſache, aus der beſtaͤndigen Abnahme oder dem Zuruͤcktreten des Meeres. Urſpruͤnglich iſt zwar auch bey ihm die Erdkugel eine ausgebrannte Sonne, welche nach dem ſonderbaren Syſtem, das er ſich uͤber die Revolutionen der Himmelskoͤrper traͤumt, ehedem die Stelle der jetzigen Sonne eingenommen hat, dann aber auf einmal in eine große Entfernung von derſelben fortgeſchleudert und mit Waſſer aus den andern Planeten uͤberſchwemmt worden iſt. Dieſes Waſſer duͤnſtet nun jetzt immer mehr aus und nimmt ab, bis endlich die Erde, die indeß dem Mittelpunkte wieder naͤher ruͤckt, ganz vertrocknet ſeyn und wieder zur brennenden Sonne werden wird. Von dem ehemaligen Brande haben die Mineralien und Metalle ihren Urſprung Das Meer aber ſenket ſich jetzt um 3 Fuß in tauſend Jahren. Die Berge ſind von Bodenſaͤtzen des alten weit hoͤhern Meeres und ihre Ungleichheiten von den Meerſtroͤmen entſtanden. Aus dem Waſſer ſind alle Pflanzen, ja auch alle Thiere und ſelbſt der Menſch hervorgegangen, weicher anfaͤnglich ein Bewohner des Meeres war. Die Schoͤpfungstage macht er zu langen Zeitraͤumen, und legt dem Menſchengeſchlechte ein Alter von wenigſtens 500000 Jahren bey. Es iſt kaum zu begreifen, wie weit63 dieſen Schriftſteller die Vorliebe zu einem Syſtem gefuͤhrt hat, das ſich doch nur auf einige locale Beobachtungen an den Kuͤſten des mittellaͤndiſchen Meeres gruͤndet. Er traͤgt zur Beſtaͤtigung des Theils, der die Thiere und Menſchen betrifft, die laͤcherlichſten Fabeln vor, und giebt Bloͤßen, welche de Luͤc (Briefe uͤber die Geſch. der Erde, Th. I. XLI. u. ſ. Brief) faͤſt umſtaͤndlicher, als es noͤthig war, darſtellet. Uebrigens hat er wegen ſeiner guten Schreibart viele Leſer gefunden, und den Satz: daß unſer feſtes Land ehedem Meergrund geweſen ſey, ſehr ſchoͤn und uͤberzeugend dargethan.

Le Cat trug im Magazin François, Juillet, 1750. ein Syſtem vor, welches die Entſtehung der Berge auf dem ſonſt ebnen Meergrunde der Wirkung des Mondes, oder der Ebbe und Fluth, zuſchreibt. Dieſe, ſagt er, haͤufte den Schlamm in ungeheure Maſſen auf; dadurch mußten an andern Stellen Vertiefungen entſtehen, in welche ſich das Waſſer ſenkte, und einen Theil der erhobnen Erde auf dem Trocknen zuruͤckließ. Dieſe Wirkungen dauern noch immer, wiewohl langſamer, fort, und endlich wird das Meer die ganze Erdkugel aushoͤhlen. Man ſieht aber gar bald, daß die Wirkung der Ebbe und Fluth auf einer regelmaͤßigen ſphaͤroidiſchen Flaͤche den Schlamm nicht in Berge aufhaͤufen, ſondern hoͤchſtens nur gegen die Pole treiben und in Geſtalt von Zonen anlegen kan.

Der Graf Buͤffon (Hiſtoire naturelle generale et particuliere, To. I., Theorie de la terre, ingl. mit betraͤchtlichen Abaͤnderungen Supplement, To. IX et X. Paris, 1778. 8. ) benuͤtzt den Umſtand, daß ſich alle Planeten um die Sonne und um ihre Axen nach einerley Seite zu bewegen, und daß ihre Bahnen nur kleine Winkel, hoͤchſtens von 7 1 / mit einander machen, zu der Vermuthung, daß ihre anfaͤngliche Bewegung aus einer gemeinſchaftlichen Urſache entſtanden ſey. Er ſtellt ſich vor, ein Komet ſey ſchief gegen die Sonne gefallen und habe von ihr den 650ſten Theil ihrer Maſſe abgeſtoßen, auch den Stuͤcken die Umdrehung um ihre Axe nach eben der Richtung mitgetheilt. Dieſe Stuͤcken fiengen nun vermoͤge der Gravitation ihre Centralbewegungen64 an, und platteten ſich durch die Umdrehung ab. Ein ſolches Stuͤck war die Erde; anfaͤnglich alſo in einem Zuſtande der Schmelzung und des Gluͤhens, und nur allmaͤhlig erhaͤrtend und erkaltend. Nach B. Berechnungen hat das Gluͤhen 3000, und die Hitze, bey welcher man die Erdkugel noch nicht haͤtte beruͤhren koͤnnen, 34000 Jahre gedauert. Wenn ein Klumpen geſchmolzenes Glas oder Metall erkaltet, ſo entſtehen auf der Oberflaͤche Loͤcher, Wellen, Ungleichheiten, und darunter Hoͤhlen und Blaſen. So entſtanden die urſpruͤnglichen Bergketten und Hoͤhlen der Erde; auch wurden in dieſem Zeitraume die Metalle in den Gaͤngen durch Sublimation bereitet. Das Meer aber befand ſich ganz in der Atmoſphaͤre, weil die Erde wenigſtens 25000 Jahre lang ſo heiß war, daß ſie alles Waſſer in Daͤmpfe verwandelte. Erſt nach dieſer Zeit fiel das Waſſer nach und nach herab, und bedeckte die Flaͤche auf 2000 Toiſen hoch, ſo daß nur die Gipfel der hoͤchſten Berge hervorragten. In dieſem noch heißen Meere bildeten ſich die Schalthiere in ungeheurer Anzahl, zum Theil andere Gattungen, als jetzt leben. Der Druck des Waſſers grub große Vertiefungen aus, und eroͤfnete Wege zu den unterirdiſchen Hoͤhlen. Dadurch kam nun mehr Land aufs Trockne, und es fieng die Bevoͤlkerung mit lebenden Weſen an, welche bey der damaligen erſten Staͤrke der Natur und mehrern Waͤrme koloſſaliſche Groͤßen hatten. Die Polarlaͤnder erkalteten zuerſt, daher nahm hier die Bevoͤlkerung ihren Anfang, endlich verlief ſich auch das Gewaͤſſer um den Aequator. Waͤhrend dieſer Zeit, die v. B. auf 20000 Jahre ſetzt, entſtanden aus den Truͤmmern der Schalthiere unter dem Waſſer alle kalkartige Materien, und die mit Schichten und Seeprodukten verſehenen Berge der zweiten Ordnung. Durch die aus der innern Waͤrme der Erde herruͤhrende Elektricitaͤt entſprangen die Vulkane, welche neue Inſeln hervorbrachten, das Land mit Lava bedeckten, und den Boden fruchtbar machen halfen. Die Elephanten, Wallroſſe u. dgl. lebten damals in den Nordlaͤndern, bis die zunehmende Erkaltung ſie zwang, in die heiße Zone uͤberzugehen; daher man in Nordamerika, Sibirien rc. ſoviel65 gegrabnes Elfenbein findet. Endlich vollendeten partielle Ueberſchwemmungen, langſame Wirkungen des Regens, und die immer fortgehende Bewegung des Meeres von Oſten nach Weſten das Werk, und gaben der Erdflaͤche die gegenwaͤrtige Geſtalt. Die Erkaͤltung aber nimmt immer mehr zu, und nach 93000 Jahren wird die lebende Natur wegen der Kaͤlte nicht mehr beſtehen koͤnnen. Dies ſind die Hauptzuͤge eines Syſtems, das ſein Urheber mit der ihm eignen hinreißenden Beredſamkeit vorgetragen hat, das man aber bey genauerer Pruͤfung fuͤr nichts weiter, als fuͤr einen ſchoͤnen Traum, erklaͤren kan. In den Beobachtungen findet ſich keine Spur einer abnehmenden Waͤrme oder Erkaltung, und wenn es eine der Erde eigne, von der Sonne unabhaͤngige, Waͤrme girbt (ſ. Centralfeuer), ſo kan doch allen phyſikaliſchen Grundſaͤtzen gemaͤß, kein Erkalten des Ganzen in dem hier angenommenen Sinne ſtatt finden, weil außer der Erde und ihrer Atmoſphaͤre nichts da iſt, was dieſen Waͤrme entziehen kan. Die freye oder fuͤhlbare Waͤrme geht zwar aus einem gluͤhenden Eiſen in die Luft uͤber, weil die Luft kaͤlter iſt; aber dies iſt nicht der Fall der Erdkugel, welche zwar ihrer Atmoſphaͤee Waͤrme mittheilt, aber auch wieder Waͤrme von dieſer annimmt, wenn ſie kaͤlter iſt. Außer der Atmoſphaͤre aber iſt nichts weiter vorhanden, was der Erde Waͤrme entziehen koͤnnte. So kan ſich kein Beweis dieſes Erkaltens in der Phyſik finden, und die Geſchichte lehrt vielmehr, daß das Klima ſo vieler Laͤnder durch die Cultur immer milder und waͤrmer werde. Dazu koͤmmt, daß die Planeten, wenn ſie aus der Sonne abgeriſſen waͤren, ihre Perihelien weit naͤher bey der Sonne haben muͤßten, daß die urſpruͤnglichen Materien zwar glasartig, aber keinesweges verglaſet ſind, daß die kalkartigen Stoffe ſich ſelbſt in den urſpruͤnglichen Gebirgen, und oft ohne alle Spuren von Seethieren finden, daß die neuſten Anhaͤufungen des Meeres, welche die meiſten Conchylien enthalten, großentheils aus glasartigen Materien beſtehen, daß die Bewegung des Meeres von Oſten gegen Weſten die beygelegten großen Wirkungen nicht hervorbringen kan, daß der Regen und die Baͤche die Berge durch Abrundung und Boͤſchung66 mehr befeſtigen, als zerſtoͤren u. ſ. w. De Luͤc (Briefe uͤb. die Geſch. d. Erde, Th. II. CXLI. u. ſ. f. Briefe) ſetzt dies alles umſtaͤndlich aus einander, und ſchließt mit der Bemerkung, daß dieſe Buͤffonſche Naturgeſchichte als allgemeine ſehr mangelhaft, als partikulaͤre aber reich an Schoͤnheiten und vortreflichen Beobachtungen ſey.

Joh. Heinrich Gottlob von Juſti (Geſchichte des Erdkoͤrpers, Berlin, 1771. gr. 8.) laͤßt ebenfalls die Erde aus der Sonne entſpringen, und eignet ihr ein Centralfeuer zu, welches nach einer Arbeit von mehr als 1000 Jahrhunderten die urſpruͤnglichen Felſen emporgehoben haben ſoll. Die uͤbrigen Berge leitet er von abwechſelnden Ueberſchwemmungen her, nimmt auch eine Veraͤnderung der Erdaxe an, um zu erklaͤren, wie die Elephantenknochen in die nordiſchen Gegenden kommen. Herr Wiedeburg (Anwendung der Natur - und Groͤßenlehre zur Rechtfertigung der heil. Schrift. Nuͤrnberg, 1782. gr. 8.) hat dieſes Syſtem umſtaͤndlich widerlegt; er ſelbſt (Neue Muthmaßungen uͤber die Sonnenflecken, Kometen und die erſte Geſchichte der Erde, v. J. E. B. Wiedeburg. Gotha, 1776. gr. 8.) iſt der Meynung, die Erde ſey, wie alle Planeten, zuerſt ein Sonnenflecken, dann ein Komet geweſen, und endlich vom Schoͤpfer in ihre jetzige weniger eccentriſche Laufbahn gebracht worden eine Art von Generationsſyſtem fuͤr die Weltkoͤrper, dergleichen ſchon Lambert (Kosmologiſche Briefe uͤber die Einrichtung des Weltbaus, Augſp. 1761. 8. S. 9. u. f.) hinlaͤnglich widerlegt hat.

Herr de Luͤc (Lettres phyſiques et morales ſur l'hiſtoire de la terre et de l'homme, adreſſées à la Reine de la Grande-Bretagne, à la Haye 1779. Tomes V. 8maj., mit einiger Abkuͤrzung uͤberſetzt unter dem Titel: Phyſikaliſche und moraliſche Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen, von J. A. de Luͤc. Leipzig, 1781. II. Baͤnd. gr. 8.) hat nicht nur die meiſten der bisher angezeigten Hypotheſen ſehr ſcharf gepruͤft, ſondern auch ein anderes, ungleich beſſeres Syſtem an ihre Stelle geſetzt. Er geſteht mit Beſcheidenheit ein, daß es ihm nicht moͤglich ſey, die phyſikaliſche Urſache, welche die urſpruͤnglichen67 Berge gebildet hat, anzugeben, und ſchraͤnkt daher ſeine Erklaͤrungen auf die neuere Geſchichte der Erde und auf dasjenige ein, was die Betrachtung unſers feſten Landes faſt augenſcheinlich lehrt: daß unſer feſtes Land ehedem Meergrund geweſen ſey, daß das Meer ſein ehemaliges Bett durch eine ploͤtzliche Revolution, und noch nicht ſeit ſogar langer Zeit, verlaſſen habe. An dem erſten dieſer Saͤtze kan ohnehin kein Naturforſcher zweifeln; der ploͤtzliche Ruͤckzug des Meeres wird daraus wahrſcheinlich, weil die Hypotheſe einer allmaͤhligen Abnahme viele Phaͤnomene nicht erklaͤrt, und beſonders nicht zeigt, wie ſich in den Erdſchichten Seeprodukte finden koͤnnen, deren lebende Originale nicht in den benachbarten, ſondern nur in ſehr entfernten Meeren, zum Theil auch gar nicht mehr, angetroffen werden; weil auch die Schicht der fruchtbaren Dammerde an den Stellen der feſten Laͤnder, welche bloß unter den Haͤnden der Natur geblieben ſind, uͤberall gleich groß (nicht viel uͤber einen Schuh hoch) gefunden wird, welches anzeigt, daß alles platte Land zugleich aufs Trockne gekommen, und dieſe Revolution ſo ſehr alt nicht ſey, als ſie einige Schriftſteller der bibliſchen Zeitrechnung zuwider annehmen. Hierauf gruͤndet ſich nun folgende neuere Geſchichte der Erde. Das alte Meer haͤufte Bodenſaͤtze von kalkartigen Materien, die nach und nach immer mehr mit Conchylien, auch mit Spuren von Pflanzen und Landthieren vermiſcht wurden, welche die Fluͤſſe aus dem damaligen feſten Lande herbeyfuͤhrten. Das Waſſer filtrirte ſich durch den Boden, erzeugte unter dem Meere innere Gaͤhrungen, Entzuͤndungen, Daͤmpfe und Ausbruͤche von Vulkanen, welche Lavenſchichten bildeten, die hin und wieder mit Bodenſaͤtzen des Meers abwechſeln. Die davon unzertrennlichen Erdbeben machten Spalten in den Bergen, welche ſich nachher mit Materien ausfuͤllten, die Produkte des Waſſers und Feuers zugleich ſind. Dies ſind unſere Gaͤnge. Auch warfen die Vulkane Truͤmmern des urſpruͤnglichen Bodens aus, und bildeten davon Anhaͤufungen und Schichten. Durch den Einſturz des Bodens in die vom unterirdiſchen Feuer erweiterten Hoͤhlen ward die Flaͤche68 des alten Meeres immer niedriger; die Vulkane traten mit ihren Oefnungen hervor, wirkten freyer, und warfen oft ungeheure Granitbloͤcke mitten in die Kalkgebirge. Endlich machte das Meer ſtatt der kalkartigen nur noch kieſelartige oder ſandige Bodenſaͤtze, und fuͤhrte Mergel und Thon uͤber den Boden. Dies war ſein letztes Werk. Auf einmal verließ es den ſo gebildeten Boden unſerer feſten Laͤnder durch eine ploͤtzliche Revolution, die de Luͤc von dem Einſturze der alten Laͤnder herleitet, welche nach ihm Woͤlbungen uͤber großen Hoͤhlen waren. Das Waſſer hatte ſich nach und nach Zugaͤnge dazu eroͤfnet, Gaͤhrungen und Vulkane veranlaſſet; die Gewoͤlber ſtuͤrzten nieder, das feſte Land verſchwand, das Waſſer brritete ſich daruͤber aus, und die Meeresflaͤche ward dadurch ſo niedrig, daß unſere heutigen Laͤnder aufs Trockne kamen, dagegen die Stelle der ehemaligen Laͤnder anjetzt vom Weltmeere bedeckt wird. Es iſt hier unmoͤglich, die zahlreichen Beobachtungen anzufuͤhren, welche den einzelnen Theilen dieſes Syſtems zur Grundlage dienen, und die der Verfaſſer theils von Andern entlehnt, theils auf ſeinen Reiſen durch die Schweiz, Deutſchland und Holland ſelbſt geſammelt hat. Beſonders iſt der Satz, daß es ſchon bewohnte Laͤnder gab, als unſer jetziges Land noch Meergrund war, durch das ganze Werk hindurch, auf mannichfaltige Weiſe beſtaͤtiget, und daraus das Phaͤnomen der gegrabnen Elephantenknochen in den Nordlaͤndern (CXLV. Brief. ) ſehr gluͤcklich erklaͤrt. Herr de Luͤc ſetzt das Alter des jetzigen feſten Landes nicht uͤber 4000 Jahr, erklaͤrt die Revolution, die es aufs Trockne brachte, und das alte Land zerſtoͤrte, fuͤr die Suͤndfluth, und zeigt (CXLVI. CXLVII. Brief. ), daß ſein ganzes kosmologiſches Syſtem mit der moſaiſchen Erzaͤhlung und Zeitrechnung uͤbereinſtimme, wenn man die Schoͤpfungstage fuͤr Perioden von unbeſtimmter Dauer annimmt.

Mit dieſem Syſtem ſtimmt Hollmann (Comment. de corporum marinorum aliorumque peregrinorum in terra continente origine, in Comm. Gotting. Tom. III. p. 285 ſqq. ) in den Hauptſaͤtzen, daß unſer Land Meergrund geweſen, und durch Einſturz des alten Landes in unterirdiſche69 Woͤlbungen aufs Trockne gekommen ſey, voͤllig uͤberein, obgleich ſeine Abhandlung bereits 1753 geſchrieben iſt.

Pallas (Obſervations ſur la formation des montagnes, et les changemens arrivés au globe. à St. Petersb. 1777. 4. uͤberſetzt in den leipziger Sammlungen zur Phyſik und Naturgeſchichte, II. Band,) nimmt an, daß die hohen Granitketten jederzeit Inſeln auf der Oberflaͤche der Gewaͤſſer ausgemacht haben, und daß in den Schichten, die ſich daran anlegten, Kieſe und Vulkane entſtanden ſind. Dieſe alten Vulkane zertruͤmmerten die Schichten, ſchmolzen und verkalkten ihre Materien, und bildeten dadurch die erſten Schiefer - und Kalkberge, ingleichen die nachher mit Erzen u. dgl. ausgefuͤllten Spalten und Gaͤnge derſelben, ſie zerſtoͤrten auch die auf dem Meergrunde liegenden Haufen von Conchylien und Muſchelbaͤnken, und veranlaſſeten Bodenſaͤtze von verſchiedner Art. Endlich trieb eine gewaltſame Revolution, welche er von den Ausbruͤchen der haͤufigen Vulkane im indiſchen und ſtillen Meere herleitet, die Gewaͤſſer gegen die zuſammenhaͤngenden Bergketten von Europa und Aſien zu, zerſtoͤrte die ſuͤdwaͤrts derſelben gelegnen Laͤnder, uͤberſtieg die niedrigſten Theile der Ketten, und fuͤhrte die Truͤmmern der Pflanzen und Thiere mit ſich in die noͤrdlichen Gegenden, aus welchen das Waſſer wieder in neueroͤfnete Schluͤnde abfloß. Dies wird aus der Geſtalt der Meerbuſen, Spitzen des feſten Landes, aus der Lage der Gebirge und andern Umſtaͤnden wahrſcheinlich gemacht, und in der That leitet auch der erſte Blick auf eine Weltkarte faſt unwiderſtehlich auf die Vermuthung einer ſolchen aus Suͤden gekommenen Fluth.

Nur mit wenigem will ich des Syſtems gedenken, welches Herr Gerhard (Verſuch einer Geſchichte des Mineralreichs. Berlin, 1781. 8. ) ganz auf Gruͤnde der Chymie gebaut hat, wobey er den Schoͤpfer bloß Kieſelerde, Feuer und Waſſer hervorbringen, und daraus durch die Bewegung im Chaos die Salze und uͤbrigen Erden, nebſt Thon, Oelen, Schwefel und Kieſen entſpringen, dann aber durch Gaͤhrung und Niederſchlag die Schichten ſich ordnen und durch Erhitzung und Ausbruͤche fixer Luft wieder zertruͤmmern70 laͤßt. Dies heißt wohl, unſern Planeten zu einem bloß chymiſchen Produkte und zugleich zur Werkſtatt deſſelben machen, welches gewiß eben ſo fehlerhaft iſt, als wenn man ihn mit Descartes bloß mechaniſch aus Materie und Bewegung bilden will.

Eben ſo ſonderbar iſt die Meynung des Freyherrn von Gleichen, genannt Rußworm (Von Entſtehung, Bildung, Umbildung und Beſtimmung des Erdkoͤrpers. Nuͤrnb. 1782. 8. ), welcher durch ſeine Beobachtungen uͤber die Infuſionsthierchen bekannt iſt. Er glaubt, die Erde ſey Anfangs eine bloße Waſſerkugel geweſen, welche zuerſt Fiſche hervorgebracht habe, aus deren Verfaulung Erde entſtanden ſey, die ſich geſetzt, und den feſten Koͤrper zu bilden angefangen habe. Die Gaͤhrung habe darauf Hitze, Aufblaͤhungen und Erhoͤhungen veranlaſſet, die Bewegung des Waſſers habe den Schlamm zu Schalen geformt, woraus der Kalk bereitet worden ſey. Endlich ſey die Erde uͤber das Waſſer hervorgetreten, und dem Sonnenlichte ausgeſetzt worden. Das Waſſer nehme immerfort ab, die Waͤrme aber zu, und ſo werde endlich die ganze Erdkugel im Feuer zerſchmelzen.

Auch Wallerius (Phyſiſchchemiſche Betrachtungen uͤber den Urſprung der Welt, beſonders der Erdwelt und ihre Veraͤnderungen, aus dem Latein. Erfurt, 1782. 8. ) leitet den Urſprung aller Koͤrper aus dem Waſſer her, aus welchem die feſten Koͤrper durch Gerinnungen und Concretionen entſtanden ſeyn ſollen. Er bemuͤht ſich mit vielem Scharfſinn und mit Anwendung ſeiner großen mineralogiſchen und chymiſchen Kenntniſſe dieſe ſonderbare Behauptung mit den moſaiſchen Tagwerken in eine buchſtaͤbliche Uebereinſtimmung zu bringen. Eine beſtaͤndige Verminderung des Waſſers und das Zunehmen des feſten Landes hat auch Linne '(De telluris habitabilis incremento, in Amoenit. Academ. Vol. II. ) angenommen.

Herr Conſiſtorial - und Oberbaurath Silberſchlag (Geogenie, oder Erklaͤrung der moſaiſchen Erderſchaffung nach phyſik. und mathem. Grundſaͤtzen, Berlin, 1 u. 2 Th. 1780. 3 Th. 1783. gr. 4.) macht ganz die moſaiſche Schoͤpfungsgeſchichte71 zur Grundlage ſeines Syſtems. Gott ſchuf nach ihm das Chaos fuͤr jeden Weltkoͤrper da, wo dieſer ſeine Stelle haben ſollte. Am erſten Tage entzuͤndeten ſich die Sonnen, und die Umdrehungen um die Axen fiengen an. Am zweeten vollendete ſich die Abſonderung der Luft, das Waſſer blieb auf der Flaͤche, und im Kerne grif die Verſteinerung ſchnell um ſich. Im Innerſten brach eine ungemeine elaſtiſche Kraft, ein ploͤtzlich wirkendes Feuer aus, bildete ungeheure Hoͤhlungen im Innern und trieb die Erde hie mehr, dort weniger empor. Dadurch traten Land, Inſeln und Berge hervor, und das Meer verlief ſich zum Theil in die Hoͤhlen. Die Felſen wurden theils durch die ſchlammichte Flaͤche, theils durch Steinſchichten hindurchgeſchoben, theils ward die weiche Maſſe zu Huͤgeln und Ruͤcken erhoben, theils brach das Feuer durch Oefnungen, und warf Granit, Quarz und Sand weit umher. Durch eben dieſe elaſtiſche Kraft wurden auch lange Gaͤnge und Canaͤle gebildet, ingleichen Hoͤhlen, welche wie Stockwerke uͤber einander liegen, und zum Theil mit dem großen Centralgewoͤlbe Gemeinſchaft haben. Aus dieſem Hoͤhlenſyſtem und den darinn befindlichen Gewaͤſſern erklaͤrt Herr S. die Art und Weiſe, wie die Suͤndfluth habe entſtehen, und wieder abfließen koͤnnen, ſehr gekuͤnſtelt, mit Huͤlfe eines von Blech verfertigten Heronsbrunns. Die Conchylien in den Erdſchichten ſollen vorher in den Seen der unterirdiſchen Hoͤhlen gelebt haben, und durch den Ausbruch der Gewaͤſſer bey der Suͤndfluth auf die Erdflaͤche gefuͤhrt worden ſeyn. Die Elephanten - und Rhinocerosknochen ſchwammen, durch die Verweſung leichter gemacht, auf dem Waſſer, wurden durch Wind, Wellen, und Stroͤme der ablaufenden Fluth herumgefuͤhrt und endlich in den von hoͤhern Gegenden herabfließenden Schlamm und Sand begraben. Man ſieht bald, daß die kuͤnſtlichen Veranſtaltungen dieſes Syſtems bloß dadurch nothwendig werden, weil Herr S. den ſo wahrſcheinlichen Satz, daß unſer Land lange Zeit der Grund eines ruhenden Meeres geweſen ſey, nicht annehmen, ſondern die Bildung des Bodens aus der Suͤndfluth, als einer ploͤtzlichen Revolution, herleiten will, welches ſich freylich72 nicht ohne Zwang mit den Phaͤnomenen vereinigen laͤßt. (Man ſ. Philoſophiſchphyſiſche Fragmente uͤber die Geogenie, worin die vornehmſten Meynungen des Hrn. Silberſchlags freymuͤthig gepruͤft werden. 1ſter Theil. Breslau, 1783. gr. 4.)

Bey einer ſolchen Menge von Hypotheſen, die ſich mehrentheils auf die Lieblingsideen oder Lieblingsſtudien ihrer Urheber gruͤnden, wird derjenige vielleicht am beſten thun, der gar nicht ausfuͤhrlich von den Naturforſchern zu wiſſen verlangt, wie die Erde und die Welt geſchaffen worden ſey, der vielmehr bey demjenigen ſtehen bleibt, was uns die Beobachtungen mit der groͤßten Wahrſcheinlichkeit zeigen, daß die Erde allerdings ehedem anders als jetzt, ausgeſehen habe (ſ. A. F. v. Veltheim Etwas über die Bildung des Baſalts und die vormalige Beſchaffenheit der Gebirge in Deutſchland. Leipz. 1787. gr. 8.), daß unſere Laͤnder ehedem Meergrund geweſen ſind, welches außer de Maillet, Hollmann, Buͤffon und de Luͤc, auch Lehmann (Verſuch einer Geſchichte von Floͤtzgebirgen. Berlin, 1756. 8. ) dargethan hat, daß eine einzige Ueberſchwemmung, alſo auch die von Moſe erwaͤhnte Suͤndfluth, allein zu Erklaͤrung der Phaͤnomene nicht hinreicht, daß die Vulkane und Erdbeben an der Bildung der Erdflaͤche einen ſehr großen Antheil haben (ſ. Vulkane), und daß uͤberhaupt ſehr viele mit einander verwickelte, theils gewaltſam, theils allmaͤhlig wirkende Urſachen zuſammengekommen ſind, um die Erdflaͤche zu dem, was ſie jetzt iſt, zu einem ſo bequemen Wohnplatze des Menſchen, und der ganzen lebenden Natur zu bilden.

Johann Lulofs Einleitung zu der mathematiſchen und phyſikaliſchen Kenntniß der Erdkugel; aus dem Hollaͤnd. von A. G. Kaͤſtner. Goͤttingen u. Leipz 1755. gr. 4.

Fr. Mallet allgemeine oder mathematiſche Beſchreibung der Erdkugel; aus dem Schwed von L. H. Roͤhl. Greifsw 1774. 8.

J. Elert Bode Anleitung zur allgemeinen Kenntniß der Erdkugel. Berlin, 1786. gr 8.

Erxleben

Anfangsgruͤnde der Naturlehre. Vierte Aufl mit Zuſaͤtzen von G. C. Lichtenberg. Goͤttingen, 1787. 8. im dreyzehnten Abſchnitte. 73

Torb. Bergmann phyſikaliſche Beſchreibung der Erdkugel; aus dem Schwed. von L. H. Roͤhl. Zwote Auflage. Greifswalde, 1780. 2 Baͤnde, gr. 8.

J. A. de Luͤc phyſikaliſche und moraliſche Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen; aus d. Franz. Leipzig 1781. 2 Baͤnde, gro. 8.

J. L. Chriſt Gefchichte unſers Erdkoͤrpers von den erſten Zeiten der Schoͤpfung des Chaos an rc. Frf. und Leipz. 1785. 8.

Erdkugel, kuͤnſtliche

Globus terreſtris artificialis, Globe terreſtre. Eine Kugel, auf deren Oberflaͤche eine aͤhnliche Vorftellung der Erdflaͤche, ihrer Laͤnder, Meere, vornehmſten Orte u. ſ. w. ingleichen der Kreiſe und Punkte, welche man ſich auf ihr gedenket, entworfen iſt, und die in einem ſchicklichen Geſtell um eine durch die Pole gehende Axe gedrehet werden kan ein Modell der Erdkugel im Kleinen.

Um Wiederholungen zu vermeiden, verweiſe ich wegen deſſen, was die Geſchichte der kuͤnſtlichen Erdkugeln, ihre Verfertigung, die Streifen, womit ſie uͤberzogen werden, die Einrichtung ihres Geſtells rc. betrift, auf den Artikel: Himmelskugel, kuͤnſtliche, und will hier nur mit wenigem erwaͤhnen, was der kuͤnſtlichen Erdkugel beſondes eigen iſt.

Daß man alle Kreiſe und Punkte, die an der Himmelskugel angenommen werden, auch auf der Erdkugel vorſtellen koͤnne, iſt bereits bey dem Worte: Erdkugel erwaͤhnt, und durch Taf. VIII. Fig. 2. erlaͤutert worden. In dieſer Abſicht gedenkt man ſich Himmel und Erde als zwo concentriſche Kugeln, wobey eigentlich die Erde unendlich klein, oder nur als ein Punkt gegen den Himmel, angenommen werden muß. Da es aber hiebey bloß auf Kreiſe und Bogen, oder auf Maaße von Winkeln am Mittelpunkte c ankoͤmmt, mithin die Halbmeſſer dieſer Kreiſe in jeder beliebigen Groͤße genommen werden koͤnnen, ſo kan man in der Figur ohne allen Fehler der Erde eine merkliche Groͤße beylegen; und bey der Verfertigung der Globen ſelbſt werden Himmels - und Erdkugel gewoͤhnlich beyde von einerley Groͤße gemacht.

So geht durch beyde Kugeln die gemeinſchaftliche Axe74 PS, und bezeichnet auf der Erdkugel die Punkte p und s, den Nord - und Suͤdpol. Der auf dieſe Axe ſenkrechte groͤßte Kreis aq, der von den Polen in jedem Punkte um 90° entfernt iſt, wird der Erdaͤquator, ſo wie AQ der Aequator am Himmel iſt. Und, wie am Himmel die mit dem Aequator parallel laufenden kleinern Kreiſe DE, FG, IK, LT, Tagkreiſe genannt werden, weil jeder Stern taͤglich einen ſolchen Kreis zu durchlaufen ſcheint, ſo heißen auf der Erdkugel die uͤbereinſtimmenden Kreiſe, wie de, fg, ik, lt, Parallelen oder Parallelkreiſe. Unter dieſen Parallelen ſind die, welche 23 1 / (oder um die Schiefe der Ekliptik) vom Aequator abſtehen, am Himmel FG und IK, auf der Erde fg und ik, die Wendekreiſe des Krebſes und des Steinbocks; die, welche in gleichem Abſtande von 23 1 / um die Pole laufen, am Himmel DE und LT, auf der Erde de und lt, der noͤrdliche und ſuͤdliche Polarkreis. Der oberſte Punkt der Erdkugel o ſtellt, weil man doch auf der Erdflaͤche uͤberall oben zu ſtehen glaubt, den jedesmaligen Standort vor, deſſen ſcheinbarer Horizont die Ebne hor, der wahre Horizont aber am Himmel HR, auf der Erdkugel mn iſt. Dem Standorte o correſpondirt am Himmel ſein Scheitelpunkt oder Zenith Z. Und wie am Himmel der durch die Pole und das Zenith gehende groͤßte Kreis PZHSRP der Mittagskreis oder Meridian heißt, ſo iſt auf der Erdkugel der uͤbereinſtimmende Kreis pomsnp der Mittagskreis des Orts o, wiewohl man auf der Erde nur die Helfte dieſes Kreiſes poms fuͤr den eigentlichen Meridian von o zu rechnen hat.

Die Ekliptik gehoͤrt bloß auf die Himmelskugel, auf die kuͤnſtliche Erdkugel eigentlich gar nicht. Da ſie ihren Stand am Himmel alle Augenblicke aͤndert, z. B. jetzt ſich in der Lage IG, nach 12 Stunden aber in der Lage FK befindet, ſo kan man ihr auf der Erdkugel keine beſtimmte und unveraͤnderliche Lage anweiſen. Da aber die kuͤnſtliche Erdkugel zu Aufloͤſung verſchiedener Aufgaben beſtimmt iſt, ſo pflegt man auch die Ekliptik darauf zu verzeichnen, ohne welche ſich einige dieſer Aufgaben nicht wuͤrden aufloͤſen laſſen. Man pflegt ſie alsdann ſo zu legen, daß der Herbſtpunkt75 auf den Durchſchnitt des Aequators mit dem angenommenen erſten Meridiane faͤllt.

Weil andere Orte der Erdkugel auch andere Meridiane und andere Horizonte haben, ſo wird der Meridian durch einen meſſingnen Ring, innerhalb deſſen ſich die Kugel um ihre Axe drehen laͤßt, der Horizont aber durch die obere Flaͤche des Geſtelles, in welches ſich die Kugel bis auf die Helfte einſenkt, dargeſtellet. So wird bey verſchiedener Stellung der Kugel der meſſingene Ring der Meridian, und die Flaͤche des Geſtelles der Horizont eines jeden Orts, den man wie o oben aufſtellt.

Der Aequator ſowohl, als die Ekliptik, ingleichen der Meridian, und der innere Umkreis des Horizonts werden in ihre Grade abgetheilt, und gehoͤrig bezeichnet. Ueberdies pflegt man noch auf der kuͤnſtlichen Erdkugel die Parallelkreiſe von 10 zu 10 Graden, und achtzehn ganze oder 36 halbe Mittagskreiſe, die alſo ebenfalls um 10 Grad von einander abſtehen, anzugeben. Der erſte dieſer Mittagskreiſe wird gemeiniglich 20° weſtwaͤrts von Paris gelegt, ſo daß Paris ſelbſt in den dritten auf der Kugel angegebnen Mittagskreis koͤmmt.

Die Abſicht der kuͤnſtlichen Erdkugeln iſt, theils ein richtigeres ſinnliches Bild von der Erde zu geben, als man auf ebnen Flaͤchen entwerfen kan, theils und vornehmlich, mancherley aſtronomiſche und geographiſche Aufgaben auf eine mechaniſche Art ohne Rechnung aufzuloͤſen. Da die Erdkugel alle Kreiſe der Himmelskugel hat, ſo laſſen ſich auf ihr auch ſehr viele aſtronomiſche Aufgaben aufloͤſen, die eigentlich auf jene Kugel gehoͤren. Die geographiſchen Aufgaben betreffen entweder die Lage der Orte auf der Erde gegen einander, oder die Erſcheinungen des Himmels fuͤr einen beſtimmten Ort. Wie man bey Aufloͤſungen derſelben verfahre, lehren die meiſten Handbuͤcher der mathematiſchen Geographie, beſonders Lulofs (Introductio ad cognitionem atque uſum vtriusque globi. Lugd. Bat. 1748. 8. ) und Scheibel (Vollſtaͤndiger Unterricht vom Gebrauch der kuͤnſtlichen Himmels - und Erdkugel. Breslau, 1779. 8.). Hiſtoriſche Nachrichten von den kuͤnſtlichen Erdkugeln findet76 man in J. C. Pfennigs Anleitung zur Kenntniß der mathematiſchen Erdbeſchreibung, Berlin und Stettin, 1779. 8.

Da die Verfertigung der Kugeln und das Aufziehen der Segmente Schwierigkeiten macht, ſo hat Herr von Segner (ſ. Berliner aſtronomiſches Jahrbuch für 1781. S. 44. u. f.) vorgeſchlagen, einen eckichten Koͤrper zu bilden, der aus einem Cylinder und zween abgekuͤrzten Kegeln beſteht, wo auf der krummen Seitenflaͤche des Cylinders die heiße Zone, auf den Seitenflaͤchen der beyden Kegelſtuͤcke die beyden gemaͤßigten, und aſtf den kleinern Grundflaͤchen die kalten Zonen verzeichnet werden. Der verſtorbene Profeſſor Funk in Leipzig hat im Jahre 1780 dergleichen Modelle der Erdkugel, als ein Chriſtgeſchenk fuͤr Kinder, herausgegeben, ſo wie er auch 1781 auf zwo Kegelflaͤchen, auf der einen die noͤrdliche, auf der andern die ſuͤdliche Haͤlfte der Erdflaͤche abgebildet, und mit einer Anweiſung zum Gebrauche begleitet hat. Dies ſind freylich uneigentliche Vorſtellungen, kommen aber doch der Kugel naͤher, als ein Planiſphaͤr, und ſind um ungleich wohlfeilere Preiſe, als die kuͤnſtlichen Erdkugeln, zu haben, mit denen ſie doch, bey einem gehoͤrigen Gebrauche, voͤllig einerley Dienſte leiſten.

Erdnaͤhe, Perigaeum, Perigée.

Der Punkt in der Bahn eines um die Erde laufenden Geſtirns, in welchem daſſelbe der Erde am naͤchſten iſt.

Als man noch, nach dem ptolemaͤiſchen Weltſyſtem, alle Planeten um die Erde laufen ließ, ſchrieb man auch allen eine Erdnaͤhe zu: der copernikaniſche Weltbau aber laͤßt bloß den Mond um die Erde gehen; es bleibt alſo jetzt bloß fuͤr den Mond eine Erdnaͤhe uͤbrig.

Die Erdnaͤhe des Monds in ſeiner elliptiſchen Bahn um die Erde ADPE (Taf. I. Fig. 17.) faͤllt in P, wo ſein Durchmeſſer von der Erde geſehen unter einem Winkel von 33° 32′ erſcheint. Dieſem Punkte gegen uͤber liegt in A die Erdferne, und AP iſt die Apſidenlinie, die ihre Lage jaͤhrlich um 41° von Abend gegen Morgen aͤndert. ſ. Erdebne, Apſidenlinie. In der Erdnaͤhe iſt der Mond77 von uns um 55, 87 Erdhalbmeſſer oder 48021 geographiſche Meilen entfernt.

Was ſonſt Erdnaͤhe der Sonne hieß, wird jetzt als Sonnennaͤhe der Erde betrachtet, ſ. Sonnennaͤhe.

Von den uͤbrigen Planeten ſind die untern der Erde am naͤchſten, wenn ſie vor der Sonne oder in ihrer untern Conjunction mit derſelben ſtehen, die obern, wenn ſie der Sonne gegenuͤber oder in Oppoſition mit ihr ſind, d. h. wenn ſie die ganze Nacht hindurch geſehen werden. Alsdann erſcheinen auch ihre Durchmeſſer am groͤßten. Es iſt aber nicht gewoͤhnlich, dieſen Punkten ihrer Bahnen den Namen der Erdnaͤhen zu geben.

Erdpole, Pole der Erde, Poli terreſtres, Poles de la terre.

Die beyden Punkte der Erdflaͤche p und s, Taf. VIII. Fig. 2., welche bey der taͤglichen Umwaͤlzung der Erdkugel unbewegt bleiben die beyden Endpunkte der Erdaxe ps. Sie correſpondiren mit den Weltpolen P und S, d. i. ſie liegen auf der Erde gegen jeden Ort ſo, wie die Weltpole am Himmel gegen des Orts Zenith zu liegen ſcheinen, und ſind zugleich die Pole des Aequators und aller mit demſelben parallel laufenden kleinern Kreiſe, daher ſie auch vom Erdaͤquator uͤberall um 90° abſtehen.

Der, welcher unſern Gegenden am naͤchſten liegt, P heißt der Nordpol (Polus ſeptemtrionalis, borealis, arcticus, Pole ſeptentrional, boréal); der entgegengeſetzte s der Suͤdpol (Polus meridionalis, auſtralis, antarcticus, Pole méridional, auſtral). Es iſt zwar bekannt, wo dieſe Punkte auf der Erdflaͤche geſucht werden muͤſſen, aber noch iſt es keinem Menſchen gelungen, einen von beyden wirklich zu erreichen; es ſcheint dies auch wegen des undurchdringlichen Eiſes, das ſie umringt, unmoͤglich zu ſeyn. Der engliſche Seecapitain Phipps, jetzt Lord Mulgrave (Reiſe nach dem Nordpol, unternommen im Jahre 1773 von C. J. Phipps; aus dem Engl. vom Landvoigt Engel, Bern, 1777. gr. 4.) naͤherte ſich dem Nordpole bis auf 9 1 / ; und. Capitain Cook auf ſeiner zweyten Reiſe mit Forſter (Forſters Reiſe um die Welt, auf Befehl und Koſten der78 engl. Nation. Berlin, 1778. 2. B. gr. 4.) dem Suͤdpole bis auf 19°; beyde aber hinderte das Eis, weiter vorzudringen.

In dieſe beyden Punkte laufen alle Mittagskreiſe der Erde zuſammen. Durch ein beſtaͤndiges Fortgehen nach Norden, oder Suͤden, wuͤrde man von jedem Orte der Erde aus in den einen oder den andern Pol gelangen. Die Erdpole haben die Pole des Himmels uͤber ihrem Scheitel, und der Aequator faͤllt in ihren Horizont; daher ſind die Tagkreiſe der Fixſterne dem Horizonte parallel, und es findet daſelbſt weder Aufgang noch Untergang ſtatt, ſ. Sphaͤre. Auch iſt die Sonne ein voͤlliges Halbjahr hindurch uͤber, und das andere Halbjahr unter dem Horizonte; daher Tag und Nacht daſelbſt 6 Monate lang ſind, wiewohl die lange Dauer der Nacht durch die Wirkung der Stralenbrechung und Daͤmmerung gar ſehr abgekuͤrzt wird.

Erdrohr, ſ. Fernrohr.

Erdſtriche, Erdguͤrtel, Zonen, Zonae, Zones.

Diejenigen fuͤnf Theile, in welche die Flaͤche der Erdkugel Taf. VIII. Fig. 2. durch die beyden Wendekreiſe fg und ik, und die beyden Polarkreiſe de und lt abgetheilt wird. Sie haben dieſe Namen daher erhalten, weil man in der Sphaͤrik uͤberhaupt einen zwiſchen zween parallelen Kreiſen eingeſchloſſenen Theil der Kugelflaͤche eine Zone oder einen Guͤrtel nennet, obwohl die innerhalb der Polarkreiſe de und lt liegenden Theile nicht zwiſchen zween Kreiſe eingeſchloſſen, ſondern nur von einem einzigen begrenzt ſind. Es giebt einen heißen Erdſtrich, zween gemaͤßigte und zween kalte.

Der heiße Erdſtrich (Zona torrida, Zone torride) iſt das Stuͤck der Erdflaͤche fgik, zwiſchen den beyden Wendekreiſen des Krebſes und des Steinbocks, welches den Aequator aq in ſeiner Mitte hat. Da jeder Wendekreis vom Aequator um 23 1 / abſteht, ſo betraͤgt die Breite dieſer Zone durchgaͤngig 47° oder 705 geographiſche Meilen, ihre ganze Flaͤche aber nimmt 3,701158 Quadratmeilen; oder etwa (398 / 1000) der ganzen Erdflaͤche ein. In dieſem Erdſtriche liegen der ſuͤdliche Theil von Aſien, die mittlern Theile79 von Afrika und Amerika, ein großer Theil von Neuholland und viele Inſeln des Suͤdmeers.

Da die Sonne ſtets zwiſchen den Wendekreiſen des Himmels ſteht, alſo taͤglich nahe am Zenith der Orte dieſer Zone voruͤbergeht, wo ihre Stralen faſt ſenkrecht auf den Boden fallen und daher brennender, als an andern Stellen der Erdflaͤche wirken, ſo hat ſie daher den Namen der heißen erhalten. Die Alten hielten ſie fuͤr unbewohnt. Plinius (Hiſt. nat. II, 70.) ſagt von ihr: Media vero terrarum, qua ſolis orbita, exuſta flammis et cremata, cominus vapore torretur, und Horaz (Od. I. 22.) ſetzt ſie ſub curru nimium propinqui

Solis, in terra domibus negata. Allein die Erfahrung lehret, daß viele theils allgemeine, theils locale Urſachen, z. B. die faſt durchaus gleiche Laͤnge der Tage und Naͤchte, die Lage der hohen Gebirge und des Weltmeers, der oft anhaltende Regen, der beſtaͤndige Oſtwind rc. die Hitze an den meiſten Orten dieſes Erdſtrichs gar ſehr mildern. Uebrigens haben die Bewohner der heiſſen Zone die Sonne jaͤhrlich zweymal uͤber ihrem Scheitel, und zweymal ſteht ſie von demſelben am weitſten ab, wenn ſie ſich nemlich in den Wendekreiſen befindet. In dieſem Sinne kan man ſagen, ein Ort der heißen Zone habe jaͤhrlich zween Sommer und zween Winter, obgleich dieſe Jahrszeiten dort nicht ſo, wie bey uns, ſondern mehr durch Naͤſſe und Trockenheit unterſchieden ſind, ſ. Klima.

Die gemaͤßigten Erdſtriche (Zonae temperatae, Zones temperées) ſind defg und iklt, welche zwiſchen den Wendekreiſen und den Polarkreiſen liegen, jener der noͤrdliche, dieſer der ſuͤdliche. Da die Wendekreiſe 23 1 / , die Polarkreiſe aber 66 1 / vom Aequator abſtehen, ſo betraͤgt die Breite einer jeden gemaͤßigten Zone durchgaͤngig 43° oder 645 geographiſche Meilen; die Flaͤche einer jeden aber macht 2405462 Quadratmeilen oder (260 / 1000) von der ganzen Oberflaͤche der Erde aus. Im noͤrdlichen gemaͤßigten Erdſtriche liegt der groͤßte Theil des feſten Landes, nemlich faſt ganz Europa, der groͤßte Theil von Aſien, der noͤrdliche Theil von Afrika, und Nordamerika. Im ſuͤdlichen liegen80 außer einem Theile von Neuholland, Neuſeeland, mehrere Inſeln des Suͤdmeers, die Spitze von Afrika, und einige Laͤnder von Suͤdamerika.

Die Orte, welche in dieſen Erdſtrichen liegen, ſehen die Sonne zwar taͤglich; niemals aber im Scheitelpunkte. Sie haben in jedem Jahre nur einmal Fruͤhling, Sommer, Herbſt und Winter, und zwar beyde auf eine entgegengeſetzte Art, ſo daß es im noͤrdlichen Fruͤhling oder Sommer iſt, wenn der ſuͤdliche Herbſt oder Winter hat. Denn, wenn die Sonne im Krebs ſteht, ruͤckt ihr Tagkreis am weitſten gegen die noͤrdliche gemaͤßigte Zone herauf, und entfernt ſich dagegen am meiſten von der ſuͤdlichen. Die Ungleichheit der Tage und Naͤchte nimmt in dieſen Zonen deſto mehr zu, je mehr die Orte von den Wendekreiſen entfernt ſind. Unter den Wendekreiſen ſelbſt ſind die laͤngſten Tage und Naͤchte 13 1 / 2 Stunde; unter den Polarkreiſen 24 Stunden. Dieſe regelmaͤßige Abwechſelung der Jahrszeiten und des Tages mit der Nacht giebt den meiſten Orten dieſer Zonen eine gemaͤßigte Temperatur, woher denn auch ihre Benennung entſtanden iſt. Nach der Meinung der Alten waren dieſe Zonen die einzigen bewohnten; weil aber die heiße dazwiſchen liegt, ſo glaubten ſie, man koͤnne aus der noͤrdlichen nicht in die ſuͤdliche gelangen. (Duae tantum inter exuſtam et rigentes temperantur, eaeque ipſae inter ſe non peruiae propter incendium ſiderum. Plin. H. N. II. 70.)

Die kalten Erdſtriche (Zonae frigidae, Zones glatiales) dpe und lst, ſind diejenigen Stuͤcke der Erdflaͤche, welche von den Polarkreiſen eingeſchloſſen werden, und die Pole p und s in ihrer Mitte haben; dpe iſt der noͤrdliche, lst der ſuͤdliche. Da die Polarkreiſe uͤberall 23 1 / von den Polen abſtehen, ſo laſſen ſich dieſe Theile der Erdflaͤche als Flaͤchen von Kugelabſchnitten betrachten, deren Breite uͤberall einen Bogen von 47° oder 695 geographiſchen Meilen, die Flaͤche eines jeden aber 384 924 Quadratmeilen oder (41 / 1000) der Erdflaͤche ausmacht. Im noͤrdlichen kalten Erdſtriche liegen die noͤrdlichſten Kuͤſten von Sibirien und Lappland, nebſt dem groͤßten Theile von Groͤnland;81 der ſuͤdliche hingegen iſt uns faſt gaͤnzlich unbekannt, mit beſtaͤndigem Eiſe bedeckt, und ſeine Grenzen ſind, ſo viel wir wiſſen, nur ein einzigesmal vom Capitain Cook auf ſeiner zweyten Seereiſe beſchift worden.

Wenn die Sonne in einem der beyden Wendekreiſe ſteht, ſo faͤllt ihr ganzer Tagkreis uͤber den Horizont der Orte in der naͤchſten, und unter den Horizont der Orte in der entgegengeſetzten kalten Zone. Daher haben alle Orte der kalten Zone in jedem Jahre einen oder mehrere Tage, an welchen die Sonne gar nicht untergeht, an welchen ſie gar nicht aufgeht. Oder ihr laͤngſter Tag und ihre laͤngſte Nacht dauren laͤnger als 24 Stunden, nehmen zu, je weiter man gegen die Pole koͤmmt, und erhalten endlich unter den Polen ſelbſt eine Dauer von 6 Monaten. Weil aber die Sonne, auch ſelbſt zur Zeit dieſer langen Tage, nur einen ſehr niedrigen Stand am Himmel hat, mithin ſo ſtark, als bey uns, nicht waͤrmen kan, ſo gewinnt die Kaͤlte augenſcheinlich die Oberhand, und man findet beyde kalte Zonen, beſonders die ſuͤdliche, groͤſtentheils mit ungeheuren Eismaſſen bedeckt. Daher ſind auch die Laͤnder daſelbſt keiner ſonderlichen Cultur faͤhig, und groͤſtentheils blos fuͤr die daſelbſt einheimiſchen Claſſen von Menſchen bewohnbar.

Wenn man uͤbrigens die Erdflaͤche in 1000 gleiche Theile theilt, ſo nehmen ſolcher Theile

der heiße Erdſtrich398
die beyden gemaͤßigten520
die beyden kalten82
Summa 1000

ein. Alſo machen die zur Cultur vorzuͤglich geſchickten gemaͤßigten Zonen uͤber die Haͤlfte, die heiße uͤberdies noch faſt 2 / 5, und die kalte weniger als (1 / 10) des Ganzen aus. Dieſe Groͤßen haͤngen von dem Winkel 23 1 / oder von der Schiefe der Ekliptik ab, und da dieſe Schiefe ſich mit dem Fortgange der Zeit zu vermindern ſcheint, ſo muͤſſen die gemaͤßigten Erdſtriche82 ſich immer mehr ausbreiten, der heiße und die kalten aber ſich von Zeit zu Zeit in engere Grenzen zuſammenziehen.

Bode, Anleitung zur allgemeinen Kenntuiß der Erdkugel §. 162 166.

Ausfuͤhrliche mathemat. Geographie (von Walch). Goͤttingen, 1783. 8. Cap. 10. S. 212. u. f.

Erfahrung, Experientia, Experience.

Erfahrungen heißen die vermittelſt unſerer Sinne an den Koͤrpern gemachten Wahrnehmungen. Sie ſind entweder Beobachtungen, wobey die Koͤrper nur blos in dem Zuſtande betrachtet werden, in welchem ſie ſich von ſelbſt und ohne unſer Zuthun befinden, oder Verſuche, wobey ſie mit Vorſatz in einen andern Zuſtand verſetzt werden, damit man ſehe, wie ſie ſich dabey verhalten werden.

Auf unſern Erfahrungen uͤber die Koͤrper beruht natuͤrlich alles, was wir von ihnen wiſſen, und ſie machen alſo den wahren und einzigen Grund der ganzen Naturlehre aus. Ohne vorhergegangene richtige und hinlaͤngliche Erfahrungen Theorien entwerfen und die Eigenſchaften und Kraͤfte der Koͤrper beſtimmen wollen, heißt, ſich eine Welt traͤumen, nicht wie ſie iſt, ſondern wie es unſerer Phantaſie gefaͤllt, ſie anzunehmen. Dies war der Fehler der meiſten Philoſophen und Naturforſcher des Alterthums, welche ſo oft der Natur vorſchrieben, wie ſie ſich verhalten muͤſſe, ohne ſie vorher gefragt zu haben, wie ſie ſich in der That verhalte.

Ohne Zweifel war es fuͤr das Zeitalter der griechiſchen und roͤmiſchen Naturforſcher noch viel zu fruͤhzeitig, Urſachen und Erklaͤrungen der Naturbegebenheiten angeben zu wollen. Noch fehlten damals die Verſuche gaͤnzlich; der Beobachtungen aber waren zu wenig vorhanden, und ein großer Theil derer, die man zu haben glaubte, war durch unrichtige und fabelhafte Zuſaͤtze verunſtaltet. Dennoch uͤberredete man ſich aus einem dem Menſchen natuͤrlichen Triebe, etwas zu wiſſen, und in die Urſachen der Dinge eindringen zu koͤnnen. Daher enthalten aber auch die phyſikaliſchen Syſteme und Meinungen der Alten ſo viele willkuͤhrliche, oft ſeltſame und unerklaͤrbare Einfaͤlle, die nicht83 ſelten den klaren Erfahrungen widerſprechen; und haben ja die Weltweiſen der damaligen Zeit etwas geleiſtet, ſo iſt dieſes in ſolchen Faͤchern der Naturwiſſenſchaften geſchehen, in welchen blos anhaltende Aufmerkſamkeit und Fortſetzung leicht anzuſtellender Beobachtungen noͤthig iſt, wie z. B. in der ſphaͤriſchen Sternkunde, in welcher es ſchon einige der aͤlteſten Voͤlker zu einem ziemlichen Grade der Vollkommenheit gebracht haben. In den uͤbrigen Theilen der Naturlehre blieben die Alten ungemein weit zuruͤck; man darf, um ſich hievon zu uͤberzeugen, nur fluͤchtige Blicke auf die Werke des Plato, Ariſtoteles, Seneka und Plinius werfen. Und ſelbſt in den neuern Zeiten, als die Wiſſenſchaften wieder aufzubluͤhen anfiengen, blieben die ſogenannten Naturforſcher lange Zeit bloße Scholaſtiker und unwiſſende Nachbeter des Ariſtoteles.

Franz Bacon von Verulam, Lord Kanzler von England unter der Regierung Jacob I, einer der groͤſten Maͤnner ſeiner Zeit, ſahe den mangelhaften Zuſtand der Naturwiſſenſchaften und die Urſachen davon ſehr richtig ein, und ſchrieb ſeine vortrefflichen Werke De interpretatione naturae und De augmentis ſcientiarum groͤſtentheils in der Abſicht, um den Weg der Erfahrung fuͤr die Zukunft nachdruͤcklicher zu empfehlen. Bald nach ihm trat der fuͤr die Naturlehre ſo guͤnſtige Zeitpunkt ein, da man mit Verwerfung der ſcholaſtiſch-ariſtoteliſchen Phyſik, aus der Natur ſelbſt Unterricht zu ſchoͤpfen anfieng. Descartes erwarb ſich zwar das große Verdienſt, die Hypotheſen und eingebildeten Erklaͤrungen der Scholaſtiker zu ſtuͤrzen; allein das Syſtem, das er durch ſeine Principia philoſophiae an die Stelle derſelben ſetzen wollte, iſt in den meiſten Theilen eben ſo wenig auf Erfahrung gebaut, und bleibt ein Gewebe von Traͤumen und Einbildungen, ſo viel er auch Geometrie und Mechanik in daſſelbe zu bringen geſucht hat. Hingegen ſind in Italien Galilei und deſſen Schuͤler, in England Robert Boyle, in Deutſchland Kepler, Orto von Guericke und Sturm die erſten geweſen, welche den von Bacon vorgezeichneten Weg der Beobachtungen und Verſuche mit Eifer und Gluͤck verfolgt haben. Dieſe Maͤnner84 bereicherten im vorigen Jahrhunderte die Phyſik durch die wichtigſten Entdeckungen, auf welche nachher Newton, der nie einen Schritt weit von der Erfahrung abwich, ſein vortreffliches Syſtem ſo feſt gegruͤndet hat. Die meiſten und beſten Phyſiker des gegenwaͤrtigen Jahrhunderts haben ſich nach dieſen Muſtern gebildet, und wenn man auch hie und da die reine Quelle der Erfahrung verlaſſen, und den Einbildungen, Hypotheſen und Theorien zu viel eingeraͤumet hat, ſo ſieht man doch jetzt mit allgemeiner Ueberzeugung ein, daß wir nur da etwas wiſſen, wo uns die Erfahrung leitet. Was dieſe Lehrerin bekraͤftiget, ſtehet ewig feſt, wenn bloße Meinungen der Menſchen, ſo viel ſie auch Anfangs Beyfall finden moͤgen, oft noch vor dem Tode ihrer Urheber vergeſſen ſind.

Opinionum commenta delet dies, naturae judicia confirmat.

Uebrigens verweiſe ich wegen deſſen, was den beyden beſondern Claſſen der Erfahrung eigen iſt, auf die Artikel: Beobachtung und Verſuch.

Erhabne Linſenglaͤſer, ſ. Convexglaͤſer, Linſenglaͤſer.

Erhabne Spiegel, ſ. Spiegel.

Erkaltung, das Erkalten, Abkuͤhlen, Refrigeratio, Refrigerium, Refroidiſſement.

Diejenige Veraͤnderung des Zuſtands der Koͤrper, da ſie einen Theil ihrer freyen oder empfindbaren Waͤrme verlieren. Ein Koͤrper erkaltet, wenn entweder ein Theil ſeines vorher freyen Feuers gebunden wird, oder wenn er andere beruͤhrt, die weniger empfindbare Waͤrme, als er, haben und ihm alſo einen Theil der ſeinigen entziehen. So erkaltet ein heißes Metall an der kuͤhlern Luft, oder im kalten Waſſer u. ſ. w. Dieß letztere iſt eine nothwendige Folge des Naturgeſetzes, daß alles freye Feuer oder alle empfindbare Waͤrme ſich ſo lange ausbreitet, und in die benachbarten Koͤrper vertheilet, bis das Thermometer bey allen gleich hoch ſteht, d. i. bis ſie alle einen gleichen Grad von ſenſibler Waͤrme haben, ſ. Waͤrme. 85

Kleine Koͤrper erkalten unter gleichen Umſtaͤnden eher, als große, und je groͤßer die Oberflaͤche eines Koͤrpers iſt, um deſto eher erkaltet er auch, wenn er von einem kaͤltern umgeben wird. Man richtet deswegen alle Kuͤhlgefaͤße ſo ein, daß die darein gegoßne fluͤßige Materie die Luft mit einer großen Oberflaͤche beruͤhret. So wird auch das Erkalten durch Schuͤtteln in der Luft oder im Waſſer, durch den Wind, durch Blaſen auf die Oberflaͤche u. dergl. befoͤrdert, weil durch dieſe Mittel alle Augenblicke von neuem kalte Luft hinzugefuͤhret wird. Endlich erkaltet ein Koͤrper deſto ſtaͤrker, je kaͤlter derjenige iſt, den er beruͤhrt; oder im Winter weit ſchneller, als im Sommer.

Man ſollte vermuthen, daß lockere Koͤrper eher als dichte, erkalten, oder daß uͤberhaupt die Erkaltung eines Koͤrpers deſto ſchneller erfolge, je dichter der benachbarte iſt, der ihm die Waͤrme entzieht. Allein die Erfahrung ſtimmt hiemit nicht durchgaͤngig uͤberein. Richmann (Nov. Comment. Petrop. To. III. p. 309.) hat erwieſen, daß das Queckſilber, faſt der dichteſte Koͤrper, den wir kennen, die Waͤrme weit ſchneller annehme und verliere, als das Waſſer und viele andere Materien von weit geringerer Dichte. Daher iſt es auch zum Thermometer ſo vorzuͤglich geſchickt.

In den erſten Augenblicken erkaltet ein Koͤrper am ſtaͤrkſten, in den folgenden immer weniger. Richmann (Nov. Comm. Petrop. T. I. p. 174.) glaubte gefunden zu haben, daß ſich die Abnahmen der Waͤrme in kleinen auf einander folgenden gleichen Zeitraͤumen verhielten, wie die Unterſchiede der Waͤrme des erkaltenden und des beruͤhrenden Koͤrpers, woraus er auch ſo, wie Lambert in ſeiner Pyrometrie, eine Methode, die Abnahmen der Waͤrme zu berechnen, herleitet; allein Erxleben (Nov. Comm. Soc. Gotting. T. I. p. 74.) findet, daß alle dieſe Regeln ſeinen daruͤber angeſtellten Erfahrungen widerſprechen.

Da man durch Vermiſchung des Eiſes mit Salzen und Saͤuren große Grade der Kaͤlte hervorbringen kan (ſ. Kaͤlte, kuͤnſtliche), ſo kan man ſich dieſes Mittels auch zu Befoͤrderung der Erkaltung bedienen. Auch die Ausduͤnſtung erzeugt Kaͤlte (ſ. Ausduͤnſtung) und es iſt laͤngſt86 bekannt geweſen, daß die Einwohner der warmen Laͤnder ihre Getraͤnke, um ſie friſch zu erhalten, in irdenen Gefaͤßen aufbewahren, Leinwand darum ſchlagen und dieſe von Zeit zu Zeit anfeuchten. Die Austrocknung der Leinwand, d. i. die Verduͤnſtung des Waſſers, kuͤhlt das im Gefaͤß enthaltne Getraͤnk ab.

Erxleben Aufangsgr. der Naturl. §. 488. 489.

Erſcheinungen, ſ. Phaͤnomene.

Erze, Minern, Minerae metallorum, Mines metalliques.

So heißen die natuͤrlichen Gemiſche, welche Metalle mit andern Subſtanzen verbunden, enthalten. Nur das Gold und eine ſehr geringe Menge von den andern Metallen findet man in der Erde rein oder gediegen; meiſtentheils ſind Metalle und Halbmetalle mit fremden Subſtanzen verbunden, die ſie unkenntlich und zum Gebrauche ungeſchickt machen, und nach deren Verfluͤchtigung ein metalliſcher Kalk uͤbrig bleibt. In dieſem Zuſtande heißen ſie vererzet oder mineraliſirt.

Die Subſtanzen, welche man am haͤufigſten mit den Metallen verbunden findet, die mineraliſirenden oder vererzenden Subſtanzen, Vererzungsmittel, ſind der Schwefel und der Arſenik, oft einzeln, oft beyde zugleich. Doch gehoͤren noch hiezu die Kochſalzſaͤure und Vitriolſaͤure, als Vererzungsmittel beym Hornſilber und gewachſenen Vitriol. Man findet dabey insgemein noch einen ziemlichen Theil metalliſche Erde, welche durch einen Zuſatz von brennbarem Stoffe ſich in Metall zu verwandeln faͤhig iſt, nebſt einem Antheile unmetalliſcher Erde.

Dieſe Erze finden ſich immer in Steine oder Erden, vornehmlich in Quarz oder Spath, eingemengt. Man nennt dieſes Geſtein die Gangart oder die Metallmutter (matrix metalli, matrice).

Wenn die Menge des Metalls in den Erzen groͤßer iſt, als die des Schwefels, Arſeniks und der unmetalliſchen Erde, ſo heißen ſie Erze im vorzuͤglichen Sinne des Worts. Enthalten ſie aber mehr Schwefel, Arſenik und unmetalliſche87 Erde, als Metall, ſo giebt man ihnen den Namen der Kieſe.

Man benennet die Erze gemeiniglich von demjenigen Metalle, deſſen Gewinnung aus ihnen den groͤſten Vortheil gewaͤhret. So nennt man dasjenige, welches im Centner eine Mark Silber enthaͤlt, Silbererz, nicht Bleyerz, ob es wohl zugleich mehrere Pfunde Bley liefert. Doch wird es anjetzt faſt gewoͤhnlicher, einem ſolchen Erze den Namen eines ſilberhaltigen Bleyerzes zu geben.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Erze.

Eſſig, Acetum, Vinaigre.

Der Eſſig iſt eine geiſtige vegetabiliſche Saͤure, welche durch den zweyten Grad der Gaͤhrung, d. i. durch die, ſo auf die geiſtige Gaͤhrung folgt, und die ſaure oder Eſſiggaͤhrung heißt, erzeugt wird, ſ. Gaͤhrung.

Dieſemnach koͤnnen blos Wein oder andere geiſtige Liquoren aus dem Pflanzenreiche einen wahren Eſſig geben. Der aus dem Weine bereitete oder Weineſſig hat vor allen den Vorzug. Man vermiſcht, um ihn zu bereiten, den Wein mit ſeinen Hefen und ſeinem Weinſteine, und ſetzt ihn einer maͤßigen Waͤrme, z. B. von 18 20° nach Reaumur, aus. Die Natur ſelbſt vollendet das uͤbrige. Es iſt ſehr ſchwer, ſich von dem, was ſie hiebey thut, einen deutlichen Begriff zu machen, und die Eigenſchaften des Weins und Eſſigs lehren nur ſo viel, daß bey der Eſſiggaͤhrung die entzuͤndlich geiſtigen Theile verlohren gehen, und die Saͤure freyer und mehr entwickelt werde. In dem Eſſige, wie er gewoͤhnlich bereitet wird, iſt außer der ihm eignen Saͤure noch viel waͤſſerichtes enthalten, wovon man ihn am leichteſten durchs Gefrieren befreyen kan. Noch ſtaͤrker aber concentrirt ſich die Saͤure in ihren Verbindungen mit den Laugenſalzen, Erden und Metallen, und man erhaͤlt die ſtaͤrkſte Eſſigſaͤure oder den radicalen Eſſig, wenn man dieſe Verbindungen durch das Feuer oder durch Vitriolſaͤure wiederum zerſetzet. Bey der Deſtillation des Eſſigs geht der geiſtigſaure Theil uͤber, den man unter dem Namen des deſtillirten Eſſigs gebraucht, der Ruͤckſtand beſtehet aus88 einer ſauren Subſtanz, die aber von der Eſſigſaͤure unterſchieden iſt, einer ſeifenartigen, einer faͤrbenden Materie und etwas Weinſtein.

Die ſpecifiſche Schwere des Weineſſigs iſt 1,011, oder nur wenig groͤßer, als die des Waſſers; er gefriert aber eher als dieſes, und ſchon bey einer Temperatur von 80 Grad nach Fahrenheit.

Man gebraucht den Eſſig zu Bereitung der Speiſen, in der Arzneykunſt als ein faͤulnißwidriges und aufloͤſendes Mittel, und fuͤr die Malerey zur Verfertigung des Bleyweißes und Gruͤnſpans.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Eſſig.

Eſſiggaͤhrung, ſ. Gaͤhrung.

Eſſigſaͤure, Acidum aceti, Acide du vinaigre.

Die vegetabiliſche im Eſſig enthaltene Saͤure. Man zieht ſie aus demſelben durch verſchiedene unter dem Worte: Eſſig, angegebene Mittel. Sie loͤſet alle Subſtanzen auf, in welche jede andere Saͤure wirkt, und erzeugt mit ihnen die ſogenannten Eſſigſalze.

Mit den Kalkerden giebt ſie z. B. das Kreidenſalz, Krebsaugenſalz u. ſ. w., loͤſet auch alle uͤbrige Erden auf, die Kieſelerde ausgenommen. Mit dem fixen vegetabiliſchen Laugenſalze macht ſie die Blaͤttererde (terra foliata tartari), mit dem fluͤchtigen Alkali einen Eſſigſalmiak, Minderets Geiſt, mit dem Kupfer den Gruͤnſpan und die Kupferkryſtallen, mit dem Bley das Bleyweiß und den Bleyzucker. Eſſig, welcher Bley aufgeloͤſet enthaͤlt, heißt Bleyeſſig; wohin auch das Goulardiſche Waſſer gehoͤrt. Auf das metalliſche Queckſilber wirkt die Eſſigſaͤure nicht; ſie greift es aber an, wenn es vorher in Salpeterſaͤure aufgeloͤſet und durch fixes Alkali niedergeſchlagen iſt, und giebt damit das Queckſilber-eſſigſalz.

Der concentrirte oder radicale Eſſig mit einer gleichen Menge rectificirtem Weingeiſt giebt durch die Deſtillation den Eſſigaether.

Uebrigens iſt die Eſſigſaͤure weit ſchwaͤcher, als die mineraliſchen Saͤuren, auch koͤnnen durch die letztern alle Eſſigſalze89 wiederum zerſetzt werden. Am ſtaͤrkſten ſind ihre Verwandſchaften mit den Laugenſalzen, der Bitterſalzerde, dem Bley und Kupfer, und dem Waſſer.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Eſſig.

Eſſigſaure Luft, ſ. Gas, eſſigſaures.

Eudiometer, Luftguͤtemeſſer

Eudiometrum, Eudiometre. Ein Werkzeug, welches dazu dienen ſoll, die Guͤte oder Salubritaͤt der Luft zu pruͤfen, d. i. anzuzeigen, in wie weit ſie mehr oder weniger zum Einathmen dienlich, mithin fuͤr die Erhaltung der Geſundheit mehr oder weniger heilſam ſey. Der Name iſt griechiſch, und heißt urſpruͤnglich ſo viel als Maaß der Luftguͤte.

Die Einrichtung dieſes Werkzeugs beruht auf einer merkwuͤrdigen Eigenſchaft der ſalpeterartigen, nitroͤſen oder Salpeterluft (nitrous air) ſ. Gas, ſalpeterartiges. Schon Hales hatte, wie er in ſeinen Vegetable Statics (Statik der Gewaͤchſe, nach der franz. Ausgabe uͤberſ. Halle, 1748. 4. S. 128.) erzaͤhlt, aus dem waltoniſchen Kieſe durch die Salpeterſaͤure eine Luft erhalten, welche die gemeine Luft, wenn ſie ihr beygemiſcht wurde, verminderte, oder ſich mit ihr in ein geringeres Volumen zuſammenzog. Prieſtley, der in Ermanglung des waltonſchen Kieſes dieſes Gas nicht glaubte hervorbringen zu koͤnnen, ward durch eine Unterredung mit Cavendiſh im Jahre 1772 ermuntert, Verſuche mit Metallaufloͤſungen in der Salpeterſaͤure anzuſtellen. Er erhielt auch ſogleich aus einer Meſſingaufloͤſung die von Hales beſchriebene Luft, welcher er (Verſ. und Beobacht. uͤber verſchiedene Gatt. der Luft, a. d. Engl. I. Th. Leipz. 1778. 8. S. 106.) den Namen der nitroͤſen oder ſalpeterartigen Luft beylegte. Es iſt eine ihrer vor zuͤglichſten Eigenſchaften, ſagt er, daß ſie eine jede Por tion gemeine Luft, mit der man ſie miſchet, ausnehmend vermindert, eine dunkelrothe oder hochorange Farbe an nimmt, und eine betraͤchtliche Hitze mittheilet. Ich kenne faſt keinen Verſuch, von dem man mehr in Erſtau nen und Verwunderung koͤnnte geſetzt werden, als dieſen, wo ſich uns eine Portion Luft darſtellt, die eine andere90 halb ſo große gleichſam verſchlingt, und dennoch nicht im mindeſten am Volumen zunimmt, vielmehr noch dazu be traͤchtlich vermindert wird.

Dieſe Verminderung des Volumens findet aber nur bey den zum Athmen tauglichen oder reſpirablen Luftgattungen ſtatt, welche uͤberhaupt durch alle Zuſaͤtze eines brennbaren Stoffs an ihrem Volumen vermindert werden. Bey der dephlogiſtiſirten oder vom Brennſtoffe leeren Luft iſt dieſe Verminderung am ſtaͤrkſten; und ſie wird deſto geringer, je mehr der Luft, zu welcher man das nitroͤſe Gas hinzubringt, bereits Brennbares beygemiſcht, d. i. je weniger dieſelbe zum Athmen und zur Erhaltung des thieriſchen Lebens tauglich iſt. Wenn endlich eine Luftgattung mit Brennbarem geſaͤttiget iſt, ſo wird ihr Volumen durch das Hinzukommen der ſalpeterartigen Luft gar nicht mehr vermindert.

Man hat dem zufolge nachſtehende Saͤtze als richtig angenommen:

1. Je groͤßer die Verminderung des Volumens bey der Vermiſchung der ſalpeterartigen und atmoſphaͤriſchen Luft iſt, deſto reiner, reſpirabler und heilſamer iſt auch die atmoſphaͤriſche Luft.

2. Je kleiner die Verminderung des Volumens bey einer ſolchen Vermiſchung iſt, deſto unreiner, zum Athmen untauglicher und ſchaͤdlicher iſt die atmoſphaͤriſche Luft.

3. Jede natuͤrliche oder kuͤnſtliche Luft, bey deren Vermiſchung mit ſalpeterartiger Luft gar keine Verminderung erfolgt, iſt ſchaͤdlich, erſtickend und toͤdtend.

In wie fern man berechtiget ſey, dieſe Saͤtze als allgemeine und erwieſene Wahrheiten anzuſehen, das iſt bey dem gegenwaͤrtigen Zuſtande der Wiſſenſchaft allerdings noch ungewiß. Wenn man ſich, der gemeinen Meinung nach, die ſalpeterartige Luft als einen aus Salpeterſaͤure und Phlogiſton beſtehenden Stoff vorſtellet, und annimmt, das Phlogiſton habe mit der gemeinen Luft mehr Verwandſchaft, als mit der Salpeterſaͤure, ſo folgt hieraus, daß die ſalpeterartige Luft durch Vermiſchung mit atmoſphaͤriſcher deſto ſtaͤrker zerſetzt werden muͤſſe, je weniger Phlogiſton91 die atmoſphaͤriſche enthaͤlt. Nach dieſer Vorſtellungsart wuͤrde dann die Verminderung blos anzeigen, ob die gepruͤfte atmoſphaͤriſche Luft wenig oder viel Phlogiſton enthielte. Hieraus waͤre aber noch nicht unmittelbar zu entſcheiden, ob ſie zum Einathmen mehr oder weniger heilſam ſey; denn es koͤnnen ja wohl auch außer dem Phlogiſton noch andere Stoffe mit der Luft verbunden ſeyn, die ihre Heilſamkeit vermehren oder vermindern, und deren Gegenwart ſich durch die Vermiſchung mit der ſalpeterartigen Luft nicht entdecken laͤſt. Aus dieſem Grunde iſt es weit ſicherer, die erwaͤhnten Saͤtze blos darauf einzuſchraͤnken, daß die ſtaͤrkere Verminderung weniger, die ſchwaͤchere mehr Phlogiſton, der gaͤnzliche Mangel der Verminderung aber eine Saͤttigung mit Phlogiſton anzeige.

Das Eudiometer iſt aber nichts weiter, als ein Werkzeug, wodurch man die erwaͤhnte Verminderung des Volumens bey Vermiſchung von ſalpeterartiger und gemeiner Luft, oder uͤberhaupt bey Vermiſchung verſchiedener Luftgattungen abmeſſen kan. Man ſieht alſo leicht, daß ihm der Name eines Luftguͤtemaaßes nur ſehr uneigentlich zukoͤmmt, in ſo fern man nemlich aus dieſer Verminderung ſicher auf die Reinigkeit vom Phlogiſton, und aus dieſer wiederum ſicher auf Salubritaͤt der Luft ſchließen kan. Etwa ſo, wie dem Barometer der Name des Wetterglaſes zukoͤmmt. Ueberdies iſt auch dieſes Werkzeug, blos als Maaß der Verminderung betrachtet, noch ſehr von dem Grade der Vollkommenheit entfernt, den man von einem Maaße verlangen kan. Man iſt auch hier, wie beym Barometer, von der urſpruͤnglichen Simplicitaͤt abgewichen, und hat durch uͤbertriebnes Kuͤnſteln mehr verlohren als gewonnen, bis man erſt neuerlich wieder auf die erſte einfache Einrichtung zuruͤckgegangen iſt.

Prieſtley ſelbſt machte bereits im Jahre 1772 ein ſehr einfaches Inſtrument dieſer Art bekannt. Es beſtehet aus einer Flaſche oder Phiole, welche er das Maaß nennet, und die etwa eine Unze Waſſer faſſet, nebſt zwoen Glasroͤhren. Die eine Roͤhre hat ungefaͤhr 1 1 / 2 Zoll im Durchmeſſer, die andere iſt drey Fuß lang, und haͤlt 1 / 4 Zoll im92 Durchſchnitt. Die Raͤume, welche 1, 2, 3 rc. Maaße Luft in ihr einnehmen, ſind durch eingeſchnittene Striche bemerkt, und jeder davon in 100 Theile getheilt. Er fuͤllt zuerſt das Maaß mit Waſſer, und ſetzt es umgekehrt uͤber die Oefnung des Trichters, welcher in das Querbret einer mit Waſſer gefuͤllten Wanne eingeſchnitten iſt (Man ſ. den Artikel: Pnevmatiſch-chymiſcher Apparat). Durch dieſen Trichter wird die zu pruͤfende Luft in das Maaß eingelaſſen, in welchem ſie aufſteigt, und das Waſſer aus ſeiner Stelle treibt. Dieſes Maaß Luft wird nun in der 1 1 / 2 Zoll breiten Glasroͤhre gelaſſen; doch ohne dieſelbe mit der bloßen Hand zu beruͤhren. Eben ſo wird das Maaß auch mit ſalpeterartiger Luft gefuͤllt, und dieſe in eben die Glasroͤhre gelaſſen. Endlich wird dieſe Miſchung beyder Luftarten in die große abgetheilte Glasroͤhre gelaſſen, und dieſe, ohne zu ſchuͤtteln, in das Waſſer geſenkt, bis die Waſſerflaͤche innerhalb der Roͤhre mit der Flaͤche des aͤußern Waſſers gleich hoch ſteht, worauf man dann den Raum, den die 2 Maaß Luft nach ihrer Vermiſchung einnehmen, in Hunderttheilen eines Maaßes bemerken kan. Dieſes Verfahren empfiehlt ſich durch ſeine Simplicitaͤt; allein es hat den Fehler, daß man nicht genug verſichert ſeyn kan, in dem Maaße jederzeit eine voͤllig gleiche Menge Luft zu haben; daher auch die Verſuche immer ungleich ausfallen, wenn ſie gleich mit eben denſelben Luftarten angeſtellt werden.

Dieſe Erfindung des D. Prieſtley reizte vorzuͤglich die Aufmerkſamkeit der italiaͤniſchen Naturforſcher. Der Abt Felix Fontana (Deſcrizione e uſi di alcuni ſtromenti per miſurare dell 'aria. in Firenze, 1774. 4. ) ſchlug ſtatt des Prieſtleyiſchen acht verſchiedene neue Inſtrumente vor. Sie kommen alle darinn uͤberein, daß man jede Luftart in ein beſonderes Behaͤltniß bringt, und hernach beyde zuſammen laͤſt, worauf die Groͤße der Verminderung des Volumens durch Queckſilber angegeben wird. Bey den vier erſten geſchieht dieſes durch Abwaͤgung des Queckſilbers, bey den letztern durch den Stand deſſelben in einer Glasroͤhre, vermittelſt eines angebrachten Maaßſtabes. Es ſind aber alle dieſe Werkzeuge nicht in Gebrauch gekommen, da die ſalpeterartige93 Luft auf das Queckſilber wirkt, und dadurch das Reſultat zweifelhaft macht.

Bald hierauf machte der Ritter Marſiglio Landriani in Mayland (Ricerche fiſiche intorno alla ſalubrità dell 'aria, in Milano, 1775. 8. auch in Rozier Journal de Phyſique, Octobre, 1775. Landriani Unterſuchung der Geſundheit der Luft, Baſel, 1778. 8. ) eine neue Einrichtung dieſes Inſtruments bekannt, und legte demſelben zugleich den Namen des Eudiometers zum erſtenmale bey. Es beſteht nach ſeiner Angabe in einer ovalen glaͤſernen Flaſche, welche an beyden entgegengeſetzten Oefnungen mit elfenbeinernen oder glaͤſernen Haͤhnen, wie am de Luͤcſchen Reiſebarometer (ſ. Barometer 1ſter B. S. 268.) verſehen iſt. Aus der untern Oefnung dieſer Flaſche ſteigt eine durchaus gleich weite Glasroͤhre herab, die mit ihrem untern Ende, welches ein Ventil hat, in einem kleinen Becken mit Waſſer ſteht. Alles dies iſt an ein hoͤlzernes Geſtell angebracht, und an der Seite der Glasroͤhre geht eine Scale herunter, deren ganze Laͤnge in 24, jeder Theil aber wieder in 12 Theile getheilt iſt. Am obern Hahne iſt eine mit nitroͤſer Luft gefuͤllte Blaſe angebunden. Mit dieſem Werkzeuge hatte Landriani die Luft an verſchiedenen Orten Italiens unterſucht, und ſandte nach vollendeter Reiſe das Inſtrument zum Geſchenk an D. Prieſtley.

Seine Methode iſt folgende. Er fuͤllt die Flaſche und Roͤhre mit Waſſer, ſchraubt alsdann den obern Hahn mit der daran gebundenen Blaſe auf, und druͤckt aus ſolcher ſo viel nitroͤſe Luft in die Flaſche, bis dieſe ganz damit angefuͤllt und vom Waſſer voͤllig verlaſſen iſt. Hierauf verſchließt er beyde Haͤhne, und laͤſt das kleine Becken mit Waſſer am untern Theile der Roͤhre tiefer herab, damit das Waſſer auch aus der Roͤhre voͤllig auslaufe, und dieſe ſich dagegen mit der zu pruͤfenden atmoſphaͤriſchen Luft fuͤlle. Sobald die Roͤhre voll Luft iſt, wird das Becken mit Waſſer wieder an ſeine vorige Stelle gebracht, die untere Oefnung der Roͤhre unter Waſſer geſetzt, und der Hahn zwiſchen der Flaſche und der Roͤhre geoͤfnet. Nun kommen94 beyde Luftarten in Beruͤhrung, und es erfolgt die Verminderung des Volumens, deren Groͤße ſich durch die Hoͤhe der vom Drucke der aͤußern Luft hinaufgetriebenen Waſſerſaͤule vermittelſt der Scale abmeſſen laͤſt. Dieſe Einrichtung hat zwar das bequeme, daß der ganze Apparat durch das Geſtell in ein einziges Stuͤck gebracht iſt; allein er iſt blos zur Pruͤfung der eben in der Atmoſphaͤre vorhandenen Luft geſchickt, die Haͤhne gerathen leicht in Unordnung, die Vermiſchung der Luftarten erfordert eine lange Zeit, und die Beſtimmung des Reſultats haͤngt von der jedesmaligen Temperatur und Schwere der Atmoſphaͤre ab.

Zu eben der Zeit ſuchte D. Ingenhouß die Werkzeuge zur Luftpruͤfung zu verbeſſern, und beſchrieb zwo neue Einrichtungen derſelben in einem Briefe an Pringle, welcher in der koͤniglichen Societaͤt der Wiſſenſchaften am 15. Febr. 1776 vorgeleſen, und in die Schriften derſelben (Philoſ. Transact. Vol. LXVI. p. 257. ſqq. ) aufgenommen worden iſt. Der erſte Apparat beſteht aus einer kupfernen Roͤhre mit zween Haͤhnen, an deren einem Ende eine Flaſche von Federharz befindlich iſt, das andere Ende aber in eine Glasflaſche eingeſchraubt werden kan. Aus der Mitte dieſer Roͤhre geht ein anderes rechtwinklig umgebogenes kupfernes Rohr herab, das einen Hahn hat, und unten mit einer 2 3 Schuh langen in 100 Theilen getheilten Glasroͤhre verbunden iſt. Herr Ingenhouß goß in die Flaſche ein halbes Loth verduͤnnte Salpeterſaͤure mit einem Quentchen Eiſenfeile, wodurch ſich ſalpeterartige Luft entwickelte, druͤckte ſodann die Federharzflaſche, welche gemeine Luft enthielt, zuſammen, um beyde Luftarten in der kupfernen Roͤhre zu vermiſchen. Wenn ſich das Eiſen aufgeloͤſet hatte, ſchloß er beyde Haͤhne zu, und ſenkte die glaͤſerne abgetheilte Roͤhre in ein Gefaͤß mit Queckſilber. Sodann oͤfnete er den unterhalb der Federharzflaſche, und den an der gebognen kupfernen Roͤhre befindlichen Hahn, worauf das Queckſilber in der Glasroͤhre aufſtieg, und die Groͤße der Verminderung, an der Theilung, angab. Weil aber bey dieſer Methode ſowohl die unvermeidliche Aufloͤſung des Kupfers, als auch die ungleiche Menge der entwickelten nitroͤſen Luft95 ſehr ungleiche Reſultate giebt, ſo ward ſie von ihrem Urheber ſelbſt gar bald wieder verworfen.

Das zweyte von Herrn Ingenhouß vorgeſchlagene Werkzeug iſt eine an beyden Enden offene Glasroͤhre, 2 1 / 2 Schuh lang, (1 / 12) pariſer Zoll im Durchſchnitt, und in 100 gleiche Theile getheilt. Er fuͤllt dieſe Roͤhre zuerſt ganz mit ſalpeterartiger Luft, indem er ſie auf ein Flaͤſchchen mit Eiſenfeile und Scheidewaſſer ſetzt; haͤlt hierauf beyde Oefnungen mit dem Daumen zu, bringt die untere in ein Gefaͤß mit Queckſilber, und laͤſt, indem er beyde Enden auf einen Augenblick oͤfnet, einen Zoll hoch Queckſilber hineintreten. Sodann haͤlt er die Roͤhre mit verſchloßnen Enden horizontal, und laͤſt durch abwechſelndes Oefnen und Verſchließen derſelben die darin befindliche kleine Queckſilberſaͤule bis in die Mitte laufen, wobey dieſelbe aus dem einen Ende gerade ſo viel nitroͤſe Luft austreibt, als durch das andere Ende gemeine Luft hineingeht. Sobald das Queckſilber in der Mitte iſt, ſchuͤttelt er die Roͤhre mit zugehaltenen Enden ſtark hin und her, wobey das Queckſilber viel zur Vermiſchung beyder Luftarten beytraͤgt. Endlich bringt er die untere Oefnung der Roͤhre wieder in das Gefaͤß mit Queckſilber, und zieht den Daumen davon ab, indem die obere Oefnung noch verſchloſſen bleibt. Weil nun die Vermiſchung der Luftarten ihr Volumen vermindert hat, ſo ſteigt das Queckſilber aus dem Glaſe in die Roͤhre auf, und ſein Stand zeigt an der Theilung die Groͤße der Verminderung an. Aber auch dieſe Verfahrungsart hat Herr Ingenhouß bald wiederum verlaſſen.

Herr von Magellan (Deſcription of a glaſs apparatus etc. together with the deſcription of ſome new Eudiometers or Inſtruments for aſcertaining the Wholſomeneſs of reſpirable air, in a letter to the Rev. D. Prieſtley. London 1777. 8. Beſchreibung eines Glasgeraͤths rc. wie auch einiger Eudiometer, von J. H. Magellan, aus d. Engl. uͤberſ. mit Zuſaͤtzen von C. F. Wenzel. Dresden, 1780. 8. ) machte im Jahre 1777 drey von ihm erfundene, aber ſehr zuſammengeſetzte Eudiometer bekannt, welche auch Cavallo (Abh. uͤber die Eigenſchaften der Luft, aus d. Engl.96 Leipz. 1783. gr. 8. Taf. II. Fig. 22. 23. 24. ) beſchrieben und abgebildet hat. Ich will hier nur das erſte davon etwas umſtaͤndlicher anfuͤhren. Es beſtehet daſſelbe aus der glaͤſernen Roͤhre MD, Taf. VIII. Fig. 7, welche 12 15 Zoll lang, durchaus gleich weit, und mit dem eingeſchliffenen Glasſtoͤpſel M verſehen iſt. An ihr unteres Ende paſſet das eingeſchliffene Gefaͤß C, deſſen Geſtalt die Figur deutlich zeiget. Dieſes Gefaͤß C hat außerdem noch zwo Muͤndungen, in welche zwo kleine Phiolen oder Flaͤſchchen A und B eingeſchliffen ſind. Die Capacitaͤt beyder Flaͤſchchen zuſammen muß ohngefaͤhr ſo viel betragen, als der Inhalt der Roͤhre MD. Z iſt ein meſſingener Ring, der ſich an der Roͤhre MD verſchieben und mit einer Stellſchraube uͤberall, wo man will, befeſtigen laͤſt. G iſt ein meſſingenes oder hoͤlzernes Lineal, welches in gleiche Theile getheilt iſt, und mit zween meſſingenen halben Ringen an die Roͤhre MD, wie bey F, angelegt werden kan. Beym Gebrauche nimmt man den Stoͤpſel M ab, und taucht das ganze Inſtrument in das Waſſer der Wanne, ſo daß ſich die Roͤhre, das Gefaͤß C und die Flaͤſchchen A und B voͤllig mit Waſſer fuͤllen; man ſetzt alsdann den Stoͤpſel wieder auf. Hierauf laͤſt man nur noch den untern Theil des Inſtruments, etwa bis an die Haͤlfte der Roͤhre, unter Waſſer ſtehen, nimmt eines von den Flaͤſchchen A oder B vom Gefaͤße C ab, fuͤllt es mit der zu pruͤfenden Luft und ſteckt es wieder an ſeine vorige Stelle. Das andere Flaͤſchchen wird mit ſalpeterartiger Luft gefuͤllt, und ebenfalls wiederum aufgeſteckt. Man nimmt nunmehr das Inſtrument aus dem Waſſer, und dreht das Gefaͤß C mit dem Boden b aufwaͤrts, wie es bey F vorgeſtellt iſt; wodurch die in den beyden Flaͤſchchen enthaltenen Luftgattungen in das Gefaͤß C aufſteigen, ſich mit einander vermiſchen und die Verminderung des Volumens bewirken. So bald man aber das Gefaͤß C umgedreht hat, muß man das Inſtrument wieder bis an die Mitte der Roͤhre ins Waſſer tauchen, und den Stoͤpſel M abnehmen. So, wie ſich nun das Volumen der beyden Luftgattungen vermindert, faͤllt das Waſſer in der Roͤhre MD herab. Herr Magellan glaubte bemerkt97 zu haben, daß das Volumen, wenn es den hoͤchſten Grad der Verminderung erreicht habe, wiederum ein wenig zunehme; er bediente ſich daher des meſſingnen Ringes mit der Stellſchraube zur Beobachtung des Punkts, an welchem die Waſſerflaͤche ſtill geſtanden haͤtte; man hat aber dieſe vorgegebne Bemerkung ungegruͤndet gefunden. Wenn nun die Verminderung voruͤber iſt, und die Waſſerflaͤche in der Roͤhre ſtehen bleibt, ſo fuͤllt er die Roͤhre wieder ganz mit Waſſer, verſtopft ſie mit dem Stoͤpſel M, und wendet ſie ſo, daß die Luft aus dem Gefaͤße C in den obern Theil M aufſteigt. Endlich nimmt er das Gefaͤß C ganz ab, ſenkt die Roͤhre ſo weit ins Waſſer, bis die innere Waſſerflaͤche mit der aͤußern gleich ſteht, und mißt dann an dem Lineale das Volumen der beyden vermiſchten Luftgattungen ab. Auf dem Lineale iſt bemerkt, wie viel Theile der Scale die Capacitaͤt beyder Flaͤſchchen einnehme; ſo wie z. B. in der Figur die Bezeichnung 96 = ** andeutet, daß die in beyden Flaͤſchchen enthaltene Luft in die Roͤhre MD gebracht, einen Raum von 96 Theilen einnehmen wuͤrde. Nimmt nun das Volumen beyder Luftgattungen nach ihrer Vermiſchung nur noch 56 Theile ein, ſo ſind 40 Theile verlohren gegangen, und der Grad der Heilſamkeit der gepruͤften Luft iſt nach Magellan = (40 / 96). Bleiben bey Pruͤfung einer andern Luft 60 Theile zuruͤck, und gehen alſo 36 verlohren, ſo iſt bey dieſer Luft der Grad der Heilſamkeit = (36 / 96), und verhaͤlt ſich zum vorigen, wie 36: 40, d. i. wie 9: 10.

Man uͤberſieht bald, daß dieſes Inſtrument ſehr zuſammengeſetzt, und ſeiner ganzen Einrichtung nach keiner ſonderlichen Genauigkeit faͤhig iſt, daß auch viel davon abhaͤngt, ob der Stoͤpſel feſt oder nur locker eingedruͤckt, die Roͤhre genau lothrecht oder ſchief gehalten wird, u. ſ. w. Endlich kan man auch hiebey nicht mehr als ein einziges Maaß nitroͤſe Luft mit einem Maaße gemeiner Luft miſchen, welche Verfahrungsart, wie die Folge lehren wird, allezeit unvollkommen bleibet. Da die beyden andern Eudiometer des Hrn. Magellan eben ſo zuſammengeſetzt, und gar nicht in Gebrauch gekommen ſind, ſo verweiſe ich der Kuͤrze halber98 auf Cavallo a. a. O., der das Mangelhafte derſelben ſehr deutlich gezeigt hat.

White (Philof. Transact. Vol. LXVIII. for 1778. P. I. no. 13.) bediente ſich zu ſeinen Beobachtungen uͤber die Guͤte der Luft zu York einer gemeinen Barometerroͤhre, welche ſo weit war, daß ein Unzenglas voll Luft ohngefaͤhr 134 Decimaltheile eines englichen Zolls darinn einnahm. In dieſe Roͤhre ließ er ein Unzenglas Luft unter dem Waſſer vermittelſt glaͤſerner Trichter ein, that gleich darauf ein halbes Unzenmaaß ſalpeterartige Luft hinzu, und zeichnete den Raum, den beyde ſogleich anfuͤllten, wie auch denjenigen, den ſie nach dreyßig Minuten einnahmen, auf. Der letztere vom erſtern abgezogen, gab die Verminderung oder die Anzeige der Guͤte der Luft. So nahm am 30. Auguſt 1777 die Luft aus ſeinem Garten mit der ſalpeterartigen ſogleich 205 Theile, nach einer halben Stunde aber nur 145 Theile ein; alſo nimmt er die Guͤte derſelben = 60 an. Am 13. Sept. bey einer trocknen ſchwuͤlen Witterung war ſie nur 55, ſtieg aber nach einigen Tagen wieder auf 64.

Herr de Sauſſure bediente ſich (Reiſe durch die Alpen, a. d. Franz. Leipzig, 1781. 8. Th. II. §. 578.) einer glaͤſernen mit einem eingeriebenen Stoͤpſel verſehenen Flaſche, nebſt einem kleinen Glaͤschen oder Maaße, welches ohngefaͤhr 1 / 3 der Flaſche hielt, und einer kleinen Wage. Dieſes ganze Geraͤth, nebſt dem, was zur Bereitung der nitroͤſen Luft gehoͤrt, ließ ſich in ein Kaͤſtchen packen, und auf Reiſen mitnehmen. Er wiegt zuerſt die mit Waſſer gefuͤllte Flaſche, und laͤſt dann unter dem Waſſer vermittelſt eines Trichters zwey Maaß gemeine und ein Maaß nitroͤſe Luft hinein. So wie ſich dieſe vermiſchen, und am Volumen vermindern, dringt das Waſſer in die Flaſche. Hr. de S. verſtopft die Flaſche, ſchuͤttelt ſie unter dem Waſſer, oͤfnet ſie dann wieder, damit aufs neue Waſſer hineintreten koͤnne, und wiederholt dieſes Verfahren allezeit dreymal. Endlich wird die Flaſche verſtopft, rein abgetrocknet, und wieder gewogen. Zieht man dieſes letztere Gewicht von dem erſten ab, ſo zeigt der Reſt das Gewicht des Waſſers, welches gerade den Raum der verminderten Luftmaſſe ausfuͤllt,99 und iſt alſo deſto groͤßer, je geringer die Verminderung, oder je mehr Phlogiſton in der gepruͤften Luft enthalten iſt.

Außer den bisher angefuͤhrten ſind auch noch andere Werkzeuge und Pruͤfungsarten von Herrn Achard (Sur la meſure de la ſalubrité de l'air, renfermant la deſcription de deux nouveaux Eudiometres, in den Nouv. Mém. de l'Acad. de Pruſſe 1778. Tab. V. Fig. 1. 2. ), Gerardin, (bey der franz. Ueberſ. von Magellans Deſcription d'un appareil, in Rozier Journal de phyſ. Mars 1778.), Senebier (Mémoires phyſico-chymiques ſur l'influence de la lumière ſolaire pour modifier les êtres des trois regnes de la nature, à Geneve. 1782. 8. T. I. p. 6.), Stegmann (Beſchreibung eines Luftmeſſers der geſunden und ungeſunden Luft, Caſſel 1778. 8. ), Cavendiſh (Philoſ. Trans. Vol. LXXIII. P. I. und in Lichtenbergs Magazin fuͤr das Neuſte rc. B. II. St. 3. S. 151.) und mehreren, vorgeſchlagen worden, welche hier ohne allzu große Weitlaͤuftigkeit nicht umſtaͤndlich beſchrieben werden koͤnnen. Man ſieht leicht, daß die Urheber der angefuͤhrten Werkzuge ſich von der urſpruͤnglichen Simplicitaͤt des Prieſtleyiſchen Apparats ſehr weit entfernt, und auf Nebenabſichten, z. B. die Geſchwindigkeit und Bequemlichkeit beym Gebrauch, die Vereinigung aller Theile in ein einziges Stuͤck, das Portative u. dgl. mehr, als auf eine allgemeine und zuverlaͤßige Uebereinſtimmung aller Werkzeuge unter einander ſelbſt geſehen haben. Ich will daher nur noch diejenige Einrichtung des Eudiometers beſchreiben, welche anjetzt faſt durchgaͤngig fuͤr die beſte, einfachſte und zuverlaͤßigſte gehalten wird. Sie iſt im Grunde keine andere, als die Prieſtleyiſche ſelbſt, nur mit einigen von Fontana, Cavallo, Ingenhouß und Luz herruͤhrenden Verbeſſerungen.

Nach der Beſchreibung des D. Ingenhouß (Verſuche mit Pflanzen rc. aus dem Engl. Leipzig, 1780. 8. ) beſteht dieſes Eudiometer, welches er mit Erlaubniß des Abts Fontana zuerſt bekannt machte, aus zween Stuͤcken, dem großen und dem kleinen Maaße. Das große Maaß aa Taf. VIII. Fig. 8. iſt eine vollkommen cylindriſche, 14 bis 20 Zoll lange Glasroͤhre,100 deren Weite im Lichten etwa 1 / 2 Zoll betraͤgt. Dieſe Roͤhre iſt durch eingeſchnittene Striche in gleiche Theile, jeden von 3 Zoll Laͤnge, eingetheilt. Jede dieſer Abtheilungen laͤſt ſich wieder in 100 Theile theilen, die aber nicht auf der Roͤhre ſelbſt, ſondern auf einer an ihr beweglichen Scale cc eingeſchnitten ſind. Dieſe Scale beſteht aus zween gleich langen Staͤben, die unten und oben an meſſingene Ringe geloͤthet ſind. Unten bey bb iſt die Roͤhre trichterfoͤrmig ausgeweitet. Das kleine Maaß, Fig. 10. und 11., iſt eine glaͤſerne Phiole f, die genau ſo viel Raum faßt, als eine Hauptabtheilung oder 3 Zoll der großen Roͤhre. Dieſe Phiole paßt mit ihrer Oefnung in eine meſſingene, kurze, trichterfoͤrmige Roͤhre gi, durch deren Mitte ein flacher Schieber k vor die Oefnung der Phiole f geht. Durch dieſen Schieber wird die in der Phiole enthaltene Luft von der uͤberfluͤßigen in der trichterfoͤrmigen Hoͤlung i abgeſchnitten, und die letztere, indem man die Phiole unter dem Waſſer umkehrt, hinweggeſchaft. Solchergeſtalt haͤlt das kleine Maaß immer eine beſtimmte und gleiche Menge Luft eingeſchloſſen. Um es mit einer vorraͤthigen Luftgattung zu fuͤllen, wird es zuerſt mit Waſſer gefuͤllt, und umgekehrt mit geoͤfnetem Schieber auf die Oefnung des im Querbrete der Wanne befindlichen Trichters geſetzt (ſ. den Art. Pnevmatiſch-chymiſcher Apparat). Hierauf bringt man das Gefaͤß mit der vorraͤthigen Luft unter dem Waſſer an den Trichter, und neigt es ein wenig, damit die Luft daraus in den Trichter und folglich in das Maaß aufſteige. Man ſetzt hierauf das Gefaͤß mit Luft wieder auf das Bret, zieht das Maaß vom Brete hinweg, verſchließt ſeine Oefnung mit dem Schieber, und kehrt es im Waſſer um, damit die uͤberfluͤßige im Theile i befindliche Luft herausgehe. So wird man eine genau beſtimmte Quantitaͤt Luft im kleinen Maaße haben. Um nun dieſelbe in die große Roͤhre zu bringen, muß man dieſe zuerſt ebenfalls mit Waſſer fuͤllen, umgekehrt in die Wanne halten, und den Schieber des mit dem Theile i wieder aufwaͤrts gekehrten kleinen Maaßes unter a oͤfnen, worauf die in f befindliche Luft in die Roͤhre aa uͤbergeht. 101

Man bringt aber zuerſt zwey Maaß von der zu pruͤfenden Luft in die Roͤhre aa, und fuͤgt alsdann ein Maaß nitroͤſe Luft hinzu. Sobald dies geſchehen iſt, wird die Roͤhre vom Bret der Wanne hinweg genommen, und im Waſſer ſtark geſchuͤttelt. Hierauf wird ſie in den mit Waſſer gefuͤllten meſſingenen Cylinder dddd, Fig. 9., ſo geſetzt, daß die Waſſerflaͤche in der Glasroͤhre mit der aͤußern im meſſingnen Cylinder gleich ſteht, und eine bis zwo Minuten lang in dieſer ſenkrechten Stellung ruhig gelaſſen, damit das Waſſer ablaufen koͤnne. Alsdann wird die Scale cc ſo verſchoben, daß ihr unteres Ende oder ihre Null mit der Waſſerflaͤche in der Roͤhre gleich ſteht, und man ſchreibt die Zahl auf, welche an der Scale mit der auf der Glasroͤhre eingeſchnittenen Hauptabtheilung uͤber der Waſſerflaͤche zuſammentrift. Ferner laͤſt man ein zweytes Maaß nitroͤſe Luft hinzu, ſchuͤttelt die Roͤhre, wie vorhin, laͤſt ſie 1 2 Min. im meſſingnen Waſſerbehaͤlter ruhig, ſtellt alsdann die Scale, und bemerkt die Zahl derſelben wiederum. Endlich wird noch ein drittes Maaß ſalpeterartige Luft hinzugelaſſen, das Verfahren nochmals wiederholt und die Zahl bemerkt. Eine vierte Wiederholung wuͤrde uͤberfluͤßig ſeyn, weil drey Maaß nitroͤſe Luft hinreichen, um zwey Maaß gemeine Luft vollkommen zu ſaͤttigen.

Nach geendigtem Verſuche werden die aufgeſchriebenen Zahlen, nebſt den bis an das obere Ende der Roͤhre noch uͤbrig bleibenden Hauptabtheilungen, von den in die Roͤhre gelaſſenen Maaßen, jedes fuͤr 100 Theile gerechnet (alſo von 300, 400, 500), abgezogen; der Reſt zeigt die Groͤße der Verminderung. Haͤtte z. B. nach Hinzulaſſung des dritten Maaßes nitroͤſer Luft, eine Hauptabtheilung der Glasroͤhre bey 8 an der Scale geſtanden, und waͤren bis ans obere Ende noch drey ſolche Hauptabtheilungen (jede von 100 Theilen) zu zaͤhlen geweſen, ſo haͤtte das zuruͤckgebliebne Volumen 308 Theile betragen. Dies von 500, als dem urſpruͤnglichen Volumen der fuͤnf Maaße, abgezogen, giebt die Verminderung 192 Theile.

Die Genauigkeit dieſer Pruͤfungsart haͤngt groͤßtentheils davon ab, daß man die Handgriffe dabey immer auf102 eine gleichfoͤrmige Art verrichte, die Glasroͤhre ſtets eine gleiche Zeit hindurch ſchuͤttle, und eine gleiche Zeit ruhen laſſe u. ſ. f. Geſchieht dies nicht, ſo wird man bey verſchiedenen Verſuchen, wenn ſie auch mit den nemlichen Luftarten angeſtellt werden, dennoch verſchiedene Reſultate erhalten.

Cavallo (Abhandl. uͤber die Eigenſchaften der Luft rc. S. 122.) laͤſt, um den Apparat noch einfacher zu machen, den meſſingenen Cylinder dddd ganz hinweg, und bringt dagegen an dem obern verſchloßnen Ende der Glasroͤhre einen Ring oder eine Schleife an, womit man ſie an einem auf der Wanne des pnevmatiſchen Apparats befindlichen meſſingenen Haken aufhaͤngen kan. Auf der Scale zaͤhlt er die Hunderttheile an dem einen Stabe vom obern Ringe, am andern vom untern an. Bey der Pruͤfung ſelbſt laͤſt er 2 Maaß gemeine und 1 Maaß nitroͤſe Luft in die Roͤhre, ſchuͤttelt ſie 15 Secunden lang im Waſſer der Wanne, und haͤngt ſie an den Haken ſo, daß die Oberflaͤche der Waſſerſaͤule darinn etwa zween Zoll uͤber der Waſſerflaͤche in der Wanne zu ſtehen koͤmmt. Dann ſchiebt er die Scale ſo, daß der obere Rand des untern Ringes mit dem mittlern Theile der Waſſerflaͤche in der Roͤhre zuſammentrift, und bemerkt, welche Abtheilung mit einem Striche an der Glasroͤhre gleich ſtehet. Geſetzt, der 56ſte Theilungsſtrich treffe den zweyten Strich der Glasroͤhre von oben herab gerechnet, ſo ſchreibt er dafuͤr II, I; 2, 56, d. i. zwey Maaß gemeine und ein Maaß ſalpeterartige Luft ſind durch die Vermiſchung auf 2, 56 Maaß zuruͤckgebracht worden. Hierauf laͤſt er ein zweytes Maaß nitroͤſe Luft hinzu, verfaͤhrt wie vorhin, und bemerkt dies, wenn z. B. der 7te Theilungsſtrich der Scale mit der dritten Abtheilung der Glasroͤhre zuſammentrift, mit II, II; 3, 07. Die andere umgekehrt gezaͤhlte Theilung der Scale wird gebraucht, wenn es die an der Roͤhre befindliche Schleife nicht verſtattet, den untern Ring an die Waſſerflaͤche zu ſtellen, und man alſo genoͤthigt iſt, den obern Ring daran zu bringen, und die Grade von oben herab zu zaͤhlen.

D. Ingenhouß (Verſuche mit Pflanzen rc. Leipzig,103 1780. 8. ) bedient ſich eben dieſes Werkzeugs ſo, daß er nur ein Maaß von jeder Luftart zuſammen miſchet. Er faßt das Maaß unter dem Waſſer bey dem Schieber, damit es durch die Hand nicht erwaͤrmt werde, und haͤlt es 15 Secunden lang in dieſer Stellung, um ihm die Temperatur des Waſſers mitzutheilen. Die nitroͤſe Luft bereitet er ſtets friſch aus Kupfer, und ſobald ſie in die Roͤhre geleitet iſt, ſchuͤttelt er dieſe 30 Secunden lang unter dem Waſſer, und bringt ſie in den mit Waſſer gefuͤllten meſſingenen Cylinder dddd, mit der Vorſicht, daß nichts von der aͤußern Luft in die Oefnung der Glasroͤhre eindringe. So laͤſt er den Apparat in der Wanne eine Minute lang ſtehen, und gießt beſtaͤndig Waſſer daruͤber, um die Temperatur der Glasroͤhre derjenigen gleich zu machen, welche das Waſſer in der Wanne hat. Endlich ſchiebt er die Scale ſo, daß ihre Null mit dem unterſten Punkte des Bogens, den das aͤußerſte Ende der Waſſerſaͤule macht, gleich ſtehet, und bemerkt, wie viel Abtheilungen von zwey ganzen Maaßen, oder 200 Theilen der Scale uͤbrig geblieben ſind. Herr Scherer verſichert, daß nach dieſer Verfahrungsart die ganze Probe in drey bis vier Minuten geendigt, und ihre Zuverlaͤßigkeit ſo groß ſey, daß nur ſelten unter zehn mit der nemlichen gemeinen und nitroͤſen Luft angeſtellten Verſuchen, der Unterſchied der Reſultate kaum (1 / 100) der ganzen angewandten Luftmaſſe betrage.

Herr Luz (Anweiſung, das Eudiometer des Fontana zu verfertigen und zum Gebrauch bequemer zu machen. Nuͤrnberg und Leipzig, 1784. 8. ) hat an der Einrichtung dieſes Eudiometers nichts weſentliches geaͤndert, ſondern nur zu deſſen genauer Verfertigung uͤberaus deutliche und leſenswuͤrdige Vorſchriften mitgetheilt. Nur darinn weicht er von Fontana ab, daß er den beſondern Waſſerbehaͤlter dddd weglaͤſt, und die Roͤhre, wie Cavallo, an einen an der Wanne befindlichen Haken haͤngt; daß er zweytens die Scale feſt macht, um das beſtaͤndige Richten und die Fehler aus der ungleichen Weite der Glasroͤhre zu vermeiden. Dagegen laͤſt er ſie uͤber drey Hauptabtheilungen der Glasroͤhre gehen; jede Abtheilung wird durch ein hineingelaßnes104 Maaß Luft beſonders beſtimmt, und in 100 Theile getheilt, daß alſo 300 Unterabtheilungen auf die Scale kommen. Er beſchreibt endlich das Verfahren ſehr genau, und giebt folgende Bezeichnungsart an. a. 200, b. 200, c. 204. heißt: zwey Maaß gemeine, und zwey Maaß ſalpeterartige Luft, nahmen vermiſcht 204 Theile der Scale, oder 2, 04 Maaß Raum ein. Die Verminderung d iſt = a+ b c, oder 196 Theile.

Es ſcheint nach allem bisher geſagten am beſten zu ſeyn, daß man bey dieſer einfachen Art der Luftpruͤfung bleibe, welche durch den von Fontana dem Maaße beygefuͤgten Schieber an Zuverlaͤßigkeit ſehr viel gewonnen hat. Hiebey aber koͤmmt faſt alles auf ein beſtimmtes und durchgehends gleiches Verfahren an. Ohne dieſes werden die Reſultate verſchieden ausfallen, und das Werkzeug wird eine ganz unbeſtimmte Sprache fuͤhren, welches eben ſo viel iſt, als ob es gar nichts ſagte. Ich will in dieſer Abſicht noch einige beym Verfahren ſelbſt zu beobachtende Regeln beyfuͤgen.

Die innere Seite des Maaßes iſt vor dem Verſuche mit Seifenwaſſer auszuſpuͤlen, damit nicht beym Fuͤllen Waſſertropfen darinn haͤngen bleiben, und das richtige Volumen vermindern. Beym Fuͤllen ſelbſt muß man es nicht mit der Hand beruͤhren, damit es nicht erwaͤrmt werde, und alſo zu wenig Luft faſſe; eben darum muß man auch nach vollendetem Fuͤllen die Hand nicht eher an das Glas bringen, als bis der Schieber verſchloſſen iſt. Beym Verſchließen ſelbſt iſt das Maaß ſtets gleich tief unter dem Waſſer zu halten, damit die Luft nicht durch Waſſerſaͤulen von ungleicher Hoͤhe einmal mehr, als das anderemal, zuſammengedruͤckt werde. Zwiſchen dem Fuͤllen des Maaßes und dem Verſchließen des Schiebers muß immer ein gleicher Zeitraum verlaufen, damit nicht das Waſſer an den Seitenwaͤnden einmal mehr, als das anderemal, ablaufen koͤnne. Die Glasroͤhre muß, ſo viel moͤglich, an allen Stellen gleich weit ſeyn, und daher genau calibriret werden: auch bey ihr iſt ein vorgaͤngiges Ausſpuͤlen mit Seifenwaſſer105 dienlich; Fontana und Luz ſchleifen die innere Flaͤche matt, wozu Luz ſehr leichte Handgriffe angiebt. Wenn man die Laͤnge der Luftſaͤule beobachtet, muß man wegen der Waͤrme die Roͤhre nicht mit der bloßen Hand, ſondern mit einem naſſen Lappen anfaſſen, und immerfort Waſſer daruͤber gießen. Auch muß die innere Waſſerflaͤche mit der aͤußern in der Wanne voͤllig gleich hoch ſtehen; dies wird eben durch Fontana's beſondern Waſſerbehaͤlter (dddd Fig. 9.) bewirkt. Bey der Beobachtung ſelbſt muß man fuͤr die Grenze der Waſſerſaͤule, welche in der Roͤhre concav iſt, die Mitte oder den unterſten Punkt des Bogens feſtſetzen, auch die Roͤhre genau lothrecht halten. Die Vermiſchung beyder Luftarten muß nicht, wie bey Prieſtley, in einem beſondern Gefaͤße, und ſtillſtehend, geſchehen, ſondern in der Roͤhre ſelbſt, welche man im Augenblicke der Beruͤhrung eine ſtets gleiche Zeit lang, nemlich eine halbe Minute lang, ſtark im Waſſer ſchuͤtteln muß. Beym Einlaſſen der Luft iſt auch darauf zu ſehen, daß ſie nicht blaſenfoͤrmig, ſondern als eine ununterbrochne Saͤule in die Glasroͤhre aufſteige, wozu die Oefnung des Trichters, durch den ſie geht, weit genug (wenigſtens 5 1 / 2 pariſer Lin.) ſeyn muß. Auch koͤnnen bey Verſuchen dieſer Art ſchnelle Veraͤnderungen der Waͤrme oder Schwere der aͤußern Luft, ja ſelbſt die Naͤhe des Koͤrpers vom Experimentator, Unterſchiede machen.

Mehr, als alles dieſes, aber macht die ungleiche Guͤte und Staͤrke der zum Pruͤfungsmittel dienenden nitroͤſen Luft aus. Es iſt ganz vergeblich, an eine Uebereinſtimmung der Eudiometerbeobachtungen zu denken, ſo lange man nicht Mittel kennt, eine ſich immer gleiche ſalpeterartige Luft (a ſtandard nitrous air) zu bereiten. D. Ingenhouß (Verſuche mit Pflanzen rc. S. 110.) glaubt, eine ſolche durch folgende Methode zu erhalten. Er dreht biegſame Kupferfaͤden ſpiralfoͤrmig in einander, ſo daß ſie kleine Cylinder vorſtellen, und fuͤllt damit ein kleines Flaͤſchchen. Hieruͤber gießt er Salpeterſaͤure, mit 5 6 Theilen Waſſer verduͤnnt, und faͤngt das ſolchergeſtalt entbundene Gas durch den gewoͤhnlichen pnevmatiſchen Apparat unter106 einem glaͤſernen Gefaͤße auf. Wer aber nur ein wenig die verſchiedene Staͤrke der Liquoren kennt, die unter dem Namen der Salpeterſaͤure verkauft oder bereitet werden, und uͤberdies den Einfluß der Waͤrme, der Zeitdauer u. dgl. auf die Operation ſelbſt erwaͤget, der wird ſich ſchwerlich uͤberzeugen koͤnnen, daß man ſo uͤberall und zu jeder Zeit eine gleich gute nitroͤſe Luft erhalte. Herr Wenzel (Beſchreibung eines Glasgeraͤths rc. von Magellan aus d. Engl. S. 59 64.) giebt daher eine ſichrere, aber auch weit ſchwerere und zuſammengeſetztere Methode an. Er waͤhlt einen ganz reinen aus zwey Theilen des beſten Salpeters und einem Theile weißen Vitrioloͤl bereiteten rauchenden Salpetergeiſt, vermiſcht denſelben mit dem fuͤnffachen Gewichte deſtillirten Waſſers, und probirt ihn mit zerſchlagenem Marmor oder Auſterſchalen, wovon er immer eine gleiche Menge aufloͤſen muß. Hierdurch entbindet er die ſalpeterartige Luft aus Eiſen, Kupfer oder Queckſilber in einem eignen Apparat, aus welchem die gemeine Luft durch eine kleine Luftpumpe, ſo viel moͤglich, herausgezogen wird. Man hat aber hievon niemals einigen Gebrauch gemacht.

Die nitroͤſe Luft wird ſchwaͤcher, wenn ſie lange uͤber Waſſer ſteht. Daher raͤth man an, zu den Pruͤfungen mit dem Eudiometer taͤglich, wenigſtens oft, friſche zu bereiten. Fontana aber meint die ganze Schwierigkeit dadurch zu heben, daß er zu zwey Maaßen gemeiner Luft ſo viele Maaße ſalpeterartiger Luft hinzulaͤſt, bis das letzte keine Verminderung weiter bewirkt; alsdann, ſagt er, finde man die Groͤße der bis zur Saͤttigung ſtatt findenden Verminderung immer richtig, wie ſtark oder ſchwach auch die nitroͤſe Luft ſeyn moͤge, und der ganze Unterſchied ſey, daß man mehr Maaße hinzulaſſen muͤſſe, je ſchwaͤchere Luft man habe. Ingenhouß hingegen, der dies nicht in ſeinem ganzen Umfange zugiebt, ſchreibt vor, die nitroͤſe Luft taͤglich friſch, und immer aus Kupfer, oder immer aus Queckſilber zu bereiten, reinen und von Vitriolſaͤure freyen Salpetergeiſt dazu zu gebrauchen, und bey ihrer Auffangung die Vermiſchung mit gemeiner Luft ſorgfaͤltig zu verhuͤten. 107

Dies wird genug ſeyn, um zu zeigen, daß das Eudiometer noch bey weitem das nicht ſey, was ſein Name ausdruͤckt, und wofuͤr man es viel zu fruͤhzeitig gehalten hat. Vielleicht wird ihm einſt die Zeit mehrere Vollkommenheit geben.

Man pflegt mit dieſem Werzeuge auch die Guͤte der kuͤnſtlich bereiteten dephlogiſtiſirten Luft zu pruͤfen, welche aber zu ihrer Saͤttigung eine weit groͤßere Menge, oft vier, zuweilen fuͤnf Maaß nitroͤſer Luft, erfordert. Um nun dies mit weniger Zeitverluſt zu thun, vermiſcht D. Ingenhouß beyde Luftarten in einem beſondern Glaſe von 3 Zoll Durchſchnitt und 3 Zoll Hoͤhe auf einmal, weil bey der dephlogiſtiſirten Luft die Zerſetzung und Vermiſchung augenblicklich geſchieht, und es alſo nicht, wie bey der gemeinen Luft, des allmaͤhlichen Hinzulaſſens und Schuͤtttelns bedarf.

Herr Wilke (Neue ſchwed. Abhdl. IV. Band, 1785., auch in Lichtenbergs Magazin fuͤr das Neuſte rc. III. B. 4. St. S. 106. u. f.) hat ſeitdem noch zwo andere Einrichtungen des Eudiometers bekannt gemacht, wobey die Luftgattungen durch Saugen und Pumpen mit einer Spritze aus einem Gefaͤß ins andere gebracht werden. Zu einer dieſer Einrichtungen gehoͤrt ein Apparat mit Queckſilber, zur andern ein gewoͤhnlicher mit Waſſer. Die Kolbenſtange der Spritze iſt, wie eine Scale, abgetheilt, und mit einem an der Spritze ſelbſt befeſtigten Nonius verſehen, wodurch man ſehr genau in jedem gegebnen Verhaͤltniſſe Luft ausziehen oder einlaſſen kan. Da dieſe Art, die Luftgattungen zu behandeln, als eine allgemeine Abaͤnderung des Apparats angeſehen werden kan, ſo will ich ſie bey dem Worte: Pnevmatiſch-chymiſcher Apparat umſtaͤndlicher beſchreiben: zum Eudiometer wird man ſich immer eine einfachere und leichtere Einrichtung wuͤnſchen.

Noch ein Eudiometer, das aber auf ganz andern Gruͤnden beruht, hat Scheele (in Rozier Journal de phyſique, Janvier 1781., deutſch in Hrn. Leonhardi Ueberſ. von Scheelens chemiſchen Abhdl. von Luft und Feuer, Leipzig, 1782. 8. S. 269.) angegeben. Er nimmt einen Theil von ſehr fein gepuͤlfertem Schwefel, vermiſcht ihn mit zween108 Theilen unverroſteter Eiſenfeile, befeuchtet das Gemenge mit etwas Waſſer, und hebt es derb eingeſtopft in glaͤſernen Flaſchen auf. Beym Verſuche ſelbſt fuͤllt er mit dieſem Gemenge eine glaͤſerne Schale, ſetzt dieſe auf einen hohen Traͤger, deckt ein cylindriſches mit einem getheilten Papierſtreif verſehenes Glas daruͤber, und fuͤllt das weite Gefaͤß, worinn der ganze Apparat ſteht, mit Waſſer. Das phlogiſtiſche Gemenge faͤngt bald an, ſich zu erhitzen, und die Luft zu vermindern; daher ſteigt das Waſſer in das cylindriſche Glas auf, die Scale giebt deſſen Hoͤhe an, und zeigt dadurch die Groͤße der Verminderung, welche deſto ſtaͤrker iſt, je mehr die Luft Phlogiſton in ſich nehmen kan, d. i. je reiner ſie vor dem Verſuche war. Hr. S. bringt zwar hierbey auch den Stand des Thermometers und Barometers mit in Anſchlag; allein es bleibt dennoch, auch bey dieſer Methode, allzuviel Unbeſtimmtes uͤbrig.

So unvollkommen aber die Eudiometer noch ſeyn moͤgen, ſo haben doch die mit ihnen angeſtellten Beobachtungen ſchon viele nuͤtzliche und mit andern Erfahrungen uͤbereinſtimmende Reſultate geliefert. Landriani fand in den Gebirgen bey Piſa die Luft immer reiner, je hoͤher er hinaufſtieg, dagegen um den Veſuv immer ſchlechter, je naͤher er dem Crater kam; eben ſo fand er ſie in den pontiniſchen Suͤmpfen, beym Sirocco, in der Hundsgrotte, auf der Solfatara u. ſ. f. von ſehr ſchlechter Beſchaffenheit. Herr Scheele fand die Verminderung der Luft zu Stockholm durch ſeinen Apparat (8 / 33) bis (10 / 33), woraus er folgert, daß der Luftkreis daſelbſt ohngefaͤhr (9 / 33) ganz reine reſpirable Luft enthalte. Fontana und Ingenhouß haben bey ihren zahlreichen Verſuchen in Paris, London, den Niederlanden und Oeſterreich, ziemlich uͤbereinſtimmende Reſultate gefunden. Der letztere fand die Seeluft durchgaͤngig beſſer, als die Landluft (ſ. Ingenhouß vermiſchte Schriften, herausg. von Molitor, Wien 1784. II. B. 8. Von dem Grade der Heilſamkeit der Seeluft). Fuͤr Wien giebt er ihre mittlere Guͤte 1, 07 an. De Sauſſure fand bey ſeinen Alpenreiſen die Luft auf den Gipfeln der hohen Berge weniger rein, als die in den Thaͤlern, welche zwiſchen den109 Bergen liegen. Deodat von Dolominieu (Reiſe nach den Lipariſchen Inſeln a. d. Frz., Leipzig, 1783. 8. ) fand zu Malta im Winter die Luftguͤte 0, 80 bis 0, 82, bey waͤrmere Luft 0, 88 0, 90; beym Sirocco 1, 02 bis 1, 05. Sehr zuverlaͤßige Beobachtungen uͤber die Luft in Goͤttingen hat Herr Prof. Pickel im Jaͤnner und Februar 1782 angeſtellt (ſ. Goͤttingiſches Magazin der Wiſſenſch. und Litteratur, II. Jahrg. 6. St. S. 426.) und in Tabellen gebracht. Die Grade der Guͤte fallen zwiſchen 0, 91 und 0, 98, und die Luft war dabey deſto reiner, je kaͤlter ſie ward. In Leipzig hat mein verſtorbener Freund D. Ludwig die Luft in den Sommermonaten des Jahres 1783 bey dem damaligen trocknen Nebel oder Hoͤherauch gepruͤft (ſ. Leipziger Magazin zur Naturkunde, Mathematik, u. ſ. w. von Leske und Hindenburg, 1783. II. St. S. 211.), und ſich babey des oben beſchriebnen Magellaniſchen Eudiometers bedient. Er fand ſie beſonders in der letzten Haͤlfte des Julius ungemein ſtark phlogiſtiſirt, und vermuthet, daß die Urſache davon in den vorhergegangenen heftigen Erdbeben liegen koͤnne. Ueberhaupt lehren alle angeſtellte Pruͤfungen, daß die uͤber heiße und duͤrre Landſtriche kommenden Winde, wie bey uns die Suͤdwinde, die Luft verſchlimmern, da hingegen dieſelbe durch Nordwinde, welche uͤber einen großen Theil der faſt immer in Bewegung ſtehenden See ſtreichen, merklich verbeſſert wird.

Abhandlung uͤber die Eigenſchaften der Luft, und der uͤbrigen beſtaͤndig elaſtiſchen Materien, von Tiberius Cavallo, aus dem Engliſchen. Leipzig, 1783. 8.

Geſchichte der Luftguͤtepruͤfungslehre, kritiſch bearbeitet von J. A. Scherer, Wien 1785. 8.

Experiment, ſ. Verſuch.

Experimentalphyſik

Phyſica experimentalis, Phyſique experimentale. Man pflegt dieſen Namen demjenigen Theile der Naturlehre beyzulegen, in welchem die Eigenſchaften und Wirkungen der Koͤrper aus Erfahrungen, hauptſaͤchlich aus angeſtellten Verſuchen, hergeleitet werden. Da aber alles, was wir von den Koͤrpern wiſſen, auf Erfahrungen beruht, ſo ſieht man wohl, daß eigentlich110 die wahre und richtige Naturlehre ganz in Experimentalphyſik beſtehe.

Inzwiſchen erfordert doch der Vortrag der Wiſſenſchaft, beſonders auf Akademien, eine Abſonderung der Verſuche ſelbſt, und der Erklaͤrung deſſen, was ſich aus denſelben durch Rechnungen, Schluͤſſe, Vergleichungen, Muthmaſßungen u. ſ. w. herleiten laͤſt. Beydes laͤſt ſich in den Vorleſungen nicht wohl vereinigen, weil die Einſchiebung der Verſuche in dem Vortrage theils den Zuſammenhang zu oſt unterbrechen, theils aber auch die noͤthige Zubereitung zu den Verſuchen unmoͤglich oder doch hoͤchſt beſchwerlich machen wuͤrde. Daher iſt es bey dem Vortrage der Naturlehre nicht ungewoͤhnlich, die Experimentalphyſik von der ſogenannten dogmatiſchen oder theoretiſchen Phyſik (Phyſica dogmatica, rationali, theoretica) zu unterſcheiden, obgleich bey einem zweckmaͤßigen Studium der Naturwiſſenſchaften, und bey allen Bemuͤhungen eines Naturforſchers uͤberhaupt, beyde unzertrennlich verbunden bleiben muͤſſen, da die Erfahrung nicht allein den Grund aller Berechnungen und Schluͤſſe ausmachen, ſondern auch fuͤr alle daraus gefundene Reſultate wiederum zur Probe dienen muß. Auch wuͤrde eine dogmatiſche Phyſik ohne Erfahrungen nichts, als leere Traͤume, und eine Experimentalphyſik ohne alle Schluͤſſe lauter unfruchtbare Spielereyen enthalten.

Es ſind daher die dogmatiſche und die Experimentalphyſik keine eignen und abgeſonderten Theile der Naturlehre; ſie unterſcheiden ſich vielmehr nur in Abſicht auf Methode und Vortrag. Bey der dogmatiſchen ſetzt man die Reſultate der Verſuche als bekannt voraus, oder begnuͤgt ſich damit, ſie hiſtoriſch anzufuͤhren; bey der Eperimentalphyſik hingegen macht man die Kenntniß und Behandlung der Werkzeuge nebſt der Anſtellung der Verſuche ſelbſt zur Hauptabſicht, und bleibt bey den unmittelbaren Folgen und Reſultaten derſelben ſtehen. Die beſten und vollſtaͤndigſten Lehrbuͤcher ſind freylich diejenigen, die im gehoͤrigen Verhaͤltniſſe und in einer bequemen Ordnung beydes verbinden. 111

Der Urſprung dieſer Abſonderung faͤllt allerdings erſt in die Zeit, ſeit welcher man in der Naturlehre den Weg der bloßen Speculation verlaſſen, und die Erfahrungen mehr, als ehedem, zu Rathe gezogen hat. Johann Chriſtoph Sturm, Profeſſor der Mathematik zu Altorf, deſſen Verdienſte um die Experimentalphyſik ſehr groß ſind, war, ſo viel mir bekannt iſt, der erſte, welcher Vorleſungen uͤber die Verſuche (Jo. Chph. Sturmii Collegium experimentale ſ. curioſum. Norimb. 1676. To. II. 4.) von der theoretiſchen Phyſik (Ej. Phyſica electiva ſ. hypothetica. Norimb. 1697. T. II. 4.) trennte. Dieſem Beyſpiele folgte Wolff, deſſen vortrefliche Experimentalphyſik (Nuͤtzliche Verſuche zu genauer Kenntniß der Natur und Kunſt, Halle, 1721 1723. III. Th. 8.) die Materialien enthaͤlt, aus welchen er hernach ſein weniger ſchaͤtzbares Gebaͤude der dogmatiſchen Phyſik (Vernuͤnftige Gedanken von den Wirkungen der Natur, Halle, 1723. 8. und: Vernuͤnftige Gedanken von den Abſichten der natuͤrlichen Dinge, Halle 1724. 8. ) aufgefuͤhret hat. Je mehr ſich ſeitdem die Verſuche, Werkzeuge und Entdeckungen vervielfaͤltigten, deſto mehr wurden die Verfaſſer der phyſikaliſchen Lehrbuͤcher genoͤthiget, Beſchreibungen davon in ihre Schriften aufzunehmen, denen ſie daher oft den Titel einer Experimentalphyſik gaben, obgleich auch außer den Verſuchen theoretiſche Lehren darinn abgehandelt werden. Dahin gehoͤren die Lehrbuͤcher des Deſaguliers (Courſe of experimental philoſophy. Lond. 1717. 4. und in zween Baͤnden Lond. 1745. 4. ), s' Graveſande (Phyſices elementa mathematica experimentis confirmata. Lugd. Bat. 1719. 4. und in zween Baͤnden Lugd. Bat. 1742. gr. 4.), Teichmayer (Elementa philoſophiae naturalis experimentalis. Jenae, 1733. 4. ) und neuerlich Kratzenſteins (Vorleſungen uͤber die Experimentalphyſik; 6te vermehrte Auflage, Kopenhagen, 1787. gr. 8.). Ganz vorzuͤgliche Ruͤckſicht auf die Werkzeuge und Verſuche nehmen Nollet (Leçons de phyſique experimentale. à Paris, 1743 u. f. To. I VI. gr. 12. Nollets Vorleſungen uͤber die Eperimentalnaturlehre, Erfurt 1749-1764. VI. Theile, 8.) und Sigaud112 de la Fond (Leçons de phyſique experimentale. à Paris, 1767. 12mo. Anweiſung zur Erperimentalphyſik aus d. Frz. des Hrn Sigaud de la Fond uͤberſ. Dresden, 1774. II. Th. gr. 8.) Nach Sturms und Wolfs Beyſpiele hat auch Herr Profeſſor Titius beyde Theile der Phyſik beſonders bearbeitet (Phyſicae dogmaticae elementa. Viteb. 1774. 8. Phyſicae experimentalis elementa. Lipſ. 1782. 8.) Einige Schriften, welche die Werkzeuge und Verſuche ganz allein angehen, werde ich bey dem Worte: Verſuche anfuͤhren.

Exploſion, Exploſio, Exploſion.

Eine ploͤtzliche und gewaltſame Ausdehnung einer elaſtiſchen fluͤßigen Materie, welche nach allen Richtungen wirkt, die Hinderniſſe, die ſie einſchließen, an den ſchwaͤchſten Orten durchbricht, und gemeiniglich mit einem Knalle begleitet iſt.

Das Schießpulver, Knallpulver, Knallgold u. dgl. erzeugen bey ihrer Entzuͤndung oder Erhitzung ploͤtzlich eine große Menge elaſtiſcher Materien, welche ſich gewaltſam auszudehnen ſtreben. Sind dieſe Materien noch uͤberdies eingeſchloſſen, ſo treiben die erzeugten elaſtiſchen Fluͤßigkeiten die Pfropfe, welche ſie einſchließen, mit ungemeiner Kraft fort, oder zerſprengen die Koͤrper, in denen ſie enthalten ſind. Von dieſen Exploſionen haͤngen die heftigen Wirkungen des Feuergewehrs, der Minen und der Bomben ab.

Die Daͤmpfe, in welche das Waſſer durch die Hitze verwandelt wird, ſind in hohem Grade elaſtiſch, ſ. Daͤmpfe. Wenn man daher Waſſer in einem verſtopften oder verfchloßnen Gefaͤße erhitzet, ſo uͤben dieſe Daͤmpfe gegen die Waͤnde des Gefaͤßes, oder gegen den Pfropf, der es verſchließt, eine uͤberaus große Gewalt aus. Sie treiben endlich den Pfropf mit einer heftigen Exploſion heraus oder zerſprengen auch das Gefaͤß ſelbſt, wenn es nicht uͤberall eine genugſame Feſtigkeit hat.

Stark verdichtete Luft, z. B. in einer Windbuͤchſe, explodirt, ſo bald man ihr eine Oefnung oder einen Ort verſtattet, wo die Hinderniſſe ſchwaͤcher, als an den uͤbrigen,113 ſind; ſie zerſprengt auch wohl das Gefaͤß, worinn man ſie comprimirt hat, wenn es nicht feſt genug iſt.

Wenn ein geladner elektriſcher Koͤrper (ſ. Flaſche, geladne) durch eine leitende Verbindung beyder Seiten entladen wird, und ein elektriſcher Schlag entſteht, ſo geſchehen an den Stellen, wo die Verbindung unterbrochen iſt, und die Elektricitaͤt durch ein Mittel, das ſie nicht ſo leicht durchdringen kan, hindurchbrechen muß, elektriſche Exploſionen. Man ſieht dabey die Urſache der Elektricitaͤt als eine ſehr elaſtiſche fluͤßige Materie an, die ſich in ſolchen Faͤllen nach allen Richtungen zu verbreiten ſtrebt, und alſo die Hinderniſſe, die ihr im Wege ſtehen, erſchuͤttert und zerſchmettert, wovon auch die Verſuche Spuren zeigen. Auch der Blitz wirkt auf dieſe Art, wenn er in ſeiner Leitung Unterbrechungen antrift, ſ. Blitz.

Da bey der gewoͤhnlichen Art, Verſuche anzuſtellen, immer Unterbrechungen in der leitenden Verbindung bleiben, weil der Schlag wenigſtens durch einen Theil Luft durchbrechen muß, ſo nennt man oft den elektriſchen Schlag ſelbſt eine Exploſion.

Brennbare Luft mit gemeiner oder dephlogiſtiſirter vermiſcht, entzuͤndet ſich an der Lichtflamme, und verurſacht dadurch eine Exploſion mit einem ſehr lauten Knalle, ſ. Gas, brennbares.

F

Fadendreyeck, ſ. Culmination.

Fadenkreuz im Fernrohre, ſ. Fernrohr.

Fadenmikrometer, ſ. Mikrometer.

Faͤulniß, Putredo, Putrefactio, Putrefaction.

Die letzte Stufe der Gaͤhrung vegetabiliſcher und thieriſcher Subſtanzen, wodurch eine Zerſetzung und voͤllige Veraͤnderung ihrer Beſtandtheile erfolgt, ſ. Gaͤhrung. Die meiſten Stoffe des Pflanzenreichs gehen vor ihrer Faͤulniß erſt durch die geiſtige und ſaure Gaͤhrung; viele, beſonders thieriſche Subſtanzen aber faulen ſogleich, ohne die zwo erſten Stufen114 der Gaͤhrung zu durchlaufen, ob ſich gleich bey den meiſten vorher auf kurze Zeit eine Saͤurung zeiget.

Wenn die der Faͤulniß faͤhigen Stoffe einer feuchten Waͤrme ausgeſetzt ſind, ſo zeigt ſich die Faͤulung ſehr geſchwind durch Veraͤnderung der Farbe, des Geruchs und Geſchmacks, bey durchſichtigen Fluͤßigkeiten auch durch das Truͤbwerden. Mit dem Fortgange der Faͤulniß wird der Geruch immer ekelhafter und erhaͤlt zuletzt das Stechende, welches von dem beym Faulen entbundenen fluͤchtigen Alkali herruͤhret, und das man ſo oft in den heimlichen Gemaͤchern bey Veraͤnderungen der Witterung bemerkt.

Die Faͤulniß zerſtoͤrt den ganzen organiſchen Bau der Pflanzen und thieriſchen Koͤrper, und verwandelt ſie in fluͤchtiges Alkali, ſtinkendes Oel und Erde, welches die einzigen Materien ſind, die man durch die Deſtillation aus verfaulten Subſtanzen erhaͤlt. Durch dieſe Operation zerſtoͤrt die Natur von ſelbſt ihr eignes Werk, ſobald Pflanzen und Thiere zu leben aufhoͤren; aber ſie laͤſt die zertrennten Beſtandtheile wiederum in den Bau neuer Koͤrper uͤbergehen, und erhaͤlt ſich durch dieſen Kreislauf immer in einer ununterbrochnen Thaͤtigkeit.

Die Faͤulniß reizt viele Inſekten, ihre Eyer in die faulenden Koͤrper zu legen, welche darinn ausgebruͤtet werden; daher man faſt uͤberall beym Faulen Maden und Wuͤrmer findet. Man hat oft geglaubt, die Faͤulniß ſelbſt erzeuge Thierchen, oder komme von ihnen her, welches letztere Kircher und Linné (Amoen. acad. To. V. p. 94.) behauptet haben. Aber William Alexander (Mediciniſche Verſuche, a. d. Engl. Leipzig, 1773. 8. S. 246. u. f.) hat dieſe Meinung durch ſorgfaͤltig angeſtellte Beobachtungen vollkommen widerlegt. Macbride (Verſuche, a. d. Engl. Zuͤrich, 1766. 8. ) hat die Entweichung der fixen Luft fuͤr die Urſache der Faͤulniß halten wollen. Andere haben ſie in der atmoſphaͤriſchen Luft geſucht, die doch nur eine gelegentliche Urſache und ohne feuchte Waͤrme unwirkſam iſt, auch abgeſchnitten werden kan, ohne darum die Faͤulniß zu hindern. Die Urſache der Faͤulniß iſt alſo noch fuͤr uns ein Geheimniß: wahrſcheinlich liegt ſie in einer beſondern Art115 der Anziehung unter den Beſtandtheilen vegetabiliſcher und thieriſcher Koͤrper, welche nur bey einem gewiſſen Grade der Waͤrme und Feuchtigkeit wirkſam wird.

Alle thieriſche Subſtanzen ſind der Faͤulniß naͤher, und dazu geneigter, als die vegetabiliſchen. Daher haben einige große Aerzte und Chymiker, z. B. Boerhave und Macquer, vermuthet, daß der Uebergang der vegetabiliſchen Subſtanzen und Nahrungsmittel in thieriſche durch eine Art von unvollkommner Faͤulniß geſchehe. Ueberhaupt wuͤrde eine befriedigende Erklaͤrung der Faͤulniß den Schluͤſſel zu ſehr wichtigen Geheimniſſen der Natur abgeben.

Faͤulnißwidrig (antiſeptica) ſind alle Subſtanzen, die ſelbſt keiner Faͤulniß faͤhig ſind, oder die Befoͤrderungsmittel der Faͤulniß entkraͤſten, d. h. kuͤhlen und trocknen Daher verhindern die trocknenden Erden, Sand, Kalk, Kaͤlte, Saͤuren, Alkalien, Mittelſalze, Weingeiſt, weſentliche und empyrevmatiſche Oele, Balſame, Harze, Gewuͤrze, bittere und zuſammenziehende Mittel, Rauch u. ſ. w. das Faulen. Auch die fixe Luft oder Luftſaͤure widerſteht der Faͤulniß. Pringle (Philoſ. Trans. no. 495 und 496. und Hamburg. Magazin B. X. S. 300 u. f.), Macbride, Crell (Philoſ. Trans. Vol. LXI. P. I. und chemiſches Journal, Th. I. S. 158. u. f.), Buchholz (Chymiſche Verſuche uͤber einige der neuſten einheimiſchen antiſeptiſchen Subſtanzen, Weimar, 1776. 8. ), auch Shaw (Chemical Lectures, franz. uͤberſetzt unter dem Titel: Eſſai pour ſervir à l'hiſtoire de la putrefaction. à Paris, 1766. gr. 8.) haben uͤber die faͤulnißwidrigen Mittel und die Geſchichte der Faͤulniß uͤberhaupt ſchaͤtzbare Verſuche bekannt gemacht.

Die Luft, in welcher Koͤrper faulen, wird dadurch in einem hohen Grade phlogiſtiret, und in dieſer Ruͤckſicht hat das Faulen mit der Verbrennung eine gewiſſe Aehnlichkeit, ſ. Gas, phlogiſtiſirtes. Auch ſcheint die Erzeugung der Salpeterſaͤure die Wirkung einer bis zur letzten Stufe gekommenen Faͤulniß zu ſeyn.

Macquer chym. Woͤrterbuch mit Hrn. Leonhardi Anm Art. Faͤulniß.

Fahrenheitiſches Thermometer, ſ. Thermometer

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Fall der Koͤrper, Deſcenſus ſ. lapſus corporum gravium, Chûte des corps graves.

Die Bewegung der Koͤrper durch ihre Schwere. Die Schwere treibt jeden auf der Erdflaͤche befindlichen Koͤrper nach einer auf dieſe Flaͤche lothrechten Richtung. Wird dieſes Beſtreben durch ein Hinderniß aufgehoben, ſo entſteht blos Druck; kan es frey wirken, ſo erzeugt es wirkliche Bewegung oder Fall nach der Richtung der Schwere; wird es zum Theil gehindert, und kan nur zum Theil wirken, ſo entſtehen Druck und Fall zugleich. Die Kugel, auf der Hand getragen, druͤckt die Hand; frey gelaſſen faͤllt ſie lothrecht herab; auf einer ſchiefen Flaͤche rollt ſie ſchief herab, und druͤckt zugleich die Flaͤche mit einem Theile ihres Gewichts.

Man kan die Betrachtung des Falls der Koͤrper ſo abtheilen, daß zuerſt der freye Fall (deſcenſus liber), und dann der Fall auf vorgeſchriebenen Wegen (deſcenſus non liber) unterſucht wird. Freyer Fall der Koͤrper.

Die Geſetze des freyen Falles der Koͤrper ſind folgende:

I. An eben demſelben Orte der Erde fallen alle Koͤrper, große und kleine, ſchwere und leichte, mit einerley Geſchwindigkeit. Der Centner faͤllt in gleicher Zeit eben ſo tief, als das Quentchen. Denn man wird ohne Zweifel zugeben, daß hundert gleich große und gleich ſchwere Steine, einer ſo geſchwind, als der andere fallen, und daß es hiebey keinen Unterſchied macht, ob ſie einander beruͤhren oder nicht, ob ſie unter einander zuſammenhaͤngen oder nicht. Wenn alſo 99 davon zuſammenhaͤngen, oder einen einzigen ausmachen, ſo wird dieſer große Stein darum nicht geſchwinder fallen, als der einzelne hundertſte, ob jener gleich 99mal ſchwerer, als dieſer, iſt, ſ. Kraft, beſchleunigende. Daß aber bey wirklicher Anſtellung des Verſuchs im luftvollen Raume, leichtere Koͤrper langſamer fallen, als ſchwere, iſt blos eine Wirkung des Widerſtandes der Luft, und gehoͤrt nicht zur Betrachtung des freyen Falles an ſich. 117

Aber die Worte: an eben demſelben Orte der Erde, ſind ein ſehr nothwendiger Zuſatz. Unter dem Aequator fallen alle Koͤrper langſamer, und unter den Polen der Erde ſchneller, als in unſern Gegenden, weil dort die Schwere eines jeden Theils der Materie geringer oder groͤßer, als hier iſt.

II. Der Fall der Koͤrper iſt eine gleichfoͤrmig beſchleunigte Bewegung. Dies lehrt nicht allein die Erfahrung, ſondern es laͤſt ſich auch daraus ſchon vermuthen, weil die Schwere, als eine abſolute Kraft, in alle Koͤrper, ruhende und bewegte, unaufhoͤrlich und immer gleich ſtark wirket, folglich in jedem Zeittheile der ſchon erlangten Geſchwindigkeit immer gleiche Zuſaͤtze nach einerley Richtung beyfuͤgt. Dies iſt aber die Entſtehungsart der gleichfoͤrmig beſchleunigten Bewegung, ſ. Beſchleunigung.

Mithin gelten von dem freyen Falle der Koͤrper alle Geſetze der gleichfoͤrmig beſchleunigten Bewegung, die bey dem Worte: Bewegung gleichfoͤrmig beſchleunigte, erwieſen worden ſind. Die Geſchwindigkeit an jeder Stelle verhaͤlt ſich, wie die vom Anfange des Falls verfloſſene Zeit; die zuruͤckgelegten Raͤume verhalten ſich, wie die Quadratzahlen der Zeiten, ingleichen, wie die Quadratzahlen der Geſchwindigkeiten; die Theile des Raums, die in einer Secunde nach der andern durchlaufen werden, wachſen wie die ungeraden Zahlen, 1, 3, 5, 7 u. ſ. f.; und der Koͤrper faͤllt in einer gegebnen Zeit nur halb ſo tief, als ihn in eben der Zeit ſeine zuletzt erlangte Geſchwindigkeit fuͤhren wuͤrde. Kurz, es iſt in den beym Worte: Bewegung, feſtgeſetzten Bezeichnungen und Einheiten, wo s den Raum, t die Zeit, v die zuletzt erhaltene Geſchwindigkeit, g den in der erſten Secunde zuruͤckgelegten Raum, oder die Haͤlfte der in 1 Secunde erhaltenen Geſchwindigkeit bedeutet.

III. In der erſten Secunde fallen die ſchweren Koͤrper bey uns, durch 15,625 rheinlaͤndiſche Fuß. Man kan alſo g in Tauſendtheilen des rheinl. Fußes ausgedruͤckt, = 15625 ſetzen. Bey Rechnungen, die keine große118 Schaͤrfe erfordern, kan man es = 15 par. Fuß (eigentlich 15,0957) annehmen. So fallen die Koͤrper nach II. in der zwoten Secunde 3X15 oder 45, in der dritten 5X15 oder 75, in der vierten 7X15 oder 105 Fuß; und in vier Secunden zuſammen durch 16X15 oder 240 Fuß. Dechales (Mund. mathem. To. II. ) gab zwar ſeinen Verſuchen gemaͤß g = 16 1 / 2 Schuh an; allein die hier angefuͤhrte Beſtimmung, welche Huygens aus Verſuchen mit dem Pendel gezogen hat, iſt weit genauer und richtiger, ſ. Pendel. Geſchichte dieſer Geſetze.

Von den Zeiten des Ariſtoteles an bis an das Ende des ſechszehnten Jahrhunderts hat man ſich von den Geſetzen der Bewegung uͤberhaupt die ſonderbarſten und irrigſten Vorſtellungen gemacht. Die Peripatetiker glaubten, die Geſchwindigkeit des Falles verhalte ſich, wie das Gewicht der Koͤrper, und der zehnmal ſchwerere falle zehnmal ſchneller, als der leichtere. Dies war eine ſehr falſche Anwendung des metaphyſiſchen Grundſatzes, daß ſich die Wirkung, wie ihre Urſache, verhalte. Man vergaß dabey, daß das zehnmal groͤßere Gewicht die Bewegung, die es erzeugt, auch einer zehnmal groͤßern Maſſe mitzutheilen hat, und daß bey dieſer Vertheilung auf jeden Theil der Maſſe nicht mehr Geſchwindigkeit koͤmmt, als er durch ſein Gewicht allein, und ohne Verbindung mit den uͤbrigen, ebenfalls wuͤrde erhalten haben. Es iſt das eben ſo viel, als ob man ſich einbilden wollte, zehn gleich geſchickte Laͤufer koͤnnten zuſammen einen Weg ſchneller zuruͤcklegen, als einer von ihnen allein.

Dieſen Irrthum der ariſtoteliſchen Phyſik nahm der große Galilei ſchon zu der Zeit wahr, als er noch zu Piſa die Philoſophie ſtudirte. Er vertheidigte damals die richtigere Meinung in den gewoͤhnlichen Diſputiruͤbungen gegen ſeine Lehrer. Kaum aber war er ſelbſt zum Lehrer auf dieſer hohen Schule ernannt, als er ſich oͤffentlich gegen dieſen und viele andere Saͤtze der peripatetiſchen Phyſik erklaͤrte. Er ließ von der Kuppel der daſigen Kirche Koͤrper von ſehr ungleichem Gewicht herabfallen, die doch den Boden119 faſt zu gleicher Zeit erreichten, wenn nur ihre Materien nicht allzuſehr an Dichtigkeit verſchieden waren. Dieſe Verſuche machten großes Aufſehen, und zogen ihrem Urheber ſo viel Feinde zu, daß er ſich bewogen fand, Piſa zu verlaſſen und die ihm angetragne Lehrſtelle in Padua anzunehmen. In der Folge hat er dieſen Satz unter andern auch durch den Verſuch mit zwey Pendeln von gleicher Laͤnge erwieſen, welche ihre Schwingungen mit einerley Geſchwindigkeit verrichten, ob ſie gleich mit verſchiedenen Gewichten beſchweret ſind.

Eben ſo unrichtig waren die ehemaligen Vorſtellungen von der Beſchleunigung des Falles. Man hatte dieſes Phaͤnomen aus mancherley Urſachen hergeleitet, und nach mancherley Geſetzen erfolgen laſſen. Die Peripatetiker ſahen die Schwere als eine verborgene Qualitaͤt an, ſchrieben allen Koͤrpern ein inneres Beſtreben nach dem Mittelpunkte zu, und glaubten, ſie eilten deſto ſchneller nach demſelben, je naͤher ſie ihm kaͤmen. Einige unter ihnen nahmen die Luft zu Huͤlfe, welche durch ihr Zuſammenfahren hinter dem fallenden Koͤrper denſelben nach Art eines Keils fortſtoßen, und dadurch ſeine Bewegung von Zeit zu Zeit beſchleunigen ſollte. Dieſer Urſache hatte Ariſtoteles ſelbſt die Fortdauer aller Bewegungen zugeſchrieben. Noch andere erklaͤrten den Fall aus dem Drucke der Luft, und die Beſchleunigung daraus, daß der Koͤrper von deſto hoͤhern Luftſaͤulen gedruͤckt werde, je tiefer er herabkomme, oder daß die Luftſaͤulen lauter nach dem Mittelpunkte convergirende Linien waͤren, daher der Mittelpunkt den ganzen Druck der fluͤßigen Maſſe zu tragen habe, und ein Koͤrper deſto ſtaͤrker gedruͤckt werde, je naͤher er dem Mittelpunkte komme.

Was die Geſetze der Beſchleunigung betrift, ſo war es die gemeine Meinung, daß die Geſchwindigkeit in dem Verhaͤltniſſe des zuruͤckgelegten Raumes zunehme; daß nemlich der Koͤrper, wenn er durch vier Fuß gefallen ſey, viermal ſo viel Geſchwindigkeit erlangt habe, als am Ende des erſten Fußes eine Meinung, die auf den erſten Blick ganz einfach und natuͤrlich ſcheint, in der That aber etwas Unmoͤgliches120 und Widerſprechendes enthaͤlt. Andere glaubten, die in gleichen Zeiten durchlaufenen Raͤume naͤhmen zu, wie die Segmente einer durch den ſogenannten guͤldnen Schnitt (media et extrema ratione, ſectione aurea ſ. divina) getheilten Linie, d. h. ſo, daß ſich das kleinere Segment zum groͤßern, wie dieſes zur ganzen Linie, oder zur Summe von beyden, verhielte: oder daß der Raum des Falls in der erſten Secunde ſich zum Raume in der zwoten verhielte, wie dieſer zum ganzen Raume in zwo Secunden u. ſ. f. Dieſe leere Einbildung gruͤndete ſich blos auf die chimaͤriſchen Vollkommenheiten, die man dieſer Art von Theilung der Linien beylegte, von welcher einige Geometer eigne Buͤcher geſchrieben haben.

Galilei hingegen kam auf den gluͤcklichen und richtigen Gedanken, daß die Geſchwindigkeit beym Falle im Verhaͤltniſſe der verfloßnen Zeit zunehmen muͤſſe. Ohne Zweifel ward er hierauf durch Nachdenken geleitet. Da die Koͤrper von der Schwere nie verlaſſen werden, und alſo in jedem Zeittheile einen neuen Eindruck von derſelben erhalten, der ſich mit der Wirkung der vorigen verbindet, ſo folgert man hieraus bald, daß die Geſchwindigkeit, welche die Schwere mittheilt, im erſten Zeittheile einfach, im zweyten doppelt, im dritten dreyfach u. ſ. f. ſey, daß ſie ſich alſo uͤberhaupt, wie die vom Anfange des Falls verfloßne Zeit verhalten werde. Inzwiſchen waͤhlte Galilei beym Vortrage der Sache einen andern Weg. Er nimmt den Satz anfaͤnglich blos als Hypotheſe an, unterſucht dann geometriſch, was fuͤr Geſetze des Falls der Koͤrper daraus folgen, zeigt nun aus Erfahrungen, daß dieſe Geſetze wirklich beym Falle ſtatt finden, und ſchließt endlich daraus, daß der angenommene Satz nicht blos Hypotheſe, ſondern ein wirkliches Naturgeſetz ſey.

So traͤgt Galilei dieſe von ihm ſchon um das Jahr 1602 erfundenen Wahrheiten in ſeinen Geſpraͤchen uͤber die Bewegung vor. (Diſcorſi e dimoſtrazione matematiche intorno a due nuove ſcienze attenenti alla Mecanica ed i muovimenti locali. Leid. 1638. 4. und in den Opere di Galileo Galilei. Firenze, 1718, To. I. III. gr. 4. To. II. p.121 479.) Er bedient ſich bey der geometriſchen Unterſuchung der Geſetze, die aus ſeiner Vorausſetzung folgen, der Methode des Untheilbaren, faſt eben ſo, wie bey dem Worte; Bewegung, gleichfoͤrmige, gleichfoͤrmig-beſchleunigte, aus Muſſchenbroek angefuͤhrt worden iſt, leitet daraus die Geſetze fuͤr den Fall auf ſchiefen Flaͤchen her, und erzaͤhlt alsdann zur Beſtaͤtigung derſelben ſeine auf einer ſchiefen Flaͤche angeſtellten Verſuche, aus welchen er noch eine Menge nuͤtzlicher und merkwuͤrdiger Saͤtze herleitet.

Dieſe Theorie des Galilei fand, wie man leicht denken kan, anfaͤnglich viele Widerſpruͤche, ob ſie gleich auch von dem beruͤhmten Torricelli (De motu gravium naturaliter deſcendentium et projectorum, libri duo. Florent. 1641. 4. ) mit der moͤglichſten geometriſchen Eleganz vorgetragen ward. Unbegreiflich aber iſt es, wie Baliani, einer der beſten Geometer und Phyſiker der damaligen Zeit (De motu naturali gravium fluidorum ac ſolidorum, Genuae 1646. 4. ), der ſelbſt des Galilei Theorie vortraͤgt und ſchoͤn beweiſet, dennoch ſagen konnte, es ſey moͤglich, daß ſich die Geſchwindigkeiten des Falles, wie die zuruͤckgelegten Raͤume, verhielten. Dieſe Aeußerung eines ſo guten Mathematikers war den Peripatetikern ſehr willkommen; ſie legten ſogar dieſem ſehr alten Satze den Namen der Hypotheſe des Baliani bey.

Dieſe Hypotheſe hat allerdings etwas ſcheinbares, und Galilei geſtehet ſelbſt, daß er ſich eine Zeit lang nicht von ihr habe losreißen koͤnnen. Endlich drang doch ſein Scharfſinn hindurch, und er widerlegt ſie ſchon in ſeinen Geſpraͤchen auf eine ſinnreiche Art, indem er zeigt, daß ſie bey der Anwendung auf den Fall der Koͤrper mit ſich ſelbſt ſtreite, weil aus ihr folgen wuͤrde, daß der Koͤrper durch vier Fuß in eben der Zeit falle, in welcher er durch einen Fuß faͤllt. Blondel (Anciens mém. de l'Acad. des Sc. à Paris, To. VIII. ) hat zwar in dieſen Schluͤſſen des Galilei einen Paralogismus finden wollen; allein ſie ſind ſehr richtig, und von Gaſſendi durch eine ſtrenge geometriſche Pruͤfung vertheidiget worden. Um das Widerſprechende der Balianiſchen Hypotheſe in der moͤglichſten Kuͤrze zu uͤberſehen, darf man122 ſie nur mit der beym Worte: Bewegung, gleichfoͤrmige, beygebrachten Formel ds = vdt vergleichen, welche fuͤr alle Bewegungen gilt. Wenn ſich nach Baliani v wie s verhielte, oder v = ms waͤre (wo m blos eine beſtaͤndige Groͤße, oder den unveraͤnderlichen Exponenten eines Verhaͤltniſſes bedeutet), ſo waͤre die Formel ds = msdt, mithin welches ſo integrirt, daß s = o fuͤr t = o, oder daß der Koͤrper als aus der Ruhe fallend betrachtet wird, d. h. fuͤr jeden durchlaufenen Raum die Zeit unendlich groß giebt. Mithin wuͤrde der Koͤrper nach dieſem Geſetze auch den kleinſten Raum erſt in unendlich langer Zeit, d. i. niemals, durchlaufen, d. i. es waͤre gar kein Fall der Koͤrper moͤglich. Inzwiſchen haben ſich doch noch lange nachher Vertheidiger der Hypotheſe des Baliani gefunden. Der eifrigſte darunter war der P. Caſree, deſſen uͤbel angeſtellte Verſuche und Fehlſchluͤſſe von Gaſſendi und Fermat widerlegt worden ſind.

Riccioli (Almageſtum novum L. II. C. 21. prop. 4.) und Grimaldi ſuchten die Wahrheit der galileiſchen Saͤtze durch Verſuche zu erweiſen, welche, wie es ſcheint, mit vieler Sorgfalt angeſtellt worden ſind. Sie bedienten ſich zum Zeitmaaße eines Pendels, deſſen Schwingungen nur 1 / 6 Sec. dauerten. Sie ließen von verſchiedenen genau abgemeſſenen Hoͤhen Kugeln von Kreide, welche 8 Unzen wogen, herabfallen, und fanden durch wiederholte Verſuche, daß dieſelben in Zeitraͤumen von 5, 10, 15, 20, 25 Schwingungen, durch Raͤume von 10, 40, 90, 160, 250 roͤmiſchen Schuhen, und in Zeiten von 6, 12, 18, 24, 26 Schwingungen, durch Raͤume von 15, 60, 135, 240, 280 Schuhen fielen. Dies ſtimmt zwar mit der Theorie aufs vollkommenſte uͤberein; allein Verſuche dieſer Art ſind nie zuverlaͤßig; man kan nicht ſicher ſeyn, ob der Augenblick, da der Koͤrper den Boden123 beruͤhrt, genau mit dem Ende einer Vibration zuſammen treffe, und die Geſchwindigkeit des Falls iſt ſo groß, daß in einem ſehr kleinen Theile einer Schwingung ein betraͤchtlicher Raum durchlaufen werden kan. Auch haben andere Beobachter die Uebereinſtimmung der Verſuche mit der Theorie nicht ſo vollkommen gefunden. Dechales (Mundus Mathem. To. II. Statica L. II. prop. 1.) maß die Raͤume des Falles waͤhrend der Schwingungen eines Pendels, das halbe Secunden ſchlug, und ſand den Fall von kleinen Kieſelſteinen in Zeitraͤumen von 1, 2, 3, 4, 5, 6 Schwingungen, 4 1 / 4, 16 1 / 2, 36, 60, 90, 123 Schuh, ſtatt daß er nach den galileiſchen Saͤtzen 4 1 / 4, 17, 38 1 / 4, 65, 106 1 / 4, 153 Schuh betragen ſollte. Er bemerkt aber ſehr richtig, daß dieſe Abweichung dem Widerſtande der Luft zuzuſchreiben ſey: ſie wuͤrde ohne Zweifel weniger betragen haben, wenn er anſtatt der kleinen Kieſelſteine Bleykugeln gebraucht haͤtte.

Da es aus den angegebnen Urſachen nicht moͤglich iſt, die Theorie durch Verſuche mit lothrecht fallenden Koͤrpern genau zu pruͤfen, ſo haben ſie die Phyſiker durch mancherley andere Verſuche beſtaͤtiget. Die ſtaͤrkſte Ueberzeugung gewaͤhren die Pendel, ſ. Pendel. Es folgt aus der Hypotheſe des Galilei, und aus dieſer allein, daß ſich die Anzahl der Schwingungen, welche ungleich lange Pendel in gleichen Zeiten machen, umgekehrt, wie die Quadratzahl der Laͤnge der Pendel, verhalten muͤſſe, wenn nur die Schwingungen ſehr klein ſind. Eben dies zeigen aber auch die Verſuche mit der groͤſten Genauigkeit.

Eine andere ſehr ſinnreiche Probe hat der P. Sebaſtien (Mém. de l'Acad. des Sc. ann. 1699.) angegeben. Auf der Flaͤche des paraboliſchen Conoids ABD (Taf. VIII. Fig. 12.), welches durch die Umdrehung der Parabel ADC um ihre Axe AC entſtanden iſt, werde ein ſpiralfoͤrmiger Gang EFGHIB ausgehoͤlet, welcher an allen Stellen einerley Winkel mit dem Horizonte macht; ſo laͤſt ſich erweiſen, daß nach der galileiſchen Theorie ein Koͤrper, der in dieſem Gange herabrollt, alle Umgaͤnge der Spirale in gleichen Zeiten zuruͤcklegen muß. Dies zeigt aber auch die Erfahrung. 124Wenn man eine kleine Kugel von E auslaufen laͤſt, und wenn dieſe in G iſt, in E eine zweyte nachſchickt, hierauf, wenn dieſe in G iſt, in E eine dritte rc. nachfolgen laͤſt, ſo bleiben alle dieſe Kugeln ſtets gerade uͤber einander, ſo hoch auch der ganze Koͤrper ſeyn mag. Varignon (Mém. de l'Acad. 1702.) zeigt im Allgemeinen, daß ein Koͤrper, der dieſe Eigenſchaft haben ſoll, aus der Umdrehung einer Curve entſtehen muͤſſe, in der ſich die Abſciſſen und Ordinaten, wie die Raͤume und Geſchwindigkeiten beym Falle verhalten. Bey der Parabel verhalten ſich die Abſciſſen, wie die Quadrate der Ordinaten; da alſo bey dem von ihr erzeugten Koͤrper der Verſuch zutrift, ſo muͤſſen ſich die Raͤume beym Falle, wie die Quadrate der Geſchwindigkeiten verhalten, welches Galilei's Geſetz iſt. Waͤre Baliani's Hypotheſe die richtige, ſo muͤſte der Koͤrper ein gewoͤhnlicher geometriſcher Kegel ſeyn, bey welchem aber der Verſuch gewiß nie zutreffen wird.

Von den Aenderungen, die der Widerſtand der Luft und anderer Mittel in dieſen Geſetzen macht, ſ. d. Art. Widerſtand. Zuſammengehoͤrige Hoͤhen und Geſchwindigkeiten.

Nach den vorgetragenen Geſetzen wird ein Koͤrper, wenn er durch den Raum s = gt gefallen iſt, die Geſchwindigkeit v = 2gt erhalten haben, deren Quadrat v = 4gt oder = 4gs iſt. Daher v = 2 gs.

Waͤre er alſo durch einen Raum, den wir h nennen wollen, oder von der Hoͤhe h herabgefallen, ſo wuͤrde ſeine dadurch erlangte Geſchwindigkeit, welche c heißen mag, = 2 gh ſeyn.

Ex. Ein ſchwerer Koͤrper faͤllt 10 rheinl. Schuh hoch herab. Dieſe Hoͤhe iſt (in Tauſendtheilen des rheinl. Schuhes ausgedruͤckt) = 10000. Alſo iſt das Quadrat der Geſchwindigkeit, die er durch dieſen Fall erlangt oder c = 4. 15625.10000, und die Geſchwindigkeit ſelbſt = 2.125.100 = 25000. D. h. ſie iſt ſo groß, daß er mit derſelben in 1 Sec. Zeit durch 25 rheinl. Schuh gehen wuͤrde. 125

Oder: Die Geſchwindigkeit eines Koͤrpers ſoll = 25000 ſeyn. Wie hoch muß er herabfallen, um dieſelbe zu erhalten? Die Antwort iſt: durch (c / 4g) oder (25000. 25000 / 4. 15625) = 10000, d. i. durch 10 rheinl. Schuh.

Man nennt die Hoͤhen des Falles und die dadurch erlangten Geſchwindigkeiten zuſammengehoͤrige. So ſagt man, die Fallhoͤhe von 10 Schuh gehoͤre der Geſchwindigkeit 25000, und dieſe Geſchwindigkeit gehoͤre jener Hoͤhe zu. Einige der vornehmſten Schriftſteller uͤber die hoͤhere Mechanik, z. B. Euler (Mechanica, Petrop. 1736. To. I. et II. gr. 4.) und Kaͤſtner (Anfangsgruͤnde der hoͤhern Mechanik, Goͤttingen, 1766. 8. ) haben die meiſten mechaniſchen Formeln ſo eingerichtet, daß darinn nicht die Geſchwindigkeiten ſelbſt, ſondern die denſelben zugehoͤrigen Fallhoͤhen (altitudines celeritatibus debitae) vorkommen. Euler aber hat in der nachher herausgegebnen Mechanik der feſten Koͤrper (Theoria motus corporum ſolidorum ſ. rigidorum Roſtoch. et Gryphiswald. 1765. 4. ) die Formeln wieder ſo eingerichtet, daß darinn die Geſchwindigkeiten ſelbſt vorkommen, die er eben ſo, wie hier geſchehen iſt, durch die Raͤume ausdruͤckt, welche mit ihnen in der Zeit 1 gleichfoͤrmig zuruͤckgelegt werden. Fall auf vorgeſchriebenen Wegen.

Wenn ein ſchwerer Koͤrper auf einer glatten Unterlage herabrollet und alle Hinderniſſe der Bewegung, z. B. Reiben, Widerſtand der Mittel u. dgl. außer Betrachtung gelaſſen werden, ſo kan nur ein Theil der Schwere auf ſeine Bewegung wirken, der uͤbrige Theil bewirkt Druck gegen die Unterlage. Auch kan der Fall ſelbſt nicht lothrecht geſchehen; die Unterlage noͤthigt den Koͤrper auf ihr zu bleiben, und ſchreibt ihm gleichſam den Weg vor, den er nehmen muß.

Es ſey AMB Taf. VIII. Fig. 13. ein lothrechter Durchſchnitt einer ſolchen Unterlage, auf welcher ein Koͤrper aus A herabfaͤllt. Die Natur der krummen Linie AMB ſey126 durch die Gleichung zwiſchen AP = x; und AM = s gegeben, wobey Mp das Differential von x oder = dx, Mm = ds iſt. Der fallende Koͤrper lange in M mit der Geſchwindigkeit v an. Wenn ihn nun ſeine Schwere, die wir als beſchleunigende Kraft hier = 1 ſetzen, in M nach MF zu treibt, er aber der Unterlage wegen im naͤchſten Zeittheile dt keinen andern Weg, als durch Mm = ds nehmen kan, ſo fragt man, was dadurch in ſeiner Geſchwindigkeit geaͤndert werde, und welchen Raum s er in der Zeit t auf dieſe Art durchlaufe, d. h. man ſucht Gleichungen zwiſchen v, s und t.

Die Schwere = 1, welche den Koͤrper nach MF treibt, laͤſt ſich in die Kraͤfte MN und NF zerlegen, wovon die erſte MN eine Normalkraft, oder auf die Unterlage, auf den Weg des Koͤrpers ſenkrecht iſt. Dieſe wirkt blos Druck gegen die Unterlage, und aͤndert nichts in der Bewegung des Koͤrpers. Die zwote aber NF, iſt eine Tangentialkraft, und dem Wege des Koͤrpers an dieſer Stelle, oder dem Elemente Mm, parallel. Dieſe aͤndert alſo mit ihrer ganzen Staͤrke des Koͤrpers Geſchwindigkeit. Sie verhaͤlt ſich zur Schwere oder zu 1, wie NF: MF, d. i. (wegen der Aehnlichkeit der Dreyecke MFM und pMm) wie pM: Mm oder wie dx: ds. Ihre Groͤße iſt alſo = (dx / ds), und ſie bringt in dem Zeittheile dt (in welchem eine jede beſchleunigende Kraft f die Geſchwindigkeit 2gfdt erzeugt, ſ. Kraft, beſchleunigende) die Geſchwindigkeit 2g (dx / ds) dt hervor, welches = (2gdx / v) iſt, weil man bey allen Bewegungen ds = vdt ſetzen kan, ſ. Bewegung, gleichfoͤrmige. Um ſo viel aͤndert ſich alſo die Geſchwindigkeit des Koͤrpers an jeder Stelle M durch die Wirkung ſeiner Schwere, oder es iſt.127 woraus durch Integration, weil der Koͤrper von A aus gefallen ſeyn ſoll, alſo fuͤr x = o auch v = o wird folget.

Vergleicht man dieſes mit dem freyen Falle durch AP, durch welchen der Koͤrper eine Geſchwindigkeit = 2 (g. AP) erhaͤlt, ſo findet man unſer v oder die Geſchwindigkeit in M, = 2 gx; jener gleich, weil AP = x, d. h. auf was fuͤr einem Wege auch ein Koͤrper fallen mag, ſo iſt ſeine Geſchwindigkeit an jeder Stelle M, derjenigen gleich, welche der Fallhoͤhe AP, oder der lothrechten Hoͤhe ſeines Falles von A bis M zugehoͤrt.

Wenn man aus der Gleichung fuͤr die Linie AMB, x durch s ausdruͤckt, und dieſen Werth von x in der Formel 2 gx ſubſtituiret, ſo erhaͤlt man eine Gleichung zwiſchen v und s. Der ſo gefundene Werth von v in die Formel vdt = ds geſetzt, giebt eine Differentialgleichung zwiſchen ds und dt, aus welcher durch Kunſtgriffe der Integralrechnung auch die Gleichung zwiſchen s und t, oder zwiſchen Raum und Zeit gefunden werden kan. Der folgende Abſchnitt giebt hiervon ein Beyſpiel. Fall auf ſchiefen Ebnen.

Faͤllt ein Koͤrper auf einer ſchiefen Ebne AMB, Taf. VIII, Fig. 14., welche gegen den Horizont BC unter dem Winkel o geneigt iſt, ſo iſt AMB eine gerade Linie, und die Gleichung zwiſchen AP und AM oder zwiſchen x und s wird Dies in die Formel ds = vdt geſetzt, giebt ds = 2 gs. ſin o. dt, woraus nach gehoͤrigem Integriren,.

Vergleicht man dies mit den Formeln fuͤr den freyen Fall, welche s = gt und v = 2gt ſind, ſo ſieht man, daß der freye Fall, und der auf der ſchiefen Ebne voͤllig nach einerley128 Geſetzen erfolgen; nur der letztere in dem Maaße langſamer, in welchem der Sinus des Neigungsmittels o geringer iſt. Auch hier verhaͤlt ſich v wie t, oder die Geſchwindigkeit, wie die Zeit, s wie t, oder die Raͤume, wie die Quadratzahlen der Zeiten, und mit der zuletzt erlangten Geſchwindigkeit 2g. ſin o. t wuͤrde der Koͤrper in der Zeit t den Raum 2g. ſin o. t, d. i. das doppelte s. zuruͤcklegen. Der Unterſchied iſt nur dieſer, daß wenn z. B. der Winkel o = 30°, alſo ſein Sinus = 1 / 2 waͤre, der Koͤrper in 1 Secunde ſtatt 15 Schuh nur 1 / 2. 15 oder 7 1 / 2, in 2 Secunden ſtatt 60 Schuh nur 30 u. ſ. f. zuruͤcklegen wuͤrde.

Hieraus wird es begreiflich, wie Galilei die Geſetze des Falles, da er den freyen Fall wegen ſeiner allzugroßen Geſchwindigkeit unzuverlaͤßig fand, durch das langſamere Herabrollen auf einer ſchiefen Ebne pruͤfen konnte. Er ließ in dieſer Abſicht in einer 12 Ellen langen, eine halbe Elle hohen, und 3 Zoll breiten Pfoſte auf ihrem obern ſchmalen Rande einen 1 Zoll breiten Canal aushoͤlen, den er der Glaͤtte halber mit Pergamen ausfuͤtterte. Dieſe Pfoſte konnte er mit dem einen Ende nach Gefallen eine oder mehrere Ellen uͤber den Horizont erhoͤhen, und die Zeit bemerken, in der eine glatte meſſingne Kugel entweder durch den ganzen Canal oder durch einen gewiſſen Theil deſſelben herunter lief. Die Zeit maß er durch das Gewicht des Waſſers, welches waͤhrend derſelben aus dem Boden eines fehr breiten Gefaͤßes durch ein Roͤhrchen abgelaufen war. Er verſichert, bey mehr als hundertfaͤltigen Wiederholungen den Raum jederzeit dem Quadrate der Zeit proportional, d. i. in doppelter Zeit viermal ſo groß u. ſ. w. gefunden zu haben.

Unter die merkwuͤrdigen Saͤtze, welche ſchon Galilei aus den Geſetzen des Falles auf der ſchiefen Ebne gefolgert hat, gehoͤrt auch der vom Falle durch die Sehnen eines Kreiſes. Es ſey Taf. VIII. Fig. 15. ABMD die Haͤlfte eines Kreiſes, deſſen Durchmeſſer AD = a iſt. Nach den Geſetzen des freyen Falles faͤllt ein Koͤrper von A aus bis nach D, oder durch den Raum a in der Zeit T = a / g129 Durch die Sehne AB = s wird er in der Zeit t = (s / g ſin o) fallen. Nun verhaͤlt ſich aber jede Sehne AB zum Durchmeſſer, wie ihre Haͤlfte oder wie der Sinus des halben Bogens AB zum Halbmeſſer oder Sinus totus; auch iſt der halbe Bogen AB das Maaß des Winkels o. Daher s: a = ſin o: 1. Hieraus folgt (s / ſin o) = a, mithin t = T, oder: der Fall durch die Sehne AB dauert eben ſo lange, als der freye Fall durch den lothrechten Durchmeſſer AD. Und da man dies von allen Sehnen eben ſo beweiſen kan, ſo faͤllt der Koͤrper von A aus durch alle Sehnen des Kreiſes AB, AM u. ſ. w. in gleichen Zeiten.

Eben ſo lange aber dauert auch ſein Fall durch die Sehnen BD und MD, wenn er von B oder M aus zu fallen anfaͤngt. Denn auch hier wird der Winkel o oder MDE durch den halben Bogen MD gemeſſen, und die Sehne ſelbſt verhaͤlt ſich zum Durchmeſſer, wie ihre Haͤlfte zum Halbmeſſer, oder wie ſin o: 1; daher alle vorige Schluͤſſe auch hier gelten. Es iſt alſo ein allgemeiner Satz: Durch Sehnen im Halbkreiſe faͤllt ein Koͤrper in eben der Zeit, in der er durch den vertikalen Durchmeſſer faͤllt.

Unter dieſe Sehnen gehoͤrt auch noch die letzte gleichſam verſchwindende, die man ſich gedenken kan, wenn M ſo nahe man immer will, an D geruͤckt wird. So klein dieſe letzte Sehne auch ſeyn mag, ſo dauert doch der Fall durch ſie ſo lange, als der durch AD. Es koͤnnte vielleicht befremden, daß hiebey der Fall durch einen unendlich kleinen Raum dennoch eine endliche Zeit erfordert; allein wenn man bedenkt, daß die Schwere eines Koͤrpers, der zunaͤchſt an D liegt, faſt ganz Normalkraft iſt, oder Druck auf die Unterlage bewirkt, und nur ein unendlich kleiner Theil, als Tangentialkraft, auf die Entſtehung des Falls verwendet wird, ſo iſt ſehr begreiflich, daß dieſe unendlich kleine Kraft, um den Fall durch einen unendlich kleinen Raum zu bewirken, dennoch eine endliche Zeit braucht. 130Fall auf krummen Linien.

Bey beſtimmten krummen Linien werden die Rechnungen, durch welche man die Gleichungen zwiſchen s und t findet, zu weitlaͤuftig, als daß es moͤglich waͤre, hier etwas davon beyzubringen. Ich begnuͤge mich daher, einige Reſultate derſelben mitzutheilen, weche den Fall durch Bogen des Kreiſes und der Cykloide betreffen.

Durch EA, Taf. VIII. Fig. 16., den Bogen eines Kreiſes, welcher DA = a zum Durchmeſſer hat, faͤllt ein ſchwerer Koͤrper in einer Zeit, welche durch das Produkt der unendlichen Reihe 1+1 / 4 (AG / a) + (9 / 64) (AG / a) u. ſ. f. in 1 / 4 π a / g ausgedruͤckt wird, wo π die Ludolphiſchen Zahlen fuͤr den Umkreis vom Durchmeſſer 1 bedeutet.

Durch den Quadranten BA alſo, fuͤr welchen ſich AG in AC = 1 / 2a verwandelt, iſt die Zeit des Falles = 1 / 4π a / g (1+1 / 4.1 / 2+ (9 / 64) .1 / 4 ....). Da, wie man bald uͤberſieht, 1 / 4π oder 0, 785 ... in die Reihe multiplicirt noch nicht voͤllig 1 giebt, ſo iſt dieſe Zeit kleiner, als a / g, oder als die Zeit des Falls durch den Durchmeſſer DA, oder durch die Sehne BA. Alſo koͤmmt der Koͤrper von B aus in kuͤrzerer Zeit nach A, wenn er durch den Quadranten BEA faͤllt, als wenn er durch die Sehne BA herabgeht, obgleich die Sehne kuͤrzer als der Quadrant iſt. Galilei, der dieſen Satz ſchon kannte, erwies auch, daß der Fall durch den Quadranten weniger Zeit erfordere, als der durch zwo, drey oder mehrere darinn gezogene Sehnen; er irrte aber in dem hieraus gezogenen Schluſſe, daß der Quadrant die Curve ſey, welche den Koͤrper von A bis B in der kuͤrzeſten moͤglichen Zeit fuͤhre.

Durch einen unendlich kleinen Bogen, oder durch das Element eA, wofuͤr AG verſchwindet, und die Reihe131 ſich in 1 verwandlet, faͤllt der Koͤrper in der Zeit 1 / 4 π a / g alſo verhaͤlt ſich die Zeit des Falles durch den Durchmeſſer DA, welche = a / g iſt, zur Zeit des Falles durch den unendlich kleinen Bogen, wie 1: 1 / 4 π, oder faſt wie 1000: 785. Der Fall durch die unendlich kleine Sehne eA dauert eben ſo lange, als der durch DA; mithin faͤllt der Koͤrper auch durch den verſchwindenden Bogen in kuͤrzerer Zeit, als durch die verſchwindende Sehne.

In der Cykloide oder Radlinie BMEA, Taf. VIII. Fig. 17., welche beſchrieben wird, wenn der Kreis vom Durchmeſſer DA = a an einer geraden Linie hinrollt, faͤllt der ſchwere Koͤrper durch jeden Bogen, wie BA, MA, EA etc. in gleicher Zeit, nemlich in der Zeit 1 / 2 π a / g. Dieſer Eigenſchaft wegen heißt dieſe merkwuͤrdige Curve die Linie von einerley Zeiten des Falles (Linea tavtochrona). In ihr dauert der Fall durch den endlichen Bogen EA eben ſo lange, als der durch den unendlich kleinen Bogen eA. Huygens hat dies bey Unterſuchung der Cykloide zuerſt entdeckt, und Anwendungen davon auf die Pendel gemacht, ſ. Pendel.

Zugleich iſt dieſe Zeit die kuͤrzeſte moͤgliche, in welcher ein ſchwerer Koͤrper von B nach A, von M nach A u. ſ. w. fallen kan. Daher iſt die Cykloide zugleich eine Linie des kuͤrzeſten Falles, ſ. Brachyſtochroniſche Linie.

Montucla hiſt. des mathematiques P. IV. L. 5.

Kaͤſtners Anfangsgr. der hoͤhern Mechanik an mehrern Stellen.

Farben, Colores, Couleurs.

Eigenſchaften der verſchiedenen Theile des Lichts, gewiſſe Empfindungen in uns zu erregen, wenn ſie durch die Brechung oder durch andere Urſachen von einander geſondert oder nach verſchiedenen Verhaͤltniſſen vermiſcht, in unſer Auge kommen. Ich geſtehe132 gern, daß ich alle Maͤngel dieſer Definition fuͤhle; es iſt aber unmoͤglich, eine beſſere zu geben. Die Farbe, als Erſcheinung betrachtet, iſt blos Sache des Geſichts, die ſich durch Worte nicht erklaͤren laͤſt; will man ſie aber als Wirkung einer phyſiſchen Urſache definiren, ſo muß man ſchlechterdings eine oder die andere Hypotheſe einmiſchen. Man kan alsdann nicht ſagen, was Farben ſind, ſondern nur, wofuͤr ſie dieſer oder jener Naturforſcher halte.

Nach Newtons Theorie entſteht die weiße Farbe, wenn alle, die ſchwarze, wenn gar keine, die rothe, gelbe, gruͤne, blaue, wenn nur diejenigen Theile des Lichts ins Auge kommen, welche das Vermoͤgen beſitzen, die Empfindung der genannten Farben zu erregen.

Plutarch (De placitis philoſophorum L. I. c. 15.) hat uns einige ſehr dunkle Begriffe der Alten von den Farben aufbehalten. Die Pythagoraͤer, ſagt er, nannten Farbe die Oberflaͤche der Koͤrper, Empedokles, was mit den Ausfluͤſſen des Geſichts uͤbereinſtimmt, Plato eine Flamme von den Koͤrpern, deren Theile mit dem Geſichte ſymmetriſch ſind. Richtiger hat Epikur gelehrt, daß die Farbe nichts eigenthuͤmliches der Koͤrper ſey, ſondern von gewiſſen Lagen ihrer Theilchen gegen das Auge herruͤhre. Dies folgte aus ſeiner Lehre von den Atomen, die er ungefaͤrbt annahm, und Lukrez fuͤhrt zur Erlaͤuterung davon die Farben der Taubenhaͤlſe und Pfauenſchwaͤnze an. Ariſtoteles (De mente L. II. c. 7.) ſagt, Licht ſey das Durchſichtige, Farbe, was das Durchſichtige in Bewegung ſetzt. Seneca (Quaeſt. natur. L. I. c. 7.) bemerkt, daß das Licht der Sonne, wenn es durch ein eckigtes Stuͤck Glas faͤllt, alle Farben des Regenbogens ſpiele. Er erklaͤrt aber dies fuͤr falſche Farben, dergleichen man auch an dem Halſe der Tauben ſehe, oder an einem Spiegel, der die Farbe eines jeden Koͤrpers annehme, ob er gleich ſelbſt farbenlos ſey. Die Peripatetiker nahmen bis zum ſiebzehnten Jahrhunderte die Farbe fuͤr eine den Koͤrpern weſentlich zugehoͤrige Eigenſchaft an, ohne weiter viel belehrendes daruͤber zu ſagen; manche unter ihnen betrachteten ſie als einen Ausfluß133 aus den Koͤrpern, andere als eine Miſchung von Licht und Schatten, noch andere leiteten ſie von einem ſalzigen oder metalliſchen Principium her.

Descartes, der die ſcholaſtiſche Phyſik ſo eifrig beſtritt, kam in ſeiner 1637 erſchienenen Dioptrik der Wahrheit in ſo fern naͤher, daß er die Farben nicht fuͤr Eigenſchaften der Koͤrper, ſondern fuͤr Wirkungen eines zwiſchen den Koͤrpern und dem Auge befindlichen Mittels, des Lichts, erklaͤrte. Da er ſich aber von der Natur des Lichts eigne Vorſtellungen machte (ſ. Licht), ſo fiel auch ſeine Erklaͤrung der Farben ſehr willkuͤhrlich aus. Er giebt nemlich den Theilen des Lichts zweyerley Bewegungen, eine fortgehende und eine umdrehende. Iſt die letztere ſtaͤrker, als die erſte, ſo ſoll daraus die rothe, iſt die erſtere ſtaͤrker, die blaue, und ſind beyde gleich, die gelbe Farbe entſtehen. Die uͤbrigen ſetzt er aus Miſchungen dieſer drey Farben zuſammen. Uebrigens macht er die nicht ganz unrichtige Bemerkung, daß Weiß die auffallenden Stralen unveraͤndert zuruͤckſchicke, Schwarz dieſelben ausloͤſche oder erſticke, die uͤbrigen Farben aber ſie veraͤndert zuruͤckſenden.

Der erſte, der die Erfahrung uͤber die Farben zu Rathe zog, war Boyle (Hiſtoria colorum experimentalis incepta. in Opp. Boylii Genev. 1680. 4.). Obgleich ſeine Verſuche kein zuſammenhangendes Syſtem ausmachen, ſo haben ſie ihn doch auf einzelne ſehr richtige Gedanken geleitet. Er haͤlt die Farben nicht fuͤr inhaͤrirende Eigenſchaften der Koͤrper, glaubt aber doch, daß ſie großentheils von der Lage der Theile auf der Oberflaͤche abhangen, und in einer Modification des von dieſer Flaͤche zuruͤckgeworfenen Lichts beſtehen. Er fuͤhrt hieruͤber viele Beyſpiele, beſonders die Farben des Stahls beym Haͤrten, und die ſo ſchoͤn glaͤnzenden Regenbogenfarben auf der Oberflaͤche des geſchmolzenen Bleys an. Ueber den Unterſchied zwiſchen Weiß und Schwarz erklaͤrt er ſich, wie Descartes, weil weißes Papier ſich durch ein Brennglas ſehr ſchwer entzuͤnde, ein ſchwarzer Handſchuh hingegen an der Sonne ſehr brenne, ein Brennſpiegel von ſchwarzem Marmor gar nicht zuͤnde, und die ſchwarz gefaͤrbte Haͤlfte eines Dachziegels134 weit heißer werde, als die rothe. So fuͤhrt er auch an, daß ſchwarz ausgeſchlagene Zimmer mehr waͤrmen, und ſchwarz gefaͤrbte Eyer an der Sonne geſotten werden koͤnnen.

D. Hook (Micrographia, p. 64.) nimmt blos Blau und Roth als Hauptfarben an, und laͤſt die uͤbrigen aus der Vermiſchung dieſer beyden entſtehen. Blau, ſagt er, iſt die Wirkung einer ſchiefen und unregelmaͤßigen Erſchuͤtterung auf der Netzhaut, wo der ſchwaͤchere Theil vorangeht, und der ſtaͤrkere nachfolgt; Roth hingegen eben dies, wenn der ſtaͤrkere Stoß vorangeht, und der ſchwaͤchere folgt. Er machte in Ruͤckſicht auf dieſe Theorie den Verſnch mit zwey hohlen prismatiſchen Glaͤſern, wovon eins mit blauer Kupferſolution, das andere mit rother Aloetinktur gefuͤllt iſt. Jedes einzeln genommen iſt vollkommen durchſichtig; beyde zuſammengehalten, werden undurchſichtig.

So ſtand es um die Erklaͤrung der Farben, als Newton, deſſen Talente fuͤr die Experimentalphyſik eben ſo groß waren, als ſein geometriſcher Scharfſinn, im Jahre 1666 die verſchiedene Brechbarkeit der Lichtſtralen entdeckte, die Verbindung derſelben mit den Farben wahrnahm, und darauf ſein vortrefliches Syſtem uͤber die Farben baute, welches eine ausfuͤhrlichere Erklaͤrung erfordert. Newtons Entdeckungen uͤber die Farben.

Newtons bey dem Worte: Brechbarkeit, angefuͤhrte Verſuche beweiſen ohne Widerrede, daß ſowohl das Sonnenlicht, als das von den Koͤrpern zuruͤckgeworfene, nach Beſchaffenheit ſeiner Farbe, eine verſchiedene Brechbarkeit beſitze, und nach Beſchaffenheit ſeiner Brechbrkeit eine verſchiedene Farbe zeige. Er begleitete daher die Nachrichten von ſeinen Verſuchen uͤber das Licht, die er der koͤniglichen Societaͤt der Wiſſenſchaften mittheilte (ſ. Philoſ. Transact. Num. 80. ſqq. 1672 1688. Abhandlungen aus den Philoſ. Transact. Leipz. 1779. gr. 4. I. B. S. 192. u. f.), ſogleich mit folgenden Gedanken uͤber die Beſchaffenheit der Farben, die er auch in ſeiner Optik (L. I. P. 2.) durch beſondere Verſuche erwieſen hat. 135

1) Farben ſind nicht Modificationen des Lichts durch die Brechung und Zuruͤckwerfung, ſie ſind vielmehr urſpruͤngliche und eigenthuͤmliche Eigenſchaften deſſelben, die in verſchiedenen Stralen verſchieden ſind. Einige Lichtſtrahlen beſitzen das Vermoͤgen, die Empfindung der rothen Farbe, und keiner andern, andere die der gruͤnen, und keiner andern, u. ſ. f. zu erregen. Nicht blos die kenntlichſten Abſtufungen, Roth, Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Indigo, Violet, haben ihre eigenen Stralen, durch die ſie hervorgebracht werden, ſondern auch alle dazwiſchen fallende Schattirungen haben dergleichen.

2) Mit demſelben Grade der Brechbarkeit iſt allezeit dieſelbe Farbe verbunden, und umgekehrt.

3) Ein gleichartiges oder einfaches Licht (lumen homogeneum), welches aus lauter Stralen von gleicher Brechbarkeit beſteht, veraͤndert ſeine Farbe weder durch Brechung noch durch Zuruͤckwerfung, noch durch ſonſt eine bekannte Urſache. Newton nahm mit ſolchem gleichartigen Lichte mancherley Veraͤnderungen vor (Optice L. I. P. II. prop. 2.), er konnte aber nie eine neue Farbe daraus erzwingen. Durch Zuſammenziehung oder Zerſtreuung ward die Farbe zwar lebhafter oder matter: aber die Gattung blieb unveraͤnderlich.

4) Durch Vermiſchung ungleichartiger Lichtſtralen laſſen ſich Farben erzeugen, die zwar den Farben des einfachen oder gleichartigen Lichts dem Scheine nach aͤhnlich ſind, aber nicht das unwandelbare des einfachen Lichts beſitzen. So erſcheint blaues und gelbes Pulver, wohl vermiſcht, dem bloßen Auge gruͤn, und doch ſind die Farben der einzelnen Theile nicht veraͤndert, weil ſie durchs Mikroſkop noch immer blau und gelb erſcheinen. Roth und gelb geben vermiſcht eine Farbe, die dem einfachen Orange gleicht, durchs Priſma aber ſich wieder in die einfachen Gattungen, aus denen ſie beſteht, nemlich in Roth und Gelb zerlegen laͤſt.

5) Die Farben des einfachen Lichts, welche durch die Brechung im Priſma hervorgebracht werden, heißen einfache, urſpruͤngliche, priſmatiſche Farben, Grund -136 farben. Ihre Ordnung, von der geringſten Brechbarkeit angefangen, iſt Roth, Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Indigo, Violet, nebſt einer unendlichen Menge dazwiſchen fallender Schattirungen. Die nach Num. 4. durch Vermiſchung hervorgebrachten heißen gemiſchte, zuſammengeſetzte, und ſind zum Theil den einfachen aͤhnlich.

6) Farben, die in der Reihe der priſmatiſchen nicht allzuweit aus einander liegen, geben vermiſcht eine Farbe, die der mittlern prismatiſchen aͤhnlich iſt. So giebt Roth und Gelb Orange, Gelb und Blau Gruͤn u. ſ. w. Dies geſchieht aber nicht, wenn ſie weit aus einander liegen. Orange und Indigo giebt nicht Gruͤn; Roth und Blau nicht Gelb u. ſ. f.

7) Die weiße Farbe entſteht aus einer im gehoͤrigen Verhaͤltniſſe gemachten Miſchung aller einfachen Farben. In einem wohl verfinſterten Zimmer mache man in dem Fenſterladen eine Oefnung G (Taf. VIII. Fig. 18.), etwa 1 / 3 Zoll weit, ſtelle vor dieſelbe ein reines helles Priſma ABC, und laſſe das Sonnenlicht durch die Oefnung auf ſelbiges fallen, ſo werden die rothen Stralen nach T, die violetten nach P zu gebrochen werden, ſ. Brechbarkeit. Darauf ſtelle man ein Brennglas DE, von etwa 3 Fuß Brennweite in einer Entfernung von 4 5 Fuß hinter das Priſma, ſo daß die Farben aller Stralen das Glas treffen, und im Vereinigungspunkte F, welcher hier etwa 10 bis 12 Fuß weit fallen wird, zuſammen kommen. Faͤngt man ſie in dieſem Punkte F mit einem Bogen weißen Papiers auf, ſo werden alle zuſammengemiſchte prismatiſche Farben ein weißes Licht geben. Wenn man das Papier hin und her beweget, ſo wird man nicht allein den Ort treffen, wo die Weiße am vollkommenſten iſt, ſondern man wird auch ſehen, wie ſich das Farbenbild der Weiße allmaͤhlich naͤhert, und wie die Stralen jenſeits F wieder aus einander gehen, und bey TP wiederum das vorige Farbenbild, nur in umgekehrter Stellung zeigen, ſo daß jetzt die rothe Farbe bey T oben, die violette bey P unten erſcheint. Werden eine oder mehrere Farben aufgefangen, ehe ſie nach F kommen, ſo137 wird in F ſtatt der Weiße eine andere gemiſchte Farbe entſtehen.

Weiß iſt alſo eine Vermiſchung aller Lichtſtralen von allen Farben, in ihrem gehoͤrigen Verhaͤltniſſe. Iſt bey dieſer Miſchung eine Gattung 'der einfachen Farben in groͤßerer Menge da, als das Verhaͤltniß erfordert, ſo neigt ſich das Licht nach dieſer Farbe hin, wie z. B. die blaue Flamme des Schwefels, die gelbe der Kerzen u. dgl.

So ſcheint auch der Schaum des Seifenwaſſers weiß, indem die einzelnen Blaͤschen deſſelben alle Farben des Priſma zeigen. Miſcht man aber farbige Pulver, welche einen großen Theil des auf ſie fallenden Lichts verſchlucken, ſo erhaͤlt man kein glaͤnzendes Weiß, ſondern eine graue, gleichſam aus Weiß und Schwarz gemiſchte Farbe. Dieſe iſt jedoch vom Weißen nur in der Menge des zuruͤckgeworfenen Lichts, nicht aber in der Gattung, verſchieden. Newton (Optice L. I. p. 2. prop. 5. Exp. 15) ſtrich eine Mixtur von Operment, Purpur, Bergblau und Gruͤnſpan auf einen Fleck der Wand, den die Sonne beſchien, klebte darneben im Schatten ein gleich großes weißes Papier, und fand in einer Entfernung von 12 18 Schuhen beyde gleich weiß.

Dieſe Saͤtze von den Farben, welche auf keiner Hypotheſe uͤber die Natur derſelben, ſondern unmittelbar auf den Verſuchen ſelbſt beruhen, wendet nun ihre vortreflicher Erfinder auf die Erklaͤrung einiger Erſcheinungen an. Er redet zuerſt von den bunten Raͤndern des Farbenbildes, welches vom Prisma entworfen wird (ſ. Farbenbild), und dann vom Regenbogen. Vom erſten will ich hier nur folgendes beybringen.

Ein heller Koͤrper auf einem dunklen, oder ein dunkler auf einem hellen Grunde, durch ein Prisma betrachtet, muß mit einem farbigen Rande umgeben ſcheinen. Eigentlich umgiebt der Rand allemal das Helle, und iſt an der Seite, die gegen den brechenden Winkel des Prisma zu liegt, violet und nach innen blau, an der aber, die ſich vom brechenden Winkel abkehrt, roth, und nach innen gelb. Denn an derjenigen Seite, die auf den brechenden Winkel138 zu liegt, koͤnnen von den letzten Stralen des Hellen nur die brechbarſten, d. i. die violetten und wenige blaue das Auge noch erreichen, die uͤbrigen gehen bey dem Auge vorbey; auf der andern Seite hingegen erreichen von den Stralen des hellen Randes nur noch die am wenigſten brechbaren, d. i. die rothen, und wenige gelbe, das Auge, die uͤbrigen treffen daſſelbe auch nicht mehr. Dem zu Folge muß das viereckigte Feld eines Fenſters, durch ein Prisma, deſſen Schaͤrfe man unterwaͤrts kehret, unten einen violetten und blauen, oben einen rothen und gelben Rand zeigen. Betrachtet man nun ein Fenſterbley, wie CDEF, Taf. VIII. Fig. 20, d. i. einen dunkeln Gegenſtand zwiſchen zwo hellen Scheiben A und B, ſo ſchreibt man die bunten Raͤnder, die eigentlich von den hellen Feldern A und B herruͤhren, dem dunklen Koͤrper CDEF zu, und ſieht alſo oben bey CD einen blauen Rand mit einem violetten Streifen darunter, bey EF aber einen rothen, und um dieſen einen gelben Rand. Kehrt man die Schaͤrfe des Prisma aufwaͤrts, ſo verwechſeln ſich die Farben der Raͤnder CD und EF.

Newton koͤmmt nunmehr auf die Farben der natuͤrlichen Koͤrper. Er erklaͤrt die Entſtehung derſelben (Opt. L. I. P. 2. prop. 10.) dadurch, daß gewiſſe natuͤrliche Koͤrper dieſe oder jene Gattung von Stralen haͤufiger zuruͤckwerfen, als die uͤbrigen. Mennige, ſagt er, ſcheint roth, weil ſie die rothen Stralen am haͤufigſten zuruͤckwirft. Die Veilchen werfen die violetten Stralen haͤufiger zuruͤck, als die uͤbrigen, und erhalten daher ihre Farbe. Eben ſo geht es mit allen andern Koͤrpern. Jeder Koͤrper wirft die Stralen, die ſeine Farbe haben, haͤufiger zuruͤck, als die uͤbrigen, und erhaͤlt ſeine Farbe eben dadurch, daß dieſe Stralen in dem zuruͤckgeworſenen Lichte den groͤßten Theil ausmachen.

Zur Beſtaͤtigung hievon fuͤhrt er an, daß jeder Koͤrper in dem Lichte, welches mit ſeiner Farbe gleichartig iſt, am lebhafteſten und glaͤnzendſten ausſehe, und daß fluͤſſige Koͤrper ihre Farbe mit der Dicke aͤndern. So ſcheint in einem kegelfoͤrmigen Glaſe, das man zwiſchen das Licht und das Auge haͤlt, ein rother Liquor, unten am139 Boden, wo er duͤnn iſt, blaßgelb, etwas hoͤher orangegelb, weiter hinauf roth, und wo er am dickſten iſt, dunkelroth. Dieſe Verſchiedenheit ruͤhrt doch von nichts anderm her, als daß ein ſolcher Liquor blos gelbe und rothe Stralen durchlaͤſt und zuruͤckwirft, mehr oder weniger, je nachdem er dicker oder duͤnner iſt. Hieraus erklaͤrt er auch den oben angefuͤhrten Verſuch des D. Hook, da zwey Prismen mit blauen und rothen Liquoren, einzeln durchſichtig, zuſammengehalten undurchſichtig ſind. Wenn der eine Liquor nur allein blaue, der andere nur allein rothe Stralen durchlaͤſt, ſo koͤnnen beyde zuſammen gar kein Licht mehr durchlaſſen.

Die nicht durchgelaſſenen oder zuruͤckgeworfenen Stralen werden nach ſeiner Meinung in dem Innern der Koͤrper ſo lang hin und her zuruͤckgeworfen, bis ſie endlich gleichſam vernichtet oder verſchluckt ſind. Sind die Koͤrper duͤnn, ſo geht oft noch etwas von dieſem Lichte hindurch. Wenn man eine Lichtflamme durch ein duͤnnes Goldblaͤttchen betrachtet, ſo ſieht ſie gruͤnlichblau aus; alſo nimmt dichtes Gold die blauen und gruͤnen Stralen in ſich, und ſendet nur die gelben zuruͤck.

In den bisherigen Saͤtzen iſt nichts hypothetiſches, nichts, was die Erfahrung nicht beſtaͤtigte. Dennoch fanden dieſelben eine Zeit lang haͤufigen Widerſpruch. Einigen wollten Newtons Verſuche im dunklen Zimmer, welche freylich viel Genauigkeit und Sorgfalt erfordern, nicht gelingen, andere verſtanden ſeine Meinung gar nicht. Es iſt ſehr lehrreich und unterhaltend, in den Philoſophiſchen Tranſactionen (Abhandl. zur Naturgeſch. und Phyſik aus den Philoſ. Trans. I. B. I. Th. Leipz. 1779. gr. 4. S. 200 u. f.) die Schriften zu leſen, welche Newton daruͤber mit dem P. Pardies, Mariotte, Linus, Gaſcoigne, und Lucas gewechſelt hat. Mit unermuͤdeter Geduld und Herablaſſung beſchreibt er die richtige Art, dieſe Verſuche anzuſtellen, und ſeine Theorie zu pruͤfen, bis auf die kleinſten Umſtaͤnde, und bleibt bey allen, oft ſehr groben, Mißverſtaͤndniſſen ſeiner Gegner immer der gelaſſene, ſeiner Groͤße und der Guͤte ſeiner Sache ſich bewußte Philoſoph. 140Nur dann wird er empfindlich, wenn man ihm bloße Hypotheſen entgegenſetzt, oder, wie der P. Pardies gethan hatte, ſeine Theorie eine Hypotheſe nennt. Ich bin uͤber zeugt, ſagt er, daß meine Theorie nichts weiter, als ge wiſſe und bewieſene Phaͤnomene des Lichts enthaͤlt, und waͤre dies nicht, ſo wuͤrde ich ſie als eine unnuͤtze Specu lation verworfen, und nicht einmal als Hypotheſe ange nommen haben.

Newtons entſcheidender Verſuch (experimentum crucis), den ich bey dem Worte Brechbarkeit Num. 2. angefuͤhrt habe, und der zugleich das Unwandelbare der einfachen Farben erweiſet, ward bey dieſen Streitigkeiten vorzuͤglich mißverſtanden und uͤbel angeſtellt, ſo deutlich ihn auch ſein Erfinder beſchrieben hatte. Daher blieb die Frage, ob die Grundfarben des Prisma wirklich unwandelbar waͤren, eine lange Zeit im Zweifel, bis endlich Deſaguliers die newtoniſchen Verſuche vor der koͤniglichen Societaͤt der Wiſſenſchaften zu London anſtellte, und eine umſtaͤndliche Nachricht hievon (Philoſ. Trans. 1716.) bekannt machte, worinn ihre Richtigkeit durch unverwerfliche Zeugniſſe beſtaͤtigit iſt. Dennoch fanden dieſe Verſuche noch einen eifrigen Gegner an dem Italiaͤner Rizzeti (Act, Erud. Lipſ. Suppl. Tom. VIII. p. 127.), welcher ſie bey angeſtellter Wiederholung zum Theil falſch, zum Theil ohne Beweiskraft gefunden haben wollte, und andere anfuͤhrte, die ihnen entgegen zu ſeyn ſchienen. Die newtoniſche Theorie ward dagegen von Georg Friedrich Richter, Profeſſor der Moral zu Leipzig, (Act. Erud, l. c. p. 226. ſqq. ) ſehr geſchickt vertheidigt. Rizzeti's Einwuͤrfe bezogen ſich zum Theil darauf, daß das bloße Auge, in welchem doch das Licht auch gebrochen wird, keine farbigen Raͤnder und andere Wirkungen der verſchiedenen Brechbarkeit zeige. Dies heißt, ſagt Richter, ſich auf ein ſehr zuſammengeſetztes Werkzeug, das man gar nicht genau kennt, berufen, gegen Verſuche, die mit einem hoͤchſt einfachen Werkzeuge angeſtellt ſind; es iſt eben ſo viel, als ob man die Grundſaͤtze der Mechanik laͤugnen wollte, weil man in einer ſehr zuſammengeſetzten Maſchine Abweichungen von141 ihnen wahrnimmt. Rizzeti erneuerte jedoch ſeine Angriffe im Jahre 1727 in einem eignen Werke (De luminis affectionibus, Venet. 8.), wodurch Deſaguliers bewogen ward, die beſtrittenen Verſuche im Jahre 1728 nochmals vor der koͤniglichen Societaͤt anzuſtellen, und einige neue hinzuzufuͤgen, welche die Zweifel dieſes Gegners gaͤnzlich aus dem Wege raͤumen. In Frankreich ließ der Cardinal Polignac, ſo ſehr er auch ſonſt den Lehren des Descartes ergeben war, die newtoniſchen Verſuche mit vielen Koſten durch Ganger wiederholen. Sie fielen ſehr gluͤcklich aus, und der Cardinal, der hieruͤber ein Dankſagungsſchreiben von Newton erhielt, wuͤrde ihre Beſchreibung ſeinem Antilucrez beygefuͤgt haben, wenn ihn nicht der Tod uͤbereilt haͤtte. Seitdem ſind ſie von mehrern Experimentatoren wiederholt worden, beſonders vom Abt Nollet, der ſich faſt durch den ganzen fuͤnften Band ſeiner Leçons de Phyſique mit ihnen beſchaͤftiget. Einen ſehr eifrigen Gegner haben ſie noch an Gautier (Chroageneſie ou generation des couleurs contre le ſyſteme de Newton. Paris 1750. 10. ) gefunden, der ſich aber durch dieſen Angrif keinen Ruhm in der Geſchichte der Phyſik erworben hat.

Es gehoͤrt zu dieſen Verſuchen nicht allein ein ſehr wohl verfinſtertes Zimmer (Newton hatte das ſeinige mit ſchwarzem Tuch ausgeſchlagen), damit ſich kein fremdes Licht von den Seiten her einmiſche, ſondern auch ein ganz reines und helles, aufs vollkommenſte geſchliffenes und polirtes Prisma, deſſen brechender Winkel wenigſtens 60° haͤlt. Ob ſie gleich ſelten mit aller noͤthigen Vorſicht angeſtellt werden koͤnnen, ſo ſind ſie doch durch mehrere oͤffentlich bekannt gewordene Pruͤfungen beſtaͤtiget, und werden ſo wenig mehr bezweifelt, als die Schwere der Luft oder die Geſetze des Falles der Koͤrper. Verſuche uͤber die Farben duͤnner Koͤrper.

Bis hieher hatte Newton ſich ganz allein an die Erfahrung gehalten. Wir folgen ihm nun in ein anderes dunkleres142 Feld, wo er zwar dieſer Fuͤhrerin noch immer nachgeht, aber doch viele Luͤcken durch Muthmaßungen ausfuͤllt, wo er ſich noch immer als einen vortreflichen Phyſiker zeigen, aber uns doch bey weitem nicht ſo, wie bisher, befriedigen wird.

Schon Boyle und Hook hatten bemerkt, daß duͤnne durchſichtige Koͤrper, beſonders Seifenblaſen, nach Maaßgabe ihrer Dicke, verſchiedentlich gefaͤrbt ſcheinen, und erſt, wenn ſie ziemlich dick ſind, farbenlos werden. Dies leitete Newton auf die Vermuthung, daß duͤnne Koͤrper oder Scheiben allezeit gewiſſe von ihrer Dicke abhaͤngende Farben zeigen wuͤrden. Von ohngefaͤhr druͤckte er einmal zwey Prismen, deren Seitenflaͤchen etwas convex waren, hart an einander, und fand, daß ſie an der Beruͤhrungsſtelle vollkommen durchſichtig wurden, als ob ſie nur ein einziges zuſammenhaͤngendes Glas waͤren, ſo daß dieſe Stelle, wenn man darauf ſahe (cum inſpiceretur), wie ein dunkler ſchwarzer Fleck, und wenn man hindurch ſahe (cum transſpiceretur), wie ein Loch erſchien, durch das man die Gegenſtaͤnde ſehen konnte, und das gleichſam aus der Luftſcheibe herausgeſchnitten war, welche vor dem Zuſammendruͤcken zwiſchen beyden Prismen gelegen hatte. Als er nun beyde Prismen ein wenig um ihre gemeinſchaftliche Axe drehte, ſo zeigten ſich eine Menge ſchmaler gefaͤrbter Bogen, welche ſich bey weiterer Umdrehung endlich in bunte den durchſichtigen Fleck umgebende Ringe verwandleten, die er ſogleich fuͤr die natuͤrlichen Farben der duͤnnen zwiſchen beyden Glaͤſern liegenden Luftſcheibe annahm. Dieſes letzte aber iſt bloße, vielleicht nicht einmal richtige, Muthmaßung.

Um die Unterſuchung zu verfolgen, nahm er zwey Linſenglaͤſer, ein planconvexes, und ein auf beyden Seiten erhabenes von 50 Schuh Brennweite, legte das letztere auf die ebne Seite des erſten, und druͤckte beyde gelind gegen einander. Hiebey ſahe er aus dem Mittelpunkte der Glaͤſer verſchiedene farbige Ringe, einen nach dem andern, hervorkommen,143 die ſich, je mehr er druͤckte, ihrem Durchmeſſer nach immer erweiterten, ihrer Breite nach aber immer mehr zuſammenzogen, bis endlich die Zuſammendruͤckung einen gewiſſen Grad erreicht hatte. Nun entſtanden weiter keine neuen Farbenringe; vielmehr zeigte ſich der ſchwarze durchſichtige Fleck im Mittelpunkte, und die Farbenringe erweiterten ſich blos dem Durchmeſſer nach. In dieſem Zuſtande war die Ordnung der Farben in jedem Ringe vom Mittelpunkte aus gegen den Umfang zu gerechnet, folgende. Im erſten: Schwarz, blau, weiß, gelb, roth; im zweyten Violet, blau, gruͤn, gelb, roth; im dritten Purpur, blau, gruͤn, gelb, roth; im vierten Gruͤn, roth; im fuͤnften Gruͤnlich Blau, roth; im ſechſten Gruͤnlich Blau, blaßroth; im ſiebenten Gruͤnlich Blau, roͤthlich weiß. Eben dieſe Erſcheinungen mit eben der Ordnung der Farben zeigten ſich an allen erhabenen Glaͤſern, wenn ſie nur nicht allzu kleinen Kugeln zugehoͤrten, weil ſich ſonſt die Farbenringe zu ſehr zuſammenzogen und unſichtbar wurden; es war alſo kein zufaͤlliges Phaͤnomen, ſondern die Wirkung einer regelmaͤßigen und bleibenden Urſache.

Newton maß die Halbmeſſer dieſer Ringe an den Stellen, wo ſie am glaͤnzendſten ſchienen, und fand, daß ſich ihre Quadrate, wie die ungeraden Zahlen 1, 3, 5, 7, 9, 11, verhielten. Hingegen fand er die Quadrate der Halbmeſſer von den dunkeln Zwiſchenraͤumen zwiſchen jedem Paare von Ringen, vom dunkeln Flecke im Mittel an gerechnet, im Verhaͤltniſſe der geraden Zahlen 0, 2, 4, 6, 8, 10.

Da er ſie nun von der Dicke der Luftſcheibe zwiſchen beyden Glaͤſern herleitete, wovon das eine eine ebne Oberflaͤche hatte, daß ſich alſo die Abſtaͤnde der Glaͤſer von einander, oder die Dicken des dazwiſchen liegenden Luftſcheibchens, an den Stellen der Farbenringe ebenfalls, wie die ungeraden, und an den Stellen der dunkeln Zwiſchenraͤume, wie die geraden Zahlen, verhielten, ſo gruͤndete er darauf folgende144 Berechnung. Aus dem Durchmeſſer der Convexitaͤt des obern Glaſes, welcher 101 Schuh betrug, beſtimmte er die wirkliche Dicke des Luftſcheibchens an jeder Stelle, und fand ſie fuͤr die hellſte Stelle des erſten Rings (1 / 178000) Zoll, mithin fuͤr die des zweyten (3 / 178000) Zoll u. ſ. w. Hierauf maß er auch die Durchmeſſer der Ringe fuͤr jede Farbe insbeſondere, und beſtimmte durch eine aͤhnliche Rechnung die Dicke der Luftſcheiben, welche eine jede Farbe zuruͤckwerfen. Faſt eben dieſe Reſultate fand er auch, wenn er andere Glaͤſer von bekannten Durchmeſſern gebrauchte, und bey der von ihm gebrauchten Vorſicht darf man nicht zweifeln, daß dieſe Beſtimmungen ſo genau ſind, als ſie nur der geſchickteſte Beobachter machen kan.

Er brachte nunmehr ſtatt der Luft einen Waſſertropfen zwiſchen beyde Glaͤſer. Dadurch zogen ſich die Ringe, ohne die Ordnung der Farben zu veraͤndern, in dem Verhaͤltniſſe 8: 7 zuſammen. Hieraus folgt, daß ſich die Dicke der Waſſerſcheiben zu der Dicke der Luftſcheiben, welche eben dieſelben Farben hervorbringen, wie 49: 64, d. i. wie 3: 4 verhalte. Dies iſt aber das Brechungsverhaͤltniß fuͤr Waſſer und Luft, ſ. Brechung der Lichtſtralen. Dadurch haͤlt er ſich fuͤr berechtigt anzunehmen, die Dicke eines Glasſcheibchens, welches eben die Farbe zeigt, ſey (20 / 31) des Luftſcheibchens, weil das Brechungsverhaͤltniß aus Glas in Luft 20: 31 iſt.

Hierauf gruͤndet ſich folgende Tabelle (Optic. L. II. P. 2. p. 195.), worinn die Dicken der Luftſcheiben unmittelbar aus Verſuchen und Berechnung beſtimmt, die der Waſſerſcheibe aber = 3 / 4, und die der Glasſcheiben = (20 / 31) von jenen angenommen ſind, alles in Milliontheilchen eines engliſchen Zolls. 145

FarbenDicke der farbigen Scheiben von
LuftWaſſerGlas
der erſten Ordnung.Sehr ſchwarz --0, 5-0,37-0,32
Schwarz ----1-0,75-0,66
Schwaͤrzlich ---2-1, 5-1, 3
Blau ------2, 4-1, 8-1, 5
Weiß ------5,25-3, 8-3, 4
Gelb ------7, 1-5, 3-4, 6
Orange -----8-6-5, 1
Roth -----9-6,75-5, 8
der zwotenViolet -----11, 1-8, 3-7, 2
Indigo -----12, 8-9, 6-8, 1
Blau -----14-10, 5-9
Gruͤn -----15, 1-11, 3-9, 7
Gelb -----16, 3-12, 2-10, 4
Orange ----17, 2-13,-11, 1
Hellroth ---18, 3-13,75-11, 8
Scharlach ---19, 6-14,75-12, 6
der drittenPurpur ----21-15,75-13, 5
Indigo ----22, 1-16, 5-14,25
Blau -----23, 4-17, 5-15, 1
Gruͤn -----25, 2-18, 9-16,25
Gelb -----27, 1-20, 3-17, 5
Roth -----29-21,75-17, 7
Blaͤulich roth -32-24-20, 6
der viertenBlaͤulich gruͤn -34-25, 5-22
Gruͤn -----35, 3-26, 5-22,75
Gelblich gruͤn -36-27,-23, 2
Roth -----40, 3-30,25-26
der fuͤnftenGruͤnlich blau -46-34, 5-29, 6
Roth -----52, 5-39, 4-34
der ſechſtenGruͤnlich blau -58, 7-44-38
Roth -----65-48,7-42
der ſiebentenGruͤnlich blau -71-53, 2-45, 8
Roͤthlich weiß -77-57, 7-49, 6

146

Um endlich auch die Farben zu beſtimmen, welche Scheibchen eines dichtern Mittels annehmen, wenn ſie mit einem duͤnnern umgeben ſind, unterſuchte er eine gewoͤhnliche Seifenblaſe. Er brachte dieſelbe unter ein ſehr durchſichtiges Glas, und beobachtete die Reihen von Farben, welche auf ihrer Oberflaͤche entſtanden, indem das Waſſerhaͤutchen durch das Ablaufen an den Seiten immer duͤnner ward. Er fand, daß eben die Farben, welche in voriger Tabelle angezeigt ſind, nur in umgekehrter Ordnung, in Geſtalt der Ringe vom oberſten Punkte der Blaſe ausgiengen, und ſich gegen die untere Flaͤche verbreiteten, wo ſie endlich verſchwanden; ſo daß die Blaſe, indem ſie immer duͤnner ward, eben die Farben zeigte, wie die Luft oder das Waſſer zwiſchen den zuſammengedruͤckten Glaͤſern. Nur waren die Farben der Blaſe lebhafter.

Newton wagte es alſo, aus der Dicke eines durchſichtigen Scheibchens auf die Farbe, die es zuruͤckwirft, und umgekehrt aus der Farbe auf die Dicke zu ſchließen, und die Farben der natuͤrlichen Koͤrper aus der verſchiedenen Dicke und Dichtigkeit ihrer kleinſten Theilchen oder Scheibchen, die er ſaͤmtlich fuͤr durchſichtig annimmt, herzuleiten. Eine rothe Farbe z. B., die ſo lebhaft iſt, daß man ſie zur dritten Ordnung rechnen kan, wird durch Scheibchen hervorgebracht werden, deren Dicke, wenn ſie die Dichtigkeit des Waſſers haben, 21 Milliontheilchen des engliſchen Zolles betragen wird. Er giebt hieraus einige Erklaͤrungen von Phaͤnomenen, z. B. von den Farben der Wolken, der wandelnden oder ſchillerndern Koͤrper u. dgl.

Endlich ſieht er es als eine Folge ſeiner Verſuche an, daß jeder Lichtſtral bey dem Durchgange durch eine brechende Flaͤche eine gewiſſe veraͤnderliche Beſchaffenheit zeige, vermoͤge welcher er durch die naͤchſte vorliegende brechende Flaͤche entweder leichter durchgehe, oder leichter zuruͤckgeworfen werde. Dieſe Beſchaffenheiten wechſeln nun beym Fortgange des Strals in demſelben Mittel beſtaͤndig ab. Geht z. B. ein Lichtſtral in duͤnne Scheiben von den Dicken 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6 rc. ſo wird er bey den Dicken 0, 2, 4, 6 durchgelaſſen, bey den Dicken 1, 3, 5 aber zuruͤckgeworfen. Newton147 nennt dieſes Anwandlungen des leichtern Zuͤruͤckgehens oder des leichtern Durchgehens (Vices facilioris reflexionis vel transmiſſionis, Accès de facile reflexion ou transmiſſion, im Engl. Fits of eaſy reflexion or transmiſſion).

Dieſemnach werden unter mehrern Stralen, die auf eine Flaͤche fallen, diejenigen zuruͤckgeſandt, welche eben im Zuſtande des leichtern Zuruͤckgehens ſind, die aber durchgelaſſen, die ſich gerade im Zuſtande des leichtern Durchgehens befinden. Daß dieſe abwechſelnden Anwandlungen des Lichts ſchon beym Ausgange aus dem leuchtenden Koͤrper anfangen, ſieht Newton zwar als wahrſcheinlich an; allein es laͤſt ſich damit nicht wohl vereinigen, wie das Durchlaſſen gleichwohl von der Dicke des Scheibchens abhangen koͤnne; man muͤſte denn annehmen, daß die Brechung oder Zuruͤckwerfung erſt an der hintern Flaͤche des Scheibchens geſchehe. Auch muͤſſen dieſe Abwechſelungen der Willigkeit durchzugehen oder zuruͤckzuprallen, in Zwiſchenraͤumen geſchehen, welche nur (1 / 178000) Zoll, und beym Glaſe und Waſſer noch weniger austragen. Alles dies erregt allerdings Erſtaunen, und ſcheint kaum glaublich. Man muß aber, um gehoͤrig davon urtheilen zu koͤnnen, Newtons Unterſuchungen ſelbſt nachleſen, welche den dritten Theil des zweyten Buchs ſeiner Optik ausmachen. Wenn ſie auch keine Ueberzeugung gewaͤhren, ſo kan man ſich doch nicht enthalten, das große Genie zu bewundern, das aus ihnen allenthalben hervorleuchtet.

Daß aber Newton hiebey ſehr vieles Weſentliche uͤberſehen habe, beweiſen unter andern die neuern Verſuche des Abbe Mazeas (Obſervations ſur des couleurs engendrées par le frottement des ſurfaces planes et transparentes, in den Mém. de l'acad. de Pruſſe 1752. p. 248. und vermehrt in den Mém. préſentés, To. II. p. 26.). Wenn man nemlich zwo polirte Glasplatten an einander reibt, ſo wird man bisweilen in der Mitte, bisweilen nach dem Rande hin, einen Widerſtand fuͤhlen, und da, wo ſich dieſer aͤußert, einige rothe und gruͤne krumme Linien bemerken. Bey laͤngerm Reiben148 werden derſelben mehr, und ſie verwandeln ſich endlich in Farbenringe. Dabey haͤngen die Glaͤſer ſehr ſtark zuſammen. Eben dies nebſt dem ſchwarzen Flecke in der Mitte nahm Mazeas noch ſchoͤner und deutlicher an zwey Priſmen wahr, die zuſammengelegt ein Parallelepipedum ausmachten. Die Hitze vertrieb dieſe Farben, obgleich die Glaͤſer noch immer feſt zuſammen hiengen; nach dem Abkuͤhlen kamen ſie wieder zum Vorſchein. Hingegen verſchwanden die Farben zuſammengedruͤckter Objectivglaͤſer nicht durch die Hitze. Auch konnte er bey flachen Glaͤſern ſelbſt uͤber dem Feuer die Farben wieder hervorbringen, wenn er ſie mit Zangen faßte und aufs neue rieb. Duͤ Dour (Mém. préſentés, Vol. II. und IV. ) hat dieſe und noch mehrere Verſuche hieruͤber wiederholt. Er bemerkt gegen Newton, daß die Luft zwiſchen den Glaͤſern keineswegs die Urſache der Farbenringe ſey, daß ſie vielmehr die Entſtehung derſelben hindere, wenn ſie ſich an das Glas anhaͤngt. An flachen Glaͤſern nemlich entſtehen die Farbenringe nicht eher, als bis die Luft recht vollkommen aus ihrer Stelle vertrieben iſt. Auch Muſſchenbroek (Introd. ad Philof. nat. Vol. II. §. 1837. ſqq. ) hat uͤber die Farbenringe zwiſchen erhitzten platten Glaͤſern Verſuche angeſtellt, die in einigen Umſtaͤnden von dem, was Mazeas angiebt, abweichen. Er laͤſt es am Ende ganz unentſchieden, woher dieſe Farbenringe entſtehen moͤgen. Vielleicht laſſen ſie ſich am beſten daraus erklaͤren, daß ſich das Licht an dieſen Stellen im Wirkungsraume zwoer Glasflaͤchen zugleich befindet, daher die Stralen von verſchiedener Gattung auf verſchiedene Art gebrochen und reflectiret werden.

Der Schluß von der Farbe auf die Dicke des Scheibchens, und der Satz von den Anwandlungen bleibt alſo noch ſehr vielen gegruͤndeten Zweifeln ausgeſetzt. So ſchoͤn und ſinnreich dieſe newtoniſchen Lehren ſind, ſo erklaͤren ſie doch auch die wahre Beſchaffenheit der Sache nicht, und haben zu viel Beziehung auf das Emiſſionsſyſtem, welches im Grunde doch nur eine Vorſtellungsart iſt, die man uͤber gewiſſe Grenzen nicht ausdehnen darf. 149Hypotheſen uͤber das Weſen der Farben.

Newton, vor deſſen Zeiten uͤber das Weſen der Farben gar nichts ertraͤgliches geſagt worden iſt, traͤgt in den ſeiner Optik beygefuͤgten Fragen (Ed. latin. Samuel Clarke. Lond. 1706. 4. Quaeſt. 21. p. 317.), in welchen er ſich ganz fuͤr das Emiſſionsſyſtem erklaͤrt, den Gedanken vor, es ließe ſich die Verſchiedenheit der Farben, und die Entſtehung der verſchiedenen Brechbarkeit des Lichts erklaͤren, wenn man annaͤhme, die Lichtſtralen beſtuͤnden aus Theilchen von verſchiedner Groͤße. Alsdann wuͤrden die kleinſten Theile die violette, als die dunkelſte und ſchwaͤchſte Farbe, geben, und zugleich durch die Wirkung der brechenden Flaͤchen am leichtſten von dem geraden Wege abgelenkt werden: die uͤbrigen Theile hingegen wuͤrden ſo, wie jede Claſſe derſelben groͤßer waͤre, die ſtaͤrkern und lebhaftern Farben, nemlich Blau, Gruͤn, Gelb und Roth geben, auch in eben dem Maaße immer ſchwerer von ihrem Wege abzulenken, d. i. weniger brechbar ſeyn. Die Anwandlungen des leichtern Durchgehens oder Zuruͤckprallens zu erklaͤren, duͤrfe man ſich nur die Lichtſtralen als kleine Theilchen vorſtellen, welche durch ihre Anziehung, oder ſonſt eine Kraft in den Koͤrpern, auf die ſie wirken, Schwingungen erregen; waͤren dieſe Schwingungen ſchneller, als die Stralen ſelbſt, ſo wuͤrden ſie die Geſchwindigkeit der Stralen abwechſelnd ſchwaͤchen und vergroͤßern, und alſo jene Anwandlungen in ihnen erzeugen. Da nun hievon die Farbe duͤnner Scheibgen abhaͤngt, ſo werden nach ihm erleuchtete Koͤrper nur diejenigen Gattungen von Stralen zuruͤckſenden, deren Farbe mit der Dicke ihrer duͤnnſten Blaͤttchen uͤbereinſtimmt, oder die beym Eingange in ihre Oberflaͤche in eine Anwandlung des leichtern Zuruͤckgehens verſetzt werden.

Man ſieht leicht, daß dieſe Erklaͤrung allzu gekuͤnſtelt iſt. Sie laͤſt ſich aber einfacher darſtellen, wenn man den Begrif von Anwandlungen hinweg laͤſt, und nur folgendes beybehaͤlt. Die kleinſten Theilchen des Lichts ſind am meiſten brechbar, und erregen im Auge die Empfindung von Violet; groͤßere ſind weniger brechbar, und erregen andere150 Farben, die groͤſten Theile geben Roth. Ein leuchtender Koͤrper zeigt eine gewiſſe Farbe, wenn er nur eine Art, oder einige Arten von Lichtſtralen ausſendet. Ein dunkler zeigt dieſe oder jene Farbe, wenn ſeine Oberflaͤche von dem Lichte, das ihn erleuchtet, nur Stralen dieſer oder jener Gattung zuruͤckwirft.

Euler hingegen (Nova theoria lucis et colorum, in Opuſc. varii arg. Berol. 1746. 4. ), welcher ſich einen Lichtſtral als eine Reihe von Schlaͤgen auf den Aether vorſtellet, ſetzt das Weſen der Farben in die Geſchwindigkeit, mit welcher dieſe Schlaͤge auf einander folgen. Er leitet aus ſeiner Hypotheſe uͤber die Urſache der Brechung (ſ. Brechung der Lichtſtralen) den Satz her, daß diejenigen Stralen, in welchen die Pulſus ſchneller auf einander folgen, weniger brechbar ſeyn muͤſſen, als die, worinn ſich die Schlaͤge langſamer ſuccediren; daher er denn dem rothen Lichte die groͤſte, dem violetten die geringſte Geſchwindigkeit der Schlaͤge zuſchreibt. In einer folgenden Schrift aber (Eſſai d'une explication phyſique des couleurs engendrées ſur des ſurfaces extremement minces, Mém. de l'Ac. de Pruſſe. 1752.) erinnert er, daß man die Sache auch umgekehrt erklaͤren koͤnne, und daß die rothen Stralen wahrſcheinlich durch eine kleinere Anzahl von Schwingungen hervorgebracht wuͤrden, als die violetten. Es iſt kein gutes Symptom bey einer Hypotheſe, wenn man einerley Sache auf zweyerley ganz entgegengeſetzte Arten aus ihr erklaͤren kan.

Das Zuſammengeſetzte des Sonnenlichts ſoll nach ihm nicht in der Miſchung mehrerer gefaͤrbten Stralen, ſondern darinn beſtehen, daß die Pulſus deſſelben nicht alle in gleichen Zeitraͤumen, ſondern manche ſchneller, manche langſamer, auf einander folgen. Die geſchwinder folgenden werden nun weniger, als die uͤbrigen, gebrochen, und ſo entſtehen durch das Brechen aus einem Strale mehrere. Leuchtende Koͤrper zeigen eine gewiſſe Farbe, wenn ihre zitternden Theile dem Aether Schlaͤge von gewiſſen Geſchwindigkeiten eindruͤcken. Iſt die Bewegung nicht heftig, und folgen ſich alſo die Schlaͤge langſam, ſo entſtehen blaue151 Farben, wie bey der Flamme des Weingeiſts: heftigere und ſchnellere Schwingungen erzeugen gelbe und rothe Farben. Daher auch die Flamme eines Lichts unten blau, in der Mitte gelb, oben roth iſt. Dieſe Erklaͤrung iſt ſehr leicht und ungezwungen.

Dunkle Koͤrper ſehen roth aus, wenn die meiſten Theile auf ihrer Oberflaͤche die Spannung haben, daß ſie dem Aether diejenige Geſchwindigkeit eindruͤcken, welche der rothen Farbe zugehoͤrt u. ſ. w. Weiß iſt ein Koͤrper, wenn er dem Aether Schlaͤge mit allerley proportionirlichen Geſchwindigkeiten mittheilt; ſchwarz, wenn er ihm gar keine eindruͤckt. Ueberhaupt iſt nach Eulern das Licht, wodurch ein farbiger Koͤrper ſichtbar wird, nicht mehr ein Theil desjenigen Lichts, das ihn erleuchtet, ſondern es beſteht aus neuen auf der Oberflaͤche des Koͤrpers erſt erregten Schwingungen. Zinnober ſieht roth aus, nicht weil er einen Theil der Schwingungen des Sonnenlichts zuruͤckſendet, ſondern weil die Schlaͤge des Sonnenlichts ſeine Oberflaͤche in Bewegung ſetzen, die in dem Aether hinwiederum neue Schlaͤge mit der zur rothen Farbe erforderlichen Geſchwindigkeit hervorbringt. Zuruͤckwerfende und durchſichtige Koͤrper hingegen pflanzen die Schwingungen des auffallenden Lichts ſelbſt fort. So zerfallen alle Koͤrper in Abſicht auf das Licht in vier Claſſen: Leuchtende, Zuruͤckwerfende, Durchſichtige, Undurchſichtige oder Dunkle.

Dieſe Euleriſche Theorie macht aus den Farben fuͤr das Auge dasjenige, was die Toͤne fuͤr das Ohr ſind, Vibrationen eines elaſtiſchen Mittels, die ſich mit gewiſſen Geſchwindigkeiten folgen, wobey Violet der tiefere, Roth der hoͤhere Ton, Weiß ein Gemiſch von allen Toͤnen, gleichſam ein Schall ohne beſtimmten Ton iſt. Dieſes ganze Syſtem, welches das Licht dem Schalle aͤhnlich macht, iſt in Eulers Briefen an eine deutſche Prinzeſſin uͤber verſchiedene Gegenſtaͤnde der Phyſik und Philoſophie (I. Th. 17. u. f. Briefe) ſehr faßlich vorgetragen.

Es wird wenige Erſcheinungen geben, die ſich nicht eben ſowohl nach dem Emiſſionsſyſtem als nach Eulers Theorie152 faſt mit gleicher Leichtigkeit erklaͤren ließen. Man ſ. den Artikel: Licht. Inzwiſchen bleibt Eulers Meinung, was die Farben betrift, dem ſtarken Einwurfe ausgeſetzt, daß die Brechbarkeit einer Gattung von Stralen gar nicht von der Brechbarkeit einer andern Gattung abhaͤngt (ſ. Farbenzerſtreuung), welches doch wohl geſchehen muͤſte, wenn Groͤße der Brechung und Farbe, beydes zugleich, von beſtimmten Geſchwindigkeiten in der Succeſſion der Schlaͤge herkaͤme. Auch laͤſt ſich gegen Eulers Farbentheorie eine wichtige Einwendung daraus herleiten, daß es gemiſchte Farben giebt, z. B. Gruͤn aus Gelb und Blau, die den einfachen gleich ſehen, und doch weſentlich von ihnen unterſchieden ſind, weil ſie ſich durchs Prisma wieder in die Grundfarben, aus denen ſie entſtanden ſind, z. B. in Gelb und Blau, zerlegen laſſen, da die einfache Farbe unzerleglich bleibt. Denn wenn das, was dem Auge gruͤn ſcheint, Schlaͤge von gewiſſer Geſchwindigkeit vorausſetzt und die Groͤße der Brechung von dieſer Geſchwindigkeit abhaͤngt, wie kan dieſelbe in dem einen Falle zwo verſchiedene Richtungen des gebrochnen Lichtſtrals veranlaſſen, und ſich in zwo andere Geſchwindigkeiten, eine groͤßere und eine kleinere, trennen, im andern Falle aber unveraͤndert bleiben? Oder um das Gleichniß zwiſchen Farben nnd Toͤnen beyzubehalten: wie kan aus zween Toͤnen, die einen muſikaliſchen Accord ausmachen (C und E), etwas entſtehen, das einem dritten, zwiſchen beyde vorige fallenden, Tone D gleich iſt? Und, wie kan es einen Fall geben, wo der Ton D in C und E zerlegt wird? Beyde Syſteme, ſowohl Newtons als Eulers, bleiben alſo noch immer Schwierigkeiten ausgeſetzt, und man muß es unentſchieden laſſen, ob das Weſen der Farben in der verſchiedenen Groͤße der Theile des Lichts, oder in der verſchiedenen Geſchwindigkeit der Schlaͤge, oder nach dem Gedanken eines neuern Schriftſtellers (Die Erzeugung der Farben, eine Hypotheſe von C. F. Weſtfeld. Goͤttingen, 1767. 8. ) in der verſchiedenen Erwaͤrmung der empfindenden Faſern der Netzhaut beſtehe. 153Veraͤnderungen der Farben.

Es kan die Lage oder die Spannung der Theile auf der Oberflaͤche, oder auch im Innern eines Koͤrpers, ſo geaͤndert werden, daß er dem Auge eine andere Farbe, als vorher, zuſchickt. Solche Veraͤnderungen der Farben der Koͤrper bringt die Natur taͤglich hervor, und die Kunſt thut es ebenfalls bey dem Faͤrben und Malen, wobey die Oberflaͤchen entweder mit Pigmenten beſtrichen, oder durch chymiſche Mitttel auf eine zweckmaͤßige Art veraͤndert werden. Ein Hauptbuch hieruͤber iſt Hellors Faͤrbekunſt, aus dem Franz. uͤberſetzt von Kaͤſtner, Altenburg 1765. 8.

Beſonders laſſen ſich durch Vermiſchungen verſchiedener Liquoren viele auffallende Veraͤnderungen der Farben hervorbringen. Daß die blauen Pflanzenſaͤfte, z. B. der Violenſyrup, von den Saͤuren roth, von den Alkalien hingegen gruͤn gefaͤrbt werden, und daß die Vitriolaufloͤſungen mit den zuſammenziehenden Decocten aus dem Pflanzenreiche eine ſchwarze Farbe oder Dinte geben, iſt allgemein bekannt.

Mehrere Veraͤnderungen dieſer Art findet man in Boerhave's Chemie und Muſſchenbroek (Introd. in Philoſ. nat. To. II. §. 1845.) angezeigt. Man gieße etwas Weingeiſt auf rothe Roſen, und laſſe ihn nur kurze Zeit darauf ſtehen, ſo daß er noch weiß bleibt. Vermiſcht man ihn alsdann mit einem Troͤpfchen von ſaurem Geiſte, z. B. Vitrioloͤl, Kochſalzgeiſt, Scheidewaſſer, in ſo geringer Menge, daß man es kaum ſehen kan, ſo nimmt der weiße Aufguß augenblicklich die ſchoͤnſte Roſenfarbe an. Troͤpfelt man hierauf etwas Potaſchenlauge oder Salmiakgeiſt hinzu, ſo erhaͤlt man ein ſchoͤnes Gruͤn: vermiſcht man aber den Roſenaufguß mit aufgeloͤſtem Vitriol, ſo entſteht eine ſchwarze Dinte.

Dunkelblaues Papier leicht mit Scheidewaſſer beſtrichen, wird roth. Verduͤnnt man gewoͤhnlichen Veilchenſyrup mit Waſſer, vertheilt ihn in zwey Glaͤſer, und thut zn dem einen eine Saͤure, zum andern ein Laugenſalz hinzu, ſo wird er in jenem roth, in dieſem gruͤn. Gießt man aber beyde zuſammen, ſo erhaͤlt man einen blanen Liquor. Loͤſet154 man etwas blauen Vitriol in vielem Waſſer auf, ſo daß das Ganze hell und durchſichtig bleibt, und gießt hernach ein wenig Salmiakgeiſt hinzu, ſo erhaͤlt der Liquor eine ſchoͤne blaue Farbe; ein wenig hineingetroͤpfeltes Scheidewaſſer nimmt ihm dieſe wieder, und ſtellt die vorige Helle und Durchſichtigkeit her. Wenn man in eine Zinnaufloͤſung im Koͤnigswaſſer, welche mit Waſſer verduͤnnt iſt, einige Tropfen Goldaufloͤſung fallen laͤſt, ſo erſcheint eine ſehr ſchoͤne Purpurfarbe, u. ſ. w. Die Gruͤnſpanaufloͤſung wird farbenlos durch Vitriolgeiſt, purpurfarbig durch Salmiakgeiſt, wieder durchſichtig durch Vitrioloͤl. Durch aͤhnliche Mittel kann man alle Farben darſtellen. (S. Farbenverwandlung, oder Anleitung, durch Vermiſchung zweyer waſſerhellen Fluͤſſigkeiten alle Hauptfarben augenblicklich darzuſtellen von Tilebein, in Crells chemiſchen Annalen von 1785. II. Stuͤck.)

Hieher gehoͤren auch die ſogenannten ſympathetiſchen Dinten, deren Schrift nur durch gewiſſe Veranſtaltungen ſichtbar wird. Man loͤſe Silberglaͤtte in deſtillirtem Weineſſig auf, ſchreibe die Buchſtaben damit, und trockne ſie im Schatten, ſo wird man nichts von ihnen ſehen. Taucht man aber einen Pinſel in Kalkwaſſer, worinn Operment aufgeloͤſet iſt, und uͤberfaͤhrt ſie damit, ſo werden ſie erſt gelb, und dann ſchwarz. Mit Scheidewaſſer uͤberſtrichen verſchwinden ſie wieder. Man mache eine Goldſolution in Koͤnigswaſſer, ingleichen eine Zinnſolution in eben dergleichen, und verduͤnne beyde mit fuͤnfmal ſo viel Waſſer. Buchſtaben mit der erſten Solution geſchrieben und im Schatten getrocknet, bleiben unſichtbar; uͤberfaͤhrt man ſie aber mittelſt eines Pinſels mit der letztern Solution, ſo werden ſie purpurfarbig. Wird eine Solution von Zinkerz, taubenhaͤlſigem Wismutherz, oder Kobalterz in Scheidewaſſer, mit Waſſer verduͤnnt, mit Kochſalz vermiſcht und abgeklaͤrt, ſo ſind die damit geſchriebenen Buchſtaben unſichtbar, ſo lange ſie kalt ſind, werden aber blaͤulich gruͤn, wenn man ſie ein wenig uͤber Kohlen erwaͤrmet, und verſchwinden wieder beym Erkalten.

Newton Optice. L. I. P. 2. L. II. P. 1. 2. 3. 155

Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel, an mehreren Stellen.

Montucla hiſt. des mathematiques, To. II. P. IV. L. 9.

Erxleben Anfangsgr. der Naturlehre durch Lichtenberg, §. 362 381.

Briſſon Dict. raiſ. de Phyſique, Art. Couleurs.

Farben, zufaͤllige, Colores accidentales, Couleurs accidentelles.

Erſcheinungen von Farben, welche nicht dem Licht eigenthuͤmlich ſind, ſondern von eiuer beſondern Beſchaffenheit oder einem beſondern Zuſtande des Auges herkommen. Man ſetzt ſie den natuͤrlichen vom Lichte ſelbſt herruͤhrenden entgegen, von welchen im vorigen Artikel gehandelt worden iſt. Herr von Buffon (Diſſ. ſur les couleurs accidentelles, in den Mém. de l'Acad. des Sc. 1743. p. 147. uͤberſ. im Hamburgiſchen Magazin, I. Band, S. 425.) hat dieſen Unterſchied zuerſt gemacht, und die Benennung eingefuͤhret; ob er gleich ſelbſt bemerkt, daß D. Jurin ſchon einige hieher gehoͤrige Beobachtungen aufgezeichnet habe.

Als er eine lange Zeit ein rothes Viereck auf einem weißen Grunde angeſehen hatte, erſchien ihm um daſſelbe ein blaßgruͤner Rand, und da er nun die Augen weg und auf den weißen Grund wendete, ſahe er auf demſelben ein gruͤnes Viereck. So brachte Gelb auf weißem Grunde ein blaſſes Blau, Gruͤn ein blaſſes Purpur, Blau ein blaſſes Roth, Schwarz ein helleres Weiß, als der Grund ſelbſt, und Weiß auf ſchwarzem Grunde ein noch dunkleres Schwarz hervor.

Als er das rothe Viereck auf weißem Grunde wiederum unverwandt betrachtete, zeigte ſich zuerſt der erwaͤhnte blaßgruͤne Rand; hierauf ward das Viereck in der Mitte blaß, und an den Raͤndern ſtaͤrker roth, ſo daß gleichſam ein dunkelrother Rahmen die blaͤſſere Mitte zu umgeben ſchien. Als er ſich ein wenig entfernte, theilte ſich der dunkelrothe Rahmen an allen vier Seiten in zween Theile, daß dadurch uͤber das Viereck ein eben ſo dunkelrothes Kreuz gezogen zu werden ſchien. Er fuhr noch immer fort, darauf zu ſehen, und das Ganze verwandelte ſich in ein Rechteck, von156 gleicher Hoͤhe mit dem Vierecke, aber nur den ſechſten Theil ſo breit, und ſo lebhaft roth, daß es das Auge blendete.

Als er nun das Auge weg auf eine andere Stelle des weißen Grundes wandte, ſahe er daſelbſt das Bild dieſes Rechtecks lebhaft gruͤn. Der Eindruck dauerte ſehr lang, und blieb noch im Auge, wenn es geſchloſſen ward. Aehnliche Erſcheinungen zeigten ſich auch, wenn er gelbe und ſchwarze Vierecke betrachtete, nur daß der letzte Eindruck alsdann ein blaues oder weißes Rechteck darſtellte. Auch ſeine Freunde, die dieſe Verſuche nachmachten, ſahen eben dieſelben Erſcheinungen.

Fiel die zufaͤllige gruͤne Farbe, welche von dem Anſchauen des rothen entſtanden war, auf einen hellrothen Grund, ſo verwandlete ſie ſich in Gelb, die blaue, wenn ſie auf einen gelben Grund fiel, ward gruͤn u. ſ. w. Alle dieſe zufaͤllige Farben ruͤhren augenſcheinlich davon her, daß der Eindruck, den die Farben auf der Netzhaut machen, noch eine Zeitlang nach dem Anſchauen fortdauret.

Aepinus (Obſervationes quaedam ad Opticam pertinentes, in Comm. Petrop. nov. To. X. p. 282.) zieht aus ſeinen Beobachtungen uͤber die zufaͤlligen Farben den Satz, daß der lebhafte Eindruck, den das Auge durch das Anſchauen der Sonne oder eines leuchtenden Koͤrpers uͤberhaupt erhaͤlt, zuerſt ein gelbes, dann ein gruͤnes und zuletzt ein blaues Bild darſtelle eine Bemerkung, die auch de la Hire (Sur les diff. accidens de la vue, Mém. de l'Acad. des Sc. 1694.) ſchon gemacht hat. Man ſieht hieraus deutlich, daß der Eindruck des Lichts, wenn ihn der Gegenſtand ſelbſt nicht mehr unterhaͤlt, allmaͤhlich ſchwaͤcher wird, und erkennt zugleich die Ordnung, in welcher die Farben in Abſicht auf die Staͤrke ihrer Wirkung ins Auge abnehmen.

Beguelin (Sur la ſource d'une illuſion du ſens'de la vue, in den Nouv. Mém. de l'Ac. de Pruſſe. 1771. p. 8.) bemerkte einmal, als er die niedrigſtehende Sonne im Geſicht hatte, und eine im Schatten liegende Schrift las, daß ſich die ſchwarzen Buchſtaben in hellrothe zu verwandlen ſchienen. Er erklaͤrt dieſe Erſcheinung ſehr richtig. Wenn man die Sonne im Geſicht hat, ſchließt man, um das Licht157 zu ſchwaͤchen, die Augen, und der Glanz der Sonne, der durch die mit Blutgefaͤßen angefuͤllten Augenlieder faͤllt, erweckt auf der Netzhaut die Empfindung der rothen Farbe. Man kan ſich hievon verſichern, ſo oft man will, wenn man die zugeſchloßnen Augen gegen die Sonne wendet. Sieht man in dieſem Zuſtande des Auges auf eine im Schatten liegende Schrift, ſo bleibt zwar das Papier wegen der ſtarken Zuruͤckwerfung des Lichtes weiß; die ſchwarzen Buchſtaben aber, welche wenig oder gar kein Licht ins Auge ſenden, laſſen den Stellen der Netzhaut, auf die ſie fallen, die Empfindung der rothen Farbe. Vielleicht iſt auf dieſe Art die Erſcheinung von Blutstropfen auf den Wuͤrfeln entſtanden, welche Heinrich IV. ſahe, als er mit dem Herzog von Guiſe im Bret ſpielen wollte, und welche de Thou und der P. Daniel erzaͤhlen.

Noch einige hiemit zuſammenhaͤngende Bemerkungen wird man bey dem Worte: Geſichtsfehler, finden.

Farbenbild, prismatiſches, gefaͤrbtes Sonnenbild, Imago Solis colorata, Spectrum coloratum, Image colorèe, Spectre colorè. Wenn man in einem verfinſterten Zimmer das durch ein kleines Loch F (Taf. IV. Fig. 68.) einfallende Sonnenlicht durch ein dreyeckigtes glaͤſernes Prisma ABC auffaͤngt, ſo gehen die Stralen, welche vorher parallel waren, nach dem Brechen aus einander, wie AB, CT. Faͤngt man dieſe gebrochnen Stralen an der Wand, oder mit einem Papier auf, ſo machen ſie darauf ein laͤnglich viereckigtes Bild PT, das oben und unten mit krummen Linien begrenzt iſt, und viele ſich in einander verlaufende Farben zeigt, deren kenntlichſte Abſtufungen, von T bis P gerechnet, Roth, Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Indigo, Violet ſind. Dieſes Bild fuͤhrt den Namen des Farbenbilds.

Obgleich dieſes Farbenbild ſchon laͤngſt bekannt geweſen war (ſ. Prisma), ſo hatte man doch auf die laͤngliche Geſtalt deſſelben keine weitere Aufmerkſamkeit gewendet. Grimaldi (De lumine, colorib. et iride. Bonon. 1665. 4. ) machte zuerſt die Bemerkung, daß der Lichtſtral durch die158 doppelte Brechung beym Ein - und Ausgange im Prisma aus einander gebreiter werde, welches er durch Figuren (p. 235.) ganz wohl erklaͤret. Er zeigt auch, daß der ſchiefe Winkel des Prima hiezu weſentlich nothwendig ſey, weil beym Durchgange durch ein Glas mit parallelen Flaͤchen die ausfahrenden Stralen den einfallenden parallel und far benlos ſeyn wuͤrden (p. 272.). Er braucht ſogar ſchon den Ausdruck, daß im Prisma ein Theil des Strales mehr gebrochen werde, als der andere. Aber er verſteht hierunter nicht eine verſchiedene Brechbarkeit der Theile, aus denen der Stral zuſammengeſetzt iſt, ſondern nur der beyden Seiten deſſelben.

Newton, der ſich im Jahre 1666 mit Schleifung optiſcher Glaͤſer beſchaͤftigte, und ſich dabey ein glaͤſernes Prisma angeſchaft hatte, beluſtigte ſich im verfinſterten Zimmer an den lebhaften und brennenden Farben des Bildes, als ihm auf einmal die laͤngliche Geſtalt deſſelben als etwas ſehr wunderbares auffiel. Ein leichtes Nachdenken lehrte ihn, daß dieſe Geſtalt nach den gemeinen Geſetzen der Brechung kreisrund ſeyn ſollte, weil die Oefnung im Fenſterladen ein Kreis war. Statt deſſen fand er die Seiten des Farbenbilds geradlinigt, die Enden mit Halbkreiſen begrenzt, und die Laͤnge etwa fuͤnfmal groͤßer, als die Breite. Dies ſetzte ihn um deſto mehr in Verwunderung, da ihm Grimaldi's erſt im vorhergehenden Jahre erſchienenes Buch noch unbekannt war.

Er gab ſich viele Muͤhe, die Urſache dieſer Erſcheinung zu entdecken. Zuerſt rieth er auf einen Unterſchied in der Dicke und Beſchaffenheit des Glaſes, auf Einwirkung der benachbarten Dunkelheit in das Licht, auf allerley zufaͤllige unregelmaͤßige Urſachen, aber die ſcharfſinnigen Proben, denen er dieſe Vermuthungen unterwarf, zeigten ihm, daß ſie alle ohne Grund waͤren. Er ſtellte daher eine genaue Ausmeſſung und Berechnung aller bey ſeinem Verſuche vorkommenden Linien und Winkel an, beſtimmte daraus das Brechungsverhaͤltniß fuͤr das Prisma, wie 31 zu 20, und fand, daß nach den gewoͤhnlichen Geſetzen das Bild ein Kreis von 2 3 / 8 Zoll Durchmeſſer ſeyn, und einen dem Sonnendurchmeſſer159 gleichen Winkel von 31 Min. an der Oefnung uͤberſpannen ſollte. Nun war zwar die Breite des Bilds, von einer Seitenlinie zur andern gerechnet, wirklich 2 3 / 8 Zoll; die Laͤnge aber war 13 Zoll, und uͤberſpannte an der Oefnung im Laden einen Winkel von 49′. Dieſe Abweichung war zu groß, als daß er ſie von blos zufaͤlligen Urſachen haͤtte herleiten, oder die laͤngliche Geſtalt aus den ungleichen Einfallswinkeln der Stralen, die von verſchiedenen Punkten der Sonnenſcheibe kamen, erklaͤren koͤnnen. Nach einigen andern ebenfalls durch die Pruͤfung widerlegten Muthmaßungen zeigte ihm endlich ſein entſcheidender Verſuch (ſ. den Artikel: Brechbarkeit, Num. 2.) die wahre Urſache des Phaͤnomens. Sie liegt darinn, daß das Licht bey der Brechung in eine unzaͤhlbare Menge von Farbenſtralen zerſpalten wird, fuͤr deren jeden ein anderes Brechungsverhaͤltniß ſtatt findet.

Sind alle Stralen gleich brechbar, wie dies vor Newtons Entdeckung in der Theorie angenommen ward, ſo muß das im finſtern Zimmer aufgefangene Sonnenlicht, auf einer gegen ſeinen Weg ſenkrecht gehaltenen Tafel, auch nach der Brechung durch ein Prisma ein kreisrundes Sonnenbild darſtellen. Hat aber jeder einfache Farbenſtral ſeinen eignen Grad der Brechbarkeit, ſo gilt dieſer Satz nur noch von denen Stralen, die unter ſich gleich brechbar ſind, d. i. von denen, die einerley Farbe zeigen. Mithin entwerfen die rothen Stralen fuͤr ſich ein eignes kreisrundes Sonnenbild, die blauen ein anderes, die gruͤnen ein anderes u. ſ. w. und es entſtehen anſtatt eines einzigen Bildes ſo viele, als Farben ſind, d. i. unzaͤhlige.

In der Taf. IV. Fig. 68. angenommenen Stellung des Prisma, da ſich der brechende Winkel C unterwaͤrts kehret, ſammlen ſich die rothen Stralen, welche am wenigſten gebrochen werden, unten bey T, die violetten am meiſten gebrochnen oben bey P. Wenn man ſich nun, wie Taf. VIII. Fig. 21

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., fuͤr die ſieben kenntlichſten Abſtufungen der prismatiſchen Farben ſieben uͤber einander ſtehende Kreiſe von gleichem Durchmeſſer gedenkt, und mit Huͤlfe der Einbildungskraft unzaͤhlbare dazwiſchen fallende Kreiſe fuͤr160 die Zwiſchenfarben hinzufuͤgt, ſo hat man das Farbenbild PT mit den geradlinigten Seiten und halbkreisfoͤrmigen Enden bey P und T, vollkommen ſo, wie es Newton beobachtete. Die verſchiedenen Farbenſtralen im Sonnenlichte entwerfen eine unendliche Menge von kreisrunden Bildern, die ſich nach den verſchiedenen Graden der Brechbarkeit uͤber einander ordnen, und ſo das Farbenbild ausmachen.

Kan man dieſe Kreiſe, ohne die Lage ihrer Mittelpunkte zu veraͤndern, im Durchmeſſer kleiner machen, wie bey pt, ſo werden ſie nicht mehr ſo ſehr in einander greifen, und man wird die eigentlichen Stellen der Hauptfarben deutlicher unterſcheiden koͤnnen. Dies erhielt Newton durch folgendes Mittel. Er fieng die Stralen, welche durch die Oefnung des Ladens einfielen, ohngefaͤhr 10 12 Fuß von dem Fenſter mit einem Linſenglaſe auf, ſtellte gleich hinter daſſelbe das Prisma, und bewegte das Papier, worauf er das Farbenbild auffieng, ſo lange hin und her, bis er den Ort fand, wo die Seitenlinien des Bilds recht ſcharf erſchienen. Durch das Linſenglas nemlich ward jedes Sonnenbild verkleinert und gleichſam zuſammen gezogen; die Laͤnge des Farbenbilds aber, welche von dem Einfallswinkel der Stralen am Prisma abhaͤngt, blieb unveraͤndert, wenn dieſer Einfallswinkel der vorige blieb. So konnte er die Breite des Bilds bisweilen 60 oder 70mal kleiner, als die Laͤnge machen.

Anſtatt des kreisrunden Lochs im Laden koͤnnte man nach ſeinem Vorſchlage ein viereckigtes gebrauchen, ein Rechteck, deſſen lange Seite dem Prisma parallel waͤre. So entſtuͤnden ſtatt der Kreiſe farbige Rechtecke, in welchen man die Hauptfarben noch deutlicher wuͤrde unterſcheiden koͤnnen. Auch ſchlaͤgt er die Geſtalt eines gleichſchenklichten Dreyecks vor, das die Spitze nach der einen Seite kehret, wobey die dreyeckigten Bilder an den Spitzen gar nicht in einander laufen, dagegen aber auch ſehr ſchwache Farben geben wuͤrden.

Nachdem er die Seitenlinien AF, GM, Taf. VIII. Fig. 21

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recht ſcharf begrenzt erhalten hatte, zeichnete er den Umriß161 FAGMTF auf ein Papier, und ließ das Bild genau auf die Zeichnung fallen. Darauf muſte ein Gehuͤlfe, deſſen Auge die Farben ſehr ſcharf unterſchriden konnte, die Grenzen jeder Hauptfarbe bey a, g, e, h, i, l mit Querlinien angeben. Dieſe Arbeit wurde oft wiederholet, und die Reſultate trafen immer ſehr wohl zuſammen.

So fand er, wenn GM bis K verlaͤngert, und MK = GM genommen, das ganze GK aber ſo eingetheilt ward, daß GK, lK, iK, hK, eK, gK, aK, MK ſich wie 1, 8 / 9, 5 / 6, 3 / 4, 2 / 3, 3 / 5, (9 / 16), 1 / 2 verhielten, in dem Zwiſchenraume Ma Roth, in ag Orange, in ge Gelb, in eh Gruͤn, in hi Blau, in il Indigo, in lG Violet. Es faͤllt ſogleich in die Augen, daß dieſe Zwiſchenraͤume auf eine bewundernswuͤrdige Art mit den Zahlen der weichen muſikaliſchen Tonleiter uͤbereinſtimmen, indem die angefuͤhrten Zahlen die Laͤngen der Saiten fuͤr den Grundton, die große Secunde, kleine Terz, Quarte, Quinte, große Sexte, große Septime und Ober - Octave ausdruͤcken.

Da man hier ohne merklichen Fehler die Unterſchiede der Sinus der Brechungswinkel den Zwiſchenraͤumen Ma, ag u. ſ. w. proportional ſetzen kan, und Newtons Abmeſſungen die Brechungsverhaͤltniſſe der am meiſten und am wenigſten brechbaren Stralen beym Uebergange aus Glas in Luft, wie 50 zu 78 und wie 50 zu 77 gegeben hatten, ſo giebt der Unterſchied zwiſchen 77 und 78, in eben den Verhaͤltniſſen, wie die Linie GM eingetheilt, die Brechungsſinus der Farbenſtralen aus Glas in Luft, 77, 77 1 / 8, 77 1 / 5, 77 1 / 3, 77 1 / 2, 77 2 / 3, 77 7 / 9, 78. Z. B. fuͤr alle Arten von Stralen, welche die Empfindung der rothen Farbe erregen, iſt das Brechungsverhaͤltniß zwiſchen den Grenzen 50: 77 und 50: 77 1 / 8 enthalten, und ſo bey allen uͤbrigen Farben.

Hieraus erklaͤrt ſich nun auch leicht der farbige Fleck, den man wahrnimmt, wenn das Sonnenlicht unter freyem Himmel, oder in nicht verdunkelten Zimmern durch ein Prisma, oder ein Glas mit nicht parallelen Seiten hindurch faͤllt. Dieſer Fleck beſteht aus einer großen Menge uͤber und neben einander liegender Farbenbilder. Es ſey (Taf. VIII. Fig. 19.) ABC ein Prisma, worauf das Sonnenlicht162 Ff faͤllt. Das gebrochne Licht werde in MN aufgefangen. Hier moͤgen die violetten Stralen den Raum Pp, die gruͤnen Qq, die rothen Tt einnehmen, die andern Gattungen in ihrer Ordnung die dazwiſchen fallenden Raͤume. Iſt MN dem Prisma ſo nahe, daß die Raͤume PT und pt nicht in einander fallen, ſo wird der Raum Tp von Stralen jeder Gattung in gehoͤrigem Verhaͤltniſſe erfuͤllt und folglich weiß ſeyn. Aber die Raͤume TP und pt bekommen nicht alle Arten von Stralen, und erſcheinen alſo gefaͤrbt. Ueber T fangen zuerſt die rothen und gelben Stralen an zu fehlen, daher eine blaßgruͤne Farbe entſteht, und bey P ſind nur noch blaue Stralen da. Unter p hingegen fangen die blauen Stralen an zu mangeln, es zeigt ſich daher Blaßgelb und bey t nur noch Roth. Alſo folgen die Farben von P bis t in dieſer Ordnung: Violet, Indigo, Blau, Blaßgruͤn, Weiß, Blaßgelb, Orange, Roth. So zeigt ſie auch die Erfahrung.

Haͤlt man das Papier weiter ab in mn, hinter X, wo die Raͤume PT und pt in einander fließen, ſo fehlen in der Mitte pT die violetten und rothen Stralen; daher verſchwindet die Weiße, und die mittlern Stralen bilden ein deſto lebhafteres Gruͤn, uͤber welchem ſich bis P die blauen, unten bis t die gelben und rothen Stralen zeigen muͤſſen. Auch dies wird durch die Erfahrung beſtaͤtiget.

Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel, S. 184. u. f.

Farbenclavier

Clavecin oculaire. Ein vorgeſchlagnes aber noch nie ausgefuͤhrtes Werkzeug zu Hervorbringung einer ſogenannten Farbenmuſik, wobey das Auge durch die Mannigfaltigkeit von Farben eben ſo ergoͤtzt werden ſollte, wie das Ohr bey einer Muſik durch die Mannigfaltigkeit der Toͤne.

Es iſt im vorhergehenden Artikel erwaͤhnt worden, daß nach Newtons Entdeckungen die Verhaͤltniſſe der Brechung bey den Farben den Verhaͤltniſſen der muſikaliſchen Toͤne in der Octave aͤhnlich ſind. Der P. Caſtel, ſonſt ein eifriger Gegner Newtons, glaubte in dieſer Aehnlichkeit der Farben mit den Toͤnen den Grund zu einer Farbenmuſik163 zu finden. Unter dem Titel: Clavecin Oculaire gab er im Jahre 1725 eine Schrift heraus, in der er dieſes Syſtem mit vielem Witze und einer feurigen Einbildungskraft ausſchmuͤckt, und in den Farbtn harte und weiche Tonarten, Conſonanzen und Diſſonanzen, Melodie und Harmonie, diatoniſches, chromatiſches und enharmoniſches Genus finden will. Dieſer Gedanke hat einiges Aufſehen gemacht, und mag wohl noch gegenwaͤrtig ſeine Vertheidiger haben; wenigſtens hat ihn Briſſon in ſeinem Woͤrterbuche von der gefaͤlligſten Seite vorzuſtellen geſucht. Auch Kruͤger (Hamburgiſches Magazin I. B. 4 St.) hat einige Ideen von einem Farbenclaviere, vielleicht blos im Scherze, gegeben.

Herr von Mairan (Mém. de l'Acad. de Paris. 1737. p. 61.) hat zum Ungluͤcke fuͤr die Vervielfaͤltigung des ſinnlichen Vergnuͤgens, ſehr uͤberzeugend dargethan, daß dieſer Gedanke des P. Caſtel ein bloßes Spiel der Phantaſie ſey und bleiben werde. Er zeigt eine zahlreiche Menge von weſentlichen Verſchiedenheiten zwiſchen Farben und Toͤnen, in Abſicht auf die Empfindungen, die ſie uns erregen, und beſchließt dieſe Vergleichung mit den Worten: Die Aehn lichkeit des Lichtes und des Schalles, und ihrer Modifi cationen, koͤmmt am Ende blos auf gewiſſe aͤußerliche phyſikaliſche und mathematiſche Verhaͤltniſſe hinaus, die eine hoͤchſt entfernte Beziehung auf ihre in die Sinne fal lenden Eigenſchaften haben. In der That haben auch die Malerey und Muſik von jeher ganz verſchiedene Mittel agewandt, uns zu vergnuͤgen; jene die contraſtirenden Ruheſtellen und das Nebeneinanderliegen der Farben, dieſe die beſtaͤndige langſamer oder geſchwinder fortſchrei tende Folge der Toͤne und Accorde.

Farbendreyeck, Farbenpyramide

Triangulum chromaticum, Pyramis chromatica, Chromatoſcopium, Triangle chromatique, Pyramide chromatique. Eine mathematiſche Anordnung der gemiſchten Farben, welche ſich aus drey Hauptfarben zuſammenſetzen laſſen Sie hat die Abſicht, den ſo vielfach verſchiedenen Farben beſtimmte Benennungen164 geben, und jede genannte Farbe auf eine und eben dieſelbe Art wieder hervorbringen zu koͤnnen, welches nicht allein fuͤr die Kunſt, ſondern auch fuͤr die Naturgeſchichte bey den Beſchreibungen der natuͤrlichen Koͤrper ein Gegenſtand von großer Wichtigkeit iſt.

Die prismatiſchen Farben ſind zwar alle einfach; es laſſen ſich aber gemiſchte, die den meiſten von ihnen gleich ſind, aus Zuſammenſetzungen von Roth, Gelb und Blau hervorbringen, die man noch verſchiedentlich erhoͤhen kan, je mehr oder weniger Weiß man zuſetzt; dagegen man Roth, Gelb und Blau aus Miſchungen anderer Farben nicht erhalten kan. In dieſer Ruͤckſicht heißen die genannten drey, einfache oder urſpruͤngliche Farben (colores ſimplices ſ. primitivi), die uͤbrigen gemiſchte (ſecundarii), wobey freylich die Benennungen, einfach und gemiſcht, in einem andern Sinne genommen werden, als oben bey dem Worte: Farben, unter dem Abſchnitte: Newtons Entdeckungen uͤber die Farben, Num. 5.

Man denke ſich nun ein gleichſeitiges Dreyeck rbg, Taf. IX. Fig. 22., das durch eine Theilung ſeiner Seiten in eine Anzahl gleicher Theile (eigentlich in unendlich viele), in lauter kleine Faͤcher zerlegt iſt. Die drey Faͤcher an den Ecken r, b, g enthalten die einfachen Farben Roth, Blau, Gelb, deren Staͤrke daſelbſt = 1 ſey. In den uͤbrigen Faͤchern ſeyen die Farben r, b, g, in dem Verhaͤltniſſe der Perpendikel, welche ſich von den Seiten des Fachs auf die Seiten des ganzen Dreyecks faͤllen laſſen, vorhanden; z. B. das in der Figur mit Linien ausgezeichnete Fach enthalte zween Theile Roth, zween Theile Blau und einen Theil Gelb, ſo wird man die hieraus entſtehende gemiſchte Farbe nach Mayer durch rbg oder nach Lichtenberg durch 2r+ 2b+g ausdruͤcken koͤnnen. Und wenn die Seiten in unendlich viele Theile zerlegt ſind, ſo zeigt die geometriſche Betrachtung leicht, daß ſolchergeſtalt alle moͤgliche Farben, die aus r, b, g, gemiſcht werden koͤnnen, in den Faͤchern des Dreyecks enthalten ſind, weil ſich fuͤr jede beliebige drey Coefficienten von r, b, g, ein Punkt im Dreyecke angeben165 laͤſt, deſſen ſenkrechte Abſtaͤnde von den drey Seiten ſich, wie dieſe Coefficienten, verhaltrn.

Will man in dieſe Farbenleiter noch die Abſtufungen bringen, welche durch die Erhoͤhungen der vorigen Farben mit Weiß entſtehen, ſo kan man das ganze Farbenſyſtem mit Herrn Lichtenberg in ein Prisma vertheilen, deſſen Grundflaͤchen gleichſeitige Dreyecke, wie rbg ſind, und wo die Farben von der untern Grundflaͤche bis zur obern durch alle zwiſchen Schwarz und Weiß fallende Stufen der Helligkeit fortſchreiten. Auch laͤſt ſich ſtatt des Prisma eine Pyramide gebrauchen, oder zwo Pyramiden, deren Grundflaͤchen zuſammen ſtoßen. Die Farben, welche darinn dem Dunkeln naͤher kommen, laſſen ſich alsdann mit r, b, g; die hellern mit r, b, g bezeichnen, ſo daß fuͤr Schwarz und Weiß ſelbſt n unendlich groß wird. So wuͤrde der allgemeine Ausdruck fuͤr jede Farbe ρr+ βb+γg ſeyn. Mayer giebt den Zuſatz von Weiß durch w an, z. B. wrbg.

Die erſte Idee einer ſolchen ſyſtematiſchen Miſchung der Farben aus gewiſſen einfachen hat ſchon im 16ten Jahrhunderte der beruͤhmte Maler, Lionardo da Vinci gehabt. Der P. Caſtel (L'optique des couleurs. à Paris, 1740. 8. ) nahm ebenfalls nur drey Grundfarben, nemlich Feuerroth, Schuͤttgelb und Himmelblau an, und eignete ſich die Erfindung dieſes Gedankens zu. Aber ſchon le Blon hat in einer Schrift uͤber das Abdrucken der Kupferplatten mit Farben (Harmony of colouring. Lond. 1737. und L'art d'imprimer les tableaux. à Paris. 1756. 8. ) alle Farbenmiſchungen aus drey Farben hergeleitet. Zahn (Oculus artificialis teledioptricus. Herbip. 1685. Fol. in der zweyten Ausg. von 1702. p. III. ) iſt der erſte, der die Idee von einem Dreyeck mit der Zuſammenſetzung der Farben verbunden hat. Er nimmt aber fuͤnf Hauptfarben, nemlich noch Weiß und Schwarz, an, ſetzt ſie auf die fuͤnf Theilungspunkte der einen Seite, und bringt die Miſchungen in die uͤbrigen Durchſchnittspunkte, ſo daß Aſchgrau an die Spitze des Dreyecks koͤmmt. Tobias Mayer hat in ſeinem mathemathiſchen Atlas, den er in juͤngern Jahren166 herausgab, ebenfalls ein Farbendreyeck aus Weiß, Gelb, Blau, Roth, Schwarz, welche Farben er A, E, I, Q, V, nennt, und zu gleichen Theilen ſo miſcht, daß daraus die Farben AE, EI u. ſ. w. entſtehen.

In der Folge aber hat dieſer beruͤhmte goͤttingiſche Gelehrte das Farbenſyſtem weit reifer uͤberdacht, und zuerſt zu einem gewiſſen Grade der Vollkommenheit erhoben. Er legte ſeinen Aufſatz daruͤber im Jahre 1750 der koͤniglichen Geſellſchaſt der Wiſſenſchaften vor; doch ward damals nur eine kurze Nachricht davon in den goͤttingiſchen gelehrten Anzeigen bekannt. Dieſe erweckte viele Aufmerkſamkeit, und veranlaſſete verſchiedene Schriften von Schaͤffer (Entwurf einer allgemeinen Farbenverein, oder Verſuch und Muſter einer gemeinnuͤtzigen Beſtimmung und Benennung der Farben, Regenſpurg, 1769. 4.) Schiffermuͤller (Verſuch eines Farbenſyſtems, Wien 1772. 4. ) und vorzuͤglich von Lambert (Beſchreibung einer mit dem Calauſchen Wachſe ausgemalten Farbenpyramide, wo die Miſchung jeder Farben angeordnet, dargelegt und derſelben Berechnung und vielfacher Gebrauch gewieſen wird, mit einer ausgemalten Kupfertafel, Berlin, 1772. gr. 4.), welcher letztere alle Farben aus Weiß und drey Grundfarben miſchen lehrt.

Endlich erſchien im Jahre 1775 Mayers lateiniſcher Aufſatz ſelbſt (De affinitate colorum, in Tob. Mayeri Opp. ineditis, Vol. I. cura G. C. Lichtenberg, Goͤtting. 1775. gr. 4.) mit den wichtigen Zuſaͤtzen Herrn Lichtenbergs. Mayer giebt dem Dreyecke an jeder Seite 13 Faͤcher, ſo daß es deren zuſammen 91 erhaͤlt. Er malt dieſe mit Bergzinnober, hellem Bergblau und Koͤnigsgelb aus, da hingegen Lambert ſich des Carmins, Berlinerblau, und Gummigutte zu Grundfarben bedient hatte. Wenn man alſo aus dem oben angefuͤhrten Prisma, welches die Stufen der hellern und dunklern Farben enthaͤlt, dasjenige Dreyeck haben wollte, ſo der Lambertſchen Pyramide zur Grundflaͤche dient, ſo wuͤrde man nach Herrn Lichtenbergs Bemerkung das Prisma nicht mit den Grundflaͤchen parallel, ſondern ziemlich ſchraͤge, durchſchneiden muͤſſen. Zu den 91 Farben,167 welche bey Mayern aus den Miſchungen der Hauptfarben nach Zwoͤlfteln entſtehen, kommen noch zweymal 364 Farben, nach dem verſchiedenen Abſtande von Weiß und Schwarz, daß alſo dieſes Farbenſyſtem 819 verſchiedene Farben enthaͤlt.

Herr Lichtenberg hat auch ein Muſter eines ausgemalten Dreyecks von 28 Feldern beygefuͤgt, bey deſſen Verfertigung er mancherley Schwierigkeiten antraf. Beſſer ſiel es aus, wenn er ſich trockner Farben hiezu bediente. Er hat im Jahre 1774 ein ſolches Dreyeck aus trocknen Staubfarben der Societaͤt der Wiſſenſchaften zu Goͤttingen vorgelegt, wobey er zuerſt die Intenſitaͤt der dazu gebrauchten Pigmente pruͤfte, und im Bergzinnober, Bergblau und Koͤnigsgelb wie 2, 1, 6 fand. Nemlich ein Theil Gelb und ſechs Theile Blau gaben ein Gruͤn, in welchem weder Gelb noch Blau mehr hervorſtach u. ſ. w. Hieraus berechnete er, wie viel dem Gewichte nach von den drey Pigmenten vermiſcht werden muͤſſe, um die Verhaͤltniſſe des Farbendreyecks richtig herauszubringen. Es fallen aber die gruͤnen und violetten Farben bey dieſen Pigmenten nicht rein, ſondern ſchmutzig aus.

Erxleben (Phyſikaliſche Bibliothek, I Band. 4 St. S. 403 u. f.) bemerkt, daß die Pigmente wohl nicht nach dem Gewichte ſondern nach dem Volumen gemiſcht werden muͤſten, daß man dazu ganz reine Grundfarben (z. B. nicht Zinnober, welcher ſchon Gelbroth ſey) und Farben von gleicher Intenſitaͤt waͤhlen muͤſſe. Er nahm dazu Carmin, Berlinerblau und Koͤnigsgelb, und verſichert, dadurch ein ſehr vollkommnes Dreyeck erhalten zu haben, blos den Umſtand ausgenommen, daß das Koͤnigsgelb doch ein wenig ins Rothe falle, und dadurch den gruͤnen Farben einen geringen Hang ins Schmutzige gebe. In dieſem Dreyecke iſt die Farbe des Zinnobers rg, das Bergblau koͤmmt gar nicht darinn vor, ſondern gehoͤrt in eine hoͤhere Lage des lichtenbergiſchen Prisma, oder der Farbenpyramide.

Lambert hat in der oben angefuͤhrten Schrift uͤber die Staͤrke ſeiner Grundfarben ſehr genaue Unterſuchungen168 angeſtellt. Ein halber Gran hochrothen Carmins mit 1 / Gran Gummigutte gab eine Farbe, in der weder Roth noch Gelb hervorſtach; 2 Gran helles Berlinerblau und 7 Gran Gummigutte gaben ein Mittelgruͤn; 1 Gran Carmin und 3 Gran Berlinerblau ein Mittel zwiſchen Roth und Blau. Hieraus leitet er die Grade der Schwaͤche dieſer Farben, wie 1, 3, 10 her. Das heißt: Bey der Miſchung muß man 10 Gewichttheile der Gummigutte, 3 des Berlinerblau und 1 des Carmins als einen Theil oder eine Portion der Grundfarbe anſehen. Fuͤr dunklern Carmin und dunkler Berlinerblau ſind dieſe Zahlen 2, 3, 12. Die verſchiedenen Farben vertheilt er in eine Pyramide, oder in ein Schraͤnkchen mit dreyeckigten Faͤchern. Im unterſten Fache ſind 45 Quadrate, auf den Ecken roth, gelb, blau, und dazwiſchen die Schattirungen, deren jede acht Theile oder Portionen aus den Hauptfarben hat, z. B. rbg. Im naͤchſten Fache daruͤber ſind 28 Quadrate, deren Farben nur 6 Theile von den Hauptfarben des untern Faches, dagegen aber jede 2 Theile beygemiſchtes Weiß, haben, z. B. wrbg. Im dritten Fache ſind 15 Farben, nemlich die drey noch heller gemachten Hauptfarben und 12 Mittelfarben, jede zu 4 Theilen der Hauptfarben mit 4 Theilen Weiß, z. B. wrbg. So enthaͤlt das vierte Fach 10 Farben, jede mit 5 Theilen Weiß, das fuͤnfte Fach 6 Farben mit 6 Theilen Weiß, wobey nur noch zwo Hauptfarben verbunden werden koͤnnen, wie wrb, das ſechſte Fach blos die drey ſehr hellen Hauptfarben wr, wb, wg, und das oberſte Fach ein einziges weißes Quadrat. Die ganze Pyramide hat 108 Farben.

Man kan uͤber dieſe Materie noch Sulzers allgemeine Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte unter dem Art. Farben, ingleichen Auguſt Ludwig Pfannenſchmids Verſuch einer Anleitung zum Miſchen aller Farben aus blau, gelb und roth, herausg. von Ernſt Rudolph Schulz, Hannover, 1781. 8., und uͤber die in den Kuͤnſten und dem gemeinen Leben gewoͤhnlichen Benennungen und Bereitungen der Farben Chriſtian Friedrich Prangens Farben - Lexicon, Halle, 1782. in zween Quartbaͤnden, nachſehen. 169

Prieſtley Geſch. der Optik, durch Kluͤgel, S. 550. u. f.

Farbenmuſik, ſ. Farbenclavier.

Farbenſyſtem, ſ. Farbendreyeck.

Farbenzerſtreuung, Farbenverbreitung, Diſperſio radiorum lucis, Diſperſion des rayons de la lumiere.

Die bey jeder Brechung vorkommende Zertheilung oder Spaltung der Sonnenſtralen, und uͤberhaupt des zuſammengeſetzten Lichts in mehrere Stralen von verſchiedenen Farben. Dieſe Erſcheinung iſt eine Folge der ungleichen Brechbarkeit der Farbenſtralen, ſ. Brechbarkeit, Farben. Wenn nemlich Sonnenlicht auf eine brechende Flaͤche faͤllt, ſo werden die Theile, welche die rothe Farbe erregen, weniger gebrochen, als andere Theile, welche die blaue Farbe erwecken; beyderley Farbenſtralen nehmen daher verſchiedene Wege, und der Stral, in welchem ſie vorher vereiniget waren, trennt oder ſpaltet ſich nach der Brechung. Statt daß ſein Weg vorher eine gerade Linie war, fuͤllen jetzt ſeine Theile den Raum zwiſchen den Schenkeln eines Winkels, welcher in der Brechungsebene liegt.

Bey Brechungen durch Planglaͤſer, welche mit parallelen Flaͤchen begrenzt ſind, fallen die Wirkungen der Farbenzerſtreuung nicht in die Augen. Der Sonnenſtral, welcher ſchief auf ein Planglas faͤllt, wird zwar wirklich geſpalten, und ſein rother Theil, der im Glaſe einen andern Weg nimmt, trift die Hinterflaͤche in einem andern Punkte, als der blaue. Aber beym Ausgange aus dem Glaſe, wo jeder ausgehende Stral dem einfallenden parallel iſt, gehen alle Farbenſtralen unter einander gleichlaufend, und weil deren bey allen Punkten einige von allen Gattungen der vorhandenen Farben ausgehen, ſo verbinden ſie ſich wieder unter einander, und geben dadurch weißes Licht, oder eben ſolches, wie das einfallende war.

Eben ſo wenig findet eine Farbenzerſtreuung bey ſenkrecht auffallenden Stralen, oder bey ſolchen, die durch die Axe eines Linſenglaſes gehen, ſtatt. Da hiebey gar keine Brechung vorgeht, ſo laͤßt ſich auch keine Verſchiedenheit170 der Brechung, d. i. keine Farbenzerſtreuung denken.

Deſto merklicher aber iſt die Verbreitung der Farbenſtralen, wenn die beyden Flaͤchen des brechenden Mittels ſchiefe Winkel mit einander machen, wie die Seitenflaͤchen eines glaͤſernen Prisma, oder diejenigen Stellen eines Linſenglaſes, durch welche die weiter von der Axe abweichenden Stralen durchgehen. Wie dadurch im Prisma das Farbenbild entſtehe, und was fuͤr Abweichungen von den Regeln bey den Linſenglaͤſern dadurch veranlaſſet werden, findet man bey den Worten: Farbenbild, Abweichung, dioptriſche.

So vortreflich auch Newtons Unterſuchungen uͤber die verſchiedene Brechbarkeit der Farbenſtralen ſind, ſo hatte doch dieſer große Experimentator dabey einen Fehler begangen, der auf die Theorie der Farbenzerſtreuung einen ſehr weſentlichen Einfluß hatte. Er hatte den Satz, daß die Farbenverbreitung wegfaͤllt, wenn des Strales Richtung beym Ausgange der beym Eingange parallel iſt, allzuweit ausgedehnet. Dieſer Satz gilt nur, wenn von der Brechung durch ein einziges Mittel, z E. durch ein einziges Planglas, die Rede iſt; nicht aber, wenn der Stral durch mehrere verſchiedene Mittel, z. B. durch Glas und Waſſer, durch zwo verſchiedene Glasarten u. d. gl. hindurchgehet. Newton hingegen, der ihn, durch einen ſeiner Verſuche verleitet, auch auf den letztern Fall erſtreckte (ſ. den Art. Achromatiſche Fernroͤhre), zog daraus die falſche Folge, daß die Farbenſtralen von allen brechenden Mitteln in einerley allgemeinem Verhaͤltniſſe zerſtreut wuͤrden. Erſt ſeitdem Dollond das Unrichtige dieſer Behauptung durch Verſuche gezeigt hat, iſt die Lehre von der Farbenzerſtreuung auf beſſere Gruͤnde gebaut worden.

Wenn das Brechungsverhaͤltniß aus einem gewiſſen Mittel in Luft fuͤr die mittlern Stralen m: 1, und fuͤr die aͤußerſten, z. B. die violetten M: 1 iſt; ſo laͤſt ſich die Groͤße der Brechung fuͤr jene Stralen durch m 1, fuͤr dieſe durch M 1, und der Unterſchied beyder, oder die Groͤße171 der Farbenzerſtreuung durch M m ausdruͤcken. Man nimmt nemlich hiebey die Winkel ſo klein an, daß ſie ſich ohne Fehler ſtatt ihrer Sinus gebrauchen laſſen. So iſt fuͤr die Brechung aus Glas in Luft (ſ. Brechbarkeit) m = (31 / 20); M = (78 / 50), alſo m 1 = (11 / 20); M 1 = (28 / 50), M m = (1 / 100), d. i. der violette Stral weicht von dem mittlern um ein Hunderttheilchen des Einfallswinkels ab.

Nun ſey fuͤr ein anderes Mittel, z. B. Waſſer, das Brechungsverhaͤltniß in Luft fuͤr die mittlern Stralen n: 1, fuͤr die aͤußerſten N: 1; ſo werden ſich hiebey die Brechungen durch n 1; N 1, die Farbenverbreitung durch N n ausdruͤcken laſſen. Alsdann heißt das Verhaͤltniß M m: N n, das Verhaͤltniß der Farbenzerſtreuung (ratio diſperſionis, le rapport de la diſperſion) fuͤr beyde Mittel.

Aus Newtons Verſuche (Optice L.I.P. II. Exp. 8.) wuͤrde, wenn er richtig waͤre, folgen, daß ſich die Farbenzerſtreuungen allezeit, wie die mittlern Brechungen verhielten, oder daß.

Man hatte auf dieſe ganze Lehre wenig Aufmerkſamkeit verwendet, als Euler (Sur la perfection des verres objectifs des lunettes, in den Mém. de l' acad. Roy. de Pruſſe 1747.) mit einer neuen Theorie hervortrat, welche ganz auf algebraiſche Speculationen, ohne alle Erfahrungen, gebaut war. Er ſetzte nemlich feſt, N muͤſſe durch n eben ſo, wie M durch m, ausgedruͤckt werden; wenn m = 1 ſey, muͤſſe auch M = 1 werden; wenn man fuͤr m ſetze 1 / m ſo muͤſſe ſich auch M in 1 / M verwandlen; und wenn man mn ſtatt m ſetze, muͤſſe auch MN ſtatt mn herauskommen. Dieſe Bedingungen, welche freylich ſtatt finden muͤſſen, wofern ſich M uͤberhaupt aus m beſtimmen laͤſt, oder ſtets nach m richtet, koͤnnen nicht anders erfuͤllt werden, als wenn. Dieſe Theorie nahm alſo Euler, als die einzige moͤgliche172 wahre, an. Dies iſt algebraiſch wahr, und bewies wenigſtens ſo viel, daß Newtons Behauptung unrichtig ſeyn muͤſſe.

Dollond (ſ. Philoſ. Trans. Vol. L. P. II. und Euler Dioptr. To. I. p. 315.) hatte die Euleriſchen Rechnungen unterſucht, und war, wie wir bey dem Worte: Achromatiſche Fernroͤhre, erzaͤhlt haben, zu Anſtellung neuer Verſuche bewogen worden. Er legte ein Prisma von Crownglaſe ABC (Taf. IX. Fig. 23.) mit einem brechenden Winkel A von 30°, und eins von Flintglaſe ABD, mit einem Winkel B von 19° an einander, und fand durch beyde zuſammen das Sonnenbild frey von Farben. Setzt man nun das Brechungsverhaͤltniß der mittlern Stralen im Crownglaſe = m: 1, im Flintglaſe = n: 1, alſo aus Crownglas in Flintglas = n: m; verſtattet man ſich ferner, die Winkel ſelbſt fuͤr ihre Sinus ſetzen zu duͤrfen, welches zu gegenwaͤrtiger Abſicht genau genug iſt, und beſtimmt ſo aus den Brechungsverhaͤltniſſen die Einfallsund Brechungswinkel in den drey brechenden Flaͤchen CA, AB, BD fuͤr den ganzen Weg des Strales EFGHI, ſo findet man, wenn PF und HS die Einfallslothe ſind,

Was m und n fuͤr die mittlern Stralen ſind, das heiße M und N fuͤr die violetten, ſo iſt fuͤr dieſe Wenn nun das Sonnenbild ungefaͤrbt erſcheint, ſo muͤſſen alle mit EF parallel eingefallene Farbenſtralen mit HI parallel ausgehen, oder es muß in beyden Geichungen fuͤr ein gleiches EFP auch einerley IHS ſtatt finden. Daraus folgt mA nB = MA NB, oder d. i. das Verhaͤltniß der Farbenzerſtreuungen des Crownund Flintglaſes iſt 19: 30 oder faſt wie 2: 3.

Bringt man die Sinus ſelbſt in die Rechnung, wodurch ſie freylich viel weitlaͤuftiger wird, ſo findet ſich (nach Euler Dioptr. To. I. p. 318.) genauer173

Dieſes aus klaren Erfahrungen gezogene Reſultat traf weder mit dem, was aus Newtons Verſuche folgt, noch mit Eulers Theorie uͤberein. Da nach Dollonds Unterſuchungen das mittlere Brechungsverhaͤltniß fuͤr Crownglas 1,53: 1, fuͤr Flintglas 1, 58: 3 war, ſo haͤtte das Verhaͤltniß der Farbenzerſtreuung nach Newton 53: 58, nach Eulern 1,53. log. 1,53: 1, 58. log. 1, 58, d. i. 1: 1, 111 ſeyn ſollen. Es war aber, wie 2: 3, und alſo ſehr weit von beyden Theorien unterſchieden.

Deswegen wollte ſich auch Euler von der Richtigkeit der Dollondiſchen Verſuche gar nicht uͤberzeugen laſſen. Er ſahe ſeine Theorie noch immer als die einzige moͤgliche an. Dies iſt ſie auch in der That, wofern m von M eben ſo, wie n von N, abhaͤngt; da ſie aber nichts deſto weniger der Erfahrung widerſpricht, ſo iſt dies ein Zeichen, daß es gar keine allgemeine Theorie der Farbenzerſtreuung giebt, oder daß die Brechbarkeit der aͤußerſten Stralen nach keinem allgemeinen Geſetze von der Brechbarkeit der mittlern abhaͤngt, wovon ſich endlich auch Euler uͤberzeugt, und in ſeiner Dioptrik ſelbſt Dollonds Verſuche zum Grunde der Berechnungen angenommen hat.

Clairaut (Mém. de l' Acad. de Paris 1756.) hat noch eine andere Theorie der Farbenzerſtreuung aus der Natur der krummen Linie, welche die Stralen bey der Brechung beſchreiben, herzuleiten geſucht, und dabey angenommen, daß das Brechungsverhaͤltniß von der Geſchwindigkeit der Stralen abhaͤnge. Aber auch dieſe Theorie ſtreitet auf mehr als Eine Art gegen die Erfahrung. Nach ihr muͤſte ſeyn, welches von den Verſuchen noch weiter als die vorigen Theorien abweicht.

Es haͤngt alſo die Groͤße der Farbenzerſtreuung in verſchiedenen Mitteln auf keine allgemeine Art von der Groͤße der Brechung in denſelben ab. Die Folge hiervon iſt, daß man die Farbenzerſtreuung in keiner Materie anders,174 als durch wirkliche Verſuche erfahren kan. Man findet Materien, bey denen die mittlern Brechungsverhaͤltniße faſt gleich, die Zerſtreuungen hingegen ſehr verſchieden ſind. Bey Dollonds Crown - und Flintglaſe ſind jene Verhaͤltniſſe 1,53: 1 und 1,58: 1; die Zerſtreuungen aber verhalten ſich, wie 2 zu 3.

Was das Glas betrift, ſo hat Johann Ernſt Zeiher, nachmaliger Profeſſor der Mathematik in Wittenberg, durch ſeine in Petersburg angeſtellten Verſuche gefunden, daß ein ſtaͤrkerer Zuſatz von Bleykalk nicht allein die mittlere Brechung, ſondern auch die Farbenzerſtreuung betraͤchtlich vergroͤßere. Er bereitete ſechſerley Glasarten aus Mennige und Kieſel, deren Verhaͤltniſſe folgende Tafel angiebt.

Verhaͤltniß der MennigeMittlere BrechungZerſtreuungsverhaͤltniß
und Kieſelaus Luft in Glasin Vergleichung mit ge -
meinem Glaſe.
I. 3: 12028: 10004800: 1000
II. 2: 11830: 10003550: 1000
III. 1: 11787: 10003259: 1000
IV. 3 / 4: 11732: 10002207: 1000
V. 1 / 2: 11724: 10001800: 1000
VI. 1 / 4: 11664: 10001354: 1000

Die erſte dieſer Glasarten iſt beſonders merkwuͤrdig. Sie bricht das Licht ſtaͤrker, als im Verhaͤltniſſe 2: 1, und zerſtreut die Farben faſt fuͤnfmal mehr, als das gemeine Glas. Als aber Zeiher dieſen Glasarten noch Laugenſalze zuſetzte, fand er mit Verwunderung, daß dadurch die mittlere Brechung ſehr vermindert ward, ohne daß ſich die Farbenzerſtreuung merklich aͤnderte. Er erhielt endlich eine Gattung Glas, bey der das mittlere Brechungsverhaͤltniß 1,61: 1 war, und die doch das Licht dreymal ſtaͤrker, als das gemeine Glas, zerſtreute (ſ. Zeihers Abhandl. von denjenigen Glasarten, welche eine verſchiedene Kraft, die Farben zu zerſtreuen, beſitzen. Petersburg, 1763. 4.)

Methoden, die Farbenzerſtreuung der Glaͤſer zu meſſen, nebſt mehrern Verſuchen hieruͤber hat der Duͤc de Chaulnes in den Mémoires de l' Acad. Roy. des Sc. de Pruſſe. 1751767. angegeben. Von den uͤber die Farbenzerſtreuung gefuͤhrten Berechnungen und den Verbeſſerungen der Fernroͤhre, die ſich hierauf gruͤnden, findet man Nachrichten bey dem Worte: Achromatiſche Fernroͤhre.

Daß uͤbrigens die Materie, woraus das brechende Mittel beſteht, in einem ganz andern Verhaͤltniſſe auf die mittlere Brechung, als auf die Farbenverbreitung, wirkt, ſcheint ein wichtiger Einwurf gegen die Euleriſche Farbentheorie zu ſeyn. Nach dieſer Theorie haͤngt die Groͤße der Brechung eben ſowohl, als die Farbe, von der Geſchwindigkeit ab, mit welcher die Schwingungen des Aethers auf einander folgen. Man ſieht hiebey ſchwerlich ein, wie es Glasarten geben kan, welche die gruͤnen Stralen gleich ſtark, die rothen und violetten hingegen in ſehr ungleichen Verhaͤltniſſen brechen, wovon ſich im Emanationsſyſtem doch wenigſtens die Erklaͤrung geben laͤſt, daß vielleicht gewiſſe Materien die verſchiedenen Farbentheile des Lichts in verſchiedenen Verhaͤltniſſen anziehen moͤgen, daher zwo Glasarten das gruͤne Licht mit gleicher, das rothe mit ungleicher Staͤrke anziehen koͤnnen.

Prieſtley Geſchichte der Optik, Zuſaͤtze Hrn. Kluͤgels, S. 254. u. f.

Federhart, ſ. Elaſtiſch.

Federkraft, ſ. Elaſticitaͤt.

Fein, Subtile, Subtil, Fin, Deliè.

Was in ungemein kleine Theile zertrennt oder aufgeloͤſet iſt, wie ein feines Pulver, feine Ausfluͤſſe der Koͤrper, ein feines Gewebe. Oft auch uͤberhaupt, was ſo klein iſt, daß es faſt den Sinnen entgeht, z. B. ein feiner Faden. Die Metalle heißen fein, wenn ſie rein und ohne merkliche fremde Beymiſchung ſind, wie feines Gold. Descartes gab einer eignen im Weltraume vorhandenen Fluͤßigkeit den Namen der feinen oder ſubtilen Materie, ſ. Aether.

Fernrohr, Sehrohr, Teleſkop, Tubus opticus, Teleſcopium, Conſpicillum, Lunette, Lunette d' approche, Teleſcope.

Ein Werkzeug, wodurch ſich entlegne Gegenſtaͤnde176 dem Auge deutlich und vergroͤßert darſtellen. Es beſteht aus einer Zuſammenſetzung von Glaͤſern, wovon das gegen die Sache gekehrte das Vorderglas oder Objectivglas genannt wird, die aber, welche ſich am Auge befinden, den Namen der Augenglaͤſer oder Oculare fuͤhren. Anſtatt einiger Glaͤſer werden bisweilen Metallſpiegel gebraucht; in dieſem Falle heißt das Inſtrument ein Spiegelteleſkop.

Die Erfindung dieſes Werkzeugs verdient unſtreitig die groͤſte Bewunderung, und hat den Anfang des ſiebzehnten Jahrhunderts zu einer in der Geſchichte der Dioptrik und Aſtronomie unvergeßlichen Epoche gemacht. Zwar haben einige die Erfindung des Fernrohrs viel weiter hinausſetzen wollen. Dutens will ſie ſchon beym Demokrit und Ariſtoteles finden. Der beruͤhmte Benedictiner Mabillon (Iter Germanicum, in Veteribus Analectis To. IV. Lutet. Paris. 1685. 4. p. 46.) erwaͤhnt eines in der Abtey Scheyern im Bißthum Freyſingen befindlichen Manuſcripts von der Hiſtoria ſcholaſtica des Petrus Comeſtor, aus dem dreyzehnten Jahrhunderte, worinn ein Bild des Ptolemaͤus vorkoͤmmt, der die Geſtirne durch einige in einander geſchobene Roͤhren betrachtet (ſidera contemplantis ope inſtrumenti longioris, quod inſtar tubi optici quatuor ductus habentis, concinnatum eſt). Nach Mabillons Abbildung ſieht es faſt aus wie ein Fernrohr, das man daher ſpaͤtſtens in der Mitte des 13 Jahrhunderts gekannt haben muͤſte. Wahrſcheinlich aber ſoll es ein Rohr ohne Glaͤſer vorſtellen, dergleichen man ehedem brauchte, um das Licht von den Seiten her abzuhalten.

In den Schriften des Roger Baco, der um das Ende des dreyzehnten Jahrhunderts lebte, finden ſich einige Stellen, aus welchen beſonders Molineux (Dioptrica nova. Lond. 1693. gr. 4.) ſchließen will, daß dieſer engliſche Moͤnch das Fernrohr gekannt habe. Die vornehmſte aus dem Werke: Opus majus, welches D. Jebb zu London 1733 herausgegeben hat, iſt folgende: De facili patet per canones ſupradictos, quod maxima poſſunt apparere minima, et e contra; et longe diſtantia videbuntur pro -177 pinquiſſime, et e converſo. Nam poſſumus ſic figurare perſpicua, et taliter ea ordinare ratione viſus et rerum, ut ſub quocunque angulo voluerimus, videbimus rem prope vel longe, et ſic ex incredibili diſtantia legeremus litteras minutiſſimas, et pulveres ac arenas numeraremus propter magnitudinem anguli, ſub quo videremus. Et ſic poſſet puer apparere gigas, et unus homo videri mons, et in quacunque quantitate; ſecundum quod poſſemus hominem videre ſub angulo tanto, ſicut montem, et prope, ut volumus. Et ſic parvus exercitus videretur maximus, et longe poſitus appareret prope, et e contra. Sic etiam faceremus ſolem et lunam et ſtellas deſcendere ſecundum apparentiam hic inferius etc. Dieſe Gedanken haben unſtreitig eine auffallende Aehnlichkeit mit dem, was die Fernroͤhre wirklich leiſten. Beurtheilt man aber die Stelle im Zuſammenhange mit dem vorhergehenden Capitel, wo Baco von der Vervielfaͤltigung durch Spiegel redet, und dabey auch ſein Poſſumus braucht, ob er gleich unmoͤgliche Dinge vorſchlaͤgt, ſo ſieht man wohl, daß er in beyden Stellen blos aus der Einbildungskraft geſchrieben habe, zumal da er nirgends etwas von irgend einer Ausfuͤhrung der Sache erwaͤhnet. Der Grund, auf den er alles baut, iſt auch nur der, daß man durch Spiegel und Glaͤſer die Stralen, wohin man nur wolle, bringen koͤnne; er ſcheint alſo kein bewegliches Inſtrument, ſondern hie und da befeſtigte Glaͤſer gemeint zu haben, ein Gedanke, deſſen Ausfuͤhrung unmoͤglich iſt.

An einer andern Stelle ſagt er, Julius Caͤſar habe von der Kuͤſte Galliens die britanniſchen Haͤfen und Staͤdte durch aufgerichtete Spiegel betrachtet. Smith im Lehrbegrif der Optik erklaͤrt dies fuͤr ein Misverſtaͤndniß, wobey ſtatt Warten (ſpeculae), Spiegel (ſpecula) verſtanden worden. Aber Wood (Hiſt. et Antiquitates Vniverſ. Oxonienſis L. I. p. 136.) fuͤhrt noch eine Stelle aus Baco im Buche De perſpectivis an, welches ſich im Manuſcripte in Oxford befindet, wo er ſagt, Caͤſar habe die britanniſchen Kuͤſten durch ein Rohr (tubi ope) betrachtet. Dies zeigt doch, daß man im 13ten Jahrhunderte Ideen von178 Roͤhren gehabt hat, durch welche ſich entlegne Gegenſtaͤnde ſchaͤrfer betrachten laſſen. Waͤren aber ſolche Roͤhren mit Glaͤſern verſehen geweſen, ſo wuͤrde ſich doch von einem ſo wichtigen Kunſtſtuͤck irgendwo eine deutlichere Meldung finden.

De la Hire (Mém. de l'acd. roy. des Sc. 1717.) unterſucht die Meinung derer, welche mit Huygens, Wolf u. a. die Ehre der Erfindung des Fernrohrs dem Neapolitaner Porta zueignen wollen. Sie gruͤnden ſich dabey auf folgende Stelle aus der natuͤrlichen Magie dieſes Schriftſtellers (Magiae naturalis ſ. de miraculis rerum naturalium libri IV. Neap. 1558. fol. L. XVII. c. 10.). Durch ein Hohlglas ſieht man entfernte Gegenſtaͤnde deut lich; durch ein erhabenes betrachtet man nahe liegende. Weiß man beyde gehoͤrig zu verbinden, ſo wird man ſo wohl nahe als entfernte Gegenſtaͤnde groͤßer und deutlich ſehen. Ich habe dadurch vielen Freunden, welche ſchlech te Augen hatten, große Dienſte geleiſtet, und ſie in Stand geſetzt, ſehr deutlich zu ſehen. Es ſcheint ſich dieſes auf etwas dem Fernrohre ſehr aͤhnliches zu beziehen. Allein nach de la Hire mag wohl Porta blos eine Verbindung eines Hohlglaſes mit einem erhabenen meinen, wodurch beyder gemeinſchaftliche Brennweite veraͤndert wird, ſo daß ſie dienen, dem Auge Gegenſtaͤnde in gewiſſen Entfernungen deutlicher darzuſtellen. Haͤtte er wirklich etwas dem Teleſkope aͤhnliches unter den Haͤnden gehabt, er wuͤrde bey der Eitelkeit, die aus ſeinen Schriften hervorleuchtet, nicht ermangelt haben, eine weit praͤchtigere und umſtaͤndlichere Beſchreibung davon mitzutheilen.

Erſt im Jahre 1608 oder 1609 kam die wirkliche Erfindung der Fernroͤhre aus Holland, ob man gleich noch bis jetzt nicht ganz zuverlaͤßig weiß, zu welcher Zeit, von wem und auf welchem Wege ſie gemacht worden ſey. Die Meinungen hieruͤber ſcheinen gleich vom Anfang getheilt geweſen zu ſeyn.

Hieronymus Sirturus, ein gebohrner Maylaͤnder, der, um etwas vollſtaͤndiges vom Fernrohre zu ſchreiben,179 viele Laͤnder durchreiſete, (Teleſcopium. Francof. 1618. 4. p. 24.) erzaͤhlt, im Jahre 1609 ſey ein Unbekannter, dem Anſehen nach ein Hollaͤnder, zu dem Brillenmacher Johann Lipperſein oder Lippersheim in Middelburg gekommen, und habe ſich einige erhabne und hohle Glaͤſer ſchleifen laſſen. Als er dieſe in Empfang genommen, habe er ein erhabenes und ein hohles bald naͤher bald weiter von einander gehalten, den Lipperſein bezahlt, und ſich entfernet. Dieſes habe ſich Lipperſein gemerkt, aus einer ſolchen Verbindung zweyer Glaͤſer ein Fernrohr gemacht, und dem Prinzen Moritz von Naſſau gezeigt. Auch will dieſer Schriftſteller in Spanien einen Baumeiſter Rogetus angetroffen haben, der die ganze Kunſt ſchon lange getrieben und ein Buch davon geſchrieben haben ſoll. Dies iſt die aͤlteſte Erzaͤhlung von der Erfindung des Fernrohrs.

In Descartes 1637 herausgekommener Dioptrik findet man folgende Stelle: Dieſe bewundernswuͤrdige Er findung hat ihren erſten Urſprung der Erfahrung und dem gluͤcklichen Zufalle zu danken. Vor etwa dreyßig Jahren kam ein gewiſſer Jacob Metius, der nie ſtudiert hatte, obgleich ſein Vater und Bruder Mathematiker geweſen ſind, der aber Vergnuͤgen an der Verfertigung von Spie geln und Brennglaͤſern fand, und daher Glaͤſer von mancherley Geſtalten hatte, auf den Einfall, durch zwey dergleichen zu ſehen, von denen eins hohl, das andere erhaben war. Er brachte dieſelben an die Enden einer Roͤhre ſo gluͤcklich an, daß daraus das erſte Fernrohr ent ſtand. Dieſer Metius war von Alkmar gebuͤrtig, und ein Sohn des Geometers Adrian Metius, der das bekannte Verhaͤltniß des Durchmeſſers zum Umfange, 113: 355 angegeben hat.

Peter Borel, ein franzoͤſiſcher Arzt (De vero teleſcopii inventore. Hagae Com. 1655. 4. ), hat ſich alle nur moͤgliche Muͤhe gegeben, den wahren Urheber dieſer wichtigen Erfindung zu entdecken, und ſchreibt ſie mit vieler Wahrſcheinlichkeit dem Zacharias Janſen, gleichfalls einem Brillenmacher in Middelburg, zu. Er theilt einige gerichtliche Ausſage mit, worinn untern andern Janſens180 Sohn bezeuget, ſein Vater habe ſchon im Jahre 1590 Fernroͤhre verfertiget und eines davon dem Prinzen Moritz, das andere dem Erzherzog Albrecht uͤberreichet. Janſens Schweſter hingegen erinnert ſich nur bis 1610 zuruͤck. Drey andere Einwohner von Middelburg verſichern, daß daſelbſt ſchon vor 1600, oder 1605, oder 1610 Fernroͤhre von dem Brillenmacher Hans Laprey verfertiget worden, welcher wohl mit dem von Sirturus genannten Lipperſein einerley Perſon ſeyn mag.

Dieſe Zeugniſſe begleitet Borel mit einem Briefe eines hollaͤndiſchen Geſandten Wilhelm Boreel, welcher den erwaͤhnten Zacharias Janſen, und deſſen Vater, von Jugend auf ſehr genau gekannt haben will. Er erzaͤhlt, dieſe Kuͤnſtler haͤtten nicht allein dem Erzherzog Albrecht ein zuſammengeſetztes Mikroſkop uͤberreicht, ſ. Mikroſkop, ſondern auch gegen das Jahr 1610 die Teleſkope erfunden, und eines davon dem Prinzen Moritz uͤbergeben, der es aber als ein im Kriege brauchbares Werkzeug nicht habe wollen bekannt werden laſſen. Dennoch ſey das Geheimniß verrathen worden; ein Unbekannter habe den Erfinder in Middelburg aufgeſucht, ſey aber durch einen Irrthum an Johann Laprey gekommen, der aus den vorgelegten Fragen die Sache errathen, die Fernroͤhre nachgemacht und zuerſt oͤffentlich verkauft habe. Daher habe man ihn zwar fuͤr den Erfinder gehalten; allein es ſey dieſer Irrthum bald hernach entdeckt worden. Adrian Metius und Drebbel, welche nach Middelburg gekommen waͤren, haͤtten ſich gerade an die Janſens gewendet, um Fernroͤhre von ihnen zu kaufen rc. Man kan nicht laͤugnen, daß dieſe Erzaͤhlung viel wahrſcheinliches hat, und die angefuͤhrten Ausſagen unter ſich und mit der Nachricht des Sirturus ſehr wohl vereiniget.

Auch Huygens ſagt in ſeiner Dioptrik (in Opuſc. poſthumis Lugd. Bat. 1703. 4. p. 136.), er wiſſe gewiß, daß ſchon vor Metius um 1609 ein Kuͤnſtler in Middelburg, es moͤchte nun Lippersheim oder Janſen geweſen ſeyn, Teleſkope verfertiget habe. 181

Daß uͤbrigens ſchon im Jahre 1608 Fernroͤhre aus Holland gekommen ſind, beweiſet folgende von Weidler (Hiſt. aſtron. Cap. XV. §. 12.) angefuͤhrte Erzaͤhlung aus des Simon Marius Mundo Ioviali (Norib. 1614. 4.). Der marggraͤflich-brandenburg-anſpachiſche Geheimderath, Johann Philipp Fuchs von Bimbach, beſuchte in Frankfurt am Mayn die Herbſtmeſſe des Jahres 1608. Ein Kaufmann erzaͤhlte ihm von ungefaͤhr, es ſey ein Hollaͤnder mit einem Inſtrumente angekommen, wodurch man entfernte Dinge ſehr nahe und groß ſehe. Der Geheimderath ließ den Hollaͤnder zu ſich kommen, beſahe und probirte das Inſtrument, welches ſehr gute Wirkung that, obgleich das eine Glas einen Riß bekommen hatte. Er war Willens es zu kaufen; weil aber der Hollaͤnder einen ungeheuren Preis forderte, ſo zerſchlug ſich der Handel. Dies erzaͤhlte der Geheimderath dem Marius bey ſeiner Ruͤckkunft in Anſpach, gab ihm an, es muͤſſe nothwendig ein Hohlglas mit einem erhabenen verbunden ſeyn, und machte ihm eine Zeichnung davon mit Kreide. Marius probirte die Sache ſogleich mit zwey gemeinen Linſenglaͤſern, und fand ſie richtig. Da das Brillenglas allzu convex war, ſo beſtellte er ſich in Nuͤrnberg Convexglaͤſer von groͤßern Brennweiten, wozu er die Form in Gyps abgedruͤckt mitſchickte. Die Kuͤnſtler konnten ſie aber nicht zu Stande bringen. Endlich erhielt der Geheimderath im Sommer 1609 ein Fernrohr aus Holland, womit Marius im November d. I. die Jupiterstrabanten entdeckte.

Galilei, welcher damals Profeſſor der Mathematik zu Padua war, befand ſich im April oder May 1609 zu Venedig, wo es erzaͤhlt ward, daß ein Hollaͤnder dem Prinzen Moritz von Naſſau ein Werkzeug uͤberreicht haͤtte, welches entfernte Dinge ſo zeigte, als ob ſie nahe waͤren. Er ward davon auch aus Paris durch einen Brief des Jacob Badovere, eines franzoͤſiſchen Edelmanns, verſichert, kehrte ſogleich nach Padua zuruͤck, und dachte nach, was fuͤr ein Inſtrument dieſes ſeyn moͤchte. Die folgende Nacht errieth er die Zuſammenſetzung, machte den Tag darauf ſogleich das Werkzeug nach dem erſten Entwurfe mit einem182 Planconvex und Planconcavglaſe in einem bleyernen Rohre fertig, und fand ungeachtet der ſchlechten Glaͤſer ſeine Erwartung erfuͤllt. Sechs Tage nachher reiſete er wieder nach Venedig, und brachte ein anderes beſſeres Fernrohr mit, das er unterdeſſen gemacht hatte, und welches mehr als achtmal vergroͤßerte. Hier zeigte er von einigen erhabnen Orten den Senatoren der Republik zu ihrem groͤßten Erſtaunen eine Menge Gegenſtaͤnde, die dem bloßen Auge undeutlich waren, ſchenkte auch das Werkzeug dem Doge, Lionardo Donati, und zugleich dem ganzen Senate, nebſt einer geſchriebenen Nachricht, worinn der Bau deſſelben erklaͤrt, und der große Nutzen davon gezeigt war. Aus Dankbarkeit fuͤr das edle Vergnuͤgen, das er dem Senate dadurch gemacht hatte, erhoͤhete derſelbe am 25 Auguſt 1609 ſeinen Gehalt uͤber das dreyfache. Er bereitete ſich hierauf ein noch vollkommneres Fernrohr, richtete daſſelbe nach dem Himmel, und machte damit in kurzer Zeit die große Menge wichtiger Entdeckungen, die er im Nuncio ſidereo beſchreibt, und die ſo ungemein viel zur Verbeſſerung der Sternkunde beygetragen haben. So erzaͤhlt die Sache Galilei ſelbſt (Nunc. ſidereus. Florent. 1610. 8. p. 4 11.) und etwas umſtaͤndlicher der Verfaſſer ſeiner Lebensbeſchreibung in der Venetianiſchen Sammlung ſeiner Werke vom Jahre 1744. in 4.

So viel Ehre dieſe Zuſammenſetzung und Anwendung des Fernrohrs dem Galilei bringt, ſo kan man ihn doch keinesweges fuͤr den Erfinder dieſes Werkzeugs halten; ja es iſt nicht einmal glaublich, daß er die Einrichtung deſſelben durch bloße aus der Theorie der Brechung gezogne Schluͤſſe habe errathen koͤnnen. Dazu war wohl damals die Dioptrik noch zu unvollkommen; auch hat nicht Galilei, ſondern erſt Kepler, die Art der Wirkung des Fernrohres gehoͤrig und deutlich erklaͤrt. So viel muſte doch wohl bekannt geworden ſeyn, daß das neue Inſtrument aus einer Roͤhre mit Glaͤſern beſtehe; und in dieſem Falle waren nur zwo Arten von Glaͤſern, hohle und erhabne, vorhanden; mithin war die Anzahl der moͤglichen Combinationen nicht groß, und die Proben damit gaben unſtreitig183 den kuͤrzeſten Weg, die Zuſammenſetzung zu entdecken. Es bleibt immer Verdienſt genug, in ſo kurzer Zeit eine wichtige Erfindung errathen, ausgefuͤhrt und zu ſolchen Entdeckungen genuͤtzt zu haben, wobey wenig darauf ankoͤmmt, ob der Weg dazu durch die Theorie oder durch Verſuche gegangen iſt.

Auch hat noch ein Neapolitaner Franz Fontana (Novae terreſtrium et caeleſtium obſervationes. Neap. 1646. 4. ) auf die Erfindung des aſtronomiſchen Fernrohrs Anſpruch gemacht, in deſſen Beſitz er ſchon im Jahre 1608 geweſen ſeyn will. Man hat aber ſeine Anforderungen, mit denen er ſo ſpaͤt erſt hervortrat, in keine Betrachtung gezogen.

Dies iſt das vornehmſte, was von der Geſchichte der Erfindung des Fernrohrs angefuͤhrt zu werden verdiente. Das Reſultat davon iſt, daß wir dieſes Werkzeug den middelburgiſchen Brillenmachern, ſeit dem Anfange des ſiebzehnten Jahrhunderts, zu verdanken haben. Die Erzaͤhlung, daß die Kinder des Lippersheim mit Glaͤſern geſpielt, die Wetterfahne des Kirchthurms zufaͤlliger Weiſe ſehr groß geſehen, und ihren Vater dadurch veranlaſſet haben ſollen, die Glaͤſer in ein Rohr zu faſſen, findet ſich zwar beym Montucla und Prieſtley; ich habe aber die eigentliche Quelle derſelben nicht auffinden koͤnnen.

Dieſes erſte Fernrohr hat den Namen des hollaͤndiſchen oder galileiſchen behalten. In der Folge ſind noch mehrere Einrichtungen hinzugekommen, wovon ich das aſtronomiſche Fernrohr, das Erdrohr, und Huygens Methode, die Glaͤſer ohne Roͤhren zu gebrauchen, hier unter eignen Abſchnitten erklaͤren will. Von den Spiegelteleſkopen und achromatiſchen Fernroͤhren handeln beſondere Artikel dieſes Woͤrterbuchs.

Hollaͤndiſches oder Galileiſches Fernrohr, Tubus Batavus, Hollandicus, Galilaeanus, Teleſcopium Batavum, etc Teleſcope Hollandois ou de Galilée, Lunette Batavique. Das Fernrohr nach ſeiner erſten urſpruͤnglichen Einrichtung, nach welcher es aus einem erhabnen Vorderglaſe (Objectivglaſe), und einem hohlen Augenglaſe (Oculare) beſteht, welche in die Enden184 eines Rohres eingeſetzt, und ſo weit von einander entfernt werden, daß der Brennpunkt des Vorderglaſes ohngefaͤhr mit dem jenſeitigen Zerſtreuungspunkte des Augenglaſes zuſammenfaͤllt. Weil die Umſtaͤnde oft eine andere Entfernung beyder Glaͤſer erfordern, ſo macht man die Roͤhren faſt allezeit aus mehreren Stuͤcken, die ſich in einander verſchieben laſſen.

Zur Theorie der Fernroͤhre uͤberhaupt muß ich folgende bey dem Worte: Linſenglaͤſer zu erklaͤrende Saͤtze vorausfchicken.

I. Jedes erhabne Glas vereiniget Stralen, welche aus einem Punkte des Gegenſtandes kommen, hinter ſich wieder in einen Punkt, den Vereinigungspunkt; iſt der Gegenſtand ſehr entfernt, daß alſo die Stralen aus einerley Punkte deſſelben parallel auffallen, ſo heißt der Punkt, wo ſie ſich vereinigen, der Brennpunkt, und ſein Abſtand vom Glaſe die Brennweite. Werden die Stralen in den Vereinigungspunkten aufgefangen, ſo zeigen ſie ein umgekehrtes Bild des Gegenſtandes.

II. Jedes Hohlglas zerſtreut die Stralen, die aus einem Punkte des Gegenſtandes kommen, ſo, als ob ſie aus einem in der Axe des Glaſes liegenden naͤhern Punkte, ausgegangen waͤren. Fuͤr parallel auffallende Stralen heißt dieſer Punkt oft auch der Brennpunkt, und ſein Abſtand Brennweite des Glaſes, eigentlicher Zerſtreuungspunkt und Zerſtreuungsweite.

III. Stralen, welche auf ein erhabnes Glas aus ſeinem Brennpunkte oder Brennraume kommen, oder auf ein Hohlglas ſo fallen, als ob ſie ſich in ſeinem Brennpunkte vereinigen wollten, werden von beyden ſo gebrochen, daß ſie nachher mit einander parallel laufen.

IV. Wenn die Glaͤſer nicht allzudick ſind, ſo laͤßt ſich ohne Fehler annehmen, daß jeder Stral, der auf ihre Mitte faͤllt, ungebrochen durchgehe.

Um nun hieraus die Wirkung des galileiſchen Fernrohrs zu erklaͤren, ſey Taf. IX. Fig. 24. AB ein ſehr entlegner Gegenſtand, der von C aus unter dem Winkel pCA oder C geſehen wird. DE ſey ein Convexglas, deſſen Mittelpunkt C, und deſſen Brennweite Ca iſt. Hinter185 demſelben ſey das Hohlglas GH, deſſen Brennweite Va iſt, ſo geſtellt, daß die Axen beyder Glaͤſer Ca und Va, ingleichen die Brennpunkte beyder bey a zuſammenfallen.

Von dem Punkte A des entlegnen Gegenſtandes fallen unzaͤhlbare Stralen auf das Vorderglas DE, welche alle mit AC parallel ſind. In der Figur ſind deren außer AC noch zween mit ſchwarzen Linien angegeben. Von dem Punkte B fallen eben ſo viel auf, die alle mit pC parallel ſind. Die Figur giebt deren außer pC auch noch zween, alle mit punktirten Linien an. Es iſt nun zu unterſuchen, wie die Wege dieſer Stralen beym Durchgange durch beyde Glaͤſer veraͤndert werden.

Das erhabne Vorderglas vereinigt nach I. parallel auffallende Stralen in ſeinem Brennraume bey a. Mithin werden die drey mit ſchwarzen Linien angedeuteten Stralen, von denen AC ungebrochen hindurch geht, und alſo wirklich nach a koͤmmt, hinter DE ſo fortgehen, als ob ſie ſich alle in a vereinigen wollten. Die drey punktirten Stralen aber, welche aus B kommen, unter welchen pC nach IV. ebenfalls ungebrochen durchgeht, und den Brennraum in b treffen wuͤrde, muͤſſen ſich nach I. in b wieder vereinigen. So wuͤrde, wenn das Hohlglas nicht da waͤre, in ab ein deutliches, aber umgekehrtes Bild des Gegenſtands AB entſtehen. Die Figur giebt alſo die richtigen Wege der Stralen von einem Glaſe zum andern an, indem die drey ſchwarzen Linien nach a zu, die drey punktirten nach b zu convergiren. Der Punkt b beſtimmt ſich dadurch, daß der Stral pC, der auf die Mitte C faͤllt, ungebrochen bis unter a fortgezogen wird.

Ehe aber noch dieſe Stralen ſich wirklich in a und b vereinigen, und das Bild ab entwerfen koͤnnen, werden ſie von dem hohlen Augenglaſe aufgefangen, und aufs neue gebrochen. Der Stral CV geht wiederum ungebrochen hindurch, und koͤmmt wirklich nach a. Alle drey mit ſchwarzen Linien angedeutete aber fallen ſo auf, als ob ſie ſich in a, dem Brennpunkte des Hohlglaſes, vereinigen wollten. Daher muͤſſen ſie nach III. hinter dem Hohlglaſe mit einander parallel werden, und man hat ihre richtigen Wege, wenn186 man die ſchwarzen Linien vom Hohlglaſe aus mit Va parallel fortfuͤhrt. Die drey punktirten fallen gleichfalls ſo auf daß ſie nach dem Brennraume des Hohlglaſes in b convergiren; auch dieſe muͤſſen alſo nach der Brechung unter einander gleichlaufend werden.

Unter denen von B herkommenden Stralen iſt nun allemal einer, der die Mitte des Hohlglaſes bey V trift, alſo nach IV. ungebrochen fortgeht, und wirklich nach b koͤmmt. Ich habe die Figur ſo eingerichtet, daß ſich dieſer Stral Vb mit unter den drey punktirten befindet, und der mittelſte davon iſt. Waͤre aber auch die Figur zufaͤlliger Weiſe anders ausgefallen, ſo zeigt doch das Nachdenken, daß ein ſolcher Stral da ſeyn muß, deſſen Weg nach der Brechung die Linie Vb iſt. Weil nun alle punktirte Stralen parallel aus dem Hohlglaſe ausgehen muͤſſen, ſo findet man ihre Wege, wenn man ſie vom Hohlglaſe an parallel mit der Linie Vb fortzieht.

Dies ſind alſo die Wege der von A und B kommenden Lichtſtralen durch das galileiſche Fernrohr. Die von A und B herkommenden Stralencylinder werden durch das Vorderglas in Kegel verwandelt, ihre Stralen naͤher zuſammengebracht, und vom Augenglaſe als ſchmaͤlere concentrirtere Cylinder unter andern Winkeln wieder ausgeſendet. Ganz nahe am Augenglaſe bey O greifen dieſe ausgehenden Cylinder zum Theil in einander. Es iſt noch zu unterſuchen, was ein Auge an dieſen Ort gehalten, durch die Stralen, die es empfaͤngt, ſehen muͤſſe.

Vorausgeſetzt, daß das Auge bey O weitſichtig iſt, und jeden Punkt, von welchem parallele Stralen auf den Augenſtern fallen, deutlich ſieht, wird es in O lauter gleichlaufende Stralen vom Punkte A, lauter gleichlaufende vom Punkte B, und ſo auch von allen zwiſchenliegenden Punkten F (weil man ſich auch eine Figur entwerfen kan, in welcher der Gegenſtand nur bis F reicht) erhalten, und alſo wird es alle Punkte zwiſchen A und B, d. i. den Gegenſtand ſelbſt, deutlich ſehen.

Es wird ferner den Punkt A durch den Stral VO nach der Richtung OA, den Punkt B aber durch den Stral βO187 nach der Richtung Oβ, nach eben der Seite hin, nach der er wirklich liegt, d. i. den Gegenſtand in ſeiner wirklichen Lage oder aufgerichtet erblicken.

Es wird ihn endlich unter dem Winkel O, welcher als Wechſelswinkel dem Winkel aVb gleich iſt, empfinden. Haͤtte es ihn ohne Huͤlfe des Fernrohrs von der Stelle des Vorderglaſes oder von C aus betrachtet, ſo wuͤrde es ihn unter dem Winkel pCA, der als Scheitelwinkel dem aCb gleich iſt, geſehen haben. Da nun aVb, der aͤußere Winkel am Dreyeck bVC groͤßer iſt, als aCb, ſo ſieht man durch das Fernrohr den Gegenſtand unter einem groͤſſern Winkel, als mit dem bloßen Auge, oder man ſieht ihn vergroͤßert.

So uͤberſieht man, daß das galileiſche Fernrohr, wenn die Brennpunkte beyder Glaͤſer zuſammenfallen, einem weitſichtigen Auge entlegne Gegenſtaͤnde deutlich, aufgerichtet und vergroͤßert darſtelle. Es wird aber der Gegenſtand ſo vielmal vergroͤßert, ſo vielmal aVb groͤßer, als aCb iſt. Weil nun beyde Winkel allemal klein ſind, und ſich alſo faſt, wie ihre Tangenten (ab / Va): (ab / Ca), oder wie Ca zu Va, verhalten, ſo ſieht man den Gegenſtand ſo vielmal groͤßer, ſo vielmal Ca, die Brennweite des Vorderglaſes, groͤßer als Va, die Zerſtreuungsweite des Augenglaſes, iſt. Der Exponent dieſes Verhaͤltniſſes, die Vergroͤßerung, iſt = (Ca / Va), oder der Quotient beyder Brennweiten. Iſt des Vorderglaſes Brennweite 2 Schuh, die des Augenglaſes 3 Zoll, ſo wird die Vergroͤßrung (2. 12 / 3) = 8 fach ſeyn.

Die Laͤnge des Fernrohrs CV iſt = Ca - Va, d. i. dem Unterſchiede beyder Brennweiten gleich.

Es hat aber dieſes von den Naturforſchern zuerſt gebrauchte Teleſkop die Unbequemlichkeit, daß das Geſichtsfeld daran ſehr klein iſt, oder daß man dadurch nicht viel auf einmal uͤberſehen kan. Schon die Figur zeigt, daß man das Auge ſehr nahe an das Glas bringen muß, um188 Stralen von B (punktirte Stralen der Figur) zu erhalten. Zieht man das Auge von O um das mindeſte gegen a zuruͤck, ſo verfehlen es die punktirten Linien gaͤnzlich, und man ſieht B nicht mehr, ſondern nur noch Punkte, die naͤher an A liegen wie F. Will man alſo, ſo viel moͤglich, uͤberſehen, ſo muß das Auge ganz an das Hohlglas an gehalten werden, und noch in dieſer Lage uͤberſieht man nur ein gewiſſes beſtimmtes Feld, deſſen Groͤße deſto geringer iſt, je betraͤchtlicher die Vergroͤßerung wird. Da wir jetzt weit bequemere Einrichtungen der Fernroͤhre kennen, ſo begreifen wir kaum, wie Galilei und andere mit dieſem ſo viel haben entdecken koͤnnen; ihre Gedult und Geſchicklichkeit muß ſehr groß geweſen ſeyn.

Inzwiſchen hat man dieſe Gattung der Fernroͤhre lange Zeit beybehalten. Descartes, der ſeine Dioptrik im Jahre 1637 ſchrieb, gedenkt noch keiner andern Art derſelben. Heut zu Tage bedient man ſich ihrer nur noch zu den gemeinen Taſchenperſpectiven (Lorgnettes), wobey keine betraͤchtliche Vergroͤßerung verlangt wird, und denen man ſelten uͤber 15 18 Zoll, und meiſtentheils nur 5 6 Zoll Laͤnge giebt. Hevel gedenkt eines Fernrohrs mit zween erhabnen Vorderglaͤſern und einem hohlen Augenglaſe, das auch ſchon Sirturus (Teleſcopium. Frf. 1618. 4. ) beſchrieben hat. Die beyden Vorderglaͤſer wirken wie eines von einer kuͤrzern Brennweite; alſo iſt es ein galileiſches Fernrohr, das aber bey dieſer Einrichtung ein groͤßeres Geſichtsfeld bekoͤmmt.

Aſtronomiſches Fernrohr, Sternrohr, Tubus aſtronomicus ſ. coeleſtis, Teleſcopium aſtronomicum, Teleſcope aſtronomique. Ein Fernrohr aus einem erhabnen Vorderglaſe und einem erhabnen Augenglaſe, welche in die Enden einer oder mehrerer Roͤhren ſo eingeſetzt werden, daß der Brennpunkt des Vorderglaſes mit dem dieſſeitigen Brennpunkte des Augenglaſes zuſammenfaͤllt.

Kepler iſt ganz unſtreitig der erſte, der in ſeiner Dioptrik (Dioptrice ſ. Demonſtratio eorum, quae viſui et viſibilibus propter conſpicilla non ita pridem inventa ac -189 cidunt. Aug. Vindel. 1611. 4. prop. 86.) die Theorie der Fernroͤhre richtig erklaͤrt, und dabey dieſe Art des Teleſkops angegeben hat. Duobus convexis, ſagt er, maiora et diſtincta praeſtantur viſibilia, ſed inverſo ſitu. Da er aber ſelbſt kein Kuͤnſtler war, ſo blieb ſeine Angabe ein blos theoretiſcher Gedanke, bis ſie der P. Scheiner bey ſeinen Beobachtungen der Sonne benuͤtzte (Roſa Urſina. Bracciani 1630. fol. maj. p. 130.), und dadurch unter den Aſtronomen bekannter machte. Wenn man, ſagt er, zwey aͤhnliche, d. i. zwey erhabne Linſenglaͤſer in das Rohr ſetzt, und das Auge gehoͤrig ſtellet, ſo wird man alle Gegen ſtaͤnde auf der Erde zwar umgekehrt, aber vergroͤßert, und mit vieler Deutlichkeit, auch dabey viel auf einmal erblicken. Eben ſo ſieht man die Geſtirne, und da dieſe rund ſind, ſo kan die umgekehrte Stellung dabey nichts ſchaden. Er fuͤhrt auch noch an, daß er bereits vor dreyzehn Jahren, alſo um 1617, durch ein ſolches Fernrohr in Gegenwart des Erzherzogs Maximilians beobachtet habe.

Es ſey wiederum Taf. IX. Fig. 25. AB ein ſehr entlegner Gegenſtand, den man von C aus unter dem Winkel pCA ſieht. DE ſey das erhabne Vorderglas von der Brennweite Ca. In GH ſey das gleichfalls erhabne Augenglas, deſſen Brennweite Va iſt, ſo geſtellt, daß die Axen beyder Glaͤſer Ca und Va in einer geraden Linie liegen, und die Brennpunkte beyder bey a zuſammenfallen. Von dem Punkte A fallen unzaͤhlbare parallele Stralen auf DE, von denen die Figur drey mit ſchwarzen Linien angiebt: vom Punkte B kommen ebenfalls unzaͤhlbare auf DE, alle mit pC parallel; drey davon giebt die Figur mit punktirten Linien an.

Das Vorderglas ſammlet die zuſammengehoͤrigen Stralen in ſeinem Brennraume, die von A bey a, die von B bey b, welcher Punkt b ſich dadurch beſtimmt, daß man den Stral pC, der auf die Mitte des Glaſes faͤllt, nach dem Satze IV. ungebrochen bis unter a fortzieht. So entwirft ſich in ab ein umgekehrtes Bild des Gegenſtandes AB. In den Punkten dieſes Bildes kreuzen ſich die zuſammengehoͤrigen190 Stralen, und gehen immer noch in geraden Linien bis zum Augenglaſe fort.

Auf dieſes fallen ſie als Stralen, die aus Punkten ſeines Brennraums ab kommen, muͤſſen alſo nach III. hinter dem Augenglaſe wieder parallel werden. Der Stral aV geht ungebrochen hindurch nach O; man hat alſo die Wege der mit ſchwarzen Linien angedeuteten Stralen, wenn man ſie vom Augenglaſe an parallel mit VO fortziehet. Was die punktirten Stralen betrift, die alle aus b kommen, ſchließe man ſo. Waͤre unter ihnen einer, der auf die Mitte des Glaſes fiele, wie bV, ſo wuͤrde dieſer nach IV. ungebrochen in eben der Richtung fortgehen, und alle uͤbrigen wuͤrden mit ihm parallel laufen. Nun kan doch der Umſtand, daß der Stral bV hier nicht wirklich vorhanden iſt, in der Richtung der uͤbrigen nichts aͤndern. Sie laufen alſo nach der Brechung mit der Linie bV parallel.

Beſindet ſich nun in O ein Auge, das einen Punkt deutlich ſieht, wenn von ihm parallele Stralen auf den Augenſtern fallen, ſo wird daſſelbe von A ſowohl als von B und den zwiſchenliegenden Punkten Stralencylinder auffaſſen, die aus gleichlaufenden Stralen beſtehen; es wird alſo den Gegenſtand deutlich ſehen.

Weil es den Stral von A nach der Richtung VO, den von B nach der Richtung βO erhaͤlt, ſo wird es die Seite B des Gegenſtandes nach β zu, d. h. den Gegenſtand ſelbſt umgekehrt erblicken.

Weil es endlich den Gegenſtand unter dem Winkel βOA ſieht, welcher (wegen der Parallellinien βO und bV) dem Winkel bVa gleich iſt, da es ihn ohne Fernrohr und von C aus unter dem Winkel pCA, welcher ſeinem Scheitelwinkel bCa gleich iſt, wuͤrde geſehen haben; ſo muß ihm der Gegenſtand ſo vielmal vergroͤßert erſcheinen, ſo vielmal der Winkel bVa groͤßer, als bCa iſt; oder weil ſich dieſe kleinen Winkel, wie ihre Tangenten (ab / Va) und (ab / Ca), d. i. wie Ca zu Va verhalten, ſo vielmal Ca, die Brennweite des Vorderglaſes, groͤßer, als Va, die Brennweite191 des Augenglaſes, iſt. Der Exponent dieſes Verhaͤltniſſes, der die Vergroͤßerung ausdruͤckt, iſt alſo auch bey dieſem Fernrohre dem Quotienten der Brennweiten gleich, oder F / f, wenn man des Vorderglaſes Brennweite F, die des Augenglaſes f nennt.

Die Laͤnge des Fernrohrs CV iſt = Ca + Va = F + f, oder die Summe beyder Brennweiten. Wenn alſo dieſes und ein galileiſches Fernrohr einerley Brennweiten der Glaͤſer haben, ſo vergroͤßern beyde gleich ſtark, und das galileiſche iſt um die doppelte Brennweite des Augenglaſes kuͤrzer.

Dagegen aber hat das Sternrohr ein weit groͤßeres Geſichtsfeld, und erfordert kein genaues Anruͤcken des Auges. Denn ſteht das Auge in O, vom Augenglaſe etwa um ſeine Brennweite entfernt, ſo faßt es von allen Stralencylindern, die durch das Fernrohr durchgehen, und ſaͤmtlich nach dieſem Punkte zu gelenkt werden, einen Theil auf, und es kan keiner davon den Augenſtern ganz verfehlen.

Der vortheilhafteſte Ort fuͤr das Auge O iſt derjenige, wo OV = f+ (f / F). Denn, weil von jedem Punkte der Sache unzaͤhlich viel Stralen ausgehen, ſo kan man annehmen, daß von jedem einer durch den Mittelpunkt des Vorderglaſes C, und alſo ungebrochen, durchgehet. Wo dieſe Stralen, dergleichen hier pCb iſt, durch das Augenglas mit der Axe vereiniget werden, da iſt der vortheilhafteſte Ort das Auge zu ſtellen. Hier nemlich kaͤme von jedem Punkte des Gegenſtandes ein Stral hin, wenn auch die Oefnung des Vorderglaſes nur ein Punkt waͤre. Es iſt aber bey einem Glaſe GH, deſſen Brennweite f iſt, die Vereinigungsweite fuͤr Stralen, die aus C oder aus der Entfernung CV herkommen = (CV. f / CV-f), ſ. Linſenglaͤſer. Alſo, weil CV = F+f iſt, wird OV = ((F+f). f / F+f-f)192 = (Ff+f / F) = f+ (f / F). Iſt F = 2 Schuh, f = 3 Zoll, ſo wird OV = 3 + (9 / 24) oder 3 3 / 8 Zoll. Man ſetzt daher das Augenglas 3 3 / 8 Zoll tief in die vorderſte Roͤhre hinein, damit das Auge, an die Oefnung der Roͤhre gehalten, gleich in die vortheilhafteſte Stelle komme.

Die Groͤße des Geſichtsfeldes laͤßt ſich hier ſo beſtimmen. Wenn HO der aͤußerſte Stral iſt, der vom Augenglaſe nach O kommen kan, ſo uͤberſieht man rings um das Mittel einen Winkel = VOH, deſſen natuͤrliche Groͤße ohne Fernrohr = pCA = VCH iſt. Das iſt eben der Winkel, unter welchem der Halbmeſſer des Augenglaſes VH in die Augen fallen wuͤrde, wenn man ihn vom Vorderglaſe C aus betrachtete. Man nenne dieſen Halbmeſſer VH = r, ſo iſt des Winkels VCH Tangente = (r / CV) = (r / F+f), woraus ſich der Winkel ſelbſt, oder der Halbmeſſer des Geſichtsfeldes, mit Huͤlfe der trigonometriſchen Tafeln findet. Iſt das Augenglas zum Theil bedeckt, ſo iſt fuͤr r der Halbmeſſer der Oefnung anzunehmen. Waͤre r = 1 / 4 Zoll, F und f wie vorher, 2 Schuh und 3 Zoll, ſo wuͤrde tang. VCH = 1 / 4: 27 = (1 / 108) = 0,0092592, alſo der Halbmeſſer des Geſichtsfelds 31 1 / 2 Min. ſeyn.

Die Helligkeit oder Staͤrke des Lichts, womit ein Fernrohr die Gegenſtaͤnde darſtellet, verhaͤlt ſich, wie die Menge von Stralen, die von jedem Theile der Sache ins Auge kommen, dividirt durch den Raum, durch den ſie ſich verbreiten. Die Menge der Stralen verhaͤlt ſich, wie die Oefnung des Vorderglaſes, oder wenn b den Durchmeſſer dieſer Oefnung bedeutet, wie b; der Raum, durch den ſie ſich verbreiten, wie das Quadrat der Vergroͤßerung, oder wie (F / f); mithin die Helligkeit ſelbſt, wie (bf / F).

Die Deutlichkeit, oder vielmehr der Grad der Undeutlichkeit, mit der die Punkte wegen der Farbenverbreitung dargeſtellt werden, verhaͤlt ſich wie die Flaͤche des kleinen193 Kreiſes, durch welchen ſich das Bild eines Punktes, das eigentlich wieder ein Punkt ſeyn ſollte, im Auge ausbreitet, oder wie das Quadrat des Durchmeſſers von dieſem Kreiſe. Nun verhaͤlt ſich im Bilde ab der Durchmeſſer des Kreiſes, durch welchen ſich z. B. das Bild des Punkts a verbreitet, wie der Durchmeſſer der Oefnung des Vorderglaſes, oder wie b, und erſcheint dem Auge, das ihn durchs Augenglas betrachtet, in dem Verhaͤltniſſe groͤßer, in welchem die Brennweite f kleiner iſt. Das heißt, der Durchmeſſer des kleinen Kreiſes im Auge verhaͤlt ſich, wie b / f; mithin iſt die Undeutlichkeit, oder das Quadrat dieſes Durchmeſſers, wie (b / f).

Wie man hieraus die Oefnung des Vorderglaſes beſtimmen, und die Laͤnge des Fernrohrs finden koͤnne, das bey einer gegebenen Vergroͤßerung hell und deutlich ſeyn ſoll, ſ. bey dem Worte: Apertur. Die dort mitgetheilte Tabelle zeigt z. B., daß ein aſtronomiſches Fernrohr, wenn es bey gehoͤriger Helligkeit und Deutlichkeit 60 mal vergroͤſſern ſoll, wenigſtens 9 rheinlaͤndiſche Schuhe lang ſeyn muͤſſe.

Dieſe Theorie des Fernrohrs ſetzt ſehr entfernte Gegenſtaͤnde, und weitſichtige Augen voraus. Fuͤr nahe Gegenſtaͤnde, von deren Punkten die Stralen nicht mehr parallel aufs Vorderglas fallen, entwirft ſich das Bild erſt hinter ab; man muß alſo das Augenglas GH mehr als vorher von ab entfernen, damit das Bild in den Brennpunkt deſſelben komme, oder: Fuͤr nahe Gegenſtaͤnde muß man das Fernrohr weiter aus einander ziehen.

Kurzſichtige Augen ſehen nicht deutlich durch parallele, ſondern durch divergirende Stralen. Sollen aber die aus ab kommenden Stralen hinter GH noch etwas divergent bleiben, ſo darf man nur das Glas GH naͤher an ab ruͤcken. Daher muͤſſen Kurzſichtige das Fernrohr mehr in einander ſchieben, oder verkuͤrzen, um deutlich dadurch zu ſehen. Eben dies gilt auch fuͤr das galileiſche Fernrohr. 194

Das Sternrohr iſt ein ſo einfaches und ſchoͤnes Werkzeug, daß ich mich nicht habe enthalten koͤnnen, von der Theorie deſſelben die vornehmſten Saͤtze beyzubringen. Dieſe Theorie iſt zuerſt von Keplern entwickelt, dann aber nach Erfindung der wahren Geſetze der Brechung erſt von Huygens in ſeiner Dioptrik umſtaͤndlicher ausgefuͤhrt worden. Descartes, ob er gleich das Geſetz der Brechung kannte, und einer der groͤßten Geometern war, giebt doch von den Wirkungen des Fernrohrs eine Erklaͤrung, die man nach Huygens Warnung ja nicht ſuchen darf, zu verſtehen, weil die Muͤhe vergeblich ſeyn wuͤrde. Analytiſch haben die Theorie der Fernroͤhre uͤberhaupt Herr Kaͤſtner in ſeiner Ausgabe von Smith's vollſtaͤndigem Lehrbegrif der Optik, und Herr Kluͤgel in ſeiner analytiſchen Dioptrik vorgetragen.

Daß das Sternrohr die Gegenſtaͤnde umkehrt, iſt fuͤr den Aſtronomen, der einmal damit bekannt iſt, ein ſehr gleichguͤltiger Umſtand. Inzwiſchen haben ſchon Kepler und Scheiner einen Vorſchlag gethan, dieſer vermeynten Unbequemlichkeit abzuhelfen. Bey dem Worte: Linſenglaͤſer wird gezeigt, daß ein Convexglas von der Brennweite f, Stralen aus einem Punkte, der um 2 f von ihm entfernt iſt, wieder in einen Punkt vereiniget, der um 2 f hinter ihm liegt. Man ruͤcke alſo Taf. IX. Fig. 25 das Augenglas GH von a, dem Brennpunkte des Vorderglaſes, um 2 f oder um ſeine doppelte Brennweite ab, ſo werden ſich die Stralen, die in a und b vereiniget waren, hinter dem Augenglaſe in der Entfernung der doppelten Brennweite zum zweytenmale vereinigen und ein umgekehrtes Bild von ab, d. i. ein aufgerichtetes Bild vom Gegenſtande AB machen. Stellt man gegen dieſes Bild ein zweytes Augenglas ſo, wie GH gegen ab ſteht, daß nemlich das Bild im Brennraume des zweyten Augenglaſes liegt, ſo erfolgt alles, wie beym Sternrohre, nur daß das Bild nunmehr aufgerichtet erſcheint. Dieſe Art von Fernrohr mit drey Glaͤſern iſt aber nicht in Gebrauch gekommen, weil die Abweichungen dabey allzugroß werden. 195

Von andern aſtronomiſchen Fernroͤhren mit drey Glaͤſern, welche zwar den Gegenſtand umgekehrt zeigen, aber das Geſichtsfeld und die Deutlichkeit vergroͤßern, hat Huygens in ſeiner Dioptrik (prop. 51.) und ausfuͤhrlicher Euler (Recherches ſur les lunettes à trois verres, qui renverſent les objets in Mém. de l'Ac. roy. de Pruſſe. 1757. p. 323.) gehandelt. Wenn man z. B. zwey nahe bey einander ſtehende Augenglaͤſer ſtatt eines einzigen nimmt, ſo wird der Durchmeſſer des Geſichtsfeldes verdoppelt. Nimmt man zwey Vorderglaͤſer ſtatt eines einzigen, ſo wird das Fernrohr kuͤrzer, aber das Geſichtsfeld bleibt das vorige.

Bisweilen wuͤnſcht man eben keine ſtarke Vergroͤßerung, aber ein deſto groͤßeres Geſichtsfeld und viel Helligkeit zu haben, wenn man z. B. einen großen Theil eines Sternbilds auf einmal uͤberſehen will, um Kometen oder kleine Sterne aufzuſuchen. Dieſe Abſicht erreicht man, wenn man dem Vorderglaſe mehr Oefnung als gewoͤhnlich, und dem Augenglaſe eine große Brennweite giebt. Sternroͤhre dieſer Art heißen Nachtfernroͤhre, Sternſucher, Kometenſucher, Teleſcopia nocturna, Lunettes de nuit. Lambert (Beytraͤge zum Gebrauch der angew. Mathem. Th. III. S. 204.) beſchreibt ein ſolches, wobey das Objectiv 7 Zoll, das Augenglas 1 Zoll Brennweite hat; die Oefnung des Augenglaſes iſt 1 Zoll, die des Objectivs am Tage 8, bey der Nacht 12 Lin. im Durchmeſſer. Es faſſet 6 bis 7 Grad am Himmel, und laͤßt bey hellen Naͤchten die Jupiterstrabanten ſehen, ob es gleich nur 8 Zoll Laͤnge hat. Mehr von dieſen Inſtrumenten findet man in Herrn Kaͤſtners aſtronomiſchen Abhandlungen (B. II. S. 252. u. f.). Durch zwey Oculare erhalten ſie noch etwas mehr Vergroͤßerung.

Erdrohr, Erdfernrohr, Tubus terreſtris, Teleſcopium terreſtre, Teleſcope terreſtre. Ein Fernrohr aus vier erhabnen Glaͤſern, deren eins als Vorderglas, die uͤbrigen drey als Augenglaͤſer dienen. Es laͤßt ſich als ein aſtronomiſches Fernrohr betrachten, welchem man, um196 das Bild wieder umzukehren, noch zwey Augenglaͤſer zugeſetzt hat.

Der P. Anton Maria de Rheita (Oculus Enochi atque Eliae. Antverp. 1665. fol.) giebt es zuerſt als ein ſolches an, das die gewuͤnſchte Umkehrung des Bildes im Sternrohre beſſer, als das kepleriſche mit drey Glaͤſern, bewerkſtellige. Er beſchreibt es mit verſetzten Buchſtaben nach einem Chiffre, wozu er aber hernach ſelbſt den Schluͤſſel gegeben hat.

Zur Erklaͤrung deſſelben ſey Taf. IX. Fig. 26. AB der entlegene Gegenſtand, aus C unter dem Winkel pCA geſehen, DE das Vorderglas von der Brennweite Ca, GH das erſte Augenglas von der Brennweite Va. So gehen die Stralen bis P, wie beym aſtronomiſchen Fernrohre fort, und fallen ſo, daß die zuſammengehoͤrigen parallel ſind, auf das zweyte Augenglas IK, in deſſen Brennraume ſie ſich zum zweytenmale ſammlen, und in〈…〉〈…〉5 ein umgekehrtes Bild von ab, das iſt, ein aufgerichtetes von AB machen. Nachdem ſie ſich hier in den Punkten α und β durchkreuzt haben, fallen ſie auf das dritte Augenglas LM, deſſen Brennpunkt auch in α faͤllt, gehen alſo hinter demſelben wiederum parallel, und kommen ſo ins Auge O, welches daher aus gleichen Urſachen, wie beym Sternrohre, den Gegenſtand deutlich und vergroͤßert, aber jetzt aufgerichtet ſieht, weil die punktirten Stralen von der Seite herkommen, auf welcher B wirklich liegt.

Man uͤberſieht leicht, daß hier gleichſam zwey aſtronomiſche Fernroͤhre vorkommen, das erſte aus den Glaͤſern DE und GH, das zweyte aus IK und LM. Das erſte Fernrohr macht die Vergroͤßerung, das zweyte kehrt blos das Bild um, wenn die Brennweiten beyder Glaͤſer IK und LM einerley ſind. Man kann aber auch die Glaͤſer von ungleichen Brennweiten nehmen, und alſo noch einige Vergroͤßerung auch durch IK und LM erhalten. Allemal aber muͤſſen die Brennpunkte der beyden erſten, ſo wie die der beyden letzten Glaͤſer zuſammentreffen. Haben alle drey Augenglaͤſer einerley Brennweite = f, und das Vorderglas die Brennweite F, ſo iſt auch hier die Vergroͤßerung197 = F / f, die Laͤnge des Fernrohrs aber F + 5f, der Ort des Auges und das Geſichtsfeld, wie beym Sternrohre.

Gemeiniglich werden die drey Augenglaͤſer in die letzte Roͤhre, die daher die Ocularroͤhre heißt, ſo gefaſſet, daß man nach Willkuͤhr die beyden erſten GH und IK herausnehmen, und das Fernrohr mit DE und LM allein, als ein aſtronomiſches, gebrauchen kan. Man muß aber alsdann die Roͤhren mehr in einander ſchieben; denn die Laͤnge, die nunmehr F + f wird, verkuͤrzt ſich um 4f, oder um die vierfache Brennweite des Augenglaſes.

Da das Licht beym Durchgange durch vier Glaͤſer viel von ſeiner Staͤrke verliert, ſo giebt das Erdrohr weniger Helligkeit, als das aſtronomiſche Fernrohr, daher man zu Beobachtungen am Himmel, der umgekehrten Stellung ungeachtet, immer das letztere vorzieht. Zur Betrachtung der Gegenſtaͤnde auf der Erde aber iſt das hier beſchriebene ein ſehr nuͤtzliches Werkzeug.

Man hat Erdfernroͤhre mit vier, fuͤnf bis ſechs Augenglaͤſern, wobey die Abſicht iſt, die Abweichung wegen der Farbenzerſtreuung zu vermindern, und zugleich das Geſichtsfeld zu vergroͤßern. Ueberhaupt laſſen ſich die Zuſammenſetzungen von Convexglaͤſern, zwiſchen welchen Bilder entſtehen, und wo das letzte Bild im Brennpunkte des letzten Glaſes liegt, auf mannichfaltige Art combiniren. Jede ſolche Combination giebt eine andere Art des Fernrohrs, und jede hat ihre eignen Vorzuͤge und Nachtheile. Euler hat davon ſehr allgemein gehandelt (Regle generale pour la conſtruction des teleſcopes et des microſcopes de quelque nombre des verres qu'ils ſoient compoſés in Mém. de l'Ac. roy. de Pruſſe. 1757. p. 283., auch in ſ. Dioptrica, To. II. Sect. 2.). Dollond's Fernroͤhre mit ſechs Glaͤſern, die er vor der Erfindung der achromatiſchen verfertigte, hatten damals großen Beyfall (ſ. Phil. Trans. Vol. XLVIII. p. 103.).

Alle bisher betrachtete Fernroͤhre behalten wegen der gedoppelten Abweichung der Lichtſtralen (ſ. Abweichung,198 dioptriſche) eine Undeutlichkeit, die ſich auch bey der beſten Einrichtung nie ganz heben laͤßt, und die deſto betraͤchtlicher wird, je ſtaͤrker die Vergroͤßerung in Vergleichung mit der Laͤnge des Fernrohrs ſeyn ſoll. Man ſuchte anfaͤnglich die Urſache hievon blos in der ſphaͤriſchen Geſtalt der Glaͤſer, und glaubte ihr durch elliptiſche oder hyperboliſche Glaͤſer abhelfen zu koͤnnen. Man gab den Glaͤſern uͤberdies Bedeckungen oder Blendungen, wovon die Worte: Blendung, Apertur nachzuſehen ſind. Huygens fand es ſehr vortheilhaft, die Blendung des Augenglaſes im aſtronomiſchen und Erdfernrohre innerhalb der Roͤhre an der Stelle des letzten Bildes anzubringen, welches auch noch bis jetzt zu geſchehen pflegt. Eben dieſer ſcharfſinnige Geometer entwarf in ſeiner Dioptrik zuerſt eine vollſtaͤndige Theorie der Fernroͤhre, und lehrte die Verhaͤltniſſe der Helligkeit, Deutlichkeit, Laͤnge und Vergroͤßerung beſtimmen. Man findet ſeine Regeln hieruͤber nebſt einer Tabelle bey dem Worte: Apertur. Euler hat zwar in ſeiner Dioptrik (To. II. §. 194. ſqq. ) andere Regeln gegeben, die ſich aber mit dem hugenianiſchen ſehr wohl vereinigen laſſen.

Es ſcheint zwar auf den erſten Blick, als ob man durch ein aſtronomiſches Fernrohr von einer gegebnen Laͤnge, z. B. von 2 Schuhen, jede Vergroͤßerung erhalten koͤnnte, z. B. eine 100fache, wenn man zu einem Vorderglaſe von 2 Schuh Brennweite ein Augenglas von einer 100mal kleinern, d. i. von (1 / 50) Schuh oder von (6 / 2 < * >) Zoll Brennweite, naͤhme. Allein man wuͤrde in dieſem Falle zwar die verlangte Vergroͤßerung, zugleich aber auch eine Undeutlichkeit erhalten, die das Fernrohr ganz unbrauchbar machen wuͤrde. Die Vergroͤßerung hat alſo fuͤr jedes Fernrohr gewiſſe Grenzen. Nach Huygens Theorie (ſ. Apertur) muß b = (1 / 40) F; ingleichen b = (10 / 11) f ſeyn, wenn das Fernrohr gut ſeyn ſoll. Hieraus folgt F = (4000 / 121) f, alſo F = (4000 / 121) Ff und (F / f) = (4000 / 121) F. Nun iſt (F / f) die Quadratzahl der Vergroͤßerung, F aber die Brennweite des Vorderglaſes oder die Laͤnge des199 Fernrohrs (weil die geringe Brennweite des Augenglaſes hiebey nicht in Betrachtung koͤmmt). Es muß ſich daher die. Laͤnge des Fernrohrs, wie die Quadratzahl der Vergroͤßerung, verhalten. Soll alſo ein aſtronomiſches Fernrohr bey gleicher Helligkeit und Deutlichkeit dreymal ſo ſtark, als ein anderes, vergroͤßern, ſo muß man ihm eine neunmal ſo große Laͤnge geben, u. ſ. w. Vergroͤßert ein Rohr von 1 Schuh Laͤnge 20mal, ſo iſt zu einer 100fachen Vergroͤßerung ein 25 Schuh langes Rohr noͤthig.

Da ſchon die erſten ſehr unvollkommnen Fernroͤhre ſo wundervolle Entdeckungen veranlaſſet hatten, ſo machte man ſich die uͤbertriebenſten Erwartungen von dem, was Fernroͤhre mit ſtarken Vergroͤßerungen am Himmel zeigen muͤßten. Man arbeitete daher um die Mitte des vorigen Jahrhunderts eifrigſt auf dieſen Endzweck, den man nicht anders, als durch Fernroͤhre von großer Laͤnge glaubte erhalten zu koͤnnen. Daher kommen die ungeheuren Laͤngen der Fernroͤhre, und die Glaͤſer von ſo großen Brennweiten in der damaligen Periode. Euſtachius de Divinis zu Rom und Campani zu Bologna wetteiferten in dieſer Abſicht mit einander; doch ſind die Glaͤſer des Letztern weit beruͤhmter geworden. Er verfertigte auf Befehl Ludwigs XIV. Glaͤſer von 86, 100 und 136 pariſer Fuß Brennweite, durch welche Caſſini die zween naͤchſten Trabanten des Saturns entdeckte. Er hat zwar nur wenige Glaͤſer von ſo betraͤchtlichen Brennweiten zu Stande gebracht; allein ſeine kleinern Objective finden ſich noch jetzt haͤufig, und werden von den Beobachtern ſehr geſchaͤtzt. Huygens ſelbſt ſchrieb uͤber das Schleifen der Glaͤſer (Comment. de vitris figurandis in Opp. poſth. Lugd. Bat. 1703. 4. ), und verfertigte Objective bis zu 210 Fuß Brennweite. Auzout in Frankreich brachte ſogar eines von 600 Fuß zu Stande, konnte es aber aus Mangel einer ſchicklichen Vorrichtung nicht gebrauchen. Peter Borel, Mitglied der pariſer Akademie, D. Hook, Paul Neille, Reive und Cox in England thaten ſich ſaͤmmtlich von dieſer Seite hervor. Hartſoeker ſchlif ebenfalls Objectivglaͤſer von 600 Schuh Brennweite, und beſchreibt (Eſſai de Dioptrique. Paris. 1694. 4. )200 ſeine ſehr ſinnreiche Methode, ſie zu verfertigen. Man kan ſich leicht vorſtellen, was fuͤr Muͤhe es gekoſtet haben muͤſſe, Roͤhre von ſo ungeheuren Laͤngen, die ſich durch ihr eignes Gewicht kruͤmmen, bey aſtronomiſchen Beobachtungen zu behandeln. Wer ſich von den Schwierigkeiten dabey einen Begrif machen will, darf nur einen fluͤchtigen Blick auf einige Kupfertafeln in Hevels Machina coeleſti oder im Bianchini (Heſperi et Phoſphori nova phaenomena, Romae 1728. fol. maj. Tab. VII. und VIII. ) werfen, wo ſolche Roͤhre von 70 und 120 roͤmiſchen Palmen vorgeſtellt werden, die Campani 1684 in Rom zur Beobachtung des Monds aufrichtete. Dies veranlaſſete folgende Vorſchlaͤge, die großen Glaͤſer ohne Roͤhren zu gebrauchen.

Fernglas ohne Roͤhren, Luftfernglas, Aſtroſcopium tubi molimine liberatum, Teleſcope aërien.

Eine Verbindung zweyer Glaͤſer, wie im galileiſchen und aſtronomiſchen Fernrohre, wobey aber die Roͤhren wegbleiben, und das Objectiv oder Vorderglas in freyer Luft aufgeſtellt wird.

Huygens (Aſtroſcopia compendiaria, tubi optici molimine liberata. Hagae Com. 1684. 4. ) gab, um den unuͤberwindlichen Beſchwerlichkeiten der langen Roͤhren auszuweichen, dieſes ſinnreiche Mittel an, die Roͤhren ganz zu entbehren. Er faſſet das Objectivglas in ein ganz kurzes Rohr, das ſich vermittelſt einer Nuß nach allen Richtungen drehen laͤßt, und befeſtigt es in der Hoͤhe an eine feſte Stange, an den Giebel eines Gebaͤudes u. dgl. Die Axe dieſes Rohrs konnte er mit einem ſeidnen Faden richten, und ſie in eine gerade Linie mit der Axe einer andern kurzen Roͤhre bringen, worinn das Augenglas befindlich war, und die er in der Hand hielt. Auf dieſe Art konnte er Glaͤſer von den groͤßten Brennweiten in jeder Hoͤhe des Gegenſtandes, ſelbſt im Zenith, gebrauchen, wenn nur ein Standpunkt von hinlaͤnglicher Hoͤhe vorhanden war, um das Objectivglas daran zu befeſtigen. Außerdem hatte er noch eine Erfindung angebracht, das Geſtell, worauf die Roͤhre mit dem Objectivglaſe ruhete, an einer Stange zu erhoͤhen oder niederzulaſſen, je nachdem es die Stellung des201 Gegenſtandes erforderte. Da man heut zu Tage nach der Erfindung der Spiegelteleſkope und achromatiſchen Fernroͤhre die langen Roͤhren gar nicht mehr braucht, ſo habe ich keine Abbildung dieſer zu ihrer Zeit nuͤtzlichen Maſchine geben wollen. Man findet aber dergleichen beym Wolf (Elem. Dioptr. Tab. VIII. Fig. 65.) und beym Smith (Lehrbegrif der Optik, durch Kaͤſtner, Taf. XIX. Fig. 56.), wo man auch Huygens ganze Schrift uͤberſetzt leſen kan (S. 329. u. f.).

Bianchini (Heſperi et Phoſphori nov. phaen. p. 59. und in Mém. de l'acad. roy. des Sc. 1713.) hat noch einige Verbeſſerungen dieſer Maſchine angegeben, ſo wie auch de la Hire (Mém. de l'acad. 1715.), der das Objectivglas nicht in ein Rohr, ſondern in ein Bret, einſchließt (ſ. Smith S. 335.).

Eine aͤhnliche, aber nicht ganz ſo bequeme, Vorrichtung hat auch Hartſoeker vorgeſchlagen (ſ. Miſcell. Berolin. To. I. p. 261.). Da die Roͤhren auch dienen, das fremde Licht von den Seiten her abzuhalten, ſo ſind alle dieſe Erfindungen nur bey Nacht, ſchwerlich aber am Tage oder beym Mondſcheine, zu gebrauchen.

Huygens Vorrichtung iſt vorzuͤglich in England von D. Pound und deſſen Vetter Bradley mit Nutzen gebraucht worden, um ein Objectivglas von 123 Fuß Brennweite zu behandeln, welches Huygens verfertiget, und der koͤniglichen Societaͤt geſchenkt hatte. Pound ſahe dadurch die Saturnstrabanten im Jahre 1718 zum erſtenmale in England, und uͤberzeugte ſeine Landsleute von ihrer Exiſtenz, die ſie bis dahin auf Caſſinis bloßes Wort nicht hatten glauben wollen.

Weil aber dieſes Huͤlfsmittels ungeachtet ſowohl die Verfertigung als der Gebrauch der Glaͤſer von ſo langen Brennweiten hoͤchſt beſchwerlich blieb, ſo fuhr man noch immer fort, auf Mittel zu Verminderung der Abweichungen zu denken, damit man ſtaͤrkere Vergroͤßerungen auch durch kuͤrzere Fernroͤhre erhalten koͤnnte. Man ſchlug dazu gefaͤrbte Objectivglaͤſer, Objectivringe von Glas, neue Einrichtungen der Fernroͤhre mit mehreren verſchiedentlich202 geſtellten Glaͤſern u. dgl. vor, ohne doch den gewuͤnſchten Zweck zu erreichen. Ich will hiebey nur noch bemerken, daß Zuſammenſetzungen, worinnen Hohlglaͤſer vorkommen, zur Verminderung der Farbenzerſtreuung geſchickter ſind, als ſolche, die aus lauter Convexglaͤſern beſtehen. Es iſt keinesweges unmoͤglich, in einem gemeinen Fernrohre, auch ohne den Gebrauch zweyer Glasarten, die Farbenzerſtreuung aufzuheben, wofern nur ein Hohlglas darinn vorkoͤmmt, mit lauter Convexglaͤſern aber iſt es ſchlechterdings unmoͤglich (ſ. Lambert ſur les lorgnettes achromatiques in den Nouv. mém. de Berlin. 1771. p. 338.). Vielleicht laͤßt es ſich hieraus erklaͤren, wie einige der erſten galileiſchen Fernroͤhre ſo ſtarke Vergroͤßerungen ohne allzu große Undeutlichkeit haben aushalten koͤnnen.

Endlich machte die Erſindung der Spiegelteleſkope, welche gar keine Farbenzerſtreuung verurſachen, und alſo ſtarke Vergroͤßerungen bey geringer Laͤnge vertragen, in dieſen Bemuͤhungen einen ſehr langen Stillſtand. Man hielt es mit Newton ſogar fuͤr unmoͤglich, in den Fernroͤhren mit bloßen Glaͤſern die Abweichung wegen der Farben auf irgend eine Art zu vermeiden, bis man durch Dollonds gluͤckliche Verſuche von dem Gegentheile uͤberzeugt wurde. Dieſe Verbeſſerungen der Fernroͤhre aber ſind ſo wichtig, daß ich ihrentwegen ganz auf die ihnen gewidmeten eignen Artikel: Spiegelteleſkop und Achromatiſche Fernroͤhre verweiſen muß.

Beſchreibungen der aͤußern Theile und Nebenſtuͤcke eines Fernrohrs, z. B. der Faſſungen der Glaͤſer, der Roͤhren, Stative, gefaͤrbten Glaͤſer zur Betrachtung der Sonne u. dgl. wird man hier wohl nicht erwarten, zumal da faſt jeder Kuͤnſtler und Liebhaber hiebey ſeinen eignen Ideen und Beduͤrfniſſen folget. Etwas von Roͤhren und Stativen hat Wolf (Elementa Dioptricae. Probl. 29 et 34.), aber freylich ſo, daß es fuͤr die jetzigen Fernroͤhre nicht mehr paſſend iſt. Die engliſchen Kuͤnſtler ſind jetzt darinn die Lehrmeiſter der uͤbrigen, und bearbeiten auch das Aeußerliche an den Fernroͤhren ſehr feſt und ſauber. Uebrigens koͤmmt auf das genaue Centriren und die feſte Stellung der203 Glaͤſer ſo viel an, daß ohne dieſes die beſten Glaͤſer voͤllig unbrauchbar ſind. Von den Mikrometern und Heliometern, die man bey Fernroͤhren anbringt, handeln eigne Artikel dieſes Woͤrterbuchs. Man ſ. auch die Worte: Binocularteleſcop, Helioſkop, Polemoſkop, Vergroͤßerung, Auzometer.

Bey der Beobachtung ſelbſt uͤberſieht man ein ganzes kreisrundes Feld, das Geſichtsfeld, und in ſehr vielen Faͤllen iſt daran gelegen, den Mittelpunkt deſſelben, der in des Fernrohrs Axe liegt, unterſcheiden zu koͤnnen. In dieſer Abſicht ſpannt man inwendig im Ocularrohre zween feine Faͤden aus, die ſich im Brennpunkte des letzten Augenglaſes rechtwinklicht durchkreuzen. Dieſe Faͤden wird man durch das Augenglas deutlich ſehen, und ihr Durchſchnittspunkt wird die Mitte des Geſichtsfelds beſtimmen. Man kan auch ein ebnes Glas gebrauchen, auf dem Linien ſtatt der Faͤden geriſſen ſind. Dieſe Veranſtaltung heißt ein Fadenkreuz, und wird nicht allein oft bey aſtronomiſchen Beobachtungen, ſondern auch vorzuͤglich da gebraucht, wo Fernroͤhre die Stelle der Dioptern bey Feldmeſſerwerkzeugen, aſtronomiſchen Quadranten u. dgl. vertreten. Dies heißen teleſkopiſche Dioptern, und werden den bloßen Dioptern (nudis pinnicidiis) entgegengeſetzt. Wenn alsdann der Durchſchnittspunkt des Fadenkreuzes den Punkt, nach welchem man viſiren will, bedeckt, ſo richtet ſich die Axe des Fernrohrs, alſo auch die mit ihr parallele Viſirlinie des Inſtruments (linea fiduciae) nach dieſem Punkte. Das Viſiren nach entlegnen Punkten erhaͤlt dadurch weit mehr Genauigkeit, als durch bloße Dioptern zu erreichen moͤglich iſt, daher bey großen geometriſchen Meſſungen, beym Waſſerwaͤgen und bey den aſtronomiſchen Winkelmeſſern keine andern, als teleſkopiſche Dioptern, gebraucht werden. Zum erſtenmale iſt das Fernrohr auf dieſe Art von Picard im Jahre 1669 bey ſeiner Gradmeſſung in Frankreich gebraucht worden.

Montucla hiſt. des mathematiques, To. II. P. IV. L. 3.

Prieſtley Geſchichte der Optik durch Kluͤgel, S. 48 u. f. 158 u. f. 534. 204

Weidler Hiſtoria aſtronomiae. Viteb. 1741. 4. Cap. XV.

Smith vollſtaͤndiger Lehrbegrif der Optik, durch Kaͤſtner, an mehrern Stellen.

Kaͤſtners Anfangsgruͤnde der Dioptrik, §. 86. u. f.

Wolf Elem. Dioptricae, in Elem. Matheſ. univ. Halae. 1715. 4. To II.

Briſſon Dict. raiſonné de Phyſique, Art. Lunette, Teleſcope.

Feſte Koͤrper, Corpora ſolida, Corps ſolides.

Koͤrper, deren Theile ſo ſtark zuſammenhaͤngen, daß ſie der Trennung einen merklichen Widerſtand entgegen ſetzen, der ſich nicht durch das Gewicht der einzelnen Theile allein uͤberwinden laͤßt, auch nicht erlaubt, einen Theil des Koͤrpers zu bewegen, ohne daß ſich dieſe Bewegung dem Ganzen mittheile. Ihnen werden die fluͤßigen Koͤrper entgegen geſetzt, bey welchen der Zuſammenhang der Theile weit ſchwaͤcher, und ſo gering iſt, daß ſie durch ihr bloßes Gewicht ſich losreiſſen, ihre Lage aͤndern und allein ohne den ganzen Koͤrper bewegt werden koͤnnen. Umſtaͤndlicher werden die Kennzeichen, wodurch ſich beyde unterſcheiden, bey dem Worte: Fluͤßige Koͤrper angefuͤhrt.

Feſte Punkte, ſ. Hygrometer, Thermometer.

Feſtigkeit, Soliditas, Solidité.

Der Zuſtand eines Koͤrpers, deſſen Theile ſo ſtark zuſammenhaͤngen, daß ſie ſich nicht von ſelbſt, oder durch ihr Gewicht allein, von dem Ganzen losreiſſen, oder ihre Lage gegen einander aͤndern koͤnnen, daher auch jeder Theil ſeine Bewegung dem Ganzen mittheilt. Der Feſtigkeit ſetzt man die Fluͤßigkeit entgegen, ſ. Fluͤßigkeit.

In einem andern Sinne des Worts wird den Koͤrpern oder den Zuſammenfuͤgungen mehrerer Koͤrper Feſtigkeit (firmitas, ſtabilitas, fermeté) beygelegt, wenn die Trennung der Theile vom Ganzen eine ſehr große Kraft erfordert. In dieſer Bedeutung ſetzt man der Feſtigkeit die Zerbrechlichkeit entgegen, bey welcher ſich die Theile mit geringer Kraft vom Ganzen trennen laſſen, wenn ſie auch ſchon nicht von ſelbſt, oder durch ihr eignes Gewicht abfallen. 205

Fett, Pinguedo, Adeps, Graiſſe.

Eine feſte oͤlichte Subſtanz, welche ſich in den thieriſchen Koͤrpern an verſchiedenen Theilen abſetzt. Sie beſteht aus einem milden, nicht fluͤchtigen Oele, welches ſeine Feſtigkeit blos einer innig damit verbundnen Saͤure, der Fettſaͤure oder thieriſchen Saͤure (Acidum pinguedinis animalis, Acide de graiſſe) zu danken hat. Die mineraliſchen Saͤuren und Laugenſalze wirken auf das Fett eben ſo, wie auf die milden, nicht fluͤchtigen Pflanzenoͤle, welche keine harzige noch gummichte Eigenſchaft haben, und nicht trocken werden, z. B. das Baumoͤl, die man daher fette Oele nennt.

Die Saͤure des Fetts iſt vorzuͤglich von Segner (Diſſ. de acido pingued. animalis. Gott. 1754.) und von Hrn. Crell (Chem. Journal, Th. I. S. 60-94. Th. II. S. 112-128. Th. IV. S. 47-77. ) unterſucht worden, welcher Letztere denen Mittelſalzen, die aus ihrer Verbindung mit andern Koͤrpern entſtehen, eigne Namen beygelegt hat. So giebt ſie mit dem vegetabiliſchen Laugenſalze Segners thieriſchen Weinſtein, mit dem mineraliſchen Alkali das mineraliſche Thierſalz, mit dem fluͤchtigen Alkali Segners thieriſchen Salmiak u. ſ. w. Gegen dieſe Benennungen laͤßt ſich doch erinnern, daß die Fettſaͤure keine eigentlich thieriſche, oder dem Thierreiche allein eigne Saͤure iſt, weil auch fette Stoffe des Pflanzenreichs, z. B. die Cacaobutter, eine aͤhnliche Saͤure liefern.

Im natuͤrlichen Zuſtande iſt das Fett ſehr mild; wenn aber die Saͤure durch die Hitze oder durch das Alter entwickelt und zum Theil entbunden worden iſt, ſo wird es ſcharf, reizend und ſogar aͤtzend. In dieſem Zuſtande loͤſet der Weingeiſt den ranzigen Theil davon auf, daher man durch Behandlung mit Weingeiſt das verdorbene Fett wieder verbeſſern kan. Das im Fette enthaltene Oel, welches der Butter und dem Wachſe gleich koͤmmt, entſpringt ohne Zweifel aus den oͤlichten Theilen der Nahrungsmittel, welche fuͤr die Ernaͤhrung des Koͤrpers und fuͤr die Fortpflanzung uͤberfluͤßig ſind, und daher beſonders abgeſetzt werden. 206

Uebrigens pflegt man bisweilen allen denjenigen Subſtanzen den Namen der Fettigkeiten zu geben, welche ſich im Waſſer wenig oder gar nicht aufloͤſen laſſen, bey einem geringen Grade der Waͤrme fluͤßig oder ſchmierig werden, und mit einer Flamme brennen. Dergleichen ſind nicht allein die thieriſchen Fette, als Talg u. dgl. ſondern auch die fetten Oele, Balſame, Butter, Kampher, Wachs und Harz.

Macquer chym. Woͤrterb. durch Leonhardi. Art. Fett, Fettſaͤure.

Feucht, Humidum, Humide.

Ueberhaupt nennt man einen Koͤrper feucht, wenn er von Waſſer oder andern fluͤßigen Materien durchdrungen iſt, oder dergleichen in ſeinen Zwiſchenraͤumen enthaͤlt. So ſagt man, ein Schwamm, ein Papier ſey feucht, wenn ſich Waſſertheile in den Zwiſchenraͤumen dieſer Koͤrper aufhalten; man nennt die Luft feucht, wenn ſie viel Waſſer oder Duͤnſte in ſich enthaͤlt, es ſey nun in unſichtbarer oder in concreter Geſtalt, ſ. Duͤnſte; man ſagt, die Salze werden an der Luft feucht, weil ſie die in der letztern enthaltenen Waſſertheile in ſich nehmen.

Insbeſondere aber nennt man diejenigen Koͤrper feucht, welche geneigt ſind, das Waſſer oder uͤberhaupt das Fluͤßige, das ſie enthalten, den ſie beruͤhrenden Koͤrpern mitzutheilen. In dieſem Sinne wird das Wort feucht genommen, wenn man ſagt, das Hygrometer zeige, wie feucht die Luft ſey. Es zeigt eigentlich, wie ſtark die Dispoſition der Luft ſey, das in ihr enthaltene oder aufgeloͤſte Waſſer der zum Hygrometer gebrauchten Subſtanz mitzutheilen.

Feuchtigkeit, Humiditas, Humor, Humidité.

Dieſes Wort wird in verſchiedenen Bedeutungen gebraucht. Man nimmt es bald fuͤr den Zuſtand des feuchten Koͤrpers (humiditas), ſ. Feucht, bald fuͤr das in ihm enthaltene Waſſer ſelbſt (humor). So ſagt man, bey großer Feuchtigkeit der Luft werde der Erfolg der elektriſchen Verſuche gehindert, wobey durch Feuchtigkeit der Zuſtand der feuchten Luft ſelbſt verſtanden wird; man ſagt aber auch, die Luft207 enthalte viel Feuchtigkeit, d. i. viel waͤſſerichte Theile. De Luͤc (Beſchreibung eines neuen Hygrometers, Philoſ. Trans. Vol. LXIII. no. 38. und deutſch in den Sammlungen zur Phyſik und Naturgeſch. I. B. 1. St.) braucht, um das Letztere auszudruͤcken, das Wort Humor fuͤr alle in der Luft enthaltene waͤſſerichte Theile.

Die neuern Schriftſteller uͤber die Hygrometrie, z. B. de Sauſſuͤre und de Luͤc verſtehen unter dem Worte Feuchtigkeit (humidité) die Dispoſition, Waſſer mitzutheilen, welche der Luft jedesmal eigen iſt, und durch die Veraͤnderungen des Hygrometers angezeigt wird. ſ. Hygrometer. Dieſe iſt nicht ohne Ausnahme einerley oder proportional mit der Menge des in der Luft enthaltenen Waſſers; ſie aͤndert ſich vielmehr ſowohl mit dem Grade der Waͤrme, als auch mit der verſchiedenen Beſchaffenheit der Luft ſelbſt, der in ihr enthaltenen Waſſertheile und der zum Hygrometer gebrauchten Materie.

Feuchtigkeiten, Humores, Humeurs.

heißen oft auch diejenigen waͤſſerichten fluͤßigen Materien, welche ſich an andere Koͤrper, beſonders an die Hand, die ſie beruͤhrt, anhaͤngen, und ſie benetzen, ſ. Adhaͤſion. So ſind Waſſer, Wein, Milch u. dgl. Feuchtigkeiten; das Queckſilber, das weder waͤſſericht iſt, noch ſich an die Haut des menſchlichen Koͤrpers anhaͤngt, bekoͤmmt auch den Namen einer Feuchtigkeit nicht; man muͤßte denn ſagen wollen, es ſey in Anſehung der Metalle feucht, an die es ſich anhaͤngt. Auch Oele, ob ſie gleich an der Hand anhaͤngen, pflegt man nicht Feuchtigkeiten zu nennen. Hingegen iſt nichts gewoͤhnlicher, als den fluͤßigen Theilen oder Saͤften des menſchlichen und thieriſchen Koͤrpers den Namen der Feuchtigkeiten zu geben.

Feuchtigkeiten im Auge, ſ. Auge.

Feuer, Feuerweſen, Feuerſtoff, Waͤrmeſtoff, Elementarfeuer, Ignis, Ignis elementaris, Materia caloris ſ. calorifica, Feu, Feu élementaire.

Die Sprache des gemeinen Lebens nennt alles dasjenige Feuer, was gewoͤhnlich als Mittel gebraucht wird, in andern Koͤrpern die208 Phaͤnomene und Wirkungen der Waͤrme hervorzubringen, d. h. ſie zu erhitzen, zu ſchmelzen, in Daͤmpfe zu verwandeln, zu entzuͤnden und zu verbrennen. Dergleichen Mittel ſind die Flamme brennender Koͤrper, die gluͤhenden Kohlen u. dgl. Da man nun in der Naturlehre ſehr oft genoͤthiget iſt, den Erſcheinungen der Waͤrme eine Urſache beyzulegen, ob man gleich, aufrichtig zu geſtehen, von dieſer Urſache ſehr wenig Gewiſſes weiß, ſo braucht man fuͤr dieſelbe ebenfalls den Namen Feuer, den man aber in dieſer Bedeutung von dem, was im gemeinen Leben Feuer genannt wird, oder von dem Kuͤchenfeuer und der Flamme, ſehr ſorgfaͤltig unterſcheiden muß. Demnach iſt Feuer dasjenige, was in einem Koͤrper Waͤrme hervorbringt, die unbekannte Urſache der Waͤrme.

Da doch die meiſten Naturforſcher dieſe Urſache ganz oder zum Theil von einer eignen Subſtanz herleiten, welche durch die ganze Koͤrperwelt verbreitet ſeyn, und eine ſehr ſtarke Wirkung auf andere Subſtanzen aͤußern ſoll, ſo habe ich kein Bedenken getragen, die Namen Feuerweſen, Elementarfeuer rc. welche ſie dieſer Subſtanz beylegen, hier als gleichbedeutend mit dem Worte Feuer ſelbſt anzufuͤhren.

Zwar haben auch andere Naturforſcher von nicht geringem Anſehen das Feuer blos fuͤr einen Zuſtand der Koͤrper, oder fuͤr eine nach gewiſſen Modificationen erfolgende Bewegung ihrer feinſten Theile halten wollen, ohne ein beſonderes Feuerweſen oder Elementarfeuer anzunehmen. In dieſe Claſſe gehoͤren der Kanzler Bacon (De forma Calidi in Opp. Amſt. 1653. 12. ) und Descartes, welcher das Feuer fuͤr eine Bewegung des erſten Elements oder der ſubtilen Materie erklaͤrt, wodurch die Theile der Koͤrper mit fortgeriſſen werden. Selbſt Newton ſcheint in ſeinen der Optik beygefuͤgten Fragen dieſe Meynung zu beguͤnſtigen, und das Feuer blos fuͤr denjenigen Zuſtand der Koͤrper zu halten, in welchem ſie durch eine heftige ſchwingende Bewegung die in ihnen befindliche Lichtmaterie ausſenden. ſ. Flamme. Auch die Herren Marivetz und Gouffier, Verfaſſer der in einem ſehr weitlaͤuftigen Plane angefangenen209 Phyſique du monde, ſind dieſer Meinung zugethan. Es laſſen ſich aber hiegegen ſehr gegruͤndete Einwendungen machen. Die lockerſten Koͤrper z. B. nehmen eben den Grad der fuͤhlbaren Waͤrme an und pflanzen ihn fort, den die benachbarten viel dichtern haben; alle Koͤrper, ſelbſt die, welche nur eine ſchwache Elaſticitaͤt beſitzen, pflanzen dennoch die Waͤrme leicht durch ſich fort, obgleich ſonſt alle ſchwingende Bewegungen durch die Dazwiſchenkunft weicher unelaſtiſcher Koͤrper gedaͤmpft und aufgehoben werden. Endlich wird eine jede Bewegung deſto langſamer, ſchwaͤcher und unmerklicher, je groͤßer die Maſſe iſt, durch welche ſie ſich vertheilt; das Feuer hingegen verbreitet ſich mit gleicher Staͤrke ſeiner Wirkungen aus den geringſten Maſſen in die groͤßten, und kann ganze Staͤdte verheeren, wenn es auch nur aus einem Fuͤnkgen glimmender Aſche entſtanden iſt. Dieſen letztern Einwurf findet ſelbſt Euler (Diſſ. de igne im Recueil des pieces, qui ont remporté le prix à l'Acad. roy. des Sc. ann. 1738.), ein ſonſt ſehr carteſianiſch geſinnter Phyſiker, ſo ſtark, daß er es fuͤr nothwendig haͤlt, ein elaſtiſches Feuerweſen anzunehmen. Auch moͤchten ſich wohl die Phaͤnomene der Verbrennung aus einer bloßen innern Bewegung der Theile ſchwerlich ſo befriedigend erklaͤren laſſen, als dies bey einigen der neuern Hypotheſen, welche ein eignes Feuerweſen vorausſetzen, moͤglich iſt. Aus dieſen Gruͤnden wird das Daſeyn einer ſolchen Subſtanz anjetzt mit faſt allgemeiner Uebereinſtimmung angenommen.

Deſto groͤßer aber iſt die Verſchiedenheit der Meinungen uͤber die Beſchaffenheit dieſes Feuerweſens, uͤber ſeine Verhaͤltniſſe gegen andere Stoffe, und uͤber die Art und Weiſe, wie es die Erſcheinungen der Waͤrme, die Verdampfung, Schmelzung und Verbrennung der Koͤrper bewirkt. Einige halten das Elementarfeuer fuͤr nichts anders als fuͤr die Materie des Lichts; andere unterſcheiden es von derſelben, oder ſehen doch das Licht als eine eigne neue Modifikation des Feuerweſens an. Viele haben das, was die Koͤrper entzuͤndlich oder verbrennlich macht, das ſogenannte Phlogiſton fuͤr ein in den Koͤrpern befindliches gebundenes Feuer gehalten, andere aber haben Feuer und Phlogiſton210 als zween beſondere ſich entgegengeſetzte Stoffe betrachtet. Einige nehmen das Feuer fuͤr ein allgemeines Aufloͤſungsmittel aller Koͤrper an, andere glauben hingegen, daß daſſelbe, um wirkſam zu werden, und die Erſcheinungen der Waͤrme zu zeigen, ſelbſt eines neuen hinzukommenden Aufloͤſungsmittels beduͤrfe. Dieſe ungemeine Verſchiedenheit der Meinungen hat ihren natuͤrlichen Grund darinn, daß hier die Rede von einer Urſache iſt, die wir nie an ſich ſelbſt unterſuchen, ſondern blos aus ihren Wirkungen beurtheilen koͤnnen. Das einzige nun, was ſich aus dieſen mit einiger Gewißheit folgern laͤßt, iſt, daß das Feuer ein feines, fluͤſſiges, hoͤchſt elaſtiſches Weſen ſey, das alle Koͤrper durchdringt, verſchiedene Verwandſchaften gegen dieſelben aͤuſſert, und in ihnen in verſchiedener Menge ſowohl, als auf verſchiedene Weiſe, enthalten ſeyn kan. Alles uͤbrige beruht auf Schluͤſſen und Vorſtellungsarten, welche der eine Naturforſcher auf dieſe, ein anderer auf andere Erfahrungen baut, und die uns noch bis jetzt kein ſicheres Reſultat uͤber die Natur und Wirkungsart des Feuers verſchafft haben. Bey dieſer Lage der Sache kan ich hier nichts mehr thun, als einige der vornehmſten Meinungen uͤber das Feuer anfuͤhren, unter welchen die neueſten der Herren Crawford und de Luͤc anjetzt die meiſte Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen.

Einige Meinungen der aͤltern Chymiſten uͤber das Feuer hat Johann Friedrich Meyer (Chymiſche Verſuche zur naͤhern Erkenntniß des ungeloͤſchten Kalks, Hannover und Leipz. 1770. 8. Cap. 23.) angefuͤhret, vornehmlich in der Abſicht, um zu zeigen, daß die von ihm angenommene fette Saͤure bereits ein Gedanke der Alten geweſen ſey. Uebrigens laͤuft faſt alles, was ſich darinn findet, auf dunkle und geheimnißvolle Benennungen hinaus, da das Feuerweſen ein von dem gemeinen unterſchiedener Schwefel (ſulphur, ſed non vulgi), ein Kind der Sonne, ein unſichtbarer und unfuͤhlbarer ſaurer Geiſt, ein Salz, das aus den obern Regionen Waͤrme und Licht an ſich ziehe, genannt wird. Becher wird als der erſte angegeben, der das Feuerweſen fuͤr eine Erde gehalten habe, welche Meinung nachher211 durch die Betrachtung des Rußes und der Kohlen beſtaͤrkt, aber darauf eingeſchraͤnkt worden ſey, daß zwar das reine Feuerweſen nicht ſelbſt in einer Erde beſtehe, aber ſich doch allezeit in einer ſolchen eingeſchloſſen befinde. Dies letztere bezieht ſich auf die von Stahl in die Chymie eingefuͤhrte Idee des Phlogiſtons, als eines durch fremden Stoff gebundnen Feuers.

Boerbaave (De igne, in ſ. Elem. Chem. To. I. p. 116. der leipz. Ausg. in 8.) unterſcheidet das Feuer, als eine Materie von eigner Art (ſui generis) von dem Brennbaren. Nach ihm iſt daſſelbe eine elementariſche Materie von unwandelbarer Natur und unveraͤnderlichen Eigenſchaften, welche weder in etwas anders verwandelt, noch aus andern Koͤrpern aufs neue hervorgebracht werden kan. Er glaubt, dieſe Subſtanz ſey durch alle Theile des Raums gleichfoͤrmig verbreitet, bleibe aber voͤllig verborgen, und aͤußere ſich nur durch ihre Wirkungen, nemlich durch Waͤrme, Licht, Farben, Ausdehnung der Koͤrper und Verbrennung. Nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde aͤußern ſich bisweilen alle dieſe Wirkungen auf einmal, bisweilen nur einige allein. Daher empfinden wir oft Licht ohne Waͤrme, wie bey den Phoſphoren, faulem Holze rc. bisweilen Waͤrme ohne Licht, wie bey erhitzten Koͤrpern, die noch nicht gluͤhen u. ſ. w. Keine Wirkung des Feuers aber kan erfolgen, wenn nicht daſſelbe aus ſeinem natuͤrlichen Gleichgewichte geſetzt, und in einen engern Raum, als vorher, gebracht wird. Dies kan auf eine doppelte Art geſchehen, entweder dadurch, daß die Feuertheile in gerade Linien oder Stralen geordnet werden, welches die Wirkung der leuchtenden Koͤrper iſt, oder durch eine wirkliche Verdichtung, dergleichen durch das Reiben der Koͤrper an einander entſtehet.

Macquer (Chymiſches Woͤrterbuch, Art. Feuer) ſieht nebſt vielen andern Chymikern die Lichtmaterie als das reine elementariſche Feuer an. So bald aber dieſelbe ein Beſtandtheil der Koͤrper ſelbſt geworden iſt, bekoͤmmt ſie bey ihm den Namen des Brennbaren oder des fixen Feuers, und die Waͤrme beſteht in einer heftigen durch Erſchuͤtterung212 erzeugten Bewegung aller gleichartigen und ungleichartigen, beſonders aber der brennbaren Theile, die einen Koͤrper ausmachen. Das freye Feuer iſt nach ſeiner Meinung eine ſehr zarte Materie, von unendlich kleinen und feinen Theilen, die gar keinen Zuſammenhang unter einander haben und durch eine immerwaͤhrende reiſſende Bewegung getrieben werden. Es iſt alſo ſtets fluͤßig, ja ſogar die einzige Urſache aller Fluͤßigkeit, auch in andern Koͤrpern. Er unterſucht dann, ob Waͤrme und Licht von einer einzigen oder von verſchiedenen Subſtanzen herruͤhren. Daß das Licht eine eigne Subſtanz ſey, haͤlt er fuͤr entſchieden, da man deſſen Bewegung und Geſchwindigkeit kenne, auch ſeine Richtung zu aͤndern, es zu ſammlen, zu zerſtreuen, in die Zuſammenſetzung der Koͤrper zu bringen und daraus wieder zu ſcheiden vermoͤgend ſey. Die Waͤrme hingegen ſcheint ihm blos ein beſonderer Zuſtand zu ſeyn, deſſen jede materielle Subſtanz faͤhig iſt, ohne daß ſie dadurch aufhoͤret, das zu ſeyn, was ſie iſt; daher er ſie endlich fuͤr eine innere Bewegung der Theile der Koͤrper erklaͤrt. Da nun das Licht, wie die Brennglaͤſer beweiſen, Waͤrme erregt, auch in den meiſten Faͤllen die Waͤrme, wofern ſie nur ſtark genug iſt, Licht hervorbringt, ſo traͤgt er kein Bedenken, beyde Wirkungen einer und eben derſelben Subſtanz beyzulegen. Die verbrennlichen Koͤrper beſitzen die Eigenſchaft, wenn ſie durch die Waͤrme bis zum Gluͤhen gebracht worden ſind, alle Erſcheinungen und Wirkungen des Feuers ſelbſt hervorzubringen, ſo lange, bis alles Licht, welches in ihrer Miſchung war (alles Brennbare) daraus gaͤnzlich entbunden iſt. Daher ſind drey Arten, das Feuer hervorzubringen, deren man ſich in der Chymie und den Kuͤnſten bedienen kan, nemlich der Stoß des Lichts, das Reiben, Schlagen und Stoßen, und die Verbrennung entzuͤndlicher Materien. Das Licht wirkt auf die Koͤrper, als Feuerweſen, blos alsdann, wenn es in ihnen Waͤrme hervorbringen kan; und alle Wirkungen, die es in dieſer Abſicht thut, laſſen ſich auf eine einzige, auf Ausdehnung, zuruͤckfuͤhren. Das von den Koͤrpern zuruͤckgeworfene Licht macht ſie ſichtbar, und wirkt als Licht: das in ſie eindringende213 erwaͤrmt, und wirkt als Feuer, obgleich beydes eine und eben dieſelbe Materie iſt.

Pott (Von Licht und Feuer, in deſſen Lithogeognoſie, Th. I S. 66. 70. ) ſetzt die Natur des Feuers in die genaue Vermiſchung und Bewegung des Lichtweſens mit einer zarten brennlichen Erde, die er auch das Feuerweſen des Phlogiſtons, oder gemeines reines Feuer, nennt. Hinzukommendes Waſſer oder feuchte Luft bringen mit dieſem in Bewegung geſetzten Phlogiſton die Flamme hervor. Wallerius (De materiali differentia luminis et ignis in Diſp. acad. Faſc. I. Holm. et Lipſ. 1780. 8. no. VIII. ) macht den Waͤrme erregenden Stoff zu einer hoͤchſt fluͤßigen, feinen, beweglichen, fluͤchtigen und elaſtiſchen Subſtanz, die mit der Lichtmaterie verbunden iſt, und von derſelben ihre Wirkſamkeit erhaͤlt, an eine feine erdige Materie gebunden aber das Phlogiſton giebt. Das Feuer erklaͤrt er fuͤr die Bewegung und Zerſetzung des Waͤrme erregenden Stoffs und des Phlogiſtons, wobey die mit jenem verbundene unzerſtoͤrbare Materie des Lichts frey und ſichtbar werde. Nach Herrn Weigel (Grundriß der reinen und angewandten Chemie, Greifswalde 1777. 8. ) und Baume (Erlaͤuterte Experimentalchymie, Th. I. S. 132. ff. ) iſt das Feuer eine Materie, welche Licht und Waͤrme als Wirkungen hervorbringt, und wenn ſie zu einem Beſtandtheile der Koͤrper geworden iſt, ſich entweder frey in ihnen aufhaͤlt, den Grundſtoff der Kauſticitaͤt ausmacht, und das Feuerweſen genannt wird, oder durch eine feine Erde gebunden iſt, und den Namen des Brennbaren erhaͤlt.

Johann Friedrich Meyer (Chemiſche Verſ. zur naͤhern Erkenntniß des ungeloͤſchten Kalchs, Hannover und Leipz. 1764. 8. neuere Ausg. 1770. 8. ) unterſcheidet die erſte reinſte Materie des Feuers, die von ihm ſo genannte fette Saͤure (acidum pingue) und das Brennbare von einander. Die reinſte elementariſche Feuermaterie iſt nach ihm das Licht. Aus ihr und einem uͤbrigens noch unbekannten ſauren Salzweſen laͤßt er die fette Saͤure entſtehen, welche bey jeder Verbrennung und Verkalkung in Bewegung geſetzt werden, und die Materie des gemeinen Kuͤchenfeuers214 ausmachen ſoll. Das Brennbare beſteht nach ſeiner Meinung aus dem Lichte, der fetten Saͤure, Erde und Waſſer, und wird von ihm nicht als ein beſonderes Principium, ſondern vielmehr als eine Zuſammenſetzungsart angeſehen, welche in jedem Koͤrper, der brennen ſoll, vorhanden ſeyn muß.

Carl Wilhelm Scheele (Chemiſche Abhdl. von der Luft und dem Feuer, Upſala und Leipzig 1777. 8. ) nimmt im Gegentheil das Brennbare, als ein einfaches elementariſches Weſen, an. Aus demſelben und der fixen Luft oder der von ihm ſogenannten Luftſaͤure entſteht nach ſeiner Meinung die Feuerluft, oder das, was man ſonſt mit Prieſtley reine dephlogiſtiſirte Luft nennet. Dieſe Luft verwandelt ſich durch die Vereinigung mit einer geringern oder groͤßern Menge von Brennbarem in die ſtralende Hitze, die nach Art einer mit Brennbarem verbundenen Saͤure auf die Koͤrper wirkt, die Empfindung der Waͤrme und die Wirkungen des Feuers hervorbringt, und alſo in dieſem freylich etwas ſonderbar ſcheinenden Syſtem die eigentliche Materie des Feuers iſt. Wenn dieſe ſtralende Hitze mit noch mehrerem Brennbaren in Verbindung tritt, ſo wird daraus das Licht, und bey noch mehrerer Ueberſaͤttigung mit Brennbarem das entzuͤndbare Gas hervorgebracht. Das Feuer iſt der Zuſtand, in welchen die brennbaren Koͤrper durch Huͤlfe der Feuerluft gerathen, nachdem ſie vorher einen gewiſſen Grad der Hitze empfangen haben, wobey das Brennbare von den andern Materien, mit welchen es verbunden war, gewaltſam losgeriſſen wird, und dadurch eine Aufloͤſung der Koͤrper in ihre Beſtandtheile und eine gaͤnzliche Zerſetzung derſelben verurſacht. Dieſes Syſtem iſt nicht nur von ſeinem beruͤhmten Urheber mit vielen chymiſchen Verſuchen unterſtuͤtzt, ſondern auch von Bergmann (Anleitung zu chemiſchen Vorleſungen, auch in der Vorrede zu Scheeles Schrift ſelbſt) in ſeinen vornehmſten Theilen gebilliget worden. Es gruͤndet ſich vornehmlich darauf, daß Scheele durch ſehr feine Verſuche in der Materie des Lichts ein brennbares Weſen fand, und demnach zu entdecken glaubte, daß die Lichtmaterie nicht ganz ſo, wie215 das Brennbare ſelbſt, wirke, daher er ihr den Begriff eines einfachen Stoffs nicht beylegen wollte. Es laſſen ſich aber gegen die Schluͤſſe, welche er aus ſeinen Verſuchen gezogen hat, noch ſehr erhebliche Einwendungen machen, welche man beym Wallerius in der vorhin angefuͤhrten Diſſertation De materiali differentia luminis et ignis vorgetragen findet, ſo wie es auch ſchwer zu begreifen iſt, wie man ſo oft Leuchten ohne Waͤrme, und Hitze ohne Licht empfinden koͤnne, wenn das Licht in nichts anderm, als einer mit mehrerem Brennbaren uͤberſetzten Waͤrme beſteht. Dennoch weicht in vielen Stuͤcken das Scheeliſche Syſtem von den neuern ſo weit nicht ab, als es anfaͤnglich ſcheinet.

Lavoiſier (Mémoire ſur la combuſtion in Mém. de l'acad. roy. des Sc. à Paris, 1777. p. 592. deutſch in ſ. Werken von Weigel uͤberſetzt, Th. III. Greifsw. 1783. 8. S. 170. auch in Crells neuſten Entdeckungen, Th. V. S. 188.) nimmt den Stoff des Feuers, oder der Hitze und des Lichts fuͤr einerley an, und glaubt, dieſer Stoff ſey das Aufloͤſungsmittel, welches mit einem andern Grundtheile verbunden, die reine Luft ausmache. Wenn nun ein hinlaͤnglich erhitzter Koͤrper mit der atmoſphaͤriſchen Luft (welche zum Theil reine Luft enthaͤlt) in Beruͤhrung komme, ſo entziehe er ihr den Grundtheil, der Feuerſtoff werde frey, und gehe mit Hitze und Licht, d. i. mit Flamme davon. So werde der reine Theil der Luft zerſetzt, und es bleibe nur der verdorbene, oder die ſonſt ſo genannte phlogiſtiſirte Luft uͤbrig; der angezogne Grundtheil der reinen Luft aber bleibe im Reſte des verbrannten Koͤrpers zuruͤck. Dieſe Theorie hat viel Einnehmendes und Einfaches, erklaͤrt viele Erſcheinungen, und fand deswegen in Frankreich großen Beyfall. Da aber hiebey gar kein Phlogiſton angenommen wird, fuͤr deſſen Daſeyn doch viel Gruͤnde vorhanden ſind; da auch die Lichtmaterie ſchwerlich ganz einerley mit dem Feuerſtoff ſeyn kan, und der Grundtheil der Luft in dem Ruͤckſtande der Verbrennung noch nicht uͤberzeugend hat dargeſtellt werden koͤnnen: ſo hat dieſe Hypotheſe viel von ihrem Anſehen verlohren. (ſ. Gren Obſ. et Exp. circa geneſin aëris fixi et phlogiſticati. Halae, 1786. 8.) 216

Kein Naturforſcher hat mehr Muͤhe angewandt, die Materie des Feuers dem Auge ſichtbar darzuſtellen, als Marat (Decouverte ſur le feu, l'electricité et la lumiere. à Paris. 1779. 8. ins Deutſche uͤberſ. mit Anmerkungen von C. E. Weigel, Leipzig, 1783. gr. 8. ingl. Recherches ſur le feu par Mr. Marat. Paris. 1780. 8.). Er hat ſich dazu des Sonnenmikroſkops im verfinſterten Zimmer bedient, und mit Huͤlfe deſſelben aus gluͤhenden Koͤrpern etwas in Geſtalt feuriger Wellen aufſteigen geſehen, welches beſondere Verwandſchaften gegen andere Stoffe, denen es begegnete, z. B. gegen Waſſer, Salze, Erden, Metalle, Phlogiſton und Lichtmaterie aͤußerte. Seinen zahlreichen Beobachtungen zufolge iſt dieſes Weſen von der Lichtmaterie, dem Phlogiſton und der elektriſchen Materie weſentlich unterſchieden. Er giebt ihm den Namen der Fenermaterie oder der feurigen Fluͤßigkeit (fluide ig < * >), und erklaͤrt es fuͤr eine eigne Subſtanz, deren Theile ſehr durchſichtig, zart, ſchwer, beweglich, aͤußerſt hart und kugelfoͤrmig ſind. Dieſe Subſtanz macht einen Beſtandtheil der Koͤrper aus, und das Feuer beſteht in dem thaͤtigen Zuſtande derſelben, in welchem ſie durch die Bewegung ihrer Theile in den Koͤrpern Waͤrme und Flamme hervorbringt. Marat brachte in den Lichtkegel ſeines Sonnenmikroſkops nicht allein Koͤrper, die vom Feuer zerſtoͤrt werden, z. B. einen brennenden Wachsſtock, eine gluͤhende Kohle u. dgl., ſondern auch ſolche, die von ihrem Beſtande eigentlich nichts verlieren, als gluͤhende Stuͤcken Silber, Porcellan, Bergkryſtall u. ſ. w., ſahe aber allezeit auf der weißen Leinwand, die das Bild auffieng, einen hoch aufſteigenden weißen Cylinder, der ſich oberwaͤrts erweiterte und in lauter gekraͤuſelte Wellen verbreitete. Es ſcheint aber der Schluß, daß ſich hier die Feuermaterie ſelbſt darſtelle, mit allzuviel Uebereilung gezogen zu ſeyn. Vielleicht beſtand dieſe aufſteigende Saͤule blos aus dem Brennbaren, welches die Kohle und der Wachsſtock bey ihrer Zerſetzung aus ſich ſelbſt hergaben, die unzerſtoͤrlichen Materien aber aus den Koͤrpern, zwiſchen welchen ſie gegluͤhet worden waren, angenommen hatten und wieder von ſich gehen ließen, und welches durch217 den Schein des brennenden oder gluͤhenden Koͤrpers ſelbſt erleuchtet ward. Er fuͤhrt ſelbſt an, daß ſich die aufſteigende Saͤule durch den Luftſtrom eines Blaſebalgs aus ihrer geraden Richtung bringen und nach der Seite oder unterwaͤrts lenken laſſe, welches doch fuͤr eine ſo feine Materie, die alle Koͤrper durchdringen ſoll, eine ſehr grobe Erſcheinung iſt. Uebrigens bringt er noch Verſuche bey, welche gegen die Erfahrungen der mehreſten Naturforſcher erweiſen ſollen, daß die Koͤrper, wenn ſie heiß ſind und gluͤhen, ſchwerer werden. Er waͤhlte hiezu ſolche Koͤrper, die im Feuer nicht ſo leicht etwas von ihrer Subſtanz verlieren. Eine 6 Unzen wiegende ſilberne Kugel hatte bey dem Rothgluͤhen 5 1 / 2 Gran mehr am Gewichte, und eine bis zum Weißgluͤhen erhitzte kupferne Kugel von 15 Unzen und 6 Quentchen, wog, ohnerachtet ſie nach dem Erkalten drey Gran von ihrer Subſtanz verlohren hatte, gluͤhend doch zwey Gran mehr. Wenn dies richtig waͤre, ſo bewieſe es allerdings unlaͤugbar, daß erhitzte Koͤrper eine Materie in ſich nehmen, die vielleicht oft auch nur hindurchgeht, ohne ſich in ihnen feſtzuſetzen, die ſich doch aber auch bisweilen feſtſetzen kan. Nach Herrn Marat ſoll dieſe Materie, oder ſeine feurige Fluͤßigkeit, ſogar ſpecifiſch ſchwerer, als die Luft, ſeyn, welcher Satz allzuparadox iſt, als daß er nicht noch weit mehrerer Beſtaͤtigung beduͤrfen ſollte. Aehnliche Verſuche uͤber die Schwere des Feuers hat ſchon Boyle (De ponderabilitate flammae in Opp.) angeſtellt. Er glaubte, eine Schwere des Feuers daraus ſchließen zu koͤnnen, ſo wie Homberg 4 Unzen Spießglaskoͤnig, die hinter dem großen pariſer Brennglaſe einer ſtarken Hitze waren ausgeſetzt worden, 3 Drachmen ſchwerer, als vorher fand. Boerhaave bezeugt, daß er dies bey ſeinen Verſuchen nie gefunden habe, und Muſſchenbroek beſtreitet dieſe Abwaͤgungen ſehr richtig aus dem Grunde, weil ein Koͤrper, den man einmal kalt, das anderemal heiß wiegt, das erſteremal in dichterer, das anderemal in duͤnnerer Luft gewogen wird, und alſo ſchon darum das letztemal ſchwerer ſcheinen muß. ſ. Gewicht. 218

Eine der ſinnreichſten Theorien uͤber Waͤrme und Feuer iſt diejenige, welche D. Adair Crawford, ein junger Arzt zu London (Experiments and obſervations on animal Heat and the inflammation of combuſtible bodies. London, 1779. 8. mai. A. Crawfords Verſuche und Beobachtungen uͤber die thieriſche Waͤrme und die Entzuͤndung brennbarer Koͤrper, mit W. Morgans Erinnerungen wider die Theorie des Herrn C. Leipzig, 1785. 8. ), vorgetragen hat. Sie gruͤndet ſich zwar ganz auf Verſuche, welche die Herren Wilke, Black und Irwin ſchon ſeit dem Jahre 1772 angeſtellt hatten; aber die Beſchuldigung, als ob die Theorie ſelbſt von dieſen Gelehrten entlehnet ſey, iſt ungegruͤndet und es haben ihr die beyden zuletztgenannten ſelbſt ausdruͤcklich widerſprochen. Um dieſe Theorie mit moͤglichſter Kuͤrze und Deutlichkeit vorzuſtellen, werde ich derjenigen Ordnung folgen, welche die Herren Lichtenberg (in den Erxlebenſchen Anfangsgr. der Naturlehre, Goͤttingen, 1787. 8. §. 494. b, u. f.) und Karſten (Anleitung zur gemeinnuͤtzlichen Kenntniß der Natur, Halle, 1783. 8. XXVI. Abſchn. ) bey dem Vortrage derſelben beobachtet haben. Crawford's Theorie von Waͤrme und Feuer.

Wer ein Elementarfeuer, oder eine materielle Urſache der Waͤrme annimmt, der wird auch den Satz gelten laſſen, daß daſſelbe nach den Geſetzen der Verwandſchaft bald mit verſchiednen Koͤrpern in Verbindung treten, bald wiederum von denſelben abgeſchieden werden koͤnne; wenigſtens laͤßt ſich die Erzeugung der Kaͤlte bey Aufloͤſungen der Salze, die Erhitzung des ungeloͤſchten Kalks mit Waſſer, nebſt andern aͤhnlichen Erſcheinungen ohne dieſe Regel ſchwerlich auf eine befriedigende Art erklaͤren. Man muß daher annehmen, daß ſich das Feuer oder die Materie der Waͤrme bald in einem freyen, bald im gebundenen Zuſtande befinde.

Freyes Feuer

welches man auch freye oder fuͤhlbare, empfindbare Waͤrme (ſenſible heat) nennen kan, wirkt auf unſer Gefuͤhl und aufs Thermometer. Die Empfindung, welche es in uns erregt, nennen wir ebenfalls Waͤrme, und wenn ſie heftig iſt, Hitze. Freyes Feuer breitet219 ſich ſo lang durch alle benachbarte Koͤrper aus, bis ſie alle einerley Temperatur haben, d. i. bis das Thermometer bey allen gleich hoch ſtehet. Gebundnes Feuer hingegen heißt dasjenige, welches weder auf das Gefuͤhl, noch auf das Thermometer wirkt, ſondern gleichſam einen bleibenden Beſtandtheil der Koͤrper auszumachen ſcheint.

Jede Materie, welche von allen Seiten mit freyem Feuer oder mit waͤrmern Koͤrpern umgeben iſt, wird dadurch waͤrmer, wofern nicht etwa ein Theil der Waͤrme dabey gebunden und unthaͤtig gemacht wird. Sind die Maſſen, die ſich beruͤhren, gleichartig, ſo vertheilt ſich der Ueberſchuß der Hitze der waͤrmern uͤber die kaͤltere unter die ganze Maſſe gleichfoͤrmig. Wenn alſo a, b, die Maſſen zweener zu vermiſchenden Koͤrper, m, n, die ihnen zugehoͤrigen Grade der Waͤrme ſind, ſo wird der Grad der Waͤrme der Miſchung = (am+bn / a+b) ſeyn. Dies iſt die ſchon von Richmann (Nov. Comment. Petrop. Tom. I. p. 152. 168. ſqq. ) angegebne Regel, bey welcher uͤbrigens kleine Abweichungen von den Verſuchen nicht befremden duͤrfen, theils, weil doch bey jeder Vermiſchung ungleich warmer Materien etwas Waͤrme verlohren geht, theils, weil gleiche Grade des Thermometers bey weitem nicht vollkommen gleiche Vermehrungen oder Verminderungen der Waͤrme anzeigen. Aus dieſer Regel laͤßt ſich unter andern auch finden, wie viel Waſſer u. dgl. von gegebnen Temperaturen m, n man zuſammen gießen muͤſſe, um eine Miſchung von einer mittlern Temperatur μ daraus zu erhalten. Aus μ = (ma+nb / a+b) folgt a: b = μ n: m μ. Man ſoll z. B. eine Miſchung von 86 Grad Temperatur aus kaͤlterm Waſſer von 50 Grad, und waͤrmern von 110 Grad hervorbringen; ſo werden ſich die dazu noͤthigen Antheile des kaͤltern und waͤrmern Waſſers, wie 110 86: 86 50 = 24: 36 = 2: 3 verhalten muͤſſen.

Dieſe Regel trift mit ziemlicher Genauigkeit zu, wenn die vermiſchten Materien gleichartig, z. B. beyde Waſſer,220 beyde Queckſilber, ſind. Bey Vermiſchung ungleichartiger Maſſen aber fallen die Reſultate ganz anders aus. Wird 1 Pfund Waſſer von 110 Grad Waͤrme mit 14 Pfunden Queckſilber von 50 Grad Waͤrme vermiſcht, ſo ſollte die Miſchung den vorigen Regeln zu Folge (110+14. 50 / 15) = 54 Grad Waͤrme haben; ſie erhaͤlt aber, wenn man den Verſuch wirklich anſtellt, 86 Grad empfindbare Waͤrme oder freyes Feuer. Dies zeigt offenbar, daß 4 Pfunde Queckſilber nicht ſo viel Feuer oder Waͤrme binden und unthaͤtig machen, als 14 Pfunde Waſſer.

Um aus 1 Pfund Waſſer von der Temperatur 110 Grad eine Miſchung von 86 Grad Temperatur zu bereiten, haͤtte man, der vorigen Rechnung zu Folge, 2 / 3 Pfund Waſſer von 50 Grad Temperatur hinzuthun muͤſſen. Dieſe 2 / 3 Pfund Waſſer haͤtten alſo eben ſo viel freyes Feuer gebunden, als 14 Pfund Queckſilber. Mithin nimmt 1 Pfund Waſſer eben ſo viel Waͤrme an, als 21 Pfund Queckſilber; oder das Vermoͤgen des Waſſers, Waͤrme anzunehmen und zu binden, iſt 21mal groͤßer, als das aͤhnliche Vermoͤgen einer gleichen oder gleich ſchweren Maſſe Queckſilber. Dieſes wird jedesmal ſtatt finden, wo Waſſer und Queckſilber ſich zuſammen erhitzen und abkuͤhlen. Man nennt die Zahl, welche ausdruͤckt, wie viel mehr oder weniger Waͤrme ein beſtimmtes Gewicht von einer gewiſſen Materie dem Waſſer mittheilt oder auch wieder von ihm annimmt, als ein gleiches Gewicht Waſſer von gleicher Temperatur, die ſpecifiſche Waͤrme der Materie. In dieſem Sinne iſt (1 / 21) die ſpecifiſche Waͤrme des Queckſilbers, wenn die des Waſſers = 1 iſt. Es iſt eigentlich die Faͤhigkeit des Queckſilbers, Waͤrme zu binden, 21mal geringer, als eben dieſe Faͤhigkeit des Waſſers, oder durch eben die Menge Feuer wird Queckſilber 21mal ſtaͤrker erhitzt, als eine gleiche Maſſe Waſſer; daher man dieſe ſpecifiſche Waͤrme auch Capacitaͤt zu nennen pflegt. Von den Unterſuchungen uͤber die ſpecifiſche Waͤrme der Koͤrper, und den Tabellen, welche Kirwan, Wilke u. a. hieruͤber mitgetheilt haben,221 wird unter dem Artikel: Waͤrme, ſpecifiſche etwas mehreres vorkommen.

Abſolute Waͤrme hingegen heißt die Summe aller in einem gegebnen Koͤrper enthaltenen Waͤrme - Materie. Bey gleichartigen Materien von gleicher Temperatur werden ſich natuͤrlich die abſoluten Waͤrmen, wie die Maſſen verhalten. Bey ungleichartigen Materien aber, oder beym Uebergange der Koͤrper aus einem Zuſtande in den andern findet ſich hierinn eine ſehr große Verſchiedenheit. Schon Wilke (Von des Schnees Kaͤlte beym Schmelzen, in den ſchwed. Abhdl. 34. Band fuͤr das Jahr 1772. S. 93.) hat einen merkwuͤrdigen hieher gehoͤrigen Verſuch angeſtellt. Wenn man 162° warmes Waſſer mit 32° kaltem zu gleichen Theilen vermiſcht, ſo iſt die Temperatur der Miſchung den obigen Regeln gemaͤß 97°. Miſcht man aber mit eben dem warmen Waſſer gleich viel 32° kaltes Eis oder Schnee dem Gewicht nach, ſo ſteigt die Temperatur des Gemiſches nicht uͤber 32°, und es bleibt oft noch ein Theil des Schnees ungeſchmolzen. Hieraus erhellet augenſcheinlich, daß das 32° kalte Eis, um ein eben ſo kaltes Waſſer zu werden, ſo viel Feuer noͤthig hat, als ſonſt hinreichend iſt, eine gleiche Quantitaͤt Waſſer bis auf 162° zu erhitzen, oder daß es 130° Waͤrme verſchluckt und bindet, daß ſie nicht mehr aufs Gefuͤhl und Thermometer wirken kan. Dagegen muß das Waſſer beym Gefrieren, oder wenn es ſich in Eis verwandelt, eben ſo viel Feuer oder abſolute Waͤrme abſetzen. Aehnliche Phaͤnomene zeigen ſich beym Zerſchmelzen und Anſchießen der Salze, bey dem Erſtarren der geſchmolzenen Metalle, bey der Verwandlung des Waſſers in Daͤmpfe und der Verdichtung der letztern zu Waſſer. Man hat hierauf Methoden gegruͤndet, die Menge der abſoluten Waͤrme in den Koͤrpern zu beſtimmen, d. i. auszumachen, wie hoch ſie ein Thermometer treiben wuͤrde, wenn man ſie auf einmal in Freyheit ſetzte. So hat man gefunden, daß eiskaltes noch nicht gefrornes Waſſer noch ſo viel gebundne Waͤrme enthaͤlt, daß dieſelbe, wenn ſie auf einmal frey wuͤrde, eine empfindbare Hitze von 1300 fahrenheitiſchen Graden erregen wuͤrde, eine Hitze, welche uͤberfluͤßig hinreichend222 iſt, Eiſen rothgluͤhend zu machen. ſ. Waͤrme, abſolure.

Nach den hieruͤber angeſtellten Verſuchen enthaͤlt die gemeine Luft gegen 19mal mehr Feuer oder abſolute Waͤrme, und die dephlogiſtiſirte gegen 87mal mehr als ein gleiches Gewicht Waſſer von gleicher Temperatur; auch die gemeine Luft 69 und die dephlogiſtiſirte 322mal mehr, als das Gewicht gleich viel fixer und phlogiſtiſirter Luft. Die Metalle enthalten weniger Feuer, als ihre Kalke, z. B. der Spießglaskoͤnig, beynahe 3mal weniger, als der Spießglaskalk. Vitriolſaͤure enthaͤlt mehr denn 4mal ſo viel Feuer, als der Schwefel; das Pulsadernblut mehr, als das in den Blutadern; das Waſſer mehr als das Eis. Mehrere Beyſpiele hievon zeigen die bey dem Worte: Waͤrme, ſpecifiſche mitgetheilten Tabellen. Alle dieſe Beyſpiele aber ſcheinen nachfolgende Regel zu beſtaͤtigen.

Wenn mit einer Maſſe mehr Phlogiſton verbunden wird, ſo wird dadurch ihre Faͤhigkeit, das Feuer zu binden, vermindert, und ein Theil ihrer abſoluten Waͤrme ausgetrieben. Wird ihr hingegen Phlogiſton entzogen, ſo wird ihre Faͤhigkeit, das Feuer zu binden, verſtaͤrkt, und ſie verſchluckt einen Theil des Feuers aus den ſie beruͤhrenden Koͤrpern.

Dieſem Grundſatze. zu Folge ſieht Crawford das Phlogiſton als ein dem Feuer entgegengeſetztes Weſen an, deſſen Vereinigung mit einem Koͤrper das Feuer aus demſelben heraus treibt, dagegen durch die Wirkung des Feuers auf eine Maſſe die Anziehung derſelben gegen das Phlogiſton vermindert wird. Er erklaͤrt hieraus die Unterhaltung der Waͤrme in den Koͤrpern der lebenden Menſchen und Thiere (ſ. Athemholen, Waͤrme, thieriſche) ingleichen die Entzuͤndung und Verbrennung, nebſt den meiſten dabey vorkommenden Erſcheinungen ſehr gluͤcklich.

Freyes Feuer wirkt auf alle Koͤrper, welche Brennbares enthalten, als Aufloͤſungsmittel. Koͤmmt nun hiezu ein freyer Zutritt der Luft, deren reiner Theil eine ſtarke Verwandſchaft gegen das Phlogiſton hat, ſo wird dieſelbe ſich mit dem aus dem Koͤrper entwickelten Phlogiſton verbinden,223 und dagegen ihr Feuer fahren laſſen, das ſich theils mit dem Koͤrper verbindet, der das Phlogiſton hergab, theils ſich als frey in der benachbarten Luft vertheilt, und daher eine empfindbare oft ſehr heftige Hitze erregt. Die atmoſphaͤriſche Luft, mit deren reinem Theile ſich das Phlogiſton verbindet, wird dadurch in fixe oder phlogiſtiſirte Luft verwandelt, deren ſpecifiſche Waͤrme 322mal geringer iſt, als die der dephlogiſtiſirten. Man kan ſich hieraus einen Begrif von der großen Menge des Feuers machen, welches bey der Verbrennung der Koͤrper aus der Luft entbunden oder frey wird, beſonders, wenn ein beſtaͤndiger Luftzug immer friſche Luft herbey fuͤhrt, oder die Verbrennung in dephlogiſtiſirter Luft geſchieht, in welcher Eiſendraͤthe und Uhrfedern wie Schwefelfaden verbrennen.

Das freygewordene Feuer wird dem Geſuͤhl als Waͤrme oder Hitze empfindbar; in ſehr vielen Faͤllen aber wird es auch dem Geſicht als Licht merklich, wie bey dem Gluͤhen und der Flamme. Die letztere ſcheint ein in Luftgeſtalt abgeſchiedenes Phlogiſton, nach Volta und Kirwans Vorſtellungen ein entzuͤndetes brennbares Gas zu ſeyn, das ſich vielleicht ſo lang als Flamme zeigt, bis es ſeine Luftgeſtalt verlohren und ſich mit der atmoſphaͤriſchen Luft vereiniget hat. Ein Theil des abgeſchiedenen Phlogiſtons bleibt noch mit den uͤbrigen vom brennenden Koͤrper abgetrennten Theilen verbunden, welche in Geſtalt des Rauches davon gehen, eine Menge Feuertheile mit ſich nehmen, und dieſe in den hoͤhern Gegenden wiederum der Atmoſphaͤre uͤberlaſſen. Daß uͤbrigens in der Flamme einer Kerze die Hitze ſo heftig, in einer geringen Entfernung davon aber nur ſchwach iſt, ruͤhrt daher, weil eben die Feuermenge, welche die phlogiſtiſirte Luft bis auf einen ungeheuren Grad erhitzt, die gemeine atmoſphaͤriſche Luft nur bis auf einen ſehr maͤßigen Grad erwaͤrmet.

Hieraus erklaͤrt ſich, warum das Feuer nicht fortbrennet, wenn die umher befindliche Luft weggenommen wird, oder wenn ſie bereits mit Phlogiſton geſaͤttiget iſt; weil ſie nemlich alsdann keines weiter aufnehmen kann, daher auch keines weiter von der brennenden Maſſe abgeſondert wird. 224Eben ſo erfordert auch die Verkalkung der Metalle im Feuer den Zugang der freyen Luft, und in einem verſchloſſenen Gefaͤße kan nur eine beſtimmte Menge Metall verkalkt werden, ſo lange bis die eingeſchloſſene Luft phlogiſtiſiret iſt. Feuer und Luft wirken alſo bey jeder Verbrennung gemeinſchaftlich als Aufloͤſungsmittel; das erſte zerlegt den brennenden Koͤrper, indem die Luft ſich mit dem Phlogiſton verbindet, und dagegen den in ihr enthaltenen Vorrath von Feuer hergiebt. Durch einen Strom friſcher Luft aus einem Blaſebalge, durch Blaſen, durch das Loͤthrohr u. dgl. wird die Hitze verſtaͤrkt, beſonders wenn die hinzugeblaſene Luft ſehr rein iſt, weil mit der friſchen Luft ein neuer Vorrath von Feuer hinzugefuͤhret, und zugleich die phlogiſtiſirte Luft, welche den brennenden Koͤrper umgiebt, hinweggetrieben wird.

Es kan Stoffe geben, welche von einer ſchwachen unſerm Gefuͤhl kaum merklichen Waͤrme ſchon ſo weit zerlegt werden, daß etwas Phlogiſton aus ihnen ausgeht. Sobald dies mit der Luft in Beruͤhrung koͤmmt, kan Hitze und Entzuͤndung entſtehen. So erklaͤrt ſich die Selbſtentzuͤndung des Phoſphorus und Pyrophorus an der Luft. Schlechter Pyrophorus wird wenigſtens an der Luft warm, und zeigt einen Schwefelgeruch. Wenn Saͤuren und Oele einander mit Heftigkeit zerſetzen, ſo wird die umliegende Luft ploͤtzlich phlogiſtiſirt, ſie muß alſo dagegen viele Feuermaterie abſetzen, welche die Miſchung bis zur Entzuͤndung erhitzen kan. Hieraus erklaͤren ſich die ploͤtzlichen Erhitzungen der Miſchungen des Saſſafras - Guajak - oder Nelkenoͤls mit rauchender Salpeterſaͤure, die Selbſtentzuͤndung des mit Kienruß, Hanf und Flachs vermiſchten Hanfoͤles und Leinoͤles, die Entſtehung der Hitze und Flamme bey der Verwitterung der Kieße, in den Miſchungen aus Eiſen, Schwefel und Waſſer, und bey der Faͤulniß, wobey ſich ebenfalls viel Phlogiſton entbindet, welches die Urſache der Erhitzung des in den Scheuren naß aufgehaͤuften Heus iſt.

Dieſe ſehr ſinnreiche Theorie iſt von den Naturforſchern mit ungemeinem Beyfall aufgenommen worden: auch ſind225 die von Morgan dagegen gemachten Einwendungen von keiner Erheblichkeit. Herr de Luͤc, welcher weit ſtaͤrkere Zweifel gegen dieſe Hypotheſe vorgetragen hat, verſichert (Idées ſur la metéorologie §. 168.), D. Crawford habe ihm eingeſtanden, daß er mit ſeinen bisherigen Verſuchen zwar ſelbſt nicht ganz zufrieden ſey, aber doch alle ihm gemachte Zweifel zu heben hoffe. De Luͤc's Theorie vom Feuer.

De Luͤc (Neue Ideen uͤber die Meteorologie, Berlin und Stettin, 1787. 8. Erſter Theil, §. 115 264.) ſetzt das Feuer unter die Klaſſe der Duͤnſte, die er von der Klaſſe der luftfoͤrmigen Subſtanzen unterſcheidet. Alle Subſtanzen beyder Klaſſen beſtehen nach ſeinem Syſtem aus einer fortleitenden Fluͤßigkeit (fluide deferent) und einer bloß ſchweren Subſtanz (ſubſtance purement grave), die ſich bey den Duͤnſten von jener Fluͤßigkeit durch bloßen Druck losmacht, bey den luftfoͤrmigen Subſtanzen aber weit feſter mit ihr zuſammenhaͤngt. Bey den Duͤnſten macht ſich das fortleitende Fluidum ſeiner Seits auch von ſelbſt frey, um ſein Gleichgewicht herzuſtellen; und es giebt der ſchweren Subſtanz mehr ausdehnende Kraft, wenn es in mehrerm Ueberfluſſe zugegen iſt. Beym Feuer nun haͤlt de Luͤc die fortleitende Fluͤßigkeit fuͤr das Licht, und giebt der blos ſchweren Subſtanz den Namen der Feuermaterie; ob er gleich geſteht, daß ihm dieſe Subſtanz, als von dem Lichte abgeſondert, und fuͤr ſich allein exiſtirend, gaͤnzlich unbekannt ſey. Das Licht verliert durch ſeine Verbindung mit der Feuermaterie das Vermoͤgen zu leuchten, erzeugt aber dagegen ein neues ſehr auszeichnendes Phaͤnomen, die Waͤrme. Das Feuer hat eine groͤßte Dichtigkeit, uͤber welche hinaus ſich ein Theil davon zerſetzt und alſo wieder leuchtend wird. Dieſes Groͤßte iſt das Gluͤhen, und die hoͤchſte Stufe deſſelben das Weißgluͤhen, wobey die Zerſetzung des Feuers ſich auf alle Klaſſen der Lichttheilchen erſtreckt. Durch dieſes Groͤßte wird der Grad der Hitze, den wir durch Kunſt hervorbringen koͤnnen, die Ofenwaͤrme, eingeſchraͤnkt, deren Wirkungen Ausdehnung, Schmelzung226 und Verdampfung ſind. Wenn ein eiſerner Stab ſchnell rings herum geſchmiedet wird, ſo wird er bald gluͤhen, oder Licht und Waͤrme verbreiten. Dieſe zwey Phaͤnomene aber werden nicht durch einerley Fluidum erzeugt. Das Licht wird befreyt durch die Zerſetzung des einen Theils vom Feuer, die Waͤrme iſt die Wirkung desjenigen Feuers, das unzerſetzt entwichen iſt.

Die Sonnenſtralen ſind nicht an und fuͤr ſich warm, oder waͤrmend: das Licht muß ſich erſt mit einer andern Subſtanz verbinden, um Feuer zu werden, und die Sonnenſtralen beſitzen nur das Vermoͤgen, dieſe in den Koͤrpern enthaltene Subſtanz, oder die Feuermaterie, zu entwickeln. Hieraus erklaͤren ſich die ſonſt raͤthſelhaften Unterſchiede der Temperaturen an Orten von einerley Breite, der in der Atmoſphaͤre ſelbſt in der dunkelſten Nacht nech uͤbrig bleibende Lichtſchimmer, und die Kaͤlte in den obern Schichten der Atmoſphaͤre, welche doch wenigſtens eben ſo ſehr, als die untern, von der Summe der einfallenden und zuruͤckgeworfenen Sonnenſtralen durchſtrichen werden. Dieſen Theil ſeines Syſtems hatte Herr de Luͤc bereits in den phyſikaliſchen und moraliſchen Briefen uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen (141ſter Brief u. f.) vorgetragen (ſ. Syſtem uͤber die Waͤrme, in den leipziger Sammlungen zur Phyſik und Naturgeſchichte, II. B. 6tes Stuͤck. S. 643.).

Waͤrme iſt ihm Wirkung des freyen Feuers in andern Subſtanzen, oder der wirkliche Grad der ausdehnenden Kraft des freyen Feuers. Mit dieſer ausdehnenden Kraft ſteht die Groͤße der Waͤrme im Verhaͤltniß, nicht mit der Dichte des Feuers ſelbſt. Herr de Luͤc bemuͤht ſich hiebey, aus dem Naturſyſtem des Herrn le Sage, welches ganz auf Stoß und Bewegung gegruͤndet iſt, den Satz herzuleiten, daß alle ausdehnbare Fluͤßigkeiten im Verhaͤltniß ihrer Menge und der Geſchwindigkeit ihrer Bewegung wirken muͤſſen, und daß diejenigen Subſtanzen die meiſte Capacitaͤt fuͤr das Feuer oder fuͤr die Waͤrme haben oder um gleich heiß zu werden, die groͤßte Menge Feuer erfordern, in denen die Feuertheilchen bey ihrer Bewegung durch die Kleinheit oder durch die Form der Poren am oͤfterſten aufgehalten227 werden. Denn, ſagt er, da jedes Theilchen hier weniger Kraft hat, ſo iſt eine deſto groͤßere Menge noͤthig, um eben dieſelbe totale ausdehnende Kraft zu aͤußern, oder eben denſelben Grad der Waͤrme hervorzubringen. Da nun die Luft vom Feuer ſehr frey durchdrungen werden kan, ſo ſoll ſie nach dieſem Syſtem eine ſehr geringe Capacitaͤt fuͤr die Waͤrme haben, ob ihr gleich Crawford eine ſehr große beylege, die nemlich 19mal groͤßer, als die Capacitaͤt des Waſſers, ſey. Dieſe Angabe, ſagt de Luͤc, ſey auf ganz unrichtige Vorſtellungen von Capacitaͤt gegruͤndet; man muͤſſe bey den Verſuchen nicht gleiche Gewichte, ſondern gleiche Volumina vergleichen; ſo finde man aus den nemlichen Verſuchen die Capacitaͤt der Luft nur (1 / 43) von der Capacitaͤt des Waſſers; und dies ſey viel zu wenig, um aus den Veraͤnderungen, welche in einer ſo geringen Capacitaͤt vorgehen koͤnnten, mit Crawford die große bey der Verbrennung entſtehende Waͤrme zu erklaͤren. Ueberhaupt ſey das, was Crawford Capacitaͤt oder ſpecifiſche Waͤrme nenne, nichts weiter, als das laͤngſtbekannte Phaͤnomen (Recherches ſur les modif. de l'atmoſph. par de Luc. §. 973.), daß man aus gleichen Thermometerſtaͤnden nicht auf gleiche Mengen Feuer ſchließen duͤrfe.

Das Feuer hat eigne Verwandſchaften, und geht dadurch in die Zuſammenſetzung der meiſten feſten, fluͤßigen und elaſtiſchen Subſtanzen ein. Es tritt weſentlich in die Zuſammenſetzung aller brennbaren feſten Koͤrper, und blos von dieſem im brennbaren Koͤrper enthaltenen Feuer ruͤhrt die Waͤrme her, welche durch das Verbrennen hervorgebracht wird, wenn die dephlogiſtiſirte Luft ſich nicht dabey zerſtoͤrt, und blos durch fixe Luft erſetzt wird. Dies geſchieht z. B. bey der Verbrennung der Kohle, nach den hieruͤber angeſtellten Verſuchen der Herren Lavoiſier und de la Place (Mém. ſur la chaleur in den Mém. de l' acad. roy. des Sciences, ann. 1780. und deutſch in Lavoiſiers phyſiſch - chymiſchen Schriften, uͤberſ. von Weigel, zter Band, Greifswald. 1785. 8. S. 292. u. f.). Bey der Verbrennung des Phosphorus hingegen wird die dephlogiſtiſirte Luft wirklich zerſtoͤrt; dadurch wird auch das228 in ihr enthaltene Feuer frey, koͤmmt zu dem, was der brennende Koͤrper hergiebt, noch hinzu, und die Waͤrme wird daher in dieſem Falle weit ſtaͤrker, als in jenem, wo die dephlogiſtiſirte Luft ſich nicht zerſetzte. Nach den Verſuchen der Herren Lavoiſter und de la Place iſt bey gleich viel dephlogiſtiſirter Luft die Waͤrme bey der Verbrennung des Phoſphorus zu der bey Verbrennung der Kohle, wie 7 zu 3.

Wenn ſich die dephlogiſtiſirte Luft durch das Verbrennen zerſtoͤrt, ſo bringt die brennbare Subſtanz entzuͤndbate Luft hervor. Wenn ſich aber die dephlogiſtiſirte Luft nicht zerſetzt, ſo geht nur dasjenige, was ſonſt in die Zuſammenſetzung der brennbaren Luft koͤmmt, und was vielleicht das ſogenannte Phlogiſton iſt, in die Luft uͤber, und ſie wird dadurch fixe Luft. Die Entſtehung der entzuͤndbaren Luft in einer brennbaren Subſtanz reicht aber nicht zu, um das Verbrennen hervorzubringen; es iſt noch noͤthig, daß dieſe Luft, wenn ſie in Beruͤhrung mit der dephlogiſtiſirten koͤmmt, einen gewiſſen Grad der Waͤrme habe, welchen Herr de Luͤc nach einem Verſuche uͤber die freywillige Entzuͤndung des Baumoͤls auf den 275ſten Grad ſeiner Scale oder etwa auf 650 Grad des fahrenheitiſchen Thermometers ſetzt. Wenn dieſer Grad, den er die brennen - de Waͤrme nennt, vorhanden iſt, ſo iſt die Erzeugung des Feuers ſehr heftig. Wenn man eine Waͤrme von dieſem oder einem noch hoͤhern Grade in den brennenden Koͤrpern unterhalten kan, ſo ſcheint dies eins von den kraͤftigſten Mitteln zu Erzeugung neuer Waͤrme zu ſeyn, weil hiebey eine Zerſtoͤrung der dephlogiſtiſirten Luft, ſtatt ihrer bloßen Verwandlung in fixe, entſteht. Hierdurch wird nun auch eine fortgeſetzte Hervorbringung einer brennbaren Luft, begleitet mit dem noͤthigen Grad der Waͤrme, veranlaſſet, welche ſich mit der dephlogiſtiſirten im Augenblicke der Beruͤhrung entzuͤndet und zerſetzet. Durch dieſe Zerſetzung verwandeln ſich beyde Luftarten in einen mit freyem Feuer uͤberladnen Waſſerdunſt. Dieſer Dunſt iſt die Flamme; die große Waͤrme, welche ſie erzeugt, koͤmmt von einer großen Menge von ploͤtzlich beſreytem Feuer, und ihre Helligkeit von der Zerſetzung eines Theils dieſes229 Feuers her. Nachdem der Waſſerdunſt ſein Feuer an dem Orte, den die Flamme anzeigt, fahren gelaſſen hat, ſo vermiſcht er ſich mit der obern Luft, und erhebt ſich ſchnell mit ihr; daher folgt die untere Luft nach, und erneuert unaufhoͤrlich dieſelben Wirkungen. Dies erlaͤutert Herr de Luͤc durch das Beyſpiel der Lampe des Herrn Argand, bey welcher im Innerſten des hohlen Dachtes ſters eine große Hitze unterhalten wird. Wenn man uͤber der Flamme dieſer Lampe einen Helm mit einem Schnabel anbringt, ſo kan man in zwo Stunden eine halbe Unze voͤllig reines Waſſer ſammlen ein offenbarer Beweiß, daß ſich hier die im Innern des Dachts erzeugte brennbare Luft mit der dephlogiſtiſirten wirklich zerſetze, und einen Waſſerdunſt bilde. Wenn hingegen ein Licht auf die gemeine Art in atmoſphaͤriſcher Luft brennt, ſo wird aus Mangel an genugſamer innern Waͤrme des Dachts keine reine brennbare Luft entbunden; daher wird die dephlogiſtiſirte Luft der Atmoſphaͤre nicht zerſetzt, nur in fixe verwandlet. Dadurch entſteht weniger Feuer; auch geſchieht die Erneurung der Luft nicht geſchwind genug. Die fixe Luft iſt nach Lavoiſier im Verhaͤltniß 70 zu 47 ſchwerer, als die gemeine, und kann alſo, ob ſie gleich ſtark erwaͤrmt wird, dennoch ihrer Schwere wegen nur langſam aufſteigen, und der ſriſchen atmoſphaͤriſchen Luft Platz machen.

Auch die Fluͤßigkeit iſt nichts anders, als eine Wirkung der Verbindung einer gewiſſen Menge Feuer mit den Theilen der Koͤrper. Wenn ein feſter Koͤrper durch Feuer fluͤßig wird, z. B. wenn Eis zerſchmelzt, ſo kan dasjenige Feuer, welches das Fluͤßigwerden oder die Zerſchmelzung bewirkt, natuͤrlich nichts weiter bewirken, es geht alſo fuͤr das Thermometer und fuͤr das Gefuͤhl verlohren. D. Black hat gefunden, daß ſchmelzendes Eis einer gleich großen Menge Waſſer 140 Grad Waͤrme nach Fahrenheit entziehe. Wenn man z. B. eine Maſſe Eis von der Temperatur 32° mit einer gleichen Menge Waſſer von 172° vermiſcht, ſo hat nach der Schmelzung des Eiſes die ganze Waſſermaſſe 32°. Hiemit ſtimmen auch die Verſuche der Herren de la Place und Lavoiſier bis auf einen unbedeutenden230 Unterſchied uͤberein (auch der im Vorigen angefuͤhrte Verſuch des Herrn Wilke, nur daß dieſer ſtatt 172, 162, mithin ſtatt 140 nur 130 hat). Dieſe gleichſam verſchwundene Waͤrme nennt D. Black verborgene Waͤrme des Waſſers: de Luͤc will ſie lieber verborgenes Feuer nennen. Nach der Bemerkung des Herrn Lichtenberg in Goͤttingen in einem Briefe an de Luͤc vom 21 Maͤrz 1785 mag wohl die Menge dieſes verborgenen Feuers bey heißerm Waſſer immer groͤßer werden, weil heißeres Waſſer fluͤßiger iſt, oder mehr Tropfen giebt, als kaltes, mithin die Waͤrme, welche gebraucht wird, das vorher ſchon fluͤßige noch fluͤßiger zu machen, verborgene wird, oder fuͤr das Thermometer verlohren geht. Bey dem Gefrieren aͤußert ſich gerade das Gegentheil, und das verborgene Feuer wird wieder wirkſam. Es iſt bey dem Artikel: Eis angefuͤhrt worden, daß das Waſſer bis unter die Temperatur des Eispunkts erkalten kan, ohne zu gefrieren. Gefriert es aber alsdann durch Beruͤhrung, Schuͤtteln u. dgl., ſo nimmt es augenblicklich die Temperatur des Eispunktes an, und wird alſo waͤrmer. Dieſe Waͤrme iſt eine Wirkung des verborgenen Feuers, welches die gefrierenden Theile abſetzen.

Nach Crawford wuͤrde man alle dieſe Phaͤnomene daraus erklaͤren, daß das Waſſer mehr ſpecifiſche Waͤrme, als das Eis, hat, daß alſo bey der Verwaudlung des Eiſes in Waſſer, und bey allen Schmelzungen uͤberhaupt, Waͤrme oder Feuer verlohren gehen muß. Aber Herr de Luͤc beſtreitet hier ſehr eifrig die Crawfordiſchen Ideen von Capacitaͤt, d. i. von Faͤhigkeit, Feuer zu binden oder von ſpecifiſcher Waͤrme. Er fuͤhrt zuerſt an, es ſey unſicher, die ſpecifiſchen Capacitaͤten der Subſtanzen aus Verſuchen mit einerley Subſtan; unter verſchiedenen Temperaturen herzuleiten, weil die Subſtanzen mit der Temperatur zugleich auch die Capacitat aͤndern koͤnnten. Hierauf fuͤgt er hinzu, die Capacitaͤt (d. i. nach ihm die Menge von Feuer, welche in einer gewiſſen Subſtanz erforderlich iſt, um einen beſtimmten Grad der Ausdehnung hervorzubringen) haͤnge von der Beſchaffenheit der Poren der Koͤrper ab, und koͤnne231 bey gleichen Graden der Ausdehnung dennoch verſchieden ſeyn, daher ſey es falſch, die abſoluten Mengen der ſpecifiſchen Waͤrme proportionell anzunehmen: ferner ſetzten alle Crawfordiſche Berechnungen die ſich auf Grade des Thermometers bezoͤgen, und deren Unterſchiede als abſolute Mengen der Waͤrme betrachteten, voraus, daß man die abſoluten Mengen der Waͤrme in den Koͤrpern kennte, welches doch der Fall gar nicht ſey, daher auch in den Schluͤſſen, durch welche C. ſeinem Syſtem gemaͤß abſolute Waͤrmen zu beſtimmen ſuche, ein beſtaͤndiger Cirkel bleibe. Ueberhaupt habe man ſich bisher bey Schaͤtzung der in den Koͤrpern enthaltenen abſoluten Waͤrme ſehr geirrt. Man ſey durch Brauns Verſuch uͤber das Gefrieren des Queckſilbers verleitet worden, zu glauben, daß ſelbſt bey den kaͤlteſten Temperaturen noch viel Feuer in den Koͤrpern ſey: aber die neuern Verſuche des Hutchins (Philoſ. Trans. Vol. LXXIII. P. 2. ), nach welchen das Queckſilber ſchon bey 40° fahrenheitiſcher Scale gefriert, ſ. Gefrierung, gaͤben hievon ganz andere Begriffe. Endlich fuͤgt er noch hinzu, die ganze Idee von Capacitaͤt erklaͤre nur einen Nebenumſtand, und laſſe die Hauptſrage, wodurch und wie eigentlich das Schmelzen u. dgl. bewirkt werde, ganz unbeantwortet.

Herr de Luͤc glaubt, beym Zerſchmelzen werde der feſte Koͤrper in einen fluͤßigen durch eine Verbindung des Feuers mit ſeinen Theilen vermoͤge einer chymiſchen Verwandſchaft verwandelt; die Verminderung der Waͤrme aber entſtche daher, weil das Feuer, welches ſo mit den Theilen des Koͤrpers verbunden wird, hiedurch ſelbſt aufhoͤrt, zur Waͤrme beyzutragen. Dies geſchieht wenigſtens in allen Faͤllen, wo das Schmelzen unmittelbar durch die Waͤrme allein bewirkt wird. In andern Faͤllen, wo beym Schmelzen andere chymiſche Operationen mitwirken, (z. B. wenn man Eis mit Kochſalz miſcht) ſcheint weniger Feuer verlohren zu gehen; die Urſache hievon aber liegt darinn, weil das Salz durch ſeine Aufloͤſung und Zerſetzung das in ihm enthaltene Feuer mit hergiebt. 232

Endlich nimmt Herr de Luͤc an, daß in den meiſten Subſtanzen verborgenes Feuer vorhanden ſey, und daß das Feuer insbeſondere bey allen luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten das fortleitende Fluidum (fluide deferent) ausmache. Er ſucht umſtaͤndlich zu erweiſen, daß der Grad der fuͤhlbaren Waͤrme mehr von der Erzeugung und Zerſetzung ſolcher luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten, als von der Capacitaͤt der Koͤrper herruͤhre, und daß beſonders die reine und die brennbare Luft ſehr viel Feuer enthalten. Die chymiſchen Unterſchiede der Luftgattungen leitet er von den verſchiedenen Verwandſchaften ihrer Beſtandtheile mit dem Feuer ab.

Es iſt nicht zu laͤugnen, daß ſich aus ſeinen Saͤtzen eine zahlreiche Menge von Phaͤnomenen ſehr gluͤcklich erklaͤren laͤßt, und daß er der Crawfordiſchen Theorie einige ſehr ſtarke Gruͤnde entgegengeſetzt hat: wenn er aber mit Herrn le Sage auf die erſten mechaniſchen Urſachen der Dinge zuruͤckgehen will, und den Theilchen des Feuers, wenn es frey iſt, eine Bewegung in Schneckenlinien, oder die Bewegung eines Koͤrpers zuſchreibt, der ſich um eine andere Axe drehet, als um die er ſich fortbewegt, ſo moͤchten ſo kuͤhne carteſianiſche Behauptungen wohl noch zu fruͤhzeitig fuͤr den gegenwaͤrtigen Zuſtand der Wiſſenſchaft ſeyn.

Macquers chymiſches Woͤrterbuch mit Herrn Leonhardi Zuſaͤtzen, Art. Feuer.

Karſtens Anleitung zur gemeinnuͤtzlichen Kenntniß der Natur, Halle, 1783. 8. XXVI. Abſchnitt.

Erxlebens Anfangsgruͤnde der Naturlehre mit Zuſaͤtzen v. G. C. Lichtenberg. Goͤttingen, 1787. 8. IX. Abſchnitt, §. 494 b u. f.

Neue Ideen uͤber die Meteorologie von I. A. de Luͤc, aus dem Franz. uͤberſ. Berlin, 1787. II. Baͤnde, gr. 8., I. Band, §. 115 264.

Feuer, unterirdiſches, ſ. Centralfeuer, Vulkane.

Feuer (St. Elmus) ſ. Wetterlicht.

Feuerbeſtaͤndig, Fix, Fixum, Fixe.

So wird ein Koͤrper genannt, wenn er durch das Feuer nicht in233 Daͤmpfe verwandelt werden kan. Dem Feuerbeſtaͤndigen wird das Fluͤchtige entgegengeſetzt, ſ. Fluͤchtig.

Da wir die letzten Stufen der Wirkſamkeit des Feuers nicht kennen, ſo koͤnnen wir auch nicht wiſſen, ob es Koͤrper giebt, die ſelbſt bey den hoͤchſten Graden dieſer Wirkſamkeit nicht in Daͤmpfe verwandelt werden, d. h. die abſolut feuerbeſtaͤndig ſind. Man kan alſo in der Chymie immer nur von einer relativen Feuerbeſtaͤndigkeit reden, welche ſich auf einen gewiſſen Grad der Wirkſamkeit des Feuers bezieht. So nennt man die Vitriolſaͤure feuerbeſtaͤndig, nicht als ob ſie allen Graden des Feuers widerſtaͤnde, ſondern weil ſie weit weniger fluͤchtig iſt, als die uͤbrigen Saͤuren. Die Halbmetalle, z. B. den Spießglaskoͤnig, kan man in Vergleichung mit den weſentlichen Oelen und dem Aether feuerbeſtaͤndig, in Vergleichung mit den Metallen fluͤchtig nennen. Die feuerbeſtaͤndigſten Subſtanzen unter allen bekannten ſind die reinen erdichten Grundſtoffe.

Die Urſache der Feuerbeſtaͤndigkeit ſcheint entweder in der geringen Ausdehnung der Subſtanzen durch die Waͤrme, oder noch wahrſcheinlicher darinn zu liegen, daß die umgebende Materie, welches bey den chymiſchen Operationen gemeiniglich die Luft iſt, gegen die durch das Feuer in Bewegung geſetzten Theile nicht genug anziehende Kraft aͤußert, um ſie aufzuloͤſen und in ſich aufzunehmen.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Feuerbeſtaͤndigkeit.

Feuerfeſt, Apyrum, Apyre.

Ein Koͤrper heißt feuer feſt, wenn er ſelbſt bey der heftigſten Wirkung des Feuers weder ſchmelzet, noch ſonſt einige merkliche Veraͤnderung leidet. Man muß den Begrif des Feuerfeſten ſowohl von dem Strengfluͤßigen als von dem Feuerbeſtaͤndigen unterſcheiden. Der reine Kalkſtein z. B. iſt ſtrengfluͤſſig, und laͤßt ſich gar nicht, oder doch nicht ohne Hitze von außerordentlicher Heftigkeit ſchmelzen; aber feuerfeſt iſt er nicht, weil die Wirkung des Feuers ſeine weſentlichen Eigenſchaften gar ſehr veraͤnderr, und ihn in lebendigen Kalk verwandelt, ſ. Kalk. Die vollkommnen Metalle ſind234 feuerbeſtaͤndig, wenigſtens in einem ſehr hohen Grade; aber nicht feuerfeſt, weil ſie durch die Wirkung des Feuers ſchmelzen. Der ganz reine Bergkryſtall iſt, ſoviel wir wiſſen, eine feuerfeſte Subſtanz, weil man noch bisher die ſtaͤrkſte Wirkung des Feuers nicht vermoͤgend gefunden hat, ihn zu ſchmelzen, oder einige Veraͤnderung in ihm zu bewirken, ſo lange Zeit man ihn auch dem Feuer ausgeſetzt hat.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Feuerfeſt.

Feuerfontaine, ſ. Springbrunnen.

Feuerkugel, Bolis, Globus ardens, Bolide, Globe de feu.

Dieſen Namen giebt man einer der ſonderbarſten Lufterſcheinungen. Man ſieht nemlich bisweilen in der Atmoſphaͤre eine große leuchtende Kugel, deren Farbe oft ins Rothe faͤllt, und die ſich langſamer oder ſchneller durch die Luft bewegt. Oft zieht dieſe Kugel einen hellen Schweif nach ſich, der an der Kugel ſelbſt einen gleichen Durchmeſſer mit ihr hat, weiterhin aber ſich in eine Spitze endiget, und etwa 4 5 Durchmeſſer der Kugel lang iſt.

Die Groͤße dieſer Kugeln iſt verſchieden. Ihr ſcheinbarer Durchmeſſer hat bisweilen den vierten Theil des Monddurchmeſſers (Hiſt. de l'acad. de Paris 1738, 1740.), bisweilen die Haͤlfte deſſelben betragen. Seneka (Quaeſt. Nat. L. I. cap. 1.) und einige Neuere (Philoſ. Trans. no. 462, 463.) erzaͤhlen von Feuerkugeln, die an ſcheinbarer Groͤße dem Monde gleich gekommen ſeyen, und Gaſſendi (Phyſicae Sect. III. L. II. c. 7.) von einer, deren Durchmeſſer doppelt ſo groß als der des Monds geſchienen habe; da er ſie aber eine Fackel (facem) nennt, ſo ſcheint ſie keine voͤllig runde Geſtalt gehabt zu haben. Kirch (Ephem. Natur. Curioſ. anni 1686.) ſahe i. J. 1686 eine zu Leipzig, deren Durchmeſſer dem Halbmeſſer des Monds gleich war, und bey deren Lichte man leſen konnte. Weit groͤßer war die, welche Balbi (Comm. Bonon. To. I. p. 268.) 1719 zu Bologna beobachtete. Sie ſchien ſo groß als der Vollmond, glich einem brennenden Kampher und leuchtete ſo ſtark, als die aufgehende Sonne. Auf ihrer Oberflaͤche235 ſahe man vier Schlúnde, woraus Rauch und Flammen hervorbrachen. Aus gleichzeitigen Beobachtungen ihrer ſcheinbaren Hoͤhen an verſchiedenen Orten ſchloß man ihre wahre Hoͤhe uͤber der Erdflaͤche zwiſchen 16000 und 20000 Schritt, und ihren wahren Durchmeſſer 3560 Schuh. Sie verbreitete uͤberall einen Schwefelgeruch, und zerſprang mit einem heftigen Knalle. Weit naͤher kam der Erde diejenige, welche nach Chalmers Bericht 1748 mitten im Ocean gegen ein Schiff heran kam (Philoſ. Transact. no. 494. p. 366.). Sie ſchien an der Oberflaͤche des Meeres hinzuſtreichen, zerſprang in einer Entfernung von 40 50 Ellen vom Schiffe mit einem Getoͤſe, das dem Knallen von hundert Canonen glich, erfuͤllte das ganze Schiff mit einem Schwefelgeruch, zerbrach einen Maſt, ſpaltete den andern, warf fuͤnf Menſchen zu Boden, und beſchaͤdigte einen ſechſten durch Verbrennungen an der Haut.

Zu Paris verbreitete eine am 17 Iulius 1771. um 10 Uhr 36 Min. Abends erſchienene Feuerkugel ein allgemeines Schrecken. Sie ließ ſich gerade zu einer Zeit ſehen, da der Duc de Chaulnes Verſuche mit einem elektriſchen Drachen anſtellte, und der große Haufe glaubte durchgaͤngig, das fuͤrchterliche Phaͤnomen ſey durch dieſe Verſuche herbeygezogen worden. Dies bewog Herrn de la Lande, die Beobachtungen hieruͤber zu ſammlen, und mit einigen Bemerkungen zu begleiten; auch hat le Roy (Mém. de l' acad. des Sciences. ann. 1771. p. 668.) von dieſem Meteor eine eigne Abhandlung geliefert. Dieſe Kugel ward in einem großen Theile von Frankreich geſehen, und ſchien in Paris groͤßer und heller als der Mond. Sie zerſprang mit Krachen, und erſchuͤtterte dabey die Luft ſo, daß die Fenſter und das Hausgeraͤthe zitterten, und einige glaubten, es ſey ein Erdbeben dabey. Die Kugel war uͤber England entſtanden und auch um Oxford ſichtbar geweſen; ohngefaͤhr um Meluͤn, ſuͤdſuͤdweſtlich von Paris zerſprang ſie. Als man ſie wahrnahm, muß ſie mehr als 41076 Toiſen hoch uͤber der Erde geweſen ſeyn, und bey ihrem Zerſpringen uͤber 20598 Toiſen. Sie mag 6 8 Stunden Weges (lieues) in einer Secunde durchlaufen, und236 mehr als 500 Toiſen im Durchmeſſer gehalten haben. Der Himmel war bey der Erſcheinung dieſer Kugel vollkommen klar.

Einige Feuerkugeln drehen ſich um ihre Axe. Gewoͤhnlich verſchwinden ſie in einigen Secunden; man hat aber auch Beyſpiele, da ſie mehrere Minuten lang ſichtbar geblieben ſind. Nach des Ulloa Erzaͤhlung (Hiſt. de l' acad. de Paris, 1751.) ſind ſie bey der Stadt Santa Maria de la Parilla ſo haͤufig, daß viele in einer Nacht geſehen werden: uͤberhaupt aber ſind ſie ſelten. Zuweilen verſchwinden ſie auch ohne Schall.

Alle Naturforſcher geſtehen einmuͤthig, daß die Urſache und Entſtehungsart der Feuerkugeln von ſo ungeheuren Groͤßen und in ſo betraͤchtlichen Hoͤhen aͤußerſt ſchwer zu begreifen ſey. Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. natur. To. II. §. 2541.) ſchließt aus dem Schwefelgeruche der Feuerkugeln, daß ſie aus ſchweflichten und andern entzuͤndlichen Ausfluͤſſen beſtehen, welche zum Theil aus den Vulkanen, oder bey Erdbeben aus den unterirdiſchen Hoͤhlen, in die Luft aufgeſtiegen, und vom Winde zuſammengetrieben worden ſind, eine Wolke bilden, und durch Zuſammenkommen mit andern Duͤnſten, oder irgend eine andere Urſache, entzuͤndet werden. Andere Naturforſcher hingegen haben ihrer erſtaunlichen Hoͤhe, Groͤße und Geſchwindigkeit wegen es ganz aufgegeben, ſie aus irdiſchen Duͤnſten zu erklaͤren. So haͤlt ſie Halley, (Philoſ. Trans. no. 341.) fuͤr Materie, die im großen Weltraume zerſtreut ſey, ſich durch die allgemeine Anziehungskraft irgendwo geſetzt habe, und von der Erde auf ihrem Wege angetroffen werde, noch ehe ſie eine anſehnliche Geſchwindigkeit gegen die Sonne erhalte. Hartſoeker (Conjectures phyſiques, à la Haye. 1707 1710.) erklaͤrt ſie geradehin fuͤr Kometen, und Pringle (Phil. Trans. Vol. L. P. I. p. 263.) fuͤr Koͤrper, welche beſtaͤndig im Kreiſe umlaufen. Ich ſehe doch nicht, wie man dies mit ihrem Zerplatzen vereinigen will.

Als es gewoͤhnlich ward, alles aus der Elektricitaͤt herzuleiten, hat man auch die Feuerkugeln durch dieſelbe zu erklaͤren geſucht. Beccaria (Lettere dell 'elettricismo,237 1758. 4. ), der hiebey ſeiner Einbildungskraft unſtreitig zu viel nachgegeben hat, behauptete zuerſt, daß das ſogenannte Sternſchießen eine blos elektriſche Erſcheinung ſey (ſ. Sternſchnuppen), und da der fliegende Drache und die Feuerkugeln blos dem hoͤhern Grade nach von dem Sternſchießen unterſchieden zu ſeyn ſcheinen, ſo war er geneigt, auch dieſe fuͤr elektriſche Phaͤnomene zu halten. Dafuͤr hat ſie auch Hartmann (Von der Verwandſchaft der elektriſchen Kraft mit den erſchrecklichen Lufterſcheinungen. Hannover, 1759. 8. ) erklaͤren wollen, und ſeit dieſer Zeit hat man in den meiſten Lehrbuͤchern der Naturlehre die Feuerkugeln entweder geradehin fuͤr elektriſche Erſcheinungen ausgegeben, oder doch wenigſtens bemerkt, daß ſich bey ihrer Entſtehung Elektricitaͤt mit einmiſche. Reimarus hingegen (Vom Blitze, Hamburg, 1778. 8. S. 568.), der uͤberhaupt den gewagten Erklaͤrungen der Meteore aus der Elektricitaͤt nicht guͤnſtig iſt, urtheilt hievon ganz anders. Er geſteht zwar, daß er von den Feuerkugeln keinen recht wahrſcheinlichen Grund anzugeben wiſſe; daß ſie aber doch von elektriſchen Feuerballen oder wahren Blitzen ſehr unterſchieden ſeyn, zeige ſowohl ihr Anſehen, und ihre Art von Bewegung, als auch die uͤberaus große Hoͤhe von der Erde, wo ſie ſich zu zeigen pflegen, und wo die Luft ſo verduͤnnt ſeyn muͤſſe, daß ſich keine Wolken mehr bilden koͤnnten, und die Elektricitaͤt gewiß nur wie im luftleeren Raume ſich ausbreiten, nicht aber in geballetem Feuer erſcheinen koͤnnte. Dieſe erſtaunliche Hoͤhe der Feuerkugeln aber iſt aus dem weiten Umfange, in welchem ſie auf der Erde geſehen werden, und der bey manchen ſich auf 4 Grad in die Breite und 11 Grad in die Laͤnge erſtreckt hat, ganz unlaͤugbar. Daß man bisweilen beym Niederfallen der Feuerkugeln elektriſche Wirkungen wahrgenommen haben will, iſt noch kein Beweiß ihres elektriſchen Urſprungs, weil auch andere ſchnell durch die Luft bewegte Koͤrper Elektricitaͤt erregen koͤnnen. Auch ſcheint man bisweilen fuͤr Feuerkugeln gehalten zu haben, was in der That wahre Blitze geweſen ſind, welches vermuthlich bey der oben angefuͤhrten von Chalmers erzaͤhlten Begebenheit auf dem engliſchen238 Schiffe im Jahre 1748 der Fall geweſen ſeyn mag.

Bergmann (Phyſikaliſche Beſchr. der Erdkugel nach Roͤhls Ueberſ., Greifsw. 1780. gr. 8. §. 131.) nimmt, wie mir daͤucht, ſehr richtig, verſchiedene Gattungen von Feuerkugeln an. Was die niedrigſten betrifft, folgt er Muſſchenbroeks Meynung: nur meynt er, es ſey ſchwer zu begreifen, wie eine ſolche gewiß ſehr lockere Kugel ihre erſtaunliche Geſchwindigkeit behalten koͤnne, da die viel dichtere Canonenkugel wegen des Widerſtandes der Luft nicht zwo Meilen zu gehen vermoͤge. Eine andere Gattung Feuerkugeln, die zuweilen bey Donnerwettern entſtehen, und an der Erdflaͤche hingehen, wie die am engliſchen Schiffe im Jahre 1748, ſcheint ihm von anderer Beſchaffenheit und dem Blitze aͤhnlicher zu ſeyn. Die hoͤchſten endlich verſucht er von der groͤbern Materie des Zodiakallichts oder der Sonnenatmoſphaͤre herzuleiten, deren feinerer Theil nach Mairans Hypotheſe die Urſache der Nordlichter iſt, ſ. Atmoſphaͤre der Sonne, Nordlicht. Wenigſtens, meynt er, ſey dies nicht unglaublicher, als andere bisher angegebene Muthmaßungen. Er wuͤnſcht endlich, daß man einmal Gelegenheit finden moͤchte, die Subſtanz einer zerplatzten Feuerkugel an dem Orte, wo ſie niedergefallen ſey, zu unterſuchen, welches freylich das beſte Mittel zur Entdeckung der wahren Natur dieſes Meteors ſeyn wuͤrde.

Die meiſten Naturforſcher erklaͤren die Feuerkugeln, ſo wie den fliegenden Drachen und die ſogenannten Sternſchnuppen, welche ſich blos dem Grade nach von jenen zu unterſcheiden ſcheinen, fuͤr Wirkungen fetter, oͤlichter, entzuͤndlicher oder auch nur blos leuchtender Duͤnſte; wiewohl bey den Feuerkugeln eine wirkliche Entzuͤndung mit Exploſion unlaͤugbar vorhanden iſt. Sollte nicht, wie Volta (Briefe uͤber die Sumpfluft; a. d. Ital. Winterthur 1778. 8. ) von den Irrlichtern und Sternſchnuppen vermuthet, die brennbare Luft, welche ihrer Leichtigkeit halber bis in die groͤßten Hoͤhen aufſteigt, und mit atmoſphaͤriſcher Luft vermiſcht einer Entzuͤndung mit Exploſion faͤhig wird, (ſ. Gas, brennbares) einen großen Antheil an allen239 dieſen Erſcheinungen haben? Von Herbert (De aëre fluidisque ad aëris genus pertinentibus. Vienn. 1779. 8. ) haͤlt dieſes fuͤr ganz entſchieden.

Muſſchenbroek Introd. ad Philoſ. natur. To. II. §. 2541. ſqq.

Bergmann phyſik. Beſchreibung der Erdkugel durch Roͤhl. Th. II. §. 131.

Sigaud de la Fond. Dict. de phyſique, art. Globe de Feu.

Feuerluft, ſ. Gas, dephlogiſtiſirtes.

Feuermaſchine, ſ. Dampfmaſchine.

Feuerſpeyende Berge, ſ. Vulkane.

Fibern, Faſern, Fibrae, Fibres.

So nennt man die feinen cylindriſchen oder fadenfoͤrmigen Koͤrper, aus welchen verſchiedne Theile der Pflanzen und der thieriſchen Koͤrper zuſammengeſetzt ſind. Aus den Faſern des Hanfs, Leins, der Baumwolle und einiger Baumrinden werden nach gehoͤriger Zubereitung Faͤden geſponnen, und zu Geweben verbraucht. Weit merkwuͤrdiger aber ſind die Fibern des thieriſchen Koͤrpers, vorzuͤglich diejenigen, aus welchen die Muſkeln beſtehen, die Muſkelfibern, Fleiſchfaſern (fibrae muſculares), weil durch ſie alle Bewegungen der thieriſchen Koͤrper hervorgebracht werden, die eine ſo wichtige Quelle von Bewegung in der Koͤrperwelt ausmachen, ſ. Bewegung.

Man hat, um die Bewegung und Wirkung der Muſkeln zu erklaͤren, eine Menge verſchiedner Muthmaßungen vorgebracht, von denen einige der vornehmſten bey dem Worte: Muſkeln vorgetragen werden ſollen. Eine der wahrſcheinlichſten iſt die, welche den Fleiſchfaſern eine Reizbarkeit (irritabilitatem) beylegt, d. i. ein Vermoͤgen, ſich durch jeden mechaniſchen Reiz zuſammenzuziehen. Dieſe Muthmaßung hat vorzuͤglich Herr von Haller (Mémoires ſur la nature ſenſible et irritable des parties du corps animal, à Lauſanne, 1756. To. IV. 12m. ingl. De partibus corp. humani ſentientibus et irritabilibus, Sermo I IV. in Nov. Comm. Gotting. To. I IV. Man ſ. auch I. Ge. Zimmermann Diſſ. de irritabilitate, Gott. 1751. 4. ) dadurch wahrſcheinlich gemacht, daß die Bewegungen der Muſkeln bey einer aͤußern Reizung ſelbſt240 nach ihrer Trennung vom Gehirn noch eine Zeit lang, zuweilen mehrere Stunden fortdauren, auch die Bewegung des Herzens nach deſſen Abſonderung vom Koͤrper noch eine Zeit lang anhaͤlt. Dieſe Meynung hat ſoviel Beyfall gefunden, daß man anjetzt die Reizbarkeit, d. i. das Zuſammenziehen und Bewegen bey einer aͤußern Reizung fuͤr ein entſcheidendes und weſentliches Kennzeichen der Muſkelfaſer annimmt. Inzwiſchen iſt es mit dem Syſtem der Reizbarkeit eben ſo, wie mit ſo vielen andern Theorien der Naturlehre beſchaffen: Reizbarkeit iſt eben ſo, wie Attraction u. dgl. mehr ein Ausdruck eines allgemeinen Phaͤnomens, als eine Erklaͤrung der Urſache deſſelben; und die Art, wie die willkuͤhrlichen Bewegungen vermoͤge der Muſkelfibern hervorgebracht werden, moͤchte wohl fuͤr uns auf immer ein unerforſchliches Geheimniß bleiben.

Auch andere feſte Theile des thieriſchen Koͤrpers, Gefaͤße, Knochen u. dgl. ſind aus Fibern oder Faſern zuſammengeſetzt. Man nimmt von den Fibern uͤberhaupt an, daß ſie aus erdichten Theilen beſtehen, welche durch eine Gallerte (gluten) von Oel und Waſſer zuſammengehalten werden. Man ſchreibt einer jeden Fiber eine elaſtiſche Kraft zu, vermoͤge der ſie ſich, wenn ſie ausgedehnt worden iſt, wiederum in ihren vorigen Zuſtand ſetzet; und legt uͤberdies den reizbaren Fibern eine toniſche Kraft bey, vermoͤge der ſie ſich zuſammenzuziehen ſtreben, auch ohne vorher ausgedehnt worden zu ſeyn. Im Alter erſchlaffen die Fibern durch den langen Gebrauch, und der Koͤrper wird zu allen davon abhangenden Verrichtungen und Bewegungen von Zeit zu Zeit unfaͤhiger. Die Empfindungen und Leidenſchaften haben auf die toniſche Kraft der reizbaren Fibern einen ungemein ſtarken Einfluß; der Zorn verſtaͤrkt, und die Furcht ſchwaͤcht dieſe Kraft derſelben, ob gleich die Art und Weiſe, wie dies bewirkt wird, ganz unerklaͤrbar bleibt. Noch einiges hiemit zuſammenhaͤngende wird man bey dem Worte: Muſkeln finden.

Figur, ſ. Geſtalt.

Figur der Erde, ſ. Erdkugel

unter dem Abſchnitte: Abgeplatete Geſtalt der Erde. 241

Filtriren, Seihen, Durchſeihen

Filtratio, Filtration. Eine Operation, wodurch man die einer fluͤſſigen Materie beygemengten Unreinigkeiten oder fremden Theile ſcheidet, indem man ſie durch einen Koͤrper gehen laͤßt, deſſen Oefnungen die fluͤßige Materie hindurchlaſſen, die fremden Theile hingegen aufhalten. Der hiezu gebrauchte Koͤrper heißt das Filtrum oder Seihezeug, der Seiher (filtrum, filtre).

Das Filtrum muß von einer ſolchen Beſchaffenheit ſeyn, daß es von der durchgehenden fluͤßigen Materie nicht angegriffen wird, und derſelben nichts abgiebt; auch muͤſſen ſeine Oefnungen kleiner ſeyn, als die Theile der Subſtanzen, die man von der Fluͤßigkeit abſondern will. Man gebraucht dazu am gewoͤhnlichſten feine wollene Zeuge, Leinwand und vornemlich Loͤſchpapier. Daraus wird entweder ein Filtrirſak (Manica Hippocratis, Chauſſe) in Geſtalt eines umgekehrten hohlen Kegels gemacht, oder man legt das Loͤſchpapier in die Form eines Trichters zuſammen, bringt es in einen glaͤſernen Trichter, und legt etwas zwiſchen das Papier und die Seitenwaͤnde des Trichters, um das unmittelbare Anliegen des Papiers zu verhuͤten. Hat man viel durchzuſeihen, ſo befeſtigt man eine Leinwand an die vier Ecken eines hoͤlzernen Rahmens, doch ſo, daß ſie nicht geſpannt iſt, belegt das Innre mit Papier und gießt den zu filtrirenden Liquor darauf. Oft kan auch ein Haufen feiner Sand, oder eine gewiſſe Art Stein, deren Baſis die Bitterſalzerde iſt, und die deswegen Filtrirſtein heißt, zum Seihezeuge dienen.

Klebrichte dicke Materien, wie die ſyrupartigen und ſchleimichten, auch die ſehr geſaͤttigten Aufloͤſungen der Salze gehen nicht gut durch die Seiher; die letztern muͤſſen ſiedend filtrirt werden, weil ſie in dieſem Zuſtande fluͤſſiger ſind. Theile, die in der fluͤßigen Materie wirklich aufgeloͤſet ſind, koͤnnen durchs Filtriren von ihr nicht geſchieden werden; man muß ſie vorher durch das in jedem Falle erforderliche Verfahren niederſchlagen oder zum Gerinnen bringen. 242

Das zuerſt durchlauſende iſt allezeit truͤb, und muß zum zweytenmale filtrirt werden, weil die Oefnungen des Seihers im Anfang zu weit ſind, und erſt durch das Aufquellen von der Feuchtigkeit gehoͤrig verengert werden.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Durchſeihen.

Finſterniſſe, Verfinſterungen der Himmelskoͤrper, Eclipſes, Defectus Solis vel Lunae, Eclipſes. Dieſen Namen fuͤhren diejenigen Himmelsbegebenheiten, wobey ein Himmelskoͤrper durch das Dazwiſchentreten eines andern dunkeln, ganz oder zum Theil verdeckt oder ſeines Lichtes beraubt wird. Sie fuͤhren den Namen der Eklipſen von dem griechiſchen Worte〈…〉〈…〉6, deſicere, und ſind entweder partielle, wenn durch den dazwiſchentretenden Koͤrper nur ein Theil des andern, oder totale, wenn der letztere ganz unſern Augen entzogen wird.

Man kennt in der Sternkunde dreyerley Arten der Verfinſterung, die Sonnenfinſterniſſe, Mondfinſterniſſe, und Verfinſterungen der Trabanten, beſonders des Iupiters, von welchen wir das Noͤthigſte unter eigne Abſchnitte bringen wollen. Mondfinſterniſſe.

Bisweilen ſcheint der volle Mond ſein Licht ſo zu verlieren, daß es ausſieht, als ob eine runde ſchwarze Scheibe von Morgen gegen Abend vor ihn ruͤckte, nach und nach immer einen groͤßern Theil der Mondſcheibe bedeckte, und dieſe zuletzt allmaͤhlich wieder verließe. Eine ſolche Begebenheit heißt eine Mondfinſterniß (Eclipſis lunae ſ. lunaris, defectus lunae, Eclipſe de lune). Sie erfolgt aber niemals zu anderer Zeit, als beym Vollmonde, d. i. wenn der Mond der Sonne gegenuͤber geſehen wird, mithin die Erde zwiſchen Sonne und Mond ſteht, und ihren Schatten der Sonne gegenuͤber gerade in die Gegenden des Monds wirft. Auch erfolgen die Mondfinſterniſſe nicht bey allen Vollmonden, ſondern nur dann, wenn der Mittelpunkt des Vollmonds nahe bey der Ekliptik oder bey ſeinem Knoten ſteht, d. i. nahe an dem Orte, der der243 Sonne ganz genau entgegengeſetzt iſt, an welchen alſo zu dieſer Zeit der Schatten der Erdkugel hinfallen muß. Es laͤßt ſich daher nicht zweifeln, daß der auf die Mondſcheibe fallende Erdſchatten die Urſache der Mondfinſterniſſe, und die ſchwarze Scheibe, welche dabey vor den Mond zu ruͤcken ſcheint, der kreisfoͤrmige Durchſchnitt des kegelfoͤrmigen Erdſchattens in der Gegend der Mondbahn ſey. Dies wird dadurch voͤllig gewiß, daß man nach dieſer Vorausſetzung die Mondfinſterniſſe vorherſagen, und mit allen dabey vorkommenden Umſtaͤnden im voraus auf das genaueſte berechnen kan.

Die Mondfinſterniß iſt alſo nichts anders, als ein Durchgang des Monds durch den Schatten der Erde, wobey der im Erdſchatten befindliche Theil, bisweilen auch die ganze Mondſcheibe, ihr von der Sonne entlehntes Licht verliert.

Es ſey Taf. IX. Fig. 27. in S die Sonne, in C die Erde, ſo iſt EHF der Erdſchatten, welcher nach optiſchen Grundſaͤtzen eine kegelfoͤrmige Geſtalt haben, und ſich bis H, etwa 217 Erdhalbmeſſer weit von ECF erſtrecken muß, ſ. Schatten. Dieſer Erdſchatten wird von den aͤußerſten Stralen der Sonne AH und BH begrenzt, und heißt der wahre Schatten, weil den Orten, die ſich in ihm befinden, wegen der im Wege ſtehenden Erde, kein Punkt der Sonne ſichtbar ſeyn kan. Iſt nun ML ein Theil der Mondbahn, ſo kan der Mond, der nur etwa 60 Erdhalbmeſſer von C entfernt iſt, bey r, wo er von der Erde aus der Sonne gegenuͤber oder als Vollmond geſehen wird, in dieſen Schatten treten, bey m gaͤnzlich verfinſtert ſeyn, und bey t wieder aus dem Schatten hervorkommen.

Es folgt aber nicht, daß dies bey allen Vollmonden geſchehen muͤſſe. Wenn in der Figur die Flaͤche des Papiers die Ebne der Ekliptik vorſtellt, ſo liegt die Mondbahn, wovon ML ein Theil iſt, nicht in eben derſelben Flaͤche, ſondern macht mit ihr einen Winkel von etwa 5 Graden, ſchneidet ſich mit ihr in einer geraden Linie, welche die Knotenlinie heißt, und wird von dieſer Linie in zween Theile getheilt, wovon der eine uͤber, der andere unter244 die Flaͤche der Figur faͤllt, indem die Knotenlinie in dieſer Flaͤche ſelbſt liegt. Wenn alſo zu der Zeit, da der Mond nach r koͤmmt, die Knotenlinie nicht weit von der Lage Cm abweicht, d. h. wenn ein Knoten des Monds in oder nahe bey m faͤllt, ſo wird der Mond der Ebne der Ekliptik nahe kommen, und alſo den Erdſchatten treffen koͤnnen; iſt er aber zu eben der Zeit von ſeinem Knoten entfernt, ſo geht er, nach der Lage der Figur zu reden, uͤber oder unter dem Schatten vorbey, und leidet keine Verfinſterung, welches der Fall bey den meiſten Vollmonden iſt. Da der groͤßte ſcheinbare Halbmeſſer des Erdſchattens 47 Min. und der des Monds 17 Min. betraͤgt, ſo kann keine partielle Finſterniß mehr ſtatt finden, wenn die Breite des Monds (d. i. der Abſtand ſeines Mittelpunkts von der Ekliptik) im Augenblicke des Vollmonds 64 Min. (47+17), und keine totale, wenn ſie 30 Min. (47 17) uͤberſteigt; wovon das erſte erfordert, daß der Mond uͤber 12 13 Grad, das letztere, daß er uͤber 6 Grad vom naͤchſten Knoten entfernt ſey. Dies erlaͤutert Taf. IX. Fig. 28., wo

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den Knoten des Monds, EL

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die Ekliptik, C

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die Mondbahn darſtellet. Steht im Augenblicke des Vollmonds der Erdſchatten in E, 13 Grad von

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entfernt, daß EC 47+17 = 64 Min. betraͤgt, ſo ſtreicht der Mond C nur gerade am Rande des Schattens hin, ohne verfinſtert zu werden; bey L aber, 6 Grad von

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, iſt die groͤßte Entfernung, in der ſich der Mond ganz in den Erdſchatten einſenken kan.

Es giebt daher bisweilen ganze Jahre, in welchen keine Mondfinſterniß vorfaͤllt, weil alle Vollmonde derſelben zu weit von den Knoten der Mondbahn entfernt ſind, wie z. B. die Jahre 1781 und 1788: gemeiniglich aber ereignen ſich zwey Mondfinſterniſſe in jedem Jahre, die letztere 6 Monate nach der erſten.

In der Gegend der Mondbahn iſt der Schattenkegel der Erde noch faſt dreymal breiter, als der Mond, ſo daß letzterer nicht allein voͤllig verfinſtert werden, ſondern ſich auch eine Zeit lang im voͤlligen Schatten verweilen kan. Eine ſolche Finſterniß heißt eine totale mit Dauer (totalis245 cum mora) und wenn der Mond im Augenblicke der Oppoſition im Knoten ſelbſt iſt, daß alſo die Mittelpunkte des Erdſchattens und der Mondſcheibe auf einander fallen, eine centrale, bey welcher die Dauer der totalen Verfinſterung auf 1 3 / 4 Stunden betragen kan.

Um den wahren Schatten der Erde herum befindet ſich noch der Halbſchatten (penumbra) EL, FM Taf. IX. Fig. 27., der von den Lichtſtralen AFMK und BELI begrenzt wird, und in welchem immer noch ein Theil der Sonne zu ſehen iſt. Koͤmmt z. B. der Mond in M, ſo faͤngt der Rand der Erdkugel F an, ihm den Sonnenrand A zu verdecken; je weiter er nach r ruͤckt, deſto mehr wird die Sonne von der Erde bedeckt, bis endlich in r die ganze Sonnenſcheibe bedeckt zu werden anfaͤngt. So ſehen die Bewohner des Monds, ſo lange ſie ſich im Halbſchatten befinden, eine partielle, und wenn ſie in den wahren Schatten kommen, eine totale Sonnenfinſterniß. Auf der Mondſcheibe iſt der Halbſchatten nicht ſo deutlich zu bemerken; er zeigt ſich nur vor und nach dem Ein - und Austritt in den wahren Schatten dadurch, daß er die Mondflecken etwas truͤb und unkenntlich macht. Inzwiſchen verliert er ſich dennoch ſo unmerklich in den wahren Schatten, daß dadurch die Beobachtungen des Anfangs einer Mondfinſterniß immer ungewiß gemacht werden.

Da die Mondfinſterniß eine wirkliche Beraubung des Lichts iſt, ſo muß ſie von allen Einwohnern der Erde, bey denen ſie ſichtbar iſt (oder denen der Mond zur Zeit der Verfinſterung uͤber dem Horizonte ſteht), zu einerley Zeit und auf einerley Weiſe geſehen werden. Dies macht die aſtronomiſche Berechnung der Mondfinſterniß ſehr einfach. Wenn man die Zeit, da eine ſolche Finſterniß einfallen wird, vorlaͤufig kennet, wozu die Aſtronomie leichte Regeln vorſchreibt, ſo laͤßt ſich aus den aſtronomiſchen Tafeln die genaue Zeit des Vollmondes fuͤr den Meridian eines gewiſſen Orts auf der Erde, und fuͤr dieſe Zeit die Breite, ſtuͤndliche Bewegung und der Halbmeſſer des Monds, die ſtuͤndliche Bewegung und der Halbmeſſer der Sonne, die Mondund Sonnenparallaxe u. ſ. w. finden, woraus man mit246 Huͤlfe einiger aſtronomiſchen Lehrſaͤtze den ſcheinbare Halbmeſſer des Erdſchattens berechnen, und dann entweder durch Rechnung oder noch leichter durch Zeichnung, Anfang, Mittel, Ende, Groͤße der Finſterniß, und alle uͤbrige Umſtaͤnde beſtimmen kan. Anleitungen dazu finden ſich in den Lehrbuͤchern der Sternkunde (Aſtronomiſches Handbuch von de la Lande, aus d. Frz. Leipz. 1775. gr. 8. §. 620. u. f. Bode kurzgefaßte Erlaͤuterung der Sternkunde, Berlin 1778. 8. Zweyter Theil, §. 538. u. f.).

Die Groͤße einer Mondfinſterniß druͤckt man nach einer alten Gewohnheit in Zollen, d. i. in Zwoͤlftheilen des Monddurchmeſſers, und in Minuten, oder Sechzigtheilen der Zolle aus. Erreicht der Erdſchatten z. B. gerade den Mittelpunkt der Mondſcheibe, ſo ſagt man, die Groͤße der Verfinſterung betrage 6 Zoll. Die totale Verfinſterung macht 12 Zoll aus; man rechnet aber hiebey noch die Zolle hinzu, um welche ſich der Mond in den weit groͤßern Erdſchatten einſenkt; daher bey den totalen Mondfinſterniſſen mit Dauer, die Groͤße bis auf 21 Zoll und druͤber ſteigen kan.

Bey gaͤnzlichen Mondfinſterniſſen iſt bisweilen der Mond voͤllig verſchwunden, wie Kepler (Aſtron. Opt. p. 227. Epit. Aſtr. Copern. L. V. p. 825.) von den am 9 Dec. 1601 und am 15 Jun. 1620 meldet. Hevel (Selenograph. Cap. VI. fol. 117.) verſichert, am 25 Apr. 1642. habe man bey einer gaͤnzlichen Verſtinſterung den Ort des Monds auch durch Fernroͤhre nicht entdecken koͤnnen, obgleich der Himmel ſo heiter geweſen, daß man die Sterne der fuͤnften Groͤße geſehen habe. Dergleichen gaͤnzliche Verſchwindung aber ereignet ſich ſehr ſelten. Mehrentheils ſieht man den Mond ſelbſt waͤhrend der totalen Verfinſterung noch wie eine Kugel von hell - oder dunkelrother Farbe. Taf. IX. Fig. 27. wird leicht erlaͤutern, wie dieſes vermittelſt derjenigen Sonnenſtralen geſchehen koͤnne, welche auf die Atmoſphaͤre der Erde um die Gegend von E und F fallen, und beym Durchgange durch die Luft ſo gebrochen werden, daß ſie den Mond treffen. In der Erdferne erſcheint der Mond gewoͤhnlich heller und roͤther, als in der247 Erdnaͤhe; vermuthlich weil der Schatten daſelbſt ſchmaͤler iſt, und die von der Erdluft gebrochnen Sonnenſtralen naͤher zum Mittelpunkte deſſelben kommen. Es koͤmmt aber auch hiebey viel und faſt alles auf die Beſchaffenheit der Atmoſphaͤre an den Orten der Erde E und F an.

Die Beobachtung einer Mondfinſterniß beſteht darinn, daß man nach einer genauen Uhr den Augenblick des Anfangs und Endes derſelben, ingleichen den Anfang und das Ende der gaͤnzlichen Verfinſterung und die Zeitpunkte, wenn gewiſſe Flecken und Berge des Monds in den Erdſchatten und wieder heraustreten, genau bemerkt, auch die Groͤße des verfinſterten Theiles von Zeit zu Zeit abmißt. Die undeſtimmten Grenzen des wahren und Halb - Schattens aber machen dieſe Beobachtungen etwas unſicher.

Der Gebrauch, den man von dieſen Beobachtungen macht, beſteht nicht allein in der Berichtigung der Tafeln oder in der Verbeſſerung der Kenntniß des Mondlaufs, ſondern er erſtreckt ſich auch auf die Geographie. Da die Mondfinſterniſſe allen Bewohnern der Erde zugleich und in einerley Augenblicke erſcheinen, ſo geben ſie eine Menge Merkmale von gleichzeitigen Augenblicken an, und der Unterſchied der verſchiedenen Stunden, welche zwo von einander entfernte Orte der Erde in dieſen Augenblicken zaͤhlen, zeigt den Unterſchied der Zeit dieſer Orte uͤberhaupt an, und beſtimmt den Unterſchied ihrer geographiſchen Laͤngen, ſ. Laͤnge, geographiſche.

Es ſey z. B. wie Taf. IX. Fig. 27. der Mond mitten im Erdſchatten bey m, ſo wird ihn in eben dem Augenblicke der Zuſchauer ſowohl aus F, als aus o und E, central verfinſtert erblicken. Der in F aber wird, (weil ſich die Erde nach FoE um ihre Axe dreht) in eben dem Augenblicke die Sonne im Horizonte haben, und untergehen ſehen, mithin etwa 6 Uhr Abends zaͤhlen; der in o wird die Sonne gerade im entgegengeſetzten Meridian haben, alſo Mitternacht d. i. 12 Uhr; der in E endlich wird die Sonne aufgehen ſehen, und 6 Uhr fruͤh oder 18 Uhr zaͤhlen. Dieſe Unterſchiede der Zeit fuͤr einerley Augenblick zeigen, daß der Mittag, als der Anfang der Stundenzaͤhlung in E 6 Stunden248 fruͤher, als in o, und hier 6 Stunden fruͤher als in F geweſen ſey, d. i. daß ſich die geographiſchen Laͤngen der Orte E und o, ingleichen o und F um 90° unterſcheiden. Sonnenfinſterniſſe.

Die Sonne verliert zuweilen zur Zeit des Neumonds bey heiterm Himmel ihren Schein, auf die Art, als ob eine ſchwarze Scheibe von Abend gegen Morgen in ſie ruͤckte, welche bisweilen viel, bisweilen wenig von der Sonne, manchmal auch die ganze Sonne bedeckt. Dieſe Begebenheit heißt eine Sonnenfinſterniß (Eclipſis Solis ſ. ſolaris, Defectus Solis, Eclipſe de Soleil). Sie erfolgt nie zu anderer Zeit, als im Neumonde, d. i. wenn man den Mond eben da zu ſuchen hat, wo die Sonne ſteht. Da nun der Mond ein dunkler undurchſichtiger Koͤrper iſt, der ſich geſchwinder als die Sonne von Abend gegen Morgen bewegt, ſo iſt kein Zweifel, daß der Mond durch ſein Vortreten vor die Sonne die Sonnenfinſterniſſe veranlaſſe; welches dadurch zur voͤlligen Gewißheit gebracht wird, daß man nach dieſer Vorausſetzung dergleichen Begebenheiten vorherſagen, und aufs genauſte berechnen kan. Die Sonnenfinſterniß iſt alſo nichts anders, als eine Bedeckung der Sonne durch den Mond, wobey die Sonne ihr Licht nicht wirklich verliert, ſondern daſſelde nur den Erdbewohnern durch den vortretenden Mond entzogen wird; daher denn auch nicht an allen Orten der Erde ein gleich großer Theil der Sonne verfinſtert wird.

Die Sonnenfinſterniſſe ſind entweder partial, wenn die Sonne nur zum Theil, oder total, wenn ſie ganz vom Monde bedeckt wird. Das letzte ſetzt voraus, daß zur Zeit einer ſolchen Begebenheit der Mond groͤßer ausſehe, oder einen groͤßern ſcheinbaren Durchmeſſer habe, als die Sonne. Nun ſind die ſcheinbaren Durchmeſſer des Monds und der Sonne ſaft von gleicher Groͤße, aber beyde veraͤnderlich. Daher iſt zuweilen auch des Monds Durchmeſſer der kleinere. In dieſem Falle kan der dunkle Mond ganz in die Sonnenſcheibe hineintreten und noch einen hellen Ring um ſich unbedeckt laſſen. Eine ſolche Finſterniß heißt eine249 ringfoͤrmige (annularis, annulaire); ſo ward z. B. die vom 1 April 1764. zu Cadir, Calais und Pello in Lappland ringfoͤrmig geſehen, ob ſie gleich bey uns nur die groͤßere Haͤlfte der Sonne betraf. Central heißen die Sonnenfinſterniſſe, wenn die Mittelpunkte des Monds und der Sonne zuſammentreffen: iſt hiebey der Durchmeſſer des Monds kleiner, als der der Sonne, ſo iſt die Finſterniß ringfoͤrmig; iſt er groͤßer, ſo iſt ſie total mit Dauer (totalis cum mora, avec durée); ſind beyde Durchmeſſer gleich, daß zwar der Mond die Sonne deckt, aber wegen ſeiner eignen Bewegung ſogleich wieder verlaͤßt, ſo iſt die Verfinſterung total ohne Dauer oder von augenblicklicher Dauer (totalis ſine mora, ſans durée).

Die Sonnenfinſterniſſe, beſonders die groͤßern, ſind ſchon von den aͤlteſten Voͤlkern und Schriftſtellern als ſehr merkwuͤrdige Begebenheiten angeſehen worden. Im dreyzehnten Capitel des Propheten Eſaias wird ihrer erwaͤhnt, desgleichen im Homer und Pindar; umſtaͤndlich handelt von ihnen Plinius (Hiſt. nat. II. 12.). Nach ihm ſoll Thales unter den Griechen der Erſte geweſen ſeyn, der eine Sonnenfinſterniß vorhergeſagt hat, und zwar diejenige, die nach Herodots Nachricht im 6ten Jahre des Krieges zwiſchen den Lydiern und Medern, waͤhrend der Schlacht den Tag in Nacht verwandelte, und die nach Coſtards Berechnung (Philoſ. Tranſact. 1753. p. 23.) auf den 17ten May des 603ten Jahres vor C. G. gefallen iſt. Man ſieht hieraus, wieviel die Berechnung ſolcher Begebenheiten zur genauern Beſtimmung der Zeitrechnung beytragen kan. In einem im chronologiſchen und diplomatiſchen Fache ſehr brauchbaren Buche (L' art de verifier les dates, Paris, 1770. fol.) findet man ein genaues Verzeichniß aller ſeit dem Anfange der chriſtlichen Zeitrechnung vorgefallenen Finſterniſſe.

Der Anblick einer großen, beſonders einer gaͤnzlichen, Sonnenfinſterniß iſt in der That etwas ſehr ſonderbares. Es zeigen ſich dabey alle Wirkungen der Nacht. Die Voͤgel fallen zur Erde nieder, die Sterne erſcheinen, und die Dunkelheit iſt, wo nicht groͤßer, doch auffallender und250 empfindlicher, als die der Nacht ſelbſt. Es ſind aber die gaͤnzlichen Sonnenfinſterniſſe fuͤr einen beſtimmten Ort aͤuſſerſt ſelten. Im Jahre 1706 den 12 May ward eine an den meiſten Orten Deutſchlands total geſehen; in Paris aber blieb noch (1 / 12) vom Sonnendurchmeſſer unbedeckt, deſſen Licht aber eine traurige blaſſe Farbe zeigte (Hiſt. de l' acad. roy. des Sc. 1706.). Zu Montpellier, wo dieſe Finſterniß total war, und faſt uͤberall in Deutſchland, ſahe man waͤhrend der gaͤnzlichen Verfinſterung um den Mond herum einen lichten Ring, deſſen Breite auf der Seite, wo er am merklichſten war, ein Zwoͤlfcheil des Monddurchmeſſers betrug, und den Wolf (Elem. Aſtr. §. 54.) von dem wieder hervorgehenden Stuͤcke der Sonnenſcheibe an der Staͤrke des Lichts und an der Geſtalt ſehr deutlich unterſcheiden konnte. Einen aͤhnlichen Ring beobachtete auch Don Ulloa auf der Suͤdſee bey der Sonnenfinſterniß am 24 Jun. 1778. Man hat die Erſcheinung dieſes Ringes zum Beweiſe einer Mondatmoſphaͤre gebrauchen wollen, ſ. Atmoſphaͤre des Monds. In Paris ſahe man eine gaͤnzliche Sonnenfinſterniß am 22ſten May 1724, wo die voͤllige Dunkelheit 2 3 / 4 Minuten dauerte, auch Venus und Merkur ſichtbar wurden. Der erſte kleine Theil der Sonne, der ſich wieder entdeckte, ſchien wie ein lebhafter Blitz die ganze Dunkelheit auf einmal zu zerſtreuen (Hiſt. de l' acad. 1724.).

Ueberhaupt fallen zwar viel mehr Sonnen - als Mondfinſterniſſe vor; aber da die Sonnenfinſterniſſe immer nur auf einem geringen Theile der Erdflaͤche ſichtbar ſind, ſo ſind fuͤr einen beſtimmten Ort die ſichtbaren Sonnenfinſterniſſe weit ſeltener, als die ſichtbaren Mondfinſterniſſe. Das Verhaͤltniß iſt ohngefaͤhr wie 4 zu 11. Fuͤr Paris hat de Vaucel berechnet (Mém. préſentés. To. V. p. 575.), daß von 1774 bis 1900, 59 Sonnenfinſterniſſe ſichtbar ſeyn werden, worunter keine gaͤnzliche, und nur eine ringfoͤrmige den 9 Oct. 1847 befindlich ſeyn wird.

Wenn uns der Mond die Sonne ganz verdeckt, ſo muß natuͤrlicher Weiſe ſein Schatten auf die Erde fallen, und den Laͤndern, die er trift, das Sonnenlicht entziehen;251 daher iſt eine ſolche Himmelsbegebenheit eigentlich eine Erdfinſterniß (eclipſis terrae). Als eine ſolche erſcheint ſie auch den Bewohnern des Mondes, und laͤßt ſich ſo in der Sternkunde am leichteſten und allgemeinſten betrachten.

Es ſey Taf. IX. Fig. 29. in T die Erde, ACB ein Stuͤck der Mondbahn, der Mond jetzt in C, und in S die Sonne, I der weſtliche und K der oͤſtliche Rand derſelben. Steht der Neumond C mit T und S in einer Flaͤche, ſo kan ſein Schatten, welcher gegen die Erde ſpitzig zulaͤuft, auf den Ort a fallen, und hier wird die Sonne vom Monde gaͤnzlich bedeckt erſcheinen. Der Halbſchatten des Monds erſtreckt ſich von n bis o, und ſchneidet einen Kreis auf der Erdflaͤche ab, in welchem die Orte liegen, die nur einen Theil der Sonne bedeckt ſehen; dieſer Theil iſt deſto groͤßer, je naͤher der Ort dem Mittelpunkte a des Kreiſes liegt. Von o aus zeigt ſich der weſtliche, von n aus der oͤſtliche Mondrand an der Sonne. Außer dem beſchatteten Raume neo iſt in dieſem Augenblicke ſonſt nirgends etwas von dieſer Sonnenfinſterniß zu ſehen; denn die Orte von neo bis NTM ſehen ungehindert die voͤllige Sonne.

Wenn die Sonne zu dieſer Zeit in der Erdferne, und der Mond in der Erdnaͤhe iſt, ſo hat der Schattenkegel bey a noch einige Breite, und a ſteht eine totale Finſterniß mit einer Dauer, die ſich hoͤchſtens auf 3 Min. 41 Sec. erſtrecken kan. Erſcheinen die Durchmeſſer der Sonne und des Monds genau gleich groß, ſo faͤllt genau die Spitze des Schattenkegels auf a, und die Finſterniß iſt daſelbſt total und central ohne Dauer. Endlich. wenn der ſcheinbare Durchmeſſer des Monds, wie in den meiſten Faͤllen, kleiner iſt als der der Sonne, ſo erreicht die Spitze des Schattens die Erde gar nicht, und die Finſterniß iſt bey a ringfoͤrmig.

Waͤhrend der Finſterniß bewegt ſich nicht allein der Mond von A durch C nach B, ſondern es dreht ſich auch die Erde nach eben derſelben Richtung, nemlich nach MaN um ihre Axe. Iſt nun der Mond in A, ſo beruͤhrt der oͤſtliche Rand ſeines Halbſchattens die Erde zuerſt bey i, und der Ort, welcher gerade zu der Zeit bey i in die erleuchtete Halbkugel der Erde koͤmmt, ſieht unter allen zuerſt252 die Sonne beym Aufgange an ihrem weſtlichen Rande durch den Vortritt des oͤſtlichen Mondrands g verfinſtert werden. Nun geht der Mondſchatten uͤber i o, und wenn der Mond nach C koͤmmt, ſo bedeckt er die Sonne fuͤr die Laͤnder um a gerade um die Zeit des Mittags. Wenn endlich der Mond in B anlangt, ſo verlaͤßt der weſtliche Rand ſeines Halbſchattens bey K die Erde, und der Ort, welcher alsdann bey K in die dunkle Haͤlfte der Erde geht, iſt der letzte unter allen, der gerade bey Sonnenuntergang die Finſterniß ſich endigen, und den weſtlichen Mondrand h den oͤſtlichen Sonnenrand K verlaſſen ſieht. So laͤuft der Mondſchatten vom Abend gegen Morgen uͤber die Erdflaͤche fort; die weſtlichen Laͤnder ſehen die Sonne fruͤher verſinſtert als die oͤſtlichen, und ein ſehr großer Theil der Erdflaͤche ſieht gar keine Verfinſterung, ob er gleich die Sonne uͤber dem Horizonte hat.

Man wird hieraus ſchon abnehmen, daß die Theorie und Berechnung einer Sonnenfinſterniß, ſowohl als Erdfinſterniß allgemein fuͤr die ganze Erde (eclipſis ſolis generalis), als auch fuͤr einzelne Orte, weit ſchwerer, als die Berechnung der Mondfinſterniß, ausfallen muͤſſe. Sie wird inzwiſchen ſehr erleichtert, wenn man ſich die Eklipſe als Erdfinſterniß vorſtellt, und den Zuſchauer uͤber der Erde in einen dazu ſchicklichen Punkt ſtellt, wobey man nachher die kuͤnſtliche Erdkugel und die Zeichnung zu leichterer Beſtimmung der Reſultate gebrauchen kan. Hiezu findet man Anweiſungen bey de la Lande (Aſtron. Handbuch, §. 640. u. f.), Bode (Kurzgefaßte Erlaͤuterung der Sternkunde, Zweyter Theil. §. 549. u. f.) und in andern aſtronomiſchen Lehrbuͤchern. Die Umſtaͤnde der Erdfinſterniß aber durch bloße Rechnung zu finden, iſt eine Arbeit, die die Geduld auch des geuͤbteſten Rechners ermuͤden konnte. Ge. Matthias Boſe hat ſie in einer akademiſchen Schrift (Eclipſis terrae 1733. d. (2 / 13) Maii Lipſ. 1733. 4. ) mit ungemeiner Muͤhſamkeit umſtaͤndlich ausgefuͤhrt. Kuͤrzer iſt die Berechnung, wenn man eine ſolche Begebenheit blos als Sonnenfinſterniß fuͤr einen beſtimmten Ort der Erde betrachtet. Alsdann berechnet man ſie zuerſt aus den Tafeln253 fuͤr den Mittelpunkt der Erde, faſt wie die Mondfinſterniß, bringt dann die Zeitangaben auf den Meridian des Orts, unterſucht, was in den merkwuͤrdigſten Zeitpunkten der Begebenheit Sonne und Mond fuͤr Hoͤhen uͤber dem Horizonte dieſes Orts, mithin fuͤr Parallaxen haben, wie viel alſo die Parallaxen jeden dieſer Koͤrper in dieſen Zeitpunkten niedriger darſtellen, wodurch ſich denn die Erſcheinungen der Finſterniß fuͤr den verlangten Ort ergeben. Von einer ſolchen Berechnung hat Reccard ein ſchoͤnes Beyſpiel fuͤr Berlin gegeben (Abhandlung von der großen Sonnenfinſterniß den 1 Apr. 1764. von G. C. Reccard, Berlin, 1763. Zweyte Auflage, 1764. 4.). Nach gemachter Berechnung fuͤr die vornehmſten Zeitpunkte laͤßt ſich eine Zeichnung entwerfen, welche die Finſterniß ſinnlicher darſtellt, und die Data fuͤr die Zwiſchenzeiten leicht angiebt.

Nur diejenigen Neumonde ſind mit Sonnenfinſterniſſen begleitet, bey welchen der Mond nicht allzuweit von einem ſeiner Knoten entfernt iſt. Die Theorie lehrt, daß keine Sonnenfinſterniß mehr moͤglich ſey, wenn der Mond bey ſeiner Zuſammenkunft mit der Sonne uͤber 21 Grad vom Knoten abſtehet, daß hingegen gewiß eine an irgend einem Orte der Erde erfolge, wenn er weniger als 15 Grad vom Knoten entfernt iſt. Dieſe Grenzen erſtrecken ſich weiter, als die fuͤr die Mondfinſterniſſe; daher es uͤberhaupt genommen mehr Erdfinſterniſſe als Mondfinſterniſſe geben muß, nur daß die erſtern nicht an ſo vielen Orten ſichtbar ſind. Es kan ſich ſogar ereignen, daß zween Neumonde hinter einander mit Sonnenfinſterniſſen begleitet ſind. Denn zween auf einander folgende Neumonde fallen in Punkte des Thierkreiſes, die 30° von einander entfernt ſind, und ſo kan der erſte z. B. 15° vor dem Knoten, der andere 15° hinter dem Knoten fallen, welches beydes innerhalb der Grenzen faͤllt, da Sonnenfinſterniſſe moͤglich ſind. So werden im Jahre 1790 die beyden Neumonde vom 14 April und 13 May, und wiederum die vom 8 Oct. und 6 Nov. ſaͤmmtlich mit partialen Sonnenfinſterniſſen begleitet ſeyn. Bey den Mondfinſterniſſen kan dies niemals ſtatt finden, weil ſich die Grenze des Abſtands vom Knoten,254 fuͤr welche noch eine Finſterniß moͤglich iſt, bey dieſen nur bis 13 Grad erſtreckt.

Die Beobachtung einer Sonnenfinſterniß beſtehet darinn, daß man nach einer genauen Uhr den Augenblick des Anfangs und Endes derſelben genau bemerkt, von Zeit zu Zeit die Groͤße des verfinſterten Theils, welche wie beym Monde, in Zollen und Minuten angegeben wird, mißt, und uͤberhaupt den ſcheinbaren Weg der Mondſcheibe durch die Sonne ſo genau als moͤglich, zu beſtimmen fucht. Weil ſich hiebey der dunkle Mondrand auf dem hellen Sonnenteller ſehr deutlich und wohlbegrenzt zeiget, ſo ſind dieſe Beobachtungen weit zuverlaͤßiger und hoͤher zu ſchaͤtzen, als die der Mondfinſterniſſe.

Daher werden dieſe Beobachtungen von den Aſtronomen ſo oft als moͤglich angeſtellt, und theils zu Berichtigung der Tafeln, theils aber auch zur Beſtimmung des Unterſchieds der geographiſchen Laͤnge zweener Orte genuͤtzt. Zu der letztern Abſicht dienen ſie mit ganz vorzuͤglicher Sicherheit; nur erfordern ſie noch ziemlich weitlaͤuftige Berechnungen, um die an beyden Orten beobachtete fcheinbare Beruͤhrung des Sonnen - und Mondrandes auf eine wahre oder aus dem Mittelpunkte der Erde geſehene zu reduciren, aus welcher ſich alsdann erſt auf den Unterſchied der Laͤngen ſchließen laͤßt. Allgemeine Bemerkungen uͤber Sonnen - und Mondfinſterniſſe.

Die Verfinſterungen der Sonne und des Monds kehren, wie alle Himmelsbegebenheiten, in gewiſſen Perioden wieder. Man kan ſchon nach einer Finſterniß von anſehnlicher Groͤße erwarten, daß ſich im folgenden Jahre, 11 Tage fruͤher, wiederum eine, aber von geringerer Groͤße, zeigen werde. Denn da 12 Mondenmonate nur 354 Tage ausmachen, ſo fallen die Neu - und Vollmonde im folgenden Jahre 11 Tage fruͤher, ſ. Epakte, und der dreyzehnte trift etwa 11° weit von der Gegend des Thierkreiſes, in welcher der Knoten im vorigen Jahre ſtand, wenn im erſten eine255 Finſterniß war. Es gehen aber die Mondsknoten jaͤhrlich um 19° zuruͤck; alſo iſt der Knoten im folgenden Jahre uͤber die vorerwaͤhnten 11° noch weiter zuruͤck, und der Neuoder Vollmond iſt jetzt vom Knoten, wenn er das Jahr vorher im Knoten ſelbſt war. Daher iſt die Finſterniß kleiner. Im folgenden Jahre iſt die Entfernung 16°, daher die Mondfinſterniß ſchon ganz wegfaͤllt, die Sonnenfinſterniß aber noch moͤglich bleibt. So fallen nach einander Sonnenfinſterniſſe: d. 15 Jun. 1787, d. 4 Jun. 1788, d. 24 May 1789, den 13 May 1790 immer im folgenden Jahre ungefaͤhr 11 Tage fruͤher, als im vorigen. Die erſte iſt von geringer Groͤße, die v. 1788 iſt central, die letztern ſind wiederum geringer. Mondfinſterniſſe fallen: den 9 May 1789, den 29 Apr. 1790 eine gaͤnzliche, den 18 April 1791.

Eine ſehr merkwuͤrdige Periode der Ruͤckkehr der Finſterniſſe iſt die Halleyiſche oder Plinianiſche von 223 Mondenmonaten, oder 6585 1 / 3 Tagen, welche 18 Jahre und 11 Tage (oder, wenn in dieſen 18 Jahren 5 Schaltjahre fallen, 10 Tage) und 8 Stunden ausmachen. Waͤhrend dieſer Zeit ſind die Knoten des Monds, welche jaͤhrlich 19° 19′ zuruͤckgehen, etwa um 349° 20′ fortgegangen, alſo noch 10° 40′ vorwaͤrts von ihrer Stelle im Anfang der Periode entfernt. Die Sonne ſelbſt aber hat 18 Umlaͤufe vollendet, und in den 10 Tagen noch etwa 10° 40′ vorwaͤrts zuruͤckgelegt: ſie ſteht alſo gegen den gleich weit fortgeruͤckten Mondsknoten faſt eben ſo, wie im Anfange der Periode. Der Mond hat 223 Mondwechſel genau vollendet, und ſteht alſo wieder eben ſo, wie im Anfange; daher am Ende der Periode wieder eine Finſterniß erfolgen muß, wenn es eine im Anfange derſelben gab, weil Sonne, Mond und Mondsknoten eben dieſelbe Stellung haben. Halley, von welchem auch dieſe Periode benannt worden iſt, ſagte vermittelſt derſelben die Sonnenfinſterniß den 2 Jul. 1684. voraus, weil den 22 Jun. 1666 eine beobachtet worden war. Nach einer betraͤchtlichen Finſterniß aber werden die naͤchſten nach 18 Jahren immer kleiner, bis ſie endlich ganz außenbleiben. 256

Es iſt gewiß, daß dieſe Periode ſchon den Chaldaͤern unter dem Namen Saros bekannt geweſen ſey. Prolemaͤus (Almag. IV. 29.) fuͤhrt aus dem Hipparchus an, die alten Aſtronomen haͤtten ſie erfunden, und um volle Tage zu haben, die 6585 1 / 3 mit 3 multiplicirt, woraus eine Periode von 669 Mondenmonaten oder 19756 Tagen entſtanden ſey. Nun ſagt aber Geminus (Elem. aſtr. c. 15.) ausdruͤcklich, die Periode von 669 Monaten ſey chaldaͤiſchen Urſprungs. Ueberdies fuͤhrt Svidas im Woͤrterbuche unter dem Worte Saros nach der Berichtigung des Pearſon (Expoſ. fymb. apoſtol. Lond. 1683. f. 59.) an, der Saros ſey ein chaldaͤiſches Zeitmaaß, das aus 222 Mondenmonaten oder 18 Jahren und 6 Monaten beſtehe. Halley (Philoſ. Trans. no. 194. ann. 1691.) zeigt zwar, daß dieſe Angabe fehlerhaft, und 223 Monate fuͤr 222 zu leſen ſey; allein die Stelle iſt doch hinlaͤnglich, die Bekanntſchaft der Chaldaͤer mit dieſer Periode zu erweiſen. Die unter den Alten erwaͤhnten Vorherverkuͤndigungen der Finſterniſſe ſind gewiß blos vermittelſt dieſer, oder einer andern aͤhnlichen Periode geſchehen. Auch Plinius gedenkt derſelber (Hiſt. nat. II. 13.) mit den Worten: Defectus Solis et Lunae ducentis viginti tribus menſibus redire in ſuos orbes certum eſt, welche Stelle Halley ebenfalls aus Manuſcripten berichtiget, und daher dieſe Periode die Plinianiſche genannt hat. (Man ſ. hieruͤber Weidler Hiſt. aſtr. Cap. III. §. 18. und Bailly Geſchichte der alten Sternkunde, a. d. Frz. Zweyter Band. Leipzig, 1777. gr. 8. S. 172. u. f.).

Eben dieſes leiſten die Perioden von 716, von 3087, 6890, 9977 rc. Mondenmonaten; jede folgende immer genauer, als die vorhergehenden.

Die Berechnung ſowohl der vergangenen als der zukuͤnftigen Finſterniſſe aus den aſtronomiſchen Tafeln iſt allerdings ſehr muͤhſam. Lambert hat ſeine großen Talente fuͤr die Conſtruction zur Erleichterung dieſer Bemuͤhungen angewendet, und ſchon 1765 zu Berlin die Beſchreibung einer ekliptiſchen Tafel herausgegeben, wo man257 auf einem Kupferſtiche die Umſtaͤnde jener Finſterniß durch Abmeſſen beſtimmen kan. Vollſtaͤndiger findet man dieſe Tafel im zweyten Theile ſeiner Beytraͤge zum Gebrauch der Mathematik (Berlin, 1770. 8. no. XII. ), und noch weiter ausgefuͤhrt in des ungluͤcklichen Waſers hiſtoriſchdiplomatiſchem Iahrzeitbuche (Zuͤrich, 1779. auf 29 Folioblaͤttern).

Ich will noch einige Saͤtze von den Finſterniſſen beyfuͤgen, welche die angefuͤhrte Lambertiſche Tafel ſogleich durch den Augenſchein beweiſet. Die Anzahl der Finſterniſſe in einem Jahre kan hoͤchſtens bis auf 7 ſteigen, und alsdann treffen dieſelben im Iaͤnner, Iunius, Iulius und December ein. Ein Beyſpiel gab das Jahr 1787 mit 4 Sonnenund 3 Mondfinſterniſſen. In jedem Jahre muͤſſen wenigſtens zwey Sonnenfinſterniſſe einfallen; Mondfinſterniſſe koͤnnen gaͤnzlich fehlen, wie 1788. Je groͤßer die Sonnenfinſterniſſe in einem Jahre ſind (nemlich aus dem Mittelpunkte der Erde betrachtet), deſto kleiner ſind die Mondfinſterniſſe, und umgekehrt. Wenn eine totale Mondfinſterniß einfaͤllt, ſo ſind gemeiniglich beyde Neumonde, der vorhergehende und nachfolgende, mit Sonnenfinſterniſſen, aber von geringer Groͤße, begleitet. Im Jahre 1790 z. B. fallen totale Mondfinſterniſſe den 29 April und 23 October: die naͤchſten Neumonde vor und nachher, den 14 April, 13 May, 8 Oct. und 6 Nov. haben kleine Sonnenfinſterniſſe. Fallen hingegen centrale Sonnenfinſterniſſe ein, ſo ſind die Neumonde vor und nachher ganz ohne Mondfinſterniß.

Die aſtronomiſchen Kalender und Ephemeriden, z. B. Herrn Bode aſtronomiſches Jahrbuch, geben zur Bequemlichkeit der Aſtronomen die Finſterniſſe eines jeden Jahres mit ihren Umſtaͤnder genau berechnet an. Ein Verzeichniß aller bis zu Ende dieſes Jahrhunderts einfallenden Finſterniſſe hat Herr Bode (Anleitung zur Kenntniß des geſtirnten Himmels. Dritte Aufl. Berlin 1777. gr. 8. S. 453. u. f.) mitgetheilt. 258Verfinſterungen der Trabanten oder Nebenplaneten.

Der Planet Iupiter wird von vier, Saturn von fuͤnf Monden, Trabanten oder Nebenplaneten begleitet, ſ. Nebenplaneten, welche eben ſo, wie die Hauptplaneten, an ſich dunkle Koͤrper ſind, und blos von der Sonne erleuchtet werden. Wenn nun dieſe Nebenplaneten bey ihrem beſtaͤndigen Umlauf um den Hauptplaneten in den Schatten des letztern kommen, ſo ereignen ſich Trabantenverfinſterungen (Eclipſes Satellitum, Eclipſes des Satellites). Wir haben hier blos von den Verfinſterungen der Iupitersmonden zu handeln, weil ſie die einzigen ſind, welche man beobachten kan.

Die Iupitersmonden laufen ſehr geſchwind um ihren Hauptplaneten, ihre Bahnen ſind nur unter ſehr kleinen Winkeln gegen die Bahn des Iupiters und gegen die Ekliptik geneigt, und ihre Groͤße iſt ſehr gering gegen die Groͤße des Iupiters und gegen den Durchmeſſer ſeines Schattenkegels. Dieſe Umſtaͤnde verurſachen, daß die Iupitersmonden bey jedem Umlaufe den Schatten ihres Hauptplaneten durchſchneiden muͤſſen, daher die Verfinſterungen derſelben ſehr haͤufig ſind. Im Iupiter ſelbſt muͤſſen ſie ſich als Mondfinſterniſſe zeigen. Gehen aber die Monden zwiſchen dem Iupiter und der Sonne hindurch, ſo koͤnnen ſie auch ihren Schatten auf den Hauptplaneten werfen, und Sonnenfinſterniſſe auf ihm verurſachen, wobey wir auf der Erde die Schatten der Trabanten als dunkle runde Flecken uͤber die Scheibe des Iupiters ruͤcken ſehen.

Wenn die Erde zur Zeit der Conjunction oder Oppoſition des Iupiters mit der Sonne, nach Taf. IX. Fig. 30. in C oder D ſteht, ſo liegt der Schatten des Iupiters fuͤr uns gerade hinter ihm, wird unſerm Auge von ihm verdeckt, und wir ſehen mehrere Tage nach einander eben ſo wenig den Eintrit (Immerſion) bey e, als den Austritt (Emerſion) der Monden bey m, in und aus dem Schatten. Ruͤckt die Erde weiter von C nach B, ſo wird Iupiter in den Fruͤhſtunden ſichtbar, und man faͤngt an die rechte oder Weſtſeite259 des Schattens zu ſehen, an welcher die Eintritte in e geſchehen. In B, wenn Iupiter faſt um 90° von der Sonne S abſteht, und fruͤh um 6 Uhr culminirt, iſt dies am merklichſten. Indem die Erde von B nach D laͤuft, ruͤckt der Schatten allmaͤhlich wieder hinter den Koͤrper des Iupiters. In D ſelbſt, wo Iupiter der Sonne entgegen geſetzt iſt, und um Mitternacht culminirt, ſieht man wiederum weder Eintritte noch Austritte. Koͤmmt die Erde gegen A, ſo wird Iupiter Abends ſichtbar, und der Schatten zeigt ſich linker Hand oder oſtwaͤrts vom Iupiter, daß alſo jetzt blos die Austritte der Monden bey m ſichtbar ſind. Dies wird am merklichſten in A, wo Iupiter Abends um 6 Uhr culminirt. Laͤuft endlich die Erde von A bis C, ſo tritt der Schatten nach und nach wieder hinter den Iupiter, bis um C dieſer Planet ſelbſt mit der Sonne zuſammen koͤmmt, und in den Sonnenſtralen verſchwindet. Alſo ſieht man von der Conjunction bis zur Oppoſition nur die Eintritte, von dieſer bis zu jener nur die Austritte. Dies gilt wenigſtens fuͤr den erſten und zweyten Iupitersmond. Von dem dritten und vierten aber, welche weiter vom Iupiter abſtehen, werden, vornehmlich bey A und B, ſowohl die Ein - als Austritte geſehen, und in gewiſſen Lagen gegen die Ekliptik ſieht man dieſelben ſogar um C und D, wobey der Schatten ſowohl, als der Mond, oberhalb oder unterhalb des Iupiters zu ſtehen ſcheint.

Da die Verfinſterungen der Iupitersmonden wirkliche Beraubungen des Lichts ſind, ſo muͤſſen ſie allen Orten der Erde zu gleicher Zeit und auf gleiche Weiſe erſcheinen, und ſind daher, als Merkmale gleichzeitiger Augenblicke, zu Erfindung des Unterſchieds der geographiſchen Laͤngen ſehr bequem zu gebrauchen, ſ Laͤnge, geographiſche. Man kan ſie mit Huͤlfe des ſogenannten Iovilabiums leicht vorher wiſſen, und dann die naͤhern Umſtaͤnde aus den ſehr genauen Tafeln des Ritter Wargentin, die ſich in der berliner Sammlung aſtronomiſcher Tafeln finden, ohne große Muͤhe berechnen. Zu noch mehrerer Bequemlichkeit der Aſtronomen ſind ſie in den aſtronomiſchen Ephemeriden und Kalendern ſchon berechnet angegeben. 260

Die Beobachtung dieſer Verfinſterungen koͤmmt darau < * > an, daß man den Augenblick der Verſchwindung oder der erſten Wiedererſcheinung des Trabanten nach einer genauen Uhr bemerkt, und in wahrer Sonnenzeit ausdruͤckt. Die Iupitersmonden ſind zwar ſchon durch mittelmaͤßige Fernroͤhre von 2 bis 3 Fuß ſichtbar: aber ihre Verfinſterungen zu beobachten, wird doch wenigſtens ein 12fuͤßiges gemeines Fernrohr, oder ein an Wirkung dieſem gleich kommendes Spiegelteleſkop oder achromatiſches Fernrohr erfordert. Es miſcht ſich aber auch in dieſe Beobachtungen viel Ungewißheit. Laͤngere Fernroͤhre, welche ſtaͤrker vergroͤßern, zeigen den groͤßtentheils verdunkelten Mond noch, wenn man ihn mit ſchlechtern Fernroͤhren ſchon aus den Augen verlohren hat; d. h. ein beſſeres Fernrohr zeigt die Eintritte ſpaͤter, die Austritte eher an. Nach de l' Isle (Comm. Acad. Petrop. To. I. p. 472.) hat dieſer Unterſchied bey zweyen Fernroͤhren, einem von 20 1 / 2 und einem von 15 Fuß bisweilen 6 bis 7 Sec. betragen. Es iſt alſo noͤthig, bey jeder Beobachtung die Beſchaffenheit des Fernrohrs mit anzugeben. Auch koͤmmt es auf Iupiters Hoͤhe an, ob nemlich das Licht des Trabanten von der Luft, durch die es gehen muß, mehr oder weniger geſchwaͤcht wird. Der P. Hell (Ephemerides Aſtr. ann. 1764. p. 188.) hat Vorſchriften gegeben, wie die Verfinſterungen der Iupiterstrabanten bey aller Verſchiedenheit der Fernroͤhre dennoch genauer zu beobachten, und ſicherer als ſonſt, zu Beſtimmung der Laͤngen zu gebrauchen ſind.

de la Lande Aſtronomiſches Handbuch, aus d. Frz. uͤberſ. Leipzig, 1775. gr. 8. Fuͤnftes Buch. §. 600. u. f.

I. E Bode kurzgefaßte Erlaͤuterungen der Sternkunde, Berlin, 1778. 8. Erſter Theil, §. 436. Zweyter Theil, §. 613. u. f.

Kaͤſtners Anfangsgr. der angewandten Math. zweyte Abtheilung, Dritte Aufl. Goͤttingen 1781. 8. Aſtronomie, §. 300 302 Geographie, §. 35.

Firmament, Gewoͤlbe des Himmels, Firmamentum, Coelum, Firmament.

Man giebt dieſen Namen bisweilen dem blauen Gewoͤlbe, das vom Horizonte begrenzt uͤber der Erde und uͤber unſerm Haupte erſcheint,261 und an welchem Sonne, Mond und Sterne gleichſam angeheftet zu ſeyn ſcheinen. Dies alles iſt freylich bloße Erſcheinung. Die Geſtalt des Firmaments iſt um den Scheitelpunkt eingedruͤckt, ob ſie gleich in der Sternkunde als die innere Flaͤche einer Halbkugel angeſehen wird. Man ſ. hievon den Artikel: Himmel.

Fix, Fixum, Fixe.

Dieſes Wort wird in zwiefacher Bedeutung gebraucht. Einmal heißt es ſo viel, als gebunden, mit der Maſſe eines Koͤrpers feſt vereinigt und zu den Beſtandtheilen deſſelben gehoͤrig. So nannte man anfaͤnglich die Luft, welche ihre elaſtiſche Form verlohren hatte, und zu einem Beſtandtheile feſter oder fluͤßiger Koͤrper geworden war, fixe Luft, und ließ ihr dieſen Namen noch, wenn man ſie gleich wieder aus den Koͤrpern gezogen, und ihre elaſtiſche Form hergeſtellt hatte; bis endlich der Name der fixen Luft einer beſondern Gattung eigen geworden iſt, ſ. Gas, mephitiſches.

Dann aber heißt auch fix ſo viel als feuerbeſtaͤndig, z. B. fixes Laugenfalz rc. und wird dem volatilen oder fluͤchtigen entgegen geſetzt, ſ. Feuerbeſtaͤndig.

Fixe Luft, ſ. Gas, mephitiſches.

Fixſterne, Stellae fixae, Etoiles, Etoiles fixes.

Dieſen Namen fuͤhrt die unzaͤhlbare Menge derjenigen Sterne, welche ihre Stellungen gegen einander nicht aͤndern (wenigſtens nicht merklich aͤndern), mit einem funkelnden oder zitternden Lichte ſcheinen und ſelbſt durch die beſten Fernroͤhre keinen ſcheinbaren Durchmeſſer zeigen. Ihnen werden die Planeten oder Irrſterne entgegengeſetzt, welche ihre Stellung gegen die Fixſterne taͤglich aͤndern, durch die Fernroͤhre als runde Scheiben erſcheinen, und mit einem ruhigern nicht funkelnden Lichte glaͤnzen.

Die Fixſterne werden nach der Staͤrke ihres Lichts unter ſechs und mehrere Ordnungen gebracht, ſo daß die hellſten unter ihnen Sterne der erſten, die dieſen zunaͤchſt folgenden Sterne der zweyten, die naͤchſt kleinern der dritten u. ſ. w. Groͤße heißen. Das bloße Auge erkennt262 nur noch die von der ſechſten Groͤße: die uͤbrigen heißen teleſkopiſche, weil ſie blos durch Fernroͤhre ſichtbar ſind. Dieſe Sterne ſind haufenweiſe unter bildliche Vorſtellungen von menſchlichen, thieriſchen und andern Figuren gebracht, ſ Sternbilder, auch ſind vielen von ihnen eigne Namen beygelegt worden. Zu ihnen gehoͤren auch die Milchſtraße und die Nebelſterne, wovon wir unter beſondern Artikeln handeln werden. Der neuern Sternkunde zu Folge gehoͤrt auch die Sonne zu den Fixſternen.

Die Fixſterne werden ſelbſt von den beſten Fernroͤhren nicht vergroͤßert, ſondern zeigen ſich als untheilbare Punkte ohne einigen merklichen Durchmeſſer. Vielmehr wird ihnen durch die Fernroͤhre das ſtarke Licht benommen, durch das ſich ihr Bild auf der Netzhaut ausbreitet, und ſie erſcheinen daher noch kleiner, als ſie dem bloßen Auge vorkommen. Von dieſem geringen Durchmeſſer und ihrem gleichwohl ſtarken Glanze ruͤhrt auch ihr Funkeln oder Blinkern her, ſ. Funkeln. Die verſchiedene Staͤrke ihres Lichts haͤngt wahrſcheinlich von ihren verſchiedenen Groͤßen und Entfernungen von uns ab.

Man zaͤhlt gewoͤhnlich nicht mehr, als 15 Sterne der erſten Groͤße, obgleich einige noch 4 hinzufuͤgen, die aber richtiger zur zweyten Groͤße gerechnet werden. Vier davon ſtehen im Thierkreiſe: Aldebaran oder das Stierauge im Stier, Regulus oder das Loͤwenherz im Loͤwen, die Kornaͤhre (Spica virginis) in der Jungfrau und Anrares oder das Scorpionherz im Scorpion. Drey befinden ſich in der noͤrdlichen Halbkugel des Himmels: Arcturus im Bootes, die Ziege oder Capella im Fuhrmann, und Wega (lucida lyrae) in der Leyer. Die ſuͤdliche Halbkugel enthaͤlt acht Sterne erſter Groͤße: Be - < * > rigeuze an der Schulter und Rigel im Fuße des Orions, Acarnar am ſuͤdlichen Ende des Eridanus, den Hundsſtern oder Sirius (Canicula) im großen Hunde, Procyon im kleinen Hunde, Fomahand am Maul des ſuͤd - < * > Fiſches, Canopus im Schif Argo, und einen im Centaur. Einige Aſtronomen haben noch den Loͤwenſchwanz, den hellen Stern im Adler, den im Schwanze des Schwans263 und das Herz der Waſſerſchlange hinzugeſetzt, die aber kaum zur erſten Groͤße gerechnet werden koͤnnen.

Obgleich die Fixſterne ihre Stellen gegen einander nicht merklich aͤndern und von der Feſtigkeit oder Unbeweglichkeit ihren Namen fuͤhren, ſo ſind ſie doch keinesweges ohne ſcheinbare Bewegungen. Fuͤrs erſte folgen ſie der gemeinen oder taͤglichen Bewegung, und durchlaufen in einem Zeitraume, den man den Sterntag nennt, Tagekreiſe, welche mit dem Aequator parallel laufen. Die Alten hielten dieſe Bewegung fuͤr wirklich, ſchrieben ſie dem ganzen Firmamente oder der Sphaͤre ſelbſt zu, und glaubten, daß die Fixſterne an dieſer Sphaͤre befeſtiget waͤren. Die neuere Sternkunde aber, welche die taͤgliche Bewegung richtiger aus der Umdrehung der Erdkugel herleitet, giebt uns von der Groͤße der Fixſterne und des Weltgebaͤudes ganz andere und weit erhabnere Begriffe.

Dann ſcheinen auch ſaͤmtliche Fixſterne mit der Ekliptik parallel von Zeit zu Zeit fortzuruͤcken, ſo daß zwar ihre Breite ungeaͤndert bleibt, ihre Laͤnge aber jaͤhrlich um 50 Sec. und 20 Tertien, oder in 72 Jahren um einen Grad zunimmt, wodurch ſie binnen 25748 Jahren eine voͤllige Umdrehung um die Pole der Ekliptik vollenden muͤſſen. Aber auch dieſe Bewegung iſt blos ſcheinbar, und ruͤhrt von einem Fortruͤcken der Nachtgleichen her, wovon man den Artikel: Vorruͤcken der Nachtgleichen nachſehen kan.

Eine andere ſcheinbare Bewegung der Fixſterne, nach welcher ſie jaͤhrlich kleine Ellipſen, deren Axe 40 Sec. betraͤgt, zu beſchreiben ſcheinen, iſt nebſt ihrer Urſache bey dem Worte: Abirrung des Lichts erklaͤrt worden. Die Veraͤnderungen der Schiefe der Ekliptik (ſ. Schiefe der Ekliplik) verurſachen Veraͤnderungen in der Breite der Fixſterne, und das Wanken der Erdaxe (ſ. Wanken der Erdare) veranlaßt, daß ſie binnen 18 Jahren und 8 Mon. kleine Kreiſe von 18 Sec. Durchmeſſer zu durchlaufen ſcheinen.

Außer dieſen Bewegungen, welche alle blos ſcheinbar, und eigentlich Bewegungen der Erdkugel ſind, zeigen aber einige Fixſterne auch eigne oder wirkliche, wiewohl ſehr langſame264 Veraͤnderungen ihres Orts, wie man durch Vergleichung der neuern Beobachtungen mit den aͤltern unwiderſprechlich dargethan hat. Halley (Phil. Trans. 1718. no. 355.) hat zuerſt auf dieſe Art eigne Bewegungen an einigen großen Fixſternen, dem Aldebaran, Arctur und Sirius entdeckt, welche ſeit Ptolemaͤus Zeiten um einen halben Grad weiter nach Suͤden geruͤckt ſchienen. Caſſini, Richer, le Monnier und Bradley ſetzten dieſe Beobachtungen fort, und fanden aus Vergleichungen der ihrigen mit den von Tycho, Picard, de la Hire und Flamſtead angeſtellten, daß Arctur wirklich in 66 Jahren um 2 1 / 2 Min. nach Suͤden fortruͤcke, beym Sirius aber dieſe Bewegung nach Suͤden ſeit Tychons Zeiten erſt 2 Min. ausmache. Caſſini fand auch eigne Bewegungen an den Sternen Beteigeuze, Rigel, Regulus, Capella und am hellen im Adler. Tobias Mayer (De motu fixarum proprio in Tob. Mayeri Opp. ined. cura G. C. Lichtenberg. Gott. 1775. 4 maj. Vol. I. no. 6.) liefert ein Verzeichniß von mehr als 70 Sternen, von welchen ſich aus Vergleichung ſeiner Beobachtungen mit aͤltern von Roͤmer und de la Caille ſchließen laͤßt, daß ſie eine eigne Bewegung haben.

Der churpfaͤlziſche Aſtronom, Chriſtian Mayer zu Mannheim hatte nebſt ſeinem Gehuͤlfen Herrn Mezger mit ganz vorzuͤglichem Fleiße die Lagen der kleinen, oft nur durch gute Fernroͤhre ſichtbaren, Sterne unterſucht, welche ſich in der Nachbarſchaft der groͤßern Fixſterne befinden. Er hatte ſich dazu des Mikrometers bedient, und durch dieſe Methode in den Lagen dieſer kleinen Sterne gegen den groͤßern Fixſtern mancherley Veraͤnderungen wahrgenommen. Dieſe Beobachtungen ſind ſchaͤtzbar, und beſtaͤtigen, daß auch an kleinern Sternen eigne Bewegungen gefunden werden. Mayer aber ließ ſich verleiten, dieſe kleinen Sterne fuͤr Begleiter oder Trabanten der groͤßern, ja ſogar fuͤr Planeten derſelben oder fuͤr dunkle Koͤrper, die ihr Licht von dem großen Fixſtern empfiengen, zu halten eine Behauptung, welche viel Aufſehen machte, der aber bald von den angeſehenſten Aſtronomen widerſprochen ward. Mayer ſuchte ſich zwar zu vertheidigen (Chr. Mayers265 Vertheidigung neuer Beobachtungen von Fixſterntrabanten. Mannheim, 1778. gr. 8. Ej. De novis in coelo ſidereo phaenomenis, in miris ſtellarum fixarum comitibus, in Commentat. Aead. Theodoro-Palatinae, Vol. IV. Phyſic. 1780. p. 259.), aber ohne Erfolg. Sehr gruͤndlich iſt dieſes Vorgeben von einem Planetismus der kleinern Fixſterne durch Herrn Fuß in Petersburg widerlegt worden (Betrachtungen uͤber die Fixſterntrabanten von Herrn Prof. Fuß, aus d. Franz. in Bodens aſtronomiſchem Jahrbuche fuͤr 1785.).

Dieſe eignen Bewegungen der Fixſterne haben neuerlich Herr Herſchel (On the proper motion of the Sun and ſolar Syſtem in den Philoſ. Trans. Vol. LXXIII.) und Herr Prevoſt (Mém. lus à l' acad. des Sc. de Berlin en Iuill. et en Sept. 1783. par Mr. Prevoſt. à Berlin. 4.) als eine, wenigſtens zum Theil, ſcheinbare Bewegung zu betrachten angefangen. Sie glauben in den meiſten bisher gemachten Beobachtungen zu finden, daß die Fixſterne nach einer Gegend des Himmels zu mehr aus einander, nach der entgegengeſetzten aber mehr zuſammenruͤcken. Dem zu Folge ſchiene ſich unſere Sonne mit allen ihren Planeten und Kometen nach jener Gegend zu fortzubewegen, und von der entgegengeſetzten zu entfernen. Dieſe Bewegung richtet ſich nach Herſchel auf den Stern λ im Herkules, nach Prevoſt auf die noͤrdliche Krone zu. Einige Nachrichten von dieſen Muthmaßungen finden ſich in Herrn Bode aſtronomiſchem Jahrbuche fuͤr 1786.

Die Entfernung der Fixſterne von der Erde iſt fuͤr uns im buchſtaͤblichen Verſtande des Worts unermeßlich, weil uns wegen ihrer Groͤße alle Mittel, ſie zu beſtimmen, gaͤnzlich fehlen. Obgleich die Erde jaͤhrlich einen Kreis um die Sonne durchlaͤuft, deſſen Durchmeſſer uͤber 40 Millionen Meilen austraͤgt, und wir alſo gewiſſen Geſtirnen, z. B. dem Orion, im Winter um 40 Millionen Meilen naͤher, als im Sommer ſind; ſo iſt doch bey dieſem großen Unterſchiede der Naͤhe und Stellung nicht die geringſte Wirkung davon in der Groͤße oder Lage der Fixſterne wahrzunehmen. ſ. Parallaxe der Erdbahn. Das heißt: der ganze266 Durchmeſſer der Erdbahn iſt gegen die Entfernung der Fixſterne nur eine unbetraͤchtliche Groͤße, und als ein Punkt anzuſehen. Wenn die Parallaxe der Erdbahn fuͤr den naͤchſten Fixſtern nur 1 Sec. betruͤge, ſo wuͤrde daraus folgen, daß dieſer Stern von unſerer Sonne 206264mal weiter, als die Erde, entfernt ſey: jetzt, da ſie nicht einmal 1 Sec. betraͤgt, ſondern fuͤr uns ſchlechterdings unmerklich iſt, muß des naͤchſten Fixſterns Abſtand von der Sonne und von uns noch bey weitem groͤßer ſeyn, und man kan gar nicht beftimmen, wie weit er ſich erſtrecke.

Huygens (Coſmotheorus. Hag. Com. 1698. 4. L. II. p. 135. ſ. ) machte einen Verſuch, die Entfernung des Sirius daraus einigermaßen zu ſchaͤtzen, daß er ſeine ſcheinbare Groͤße und ſeinen Glanz mit der Groͤße und dem Glanze der Sonne verglich. Wenn er nemlich durch ein Rohr in die Sonne ſahe, deſſen kleine und mit einem mikroſkopiſchen Glaskuͤgelchen verſehene Oefnung nur den 27664ſten Theil der Sonnenſcheibe zeigte, ſo ſchien ihm dieſer Theil an Groͤße und Licht dem Sirius gleich, und er folgerte hieraus, daß, wenn Sirius ſo groß als die Sonne ſey, er 27664mal weiter, als dieſe, von der Erde abſtehen muͤſſe. Dieſe Schaͤtzung aber iſt viel zu gering: waͤre des Sirius Abſtand nicht groͤßer, ſo muͤßte fuͤr ihn eine Parallaxe der Erdbahn von 7 8 Sec. ſtatt finden. Uebrigens handeln von dieſer Methode auch Gregory (Elementa aſtr. phyſ. et geom. Lib. III. Prop. 60. 61. ) und Kaͤſtner (in Smith's vollſtaͤndigem Lehrbegrif der Optik. S. 448.).

Aus dieſer großen Entfernung der Fixſterne erklaͤrt es ſich, warum ſelbſt die beſten Fernroͤhre ihnen keine merkliche Groͤße geben, ſondern ſie nur als helle Punkte darſtellen. Ihr ſcheinbarer Durchmeſſer iſt allzuklein. Waͤre er der jaͤhrlichen Parallaxe gleich, ſo muͤßte der wirkliche Durchmeſſer des Fixſterns dem Halbmeſſer der Erdbahn gleich ſeyn, welches nicht glaublich iſt. Mithin iſt wohl der ſcheinbare Durchmeſſer der Fixſterne noch weit kleiner, als die ſchon ganz unmerkliche Parallaxe. Auch verſchwinden Regulus, Aldebaran, die Aehre und Antares, wenn ſie vom Monde bedeckt werden, ſo ſchnell, und erſcheinen ſo267 ploͤtzlich wieder, daß man dadurch verſichert wird, ihr ſcheinbarer Durchmeſſer betrage noch bey weitem nicht 1 Secunde, ja kaum 1 / 4 Sec. Mithin laͤßt ſich auch uͤber die wahre Groͤße der Fixſterne nicht das Geringſte mit Zuverlaͤßigkeit beſtimmen. Man darf ſie inzwiſchen wenigſtens eben ſo groß, als unſere Sonne, annehmen.

Da die Fixſterne ihrer unermeßlichen Entfernung und ihrer geringen ſcheinbaren Groͤße ungeachtet weit lebhafter leuchten, als die ſo nahen und ſo groß erſcheinenden Planeten, ſo kan ihr Licht nicht von der Sonne herkommen, es muß ihnen vielmehr eigen, d. i. ſie muͤſſen ſelbſt Sonnen ſeyn. Nach aller Wahrſcheinlichkeit iſt jede dieſer Sonnen mit Planeten umgeben, die von ihr erleuchtet und erwaͤrmet und von vernuͤnftigen, der Gluͤckſeligkeit faͤhigen Geſchoͤpfen bewohnt werden. Wenigſtens koͤnnen wir keine andere Abſicht der Fixſterne erdenken, die doch gewiß nicht darum allein geſchaffen ſind, um fuͤr uns Erdbewohner den naͤchtlichen Himmel zu ſchmuͤcken.

Man vergleiche hiemit die zahlloſe Menge dieſer Sonnen. Ueber fuͤnftauſend derſelben haben die Aſtronomen in ihre Verzeichniße gebracht; aber ſchon das bloße Auge bemerkt, daß ihre Anzahl weit hoͤher ſteigt, und die Fernroͤhre beſtaͤtigen dies in ſo hohem Grade, daß man durch ſie blos in der Gegend um den Guͤrtel und das Schwerdt des Orions uͤber 2000 Fixſterne zaͤhlet. Der groͤßte Theil der Nebelſterne beſteht aus ſogenannten Sternhaͤuflein, oder Sammlungen einer Menge kleiner Sterne. Endlich haͤufen ſie ſich in der Milchſtraße zu Millionen. Nimmt man hiezu noch die ungeheuren Entfernungen, um welche ſie von einander ſelbſt abſtehen muͤſſen, ſo erhaͤlt man von dem Umfange und der Groͤße der Schoͤpfung, und von der Macht, Weisheit und Guͤte ihres Urhebers Begriffe, die an Erhabenheit alles uͤbertreffen, was die Einbildungskraft der Menſchen zu umfaſſen vermag, ſ. Weltgebaͤude, bey welchem Worte man uͤber die Ordnungen und Lagen der Fixſterne gegen einander ſelbſt einige ſchoͤne Muthmaßungen finden wird. 268

Man hat bisweilen neue Fixſterne an Orten geſehen, wo vorher keine waren. Hipparch ward durch eine ſolche Erſcheinung 125 Jahr v. C. G. bewogen, ein Sternverzeichniß zu verfertigen. Das bekannteſte Beyſpiel iſt die Erſcheinung des neuen Sterns im Bilde der Caſſiopea, welcher ſich im November 1572 auf einmal mit einen. Glanze zeigte, der das Licht des Sirius und ſelbſt des Iupiters uͤbertraf, und am hellen Tage zu ſehen war. Er fieng vom December 1572 an abzunehmen, und ward endlich im Maͤrz 1574 unſichtbar. Tycho (Progymnaſmata Aſtron. Frf. 1602. 4. L. I.) hat ihn ſehr fleißig beobachtet, und keine Parallaxe an ihm wahrgenommen. Einen faſt eben ſo glaͤnzenden Stern beobachtete Kepler (De ſtella nova in pede Serpentarii. Prag. 1606. 4. ) am Fuß des Schlangentraͤgers im Jahre 1604, der ebenfalls keine Parallaxe zeigte, und im folgenden Jahre wieder unſichtbar ward. Der juͤngere Caſſini (Elemens d'Aſtron. p. 73.) fuͤhrt noch mehrere aͤhnliche Beyſpiele von kleinern neuen Sternen an.

Andere Fixſterne, die man wunderbare oder veraͤnderliche nennt, erſcheinen bald heller, bald dunkler, und verſchwinden wohl gar auf einige Zeit, halten aber doch bey dieſen Abwechſelungen ihres Lichts regelmaͤßige Perioden von beſtimmter Dauer. Im Sternbilde des Schwans allein ſind drey dergleichen veraͤnderliche Sterne, die Bayer in ſeiner Uranometrie fuͤr unveraͤnderlich gehalten, die erſten beyden mit χ und P bezeichnet, den dritten aber nahe am Kopfe des Schwans unter die ungebildeten geſetzt hat. Der merkwuͤrdigſte iſt der mit χ bezeichnete. Kirch hat ſeine Lichtveraͤnderungen 1686 zuerſt beobachtet; Caſſini (Mém. de l' Acad. roy. des Sc. 1759.) ſetzt die Periode derſelben auf 405 Tage. Am Halſe des Wallfiſches ward 1596 von Fabricius der veraͤnderliche Stern (mira in collo Ceti) beobachtet, welchen Bayer ο nennet, und der nach Hevel (Hiſtoria mirae ſtellae in collo Ceti. Gedan. 1662. fol.) binnen einer Periode von 11 Monaten von der dritten Groͤße bis zum Verſchwinden ab -, und dann nach der Wiedererſcheinung wieder bis zur dritten Groͤße zunimmt. Neuerlich hat Goodricke in England eine merkwuͤrdige269 Lichtabwechſelung an dem hellen Stern Algol im Haupte der Meduſe entdeckt, deren Dauer nur 2 Tage 21 Stunden oder 69 Stunden iſt. Mit Ablauf dieſer Zeit wird der Stern, der eigentlich von der zweyten Groͤße iſt, allemal auf die vierte herunter geſetzt. Hiezu braucht er aber nur 7 Stunden Zeit, nemlich 3 1 / 2 Stunden, um abzunehmen, und 3 1 / 2 Stunden, um ſeine vorige Groͤße wieder zu erhalten. Die uͤbrigen 62 Stunden bleibt er von der zweyten Groͤße. Durch neuere Beobachtungen des Herrn Grafen von Bruͤhl iſt die Periode des Wiederkehrens dieſer Lichtabnahme auf 2 Tage 20 St. 48 Min. 51 Sec. 16 Tert. geſetzt worden. (Man ſ. Bode aſtronom. Jahrbuch fuͤr 1786, Num. 18. 19. ; fuͤr 1788. Num. 13.) Aehnliche Lichtabwechſelungen zeigen β der Leyer, und η des Antinous (Phil. Trans. Vol. LXXV. P. I. no. 7. 9.).

Auch ſind ſeit den Zeiten der aͤltern Aſtronomen unlaͤugbar bleibende Veraͤnderungen in der Lichtſtaͤrke der Sterne vorgegangen. Den hellen Stern des Adlers rechnet Ptolemaͤus zur dritten Groͤße; er iſt aber jetzt ſo hell, daß ihm einige die erſte Groͤße beylegen. Den Stern δ des großen Baͤren geben Tycho und Bayer von der zweyten Groͤße an, jetzt iſt er ſo dunkel, daß man ihn zur vierten rechnen muß. Die berliner Sammlung aſtronomiſcher Tafeln (Berlin 1776. III. B. gr. 8. im erſten Bande, S. 212. u. f. Taf. XV.) giebt ein vollſtaͤndiges Verzeichniß der bisher bemerkten neuen und veraͤnderlichen Sterne.

Es iſt ſchwer, die Urſachen dieſer Veraͤnderungen anzugeben. Der P. Bouilland erklaͤrte die periodiſchen Lichtabwechſelungen dadurch, daß er die Fixſterne, die dergleichen zeigen, fuͤr halbe Sonnen (ſoles dimidiatos) annahm, deren eine Helfte leuchtend, die andere dunkel ſey, und die ſich um ihre Axe drehten. Herr von Maupertuis (Diſcours ſur les differentes figures des aſtres, à Paris. 1732. 8. auch in Oeuvres de Maupertuis, à Lion. 1768. To. IV. 8. To. I.) glaubt, dieſe Sterne haͤtten durch eine ſchnelle Umdrehung um ihre Axe eine ſehr platte tellerfoͤrmige Geſtalt bekommen, und ein großer Planet derſelben aͤndere die Richtung ihrer Axe ſo, daß ſie uns bisweilen die270 platte Seite, bisweilen die ſchmale Kante zukehrten, und im letztern Falle mit ſehr ſchwachem Lichte ſchienen oder gar verſchwaͤnden. Dieſe Hypotheſe erklaͤrt viel, iſt aber auch ſehr gekuͤnſtelt. Natuͤrlicher laͤßt ſich z. B. die Lichtabwechſelung des Algol daraus begreiflich machen, daß dieſe Sonne an einer gewiſſen Stelle, die aller 69 Stunden gegen uns zugekehrt iſt, große dunkle Flecken hat, oder daß ein großer Planet um ſie laͤuft, der uns um dieſe Zeit allemal einen Theil ihres Lichts entziehet.

Einige Fixſterne erſcheinen durch Fernroͤhre doppelt, und heißen Doppelſterne. Dergleichen iſt der Stern Caſtor oder α der Zwillinge u. a. m. Ein Verzeichniß von Doppelſternen in ſechs Claſſen giebt Herr Herſchel (Philoſ. Tranſ. Vol. LXXV. P. I. no. 6.).

De la Lande aſtronomiſches Handbuch, §. 283. u. f.

Bode kurzgefaßte Erl. der Sternkunde,