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Phyſikaliſches Woͤrterbuch
oder Verſuch einer Erklaͤrung der vornehmſten Begriffe und Kunſtwoͤrter der Naturlehre
mit kurzen Nachrichten von der Geſchichte der Erfindungen und Beſchreibungen der Werkzeuge begleitet in alphabetiſcher Ordnung
Zweyter Theil von Erd bis Lin mit ſechs Kupfertafeln, Taf. VIII. bis XIII.
Neue Auflage.
Leipzig,im Schwickertſchen Verlage1798.
1

Phyſikaliſches Woͤrterbuch oder Verſuch einer Erklaͤrung der vornehmſten Begriffe und Kunſtworte der Naturlehre, in alphabetiſcher Ordnung.

E

Erdaͤquator, ſ. Aequator der Erde.

Erdaxe, Axis terrae, Axe de la terre.

Die gerade Linie von einem Pole der Erde zum andern. Dieſe Linie bleibt bey der taͤglichen Umdrehung der Erdkugel unbewegt, und heißt daher auch die Axe der Umdrehung (Axis rotationis) der Erde. Sie iſt die Axe des Erdaͤquators und aller mit ihm parallel laufenden Kreiſe, durch deren Mittelpunkte ſie geht, ſ. Axe. Ihre Groͤße wird bey dem Worte: Erdkugel angegeben.

Erdbeben, Terrae motus, Tremblement de terre.

Eine Erſchuͤtterung eines Theils der Erdflaͤche, welche eine laͤngere oder kuͤrzere Zeit hindurch anhaͤlt, und oft mit den gewaltſamſten und ſchrecklichſten Folgen begleitet iſt. Die Erdbeben haben auf der Oberflaͤche unſerer Erdkugel die ausgezeichnetſten Veraͤnderungen hervorgebracht, ganze Striche Landes mit Truͤmmern uͤberſchuͤttet, Laͤnder, die vom Meere bedeckt waren, aufs Trockne verſetzt, Inſeln aus dem Schooße des Meeres emporgehoben, Berge geſpalten oder eingeſtuͤrzt, anſehnliche Theile vom feſten Lande abgeriſſen, das Meer von ſeinem Grunde erhoben, die fuͤrchterlichſten Ueberſchwemmungen veranlaſſet, den Lauf der Fluͤſſe veraͤndert, die bluͤhendſten Staͤdte zertruͤmmert, und ihre ungluͤcklichen Einwohner unter den Ruinen ihrer Wohnungen begraben.

Schon die aͤlteſten Schriftſteller erwaͤhnen ſolcher durch Erdbeben angerichteten Verwuͤſtungen, und der Veraͤnderungen, welche die Erdflaͤche dadurch erlitten hat. Beſonders ſind diejenigen Laͤnder und Gegenden, welche in der2 Nachbarſchaft von Vulkanen oder heißen Quellen und nicht weit vom Meere liegen, den Erdbeben ausgeſetzt geweſen. So hat man ſchon bey den Alten geglaubt, daß Sicilien von dem feſten Lande durch eine Erderſchuͤtterung abgetrennt worden ſey. Die Staͤdte Herculanum und Pompeji wurden nach dem Seneca (Quaeſt. nat. VI. 1.) unter Nerons Regierung faſt gaͤnzlich durch ein Erdbeben zerſtoͤrt, ſechszehn Jahre darauf aber durch einen Ausbruch des Veſuvs unter vulkaniſche Aſche begraben. In Sicilien hat man nach einem chronoligiſchen Verzeichniſſe, welches Hr. Lichtenberg (Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſik und Naturgeſch. II. B. 2. St. S. 109.) mittheilt, ſeit dem Jahre 1169 faſt eben ſo viel Erdbeben, als Ausbruͤche des Aetna gezaͤhlet. Die aͤoliſchen oder lipariſchen Inſeln, welche nach den Berichten der Alten durch Erdbeben aus dem Meere hervorgegangen ſind, zeigen noch jetzt die deutlichſten Spuren von Vulkanen und vulkaniſchen Produkten. Faſt in allen Laͤndern, welche haͤufige Erderſchuͤtterungen erlitten haben, ſindet man auch deutliche Spuren ehemaliger Vulkane, z. B. in Peru, den mittaͤglichen Provinzen Frankreichs u. ſ. w. Sehr oft ſind auch die Bewegungen der feuerſpeyenden Berge mit Erderſchuͤtterungen begleitet, welche bey dem voͤlligen Ausbruche aufhoͤren, ſo daß man an dem augenſcheinlichen Zuſammenhange der Erdbeben mit den Vulkanen keinesweges zweifeln kan.

Die fuͤrchterlichſten Erdbeben der neuern Zeiten ſind die von den Jahren 1746, 1755, 1774 und 1783 geweſen. Das erſtere verwuͤſtete Callao, und die Stadt Lima, welche ſchon ſeit dem 15ten Jahrhunderte haͤufigen Anfaͤllen des Erdbebens ausgeſetzt geweſen war. Am erſten November 1755 ward Liſſabon durch ein ſchreckliches Erdbeben zerſtoͤrt, welches man zu gleicher Zeit auf einem ſehr großen Theile der Erdflaͤche von Groͤnland an bis nach Afrika empfand. In Norwegen, Schweden, Deutſchland, der Schweitz, und mehrern Orten bemerkte man es zwar nur an den ungewoͤhnlichen Bewegungen des Waſſers; aber verſchiedene Orte in Frankreich, faſt ganz Spanien, Marocco, Salee, Fez, Tetuan und Cadix wurden von ernſthaftern3 Folgen deſſelben betroffen. Selbſt in Amerika bemerkte man Spuren dieſer Erſchuͤtterung. Sie ward von einer gewaltſamen Erhebung des Meeres begleitet, welche eine faſt allgemeine Ueberſchwemmung der weſtlichen Kuͤſten unſers feſten Landes veranlaſſete. Das Gewaͤſſer des Tago ergoß ſich zu verſchiedenen malen uͤber die Truͤmmern der bereits zerſtoͤrten Stadt. (ſ. Sam. Chriſt. Hollmann de terrae motibus, inprimis nupero Vlyſſipponenſi, in Sylloge Commentat. p. 1.) Ein drittes eben ſo ſchreckliches Erdbeben verwuͤſtete im Jahre 1774 Guatimala; und ein viertes verheerte im Februar 1783 ganz Calabrien und Meſſina. (Man ſehe des Ritter Hamilton Erzaͤhlung hievon, Philoſ. Trans. Vol. LXXIII. P. I. uͤberſetzt unter der Aufſchrift: Nachricht von dem letzten Erdbeben in Calabrien und Sicilien rc. aus dem Engliſchen von G. F. Wehrs, Hannover. 4.)

Man hat oft wahrgenommen, daß die Erdbeben auf vorzuͤglich naſſe Jahre folgen, daß vor ihrem Ausbruche haͤufige Sternſchnuppen, Feuerkugeln und andere leuchtende Meteore, ſchweflich riechende Daͤmpfe, eine heiße druͤckende und das Sonnenlicht rothfaͤrbende Luft mit dicken und ſchwarzen Wolken, vorhergehen; ob ſie gleich bisweilen auch nach einer vollkommnen Stille und Heiterkeit der Luft erfolgt ſind. Gewoͤhnlich ſcheinen die Thiere vorher von Schrecken und Aengſtlichkeit befallen zu werden, die ſie durch Geheul und Winſeln ausdruͤcken; die Voͤgel fliegen unruhig hin und her: oft hoͤrt man auch ein Getoͤſe, wie einen unterirdiſchen Donner, wie das Abfeuern des ſchweren Geſchuͤtzes, oder wie ein Krachen und Ziſchen; an mehrern Orten treten die Gewaͤſſer der Fluͤſſe, Brunnen und Quellen zuruͤck, und kommen erſt nach einiger Zeit truͤb und mit Erde oder Sand vermiſcht, wieder. Faſt allezeit ſind die Erdbeben mit heftigen Bewegungen des Meeres begleitet, welches abwechſelnd zuruͤcktritt und ſich wieder erhebet; die Schiffe ſtoßen in den Haͤfen gegen einander, und ſelbſt in der ofnen See bemerkt man außerordentliche Erſchuͤtterungen.

Die Wirkung der Erdbeben ſelbſt aͤußert ſich durch4 dreyerley Bewegungen, wovon man bisweilen nur eine oder zwo, bisweilen aber alle drey bemerket. Die erſte beſteht aus horizontalen Schwingungen des Bodens, welche, wenn ſie heftig und anhaltend ſind, den Grund ſammt allem, was darauf ſtehet, zerſtoͤren. Dieſe Bewegung fand ſich hauptſaͤchlich bey dem Erdbeben zu Liſſabon. Die zwote beſteht in aufwaͤrts gerichteten Stoͤßen, wodurch die Erdrinde in die Hoͤhe gehoben wird, oft auch bricht, und ganz oder zum Theile wieder einſinket. Das Waſſer folget wegen ſeiner Fluͤßigkeit dieſer Bewegung noch geſchwinder, als die Erdrinde, ſo wie der Tago zu Liſſabon auf einmal zuruͤcktrat, und binnen vier Minuten wieder 30 Fuß uͤber ſeine gewoͤhnliche Hoͤhe emporſtieg. Die dritte Bewegung gleichet eiuer Exploſion oder gewaltſamen und nach allen Seiten wirkenden Zerſprengung, wobey mehrentheils Flammen aus der Erde hervorbrechen, und durch die geriſſenen Oefnungen Waſſer, Aſche, Erde und Steine ausgeworfen werden. Hiebey zeigt ſich die Aehnlichkeit mit den Vulkanen am deutlichſten. Solche Exploſionen zerſtoͤrten im Jahre 1746 binnen drey Minuten den groͤßten Theil der Stadt Lima, uͤberſchwemmten Callao, verſenkten 23 Schiffe, und ließen von 4000 Perſonen nur 200 entkommen. Es brachen dabey in einer Nacht vier Vulkane aus. Dies iſt der hoͤchſte und ſchrecklichſte Grad der Erdbeben, nach deſſen Erreichung ſie auch gemeiniglich nachlaſſen.

Die Stoͤße der Erdbeben folgen bisweilen langſam, mit dazwiſchen fallenden langen Pauſen, bisweilen mit großer Geſchwindigkeit auf einander. In Lima empfand man deren in 24 Stunden uͤber zweyhundert. Sie nehmen gewoͤhnlich einen gewiſſen Strich, daher oft Gebaͤude, die außerhalb dieſes Striches liegen, verſchont bleiben, dagegen andere ganz nahe liegende auf die entgegengeſetzte Seite geworfen werden. Auch die Dauer dieſer ganzen fuͤrchterlichen Begebenheit iſt ſehr verſchieden; in Amerika haben die Erdbeben oft Jahre lang an einerley Orte gewuͤthet, und faſt taͤglich ihre Stoͤße erneuert. Die meiſten Erdbeben erſtrecken ſich nur uͤber eingeſchraͤnkte Gegenden; viele aber breiten ſich auch durch einen ungeheuren Umfang aus,5 wie das in Kleinaſien (Plin. H. N. II. 84.), welches im Jahre 17 nach C. G. dreyzehn große Staͤdte in einer Nacht zerſtoͤrte, und ſich durch einen Kreis von 300 Meilen im Durchmeſſer verbreitete, oder das vom 1ſten Nov. 1755, deſſen weiten Umfang wir ſchon im Vorigen angefuͤhrt haben.

Man kan leicht denken, daß die Phyſiker zur Erklaͤrung einer ſo auffallenden Naturbegebenheit mancherley Verſuche gemacht haben. Da man ihren unlaͤugbaren Zuſammenhang mit den Vulkanen gar bald gewahr ward, ſo hat man ſie gemeinſchaftlich mit denſelben aus dem unterirdiſchen Feuer erklaͤrt, unter welchem man ſich in aͤltern Zeiten ein ſogenanntes Centralfeuer vorſtellte, welches die Mitte der Erdkugel ausfuͤllen ſollte, ſ. Centralfeuer. Dieſe groben Begriffe verlohren ſich mit der Zeit, und man fieng an, theils auf andere Urſachen der Erdbeben, z. B. unterirdiſche Winde, Daͤmpfe u. dgl. zu denken, theils das unterirdiſche Feuer naͤher an die Oberflaͤche der Erde zu ſetzen, und die Entſtehung deſſelben aus den Entzuͤndungen der Kieße und anderer brennbaren Mineralien herzuleiten, ſ. Vulkane.

Eine der beruͤhmteſten neuern Hypotheſen uͤber die Urſache der Erdbeben iſt die des D. William Stukeley (Letter to Martin Folkes on the cauſes of Earthquakes, Philoſ. Trans. Vol. XLVI. no. 497. The philoſophy of Earthquakes natural and religious. London, 1750. 8. ), welcher ſie ganz von der Elektricitaͤt herleiten will. Zwey zu London am 8. Febr. und 8. Maͤrz 1749 verſpuͤrte ziemlich ſchwache Erdbeben hatten ihm dazu Gelegenheit gegeben. Er beſtreitet zuerſt die Meynung, daß ſie von Exploſionen, welche den Erdboden erheben, herruͤhren koͤnnten, mit einigen nicht ſehr ſtarken Gruͤnden. Es ſey, ſagt er, noch unerwieſen, daß die Erde ſo viele Kluͤfte und Hoͤhlen habe, man habe bey der letztern Erſchuͤtterung, die ſich doch auf dreyßig Meilen im Durchmeſſer erſtreckt, keinen Dampf, Rauch oder Geruch bemerkt, das Syſtem der Brunnen und Quellen ſey nicht geſtoͤrt worden; die Theorie der Minen lehre, daß eine 30 Meilen weit reichende Erſchuͤtterung eine 15 20 Meilen tiefe wirkende Kraft erfordere, und6 nach eben dieſer Theorie muͤßte das Erdbeben in Kleinaſien im 17ten Jahre nach C. G. aus einer Tiefe von 200 Meilen herauf und mit einer Kraft gewirkt haben, welche durch Daͤmpfe gar nicht hervorgebracht werden koͤnnte. Man ſieht, daß er theils aus Bemerkungen ſchließet, die bey ſehr ſchwachen Erſchuͤtterungen gemacht, und bey weitem nicht allgemein ſind, theils aber auch die Theorie der Minen auf einen Fall anwendet, wobey das Regelmaͤßige, das ſie voraus ſetzt, nicht mehr ſtatt findet.

Er ſucht es hierauf wahrſcheinlich zu machen, daß das Erdbeben in einer elektriſchen Erſchuͤtterung beſtehe, zeigt aus der vorhergegangnen Witteruug und Fruchtbarkeit, aus den Nordlichtern und Meteoren rc., daß die Atmoſphaͤre zur Zeit der londner Erdbeben vorzuͤglich elektriſch geweſen ſey. Wenn ſich nun eine unelektriſche Wolke dieſer Atmoſphaͤre genaͤhert, und ihren Gehalt auf die hoͤchſtelektriſche Erde entladen habe, ſo muͤſſe daraus eine Erſchuͤtterung der Erdflaͤche entſtanden ſeyn, aus welcher er alle Phaͤnomene der damaligen londner Erdbeben ganz ungezwungen erklaͤret. Dom Andreas Bina (Ragionamente ſopra la cagione de' terremoti, in Perugia, 1751. 4. ) leitet die Erdbeben ebenfalls aus dem leidner Verſuche her, und laͤßt unterirdiſche Waſſerbehaͤlter mit Schwefel und Pech umzogen, die Stelle der geladnen Flaſchen vertreten. D. Hales (Some conſiderations on the cauſes of Earthquakes, in d. Phliloſ. Trans. Vol. XLVI. no. 497.) begnuͤgt ſich damit, bloß die ſchwaͤchern Erſchuͤtterungen, welche nicht durch nahe Vulkane verurſachet werden, fuͤr Wirkungen der Entzuͤndung aufſteigender Schwefeldaͤmpfe durch das Blitzen einer ſchweflichten Wolke zu erklaͤren.

Beccaria (Lettere dell'elettricismo, Bologna 1758. 4. ) trug die Erklaͤrung der Erdbeben aus der Elektricitaͤt auf eine beſſere Art vor, zu einer Zeit, da man ſchon richtigere Begriffe von der Entſtehung des Blitzes und von den elektriſchen Erſchuͤtterungen hatte. Er nahm hiebey eine Stoͤrung des Gleichgewichts der Elektricitaͤt tief im Innerſten der Erde an, welche durch mehrere erſchuͤtternde Schlaͤge gegen die Atmoſphaͤre, oder gegen andere Theile der Erdflaͤche7 wieder gehoben werde. Er benuͤtzt die Umſtaͤnde, daß bey den meiſten Ausbruͤchen der Vulkane, beſonders des Veſuvs, aus den aufſteigenden Dampfſaͤulen haͤufige Blitze ausbrechen, daß bey den Erdbeben ſelbſt Blitze in der Luft entſtehen, und Flammen aus der Erde hervorbrechen, daß man ein Getoͤſe, gleich einem Donner, hoͤret, und daß endlich die Stoͤße der Erdbeben kein allmaͤhliges Heben, wie man etwa von andern Urſachen erwarten koͤnnte, ſondern augenblickliche Erſchuͤtterungen, wie die elektriſchen Schlaͤge, ſind, welche ſich ſogar durch das Waſſer mittheilen, ſo daß ſie auf den Schiffen, viele Meilen weit von den Kuͤſten, gefuͤhlt werden, als ob das Schiff gegen eine Klippe ſtieße. Er fuͤhrt noch uͤberdies den Verſuch an, daß der elektriſche Schlag durch ein Metall zwiſchen zwo Glaspiatten geleitet, die Hand erſchuͤttert, welche die Glasplatten feſthaͤlt.

Dieſen Verſuch hat man in der Folge dem Erdbeben noch aͤhnlicher zu machen geſucht. Cavallo (Vollſtaͤndige Abhdl. der Lehre v. der Elektr. dritte Aufl. Leipz. 1785. gr. 8. S. 184 und 234.) legt die Enden zweener Draͤthe auf ein Glas, ſo daß ſie mit einander in einer geraden Linie liegen, und etwa einen Zoll weit von einander abſtehen, ſetzt zwiſchen dieſelben auf das Glas ein ſtarkes Stuͤck Elfenbein, mit einem Gewichte beſchwert, worauf ſich kleine Kartenhaͤuschen befinden, und laͤßt den Schlag einer Batterie durch die Draͤthe zwiſchen dem Glaſe und Elfenbein hindurchgehen. Das Glas wird dabey mehrentheils zerbrochen, und die Kartenhaͤuſer leiden eine ſtarke Erſchuͤtterung. Alles dieſes aber iſt ein bloßes Spielwerk, und keinesweges geſchickt, den Urſprung der Erdbeben aus der Elektricitaͤt zu erweiſen. Cavallo geſteht auch ſelbſt, (S. 56.) daß die Erklaͤrungen ſo vieler Naturbegebenheiten aus der Elektricitaͤt auf den erſten Blick ausſchweifend ſcheinen, und begehrt nur, daß man ſie als Muthmaßungen zulaſſe, welche bey Gelegenheit weiter unterſucht werden koͤnnten.

Inzwiſchen hat man beſonders in Frankreich die Erdbeben mit vieler Zuverlaͤßigkeit fuͤr unterirdiſche Gewitter anſehen und gaͤnzlich fuͤr elektriſche Wirkungen erklaͤren wollen. 8Wenn auch gleich Einige dabey unterirdiſches Feuer und Daͤmpfe mitwirken laſſen, ſo leiten ſie doch wenigſtens den Urſprung der Entzuͤndung von Blitzen her, die ſich im Innern der Erde erzeugen ſollen. Der Abbé Bertholon de St. Lazare (Journal de Phyſique de l'Abbé Rozier, Août 1779.) hat auf dieſe Hypotheſe ſogar einen Vorſchlag gegruͤndet, ganze Gegenden vor den Wirkungen der Erdbeben zu ſchuͤtzen. Er raͤth an, in dieſer Abſicht lange eiſerne Stangen (para tremblement de terre) ſo tief als moͤglich in die Erde einzugraben, deren beyde Enden, ſowohl das eingegrabene, als das in die Luft hervorragende, mit einer Krone von mehreren Spitzen verſehen ſeyn ſollen. Das untere Ende dieſer Stangen ſoll ſich in mehrere lange Zweige verbreiten, um durch dieſes Mittel eine beſtaͤndige leitenden Verbindung und ein ſtetes elektriſches Gleichgewicht zwiſchen der Atmoſphaͤre und dem Innern der Erde zu erhalten, oder, im Falle einer Stoͤrung deſſelben wenigſtens einen unſchaͤdlichen Weg zum Uebergange zu eroͤfnen. Auch einige deutſche Schriftſteller, z. B. Herr Wiedeburg (Ueber die Erdbeben, Jena, 1784. 8. ) haben dieſe Vorſchlaͤge wiederholt, und zum Theil als einen Schutz gegen die Erdbeben die Errichtung von Pyramiden u. dgl. vorgeſchlagen. Es fehlt aber ſolchen Vorſchlaͤgen, welche uͤbrigens auf einerley Gruͤnden mit den zugeſpitzten Blitzableitern beruhen, nur daran, daß die Identitaͤt der Erdbeben mit den unterirdiſchen Gewittern eine bloße Hypotheſe und durch keine ſo deutlichen Erfahrungen beſtaͤtiget iſt, als die Identitaͤt der Gewitter mit der Elektricitaͤt.

So gewiß es auch iſt, daß man bey den Erdbeben zu Zeiten Wirkungen der Elektricitaͤt verſpuͤrt, ſo geht man doch gewiß viel zu weit, wenn man hierinn die Haupturſache derſelben zu finden glaubt. Ihre Verbindung mit den Vulkanen und uͤberhaupt mit einem Boden, in welchem ſich Kluͤfte, Hoͤhlen, brennbare Materien und unterirdiſche Entzuͤndungen oder Erhitzungen befinden, iſt gar zu offenbar, als daß man ſie nicht fuͤr Wirkungen eben des unterirdiſchen Feuers halten ſollte, welches die Vulkane und heiſſen9 Quellen hervorbringt, und von deſſen Entſtehung bey dem Worte: Vulkane geredet werden ſoll.

In dieſem unterirdiſchen Feuer, verbunden mit der Luft und dem Waſſer, finden wir Urſachen, deren Staͤrke hinreichend iſt, alle die im Obigen angefuͤhrten ſchrecklichen Phaͤnomene des Erdbebens zu bewirken. Findet die in den Hoͤhlen der Erde durch das Feuer verduͤnnte Luft keinen Ausgang, wie z. B. durch einen Vulkan, oder wird durch heftige Entzuͤndungen das unterirdiſche Waſſer in einem eingeſchloſſenen Raume in Daͤmpfe verwandelt, ſo iſt keine Wirkung ſo groß und erſtaunenswuͤrdig, daß ſie nicht von Kraͤften dieſer Art koͤnnte hervorgebracht werden, ſ. Daͤmpfe. Eben ſo heftig ſind die Wirkungen des Waſſers, wenn es auf ſchmelzendes Metall faͤllt, wobey oft ein einziger Tropfen deſſelben die gewaltſamſten Exploſionen veranlaſſet. Es wird nicht leicht bey den Erdbeben ein Umſtand vorkommen, der ſich nicht durch dieſes Zuſammenwirken des Feuers, der Luft und des Waſſers mit hinlaͤnglicher Deutlichkeit erklaͤren ließe. Ich muß aber hieruͤber zu Vermeidung unnoͤthiger Wiederholungen auf den Artikel: Vulkane verweiſen.

Der einzige Umſtand, deſſen Erklaͤrung ohne Beyhuͤlfe der Elektricitaͤt Schwierigkeiten zu haben ſcheint, iſt die aͤußerſt geſchwinde und faſt augenblickliche Fortpflanzung der Erderſchuͤtterungen durch eine ſo große Entfernung. In eben dem Augenblicke, in welchem Liſſabon verwuͤſtet ward, empfand man die Stoͤße des Erdbebens in Amerika, und auf den Schiffen in der See, welche ſich in der Richtungslinie deſſelben befanden. Man fragt, ob dieſes nicht einem elektriſchen Schlage weit aͤhnlicher ſey, als einer durch entzuͤndete Materie und elaſtiſche Daͤmpfe erregten Exploſion, von welcher ſich kaum denken laͤßt, daß ſie einen Raum von dieſer Groͤße einnehmen oder ſo ſchnell durchdringen koͤnne. Es laͤßt ſich aber hierauf antworten, daß theils Niemand wiſſe, wie weit ſich die Communicationen der unterirdiſchen Hoͤhlen und Gaͤnge erſtrecken, theils daß das Hinzukommen elektriſcher Erſcheinungen bey den Vulkanen und Erdbeben keinesweges gelaͤugnet werde. 10

Einen von dem Mechanikus Salſano in Neapel erfundenen Erdbebenmeſſer beſchreibt Herr Lichtenberg (Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſ. rc. II. B. 2 St. S. 68.). Er beſteht aus einem Pendel mit einem Gewichte von 36 Pfund, das am untern zugeſpitzten Ende einen feinen Pinſel mit fluͤßiger Farbe hat. Dieſer zeichnet die Richtung der Stoͤße auf ein uͤber einer Bouſſole liegendes Papier. Am Pendel iſt eine Queerſtange mit Kloͤppeln, die bey der Bewegung deſſelben an eine Glocke ſchlagen, um den Beobachter aufmerkſam zu machen.

Briſſon Dictionnaire de phyſ. art. Tremblement de terre.

Bergmann phyſikal. Beſchreibung der Erdkugel; aus dem Schwed. uͤberſ. v. Roͤhl, Greifswalde, 1780. 2ter B. §. 150. u. f.

Erde, ſ. Erdkugel.

Erden, Terrae, Terres.

Feſte, feuerbeſtaͤndige, geſchmackloſe, im Waſſer nicht aufloͤsliche Subſtanzen, welche bey der Zerſetzung der Koͤrper uͤbrig bleiben, ſelbſt aber bisher nicht weiter haben zerlegt werden koͤnnen. Man giebt ihnen den allgemeinen Namen der Erden, weil ſie mit der Maſſe, welche unſern Erdkoͤrper auszumachen ſcheint, in vielen Eigenſchaften uͤbereinkommen, und zaͤhlt ſie zu den chymiſchen Grundſtoffen der Koͤrper.

Man hat es ſonſt fuͤr ſehr wahrſcheinlich angeſehen, daß es nur eine einzige elementariſche Erde gebe, welche beſonders die Alchymiſten aus dem Regen, Thaue, der Pflanzenaſche, den Mineralien und andern Koͤrpern zu ziehen geſucht, und unter dem Namen der reinen Erde (terra virgo) zu den Elementen der Koͤrperwelt gezaͤhlt haben, ſ. Elemente. Da aber die Natur die Erden nie ganz unvermiſcht erzeuget, die aus den zuſammengeſetzten Koͤrpern erhaltenen aber weſentliche Verſchiedenheiten zeigen, ſo haben die beſten Chymiſten, als Becher, Pott, Gerhard, Bergmann u. a. ſich genoͤthiget geſehen, mehrere Grunderden anzunehmen.

Bergmann (Anleitung zu Vorleſungen uͤber die Chymie. Stockholm u. Leipz. 1779. 8. ) unterſcheidet außer der im Diamant und einigen andern Edelſteinen befindlichen Edelerde, die er aber in ſeiner Sciagraphia regni mineralis11 (Lipſ. et Deſſav. 1782.) wieder aus der Anzahl der Grunderden hinweggelaſſen hat, noch fuͤnf einfache Erden, die Schwererde, Kalcherde, Bitterſalzerde, Thonerde und Kieſelerde, von welchen eigne Artikel dieſes Woͤrterbuchs handeln. Die vier erſten geben mit der Vitriolſaͤure verbunden den Schwerſpath, den Gyps, das Bitterſalz und den Alaun, die letzte aber iſt in dieſer Saͤure ganz unaufloͤslich.

Leonhardi Anm. zu Macquer's chymiſchem Woͤrterbuch. Art. Erde.

Erdferne, Apogaeum, Apogée.

Derjenige Punkt in der Bahn eines um die Erde laufenden Geſtirns, in welchem daſſelbe von der Erde am weitſten abſteht.

In dem Weltſyſteme des Ptolemaͤus war die Erde der Mittelpunkt aller Planetenbahnen, daher man der Sonne ſowohl, als allen uͤbrigen Planeten eine Erdferne beylegen konnte. Seitdem aber die copernikaniſche Meynung vom Weltbau allgemein angenommen worden iſt, bleibt unter allen Geſtirnen der Mond das einzige, das ſeinen Umlauf um die Erde verrichtet, und man kan alſo jetzt bloß nach der Erdferne des Mondes fragen; was ſonſt z. B. Erdferne der Sonne hieß, heißt jetzt Sonnenferne der Erde, ſ. Sonnenferne.

Der Mond laͤuft um die Erde in einer elliptiſchen Bahn ADPE (Taf. I. Fig. 17.), in deren Brennpunkte S die Erde ſteht. Seine Erdferne faͤllt dabey in A, wo ſein Durchmeſſer von der Erde geſehen unter einem Winkel von 29°27′ erſcheint. Dieſem Punkte gegen uͤber liegt in D die Erdnaͤhe, und AP iſt die Apſidenlinie oder Axe der Bahn, ſ. Erdnaͤhe, Apſidenlinie. Die Punkte A und P bewegen ſich jaͤhrlich um 41 Grad von Abend gegen Morgen fort, und kommen jaͤhrlich in weniger als 9 Jahren in einem Kreiſe der Himmelskugel herum, ſo daß ſich in dieſer Zeit die Apſidenlinie voͤllig einmal umwendet. In der Erdferne iſt der Mond von uns um 63,62 Erdhalbmeſſer oder 54686 geographiſche Meilen entfernt.

Die uͤbrigen Planeten ſind von der Erde am weitſten entfernt, wenn ſie hinter der Sonne oder in ihrer obern12 Conjunction mit der Sonne ſtehen, und alsdann erſcheinen auch ihre Durchmeſſer am kleinſten. Es iſt aber weder ſchicklich, noch gewoͤhnlich, dieſe Punkte ihrer Bahnen mit dem Namen der Erdfernen zu belegen.

Erdguͤrtel, ſ. Erdſtriche.

Erdharze, Bitumina, Bitumes.

Oelichte Materien von ſtarkem Geruche und veraͤnderlicher Conſiſtenz, die man im Innern der Erde findet.

Ein fluͤßiges Erdharz iſt das Bergoͤl (Petroleum), welches aus den Spalten gewiſſer Felſen fließet, und deſſen feinere und hellere Gattungen den Namen der Naphta fuͤhren. Feſte ſind der Bernſtein (Electrum, ſuccinum), der Copal, das Ambra, der Gagat, Aſphalt und die Steinkohle. Alle dieſe Materien machen nebſt dem Schwefel die brennbaren Materiale oder Inflammabilien des Mineralreichs aus, ſ. Brennbare Materien. Bernſtein und Copal heißen in ganz eigentlichem Verſtande Bergharze; Gagat, Aſphalt und Steinkohle werden auch Bergpeche genannt.

Alle dieſe Erdharze enthalten eine Menge von Oel, welches ſie entzuͤndlich macht, und dem Bergoͤle ſehr aͤhnlich iſt. Da ſich in der Zuſammenſetzung der uͤbrigen Mineralien keine Oele finden, ſo haben ſehr viele Chymiſten den Urſprung der Erdharze von den unter die Erde begrabnen vegetabiliſchen Subſtanzen hergeleitet. Hiezu koͤmmt noch, daß man durch die Verbindung der mineraliſchen Saͤuren mit Pflanzenoͤlen die natuͤrlichen Erdharze nachahmen kan; daß die auf der Erdflaͤche beſtaͤndig untergehenden vegetabiliſchen Materien nothwendig oͤlichte Materien in die Erde bringen, welche mit der Zeit die Eigenſchaften der Erdharze annehmen muͤſſen; daß man endlich ſo viele Stuͤcken Bernſtein antrift, in deren Innerm Inſekten und Spuren von Pflanzen eingeſchloſſen find. Demohnerachtet iſt dieſer vegetabiliſche Urſprung der Erdharze noch bey weitem nicht voͤllig erwieſen, und Gerhard (Beytraͤge zur Chymie und Geſchichte des Mineralreichs, Th. II. S. 298.) haͤlt es aus dem Grunde, weil man in dieſen Subſtanzen außer dem13 Oele nichts Vegetabiliſches finde, fuͤr wahrſcheinlicher, daß dieſes Oel durch die Wirkung der Sonnenſtralen unter dem Waſſer erzeugt werde.

Macquer chym. Woͤrterbuch, Art. Erdharze.

Erdkugel, Erde, Terra, Globus terraqueus, Terre.

Dies iſt der Name des Planeten, den wir bewohnen, deſſen Kenntniß alſo einen der wichtigſten Theile der Naturlehre ausmacht. Die Lehre hievon heißt die Geographie oder Erdbeſchreibung, und wird in die mathematiſche, phyſiſche und politiſche abgetheilt, ſ. Geographie. Wir werden in dieſem Artikel aus den beyden erſtern Theilen derſelben Einiges beybringen, was die Erde im Ganzen betrachtet, ohne Ruͤckſicht auf einzelne Theile derſelben, angeht, und daher von ihrer Geſtalt und Groͤße, ihrem Verhaͤltniſſe zu dem Sonnenſyſtem, von ihrer Oberflaͤche im Ganzen genommen und der innern Beſchaffenheit ihrer Rinde reden, zuletzt aber die vornehmſten Hypotheſen der Naturforſcher uͤber ihre Entſtehung und Bildung hinzufuͤgen. Erſte Begriffe von der Kugelgeſtalt der Erde.

Die Erde erſcheint uns uͤberall, wo keine hervorragenden Gegenſtaͤnde die Ausſicht hindern, als eine kreisfoͤrmige platte Scheibe, deren aͤußerſte Grenze, der Horizont, unmittelbar an das ſcheinbare blaue Gewoͤlbe des Himmels anſtoͤßt. Man kan ſich indeſſen gar bald uͤberzeugen, daß dies nur eine bloße Erſcheinung ſey, wenn man bedenkt, daß der Umfang dieſer geſehenen Flaͤche ſich ſelten uͤber einige Meilen erſtreckt, da es doch Gegenſtaͤnde, z. B. Berge, giebt, welche ihrer Hoͤhe und Groͤße nach auf eine viel groͤßere Weite hin ſichtbar bleiben muͤßten, wenn die Erde von einer ebnen Flaͤche begrenzt wuͤrde.

Zwar blieben unter den Alten ſehr viele bey dieſer erſten Erſcheinung ſtehen, oder machten ſich auch wohl, durch Begriffe vom Schwimmen der Erde verfuͤhrt, von ihrer Geſtalt noch ſeltſamere Vorſtellungen, welche Riccioli (Almageſtum nov. To. I. L. 2. cap. 1.) aus den Schriften der Alten mit vielem Fleiße zuſammengetragen hat. So legte Leucippus nach dem Berichte des Diogenes Laer -14 tius (Vit. Philoſophorum L. IX. ) der Erde die Geſtalt einer Walze, d. i. einer platten Scheibe, bey, welcher Meynung die Kirchenvaͤter großentheils beygetreten ſind; Demokrit hingegen gab ihr die Figur eines Kahns oder Schiffes, welches auch die Meynung der Chaldaͤer geweſen ſeyn ſoll. Doch haben die meiſten und angeſehenſten Weltweiſen Griechenlands, Thales, Anaximander, Parmenides, Epikur und Pythagoras bereits die richtige Meynung von der Kugelgeſtalt der Erde angenommen.

Ariſtoteles (De coelo L. II. c. 4.) verſucht ſogar einen Beweis dieſer kugelaͤhnlichen Geſtalt aus bloßen Vernunftſchluͤſſen zu geben. Da das Waſſer, ſagt er, allezeit die niedrigſte, d. i. die dem Mittelpunkte der Erde naͤchſte, Stelle ſucht, ſo kan es in keinem Theile des Meeres hoͤher oder vom Mittelpunkte entfernter, als in dem andern, ſtehen; es wuͤrde ſonſt von den hoͤhern Theilen ab und ſo lange gegen die niedrigern fließen, bis es uͤberall eine gleiche Hoͤhe, d. i. einen gleichen Abſtand vom Mittelpunkte erlangt haͤtte. So folgt, daß alle Stellen des Meeres von einem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte gleich weit abſtehen, welches bey keinem andern Koͤrper, als bey einem kugelaͤhnlichen, gedacht werden kan. Offenbar enthaͤlt dieſer vermeynte Beweis eine Vorausſetzung deſſen, was zu erweiſen war, daß es nemlich einen Mittelpunkt gebe; die Vertheidiger der platten Geſtalt wuͤrden dies nicht einraͤumen, ſondern die Richtungslinien, nach welchen die fluͤßigen Koͤrper ſinken, uͤberall fuͤr gleichlaufend annehmen. Inzwiſchen haben doch auch Riccioli und Snellius (Eratoſthenes Batavus L. I. c. 2.) dieſen Beweis aufgenommen, und ihn auf den Satz des Archimedes (De inſidentibus humido L. I. prop. 2.), daß die Oberflaͤche des Waſſers eine kugelrunde Geſtalt annehme, gegruͤndet.

Den einleuchtendſten Beweis von der Kugelgeſtalt der Erde geben die Mondfinſterniſſe. Da es bey einiger Aufmerkſamkeit auf den Himmel gar bald in die Augen faͤllt, daß das, was den Vollmond verdunkelt, nichts anders als der Schatten ſey, den die Erde der Sonne gegenuͤber auf denſelben hinwirft, und da die Grenzen dieſes Schattens15 ſich jederzeit als Kreisbogen zeigen, ſo iſt der Schluß ſehr leicht, daß der voͤllige Erdſchatten ein Kreis ſeyn muͤſſe. Nun giebt es aber außer der Kugel keinen Koͤrper, der in allen Lagen einen kreisfoͤrmigen Schatten wirft; es lehrt alſo der Augenſchein ſelbſt die kugelfoͤrmige Rundung der Erde. Wahrſcheinlich ſind auch die griechiſchen Weltweiſen, und vielleicht noch vor ihnen andere Voͤlker, welche richtige Kenntniſſe von der Urſache der Mondfinſterniſſe hatten, hiedurch auf den rechten Begriff von der Geſtalt der Erde geleitet worden.

Eben ſo deutliche Beweiſe dieſer Geſtalt finden ſich in den verſchiedenen Stellungen der Himmelskoͤrper gegen den Horizont, wenn ſie von verſchiedenen Orten der Erdflaͤche aus betrachtet werden. Wenn ein Reiſender ſeinen Weg beſtaͤndig nach Norden richtet, ſo ſteigen ihm die dorthin ſtehenden Sterne immer weiter uͤber ſeinen Horizont empor, indeß die nach Suͤden ſtehenden immer tiefer hinabſinken: auch bleiben ihm am noͤrdlichen Horizonte immer mehr Sterne ſichtbar, die ſich vorher unter dieſen Horizont verbargen; am ſuͤdlichen hingegen verliert er immer mehr Geſtirne gaͤnzlich aus den Augen. So erhebt ſich z. B. in Alexandrien der Stern Canopus im Ruder des Schiffs Argo taͤglich um einige Grade uͤber den ſuͤdlichen Horizont; zu Rhodus ſtreicht eben derſelbe Stern nur gerade am Horizonte hin, und verſchwindet ſogleich wieder; wenn man endlich noch weiter nordwaͤrts bis nach Griechenland koͤmmt, ſo verliert man ihn gaͤnzlich aus den Augen. Dies ſind Erſcheinungen, welche auf einer ebnen Erdflaͤche gar nicht ſtatt finden koͤnnten, auf welcher ein Geſtirn, das ſich einmal uͤber ihr befindet, von allen Punkten aus ſichtbar bleiben muß. Auf einer gekruͤmmten Flaͤche hingegen, wie ZR (Taf. VIII. Fig. 1.), iſt es leicht begreiflich, wie der Stern S, der dem in Z befindlichen Auge ſichtbar war, dem nach R uͤbergegangenen Auge, deſſen Ausſicht durch die Flaͤche HR begrenzt wird, verſchwinden, und ſich unter den Horizont HR verbergen kan. Es lehrt aber auch die Erfahrung, daß dieſes Herabſteigen der ſuͤdlichen Geſtirne gegen den ſuͤdlichen Horizont und die Erhebung der noͤrdlichen16 auf der andern Seite ziemlich gleichviel betraͤgt, wenn man um gleichviel weiter gegen Norden geht; dies zeigt eine ziemlich gleichfoͤrmige, d. i. eine kreisaͤhnliche Kruͤmmung der Erdflaͤche nach der Richtung von Suͤden gegen Norden an. Und da man dieſelbe Erſcheinung in allen Gegenden der Erde, in welchen man von Suͤden gegen Norden reiſen kan, in Europa ſowohl, als in Amerika und auf dem Weltmeere mit gleicher Groͤße bemerkt, ſo folgt, daß ſich rings um die Erdflaͤche gleich große Kreiſe in der erwaͤhnten Richtung ziehen laſſen.

Daß aber die Erdflaͤche auch nach der Richtung von Oſten gegen Weſten, welche auf der vorigen ſenkrecht ſtehet, rund ſey, erhellet daraus, weil alle Himmelskoͤrper bey ihrem ſcheinbaren taͤglichen Umlaufe um die Erde den oſtwaͤrts liegenden Laͤndern fruͤher auf - und untergehen, als den weſtwaͤrts gelegnen. Man bemerkt dieſes ſehr deutlich bey ſolchen Himmelsbegebenheiten, welche allen Bewohnern der Erde zugleich in einerley Augenblicke erſcheinen muͤſſen, dergleichen die Verfinſterungen des Mondes und der Jupiterstrabanten ſind. So wird z. B. bey dem Anfange einer Mondfinſterniß Rußland eine ſpaͤtere Tagesſtunde, als Deutſchland, Deutſchland eine ſpaͤtere, als England u. ſ. w. zaͤhlen, ein Beweis, daß der Mittag, als der Anfang der Tagesſtunden in Rußland fruͤher als in Deutſchland u. ſ. w. eingetreten ſey, mithin die Sonne bey ihrem taͤglichen Umlaufe Rußland fruͤher, als Deutſchland und England beſchienen habe. Und da dies rings um die ganze Erde auf eine voͤllig gleichfoͤrmige Art erfolget, ſo laͤßt ſich ſchließen, daß denen von Oſten nach Weſten gehenden Tagekreiſen der Geſtirne aͤhnlich liegende Kreiſe auf der Oberflaͤche der Erde correſpondiren, welches die Ueberzeugung von der Rundung der Erde nach allen Richtungen gaͤnzlich vollendet.

Hiezu koͤmmt, daß den Reiſenden, und vornehmlich den Seefahrern, die Spitzen der Berge und die Maſten der Schiffe eher ſichtbar werden, als der Fuß oder Grund, worauf dieſelben ſtehen eine Erſcheinung, welche auf einer ebnen Flaͤche unmoͤglich waͤre, auf welcher ſich entlegne17 Berge u. dgl. nothwendig auf einmal mit ihrer ganzen Hoͤhe darſtellen muͤßten.

Die Umſchiffungen der Erdkugel haben endlich, ſelbſt fuͤr den gemeinſten und ungebildetſten Theil der Menſchen, die Rundung der Erde zu einer unbezweifelten Gewißheit gebracht. Es iſt nemlich bereits uͤber 25mal unſere Erdkugel von Seefahrern mehrerer Nationen ſo umſegelt worden, daß dieſelben durch eine nach einerley Weltgegend fortgeſetzte Reiſe, ohne umzukehren, an den Ort ihrer Abreiſe wieder zuruͤckgekommen ſind. Hernand Magellans, ein Portugieſe, der erſte Weltumſegler, lief mit ſeiner Flotte den 10. Aug. 1519 von Sevilla aus, entdeckte an der ſuͤdlichen Spitze von Amerika die lange Meerenge, welche das feſte Land von dem ſogenannten Feuerlande ſcheidet, und noch von ihm den Namen der magellaniſchen Straße fuͤhrt, gieng durch dieſelbe in die Suͤdſee und nach Aſien uͤber, und ob er gleich in der philippiniſchen Inſel Sebu ſein Leben verlohr, ſo kam doch eines ſeiner Schiffe, durch einen beſtaͤndig weſtwaͤrts gerichteten Lauf, am 7. Septbr. 1522 wieder nach Spanien zuruͤck. Die merkwuͤrdigſten unter den folgenden Umſchiffungen ſind die des Franz Drake, eines Englaͤnders, vom Ende des Jahres 1577 bis zum 16. Sept. 1580; des William Dampier von 1689 bis 1691; des Lord Georg Anſon von 1740 bis 1744, des Commodore Byron von 1764 bis 1766, der Capitains Wallis und Carteret in den Jahren 1766 bis 1769, des Bougainville, eines Franzoſen, ebenfalls 1766 bis 1769; und endlich die drey Seereiſen des unvergeßlichen engliſchen Seecapitains James Cook, deren erſte in den Jahren 1768 1771 mit den Herren Banks und D. Solander, die zwote mit beyden Herren Forſter 1772 1775, die dritte endlich als eine Entdeckungsreiſe im Ocean zwiſchen Amerika und Aſien von 1776 1780 gemacht wurde. Auf der letztern verlohr zwar der durch ſo viele wichtige Entdeckungen beruͤhmte Seefahrer auf der Inſel O-wai-hi im nordlichen Theile des großen Oceans ungluͤcklicher Weiſe ſein Leben; es kam aber doch ſein Schiff unter der Fuͤhrung des Capitains King nach England zuruͤck. Alle dieſe Reiſen, nur18 die beyden letztern ausgenommen, ſind ganz in der Richtung von Morgen gegen Abend ausgefuͤhrt worden, und zeigen aus dem beſtaͤndig aͤhnlichen Anblicke der Erde und des Himmels in den mancherley beſuchten Gegenden unwiderſprechlich, daß die ganze Erd - und Waſſermaſſe nirgends von einem andern Koͤrper unterſtuͤtzt, ſondern eine im Weltraume freyſchwebende Kugel ſey. Daß uͤbrigens die auf der Erdflaͤche befindlichen Erhoͤhungen viel zu unbetraͤchtlich ſind, um eine merkliche Abweichung von der Kugelgeſtalt zu veranlaſſen, iſt bereits bey dem Worte: Berge erinnert worden.

Man nehme die Erde einſtweilen, und bis genauere Unterſuchungen etwas anders ergeben, fuͤr eine vollkommne Kugel an, auf deren Flaͤche ſich nach den Regeln der Sphaͤrik groͤßte und kleinere Kreiſe ziehen laſſen. Die Folge wird auch lehren, daß dieſe Vorausſetzung wenigſtens nicht weit von der Wahrheit abweiche. Horizont, Pole, Aequator und Mittagskreiſe der Erdkugel.

Derjenige Kreis, welcher auf einem ebnen Felde oder auf der See uͤberall um uns her unſere Ausſicht begraͤnzt, heißt der Horizont oder Geſichtskreis. Seine Ebne hor (Taf. VIII. Fig. 2.) beruͤhrt die Erdflaͤche in o, wo der Zuſchauer ſtehet, die Oberflaͤche des ſtillſtehenden Waſſers iſt aller Orten mit ihr parallel, und die Richtung des Bleyloths oder der Schwere oC ſteht auf ihr lothrecht, wie der Halbmeſſer auf der Tangente des Kreiſes. Waͤre alſo die Erde eine vollkommne Kugel, ſo wuͤrde die Schwere auf ihr uͤberall genau nach dem Mittelpunkte C wirken.

Ob gleich der Horizont hor nur einen ſehr kleinen Theil der Erdflaͤche uͤberſehen laͤßt, ſo lehren doch die Beobachtungen der Sternſeher, daß er uns von der ſcheinbaren Himmelskugel, an welcher die Fixſterne zu ſtehen ſcheinen, die voͤllige Helfte oder 180° eines jeden groͤßten Kreiſes derſelben zu ſehen erlaube. Denn, wenn man die Wirkungen der Stralenbrechung abrechnet (ſ. Stralenbre -19 chung, aſtronomiſche), ſo geht von zween Fixſternen, die einander gerade entgegenſtehen, oder um 180° aus einander ſind, der eine zu eben der Zeit unter, wenn der andere aufgeht, und ein Fixſtern, der ſeinen taͤglichen Umlauf in einem groͤßten Kreiſe zu verrichten ſcheint, iſt eben ſo lange Zeit uͤber, als unter dem Horizonte. In der Figur laͤßt ſich dieſes auf keine Weiſe darſtellen. Da man doch die ſcheinbare Himmelskugel HZRN als einen Kreis um den Mittelpunkt der Erde C vorſtellen muß, weil ſonſt, wenn man ſie um o beſchreiben wollte, jeder Ort der Erde eine andere ihm eigne Himmelskugel erfordern wuͤrde, ſo bleibt der Theil hZr, den der Horizont abſchneidet, von dem wirklichen Halbkreiſe HZR allezeit um die Bogen Hh, Rr unterſchieden. Dieſe Bogen aber werden deſto kleiner, oder machen einen deſto unbetraͤchtlichern Theil des ganzen Kreiſes aus, je groͤßer der Halbmeſſer der Himmelskugel CZ in Vergleichung mit dem Halbmeſſer der Erde Co angenommen wird. Iſt CZ etwa 60mal ſo lang, als Co, ſo betraͤgt Hh etwas weniger, als einen Grad; iſt CZ = 24000 Co, ſo macht Hh nur 8 9 Secunden aus u. ſ. w. Soll Hh aber gaͤnzlich verſchwinden, ſo muß CZ unendlich groß gegen Co, oder was eben ſo viel iſt, Co als ein bloßer Punkt gegen CZ angeſehen werden. Nun zeigen die aſtronomiſchen Beobachtungen in der That, daß bey dem ſcheinbaren taͤglichen Umlaufe der Geſtirne, der Bogen Hh fuͤr den Mond ohngefaͤhr einen Grad, fuͤr die Sonne 8 9 Secunden betrage, fuͤr die Fixſterne aber ganz unmerklich ſey; woraus folget, daß der Halbmeſſer der Himmelskugel, wenn ſich dieſelbe nur bis an den Mond erſtreckt, etwa 60mal; wenn ſie bis an die Sonne reicht, 24000mal; wenn ſie aber, wie doch nothwendig iſt, bis zu den Fixſternen ausgedehnt werden ſoll, unendlichemal groͤßer, als der Halbmeſſer der Erde, geſetzt werden muß. Das heißt, ſo groß uns auch die Erdkugel in Vergleichung mit den uns bekannten Maaßen ſcheinen mag, ſo iſt doch ihr Halbmeſſer, mithin auch die ganze Kugel ſelbſt, in Vergleichung mit dem Abſtande der Fixſterne und mit der Groͤße des ganzen Weltgebaͤudes blos fuͤr einen unbetraͤchtlichen20 Punkt zu halten. Genauere Beſtimmungen hieruͤber wird man bey dem Worte: Parallaxe finden.

Man muß ſich daher bey der Figur, welche doch die Erde nothwendig mit einiger Groͤße vorſtellen muß, immer hinzudenken, daß ſich dieſe Groͤße in einen einzigen Punkt zuſammenzieht, wenn das richtige Verhaͤltniß gegen die Groͤße der Himmelskugel beobachtet werden ſoll. Bey dieſer Zuſammenziehung faͤllt o in C, und der ſcheinbare Horizont hor wird nun einerley mit dem wahren Horizonte HCR, ſ. Horizont.

Wenn man ſich auf dieſe Art Erd - und Himmelskugel als zwo concentriſche Kugeln gedenkt, deren erſte nur ungemein viel kleiner als die letztere iſt, ſo laͤßt ſich fuͤr jeden Punkt und Kreis der letztern auch ein correſpondirender Punkt oder Kreis auf der erſtern angeben. Was die Punkte betrifft, ſo darf man nur von dem Punkte der Himmelskugel einen Halbmeſſer nach dem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte C ziehen, welcher auf der Erdflaͤche den uͤbereinſtimmenden Punkt abſchneiden wird. So viel die Kreiſe anlangt, ſind ſie entweder groͤßte oder kleinere. Bey den groͤßten geben ſich die uͤbereinſtimmenden Kreiſe auf der Erdkugel da, wo ihre Ebne ſich mit der Erdflaͤche ſchneidet. Auf den kleinern, z. B. DE, laͤßt ſich bis an den Mittelpunkt C der ſenkrechte Kegel DCE aufrichten, deſſen Durchſchnitt mit der Erdflaͤche de den uͤbereinſtimmenden kleinern Kreis auf der letztern giebt. So ſtimmt z. B. der Punkt Z des Himmels (ſ. Zenith) mit dem Standorte auf der Erdkugel o, der wahre Horizont am Himmel HR mit dem groͤßten Kreiſe der Erdkugel mn uͤberein, welcher vom Standorte o uͤberall um 90° eines groͤßten Kreiſes der Erde entfernt iſt, u. ſ. w. Von allen dieſen Kreiſen und Punkten wird der folgende Artikel: Erdkugel, kuͤnſtliche, mehrere Nachricht geben; hier wird nur noͤthig ſeyn, von den Polen, dem Aequator und den Mittagskreiſen noch etwas weniges anzufuͤhren.

Die ganze Himmelskugel mit allen Geſtirnen ſcheint ſich binnen 24 Stunden von Morgen gegend Abend ſo herum zu bewegen, daß alle Punkte derſelben Kreiſe beſchreiben,21 die mit einander ſelbſt, und mit einem gewiſſen groͤßten Kreiſe AQ parallel laufen, welcher letztere in unſern Laͤndern eine ſchiefe Lage gegen den Horizont HR hat, und der Aequator genannt wird. Nach den Lehren der Sphaͤrik haben alle dieſe parallelen Kreiſe eine gemeinſchaftliche auf dem Aequator ſenkrecht ſtehende Axe PS, die Weltaxe deren aͤußerſte Punkte P und S ihre Pole, die Weltpole, ſind, und die Bewegung ſcheint ſo zu erfolgen, als ob die ganze geſtirnte Hohlkugel ſich taͤglich um die unbewegt bleibende Axe PS umdrehete. Dem Aequator, den Weltpolen und der Weltaxe correſpondiren auf der Erdkugel der Aequator der Erde ap, die Erdpole p und s, und die Erdaxe ps, welche ein Stuͤck der Weltaxe PS ſelbſt iſt.

Der taͤgliche Umlauf der Geſtirne kan nun entweder in einer wirklichen Umwaͤlzung der ganzen Himmelskugel um die Erde beſtehen, welches jedoch wegen der ungeheuren Entfernung der Fixſterne und der ungemeinen Kleinheit der Erde hoͤchſt unwahrſcheinlich iſt, oder er kan eine bloße Erſcheinung ſeyn, und ohne die mindeſte Bewegung der Sterne lediglich daher ruͤhren, daß ſich die Erdkugel, ohne daß wir es bemerken, nach der entgegengeſetzten Richtung, d. i. von Abend gegen Morgen, um die Erdaxe ps drehet, wobey die Pole p und s unbewegt bleiben, alle uͤbrige Punkte der Erdflaͤche aber Kreiſe beſchreiben, welche unter einander ſelbſt und mit dem Aequator aq parallel ſind. Dieſe letztere Erklaͤrung iſt jetzt zu einem Grade der Wahrſcheinlichkeit erhoben, der ſich faſt der Gewißheit gleich ſetzen laͤßt, ſ. Weltſyſtem. Dem ſey aber vorjetzt, wie ihm wolle, ſo ſind doch die erwaͤhnten Punkte und Kreiſe der Erdkugel vorzuͤglich wichtig. Wir nennen denjenigen Pol p, der unſerm Standorte oder o am naͤchſten liegt, den Nordpol den entgegengeſetzten s den Suͤdpol, und geben den beyden Helften, in welche die Erdflaͤche durch den Aequator aq eingetheilt wird, die Namen der noͤrdlichen und ſuͤdlichen Halbkugel.

So wie am Himmel derjenige groͤßte Kreis, welcher durch die Pole und das Zenith des Beobachtungsorts geht,22 PZAHSRP, der Mittagskreis heißt, ſo fuͤhrt der uͤbereinſtimmende groͤßte Kreis der Erdflaͤche poamsnp, welcher durch die Erdpole und den Standort o gezogen werden kan, den Namen des Mittagskreiſes oder Meridians fuͤr den Ort o. Man pflegt aber dieſen Namen bisweilen auch nur derjenigen Helfte des Kreiſes poms beyzulegen, in welcher der Ort o ſelbſt liegt, und die andere Helfte snp als den entgegengeſetzten Meridian zu betrachten. In dieſem Sinne iſt der Meridian von Leipzig derjenige halbe groͤßte Kreis der Erdflaͤche, welcher durch beyde Pole und Leipzig geht. Alle diejenigen Orte, durch welche dieſer Halbkreis geht, haben mit Leipzig einerley Meridian, und es laſſen ſich auf der Erdflaͤche ſoviel Meridiane denken, als man Punkte im Aequator annehmen kan. Alle dieſe Halbkreiſe laufen in den beyden Polen zuſammen, und durchſchneiden den Aequator unter rechten Winkeln.

Jeder Mittagskreis wird, wie der Cirkel uͤberhaupt, in 36 Grade, und der Grad ferner in Minuten und Secunden getheilt. Wer auf der Erdflaͤche in der Richtung des Mittagskreiſes, d. i. genau nach Mitternacht oder Mittag zu, z. B. von o nach d fortgeht, deſſen Zenith muß an der Himmelskugel zugleich von Z nach D fortruͤcken, und alſo ſeinen Abſtand vom Pole P, von dem im Mittagskreiſe liegenden Punkte des Aequators A, und uͤberhaupt von allen feſten Punkten des Mittagskreiſes am Himmel, um den Bogen ZD aͤndern. Da dieſer Bogen ZD dem od gleich, oder das Maaß ebendeſſelben Winkels ZCD iſt, ſo erfaͤhrt man, um wieviel Grade, Minuten rc. des Mittagskreiſes man fortgegangen ſey, wenn man durch aſtronomiſche Werkzeuge mißt, um wieviel ſich der Abſtand des Pols, des Aequators, des Durchgangspunkts eines Sterns durch den Mittagskreis u. ſ. w. vom Zenith oder, was eben ſoviel iſt, vom Horizonte geaͤndert habe. Mit andern Worten: Die Aenderung der Polhoͤhe, Aequatorhoͤhe, Mittagshoͤhe der Geſtirne giebt die Anzahl der Grade des Mittagskreiſes an, um welche man fortgegangen iſt. Faͤnde man z. B. den Pol in d um hoͤher uͤber den Horizont geruͤckt, als man ihn in o ſahe, oder faͤnde man die Mittagshoͤhe23 eben deſſelben Sterns in d um einen Grad von der in o verſchieden, ſo wuͤrde daraus folgen, daß der Bogen od einen Grad des Mittagskreiſes betruͤge. Wenn man nun durch geometriſche Mittel die Laͤnge des Weges od in gewoͤhnlichen Maaßen abmaͤße, ſo wuͤrde ſich daraus die Groͤße eines Grades vom Umfange der Erdkugel, und unter der Vorausſetzung, daß ſie eine vollkommne Kugel ſey, durch Multiplication mit 360 die Laͤnge des Umfangs, mithin auch die des Durchmeſſers, und uͤberhaupt die Groͤße der ganzen Kugel ergeben. Ehe wir aber dieſe Unterſuchungen weiter fortſetzen koͤnnen, muͤſſen wir zuvor die eigentliche Geſtalt der Erde genauer pruͤfen. Abgeplattete Geſtalt der Erde.

Die phyſikaliſche Urſache, welche der Erde bey ihrer Entſtehung eine kugelaͤhnliche Rundung gegeben hat, iſt unſtreitig die Schwere der ganzen zur Erde gehoͤrigen Materie, ſ. Gravitation, Schwere der Erdkoͤrper. Dieſe Kraft, von deren Daſeyn uns die Erfahrung uͤberzeugt, ob wir gleich ihre Urſache nicht kennen, treibt jeden zur Erde gehoͤrigen Theil der Materie nach allen uͤbrigen zu, woraus eine mittlere Richtung nach dem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte aller Anziehungen entſtehet, nicht als ob dieſer Mittelpunkt mit einer beſondern Kraft verſehen waͤre, ſondern weil die Gravitationen nach allen auf verſchiedenen Seiten liegenden Theilen durch ihr Zuſammenkommen eine Bewegung oder Sollicitation nach dieſer mittlern Richtung bewirken. So muß ſich eine Menge von Theilen, in welche keine weitere Kraft, als dieſe ihre wechſelſeitige Gravitation gegen einander wirkt, von ſelbſt in die Geſtalt einer Kugel ordnen, weil die Theile von allen Seiten her ſo nahe, als moͤglich, auf das Ganze zu gehen, und ſich ſo lange bewegen und vertheilen werden, bis auf allen Seiten eine voͤllige Gleichfoͤrmigkeit ſtatt findet. Aus eben dieſer Urſache finden wir auch die Kugelgeſtalt an allen bisher bekannten Himmelskoͤrpern.

Die Erfahrung belehret uns, daß die Richtung der Schwere, an allen Orten der Erdflaͤche, auf der Oberflaͤche24 des ſtillſtehenden Waſſers oder auf der Ebne des Horizonts, welche die Erdflaͤche ſelbſt beruͤhrt, lothrecht ſtehe. Waͤre die Erde eine vollkommne Kugel, ſo muͤßten alle dieſe Richtungslinien der Schwere in einen gemeinſchaftlichen Mittelpunkt zuſammentreffen. Auch wuͤrde nach den Geſetzen der Gravitation die Schwere, als beſchleunigende Kraft betrachtet, an allen Stellen der Erdflaͤche gleich groß ſeyn muͤſſen, weil ſie alle von dem Mittelpunkt gleich weit entfernt waͤren, vorausgeſetzt, daß ſich die Erde in einer vollkommnen Ruhe befaͤnde.

Wenn ſich aber die Erdkugel, wie das copernikaniſche Syſtem annimmt, taͤglich einmal um ihre Axe drehet, ſo entſteht hieraus fuͤr jeden Punkt der Erdflaͤche ein Schwung (ſ. Centralbewegung, Centralkraͤfte) oder eine Schwungkraft, deren Richtung in dem Halbmeſſer des von den Koͤrpern beſchriebenen Kreiſes liegt, indem ſich dieſe Koͤrper von dem Mittelpunkte dieſes Kreiſes, vermoͤge der ihnen mitgetheilten Bewegung, zu entfernen ſtreben. So wird z. B. wenn ſich die Kugel (Taf. VIII. Fig. 3.) um die Axe PR drehet, in Q ein Schwung nach q, in E und G nach e und g entſtehen. Die Richtung dieſer Schwungkraͤfte iſt unter dem Aequator in Q der Richtung der Schwere QC gerade und gaͤnzlich, in E und G aber den Richtungen der Schwere EC und GC wenigſtens zum Theil entgegengeſetzt. Daher wird ein Theil der Schwere darauf verwendet werden, die Wirkung des Schwunges aufzuheben, und die Koͤrper, welche ſonſt von der Erde hinwegfliegen wuͤrden, auf der Oberflaͤche derſelben zu erhalten. Dieſer verwendete Theil der Schwere kan natuͤrlich nichts weiter bewirken; er wird alſo der Schwere der Erdkoͤrper, in ſofern man dieſelbe durch ihre uͤbrigen Wirkungen bemerkt, abgehen, d. h. man wird die Schwere vermindert finden. Aus einer doppelten Urſache muß dieſe Verminderung der Schwere unter dem Aequator AQ am ſtaͤrkſten ſeyn; einmal, weil der Kreis der taͤglichen Umdrehung daſelbſt am groͤßten iſt, und die Koͤrper ſchneller, als in den Kreiſen DE und FG, geſchwungen werden, und dann, weil hier die Richtung der Schwungkraft Qq der25 Schwere nach C gerade, bey E und G aber nur zum Theil entgegengeſetzt iſt. Im Pole P hingegen muß die Kraft der Schwere ganz unvermindert bleiben, weil daſelbſt die umdrehende Bewegung gar nicht mehr ſtatt findet. Ausfuͤhrlichere Beſtimmungen hievon ſ. bey dem Artikel: Schwungkraft.

Die Verminderung der Schwere laͤßt ſich am bequemſten durch den Gang eines Pendels wahrnehmen, welches nach den bey dem Worte: Pendel beyzubringenden Gruͤnden, ſeine Schwingungen in deſto kuͤrzerer Zeit vollendet, je kuͤrzer es ſelbſt, und je groͤßer die Kraft der Schwere iſt. Dreht ſich alſo die Erde wirklich um ihre Axe, ſo laͤßt ſich erwarten, daß eben daſſelbe Pendel ſeine Schwingungen in den Gegenden des Aequators langſamer, als in unſern Laͤndern, verrichten werde.

Picard (Méſure de la terre. Paris, 1671. 8. Art. 4.) gedenkt zum Erſtenmale einer in der Akademie der Wiſſenſchaften vorgetragnen Muthmaßung, daß ſchwere Koͤrper, wenn die Umwaͤlzung der Erde angenommen werde, unter dem Aequator mit geringerer Kraft fallen muͤßten, als unter den Polen. Er bemerkt, daß hieraus eine Verſchiedenheit in den Secundenpendeln entſtehen muͤſſe, welche da geſchwinder gehen wuͤrden, wo mehr Schwere ſtatt faͤnde, und fuͤgt hinzu, einige in London, Lion und Bologna gemachte Erfahrungen ſchienen anzuzeigen, daß man das Secundenpendel deſto kuͤrzer machen muͤſſe, je mehr man mittagwaͤrts oder gegen den Aequator der Erde zu gehe. Doch ſchienen andere Erfahrungen zu widerſprechen, indem man im Haag und zu Paris die Laͤngen des Secundenpendels gleich groß gefunden habe.

Die Pariſer Akademie ertheilte im Jahre 1671 dem Herrn Richer unter andern den Auftrag, bey ſeinem Aufenthalte auf der Inſel Cayenne, welche bey Suͤdamerika nur nordwaͤrts vom Aequator liegt, die dortige Laͤnge des Secundenpendels zu unterſuchen. Er fand (Obſervations aſtronomiques et phyſiques faites à Cayenne. Paris, 1670. fol.), daß ſeine aus Paris mitgebrachte Pendeluhr in Cayenne taͤglich um 2 Minuten zu langſam gieng, ſo26 daß er genoͤthigt war, die Pendelſtange derſelben um 1 1 / 4 Lin. zu verkuͤrzen, wenn ſie ihre 3600 Schwingungen in einer Stunde richtig ſchlagen ſollte. Dagegen mußte ſie bey der Zuruͤckkunft nach Paris, weil nun die Uhr zu geſchwind gieng, wieder auf die vorige Laͤnge zuruͤckgebracht werden. Hiedurch ward es alſo außer Zweifel geſetzt, daß die Schwere der Koͤrper gegen den Aequator hin geringer werde, und man erhielt dadurch zugleich einen ſtarken Beweis fuͤr die Wirklichkeit der Umwaͤlzung der Erde und fuͤr das copernikaniſche Syſtem.

Von dieſer Zeit an kam Huygens, welcher die Saͤtze von der Schwungkraft im Kreiſe zuerſt bekannt gemacht hat, auf die Vermuthung, daß die mit geringerer Schwere verſehenen Theile der Erde um den Aequator, mit den ſchwerern Theilen gegen die Pole hin nicht im Gleichgewichte ſtehen koͤnnten, wenn die Erde eine vollkommne Kugel waͤre. Geſetzt auch, ſie ſey Anfangs eine fluͤßige Kugel geweſen, ſo wuͤrden doch ihre Theile durch die taͤgliche Umdrehung ſich deſto mehr erhoben haben, je naͤher ſie dem Aequator geweſen waͤren, dagegen wuͤrden die ſchwereren Theile um die Pole tiefer gegen den Mittelpunkt herabgeſunken ſeyn, und das Ganze wuͤrde alſo die Geſtalt eines um die Pole zuſammengedruͤckten oder abgeplatteten Sphaͤroids (Sphèroide applâti) (Taf. VIII. Fig. 4.) erhalten haben. Eben das muͤßte erfolgt ſeyn, wenn auch nur die Oberflaͤche der Erde uͤberall mit Waſſer bedeckt geweſen waͤre. Und da die Erde um den Aequator herum wirklich große Meere hat, ſo muß der Schwung ihnen dieſe Geſtalt wirklich geben, welche auch das feſte Land haben muß, weil es ſonſt vom Meere uͤberſchwemmt werden muͤßte.

Aus dieſen Gruͤnden erklaͤrt Huygens (De cauſa gravitatis, in Opp. cura s'Graveſande. Lugd. Bat. 1724. 4. To. I.) die Erde fuͤr ein abgeplattetes Sphaͤroid, deſſen Durchmeſſer durch den Aequator AQ etwas groͤßer ſey, als die von Pol zu Pol gehende Axe PS. Er fuͤhrt zu Beſtaͤrkung dieſes Satzes den Verſuch mit einer weichen Thonkugel an, welche an eine Axe geſteckt und ſchnell herumgedreht. wirklich eine ſolche Geſtalt erhaͤlt, an dem Pole der Umdrehung27 ſich abplattet, und um den Aequator aufſchwillt. Er wagt ſich ſogar an eine Berechnung des Verhaͤltniſſes CA: CP, indem er dieſe beyden Laͤngen als communicirende Roͤhren mit Fluͤßigkeiten von ungleichen Schweren gefuͤllt anſieht, und deren Hoͤhen fuͤr den Fall des Gleichgewichts nach hydroſtatiſchen Geſetzen berechnet. Da er gefunden hatte, daß die Schwungkraft im Aequator (1 / 289) von der Schwere daſelbſt betrage, ſo beſtimmt er hieraus, daß CP um (1 / 578) kleiner, als CA ſey.

Newton (Philoſ. natur. principia math. L. III. prop. 18. 19. ) traͤgt eben dieſen Satz von der ſphaͤroidiſchen Geſtalt der Erde als eine Folge ſeines vortreflichen Syſtems uͤber die Geſetze der Gravitation und Schwungkraft vor. Die Planeten, ſagt er (prop. 18.), muͤßten, wenn ſie ſich nicht taͤglich umdrehten, wegen der von allen Seiten her gleichen Schwere der Theile, eine Kugelgeſtalt an nehmen. Durch die Kreisbewegung aber werden die Thei le von der Axe entfernt, und ſtreben ſich um den Aequa tor zu erheben. Daher wird die Materie, wofern ſie fluͤßig iſt, den Durchmeſſer um den Aequator durch ihr Aufſteigen vergroͤßern, die Axe hingegen durch ihr Nie derſinken bey den Polen verkuͤrzen. So findet man den Durchmeſſer des Jupiters, nach Caſſini und Flam ſtead's Beobachtungen, zwiſchen ſeinen Polen kuͤrzer, als nach der Richtung von Morgen gegen Abend. Aus eben dem Grunde muß unſere Erde um den Aequator hoͤ her, als bey den Polen, ſeyn; ſonſt wuͤrde ſich das Meer an den Polen ſenken, um den Aequator aber in die Hoͤhe treten und alles uͤberſchwemmen Er berechnet hierauf (prop. 19.) das Verhaͤltniß der Axe zu dem auf ſie ſenkrechten Durchmeſſer nach richtigern Gruͤnden, als Huygens, indem er zugleich den Umſtand mit in die Rechnung bringt, daß die Materie bey A nicht blos durch den Schwung, ſondern auch darum leichter, als die bey P werden muͤſſe, weil ſie weiter vom Mittelpunkte C entfernt iſt, indem die Schwere im umgekehrten Verhaͤltniſſe des Quadrats der Entfernung von C abnimmt, welcher Umſtand bey Huygens gaͤnzlich fehlet. Dadurch wird die Rechnung zwar28 verwickelter, aber auch der Natur gemaͤßer, und giebt endlich das Reſultat, daß ſich bey der Erde AC: CP = 692: 689 oder wie 230 2 / 3: 229 2 / 3 verhalte. Huygens und Newtons Berechnungen ſind von Friſi (Disquiſitio in cauſam phyſicam figurae et magn. telluris. Mediolani, 1750. gr. 4.) und Clairaut (Theorie de la figure de la terre tirée des principes de l'hydroſtatique. à Paris, 1743. 8. ) umſtaͤndlicher erlaͤutert worden.

Dieſe blos aus der Theorie gezognen Muthmaßungen waren indeß noch nicht hinreichend, eine vollkommne Ueberzeugung von der Wahrheit des Satzes zu gewaͤhren. Der ganze Schluß ließ ſich entkraͤften, wenn man annahm, die Erde ſey anfangs laͤnglich rund geweſen. Denn ſo wuͤrde ſie der Schwung in eine vollkommne Kugel haben verwandeln koͤnnen. Es blieb alſo noch immer noͤthig, die Frage durch wirkliche auf der Erde ſelbſt gemachte Beobachtungen und Abmeſſungen zu entſcheiden.

Was dergleichen Abmeſſungen hieruͤber lehren koͤnnen, beruhet auf folgenden Gruͤnden. Taf. VIII. Fig. 4. ſey die krumme Linie PQSA ein Meridian der Erdkugel. Waͤre die Erde eine Kugel, und der Meridian ein vollkommner Kreis, ſo muͤßten alle Grade deſſelben gleich ſeyn, und alle Richtungen der Schwere, oder alle Scheitellinien, im Mittelpunkte zuſammenlaufen. Hat ſie aber eine ſphaͤroidiſche Geſtalt, wie in der Figur, ſo wird ihr Meridian bey P, wo ſie eingedruͤckt iſt, flach oder weniger gekruͤmmt ſeyn, bey A hingegen, wo ſie mehr erhoben iſt, eine ſtaͤrkere Kruͤmmung haben; mithin wird der Halbmeſſer dieſer Kruͤmmung bey B groͤßer, bey A kleiner ſeyn. Auch werden die Richtungen der Schwere oder die auf der Oberflaͤche lothrecht ſtehenden Linien PD, pD, AE, aE, welche in die Richtung des Halbmeſſers der Kruͤmmung fallen, nicht mehr in dem Mittelpunkte, ſondern in andern Punkten, z. B. in D und E, zuſammenkommen. Nun legt man nach dem, was oben gelehrt worden iſt, einen Grad des Meridians zuruͤck, wenn man in dieſem Kreiſe ſo weit fortgeht, bis der Scheitelpunkt am Himmel ſich um verſchoben, oder, was eben ſoviel iſt, bis die Richtung der Schwere29 ſich um geaͤndert hat. Stellen alſo die Stuͤcken Pp, Aa Grade des Mittagskreiſes vor, ſo laſſen ſich dieſelben als Kreisbogen anſehen, die mit den Halbmeſſern der Kruͤmmung DB, EA beſchrieben ſind, und deren zugehoͤrige Winkel PDp, AEa, jeder betragen. Es iſt aber der Halbmeſſer PD laͤnger, als EA, mithin auch der Bogen Pp groͤßer, als der aͤhnliche Bogen Aa, oder: Der Grad des Mittagskreiſes iſt da groͤßer, wo die Erde flach und eingedruͤckt, da kleiner, wo ſie erhaben iſt. Die Entſcheidung der Frage kam alſo darauf an, ob man den Grad des Mittagskreiſes bey wirklicher Abmeſſung uͤberall gleich oder verſchieden, und wo man ihn groͤßer finden werde. Sollte ſich Huygens und Newtons Muthmaßung beſtaͤtigen, ſo mußte man den Grad nach den Polen zu oder gegen Norden groͤßer finden, als gegen den Aequator zu oder gegen Suͤden.

Durch Abmeſſungen, von denen weiter unten umſtaͤndlichere Nachrichten folgen, hatte Snellius den Grad des Mittagskreiſes in den Niederlanden 55021, Picard in Frankreich 57060 Toiſen gefunden. Hiebey iſt der noͤrdlichere Grad kleiner als der ſuͤdliche. Daraus ſchloß ſchon Eiſenſchmidt (Diatribe de figura telluris elliptico-ſphaeroide, Argentorati 1691. 8. ), daß die Erde ein laͤngliches Sphaͤroid, d. i. um die Pole erhaben, und um den Aequator eingedruͤckt ſey, welches mit Newtons Behauptungen ſtreitet. Allein das Reſultat des Snellius iſt ſehr unrichtig; auch liegen ſich beyde Grade zu nahe, um etwas Sicheres aus ihrer Vergleichung zu ſchließen.

In den Jahren 1700 und 1701 zog Johann Dominicus Caſſini (ſ. Mém. de l'Acad. des Sc. ann. 1701.) eine von der pariſer Sternwarte bis an die Pyrenaͤen fortgehende Mittagslinie, welche den aſtronomiſchen Beobachtungen zufolge 18′ eines Mittagskriſes der Erdkugel ausmachte. Die geometriſche Meſſung gab hiebey den naͤchſten Grad an Paris 57126 1 / 2 Toiſen an, und da Picard den nordwaͤrts von Paris gelegnen Grad nur 57060 Toiſen gefunden hatte, ſo ſchien hieraus wiederum das Gegentheil von Newtons Muthmaßung zu folgen. 30

Um noch mehrerer Gewißheit willen, und zugleich zu Vervollkommnung der Geographie von Frankreich ward dem Sohne des vorigen, Jacob Caſſini nebſt Maraldi und de la Hire im Jahre 1718 aufgetragen, die pariſer Mittagslinie auch nordwaͤrts, und durch das ganze Koͤnigreich zu verlaͤngern. Sie fanden fuͤr beyde Bogen, wovon der ſuͤdliche bis Collioure, der noͤrdliche bis Duͤnkirchen gieng, folgende Reſultate

BogenLaͤnge in ToiſenGroͤſ. d Grad.
ſuͤdlicher Bogen18′57″360614-57097
noͤrdlicher -2129 1 / 2125454-56960

(ſ. Jaques Caſſini Tr. de la figure et de la grandeur de la terre, in der Suite des Mém. de l'Acad. des Sc. ann. 1718. auch beſonders gedruckt, Amſt. 1723. 8. Jacob Caſſini von der Figur und Groͤße der Erde, herausg. von Klimm. Leipz. 1741. 8.) Weil nun auch hier der noͤrdliche Grad kleiner, als der ſuͤdliche, angegeben ward, ſo beſtritten von dieſer Zeit an die franzoͤſiſchen Akademiſten Newtons Muthmaßung, nahmen die Erde fuͤr ein laͤngliches Sphaͤroid an, und behaupteten, man muͤſſe der Erfahrung und Meſſung mehr, als theoretiſchen Vermuthungen glauben, welche ſich auf unerwieſene Vorausſetzungen gruͤndeten. Dagegen vertheidigten die Englaͤnder, z. B. Gregory, Keill, Maclaurin, Stirling auch Hermann und Kraft die newtoniſche Meynung, hielten die franzoͤſiſchen Meſſungen fuͤr unzuverlaͤßig, und behaupteten mit Recht, die gemeſſenen Bogen laͤgen einander zu nahe, und auf einem allzukleinen Theile der Erdflaͤche beyſammen, als daß man daraus ſicher auf die Geſtalt des ganzen Umfangs ſchließen koͤnnte.

Um dieſen Streit voͤllig zu entſcheiden, bedurfte es einer Ausmeſſung zweyer aͤußerſten Grade, die ſo nahe als moͤglich, der eine am Pole, der andere am Aequator, laͤgen. Denn hiebey mußte der Unterſchied beyder ſo groß ausfallen, daß kein Zweifel daruͤber, welcher der groͤßere ſey, zuruͤckbleiben konnte.

In dieſer Abſicht beſchloß der franzoͤſiſche Hof im Jahre 1735 eine der glaͤnzendſten und fuͤr die Naturwiſſenſchaften31 uͤberhaupt vortheilhafteſten Unternehmungen. Es wurden zu Abmeſſung zweener ſo nahe als moͤglich am Pol und Aequator gelegner Grade die Herren Bouguer, de la Condamine, Godin, Juſſieu und Couplet nach Quito im noͤrdlichen Theile von Peru, von Maupertuis, Clairaut, Camus, le Monnier und der Abbé Outhier nach Lappland geſendet. Die letztern vollendeten ihr Werk zuerſt. Sie hatten in den Jahren 1736 und 1737 bey der Stadt Torneaͤ einen Grad des Mittagskreiſes gemeſſen, der den Polarkreis ſchneidet, und gaben ſchon 1738 Nachricht von den gefundenen Reſultaten (ſ. Figure de la terre determinée par les obſervations des Mſsrs. de Maupertuis, Clairaut, Camus etc. faites par l'ordre du Roi au cercle polaire. à Paris, 1738. 8. Figur der Erde, beſtimmt durch die Beobachtungen der Herren von Maupertuis rc. Zuͤrich, 1741. 8. Journal d'un voyage au Nord par Mr. l'Abbé Outhier, Paris 1738. 8.). Der gemeſſene Bogen betrug nach zwoen verſchiedenen Reihen von aſtronomiſchen Beobachtungen 57′ 27″ 57′ 30 1 / 2″, woraus man das Mittel von 57′ 28 3 / 4″ nahm, und ſeine Laͤnge, durch eine auf dem Eiſe gemeſſene Grundlinie von 7406 Toiſen und trigonometriſche Berechnung der damit verbundnen Dreyecke beſtimmt, fand ſich 55023 1 / 2 Toiſe. Hieraus folgt der in Lappland gemeſſene Grad = 57437,9 Toiſen, alſo um ein betraͤchtliches groͤßer, als alle in Frankreich gemeſſene. Herr von Maupertuis entſchied daher ohne Bedenken fuͤr die newtoniſche Muthmaßung, ob er gleich anfaͤnglich, beſonders in Frankreich, noch einigen Widerſpruch fand.

Alle Zweifel aber wurden voͤllig gehoben, als die nach Peru geſendeten Gelehrten das Reſultat ihrer aͤußerſt langwierigen und beſchwerlichen Arbeiten bekannt machten. Sie kamen erſt nach mehreren Jahren, zum Theil nach mancherley uͤberſtandenen Muͤhſeligkeiten, zuruͤck. (ſ. La figure de la terre determinée par les obſervations des Mſsrs. Bouguer et de la Condamine envoyés au Perou par l'ordre du Roi, par M. Bouguer. Paris, 1749. 4. Méſure des trois premiers degrés du Meridien dans l'hémiſphère auſtral, par Mr. de la Condamine. Paris, 1751. 4. Rela -32 cion hiſtorica del viage a la America meridional. Madrid 1748. 4., das letztere von Don Georg Juan de Ulloa, einem ſpaniſchen Officier, der nebſt ſeinem Bruder Antonio de Ulloa die Akademiſten begleitet hatte). Sie hatten einen ſuͤdwaͤrts vom Aequator gelegnen Bogen von 3. gemeſſen, und den Grad in Peru 56753 Toiſen, mithin weit kleiner, als die Grade in Frankreich, gefunden, ſo daß nunmehr die abgeplattete Geſtalt der Erde außer allen Zweifel geſetzt, und Newtons Meynung voͤllig beſtaͤtiget war.

Neuere Gradmeſſungen, welche ich im folgenden anfuͤhren werde, ſtimmen durchgaͤngig hiemit uͤberein. Man hat auch die genaue Geſtalt der Erdmeridiane unter der Vorausſetzung, daß ſie alle einander gleich ſind, zu beſtimmen geſucht. Natuͤrlich mußte man zuerſt darauf fallen, jeden Meridian als eine Ellipſe zu betrachten, wobey ſich denn mittelſt der Theorie der Kegelſchnitte aus Vergleichung zweener gemeſſenen Grade das Verhaͤltniß CA: CP beſtimmen laͤßt. Dazu haben ſchon Maupertuis und Bouguer, auch Clairaut und Mallet (Allgemeine oder mathematiſche Beſchreibung der Erdkugel, aus dem Schwed. von Roͤhl. Greifsw. 1774. 4.) Formeln gegeben. Allein es giebt unter den gemeſſenen Graden jedes Paar eine andere Ellipſe. Sie paſſen alſo nicht in eine einzige, und es wird daher unwahrſcheinlich, daß die Kruͤmmung der Meridiane elliptiſch und die Erdkugel ein Ellipſoid ſey. Bouguer, der doch damals nicht mehr, als drey verſchiedne Grade vergleichen konnte, fand dies ſchon, und ſchrieb alſo der Erde eine Kruͤmmung von anderer Art zu, welche auch de la Lande (Aſtronomie §. 2683.) annimmt und Hube (De telluris forma. Varſov. 1780. 8. ) genauer zu beſtimmen geſucht hat. Des Abt de la Caille Gradmeſſung am Vorgebirge der guten Hoffnung hat auch Zweifel veranlaſſet, ob die ſuͤdliche Helfte der Erde eben ſo, wie die noͤrdliche, gekruͤmmt ſey. Es ſind aber bis jetzt der Beobachtungen noch zu wenig, und der Umſtaͤnde, welche Fehler darinn veranlaſſen koͤnnen, zu viele, als daß man uͤber alle dieſe Fragen entſcheiden koͤnnte. Wir muͤſſen uns begnuͤgen zu wiſſen, daß zwar die Erdaxe kleiner als der Durchmeſſer33 des Aequators, daß aber auch dieſe Abplattung nicht ſehr betraͤchtlich ſey.

Aehnliche Abplattungen haben Caſſini am Jupiter, und ganz neuerlich Herr Herſchel am Mars bemerket, welche beyde Planeten ſich ebenfalls, der erſte in etwa 10, der zweyte in 24 1 / 2 Stunden, um ihre Axen drehen, ſ. Jupiter, Mars. Man ſieht hieraus, wie genau die aus dem kopernikaniſchen Weltſyſtem und den Geſetzen der Gravitation und Schwungkraft gezognen Folgen mit der Natur uͤbereinſtimmen. Groͤße der Erde.

Die im Vorigen bereits angegebne Art, die Groͤße des Bogens vom Mittagskreiſe od (Taf. VIII. Fig. 2.) dadurch zu finden, daß man bemerkt, um wieviel beym Fortgange von o nach d der Pol, Aequator, oder irgend ein beſtimmter Punkt im Mittagskreiſe, ſeinen Abſtand vom Zenith oder Horizonte aͤndert, iſt ſchon bey den Griechen zur Abmeſſung der Erde angewendet worden.

Das Vorgeben, daß Anaximander von Milet, einer der vornehmſten Schuͤler des Thales, die erſte Abmeſſung der Erde unternommen habe, gruͤndet ſich blos auf eine uͤbel verſtandne Stelle des Diogenes Laertius (Vit. Philoſ. L. II. 〈…〉〈…〉1), welche nichts weiter ſagt, als daß dieſer Weltweiſe den Umfang der Kuͤſten von den damals bekannten Laͤndern zuerſt in einer Zeichnung dargeſtellt habe. Eben ſo wenig kan man eine vom Archytas aus Tarent veranſtaltete Erdmeſſung aus der Stelle des Horaz (Od. I. 28.):

Te maris et terrae, numeroque carentis arenae Menſorem, Archyta etc.

beweiſen, da der Dichter offenbar blos die Abſicht hat, die Talente und Kenntniſſe des Archytas zu erheben.

Die erſte hiſtoriſch gewiſſe Abmeſſung der Erde iſt die von Eratoſthenes in Alexandrien (400 Jahre v. C. G.), deren außer dem Strabo und Plinius, auch Cleomedes (Theoria cyclica, Baſil. apud Henr. Petri 1547. 8. cap. 10.) gedenkt. Eratoſthenes nahm hiebey an, daß die Stadt34 Syene, an den Grenzen Egyptens und Aethiopiens, mit Alexandrien unter einerley Mittagskreiſe liege, wiewohl dieſe Vorausſetzung falſch iſt, und Syene nach dem Prolemaͤus (Geogr. L. IV. c. 5.) um 1°53′ oſtwaͤrts von Alexandrien gelegen hat. Nun war es bey den Alten bekannt, daß in Syene am Mittage des laͤngſten Tages die Sonne im Scheitelpunkte ſtehe, und die Koͤrper auf keine Seite einen Schatten wuͤrfen, daher auch Lucan (Pharial. II. v. 586) von der

umbras nusquam flectente Syene redet. Zu Alexandrien aber beobachtete Eratoſthenes den Schatten der Mittagsſonne am laͤngſten Tage mit Huͤlfe des Taf. VIII. Fig. 5. vorgeſtellten Werkzeugs (Scapha, Scaphium). Es war dies eine hohle Halbkugel AFB, mit einem getheilten Halbkreiſe, von deren Grunde F der ſenkrechte Stift FC (gnomon) aufgerichtet war. Stellte man dies an die Sonne, und richtete den Stift FC nach dem Zenith Z, ſo gab die Laͤnge ſeines Schattens Fs in Theilen des Kreiſes ausgedruͤckt, das Maaß des Winkels FCs = ZCS, d. i. den Abſtand der Sonne vom Scheitel, an. So fand Eratoſthenes dieſen Abſtand am Mittage des laͤngſten Tages = (1 / 50) des Kreiſes (nach dem bey uns gewoͤhnlichen Ausdrucke = 12′). Er ſchloß hieraus, daß Alexandrien von Syene, wo in eben dem Augenblicke die Sonne im Scheitel ſelbſt ſtehe, um (1 / 50) des ganzen Umkreiſes der Erde entfernt ſey, und ſetzte daher dieſen Umkreis, da beyde Staͤdte nach den Berichten der Reiſenden 5000 Stadien weit aus einander lagen, auf 50X5000 = 250000 Stadien, wiewohl Plinius (Hiſt. nat. II. 108.) angiebt, er habe 252000 Stadien gefunden. Es iſt aber ſehr ſtreitig, was fuͤr ein Maaß dieſes Stadium geweſen ſey. Rechnet man es mit Lulofs (Einleitung zur mathemat. und phyſikal. Kenntniß der Erdkugel, S. 67.) zu 570 pariſer Fuß, ſo giebt dieſe Meſſung den Umkreis der Erde bey weitem zu groß. Uebrigens ſoll ſie hundert Jahre nachher von Hipparchus berichtiget worden ſeyn, obgleich Plinius und Strabo (lib. II. ) in ihren Nachrichten von dieſer Verbeſſerung ſich ſehr widerſprechen. 35

Eine andere Angabe der Groͤße der Erde ruͤhrt von dem Stoiker Poſidonius zu Rhodus her, und gruͤndet ſich nach dem Berichte des Cleomedes auf die Beobachtungen der Hoͤhe des Canopus. Da dieſer Stern zu Rhodus taͤglich nur auf kurze Zeit im ſuͤdlichen Horizonte ſichtbar ward, und ſogleich wieder verſchwand, zu Alexandrien aber im Mittagskreiſe ſich um den 48ſten Theil des Kreiſes (d. i. um 7 1 / 2) uͤber den Horizont erhob, ſo nahm Poſidonius den Abſtand beyder Orte, welcher 5000 Stadien betrug, fuͤr den 48ſten Theil des Umkreiſes der Erde an, und ſetzte daher den letztern auf 240000 Stadien. Da dies griechiſche Stadien ſind, welche genau 180000 alexandriniſche ausmachen, und das alexandriniſche Stadium auf 685 pariſer Fuß geſetzt werden kan (Lulofs §. 44. 45. ), ſo giebt dieſe Beſtimmung jeden Grad 500 Stadien, oder 342500 par. Fuß = 57083 1 / 3 Toiſen, welches der Wahrheit ſehr nahe koͤmmt. Auch Strabo fuͤhrt an, daß Poſidonius die Groͤße des Umfangs der Erde 180000 Stadien ſetzte: Prolemaͤus (Geogr. L. VII. c. 5.) nimmt eben dieſe Groͤße der Erde an, ſchreibt aber ihre Beſtimmung dem Eratoſthenes, Hipparch und Maximus Tyrius zu. Weitlaͤufigere Unterſuchungen uͤber dieſe Meſſungen der Alten und die dabey gebrauchten Maaße findet man bey Riccioli (Geographia reform. lib. V. c. 7.), Snellius (im Eratoſthenes Batavus), Struyck (Over de Grotte der Aarde) und Eiſenſchmidt (De ponderibus et menſuris. Argent. 1708. 8.).

Um das Jahr 827 der chriſtlichen Zeitrechnung ließ der beruͤhmte Kalif Al-Mamon durch viele nach Bagdad berufene Mathematiker zween Grade des Mittagskreiſes in der Ebne Singar laͤngſt den Kuͤſten des arabiſchen Meerbuſens abmeſſen. Von dieſer Meſſung giebt Alfraganus in ſeiner Aſtronomie die Nachricht, daß man die Groͤße des Grades 56 bis 56 2 / 3 arabiſche Meilen gefunden habe. Man iſt aber auch uͤber dieſes Maaß noch ungewiß

Die im Jahre 1525 von dem franzoͤſiſchen Arzte Fernel verſuchte Meſſung, deren Snellius und Riccioli erwaͤhnen, beruhte auf aͤußerſt unſichern Gruͤnden. Er beobachtete die Polhoͤhe von Paris, fuhr dann gerade nach Norden,36 bis er aus der mittaͤglichen Sonnenhoͤhe glaubte, einen Grad weiter gekommen zu ſeyn, und maß den Weg durch die Anzahl der Umlaͤufe ſeines Wagenrads. Nach der Zeit haben Clavius, Kepler, Caſari u. a. viele geometriſche Methoden, die Groͤße der Erdkugel aus Beobachtungen auf Bergen zu finden, angegeben, welche man beym Varenius (Geogr. gener. ed. Cantabr. 1672. 8. p. 27.) und Riccioli (Geograph. reform. L. V. c. 14. ſqq. ) zum Theil auch beym Wolf (Elementa geograph. mathem. Cap. I. Problem. 2. ſqq. ) findet, die aber ſaͤmmtlich wegen der dabey unvermeidlichen Fehler keine Aufmerkſamkeit verdienen.

Das einzige Verfahren, welches hiebey die noͤthige Richtigkeit gewaͤhren kan, iſt die Ausmeſſung eines an der Mittagslinie hinlaufenden Stuͤcks der Erdflaͤche durch eine Dreyeckverbindung. Eine ſolche ſtellt Taf. VIII. Fig. 6. vor. Es ſey Aβ die durch den Ort A gehende Mittagslinie; B, C, D, E, F ſeyen Standpunkte, z. B. Signale auf Bergen, Thuͤrme u. dgl., von deren jedem man auf einige der benachbarten frey ſehen kan; ab eine angenommene Grundlinie, von deren Endpunkten ebenfalls eine freye Ausſicht auf einige der naͤchſten Signale ſtatt findet; ſo werden ſich, wie die Figur deutlich zeiget, ſaͤmmtliche Punkte durch die von A bis B reichende Reihe von Triangeln AFE, Fab, bFE, EbC, bCD, DCB verbinden laſſen. Iſt nun die Grundlinie ab nebſt allen in der Figur vorkommenden Winkeln bekannt, ſo laͤßt ſich durch trigonometriſche Berechnung die Laͤnge jeder Seite der Dreyecke beſtimmen, und die ganze Figur genau in Grund legen. Kennt man ferner die Winkel FAβ, EAβ, welche die an A liegenden Seiten mit der Mittagslinie Aβ machen, ſo laſſen ſich auch diejenigen Dreyecke der Figur, welche einen Theil der Mittagslinie zur Seite haben, wie AFγ, E〈…〉〈…〉2 u. ſ. w. bis an den Punkt β (wo bey β ein rechter Winkel iſt) berechnen. Die Summe der Linien A〈…〉〈…〉3 u. ſ. f. giebt alsdann die Laͤnge des ganzen gemeſſenen Stuͤcks vom Mittagskreiſe Aβ. Wird nun noch durch aſtronomiſche Beobachtungen in A und B ausgemacht, um wieviel ſich die Polhoͤhen oder die Abſtaͤnde eines culminirenden Sterns vom37 Scheitel an beyden Orten unterſcheiden, ſo giebt dieſer Unterſchied die Groͤße des Bogens Aβ in Graden, Minuten rc. des Umkreiſes der Erde an. Die Vergleichung lehrt dann ſogleich, wie groß an dieſer Stelle ein Grad des Mittagskreiſes ſey. Und da hiebey alles auf Meſſung einer einzigen Grundlinie, auf Meſſungen von Winkeln auf der Erde und am Himmel, und auf Berechnung beruht, ſo ſieht man bald, daß der ganze Plan auf die ſicherſten Gruͤnge gebaut iſt, die man bey dem gegenwaͤrtigen Zuſtande der mathematiſchen Praxis nur immer haben kan.

Dieſen einzig richtigen Weg hat zuerſt der Hollaͤnder Willebrord Snellius im Jahre 1615 betreten, und ſeine Meſſung in einem eignen Werke (Eratoſthenes Batavus ſ. de terrae ambitus vera quantitate. Lugd. Bat. 1617. 4. ) beſchrieben. Seine Triangelverbindung gieng von Alkmaar nach Leiden und nach Bergen op Zoom. Ihm bleibt zwar das unſtreitige Verdienſt, dieſen Weg, worauf ihm nach der Zeit alle andern Geometer gefolgt ſind, zuerſt betreten zu haben, welches Verdienſt um deſto groͤßer iſt, da er ſich bey den trigonometriſchen Berechnungen des Vortheils der Logarithmen noch nicht bedienen konnte, und alſo den ermuͤdendſten Weitlaͤuftigkeiten der Rechnung ausgeſetzt war; allein eben dadurch fiel auch ſein Reſultat, welches den Grad in Holland 28500 rheinl. Ruthen oder 55021 Toiſen ſetzt, viel zu klein aus, und ob er gleich ſelbſt die Fehler ſeiner Meſſung und Rechnung einſahe, ſo hinderte ihn doch der Tod im Jahre 1626 ſie zu verbeſſern. Muſſchenbroek hat nachher dieſe Arbeit wiederholt, und das Reſultat (Diſſertationes phyſicae et geometricae. Lugd. 1729. 4. Diſſ. de magnitudine terrae) auf 29514 rheinl. Ruthen oder 57033 Toiſen geſetzt.

Norwood's Meſſung zwiſchen London und York im Jahre 1635 gab den Grad 57300 Toiſen, und die Verſuche des Riccioli und Grimaldi, welche dieſe Aufgabe auf mannigfaltige Art bearbeiteten, ſetzten ihn auf 61478 Toiſen. Die letztere Beſtimmung aber verdient gar keine Aufmerkſamkeit, weil ſich ihre Urheber unzuverlaͤßiger Methoden38 bedient haben; dahingegen die erſtere von der Wahrheit nur wenig abweicht.

Ich komme nunmehr auf die ſo beruͤhmt gewordene Meſſung des Picard, welcher den von Snellius angegebnen Weg zuerſt mit beſſern Werkzeugen und mehrern Huͤlfsmitteln der Rechnung verfolgte. Dieſem Gelehrten ward bey der Errichtung der Akademie zu Paris aufgetragen, eine Gradmeſſung in Frankreich zu veranſtalten. Er machte daher im Jahre 1669 eine von Malvoiſine bis Amiens reichende Verbindung von Dreyecken, bediente ſich dabey zur Meſſung der Winkel zum Erſtenmale der Inſtrumente mit Fernroͤhren oder teleſkopiſchen Dioptern, und beſtimmte dadurch den Grad in dieſer Gegend auf 57060 Toiſen. (Méſure de la terre par M. Picard, Paris 1671. 8. auch im Auszuge bey ſeinem Traité du nivellement. Paris 1684. 12.). So genau ſein Verfahren war, ſo hat dennoch Herr von Maupertuis (Degré du meridien entre Paris et Amiens, Paris, 1740. 8. ) noch einige Berichtigungen deſſelben verſucht.

Unter der damals noch allgemein angenommenen Vorausſetzung der vollkommnen Kugelgeſtalt folgte aus Picard's Beſtimmung der Umkreis des Meridians = 360 X 57060 = 20541600 Toiſen; hieraus durch das Verhaͤltniß 355: 113 die Groͤße des Durchmeſſers der Erde = 6538600 Toiſen; die des Halbmeſſers = 3269300 Toiſen, oder 19615800 pariſer Schuh. Dieſe Beſtimmung haben Huygens und Newton bey ihren Berechnungen zum Grunde gelegt, und man gebraucht ſie noch jetzt, wenn es nicht nothwendig iſt, auf die abgeplattete Geſtalt der Erde Ruͤckſicht zu nehmen.

Allein da Picard ſelbſt anrieth, die von ihm angefangene Gradmeſſung fortzuſetzen, ſo veranlaſſete dies die in den Jahren 1683, 1700 und 1718 unternommene Verlaͤngerung der pariſer Mittagslinie durch ganz Frankreich, bey welcher die beyden Caſſini die noͤrdlichen Grade kleiner, als die ſuͤdlichen, zu finden glaubten und dadurch den bereits im Vorigen erzaͤhlten Streit uͤber die Geſtalt der Erde erregten, welcher erſt durch die in den Jahren 1735 bis 174439 in Peru und Lappland von Bouguer und Maupertuis angeſtellten Meſſungen entſchieden ward Da die Geſchichte dieſer Unternehmungen ſchon oben erzaͤhlt worden iſt, ſo habe ich hier nur anzufuͤhren, was fuͤr Schluͤſſe man daraus in Abſicht auf die Groͤße der Erdkugel hergeleitet hat.

Folgende Tabelle (Bode Kenntniß der Erdkugel, S. 82.) zeigt die Laͤnge aller bisher gemeſſenen Grade des Mittagskreiſes in Toiſen.

Beobachter.Orte und Gegenden.Mittlere Breite.Laͤnge d.
Grads.
BouguerPeru --20′S.56753
de la CailleVorgeb. d. g. Hofn.3318S.57037
MaſonPenſylvanien -3912N.56888
Boscowichbey Rom -43156979
CaſſiniPerpignan, Rhodes443357048
BeccariaTurin --444457138
LiesganigUngarn -455756881
CaſſiniRhodes Bourges461457040
Bourges Paris472857071
LiesganigWien --484357086
CaſſiniParis, Amiens492057074
Amiens, Duͤnkirch.502757092
SnelliusHolland -52257145
NorwoodEngland -53057300
v. MaupertuisLappland -661957422

Wegen der abgeplatteten Geſtalt der Erde wird die genauere Unterſuchung ihrer Groͤße abhaͤngig von den Beſtimmungen ihrer Figur, und von dem Verhaͤltniſſe ihrer Axe zum Durchmeſſer des Aequators. Es iſt aber noch bis hieher unmoͤglich, hieruͤber etwas gewiſſes anzugeben. Man wird ſchon in der Tabelle bemerken, daß der von de la Caille gemeſſene Grad groͤßer ausfaͤllt, als man bey der Breite, unter der er gemeſſen iſt, erwarten ſollte, welches auf die Vermuthung leitet, daß die ſuͤdliche Halbkugel anders, als die noͤrdliche, gekruͤmmt, mithin die Erde kein vollkommnes Ellipſoid ſey, wie man doch bey den Berechnungen ihrer Groͤße annehmen muß. Inzwiſchen bemerkt Herr Kluͤgel (in Bode aſtronomiſchem Jahrbuche von40 1787 und 1788), daß demohnerachtet die Erde ein Ellipſoid ſeyn koͤnne, deſſen Axe aber nur von der Axe der Umdrehung in etwas verſchieden ſey. Waͤre dieſe Verruͤckung der Axe oder des Schwerpunkts durch eine Revolution bewirkt worden, und haͤtte das Cap ehedem vom Aequator weiter abgelegen, als jetzt, ſo ließe ſich die Groͤße des Grades daſelbſt erklaͤren, ohne eine andere als die ellipſoidiſche Geſtalt der Erde anzunehmen.

Unter der Vorausſetzung dieſer Geſtalt kommen bisher noch immer andere Verhaͤltniſſe des Durchmeſſers zur Axe heraus, je nachdem man dieſes oder jenes Paar von Graden vergleicht. Mallet (Mathem. Beſchr. der Erdkugel, Cap. IV. §. 23.) giebt nach ſeiner auf die Natur der Ellipſe gegruͤndeten Formel Folgendes an:

Verglichene Paare vonVerhaͤltniß des Durch -
Graden.meſſers zur Axe.
Lappland, Frankreich144,5: 143,5
Cap der guten Hofnung, Peru180,7: 179,7
Lappland, Peru215,2: 214,2
Lappland, Cap der gut. Hofn. 240,6: 239,6
Frankreich, Peru300,6: 299,6
Italien, Peru351,5: 350,5

Das Mittel aus dieſen allen iſt 238,8: 237,8, welches Newtons aus der bloßen Theorie hergeleitetem Verhaͤltniſſe 230,6: 229,6 nahe genug koͤmmt. Euler (Mem. de l'Acad. de Pruſſe 1753. p. 265.) hat die vier von Picard, Maupertuis, Bouguer und de la Caille gemeſſenen Grade dadurch in eine Ellipſe zu bringen geſucht, daß er jeden um etwas aͤndert. Er findet dieſer Ellipſe Durchmeſſer zur Axe wie 230: 229, welches Newtons Verhaͤltniß ſelbſt iſt. De la Caille aber war mit dieſen Aenderungen nicht zufrieden. Nach andern Regeln und Vorausſetzungen finden das Verhaͤltniß des Durchmeſſers zur Axe

Maupertuis wie178: 177
Bouguer179: 178
de la Caille200: 199
Ulloa266: 265
de la Condamine300: 299

41

Uebrigens laͤßt ſich dieſes Verhaͤltniß auch unmittelbar durch Vergleichung der Pendeln an verſchiedenen Orten, ohne beſondere Gradmeſſung finden; ſ. Pendel.

Legt man ein anderes Verhaͤltniß zum Grunde, ſo erhaͤlt man natuͤrlich auch andere abſolute Groͤßen des Durchmeſſers und der Axe ſelbſt. Einige der vornehmſten Angaben hieruͤber ſind folgende, in Toiſen ausgedruͤckt:

Halbe Axe.Halbm. d. Aequ.
Maupertuis3262800-3255398
Bouguer3262688,5-3281013
die berliner aſtr. Tafeln
(Newtons Verhaͤltniß)3262875-3277123
Mallet. (200: 199) -3264049-3280451

Herr Kluͤgel, welcher ſehr ſcharfſinnig unterſucht hat, was ſich aus allen bisherigen Meſſungen auf der Nordſeite des Aequators noch am wahrſcheinlichſten folgern laſſe, giebt folgendes an:

Mittlerer Halbmeſſer der Kruͤmmung3 271 589Toiſen.
Mittlerer Grad des Mittagskreiſes57 100
Halbmeſſ. der Kruͤmm. unter d. Aequ.3 251 249
----- unter d. Pol3 303 045
Halbmeſſer des Aequators3 279 991
Halbe Erdaxe3 262 447
Verhaͤltniß beyder187: 186
Mittlerer Halbmeſſer der Erde3 275 790Toiſen.
Groͤße des Grads auf dem Aequ.57 247
Groͤße des Grads auf dem mittlern
Umfange der Erde57 173,5
Der 15te Theil hievon, oder die
geographiſche Meile3 811,6
oder 23661 rheinl. Fuß = 26274 leipz. Fuß.

nach welchen Angaben auf den Umfang eines Meridians 5393, und auf den Umfang des Aequators 5407 geographiſche Meilen kommen.

Mallet theilt, freylich nach andern Vorausſetzungen, analytiſche Berechnungen der ellipſoidiſchen Oberflaͤche und des koͤrperlichen Inhalts mit, nach welchen42

der Umkreis eines Meridians5389 geogr. Meilen
die Oberflaͤche der Erde8400165 Quadr. Meilen
der koͤrperliche Inhalt2669064400 Cubikmeilen

betraͤgt.

Soweit reichen die Reſultate der bisherigen Beobachtungen, welche es ſogar unwahrſcheinlich machen, daß ſich jemals etwas Beſtimmteres uͤber die Groͤße und Geſtalt der Erde werde angeben laſſen. Inzwiſchen iſt das Gefundene zu den meiſten Abſichten voͤllig hinreichend. Da die Abplattung der Erde (degré d' applatiſſement) oder die Groͤſſe, um welche die Axe kuͤrzer als der Durchmeſſer iſt, nur ſehr wenig (zwiſchen (1 / 178) und (1 / 300) des Durchmeſſers) betraͤgt, ſo ſieht man leicht, daß es ganz uͤberfluͤßig ſeyn wuͤrde, bey Verfertigung der Landkarten und Globen darauf Ruͤckſicht zu nehmen.

In den mehreſten Faͤllen wird man ſich ſchon damit begnuͤgen koͤnnen, die Erde als eine vollkommne Kugel zu betrachten, auf der der Grad eines groͤßten Kreiſes nach Picards Meſſung 57060 Toiſen, oder nach Herrn Kluͤgels Mittel aus den neuern Beſtimmungen 57173 1 / 2 Toiſen betraͤgt. Nennt man den funfzehnten Theil eines ſolchen Grades eine Meile (ſ. Meile, geographiſche), ſo enthaͤlt der ganze Umfang 5400 ſolcher Meilen, woraus man nach den bekannten Regeln der Geometrie

den Durchmeſſer1719 Meilen,
die Oberflaͤche -9 282 060 Quadr. Meilen,
den koͤrperlichen Inhalt2659 310 190 Cubikmeilen,

findet. In churſaͤchſiſchen Meilen, jede zu 2000 achtelligen Ruthen oder 32000 leipziger Fuß gerechnet (ſ. Meile), und das Verhaͤltniß des pariſer Fußes zum leipziger, wie 14400: 12529 geſetzt, wuͤrde nach den Kluͤgeliſchen Angaben

der Durchmeſſer des Aequators -1413,7 Meilen
der mittlere Durchmeſſer der Erdkugel1409,9
die Axe der Erde ---1406,1

betragen. 43Die Erdkugel, als Planet betrachtet.

Es kan in unſern Zeiten nicht mehr als zweifelhaft angeſehen werden, daß unſere Sonne einer von den unzaͤhlbaren leuchtenden Himmelskoͤrpern ſey, welche wir Fixſterne nennen, und daß die Erde unter die Anzahl der dunkeln Koͤrper gehoͤre, welche in elliptiſchen Bahnen um die Sonne laufen, und denen wir den Namen der Planeten geben. Mit welchem hohen Grade der Wahrſcheinlichkeit ſich dieſes behaupten laſſe, wird bey dem Worte: Weltſyſtem mit mehrerm gezeigt werden.

Die Erde iſt unter den ſieben um die Sonne laufenden Planeten, vom Mittel oder von innen aus gerechnet, der dritte. Ihre Laufbahn umſchließt die Bahnen des Merkurs und der Venus (der untern Planeten), dagegen ſie von den Bahnen des Mars, Jupiter, Saturn und Uranus (der obern Planeten) umſchloſſen wird. Daher koͤmmt es, daß wir von der Erde aus die untern Planeten beſtaͤndig bey oder neben der Sonne, die obern aber bisweilen auch der Sonne gegenuͤber ſehen (ſ. Aſpecten, Oppoſition).

Der Umlauf der Erde um die Sonne (motus periodicus, revolution périodique) erfolgt in der elliptiſchen Erdbahn, in deren Brennpunkte die Sonne ſteht. Nach den neuſten aſtronomiſchen Beſtimmungen laͤßt ſich die halbe große Axe dieſer Bahn, oder der mittlere Abſtand der Erde von der Sonne auf 23430 Halbmeſſer oder 11715 Durchmeſſer der Erde ſetzen. Man kan ſich den Begriff hievon ſo machen, daß gegen 12000 Erdkugeln an einander geſetzt werden muͤßten, um von hier aus die Sonne zu erreichen. Theilt man dieſe Groͤße in 100000 Theile, ſo macht die Eccentricitaͤt der Erdbahn (ſ. Eccentricitaͤt) 1683 ſolcher Theile aus. Ohngefaͤhr um den Anfang des Jahres iſt die Erde der Sonne am naͤchſten, und um den erſten Junius ſteht ſie von ihr am weitſten ab; ſ. Sonnennaͤhe, Sonnenferne.

Die Zeit, in welcher unſere Erde dieſe große Bahn voͤllig einmal durchlaͤuft, heißt das Sonnenjahr, und betraͤgt44 ohngefaͤhr 365 1 / 4 Tage, oder 8766 Stunden. Genauere Beſtimmungen derſelben werden bey dem Worte: Sonnenjahr, gegeben. Nimmt man die Erdbahn zur Erleichterung der Rechnung fuͤr einen Kreis an, deſſen Halbmeſſer 23430 Erdhalbmeſſer betraͤgt, ſo findet man daraus den in 8766 Stunden zuruͤckgelegten Umfang = 147214 Erdhalbmeſſern, deren jeder 859 1 / 2 geographiſche Meile gerechnet werden kan. Die Erde durchlaͤuft alſo in einer Stunde (147214 X 859,5 / 8766) = 14434, folglich in einer einzigen Secunde 4 Meilen oder 94644 rheinl. Fuß, welches die Geſchwindigkeit einer Kanonenkugel, die man auf 600 Fuß in einer Secunde ſetzen kan, 157mal uͤbertrift.

Die Richtung dieſer Bewegung geht nach der Folge der himmliſchen Zeichen, d. i. ſo, daß die Erde einem innerhalb ihrer Bahn geſtellten mit dem Haupte gegen den Nordpol gekehrten und gegen die Erde ſehenden Zuſchauer ſtets von der Rechten gegen die Linke zu laufen ſcheinen wuͤrde, ſ. Folge der Zeichen.

Die Umwaͤlzung der Erde um ihre Axe (motus vertiginis, revolution diurne, rotation) geſchieht in einem Zeitraume, der ſich immer gleich bleibt, und daher das eigentliche aus der Natur ſelbſt genommene Maaß der Zeit abgiebt. Er heißt der Sterntag, oder Tag der erſten Bewegung, ſ. Sternzeit, und macht in mittlerer Sonnenzeit nur 23 St. 56 Min. 4 Sec. aus. Die Richtung dieſer Bewegung iſt ebenfalls nach der Folge der Zeichen, oder von Abend gegen Morgen. Dieſe Umwaͤlzung der Erdkugel, welche wir an nichts weiter, als an den Geſtirnen, bemerken, macht, daß ſich die Himmelskugel taͤglich nach der entgegengeſetzten Richtung, oder von Morgen gegen Abend, um die verlaͤngerte Erdaxe zu drehen ſcheint.

Bey dieſer Umwaͤlzung beſchreibt jeder Ort einen deſto groͤßern oder kleinern Kreis, je geringer oder groͤßer ſein Abſtand vom Aequator der Erde iſt. Taf. VIII. Fig. 3., wo PR die Axe der Umdrehung iſt, beſchreibt der Ort E einen Kreis vom Halbmeſſer HE, G einen vom Halbmeſſer KG. 45Der im Aequator AQ ſelbſt gelegne Ort beſchreibt einen groͤßten Kreis, und legt alſo binnen 24 Stunden 5400 Meilen, d. i. in einer Secunde 1540 rheinl. Fuß zuruͤck, welche Geſchwindigkeit die einer Kanonenkugel etwa 2 1 / 2mal uͤbertrift.

Es ſteht aber die Are der taͤglichen Umwaͤlzung der Erde nicht ſenkrecht auf der Ebne ihrer jaͤhrlichen Bahn, ſondern neigt ſich vielmehr um einen Winkel von etwa 23 1 / (ſ. Schiefe der Ekliptik) gegen diejenigen Himmelsgegenden, in welchen die Weltpole ſtehen. Dieſe Neigung behaͤlt die Erdaxe in allen Stellen der Erdbahn ohne betraͤchtliche Veraͤnderung bey, ſo daß ſie ſich jederzeit ziemlich parallel bleibt. Die ſchiefe Stellung der Erdaxe gegen die Erdbahn macht, daß ſich der Aequator des Himmels und die Ekliptik unter eben dieſem Winkel von 23 1 / zu durchſchneiden ſcheinen; daher die Sonne in unſern Gegenden vom 21. Maͤrz bis 21. Jun. um 23 1 / uͤber den Aequator hinauf gegen den Nordpol ſteigt, vom 23. Sept. aber bis 21. Dec. um eben ſoviel unter den Aequator hinab gegen den Suͤdpol ſinkt. Hierinn liegt der Grund der abwechſelnden Tageslaͤngen und Jahrszeiten auf unſerer Erdkugel. Die einfache und ſchoͤne Erklaͤrung, welche ſich im kopernikaniſchen Weltbau hievon geben laͤßt, wird bey dem Worte: Weltſyſtem ausfuͤhrlicher vorgetragen werden.

Der jaͤhrliche Umlauf der Erde um die Sonne erfolgt ſo, wie es die Geſetze der elliptiſchen Centralbewegungen erfordern, ſ. Centralbewegung, Centralkraͤfte. Es folgt alſo daraus, daß die Erdkugel gegen die Sonne durch eine Gravitation getrieben werde, welche ſich umgekehrt, wie das Quadrat ihres Abſtandes von derſelben, verhaͤlt. Zu dieſer Gravitation muß im erſten Anfange ein Stoß oder eine mitgetheilte Bewegung nach einer Tangente der Erdbahn hinzugekommen ſeyn, deſſen Verbindung mit der Gravitation den Anfang der Umlaufsbewegung verurſacht hat, welche nun durch beſtaͤndige Verbindung der einmal mitgetheilten Bewegung mit eben dieſer Gravitation unaufhoͤrlich fortdauert. Ein anderer Stoß, oder eine andere mitgetheilte Bewegung iſt die Urſache der Umdrehung um die46 Axe geworden, welche nun ganz unabhaͤngig von dem jaͤhrlichen Umlaufe, als eine einmal mitgetheilte Bewegung, vermoͤge der Traͤgheit der Materie, ſich ſtets gleichfoͤrmig in eben derſelben Geſchwindigkeit erhaͤlt. Beyde Bewegungen gehen zwar nach einerley Seite zu, ihre Richtungen aber ſchneiden ſich doch unter einem Winkel von 23 1 / 2 Graden.

Inzwiſchen wird die Erdkugel bey ihrem jaͤhrlichen Umlaufe um die Sonne, durch ihre Gravitation gegen andere Weltkoͤrper, hauptſaͤchlich gegen den Mond, die Venus und den Jupiter, ein wenig geſtoͤrt. Davon ruͤhren die Veraͤnderungen der Sonnennaͤhe und Sonnenferne, und andere Ungleichheiten in der ſcheinbaren Bewegung der Sonne her, auf welche man bey der Berechnung ihres jedesmaligen wahren Ortes aus den aſtronomiſchen Tafeln Ruͤckſicht nehmen muß, und von welchen ſich in keinem andern, als in dem kopernikaniſchen Syſtem und nach Newtons Lehre von der allgemeinen Schwere, eine Urſache angeben laͤßt.

Der ſcheinbare Durchmeſſer der Erdkugel wuͤrde aus der Sonne betrachtet, nur unter einer Groͤße von 17 Sekunden oder wenig druͤber, erſcheinen, ſ. Sonnenparallaxe, d. i. die Erde zeigt ſich daſelbſt nur ſo groß, als uns der Planet Mars, wenn er Abends um 9 Uhr in Suͤden ſteht. Da uns nun der Durchmeſſer der Sonne etwas uͤber einen halben Grad (32′) groß, und alſo 112mal groͤßer, erſcheint, ſo folgt hieraus, daß die Erdkugel

im Durchmeſſer 112mal

an Oberflaͤche 12544mal

an koͤrperlichem Raume 1404928mal

kleiner, als die Sonne, ſey.

Aus den Vergleichungen der Gravitation der Planeten gegen die Sonne mit der Schwere der Erdkoͤrper berechnet de la Lande, daß in gleichen Entfernungen die Gravitation nach der Sonne 365412mal ſtaͤrker, als die Schwere nach der Erde ſey. Weil ſich nun nach Newtons Grundſaͤtzen die Gravitation in gleichen Abſtaͤnden, wie die Maſſe des anziehenden Koͤrpers verhaͤlt, ſo folgt hieraus, daß die47 Maſſe der Erde nur den 365412ten Theil von der Maſſe des Sonnenkoͤrpers ausmache. Da endlich die Dichtigkeiten ſich, wie die Quotienten der Maſſen durch die Volumina, verhalten, ſo findet ſich die Dichte des Erdkoͤrpers (1404928 / 365412) d. i. beynahe viermal groͤßer, als die Dichte der Sonne.

Man bezeichnet in der Sternkunde die Erde, wenn man ſie als einen Planeten betrachtet, mit

[figure]

.

Sie hat zum beſtaͤndigen Begleiter in ihrer jaͤhrlichen Laufbahn den Mond, einen im Durchmeſſer beynahe viermal kleinern kugelfoͤrmigen Koͤrper, welcher ſeinen elliptiſchen Umlauf um die Erde, von der er etwa um 60 Erdhalbmeſſer abſteht, monatlich einmal vollendet, und von welchem in einem eignen Artikel gehandelt wird. Oberflaͤche der Erde.

Nach der im Vorigen angegebnen Groͤße der Erde begreift ihre Oberflaͤche einen Raum von 9282060 geographiſchen Quadratmeilen. Zwar iſt die wahre Oberflaͤche wegen der durch Berge und Thaͤler verurſachten Unebenheiten groͤßer; da ſich aber hieruͤber keine Rechnung fuͤhren laͤßt, ſo giebt obige Zahl wenigſtens die der Meeresflaͤche gleich liegende Grundoberflaͤche an.

Der groͤßte Theil dieſer Oberflaͤche iſt mit Waſſer bedeckt, uͤber welches vornehmlich zwey große Stuͤcken feſten Landes, außerdem aber auch noch viele tauſend kleinere Inſeln von verſchiedener Groͤße hervorragen, und die den Menſchen angewieſenen Wohnplaͤtze ausmachen. Da das ſuͤdwaͤrts von den Molucken gelegne Neuholland eine ſehr große Inſel iſt, ſo wird es von Herrn Forſter (Bemerkungen uͤber Gegenſtaͤnde der phyſikaliſchen Erdbeſchreibung, a. d. Engl. Berlin, 1783. 8. ) fuͤr ein drittes Stuͤck feſten Landes gerechnet.

Das erſte Stuͤck des feſten Landes, gemeiniglich die alte Welt genannt (weil es groͤßtentheils ſchon den Alten bekannt war), begreift die drey Welttheile, oder Erdtheile Europa, Aſien und Afrika. Europa bedeckt ohngefaͤhr48 den 54ſten Theil der Erdflaͤche, liegt faſt ganz in der noͤrdlichen gemaͤßigten Zone, und erſtreckt ſich nur mit einem geringen Theile uͤber den Polarkreis hinaus in die noͤrdliche kalte Zone. Aſien graͤnzt an Europa oſtwaͤrts, macht den 14ten Theil der Erdflaͤche aus, ſein mittlerer und ganz zuſammenhaͤngender Theil faͤllt in die noͤrdliche gemaͤßigte, der noͤrdliche in die kalte, und der ſuͤdliche ſtreckt ſich mit drey Landſpitzen bis in die heiße Zone. Afrika, welches ſuͤdwaͤrts von Europa liegt, und den 17ten Theil der Erdflaͤche bedeckt, faͤllt groͤßtentheils in die heiße, und hat nur ſeinen nordlichen Theil und ſeine ſuͤdliche Spitze in den beyden gemaͤßigten Zonen.

Das zweyte Stuͤck oder die von Chriſtoph Colom im Jahre 1492 entdeckte neue Welt beſtehet aus dem vierten Welttheile, welcher von dem Florentiner Amerigo Veſpucci den Namen Amerika erhalten hat. Dieſer Welttheil liegt von Europa aus, wenn man den naͤchſten Weg waͤhlet, weſtlich, nimmt etwa den 16ten Theil der Erdflaͤche ein und erſtreckt ſich von der nordlichen kalten Zone uͤber die nordliche gemaͤßigte, und durch die heiße bis tief in die ſuͤdliche gemaͤßigte Zone hinein. Er wird durch die in der Mitte befindliche ſchmale Landenge bey Panama in zwey Theile, Nord - und Suͤdamerika getheilt. Von dem nordlichſten Theile deſſelben kennen wir groͤßtentheils nur die Kuͤſten.

Die im großen Suͤdmeere oder ſtillen Meere zwiſchen Aſien und Amerika gelegnen haͤufigen Inſeln haben einige neuere Geographen, unter dem Namen Auſtralien oder Polyneſien, als einen fuͤnften Welttheil betrachtet. Es gehoͤren dazu Neuholland, Neuguinea, das Land der Papuas, Neubritannien, Neuirland, Louiſiade, Neuſeeland und mehrere in der heißen und in der ſuͤdlichen gemaͤßigten Zone gelegne Inſeln.

Nach einer aus Tempelmann (New Surview of the Globe in 35 Kupfertafeln) und Kluͤgel (Encyclopaͤdie, Th. II. S. 422.) genommenen Berechnung giebt Herr Bode den Flaͤchenraum von49

Europa-171834geogr.
[figure]
meilen.
Aſien-641093
Afrika-531638
Amerika-572110
Neuholland-143000
Summe2,059675

Rechnet man nun auch die uͤbrigen Inſeln und das, was den neuſten Entdeckungen zufolge noch fuͤr die Groͤße von Amerika hinzuzuſetzen ſeyn moͤchte, auf eine Million Quadratmeilen, ſo hat man doch fuͤr das ſaͤmmtliche trockne Land nicht mehr als 3,059675 Quadratmeilen. Dies gegen die oben angegebne Groͤße der Kugelflaͤche gehalten, zeigt, daß uͤber 2 / 3 der Erdflaͤche mit Waſſer bedeckt ſind, und das feſte Land noch nicht 1 / 3 betraͤgt. Die Hofnung, noch ein großes feſtes Land gegen Suͤden zu finden, mit der man ſich ſonſt ſchmeichelte, ſcheint auch nunmehr ziemlich verſchwunden zu ſeyn (Man ſ. Forſters Bemerkungen uͤber Gegenſt. der phyſik. Erdbeſchr. S. 58. u. f.).

Wie Vorſtellungen von der Oberflaͤche der Erde entworfen werden, ſ. bey dem Worte: Landkarten. Die ganze Oberflaͤche legen vor Augen: Eaſtern and Weſtern Hemiſphere, London, by Jefferies and Faden. 1773. 1775, auf zwey Bogen. Die nordliche und ſuͤdliche Erdoberflaͤche, auf der Aequatorflaͤche entworfen, von Chriſtlieb Benedikt Funk. Leipzig, 1781 auf zwey Bogen, nebſt einer Anweiſung zum Gebrauch. Hemiſphere ſuperieur et inferieur de la Mappemonde, projettés ſur l'horizon de Paris par le P. Chryſologue de Gy. Paris 1778, zwey Bogen. Die obere oder nordliche, die untere oder ſuͤdliche Halbkugel der Erde, mit den neuſten Entdeckungen, auf den Horizont von Berlin ſtereographiſch entworfen von J. E. Bode. Berlin, 1783. Zwey Bogen mit Anweiſung zum Gebrauch.

Bey der Betrachtung dieſer Abbildungen fallen folgende Bemerkungen leicht in die Augen.

1) Man kan die Erdkugel in zwo Helften theilen, deren eine groͤßtentheils mit Land, die andere mit Waſſer bedeckt50 iſt. Die Landhalbkugel hat Grosbritannien zu ihrem Mittelpunkte, und begreift alle vier Welttheile blos mit Ausſchluß der ſuͤdlichen Spitzen von Amerika und Aſien; da hingegen die Waſſerhalbkugel, deren Mittel in die Neuſeelandsinſeln faͤllt, außer dieſen Spitzen lauter Meer und Inſeln in ſich faſſet. Auf der kuͤnſtlichen Erdkugel theilt der Horizont beyde Halbkugeln ab, wenn man den 185ſten Grad der Laͤnge unter den meſſingenen Meridian fuͤhrt, und den Globus ſelbſt auf die ſuͤdliche Polhoͤhe von 50 Grad ſtellt.

2) Faſt alle große Stuͤcken des feſten Landes endigen ſich gegen Suͤden zu in Spitzen mit hohen Vorgebirgen, welche weſtwaͤrts große Buchten oder Meerbuſen, oſtwaͤrts Inſeln neben ſich haben. Dieſe Anordnung findet ſich an der Spitze von Afrika, am Cap Comorin in Aſien, an der Spitze von Amerika, an Neuholland rc. Der Anblick iſt faſt ſo, als ob eine große von Suͤden hereingebrochne Waſſerfluth dem trocknen Lande ſeine Geſtalt gegeben haͤtte.

Uebrigens habe ich wegen anderer hiemit verbundenen Materien auf die Artikel: Meer, Berge, Quellen, Fluͤſſe, Seen zu verweiſen. Innere Beſchaffenheit der Erdrinde.

Es iſt unmoͤglich, von der innern Beſchaffenheit der Erde ſelbſt etwas mehr, als Muthmaßungen anzugeben. Selbſt die tiefſten Bergwerke erſtrecken ſich nicht uͤber eine Teufe von 500 Lachtern oder etwa 510 Toiſen, welches kaum (1 / 6000) des Halbmeſſers der Erde austraͤgt. Und ſelbſt dieſe Oefnungen ſind in Bergen, d. i. an hoͤhern Stellen der Erdflaͤche gemacht, da die niedrigſten vom Meere bedeckt werden. Aus den Erfahrungen im Innern der Berge auf das Innere der Erde ſchließen, waͤre alſo eben ſoviel, als die innere Structur einer Eiche nach ihrer Rinde beurtheilen. Inzwiſchen werden doch die vornehmſten Reſultate der Erfahrungen uͤber die Rinde ſelbſt hier eine ſchickliche Stelle finden.

Wo man auch in die Erde graͤbt, findet man im platten Lande den lockern Theil ihrer Rinde aus verſchiedenen51 uͤber einander gelegten Schichten oder Lagern (Strata, couches) zuſammengeſetzt. Die oberſte Lage beſteht gemeiniglich aus der ſogenannten Damm - oder Gartenerde, vegerabiliſchen Erde, worinn die Pflanzen wachſen, und in welche auch die Thiere und Pflanzen durch Faͤulniß, Vertrocknung und Abreibung wieder aufgeloͤſet werden. Man findet aber auch dergleichen Dammerde bisweilen in einiger Tiefe unter andern Schichten. Die Ordnung der Schichten richtet ſich nicht immer nach der eigenthuͤmlichen Schwere der Materien. Beyſpiele ſolcher, beſonders beym Brunnengraben gemachter, Erfahrungen, finden ſich unter andern bey Bergmann (Phyſikal. Beſchr. der Erdkugel, Th. I. S. 176 u. f.). So fand man in Amſterdam im Jahre 1616 obenauf Dammerde 7 Fuß, ſodann Torf 9 Fuß; weichen Thon 9; Sand 8; Erde 4; Thon 10; Erde 4; Sand 10; blauen Thon 2; weißen groben Sand 4; duͤrre Erde 5; feine weiche Erde 1; Sand 14; Sand mit Thon 8; Sand mit Conchylien 4; Thon 102; Sand 31, zuſammen eine Tiefe von 232 Fuß bis auf das Waſſer.

Dergleichen Schichten entſtehen ſonſt, wenn Waſſer mehreremal mit ungleichen Materien vermiſcht wird, und dann jedesmal ſoviel Ruhe genießet, daß die beygemiſchten Theile niederfallen und Bodenſaͤtze bilden koͤnnen. Sind die Erdſchichten ſo entſtanden, ſo muß alles trockne platte Land einmal mit Waſſer bedeckt geweſen ſeyn; und dieſes Waſſer muß zu verſchiedenen Zeiten verſchiedene Beymiſchungen gehabt haben. Die haͤufigen Conchylien, die man hin und wieder in den Erdſchichten, bisweilen in großen Tiefen findet, ingleichen die Unebenheiten mancher Schichten, welche gleichſam das wellenfoͤrmige Schwanken des Waſſers zur Zeit des Niederfallens anzeigen, ſetzen es beynahe außer Zweifel, daß die obere Erdrinde auf dieſe Art gebildet ſey. Alles dies kan auch nicht durch ploͤtzliche Ueberſchwemmungen, ſondern nur durch einen langwierigen und ruhigen Stand des Waſſers bewirkt worden ſeyn.

Andere Schichten ſind neuer, und durch wiederholte Ueberſchwemmungen des Trocknen entſtanden. Darauf kan52 man vornehmlich ſchließen, wenn man die Dammerde in der Tiefe mit andern Schichten bedeckt wieder findet. Dieſe neuern Schichten zeigen auch nie Ueberreſte von Conchylien. Oft finden ſich Schichten von Lava und andern vulkaniſchen Materien, deren Urſprung offenbar von Ausbruͤchen des unterirdiſchen Feuers herzuleiten iſt.

Eben dieſe Reſultate laſſen ſich auch aus der Betrachtung des Innern der Berge herleiten. Zwar zeigen die urſpruͤnglichen oder zur erſtern Ordnung gehoͤrigen Berge, welche groͤßtentheils aus Granit beſtehen, keine regelmaͤßigen Schichten und keine Spuren von Seeprodukten; deſto haͤufiger aber trifft man ſowohl den lagerfoͤrmigen Bau, als auch die Seekoͤrper in den Schiefergebirgen und vorzuͤglich in den Floͤtzgebirgen oder Bergen der zweyten Ordnung an. Eine dritte Claſſe der Berge, welche aus Sandſtein, Mergelſchichten, Eiſen und Kupfererzen, Gypsſteinen u. dgl. beſteht, ſcheint neuer zu ſeyn, und enthaͤlt, ſtatt der Seeprodukte, Spuren von Holz, Pflanzen und Landthieren. Eine vierte Claſſe endlich zeigt deutlich ihren vulkaniſchen Urſprung. Man ſehe hieruͤber den Artikel BergeZu dem Artikel Berge gehoͤren noch folgende ſeit der Ausgabe des erſten Bandes erſchienene vorzuͤgliche Buͤcher:C. Haidingers Entwurf einer ſyſtematiſchen Eintheilung der Gebirgsarten welcher den von der ruſſiſch - kayſerl. Acad. der W. fuͤr d. J. 1785 ausgeſetzten Preis erhalten hat. Petersburg, 1786. 4.A. G. Werners kurze Claſſification und Beſchreibung der verſchiedenen Gebirgsarten. Dreßden, 1787 8.Klaſſifikation der Gebirgsarten, nach den Voigtiſchen drey Briefen uͤber die Gebirgslehre. Leipz. 1787. 8..

Oefters haben neben einander liegende Berge einerley Schichten in einerley Ordnung, und es hat das Anſehen, als ob das Thal zwiſchen ihnen herausgeriſſen waͤre. Bisweilen haben auch die Thaͤler ihre eignen Lagen, als ob dieſelben erſt nach der Bildung des Thals entſtanden waͤren. Im Innern beſtehen die Berge aus großen Steinmaſſen, welche hie und da große Hoͤhlen, Spalten und Riſſe haben, ſ. Hoͤhlen. Manche dieſer Spalten, beſonders in den Schiefergebirgen, ſind mit mineraliſchen Koͤrpern ausgefuͤllt, und53 werden in der Lehre vom Bergbau Gaͤnge genannt. Sie koͤnnen als Parallelepipeda angeſehen werden, wovon zwo Dimenſionen ſehr groß gegen die dritte ſind. Man nennt die Richtung ihres Fortgangs nach den Weltgegenden ihr Streichen, ihre Neigung gegen die Verticalebne ihr Fallen, und ihre dritte, gemeiniglich nur geringe, Dimenſion ihre Maͤchtigkeit. Sie ſtreichen bisweilen ſehr weit, indem ſie ſich der Maͤchtigkeit nach verſchiedentlich erweitern, verengern und oft ploͤtzlich abſchneiden. Außer den großen Steinmaſſen trifft man auch hin und wieder anſehnliche Haufen einzelner loſen Steine, neben und uͤber einander aufgethuͤrmt, oder am Fuß der Berge Geſchiebe von eben dem Geſtein an, das die Berge enthalten.

Die hoͤchſten und aͤlteſten Gebirge der Erdflaͤche werden gewoͤhnlich von den niedrigern Thonſchiefergebirgen, dieſe von den Kalkbergen, und letztere an manchen Stellen von den Sandhuͤgeln der dritten Ordnung umringt, welche ſich allmaͤhlig im flachen Lande verlieren.

Was endlich das Innere der Erdkugel ſelbſt betrifft, uͤber deſſen Beſchaffenheit uns unmittelbare Beobachtungen gaͤnzlich fehlen, ſo haben ſich Einige daſſelbe als eine ungeheure Hoͤhlung vorgeſtellt, Andere haben es mit Feuer, Waſſer, einem Magnete u. dgl. anfuͤllen wollen. Die Beobachtungen aber, welche Herr Maſkelyne bey dem Berge Shehallien in Schottland uͤber die Anziehung der Berge gegen das Bleyloth angeſtellt hat, und von welchen ich bey dem Worte: Gravitation, ausfuͤhrlicher rede, haben gezeigt, daß die mittlere Dichtigkeit der Erdkugel (ſ. Dichte) ſich mit hinlaͤnglicher Sicherheit doppelt ſo groß, als die Dichtigkeit dieſes Berges, der ein dichter gleichfoͤrmiger Granit iſt, ſetzen laſſe, welche Erfahrung nach Hrn. Maſkelyne's eigner Bemerkung alle Syſteme umſtoͤßt, die aus der Erde eine hohle Kugel machen. Hypotheſen uͤber die Entſtehung und Bildung der Erde.

Die Menge der hieruͤber entworfenen Theorien iſt ungemein zahlreich. Schon im entfernteſten Alterthume finden54 ſich haͤufige Spuren von Verſuchen, die Kosmogonie zu erklaͤren. Viele unter den Alten nahmen ein Chaos an, aus welchem durch den Streit der Elemente eine Scheidung derſelben erfolgt, und alles an ſeine gehoͤrige Stelle getreten ſey,

Lucidus hic aer, et quae tria corpora reſtant, Ignis, aquae, tellus unus acervus erant.

Ut ſemel haec rerum ſeceſſit lite ſuarum, Inque novas abiit maſſa ſoluta domos;

Flamma petit altum, propior locus aëra cepit, Sederunt medio terra fretumque ſolo.

Ovid. Faſt. I. 105 ſqq.

Leucipp, Epikur und Demokrit hingegen ließen die Welt aus Atomen entſpringen, welche von jeher in einer lothrechten fallenden Bewegung geweſen ſeyn, durch eine ploͤtzliche Stoͤrung aber von ihrem geradlinichten Wege abgelenkt, ſich zufaͤllig zuſammengefuͤgt und ſo die Koͤrper gebildet haben ſollten. Ueber dieſe Meynungen der Alten hat Bayle im hiſtoriſch-kritiſchen Woͤrterbuche unter den Art. Ovid und Epikur mit vielem Scharfſinn und Gelehrſamkeit geſchrieben.

Descartes (Principia philoſophiae, im 2ten B. ſeiner Opp. auch Amſt. 1685. 4. ) bildet die Welt aus einem harten Klumpen Materie, den der Schoͤpfer durch ſeine Allmacht zerſchlug und in Bewegung ſetzte. Durch das Abreiben der Theile an einander entſtand eine ſehr ſubtile Materie, eine Menge kugelfoͤrmiger Theilchen und eine Anzahl grober eckichter Stuͤcke. Dies ſind ſeine drey Elemente. Die ſubtile Materie bildete die Sonnen oder Fixſterne; die kugelfoͤrmigen Theilchen machten den Aether oder die Materie der Wirbel aus; die eckigten Stuͤcken gaben den Stoff zu den Planeten und Kometen. Die Erde war Anfangs ein Stern mit einem eignen Wirbel, aber mit vieler groben Materie vermiſcht, welche endlich eine ganz dunkle Rinde darum bildete, aus der das innere Centralfeuer nur hie und da noch hervorbricht. So ward ſie von dem Wirbel der Sonne ergriffen und fortgeriſſen. Die groͤbſten Theile des dritten Elements in der Erdrinde ſtuͤrzten zuerſt nieder, und55 bildeten die Erdſchichten und das Waſſer. Da aber die feinen Theile des dritten Elements, welche uͤber dem Waſſer lagen, nicht ganz von den groͤbern befreyt werden konnten, ſo wuchs von ihnen ein Bette uͤber dem Waſſer zuſammen, das endlich einſtuͤrzte, und Plaͤnen, Anhoͤhen und Berge hervorbrachte. Auf eine eben ſo mechaniſche Art faͤhrt dieſer Weltweiſe fort, die Entſtehung der Vulkane, Salze, brennbaren Materien, Metalle, Quellen u. ſ. f. zu erklaͤren, ſo daß ſich die Aufgabe: Datis materia et motu facere mundum, durch bloße Speculation ſchwerlich ſinnreicher aufloͤſen laͤßt. Und wenn gleich dies ganze Syſtem ein bloßer Traum und nicht im Mindeſten durch Erfahrungen unterſtuͤtzt iſt, ſo wird man doch das große und dreiſte Genie, das aus demſelben hervorleuchtet, nicht ohne Bewunderung bemerken.

Thomas Burnet (Telluris theoria ſacra, orbis noſtri originem et mutationes generales, quas aut jam ſubiit, aut olim ſubiturus eſt, complectens. Lond. 1681. 4. ) zieht in dieſem mit warmer Einbildungskraft geſchriebenen Werke die moſaiſche Schoͤpfungsgeſchichte blos auf unſern Erdball, welcher anfaͤnglich ein fluͤßiges Chaos von allerley Materien geweſen ſeyn ſoll. Die ſchwerern Materien, ſagt er, ſanken und bildeten den Kern, um dieſen ſammelte ſich das Waſſer, und daruͤber die Luft, aus welcher die erdichten und oͤlichten Theile herabfielen, der Luft ihre Durchſichtigkeit (das Licht) wiedergaben, und die alte Erdrinde, ohne Berge und Meere, den gluͤckſeligen Aufenthalt der erſten Menſchen, bildeten. Nach 1600 Jahren zerriß dieſe Rinde, von der Sonnenhitze vertrocknet, ſtuͤrzte in das Waſſer hinab, und nahm eine Menge Luft mit ſich, die das Gewaͤſſer noch mehr erhob. Dies war die Suͤndfluth. Allmaͤhlig eroͤfnete ſich das Waſſer Wege in unterirdiſche Hoͤhlen, verließ einen Theil der eingeſtuͤrzten Erdrinde, und brachte ſo unſre feſten Laͤnder und Inſeln, welche aus Truͤmmern jener Rinde beſtehen, aufs Trockne. Man wird bald bemerken, daß dies Syſtem blos zu Erklaͤrung der Suͤndfluth erfunden iſt, und wenig Kenntniß der Erdflaͤche verraͤth, welche keine Spuren eines56 ſolchen allgemeinen Einſturzes angiebt, und in deren Schichten auch keine Seethiere begraben werden konnten, zu einer Zeit, da ſie keine Meere hatte. Keil (Examen theoriae telluris a Burneto editae. Oxon. 1698. 8. ) hat daſſelbe ſchon ſehr gruͤndlich widerlegt.

William Whiſton (A new Theory of the earth. Cambridge, 1708. 8. ) nimmt an, die Erde ſey vor der Schoͤpfung oder Umbildung, welche von Moſe erzaͤhlt wird, und deren Tage er fuͤr Jahre erklaͤrt, ein Komet geweſen. Am erſten Tage aͤnderte nach ihm der Schoͤpfer ihre Laufbahn; nun ſenkten ſich die Theile des Schweifs gegen den Kern, und es ordneten ſich, faſt wie bey Burnet, Erde, Waſſer und Luft uͤber einander. Die ſchwerſten Theile der Erde ſanken am tiefſten; daher entſtanden Vertiefungen, in denen ſich das Waſſer ſammelte, und Ungleichheiten auf dem Trocknen. Nach und nach ward die Luft voͤllig hell, ſo daß im dritten Jahre durch den Einfluß der Sonnenwaͤrme die Pflanzen hervorkamen, im vierten die Geſtirne voͤllig erſchienen, und im fuͤnften und ſechſten Thiere und Menſchen hervorgebracht wurden. Nach 600 Jahren kam ein anderer Komet der Erde nahe, ſein Schweif ſtuͤrzte ſich in Regenguͤſſen herab, das von ihm angezogene unterirdiſche Waſſer durchbrach die Rinde, oder erhob ſie an mehreren Stellen, wodurch die großen Bergketten entſtanden. Als der Komet ſich wieder entfernte, verlief ſich das Waſſer theils in die entſtandenen Hoͤhlen, theils in eine Hauptvertiefung, welche nun das große Weltmeer bildete. Die kleinen Seen im Lande vertrockneten daher, und ließen die Ueberbleibſel ihrer Schalthiere auf dem Boden zuruͤck. Man wird in dieſer ſonſt ſinnreichen Hypotheſe die vielen willkuͤhrlichen Vorausſetzungen bald erkennen, obgleich ſonſt der Gedanke, unter den Schoͤpfungstagen Jahre oder Perioden von unbeſtimmter Dauer zu verſtehen, allgemeinen Beyfall verdient, und die Erklaͤrung der Suͤndfluth durch einen Kometen allenfalls auch Traditionen und Schriftſtellen (z. B. Amos V, 8.) fuͤr ſich hat (ſ. Chriſt Geſchichte des Erdkoͤrpers, S. 50. 51.).

John Woodward (Hiſtoria naturalis telluris. Lond.57 1695. 8. An Eſſay towards the natural hiſtory of the Earth. Lond. 1733. 8. ), der zwar viele Beobachtungen geſammelt hatte, aber doch ein ſchlechter Phyſiker war, hielt die Erde fuͤr eine Waſſerkugel mit einer feſten Rinde. Die Suͤndfluth erklaͤrt er durch ein Wunder. Gott hob auf einmal Schwere und Zuſammenhang der Koͤrper auf, wodurch ſich alles aufloͤſete; nur die Thiere blieben wegen der Verflechtung ihrer Fibern von dieſer allgemeinen Aufloͤſung ausgeſchloſſen (gerade, als ob bey aufgehobenem Zuſammenhange noch Fibern ſtatt finden koͤnnten). Er ließ darauf die Schwere wieder entſtehen. Nun ſanken die Materien nach der Ordnung derſelben nieder, bildeten Schichten, und fuͤhrten die organiſirten Koͤrper mit ſich in die Schichten von gleicher ſpecifiſchen Schwere. Dieſe neue Rinde zerbrach wieder an einigen Stellen, und oͤfnete dem Waſſer Wege, ſich zu verlaufen, wodurch die Unebenheiten der Erdflaͤche entſtanden. Es iſt aber ganz ungegruͤndet, daß die Materien der Schichten nach der Ordnung der ſpecifiſchen Schwere liegen; auch hat de Luͤc (Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen, Th. I. XVII. u. f. Briefe) die haͤufigen Irrthuͤmer und Fehlſchluͤſſe dieſes Syſtems ſehr umſtaͤndlich dargeſtellt.

Herr von Leibnitz (Protogaea ſ. de prima facie telluris et antiquiſſimae hiſtoriae veſtigiis in ipſis naturae monumentis diſſ. in Act. Erud. Lipſ. a. 1693. und beſonders durch Scheid, Goetting. 1749. 4. ) laͤßt die Erde aus einem ausgebrannten und geſchmolzenen Koͤrper entſtehen. Der Anfang ſeines Verloͤſchens iſt die Scheidung des Lichts von der Finſterniß und die Epoche der Schoͤpfung. Die durch Hitze verglaſeten Schlacken machten die Rinde aus, in welcher beym Erkalten Buckeln und Blaſen, d. i. Berge und große Hoͤhlen, entſtanden. Als die Oberflaͤche kalt genug war, fielen die Duͤnſte aus der Atmoſphaͤre herab, bedeckten die Flaͤche mit Waſſer, und loͤſten die Salze auf; daher das ſalzige Seewaſſer. Bey zunehmendem Abkuͤhlen zerriß die Rinde, das Waſſer verlief ſich zum Theil in die Hoͤlen, und brachte Laͤnder aufs Trockne, welche den erſten Menſchen zu Wohnplaͤtzen dienten. Endlich ſtuͤrzten die58 hoͤchſten, vormals vom Waſſer bedeckten und alſo ſchon mit Conchylien angefuͤllten, Theile auf einmal nieder, fielen in die mit Waſſer bedeckten Tiefen, und trieben dadurch das Waſſer zum Zweytenmale uͤber die ganze Erdflaͤche, bis ſich endlich Zugaͤnge zu neuen Hoͤhlen oͤfneten, worein ſich daſſelbe wieder verlaufen konnte. Man kan dieſem Syſtem vornehmlich entgegenſetzen, daß man keine allgemeinen Spuren einer ehemaligen Schmelzung oder Verglaſung in den Materien der Erdrinde (man ſ. Wallerii diſs. de tellure olim per ignem non fluida. Vpſal. 1761. 4. ) oder auch eines fortdaurenden Erkaltens antrifft; und daß die Conchylien erſt zu einer Zeit, da das Land ſchon bewohnt war, niedergeſunken ſeyn muͤſſen, weil man ſie oft mit Pflanzen und Theilen von Landthieren vermiſcht findet.

Johann Scheuchzer (Hiſt. de l'Acad. des Sc. de Paris. a. 1708.) wollte wegen der vielen horizontalen und parallelen Erdſchichten von dem Begriff einer anfaͤnglichen Fluͤßigkeit der Erdmaſſe nicht abgehen, konnte aber doch dieſen Begriff mit dem Anblicke der ungeheuren Alpen nicht vereinigen. Er nahm alſo an, nach der anfaͤnglichen Bildung der Erde durch Niederſinken im Waſſer, und nach einer zweyten Ueberſchwemmung, habe Gott durch ſeine Allmacht die ſteinigten und feſten Schichten der Erde emporgehoben und verſchoben, wodurch denn die Berge mit parallelen, aber nicht horizontalen, Schichten entſtanden, die Gewaͤſſer aber wieder in die Vertiefungen zuruͤckgetreten waͤren. Um einen neuen Einſturz zu verhuͤten, habe er dazu die am meiſten ſteinigten Gegenden, z. B. die Schweiz, gewaͤhlt. Aber eine ſolche Ableitung aus einem Wunder iſt keine Erklaͤrung.

John Ray (Phyſico-theological diſcourſes concerning the primitive chaos, the general deluge and the diſſolution of the world. London, 1692. 1713. 8. ) nimmt ebenfalls einen Niederſchlag der feſten Theile im anfaͤnglichen Chaos an, wobey die Oberflaͤche mit Waſſer bedeckt war. Er laͤßt aber bey der Schoͤpfung durch unterirdiſche Winde und entzuͤndete Duͤnſte Erdbeben entſtehen, die Berge und das trockne Land erheben, und das Waſſer ſich in den59 Vertiefungen ſammeln. Durch die Ritzen der Erde brach das Feuer aus und bildete neue vulkaniſche Berge, auch Hoͤhlen in der Tiefe. Die Suͤndfluth erfolgte durch eine allmaͤhlige Verruͤckung des Schwerpunkts der Erde, veranlaſſete große Veraͤnderungen der Oberflaͤche, und brachte Laͤnder aufs Trockne, die vordem Meergrund geweſen, und mit Seekoͤrpern angefuͤllt waren. Dies Syſtem empfiehlt ſich durch eine ziemlich ungezwungne Erklaͤrung der Suͤndfluth, und durch einige neue Ideen; es iſt auch nicht zu laͤugnen, daß die Vulkane und Erdbeben großen Antheil an der Bildung der Erdflaͤche gehabt haben; allein ihnen die Erhebung aller Berge zuzuſchreiben, iſt bey weitem mehr, als Wirkungen des unterirdiſchen Feuers jemals leiſten koͤnnen.

Auch D. Hook (Poſthumous Works, Lond. 1705. fol.) erklaͤrt die Veraͤnderung der Erdflaͤche durch Erdbeben, welche ganze Theile des Meergrundes ohne Verletzung der Schichten, woraus ſie beſtanden, und der darauf beſindlichen Berge emporgehoben haͤtten, durch gewaltſame Waſſerſtroͤme, Sturmwinde und allmaͤhliges Herunterfallen der ſchwerern Theile. Beſonders, glaubt er, ſey durch Erdbeben eine Verruͤckung des Schwerpunkts der Erde entſtanden, wodurch ſich die Bewegung der Erdkugel um ihre Axe ſowohl der Richtung, als der Zeit nach, merklich geaͤndert habe. Raſpe (Specimen hiſtoriae naturalis globi terraquei praecipue de novis e mari natis inſulis. Amſt. 1763. 8maj. ) hat dieſes Syſtem verbeſſert vorgetragen.

Am vollſtaͤndigſten iſt die Hypotheſe der Bildung der Erde durch das unterirdiſche Feuer von Anton Lazaro Moro (De' croſtacei e degli altri marini corpi, che ſi trovano ſu monti, Libri due, in Venezia, 1740. 4. Neue Unterſuchung der Veraͤnderungen des Erdbodens von A. L. Moro, aus d. Ital. Leipzig, 1751. 8. ) ausgefuͤhrt worden. Er nimmt von der Entſtehung einer neuen Inſel im Archipelagus am Meerbuſen der Inſel Santorin im Jahre 1707, ingleichen des Montenuovo bey Neapel im Jahr 1538, Gelegenheit zu behaupten, der ganze trockne Erdboden ſey durch60 unterirdiſches Feuer entſtanden. Bey der Schoͤpfung befand ſich im Mittel der Erde das Centralfeuer, daruͤber eine dicke Erdrinde, und zu oberſt 175 Toiſen hoch Waſſer. Am dritten Tage ließ der Schoͤpfer das Feuer wirken, das die Rinde hob und ſo die urſpruͤnglichen Berge bildete. Das Feuer durchbrach auch die Rinde hie und da, warf vulkaniſche Materien um ſich, bildete Schichten davon im Meere, und gab dieſem den ſalzigen Geſchmack, worauf es Seethiere und Pflanzen erhalten konnte. Inzwiſchen erhob das Feuer auch den Meergrund und bildete dadurch die Berge, welche Schichten, aber keine Seeprodukte, enthalten. Das Land ward durch die vulkaniſchen Ueberzuͤge fruchtbar und mit Menſchen, Thieren und Pflanzen beſetzt. Die immer fortdaurenden Wirkungen des Feuers hoben nun auch die mit Seekoͤrpern verſehenen Berge empor, und bildeten unſere Erdſchichten in den Plaͤnen. Die nachherigen Wirkungen der Vulkane haben noch bis auf unſere Zeiten manche locale Veraͤnderungen hervorgebracht, die Wohnplaͤtze der Thierarten rc. veraͤndert, woraus ſich erklaͤrt, daß man ſo viel Elephantenknochen in den Nordlaͤndern aus der Erde graͤbt, und an ſo vielen Orten verſteinerte Ammonshoͤrner findet, deren lebende Originale nicht mehr angetroffen werden. Sehr aͤhnlich mit Moro's Hypotheſe iſt diejenige, welche Hr. Keßler von Sprengseyſen (Unterſuchung uͤber die jetzige Oberflaͤche der Erde, beſonders der Gebirge. Leipz. 1787. 8. ) ganz neuerlich, nur mit mehr Ruͤckſicht auf die moſaiſchen Erzaͤhlungen, vorgetragen hat. Man findet in der That in dieſen Syſtemen mehr bekannte und wirklich vorhandene Urſachen angegeben, als in irgend einem der vorigen; allein es iſt unmoͤglich, daß die elaſtiſche Kraft der unterirdiſchen Daͤmpfe ſolche Bergketten, wie die Cordelieren und Alpen ſind, aus der Tiefe des Meeres erheben und mit gehoͤriger Feſtigkeit unterſtuͤtzen koͤnnte. Der Bau der Berge iſt offenbar dagegen; denn ſie machen kein uͤber einem Abgrunde auf Wiederlagen ruhendes Gewoͤlbe aus, ſondern ihr Fuß iſt vielmehr breiter, als ihr oberer Theil. Aus dieſen mechaniſch richtigen Gruͤnden hat de Luͤc (Briefe uͤber die Geſchichte d. Erde, XLVII. u. f. Briefe) alle dieſe61 Syſteme, welche die Berge durch unterirdiſches Feuer emporheben laſſen, ſehr ausfuͤhrlich widerlegt.

Der Abt Pluͤche (Spectacle de la nature. à la Haye, 1738 8. To. III. P. 2.) laͤßt bey der Entſtehung der Erde die Ebnen des Aequators und der Ekliptik zuſammenfallen, daraus einen beſtaͤndigen Fruͤhling erfolgen, und das Meer zum Theil in unterirdiſchen Hoͤhlen verborgen liegen. Ploͤtzlich aber lenkt der Schoͤpfer die Erdaxe nach den noͤrdlichen Geſtirnen, die Sonnenhitze faͤllt ganz auf die eine Halbkugel, es entſtehen gewaltſame Ausdehnungen der Luft, die Stuͤrme dringen zwiſchen das unterirdiſche Waſſer und die Woͤlbung der Hoͤhlen ein. Auch faͤllt das Waſſer der Atmoſphaͤre in heftigen Regenguͤſſen herab. Die Erde zerbricht davon, faͤllt ſtuͤckweis in die Tiefen, und treibt das Waſſer herauf. Hierdurch entſteht die Suͤndfluth. Endlich bringen Ausduͤnſtung und Ablauf die Erde wieder aufs Trockne, wo man noch die Erdſchichten, als Ueberbleibſel des aͤlteſten Baues, aber auch die Spuren der Veraͤnderungen antrifft, die das Waſſer und der Einſturz darauf verurſacht haben. In dieſem Syſtem iſt die angenommene Urſache unſtreitig zu ſchwach, um ſo gewaltſame Wirkungen hervorzubringen.

Bourguet (Lettres philoſophiques ſur la formation des ſels et des criſtaux. à Amſterd. 1729. 12mo) glaubte in der Geſtalt und Lage der Gebirge eine allgemeine Aehnlichkeit mit Feſtungswerken zu finden, wo immer einwaͤrtsgehende und hervorſpringende Winkel mit parallelen Schenkeln einander gegenuͤber ſtehen. Auch ſtand er, wie viele andere Naturforſcher, in den Gedanken, daß man in allen Bergen Schichten und Conchylien finde. Er erklaͤrte alſo die Bildung der Berge aus Stroͤmen des ehemaligen Meeres, ſo wie ſich an den Biegungen der Fluͤſſe ebenfalls Winkel mit parallelen Schenkeln an beyden Ufern gegenuͤber ſtehen. Allein dies iſt mehr die Wirkung eines reißenden Stroms, der ſich Wege durchbricht, als die eines weit ausgebreiteten und Niederſchlaͤge abſetzenden Meeres, zu geſchweigen, daß dieſe Anordnung nur bey einer ſehr geringen Anzahl von Bergen ſtatt findet, und daß dieſe Berge ſchon vorhanden ſeyn mußten, ehe ſich die Fluth den Weg durch dieſelben62 oͤfnet. Dieſe Anordnung zeigt ſich vielmehr bloß an den Seiten der Thaͤler, welche die großen Bergketten nach der Queere durchſchneiden.

Johann Gottlob Kruͤger (Geſchichte der Erde in den aͤlteſten Zeiten. Halle, 1746. 8) nimmt drey große Veraͤnderungen der Erde an. Zuerſt war ſie vom Waſſer bedeckt, in welchem die Schalthiere lebten: damals erhielt ſie ihre ſphaͤroidiſche Geſtalt: dann brannte ſie aus, die Conchylien wurden gekocht, und in Schiefer und andere geſchmolzene Materien begraben. Endlich ward ſie durch Erdbeben erſchuͤttert, welche den Bergen, Huͤgeln und Sandlagen ihre gegenwaͤrtige Geſtalt gaben.

De Maillet (Telliamed, ou Entretiens d'un Philoſophe Indien avec un Miſſionaire François ſur la diminution de la mer. Nouv. edit. à la Haye, 1755. To. II. 12.) erklaͤrt die Bildung der Erdflaͤche aus einer ſanftern und langſamer wirkenden Urſache, aus der beſtaͤndigen Abnahme oder dem Zuruͤcktreten des Meeres. Urſpruͤnglich iſt zwar auch bey ihm die Erdkugel eine ausgebrannte Sonne, welche nach dem ſonderbaren Syſtem, das er ſich uͤber die Revolutionen der Himmelskoͤrper traͤumt, ehedem die Stelle der jetzigen Sonne eingenommen hat, dann aber auf einmal in eine große Entfernung von derſelben fortgeſchleudert und mit Waſſer aus den andern Planeten uͤberſchwemmt worden iſt. Dieſes Waſſer duͤnſtet nun jetzt immer mehr aus und nimmt ab, bis endlich die Erde, die indeß dem Mittelpunkte wieder naͤher ruͤckt, ganz vertrocknet ſeyn und wieder zur brennenden Sonne werden wird. Von dem ehemaligen Brande haben die Mineralien und Metalle ihren Urſprung Das Meer aber ſenket ſich jetzt um 3 Fuß in tauſend Jahren. Die Berge ſind von Bodenſaͤtzen des alten weit hoͤhern Meeres und ihre Ungleichheiten von den Meerſtroͤmen entſtanden. Aus dem Waſſer ſind alle Pflanzen, ja auch alle Thiere und ſelbſt der Menſch hervorgegangen, weicher anfaͤnglich ein Bewohner des Meeres war. Die Schoͤpfungstage macht er zu langen Zeitraͤumen, und legt dem Menſchengeſchlechte ein Alter von wenigſtens 500000 Jahren bey. Es iſt kaum zu begreifen, wie weit63 dieſen Schriftſteller die Vorliebe zu einem Syſtem gefuͤhrt hat, das ſich doch nur auf einige locale Beobachtungen an den Kuͤſten des mittellaͤndiſchen Meeres gruͤndet. Er traͤgt zur Beſtaͤtigung des Theils, der die Thiere und Menſchen betrifft, die laͤcherlichſten Fabeln vor, und giebt Bloͤßen, welche de Luͤc (Briefe uͤber die Geſch. der Erde, Th. I. XLI. u. ſ. Brief) faͤſt umſtaͤndlicher, als es noͤthig war, darſtellet. Uebrigens hat er wegen ſeiner guten Schreibart viele Leſer gefunden, und den Satz: daß unſer feſtes Land ehedem Meergrund geweſen ſey, ſehr ſchoͤn und uͤberzeugend dargethan.

Le Cat trug im Magazin François, Juillet, 1750. ein Syſtem vor, welches die Entſtehung der Berge auf dem ſonſt ebnen Meergrunde der Wirkung des Mondes, oder der Ebbe und Fluth, zuſchreibt. Dieſe, ſagt er, haͤufte den Schlamm in ungeheure Maſſen auf; dadurch mußten an andern Stellen Vertiefungen entſtehen, in welche ſich das Waſſer ſenkte, und einen Theil der erhobnen Erde auf dem Trocknen zuruͤckließ. Dieſe Wirkungen dauern noch immer, wiewohl langſamer, fort, und endlich wird das Meer die ganze Erdkugel aushoͤhlen. Man ſieht aber gar bald, daß die Wirkung der Ebbe und Fluth auf einer regelmaͤßigen ſphaͤroidiſchen Flaͤche den Schlamm nicht in Berge aufhaͤufen, ſondern hoͤchſtens nur gegen die Pole treiben und in Geſtalt von Zonen anlegen kan.

Der Graf Buͤffon (Hiſtoire naturelle generale et particuliere, To. I., Theorie de la terre, ingl. mit betraͤchtlichen Abaͤnderungen Supplement, To. IX et X. Paris, 1778. 8. ) benuͤtzt den Umſtand, daß ſich alle Planeten um die Sonne und um ihre Axen nach einerley Seite zu bewegen, und daß ihre Bahnen nur kleine Winkel, hoͤchſtens von 7 1 / mit einander machen, zu der Vermuthung, daß ihre anfaͤngliche Bewegung aus einer gemeinſchaftlichen Urſache entſtanden ſey. Er ſtellt ſich vor, ein Komet ſey ſchief gegen die Sonne gefallen und habe von ihr den 650ſten Theil ihrer Maſſe abgeſtoßen, auch den Stuͤcken die Umdrehung um ihre Axe nach eben der Richtung mitgetheilt. Dieſe Stuͤcken fiengen nun vermoͤge der Gravitation ihre Centralbewegungen64 an, und platteten ſich durch die Umdrehung ab. Ein ſolches Stuͤck war die Erde; anfaͤnglich alſo in einem Zuſtande der Schmelzung und des Gluͤhens, und nur allmaͤhlig erhaͤrtend und erkaltend. Nach B. Berechnungen hat das Gluͤhen 3000, und die Hitze, bey welcher man die Erdkugel noch nicht haͤtte beruͤhren koͤnnen, 34000 Jahre gedauert. Wenn ein Klumpen geſchmolzenes Glas oder Metall erkaltet, ſo entſtehen auf der Oberflaͤche Loͤcher, Wellen, Ungleichheiten, und darunter Hoͤhlen und Blaſen. So entſtanden die urſpruͤnglichen Bergketten und Hoͤhlen der Erde; auch wurden in dieſem Zeitraume die Metalle in den Gaͤngen durch Sublimation bereitet. Das Meer aber befand ſich ganz in der Atmoſphaͤre, weil die Erde wenigſtens 25000 Jahre lang ſo heiß war, daß ſie alles Waſſer in Daͤmpfe verwandelte. Erſt nach dieſer Zeit fiel das Waſſer nach und nach herab, und bedeckte die Flaͤche auf 2000 Toiſen hoch, ſo daß nur die Gipfel der hoͤchſten Berge hervorragten. In dieſem noch heißen Meere bildeten ſich die Schalthiere in ungeheurer Anzahl, zum Theil andere Gattungen, als jetzt leben. Der Druck des Waſſers grub große Vertiefungen aus, und eroͤfnete Wege zu den unterirdiſchen Hoͤhlen. Dadurch kam nun mehr Land aufs Trockne, und es fieng die Bevoͤlkerung mit lebenden Weſen an, welche bey der damaligen erſten Staͤrke der Natur und mehrern Waͤrme koloſſaliſche Groͤßen hatten. Die Polarlaͤnder erkalteten zuerſt, daher nahm hier die Bevoͤlkerung ihren Anfang, endlich verlief ſich auch das Gewaͤſſer um den Aequator. Waͤhrend dieſer Zeit, die v. B. auf 20000 Jahre ſetzt, entſtanden aus den Truͤmmern der Schalthiere unter dem Waſſer alle kalkartige Materien, und die mit Schichten und Seeprodukten verſehenen Berge der zweiten Ordnung. Durch die aus der innern Waͤrme der Erde herruͤhrende Elektricitaͤt entſprangen die Vulkane, welche neue Inſeln hervorbrachten, das Land mit Lava bedeckten, und den Boden fruchtbar machen halfen. Die Elephanten, Wallroſſe u. dgl. lebten damals in den Nordlaͤndern, bis die zunehmende Erkaltung ſie zwang, in die heiße Zone uͤberzugehen; daher man in Nordamerika, Sibirien rc. ſoviel65 gegrabnes Elfenbein findet. Endlich vollendeten partielle Ueberſchwemmungen, langſame Wirkungen des Regens, und die immer fortgehende Bewegung des Meeres von Oſten nach Weſten das Werk, und gaben der Erdflaͤche die gegenwaͤrtige Geſtalt. Die Erkaͤltung aber nimmt immer mehr zu, und nach 93000 Jahren wird die lebende Natur wegen der Kaͤlte nicht mehr beſtehen koͤnnen. Dies ſind die Hauptzuͤge eines Syſtems, das ſein Urheber mit der ihm eignen hinreißenden Beredſamkeit vorgetragen hat, das man aber bey genauerer Pruͤfung fuͤr nichts weiter, als fuͤr einen ſchoͤnen Traum, erklaͤren kan. In den Beobachtungen findet ſich keine Spur einer abnehmenden Waͤrme oder Erkaltung, und wenn es eine der Erde eigne, von der Sonne unabhaͤngige, Waͤrme girbt (ſ. Centralfeuer), ſo kan doch allen phyſikaliſchen Grundſaͤtzen gemaͤß, kein Erkalten des Ganzen in dem hier angenommenen Sinne ſtatt finden, weil außer der Erde und ihrer Atmoſphaͤre nichts da iſt, was dieſen Waͤrme entziehen kan. Die freye oder fuͤhlbare Waͤrme geht zwar aus einem gluͤhenden Eiſen in die Luft uͤber, weil die Luft kaͤlter iſt; aber dies iſt nicht der Fall der Erdkugel, welche zwar ihrer Atmoſphaͤee Waͤrme mittheilt, aber auch wieder Waͤrme von dieſer annimmt, wenn ſie kaͤlter iſt. Außer der Atmoſphaͤre aber iſt nichts weiter vorhanden, was der Erde Waͤrme entziehen koͤnnte. So kan ſich kein Beweis dieſes Erkaltens in der Phyſik finden, und die Geſchichte lehrt vielmehr, daß das Klima ſo vieler Laͤnder durch die Cultur immer milder und waͤrmer werde. Dazu koͤmmt, daß die Planeten, wenn ſie aus der Sonne abgeriſſen waͤren, ihre Perihelien weit naͤher bey der Sonne haben muͤßten, daß die urſpruͤnglichen Materien zwar glasartig, aber keinesweges verglaſet ſind, daß die kalkartigen Stoffe ſich ſelbſt in den urſpruͤnglichen Gebirgen, und oft ohne alle Spuren von Seethieren finden, daß die neuſten Anhaͤufungen des Meeres, welche die meiſten Conchylien enthalten, großentheils aus glasartigen Materien beſtehen, daß die Bewegung des Meeres von Oſten gegen Weſten die beygelegten großen Wirkungen nicht hervorbringen kan, daß der Regen und die Baͤche die Berge durch Abrundung und Boͤſchung66 mehr befeſtigen, als zerſtoͤren u. ſ. w. De Luͤc (Briefe uͤb. die Geſch. d. Erde, Th. II. CXLI. u. ſ. f. Briefe) ſetzt dies alles umſtaͤndlich aus einander, und ſchließt mit der Bemerkung, daß dieſe Buͤffonſche Naturgeſchichte als allgemeine ſehr mangelhaft, als partikulaͤre aber reich an Schoͤnheiten und vortreflichen Beobachtungen ſey.

Joh. Heinrich Gottlob von Juſti (Geſchichte des Erdkoͤrpers, Berlin, 1771. gr. 8.) laͤßt ebenfalls die Erde aus der Sonne entſpringen, und eignet ihr ein Centralfeuer zu, welches nach einer Arbeit von mehr als 1000 Jahrhunderten die urſpruͤnglichen Felſen emporgehoben haben ſoll. Die uͤbrigen Berge leitet er von abwechſelnden Ueberſchwemmungen her, nimmt auch eine Veraͤnderung der Erdaxe an, um zu erklaͤren, wie die Elephantenknochen in die nordiſchen Gegenden kommen. Herr Wiedeburg (Anwendung der Natur - und Groͤßenlehre zur Rechtfertigung der heil. Schrift. Nuͤrnberg, 1782. gr. 8.) hat dieſes Syſtem umſtaͤndlich widerlegt; er ſelbſt (Neue Muthmaßungen uͤber die Sonnenflecken, Kometen und die erſte Geſchichte der Erde, v. J. E. B. Wiedeburg. Gotha, 1776. gr. 8.) iſt der Meynung, die Erde ſey, wie alle Planeten, zuerſt ein Sonnenflecken, dann ein Komet geweſen, und endlich vom Schoͤpfer in ihre jetzige weniger eccentriſche Laufbahn gebracht worden eine Art von Generationsſyſtem fuͤr die Weltkoͤrper, dergleichen ſchon Lambert (Kosmologiſche Briefe uͤber die Einrichtung des Weltbaus, Augſp. 1761. 8. S. 9. u. f.) hinlaͤnglich widerlegt hat.

Herr de Luͤc (Lettres phyſiques et morales ſur l'hiſtoire de la terre et de l'homme, adreſſées à la Reine de la Grande-Bretagne, à la Haye 1779. Tomes V. 8maj., mit einiger Abkuͤrzung uͤberſetzt unter dem Titel: Phyſikaliſche und moraliſche Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen, von J. A. de Luͤc. Leipzig, 1781. II. Baͤnd. gr. 8.) hat nicht nur die meiſten der bisher angezeigten Hypotheſen ſehr ſcharf gepruͤft, ſondern auch ein anderes, ungleich beſſeres Syſtem an ihre Stelle geſetzt. Er geſteht mit Beſcheidenheit ein, daß es ihm nicht moͤglich ſey, die phyſikaliſche Urſache, welche die urſpruͤnglichen67 Berge gebildet hat, anzugeben, und ſchraͤnkt daher ſeine Erklaͤrungen auf die neuere Geſchichte der Erde und auf dasjenige ein, was die Betrachtung unſers feſten Landes faſt augenſcheinlich lehrt: daß unſer feſtes Land ehedem Meergrund geweſen ſey, daß das Meer ſein ehemaliges Bett durch eine ploͤtzliche Revolution, und noch nicht ſeit ſogar langer Zeit, verlaſſen habe. An dem erſten dieſer Saͤtze kan ohnehin kein Naturforſcher zweifeln; der ploͤtzliche Ruͤckzug des Meeres wird daraus wahrſcheinlich, weil die Hypotheſe einer allmaͤhligen Abnahme viele Phaͤnomene nicht erklaͤrt, und beſonders nicht zeigt, wie ſich in den Erdſchichten Seeprodukte finden koͤnnen, deren lebende Originale nicht in den benachbarten, ſondern nur in ſehr entfernten Meeren, zum Theil auch gar nicht mehr, angetroffen werden; weil auch die Schicht der fruchtbaren Dammerde an den Stellen der feſten Laͤnder, welche bloß unter den Haͤnden der Natur geblieben ſind, uͤberall gleich groß (nicht viel uͤber einen Schuh hoch) gefunden wird, welches anzeigt, daß alles platte Land zugleich aufs Trockne gekommen, und dieſe Revolution ſo ſehr alt nicht ſey, als ſie einige Schriftſteller der bibliſchen Zeitrechnung zuwider annehmen. Hierauf gruͤndet ſich nun folgende neuere Geſchichte der Erde. Das alte Meer haͤufte Bodenſaͤtze von kalkartigen Materien, die nach und nach immer mehr mit Conchylien, auch mit Spuren von Pflanzen und Landthieren vermiſcht wurden, welche die Fluͤſſe aus dem damaligen feſten Lande herbeyfuͤhrten. Das Waſſer filtrirte ſich durch den Boden, erzeugte unter dem Meere innere Gaͤhrungen, Entzuͤndungen, Daͤmpfe und Ausbruͤche von Vulkanen, welche Lavenſchichten bildeten, die hin und wieder mit Bodenſaͤtzen des Meers abwechſeln. Die davon unzertrennlichen Erdbeben machten Spalten in den Bergen, welche ſich nachher mit Materien ausfuͤllten, die Produkte des Waſſers und Feuers zugleich ſind. Dies ſind unſere Gaͤnge. Auch warfen die Vulkane Truͤmmern des urſpruͤnglichen Bodens aus, und bildeten davon Anhaͤufungen und Schichten. Durch den Einſturz des Bodens in die vom unterirdiſchen Feuer erweiterten Hoͤhlen ward die Flaͤche68 des alten Meeres immer niedriger; die Vulkane traten mit ihren Oefnungen hervor, wirkten freyer, und warfen oft ungeheure Granitbloͤcke mitten in die Kalkgebirge. Endlich machte das Meer ſtatt der kalkartigen nur noch kieſelartige oder ſandige Bodenſaͤtze, und fuͤhrte Mergel und Thon uͤber den Boden. Dies war ſein letztes Werk. Auf einmal verließ es den ſo gebildeten Boden unſerer feſten Laͤnder durch eine ploͤtzliche Revolution, die de Luͤc von dem Einſturze der alten Laͤnder herleitet, welche nach ihm Woͤlbungen uͤber großen Hoͤhlen waren. Das Waſſer hatte ſich nach und nach Zugaͤnge dazu eroͤfnet, Gaͤhrungen und Vulkane veranlaſſet; die Gewoͤlber ſtuͤrzten nieder, das feſte Land verſchwand, das Waſſer brritete ſich daruͤber aus, und die Meeresflaͤche ward dadurch ſo niedrig, daß unſere heutigen Laͤnder aufs Trockne kamen, dagegen die Stelle der ehemaligen Laͤnder anjetzt vom Weltmeere bedeckt wird. Es iſt hier unmoͤglich, die zahlreichen Beobachtungen anzufuͤhren, welche den einzelnen Theilen dieſes Syſtems zur Grundlage dienen, und die der Verfaſſer theils von Andern entlehnt, theils auf ſeinen Reiſen durch die Schweiz, Deutſchland und Holland ſelbſt geſammelt hat. Beſonders iſt der Satz, daß es ſchon bewohnte Laͤnder gab, als unſer jetziges Land noch Meergrund war, durch das ganze Werk hindurch, auf mannichfaltige Weiſe beſtaͤtiget, und daraus das Phaͤnomen der gegrabnen Elephantenknochen in den Nordlaͤndern (CXLV. Brief. ) ſehr gluͤcklich erklaͤrt. Herr de Luͤc ſetzt das Alter des jetzigen feſten Landes nicht uͤber 4000 Jahr, erklaͤrt die Revolution, die es aufs Trockne brachte, und das alte Land zerſtoͤrte, fuͤr die Suͤndfluth, und zeigt (CXLVI. CXLVII. Brief. ), daß ſein ganzes kosmologiſches Syſtem mit der moſaiſchen Erzaͤhlung und Zeitrechnung uͤbereinſtimme, wenn man die Schoͤpfungstage fuͤr Perioden von unbeſtimmter Dauer annimmt.

Mit dieſem Syſtem ſtimmt Hollmann (Comment. de corporum marinorum aliorumque peregrinorum in terra continente origine, in Comm. Gotting. Tom. III. p. 285 ſqq. ) in den Hauptſaͤtzen, daß unſer Land Meergrund geweſen, und durch Einſturz des alten Landes in unterirdiſche69 Woͤlbungen aufs Trockne gekommen ſey, voͤllig uͤberein, obgleich ſeine Abhandlung bereits 1753 geſchrieben iſt.

Pallas (Obſervations ſur la formation des montagnes, et les changemens arrivés au globe. à St. Petersb. 1777. 4. uͤberſetzt in den leipziger Sammlungen zur Phyſik und Naturgeſchichte, II. Band,) nimmt an, daß die hohen Granitketten jederzeit Inſeln auf der Oberflaͤche der Gewaͤſſer ausgemacht haben, und daß in den Schichten, die ſich daran anlegten, Kieſe und Vulkane entſtanden ſind. Dieſe alten Vulkane zertruͤmmerten die Schichten, ſchmolzen und verkalkten ihre Materien, und bildeten dadurch die erſten Schiefer - und Kalkberge, ingleichen die nachher mit Erzen u. dgl. ausgefuͤllten Spalten und Gaͤnge derſelben, ſie zerſtoͤrten auch die auf dem Meergrunde liegenden Haufen von Conchylien und Muſchelbaͤnken, und veranlaſſeten Bodenſaͤtze von verſchiedner Art. Endlich trieb eine gewaltſame Revolution, welche er von den Ausbruͤchen der haͤufigen Vulkane im indiſchen und ſtillen Meere herleitet, die Gewaͤſſer gegen die zuſammenhaͤngenden Bergketten von Europa und Aſien zu, zerſtoͤrte die ſuͤdwaͤrts derſelben gelegnen Laͤnder, uͤberſtieg die niedrigſten Theile der Ketten, und fuͤhrte die Truͤmmern der Pflanzen und Thiere mit ſich in die noͤrdlichen Gegenden, aus welchen das Waſſer wieder in neueroͤfnete Schluͤnde abfloß. Dies wird aus der Geſtalt der Meerbuſen, Spitzen des feſten Landes, aus der Lage der Gebirge und andern Umſtaͤnden wahrſcheinlich gemacht, und in der That leitet auch der erſte Blick auf eine Weltkarte faſt unwiderſtehlich auf die Vermuthung einer ſolchen aus Suͤden gekommenen Fluth.

Nur mit wenigem will ich des Syſtems gedenken, welches Herr Gerhard (Verſuch einer Geſchichte des Mineralreichs. Berlin, 1781. 8. ) ganz auf Gruͤnde der Chymie gebaut hat, wobey er den Schoͤpfer bloß Kieſelerde, Feuer und Waſſer hervorbringen, und daraus durch die Bewegung im Chaos die Salze und uͤbrigen Erden, nebſt Thon, Oelen, Schwefel und Kieſen entſpringen, dann aber durch Gaͤhrung und Niederſchlag die Schichten ſich ordnen und durch Erhitzung und Ausbruͤche fixer Luft wieder zertruͤmmern70 laͤßt. Dies heißt wohl, unſern Planeten zu einem bloß chymiſchen Produkte und zugleich zur Werkſtatt deſſelben machen, welches gewiß eben ſo fehlerhaft iſt, als wenn man ihn mit Descartes bloß mechaniſch aus Materie und Bewegung bilden will.

Eben ſo ſonderbar iſt die Meynung des Freyherrn von Gleichen, genannt Rußworm (Von Entſtehung, Bildung, Umbildung und Beſtimmung des Erdkoͤrpers. Nuͤrnb. 1782. 8. ), welcher durch ſeine Beobachtungen uͤber die Infuſionsthierchen bekannt iſt. Er glaubt, die Erde ſey Anfangs eine bloße Waſſerkugel geweſen, welche zuerſt Fiſche hervorgebracht habe, aus deren Verfaulung Erde entſtanden ſey, die ſich geſetzt, und den feſten Koͤrper zu bilden angefangen habe. Die Gaͤhrung habe darauf Hitze, Aufblaͤhungen und Erhoͤhungen veranlaſſet, die Bewegung des Waſſers habe den Schlamm zu Schalen geformt, woraus der Kalk bereitet worden ſey. Endlich ſey die Erde uͤber das Waſſer hervorgetreten, und dem Sonnenlichte ausgeſetzt worden. Das Waſſer nehme immerfort ab, die Waͤrme aber zu, und ſo werde endlich die ganze Erdkugel im Feuer zerſchmelzen.

Auch Wallerius (Phyſiſchchemiſche Betrachtungen uͤber den Urſprung der Welt, beſonders der Erdwelt und ihre Veraͤnderungen, aus dem Latein. Erfurt, 1782. 8. ) leitet den Urſprung aller Koͤrper aus dem Waſſer her, aus welchem die feſten Koͤrper durch Gerinnungen und Concretionen entſtanden ſeyn ſollen. Er bemuͤht ſich mit vielem Scharfſinn und mit Anwendung ſeiner großen mineralogiſchen und chymiſchen Kenntniſſe dieſe ſonderbare Behauptung mit den moſaiſchen Tagwerken in eine buchſtaͤbliche Uebereinſtimmung zu bringen. Eine beſtaͤndige Verminderung des Waſſers und das Zunehmen des feſten Landes hat auch Linne '(De telluris habitabilis incremento, in Amoenit. Academ. Vol. II. ) angenommen.

Herr Conſiſtorial - und Oberbaurath Silberſchlag (Geogenie, oder Erklaͤrung der moſaiſchen Erderſchaffung nach phyſik. und mathem. Grundſaͤtzen, Berlin, 1 u. 2 Th. 1780. 3 Th. 1783. gr. 4.) macht ganz die moſaiſche Schoͤpfungsgeſchichte71 zur Grundlage ſeines Syſtems. Gott ſchuf nach ihm das Chaos fuͤr jeden Weltkoͤrper da, wo dieſer ſeine Stelle haben ſollte. Am erſten Tage entzuͤndeten ſich die Sonnen, und die Umdrehungen um die Axen fiengen an. Am zweeten vollendete ſich die Abſonderung der Luft, das Waſſer blieb auf der Flaͤche, und im Kerne grif die Verſteinerung ſchnell um ſich. Im Innerſten brach eine ungemeine elaſtiſche Kraft, ein ploͤtzlich wirkendes Feuer aus, bildete ungeheure Hoͤhlungen im Innern und trieb die Erde hie mehr, dort weniger empor. Dadurch traten Land, Inſeln und Berge hervor, und das Meer verlief ſich zum Theil in die Hoͤhlen. Die Felſen wurden theils durch die ſchlammichte Flaͤche, theils durch Steinſchichten hindurchgeſchoben, theils ward die weiche Maſſe zu Huͤgeln und Ruͤcken erhoben, theils brach das Feuer durch Oefnungen, und warf Granit, Quarz und Sand weit umher. Durch eben dieſe elaſtiſche Kraft wurden auch lange Gaͤnge und Canaͤle gebildet, ingleichen Hoͤhlen, welche wie Stockwerke uͤber einander liegen, und zum Theil mit dem großen Centralgewoͤlbe Gemeinſchaft haben. Aus dieſem Hoͤhlenſyſtem und den darinn befindlichen Gewaͤſſern erklaͤrt Herr S. die Art und Weiſe, wie die Suͤndfluth habe entſtehen, und wieder abfließen koͤnnen, ſehr gekuͤnſtelt, mit Huͤlfe eines von Blech verfertigten Heronsbrunns. Die Conchylien in den Erdſchichten ſollen vorher in den Seen der unterirdiſchen Hoͤhlen gelebt haben, und durch den Ausbruch der Gewaͤſſer bey der Suͤndfluth auf die Erdflaͤche gefuͤhrt worden ſeyn. Die Elephanten - und Rhinocerosknochen ſchwammen, durch die Verweſung leichter gemacht, auf dem Waſſer, wurden durch Wind, Wellen, und Stroͤme der ablaufenden Fluth herumgefuͤhrt und endlich in den von hoͤhern Gegenden herabfließenden Schlamm und Sand begraben. Man ſieht bald, daß die kuͤnſtlichen Veranſtaltungen dieſes Syſtems bloß dadurch nothwendig werden, weil Herr S. den ſo wahrſcheinlichen Satz, daß unſer Land lange Zeit der Grund eines ruhenden Meeres geweſen ſey, nicht annehmen, ſondern die Bildung des Bodens aus der Suͤndfluth, als einer ploͤtzlichen Revolution, herleiten will, welches ſich freylich72 nicht ohne Zwang mit den Phaͤnomenen vereinigen laͤßt. (Man ſ. Philoſophiſchphyſiſche Fragmente uͤber die Geogenie, worin die vornehmſten Meynungen des Hrn. Silberſchlags freymuͤthig gepruͤft werden. 1ſter Theil. Breslau, 1783. gr. 4.)

Bey einer ſolchen Menge von Hypotheſen, die ſich mehrentheils auf die Lieblingsideen oder Lieblingsſtudien ihrer Urheber gruͤnden, wird derjenige vielleicht am beſten thun, der gar nicht ausfuͤhrlich von den Naturforſchern zu wiſſen verlangt, wie die Erde und die Welt geſchaffen worden ſey, der vielmehr bey demjenigen ſtehen bleibt, was uns die Beobachtungen mit der groͤßten Wahrſcheinlichkeit zeigen, daß die Erde allerdings ehedem anders als jetzt, ausgeſehen habe (ſ. A. F. v. Veltheim Etwas über die Bildung des Baſalts und die vormalige Beſchaffenheit der Gebirge in Deutſchland. Leipz. 1787. gr. 8.), daß unſere Laͤnder ehedem Meergrund geweſen ſind, welches außer de Maillet, Hollmann, Buͤffon und de Luͤc, auch Lehmann (Verſuch einer Geſchichte von Floͤtzgebirgen. Berlin, 1756. 8. ) dargethan hat, daß eine einzige Ueberſchwemmung, alſo auch die von Moſe erwaͤhnte Suͤndfluth, allein zu Erklaͤrung der Phaͤnomene nicht hinreicht, daß die Vulkane und Erdbeben an der Bildung der Erdflaͤche einen ſehr großen Antheil haben (ſ. Vulkane), und daß uͤberhaupt ſehr viele mit einander verwickelte, theils gewaltſam, theils allmaͤhlig wirkende Urſachen zuſammengekommen ſind, um die Erdflaͤche zu dem, was ſie jetzt iſt, zu einem ſo bequemen Wohnplatze des Menſchen, und der ganzen lebenden Natur zu bilden.

Johann Lulofs Einleitung zu der mathematiſchen und phyſikaliſchen Kenntniß der Erdkugel; aus dem Hollaͤnd. von A. G. Kaͤſtner. Goͤttingen u. Leipz 1755. gr. 4.

Fr. Mallet allgemeine oder mathematiſche Beſchreibung der Erdkugel; aus dem Schwed von L. H. Roͤhl. Greifsw 1774. 8.

J. Elert Bode Anleitung zur allgemeinen Kenntniß der Erdkugel. Berlin, 1786. gr 8.

Erxleben

Anfangsgruͤnde der Naturlehre. Vierte Aufl mit Zuſaͤtzen von G. C. Lichtenberg. Goͤttingen, 1787. 8. im dreyzehnten Abſchnitte. 73

Torb. Bergmann phyſikaliſche Beſchreibung der Erdkugel; aus dem Schwed. von L. H. Roͤhl. Zwote Auflage. Greifswalde, 1780. 2 Baͤnde, gr. 8.

J. A. de Luͤc phyſikaliſche und moraliſche Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen; aus d. Franz. Leipzig 1781. 2 Baͤnde, gro. 8.

J. L. Chriſt Gefchichte unſers Erdkoͤrpers von den erſten Zeiten der Schoͤpfung des Chaos an rc. Frf. und Leipz. 1785. 8.

Erdkugel, kuͤnſtliche

Globus terreſtris artificialis, Globe terreſtre. Eine Kugel, auf deren Oberflaͤche eine aͤhnliche Vorftellung der Erdflaͤche, ihrer Laͤnder, Meere, vornehmſten Orte u. ſ. w. ingleichen der Kreiſe und Punkte, welche man ſich auf ihr gedenket, entworfen iſt, und die in einem ſchicklichen Geſtell um eine durch die Pole gehende Axe gedrehet werden kan ein Modell der Erdkugel im Kleinen.

Um Wiederholungen zu vermeiden, verweiſe ich wegen deſſen, was die Geſchichte der kuͤnſtlichen Erdkugeln, ihre Verfertigung, die Streifen, womit ſie uͤberzogen werden, die Einrichtung ihres Geſtells rc. betrift, auf den Artikel: Himmelskugel, kuͤnſtliche, und will hier nur mit wenigem erwaͤhnen, was der kuͤnſtlichen Erdkugel beſondes eigen iſt.

Daß man alle Kreiſe und Punkte, die an der Himmelskugel angenommen werden, auch auf der Erdkugel vorſtellen koͤnne, iſt bereits bey dem Worte: Erdkugel erwaͤhnt, und durch Taf. VIII. Fig. 2. erlaͤutert worden. In dieſer Abſicht gedenkt man ſich Himmel und Erde als zwo concentriſche Kugeln, wobey eigentlich die Erde unendlich klein, oder nur als ein Punkt gegen den Himmel, angenommen werden muß. Da es aber hiebey bloß auf Kreiſe und Bogen, oder auf Maaße von Winkeln am Mittelpunkte c ankoͤmmt, mithin die Halbmeſſer dieſer Kreiſe in jeder beliebigen Groͤße genommen werden koͤnnen, ſo kan man in der Figur ohne allen Fehler der Erde eine merkliche Groͤße beylegen; und bey der Verfertigung der Globen ſelbſt werden Himmels - und Erdkugel gewoͤhnlich beyde von einerley Groͤße gemacht.

So geht durch beyde Kugeln die gemeinſchaftliche Axe74 PS, und bezeichnet auf der Erdkugel die Punkte p und s, den Nord - und Suͤdpol. Der auf dieſe Axe ſenkrechte groͤßte Kreis aq, der von den Polen in jedem Punkte um 90° entfernt iſt, wird der Erdaͤquator, ſo wie AQ der Aequator am Himmel iſt. Und, wie am Himmel die mit dem Aequator parallel laufenden kleinern Kreiſe DE, FG, IK, LT, Tagkreiſe genannt werden, weil jeder Stern taͤglich einen ſolchen Kreis zu durchlaufen ſcheint, ſo heißen auf der Erdkugel die uͤbereinſtimmenden Kreiſe, wie de, fg, ik, lt, Parallelen oder Parallelkreiſe. Unter dieſen Parallelen ſind die, welche 23 1 / (oder um die Schiefe der Ekliptik) vom Aequator abſtehen, am Himmel FG und IK, auf der Erde fg und ik, die Wendekreiſe des Krebſes und des Steinbocks; die, welche in gleichem Abſtande von 23 1 / um die Pole laufen, am Himmel DE und LT, auf der Erde de und lt, der noͤrdliche und ſuͤdliche Polarkreis. Der oberſte Punkt der Erdkugel o ſtellt, weil man doch auf der Erdflaͤche uͤberall oben zu ſtehen glaubt, den jedesmaligen Standort vor, deſſen ſcheinbarer Horizont die Ebne hor, der wahre Horizont aber am Himmel HR, auf der Erdkugel mn iſt. Dem Standorte o correſpondirt am Himmel ſein Scheitelpunkt oder Zenith Z. Und wie am Himmel der durch die Pole und das Zenith gehende groͤßte Kreis PZHSRP der Mittagskreis oder Meridian heißt, ſo iſt auf der Erdkugel der uͤbereinſtimmende Kreis pomsnp der Mittagskreis des Orts o, wiewohl man auf der Erde nur die Helfte dieſes Kreiſes poms fuͤr den eigentlichen Meridian von o zu rechnen hat.

Die Ekliptik gehoͤrt bloß auf die Himmelskugel, auf die kuͤnſtliche Erdkugel eigentlich gar nicht. Da ſie ihren Stand am Himmel alle Augenblicke aͤndert, z. B. jetzt ſich in der Lage IG, nach 12 Stunden aber in der Lage FK befindet, ſo kan man ihr auf der Erdkugel keine beſtimmte und unveraͤnderliche Lage anweiſen. Da aber die kuͤnſtliche Erdkugel zu Aufloͤſung verſchiedener Aufgaben beſtimmt iſt, ſo pflegt man auch die Ekliptik darauf zu verzeichnen, ohne welche ſich einige dieſer Aufgaben nicht wuͤrden aufloͤſen laſſen. Man pflegt ſie alsdann ſo zu legen, daß der Herbſtpunkt75 auf den Durchſchnitt des Aequators mit dem angenommenen erſten Meridiane faͤllt.

Weil andere Orte der Erdkugel auch andere Meridiane und andere Horizonte haben, ſo wird der Meridian durch einen meſſingnen Ring, innerhalb deſſen ſich die Kugel um ihre Axe drehen laͤßt, der Horizont aber durch die obere Flaͤche des Geſtelles, in welches ſich die Kugel bis auf die Helfte einſenkt, dargeſtellet. So wird bey verſchiedener Stellung der Kugel der meſſingene Ring der Meridian, und die Flaͤche des Geſtelles der Horizont eines jeden Orts, den man wie o oben aufſtellt.

Der Aequator ſowohl, als die Ekliptik, ingleichen der Meridian, und der innere Umkreis des Horizonts werden in ihre Grade abgetheilt, und gehoͤrig bezeichnet. Ueberdies pflegt man noch auf der kuͤnſtlichen Erdkugel die Parallelkreiſe von 10 zu 10 Graden, und achtzehn ganze oder 36 halbe Mittagskreiſe, die alſo ebenfalls um 10 Grad von einander abſtehen, anzugeben. Der erſte dieſer Mittagskreiſe wird gemeiniglich 20° weſtwaͤrts von Paris gelegt, ſo daß Paris ſelbſt in den dritten auf der Kugel angegebnen Mittagskreis koͤmmt.

Die Abſicht der kuͤnſtlichen Erdkugeln iſt, theils ein richtigeres ſinnliches Bild von der Erde zu geben, als man auf ebnen Flaͤchen entwerfen kan, theils und vornehmlich, mancherley aſtronomiſche und geographiſche Aufgaben auf eine mechaniſche Art ohne Rechnung aufzuloͤſen. Da die Erdkugel alle Kreiſe der Himmelskugel hat, ſo laſſen ſich auf ihr auch ſehr viele aſtronomiſche Aufgaben aufloͤſen, die eigentlich auf jene Kugel gehoͤren. Die geographiſchen Aufgaben betreffen entweder die Lage der Orte auf der Erde gegen einander, oder die Erſcheinungen des Himmels fuͤr einen beſtimmten Ort. Wie man bey Aufloͤſungen derſelben verfahre, lehren die meiſten Handbuͤcher der mathematiſchen Geographie, beſonders Lulofs (Introductio ad cognitionem atque uſum vtriusque globi. Lugd. Bat. 1748. 8. ) und Scheibel (Vollſtaͤndiger Unterricht vom Gebrauch der kuͤnſtlichen Himmels - und Erdkugel. Breslau, 1779. 8.). Hiſtoriſche Nachrichten von den kuͤnſtlichen Erdkugeln findet76 man in J. C. Pfennigs Anleitung zur Kenntniß der mathematiſchen Erdbeſchreibung, Berlin und Stettin, 1779. 8.

Da die Verfertigung der Kugeln und das Aufziehen der Segmente Schwierigkeiten macht, ſo hat Herr von Segner (ſ. Berliner aſtronomiſches Jahrbuch für 1781. S. 44. u. f.) vorgeſchlagen, einen eckichten Koͤrper zu bilden, der aus einem Cylinder und zween abgekuͤrzten Kegeln beſteht, wo auf der krummen Seitenflaͤche des Cylinders die heiße Zone, auf den Seitenflaͤchen der beyden Kegelſtuͤcke die beyden gemaͤßigten, und aſtf den kleinern Grundflaͤchen die kalten Zonen verzeichnet werden. Der verſtorbene Profeſſor Funk in Leipzig hat im Jahre 1780 dergleichen Modelle der Erdkugel, als ein Chriſtgeſchenk fuͤr Kinder, herausgegeben, ſo wie er auch 1781 auf zwo Kegelflaͤchen, auf der einen die noͤrdliche, auf der andern die ſuͤdliche Haͤlfte der Erdflaͤche abgebildet, und mit einer Anweiſung zum Gebrauche begleitet hat. Dies ſind freylich uneigentliche Vorſtellungen, kommen aber doch der Kugel naͤher, als ein Planiſphaͤr, und ſind um ungleich wohlfeilere Preiſe, als die kuͤnſtlichen Erdkugeln, zu haben, mit denen ſie doch, bey einem gehoͤrigen Gebrauche, voͤllig einerley Dienſte leiſten.

Erdnaͤhe, Perigaeum, Perigée.

Der Punkt in der Bahn eines um die Erde laufenden Geſtirns, in welchem daſſelbe der Erde am naͤchſten iſt.

Als man noch, nach dem ptolemaͤiſchen Weltſyſtem, alle Planeten um die Erde laufen ließ, ſchrieb man auch allen eine Erdnaͤhe zu: der copernikaniſche Weltbau aber laͤßt bloß den Mond um die Erde gehen; es bleibt alſo jetzt bloß fuͤr den Mond eine Erdnaͤhe uͤbrig.

Die Erdnaͤhe des Monds in ſeiner elliptiſchen Bahn um die Erde ADPE (Taf. I. Fig. 17.) faͤllt in P, wo ſein Durchmeſſer von der Erde geſehen unter einem Winkel von 33° 32′ erſcheint. Dieſem Punkte gegen uͤber liegt in A die Erdferne, und AP iſt die Apſidenlinie, die ihre Lage jaͤhrlich um 41° von Abend gegen Morgen aͤndert. ſ. Erdebne, Apſidenlinie. In der Erdnaͤhe iſt der Mond77 von uns um 55, 87 Erdhalbmeſſer oder 48021 geographiſche Meilen entfernt.

Was ſonſt Erdnaͤhe der Sonne hieß, wird jetzt als Sonnennaͤhe der Erde betrachtet, ſ. Sonnennaͤhe.

Von den uͤbrigen Planeten ſind die untern der Erde am naͤchſten, wenn ſie vor der Sonne oder in ihrer untern Conjunction mit derſelben ſtehen, die obern, wenn ſie der Sonne gegenuͤber oder in Oppoſition mit ihr ſind, d. h. wenn ſie die ganze Nacht hindurch geſehen werden. Alsdann erſcheinen auch ihre Durchmeſſer am groͤßten. Es iſt aber nicht gewoͤhnlich, dieſen Punkten ihrer Bahnen den Namen der Erdnaͤhen zu geben.

Erdpole, Pole der Erde, Poli terreſtres, Poles de la terre.

Die beyden Punkte der Erdflaͤche p und s, Taf. VIII. Fig. 2., welche bey der taͤglichen Umwaͤlzung der Erdkugel unbewegt bleiben die beyden Endpunkte der Erdaxe ps. Sie correſpondiren mit den Weltpolen P und S, d. i. ſie liegen auf der Erde gegen jeden Ort ſo, wie die Weltpole am Himmel gegen des Orts Zenith zu liegen ſcheinen, und ſind zugleich die Pole des Aequators und aller mit demſelben parallel laufenden kleinern Kreiſe, daher ſie auch vom Erdaͤquator uͤberall um 90° abſtehen.

Der, welcher unſern Gegenden am naͤchſten liegt, P heißt der Nordpol (Polus ſeptemtrionalis, borealis, arcticus, Pole ſeptentrional, boréal); der entgegengeſetzte s der Suͤdpol (Polus meridionalis, auſtralis, antarcticus, Pole méridional, auſtral). Es iſt zwar bekannt, wo dieſe Punkte auf der Erdflaͤche geſucht werden muͤſſen, aber noch iſt es keinem Menſchen gelungen, einen von beyden wirklich zu erreichen; es ſcheint dies auch wegen des undurchdringlichen Eiſes, das ſie umringt, unmoͤglich zu ſeyn. Der engliſche Seecapitain Phipps, jetzt Lord Mulgrave (Reiſe nach dem Nordpol, unternommen im Jahre 1773 von C. J. Phipps; aus dem Engl. vom Landvoigt Engel, Bern, 1777. gr. 4.) naͤherte ſich dem Nordpole bis auf 9 1 / ; und. Capitain Cook auf ſeiner zweyten Reiſe mit Forſter (Forſters Reiſe um die Welt, auf Befehl und Koſten der78 engl. Nation. Berlin, 1778. 2. B. gr. 4.) dem Suͤdpole bis auf 19°; beyde aber hinderte das Eis, weiter vorzudringen.

In dieſe beyden Punkte laufen alle Mittagskreiſe der Erde zuſammen. Durch ein beſtaͤndiges Fortgehen nach Norden, oder Suͤden, wuͤrde man von jedem Orte der Erde aus in den einen oder den andern Pol gelangen. Die Erdpole haben die Pole des Himmels uͤber ihrem Scheitel, und der Aequator faͤllt in ihren Horizont; daher ſind die Tagkreiſe der Fixſterne dem Horizonte parallel, und es findet daſelbſt weder Aufgang noch Untergang ſtatt, ſ. Sphaͤre. Auch iſt die Sonne ein voͤlliges Halbjahr hindurch uͤber, und das andere Halbjahr unter dem Horizonte; daher Tag und Nacht daſelbſt 6 Monate lang ſind, wiewohl die lange Dauer der Nacht durch die Wirkung der Stralenbrechung und Daͤmmerung gar ſehr abgekuͤrzt wird.

Erdrohr, ſ. Fernrohr.

Erdſtriche, Erdguͤrtel, Zonen, Zonae, Zones.

Diejenigen fuͤnf Theile, in welche die Flaͤche der Erdkugel Taf. VIII. Fig. 2. durch die beyden Wendekreiſe fg und ik, und die beyden Polarkreiſe de und lt abgetheilt wird. Sie haben dieſe Namen daher erhalten, weil man in der Sphaͤrik uͤberhaupt einen zwiſchen zween parallelen Kreiſen eingeſchloſſenen Theil der Kugelflaͤche eine Zone oder einen Guͤrtel nennet, obwohl die innerhalb der Polarkreiſe de und lt liegenden Theile nicht zwiſchen zween Kreiſe eingeſchloſſen, ſondern nur von einem einzigen begrenzt ſind. Es giebt einen heißen Erdſtrich, zween gemaͤßigte und zween kalte.

Der heiße Erdſtrich (Zona torrida, Zone torride) iſt das Stuͤck der Erdflaͤche fgik, zwiſchen den beyden Wendekreiſen des Krebſes und des Steinbocks, welches den Aequator aq in ſeiner Mitte hat. Da jeder Wendekreis vom Aequator um 23 1 / abſteht, ſo betraͤgt die Breite dieſer Zone durchgaͤngig 47° oder 705 geographiſche Meilen, ihre ganze Flaͤche aber nimmt 3,701158 Quadratmeilen; oder etwa (398 / 1000) der ganzen Erdflaͤche ein. In dieſem Erdſtriche liegen der ſuͤdliche Theil von Aſien, die mittlern Theile79 von Afrika und Amerika, ein großer Theil von Neuholland und viele Inſeln des Suͤdmeers.

Da die Sonne ſtets zwiſchen den Wendekreiſen des Himmels ſteht, alſo taͤglich nahe am Zenith der Orte dieſer Zone voruͤbergeht, wo ihre Stralen faſt ſenkrecht auf den Boden fallen und daher brennender, als an andern Stellen der Erdflaͤche wirken, ſo hat ſie daher den Namen der heißen erhalten. Die Alten hielten ſie fuͤr unbewohnt. Plinius (Hiſt. nat. II, 70.) ſagt von ihr: Media vero terrarum, qua ſolis orbita, exuſta flammis et cremata, cominus vapore torretur, und Horaz (Od. I. 22.) ſetzt ſie ſub curru nimium propinqui

Solis, in terra domibus negata. Allein die Erfahrung lehret, daß viele theils allgemeine, theils locale Urſachen, z. B. die faſt durchaus gleiche Laͤnge der Tage und Naͤchte, die Lage der hohen Gebirge und des Weltmeers, der oft anhaltende Regen, der beſtaͤndige Oſtwind rc. die Hitze an den meiſten Orten dieſes Erdſtrichs gar ſehr mildern. Uebrigens haben die Bewohner der heiſſen Zone die Sonne jaͤhrlich zweymal uͤber ihrem Scheitel, und zweymal ſteht ſie von demſelben am weitſten ab, wenn ſie ſich nemlich in den Wendekreiſen befindet. In dieſem Sinne kan man ſagen, ein Ort der heißen Zone habe jaͤhrlich zween Sommer und zween Winter, obgleich dieſe Jahrszeiten dort nicht ſo, wie bey uns, ſondern mehr durch Naͤſſe und Trockenheit unterſchieden ſind, ſ. Klima.

Die gemaͤßigten Erdſtriche (Zonae temperatae, Zones temperées) ſind defg und iklt, welche zwiſchen den Wendekreiſen und den Polarkreiſen liegen, jener der noͤrdliche, dieſer der ſuͤdliche. Da die Wendekreiſe 23 1 / , die Polarkreiſe aber 66 1 / vom Aequator abſtehen, ſo betraͤgt die Breite einer jeden gemaͤßigten Zone durchgaͤngig 43° oder 645 geographiſche Meilen; die Flaͤche einer jeden aber macht 2405462 Quadratmeilen oder (260 / 1000) von der ganzen Oberflaͤche der Erde aus. Im noͤrdlichen gemaͤßigten Erdſtriche liegt der groͤßte Theil des feſten Landes, nemlich faſt ganz Europa, der groͤßte Theil von Aſien, der noͤrdliche Theil von Afrika, und Nordamerika. Im ſuͤdlichen liegen80 außer einem Theile von Neuholland, Neuſeeland, mehrere Inſeln des Suͤdmeers, die Spitze von Afrika, und einige Laͤnder von Suͤdamerika.

Die Orte, welche in dieſen Erdſtrichen liegen, ſehen die Sonne zwar taͤglich; niemals aber im Scheitelpunkte. Sie haben in jedem Jahre nur einmal Fruͤhling, Sommer, Herbſt und Winter, und zwar beyde auf eine entgegengeſetzte Art, ſo daß es im noͤrdlichen Fruͤhling oder Sommer iſt, wenn der ſuͤdliche Herbſt oder Winter hat. Denn, wenn die Sonne im Krebs ſteht, ruͤckt ihr Tagkreis am weitſten gegen die noͤrdliche gemaͤßigte Zone herauf, und entfernt ſich dagegen am meiſten von der ſuͤdlichen. Die Ungleichheit der Tage und Naͤchte nimmt in dieſen Zonen deſto mehr zu, je mehr die Orte von den Wendekreiſen entfernt ſind. Unter den Wendekreiſen ſelbſt ſind die laͤngſten Tage und Naͤchte 13 1 / 2 Stunde; unter den Polarkreiſen 24 Stunden. Dieſe regelmaͤßige Abwechſelung der Jahrszeiten und des Tages mit der Nacht giebt den meiſten Orten dieſer Zonen eine gemaͤßigte Temperatur, woher denn auch ihre Benennung entſtanden iſt. Nach der Meinung der Alten waren dieſe Zonen die einzigen bewohnten; weil aber die heiße dazwiſchen liegt, ſo glaubten ſie, man koͤnne aus der noͤrdlichen nicht in die ſuͤdliche gelangen. (Duae tantum inter exuſtam et rigentes temperantur, eaeque ipſae inter ſe non peruiae propter incendium ſiderum. Plin. H. N. II. 70.)

Die kalten Erdſtriche (Zonae frigidae, Zones glatiales) dpe und lst, ſind diejenigen Stuͤcke der Erdflaͤche, welche von den Polarkreiſen eingeſchloſſen werden, und die Pole p und s in ihrer Mitte haben; dpe iſt der noͤrdliche, lst der ſuͤdliche. Da die Polarkreiſe uͤberall 23 1 / von den Polen abſtehen, ſo laſſen ſich dieſe Theile der Erdflaͤche als Flaͤchen von Kugelabſchnitten betrachten, deren Breite uͤberall einen Bogen von 47° oder 695 geographiſchen Meilen, die Flaͤche eines jeden aber 384 924 Quadratmeilen oder (41 / 1000) der Erdflaͤche ausmacht. Im noͤrdlichen kalten Erdſtriche liegen die noͤrdlichſten Kuͤſten von Sibirien und Lappland, nebſt dem groͤßten Theile von Groͤnland;81 der ſuͤdliche hingegen iſt uns faſt gaͤnzlich unbekannt, mit beſtaͤndigem Eiſe bedeckt, und ſeine Grenzen ſind, ſo viel wir wiſſen, nur ein einzigesmal vom Capitain Cook auf ſeiner zweyten Seereiſe beſchift worden.

Wenn die Sonne in einem der beyden Wendekreiſe ſteht, ſo faͤllt ihr ganzer Tagkreis uͤber den Horizont der Orte in der naͤchſten, und unter den Horizont der Orte in der entgegengeſetzten kalten Zone. Daher haben alle Orte der kalten Zone in jedem Jahre einen oder mehrere Tage, an welchen die Sonne gar nicht untergeht, an welchen ſie gar nicht aufgeht. Oder ihr laͤngſter Tag und ihre laͤngſte Nacht dauren laͤnger als 24 Stunden, nehmen zu, je weiter man gegen die Pole koͤmmt, und erhalten endlich unter den Polen ſelbſt eine Dauer von 6 Monaten. Weil aber die Sonne, auch ſelbſt zur Zeit dieſer langen Tage, nur einen ſehr niedrigen Stand am Himmel hat, mithin ſo ſtark, als bey uns, nicht waͤrmen kan, ſo gewinnt die Kaͤlte augenſcheinlich die Oberhand, und man findet beyde kalte Zonen, beſonders die ſuͤdliche, groͤſtentheils mit ungeheuren Eismaſſen bedeckt. Daher ſind auch die Laͤnder daſelbſt keiner ſonderlichen Cultur faͤhig, und groͤſtentheils blos fuͤr die daſelbſt einheimiſchen Claſſen von Menſchen bewohnbar.

Wenn man uͤbrigens die Erdflaͤche in 1000 gleiche Theile theilt, ſo nehmen ſolcher Theile

der heiße Erdſtrich398
die beyden gemaͤßigten520
die beyden kalten82
Summa 1000

ein. Alſo machen die zur Cultur vorzuͤglich geſchickten gemaͤßigten Zonen uͤber die Haͤlfte, die heiße uͤberdies noch faſt 2 / 5, und die kalte weniger als (1 / 10) des Ganzen aus. Dieſe Groͤßen haͤngen von dem Winkel 23 1 / oder von der Schiefe der Ekliptik ab, und da dieſe Schiefe ſich mit dem Fortgange der Zeit zu vermindern ſcheint, ſo muͤſſen die gemaͤßigten Erdſtriche82 ſich immer mehr ausbreiten, der heiße und die kalten aber ſich von Zeit zu Zeit in engere Grenzen zuſammenziehen.

Bode, Anleitung zur allgemeinen Kenntuiß der Erdkugel §. 162 166.

Ausfuͤhrliche mathemat. Geographie (von Walch). Goͤttingen, 1783. 8. Cap. 10. S. 212. u. f.

Erfahrung, Experientia, Experience.

Erfahrungen heißen die vermittelſt unſerer Sinne an den Koͤrpern gemachten Wahrnehmungen. Sie ſind entweder Beobachtungen, wobey die Koͤrper nur blos in dem Zuſtande betrachtet werden, in welchem ſie ſich von ſelbſt und ohne unſer Zuthun befinden, oder Verſuche, wobey ſie mit Vorſatz in einen andern Zuſtand verſetzt werden, damit man ſehe, wie ſie ſich dabey verhalten werden.

Auf unſern Erfahrungen uͤber die Koͤrper beruht natuͤrlich alles, was wir von ihnen wiſſen, und ſie machen alſo den wahren und einzigen Grund der ganzen Naturlehre aus. Ohne vorhergegangene richtige und hinlaͤngliche Erfahrungen Theorien entwerfen und die Eigenſchaften und Kraͤfte der Koͤrper beſtimmen wollen, heißt, ſich eine Welt traͤumen, nicht wie ſie iſt, ſondern wie es unſerer Phantaſie gefaͤllt, ſie anzunehmen. Dies war der Fehler der meiſten Philoſophen und Naturforſcher des Alterthums, welche ſo oft der Natur vorſchrieben, wie ſie ſich verhalten muͤſſe, ohne ſie vorher gefragt zu haben, wie ſie ſich in der That verhalte.

Ohne Zweifel war es fuͤr das Zeitalter der griechiſchen und roͤmiſchen Naturforſcher noch viel zu fruͤhzeitig, Urſachen und Erklaͤrungen der Naturbegebenheiten angeben zu wollen. Noch fehlten damals die Verſuche gaͤnzlich; der Beobachtungen aber waren zu wenig vorhanden, und ein großer Theil derer, die man zu haben glaubte, war durch unrichtige und fabelhafte Zuſaͤtze verunſtaltet. Dennoch uͤberredete man ſich aus einem dem Menſchen natuͤrlichen Triebe, etwas zu wiſſen, und in die Urſachen der Dinge eindringen zu koͤnnen. Daher enthalten aber auch die phyſikaliſchen Syſteme und Meinungen der Alten ſo viele willkuͤhrliche, oft ſeltſame und unerklaͤrbare Einfaͤlle, die nicht83 ſelten den klaren Erfahrungen widerſprechen; und haben ja die Weltweiſen der damaligen Zeit etwas geleiſtet, ſo iſt dieſes in ſolchen Faͤchern der Naturwiſſenſchaften geſchehen, in welchen blos anhaltende Aufmerkſamkeit und Fortſetzung leicht anzuſtellender Beobachtungen noͤthig iſt, wie z. B. in der ſphaͤriſchen Sternkunde, in welcher es ſchon einige der aͤlteſten Voͤlker zu einem ziemlichen Grade der Vollkommenheit gebracht haben. In den uͤbrigen Theilen der Naturlehre blieben die Alten ungemein weit zuruͤck; man darf, um ſich hievon zu uͤberzeugen, nur fluͤchtige Blicke auf die Werke des Plato, Ariſtoteles, Seneka und Plinius werfen. Und ſelbſt in den neuern Zeiten, als die Wiſſenſchaften wieder aufzubluͤhen anfiengen, blieben die ſogenannten Naturforſcher lange Zeit bloße Scholaſtiker und unwiſſende Nachbeter des Ariſtoteles.

Franz Bacon von Verulam, Lord Kanzler von England unter der Regierung Jacob I, einer der groͤſten Maͤnner ſeiner Zeit, ſahe den mangelhaften Zuſtand der Naturwiſſenſchaften und die Urſachen davon ſehr richtig ein, und ſchrieb ſeine vortrefflichen Werke De interpretatione naturae und De augmentis ſcientiarum groͤſtentheils in der Abſicht, um den Weg der Erfahrung fuͤr die Zukunft nachdruͤcklicher zu empfehlen. Bald nach ihm trat der fuͤr die Naturlehre ſo guͤnſtige Zeitpunkt ein, da man mit Verwerfung der ſcholaſtiſch-ariſtoteliſchen Phyſik, aus der Natur ſelbſt Unterricht zu ſchoͤpfen anfieng. Descartes erwarb ſich zwar das große Verdienſt, die Hypotheſen und eingebildeten Erklaͤrungen der Scholaſtiker zu ſtuͤrzen; allein das Syſtem, das er durch ſeine Principia philoſophiae an die Stelle derſelben ſetzen wollte, iſt in den meiſten Theilen eben ſo wenig auf Erfahrung gebaut, und bleibt ein Gewebe von Traͤumen und Einbildungen, ſo viel er auch Geometrie und Mechanik in daſſelbe zu bringen geſucht hat. Hingegen ſind in Italien Galilei und deſſen Schuͤler, in England Robert Boyle, in Deutſchland Kepler, Orto von Guericke und Sturm die erſten geweſen, welche den von Bacon vorgezeichneten Weg der Beobachtungen und Verſuche mit Eifer und Gluͤck verfolgt haben. Dieſe Maͤnner84 bereicherten im vorigen Jahrhunderte die Phyſik durch die wichtigſten Entdeckungen, auf welche nachher Newton, der nie einen Schritt weit von der Erfahrung abwich, ſein vortreffliches Syſtem ſo feſt gegruͤndet hat. Die meiſten und beſten Phyſiker des gegenwaͤrtigen Jahrhunderts haben ſich nach dieſen Muſtern gebildet, und wenn man auch hie und da die reine Quelle der Erfahrung verlaſſen, und den Einbildungen, Hypotheſen und Theorien zu viel eingeraͤumet hat, ſo ſieht man doch jetzt mit allgemeiner Ueberzeugung ein, daß wir nur da etwas wiſſen, wo uns die Erfahrung leitet. Was dieſe Lehrerin bekraͤftiget, ſtehet ewig feſt, wenn bloße Meinungen der Menſchen, ſo viel ſie auch Anfangs Beyfall finden moͤgen, oft noch vor dem Tode ihrer Urheber vergeſſen ſind.

Opinionum commenta delet dies, naturae judicia confirmat.

Uebrigens verweiſe ich wegen deſſen, was den beyden beſondern Claſſen der Erfahrung eigen iſt, auf die Artikel: Beobachtung und Verſuch.

Erhabne Linſenglaͤſer, ſ. Convexglaͤſer, Linſenglaͤſer.

Erhabne Spiegel, ſ. Spiegel.

Erkaltung, das Erkalten, Abkuͤhlen, Refrigeratio, Refrigerium, Refroidiſſement.

Diejenige Veraͤnderung des Zuſtands der Koͤrper, da ſie einen Theil ihrer freyen oder empfindbaren Waͤrme verlieren. Ein Koͤrper erkaltet, wenn entweder ein Theil ſeines vorher freyen Feuers gebunden wird, oder wenn er andere beruͤhrt, die weniger empfindbare Waͤrme, als er, haben und ihm alſo einen Theil der ſeinigen entziehen. So erkaltet ein heißes Metall an der kuͤhlern Luft, oder im kalten Waſſer u. ſ. w. Dieß letztere iſt eine nothwendige Folge des Naturgeſetzes, daß alles freye Feuer oder alle empfindbare Waͤrme ſich ſo lange ausbreitet, und in die benachbarten Koͤrper vertheilet, bis das Thermometer bey allen gleich hoch ſteht, d. i. bis ſie alle einen gleichen Grad von ſenſibler Waͤrme haben, ſ. Waͤrme. 85

Kleine Koͤrper erkalten unter gleichen Umſtaͤnden eher, als große, und je groͤßer die Oberflaͤche eines Koͤrpers iſt, um deſto eher erkaltet er auch, wenn er von einem kaͤltern umgeben wird. Man richtet deswegen alle Kuͤhlgefaͤße ſo ein, daß die darein gegoßne fluͤßige Materie die Luft mit einer großen Oberflaͤche beruͤhret. So wird auch das Erkalten durch Schuͤtteln in der Luft oder im Waſſer, durch den Wind, durch Blaſen auf die Oberflaͤche u. dergl. befoͤrdert, weil durch dieſe Mittel alle Augenblicke von neuem kalte Luft hinzugefuͤhret wird. Endlich erkaltet ein Koͤrper deſto ſtaͤrker, je kaͤlter derjenige iſt, den er beruͤhrt; oder im Winter weit ſchneller, als im Sommer.

Man ſollte vermuthen, daß lockere Koͤrper eher als dichte, erkalten, oder daß uͤberhaupt die Erkaltung eines Koͤrpers deſto ſchneller erfolge, je dichter der benachbarte iſt, der ihm die Waͤrme entzieht. Allein die Erfahrung ſtimmt hiemit nicht durchgaͤngig uͤberein. Richmann (Nov. Comment. Petrop. To. III. p. 309.) hat erwieſen, daß das Queckſilber, faſt der dichteſte Koͤrper, den wir kennen, die Waͤrme weit ſchneller annehme und verliere, als das Waſſer und viele andere Materien von weit geringerer Dichte. Daher iſt es auch zum Thermometer ſo vorzuͤglich geſchickt.

In den erſten Augenblicken erkaltet ein Koͤrper am ſtaͤrkſten, in den folgenden immer weniger. Richmann (Nov. Comm. Petrop. T. I. p. 174.) glaubte gefunden zu haben, daß ſich die Abnahmen der Waͤrme in kleinen auf einander folgenden gleichen Zeitraͤumen verhielten, wie die Unterſchiede der Waͤrme des erkaltenden und des beruͤhrenden Koͤrpers, woraus er auch ſo, wie Lambert in ſeiner Pyrometrie, eine Methode, die Abnahmen der Waͤrme zu berechnen, herleitet; allein Erxleben (Nov. Comm. Soc. Gotting. T. I. p. 74.) findet, daß alle dieſe Regeln ſeinen daruͤber angeſtellten Erfahrungen widerſprechen.

Da man durch Vermiſchung des Eiſes mit Salzen und Saͤuren große Grade der Kaͤlte hervorbringen kan (ſ. Kaͤlte, kuͤnſtliche), ſo kan man ſich dieſes Mittels auch zu Befoͤrderung der Erkaltung bedienen. Auch die Ausduͤnſtung erzeugt Kaͤlte (ſ. Ausduͤnſtung) und es iſt laͤngſt86 bekannt geweſen, daß die Einwohner der warmen Laͤnder ihre Getraͤnke, um ſie friſch zu erhalten, in irdenen Gefaͤßen aufbewahren, Leinwand darum ſchlagen und dieſe von Zeit zu Zeit anfeuchten. Die Austrocknung der Leinwand, d. i. die Verduͤnſtung des Waſſers, kuͤhlt das im Gefaͤß enthaltne Getraͤnk ab.

Erxleben Aufangsgr. der Naturl. §. 488. 489.

Erſcheinungen, ſ. Phaͤnomene.

Erze, Minern, Minerae metallorum, Mines metalliques.

So heißen die natuͤrlichen Gemiſche, welche Metalle mit andern Subſtanzen verbunden, enthalten. Nur das Gold und eine ſehr geringe Menge von den andern Metallen findet man in der Erde rein oder gediegen; meiſtentheils ſind Metalle und Halbmetalle mit fremden Subſtanzen verbunden, die ſie unkenntlich und zum Gebrauche ungeſchickt machen, und nach deren Verfluͤchtigung ein metalliſcher Kalk uͤbrig bleibt. In dieſem Zuſtande heißen ſie vererzet oder mineraliſirt.

Die Subſtanzen, welche man am haͤufigſten mit den Metallen verbunden findet, die mineraliſirenden oder vererzenden Subſtanzen, Vererzungsmittel, ſind der Schwefel und der Arſenik, oft einzeln, oft beyde zugleich. Doch gehoͤren noch hiezu die Kochſalzſaͤure und Vitriolſaͤure, als Vererzungsmittel beym Hornſilber und gewachſenen Vitriol. Man findet dabey insgemein noch einen ziemlichen Theil metalliſche Erde, welche durch einen Zuſatz von brennbarem Stoffe ſich in Metall zu verwandeln faͤhig iſt, nebſt einem Antheile unmetalliſcher Erde.

Dieſe Erze finden ſich immer in Steine oder Erden, vornehmlich in Quarz oder Spath, eingemengt. Man nennt dieſes Geſtein die Gangart oder die Metallmutter (matrix metalli, matrice).

Wenn die Menge des Metalls in den Erzen groͤßer iſt, als die des Schwefels, Arſeniks und der unmetalliſchen Erde, ſo heißen ſie Erze im vorzuͤglichen Sinne des Worts. Enthalten ſie aber mehr Schwefel, Arſenik und unmetalliſche87 Erde, als Metall, ſo giebt man ihnen den Namen der Kieſe.

Man benennet die Erze gemeiniglich von demjenigen Metalle, deſſen Gewinnung aus ihnen den groͤſten Vortheil gewaͤhret. So nennt man dasjenige, welches im Centner eine Mark Silber enthaͤlt, Silbererz, nicht Bleyerz, ob es wohl zugleich mehrere Pfunde Bley liefert. Doch wird es anjetzt faſt gewoͤhnlicher, einem ſolchen Erze den Namen eines ſilberhaltigen Bleyerzes zu geben.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Erze.

Eſſig, Acetum, Vinaigre.

Der Eſſig iſt eine geiſtige vegetabiliſche Saͤure, welche durch den zweyten Grad der Gaͤhrung, d. i. durch die, ſo auf die geiſtige Gaͤhrung folgt, und die ſaure oder Eſſiggaͤhrung heißt, erzeugt wird, ſ. Gaͤhrung.

Dieſemnach koͤnnen blos Wein oder andere geiſtige Liquoren aus dem Pflanzenreiche einen wahren Eſſig geben. Der aus dem Weine bereitete oder Weineſſig hat vor allen den Vorzug. Man vermiſcht, um ihn zu bereiten, den Wein mit ſeinen Hefen und ſeinem Weinſteine, und ſetzt ihn einer maͤßigen Waͤrme, z. B. von 18 20° nach Reaumur, aus. Die Natur ſelbſt vollendet das uͤbrige. Es iſt ſehr ſchwer, ſich von dem, was ſie hiebey thut, einen deutlichen Begriff zu machen, und die Eigenſchaften des Weins und Eſſigs lehren nur ſo viel, daß bey der Eſſiggaͤhrung die entzuͤndlich geiſtigen Theile verlohren gehen, und die Saͤure freyer und mehr entwickelt werde. In dem Eſſige, wie er gewoͤhnlich bereitet wird, iſt außer der ihm eignen Saͤure noch viel waͤſſerichtes enthalten, wovon man ihn am leichteſten durchs Gefrieren befreyen kan. Noch ſtaͤrker aber concentrirt ſich die Saͤure in ihren Verbindungen mit den Laugenſalzen, Erden und Metallen, und man erhaͤlt die ſtaͤrkſte Eſſigſaͤure oder den radicalen Eſſig, wenn man dieſe Verbindungen durch das Feuer oder durch Vitriolſaͤure wiederum zerſetzet. Bey der Deſtillation des Eſſigs geht der geiſtigſaure Theil uͤber, den man unter dem Namen des deſtillirten Eſſigs gebraucht, der Ruͤckſtand beſtehet aus88 einer ſauren Subſtanz, die aber von der Eſſigſaͤure unterſchieden iſt, einer ſeifenartigen, einer faͤrbenden Materie und etwas Weinſtein.

Die ſpecifiſche Schwere des Weineſſigs iſt 1,011, oder nur wenig groͤßer, als die des Waſſers; er gefriert aber eher als dieſes, und ſchon bey einer Temperatur von 80 Grad nach Fahrenheit.

Man gebraucht den Eſſig zu Bereitung der Speiſen, in der Arzneykunſt als ein faͤulnißwidriges und aufloͤſendes Mittel, und fuͤr die Malerey zur Verfertigung des Bleyweißes und Gruͤnſpans.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Eſſig.

Eſſiggaͤhrung, ſ. Gaͤhrung.

Eſſigſaͤure, Acidum aceti, Acide du vinaigre.

Die vegetabiliſche im Eſſig enthaltene Saͤure. Man zieht ſie aus demſelben durch verſchiedene unter dem Worte: Eſſig, angegebene Mittel. Sie loͤſet alle Subſtanzen auf, in welche jede andere Saͤure wirkt, und erzeugt mit ihnen die ſogenannten Eſſigſalze.

Mit den Kalkerden giebt ſie z. B. das Kreidenſalz, Krebsaugenſalz u. ſ. w., loͤſet auch alle uͤbrige Erden auf, die Kieſelerde ausgenommen. Mit dem fixen vegetabiliſchen Laugenſalze macht ſie die Blaͤttererde (terra foliata tartari), mit dem fluͤchtigen Alkali einen Eſſigſalmiak, Minderets Geiſt, mit dem Kupfer den Gruͤnſpan und die Kupferkryſtallen, mit dem Bley das Bleyweiß und den Bleyzucker. Eſſig, welcher Bley aufgeloͤſet enthaͤlt, heißt Bleyeſſig; wohin auch das Goulardiſche Waſſer gehoͤrt. Auf das metalliſche Queckſilber wirkt die Eſſigſaͤure nicht; ſie greift es aber an, wenn es vorher in Salpeterſaͤure aufgeloͤſet und durch fixes Alkali niedergeſchlagen iſt, und giebt damit das Queckſilber-eſſigſalz.

Der concentrirte oder radicale Eſſig mit einer gleichen Menge rectificirtem Weingeiſt giebt durch die Deſtillation den Eſſigaether.

Uebrigens iſt die Eſſigſaͤure weit ſchwaͤcher, als die mineraliſchen Saͤuren, auch koͤnnen durch die letztern alle Eſſigſalze89 wiederum zerſetzt werden. Am ſtaͤrkſten ſind ihre Verwandſchaften mit den Laugenſalzen, der Bitterſalzerde, dem Bley und Kupfer, und dem Waſſer.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Eſſig.

Eſſigſaure Luft, ſ. Gas, eſſigſaures.

Eudiometer, Luftguͤtemeſſer

Eudiometrum, Eudiometre. Ein Werkzeug, welches dazu dienen ſoll, die Guͤte oder Salubritaͤt der Luft zu pruͤfen, d. i. anzuzeigen, in wie weit ſie mehr oder weniger zum Einathmen dienlich, mithin fuͤr die Erhaltung der Geſundheit mehr oder weniger heilſam ſey. Der Name iſt griechiſch, und heißt urſpruͤnglich ſo viel als Maaß der Luftguͤte.

Die Einrichtung dieſes Werkzeugs beruht auf einer merkwuͤrdigen Eigenſchaft der ſalpeterartigen, nitroͤſen oder Salpeterluft (nitrous air) ſ. Gas, ſalpeterartiges. Schon Hales hatte, wie er in ſeinen Vegetable Statics (Statik der Gewaͤchſe, nach der franz. Ausgabe uͤberſ. Halle, 1748. 4. S. 128.) erzaͤhlt, aus dem waltoniſchen Kieſe durch die Salpeterſaͤure eine Luft erhalten, welche die gemeine Luft, wenn ſie ihr beygemiſcht wurde, verminderte, oder ſich mit ihr in ein geringeres Volumen zuſammenzog. Prieſtley, der in Ermanglung des waltonſchen Kieſes dieſes Gas nicht glaubte hervorbringen zu koͤnnen, ward durch eine Unterredung mit Cavendiſh im Jahre 1772 ermuntert, Verſuche mit Metallaufloͤſungen in der Salpeterſaͤure anzuſtellen. Er erhielt auch ſogleich aus einer Meſſingaufloͤſung die von Hales beſchriebene Luft, welcher er (Verſ. und Beobacht. uͤber verſchiedene Gatt. der Luft, a. d. Engl. I. Th. Leipz. 1778. 8. S. 106.) den Namen der nitroͤſen oder ſalpeterartigen Luft beylegte. Es iſt eine ihrer vor zuͤglichſten Eigenſchaften, ſagt er, daß ſie eine jede Por tion gemeine Luft, mit der man ſie miſchet, ausnehmend vermindert, eine dunkelrothe oder hochorange Farbe an nimmt, und eine betraͤchtliche Hitze mittheilet. Ich kenne faſt keinen Verſuch, von dem man mehr in Erſtau nen und Verwunderung koͤnnte geſetzt werden, als dieſen, wo ſich uns eine Portion Luft darſtellt, die eine andere90 halb ſo große gleichſam verſchlingt, und dennoch nicht im mindeſten am Volumen zunimmt, vielmehr noch dazu be traͤchtlich vermindert wird.

Dieſe Verminderung des Volumens findet aber nur bey den zum Athmen tauglichen oder reſpirablen Luftgattungen ſtatt, welche uͤberhaupt durch alle Zuſaͤtze eines brennbaren Stoffs an ihrem Volumen vermindert werden. Bey der dephlogiſtiſirten oder vom Brennſtoffe leeren Luft iſt dieſe Verminderung am ſtaͤrkſten; und ſie wird deſto geringer, je mehr der Luft, zu welcher man das nitroͤſe Gas hinzubringt, bereits Brennbares beygemiſcht, d. i. je weniger dieſelbe zum Athmen und zur Erhaltung des thieriſchen Lebens tauglich iſt. Wenn endlich eine Luftgattung mit Brennbarem geſaͤttiget iſt, ſo wird ihr Volumen durch das Hinzukommen der ſalpeterartigen Luft gar nicht mehr vermindert.

Man hat dem zufolge nachſtehende Saͤtze als richtig angenommen:

1. Je groͤßer die Verminderung des Volumens bey der Vermiſchung der ſalpeterartigen und atmoſphaͤriſchen Luft iſt, deſto reiner, reſpirabler und heilſamer iſt auch die atmoſphaͤriſche Luft.

2. Je kleiner die Verminderung des Volumens bey einer ſolchen Vermiſchung iſt, deſto unreiner, zum Athmen untauglicher und ſchaͤdlicher iſt die atmoſphaͤriſche Luft.

3. Jede natuͤrliche oder kuͤnſtliche Luft, bey deren Vermiſchung mit ſalpeterartiger Luft gar keine Verminderung erfolgt, iſt ſchaͤdlich, erſtickend und toͤdtend.

In wie fern man berechtiget ſey, dieſe Saͤtze als allgemeine und erwieſene Wahrheiten anzuſehen, das iſt bey dem gegenwaͤrtigen Zuſtande der Wiſſenſchaft allerdings noch ungewiß. Wenn man ſich, der gemeinen Meinung nach, die ſalpeterartige Luft als einen aus Salpeterſaͤure und Phlogiſton beſtehenden Stoff vorſtellet, und annimmt, das Phlogiſton habe mit der gemeinen Luft mehr Verwandſchaft, als mit der Salpeterſaͤure, ſo folgt hieraus, daß die ſalpeterartige Luft durch Vermiſchung mit atmoſphaͤriſcher deſto ſtaͤrker zerſetzt werden muͤſſe, je weniger Phlogiſton91 die atmoſphaͤriſche enthaͤlt. Nach dieſer Vorſtellungsart wuͤrde dann die Verminderung blos anzeigen, ob die gepruͤfte atmoſphaͤriſche Luft wenig oder viel Phlogiſton enthielte. Hieraus waͤre aber noch nicht unmittelbar zu entſcheiden, ob ſie zum Einathmen mehr oder weniger heilſam ſey; denn es koͤnnen ja wohl auch außer dem Phlogiſton noch andere Stoffe mit der Luft verbunden ſeyn, die ihre Heilſamkeit vermehren oder vermindern, und deren Gegenwart ſich durch die Vermiſchung mit der ſalpeterartigen Luft nicht entdecken laͤſt. Aus dieſem Grunde iſt es weit ſicherer, die erwaͤhnten Saͤtze blos darauf einzuſchraͤnken, daß die ſtaͤrkere Verminderung weniger, die ſchwaͤchere mehr Phlogiſton, der gaͤnzliche Mangel der Verminderung aber eine Saͤttigung mit Phlogiſton anzeige.

Das Eudiometer iſt aber nichts weiter, als ein Werkzeug, wodurch man die erwaͤhnte Verminderung des Volumens bey Vermiſchung von ſalpeterartiger und gemeiner Luft, oder uͤberhaupt bey Vermiſchung verſchiedener Luftgattungen abmeſſen kan. Man ſieht alſo leicht, daß ihm der Name eines Luftguͤtemaaßes nur ſehr uneigentlich zukoͤmmt, in ſo fern man nemlich aus dieſer Verminderung ſicher auf die Reinigkeit vom Phlogiſton, und aus dieſer wiederum ſicher auf Salubritaͤt der Luft ſchließen kan. Etwa ſo, wie dem Barometer der Name des Wetterglaſes zukoͤmmt. Ueberdies iſt auch dieſes Werkzeug, blos als Maaß der Verminderung betrachtet, noch ſehr von dem Grade der Vollkommenheit entfernt, den man von einem Maaße verlangen kan. Man iſt auch hier, wie beym Barometer, von der urſpruͤnglichen Simplicitaͤt abgewichen, und hat durch uͤbertriebnes Kuͤnſteln mehr verlohren als gewonnen, bis man erſt neuerlich wieder auf die erſte einfache Einrichtung zuruͤckgegangen iſt.

Prieſtley ſelbſt machte bereits im Jahre 1772 ein ſehr einfaches Inſtrument dieſer Art bekannt. Es beſtehet aus einer Flaſche oder Phiole, welche er das Maaß nennet, und die etwa eine Unze Waſſer faſſet, nebſt zwoen Glasroͤhren. Die eine Roͤhre hat ungefaͤhr 1 1 / 2 Zoll im Durchmeſſer, die andere iſt drey Fuß lang, und haͤlt 1 / 4 Zoll im92 Durchſchnitt. Die Raͤume, welche 1, 2, 3 rc. Maaße Luft in ihr einnehmen, ſind durch eingeſchnittene Striche bemerkt, und jeder davon in 100 Theile getheilt. Er fuͤllt zuerſt das Maaß mit Waſſer, und ſetzt es umgekehrt uͤber die Oefnung des Trichters, welcher in das Querbret einer mit Waſſer gefuͤllten Wanne eingeſchnitten iſt (Man ſ. den Artikel: Pnevmatiſch-chymiſcher Apparat). Durch dieſen Trichter wird die zu pruͤfende Luft in das Maaß eingelaſſen, in welchem ſie aufſteigt, und das Waſſer aus ſeiner Stelle treibt. Dieſes Maaß Luft wird nun in der 1 1 / 2 Zoll breiten Glasroͤhre gelaſſen; doch ohne dieſelbe mit der bloßen Hand zu beruͤhren. Eben ſo wird das Maaß auch mit ſalpeterartiger Luft gefuͤllt, und dieſe in eben die Glasroͤhre gelaſſen. Endlich wird dieſe Miſchung beyder Luftarten in die große abgetheilte Glasroͤhre gelaſſen, und dieſe, ohne zu ſchuͤtteln, in das Waſſer geſenkt, bis die Waſſerflaͤche innerhalb der Roͤhre mit der Flaͤche des aͤußern Waſſers gleich hoch ſteht, worauf man dann den Raum, den die 2 Maaß Luft nach ihrer Vermiſchung einnehmen, in Hunderttheilen eines Maaßes bemerken kan. Dieſes Verfahren empfiehlt ſich durch ſeine Simplicitaͤt; allein es hat den Fehler, daß man nicht genug verſichert ſeyn kan, in dem Maaße jederzeit eine voͤllig gleiche Menge Luft zu haben; daher auch die Verſuche immer ungleich ausfallen, wenn ſie gleich mit eben denſelben Luftarten angeſtellt werden.

Dieſe Erfindung des D. Prieſtley reizte vorzuͤglich die Aufmerkſamkeit der italiaͤniſchen Naturforſcher. Der Abt Felix Fontana (Deſcrizione e uſi di alcuni ſtromenti per miſurare dell 'aria. in Firenze, 1774. 4. ) ſchlug ſtatt des Prieſtleyiſchen acht verſchiedene neue Inſtrumente vor. Sie kommen alle darinn uͤberein, daß man jede Luftart in ein beſonderes Behaͤltniß bringt, und hernach beyde zuſammen laͤſt, worauf die Groͤße der Verminderung des Volumens durch Queckſilber angegeben wird. Bey den vier erſten geſchieht dieſes durch Abwaͤgung des Queckſilbers, bey den letztern durch den Stand deſſelben in einer Glasroͤhre, vermittelſt eines angebrachten Maaßſtabes. Es ſind aber alle dieſe Werkzeuge nicht in Gebrauch gekommen, da die ſalpeterartige93 Luft auf das Queckſilber wirkt, und dadurch das Reſultat zweifelhaft macht.

Bald hierauf machte der Ritter Marſiglio Landriani in Mayland (Ricerche fiſiche intorno alla ſalubrità dell 'aria, in Milano, 1775. 8. auch in Rozier Journal de Phyſique, Octobre, 1775. Landriani Unterſuchung der Geſundheit der Luft, Baſel, 1778. 8. ) eine neue Einrichtung dieſes Inſtruments bekannt, und legte demſelben zugleich den Namen des Eudiometers zum erſtenmale bey. Es beſteht nach ſeiner Angabe in einer ovalen glaͤſernen Flaſche, welche an beyden entgegengeſetzten Oefnungen mit elfenbeinernen oder glaͤſernen Haͤhnen, wie am de Luͤcſchen Reiſebarometer (ſ. Barometer 1ſter B. S. 268.) verſehen iſt. Aus der untern Oefnung dieſer Flaſche ſteigt eine durchaus gleich weite Glasroͤhre herab, die mit ihrem untern Ende, welches ein Ventil hat, in einem kleinen Becken mit Waſſer ſteht. Alles dies iſt an ein hoͤlzernes Geſtell angebracht, und an der Seite der Glasroͤhre geht eine Scale herunter, deren ganze Laͤnge in 24, jeder Theil aber wieder in 12 Theile getheilt iſt. Am obern Hahne iſt eine mit nitroͤſer Luft gefuͤllte Blaſe angebunden. Mit dieſem Werkzeuge hatte Landriani die Luft an verſchiedenen Orten Italiens unterſucht, und ſandte nach vollendeter Reiſe das Inſtrument zum Geſchenk an D. Prieſtley.

Seine Methode iſt folgende. Er fuͤllt die Flaſche und Roͤhre mit Waſſer, ſchraubt alsdann den obern Hahn mit der daran gebundenen Blaſe auf, und druͤckt aus ſolcher ſo viel nitroͤſe Luft in die Flaſche, bis dieſe ganz damit angefuͤllt und vom Waſſer voͤllig verlaſſen iſt. Hierauf verſchließt er beyde Haͤhne, und laͤſt das kleine Becken mit Waſſer am untern Theile der Roͤhre tiefer herab, damit das Waſſer auch aus der Roͤhre voͤllig auslaufe, und dieſe ſich dagegen mit der zu pruͤfenden atmoſphaͤriſchen Luft fuͤlle. Sobald die Roͤhre voll Luft iſt, wird das Becken mit Waſſer wieder an ſeine vorige Stelle gebracht, die untere Oefnung der Roͤhre unter Waſſer geſetzt, und der Hahn zwiſchen der Flaſche und der Roͤhre geoͤfnet. Nun kommen94 beyde Luftarten in Beruͤhrung, und es erfolgt die Verminderung des Volumens, deren Groͤße ſich durch die Hoͤhe der vom Drucke der aͤußern Luft hinaufgetriebenen Waſſerſaͤule vermittelſt der Scale abmeſſen laͤſt. Dieſe Einrichtung hat zwar das bequeme, daß der ganze Apparat durch das Geſtell in ein einziges Stuͤck gebracht iſt; allein er iſt blos zur Pruͤfung der eben in der Atmoſphaͤre vorhandenen Luft geſchickt, die Haͤhne gerathen leicht in Unordnung, die Vermiſchung der Luftarten erfordert eine lange Zeit, und die Beſtimmung des Reſultats haͤngt von der jedesmaligen Temperatur und Schwere der Atmoſphaͤre ab.

Zu eben der Zeit ſuchte D. Ingenhouß die Werkzeuge zur Luftpruͤfung zu verbeſſern, und beſchrieb zwo neue Einrichtungen derſelben in einem Briefe an Pringle, welcher in der koͤniglichen Societaͤt der Wiſſenſchaften am 15. Febr. 1776 vorgeleſen, und in die Schriften derſelben (Philoſ. Transact. Vol. LXVI. p. 257. ſqq. ) aufgenommen worden iſt. Der erſte Apparat beſteht aus einer kupfernen Roͤhre mit zween Haͤhnen, an deren einem Ende eine Flaſche von Federharz befindlich iſt, das andere Ende aber in eine Glasflaſche eingeſchraubt werden kan. Aus der Mitte dieſer Roͤhre geht ein anderes rechtwinklig umgebogenes kupfernes Rohr herab, das einen Hahn hat, und unten mit einer 2 3 Schuh langen in 100 Theilen getheilten Glasroͤhre verbunden iſt. Herr Ingenhouß goß in die Flaſche ein halbes Loth verduͤnnte Salpeterſaͤure mit einem Quentchen Eiſenfeile, wodurch ſich ſalpeterartige Luft entwickelte, druͤckte ſodann die Federharzflaſche, welche gemeine Luft enthielt, zuſammen, um beyde Luftarten in der kupfernen Roͤhre zu vermiſchen. Wenn ſich das Eiſen aufgeloͤſet hatte, ſchloß er beyde Haͤhne zu, und ſenkte die glaͤſerne abgetheilte Roͤhre in ein Gefaͤß mit Queckſilber. Sodann oͤfnete er den unterhalb der Federharzflaſche, und den an der gebognen kupfernen Roͤhre befindlichen Hahn, worauf das Queckſilber in der Glasroͤhre aufſtieg, und die Groͤße der Verminderung, an der Theilung, angab. Weil aber bey dieſer Methode ſowohl die unvermeidliche Aufloͤſung des Kupfers, als auch die ungleiche Menge der entwickelten nitroͤſen Luft95 ſehr ungleiche Reſultate giebt, ſo ward ſie von ihrem Urheber ſelbſt gar bald wieder verworfen.

Das zweyte von Herrn Ingenhouß vorgeſchlagene Werkzeug iſt eine an beyden Enden offene Glasroͤhre, 2 1 / 2 Schuh lang, (1 / 12) pariſer Zoll im Durchſchnitt, und in 100 gleiche Theile getheilt. Er fuͤllt dieſe Roͤhre zuerſt ganz mit ſalpeterartiger Luft, indem er ſie auf ein Flaͤſchchen mit Eiſenfeile und Scheidewaſſer ſetzt; haͤlt hierauf beyde Oefnungen mit dem Daumen zu, bringt die untere in ein Gefaͤß mit Queckſilber, und laͤſt, indem er beyde Enden auf einen Augenblick oͤfnet, einen Zoll hoch Queckſilber hineintreten. Sodann haͤlt er die Roͤhre mit verſchloßnen Enden horizontal, und laͤſt durch abwechſelndes Oefnen und Verſchließen derſelben die darin befindliche kleine Queckſilberſaͤule bis in die Mitte laufen, wobey dieſelbe aus dem einen Ende gerade ſo viel nitroͤſe Luft austreibt, als durch das andere Ende gemeine Luft hineingeht. Sobald das Queckſilber in der Mitte iſt, ſchuͤttelt er die Roͤhre mit zugehaltenen Enden ſtark hin und her, wobey das Queckſilber viel zur Vermiſchung beyder Luftarten beytraͤgt. Endlich bringt er die untere Oefnung der Roͤhre wieder in das Gefaͤß mit Queckſilber, und zieht den Daumen davon ab, indem die obere Oefnung noch verſchloſſen bleibt. Weil nun die Vermiſchung der Luftarten ihr Volumen vermindert hat, ſo ſteigt das Queckſilber aus dem Glaſe in die Roͤhre auf, und ſein Stand zeigt an der Theilung die Groͤße der Verminderung an. Aber auch dieſe Verfahrungsart hat Herr Ingenhouß bald wiederum verlaſſen.

Herr von Magellan (Deſcription of a glaſs apparatus etc. together with the deſcription of ſome new Eudiometers or Inſtruments for aſcertaining the Wholſomeneſs of reſpirable air, in a letter to the Rev. D. Prieſtley. London 1777. 8. Beſchreibung eines Glasgeraͤths rc. wie auch einiger Eudiometer, von J. H. Magellan, aus d. Engl. uͤberſ. mit Zuſaͤtzen von C. F. Wenzel. Dresden, 1780. 8. ) machte im Jahre 1777 drey von ihm erfundene, aber ſehr zuſammengeſetzte Eudiometer bekannt, welche auch Cavallo (Abh. uͤber die Eigenſchaften der Luft, aus d. Engl.96 Leipz. 1783. gr. 8. Taf. II. Fig. 22. 23. 24. ) beſchrieben und abgebildet hat. Ich will hier nur das erſte davon etwas umſtaͤndlicher anfuͤhren. Es beſtehet daſſelbe aus der glaͤſernen Roͤhre MD, Taf. VIII. Fig. 7, welche 12 15 Zoll lang, durchaus gleich weit, und mit dem eingeſchliffenen Glasſtoͤpſel M verſehen iſt. An ihr unteres Ende paſſet das eingeſchliffene Gefaͤß C, deſſen Geſtalt die Figur deutlich zeiget. Dieſes Gefaͤß C hat außerdem noch zwo Muͤndungen, in welche zwo kleine Phiolen oder Flaͤſchchen A und B eingeſchliffen ſind. Die Capacitaͤt beyder Flaͤſchchen zuſammen muß ohngefaͤhr ſo viel betragen, als der Inhalt der Roͤhre MD. Z iſt ein meſſingener Ring, der ſich an der Roͤhre MD verſchieben und mit einer Stellſchraube uͤberall, wo man will, befeſtigen laͤſt. G iſt ein meſſingenes oder hoͤlzernes Lineal, welches in gleiche Theile getheilt iſt, und mit zween meſſingenen halben Ringen an die Roͤhre MD, wie bey F, angelegt werden kan. Beym Gebrauche nimmt man den Stoͤpſel M ab, und taucht das ganze Inſtrument in das Waſſer der Wanne, ſo daß ſich die Roͤhre, das Gefaͤß C und die Flaͤſchchen A und B voͤllig mit Waſſer fuͤllen; man ſetzt alsdann den Stoͤpſel wieder auf. Hierauf laͤſt man nur noch den untern Theil des Inſtruments, etwa bis an die Haͤlfte der Roͤhre, unter Waſſer ſtehen, nimmt eines von den Flaͤſchchen A oder B vom Gefaͤße C ab, fuͤllt es mit der zu pruͤfenden Luft und ſteckt es wieder an ſeine vorige Stelle. Das andere Flaͤſchchen wird mit ſalpeterartiger Luft gefuͤllt, und ebenfalls wiederum aufgeſteckt. Man nimmt nunmehr das Inſtrument aus dem Waſſer, und dreht das Gefaͤß C mit dem Boden b aufwaͤrts, wie es bey F vorgeſtellt iſt; wodurch die in den beyden Flaͤſchchen enthaltenen Luftgattungen in das Gefaͤß C aufſteigen, ſich mit einander vermiſchen und die Verminderung des Volumens bewirken. So bald man aber das Gefaͤß C umgedreht hat, muß man das Inſtrument wieder bis an die Mitte der Roͤhre ins Waſſer tauchen, und den Stoͤpſel M abnehmen. So, wie ſich nun das Volumen der beyden Luftgattungen vermindert, faͤllt das Waſſer in der Roͤhre MD herab. Herr Magellan glaubte bemerkt97 zu haben, daß das Volumen, wenn es den hoͤchſten Grad der Verminderung erreicht habe, wiederum ein wenig zunehme; er bediente ſich daher des meſſingnen Ringes mit der Stellſchraube zur Beobachtung des Punkts, an welchem die Waſſerflaͤche ſtill geſtanden haͤtte; man hat aber dieſe vorgegebne Bemerkung ungegruͤndet gefunden. Wenn nun die Verminderung voruͤber iſt, und die Waſſerflaͤche in der Roͤhre ſtehen bleibt, ſo fuͤllt er die Roͤhre wieder ganz mit Waſſer, verſtopft ſie mit dem Stoͤpſel M, und wendet ſie ſo, daß die Luft aus dem Gefaͤße C in den obern Theil M aufſteigt. Endlich nimmt er das Gefaͤß C ganz ab, ſenkt die Roͤhre ſo weit ins Waſſer, bis die innere Waſſerflaͤche mit der aͤußern gleich ſteht, und mißt dann an dem Lineale das Volumen der beyden vermiſchten Luftgattungen ab. Auf dem Lineale iſt bemerkt, wie viel Theile der Scale die Capacitaͤt beyder Flaͤſchchen einnehme; ſo wie z. B. in der Figur die Bezeichnung 96 = ** andeutet, daß die in beyden Flaͤſchchen enthaltene Luft in die Roͤhre MD gebracht, einen Raum von 96 Theilen einnehmen wuͤrde. Nimmt nun das Volumen beyder Luftgattungen nach ihrer Vermiſchung nur noch 56 Theile ein, ſo ſind 40 Theile verlohren gegangen, und der Grad der Heilſamkeit der gepruͤften Luft iſt nach Magellan = (40 / 96). Bleiben bey Pruͤfung einer andern Luft 60 Theile zuruͤck, und gehen alſo 36 verlohren, ſo iſt bey dieſer Luft der Grad der Heilſamkeit = (36 / 96), und verhaͤlt ſich zum vorigen, wie 36: 40, d. i. wie 9: 10.

Man uͤberſieht bald, daß dieſes Inſtrument ſehr zuſammengeſetzt, und ſeiner ganzen Einrichtung nach keiner ſonderlichen Genauigkeit faͤhig iſt, daß auch viel davon abhaͤngt, ob der Stoͤpſel feſt oder nur locker eingedruͤckt, die Roͤhre genau lothrecht oder ſchief gehalten wird, u. ſ. w. Endlich kan man auch hiebey nicht mehr als ein einziges Maaß nitroͤſe Luft mit einem Maaße gemeiner Luft miſchen, welche Verfahrungsart, wie die Folge lehren wird, allezeit unvollkommen bleibet. Da die beyden andern Eudiometer des Hrn. Magellan eben ſo zuſammengeſetzt, und gar nicht in Gebrauch gekommen ſind, ſo verweiſe ich der Kuͤrze halber98 auf Cavallo a. a. O., der das Mangelhafte derſelben ſehr deutlich gezeigt hat.

White (Philof. Transact. Vol. LXVIII. for 1778. P. I. no. 13.) bediente ſich zu ſeinen Beobachtungen uͤber die Guͤte der Luft zu York einer gemeinen Barometerroͤhre, welche ſo weit war, daß ein Unzenglas voll Luft ohngefaͤhr 134 Decimaltheile eines englichen Zolls darinn einnahm. In dieſe Roͤhre ließ er ein Unzenglas Luft unter dem Waſſer vermittelſt glaͤſerner Trichter ein, that gleich darauf ein halbes Unzenmaaß ſalpeterartige Luft hinzu, und zeichnete den Raum, den beyde ſogleich anfuͤllten, wie auch denjenigen, den ſie nach dreyßig Minuten einnahmen, auf. Der letztere vom erſtern abgezogen, gab die Verminderung oder die Anzeige der Guͤte der Luft. So nahm am 30. Auguſt 1777 die Luft aus ſeinem Garten mit der ſalpeterartigen ſogleich 205 Theile, nach einer halben Stunde aber nur 145 Theile ein; alſo nimmt er die Guͤte derſelben = 60 an. Am 13. Sept. bey einer trocknen ſchwuͤlen Witterung war ſie nur 55, ſtieg aber nach einigen Tagen wieder auf 64.

Herr de Sauſſure bediente ſich (Reiſe durch die Alpen, a. d. Franz. Leipzig, 1781. 8. Th. II. §. 578.) einer glaͤſernen mit einem eingeriebenen Stoͤpſel verſehenen Flaſche, nebſt einem kleinen Glaͤschen oder Maaße, welches ohngefaͤhr 1 / 3 der Flaſche hielt, und einer kleinen Wage. Dieſes ganze Geraͤth, nebſt dem, was zur Bereitung der nitroͤſen Luft gehoͤrt, ließ ſich in ein Kaͤſtchen packen, und auf Reiſen mitnehmen. Er wiegt zuerſt die mit Waſſer gefuͤllte Flaſche, und laͤſt dann unter dem Waſſer vermittelſt eines Trichters zwey Maaß gemeine und ein Maaß nitroͤſe Luft hinein. So wie ſich dieſe vermiſchen, und am Volumen vermindern, dringt das Waſſer in die Flaſche. Hr. de S. verſtopft die Flaſche, ſchuͤttelt ſie unter dem Waſſer, oͤfnet ſie dann wieder, damit aufs neue Waſſer hineintreten koͤnne, und wiederholt dieſes Verfahren allezeit dreymal. Endlich wird die Flaſche verſtopft, rein abgetrocknet, und wieder gewogen. Zieht man dieſes letztere Gewicht von dem erſten ab, ſo zeigt der Reſt das Gewicht des Waſſers, welches gerade den Raum der verminderten Luftmaſſe ausfuͤllt,99 und iſt alſo deſto groͤßer, je geringer die Verminderung, oder je mehr Phlogiſton in der gepruͤften Luft enthalten iſt.

Außer den bisher angefuͤhrten ſind auch noch andere Werkzeuge und Pruͤfungsarten von Herrn Achard (Sur la meſure de la ſalubrité de l'air, renfermant la deſcription de deux nouveaux Eudiometres, in den Nouv. Mém. de l'Acad. de Pruſſe 1778. Tab. V. Fig. 1. 2. ), Gerardin, (bey der franz. Ueberſ. von Magellans Deſcription d'un appareil, in Rozier Journal de phyſ. Mars 1778.), Senebier (Mémoires phyſico-chymiques ſur l'influence de la lumière ſolaire pour modifier les êtres des trois regnes de la nature, à Geneve. 1782. 8. T. I. p. 6.), Stegmann (Beſchreibung eines Luftmeſſers der geſunden und ungeſunden Luft, Caſſel 1778. 8. ), Cavendiſh (Philoſ. Trans. Vol. LXXIII. P. I. und in Lichtenbergs Magazin fuͤr das Neuſte rc. B. II. St. 3. S. 151.) und mehreren, vorgeſchlagen worden, welche hier ohne allzu große Weitlaͤuftigkeit nicht umſtaͤndlich beſchrieben werden koͤnnen. Man ſieht leicht, daß die Urheber der angefuͤhrten Werkzuge ſich von der urſpruͤnglichen Simplicitaͤt des Prieſtleyiſchen Apparats ſehr weit entfernt, und auf Nebenabſichten, z. B. die Geſchwindigkeit und Bequemlichkeit beym Gebrauch, die Vereinigung aller Theile in ein einziges Stuͤck, das Portative u. dgl. mehr, als auf eine allgemeine und zuverlaͤßige Uebereinſtimmung aller Werkzeuge unter einander ſelbſt geſehen haben. Ich will daher nur noch diejenige Einrichtung des Eudiometers beſchreiben, welche anjetzt faſt durchgaͤngig fuͤr die beſte, einfachſte und zuverlaͤßigſte gehalten wird. Sie iſt im Grunde keine andere, als die Prieſtleyiſche ſelbſt, nur mit einigen von Fontana, Cavallo, Ingenhouß und Luz herruͤhrenden Verbeſſerungen.

Nach der Beſchreibung des D. Ingenhouß (Verſuche mit Pflanzen rc. aus dem Engl. Leipzig, 1780. 8. ) beſteht dieſes Eudiometer, welches er mit Erlaubniß des Abts Fontana zuerſt bekannt machte, aus zween Stuͤcken, dem großen und dem kleinen Maaße. Das große Maaß aa Taf. VIII. Fig. 8. iſt eine vollkommen cylindriſche, 14 bis 20 Zoll lange Glasroͤhre,100 deren Weite im Lichten etwa 1 / 2 Zoll betraͤgt. Dieſe Roͤhre iſt durch eingeſchnittene Striche in gleiche Theile, jeden von 3 Zoll Laͤnge, eingetheilt. Jede dieſer Abtheilungen laͤſt ſich wieder in 100 Theile theilen, die aber nicht auf der Roͤhre ſelbſt, ſondern auf einer an ihr beweglichen Scale cc eingeſchnitten ſind. Dieſe Scale beſteht aus zween gleich langen Staͤben, die unten und oben an meſſingene Ringe geloͤthet ſind. Unten bey bb iſt die Roͤhre trichterfoͤrmig ausgeweitet. Das kleine Maaß, Fig. 10. und 11., iſt eine glaͤſerne Phiole f, die genau ſo viel Raum faßt, als eine Hauptabtheilung oder 3 Zoll der großen Roͤhre. Dieſe Phiole paßt mit ihrer Oefnung in eine meſſingene, kurze, trichterfoͤrmige Roͤhre gi, durch deren Mitte ein flacher Schieber k vor die Oefnung der Phiole f geht. Durch dieſen Schieber wird die in der Phiole enthaltene Luft von der uͤberfluͤßigen in der trichterfoͤrmigen Hoͤlung i abgeſchnitten, und die letztere, indem man die Phiole unter dem Waſſer umkehrt, hinweggeſchaft. Solchergeſtalt haͤlt das kleine Maaß immer eine beſtimmte und gleiche Menge Luft eingeſchloſſen. Um es mit einer vorraͤthigen Luftgattung zu fuͤllen, wird es zuerſt mit Waſſer gefuͤllt, und umgekehrt mit geoͤfnetem Schieber auf die Oefnung des im Querbrete der Wanne befindlichen Trichters geſetzt (ſ. den Art. Pnevmatiſch-chymiſcher Apparat). Hierauf bringt man das Gefaͤß mit der vorraͤthigen Luft unter dem Waſſer an den Trichter, und neigt es ein wenig, damit die Luft daraus in den Trichter und folglich in das Maaß aufſteige. Man ſetzt hierauf das Gefaͤß mit Luft wieder auf das Bret, zieht das Maaß vom Brete hinweg, verſchließt ſeine Oefnung mit dem Schieber, und kehrt es im Waſſer um, damit die uͤberfluͤßige im Theile i befindliche Luft herausgehe. So wird man eine genau beſtimmte Quantitaͤt Luft im kleinen Maaße haben. Um nun dieſelbe in die große Roͤhre zu bringen, muß man dieſe zuerſt ebenfalls mit Waſſer fuͤllen, umgekehrt in die Wanne halten, und den Schieber des mit dem Theile i wieder aufwaͤrts gekehrten kleinen Maaßes unter a oͤfnen, worauf die in f befindliche Luft in die Roͤhre aa uͤbergeht. 101

Man bringt aber zuerſt zwey Maaß von der zu pruͤfenden Luft in die Roͤhre aa, und fuͤgt alsdann ein Maaß nitroͤſe Luft hinzu. Sobald dies geſchehen iſt, wird die Roͤhre vom Bret der Wanne hinweg genommen, und im Waſſer ſtark geſchuͤttelt. Hierauf wird ſie in den mit Waſſer gefuͤllten meſſingenen Cylinder dddd, Fig. 9., ſo geſetzt, daß die Waſſerflaͤche in der Glasroͤhre mit der aͤußern im meſſingnen Cylinder gleich ſteht, und eine bis zwo Minuten lang in dieſer ſenkrechten Stellung ruhig gelaſſen, damit das Waſſer ablaufen koͤnne. Alsdann wird die Scale cc ſo verſchoben, daß ihr unteres Ende oder ihre Null mit der Waſſerflaͤche in der Roͤhre gleich ſteht, und man ſchreibt die Zahl auf, welche an der Scale mit der auf der Glasroͤhre eingeſchnittenen Hauptabtheilung uͤber der Waſſerflaͤche zuſammentrift. Ferner laͤſt man ein zweytes Maaß nitroͤſe Luft hinzu, ſchuͤttelt die Roͤhre, wie vorhin, laͤſt ſie 1 2 Min. im meſſingnen Waſſerbehaͤlter ruhig, ſtellt alsdann die Scale, und bemerkt die Zahl derſelben wiederum. Endlich wird noch ein drittes Maaß ſalpeterartige Luft hinzugelaſſen, das Verfahren nochmals wiederholt und die Zahl bemerkt. Eine vierte Wiederholung wuͤrde uͤberfluͤßig ſeyn, weil drey Maaß nitroͤſe Luft hinreichen, um zwey Maaß gemeine Luft vollkommen zu ſaͤttigen.

Nach geendigtem Verſuche werden die aufgeſchriebenen Zahlen, nebſt den bis an das obere Ende der Roͤhre noch uͤbrig bleibenden Hauptabtheilungen, von den in die Roͤhre gelaſſenen Maaßen, jedes fuͤr 100 Theile gerechnet (alſo von 300, 400, 500), abgezogen; der Reſt zeigt die Groͤße der Verminderung. Haͤtte z. B. nach Hinzulaſſung des dritten Maaßes nitroͤſer Luft, eine Hauptabtheilung der Glasroͤhre bey 8 an der Scale geſtanden, und waͤren bis ans obere Ende noch drey ſolche Hauptabtheilungen (jede von 100 Theilen) zu zaͤhlen geweſen, ſo haͤtte das zuruͤckgebliebne Volumen 308 Theile betragen. Dies von 500, als dem urſpruͤnglichen Volumen der fuͤnf Maaße, abgezogen, giebt die Verminderung 192 Theile.

Die Genauigkeit dieſer Pruͤfungsart haͤngt groͤßtentheils davon ab, daß man die Handgriffe dabey immer auf102 eine gleichfoͤrmige Art verrichte, die Glasroͤhre ſtets eine gleiche Zeit hindurch ſchuͤttle, und eine gleiche Zeit ruhen laſſe u. ſ. f. Geſchieht dies nicht, ſo wird man bey verſchiedenen Verſuchen, wenn ſie auch mit den nemlichen Luftarten angeſtellt werden, dennoch verſchiedene Reſultate erhalten.

Cavallo (Abhandl. uͤber die Eigenſchaften der Luft rc. S. 122.) laͤſt, um den Apparat noch einfacher zu machen, den meſſingenen Cylinder dddd ganz hinweg, und bringt dagegen an dem obern verſchloßnen Ende der Glasroͤhre einen Ring oder eine Schleife an, womit man ſie an einem auf der Wanne des pnevmatiſchen Apparats befindlichen meſſingenen Haken aufhaͤngen kan. Auf der Scale zaͤhlt er die Hunderttheile an dem einen Stabe vom obern Ringe, am andern vom untern an. Bey der Pruͤfung ſelbſt laͤſt er 2 Maaß gemeine und 1 Maaß nitroͤſe Luft in die Roͤhre, ſchuͤttelt ſie 15 Secunden lang im Waſſer der Wanne, und haͤngt ſie an den Haken ſo, daß die Oberflaͤche der Waſſerſaͤule darinn etwa zween Zoll uͤber der Waſſerflaͤche in der Wanne zu ſtehen koͤmmt. Dann ſchiebt er die Scale ſo, daß der obere Rand des untern Ringes mit dem mittlern Theile der Waſſerflaͤche in der Roͤhre zuſammentrift, und bemerkt, welche Abtheilung mit einem Striche an der Glasroͤhre gleich ſtehet. Geſetzt, der 56ſte Theilungsſtrich treffe den zweyten Strich der Glasroͤhre von oben herab gerechnet, ſo ſchreibt er dafuͤr II, I; 2, 56, d. i. zwey Maaß gemeine und ein Maaß ſalpeterartige Luft ſind durch die Vermiſchung auf 2, 56 Maaß zuruͤckgebracht worden. Hierauf laͤſt er ein zweytes Maaß nitroͤſe Luft hinzu, verfaͤhrt wie vorhin, und bemerkt dies, wenn z. B. der 7te Theilungsſtrich der Scale mit der dritten Abtheilung der Glasroͤhre zuſammentrift, mit II, II; 3, 07. Die andere umgekehrt gezaͤhlte Theilung der Scale wird gebraucht, wenn es die an der Roͤhre befindliche Schleife nicht verſtattet, den untern Ring an die Waſſerflaͤche zu ſtellen, und man alſo genoͤthigt iſt, den obern Ring daran zu bringen, und die Grade von oben herab zu zaͤhlen.

D. Ingenhouß (Verſuche mit Pflanzen rc. Leipzig,103 1780. 8. ) bedient ſich eben dieſes Werkzeugs ſo, daß er nur ein Maaß von jeder Luftart zuſammen miſchet. Er faßt das Maaß unter dem Waſſer bey dem Schieber, damit es durch die Hand nicht erwaͤrmt werde, und haͤlt es 15 Secunden lang in dieſer Stellung, um ihm die Temperatur des Waſſers mitzutheilen. Die nitroͤſe Luft bereitet er ſtets friſch aus Kupfer, und ſobald ſie in die Roͤhre geleitet iſt, ſchuͤttelt er dieſe 30 Secunden lang unter dem Waſſer, und bringt ſie in den mit Waſſer gefuͤllten meſſingenen Cylinder dddd, mit der Vorſicht, daß nichts von der aͤußern Luft in die Oefnung der Glasroͤhre eindringe. So laͤſt er den Apparat in der Wanne eine Minute lang ſtehen, und gießt beſtaͤndig Waſſer daruͤber, um die Temperatur der Glasroͤhre derjenigen gleich zu machen, welche das Waſſer in der Wanne hat. Endlich ſchiebt er die Scale ſo, daß ihre Null mit dem unterſten Punkte des Bogens, den das aͤußerſte Ende der Waſſerſaͤule macht, gleich ſtehet, und bemerkt, wie viel Abtheilungen von zwey ganzen Maaßen, oder 200 Theilen der Scale uͤbrig geblieben ſind. Herr Scherer verſichert, daß nach dieſer Verfahrungsart die ganze Probe in drey bis vier Minuten geendigt, und ihre Zuverlaͤßigkeit ſo groß ſey, daß nur ſelten unter zehn mit der nemlichen gemeinen und nitroͤſen Luft angeſtellten Verſuchen, der Unterſchied der Reſultate kaum (1 / 100) der ganzen angewandten Luftmaſſe betrage.

Herr Luz (Anweiſung, das Eudiometer des Fontana zu verfertigen und zum Gebrauch bequemer zu machen. Nuͤrnberg und Leipzig, 1784. 8. ) hat an der Einrichtung dieſes Eudiometers nichts weſentliches geaͤndert, ſondern nur zu deſſen genauer Verfertigung uͤberaus deutliche und leſenswuͤrdige Vorſchriften mitgetheilt. Nur darinn weicht er von Fontana ab, daß er den beſondern Waſſerbehaͤlter dddd weglaͤſt, und die Roͤhre, wie Cavallo, an einen an der Wanne befindlichen Haken haͤngt; daß er zweytens die Scale feſt macht, um das beſtaͤndige Richten und die Fehler aus der ungleichen Weite der Glasroͤhre zu vermeiden. Dagegen laͤſt er ſie uͤber drey Hauptabtheilungen der Glasroͤhre gehen; jede Abtheilung wird durch ein hineingelaßnes104 Maaß Luft beſonders beſtimmt, und in 100 Theile getheilt, daß alſo 300 Unterabtheilungen auf die Scale kommen. Er beſchreibt endlich das Verfahren ſehr genau, und giebt folgende Bezeichnungsart an. a. 200, b. 200, c. 204. heißt: zwey Maaß gemeine, und zwey Maaß ſalpeterartige Luft, nahmen vermiſcht 204 Theile der Scale, oder 2, 04 Maaß Raum ein. Die Verminderung d iſt = a+ b c, oder 196 Theile.

Es ſcheint nach allem bisher geſagten am beſten zu ſeyn, daß man bey dieſer einfachen Art der Luftpruͤfung bleibe, welche durch den von Fontana dem Maaße beygefuͤgten Schieber an Zuverlaͤßigkeit ſehr viel gewonnen hat. Hiebey aber koͤmmt faſt alles auf ein beſtimmtes und durchgehends gleiches Verfahren an. Ohne dieſes werden die Reſultate verſchieden ausfallen, und das Werkzeug wird eine ganz unbeſtimmte Sprache fuͤhren, welches eben ſo viel iſt, als ob es gar nichts ſagte. Ich will in dieſer Abſicht noch einige beym Verfahren ſelbſt zu beobachtende Regeln beyfuͤgen.

Die innere Seite des Maaßes iſt vor dem Verſuche mit Seifenwaſſer auszuſpuͤlen, damit nicht beym Fuͤllen Waſſertropfen darinn haͤngen bleiben, und das richtige Volumen vermindern. Beym Fuͤllen ſelbſt muß man es nicht mit der Hand beruͤhren, damit es nicht erwaͤrmt werde, und alſo zu wenig Luft faſſe; eben darum muß man auch nach vollendetem Fuͤllen die Hand nicht eher an das Glas bringen, als bis der Schieber verſchloſſen iſt. Beym Verſchließen ſelbſt iſt das Maaß ſtets gleich tief unter dem Waſſer zu halten, damit die Luft nicht durch Waſſerſaͤulen von ungleicher Hoͤhe einmal mehr, als das anderemal, zuſammengedruͤckt werde. Zwiſchen dem Fuͤllen des Maaßes und dem Verſchließen des Schiebers muß immer ein gleicher Zeitraum verlaufen, damit nicht das Waſſer an den Seitenwaͤnden einmal mehr, als das anderemal, ablaufen koͤnne. Die Glasroͤhre muß, ſo viel moͤglich, an allen Stellen gleich weit ſeyn, und daher genau calibriret werden: auch bey ihr iſt ein vorgaͤngiges Ausſpuͤlen mit Seifenwaſſer105 dienlich; Fontana und Luz ſchleifen die innere Flaͤche matt, wozu Luz ſehr leichte Handgriffe angiebt. Wenn man die Laͤnge der Luftſaͤule beobachtet, muß man wegen der Waͤrme die Roͤhre nicht mit der bloßen Hand, ſondern mit einem naſſen Lappen anfaſſen, und immerfort Waſſer daruͤber gießen. Auch muß die innere Waſſerflaͤche mit der aͤußern in der Wanne voͤllig gleich hoch ſtehen; dies wird eben durch Fontana's beſondern Waſſerbehaͤlter (dddd Fig. 9.) bewirkt. Bey der Beobachtung ſelbſt muß man fuͤr die Grenze der Waſſerſaͤule, welche in der Roͤhre concav iſt, die Mitte oder den unterſten Punkt des Bogens feſtſetzen, auch die Roͤhre genau lothrecht halten. Die Vermiſchung beyder Luftarten muß nicht, wie bey Prieſtley, in einem beſondern Gefaͤße, und ſtillſtehend, geſchehen, ſondern in der Roͤhre ſelbſt, welche man im Augenblicke der Beruͤhrung eine ſtets gleiche Zeit lang, nemlich eine halbe Minute lang, ſtark im Waſſer ſchuͤtteln muß. Beym Einlaſſen der Luft iſt auch darauf zu ſehen, daß ſie nicht blaſenfoͤrmig, ſondern als eine ununterbrochne Saͤule in die Glasroͤhre aufſteige, wozu die Oefnung des Trichters, durch den ſie geht, weit genug (wenigſtens 5 1 / 2 pariſer Lin.) ſeyn muß. Auch koͤnnen bey Verſuchen dieſer Art ſchnelle Veraͤnderungen der Waͤrme oder Schwere der aͤußern Luft, ja ſelbſt die Naͤhe des Koͤrpers vom Experimentator, Unterſchiede machen.

Mehr, als alles dieſes, aber macht die ungleiche Guͤte und Staͤrke der zum Pruͤfungsmittel dienenden nitroͤſen Luft aus. Es iſt ganz vergeblich, an eine Uebereinſtimmung der Eudiometerbeobachtungen zu denken, ſo lange man nicht Mittel kennt, eine ſich immer gleiche ſalpeterartige Luft (a ſtandard nitrous air) zu bereiten. D. Ingenhouß (Verſuche mit Pflanzen rc. S. 110.) glaubt, eine ſolche durch folgende Methode zu erhalten. Er dreht biegſame Kupferfaͤden ſpiralfoͤrmig in einander, ſo daß ſie kleine Cylinder vorſtellen, und fuͤllt damit ein kleines Flaͤſchchen. Hieruͤber gießt er Salpeterſaͤure, mit 5 6 Theilen Waſſer verduͤnnt, und faͤngt das ſolchergeſtalt entbundene Gas durch den gewoͤhnlichen pnevmatiſchen Apparat unter106 einem glaͤſernen Gefaͤße auf. Wer aber nur ein wenig die verſchiedene Staͤrke der Liquoren kennt, die unter dem Namen der Salpeterſaͤure verkauft oder bereitet werden, und uͤberdies den Einfluß der Waͤrme, der Zeitdauer u. dgl. auf die Operation ſelbſt erwaͤget, der wird ſich ſchwerlich uͤberzeugen koͤnnen, daß man ſo uͤberall und zu jeder Zeit eine gleich gute nitroͤſe Luft erhalte. Herr Wenzel (Beſchreibung eines Glasgeraͤths rc. von Magellan aus d. Engl. S. 59 64.) giebt daher eine ſichrere, aber auch weit ſchwerere und zuſammengeſetztere Methode an. Er waͤhlt einen ganz reinen aus zwey Theilen des beſten Salpeters und einem Theile weißen Vitrioloͤl bereiteten rauchenden Salpetergeiſt, vermiſcht denſelben mit dem fuͤnffachen Gewichte deſtillirten Waſſers, und probirt ihn mit zerſchlagenem Marmor oder Auſterſchalen, wovon er immer eine gleiche Menge aufloͤſen muß. Hierdurch entbindet er die ſalpeterartige Luft aus Eiſen, Kupfer oder Queckſilber in einem eignen Apparat, aus welchem die gemeine Luft durch eine kleine Luftpumpe, ſo viel moͤglich, herausgezogen wird. Man hat aber hievon niemals einigen Gebrauch gemacht.

Die nitroͤſe Luft wird ſchwaͤcher, wenn ſie lange uͤber Waſſer ſteht. Daher raͤth man an, zu den Pruͤfungen mit dem Eudiometer taͤglich, wenigſtens oft, friſche zu bereiten. Fontana aber meint die ganze Schwierigkeit dadurch zu heben, daß er zu zwey Maaßen gemeiner Luft ſo viele Maaße ſalpeterartiger Luft hinzulaͤſt, bis das letzte keine Verminderung weiter bewirkt; alsdann, ſagt er, finde man die Groͤße der bis zur Saͤttigung ſtatt findenden Verminderung immer richtig, wie ſtark oder ſchwach auch die nitroͤſe Luft ſeyn moͤge, und der ganze Unterſchied ſey, daß man mehr Maaße hinzulaſſen muͤſſe, je ſchwaͤchere Luft man habe. Ingenhouß hingegen, der dies nicht in ſeinem ganzen Umfange zugiebt, ſchreibt vor, die nitroͤſe Luft taͤglich friſch, und immer aus Kupfer, oder immer aus Queckſilber zu bereiten, reinen und von Vitriolſaͤure freyen Salpetergeiſt dazu zu gebrauchen, und bey ihrer Auffangung die Vermiſchung mit gemeiner Luft ſorgfaͤltig zu verhuͤten. 107

Dies wird genug ſeyn, um zu zeigen, daß das Eudiometer noch bey weitem das nicht ſey, was ſein Name ausdruͤckt, und wofuͤr man es viel zu fruͤhzeitig gehalten hat. Vielleicht wird ihm einſt die Zeit mehrere Vollkommenheit geben.

Man pflegt mit dieſem Werzeuge auch die Guͤte der kuͤnſtlich bereiteten dephlogiſtiſirten Luft zu pruͤfen, welche aber zu ihrer Saͤttigung eine weit groͤßere Menge, oft vier, zuweilen fuͤnf Maaß nitroͤſer Luft, erfordert. Um nun dies mit weniger Zeitverluſt zu thun, vermiſcht D. Ingenhouß beyde Luftarten in einem beſondern Glaſe von 3 Zoll Durchſchnitt und 3 Zoll Hoͤhe auf einmal, weil bey der dephlogiſtiſirten Luft die Zerſetzung und Vermiſchung augenblicklich geſchieht, und es alſo nicht, wie bey der gemeinen Luft, des allmaͤhlichen Hinzulaſſens und Schuͤtttelns bedarf.

Herr Wilke (Neue ſchwed. Abhdl. IV. Band, 1785., auch in Lichtenbergs Magazin fuͤr das Neuſte rc. III. B. 4. St. S. 106. u. f.) hat ſeitdem noch zwo andere Einrichtungen des Eudiometers bekannt gemacht, wobey die Luftgattungen durch Saugen und Pumpen mit einer Spritze aus einem Gefaͤß ins andere gebracht werden. Zu einer dieſer Einrichtungen gehoͤrt ein Apparat mit Queckſilber, zur andern ein gewoͤhnlicher mit Waſſer. Die Kolbenſtange der Spritze iſt, wie eine Scale, abgetheilt, und mit einem an der Spritze ſelbſt befeſtigten Nonius verſehen, wodurch man ſehr genau in jedem gegebnen Verhaͤltniſſe Luft ausziehen oder einlaſſen kan. Da dieſe Art, die Luftgattungen zu behandeln, als eine allgemeine Abaͤnderung des Apparats angeſehen werden kan, ſo will ich ſie bey dem Worte: Pnevmatiſch-chymiſcher Apparat umſtaͤndlicher beſchreiben: zum Eudiometer wird man ſich immer eine einfachere und leichtere Einrichtung wuͤnſchen.

Noch ein Eudiometer, das aber auf ganz andern Gruͤnden beruht, hat Scheele (in Rozier Journal de phyſique, Janvier 1781., deutſch in Hrn. Leonhardi Ueberſ. von Scheelens chemiſchen Abhdl. von Luft und Feuer, Leipzig, 1782. 8. S. 269.) angegeben. Er nimmt einen Theil von ſehr fein gepuͤlfertem Schwefel, vermiſcht ihn mit zween108 Theilen unverroſteter Eiſenfeile, befeuchtet das Gemenge mit etwas Waſſer, und hebt es derb eingeſtopft in glaͤſernen Flaſchen auf. Beym Verſuche ſelbſt fuͤllt er mit dieſem Gemenge eine glaͤſerne Schale, ſetzt dieſe auf einen hohen Traͤger, deckt ein cylindriſches mit einem getheilten Papierſtreif verſehenes Glas daruͤber, und fuͤllt das weite Gefaͤß, worinn der ganze Apparat ſteht, mit Waſſer. Das phlogiſtiſche Gemenge faͤngt bald an, ſich zu erhitzen, und die Luft zu vermindern; daher ſteigt das Waſſer in das cylindriſche Glas auf, die Scale giebt deſſen Hoͤhe an, und zeigt dadurch die Groͤße der Verminderung, welche deſto ſtaͤrker iſt, je mehr die Luft Phlogiſton in ſich nehmen kan, d. i. je reiner ſie vor dem Verſuche war. Hr. S. bringt zwar hierbey auch den Stand des Thermometers und Barometers mit in Anſchlag; allein es bleibt dennoch, auch bey dieſer Methode, allzuviel Unbeſtimmtes uͤbrig.

So unvollkommen aber die Eudiometer noch ſeyn moͤgen, ſo haben doch die mit ihnen angeſtellten Beobachtungen ſchon viele nuͤtzliche und mit andern Erfahrungen uͤbereinſtimmende Reſultate geliefert. Landriani fand in den Gebirgen bey Piſa die Luft immer reiner, je hoͤher er hinaufſtieg, dagegen um den Veſuv immer ſchlechter, je naͤher er dem Crater kam; eben ſo fand er ſie in den pontiniſchen Suͤmpfen, beym Sirocco, in der Hundsgrotte, auf der Solfatara u. ſ. f. von ſehr ſchlechter Beſchaffenheit. Herr Scheele fand die Verminderung der Luft zu Stockholm durch ſeinen Apparat (8 / 33) bis (10 / 33), woraus er folgert, daß der Luftkreis daſelbſt ohngefaͤhr (9 / 33) ganz reine reſpirable Luft enthalte. Fontana und Ingenhouß haben bey ihren zahlreichen Verſuchen in Paris, London, den Niederlanden und Oeſterreich, ziemlich uͤbereinſtimmende Reſultate gefunden. Der letztere fand die Seeluft durchgaͤngig beſſer, als die Landluft (ſ. Ingenhouß vermiſchte Schriften, herausg. von Molitor, Wien 1784. II. B. 8. Von dem Grade der Heilſamkeit der Seeluft). Fuͤr Wien giebt er ihre mittlere Guͤte 1, 07 an. De Sauſſure fand bey ſeinen Alpenreiſen die Luft auf den Gipfeln der hohen Berge weniger rein, als die in den Thaͤlern, welche zwiſchen den109 Bergen liegen. Deodat von Dolominieu (Reiſe nach den Lipariſchen Inſeln a. d. Frz., Leipzig, 1783. 8. ) fand zu Malta im Winter die Luftguͤte 0, 80 bis 0, 82, bey waͤrmere Luft 0, 88 0, 90; beym Sirocco 1, 02 bis 1, 05. Sehr zuverlaͤßige Beobachtungen uͤber die Luft in Goͤttingen hat Herr Prof. Pickel im Jaͤnner und Februar 1782 angeſtellt (ſ. Goͤttingiſches Magazin der Wiſſenſch. und Litteratur, II. Jahrg. 6. St. S. 426.) und in Tabellen gebracht. Die Grade der Guͤte fallen zwiſchen 0, 91 und 0, 98, und die Luft war dabey deſto reiner, je kaͤlter ſie ward. In Leipzig hat mein verſtorbener Freund D. Ludwig die Luft in den Sommermonaten des Jahres 1783 bey dem damaligen trocknen Nebel oder Hoͤherauch gepruͤft (ſ. Leipziger Magazin zur Naturkunde, Mathematik, u. ſ. w. von Leske und Hindenburg, 1783. II. St. S. 211.), und ſich babey des oben beſchriebnen Magellaniſchen Eudiometers bedient. Er fand ſie beſonders in der letzten Haͤlfte des Julius ungemein ſtark phlogiſtiſirt, und vermuthet, daß die Urſache davon in den vorhergegangenen heftigen Erdbeben liegen koͤnne. Ueberhaupt lehren alle angeſtellte Pruͤfungen, daß die uͤber heiße und duͤrre Landſtriche kommenden Winde, wie bey uns die Suͤdwinde, die Luft verſchlimmern, da hingegen dieſelbe durch Nordwinde, welche uͤber einen großen Theil der faſt immer in Bewegung ſtehenden See ſtreichen, merklich verbeſſert wird.

Abhandlung uͤber die Eigenſchaften der Luft, und der uͤbrigen beſtaͤndig elaſtiſchen Materien, von Tiberius Cavallo, aus dem Engliſchen. Leipzig, 1783. 8.

Geſchichte der Luftguͤtepruͤfungslehre, kritiſch bearbeitet von J. A. Scherer, Wien 1785. 8.

Experiment, ſ. Verſuch.

Experimentalphyſik

Phyſica experimentalis, Phyſique experimentale. Man pflegt dieſen Namen demjenigen Theile der Naturlehre beyzulegen, in welchem die Eigenſchaften und Wirkungen der Koͤrper aus Erfahrungen, hauptſaͤchlich aus angeſtellten Verſuchen, hergeleitet werden. Da aber alles, was wir von den Koͤrpern wiſſen, auf Erfahrungen beruht, ſo ſieht man wohl, daß eigentlich110 die wahre und richtige Naturlehre ganz in Experimentalphyſik beſtehe.

Inzwiſchen erfordert doch der Vortrag der Wiſſenſchaft, beſonders auf Akademien, eine Abſonderung der Verſuche ſelbſt, und der Erklaͤrung deſſen, was ſich aus denſelben durch Rechnungen, Schluͤſſe, Vergleichungen, Muthmaſßungen u. ſ. w. herleiten laͤſt. Beydes laͤſt ſich in den Vorleſungen nicht wohl vereinigen, weil die Einſchiebung der Verſuche in dem Vortrage theils den Zuſammenhang zu oſt unterbrechen, theils aber auch die noͤthige Zubereitung zu den Verſuchen unmoͤglich oder doch hoͤchſt beſchwerlich machen wuͤrde. Daher iſt es bey dem Vortrage der Naturlehre nicht ungewoͤhnlich, die Experimentalphyſik von der ſogenannten dogmatiſchen oder theoretiſchen Phyſik (Phyſica dogmatica, rationali, theoretica) zu unterſcheiden, obgleich bey einem zweckmaͤßigen Studium der Naturwiſſenſchaften, und bey allen Bemuͤhungen eines Naturforſchers uͤberhaupt, beyde unzertrennlich verbunden bleiben muͤſſen, da die Erfahrung nicht allein den Grund aller Berechnungen und Schluͤſſe ausmachen, ſondern auch fuͤr alle daraus gefundene Reſultate wiederum zur Probe dienen muß. Auch wuͤrde eine dogmatiſche Phyſik ohne Erfahrungen nichts, als leere Traͤume, und eine Experimentalphyſik ohne alle Schluͤſſe lauter unfruchtbare Spielereyen enthalten.

Es ſind daher die dogmatiſche und die Experimentalphyſik keine eignen und abgeſonderten Theile der Naturlehre; ſie unterſcheiden ſich vielmehr nur in Abſicht auf Methode und Vortrag. Bey der dogmatiſchen ſetzt man die Reſultate der Verſuche als bekannt voraus, oder begnuͤgt ſich damit, ſie hiſtoriſch anzufuͤhren; bey der Eperimentalphyſik hingegen macht man die Kenntniß und Behandlung der Werkzeuge nebſt der Anſtellung der Verſuche ſelbſt zur Hauptabſicht, und bleibt bey den unmittelbaren Folgen und Reſultaten derſelben ſtehen. Die beſten und vollſtaͤndigſten Lehrbuͤcher ſind freylich diejenigen, die im gehoͤrigen Verhaͤltniſſe und in einer bequemen Ordnung beydes verbinden. 111

Der Urſprung dieſer Abſonderung faͤllt allerdings erſt in die Zeit, ſeit welcher man in der Naturlehre den Weg der bloßen Speculation verlaſſen, und die Erfahrungen mehr, als ehedem, zu Rathe gezogen hat. Johann Chriſtoph Sturm, Profeſſor der Mathematik zu Altorf, deſſen Verdienſte um die Experimentalphyſik ſehr groß ſind, war, ſo viel mir bekannt iſt, der erſte, welcher Vorleſungen uͤber die Verſuche (Jo. Chph. Sturmii Collegium experimentale ſ. curioſum. Norimb. 1676. To. II. 4.) von der theoretiſchen Phyſik (Ej. Phyſica electiva ſ. hypothetica. Norimb. 1697. T. II. 4.) trennte. Dieſem Beyſpiele folgte Wolff, deſſen vortrefliche Experimentalphyſik (Nuͤtzliche Verſuche zu genauer Kenntniß der Natur und Kunſt, Halle, 1721 1723. III. Th. 8.) die Materialien enthaͤlt, aus welchen er hernach ſein weniger ſchaͤtzbares Gebaͤude der dogmatiſchen Phyſik (Vernuͤnftige Gedanken von den Wirkungen der Natur, Halle, 1723. 8. und: Vernuͤnftige Gedanken von den Abſichten der natuͤrlichen Dinge, Halle 1724. 8. ) aufgefuͤhret hat. Je mehr ſich ſeitdem die Verſuche, Werkzeuge und Entdeckungen vervielfaͤltigten, deſto mehr wurden die Verfaſſer der phyſikaliſchen Lehrbuͤcher genoͤthiget, Beſchreibungen davon in ihre Schriften aufzunehmen, denen ſie daher oft den Titel einer Experimentalphyſik gaben, obgleich auch außer den Verſuchen theoretiſche Lehren darinn abgehandelt werden. Dahin gehoͤren die Lehrbuͤcher des Deſaguliers (Courſe of experimental philoſophy. Lond. 1717. 4. und in zween Baͤnden Lond. 1745. 4. ), s' Graveſande (Phyſices elementa mathematica experimentis confirmata. Lugd. Bat. 1719. 4. und in zween Baͤnden Lugd. Bat. 1742. gr. 4.), Teichmayer (Elementa philoſophiae naturalis experimentalis. Jenae, 1733. 4. ) und neuerlich Kratzenſteins (Vorleſungen uͤber die Experimentalphyſik; 6te vermehrte Auflage, Kopenhagen, 1787. gr. 8.). Ganz vorzuͤgliche Ruͤckſicht auf die Werkzeuge und Verſuche nehmen Nollet (Leçons de phyſique experimentale. à Paris, 1743 u. f. To. I VI. gr. 12. Nollets Vorleſungen uͤber die Eperimentalnaturlehre, Erfurt 1749-1764. VI. Theile, 8.) und Sigaud112 de la Fond (Leçons de phyſique experimentale. à Paris, 1767. 12mo. Anweiſung zur Erperimentalphyſik aus d. Frz. des Hrn Sigaud de la Fond uͤberſ. Dresden, 1774. II. Th. gr. 8.) Nach Sturms und Wolfs Beyſpiele hat auch Herr Profeſſor Titius beyde Theile der Phyſik beſonders bearbeitet (Phyſicae dogmaticae elementa. Viteb. 1774. 8. Phyſicae experimentalis elementa. Lipſ. 1782. 8.) Einige Schriften, welche die Werkzeuge und Verſuche ganz allein angehen, werde ich bey dem Worte: Verſuche anfuͤhren.

Exploſion, Exploſio, Exploſion.

Eine ploͤtzliche und gewaltſame Ausdehnung einer elaſtiſchen fluͤßigen Materie, welche nach allen Richtungen wirkt, die Hinderniſſe, die ſie einſchließen, an den ſchwaͤchſten Orten durchbricht, und gemeiniglich mit einem Knalle begleitet iſt.

Das Schießpulver, Knallpulver, Knallgold u. dgl. erzeugen bey ihrer Entzuͤndung oder Erhitzung ploͤtzlich eine große Menge elaſtiſcher Materien, welche ſich gewaltſam auszudehnen ſtreben. Sind dieſe Materien noch uͤberdies eingeſchloſſen, ſo treiben die erzeugten elaſtiſchen Fluͤßigkeiten die Pfropfe, welche ſie einſchließen, mit ungemeiner Kraft fort, oder zerſprengen die Koͤrper, in denen ſie enthalten ſind. Von dieſen Exploſionen haͤngen die heftigen Wirkungen des Feuergewehrs, der Minen und der Bomben ab.

Die Daͤmpfe, in welche das Waſſer durch die Hitze verwandelt wird, ſind in hohem Grade elaſtiſch, ſ. Daͤmpfe. Wenn man daher Waſſer in einem verſtopften oder verfchloßnen Gefaͤße erhitzet, ſo uͤben dieſe Daͤmpfe gegen die Waͤnde des Gefaͤßes, oder gegen den Pfropf, der es verſchließt, eine uͤberaus große Gewalt aus. Sie treiben endlich den Pfropf mit einer heftigen Exploſion heraus oder zerſprengen auch das Gefaͤß ſelbſt, wenn es nicht uͤberall eine genugſame Feſtigkeit hat.

Stark verdichtete Luft, z. B. in einer Windbuͤchſe, explodirt, ſo bald man ihr eine Oefnung oder einen Ort verſtattet, wo die Hinderniſſe ſchwaͤcher, als an den uͤbrigen,113 ſind; ſie zerſprengt auch wohl das Gefaͤß, worinn man ſie comprimirt hat, wenn es nicht feſt genug iſt.

Wenn ein geladner elektriſcher Koͤrper (ſ. Flaſche, geladne) durch eine leitende Verbindung beyder Seiten entladen wird, und ein elektriſcher Schlag entſteht, ſo geſchehen an den Stellen, wo die Verbindung unterbrochen iſt, und die Elektricitaͤt durch ein Mittel, das ſie nicht ſo leicht durchdringen kan, hindurchbrechen muß, elektriſche Exploſionen. Man ſieht dabey die Urſache der Elektricitaͤt als eine ſehr elaſtiſche fluͤßige Materie an, die ſich in ſolchen Faͤllen nach allen Richtungen zu verbreiten ſtrebt, und alſo die Hinderniſſe, die ihr im Wege ſtehen, erſchuͤttert und zerſchmettert, wovon auch die Verſuche Spuren zeigen. Auch der Blitz wirkt auf dieſe Art, wenn er in ſeiner Leitung Unterbrechungen antrift, ſ. Blitz.

Da bey der gewoͤhnlichen Art, Verſuche anzuſtellen, immer Unterbrechungen in der leitenden Verbindung bleiben, weil der Schlag wenigſtens durch einen Theil Luft durchbrechen muß, ſo nennt man oft den elektriſchen Schlag ſelbſt eine Exploſion.

Brennbare Luft mit gemeiner oder dephlogiſtiſirter vermiſcht, entzuͤndet ſich an der Lichtflamme, und verurſacht dadurch eine Exploſion mit einem ſehr lauten Knalle, ſ. Gas, brennbares.

F

Fadendreyeck, ſ. Culmination.

Fadenkreuz im Fernrohre, ſ. Fernrohr.

Fadenmikrometer, ſ. Mikrometer.

Faͤulniß, Putredo, Putrefactio, Putrefaction.

Die letzte Stufe der Gaͤhrung vegetabiliſcher und thieriſcher Subſtanzen, wodurch eine Zerſetzung und voͤllige Veraͤnderung ihrer Beſtandtheile erfolgt, ſ. Gaͤhrung. Die meiſten Stoffe des Pflanzenreichs gehen vor ihrer Faͤulniß erſt durch die geiſtige und ſaure Gaͤhrung; viele, beſonders thieriſche Subſtanzen aber faulen ſogleich, ohne die zwo erſten Stufen114 der Gaͤhrung zu durchlaufen, ob ſich gleich bey den meiſten vorher auf kurze Zeit eine Saͤurung zeiget.

Wenn die der Faͤulniß faͤhigen Stoffe einer feuchten Waͤrme ausgeſetzt ſind, ſo zeigt ſich die Faͤulung ſehr geſchwind durch Veraͤnderung der Farbe, des Geruchs und Geſchmacks, bey durchſichtigen Fluͤßigkeiten auch durch das Truͤbwerden. Mit dem Fortgange der Faͤulniß wird der Geruch immer ekelhafter und erhaͤlt zuletzt das Stechende, welches von dem beym Faulen entbundenen fluͤchtigen Alkali herruͤhret, und das man ſo oft in den heimlichen Gemaͤchern bey Veraͤnderungen der Witterung bemerkt.

Die Faͤulniß zerſtoͤrt den ganzen organiſchen Bau der Pflanzen und thieriſchen Koͤrper, und verwandelt ſie in fluͤchtiges Alkali, ſtinkendes Oel und Erde, welches die einzigen Materien ſind, die man durch die Deſtillation aus verfaulten Subſtanzen erhaͤlt. Durch dieſe Operation zerſtoͤrt die Natur von ſelbſt ihr eignes Werk, ſobald Pflanzen und Thiere zu leben aufhoͤren; aber ſie laͤſt die zertrennten Beſtandtheile wiederum in den Bau neuer Koͤrper uͤbergehen, und erhaͤlt ſich durch dieſen Kreislauf immer in einer ununterbrochnen Thaͤtigkeit.

Die Faͤulniß reizt viele Inſekten, ihre Eyer in die faulenden Koͤrper zu legen, welche darinn ausgebruͤtet werden; daher man faſt uͤberall beym Faulen Maden und Wuͤrmer findet. Man hat oft geglaubt, die Faͤulniß ſelbſt erzeuge Thierchen, oder komme von ihnen her, welches letztere Kircher und Linné (Amoen. acad. To. V. p. 94.) behauptet haben. Aber William Alexander (Mediciniſche Verſuche, a. d. Engl. Leipzig, 1773. 8. S. 246. u. f.) hat dieſe Meinung durch ſorgfaͤltig angeſtellte Beobachtungen vollkommen widerlegt. Macbride (Verſuche, a. d. Engl. Zuͤrich, 1766. 8. ) hat die Entweichung der fixen Luft fuͤr die Urſache der Faͤulniß halten wollen. Andere haben ſie in der atmoſphaͤriſchen Luft geſucht, die doch nur eine gelegentliche Urſache und ohne feuchte Waͤrme unwirkſam iſt, auch abgeſchnitten werden kan, ohne darum die Faͤulniß zu hindern. Die Urſache der Faͤulniß iſt alſo noch fuͤr uns ein Geheimniß: wahrſcheinlich liegt ſie in einer beſondern Art115 der Anziehung unter den Beſtandtheilen vegetabiliſcher und thieriſcher Koͤrper, welche nur bey einem gewiſſen Grade der Waͤrme und Feuchtigkeit wirkſam wird.

Alle thieriſche Subſtanzen ſind der Faͤulniß naͤher, und dazu geneigter, als die vegetabiliſchen. Daher haben einige große Aerzte und Chymiker, z. B. Boerhave und Macquer, vermuthet, daß der Uebergang der vegetabiliſchen Subſtanzen und Nahrungsmittel in thieriſche durch eine Art von unvollkommner Faͤulniß geſchehe. Ueberhaupt wuͤrde eine befriedigende Erklaͤrung der Faͤulniß den Schluͤſſel zu ſehr wichtigen Geheimniſſen der Natur abgeben.

Faͤulnißwidrig (antiſeptica) ſind alle Subſtanzen, die ſelbſt keiner Faͤulniß faͤhig ſind, oder die Befoͤrderungsmittel der Faͤulniß entkraͤſten, d. h. kuͤhlen und trocknen Daher verhindern die trocknenden Erden, Sand, Kalk, Kaͤlte, Saͤuren, Alkalien, Mittelſalze, Weingeiſt, weſentliche und empyrevmatiſche Oele, Balſame, Harze, Gewuͤrze, bittere und zuſammenziehende Mittel, Rauch u. ſ. w. das Faulen. Auch die fixe Luft oder Luftſaͤure widerſteht der Faͤulniß. Pringle (Philoſ. Trans. no. 495 und 496. und Hamburg. Magazin B. X. S. 300 u. f.), Macbride, Crell (Philoſ. Trans. Vol. LXI. P. I. und chemiſches Journal, Th. I. S. 158. u. f.), Buchholz (Chymiſche Verſuche uͤber einige der neuſten einheimiſchen antiſeptiſchen Subſtanzen, Weimar, 1776. 8. ), auch Shaw (Chemical Lectures, franz. uͤberſetzt unter dem Titel: Eſſai pour ſervir à l'hiſtoire de la putrefaction. à Paris, 1766. gr. 8.) haben uͤber die faͤulnißwidrigen Mittel und die Geſchichte der Faͤulniß uͤberhaupt ſchaͤtzbare Verſuche bekannt gemacht.

Die Luft, in welcher Koͤrper faulen, wird dadurch in einem hohen Grade phlogiſtiret, und in dieſer Ruͤckſicht hat das Faulen mit der Verbrennung eine gewiſſe Aehnlichkeit, ſ. Gas, phlogiſtiſirtes. Auch ſcheint die Erzeugung der Salpeterſaͤure die Wirkung einer bis zur letzten Stufe gekommenen Faͤulniß zu ſeyn.

Macquer chym. Woͤrterbuch mit Hrn. Leonhardi Anm Art. Faͤulniß.

Fahrenheitiſches Thermometer, ſ. Thermometer

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Fall der Koͤrper, Deſcenſus ſ. lapſus corporum gravium, Chûte des corps graves.

Die Bewegung der Koͤrper durch ihre Schwere. Die Schwere treibt jeden auf der Erdflaͤche befindlichen Koͤrper nach einer auf dieſe Flaͤche lothrechten Richtung. Wird dieſes Beſtreben durch ein Hinderniß aufgehoben, ſo entſteht blos Druck; kan es frey wirken, ſo erzeugt es wirkliche Bewegung oder Fall nach der Richtung der Schwere; wird es zum Theil gehindert, und kan nur zum Theil wirken, ſo entſtehen Druck und Fall zugleich. Die Kugel, auf der Hand getragen, druͤckt die Hand; frey gelaſſen faͤllt ſie lothrecht herab; auf einer ſchiefen Flaͤche rollt ſie ſchief herab, und druͤckt zugleich die Flaͤche mit einem Theile ihres Gewichts.

Man kan die Betrachtung des Falls der Koͤrper ſo abtheilen, daß zuerſt der freye Fall (deſcenſus liber), und dann der Fall auf vorgeſchriebenen Wegen (deſcenſus non liber) unterſucht wird. Freyer Fall der Koͤrper.

Die Geſetze des freyen Falles der Koͤrper ſind folgende:

I. An eben demſelben Orte der Erde fallen alle Koͤrper, große und kleine, ſchwere und leichte, mit einerley Geſchwindigkeit. Der Centner faͤllt in gleicher Zeit eben ſo tief, als das Quentchen. Denn man wird ohne Zweifel zugeben, daß hundert gleich große und gleich ſchwere Steine, einer ſo geſchwind, als der andere fallen, und daß es hiebey keinen Unterſchied macht, ob ſie einander beruͤhren oder nicht, ob ſie unter einander zuſammenhaͤngen oder nicht. Wenn alſo 99 davon zuſammenhaͤngen, oder einen einzigen ausmachen, ſo wird dieſer große Stein darum nicht geſchwinder fallen, als der einzelne hundertſte, ob jener gleich 99mal ſchwerer, als dieſer, iſt, ſ. Kraft, beſchleunigende. Daß aber bey wirklicher Anſtellung des Verſuchs im luftvollen Raume, leichtere Koͤrper langſamer fallen, als ſchwere, iſt blos eine Wirkung des Widerſtandes der Luft, und gehoͤrt nicht zur Betrachtung des freyen Falles an ſich. 117

Aber die Worte: an eben demſelben Orte der Erde, ſind ein ſehr nothwendiger Zuſatz. Unter dem Aequator fallen alle Koͤrper langſamer, und unter den Polen der Erde ſchneller, als in unſern Gegenden, weil dort die Schwere eines jeden Theils der Materie geringer oder groͤßer, als hier iſt.

II. Der Fall der Koͤrper iſt eine gleichfoͤrmig beſchleunigte Bewegung. Dies lehrt nicht allein die Erfahrung, ſondern es laͤſt ſich auch daraus ſchon vermuthen, weil die Schwere, als eine abſolute Kraft, in alle Koͤrper, ruhende und bewegte, unaufhoͤrlich und immer gleich ſtark wirket, folglich in jedem Zeittheile der ſchon erlangten Geſchwindigkeit immer gleiche Zuſaͤtze nach einerley Richtung beyfuͤgt. Dies iſt aber die Entſtehungsart der gleichfoͤrmig beſchleunigten Bewegung, ſ. Beſchleunigung.

Mithin gelten von dem freyen Falle der Koͤrper alle Geſetze der gleichfoͤrmig beſchleunigten Bewegung, die bey dem Worte: Bewegung gleichfoͤrmig beſchleunigte, erwieſen worden ſind. Die Geſchwindigkeit an jeder Stelle verhaͤlt ſich, wie die vom Anfange des Falls verfloſſene Zeit; die zuruͤckgelegten Raͤume verhalten ſich, wie die Quadratzahlen der Zeiten, ingleichen, wie die Quadratzahlen der Geſchwindigkeiten; die Theile des Raums, die in einer Secunde nach der andern durchlaufen werden, wachſen wie die ungeraden Zahlen, 1, 3, 5, 7 u. ſ. f.; und der Koͤrper faͤllt in einer gegebnen Zeit nur halb ſo tief, als ihn in eben der Zeit ſeine zuletzt erlangte Geſchwindigkeit fuͤhren wuͤrde. Kurz, es iſt in den beym Worte: Bewegung, feſtgeſetzten Bezeichnungen und Einheiten, wo s den Raum, t die Zeit, v die zuletzt erhaltene Geſchwindigkeit, g den in der erſten Secunde zuruͤckgelegten Raum, oder die Haͤlfte der in 1 Secunde erhaltenen Geſchwindigkeit bedeutet.

III. In der erſten Secunde fallen die ſchweren Koͤrper bey uns, durch 15,625 rheinlaͤndiſche Fuß. Man kan alſo g in Tauſendtheilen des rheinl. Fußes ausgedruͤckt, = 15625 ſetzen. Bey Rechnungen, die keine große118 Schaͤrfe erfordern, kan man es = 15 par. Fuß (eigentlich 15,0957) annehmen. So fallen die Koͤrper nach II. in der zwoten Secunde 3X15 oder 45, in der dritten 5X15 oder 75, in der vierten 7X15 oder 105 Fuß; und in vier Secunden zuſammen durch 16X15 oder 240 Fuß. Dechales (Mund. mathem. To. II. ) gab zwar ſeinen Verſuchen gemaͤß g = 16 1 / 2 Schuh an; allein die hier angefuͤhrte Beſtimmung, welche Huygens aus Verſuchen mit dem Pendel gezogen hat, iſt weit genauer und richtiger, ſ. Pendel. Geſchichte dieſer Geſetze.

Von den Zeiten des Ariſtoteles an bis an das Ende des ſechszehnten Jahrhunderts hat man ſich von den Geſetzen der Bewegung uͤberhaupt die ſonderbarſten und irrigſten Vorſtellungen gemacht. Die Peripatetiker glaubten, die Geſchwindigkeit des Falles verhalte ſich, wie das Gewicht der Koͤrper, und der zehnmal ſchwerere falle zehnmal ſchneller, als der leichtere. Dies war eine ſehr falſche Anwendung des metaphyſiſchen Grundſatzes, daß ſich die Wirkung, wie ihre Urſache, verhalte. Man vergaß dabey, daß das zehnmal groͤßere Gewicht die Bewegung, die es erzeugt, auch einer zehnmal groͤßern Maſſe mitzutheilen hat, und daß bey dieſer Vertheilung auf jeden Theil der Maſſe nicht mehr Geſchwindigkeit koͤmmt, als er durch ſein Gewicht allein, und ohne Verbindung mit den uͤbrigen, ebenfalls wuͤrde erhalten haben. Es iſt das eben ſo viel, als ob man ſich einbilden wollte, zehn gleich geſchickte Laͤufer koͤnnten zuſammen einen Weg ſchneller zuruͤcklegen, als einer von ihnen allein.

Dieſen Irrthum der ariſtoteliſchen Phyſik nahm der große Galilei ſchon zu der Zeit wahr, als er noch zu Piſa die Philoſophie ſtudirte. Er vertheidigte damals die richtigere Meinung in den gewoͤhnlichen Diſputiruͤbungen gegen ſeine Lehrer. Kaum aber war er ſelbſt zum Lehrer auf dieſer hohen Schule ernannt, als er ſich oͤffentlich gegen dieſen und viele andere Saͤtze der peripatetiſchen Phyſik erklaͤrte. Er ließ von der Kuppel der daſigen Kirche Koͤrper von ſehr ungleichem Gewicht herabfallen, die doch den Boden119 faſt zu gleicher Zeit erreichten, wenn nur ihre Materien nicht allzuſehr an Dichtigkeit verſchieden waren. Dieſe Verſuche machten großes Aufſehen, und zogen ihrem Urheber ſo viel Feinde zu, daß er ſich bewogen fand, Piſa zu verlaſſen und die ihm angetragne Lehrſtelle in Padua anzunehmen. In der Folge hat er dieſen Satz unter andern auch durch den Verſuch mit zwey Pendeln von gleicher Laͤnge erwieſen, welche ihre Schwingungen mit einerley Geſchwindigkeit verrichten, ob ſie gleich mit verſchiedenen Gewichten beſchweret ſind.

Eben ſo unrichtig waren die ehemaligen Vorſtellungen von der Beſchleunigung des Falles. Man hatte dieſes Phaͤnomen aus mancherley Urſachen hergeleitet, und nach mancherley Geſetzen erfolgen laſſen. Die Peripatetiker ſahen die Schwere als eine verborgene Qualitaͤt an, ſchrieben allen Koͤrpern ein inneres Beſtreben nach dem Mittelpunkte zu, und glaubten, ſie eilten deſto ſchneller nach demſelben, je naͤher ſie ihm kaͤmen. Einige unter ihnen nahmen die Luft zu Huͤlfe, welche durch ihr Zuſammenfahren hinter dem fallenden Koͤrper denſelben nach Art eines Keils fortſtoßen, und dadurch ſeine Bewegung von Zeit zu Zeit beſchleunigen ſollte. Dieſer Urſache hatte Ariſtoteles ſelbſt die Fortdauer aller Bewegungen zugeſchrieben. Noch andere erklaͤrten den Fall aus dem Drucke der Luft, und die Beſchleunigung daraus, daß der Koͤrper von deſto hoͤhern Luftſaͤulen gedruͤckt werde, je tiefer er herabkomme, oder daß die Luftſaͤulen lauter nach dem Mittelpunkte convergirende Linien waͤren, daher der Mittelpunkt den ganzen Druck der fluͤßigen Maſſe zu tragen habe, und ein Koͤrper deſto ſtaͤrker gedruͤckt werde, je naͤher er dem Mittelpunkte komme.

Was die Geſetze der Beſchleunigung betrift, ſo war es die gemeine Meinung, daß die Geſchwindigkeit in dem Verhaͤltniſſe des zuruͤckgelegten Raumes zunehme; daß nemlich der Koͤrper, wenn er durch vier Fuß gefallen ſey, viermal ſo viel Geſchwindigkeit erlangt habe, als am Ende des erſten Fußes eine Meinung, die auf den erſten Blick ganz einfach und natuͤrlich ſcheint, in der That aber etwas Unmoͤgliches120 und Widerſprechendes enthaͤlt. Andere glaubten, die in gleichen Zeiten durchlaufenen Raͤume naͤhmen zu, wie die Segmente einer durch den ſogenannten guͤldnen Schnitt (media et extrema ratione, ſectione aurea ſ. divina) getheilten Linie, d. h. ſo, daß ſich das kleinere Segment zum groͤßern, wie dieſes zur ganzen Linie, oder zur Summe von beyden, verhielte: oder daß der Raum des Falls in der erſten Secunde ſich zum Raume in der zwoten verhielte, wie dieſer zum ganzen Raume in zwo Secunden u. ſ. f. Dieſe leere Einbildung gruͤndete ſich blos auf die chimaͤriſchen Vollkommenheiten, die man dieſer Art von Theilung der Linien beylegte, von welcher einige Geometer eigne Buͤcher geſchrieben haben.

Galilei hingegen kam auf den gluͤcklichen und richtigen Gedanken, daß die Geſchwindigkeit beym Falle im Verhaͤltniſſe der verfloßnen Zeit zunehmen muͤſſe. Ohne Zweifel ward er hierauf durch Nachdenken geleitet. Da die Koͤrper von der Schwere nie verlaſſen werden, und alſo in jedem Zeittheile einen neuen Eindruck von derſelben erhalten, der ſich mit der Wirkung der vorigen verbindet, ſo folgert man hieraus bald, daß die Geſchwindigkeit, welche die Schwere mittheilt, im erſten Zeittheile einfach, im zweyten doppelt, im dritten dreyfach u. ſ. f. ſey, daß ſie ſich alſo uͤberhaupt, wie die vom Anfange des Falls verfloßne Zeit verhalten werde. Inzwiſchen waͤhlte Galilei beym Vortrage der Sache einen andern Weg. Er nimmt den Satz anfaͤnglich blos als Hypotheſe an, unterſucht dann geometriſch, was fuͤr Geſetze des Falls der Koͤrper daraus folgen, zeigt nun aus Erfahrungen, daß dieſe Geſetze wirklich beym Falle ſtatt finden, und ſchließt endlich daraus, daß der angenommene Satz nicht blos Hypotheſe, ſondern ein wirkliches Naturgeſetz ſey.

So traͤgt Galilei dieſe von ihm ſchon um das Jahr 1602 erfundenen Wahrheiten in ſeinen Geſpraͤchen uͤber die Bewegung vor. (Diſcorſi e dimoſtrazione matematiche intorno a due nuove ſcienze attenenti alla Mecanica ed i muovimenti locali. Leid. 1638. 4. und in den Opere di Galileo Galilei. Firenze, 1718, To. I. III. gr. 4. To. II. p.121 479.) Er bedient ſich bey der geometriſchen Unterſuchung der Geſetze, die aus ſeiner Vorausſetzung folgen, der Methode des Untheilbaren, faſt eben ſo, wie bey dem Worte; Bewegung, gleichfoͤrmige, gleichfoͤrmig-beſchleunigte, aus Muſſchenbroek angefuͤhrt worden iſt, leitet daraus die Geſetze fuͤr den Fall auf ſchiefen Flaͤchen her, und erzaͤhlt alsdann zur Beſtaͤtigung derſelben ſeine auf einer ſchiefen Flaͤche angeſtellten Verſuche, aus welchen er noch eine Menge nuͤtzlicher und merkwuͤrdiger Saͤtze herleitet.

Dieſe Theorie des Galilei fand, wie man leicht denken kan, anfaͤnglich viele Widerſpruͤche, ob ſie gleich auch von dem beruͤhmten Torricelli (De motu gravium naturaliter deſcendentium et projectorum, libri duo. Florent. 1641. 4. ) mit der moͤglichſten geometriſchen Eleganz vorgetragen ward. Unbegreiflich aber iſt es, wie Baliani, einer der beſten Geometer und Phyſiker der damaligen Zeit (De motu naturali gravium fluidorum ac ſolidorum, Genuae 1646. 4. ), der ſelbſt des Galilei Theorie vortraͤgt und ſchoͤn beweiſet, dennoch ſagen konnte, es ſey moͤglich, daß ſich die Geſchwindigkeiten des Falles, wie die zuruͤckgelegten Raͤume, verhielten. Dieſe Aeußerung eines ſo guten Mathematikers war den Peripatetikern ſehr willkommen; ſie legten ſogar dieſem ſehr alten Satze den Namen der Hypotheſe des Baliani bey.

Dieſe Hypotheſe hat allerdings etwas ſcheinbares, und Galilei geſtehet ſelbſt, daß er ſich eine Zeit lang nicht von ihr habe losreißen koͤnnen. Endlich drang doch ſein Scharfſinn hindurch, und er widerlegt ſie ſchon in ſeinen Geſpraͤchen auf eine ſinnreiche Art, indem er zeigt, daß ſie bey der Anwendung auf den Fall der Koͤrper mit ſich ſelbſt ſtreite, weil aus ihr folgen wuͤrde, daß der Koͤrper durch vier Fuß in eben der Zeit falle, in welcher er durch einen Fuß faͤllt. Blondel (Anciens mém. de l'Acad. des Sc. à Paris, To. VIII. ) hat zwar in dieſen Schluͤſſen des Galilei einen Paralogismus finden wollen; allein ſie ſind ſehr richtig, und von Gaſſendi durch eine ſtrenge geometriſche Pruͤfung vertheidiget worden. Um das Widerſprechende der Balianiſchen Hypotheſe in der moͤglichſten Kuͤrze zu uͤberſehen, darf man122 ſie nur mit der beym Worte: Bewegung, gleichfoͤrmige, beygebrachten Formel ds = vdt vergleichen, welche fuͤr alle Bewegungen gilt. Wenn ſich nach Baliani v wie s verhielte, oder v = ms waͤre (wo m blos eine beſtaͤndige Groͤße, oder den unveraͤnderlichen Exponenten eines Verhaͤltniſſes bedeutet), ſo waͤre die Formel ds = msdt, mithin welches ſo integrirt, daß s = o fuͤr t = o, oder daß der Koͤrper als aus der Ruhe fallend betrachtet wird, d. h. fuͤr jeden durchlaufenen Raum die Zeit unendlich groß giebt. Mithin wuͤrde der Koͤrper nach dieſem Geſetze auch den kleinſten Raum erſt in unendlich langer Zeit, d. i. niemals, durchlaufen, d. i. es waͤre gar kein Fall der Koͤrper moͤglich. Inzwiſchen haben ſich doch noch lange nachher Vertheidiger der Hypotheſe des Baliani gefunden. Der eifrigſte darunter war der P. Caſree, deſſen uͤbel angeſtellte Verſuche und Fehlſchluͤſſe von Gaſſendi und Fermat widerlegt worden ſind.

Riccioli (Almageſtum novum L. II. C. 21. prop. 4.) und Grimaldi ſuchten die Wahrheit der galileiſchen Saͤtze durch Verſuche zu erweiſen, welche, wie es ſcheint, mit vieler Sorgfalt angeſtellt worden ſind. Sie bedienten ſich zum Zeitmaaße eines Pendels, deſſen Schwingungen nur 1 / 6 Sec. dauerten. Sie ließen von verſchiedenen genau abgemeſſenen Hoͤhen Kugeln von Kreide, welche 8 Unzen wogen, herabfallen, und fanden durch wiederholte Verſuche, daß dieſelben in Zeitraͤumen von 5, 10, 15, 20, 25 Schwingungen, durch Raͤume von 10, 40, 90, 160, 250 roͤmiſchen Schuhen, und in Zeiten von 6, 12, 18, 24, 26 Schwingungen, durch Raͤume von 15, 60, 135, 240, 280 Schuhen fielen. Dies ſtimmt zwar mit der Theorie aufs vollkommenſte uͤberein; allein Verſuche dieſer Art ſind nie zuverlaͤßig; man kan nicht ſicher ſeyn, ob der Augenblick, da der Koͤrper den Boden123 beruͤhrt, genau mit dem Ende einer Vibration zuſammen treffe, und die Geſchwindigkeit des Falls iſt ſo groß, daß in einem ſehr kleinen Theile einer Schwingung ein betraͤchtlicher Raum durchlaufen werden kan. Auch haben andere Beobachter die Uebereinſtimmung der Verſuche mit der Theorie nicht ſo vollkommen gefunden. Dechales (Mundus Mathem. To. II. Statica L. II. prop. 1.) maß die Raͤume des Falles waͤhrend der Schwingungen eines Pendels, das halbe Secunden ſchlug, und ſand den Fall von kleinen Kieſelſteinen in Zeitraͤumen von 1, 2, 3, 4, 5, 6 Schwingungen, 4 1 / 4, 16 1 / 2, 36, 60, 90, 123 Schuh, ſtatt daß er nach den galileiſchen Saͤtzen 4 1 / 4, 17, 38 1 / 4, 65, 106 1 / 4, 153 Schuh betragen ſollte. Er bemerkt aber ſehr richtig, daß dieſe Abweichung dem Widerſtande der Luft zuzuſchreiben ſey: ſie wuͤrde ohne Zweifel weniger betragen haben, wenn er anſtatt der kleinen Kieſelſteine Bleykugeln gebraucht haͤtte.

Da es aus den angegebnen Urſachen nicht moͤglich iſt, die Theorie durch Verſuche mit lothrecht fallenden Koͤrpern genau zu pruͤfen, ſo haben ſie die Phyſiker durch mancherley andere Verſuche beſtaͤtiget. Die ſtaͤrkſte Ueberzeugung gewaͤhren die Pendel, ſ. Pendel. Es folgt aus der Hypotheſe des Galilei, und aus dieſer allein, daß ſich die Anzahl der Schwingungen, welche ungleich lange Pendel in gleichen Zeiten machen, umgekehrt, wie die Quadratzahl der Laͤnge der Pendel, verhalten muͤſſe, wenn nur die Schwingungen ſehr klein ſind. Eben dies zeigen aber auch die Verſuche mit der groͤſten Genauigkeit.

Eine andere ſehr ſinnreiche Probe hat der P. Sebaſtien (Mém. de l'Acad. des Sc. ann. 1699.) angegeben. Auf der Flaͤche des paraboliſchen Conoids ABD (Taf. VIII. Fig. 12.), welches durch die Umdrehung der Parabel ADC um ihre Axe AC entſtanden iſt, werde ein ſpiralfoͤrmiger Gang EFGHIB ausgehoͤlet, welcher an allen Stellen einerley Winkel mit dem Horizonte macht; ſo laͤſt ſich erweiſen, daß nach der galileiſchen Theorie ein Koͤrper, der in dieſem Gange herabrollt, alle Umgaͤnge der Spirale in gleichen Zeiten zuruͤcklegen muß. Dies zeigt aber auch die Erfahrung. 124Wenn man eine kleine Kugel von E auslaufen laͤſt, und wenn dieſe in G iſt, in E eine zweyte nachſchickt, hierauf, wenn dieſe in G iſt, in E eine dritte rc. nachfolgen laͤſt, ſo bleiben alle dieſe Kugeln ſtets gerade uͤber einander, ſo hoch auch der ganze Koͤrper ſeyn mag. Varignon (Mém. de l'Acad. 1702.) zeigt im Allgemeinen, daß ein Koͤrper, der dieſe Eigenſchaft haben ſoll, aus der Umdrehung einer Curve entſtehen muͤſſe, in der ſich die Abſciſſen und Ordinaten, wie die Raͤume und Geſchwindigkeiten beym Falle verhalten. Bey der Parabel verhalten ſich die Abſciſſen, wie die Quadrate der Ordinaten; da alſo bey dem von ihr erzeugten Koͤrper der Verſuch zutrift, ſo muͤſſen ſich die Raͤume beym Falle, wie die Quadrate der Geſchwindigkeiten verhalten, welches Galilei's Geſetz iſt. Waͤre Baliani's Hypotheſe die richtige, ſo muͤſte der Koͤrper ein gewoͤhnlicher geometriſcher Kegel ſeyn, bey welchem aber der Verſuch gewiß nie zutreffen wird.

Von den Aenderungen, die der Widerſtand der Luft und anderer Mittel in dieſen Geſetzen macht, ſ. d. Art. Widerſtand. Zuſammengehoͤrige Hoͤhen und Geſchwindigkeiten.

Nach den vorgetragenen Geſetzen wird ein Koͤrper, wenn er durch den Raum s = gt gefallen iſt, die Geſchwindigkeit v = 2gt erhalten haben, deren Quadrat v = 4gt oder = 4gs iſt. Daher v = 2 gs.

Waͤre er alſo durch einen Raum, den wir h nennen wollen, oder von der Hoͤhe h herabgefallen, ſo wuͤrde ſeine dadurch erlangte Geſchwindigkeit, welche c heißen mag, = 2 gh ſeyn.

Ex. Ein ſchwerer Koͤrper faͤllt 10 rheinl. Schuh hoch herab. Dieſe Hoͤhe iſt (in Tauſendtheilen des rheinl. Schuhes ausgedruͤckt) = 10000. Alſo iſt das Quadrat der Geſchwindigkeit, die er durch dieſen Fall erlangt oder c = 4. 15625.10000, und die Geſchwindigkeit ſelbſt = 2.125.100 = 25000. D. h. ſie iſt ſo groß, daß er mit derſelben in 1 Sec. Zeit durch 25 rheinl. Schuh gehen wuͤrde. 125

Oder: Die Geſchwindigkeit eines Koͤrpers ſoll = 25000 ſeyn. Wie hoch muß er herabfallen, um dieſelbe zu erhalten? Die Antwort iſt: durch (c / 4g) oder (25000. 25000 / 4. 15625) = 10000, d. i. durch 10 rheinl. Schuh.

Man nennt die Hoͤhen des Falles und die dadurch erlangten Geſchwindigkeiten zuſammengehoͤrige. So ſagt man, die Fallhoͤhe von 10 Schuh gehoͤre der Geſchwindigkeit 25000, und dieſe Geſchwindigkeit gehoͤre jener Hoͤhe zu. Einige der vornehmſten Schriftſteller uͤber die hoͤhere Mechanik, z. B. Euler (Mechanica, Petrop. 1736. To. I. et II. gr. 4.) und Kaͤſtner (Anfangsgruͤnde der hoͤhern Mechanik, Goͤttingen, 1766. 8. ) haben die meiſten mechaniſchen Formeln ſo eingerichtet, daß darinn nicht die Geſchwindigkeiten ſelbſt, ſondern die denſelben zugehoͤrigen Fallhoͤhen (altitudines celeritatibus debitae) vorkommen. Euler aber hat in der nachher herausgegebnen Mechanik der feſten Koͤrper (Theoria motus corporum ſolidorum ſ. rigidorum Roſtoch. et Gryphiswald. 1765. 4. ) die Formeln wieder ſo eingerichtet, daß darinn die Geſchwindigkeiten ſelbſt vorkommen, die er eben ſo, wie hier geſchehen iſt, durch die Raͤume ausdruͤckt, welche mit ihnen in der Zeit 1 gleichfoͤrmig zuruͤckgelegt werden. Fall auf vorgeſchriebenen Wegen.

Wenn ein ſchwerer Koͤrper auf einer glatten Unterlage herabrollet und alle Hinderniſſe der Bewegung, z. B. Reiben, Widerſtand der Mittel u. dgl. außer Betrachtung gelaſſen werden, ſo kan nur ein Theil der Schwere auf ſeine Bewegung wirken, der uͤbrige Theil bewirkt Druck gegen die Unterlage. Auch kan der Fall ſelbſt nicht lothrecht geſchehen; die Unterlage noͤthigt den Koͤrper auf ihr zu bleiben, und ſchreibt ihm gleichſam den Weg vor, den er nehmen muß.

Es ſey AMB Taf. VIII. Fig. 13. ein lothrechter Durchſchnitt einer ſolchen Unterlage, auf welcher ein Koͤrper aus A herabfaͤllt. Die Natur der krummen Linie AMB ſey126 durch die Gleichung zwiſchen AP = x; und AM = s gegeben, wobey Mp das Differential von x oder = dx, Mm = ds iſt. Der fallende Koͤrper lange in M mit der Geſchwindigkeit v an. Wenn ihn nun ſeine Schwere, die wir als beſchleunigende Kraft hier = 1 ſetzen, in M nach MF zu treibt, er aber der Unterlage wegen im naͤchſten Zeittheile dt keinen andern Weg, als durch Mm = ds nehmen kan, ſo fragt man, was dadurch in ſeiner Geſchwindigkeit geaͤndert werde, und welchen Raum s er in der Zeit t auf dieſe Art durchlaufe, d. h. man ſucht Gleichungen zwiſchen v, s und t.

Die Schwere = 1, welche den Koͤrper nach MF treibt, laͤſt ſich in die Kraͤfte MN und NF zerlegen, wovon die erſte MN eine Normalkraft, oder auf die Unterlage, auf den Weg des Koͤrpers ſenkrecht iſt. Dieſe wirkt blos Druck gegen die Unterlage, und aͤndert nichts in der Bewegung des Koͤrpers. Die zwote aber NF, iſt eine Tangentialkraft, und dem Wege des Koͤrpers an dieſer Stelle, oder dem Elemente Mm, parallel. Dieſe aͤndert alſo mit ihrer ganzen Staͤrke des Koͤrpers Geſchwindigkeit. Sie verhaͤlt ſich zur Schwere oder zu 1, wie NF: MF, d. i. (wegen der Aehnlichkeit der Dreyecke MFM und pMm) wie pM: Mm oder wie dx: ds. Ihre Groͤße iſt alſo = (dx / ds), und ſie bringt in dem Zeittheile dt (in welchem eine jede beſchleunigende Kraft f die Geſchwindigkeit 2gfdt erzeugt, ſ. Kraft, beſchleunigende) die Geſchwindigkeit 2g (dx / ds) dt hervor, welches = (2gdx / v) iſt, weil man bey allen Bewegungen ds = vdt ſetzen kan, ſ. Bewegung, gleichfoͤrmige. Um ſo viel aͤndert ſich alſo die Geſchwindigkeit des Koͤrpers an jeder Stelle M durch die Wirkung ſeiner Schwere, oder es iſt.127 woraus durch Integration, weil der Koͤrper von A aus gefallen ſeyn ſoll, alſo fuͤr x = o auch v = o wird folget.

Vergleicht man dieſes mit dem freyen Falle durch AP, durch welchen der Koͤrper eine Geſchwindigkeit = 2 (g. AP) erhaͤlt, ſo findet man unſer v oder die Geſchwindigkeit in M, = 2 gx; jener gleich, weil AP = x, d. h. auf was fuͤr einem Wege auch ein Koͤrper fallen mag, ſo iſt ſeine Geſchwindigkeit an jeder Stelle M, derjenigen gleich, welche der Fallhoͤhe AP, oder der lothrechten Hoͤhe ſeines Falles von A bis M zugehoͤrt.

Wenn man aus der Gleichung fuͤr die Linie AMB, x durch s ausdruͤckt, und dieſen Werth von x in der Formel 2 gx ſubſtituiret, ſo erhaͤlt man eine Gleichung zwiſchen v und s. Der ſo gefundene Werth von v in die Formel vdt = ds geſetzt, giebt eine Differentialgleichung zwiſchen ds und dt, aus welcher durch Kunſtgriffe der Integralrechnung auch die Gleichung zwiſchen s und t, oder zwiſchen Raum und Zeit gefunden werden kan. Der folgende Abſchnitt giebt hiervon ein Beyſpiel. Fall auf ſchiefen Ebnen.

Faͤllt ein Koͤrper auf einer ſchiefen Ebne AMB, Taf. VIII, Fig. 14., welche gegen den Horizont BC unter dem Winkel o geneigt iſt, ſo iſt AMB eine gerade Linie, und die Gleichung zwiſchen AP und AM oder zwiſchen x und s wird Dies in die Formel ds = vdt geſetzt, giebt ds = 2 gs. ſin o. dt, woraus nach gehoͤrigem Integriren,.

Vergleicht man dies mit den Formeln fuͤr den freyen Fall, welche s = gt und v = 2gt ſind, ſo ſieht man, daß der freye Fall, und der auf der ſchiefen Ebne voͤllig nach einerley128 Geſetzen erfolgen; nur der letztere in dem Maaße langſamer, in welchem der Sinus des Neigungsmittels o geringer iſt. Auch hier verhaͤlt ſich v wie t, oder die Geſchwindigkeit, wie die Zeit, s wie t, oder die Raͤume, wie die Quadratzahlen der Zeiten, und mit der zuletzt erlangten Geſchwindigkeit 2g. ſin o. t wuͤrde der Koͤrper in der Zeit t den Raum 2g. ſin o. t, d. i. das doppelte s. zuruͤcklegen. Der Unterſchied iſt nur dieſer, daß wenn z. B. der Winkel o = 30°, alſo ſein Sinus = 1 / 2 waͤre, der Koͤrper in 1 Secunde ſtatt 15 Schuh nur 1 / 2. 15 oder 7 1 / 2, in 2 Secunden ſtatt 60 Schuh nur 30 u. ſ. f. zuruͤcklegen wuͤrde.

Hieraus wird es begreiflich, wie Galilei die Geſetze des Falles, da er den freyen Fall wegen ſeiner allzugroßen Geſchwindigkeit unzuverlaͤßig fand, durch das langſamere Herabrollen auf einer ſchiefen Ebne pruͤfen konnte. Er ließ in dieſer Abſicht in einer 12 Ellen langen, eine halbe Elle hohen, und 3 Zoll breiten Pfoſte auf ihrem obern ſchmalen Rande einen 1 Zoll breiten Canal aushoͤlen, den er der Glaͤtte halber mit Pergamen ausfuͤtterte. Dieſe Pfoſte konnte er mit dem einen Ende nach Gefallen eine oder mehrere Ellen uͤber den Horizont erhoͤhen, und die Zeit bemerken, in der eine glatte meſſingne Kugel entweder durch den ganzen Canal oder durch einen gewiſſen Theil deſſelben herunter lief. Die Zeit maß er durch das Gewicht des Waſſers, welches waͤhrend derſelben aus dem Boden eines fehr breiten Gefaͤßes durch ein Roͤhrchen abgelaufen war. Er verſichert, bey mehr als hundertfaͤltigen Wiederholungen den Raum jederzeit dem Quadrate der Zeit proportional, d. i. in doppelter Zeit viermal ſo groß u. ſ. w. gefunden zu haben.

Unter die merkwuͤrdigen Saͤtze, welche ſchon Galilei aus den Geſetzen des Falles auf der ſchiefen Ebne gefolgert hat, gehoͤrt auch der vom Falle durch die Sehnen eines Kreiſes. Es ſey Taf. VIII. Fig. 15. ABMD die Haͤlfte eines Kreiſes, deſſen Durchmeſſer AD = a iſt. Nach den Geſetzen des freyen Falles faͤllt ein Koͤrper von A aus bis nach D, oder durch den Raum a in der Zeit T = a / g129 Durch die Sehne AB = s wird er in der Zeit t = (s / g ſin o) fallen. Nun verhaͤlt ſich aber jede Sehne AB zum Durchmeſſer, wie ihre Haͤlfte oder wie der Sinus des halben Bogens AB zum Halbmeſſer oder Sinus totus; auch iſt der halbe Bogen AB das Maaß des Winkels o. Daher s: a = ſin o: 1. Hieraus folgt (s / ſin o) = a, mithin t = T, oder: der Fall durch die Sehne AB dauert eben ſo lange, als der freye Fall durch den lothrechten Durchmeſſer AD. Und da man dies von allen Sehnen eben ſo beweiſen kan, ſo faͤllt der Koͤrper von A aus durch alle Sehnen des Kreiſes AB, AM u. ſ. w. in gleichen Zeiten.

Eben ſo lange aber dauert auch ſein Fall durch die Sehnen BD und MD, wenn er von B oder M aus zu fallen anfaͤngt. Denn auch hier wird der Winkel o oder MDE durch den halben Bogen MD gemeſſen, und die Sehne ſelbſt verhaͤlt ſich zum Durchmeſſer, wie ihre Haͤlfte zum Halbmeſſer, oder wie ſin o: 1; daher alle vorige Schluͤſſe auch hier gelten. Es iſt alſo ein allgemeiner Satz: Durch Sehnen im Halbkreiſe faͤllt ein Koͤrper in eben der Zeit, in der er durch den vertikalen Durchmeſſer faͤllt.

Unter dieſe Sehnen gehoͤrt auch noch die letzte gleichſam verſchwindende, die man ſich gedenken kan, wenn M ſo nahe man immer will, an D geruͤckt wird. So klein dieſe letzte Sehne auch ſeyn mag, ſo dauert doch der Fall durch ſie ſo lange, als der durch AD. Es koͤnnte vielleicht befremden, daß hiebey der Fall durch einen unendlich kleinen Raum dennoch eine endliche Zeit erfordert; allein wenn man bedenkt, daß die Schwere eines Koͤrpers, der zunaͤchſt an D liegt, faſt ganz Normalkraft iſt, oder Druck auf die Unterlage bewirkt, und nur ein unendlich kleiner Theil, als Tangentialkraft, auf die Entſtehung des Falls verwendet wird, ſo iſt ſehr begreiflich, daß dieſe unendlich kleine Kraft, um den Fall durch einen unendlich kleinen Raum zu bewirken, dennoch eine endliche Zeit braucht. 130Fall auf krummen Linien.

Bey beſtimmten krummen Linien werden die Rechnungen, durch welche man die Gleichungen zwiſchen s und t findet, zu weitlaͤuftig, als daß es moͤglich waͤre, hier etwas davon beyzubringen. Ich begnuͤge mich daher, einige Reſultate derſelben mitzutheilen, weche den Fall durch Bogen des Kreiſes und der Cykloide betreffen.

Durch EA, Taf. VIII. Fig. 16., den Bogen eines Kreiſes, welcher DA = a zum Durchmeſſer hat, faͤllt ein ſchwerer Koͤrper in einer Zeit, welche durch das Produkt der unendlichen Reihe 1+1 / 4 (AG / a) + (9 / 64) (AG / a) u. ſ. f. in 1 / 4 π a / g ausgedruͤckt wird, wo π die Ludolphiſchen Zahlen fuͤr den Umkreis vom Durchmeſſer 1 bedeutet.

Durch den Quadranten BA alſo, fuͤr welchen ſich AG in AC = 1 / 2a verwandelt, iſt die Zeit des Falles = 1 / 4π a / g (1+1 / 4.1 / 2+ (9 / 64) .1 / 4 ....). Da, wie man bald uͤberſieht, 1 / 4π oder 0, 785 ... in die Reihe multiplicirt noch nicht voͤllig 1 giebt, ſo iſt dieſe Zeit kleiner, als a / g, oder als die Zeit des Falls durch den Durchmeſſer DA, oder durch die Sehne BA. Alſo koͤmmt der Koͤrper von B aus in kuͤrzerer Zeit nach A, wenn er durch den Quadranten BEA faͤllt, als wenn er durch die Sehne BA herabgeht, obgleich die Sehne kuͤrzer als der Quadrant iſt. Galilei, der dieſen Satz ſchon kannte, erwies auch, daß der Fall durch den Quadranten weniger Zeit erfordere, als der durch zwo, drey oder mehrere darinn gezogene Sehnen; er irrte aber in dem hieraus gezogenen Schluſſe, daß der Quadrant die Curve ſey, welche den Koͤrper von A bis B in der kuͤrzeſten moͤglichen Zeit fuͤhre.

Durch einen unendlich kleinen Bogen, oder durch das Element eA, wofuͤr AG verſchwindet, und die Reihe131 ſich in 1 verwandlet, faͤllt der Koͤrper in der Zeit 1 / 4 π a / g alſo verhaͤlt ſich die Zeit des Falles durch den Durchmeſſer DA, welche = a / g iſt, zur Zeit des Falles durch den unendlich kleinen Bogen, wie 1: 1 / 4 π, oder faſt wie 1000: 785. Der Fall durch die unendlich kleine Sehne eA dauert eben ſo lange, als der durch DA; mithin faͤllt der Koͤrper auch durch den verſchwindenden Bogen in kuͤrzerer Zeit, als durch die verſchwindende Sehne.

In der Cykloide oder Radlinie BMEA, Taf. VIII. Fig. 17., welche beſchrieben wird, wenn der Kreis vom Durchmeſſer DA = a an einer geraden Linie hinrollt, faͤllt der ſchwere Koͤrper durch jeden Bogen, wie BA, MA, EA etc. in gleicher Zeit, nemlich in der Zeit 1 / 2 π a / g. Dieſer Eigenſchaft wegen heißt dieſe merkwuͤrdige Curve die Linie von einerley Zeiten des Falles (Linea tavtochrona). In ihr dauert der Fall durch den endlichen Bogen EA eben ſo lange, als der durch den unendlich kleinen Bogen eA. Huygens hat dies bey Unterſuchung der Cykloide zuerſt entdeckt, und Anwendungen davon auf die Pendel gemacht, ſ. Pendel.

Zugleich iſt dieſe Zeit die kuͤrzeſte moͤgliche, in welcher ein ſchwerer Koͤrper von B nach A, von M nach A u. ſ. w. fallen kan. Daher iſt die Cykloide zugleich eine Linie des kuͤrzeſten Falles, ſ. Brachyſtochroniſche Linie.

Montucla hiſt. des mathematiques P. IV. L. 5.

Kaͤſtners Anfangsgr. der hoͤhern Mechanik an mehrern Stellen.

Farben, Colores, Couleurs.

Eigenſchaften der verſchiedenen Theile des Lichts, gewiſſe Empfindungen in uns zu erregen, wenn ſie durch die Brechung oder durch andere Urſachen von einander geſondert oder nach verſchiedenen Verhaͤltniſſen vermiſcht, in unſer Auge kommen. Ich geſtehe132 gern, daß ich alle Maͤngel dieſer Definition fuͤhle; es iſt aber unmoͤglich, eine beſſere zu geben. Die Farbe, als Erſcheinung betrachtet, iſt blos Sache des Geſichts, die ſich durch Worte nicht erklaͤren laͤſt; will man ſie aber als Wirkung einer phyſiſchen Urſache definiren, ſo muß man ſchlechterdings eine oder die andere Hypotheſe einmiſchen. Man kan alsdann nicht ſagen, was Farben ſind, ſondern nur, wofuͤr ſie dieſer oder jener Naturforſcher halte.

Nach Newtons Theorie entſteht die weiße Farbe, wenn alle, die ſchwarze, wenn gar keine, die rothe, gelbe, gruͤne, blaue, wenn nur diejenigen Theile des Lichts ins Auge kommen, welche das Vermoͤgen beſitzen, die Empfindung der genannten Farben zu erregen.

Plutarch (De placitis philoſophorum L. I. c. 15.) hat uns einige ſehr dunkle Begriffe der Alten von den Farben aufbehalten. Die Pythagoraͤer, ſagt er, nannten Farbe die Oberflaͤche der Koͤrper, Empedokles, was mit den Ausfluͤſſen des Geſichts uͤbereinſtimmt, Plato eine Flamme von den Koͤrpern, deren Theile mit dem Geſichte ſymmetriſch ſind. Richtiger hat Epikur gelehrt, daß die Farbe nichts eigenthuͤmliches der Koͤrper ſey, ſondern von gewiſſen Lagen ihrer Theilchen gegen das Auge herruͤhre. Dies folgte aus ſeiner Lehre von den Atomen, die er ungefaͤrbt annahm, und Lukrez fuͤhrt zur Erlaͤuterung davon die Farben der Taubenhaͤlſe und Pfauenſchwaͤnze an. Ariſtoteles (De mente L. II. c. 7.) ſagt, Licht ſey das Durchſichtige, Farbe, was das Durchſichtige in Bewegung ſetzt. Seneca (Quaeſt. natur. L. I. c. 7.) bemerkt, daß das Licht der Sonne, wenn es durch ein eckigtes Stuͤck Glas faͤllt, alle Farben des Regenbogens ſpiele. Er erklaͤrt aber dies fuͤr falſche Farben, dergleichen man auch an dem Halſe der Tauben ſehe, oder an einem Spiegel, der die Farbe eines jeden Koͤrpers annehme, ob er gleich ſelbſt farbenlos ſey. Die Peripatetiker nahmen bis zum ſiebzehnten Jahrhunderte die Farbe fuͤr eine den Koͤrpern weſentlich zugehoͤrige Eigenſchaft an, ohne weiter viel belehrendes daruͤber zu ſagen; manche unter ihnen betrachteten ſie als einen Ausfluß133 aus den Koͤrpern, andere als eine Miſchung von Licht und Schatten, noch andere leiteten ſie von einem ſalzigen oder metalliſchen Principium her.

Descartes, der die ſcholaſtiſche Phyſik ſo eifrig beſtritt, kam in ſeiner 1637 erſchienenen Dioptrik der Wahrheit in ſo fern naͤher, daß er die Farben nicht fuͤr Eigenſchaften der Koͤrper, ſondern fuͤr Wirkungen eines zwiſchen den Koͤrpern und dem Auge befindlichen Mittels, des Lichts, erklaͤrte. Da er ſich aber von der Natur des Lichts eigne Vorſtellungen machte (ſ. Licht), ſo fiel auch ſeine Erklaͤrung der Farben ſehr willkuͤhrlich aus. Er giebt nemlich den Theilen des Lichts zweyerley Bewegungen, eine fortgehende und eine umdrehende. Iſt die letztere ſtaͤrker, als die erſte, ſo ſoll daraus die rothe, iſt die erſtere ſtaͤrker, die blaue, und ſind beyde gleich, die gelbe Farbe entſtehen. Die uͤbrigen ſetzt er aus Miſchungen dieſer drey Farben zuſammen. Uebrigens macht er die nicht ganz unrichtige Bemerkung, daß Weiß die auffallenden Stralen unveraͤndert zuruͤckſchicke, Schwarz dieſelben ausloͤſche oder erſticke, die uͤbrigen Farben aber ſie veraͤndert zuruͤckſenden.

Der erſte, der die Erfahrung uͤber die Farben zu Rathe zog, war Boyle (Hiſtoria colorum experimentalis incepta. in Opp. Boylii Genev. 1680. 4.). Obgleich ſeine Verſuche kein zuſammenhangendes Syſtem ausmachen, ſo haben ſie ihn doch auf einzelne ſehr richtige Gedanken geleitet. Er haͤlt die Farben nicht fuͤr inhaͤrirende Eigenſchaften der Koͤrper, glaubt aber doch, daß ſie großentheils von der Lage der Theile auf der Oberflaͤche abhangen, und in einer Modification des von dieſer Flaͤche zuruͤckgeworfenen Lichts beſtehen. Er fuͤhrt hieruͤber viele Beyſpiele, beſonders die Farben des Stahls beym Haͤrten, und die ſo ſchoͤn glaͤnzenden Regenbogenfarben auf der Oberflaͤche des geſchmolzenen Bleys an. Ueber den Unterſchied zwiſchen Weiß und Schwarz erklaͤrt er ſich, wie Descartes, weil weißes Papier ſich durch ein Brennglas ſehr ſchwer entzuͤnde, ein ſchwarzer Handſchuh hingegen an der Sonne ſehr brenne, ein Brennſpiegel von ſchwarzem Marmor gar nicht zuͤnde, und die ſchwarz gefaͤrbte Haͤlfte eines Dachziegels134 weit heißer werde, als die rothe. So fuͤhrt er auch an, daß ſchwarz ausgeſchlagene Zimmer mehr waͤrmen, und ſchwarz gefaͤrbte Eyer an der Sonne geſotten werden koͤnnen.

D. Hook (Micrographia, p. 64.) nimmt blos Blau und Roth als Hauptfarben an, und laͤſt die uͤbrigen aus der Vermiſchung dieſer beyden entſtehen. Blau, ſagt er, iſt die Wirkung einer ſchiefen und unregelmaͤßigen Erſchuͤtterung auf der Netzhaut, wo der ſchwaͤchere Theil vorangeht, und der ſtaͤrkere nachfolgt; Roth hingegen eben dies, wenn der ſtaͤrkere Stoß vorangeht, und der ſchwaͤchere folgt. Er machte in Ruͤckſicht auf dieſe Theorie den Verſnch mit zwey hohlen prismatiſchen Glaͤſern, wovon eins mit blauer Kupferſolution, das andere mit rother Aloetinktur gefuͤllt iſt. Jedes einzeln genommen iſt vollkommen durchſichtig; beyde zuſammengehalten, werden undurchſichtig.

So ſtand es um die Erklaͤrung der Farben, als Newton, deſſen Talente fuͤr die Experimentalphyſik eben ſo groß waren, als ſein geometriſcher Scharfſinn, im Jahre 1666 die verſchiedene Brechbarkeit der Lichtſtralen entdeckte, die Verbindung derſelben mit den Farben wahrnahm, und darauf ſein vortrefliches Syſtem uͤber die Farben baute, welches eine ausfuͤhrlichere Erklaͤrung erfordert. Newtons Entdeckungen uͤber die Farben.

Newtons bey dem Worte: Brechbarkeit, angefuͤhrte Verſuche beweiſen ohne Widerrede, daß ſowohl das Sonnenlicht, als das von den Koͤrpern zuruͤckgeworfene, nach Beſchaffenheit ſeiner Farbe, eine verſchiedene Brechbarkeit beſitze, und nach Beſchaffenheit ſeiner Brechbrkeit eine verſchiedene Farbe zeige. Er begleitete daher die Nachrichten von ſeinen Verſuchen uͤber das Licht, die er der koͤniglichen Societaͤt der Wiſſenſchaften mittheilte (ſ. Philoſ. Transact. Num. 80. ſqq. 1672 1688. Abhandlungen aus den Philoſ. Transact. Leipz. 1779. gr. 4. I. B. S. 192. u. f.), ſogleich mit folgenden Gedanken uͤber die Beſchaffenheit der Farben, die er auch in ſeiner Optik (L. I. P. 2.) durch beſondere Verſuche erwieſen hat. 135

1) Farben ſind nicht Modificationen des Lichts durch die Brechung und Zuruͤckwerfung, ſie ſind vielmehr urſpruͤngliche und eigenthuͤmliche Eigenſchaften deſſelben, die in verſchiedenen Stralen verſchieden ſind. Einige Lichtſtrahlen beſitzen das Vermoͤgen, die Empfindung der rothen Farbe, und keiner andern, andere die der gruͤnen, und keiner andern, u. ſ. f. zu erregen. Nicht blos die kenntlichſten Abſtufungen, Roth, Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Indigo, Violet, haben ihre eigenen Stralen, durch die ſie hervorgebracht werden, ſondern auch alle dazwiſchen fallende Schattirungen haben dergleichen.

2) Mit demſelben Grade der Brechbarkeit iſt allezeit dieſelbe Farbe verbunden, und umgekehrt.

3) Ein gleichartiges oder einfaches Licht (lumen homogeneum), welches aus lauter Stralen von gleicher Brechbarkeit beſteht, veraͤndert ſeine Farbe weder durch Brechung noch durch Zuruͤckwerfung, noch durch ſonſt eine bekannte Urſache. Newton nahm mit ſolchem gleichartigen Lichte mancherley Veraͤnderungen vor (Optice L. I. P. II. prop. 2.), er konnte aber nie eine neue Farbe daraus erzwingen. Durch Zuſammenziehung oder Zerſtreuung ward die Farbe zwar lebhafter oder matter: aber die Gattung blieb unveraͤnderlich.

4) Durch Vermiſchung ungleichartiger Lichtſtralen laſſen ſich Farben erzeugen, die zwar den Farben des einfachen oder gleichartigen Lichts dem Scheine nach aͤhnlich ſind, aber nicht das unwandelbare des einfachen Lichts beſitzen. So erſcheint blaues und gelbes Pulver, wohl vermiſcht, dem bloßen Auge gruͤn, und doch ſind die Farben der einzelnen Theile nicht veraͤndert, weil ſie durchs Mikroſkop noch immer blau und gelb erſcheinen. Roth und gelb geben vermiſcht eine Farbe, die dem einfachen Orange gleicht, durchs Priſma aber ſich wieder in die einfachen Gattungen, aus denen ſie beſteht, nemlich in Roth und Gelb zerlegen laͤſt.

5) Die Farben des einfachen Lichts, welche durch die Brechung im Priſma hervorgebracht werden, heißen einfache, urſpruͤngliche, priſmatiſche Farben, Grund -136 farben. Ihre Ordnung, von der geringſten Brechbarkeit angefangen, iſt Roth, Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Indigo, Violet, nebſt einer unendlichen Menge dazwiſchen fallender Schattirungen. Die nach Num. 4. durch Vermiſchung hervorgebrachten heißen gemiſchte, zuſammengeſetzte, und ſind zum Theil den einfachen aͤhnlich.

6) Farben, die in der Reihe der priſmatiſchen nicht allzuweit aus einander liegen, geben vermiſcht eine Farbe, die der mittlern prismatiſchen aͤhnlich iſt. So giebt Roth und Gelb Orange, Gelb und Blau Gruͤn u. ſ. w. Dies geſchieht aber nicht, wenn ſie weit aus einander liegen. Orange und Indigo giebt nicht Gruͤn; Roth und Blau nicht Gelb u. ſ. f.

7) Die weiße Farbe entſteht aus einer im gehoͤrigen Verhaͤltniſſe gemachten Miſchung aller einfachen Farben. In einem wohl verfinſterten Zimmer mache man in dem Fenſterladen eine Oefnung G (Taf. VIII. Fig. 18.), etwa 1 / 3 Zoll weit, ſtelle vor dieſelbe ein reines helles Priſma ABC, und laſſe das Sonnenlicht durch die Oefnung auf ſelbiges fallen, ſo werden die rothen Stralen nach T, die violetten nach P zu gebrochen werden, ſ. Brechbarkeit. Darauf ſtelle man ein Brennglas DE, von etwa 3 Fuß Brennweite in einer Entfernung von 4 5 Fuß hinter das Priſma, ſo daß die Farben aller Stralen das Glas treffen, und im Vereinigungspunkte F, welcher hier etwa 10 bis 12 Fuß weit fallen wird, zuſammen kommen. Faͤngt man ſie in dieſem Punkte F mit einem Bogen weißen Papiers auf, ſo werden alle zuſammengemiſchte prismatiſche Farben ein weißes Licht geben. Wenn man das Papier hin und her beweget, ſo wird man nicht allein den Ort treffen, wo die Weiße am vollkommenſten iſt, ſondern man wird auch ſehen, wie ſich das Farbenbild der Weiße allmaͤhlich naͤhert, und wie die Stralen jenſeits F wieder aus einander gehen, und bey TP wiederum das vorige Farbenbild, nur in umgekehrter Stellung zeigen, ſo daß jetzt die rothe Farbe bey T oben, die violette bey P unten erſcheint. Werden eine oder mehrere Farben aufgefangen, ehe ſie nach F kommen, ſo137 wird in F ſtatt der Weiße eine andere gemiſchte Farbe entſtehen.

Weiß iſt alſo eine Vermiſchung aller Lichtſtralen von allen Farben, in ihrem gehoͤrigen Verhaͤltniſſe. Iſt bey dieſer Miſchung eine Gattung 'der einfachen Farben in groͤßerer Menge da, als das Verhaͤltniß erfordert, ſo neigt ſich das Licht nach dieſer Farbe hin, wie z. B. die blaue Flamme des Schwefels, die gelbe der Kerzen u. dgl.

So ſcheint auch der Schaum des Seifenwaſſers weiß, indem die einzelnen Blaͤschen deſſelben alle Farben des Priſma zeigen. Miſcht man aber farbige Pulver, welche einen großen Theil des auf ſie fallenden Lichts verſchlucken, ſo erhaͤlt man kein glaͤnzendes Weiß, ſondern eine graue, gleichſam aus Weiß und Schwarz gemiſchte Farbe. Dieſe iſt jedoch vom Weißen nur in der Menge des zuruͤckgeworfenen Lichts, nicht aber in der Gattung, verſchieden. Newton (Optice L. I. p. 2. prop. 5. Exp. 15) ſtrich eine Mixtur von Operment, Purpur, Bergblau und Gruͤnſpan auf einen Fleck der Wand, den die Sonne beſchien, klebte darneben im Schatten ein gleich großes weißes Papier, und fand in einer Entfernung von 12 18 Schuhen beyde gleich weiß.

Dieſe Saͤtze von den Farben, welche auf keiner Hypotheſe uͤber die Natur derſelben, ſondern unmittelbar auf den Verſuchen ſelbſt beruhen, wendet nun ihre vortreflicher Erfinder auf die Erklaͤrung einiger Erſcheinungen an. Er redet zuerſt von den bunten Raͤndern des Farbenbildes, welches vom Prisma entworfen wird (ſ. Farbenbild), und dann vom Regenbogen. Vom erſten will ich hier nur folgendes beybringen.

Ein heller Koͤrper auf einem dunklen, oder ein dunkler auf einem hellen Grunde, durch ein Prisma betrachtet, muß mit einem farbigen Rande umgeben ſcheinen. Eigentlich umgiebt der Rand allemal das Helle, und iſt an der Seite, die gegen den brechenden Winkel des Prisma zu liegt, violet und nach innen blau, an der aber, die ſich vom brechenden Winkel abkehrt, roth, und nach innen gelb. Denn an derjenigen Seite, die auf den brechenden Winkel138 zu liegt, koͤnnen von den letzten Stralen des Hellen nur die brechbarſten, d. i. die violetten und wenige blaue das Auge noch erreichen, die uͤbrigen gehen bey dem Auge vorbey; auf der andern Seite hingegen erreichen von den Stralen des hellen Randes nur noch die am wenigſten brechbaren, d. i. die rothen, und wenige gelbe, das Auge, die uͤbrigen treffen daſſelbe auch nicht mehr. Dem zu Folge muß das viereckigte Feld eines Fenſters, durch ein Prisma, deſſen Schaͤrfe man unterwaͤrts kehret, unten einen violetten und blauen, oben einen rothen und gelben Rand zeigen. Betrachtet man nun ein Fenſterbley, wie CDEF, Taf. VIII. Fig. 20, d. i. einen dunkeln Gegenſtand zwiſchen zwo hellen Scheiben A und B, ſo ſchreibt man die bunten Raͤnder, die eigentlich von den hellen Feldern A und B herruͤhren, dem dunklen Koͤrper CDEF zu, und ſieht alſo oben bey CD einen blauen Rand mit einem violetten Streifen darunter, bey EF aber einen rothen, und um dieſen einen gelben Rand. Kehrt man die Schaͤrfe des Prisma aufwaͤrts, ſo verwechſeln ſich die Farben der Raͤnder CD und EF.

Newton koͤmmt nunmehr auf die Farben der natuͤrlichen Koͤrper. Er erklaͤrt die Entſtehung derſelben (Opt. L. I. P. 2. prop. 10.) dadurch, daß gewiſſe natuͤrliche Koͤrper dieſe oder jene Gattung von Stralen haͤufiger zuruͤckwerfen, als die uͤbrigen. Mennige, ſagt er, ſcheint roth, weil ſie die rothen Stralen am haͤufigſten zuruͤckwirft. Die Veilchen werfen die violetten Stralen haͤufiger zuruͤck, als die uͤbrigen, und erhalten daher ihre Farbe. Eben ſo geht es mit allen andern Koͤrpern. Jeder Koͤrper wirft die Stralen, die ſeine Farbe haben, haͤufiger zuruͤck, als die uͤbrigen, und erhaͤlt ſeine Farbe eben dadurch, daß dieſe Stralen in dem zuruͤckgeworſenen Lichte den groͤßten Theil ausmachen.

Zur Beſtaͤtigung hievon fuͤhrt er an, daß jeder Koͤrper in dem Lichte, welches mit ſeiner Farbe gleichartig iſt, am lebhafteſten und glaͤnzendſten ausſehe, und daß fluͤſſige Koͤrper ihre Farbe mit der Dicke aͤndern. So ſcheint in einem kegelfoͤrmigen Glaſe, das man zwiſchen das Licht und das Auge haͤlt, ein rother Liquor, unten am139 Boden, wo er duͤnn iſt, blaßgelb, etwas hoͤher orangegelb, weiter hinauf roth, und wo er am dickſten iſt, dunkelroth. Dieſe Verſchiedenheit ruͤhrt doch von nichts anderm her, als daß ein ſolcher Liquor blos gelbe und rothe Stralen durchlaͤſt und zuruͤckwirft, mehr oder weniger, je nachdem er dicker oder duͤnner iſt. Hieraus erklaͤrt er auch den oben angefuͤhrten Verſuch des D. Hook, da zwey Prismen mit blauen und rothen Liquoren, einzeln durchſichtig, zuſammengehalten undurchſichtig ſind. Wenn der eine Liquor nur allein blaue, der andere nur allein rothe Stralen durchlaͤſt, ſo koͤnnen beyde zuſammen gar kein Licht mehr durchlaſſen.

Die nicht durchgelaſſenen oder zuruͤckgeworfenen Stralen werden nach ſeiner Meinung in dem Innern der Koͤrper ſo lang hin und her zuruͤckgeworfen, bis ſie endlich gleichſam vernichtet oder verſchluckt ſind. Sind die Koͤrper duͤnn, ſo geht oft noch etwas von dieſem Lichte hindurch. Wenn man eine Lichtflamme durch ein duͤnnes Goldblaͤttchen betrachtet, ſo ſieht ſie gruͤnlichblau aus; alſo nimmt dichtes Gold die blauen und gruͤnen Stralen in ſich, und ſendet nur die gelben zuruͤck.

In den bisherigen Saͤtzen iſt nichts hypothetiſches, nichts, was die Erfahrung nicht beſtaͤtigte. Dennoch fanden dieſelben eine Zeit lang haͤufigen Widerſpruch. Einigen wollten Newtons Verſuche im dunklen Zimmer, welche freylich viel Genauigkeit und Sorgfalt erfordern, nicht gelingen, andere verſtanden ſeine Meinung gar nicht. Es iſt ſehr lehrreich und unterhaltend, in den Philoſophiſchen Tranſactionen (Abhandl. zur Naturgeſch. und Phyſik aus den Philoſ. Trans. I. B. I. Th. Leipz. 1779. gr. 4. S. 200 u. f.) die Schriften zu leſen, welche Newton daruͤber mit dem P. Pardies, Mariotte, Linus, Gaſcoigne, und Lucas gewechſelt hat. Mit unermuͤdeter Geduld und Herablaſſung beſchreibt er die richtige Art, dieſe Verſuche anzuſtellen, und ſeine Theorie zu pruͤfen, bis auf die kleinſten Umſtaͤnde, und bleibt bey allen, oft ſehr groben, Mißverſtaͤndniſſen ſeiner Gegner immer der gelaſſene, ſeiner Groͤße und der Guͤte ſeiner Sache ſich bewußte Philoſoph. 140Nur dann wird er empfindlich, wenn man ihm bloße Hypotheſen entgegenſetzt, oder, wie der P. Pardies gethan hatte, ſeine Theorie eine Hypotheſe nennt. Ich bin uͤber zeugt, ſagt er, daß meine Theorie nichts weiter, als ge wiſſe und bewieſene Phaͤnomene des Lichts enthaͤlt, und waͤre dies nicht, ſo wuͤrde ich ſie als eine unnuͤtze Specu lation verworfen, und nicht einmal als Hypotheſe ange nommen haben.

Newtons entſcheidender Verſuch (experimentum crucis), den ich bey dem Worte Brechbarkeit Num. 2. angefuͤhrt habe, und der zugleich das Unwandelbare der einfachen Farben erweiſet, ward bey dieſen Streitigkeiten vorzuͤglich mißverſtanden und uͤbel angeſtellt, ſo deutlich ihn auch ſein Erfinder beſchrieben hatte. Daher blieb die Frage, ob die Grundfarben des Prisma wirklich unwandelbar waͤren, eine lange Zeit im Zweifel, bis endlich Deſaguliers die newtoniſchen Verſuche vor der koͤniglichen Societaͤt der Wiſſenſchaften zu London anſtellte, und eine umſtaͤndliche Nachricht hievon (Philoſ. Trans. 1716.) bekannt machte, worinn ihre Richtigkeit durch unverwerfliche Zeugniſſe beſtaͤtigit iſt. Dennoch fanden dieſe Verſuche noch einen eifrigen Gegner an dem Italiaͤner Rizzeti (Act, Erud. Lipſ. Suppl. Tom. VIII. p. 127.), welcher ſie bey angeſtellter Wiederholung zum Theil falſch, zum Theil ohne Beweiskraft gefunden haben wollte, und andere anfuͤhrte, die ihnen entgegen zu ſeyn ſchienen. Die newtoniſche Theorie ward dagegen von Georg Friedrich Richter, Profeſſor der Moral zu Leipzig, (Act. Erud, l. c. p. 226. ſqq. ) ſehr geſchickt vertheidigt. Rizzeti's Einwuͤrfe bezogen ſich zum Theil darauf, daß das bloße Auge, in welchem doch das Licht auch gebrochen wird, keine farbigen Raͤnder und andere Wirkungen der verſchiedenen Brechbarkeit zeige. Dies heißt, ſagt Richter, ſich auf ein ſehr zuſammengeſetztes Werkzeug, das man gar nicht genau kennt, berufen, gegen Verſuche, die mit einem hoͤchſt einfachen Werkzeuge angeſtellt ſind; es iſt eben ſo viel, als ob man die Grundſaͤtze der Mechanik laͤugnen wollte, weil man in einer ſehr zuſammengeſetzten Maſchine Abweichungen von141 ihnen wahrnimmt. Rizzeti erneuerte jedoch ſeine Angriffe im Jahre 1727 in einem eignen Werke (De luminis affectionibus, Venet. 8.), wodurch Deſaguliers bewogen ward, die beſtrittenen Verſuche im Jahre 1728 nochmals vor der koͤniglichen Societaͤt anzuſtellen, und einige neue hinzuzufuͤgen, welche die Zweifel dieſes Gegners gaͤnzlich aus dem Wege raͤumen. In Frankreich ließ der Cardinal Polignac, ſo ſehr er auch ſonſt den Lehren des Descartes ergeben war, die newtoniſchen Verſuche mit vielen Koſten durch Ganger wiederholen. Sie fielen ſehr gluͤcklich aus, und der Cardinal, der hieruͤber ein Dankſagungsſchreiben von Newton erhielt, wuͤrde ihre Beſchreibung ſeinem Antilucrez beygefuͤgt haben, wenn ihn nicht der Tod uͤbereilt haͤtte. Seitdem ſind ſie von mehrern Experimentatoren wiederholt worden, beſonders vom Abt Nollet, der ſich faſt durch den ganzen fuͤnften Band ſeiner Leçons de Phyſique mit ihnen beſchaͤftiget. Einen ſehr eifrigen Gegner haben ſie noch an Gautier (Chroageneſie ou generation des couleurs contre le ſyſteme de Newton. Paris 1750. 10. ) gefunden, der ſich aber durch dieſen Angrif keinen Ruhm in der Geſchichte der Phyſik erworben hat.

Es gehoͤrt zu dieſen Verſuchen nicht allein ein ſehr wohl verfinſtertes Zimmer (Newton hatte das ſeinige mit ſchwarzem Tuch ausgeſchlagen), damit ſich kein fremdes Licht von den Seiten her einmiſche, ſondern auch ein ganz reines und helles, aufs vollkommenſte geſchliffenes und polirtes Prisma, deſſen brechender Winkel wenigſtens 60° haͤlt. Ob ſie gleich ſelten mit aller noͤthigen Vorſicht angeſtellt werden koͤnnen, ſo ſind ſie doch durch mehrere oͤffentlich bekannt gewordene Pruͤfungen beſtaͤtiget, und werden ſo wenig mehr bezweifelt, als die Schwere der Luft oder die Geſetze des Falles der Koͤrper. Verſuche uͤber die Farben duͤnner Koͤrper.

Bis hieher hatte Newton ſich ganz allein an die Erfahrung gehalten. Wir folgen ihm nun in ein anderes dunkleres142 Feld, wo er zwar dieſer Fuͤhrerin noch immer nachgeht, aber doch viele Luͤcken durch Muthmaßungen ausfuͤllt, wo er ſich noch immer als einen vortreflichen Phyſiker zeigen, aber uns doch bey weitem nicht ſo, wie bisher, befriedigen wird.

Schon Boyle und Hook hatten bemerkt, daß duͤnne durchſichtige Koͤrper, beſonders Seifenblaſen, nach Maaßgabe ihrer Dicke, verſchiedentlich gefaͤrbt ſcheinen, und erſt, wenn ſie ziemlich dick ſind, farbenlos werden. Dies leitete Newton auf die Vermuthung, daß duͤnne Koͤrper oder Scheiben allezeit gewiſſe von ihrer Dicke abhaͤngende Farben zeigen wuͤrden. Von ohngefaͤhr druͤckte er einmal zwey Prismen, deren Seitenflaͤchen etwas convex waren, hart an einander, und fand, daß ſie an der Beruͤhrungsſtelle vollkommen durchſichtig wurden, als ob ſie nur ein einziges zuſammenhaͤngendes Glas waͤren, ſo daß dieſe Stelle, wenn man darauf ſahe (cum inſpiceretur), wie ein dunkler ſchwarzer Fleck, und wenn man hindurch ſahe (cum transſpiceretur), wie ein Loch erſchien, durch das man die Gegenſtaͤnde ſehen konnte, und das gleichſam aus der Luftſcheibe herausgeſchnitten war, welche vor dem Zuſammendruͤcken zwiſchen beyden Prismen gelegen hatte. Als er nun beyde Prismen ein wenig um ihre gemeinſchaftliche Axe drehte, ſo zeigten ſich eine Menge ſchmaler gefaͤrbter Bogen, welche ſich bey weiterer Umdrehung endlich in bunte den durchſichtigen Fleck umgebende Ringe verwandleten, die er ſogleich fuͤr die natuͤrlichen Farben der duͤnnen zwiſchen beyden Glaͤſern liegenden Luftſcheibe annahm. Dieſes letzte aber iſt bloße, vielleicht nicht einmal richtige, Muthmaßung.

Um die Unterſuchung zu verfolgen, nahm er zwey Linſenglaͤſer, ein planconvexes, und ein auf beyden Seiten erhabenes von 50 Schuh Brennweite, legte das letztere auf die ebne Seite des erſten, und druͤckte beyde gelind gegen einander. Hiebey ſahe er aus dem Mittelpunkte der Glaͤſer verſchiedene farbige Ringe, einen nach dem andern, hervorkommen,143 die ſich, je mehr er druͤckte, ihrem Durchmeſſer nach immer erweiterten, ihrer Breite nach aber immer mehr zuſammenzogen, bis endlich die Zuſammendruͤckung einen gewiſſen Grad erreicht hatte. Nun entſtanden weiter keine neuen Farbenringe; vielmehr zeigte ſich der ſchwarze durchſichtige Fleck im Mittelpunkte, und die Farbenringe erweiterten ſich blos dem Durchmeſſer nach. In dieſem Zuſtande war die Ordnung der Farben in jedem Ringe vom Mittelpunkte aus gegen den Umfang zu gerechnet, folgende. Im erſten: Schwarz, blau, weiß, gelb, roth; im zweyten Violet, blau, gruͤn, gelb, roth; im dritten Purpur, blau, gruͤn, gelb, roth; im vierten Gruͤn, roth; im fuͤnften Gruͤnlich Blau, roth; im ſechſten Gruͤnlich Blau, blaßroth; im ſiebenten Gruͤnlich Blau, roͤthlich weiß. Eben dieſe Erſcheinungen mit eben der Ordnung der Farben zeigten ſich an allen erhabenen Glaͤſern, wenn ſie nur nicht allzu kleinen Kugeln zugehoͤrten, weil ſich ſonſt die Farbenringe zu ſehr zuſammenzogen und unſichtbar wurden; es war alſo kein zufaͤlliges Phaͤnomen, ſondern die Wirkung einer regelmaͤßigen und bleibenden Urſache.

Newton maß die Halbmeſſer dieſer Ringe an den Stellen, wo ſie am glaͤnzendſten ſchienen, und fand, daß ſich ihre Quadrate, wie die ungeraden Zahlen 1, 3, 5, 7, 9, 11, verhielten. Hingegen fand er die Quadrate der Halbmeſſer von den dunkeln Zwiſchenraͤumen zwiſchen jedem Paare von Ringen, vom dunkeln Flecke im Mittel an gerechnet, im Verhaͤltniſſe der geraden Zahlen 0, 2, 4, 6, 8, 10.

Da er ſie nun von der Dicke der Luftſcheibe zwiſchen beyden Glaͤſern herleitete, wovon das eine eine ebne Oberflaͤche hatte, daß ſich alſo die Abſtaͤnde der Glaͤſer von einander, oder die Dicken des dazwiſchen liegenden Luftſcheibchens, an den Stellen der Farbenringe ebenfalls, wie die ungeraden, und an den Stellen der dunkeln Zwiſchenraͤume, wie die geraden Zahlen, verhielten, ſo gruͤndete er darauf folgende144 Berechnung. Aus dem Durchmeſſer der Convexitaͤt des obern Glaſes, welcher 101 Schuh betrug, beſtimmte er die wirkliche Dicke des Luftſcheibchens an jeder Stelle, und fand ſie fuͤr die hellſte Stelle des erſten Rings (1 / 178000) Zoll, mithin fuͤr die des zweyten (3 / 178000) Zoll u. ſ. w. Hierauf maß er auch die Durchmeſſer der Ringe fuͤr jede Farbe insbeſondere, und beſtimmte durch eine aͤhnliche Rechnung die Dicke der Luftſcheiben, welche eine jede Farbe zuruͤckwerfen. Faſt eben dieſe Reſultate fand er auch, wenn er andere Glaͤſer von bekannten Durchmeſſern gebrauchte, und bey der von ihm gebrauchten Vorſicht darf man nicht zweifeln, daß dieſe Beſtimmungen ſo genau ſind, als ſie nur der geſchickteſte Beobachter machen kan.

Er brachte nunmehr ſtatt der Luft einen Waſſertropfen zwiſchen beyde Glaͤſer. Dadurch zogen ſich die Ringe, ohne die Ordnung der Farben zu veraͤndern, in dem Verhaͤltniſſe 8: 7 zuſammen. Hieraus folgt, daß ſich die Dicke der Waſſerſcheiben zu der Dicke der Luftſcheiben, welche eben dieſelben Farben hervorbringen, wie 49: 64, d. i. wie 3: 4 verhalte. Dies iſt aber das Brechungsverhaͤltniß fuͤr Waſſer und Luft, ſ. Brechung der Lichtſtralen. Dadurch haͤlt er ſich fuͤr berechtigt anzunehmen, die Dicke eines Glasſcheibchens, welches eben die Farbe zeigt, ſey (20 / 31) des Luftſcheibchens, weil das Brechungsverhaͤltniß aus Glas in Luft 20: 31 iſt.

Hierauf gruͤndet ſich folgende Tabelle (Optic. L. II. P. 2. p. 195.), worinn die Dicken der Luftſcheiben unmittelbar aus Verſuchen und Berechnung beſtimmt, die der Waſſerſcheibe aber = 3 / 4, und die der Glasſcheiben = (20 / 31) von jenen angenommen ſind, alles in Milliontheilchen eines engliſchen Zolls. 145

FarbenDicke der farbigen Scheiben von
LuftWaſſerGlas
der erſten Ordnung.Sehr ſchwarz --0, 5-0,37-0,32
Schwarz ----1-0,75-0,66
Schwaͤrzlich ---2-1, 5-1, 3
Blau ------2, 4-1, 8-1, 5
Weiß ------5,25-3, 8-3, 4
Gelb ------7, 1-5, 3-4, 6
Orange -----8-6-5, 1
Roth -----9-6,75-5, 8
der zwotenViolet -----11, 1-8, 3-7, 2
Indigo -----12, 8-9, 6-8, 1
Blau -----14-10, 5-9
Gruͤn -----15, 1-11, 3-9, 7
Gelb -----16, 3-12, 2-10, 4
Orange ----17, 2-13,-11, 1
Hellroth ---18, 3-13,75-11, 8
Scharlach ---19, 6-14,75-12, 6
der drittenPurpur ----21-15,75-13, 5
Indigo ----22, 1-16, 5-14,25
Blau -----23, 4-17, 5-15, 1
Gruͤn -----25, 2-18, 9-16,25
Gelb -----27, 1-20, 3-17, 5
Roth -----29-21,75-17, 7
Blaͤulich roth -32-24-20, 6
der viertenBlaͤulich gruͤn -34-25, 5-22
Gruͤn -----35, 3-26, 5-22,75
Gelblich gruͤn -36-27,-23, 2
Roth -----40, 3-30,25-26
der fuͤnftenGruͤnlich blau -46-34, 5-29, 6
Roth -----52, 5-39, 4-34
der ſechſtenGruͤnlich blau -58, 7-44-38
Roth -----65-48,7-42
der ſiebentenGruͤnlich blau -71-53, 2-45, 8
Roͤthlich weiß -77-57, 7-49, 6

146

Um endlich auch die Farben zu beſtimmen, welche Scheibchen eines dichtern Mittels annehmen, wenn ſie mit einem duͤnnern umgeben ſind, unterſuchte er eine gewoͤhnliche Seifenblaſe. Er brachte dieſelbe unter ein ſehr durchſichtiges Glas, und beobachtete die Reihen von Farben, welche auf ihrer Oberflaͤche entſtanden, indem das Waſſerhaͤutchen durch das Ablaufen an den Seiten immer duͤnner ward. Er fand, daß eben die Farben, welche in voriger Tabelle angezeigt ſind, nur in umgekehrter Ordnung, in Geſtalt der Ringe vom oberſten Punkte der Blaſe ausgiengen, und ſich gegen die untere Flaͤche verbreiteten, wo ſie endlich verſchwanden; ſo daß die Blaſe, indem ſie immer duͤnner ward, eben die Farben zeigte, wie die Luft oder das Waſſer zwiſchen den zuſammengedruͤckten Glaͤſern. Nur waren die Farben der Blaſe lebhafter.

Newton wagte es alſo, aus der Dicke eines durchſichtigen Scheibchens auf die Farbe, die es zuruͤckwirft, und umgekehrt aus der Farbe auf die Dicke zu ſchließen, und die Farben der natuͤrlichen Koͤrper aus der verſchiedenen Dicke und Dichtigkeit ihrer kleinſten Theilchen oder Scheibchen, die er ſaͤmtlich fuͤr durchſichtig annimmt, herzuleiten. Eine rothe Farbe z. B., die ſo lebhaft iſt, daß man ſie zur dritten Ordnung rechnen kan, wird durch Scheibchen hervorgebracht werden, deren Dicke, wenn ſie die Dichtigkeit des Waſſers haben, 21 Milliontheilchen des engliſchen Zolles betragen wird. Er giebt hieraus einige Erklaͤrungen von Phaͤnomenen, z. B. von den Farben der Wolken, der wandelnden oder ſchillerndern Koͤrper u. dgl.

Endlich ſieht er es als eine Folge ſeiner Verſuche an, daß jeder Lichtſtral bey dem Durchgange durch eine brechende Flaͤche eine gewiſſe veraͤnderliche Beſchaffenheit zeige, vermoͤge welcher er durch die naͤchſte vorliegende brechende Flaͤche entweder leichter durchgehe, oder leichter zuruͤckgeworfen werde. Dieſe Beſchaffenheiten wechſeln nun beym Fortgange des Strals in demſelben Mittel beſtaͤndig ab. Geht z. B. ein Lichtſtral in duͤnne Scheiben von den Dicken 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6 rc. ſo wird er bey den Dicken 0, 2, 4, 6 durchgelaſſen, bey den Dicken 1, 3, 5 aber zuruͤckgeworfen. Newton147 nennt dieſes Anwandlungen des leichtern Zuͤruͤckgehens oder des leichtern Durchgehens (Vices facilioris reflexionis vel transmiſſionis, Accès de facile reflexion ou transmiſſion, im Engl. Fits of eaſy reflexion or transmiſſion).

Dieſemnach werden unter mehrern Stralen, die auf eine Flaͤche fallen, diejenigen zuruͤckgeſandt, welche eben im Zuſtande des leichtern Zuruͤckgehens ſind, die aber durchgelaſſen, die ſich gerade im Zuſtande des leichtern Durchgehens befinden. Daß dieſe abwechſelnden Anwandlungen des Lichts ſchon beym Ausgange aus dem leuchtenden Koͤrper anfangen, ſieht Newton zwar als wahrſcheinlich an; allein es laͤſt ſich damit nicht wohl vereinigen, wie das Durchlaſſen gleichwohl von der Dicke des Scheibchens abhangen koͤnne; man muͤſte denn annehmen, daß die Brechung oder Zuruͤckwerfung erſt an der hintern Flaͤche des Scheibchens geſchehe. Auch muͤſſen dieſe Abwechſelungen der Willigkeit durchzugehen oder zuruͤckzuprallen, in Zwiſchenraͤumen geſchehen, welche nur (1 / 178000) Zoll, und beym Glaſe und Waſſer noch weniger austragen. Alles dies erregt allerdings Erſtaunen, und ſcheint kaum glaublich. Man muß aber, um gehoͤrig davon urtheilen zu koͤnnen, Newtons Unterſuchungen ſelbſt nachleſen, welche den dritten Theil des zweyten Buchs ſeiner Optik ausmachen. Wenn ſie auch keine Ueberzeugung gewaͤhren, ſo kan man ſich doch nicht enthalten, das große Genie zu bewundern, das aus ihnen allenthalben hervorleuchtet.

Daß aber Newton hiebey ſehr vieles Weſentliche uͤberſehen habe, beweiſen unter andern die neuern Verſuche des Abbe Mazeas (Obſervations ſur des couleurs engendrées par le frottement des ſurfaces planes et transparentes, in den Mém. de l'acad. de Pruſſe 1752. p. 248. und vermehrt in den Mém. préſentés, To. II. p. 26.). Wenn man nemlich zwo polirte Glasplatten an einander reibt, ſo wird man bisweilen in der Mitte, bisweilen nach dem Rande hin, einen Widerſtand fuͤhlen, und da, wo ſich dieſer aͤußert, einige rothe und gruͤne krumme Linien bemerken. Bey laͤngerm Reiben148 werden derſelben mehr, und ſie verwandeln ſich endlich in Farbenringe. Dabey haͤngen die Glaͤſer ſehr ſtark zuſammen. Eben dies nebſt dem ſchwarzen Flecke in der Mitte nahm Mazeas noch ſchoͤner und deutlicher an zwey Priſmen wahr, die zuſammengelegt ein Parallelepipedum ausmachten. Die Hitze vertrieb dieſe Farben, obgleich die Glaͤſer noch immer feſt zuſammen hiengen; nach dem Abkuͤhlen kamen ſie wieder zum Vorſchein. Hingegen verſchwanden die Farben zuſammengedruͤckter Objectivglaͤſer nicht durch die Hitze. Auch konnte er bey flachen Glaͤſern ſelbſt uͤber dem Feuer die Farben wieder hervorbringen, wenn er ſie mit Zangen faßte und aufs neue rieb. Duͤ Dour (Mém. préſentés, Vol. II. und IV. ) hat dieſe und noch mehrere Verſuche hieruͤber wiederholt. Er bemerkt gegen Newton, daß die Luft zwiſchen den Glaͤſern keineswegs die Urſache der Farbenringe ſey, daß ſie vielmehr die Entſtehung derſelben hindere, wenn ſie ſich an das Glas anhaͤngt. An flachen Glaͤſern nemlich entſtehen die Farbenringe nicht eher, als bis die Luft recht vollkommen aus ihrer Stelle vertrieben iſt. Auch Muſſchenbroek (Introd. ad Philof. nat. Vol. II. §. 1837. ſqq. ) hat uͤber die Farbenringe zwiſchen erhitzten platten Glaͤſern Verſuche angeſtellt, die in einigen Umſtaͤnden von dem, was Mazeas angiebt, abweichen. Er laͤſt es am Ende ganz unentſchieden, woher dieſe Farbenringe entſtehen moͤgen. Vielleicht laſſen ſie ſich am beſten daraus erklaͤren, daß ſich das Licht an dieſen Stellen im Wirkungsraume zwoer Glasflaͤchen zugleich befindet, daher die Stralen von verſchiedener Gattung auf verſchiedene Art gebrochen und reflectiret werden.

Der Schluß von der Farbe auf die Dicke des Scheibchens, und der Satz von den Anwandlungen bleibt alſo noch ſehr vielen gegruͤndeten Zweifeln ausgeſetzt. So ſchoͤn und ſinnreich dieſe newtoniſchen Lehren ſind, ſo erklaͤren ſie doch auch die wahre Beſchaffenheit der Sache nicht, und haben zu viel Beziehung auf das Emiſſionsſyſtem, welches im Grunde doch nur eine Vorſtellungsart iſt, die man uͤber gewiſſe Grenzen nicht ausdehnen darf. 149Hypotheſen uͤber das Weſen der Farben.

Newton, vor deſſen Zeiten uͤber das Weſen der Farben gar nichts ertraͤgliches geſagt worden iſt, traͤgt in den ſeiner Optik beygefuͤgten Fragen (Ed. latin. Samuel Clarke. Lond. 1706. 4. Quaeſt. 21. p. 317.), in welchen er ſich ganz fuͤr das Emiſſionsſyſtem erklaͤrt, den Gedanken vor, es ließe ſich die Verſchiedenheit der Farben, und die Entſtehung der verſchiedenen Brechbarkeit des Lichts erklaͤren, wenn man annaͤhme, die Lichtſtralen beſtuͤnden aus Theilchen von verſchiedner Groͤße. Alsdann wuͤrden die kleinſten Theile die violette, als die dunkelſte und ſchwaͤchſte Farbe, geben, und zugleich durch die Wirkung der brechenden Flaͤchen am leichtſten von dem geraden Wege abgelenkt werden: die uͤbrigen Theile hingegen wuͤrden ſo, wie jede Claſſe derſelben groͤßer waͤre, die ſtaͤrkern und lebhaftern Farben, nemlich Blau, Gruͤn, Gelb und Roth geben, auch in eben dem Maaße immer ſchwerer von ihrem Wege abzulenken, d. i. weniger brechbar ſeyn. Die Anwandlungen des leichtern Durchgehens oder Zuruͤckprallens zu erklaͤren, duͤrfe man ſich nur die Lichtſtralen als kleine Theilchen vorſtellen, welche durch ihre Anziehung, oder ſonſt eine Kraft in den Koͤrpern, auf die ſie wirken, Schwingungen erregen; waͤren dieſe Schwingungen ſchneller, als die Stralen ſelbſt, ſo wuͤrden ſie die Geſchwindigkeit der Stralen abwechſelnd ſchwaͤchen und vergroͤßern, und alſo jene Anwandlungen in ihnen erzeugen. Da nun hievon die Farbe duͤnner Scheibgen abhaͤngt, ſo werden nach ihm erleuchtete Koͤrper nur diejenigen Gattungen von Stralen zuruͤckſenden, deren Farbe mit der Dicke ihrer duͤnnſten Blaͤttchen uͤbereinſtimmt, oder die beym Eingange in ihre Oberflaͤche in eine Anwandlung des leichtern Zuruͤckgehens verſetzt werden.

Man ſieht leicht, daß dieſe Erklaͤrung allzu gekuͤnſtelt iſt. Sie laͤſt ſich aber einfacher darſtellen, wenn man den Begrif von Anwandlungen hinweg laͤſt, und nur folgendes beybehaͤlt. Die kleinſten Theilchen des Lichts ſind am meiſten brechbar, und erregen im Auge die Empfindung von Violet; groͤßere ſind weniger brechbar, und erregen andere150 Farben, die groͤſten Theile geben Roth. Ein leuchtender Koͤrper zeigt eine gewiſſe Farbe, wenn er nur eine Art, oder einige Arten von Lichtſtralen ausſendet. Ein dunkler zeigt dieſe oder jene Farbe, wenn ſeine Oberflaͤche von dem Lichte, das ihn erleuchtet, nur Stralen dieſer oder jener Gattung zuruͤckwirft.

Euler hingegen (Nova theoria lucis et colorum, in Opuſc. varii arg. Berol. 1746. 4. ), welcher ſich einen Lichtſtral als eine Reihe von Schlaͤgen auf den Aether vorſtellet, ſetzt das Weſen der Farben in die Geſchwindigkeit, mit welcher dieſe Schlaͤge auf einander folgen. Er leitet aus ſeiner Hypotheſe uͤber die Urſache der Brechung (ſ. Brechung der Lichtſtralen) den Satz her, daß diejenigen Stralen, in welchen die Pulſus ſchneller auf einander folgen, weniger brechbar ſeyn muͤſſen, als die, worinn ſich die Schlaͤge langſamer ſuccediren; daher er denn dem rothen Lichte die groͤſte, dem violetten die geringſte Geſchwindigkeit der Schlaͤge zuſchreibt. In einer folgenden Schrift aber (Eſſai d'une explication phyſique des couleurs engendrées ſur des ſurfaces extremement minces, Mém. de l'Ac. de Pruſſe. 1752.) erinnert er, daß man die Sache auch umgekehrt erklaͤren koͤnne, und daß die rothen Stralen wahrſcheinlich durch eine kleinere Anzahl von Schwingungen hervorgebracht wuͤrden, als die violetten. Es iſt kein gutes Symptom bey einer Hypotheſe, wenn man einerley Sache auf zweyerley ganz entgegengeſetzte Arten aus ihr erklaͤren kan.

Das Zuſammengeſetzte des Sonnenlichts ſoll nach ihm nicht in der Miſchung mehrerer gefaͤrbten Stralen, ſondern darinn beſtehen, daß die Pulſus deſſelben nicht alle in gleichen Zeitraͤumen, ſondern manche ſchneller, manche langſamer, auf einander folgen. Die geſchwinder folgenden werden nun weniger, als die uͤbrigen, gebrochen, und ſo entſtehen durch das Brechen aus einem Strale mehrere. Leuchtende Koͤrper zeigen eine gewiſſe Farbe, wenn ihre zitternden Theile dem Aether Schlaͤge von gewiſſen Geſchwindigkeiten eindruͤcken. Iſt die Bewegung nicht heftig, und folgen ſich alſo die Schlaͤge langſam, ſo entſtehen blaue151 Farben, wie bey der Flamme des Weingeiſts: heftigere und ſchnellere Schwingungen erzeugen gelbe und rothe Farben. Daher auch die Flamme eines Lichts unten blau, in der Mitte gelb, oben roth iſt. Dieſe Erklaͤrung iſt ſehr leicht und ungezwungen.

Dunkle Koͤrper ſehen roth aus, wenn die meiſten Theile auf ihrer Oberflaͤche die Spannung haben, daß ſie dem Aether diejenige Geſchwindigkeit eindruͤcken, welche der rothen Farbe zugehoͤrt u. ſ. w. Weiß iſt ein Koͤrper, wenn er dem Aether Schlaͤge mit allerley proportionirlichen Geſchwindigkeiten mittheilt; ſchwarz, wenn er ihm gar keine eindruͤckt. Ueberhaupt iſt nach Eulern das Licht, wodurch ein farbiger Koͤrper ſichtbar wird, nicht mehr ein Theil desjenigen Lichts, das ihn erleuchtet, ſondern es beſteht aus neuen auf der Oberflaͤche des Koͤrpers erſt erregten Schwingungen. Zinnober ſieht roth aus, nicht weil er einen Theil der Schwingungen des Sonnenlichts zuruͤckſendet, ſondern weil die Schlaͤge des Sonnenlichts ſeine Oberflaͤche in Bewegung ſetzen, die in dem Aether hinwiederum neue Schlaͤge mit der zur rothen Farbe erforderlichen Geſchwindigkeit hervorbringt. Zuruͤckwerfende und durchſichtige Koͤrper hingegen pflanzen die Schwingungen des auffallenden Lichts ſelbſt fort. So zerfallen alle Koͤrper in Abſicht auf das Licht in vier Claſſen: Leuchtende, Zuruͤckwerfende, Durchſichtige, Undurchſichtige oder Dunkle.

Dieſe Euleriſche Theorie macht aus den Farben fuͤr das Auge dasjenige, was die Toͤne fuͤr das Ohr ſind, Vibrationen eines elaſtiſchen Mittels, die ſich mit gewiſſen Geſchwindigkeiten folgen, wobey Violet der tiefere, Roth der hoͤhere Ton, Weiß ein Gemiſch von allen Toͤnen, gleichſam ein Schall ohne beſtimmten Ton iſt. Dieſes ganze Syſtem, welches das Licht dem Schalle aͤhnlich macht, iſt in Eulers Briefen an eine deutſche Prinzeſſin uͤber verſchiedene Gegenſtaͤnde der Phyſik und Philoſophie (I. Th. 17. u. f. Briefe) ſehr faßlich vorgetragen.

Es wird wenige Erſcheinungen geben, die ſich nicht eben ſowohl nach dem Emiſſionsſyſtem als nach Eulers Theorie152 faſt mit gleicher Leichtigkeit erklaͤren ließen. Man ſ. den Artikel: Licht. Inzwiſchen bleibt Eulers Meinung, was die Farben betrift, dem ſtarken Einwurfe ausgeſetzt, daß die Brechbarkeit einer Gattung von Stralen gar nicht von der Brechbarkeit einer andern Gattung abhaͤngt (ſ. Farbenzerſtreuung), welches doch wohl geſchehen muͤſte, wenn Groͤße der Brechung und Farbe, beydes zugleich, von beſtimmten Geſchwindigkeiten in der Succeſſion der Schlaͤge herkaͤme. Auch laͤſt ſich gegen Eulers Farbentheorie eine wichtige Einwendung daraus herleiten, daß es gemiſchte Farben giebt, z. B. Gruͤn aus Gelb und Blau, die den einfachen gleich ſehen, und doch weſentlich von ihnen unterſchieden ſind, weil ſie ſich durchs Prisma wieder in die Grundfarben, aus denen ſie entſtanden ſind, z. B. in Gelb und Blau, zerlegen laſſen, da die einfache Farbe unzerleglich bleibt. Denn wenn das, was dem Auge gruͤn ſcheint, Schlaͤge von gewiſſer Geſchwindigkeit vorausſetzt und die Groͤße der Brechung von dieſer Geſchwindigkeit abhaͤngt, wie kan dieſelbe in dem einen Falle zwo verſchiedene Richtungen des gebrochnen Lichtſtrals veranlaſſen, und ſich in zwo andere Geſchwindigkeiten, eine groͤßere und eine kleinere, trennen, im andern Falle aber unveraͤndert bleiben? Oder um das Gleichniß zwiſchen Farben nnd Toͤnen beyzubehalten: wie kan aus zween Toͤnen, die einen muſikaliſchen Accord ausmachen (C und E), etwas entſtehen, das einem dritten, zwiſchen beyde vorige fallenden, Tone D gleich iſt? Und, wie kan es einen Fall geben, wo der Ton D in C und E zerlegt wird? Beyde Syſteme, ſowohl Newtons als Eulers, bleiben alſo noch immer Schwierigkeiten ausgeſetzt, und man muß es unentſchieden laſſen, ob das Weſen der Farben in der verſchiedenen Groͤße der Theile des Lichts, oder in der verſchiedenen Geſchwindigkeit der Schlaͤge, oder nach dem Gedanken eines neuern Schriftſtellers (Die Erzeugung der Farben, eine Hypotheſe von C. F. Weſtfeld. Goͤttingen, 1767. 8. ) in der verſchiedenen Erwaͤrmung der empfindenden Faſern der Netzhaut beſtehe. 153Veraͤnderungen der Farben.

Es kan die Lage oder die Spannung der Theile auf der Oberflaͤche, oder auch im Innern eines Koͤrpers, ſo geaͤndert werden, daß er dem Auge eine andere Farbe, als vorher, zuſchickt. Solche Veraͤnderungen der Farben der Koͤrper bringt die Natur taͤglich hervor, und die Kunſt thut es ebenfalls bey dem Faͤrben und Malen, wobey die Oberflaͤchen entweder mit Pigmenten beſtrichen, oder durch chymiſche Mitttel auf eine zweckmaͤßige Art veraͤndert werden. Ein Hauptbuch hieruͤber iſt Hellors Faͤrbekunſt, aus dem Franz. uͤberſetzt von Kaͤſtner, Altenburg 1765. 8.

Beſonders laſſen ſich durch Vermiſchungen verſchiedener Liquoren viele auffallende Veraͤnderungen der Farben hervorbringen. Daß die blauen Pflanzenſaͤfte, z. B. der Violenſyrup, von den Saͤuren roth, von den Alkalien hingegen gruͤn gefaͤrbt werden, und daß die Vitriolaufloͤſungen mit den zuſammenziehenden Decocten aus dem Pflanzenreiche eine ſchwarze Farbe oder Dinte geben, iſt allgemein bekannt.

Mehrere Veraͤnderungen dieſer Art findet man in Boerhave's Chemie und Muſſchenbroek (Introd. in Philoſ. nat. To. II. §. 1845.) angezeigt. Man gieße etwas Weingeiſt auf rothe Roſen, und laſſe ihn nur kurze Zeit darauf ſtehen, ſo daß er noch weiß bleibt. Vermiſcht man ihn alsdann mit einem Troͤpfchen von ſaurem Geiſte, z. B. Vitrioloͤl, Kochſalzgeiſt, Scheidewaſſer, in ſo geringer Menge, daß man es kaum ſehen kan, ſo nimmt der weiße Aufguß augenblicklich die ſchoͤnſte Roſenfarbe an. Troͤpfelt man hierauf etwas Potaſchenlauge oder Salmiakgeiſt hinzu, ſo erhaͤlt man ein ſchoͤnes Gruͤn: vermiſcht man aber den Roſenaufguß mit aufgeloͤſtem Vitriol, ſo entſteht eine ſchwarze Dinte.

Dunkelblaues Papier leicht mit Scheidewaſſer beſtrichen, wird roth. Verduͤnnt man gewoͤhnlichen Veilchenſyrup mit Waſſer, vertheilt ihn in zwey Glaͤſer, und thut zn dem einen eine Saͤure, zum andern ein Laugenſalz hinzu, ſo wird er in jenem roth, in dieſem gruͤn. Gießt man aber beyde zuſammen, ſo erhaͤlt man einen blanen Liquor. Loͤſet154 man etwas blauen Vitriol in vielem Waſſer auf, ſo daß das Ganze hell und durchſichtig bleibt, und gießt hernach ein wenig Salmiakgeiſt hinzu, ſo erhaͤlt der Liquor eine ſchoͤne blaue Farbe; ein wenig hineingetroͤpfeltes Scheidewaſſer nimmt ihm dieſe wieder, und ſtellt die vorige Helle und Durchſichtigkeit her. Wenn man in eine Zinnaufloͤſung im Koͤnigswaſſer, welche mit Waſſer verduͤnnt iſt, einige Tropfen Goldaufloͤſung fallen laͤſt, ſo erſcheint eine ſehr ſchoͤne Purpurfarbe, u. ſ. w. Die Gruͤnſpanaufloͤſung wird farbenlos durch Vitriolgeiſt, purpurfarbig durch Salmiakgeiſt, wieder durchſichtig durch Vitrioloͤl. Durch aͤhnliche Mittel kann man alle Farben darſtellen. (S. Farbenverwandlung, oder Anleitung, durch Vermiſchung zweyer waſſerhellen Fluͤſſigkeiten alle Hauptfarben augenblicklich darzuſtellen von Tilebein, in Crells chemiſchen Annalen von 1785. II. Stuͤck.)

Hieher gehoͤren auch die ſogenannten ſympathetiſchen Dinten, deren Schrift nur durch gewiſſe Veranſtaltungen ſichtbar wird. Man loͤſe Silberglaͤtte in deſtillirtem Weineſſig auf, ſchreibe die Buchſtaben damit, und trockne ſie im Schatten, ſo wird man nichts von ihnen ſehen. Taucht man aber einen Pinſel in Kalkwaſſer, worinn Operment aufgeloͤſet iſt, und uͤberfaͤhrt ſie damit, ſo werden ſie erſt gelb, und dann ſchwarz. Mit Scheidewaſſer uͤberſtrichen verſchwinden ſie wieder. Man mache eine Goldſolution in Koͤnigswaſſer, ingleichen eine Zinnſolution in eben dergleichen, und verduͤnne beyde mit fuͤnfmal ſo viel Waſſer. Buchſtaben mit der erſten Solution geſchrieben und im Schatten getrocknet, bleiben unſichtbar; uͤberfaͤhrt man ſie aber mittelſt eines Pinſels mit der letztern Solution, ſo werden ſie purpurfarbig. Wird eine Solution von Zinkerz, taubenhaͤlſigem Wismutherz, oder Kobalterz in Scheidewaſſer, mit Waſſer verduͤnnt, mit Kochſalz vermiſcht und abgeklaͤrt, ſo ſind die damit geſchriebenen Buchſtaben unſichtbar, ſo lange ſie kalt ſind, werden aber blaͤulich gruͤn, wenn man ſie ein wenig uͤber Kohlen erwaͤrmet, und verſchwinden wieder beym Erkalten.

Newton Optice. L. I. P. 2. L. II. P. 1. 2. 3. 155

Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel, an mehreren Stellen.

Montucla hiſt. des mathematiques, To. II. P. IV. L. 9.

Erxleben Anfangsgr. der Naturlehre durch Lichtenberg, §. 362 381.

Briſſon Dict. raiſ. de Phyſique, Art. Couleurs.

Farben, zufaͤllige, Colores accidentales, Couleurs accidentelles.

Erſcheinungen von Farben, welche nicht dem Licht eigenthuͤmlich ſind, ſondern von eiuer beſondern Beſchaffenheit oder einem beſondern Zuſtande des Auges herkommen. Man ſetzt ſie den natuͤrlichen vom Lichte ſelbſt herruͤhrenden entgegen, von welchen im vorigen Artikel gehandelt worden iſt. Herr von Buffon (Diſſ. ſur les couleurs accidentelles, in den Mém. de l'Acad. des Sc. 1743. p. 147. uͤberſ. im Hamburgiſchen Magazin, I. Band, S. 425.) hat dieſen Unterſchied zuerſt gemacht, und die Benennung eingefuͤhret; ob er gleich ſelbſt bemerkt, daß D. Jurin ſchon einige hieher gehoͤrige Beobachtungen aufgezeichnet habe.

Als er eine lange Zeit ein rothes Viereck auf einem weißen Grunde angeſehen hatte, erſchien ihm um daſſelbe ein blaßgruͤner Rand, und da er nun die Augen weg und auf den weißen Grund wendete, ſahe er auf demſelben ein gruͤnes Viereck. So brachte Gelb auf weißem Grunde ein blaſſes Blau, Gruͤn ein blaſſes Purpur, Blau ein blaſſes Roth, Schwarz ein helleres Weiß, als der Grund ſelbſt, und Weiß auf ſchwarzem Grunde ein noch dunkleres Schwarz hervor.

Als er das rothe Viereck auf weißem Grunde wiederum unverwandt betrachtete, zeigte ſich zuerſt der erwaͤhnte blaßgruͤne Rand; hierauf ward das Viereck in der Mitte blaß, und an den Raͤndern ſtaͤrker roth, ſo daß gleichſam ein dunkelrother Rahmen die blaͤſſere Mitte zu umgeben ſchien. Als er ſich ein wenig entfernte, theilte ſich der dunkelrothe Rahmen an allen vier Seiten in zween Theile, daß dadurch uͤber das Viereck ein eben ſo dunkelrothes Kreuz gezogen zu werden ſchien. Er fuhr noch immer fort, darauf zu ſehen, und das Ganze verwandelte ſich in ein Rechteck, von156 gleicher Hoͤhe mit dem Vierecke, aber nur den ſechſten Theil ſo breit, und ſo lebhaft roth, daß es das Auge blendete.

Als er nun das Auge weg auf eine andere Stelle des weißen Grundes wandte, ſahe er daſelbſt das Bild dieſes Rechtecks lebhaft gruͤn. Der Eindruck dauerte ſehr lang, und blieb noch im Auge, wenn es geſchloſſen ward. Aehnliche Erſcheinungen zeigten ſich auch, wenn er gelbe und ſchwarze Vierecke betrachtete, nur daß der letzte Eindruck alsdann ein blaues oder weißes Rechteck darſtellte. Auch ſeine Freunde, die dieſe Verſuche nachmachten, ſahen eben dieſelben Erſcheinungen.

Fiel die zufaͤllige gruͤne Farbe, welche von dem Anſchauen des rothen entſtanden war, auf einen hellrothen Grund, ſo verwandlete ſie ſich in Gelb, die blaue, wenn ſie auf einen gelben Grund fiel, ward gruͤn u. ſ. w. Alle dieſe zufaͤllige Farben ruͤhren augenſcheinlich davon her, daß der Eindruck, den die Farben auf der Netzhaut machen, noch eine Zeitlang nach dem Anſchauen fortdauret.

Aepinus (Obſervationes quaedam ad Opticam pertinentes, in Comm. Petrop. nov. To. X. p. 282.) zieht aus ſeinen Beobachtungen uͤber die zufaͤlligen Farben den Satz, daß der lebhafte Eindruck, den das Auge durch das Anſchauen der Sonne oder eines leuchtenden Koͤrpers uͤberhaupt erhaͤlt, zuerſt ein gelbes, dann ein gruͤnes und zuletzt ein blaues Bild darſtelle eine Bemerkung, die auch de la Hire (Sur les diff. accidens de la vue, Mém. de l'Acad. des Sc. 1694.) ſchon gemacht hat. Man ſieht hieraus deutlich, daß der Eindruck des Lichts, wenn ihn der Gegenſtand ſelbſt nicht mehr unterhaͤlt, allmaͤhlich ſchwaͤcher wird, und erkennt zugleich die Ordnung, in welcher die Farben in Abſicht auf die Staͤrke ihrer Wirkung ins Auge abnehmen.

Beguelin (Sur la ſource d'une illuſion du ſens'de la vue, in den Nouv. Mém. de l'Ac. de Pruſſe. 1771. p. 8.) bemerkte einmal, als er die niedrigſtehende Sonne im Geſicht hatte, und eine im Schatten liegende Schrift las, daß ſich die ſchwarzen Buchſtaben in hellrothe zu verwandlen ſchienen. Er erklaͤrt dieſe Erſcheinung ſehr richtig. Wenn man die Sonne im Geſicht hat, ſchließt man, um das Licht157 zu ſchwaͤchen, die Augen, und der Glanz der Sonne, der durch die mit Blutgefaͤßen angefuͤllten Augenlieder faͤllt, erweckt auf der Netzhaut die Empfindung der rothen Farbe. Man kan ſich hievon verſichern, ſo oft man will, wenn man die zugeſchloßnen Augen gegen die Sonne wendet. Sieht man in dieſem Zuſtande des Auges auf eine im Schatten liegende Schrift, ſo bleibt zwar das Papier wegen der ſtarken Zuruͤckwerfung des Lichtes weiß; die ſchwarzen Buchſtaben aber, welche wenig oder gar kein Licht ins Auge ſenden, laſſen den Stellen der Netzhaut, auf die ſie fallen, die Empfindung der rothen Farbe. Vielleicht iſt auf dieſe Art die Erſcheinung von Blutstropfen auf den Wuͤrfeln entſtanden, welche Heinrich IV. ſahe, als er mit dem Herzog von Guiſe im Bret ſpielen wollte, und welche de Thou und der P. Daniel erzaͤhlen.

Noch einige hiemit zuſammenhaͤngende Bemerkungen wird man bey dem Worte: Geſichtsfehler, finden.

Farbenbild, prismatiſches, gefaͤrbtes Sonnenbild, Imago Solis colorata, Spectrum coloratum, Image colorèe, Spectre colorè. Wenn man in einem verfinſterten Zimmer das durch ein kleines Loch F (Taf. IV. Fig. 68.) einfallende Sonnenlicht durch ein dreyeckigtes glaͤſernes Prisma ABC auffaͤngt, ſo gehen die Stralen, welche vorher parallel waren, nach dem Brechen aus einander, wie AB, CT. Faͤngt man dieſe gebrochnen Stralen an der Wand, oder mit einem Papier auf, ſo machen ſie darauf ein laͤnglich viereckigtes Bild PT, das oben und unten mit krummen Linien begrenzt iſt, und viele ſich in einander verlaufende Farben zeigt, deren kenntlichſte Abſtufungen, von T bis P gerechnet, Roth, Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Indigo, Violet ſind. Dieſes Bild fuͤhrt den Namen des Farbenbilds.

Obgleich dieſes Farbenbild ſchon laͤngſt bekannt geweſen war (ſ. Prisma), ſo hatte man doch auf die laͤngliche Geſtalt deſſelben keine weitere Aufmerkſamkeit gewendet. Grimaldi (De lumine, colorib. et iride. Bonon. 1665. 4. ) machte zuerſt die Bemerkung, daß der Lichtſtral durch die158 doppelte Brechung beym Ein - und Ausgange im Prisma aus einander gebreiter werde, welches er durch Figuren (p. 235.) ganz wohl erklaͤret. Er zeigt auch, daß der ſchiefe Winkel des Prima hiezu weſentlich nothwendig ſey, weil beym Durchgange durch ein Glas mit parallelen Flaͤchen die ausfahrenden Stralen den einfallenden parallel und far benlos ſeyn wuͤrden (p. 272.). Er braucht ſogar ſchon den Ausdruck, daß im Prisma ein Theil des Strales mehr gebrochen werde, als der andere. Aber er verſteht hierunter nicht eine verſchiedene Brechbarkeit der Theile, aus denen der Stral zuſammengeſetzt iſt, ſondern nur der beyden Seiten deſſelben.

Newton, der ſich im Jahre 1666 mit Schleifung optiſcher Glaͤſer beſchaͤftigte, und ſich dabey ein glaͤſernes Prisma angeſchaft hatte, beluſtigte ſich im verfinſterten Zimmer an den lebhaften und brennenden Farben des Bildes, als ihm auf einmal die laͤngliche Geſtalt deſſelben als etwas ſehr wunderbares auffiel. Ein leichtes Nachdenken lehrte ihn, daß dieſe Geſtalt nach den gemeinen Geſetzen der Brechung kreisrund ſeyn ſollte, weil die Oefnung im Fenſterladen ein Kreis war. Statt deſſen fand er die Seiten des Farbenbilds geradlinigt, die Enden mit Halbkreiſen begrenzt, und die Laͤnge etwa fuͤnfmal groͤßer, als die Breite. Dies ſetzte ihn um deſto mehr in Verwunderung, da ihm Grimaldi's erſt im vorhergehenden Jahre erſchienenes Buch noch unbekannt war.

Er gab ſich viele Muͤhe, die Urſache dieſer Erſcheinung zu entdecken. Zuerſt rieth er auf einen Unterſchied in der Dicke und Beſchaffenheit des Glaſes, auf Einwirkung der benachbarten Dunkelheit in das Licht, auf allerley zufaͤllige unregelmaͤßige Urſachen, aber die ſcharfſinnigen Proben, denen er dieſe Vermuthungen unterwarf, zeigten ihm, daß ſie alle ohne Grund waͤren. Er ſtellte daher eine genaue Ausmeſſung und Berechnung aller bey ſeinem Verſuche vorkommenden Linien und Winkel an, beſtimmte daraus das Brechungsverhaͤltniß fuͤr das Prisma, wie 31 zu 20, und fand, daß nach den gewoͤhnlichen Geſetzen das Bild ein Kreis von 2 3 / 8 Zoll Durchmeſſer ſeyn, und einen dem Sonnendurchmeſſer159 gleichen Winkel von 31 Min. an der Oefnung uͤberſpannen ſollte. Nun war zwar die Breite des Bilds, von einer Seitenlinie zur andern gerechnet, wirklich 2 3 / 8 Zoll; die Laͤnge aber war 13 Zoll, und uͤberſpannte an der Oefnung im Laden einen Winkel von 49′. Dieſe Abweichung war zu groß, als daß er ſie von blos zufaͤlligen Urſachen haͤtte herleiten, oder die laͤngliche Geſtalt aus den ungleichen Einfallswinkeln der Stralen, die von verſchiedenen Punkten der Sonnenſcheibe kamen, erklaͤren koͤnnen. Nach einigen andern ebenfalls durch die Pruͤfung widerlegten Muthmaßungen zeigte ihm endlich ſein entſcheidender Verſuch (ſ. den Artikel: Brechbarkeit, Num. 2.) die wahre Urſache des Phaͤnomens. Sie liegt darinn, daß das Licht bey der Brechung in eine unzaͤhlbare Menge von Farbenſtralen zerſpalten wird, fuͤr deren jeden ein anderes Brechungsverhaͤltniß ſtatt findet.

Sind alle Stralen gleich brechbar, wie dies vor Newtons Entdeckung in der Theorie angenommen ward, ſo muß das im finſtern Zimmer aufgefangene Sonnenlicht, auf einer gegen ſeinen Weg ſenkrecht gehaltenen Tafel, auch nach der Brechung durch ein Prisma ein kreisrundes Sonnenbild darſtellen. Hat aber jeder einfache Farbenſtral ſeinen eignen Grad der Brechbarkeit, ſo gilt dieſer Satz nur noch von denen Stralen, die unter ſich gleich brechbar ſind, d. i. von denen, die einerley Farbe zeigen. Mithin entwerfen die rothen Stralen fuͤr ſich ein eignes kreisrundes Sonnenbild, die blauen ein anderes, die gruͤnen ein anderes u. ſ. w. und es entſtehen anſtatt eines einzigen Bildes ſo viele, als Farben ſind, d. i. unzaͤhlige.

In der Taf. IV. Fig. 68. angenommenen Stellung des Prisma, da ſich der brechende Winkel C unterwaͤrts kehret, ſammlen ſich die rothen Stralen, welche am wenigſten gebrochen werden, unten bey T, die violetten am meiſten gebrochnen oben bey P. Wenn man ſich nun, wie Taf. VIII. Fig. 21

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., fuͤr die ſieben kenntlichſten Abſtufungen der prismatiſchen Farben ſieben uͤber einander ſtehende Kreiſe von gleichem Durchmeſſer gedenkt, und mit Huͤlfe der Einbildungskraft unzaͤhlbare dazwiſchen fallende Kreiſe fuͤr160 die Zwiſchenfarben hinzufuͤgt, ſo hat man das Farbenbild PT mit den geradlinigten Seiten und halbkreisfoͤrmigen Enden bey P und T, vollkommen ſo, wie es Newton beobachtete. Die verſchiedenen Farbenſtralen im Sonnenlichte entwerfen eine unendliche Menge von kreisrunden Bildern, die ſich nach den verſchiedenen Graden der Brechbarkeit uͤber einander ordnen, und ſo das Farbenbild ausmachen.

Kan man dieſe Kreiſe, ohne die Lage ihrer Mittelpunkte zu veraͤndern, im Durchmeſſer kleiner machen, wie bey pt, ſo werden ſie nicht mehr ſo ſehr in einander greifen, und man wird die eigentlichen Stellen der Hauptfarben deutlicher unterſcheiden koͤnnen. Dies erhielt Newton durch folgendes Mittel. Er fieng die Stralen, welche durch die Oefnung des Ladens einfielen, ohngefaͤhr 10 12 Fuß von dem Fenſter mit einem Linſenglaſe auf, ſtellte gleich hinter daſſelbe das Prisma, und bewegte das Papier, worauf er das Farbenbild auffieng, ſo lange hin und her, bis er den Ort fand, wo die Seitenlinien des Bilds recht ſcharf erſchienen. Durch das Linſenglas nemlich ward jedes Sonnenbild verkleinert und gleichſam zuſammen gezogen; die Laͤnge des Farbenbilds aber, welche von dem Einfallswinkel der Stralen am Prisma abhaͤngt, blieb unveraͤndert, wenn dieſer Einfallswinkel der vorige blieb. So konnte er die Breite des Bilds bisweilen 60 oder 70mal kleiner, als die Laͤnge machen.

Anſtatt des kreisrunden Lochs im Laden koͤnnte man nach ſeinem Vorſchlage ein viereckigtes gebrauchen, ein Rechteck, deſſen lange Seite dem Prisma parallel waͤre. So entſtuͤnden ſtatt der Kreiſe farbige Rechtecke, in welchen man die Hauptfarben noch deutlicher wuͤrde unterſcheiden koͤnnen. Auch ſchlaͤgt er die Geſtalt eines gleichſchenklichten Dreyecks vor, das die Spitze nach der einen Seite kehret, wobey die dreyeckigten Bilder an den Spitzen gar nicht in einander laufen, dagegen aber auch ſehr ſchwache Farben geben wuͤrden.

Nachdem er die Seitenlinien AF, GM, Taf. VIII. Fig. 21

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recht ſcharf begrenzt erhalten hatte, zeichnete er den Umriß161 FAGMTF auf ein Papier, und ließ das Bild genau auf die Zeichnung fallen. Darauf muſte ein Gehuͤlfe, deſſen Auge die Farben ſehr ſcharf unterſchriden konnte, die Grenzen jeder Hauptfarbe bey a, g, e, h, i, l mit Querlinien angeben. Dieſe Arbeit wurde oft wiederholet, und die Reſultate trafen immer ſehr wohl zuſammen.

So fand er, wenn GM bis K verlaͤngert, und MK = GM genommen, das ganze GK aber ſo eingetheilt ward, daß GK, lK, iK, hK, eK, gK, aK, MK ſich wie 1, 8 / 9, 5 / 6, 3 / 4, 2 / 3, 3 / 5, (9 / 16), 1 / 2 verhielten, in dem Zwiſchenraume Ma Roth, in ag Orange, in ge Gelb, in eh Gruͤn, in hi Blau, in il Indigo, in lG Violet. Es faͤllt ſogleich in die Augen, daß dieſe Zwiſchenraͤume auf eine bewundernswuͤrdige Art mit den Zahlen der weichen muſikaliſchen Tonleiter uͤbereinſtimmen, indem die angefuͤhrten Zahlen die Laͤngen der Saiten fuͤr den Grundton, die große Secunde, kleine Terz, Quarte, Quinte, große Sexte, große Septime und Ober - Octave ausdruͤcken.

Da man hier ohne merklichen Fehler die Unterſchiede der Sinus der Brechungswinkel den Zwiſchenraͤumen Ma, ag u. ſ. w. proportional ſetzen kan, und Newtons Abmeſſungen die Brechungsverhaͤltniſſe der am meiſten und am wenigſten brechbaren Stralen beym Uebergange aus Glas in Luft, wie 50 zu 78 und wie 50 zu 77 gegeben hatten, ſo giebt der Unterſchied zwiſchen 77 und 78, in eben den Verhaͤltniſſen, wie die Linie GM eingetheilt, die Brechungsſinus der Farbenſtralen aus Glas in Luft, 77, 77 1 / 8, 77 1 / 5, 77 1 / 3, 77 1 / 2, 77 2 / 3, 77 7 / 9, 78. Z. B. fuͤr alle Arten von Stralen, welche die Empfindung der rothen Farbe erregen, iſt das Brechungsverhaͤltniß zwiſchen den Grenzen 50: 77 und 50: 77 1 / 8 enthalten, und ſo bey allen uͤbrigen Farben.

Hieraus erklaͤrt ſich nun auch leicht der farbige Fleck, den man wahrnimmt, wenn das Sonnenlicht unter freyem Himmel, oder in nicht verdunkelten Zimmern durch ein Prisma, oder ein Glas mit nicht parallelen Seiten hindurch faͤllt. Dieſer Fleck beſteht aus einer großen Menge uͤber und neben einander liegender Farbenbilder. Es ſey (Taf. VIII. Fig. 19.) ABC ein Prisma, worauf das Sonnenlicht162 Ff faͤllt. Das gebrochne Licht werde in MN aufgefangen. Hier moͤgen die violetten Stralen den Raum Pp, die gruͤnen Qq, die rothen Tt einnehmen, die andern Gattungen in ihrer Ordnung die dazwiſchen fallenden Raͤume. Iſt MN dem Prisma ſo nahe, daß die Raͤume PT und pt nicht in einander fallen, ſo wird der Raum Tp von Stralen jeder Gattung in gehoͤrigem Verhaͤltniſſe erfuͤllt und folglich weiß ſeyn. Aber die Raͤume TP und pt bekommen nicht alle Arten von Stralen, und erſcheinen alſo gefaͤrbt. Ueber T fangen zuerſt die rothen und gelben Stralen an zu fehlen, daher eine blaßgruͤne Farbe entſteht, und bey P ſind nur noch blaue Stralen da. Unter p hingegen fangen die blauen Stralen an zu mangeln, es zeigt ſich daher Blaßgelb und bey t nur noch Roth. Alſo folgen die Farben von P bis t in dieſer Ordnung: Violet, Indigo, Blau, Blaßgruͤn, Weiß, Blaßgelb, Orange, Roth. So zeigt ſie auch die Erfahrung.

Haͤlt man das Papier weiter ab in mn, hinter X, wo die Raͤume PT und pt in einander fließen, ſo fehlen in der Mitte pT die violetten und rothen Stralen; daher verſchwindet die Weiße, und die mittlern Stralen bilden ein deſto lebhafteres Gruͤn, uͤber welchem ſich bis P die blauen, unten bis t die gelben und rothen Stralen zeigen muͤſſen. Auch dies wird durch die Erfahrung beſtaͤtiget.

Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel, S. 184. u. f.

Farbenclavier

Clavecin oculaire. Ein vorgeſchlagnes aber noch nie ausgefuͤhrtes Werkzeug zu Hervorbringung einer ſogenannten Farbenmuſik, wobey das Auge durch die Mannigfaltigkeit von Farben eben ſo ergoͤtzt werden ſollte, wie das Ohr bey einer Muſik durch die Mannigfaltigkeit der Toͤne.

Es iſt im vorhergehenden Artikel erwaͤhnt worden, daß nach Newtons Entdeckungen die Verhaͤltniſſe der Brechung bey den Farben den Verhaͤltniſſen der muſikaliſchen Toͤne in der Octave aͤhnlich ſind. Der P. Caſtel, ſonſt ein eifriger Gegner Newtons, glaubte in dieſer Aehnlichkeit der Farben mit den Toͤnen den Grund zu einer Farbenmuſik163 zu finden. Unter dem Titel: Clavecin Oculaire gab er im Jahre 1725 eine Schrift heraus, in der er dieſes Syſtem mit vielem Witze und einer feurigen Einbildungskraft ausſchmuͤckt, und in den Farbtn harte und weiche Tonarten, Conſonanzen und Diſſonanzen, Melodie und Harmonie, diatoniſches, chromatiſches und enharmoniſches Genus finden will. Dieſer Gedanke hat einiges Aufſehen gemacht, und mag wohl noch gegenwaͤrtig ſeine Vertheidiger haben; wenigſtens hat ihn Briſſon in ſeinem Woͤrterbuche von der gefaͤlligſten Seite vorzuſtellen geſucht. Auch Kruͤger (Hamburgiſches Magazin I. B. 4 St.) hat einige Ideen von einem Farbenclaviere, vielleicht blos im Scherze, gegeben.

Herr von Mairan (Mém. de l'Acad. de Paris. 1737. p. 61.) hat zum Ungluͤcke fuͤr die Vervielfaͤltigung des ſinnlichen Vergnuͤgens, ſehr uͤberzeugend dargethan, daß dieſer Gedanke des P. Caſtel ein bloßes Spiel der Phantaſie ſey und bleiben werde. Er zeigt eine zahlreiche Menge von weſentlichen Verſchiedenheiten zwiſchen Farben und Toͤnen, in Abſicht auf die Empfindungen, die ſie uns erregen, und beſchließt dieſe Vergleichung mit den Worten: Die Aehn lichkeit des Lichtes und des Schalles, und ihrer Modifi cationen, koͤmmt am Ende blos auf gewiſſe aͤußerliche phyſikaliſche und mathematiſche Verhaͤltniſſe hinaus, die eine hoͤchſt entfernte Beziehung auf ihre in die Sinne fal lenden Eigenſchaften haben. In der That haben auch die Malerey und Muſik von jeher ganz verſchiedene Mittel agewandt, uns zu vergnuͤgen; jene die contraſtirenden Ruheſtellen und das Nebeneinanderliegen der Farben, dieſe die beſtaͤndige langſamer oder geſchwinder fortſchrei tende Folge der Toͤne und Accorde.

Farbendreyeck, Farbenpyramide

Triangulum chromaticum, Pyramis chromatica, Chromatoſcopium, Triangle chromatique, Pyramide chromatique. Eine mathematiſche Anordnung der gemiſchten Farben, welche ſich aus drey Hauptfarben zuſammenſetzen laſſen Sie hat die Abſicht, den ſo vielfach verſchiedenen Farben beſtimmte Benennungen164 geben, und jede genannte Farbe auf eine und eben dieſelbe Art wieder hervorbringen zu koͤnnen, welches nicht allein fuͤr die Kunſt, ſondern auch fuͤr die Naturgeſchichte bey den Beſchreibungen der natuͤrlichen Koͤrper ein Gegenſtand von großer Wichtigkeit iſt.

Die prismatiſchen Farben ſind zwar alle einfach; es laſſen ſich aber gemiſchte, die den meiſten von ihnen gleich ſind, aus Zuſammenſetzungen von Roth, Gelb und Blau hervorbringen, die man noch verſchiedentlich erhoͤhen kan, je mehr oder weniger Weiß man zuſetzt; dagegen man Roth, Gelb und Blau aus Miſchungen anderer Farben nicht erhalten kan. In dieſer Ruͤckſicht heißen die genannten drey, einfache oder urſpruͤngliche Farben (colores ſimplices ſ. primitivi), die uͤbrigen gemiſchte (ſecundarii), wobey freylich die Benennungen, einfach und gemiſcht, in einem andern Sinne genommen werden, als oben bey dem Worte: Farben, unter dem Abſchnitte: Newtons Entdeckungen uͤber die Farben, Num. 5.

Man denke ſich nun ein gleichſeitiges Dreyeck rbg, Taf. IX. Fig. 22., das durch eine Theilung ſeiner Seiten in eine Anzahl gleicher Theile (eigentlich in unendlich viele), in lauter kleine Faͤcher zerlegt iſt. Die drey Faͤcher an den Ecken r, b, g enthalten die einfachen Farben Roth, Blau, Gelb, deren Staͤrke daſelbſt = 1 ſey. In den uͤbrigen Faͤchern ſeyen die Farben r, b, g, in dem Verhaͤltniſſe der Perpendikel, welche ſich von den Seiten des Fachs auf die Seiten des ganzen Dreyecks faͤllen laſſen, vorhanden; z. B. das in der Figur mit Linien ausgezeichnete Fach enthalte zween Theile Roth, zween Theile Blau und einen Theil Gelb, ſo wird man die hieraus entſtehende gemiſchte Farbe nach Mayer durch rbg oder nach Lichtenberg durch 2r+ 2b+g ausdruͤcken koͤnnen. Und wenn die Seiten in unendlich viele Theile zerlegt ſind, ſo zeigt die geometriſche Betrachtung leicht, daß ſolchergeſtalt alle moͤgliche Farben, die aus r, b, g, gemiſcht werden koͤnnen, in den Faͤchern des Dreyecks enthalten ſind, weil ſich fuͤr jede beliebige drey Coefficienten von r, b, g, ein Punkt im Dreyecke angeben165 laͤſt, deſſen ſenkrechte Abſtaͤnde von den drey Seiten ſich, wie dieſe Coefficienten, verhaltrn.

Will man in dieſe Farbenleiter noch die Abſtufungen bringen, welche durch die Erhoͤhungen der vorigen Farben mit Weiß entſtehen, ſo kan man das ganze Farbenſyſtem mit Herrn Lichtenberg in ein Prisma vertheilen, deſſen Grundflaͤchen gleichſeitige Dreyecke, wie rbg ſind, und wo die Farben von der untern Grundflaͤche bis zur obern durch alle zwiſchen Schwarz und Weiß fallende Stufen der Helligkeit fortſchreiten. Auch laͤſt ſich ſtatt des Prisma eine Pyramide gebrauchen, oder zwo Pyramiden, deren Grundflaͤchen zuſammen ſtoßen. Die Farben, welche darinn dem Dunkeln naͤher kommen, laſſen ſich alsdann mit r, b, g; die hellern mit r, b, g bezeichnen, ſo daß fuͤr Schwarz und Weiß ſelbſt n unendlich groß wird. So wuͤrde der allgemeine Ausdruck fuͤr jede Farbe ρr+ βb+γg ſeyn. Mayer giebt den Zuſatz von Weiß durch w an, z. B. wrbg.

Die erſte Idee einer ſolchen ſyſtematiſchen Miſchung der Farben aus gewiſſen einfachen hat ſchon im 16ten Jahrhunderte der beruͤhmte Maler, Lionardo da Vinci gehabt. Der P. Caſtel (L'optique des couleurs. à Paris, 1740. 8. ) nahm ebenfalls nur drey Grundfarben, nemlich Feuerroth, Schuͤttgelb und Himmelblau an, und eignete ſich die Erfindung dieſes Gedankens zu. Aber ſchon le Blon hat in einer Schrift uͤber das Abdrucken der Kupferplatten mit Farben (Harmony of colouring. Lond. 1737. und L'art d'imprimer les tableaux. à Paris. 1756. 8. ) alle Farbenmiſchungen aus drey Farben hergeleitet. Zahn (Oculus artificialis teledioptricus. Herbip. 1685. Fol. in der zweyten Ausg. von 1702. p. III. ) iſt der erſte, der die Idee von einem Dreyeck mit der Zuſammenſetzung der Farben verbunden hat. Er nimmt aber fuͤnf Hauptfarben, nemlich noch Weiß und Schwarz, an, ſetzt ſie auf die fuͤnf Theilungspunkte der einen Seite, und bringt die Miſchungen in die uͤbrigen Durchſchnittspunkte, ſo daß Aſchgrau an die Spitze des Dreyecks koͤmmt. Tobias Mayer hat in ſeinem mathemathiſchen Atlas, den er in juͤngern Jahren166 herausgab, ebenfalls ein Farbendreyeck aus Weiß, Gelb, Blau, Roth, Schwarz, welche Farben er A, E, I, Q, V, nennt, und zu gleichen Theilen ſo miſcht, daß daraus die Farben AE, EI u. ſ. w. entſtehen.

In der Folge aber hat dieſer beruͤhmte goͤttingiſche Gelehrte das Farbenſyſtem weit reifer uͤberdacht, und zuerſt zu einem gewiſſen Grade der Vollkommenheit erhoben. Er legte ſeinen Aufſatz daruͤber im Jahre 1750 der koͤniglichen Geſellſchaſt der Wiſſenſchaften vor; doch ward damals nur eine kurze Nachricht davon in den goͤttingiſchen gelehrten Anzeigen bekannt. Dieſe erweckte viele Aufmerkſamkeit, und veranlaſſete verſchiedene Schriften von Schaͤffer (Entwurf einer allgemeinen Farbenverein, oder Verſuch und Muſter einer gemeinnuͤtzigen Beſtimmung und Benennung der Farben, Regenſpurg, 1769. 4.) Schiffermuͤller (Verſuch eines Farbenſyſtems, Wien 1772. 4. ) und vorzuͤglich von Lambert (Beſchreibung einer mit dem Calauſchen Wachſe ausgemalten Farbenpyramide, wo die Miſchung jeder Farben angeordnet, dargelegt und derſelben Berechnung und vielfacher Gebrauch gewieſen wird, mit einer ausgemalten Kupfertafel, Berlin, 1772. gr. 4.), welcher letztere alle Farben aus Weiß und drey Grundfarben miſchen lehrt.

Endlich erſchien im Jahre 1775 Mayers lateiniſcher Aufſatz ſelbſt (De affinitate colorum, in Tob. Mayeri Opp. ineditis, Vol. I. cura G. C. Lichtenberg, Goͤtting. 1775. gr. 4.) mit den wichtigen Zuſaͤtzen Herrn Lichtenbergs. Mayer giebt dem Dreyecke an jeder Seite 13 Faͤcher, ſo daß es deren zuſammen 91 erhaͤlt. Er malt dieſe mit Bergzinnober, hellem Bergblau und Koͤnigsgelb aus, da hingegen Lambert ſich des Carmins, Berlinerblau, und Gummigutte zu Grundfarben bedient hatte. Wenn man alſo aus dem oben angefuͤhrten Prisma, welches die Stufen der hellern und dunklern Farben enthaͤlt, dasjenige Dreyeck haben wollte, ſo der Lambertſchen Pyramide zur Grundflaͤche dient, ſo wuͤrde man nach Herrn Lichtenbergs Bemerkung das Prisma nicht mit den Grundflaͤchen parallel, ſondern ziemlich ſchraͤge, durchſchneiden muͤſſen. Zu den 91 Farben,167 welche bey Mayern aus den Miſchungen der Hauptfarben nach Zwoͤlfteln entſtehen, kommen noch zweymal 364 Farben, nach dem verſchiedenen Abſtande von Weiß und Schwarz, daß alſo dieſes Farbenſyſtem 819 verſchiedene Farben enthaͤlt.

Herr Lichtenberg hat auch ein Muſter eines ausgemalten Dreyecks von 28 Feldern beygefuͤgt, bey deſſen Verfertigung er mancherley Schwierigkeiten antraf. Beſſer ſiel es aus, wenn er ſich trockner Farben hiezu bediente. Er hat im Jahre 1774 ein ſolches Dreyeck aus trocknen Staubfarben der Societaͤt der Wiſſenſchaften zu Goͤttingen vorgelegt, wobey er zuerſt die Intenſitaͤt der dazu gebrauchten Pigmente pruͤfte, und im Bergzinnober, Bergblau und Koͤnigsgelb wie 2, 1, 6 fand. Nemlich ein Theil Gelb und ſechs Theile Blau gaben ein Gruͤn, in welchem weder Gelb noch Blau mehr hervorſtach u. ſ. w. Hieraus berechnete er, wie viel dem Gewichte nach von den drey Pigmenten vermiſcht werden muͤſſe, um die Verhaͤltniſſe des Farbendreyecks richtig herauszubringen. Es fallen aber die gruͤnen und violetten Farben bey dieſen Pigmenten nicht rein, ſondern ſchmutzig aus.

Erxleben (Phyſikaliſche Bibliothek, I Band. 4 St. S. 403 u. f.) bemerkt, daß die Pigmente wohl nicht nach dem Gewichte ſondern nach dem Volumen gemiſcht werden muͤſten, daß man dazu ganz reine Grundfarben (z. B. nicht Zinnober, welcher ſchon Gelbroth ſey) und Farben von gleicher Intenſitaͤt waͤhlen muͤſſe. Er nahm dazu Carmin, Berlinerblau und Koͤnigsgelb, und verſichert, dadurch ein ſehr vollkommnes Dreyeck erhalten zu haben, blos den Umſtand ausgenommen, daß das Koͤnigsgelb doch ein wenig ins Rothe falle, und dadurch den gruͤnen Farben einen geringen Hang ins Schmutzige gebe. In dieſem Dreyecke iſt die Farbe des Zinnobers rg, das Bergblau koͤmmt gar nicht darinn vor, ſondern gehoͤrt in eine hoͤhere Lage des lichtenbergiſchen Prisma, oder der Farbenpyramide.

Lambert hat in der oben angefuͤhrten Schrift uͤber die Staͤrke ſeiner Grundfarben ſehr genaue Unterſuchungen168 angeſtellt. Ein halber Gran hochrothen Carmins mit 1 / Gran Gummigutte gab eine Farbe, in der weder Roth noch Gelb hervorſtach; 2 Gran helles Berlinerblau und 7 Gran Gummigutte gaben ein Mittelgruͤn; 1 Gran Carmin und 3 Gran Berlinerblau ein Mittel zwiſchen Roth und Blau. Hieraus leitet er die Grade der Schwaͤche dieſer Farben, wie 1, 3, 10 her. Das heißt: Bey der Miſchung muß man 10 Gewichttheile der Gummigutte, 3 des Berlinerblau und 1 des Carmins als einen Theil oder eine Portion der Grundfarbe anſehen. Fuͤr dunklern Carmin und dunkler Berlinerblau ſind dieſe Zahlen 2, 3, 12. Die verſchiedenen Farben vertheilt er in eine Pyramide, oder in ein Schraͤnkchen mit dreyeckigten Faͤchern. Im unterſten Fache ſind 45 Quadrate, auf den Ecken roth, gelb, blau, und dazwiſchen die Schattirungen, deren jede acht Theile oder Portionen aus den Hauptfarben hat, z. B. rbg. Im naͤchſten Fache daruͤber ſind 28 Quadrate, deren Farben nur 6 Theile von den Hauptfarben des untern Faches, dagegen aber jede 2 Theile beygemiſchtes Weiß, haben, z. B. wrbg. Im dritten Fache ſind 15 Farben, nemlich die drey noch heller gemachten Hauptfarben und 12 Mittelfarben, jede zu 4 Theilen der Hauptfarben mit 4 Theilen Weiß, z. B. wrbg. So enthaͤlt das vierte Fach 10 Farben, jede mit 5 Theilen Weiß, das fuͤnfte Fach 6 Farben mit 6 Theilen Weiß, wobey nur noch zwo Hauptfarben verbunden werden koͤnnen, wie wrb, das ſechſte Fach blos die drey ſehr hellen Hauptfarben wr, wb, wg, und das oberſte Fach ein einziges weißes Quadrat. Die ganze Pyramide hat 108 Farben.

Man kan uͤber dieſe Materie noch Sulzers allgemeine Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte unter dem Art. Farben, ingleichen Auguſt Ludwig Pfannenſchmids Verſuch einer Anleitung zum Miſchen aller Farben aus blau, gelb und roth, herausg. von Ernſt Rudolph Schulz, Hannover, 1781. 8., und uͤber die in den Kuͤnſten und dem gemeinen Leben gewoͤhnlichen Benennungen und Bereitungen der Farben Chriſtian Friedrich Prangens Farben - Lexicon, Halle, 1782. in zween Quartbaͤnden, nachſehen. 169

Prieſtley Geſch. der Optik, durch Kluͤgel, S. 550. u. f.

Farbenmuſik, ſ. Farbenclavier.

Farbenſyſtem, ſ. Farbendreyeck.

Farbenzerſtreuung, Farbenverbreitung, Diſperſio radiorum lucis, Diſperſion des rayons de la lumiere.

Die bey jeder Brechung vorkommende Zertheilung oder Spaltung der Sonnenſtralen, und uͤberhaupt des zuſammengeſetzten Lichts in mehrere Stralen von verſchiedenen Farben. Dieſe Erſcheinung iſt eine Folge der ungleichen Brechbarkeit der Farbenſtralen, ſ. Brechbarkeit, Farben. Wenn nemlich Sonnenlicht auf eine brechende Flaͤche faͤllt, ſo werden die Theile, welche die rothe Farbe erregen, weniger gebrochen, als andere Theile, welche die blaue Farbe erwecken; beyderley Farbenſtralen nehmen daher verſchiedene Wege, und der Stral, in welchem ſie vorher vereiniget waren, trennt oder ſpaltet ſich nach der Brechung. Statt daß ſein Weg vorher eine gerade Linie war, fuͤllen jetzt ſeine Theile den Raum zwiſchen den Schenkeln eines Winkels, welcher in der Brechungsebene liegt.

Bey Brechungen durch Planglaͤſer, welche mit parallelen Flaͤchen begrenzt ſind, fallen die Wirkungen der Farbenzerſtreuung nicht in die Augen. Der Sonnenſtral, welcher ſchief auf ein Planglas faͤllt, wird zwar wirklich geſpalten, und ſein rother Theil, der im Glaſe einen andern Weg nimmt, trift die Hinterflaͤche in einem andern Punkte, als der blaue. Aber beym Ausgange aus dem Glaſe, wo jeder ausgehende Stral dem einfallenden parallel iſt, gehen alle Farbenſtralen unter einander gleichlaufend, und weil deren bey allen Punkten einige von allen Gattungen der vorhandenen Farben ausgehen, ſo verbinden ſie ſich wieder unter einander, und geben dadurch weißes Licht, oder eben ſolches, wie das einfallende war.

Eben ſo wenig findet eine Farbenzerſtreuung bey ſenkrecht auffallenden Stralen, oder bey ſolchen, die durch die Axe eines Linſenglaſes gehen, ſtatt. Da hiebey gar keine Brechung vorgeht, ſo laͤßt ſich auch keine Verſchiedenheit170 der Brechung, d. i. keine Farbenzerſtreuung denken.

Deſto merklicher aber iſt die Verbreitung der Farbenſtralen, wenn die beyden Flaͤchen des brechenden Mittels ſchiefe Winkel mit einander machen, wie die Seitenflaͤchen eines glaͤſernen Prisma, oder diejenigen Stellen eines Linſenglaſes, durch welche die weiter von der Axe abweichenden Stralen durchgehen. Wie dadurch im Prisma das Farbenbild entſtehe, und was fuͤr Abweichungen von den Regeln bey den Linſenglaͤſern dadurch veranlaſſet werden, findet man bey den Worten: Farbenbild, Abweichung, dioptriſche.

So vortreflich auch Newtons Unterſuchungen uͤber die verſchiedene Brechbarkeit der Farbenſtralen ſind, ſo hatte doch dieſer große Experimentator dabey einen Fehler begangen, der auf die Theorie der Farbenzerſtreuung einen ſehr weſentlichen Einfluß hatte. Er hatte den Satz, daß die Farbenverbreitung wegfaͤllt, wenn des Strales Richtung beym Ausgange der beym Eingange parallel iſt, allzuweit ausgedehnet. Dieſer Satz gilt nur, wenn von der Brechung durch ein einziges Mittel, z E. durch ein einziges Planglas, die Rede iſt; nicht aber, wenn der Stral durch mehrere verſchiedene Mittel, z. B. durch Glas und Waſſer, durch zwo verſchiedene Glasarten u. d. gl. hindurchgehet. Newton hingegen, der ihn, durch einen ſeiner Verſuche verleitet, auch auf den letztern Fall erſtreckte (ſ. den Art. Achromatiſche Fernroͤhre), zog daraus die falſche Folge, daß die Farbenſtralen von allen brechenden Mitteln in einerley allgemeinem Verhaͤltniſſe zerſtreut wuͤrden. Erſt ſeitdem Dollond das Unrichtige dieſer Behauptung durch Verſuche gezeigt hat, iſt die Lehre von der Farbenzerſtreuung auf beſſere Gruͤnde gebaut worden.

Wenn das Brechungsverhaͤltniß aus einem gewiſſen Mittel in Luft fuͤr die mittlern Stralen m: 1, und fuͤr die aͤußerſten, z. B. die violetten M: 1 iſt; ſo laͤſt ſich die Groͤße der Brechung fuͤr jene Stralen durch m 1, fuͤr dieſe durch M 1, und der Unterſchied beyder, oder die Groͤße171 der Farbenzerſtreuung durch M m ausdruͤcken. Man nimmt nemlich hiebey die Winkel ſo klein an, daß ſie ſich ohne Fehler ſtatt ihrer Sinus gebrauchen laſſen. So iſt fuͤr die Brechung aus Glas in Luft (ſ. Brechbarkeit) m = (31 / 20); M = (78 / 50), alſo m 1 = (11 / 20); M 1 = (28 / 50), M m = (1 / 100), d. i. der violette Stral weicht von dem mittlern um ein Hunderttheilchen des Einfallswinkels ab.

Nun ſey fuͤr ein anderes Mittel, z. B. Waſſer, das Brechungsverhaͤltniß in Luft fuͤr die mittlern Stralen n: 1, fuͤr die aͤußerſten N: 1; ſo werden ſich hiebey die Brechungen durch n 1; N 1, die Farbenverbreitung durch N n ausdruͤcken laſſen. Alsdann heißt das Verhaͤltniß M m: N n, das Verhaͤltniß der Farbenzerſtreuung (ratio diſperſionis, le rapport de la diſperſion) fuͤr beyde Mittel.

Aus Newtons Verſuche (Optice L.I.P. II. Exp. 8.) wuͤrde, wenn er richtig waͤre, folgen, daß ſich die Farbenzerſtreuungen allezeit, wie die mittlern Brechungen verhielten, oder daß.

Man hatte auf dieſe ganze Lehre wenig Aufmerkſamkeit verwendet, als Euler (Sur la perfection des verres objectifs des lunettes, in den Mém. de l' acad. Roy. de Pruſſe 1747.) mit einer neuen Theorie hervortrat, welche ganz auf algebraiſche Speculationen, ohne alle Erfahrungen, gebaut war. Er ſetzte nemlich feſt, N muͤſſe durch n eben ſo, wie M durch m, ausgedruͤckt werden; wenn m = 1 ſey, muͤſſe auch M = 1 werden; wenn man fuͤr m ſetze 1 / m ſo muͤſſe ſich auch M in 1 / M verwandlen; und wenn man mn ſtatt m ſetze, muͤſſe auch MN ſtatt mn herauskommen. Dieſe Bedingungen, welche freylich ſtatt finden muͤſſen, wofern ſich M uͤberhaupt aus m beſtimmen laͤſt, oder ſtets nach m richtet, koͤnnen nicht anders erfuͤllt werden, als wenn. Dieſe Theorie nahm alſo Euler, als die einzige moͤgliche172 wahre, an. Dies iſt algebraiſch wahr, und bewies wenigſtens ſo viel, daß Newtons Behauptung unrichtig ſeyn muͤſſe.

Dollond (ſ. Philoſ. Trans. Vol. L. P. II. und Euler Dioptr. To. I. p. 315.) hatte die Euleriſchen Rechnungen unterſucht, und war, wie wir bey dem Worte: Achromatiſche Fernroͤhre, erzaͤhlt haben, zu Anſtellung neuer Verſuche bewogen worden. Er legte ein Prisma von Crownglaſe ABC (Taf. IX. Fig. 23.) mit einem brechenden Winkel A von 30°, und eins von Flintglaſe ABD, mit einem Winkel B von 19° an einander, und fand durch beyde zuſammen das Sonnenbild frey von Farben. Setzt man nun das Brechungsverhaͤltniß der mittlern Stralen im Crownglaſe = m: 1, im Flintglaſe = n: 1, alſo aus Crownglas in Flintglas = n: m; verſtattet man ſich ferner, die Winkel ſelbſt fuͤr ihre Sinus ſetzen zu duͤrfen, welches zu gegenwaͤrtiger Abſicht genau genug iſt, und beſtimmt ſo aus den Brechungsverhaͤltniſſen die Einfallsund Brechungswinkel in den drey brechenden Flaͤchen CA, AB, BD fuͤr den ganzen Weg des Strales EFGHI, ſo findet man, wenn PF und HS die Einfallslothe ſind,

Was m und n fuͤr die mittlern Stralen ſind, das heiße M und N fuͤr die violetten, ſo iſt fuͤr dieſe Wenn nun das Sonnenbild ungefaͤrbt erſcheint, ſo muͤſſen alle mit EF parallel eingefallene Farbenſtralen mit HI parallel ausgehen, oder es muß in beyden Geichungen fuͤr ein gleiches EFP auch einerley IHS ſtatt finden. Daraus folgt mA nB = MA NB, oder d. i. das Verhaͤltniß der Farbenzerſtreuungen des Crownund Flintglaſes iſt 19: 30 oder faſt wie 2: 3.

Bringt man die Sinus ſelbſt in die Rechnung, wodurch ſie freylich viel weitlaͤuftiger wird, ſo findet ſich (nach Euler Dioptr. To. I. p. 318.) genauer173

Dieſes aus klaren Erfahrungen gezogene Reſultat traf weder mit dem, was aus Newtons Verſuche folgt, noch mit Eulers Theorie uͤberein. Da nach Dollonds Unterſuchungen das mittlere Brechungsverhaͤltniß fuͤr Crownglas 1,53: 1, fuͤr Flintglas 1, 58: 3 war, ſo haͤtte das Verhaͤltniß der Farbenzerſtreuung nach Newton 53: 58, nach Eulern 1,53. log. 1,53: 1, 58. log. 1, 58, d. i. 1: 1, 111 ſeyn ſollen. Es war aber, wie 2: 3, und alſo ſehr weit von beyden Theorien unterſchieden.

Deswegen wollte ſich auch Euler von der Richtigkeit der Dollondiſchen Verſuche gar nicht uͤberzeugen laſſen. Er ſahe ſeine Theorie noch immer als die einzige moͤgliche an. Dies iſt ſie auch in der That, wofern m von M eben ſo, wie n von N, abhaͤngt; da ſie aber nichts deſto weniger der Erfahrung widerſpricht, ſo iſt dies ein Zeichen, daß es gar keine allgemeine Theorie der Farbenzerſtreuung giebt, oder daß die Brechbarkeit der aͤußerſten Stralen nach keinem allgemeinen Geſetze von der Brechbarkeit der mittlern abhaͤngt, wovon ſich endlich auch Euler uͤberzeugt, und in ſeiner Dioptrik ſelbſt Dollonds Verſuche zum Grunde der Berechnungen angenommen hat.

Clairaut (Mém. de l' Acad. de Paris 1756.) hat noch eine andere Theorie der Farbenzerſtreuung aus der Natur der krummen Linie, welche die Stralen bey der Brechung beſchreiben, herzuleiten geſucht, und dabey angenommen, daß das Brechungsverhaͤltniß von der Geſchwindigkeit der Stralen abhaͤnge. Aber auch dieſe Theorie ſtreitet auf mehr als Eine Art gegen die Erfahrung. Nach ihr muͤſte ſeyn, welches von den Verſuchen noch weiter als die vorigen Theorien abweicht.

Es haͤngt alſo die Groͤße der Farbenzerſtreuung in verſchiedenen Mitteln auf keine allgemeine Art von der Groͤße der Brechung in denſelben ab. Die Folge hiervon iſt, daß man die Farbenzerſtreuung in keiner Materie anders,174 als durch wirkliche Verſuche erfahren kan. Man findet Materien, bey denen die mittlern Brechungsverhaͤltniße faſt gleich, die Zerſtreuungen hingegen ſehr verſchieden ſind. Bey Dollonds Crown - und Flintglaſe ſind jene Verhaͤltniſſe 1,53: 1 und 1,58: 1; die Zerſtreuungen aber verhalten ſich, wie 2 zu 3.

Was das Glas betrift, ſo hat Johann Ernſt Zeiher, nachmaliger Profeſſor der Mathematik in Wittenberg, durch ſeine in Petersburg angeſtellten Verſuche gefunden, daß ein ſtaͤrkerer Zuſatz von Bleykalk nicht allein die mittlere Brechung, ſondern auch die Farbenzerſtreuung betraͤchtlich vergroͤßere. Er bereitete ſechſerley Glasarten aus Mennige und Kieſel, deren Verhaͤltniſſe folgende Tafel angiebt.

Verhaͤltniß der MennigeMittlere BrechungZerſtreuungsverhaͤltniß
und Kieſelaus Luft in Glasin Vergleichung mit ge -
meinem Glaſe.
I. 3: 12028: 10004800: 1000
II. 2: 11830: 10003550: 1000
III. 1: 11787: 10003259: 1000
IV. 3 / 4: 11732: 10002207: 1000
V. 1 / 2: 11724: 10001800: 1000
VI. 1 / 4: 11664: 10001354: 1000

Die erſte dieſer Glasarten iſt beſonders merkwuͤrdig. Sie bricht das Licht ſtaͤrker, als im Verhaͤltniſſe 2: 1, und zerſtreut die Farben faſt fuͤnfmal mehr, als das gemeine Glas. Als aber Zeiher dieſen Glasarten noch Laugenſalze zuſetzte, fand er mit Verwunderung, daß dadurch die mittlere Brechung ſehr vermindert ward, ohne daß ſich die Farbenzerſtreuung merklich aͤnderte. Er erhielt endlich eine Gattung Glas, bey der das mittlere Brechungsverhaͤltniß 1,61: 1 war, und die doch das Licht dreymal ſtaͤrker, als das gemeine Glas, zerſtreute (ſ. Zeihers Abhandl. von denjenigen Glasarten, welche eine verſchiedene Kraft, die Farben zu zerſtreuen, beſitzen. Petersburg, 1763. 4.)

Methoden, die Farbenzerſtreuung der Glaͤſer zu meſſen, nebſt mehrern Verſuchen hieruͤber hat der Duͤc de Chaulnes in den Mémoires de l' Acad. Roy. des Sc. de Pruſſe. 1751767. angegeben. Von den uͤber die Farbenzerſtreuung gefuͤhrten Berechnungen und den Verbeſſerungen der Fernroͤhre, die ſich hierauf gruͤnden, findet man Nachrichten bey dem Worte: Achromatiſche Fernroͤhre.

Daß uͤbrigens die Materie, woraus das brechende Mittel beſteht, in einem ganz andern Verhaͤltniſſe auf die mittlere Brechung, als auf die Farbenverbreitung, wirkt, ſcheint ein wichtiger Einwurf gegen die Euleriſche Farbentheorie zu ſeyn. Nach dieſer Theorie haͤngt die Groͤße der Brechung eben ſowohl, als die Farbe, von der Geſchwindigkeit ab, mit welcher die Schwingungen des Aethers auf einander folgen. Man ſieht hiebey ſchwerlich ein, wie es Glasarten geben kan, welche die gruͤnen Stralen gleich ſtark, die rothen und violetten hingegen in ſehr ungleichen Verhaͤltniſſen brechen, wovon ſich im Emanationsſyſtem doch wenigſtens die Erklaͤrung geben laͤſt, daß vielleicht gewiſſe Materien die verſchiedenen Farbentheile des Lichts in verſchiedenen Verhaͤltniſſen anziehen moͤgen, daher zwo Glasarten das gruͤne Licht mit gleicher, das rothe mit ungleicher Staͤrke anziehen koͤnnen.

Prieſtley Geſchichte der Optik, Zuſaͤtze Hrn. Kluͤgels, S. 254. u. f.

Federhart, ſ. Elaſtiſch.

Federkraft, ſ. Elaſticitaͤt.

Fein, Subtile, Subtil, Fin, Deliè.

Was in ungemein kleine Theile zertrennt oder aufgeloͤſet iſt, wie ein feines Pulver, feine Ausfluͤſſe der Koͤrper, ein feines Gewebe. Oft auch uͤberhaupt, was ſo klein iſt, daß es faſt den Sinnen entgeht, z. B. ein feiner Faden. Die Metalle heißen fein, wenn ſie rein und ohne merkliche fremde Beymiſchung ſind, wie feines Gold. Descartes gab einer eignen im Weltraume vorhandenen Fluͤßigkeit den Namen der feinen oder ſubtilen Materie, ſ. Aether.

Fernrohr, Sehrohr, Teleſkop, Tubus opticus, Teleſcopium, Conſpicillum, Lunette, Lunette d' approche, Teleſcope.

Ein Werkzeug, wodurch ſich entlegne Gegenſtaͤnde176 dem Auge deutlich und vergroͤßert darſtellen. Es beſteht aus einer Zuſammenſetzung von Glaͤſern, wovon das gegen die Sache gekehrte das Vorderglas oder Objectivglas genannt wird, die aber, welche ſich am Auge befinden, den Namen der Augenglaͤſer oder Oculare fuͤhren. Anſtatt einiger Glaͤſer werden bisweilen Metallſpiegel gebraucht; in dieſem Falle heißt das Inſtrument ein Spiegelteleſkop.

Die Erfindung dieſes Werkzeugs verdient unſtreitig die groͤſte Bewunderung, und hat den Anfang des ſiebzehnten Jahrhunderts zu einer in der Geſchichte der Dioptrik und Aſtronomie unvergeßlichen Epoche gemacht. Zwar haben einige die Erfindung des Fernrohrs viel weiter hinausſetzen wollen. Dutens will ſie ſchon beym Demokrit und Ariſtoteles finden. Der beruͤhmte Benedictiner Mabillon (Iter Germanicum, in Veteribus Analectis To. IV. Lutet. Paris. 1685. 4. p. 46.) erwaͤhnt eines in der Abtey Scheyern im Bißthum Freyſingen befindlichen Manuſcripts von der Hiſtoria ſcholaſtica des Petrus Comeſtor, aus dem dreyzehnten Jahrhunderte, worinn ein Bild des Ptolemaͤus vorkoͤmmt, der die Geſtirne durch einige in einander geſchobene Roͤhren betrachtet (ſidera contemplantis ope inſtrumenti longioris, quod inſtar tubi optici quatuor ductus habentis, concinnatum eſt). Nach Mabillons Abbildung ſieht es faſt aus wie ein Fernrohr, das man daher ſpaͤtſtens in der Mitte des 13 Jahrhunderts gekannt haben muͤſte. Wahrſcheinlich aber ſoll es ein Rohr ohne Glaͤſer vorſtellen, dergleichen man ehedem brauchte, um das Licht von den Seiten her abzuhalten.

In den Schriften des Roger Baco, der um das Ende des dreyzehnten Jahrhunderts lebte, finden ſich einige Stellen, aus welchen beſonders Molineux (Dioptrica nova. Lond. 1693. gr. 4.) ſchließen will, daß dieſer engliſche Moͤnch das Fernrohr gekannt habe. Die vornehmſte aus dem Werke: Opus majus, welches D. Jebb zu London 1733 herausgegeben hat, iſt folgende: De facili patet per canones ſupradictos, quod maxima poſſunt apparere minima, et e contra; et longe diſtantia videbuntur pro -177 pinquiſſime, et e converſo. Nam poſſumus ſic figurare perſpicua, et taliter ea ordinare ratione viſus et rerum, ut ſub quocunque angulo voluerimus, videbimus rem prope vel longe, et ſic ex incredibili diſtantia legeremus litteras minutiſſimas, et pulveres ac arenas numeraremus propter magnitudinem anguli, ſub quo videremus. Et ſic poſſet puer apparere gigas, et unus homo videri mons, et in quacunque quantitate; ſecundum quod poſſemus hominem videre ſub angulo tanto, ſicut montem, et prope, ut volumus. Et ſic parvus exercitus videretur maximus, et longe poſitus appareret prope, et e contra. Sic etiam faceremus ſolem et lunam et ſtellas deſcendere ſecundum apparentiam hic inferius etc. Dieſe Gedanken haben unſtreitig eine auffallende Aehnlichkeit mit dem, was die Fernroͤhre wirklich leiſten. Beurtheilt man aber die Stelle im Zuſammenhange mit dem vorhergehenden Capitel, wo Baco von der Vervielfaͤltigung durch Spiegel redet, und dabey auch ſein Poſſumus braucht, ob er gleich unmoͤgliche Dinge vorſchlaͤgt, ſo ſieht man wohl, daß er in beyden Stellen blos aus der Einbildungskraft geſchrieben habe, zumal da er nirgends etwas von irgend einer Ausfuͤhrung der Sache erwaͤhnet. Der Grund, auf den er alles baut, iſt auch nur der, daß man durch Spiegel und Glaͤſer die Stralen, wohin man nur wolle, bringen koͤnne; er ſcheint alſo kein bewegliches Inſtrument, ſondern hie und da befeſtigte Glaͤſer gemeint zu haben, ein Gedanke, deſſen Ausfuͤhrung unmoͤglich iſt.

An einer andern Stelle ſagt er, Julius Caͤſar habe von der Kuͤſte Galliens die britanniſchen Haͤfen und Staͤdte durch aufgerichtete Spiegel betrachtet. Smith im Lehrbegrif der Optik erklaͤrt dies fuͤr ein Misverſtaͤndniß, wobey ſtatt Warten (ſpeculae), Spiegel (ſpecula) verſtanden worden. Aber Wood (Hiſt. et Antiquitates Vniverſ. Oxonienſis L. I. p. 136.) fuͤhrt noch eine Stelle aus Baco im Buche De perſpectivis an, welches ſich im Manuſcripte in Oxford befindet, wo er ſagt, Caͤſar habe die britanniſchen Kuͤſten durch ein Rohr (tubi ope) betrachtet. Dies zeigt doch, daß man im 13ten Jahrhunderte Ideen von178 Roͤhren gehabt hat, durch welche ſich entlegne Gegenſtaͤnde ſchaͤrfer betrachten laſſen. Waͤren aber ſolche Roͤhren mit Glaͤſern verſehen geweſen, ſo wuͤrde ſich doch von einem ſo wichtigen Kunſtſtuͤck irgendwo eine deutlichere Meldung finden.

De la Hire (Mém. de l'acd. roy. des Sc. 1717.) unterſucht die Meinung derer, welche mit Huygens, Wolf u. a. die Ehre der Erfindung des Fernrohrs dem Neapolitaner Porta zueignen wollen. Sie gruͤnden ſich dabey auf folgende Stelle aus der natuͤrlichen Magie dieſes Schriftſtellers (Magiae naturalis ſ. de miraculis rerum naturalium libri IV. Neap. 1558. fol. L. XVII. c. 10.). Durch ein Hohlglas ſieht man entfernte Gegenſtaͤnde deut lich; durch ein erhabenes betrachtet man nahe liegende. Weiß man beyde gehoͤrig zu verbinden, ſo wird man ſo wohl nahe als entfernte Gegenſtaͤnde groͤßer und deutlich ſehen. Ich habe dadurch vielen Freunden, welche ſchlech te Augen hatten, große Dienſte geleiſtet, und ſie in Stand geſetzt, ſehr deutlich zu ſehen. Es ſcheint ſich dieſes auf etwas dem Fernrohre ſehr aͤhnliches zu beziehen. Allein nach de la Hire mag wohl Porta blos eine Verbindung eines Hohlglaſes mit einem erhabenen meinen, wodurch beyder gemeinſchaftliche Brennweite veraͤndert wird, ſo daß ſie dienen, dem Auge Gegenſtaͤnde in gewiſſen Entfernungen deutlicher darzuſtellen. Haͤtte er wirklich etwas dem Teleſkope aͤhnliches unter den Haͤnden gehabt, er wuͤrde bey der Eitelkeit, die aus ſeinen Schriften hervorleuchtet, nicht ermangelt haben, eine weit praͤchtigere und umſtaͤndlichere Beſchreibung davon mitzutheilen.

Erſt im Jahre 1608 oder 1609 kam die wirkliche Erfindung der Fernroͤhre aus Holland, ob man gleich noch bis jetzt nicht ganz zuverlaͤßig weiß, zu welcher Zeit, von wem und auf welchem Wege ſie gemacht worden ſey. Die Meinungen hieruͤber ſcheinen gleich vom Anfang getheilt geweſen zu ſeyn.

Hieronymus Sirturus, ein gebohrner Maylaͤnder, der, um etwas vollſtaͤndiges vom Fernrohre zu ſchreiben,179 viele Laͤnder durchreiſete, (Teleſcopium. Francof. 1618. 4. p. 24.) erzaͤhlt, im Jahre 1609 ſey ein Unbekannter, dem Anſehen nach ein Hollaͤnder, zu dem Brillenmacher Johann Lipperſein oder Lippersheim in Middelburg gekommen, und habe ſich einige erhabne und hohle Glaͤſer ſchleifen laſſen. Als er dieſe in Empfang genommen, habe er ein erhabenes und ein hohles bald naͤher bald weiter von einander gehalten, den Lipperſein bezahlt, und ſich entfernet. Dieſes habe ſich Lipperſein gemerkt, aus einer ſolchen Verbindung zweyer Glaͤſer ein Fernrohr gemacht, und dem Prinzen Moritz von Naſſau gezeigt. Auch will dieſer Schriftſteller in Spanien einen Baumeiſter Rogetus angetroffen haben, der die ganze Kunſt ſchon lange getrieben und ein Buch davon geſchrieben haben ſoll. Dies iſt die aͤlteſte Erzaͤhlung von der Erfindung des Fernrohrs.

In Descartes 1637 herausgekommener Dioptrik findet man folgende Stelle: Dieſe bewundernswuͤrdige Er findung hat ihren erſten Urſprung der Erfahrung und dem gluͤcklichen Zufalle zu danken. Vor etwa dreyßig Jahren kam ein gewiſſer Jacob Metius, der nie ſtudiert hatte, obgleich ſein Vater und Bruder Mathematiker geweſen ſind, der aber Vergnuͤgen an der Verfertigung von Spie geln und Brennglaͤſern fand, und daher Glaͤſer von mancherley Geſtalten hatte, auf den Einfall, durch zwey dergleichen zu ſehen, von denen eins hohl, das andere erhaben war. Er brachte dieſelben an die Enden einer Roͤhre ſo gluͤcklich an, daß daraus das erſte Fernrohr ent ſtand. Dieſer Metius war von Alkmar gebuͤrtig, und ein Sohn des Geometers Adrian Metius, der das bekannte Verhaͤltniß des Durchmeſſers zum Umfange, 113: 355 angegeben hat.

Peter Borel, ein franzoͤſiſcher Arzt (De vero teleſcopii inventore. Hagae Com. 1655. 4. ), hat ſich alle nur moͤgliche Muͤhe gegeben, den wahren Urheber dieſer wichtigen Erfindung zu entdecken, und ſchreibt ſie mit vieler Wahrſcheinlichkeit dem Zacharias Janſen, gleichfalls einem Brillenmacher in Middelburg, zu. Er theilt einige gerichtliche Ausſage mit, worinn untern andern Janſens180 Sohn bezeuget, ſein Vater habe ſchon im Jahre 1590 Fernroͤhre verfertiget und eines davon dem Prinzen Moritz, das andere dem Erzherzog Albrecht uͤberreichet. Janſens Schweſter hingegen erinnert ſich nur bis 1610 zuruͤck. Drey andere Einwohner von Middelburg verſichern, daß daſelbſt ſchon vor 1600, oder 1605, oder 1610 Fernroͤhre von dem Brillenmacher Hans Laprey verfertiget worden, welcher wohl mit dem von Sirturus genannten Lipperſein einerley Perſon ſeyn mag.

Dieſe Zeugniſſe begleitet Borel mit einem Briefe eines hollaͤndiſchen Geſandten Wilhelm Boreel, welcher den erwaͤhnten Zacharias Janſen, und deſſen Vater, von Jugend auf ſehr genau gekannt haben will. Er erzaͤhlt, dieſe Kuͤnſtler haͤtten nicht allein dem Erzherzog Albrecht ein zuſammengeſetztes Mikroſkop uͤberreicht, ſ. Mikroſkop, ſondern auch gegen das Jahr 1610 die Teleſkope erfunden, und eines davon dem Prinzen Moritz uͤbergeben, der es aber als ein im Kriege brauchbares Werkzeug nicht habe wollen bekannt werden laſſen. Dennoch ſey das Geheimniß verrathen worden; ein Unbekannter habe den Erfinder in Middelburg aufgeſucht, ſey aber durch einen Irrthum an Johann Laprey gekommen, der aus den vorgelegten Fragen die Sache errathen, die Fernroͤhre nachgemacht und zuerſt oͤffentlich verkauft habe. Daher habe man ihn zwar fuͤr den Erfinder gehalten; allein es ſey dieſer Irrthum bald hernach entdeckt worden. Adrian Metius und Drebbel, welche nach Middelburg gekommen waͤren, haͤtten ſich gerade an die Janſens gewendet, um Fernroͤhre von ihnen zu kaufen rc. Man kan nicht laͤugnen, daß dieſe Erzaͤhlung viel wahrſcheinliches hat, und die angefuͤhrten Ausſagen unter ſich und mit der Nachricht des Sirturus ſehr wohl vereiniget.

Auch Huygens ſagt in ſeiner Dioptrik (in Opuſc. poſthumis Lugd. Bat. 1703. 4. p. 136.), er wiſſe gewiß, daß ſchon vor Metius um 1609 ein Kuͤnſtler in Middelburg, es moͤchte nun Lippersheim oder Janſen geweſen ſeyn, Teleſkope verfertiget habe. 181

Daß uͤbrigens ſchon im Jahre 1608 Fernroͤhre aus Holland gekommen ſind, beweiſet folgende von Weidler (Hiſt. aſtron. Cap. XV. §. 12.) angefuͤhrte Erzaͤhlung aus des Simon Marius Mundo Ioviali (Norib. 1614. 4.). Der marggraͤflich-brandenburg-anſpachiſche Geheimderath, Johann Philipp Fuchs von Bimbach, beſuchte in Frankfurt am Mayn die Herbſtmeſſe des Jahres 1608. Ein Kaufmann erzaͤhlte ihm von ungefaͤhr, es ſey ein Hollaͤnder mit einem Inſtrumente angekommen, wodurch man entfernte Dinge ſehr nahe und groß ſehe. Der Geheimderath ließ den Hollaͤnder zu ſich kommen, beſahe und probirte das Inſtrument, welches ſehr gute Wirkung that, obgleich das eine Glas einen Riß bekommen hatte. Er war Willens es zu kaufen; weil aber der Hollaͤnder einen ungeheuren Preis forderte, ſo zerſchlug ſich der Handel. Dies erzaͤhlte der Geheimderath dem Marius bey ſeiner Ruͤckkunft in Anſpach, gab ihm an, es muͤſſe nothwendig ein Hohlglas mit einem erhabenen verbunden ſeyn, und machte ihm eine Zeichnung davon mit Kreide. Marius probirte die Sache ſogleich mit zwey gemeinen Linſenglaͤſern, und fand ſie richtig. Da das Brillenglas allzu convex war, ſo beſtellte er ſich in Nuͤrnberg Convexglaͤſer von groͤßern Brennweiten, wozu er die Form in Gyps abgedruͤckt mitſchickte. Die Kuͤnſtler konnten ſie aber nicht zu Stande bringen. Endlich erhielt der Geheimderath im Sommer 1609 ein Fernrohr aus Holland, womit Marius im November d. I. die Jupiterstrabanten entdeckte.

Galilei, welcher damals Profeſſor der Mathematik zu Padua war, befand ſich im April oder May 1609 zu Venedig, wo es erzaͤhlt ward, daß ein Hollaͤnder dem Prinzen Moritz von Naſſau ein Werkzeug uͤberreicht haͤtte, welches entfernte Dinge ſo zeigte, als ob ſie nahe waͤren. Er ward davon auch aus Paris durch einen Brief des Jacob Badovere, eines franzoͤſiſchen Edelmanns, verſichert, kehrte ſogleich nach Padua zuruͤck, und dachte nach, was fuͤr ein Inſtrument dieſes ſeyn moͤchte. Die folgende Nacht errieth er die Zuſammenſetzung, machte den Tag darauf ſogleich das Werkzeug nach dem erſten Entwurfe mit einem182 Planconvex und Planconcavglaſe in einem bleyernen Rohre fertig, und fand ungeachtet der ſchlechten Glaͤſer ſeine Erwartung erfuͤllt. Sechs Tage nachher reiſete er wieder nach Venedig, und brachte ein anderes beſſeres Fernrohr mit, das er unterdeſſen gemacht hatte, und welches mehr als achtmal vergroͤßerte. Hier zeigte er von einigen erhabnen Orten den Senatoren der Republik zu ihrem groͤßten Erſtaunen eine Menge Gegenſtaͤnde, die dem bloßen Auge undeutlich waren, ſchenkte auch das Werkzeug dem Doge, Lionardo Donati, und zugleich dem ganzen Senate, nebſt einer geſchriebenen Nachricht, worinn der Bau deſſelben erklaͤrt, und der große Nutzen davon gezeigt war. Aus Dankbarkeit fuͤr das edle Vergnuͤgen, das er dem Senate dadurch gemacht hatte, erhoͤhete derſelbe am 25 Auguſt 1609 ſeinen Gehalt uͤber das dreyfache. Er bereitete ſich hierauf ein noch vollkommneres Fernrohr, richtete daſſelbe nach dem Himmel, und machte damit in kurzer Zeit die große Menge wichtiger Entdeckungen, die er im Nuncio ſidereo beſchreibt, und die ſo ungemein viel zur Verbeſſerung der Sternkunde beygetragen haben. So erzaͤhlt die Sache Galilei ſelbſt (Nunc. ſidereus. Florent. 1610. 8. p. 4 11.) und etwas umſtaͤndlicher der Verfaſſer ſeiner Lebensbeſchreibung in der Venetianiſchen Sammlung ſeiner Werke vom Jahre 1744. in 4.

So viel Ehre dieſe Zuſammenſetzung und Anwendung des Fernrohrs dem Galilei bringt, ſo kan man ihn doch keinesweges fuͤr den Erfinder dieſes Werkzeugs halten; ja es iſt nicht einmal glaublich, daß er die Einrichtung deſſelben durch bloße aus der Theorie der Brechung gezogne Schluͤſſe habe errathen koͤnnen. Dazu war wohl damals die Dioptrik noch zu unvollkommen; auch hat nicht Galilei, ſondern erſt Kepler, die Art der Wirkung des Fernrohres gehoͤrig und deutlich erklaͤrt. So viel muſte doch wohl bekannt geworden ſeyn, daß das neue Inſtrument aus einer Roͤhre mit Glaͤſern beſtehe; und in dieſem Falle waren nur zwo Arten von Glaͤſern, hohle und erhabne, vorhanden; mithin war die Anzahl der moͤglichen Combinationen nicht groß, und die Proben damit gaben unſtreitig183 den kuͤrzeſten Weg, die Zuſammenſetzung zu entdecken. Es bleibt immer Verdienſt genug, in ſo kurzer Zeit eine wichtige Erfindung errathen, ausgefuͤhrt und zu ſolchen Entdeckungen genuͤtzt zu haben, wobey wenig darauf ankoͤmmt, ob der Weg dazu durch die Theorie oder durch Verſuche gegangen iſt.

Auch hat noch ein Neapolitaner Franz Fontana (Novae terreſtrium et caeleſtium obſervationes. Neap. 1646. 4. ) auf die Erfindung des aſtronomiſchen Fernrohrs Anſpruch gemacht, in deſſen Beſitz er ſchon im Jahre 1608 geweſen ſeyn will. Man hat aber ſeine Anforderungen, mit denen er ſo ſpaͤt erſt hervortrat, in keine Betrachtung gezogen.

Dies iſt das vornehmſte, was von der Geſchichte der Erfindung des Fernrohrs angefuͤhrt zu werden verdiente. Das Reſultat davon iſt, daß wir dieſes Werkzeug den middelburgiſchen Brillenmachern, ſeit dem Anfange des ſiebzehnten Jahrhunderts, zu verdanken haben. Die Erzaͤhlung, daß die Kinder des Lippersheim mit Glaͤſern geſpielt, die Wetterfahne des Kirchthurms zufaͤlliger Weiſe ſehr groß geſehen, und ihren Vater dadurch veranlaſſet haben ſollen, die Glaͤſer in ein Rohr zu faſſen, findet ſich zwar beym Montucla und Prieſtley; ich habe aber die eigentliche Quelle derſelben nicht auffinden koͤnnen.

Dieſes erſte Fernrohr hat den Namen des hollaͤndiſchen oder galileiſchen behalten. In der Folge ſind noch mehrere Einrichtungen hinzugekommen, wovon ich das aſtronomiſche Fernrohr, das Erdrohr, und Huygens Methode, die Glaͤſer ohne Roͤhren zu gebrauchen, hier unter eignen Abſchnitten erklaͤren will. Von den Spiegelteleſkopen und achromatiſchen Fernroͤhren handeln beſondere Artikel dieſes Woͤrterbuchs.

Hollaͤndiſches oder Galileiſches Fernrohr, Tubus Batavus, Hollandicus, Galilaeanus, Teleſcopium Batavum, etc Teleſcope Hollandois ou de Galilée, Lunette Batavique. Das Fernrohr nach ſeiner erſten urſpruͤnglichen Einrichtung, nach welcher es aus einem erhabnen Vorderglaſe (Objectivglaſe), und einem hohlen Augenglaſe (Oculare) beſteht, welche in die Enden184 eines Rohres eingeſetzt, und ſo weit von einander entfernt werden, daß der Brennpunkt des Vorderglaſes ohngefaͤhr mit dem jenſeitigen Zerſtreuungspunkte des Augenglaſes zuſammenfaͤllt. Weil die Umſtaͤnde oft eine andere Entfernung beyder Glaͤſer erfordern, ſo macht man die Roͤhren faſt allezeit aus mehreren Stuͤcken, die ſich in einander verſchieben laſſen.

Zur Theorie der Fernroͤhre uͤberhaupt muß ich folgende bey dem Worte: Linſenglaͤſer zu erklaͤrende Saͤtze vorausfchicken.

I. Jedes erhabne Glas vereiniget Stralen, welche aus einem Punkte des Gegenſtandes kommen, hinter ſich wieder in einen Punkt, den Vereinigungspunkt; iſt der Gegenſtand ſehr entfernt, daß alſo die Stralen aus einerley Punkte deſſelben parallel auffallen, ſo heißt der Punkt, wo ſie ſich vereinigen, der Brennpunkt, und ſein Abſtand vom Glaſe die Brennweite. Werden die Stralen in den Vereinigungspunkten aufgefangen, ſo zeigen ſie ein umgekehrtes Bild des Gegenſtandes.

II. Jedes Hohlglas zerſtreut die Stralen, die aus einem Punkte des Gegenſtandes kommen, ſo, als ob ſie aus einem in der Axe des Glaſes liegenden naͤhern Punkte, ausgegangen waͤren. Fuͤr parallel auffallende Stralen heißt dieſer Punkt oft auch der Brennpunkt, und ſein Abſtand Brennweite des Glaſes, eigentlicher Zerſtreuungspunkt und Zerſtreuungsweite.

III. Stralen, welche auf ein erhabnes Glas aus ſeinem Brennpunkte oder Brennraume kommen, oder auf ein Hohlglas ſo fallen, als ob ſie ſich in ſeinem Brennpunkte vereinigen wollten, werden von beyden ſo gebrochen, daß ſie nachher mit einander parallel laufen.

IV. Wenn die Glaͤſer nicht allzudick ſind, ſo laͤßt ſich ohne Fehler annehmen, daß jeder Stral, der auf ihre Mitte faͤllt, ungebrochen durchgehe.

Um nun hieraus die Wirkung des galileiſchen Fernrohrs zu erklaͤren, ſey Taf. IX. Fig. 24. AB ein ſehr entlegner Gegenſtand, der von C aus unter dem Winkel pCA oder C geſehen wird. DE ſey ein Convexglas, deſſen Mittelpunkt C, und deſſen Brennweite Ca iſt. Hinter185 demſelben ſey das Hohlglas GH, deſſen Brennweite Va iſt, ſo geſtellt, daß die Axen beyder Glaͤſer Ca und Va, ingleichen die Brennpunkte beyder bey a zuſammenfallen.

Von dem Punkte A des entlegnen Gegenſtandes fallen unzaͤhlbare Stralen auf das Vorderglas DE, welche alle mit AC parallel ſind. In der Figur ſind deren außer AC noch zween mit ſchwarzen Linien angegeben. Von dem Punkte B fallen eben ſo viel auf, die alle mit pC parallel ſind. Die Figur giebt deren außer pC auch noch zween, alle mit punktirten Linien an. Es iſt nun zu unterſuchen, wie die Wege dieſer Stralen beym Durchgange durch beyde Glaͤſer veraͤndert werden.

Das erhabne Vorderglas vereinigt nach I. parallel auffallende Stralen in ſeinem Brennraume bey a. Mithin werden die drey mit ſchwarzen Linien angedeuteten Stralen, von denen AC ungebrochen hindurch geht, und alſo wirklich nach a koͤmmt, hinter DE ſo fortgehen, als ob ſie ſich alle in a vereinigen wollten. Die drey punktirten Stralen aber, welche aus B kommen, unter welchen pC nach IV. ebenfalls ungebrochen durchgeht, und den Brennraum in b treffen wuͤrde, muͤſſen ſich nach I. in b wieder vereinigen. So wuͤrde, wenn das Hohlglas nicht da waͤre, in ab ein deutliches, aber umgekehrtes Bild des Gegenſtands AB entſtehen. Die Figur giebt alſo die richtigen Wege der Stralen von einem Glaſe zum andern an, indem die drey ſchwarzen Linien nach a zu, die drey punktirten nach b zu convergiren. Der Punkt b beſtimmt ſich dadurch, daß der Stral pC, der auf die Mitte C faͤllt, ungebrochen bis unter a fortgezogen wird.

Ehe aber noch dieſe Stralen ſich wirklich in a und b vereinigen, und das Bild ab entwerfen koͤnnen, werden ſie von dem hohlen Augenglaſe aufgefangen, und aufs neue gebrochen. Der Stral CV geht wiederum ungebrochen hindurch, und koͤmmt wirklich nach a. Alle drey mit ſchwarzen Linien angedeutete aber fallen ſo auf, als ob ſie ſich in a, dem Brennpunkte des Hohlglaſes, vereinigen wollten. Daher muͤſſen ſie nach III. hinter dem Hohlglaſe mit einander parallel werden, und man hat ihre richtigen Wege, wenn186 man die ſchwarzen Linien vom Hohlglaſe aus mit Va parallel fortfuͤhrt. Die drey punktirten fallen gleichfalls ſo auf daß ſie nach dem Brennraume des Hohlglaſes in b convergiren; auch dieſe muͤſſen alſo nach der Brechung unter einander gleichlaufend werden.

Unter denen von B herkommenden Stralen iſt nun allemal einer, der die Mitte des Hohlglaſes bey V trift, alſo nach IV. ungebrochen fortgeht, und wirklich nach b koͤmmt. Ich habe die Figur ſo eingerichtet, daß ſich dieſer Stral Vb mit unter den drey punktirten befindet, und der mittelſte davon iſt. Waͤre aber auch die Figur zufaͤlliger Weiſe anders ausgefallen, ſo zeigt doch das Nachdenken, daß ein ſolcher Stral da ſeyn muß, deſſen Weg nach der Brechung die Linie Vb iſt. Weil nun alle punktirte Stralen parallel aus dem Hohlglaſe ausgehen muͤſſen, ſo findet man ihre Wege, wenn man ſie vom Hohlglaſe an parallel mit der Linie Vb fortzieht.

Dies ſind alſo die Wege der von A und B kommenden Lichtſtralen durch das galileiſche Fernrohr. Die von A und B herkommenden Stralencylinder werden durch das Vorderglas in Kegel verwandelt, ihre Stralen naͤher zuſammengebracht, und vom Augenglaſe als ſchmaͤlere concentrirtere Cylinder unter andern Winkeln wieder ausgeſendet. Ganz nahe am Augenglaſe bey O greifen dieſe ausgehenden Cylinder zum Theil in einander. Es iſt noch zu unterſuchen, was ein Auge an dieſen Ort gehalten, durch die Stralen, die es empfaͤngt, ſehen muͤſſe.

Vorausgeſetzt, daß das Auge bey O weitſichtig iſt, und jeden Punkt, von welchem parallele Stralen auf den Augenſtern fallen, deutlich ſieht, wird es in O lauter gleichlaufende Stralen vom Punkte A, lauter gleichlaufende vom Punkte B, und ſo auch von allen zwiſchenliegenden Punkten F (weil man ſich auch eine Figur entwerfen kan, in welcher der Gegenſtand nur bis F reicht) erhalten, und alſo wird es alle Punkte zwiſchen A und B, d. i. den Gegenſtand ſelbſt, deutlich ſehen.

Es wird ferner den Punkt A durch den Stral VO nach der Richtung OA, den Punkt B aber durch den Stral βO187 nach der Richtung Oβ, nach eben der Seite hin, nach der er wirklich liegt, d. i. den Gegenſtand in ſeiner wirklichen Lage oder aufgerichtet erblicken.

Es wird ihn endlich unter dem Winkel O, welcher als Wechſelswinkel dem Winkel aVb gleich iſt, empfinden. Haͤtte es ihn ohne Huͤlfe des Fernrohrs von der Stelle des Vorderglaſes oder von C aus betrachtet, ſo wuͤrde es ihn unter dem Winkel pCA, der als Scheitelwinkel dem aCb gleich iſt, geſehen haben. Da nun aVb, der aͤußere Winkel am Dreyeck bVC groͤßer iſt, als aCb, ſo ſieht man durch das Fernrohr den Gegenſtand unter einem groͤſſern Winkel, als mit dem bloßen Auge, oder man ſieht ihn vergroͤßert.

So uͤberſieht man, daß das galileiſche Fernrohr, wenn die Brennpunkte beyder Glaͤſer zuſammenfallen, einem weitſichtigen Auge entlegne Gegenſtaͤnde deutlich, aufgerichtet und vergroͤßert darſtelle. Es wird aber der Gegenſtand ſo vielmal vergroͤßert, ſo vielmal aVb groͤßer, als aCb iſt. Weil nun beyde Winkel allemal klein ſind, und ſich alſo faſt, wie ihre Tangenten (ab / Va): (ab / Ca), oder wie Ca zu Va, verhalten, ſo ſieht man den Gegenſtand ſo vielmal groͤßer, ſo vielmal Ca, die Brennweite des Vorderglaſes, groͤßer als Va, die Zerſtreuungsweite des Augenglaſes, iſt. Der Exponent dieſes Verhaͤltniſſes, die Vergroͤßerung, iſt = (Ca / Va), oder der Quotient beyder Brennweiten. Iſt des Vorderglaſes Brennweite 2 Schuh, die des Augenglaſes 3 Zoll, ſo wird die Vergroͤßrung (2. 12 / 3) = 8 fach ſeyn.

Die Laͤnge des Fernrohrs CV iſt = Ca - Va, d. i. dem Unterſchiede beyder Brennweiten gleich.

Es hat aber dieſes von den Naturforſchern zuerſt gebrauchte Teleſkop die Unbequemlichkeit, daß das Geſichtsfeld daran ſehr klein iſt, oder daß man dadurch nicht viel auf einmal uͤberſehen kan. Schon die Figur zeigt, daß man das Auge ſehr nahe an das Glas bringen muß, um188 Stralen von B (punktirte Stralen der Figur) zu erhalten. Zieht man das Auge von O um das mindeſte gegen a zuruͤck, ſo verfehlen es die punktirten Linien gaͤnzlich, und man ſieht B nicht mehr, ſondern nur noch Punkte, die naͤher an A liegen wie F. Will man alſo, ſo viel moͤglich, uͤberſehen, ſo muß das Auge ganz an das Hohlglas an gehalten werden, und noch in dieſer Lage uͤberſieht man nur ein gewiſſes beſtimmtes Feld, deſſen Groͤße deſto geringer iſt, je betraͤchtlicher die Vergroͤßerung wird. Da wir jetzt weit bequemere Einrichtungen der Fernroͤhre kennen, ſo begreifen wir kaum, wie Galilei und andere mit dieſem ſo viel haben entdecken koͤnnen; ihre Gedult und Geſchicklichkeit muß ſehr groß geweſen ſeyn.

Inzwiſchen hat man dieſe Gattung der Fernroͤhre lange Zeit beybehalten. Descartes, der ſeine Dioptrik im Jahre 1637 ſchrieb, gedenkt noch keiner andern Art derſelben. Heut zu Tage bedient man ſich ihrer nur noch zu den gemeinen Taſchenperſpectiven (Lorgnettes), wobey keine betraͤchtliche Vergroͤßerung verlangt wird, und denen man ſelten uͤber 15 18 Zoll, und meiſtentheils nur 5 6 Zoll Laͤnge giebt. Hevel gedenkt eines Fernrohrs mit zween erhabnen Vorderglaͤſern und einem hohlen Augenglaſe, das auch ſchon Sirturus (Teleſcopium. Frf. 1618. 4. ) beſchrieben hat. Die beyden Vorderglaͤſer wirken wie eines von einer kuͤrzern Brennweite; alſo iſt es ein galileiſches Fernrohr, das aber bey dieſer Einrichtung ein groͤßeres Geſichtsfeld bekoͤmmt.

Aſtronomiſches Fernrohr, Sternrohr, Tubus aſtronomicus ſ. coeleſtis, Teleſcopium aſtronomicum, Teleſcope aſtronomique. Ein Fernrohr aus einem erhabnen Vorderglaſe und einem erhabnen Augenglaſe, welche in die Enden einer oder mehrerer Roͤhren ſo eingeſetzt werden, daß der Brennpunkt des Vorderglaſes mit dem dieſſeitigen Brennpunkte des Augenglaſes zuſammenfaͤllt.

Kepler iſt ganz unſtreitig der erſte, der in ſeiner Dioptrik (Dioptrice ſ. Demonſtratio eorum, quae viſui et viſibilibus propter conſpicilla non ita pridem inventa ac -189 cidunt. Aug. Vindel. 1611. 4. prop. 86.) die Theorie der Fernroͤhre richtig erklaͤrt, und dabey dieſe Art des Teleſkops angegeben hat. Duobus convexis, ſagt er, maiora et diſtincta praeſtantur viſibilia, ſed inverſo ſitu. Da er aber ſelbſt kein Kuͤnſtler war, ſo blieb ſeine Angabe ein blos theoretiſcher Gedanke, bis ſie der P. Scheiner bey ſeinen Beobachtungen der Sonne benuͤtzte (Roſa Urſina. Bracciani 1630. fol. maj. p. 130.), und dadurch unter den Aſtronomen bekannter machte. Wenn man, ſagt er, zwey aͤhnliche, d. i. zwey erhabne Linſenglaͤſer in das Rohr ſetzt, und das Auge gehoͤrig ſtellet, ſo wird man alle Gegen ſtaͤnde auf der Erde zwar umgekehrt, aber vergroͤßert, und mit vieler Deutlichkeit, auch dabey viel auf einmal erblicken. Eben ſo ſieht man die Geſtirne, und da dieſe rund ſind, ſo kan die umgekehrte Stellung dabey nichts ſchaden. Er fuͤhrt auch noch an, daß er bereits vor dreyzehn Jahren, alſo um 1617, durch ein ſolches Fernrohr in Gegenwart des Erzherzogs Maximilians beobachtet habe.

Es ſey wiederum Taf. IX. Fig. 25. AB ein ſehr entlegner Gegenſtand, den man von C aus unter dem Winkel pCA ſieht. DE ſey das erhabne Vorderglas von der Brennweite Ca. In GH ſey das gleichfalls erhabne Augenglas, deſſen Brennweite Va iſt, ſo geſtellt, daß die Axen beyder Glaͤſer Ca und Va in einer geraden Linie liegen, und die Brennpunkte beyder bey a zuſammenfallen. Von dem Punkte A fallen unzaͤhlbare parallele Stralen auf DE, von denen die Figur drey mit ſchwarzen Linien angiebt: vom Punkte B kommen ebenfalls unzaͤhlbare auf DE, alle mit pC parallel; drey davon giebt die Figur mit punktirten Linien an.

Das Vorderglas ſammlet die zuſammengehoͤrigen Stralen in ſeinem Brennraume, die von A bey a, die von B bey b, welcher Punkt b ſich dadurch beſtimmt, daß man den Stral pC, der auf die Mitte des Glaſes faͤllt, nach dem Satze IV. ungebrochen bis unter a fortzieht. So entwirft ſich in ab ein umgekehrtes Bild des Gegenſtandes AB. In den Punkten dieſes Bildes kreuzen ſich die zuſammengehoͤrigen190 Stralen, und gehen immer noch in geraden Linien bis zum Augenglaſe fort.

Auf dieſes fallen ſie als Stralen, die aus Punkten ſeines Brennraums ab kommen, muͤſſen alſo nach III. hinter dem Augenglaſe wieder parallel werden. Der Stral aV geht ungebrochen hindurch nach O; man hat alſo die Wege der mit ſchwarzen Linien angedeuteten Stralen, wenn man ſie vom Augenglaſe an parallel mit VO fortziehet. Was die punktirten Stralen betrift, die alle aus b kommen, ſchließe man ſo. Waͤre unter ihnen einer, der auf die Mitte des Glaſes fiele, wie bV, ſo wuͤrde dieſer nach IV. ungebrochen in eben der Richtung fortgehen, und alle uͤbrigen wuͤrden mit ihm parallel laufen. Nun kan doch der Umſtand, daß der Stral bV hier nicht wirklich vorhanden iſt, in der Richtung der uͤbrigen nichts aͤndern. Sie laufen alſo nach der Brechung mit der Linie bV parallel.

Beſindet ſich nun in O ein Auge, das einen Punkt deutlich ſieht, wenn von ihm parallele Stralen auf den Augenſtern fallen, ſo wird daſſelbe von A ſowohl als von B und den zwiſchenliegenden Punkten Stralencylinder auffaſſen, die aus gleichlaufenden Stralen beſtehen; es wird alſo den Gegenſtand deutlich ſehen.

Weil es den Stral von A nach der Richtung VO, den von B nach der Richtung βO erhaͤlt, ſo wird es die Seite B des Gegenſtandes nach β zu, d. h. den Gegenſtand ſelbſt umgekehrt erblicken.

Weil es endlich den Gegenſtand unter dem Winkel βOA ſieht, welcher (wegen der Parallellinien βO und bV) dem Winkel bVa gleich iſt, da es ihn ohne Fernrohr und von C aus unter dem Winkel pCA, welcher ſeinem Scheitelwinkel bCa gleich iſt, wuͤrde geſehen haben; ſo muß ihm der Gegenſtand ſo vielmal vergroͤßert erſcheinen, ſo vielmal der Winkel bVa groͤßer, als bCa iſt; oder weil ſich dieſe kleinen Winkel, wie ihre Tangenten (ab / Va) und (ab / Ca), d. i. wie Ca zu Va verhalten, ſo vielmal Ca, die Brennweite des Vorderglaſes, groͤßer, als Va, die Brennweite191 des Augenglaſes, iſt. Der Exponent dieſes Verhaͤltniſſes, der die Vergroͤßerung ausdruͤckt, iſt alſo auch bey dieſem Fernrohre dem Quotienten der Brennweiten gleich, oder F / f, wenn man des Vorderglaſes Brennweite F, die des Augenglaſes f nennt.

Die Laͤnge des Fernrohrs CV iſt = Ca + Va = F + f, oder die Summe beyder Brennweiten. Wenn alſo dieſes und ein galileiſches Fernrohr einerley Brennweiten der Glaͤſer haben, ſo vergroͤßern beyde gleich ſtark, und das galileiſche iſt um die doppelte Brennweite des Augenglaſes kuͤrzer.

Dagegen aber hat das Sternrohr ein weit groͤßeres Geſichtsfeld, und erfordert kein genaues Anruͤcken des Auges. Denn ſteht das Auge in O, vom Augenglaſe etwa um ſeine Brennweite entfernt, ſo faßt es von allen Stralencylindern, die durch das Fernrohr durchgehen, und ſaͤmtlich nach dieſem Punkte zu gelenkt werden, einen Theil auf, und es kan keiner davon den Augenſtern ganz verfehlen.

Der vortheilhafteſte Ort fuͤr das Auge O iſt derjenige, wo OV = f+ (f / F). Denn, weil von jedem Punkte der Sache unzaͤhlich viel Stralen ausgehen, ſo kan man annehmen, daß von jedem einer durch den Mittelpunkt des Vorderglaſes C, und alſo ungebrochen, durchgehet. Wo dieſe Stralen, dergleichen hier pCb iſt, durch das Augenglas mit der Axe vereiniget werden, da iſt der vortheilhafteſte Ort das Auge zu ſtellen. Hier nemlich kaͤme von jedem Punkte des Gegenſtandes ein Stral hin, wenn auch die Oefnung des Vorderglaſes nur ein Punkt waͤre. Es iſt aber bey einem Glaſe GH, deſſen Brennweite f iſt, die Vereinigungsweite fuͤr Stralen, die aus C oder aus der Entfernung CV herkommen = (CV. f / CV-f), ſ. Linſenglaͤſer. Alſo, weil CV = F+f iſt, wird OV = ((F+f). f / F+f-f)192 = (Ff+f / F) = f+ (f / F). Iſt F = 2 Schuh, f = 3 Zoll, ſo wird OV = 3 + (9 / 24) oder 3 3 / 8 Zoll. Man ſetzt daher das Augenglas 3 3 / 8 Zoll tief in die vorderſte Roͤhre hinein, damit das Auge, an die Oefnung der Roͤhre gehalten, gleich in die vortheilhafteſte Stelle komme.

Die Groͤße des Geſichtsfeldes laͤßt ſich hier ſo beſtimmen. Wenn HO der aͤußerſte Stral iſt, der vom Augenglaſe nach O kommen kan, ſo uͤberſieht man rings um das Mittel einen Winkel = VOH, deſſen natuͤrliche Groͤße ohne Fernrohr = pCA = VCH iſt. Das iſt eben der Winkel, unter welchem der Halbmeſſer des Augenglaſes VH in die Augen fallen wuͤrde, wenn man ihn vom Vorderglaſe C aus betrachtete. Man nenne dieſen Halbmeſſer VH = r, ſo iſt des Winkels VCH Tangente = (r / CV) = (r / F+f), woraus ſich der Winkel ſelbſt, oder der Halbmeſſer des Geſichtsfeldes, mit Huͤlfe der trigonometriſchen Tafeln findet. Iſt das Augenglas zum Theil bedeckt, ſo iſt fuͤr r der Halbmeſſer der Oefnung anzunehmen. Waͤre r = 1 / 4 Zoll, F und f wie vorher, 2 Schuh und 3 Zoll, ſo wuͤrde tang. VCH = 1 / 4: 27 = (1 / 108) = 0,0092592, alſo der Halbmeſſer des Geſichtsfelds 31 1 / 2 Min. ſeyn.

Die Helligkeit oder Staͤrke des Lichts, womit ein Fernrohr die Gegenſtaͤnde darſtellet, verhaͤlt ſich, wie die Menge von Stralen, die von jedem Theile der Sache ins Auge kommen, dividirt durch den Raum, durch den ſie ſich verbreiten. Die Menge der Stralen verhaͤlt ſich, wie die Oefnung des Vorderglaſes, oder wenn b den Durchmeſſer dieſer Oefnung bedeutet, wie b; der Raum, durch den ſie ſich verbreiten, wie das Quadrat der Vergroͤßerung, oder wie (F / f); mithin die Helligkeit ſelbſt, wie (bf / F).

Die Deutlichkeit, oder vielmehr der Grad der Undeutlichkeit, mit der die Punkte wegen der Farbenverbreitung dargeſtellt werden, verhaͤlt ſich wie die Flaͤche des kleinen193 Kreiſes, durch welchen ſich das Bild eines Punktes, das eigentlich wieder ein Punkt ſeyn ſollte, im Auge ausbreitet, oder wie das Quadrat des Durchmeſſers von dieſem Kreiſe. Nun verhaͤlt ſich im Bilde ab der Durchmeſſer des Kreiſes, durch welchen ſich z. B. das Bild des Punkts a verbreitet, wie der Durchmeſſer der Oefnung des Vorderglaſes, oder wie b, und erſcheint dem Auge, das ihn durchs Augenglas betrachtet, in dem Verhaͤltniſſe groͤßer, in welchem die Brennweite f kleiner iſt. Das heißt, der Durchmeſſer des kleinen Kreiſes im Auge verhaͤlt ſich, wie b / f; mithin iſt die Undeutlichkeit, oder das Quadrat dieſes Durchmeſſers, wie (b / f).

Wie man hieraus die Oefnung des Vorderglaſes beſtimmen, und die Laͤnge des Fernrohrs finden koͤnne, das bey einer gegebenen Vergroͤßerung hell und deutlich ſeyn ſoll, ſ. bey dem Worte: Apertur. Die dort mitgetheilte Tabelle zeigt z. B., daß ein aſtronomiſches Fernrohr, wenn es bey gehoͤriger Helligkeit und Deutlichkeit 60 mal vergroͤſſern ſoll, wenigſtens 9 rheinlaͤndiſche Schuhe lang ſeyn muͤſſe.

Dieſe Theorie des Fernrohrs ſetzt ſehr entfernte Gegenſtaͤnde, und weitſichtige Augen voraus. Fuͤr nahe Gegenſtaͤnde, von deren Punkten die Stralen nicht mehr parallel aufs Vorderglas fallen, entwirft ſich das Bild erſt hinter ab; man muß alſo das Augenglas GH mehr als vorher von ab entfernen, damit das Bild in den Brennpunkt deſſelben komme, oder: Fuͤr nahe Gegenſtaͤnde muß man das Fernrohr weiter aus einander ziehen.

Kurzſichtige Augen ſehen nicht deutlich durch parallele, ſondern durch divergirende Stralen. Sollen aber die aus ab kommenden Stralen hinter GH noch etwas divergent bleiben, ſo darf man nur das Glas GH naͤher an ab ruͤcken. Daher muͤſſen Kurzſichtige das Fernrohr mehr in einander ſchieben, oder verkuͤrzen, um deutlich dadurch zu ſehen. Eben dies gilt auch fuͤr das galileiſche Fernrohr. 194

Das Sternrohr iſt ein ſo einfaches und ſchoͤnes Werkzeug, daß ich mich nicht habe enthalten koͤnnen, von der Theorie deſſelben die vornehmſten Saͤtze beyzubringen. Dieſe Theorie iſt zuerſt von Keplern entwickelt, dann aber nach Erfindung der wahren Geſetze der Brechung erſt von Huygens in ſeiner Dioptrik umſtaͤndlicher ausgefuͤhrt worden. Descartes, ob er gleich das Geſetz der Brechung kannte, und einer der groͤßten Geometern war, giebt doch von den Wirkungen des Fernrohrs eine Erklaͤrung, die man nach Huygens Warnung ja nicht ſuchen darf, zu verſtehen, weil die Muͤhe vergeblich ſeyn wuͤrde. Analytiſch haben die Theorie der Fernroͤhre uͤberhaupt Herr Kaͤſtner in ſeiner Ausgabe von Smith's vollſtaͤndigem Lehrbegrif der Optik, und Herr Kluͤgel in ſeiner analytiſchen Dioptrik vorgetragen.

Daß das Sternrohr die Gegenſtaͤnde umkehrt, iſt fuͤr den Aſtronomen, der einmal damit bekannt iſt, ein ſehr gleichguͤltiger Umſtand. Inzwiſchen haben ſchon Kepler und Scheiner einen Vorſchlag gethan, dieſer vermeynten Unbequemlichkeit abzuhelfen. Bey dem Worte: Linſenglaͤſer wird gezeigt, daß ein Convexglas von der Brennweite f, Stralen aus einem Punkte, der um 2 f von ihm entfernt iſt, wieder in einen Punkt vereiniget, der um 2 f hinter ihm liegt. Man ruͤcke alſo Taf. IX. Fig. 25 das Augenglas GH von a, dem Brennpunkte des Vorderglaſes, um 2 f oder um ſeine doppelte Brennweite ab, ſo werden ſich die Stralen, die in a und b vereiniget waren, hinter dem Augenglaſe in der Entfernung der doppelten Brennweite zum zweytenmale vereinigen und ein umgekehrtes Bild von ab, d. i. ein aufgerichtetes Bild vom Gegenſtande AB machen. Stellt man gegen dieſes Bild ein zweytes Augenglas ſo, wie GH gegen ab ſteht, daß nemlich das Bild im Brennraume des zweyten Augenglaſes liegt, ſo erfolgt alles, wie beym Sternrohre, nur daß das Bild nunmehr aufgerichtet erſcheint. Dieſe Art von Fernrohr mit drey Glaͤſern iſt aber nicht in Gebrauch gekommen, weil die Abweichungen dabey allzugroß werden. 195

Von andern aſtronomiſchen Fernroͤhren mit drey Glaͤſern, welche zwar den Gegenſtand umgekehrt zeigen, aber das Geſichtsfeld und die Deutlichkeit vergroͤßern, hat Huygens in ſeiner Dioptrik (prop. 51.) und ausfuͤhrlicher Euler (Recherches ſur les lunettes à trois verres, qui renverſent les objets in Mém. de l'Ac. roy. de Pruſſe. 1757. p. 323.) gehandelt. Wenn man z. B. zwey nahe bey einander ſtehende Augenglaͤſer ſtatt eines einzigen nimmt, ſo wird der Durchmeſſer des Geſichtsfeldes verdoppelt. Nimmt man zwey Vorderglaͤſer ſtatt eines einzigen, ſo wird das Fernrohr kuͤrzer, aber das Geſichtsfeld bleibt das vorige.

Bisweilen wuͤnſcht man eben keine ſtarke Vergroͤßerung, aber ein deſto groͤßeres Geſichtsfeld und viel Helligkeit zu haben, wenn man z. B. einen großen Theil eines Sternbilds auf einmal uͤberſehen will, um Kometen oder kleine Sterne aufzuſuchen. Dieſe Abſicht erreicht man, wenn man dem Vorderglaſe mehr Oefnung als gewoͤhnlich, und dem Augenglaſe eine große Brennweite giebt. Sternroͤhre dieſer Art heißen Nachtfernroͤhre, Sternſucher, Kometenſucher, Teleſcopia nocturna, Lunettes de nuit. Lambert (Beytraͤge zum Gebrauch der angew. Mathem. Th. III. S. 204.) beſchreibt ein ſolches, wobey das Objectiv 7 Zoll, das Augenglas 1 Zoll Brennweite hat; die Oefnung des Augenglaſes iſt 1 Zoll, die des Objectivs am Tage 8, bey der Nacht 12 Lin. im Durchmeſſer. Es faſſet 6 bis 7 Grad am Himmel, und laͤßt bey hellen Naͤchten die Jupiterstrabanten ſehen, ob es gleich nur 8 Zoll Laͤnge hat. Mehr von dieſen Inſtrumenten findet man in Herrn Kaͤſtners aſtronomiſchen Abhandlungen (B. II. S. 252. u. f.). Durch zwey Oculare erhalten ſie noch etwas mehr Vergroͤßerung.

Erdrohr, Erdfernrohr, Tubus terreſtris, Teleſcopium terreſtre, Teleſcope terreſtre. Ein Fernrohr aus vier erhabnen Glaͤſern, deren eins als Vorderglas, die uͤbrigen drey als Augenglaͤſer dienen. Es laͤßt ſich als ein aſtronomiſches Fernrohr betrachten, welchem man, um196 das Bild wieder umzukehren, noch zwey Augenglaͤſer zugeſetzt hat.

Der P. Anton Maria de Rheita (Oculus Enochi atque Eliae. Antverp. 1665. fol.) giebt es zuerſt als ein ſolches an, das die gewuͤnſchte Umkehrung des Bildes im Sternrohre beſſer, als das kepleriſche mit drey Glaͤſern, bewerkſtellige. Er beſchreibt es mit verſetzten Buchſtaben nach einem Chiffre, wozu er aber hernach ſelbſt den Schluͤſſel gegeben hat.

Zur Erklaͤrung deſſelben ſey Taf. IX. Fig. 26. AB der entlegene Gegenſtand, aus C unter dem Winkel pCA geſehen, DE das Vorderglas von der Brennweite Ca, GH das erſte Augenglas von der Brennweite Va. So gehen die Stralen bis P, wie beym aſtronomiſchen Fernrohre fort, und fallen ſo, daß die zuſammengehoͤrigen parallel ſind, auf das zweyte Augenglas IK, in deſſen Brennraume ſie ſich zum zweytenmale ſammlen, und in〈…〉〈…〉5 ein umgekehrtes Bild von ab, das iſt, ein aufgerichtetes von AB machen. Nachdem ſie ſich hier in den Punkten α und β durchkreuzt haben, fallen ſie auf das dritte Augenglas LM, deſſen Brennpunkt auch in α faͤllt, gehen alſo hinter demſelben wiederum parallel, und kommen ſo ins Auge O, welches daher aus gleichen Urſachen, wie beym Sternrohre, den Gegenſtand deutlich und vergroͤßert, aber jetzt aufgerichtet ſieht, weil die punktirten Stralen von der Seite herkommen, auf welcher B wirklich liegt.

Man uͤberſieht leicht, daß hier gleichſam zwey aſtronomiſche Fernroͤhre vorkommen, das erſte aus den Glaͤſern DE und GH, das zweyte aus IK und LM. Das erſte Fernrohr macht die Vergroͤßerung, das zweyte kehrt blos das Bild um, wenn die Brennweiten beyder Glaͤſer IK und LM einerley ſind. Man kann aber auch die Glaͤſer von ungleichen Brennweiten nehmen, und alſo noch einige Vergroͤßerung auch durch IK und LM erhalten. Allemal aber muͤſſen die Brennpunkte der beyden erſten, ſo wie die der beyden letzten Glaͤſer zuſammentreffen. Haben alle drey Augenglaͤſer einerley Brennweite = f, und das Vorderglas die Brennweite F, ſo iſt auch hier die Vergroͤßerung197 = F / f, die Laͤnge des Fernrohrs aber F + 5f, der Ort des Auges und das Geſichtsfeld, wie beym Sternrohre.

Gemeiniglich werden die drey Augenglaͤſer in die letzte Roͤhre, die daher die Ocularroͤhre heißt, ſo gefaſſet, daß man nach Willkuͤhr die beyden erſten GH und IK herausnehmen, und das Fernrohr mit DE und LM allein, als ein aſtronomiſches, gebrauchen kan. Man muß aber alsdann die Roͤhren mehr in einander ſchieben; denn die Laͤnge, die nunmehr F + f wird, verkuͤrzt ſich um 4f, oder um die vierfache Brennweite des Augenglaſes.

Da das Licht beym Durchgange durch vier Glaͤſer viel von ſeiner Staͤrke verliert, ſo giebt das Erdrohr weniger Helligkeit, als das aſtronomiſche Fernrohr, daher man zu Beobachtungen am Himmel, der umgekehrten Stellung ungeachtet, immer das letztere vorzieht. Zur Betrachtung der Gegenſtaͤnde auf der Erde aber iſt das hier beſchriebene ein ſehr nuͤtzliches Werkzeug.

Man hat Erdfernroͤhre mit vier, fuͤnf bis ſechs Augenglaͤſern, wobey die Abſicht iſt, die Abweichung wegen der Farbenzerſtreuung zu vermindern, und zugleich das Geſichtsfeld zu vergroͤßern. Ueberhaupt laſſen ſich die Zuſammenſetzungen von Convexglaͤſern, zwiſchen welchen Bilder entſtehen, und wo das letzte Bild im Brennpunkte des letzten Glaſes liegt, auf mannichfaltige Art combiniren. Jede ſolche Combination giebt eine andere Art des Fernrohrs, und jede hat ihre eignen Vorzuͤge und Nachtheile. Euler hat davon ſehr allgemein gehandelt (Regle generale pour la conſtruction des teleſcopes et des microſcopes de quelque nombre des verres qu'ils ſoient compoſés in Mém. de l'Ac. roy. de Pruſſe. 1757. p. 283., auch in ſ. Dioptrica, To. II. Sect. 2.). Dollond's Fernroͤhre mit ſechs Glaͤſern, die er vor der Erfindung der achromatiſchen verfertigte, hatten damals großen Beyfall (ſ. Phil. Trans. Vol. XLVIII. p. 103.).

Alle bisher betrachtete Fernroͤhre behalten wegen der gedoppelten Abweichung der Lichtſtralen (ſ. Abweichung,198 dioptriſche) eine Undeutlichkeit, die ſich auch bey der beſten Einrichtung nie ganz heben laͤßt, und die deſto betraͤchtlicher wird, je ſtaͤrker die Vergroͤßerung in Vergleichung mit der Laͤnge des Fernrohrs ſeyn ſoll. Man ſuchte anfaͤnglich die Urſache hievon blos in der ſphaͤriſchen Geſtalt der Glaͤſer, und glaubte ihr durch elliptiſche oder hyperboliſche Glaͤſer abhelfen zu koͤnnen. Man gab den Glaͤſern uͤberdies Bedeckungen oder Blendungen, wovon die Worte: Blendung, Apertur nachzuſehen ſind. Huygens fand es ſehr vortheilhaft, die Blendung des Augenglaſes im aſtronomiſchen und Erdfernrohre innerhalb der Roͤhre an der Stelle des letzten Bildes anzubringen, welches auch noch bis jetzt zu geſchehen pflegt. Eben dieſer ſcharfſinnige Geometer entwarf in ſeiner Dioptrik zuerſt eine vollſtaͤndige Theorie der Fernroͤhre, und lehrte die Verhaͤltniſſe der Helligkeit, Deutlichkeit, Laͤnge und Vergroͤßerung beſtimmen. Man findet ſeine Regeln hieruͤber nebſt einer Tabelle bey dem Worte: Apertur. Euler hat zwar in ſeiner Dioptrik (To. II. §. 194. ſqq. ) andere Regeln gegeben, die ſich aber mit dem hugenianiſchen ſehr wohl vereinigen laſſen.

Es ſcheint zwar auf den erſten Blick, als ob man durch ein aſtronomiſches Fernrohr von einer gegebnen Laͤnge, z. B. von 2 Schuhen, jede Vergroͤßerung erhalten koͤnnte, z. B. eine 100fache, wenn man zu einem Vorderglaſe von 2 Schuh Brennweite ein Augenglas von einer 100mal kleinern, d. i. von (1 / 50) Schuh oder von (6 / 2 < * >) Zoll Brennweite, naͤhme. Allein man wuͤrde in dieſem Falle zwar die verlangte Vergroͤßerung, zugleich aber auch eine Undeutlichkeit erhalten, die das Fernrohr ganz unbrauchbar machen wuͤrde. Die Vergroͤßerung hat alſo fuͤr jedes Fernrohr gewiſſe Grenzen. Nach Huygens Theorie (ſ. Apertur) muß b = (1 / 40) F; ingleichen b = (10 / 11) f ſeyn, wenn das Fernrohr gut ſeyn ſoll. Hieraus folgt F = (4000 / 121) f, alſo F = (4000 / 121) Ff und (F / f) = (4000 / 121) F. Nun iſt (F / f) die Quadratzahl der Vergroͤßerung, F aber die Brennweite des Vorderglaſes oder die Laͤnge des199 Fernrohrs (weil die geringe Brennweite des Augenglaſes hiebey nicht in Betrachtung koͤmmt). Es muß ſich daher die. Laͤnge des Fernrohrs, wie die Quadratzahl der Vergroͤßerung, verhalten. Soll alſo ein aſtronomiſches Fernrohr bey gleicher Helligkeit und Deutlichkeit dreymal ſo ſtark, als ein anderes, vergroͤßern, ſo muß man ihm eine neunmal ſo große Laͤnge geben, u. ſ. w. Vergroͤßert ein Rohr von 1 Schuh Laͤnge 20mal, ſo iſt zu einer 100fachen Vergroͤßerung ein 25 Schuh langes Rohr noͤthig.

Da ſchon die erſten ſehr unvollkommnen Fernroͤhre ſo wundervolle Entdeckungen veranlaſſet hatten, ſo machte man ſich die uͤbertriebenſten Erwartungen von dem, was Fernroͤhre mit ſtarken Vergroͤßerungen am Himmel zeigen muͤßten. Man arbeitete daher um die Mitte des vorigen Jahrhunderts eifrigſt auf dieſen Endzweck, den man nicht anders, als durch Fernroͤhre von großer Laͤnge glaubte erhalten zu koͤnnen. Daher kommen die ungeheuren Laͤngen der Fernroͤhre, und die Glaͤſer von ſo großen Brennweiten in der damaligen Periode. Euſtachius de Divinis zu Rom und Campani zu Bologna wetteiferten in dieſer Abſicht mit einander; doch ſind die Glaͤſer des Letztern weit beruͤhmter geworden. Er verfertigte auf Befehl Ludwigs XIV. Glaͤſer von 86, 100 und 136 pariſer Fuß Brennweite, durch welche Caſſini die zween naͤchſten Trabanten des Saturns entdeckte. Er hat zwar nur wenige Glaͤſer von ſo betraͤchtlichen Brennweiten zu Stande gebracht; allein ſeine kleinern Objective finden ſich noch jetzt haͤufig, und werden von den Beobachtern ſehr geſchaͤtzt. Huygens ſelbſt ſchrieb uͤber das Schleifen der Glaͤſer (Comment. de vitris figurandis in Opp. poſth. Lugd. Bat. 1703. 4. ), und verfertigte Objective bis zu 210 Fuß Brennweite. Auzout in Frankreich brachte ſogar eines von 600 Fuß zu Stande, konnte es aber aus Mangel einer ſchicklichen Vorrichtung nicht gebrauchen. Peter Borel, Mitglied der pariſer Akademie, D. Hook, Paul Neille, Reive und Cox in England thaten ſich ſaͤmmtlich von dieſer Seite hervor. Hartſoeker ſchlif ebenfalls Objectivglaͤſer von 600 Schuh Brennweite, und beſchreibt (Eſſai de Dioptrique. Paris. 1694. 4. )200 ſeine ſehr ſinnreiche Methode, ſie zu verfertigen. Man kan ſich leicht vorſtellen, was fuͤr Muͤhe es gekoſtet haben muͤſſe, Roͤhre von ſo ungeheuren Laͤngen, die ſich durch ihr eignes Gewicht kruͤmmen, bey aſtronomiſchen Beobachtungen zu behandeln. Wer ſich von den Schwierigkeiten dabey einen Begrif machen will, darf nur einen fluͤchtigen Blick auf einige Kupfertafeln in Hevels Machina coeleſti oder im Bianchini (Heſperi et Phoſphori nova phaenomena, Romae 1728. fol. maj. Tab. VII. und VIII. ) werfen, wo ſolche Roͤhre von 70 und 120 roͤmiſchen Palmen vorgeſtellt werden, die Campani 1684 in Rom zur Beobachtung des Monds aufrichtete. Dies veranlaſſete folgende Vorſchlaͤge, die großen Glaͤſer ohne Roͤhren zu gebrauchen.

Fernglas ohne Roͤhren, Luftfernglas, Aſtroſcopium tubi molimine liberatum, Teleſcope aërien.

Eine Verbindung zweyer Glaͤſer, wie im galileiſchen und aſtronomiſchen Fernrohre, wobey aber die Roͤhren wegbleiben, und das Objectiv oder Vorderglas in freyer Luft aufgeſtellt wird.

Huygens (Aſtroſcopia compendiaria, tubi optici molimine liberata. Hagae Com. 1684. 4. ) gab, um den unuͤberwindlichen Beſchwerlichkeiten der langen Roͤhren auszuweichen, dieſes ſinnreiche Mittel an, die Roͤhren ganz zu entbehren. Er faſſet das Objectivglas in ein ganz kurzes Rohr, das ſich vermittelſt einer Nuß nach allen Richtungen drehen laͤßt, und befeſtigt es in der Hoͤhe an eine feſte Stange, an den Giebel eines Gebaͤudes u. dgl. Die Axe dieſes Rohrs konnte er mit einem ſeidnen Faden richten, und ſie in eine gerade Linie mit der Axe einer andern kurzen Roͤhre bringen, worinn das Augenglas befindlich war, und die er in der Hand hielt. Auf dieſe Art konnte er Glaͤſer von den groͤßten Brennweiten in jeder Hoͤhe des Gegenſtandes, ſelbſt im Zenith, gebrauchen, wenn nur ein Standpunkt von hinlaͤnglicher Hoͤhe vorhanden war, um das Objectivglas daran zu befeſtigen. Außerdem hatte er noch eine Erfindung angebracht, das Geſtell, worauf die Roͤhre mit dem Objectivglaſe ruhete, an einer Stange zu erhoͤhen oder niederzulaſſen, je nachdem es die Stellung des201 Gegenſtandes erforderte. Da man heut zu Tage nach der Erfindung der Spiegelteleſkope und achromatiſchen Fernroͤhre die langen Roͤhren gar nicht mehr braucht, ſo habe ich keine Abbildung dieſer zu ihrer Zeit nuͤtzlichen Maſchine geben wollen. Man findet aber dergleichen beym Wolf (Elem. Dioptr. Tab. VIII. Fig. 65.) und beym Smith (Lehrbegrif der Optik, durch Kaͤſtner, Taf. XIX. Fig. 56.), wo man auch Huygens ganze Schrift uͤberſetzt leſen kan (S. 329. u. f.).

Bianchini (Heſperi et Phoſphori nov. phaen. p. 59. und in Mém. de l'acad. roy. des Sc. 1713.) hat noch einige Verbeſſerungen dieſer Maſchine angegeben, ſo wie auch de la Hire (Mém. de l'acad. 1715.), der das Objectivglas nicht in ein Rohr, ſondern in ein Bret, einſchließt (ſ. Smith S. 335.).

Eine aͤhnliche, aber nicht ganz ſo bequeme, Vorrichtung hat auch Hartſoeker vorgeſchlagen (ſ. Miſcell. Berolin. To. I. p. 261.). Da die Roͤhren auch dienen, das fremde Licht von den Seiten her abzuhalten, ſo ſind alle dieſe Erfindungen nur bey Nacht, ſchwerlich aber am Tage oder beym Mondſcheine, zu gebrauchen.

Huygens Vorrichtung iſt vorzuͤglich in England von D. Pound und deſſen Vetter Bradley mit Nutzen gebraucht worden, um ein Objectivglas von 123 Fuß Brennweite zu behandeln, welches Huygens verfertiget, und der koͤniglichen Societaͤt geſchenkt hatte. Pound ſahe dadurch die Saturnstrabanten im Jahre 1718 zum erſtenmale in England, und uͤberzeugte ſeine Landsleute von ihrer Exiſtenz, die ſie bis dahin auf Caſſinis bloßes Wort nicht hatten glauben wollen.

Weil aber dieſes Huͤlfsmittels ungeachtet ſowohl die Verfertigung als der Gebrauch der Glaͤſer von ſo langen Brennweiten hoͤchſt beſchwerlich blieb, ſo fuhr man noch immer fort, auf Mittel zu Verminderung der Abweichungen zu denken, damit man ſtaͤrkere Vergroͤßerungen auch durch kuͤrzere Fernroͤhre erhalten koͤnnte. Man ſchlug dazu gefaͤrbte Objectivglaͤſer, Objectivringe von Glas, neue Einrichtungen der Fernroͤhre mit mehreren verſchiedentlich202 geſtellten Glaͤſern u. dgl. vor, ohne doch den gewuͤnſchten Zweck zu erreichen. Ich will hiebey nur noch bemerken, daß Zuſammenſetzungen, worinnen Hohlglaͤſer vorkommen, zur Verminderung der Farbenzerſtreuung geſchickter ſind, als ſolche, die aus lauter Convexglaͤſern beſtehen. Es iſt keinesweges unmoͤglich, in einem gemeinen Fernrohre, auch ohne den Gebrauch zweyer Glasarten, die Farbenzerſtreuung aufzuheben, wofern nur ein Hohlglas darinn vorkoͤmmt, mit lauter Convexglaͤſern aber iſt es ſchlechterdings unmoͤglich (ſ. Lambert ſur les lorgnettes achromatiques in den Nouv. mém. de Berlin. 1771. p. 338.). Vielleicht laͤßt es ſich hieraus erklaͤren, wie einige der erſten galileiſchen Fernroͤhre ſo ſtarke Vergroͤßerungen ohne allzu große Undeutlichkeit haben aushalten koͤnnen.

Endlich machte die Erſindung der Spiegelteleſkope, welche gar keine Farbenzerſtreuung verurſachen, und alſo ſtarke Vergroͤßerungen bey geringer Laͤnge vertragen, in dieſen Bemuͤhungen einen ſehr langen Stillſtand. Man hielt es mit Newton ſogar fuͤr unmoͤglich, in den Fernroͤhren mit bloßen Glaͤſern die Abweichung wegen der Farben auf irgend eine Art zu vermeiden, bis man durch Dollonds gluͤckliche Verſuche von dem Gegentheile uͤberzeugt wurde. Dieſe Verbeſſerungen der Fernroͤhre aber ſind ſo wichtig, daß ich ihrentwegen ganz auf die ihnen gewidmeten eignen Artikel: Spiegelteleſkop und Achromatiſche Fernroͤhre verweiſen muß.

Beſchreibungen der aͤußern Theile und Nebenſtuͤcke eines Fernrohrs, z. B. der Faſſungen der Glaͤſer, der Roͤhren, Stative, gefaͤrbten Glaͤſer zur Betrachtung der Sonne u. dgl. wird man hier wohl nicht erwarten, zumal da faſt jeder Kuͤnſtler und Liebhaber hiebey ſeinen eignen Ideen und Beduͤrfniſſen folget. Etwas von Roͤhren und Stativen hat Wolf (Elementa Dioptricae. Probl. 29 et 34.), aber freylich ſo, daß es fuͤr die jetzigen Fernroͤhre nicht mehr paſſend iſt. Die engliſchen Kuͤnſtler ſind jetzt darinn die Lehrmeiſter der uͤbrigen, und bearbeiten auch das Aeußerliche an den Fernroͤhren ſehr feſt und ſauber. Uebrigens koͤmmt auf das genaue Centriren und die feſte Stellung der203 Glaͤſer ſo viel an, daß ohne dieſes die beſten Glaͤſer voͤllig unbrauchbar ſind. Von den Mikrometern und Heliometern, die man bey Fernroͤhren anbringt, handeln eigne Artikel dieſes Woͤrterbuchs. Man ſ. auch die Worte: Binocularteleſcop, Helioſkop, Polemoſkop, Vergroͤßerung, Auzometer.

Bey der Beobachtung ſelbſt uͤberſieht man ein ganzes kreisrundes Feld, das Geſichtsfeld, und in ſehr vielen Faͤllen iſt daran gelegen, den Mittelpunkt deſſelben, der in des Fernrohrs Axe liegt, unterſcheiden zu koͤnnen. In dieſer Abſicht ſpannt man inwendig im Ocularrohre zween feine Faͤden aus, die ſich im Brennpunkte des letzten Augenglaſes rechtwinklicht durchkreuzen. Dieſe Faͤden wird man durch das Augenglas deutlich ſehen, und ihr Durchſchnittspunkt wird die Mitte des Geſichtsfelds beſtimmen. Man kan auch ein ebnes Glas gebrauchen, auf dem Linien ſtatt der Faͤden geriſſen ſind. Dieſe Veranſtaltung heißt ein Fadenkreuz, und wird nicht allein oft bey aſtronomiſchen Beobachtungen, ſondern auch vorzuͤglich da gebraucht, wo Fernroͤhre die Stelle der Dioptern bey Feldmeſſerwerkzeugen, aſtronomiſchen Quadranten u. dgl. vertreten. Dies heißen teleſkopiſche Dioptern, und werden den bloßen Dioptern (nudis pinnicidiis) entgegengeſetzt. Wenn alsdann der Durchſchnittspunkt des Fadenkreuzes den Punkt, nach welchem man viſiren will, bedeckt, ſo richtet ſich die Axe des Fernrohrs, alſo auch die mit ihr parallele Viſirlinie des Inſtruments (linea fiduciae) nach dieſem Punkte. Das Viſiren nach entlegnen Punkten erhaͤlt dadurch weit mehr Genauigkeit, als durch bloße Dioptern zu erreichen moͤglich iſt, daher bey großen geometriſchen Meſſungen, beym Waſſerwaͤgen und bey den aſtronomiſchen Winkelmeſſern keine andern, als teleſkopiſche Dioptern, gebraucht werden. Zum erſtenmale iſt das Fernrohr auf dieſe Art von Picard im Jahre 1669 bey ſeiner Gradmeſſung in Frankreich gebraucht worden.

Montucla hiſt. des mathematiques, To. II. P. IV. L. 3.

Prieſtley Geſchichte der Optik durch Kluͤgel, S. 48 u. f. 158 u. f. 534. 204

Weidler Hiſtoria aſtronomiae. Viteb. 1741. 4. Cap. XV.

Smith vollſtaͤndiger Lehrbegrif der Optik, durch Kaͤſtner, an mehrern Stellen.

Kaͤſtners Anfangsgruͤnde der Dioptrik, §. 86. u. f.

Wolf Elem. Dioptricae, in Elem. Matheſ. univ. Halae. 1715. 4. To II.

Briſſon Dict. raiſonné de Phyſique, Art. Lunette, Teleſcope.

Feſte Koͤrper, Corpora ſolida, Corps ſolides.

Koͤrper, deren Theile ſo ſtark zuſammenhaͤngen, daß ſie der Trennung einen merklichen Widerſtand entgegen ſetzen, der ſich nicht durch das Gewicht der einzelnen Theile allein uͤberwinden laͤßt, auch nicht erlaubt, einen Theil des Koͤrpers zu bewegen, ohne daß ſich dieſe Bewegung dem Ganzen mittheile. Ihnen werden die fluͤßigen Koͤrper entgegen geſetzt, bey welchen der Zuſammenhang der Theile weit ſchwaͤcher, und ſo gering iſt, daß ſie durch ihr bloßes Gewicht ſich losreiſſen, ihre Lage aͤndern und allein ohne den ganzen Koͤrper bewegt werden koͤnnen. Umſtaͤndlicher werden die Kennzeichen, wodurch ſich beyde unterſcheiden, bey dem Worte: Fluͤßige Koͤrper angefuͤhrt.

Feſte Punkte, ſ. Hygrometer, Thermometer.

Feſtigkeit, Soliditas, Solidité.

Der Zuſtand eines Koͤrpers, deſſen Theile ſo ſtark zuſammenhaͤngen, daß ſie ſich nicht von ſelbſt, oder durch ihr Gewicht allein, von dem Ganzen losreiſſen, oder ihre Lage gegen einander aͤndern koͤnnen, daher auch jeder Theil ſeine Bewegung dem Ganzen mittheilt. Der Feſtigkeit ſetzt man die Fluͤßigkeit entgegen, ſ. Fluͤßigkeit.

In einem andern Sinne des Worts wird den Koͤrpern oder den Zuſammenfuͤgungen mehrerer Koͤrper Feſtigkeit (firmitas, ſtabilitas, fermeté) beygelegt, wenn die Trennung der Theile vom Ganzen eine ſehr große Kraft erfordert. In dieſer Bedeutung ſetzt man der Feſtigkeit die Zerbrechlichkeit entgegen, bey welcher ſich die Theile mit geringer Kraft vom Ganzen trennen laſſen, wenn ſie auch ſchon nicht von ſelbſt, oder durch ihr eignes Gewicht abfallen. 205

Fett, Pinguedo, Adeps, Graiſſe.

Eine feſte oͤlichte Subſtanz, welche ſich in den thieriſchen Koͤrpern an verſchiedenen Theilen abſetzt. Sie beſteht aus einem milden, nicht fluͤchtigen Oele, welches ſeine Feſtigkeit blos einer innig damit verbundnen Saͤure, der Fettſaͤure oder thieriſchen Saͤure (Acidum pinguedinis animalis, Acide de graiſſe) zu danken hat. Die mineraliſchen Saͤuren und Laugenſalze wirken auf das Fett eben ſo, wie auf die milden, nicht fluͤchtigen Pflanzenoͤle, welche keine harzige noch gummichte Eigenſchaft haben, und nicht trocken werden, z. B. das Baumoͤl, die man daher fette Oele nennt.

Die Saͤure des Fetts iſt vorzuͤglich von Segner (Diſſ. de acido pingued. animalis. Gott. 1754.) und von Hrn. Crell (Chem. Journal, Th. I. S. 60-94. Th. II. S. 112-128. Th. IV. S. 47-77. ) unterſucht worden, welcher Letztere denen Mittelſalzen, die aus ihrer Verbindung mit andern Koͤrpern entſtehen, eigne Namen beygelegt hat. So giebt ſie mit dem vegetabiliſchen Laugenſalze Segners thieriſchen Weinſtein, mit dem mineraliſchen Alkali das mineraliſche Thierſalz, mit dem fluͤchtigen Alkali Segners thieriſchen Salmiak u. ſ. w. Gegen dieſe Benennungen laͤßt ſich doch erinnern, daß die Fettſaͤure keine eigentlich thieriſche, oder dem Thierreiche allein eigne Saͤure iſt, weil auch fette Stoffe des Pflanzenreichs, z. B. die Cacaobutter, eine aͤhnliche Saͤure liefern.

Im natuͤrlichen Zuſtande iſt das Fett ſehr mild; wenn aber die Saͤure durch die Hitze oder durch das Alter entwickelt und zum Theil entbunden worden iſt, ſo wird es ſcharf, reizend und ſogar aͤtzend. In dieſem Zuſtande loͤſet der Weingeiſt den ranzigen Theil davon auf, daher man durch Behandlung mit Weingeiſt das verdorbene Fett wieder verbeſſern kan. Das im Fette enthaltene Oel, welches der Butter und dem Wachſe gleich koͤmmt, entſpringt ohne Zweifel aus den oͤlichten Theilen der Nahrungsmittel, welche fuͤr die Ernaͤhrung des Koͤrpers und fuͤr die Fortpflanzung uͤberfluͤßig ſind, und daher beſonders abgeſetzt werden. 206

Uebrigens pflegt man bisweilen allen denjenigen Subſtanzen den Namen der Fettigkeiten zu geben, welche ſich im Waſſer wenig oder gar nicht aufloͤſen laſſen, bey einem geringen Grade der Waͤrme fluͤßig oder ſchmierig werden, und mit einer Flamme brennen. Dergleichen ſind nicht allein die thieriſchen Fette, als Talg u. dgl. ſondern auch die fetten Oele, Balſame, Butter, Kampher, Wachs und Harz.

Macquer chym. Woͤrterb. durch Leonhardi. Art. Fett, Fettſaͤure.

Feucht, Humidum, Humide.

Ueberhaupt nennt man einen Koͤrper feucht, wenn er von Waſſer oder andern fluͤßigen Materien durchdrungen iſt, oder dergleichen in ſeinen Zwiſchenraͤumen enthaͤlt. So ſagt man, ein Schwamm, ein Papier ſey feucht, wenn ſich Waſſertheile in den Zwiſchenraͤumen dieſer Koͤrper aufhalten; man nennt die Luft feucht, wenn ſie viel Waſſer oder Duͤnſte in ſich enthaͤlt, es ſey nun in unſichtbarer oder in concreter Geſtalt, ſ. Duͤnſte; man ſagt, die Salze werden an der Luft feucht, weil ſie die in der letztern enthaltenen Waſſertheile in ſich nehmen.

Insbeſondere aber nennt man diejenigen Koͤrper feucht, welche geneigt ſind, das Waſſer oder uͤberhaupt das Fluͤßige, das ſie enthalten, den ſie beruͤhrenden Koͤrpern mitzutheilen. In dieſem Sinne wird das Wort feucht genommen, wenn man ſagt, das Hygrometer zeige, wie feucht die Luft ſey. Es zeigt eigentlich, wie ſtark die Dispoſition der Luft ſey, das in ihr enthaltene oder aufgeloͤſte Waſſer der zum Hygrometer gebrauchten Subſtanz mitzutheilen.

Feuchtigkeit, Humiditas, Humor, Humidité.

Dieſes Wort wird in verſchiedenen Bedeutungen gebraucht. Man nimmt es bald fuͤr den Zuſtand des feuchten Koͤrpers (humiditas), ſ. Feucht, bald fuͤr das in ihm enthaltene Waſſer ſelbſt (humor). So ſagt man, bey großer Feuchtigkeit der Luft werde der Erfolg der elektriſchen Verſuche gehindert, wobey durch Feuchtigkeit der Zuſtand der feuchten Luft ſelbſt verſtanden wird; man ſagt aber auch, die Luft207 enthalte viel Feuchtigkeit, d. i. viel waͤſſerichte Theile. De Luͤc (Beſchreibung eines neuen Hygrometers, Philoſ. Trans. Vol. LXIII. no. 38. und deutſch in den Sammlungen zur Phyſik und Naturgeſch. I. B. 1. St.) braucht, um das Letztere auszudruͤcken, das Wort Humor fuͤr alle in der Luft enthaltene waͤſſerichte Theile.

Die neuern Schriftſteller uͤber die Hygrometrie, z. B. de Sauſſuͤre und de Luͤc verſtehen unter dem Worte Feuchtigkeit (humidité) die Dispoſition, Waſſer mitzutheilen, welche der Luft jedesmal eigen iſt, und durch die Veraͤnderungen des Hygrometers angezeigt wird. ſ. Hygrometer. Dieſe iſt nicht ohne Ausnahme einerley oder proportional mit der Menge des in der Luft enthaltenen Waſſers; ſie aͤndert ſich vielmehr ſowohl mit dem Grade der Waͤrme, als auch mit der verſchiedenen Beſchaffenheit der Luft ſelbſt, der in ihr enthaltenen Waſſertheile und der zum Hygrometer gebrauchten Materie.

Feuchtigkeiten, Humores, Humeurs.

heißen oft auch diejenigen waͤſſerichten fluͤßigen Materien, welche ſich an andere Koͤrper, beſonders an die Hand, die ſie beruͤhrt, anhaͤngen, und ſie benetzen, ſ. Adhaͤſion. So ſind Waſſer, Wein, Milch u. dgl. Feuchtigkeiten; das Queckſilber, das weder waͤſſericht iſt, noch ſich an die Haut des menſchlichen Koͤrpers anhaͤngt, bekoͤmmt auch den Namen einer Feuchtigkeit nicht; man muͤßte denn ſagen wollen, es ſey in Anſehung der Metalle feucht, an die es ſich anhaͤngt. Auch Oele, ob ſie gleich an der Hand anhaͤngen, pflegt man nicht Feuchtigkeiten zu nennen. Hingegen iſt nichts gewoͤhnlicher, als den fluͤßigen Theilen oder Saͤften des menſchlichen und thieriſchen Koͤrpers den Namen der Feuchtigkeiten zu geben.

Feuchtigkeiten im Auge, ſ. Auge.

Feuer, Feuerweſen, Feuerſtoff, Waͤrmeſtoff, Elementarfeuer, Ignis, Ignis elementaris, Materia caloris ſ. calorifica, Feu, Feu élementaire.

Die Sprache des gemeinen Lebens nennt alles dasjenige Feuer, was gewoͤhnlich als Mittel gebraucht wird, in andern Koͤrpern die208 Phaͤnomene und Wirkungen der Waͤrme hervorzubringen, d. h. ſie zu erhitzen, zu ſchmelzen, in Daͤmpfe zu verwandeln, zu entzuͤnden und zu verbrennen. Dergleichen Mittel ſind die Flamme brennender Koͤrper, die gluͤhenden Kohlen u. dgl. Da man nun in der Naturlehre ſehr oft genoͤthiget iſt, den Erſcheinungen der Waͤrme eine Urſache beyzulegen, ob man gleich, aufrichtig zu geſtehen, von dieſer Urſache ſehr wenig Gewiſſes weiß, ſo braucht man fuͤr dieſelbe ebenfalls den Namen Feuer, den man aber in dieſer Bedeutung von dem, was im gemeinen Leben Feuer genannt wird, oder von dem Kuͤchenfeuer und der Flamme, ſehr ſorgfaͤltig unterſcheiden muß. Demnach iſt Feuer dasjenige, was in einem Koͤrper Waͤrme hervorbringt, die unbekannte Urſache der Waͤrme.

Da doch die meiſten Naturforſcher dieſe Urſache ganz oder zum Theil von einer eignen Subſtanz herleiten, welche durch die ganze Koͤrperwelt verbreitet ſeyn, und eine ſehr ſtarke Wirkung auf andere Subſtanzen aͤußern ſoll, ſo habe ich kein Bedenken getragen, die Namen Feuerweſen, Elementarfeuer rc. welche ſie dieſer Subſtanz beylegen, hier als gleichbedeutend mit dem Worte Feuer ſelbſt anzufuͤhren.

Zwar haben auch andere Naturforſcher von nicht geringem Anſehen das Feuer blos fuͤr einen Zuſtand der Koͤrper, oder fuͤr eine nach gewiſſen Modificationen erfolgende Bewegung ihrer feinſten Theile halten wollen, ohne ein beſonderes Feuerweſen oder Elementarfeuer anzunehmen. In dieſe Claſſe gehoͤren der Kanzler Bacon (De forma Calidi in Opp. Amſt. 1653. 12. ) und Descartes, welcher das Feuer fuͤr eine Bewegung des erſten Elements oder der ſubtilen Materie erklaͤrt, wodurch die Theile der Koͤrper mit fortgeriſſen werden. Selbſt Newton ſcheint in ſeinen der Optik beygefuͤgten Fragen dieſe Meynung zu beguͤnſtigen, und das Feuer blos fuͤr denjenigen Zuſtand der Koͤrper zu halten, in welchem ſie durch eine heftige ſchwingende Bewegung die in ihnen befindliche Lichtmaterie ausſenden. ſ. Flamme. Auch die Herren Marivetz und Gouffier, Verfaſſer der in einem ſehr weitlaͤuftigen Plane angefangenen209 Phyſique du monde, ſind dieſer Meinung zugethan. Es laſſen ſich aber hiegegen ſehr gegruͤndete Einwendungen machen. Die lockerſten Koͤrper z. B. nehmen eben den Grad der fuͤhlbaren Waͤrme an und pflanzen ihn fort, den die benachbarten viel dichtern haben; alle Koͤrper, ſelbſt die, welche nur eine ſchwache Elaſticitaͤt beſitzen, pflanzen dennoch die Waͤrme leicht durch ſich fort, obgleich ſonſt alle ſchwingende Bewegungen durch die Dazwiſchenkunft weicher unelaſtiſcher Koͤrper gedaͤmpft und aufgehoben werden. Endlich wird eine jede Bewegung deſto langſamer, ſchwaͤcher und unmerklicher, je groͤßer die Maſſe iſt, durch welche ſie ſich vertheilt; das Feuer hingegen verbreitet ſich mit gleicher Staͤrke ſeiner Wirkungen aus den geringſten Maſſen in die groͤßten, und kann ganze Staͤdte verheeren, wenn es auch nur aus einem Fuͤnkgen glimmender Aſche entſtanden iſt. Dieſen letztern Einwurf findet ſelbſt Euler (Diſſ. de igne im Recueil des pieces, qui ont remporté le prix à l'Acad. roy. des Sc. ann. 1738.), ein ſonſt ſehr carteſianiſch geſinnter Phyſiker, ſo ſtark, daß er es fuͤr nothwendig haͤlt, ein elaſtiſches Feuerweſen anzunehmen. Auch moͤchten ſich wohl die Phaͤnomene der Verbrennung aus einer bloßen innern Bewegung der Theile ſchwerlich ſo befriedigend erklaͤren laſſen, als dies bey einigen der neuern Hypotheſen, welche ein eignes Feuerweſen vorausſetzen, moͤglich iſt. Aus dieſen Gruͤnden wird das Daſeyn einer ſolchen Subſtanz anjetzt mit faſt allgemeiner Uebereinſtimmung angenommen.

Deſto groͤßer aber iſt die Verſchiedenheit der Meinungen uͤber die Beſchaffenheit dieſes Feuerweſens, uͤber ſeine Verhaͤltniſſe gegen andere Stoffe, und uͤber die Art und Weiſe, wie es die Erſcheinungen der Waͤrme, die Verdampfung, Schmelzung und Verbrennung der Koͤrper bewirkt. Einige halten das Elementarfeuer fuͤr nichts anders als fuͤr die Materie des Lichts; andere unterſcheiden es von derſelben, oder ſehen doch das Licht als eine eigne neue Modifikation des Feuerweſens an. Viele haben das, was die Koͤrper entzuͤndlich oder verbrennlich macht, das ſogenannte Phlogiſton fuͤr ein in den Koͤrpern befindliches gebundenes Feuer gehalten, andere aber haben Feuer und Phlogiſton210 als zween beſondere ſich entgegengeſetzte Stoffe betrachtet. Einige nehmen das Feuer fuͤr ein allgemeines Aufloͤſungsmittel aller Koͤrper an, andere glauben hingegen, daß daſſelbe, um wirkſam zu werden, und die Erſcheinungen der Waͤrme zu zeigen, ſelbſt eines neuen hinzukommenden Aufloͤſungsmittels beduͤrfe. Dieſe ungemeine Verſchiedenheit der Meinungen hat ihren natuͤrlichen Grund darinn, daß hier die Rede von einer Urſache iſt, die wir nie an ſich ſelbſt unterſuchen, ſondern blos aus ihren Wirkungen beurtheilen koͤnnen. Das einzige nun, was ſich aus dieſen mit einiger Gewißheit folgern laͤßt, iſt, daß das Feuer ein feines, fluͤſſiges, hoͤchſt elaſtiſches Weſen ſey, das alle Koͤrper durchdringt, verſchiedene Verwandſchaften gegen dieſelben aͤuſſert, und in ihnen in verſchiedener Menge ſowohl, als auf verſchiedene Weiſe, enthalten ſeyn kan. Alles uͤbrige beruht auf Schluͤſſen und Vorſtellungsarten, welche der eine Naturforſcher auf dieſe, ein anderer auf andere Erfahrungen baut, und die uns noch bis jetzt kein ſicheres Reſultat uͤber die Natur und Wirkungsart des Feuers verſchafft haben. Bey dieſer Lage der Sache kan ich hier nichts mehr thun, als einige der vornehmſten Meinungen uͤber das Feuer anfuͤhren, unter welchen die neueſten der Herren Crawford und de Luͤc anjetzt die meiſte Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen.

Einige Meinungen der aͤltern Chymiſten uͤber das Feuer hat Johann Friedrich Meyer (Chymiſche Verſuche zur naͤhern Erkenntniß des ungeloͤſchten Kalks, Hannover und Leipz. 1770. 8. Cap. 23.) angefuͤhret, vornehmlich in der Abſicht, um zu zeigen, daß die von ihm angenommene fette Saͤure bereits ein Gedanke der Alten geweſen ſey. Uebrigens laͤuft faſt alles, was ſich darinn findet, auf dunkle und geheimnißvolle Benennungen hinaus, da das Feuerweſen ein von dem gemeinen unterſchiedener Schwefel (ſulphur, ſed non vulgi), ein Kind der Sonne, ein unſichtbarer und unfuͤhlbarer ſaurer Geiſt, ein Salz, das aus den obern Regionen Waͤrme und Licht an ſich ziehe, genannt wird. Becher wird als der erſte angegeben, der das Feuerweſen fuͤr eine Erde gehalten habe, welche Meinung nachher211 durch die Betrachtung des Rußes und der Kohlen beſtaͤrkt, aber darauf eingeſchraͤnkt worden ſey, daß zwar das reine Feuerweſen nicht ſelbſt in einer Erde beſtehe, aber ſich doch allezeit in einer ſolchen eingeſchloſſen befinde. Dies letztere bezieht ſich auf die von Stahl in die Chymie eingefuͤhrte Idee des Phlogiſtons, als eines durch fremden Stoff gebundnen Feuers.

Boerbaave (De igne, in ſ. Elem. Chem. To. I. p. 116. der leipz. Ausg. in 8.) unterſcheidet das Feuer, als eine Materie von eigner Art (ſui generis) von dem Brennbaren. Nach ihm iſt daſſelbe eine elementariſche Materie von unwandelbarer Natur und unveraͤnderlichen Eigenſchaften, welche weder in etwas anders verwandelt, noch aus andern Koͤrpern aufs neue hervorgebracht werden kan. Er glaubt, dieſe Subſtanz ſey durch alle Theile des Raums gleichfoͤrmig verbreitet, bleibe aber voͤllig verborgen, und aͤußere ſich nur durch ihre Wirkungen, nemlich durch Waͤrme, Licht, Farben, Ausdehnung der Koͤrper und Verbrennung. Nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde aͤußern ſich bisweilen alle dieſe Wirkungen auf einmal, bisweilen nur einige allein. Daher empfinden wir oft Licht ohne Waͤrme, wie bey den Phoſphoren, faulem Holze rc. bisweilen Waͤrme ohne Licht, wie bey erhitzten Koͤrpern, die noch nicht gluͤhen u. ſ. w. Keine Wirkung des Feuers aber kan erfolgen, wenn nicht daſſelbe aus ſeinem natuͤrlichen Gleichgewichte geſetzt, und in einen engern Raum, als vorher, gebracht wird. Dies kan auf eine doppelte Art geſchehen, entweder dadurch, daß die Feuertheile in gerade Linien oder Stralen geordnet werden, welches die Wirkung der leuchtenden Koͤrper iſt, oder durch eine wirkliche Verdichtung, dergleichen durch das Reiben der Koͤrper an einander entſtehet.

Macquer (Chymiſches Woͤrterbuch, Art. Feuer) ſieht nebſt vielen andern Chymikern die Lichtmaterie als das reine elementariſche Feuer an. So bald aber dieſelbe ein Beſtandtheil der Koͤrper ſelbſt geworden iſt, bekoͤmmt ſie bey ihm den Namen des Brennbaren oder des fixen Feuers, und die Waͤrme beſteht in einer heftigen durch Erſchuͤtterung212 erzeugten Bewegung aller gleichartigen und ungleichartigen, beſonders aber der brennbaren Theile, die einen Koͤrper ausmachen. Das freye Feuer iſt nach ſeiner Meinung eine ſehr zarte Materie, von unendlich kleinen und feinen Theilen, die gar keinen Zuſammenhang unter einander haben und durch eine immerwaͤhrende reiſſende Bewegung getrieben werden. Es iſt alſo ſtets fluͤßig, ja ſogar die einzige Urſache aller Fluͤßigkeit, auch in andern Koͤrpern. Er unterſucht dann, ob Waͤrme und Licht von einer einzigen oder von verſchiedenen Subſtanzen herruͤhren. Daß das Licht eine eigne Subſtanz ſey, haͤlt er fuͤr entſchieden, da man deſſen Bewegung und Geſchwindigkeit kenne, auch ſeine Richtung zu aͤndern, es zu ſammlen, zu zerſtreuen, in die Zuſammenſetzung der Koͤrper zu bringen und daraus wieder zu ſcheiden vermoͤgend ſey. Die Waͤrme hingegen ſcheint ihm blos ein beſonderer Zuſtand zu ſeyn, deſſen jede materielle Subſtanz faͤhig iſt, ohne daß ſie dadurch aufhoͤret, das zu ſeyn, was ſie iſt; daher er ſie endlich fuͤr eine innere Bewegung der Theile der Koͤrper erklaͤrt. Da nun das Licht, wie die Brennglaͤſer beweiſen, Waͤrme erregt, auch in den meiſten Faͤllen die Waͤrme, wofern ſie nur ſtark genug iſt, Licht hervorbringt, ſo traͤgt er kein Bedenken, beyde Wirkungen einer und eben derſelben Subſtanz beyzulegen. Die verbrennlichen Koͤrper beſitzen die Eigenſchaft, wenn ſie durch die Waͤrme bis zum Gluͤhen gebracht worden ſind, alle Erſcheinungen und Wirkungen des Feuers ſelbſt hervorzubringen, ſo lange, bis alles Licht, welches in ihrer Miſchung war (alles Brennbare) daraus gaͤnzlich entbunden iſt. Daher ſind drey Arten, das Feuer hervorzubringen, deren man ſich in der Chymie und den Kuͤnſten bedienen kan, nemlich der Stoß des Lichts, das Reiben, Schlagen und Stoßen, und die Verbrennung entzuͤndlicher Materien. Das Licht wirkt auf die Koͤrper, als Feuerweſen, blos alsdann, wenn es in ihnen Waͤrme hervorbringen kan; und alle Wirkungen, die es in dieſer Abſicht thut, laſſen ſich auf eine einzige, auf Ausdehnung, zuruͤckfuͤhren. Das von den Koͤrpern zuruͤckgeworfene Licht macht ſie ſichtbar, und wirkt als Licht: das in ſie eindringende213 erwaͤrmt, und wirkt als Feuer, obgleich beydes eine und eben dieſelbe Materie iſt.

Pott (Von Licht und Feuer, in deſſen Lithogeognoſie, Th. I S. 66. 70. ) ſetzt die Natur des Feuers in die genaue Vermiſchung und Bewegung des Lichtweſens mit einer zarten brennlichen Erde, die er auch das Feuerweſen des Phlogiſtons, oder gemeines reines Feuer, nennt. Hinzukommendes Waſſer oder feuchte Luft bringen mit dieſem in Bewegung geſetzten Phlogiſton die Flamme hervor. Wallerius (De materiali differentia luminis et ignis in Diſp. acad. Faſc. I. Holm. et Lipſ. 1780. 8. no. VIII. ) macht den Waͤrme erregenden Stoff zu einer hoͤchſt fluͤßigen, feinen, beweglichen, fluͤchtigen und elaſtiſchen Subſtanz, die mit der Lichtmaterie verbunden iſt, und von derſelben ihre Wirkſamkeit erhaͤlt, an eine feine erdige Materie gebunden aber das Phlogiſton giebt. Das Feuer erklaͤrt er fuͤr die Bewegung und Zerſetzung des Waͤrme erregenden Stoffs und des Phlogiſtons, wobey die mit jenem verbundene unzerſtoͤrbare Materie des Lichts frey und ſichtbar werde. Nach Herrn Weigel (Grundriß der reinen und angewandten Chemie, Greifswalde 1777. 8. ) und Baume (Erlaͤuterte Experimentalchymie, Th. I. S. 132. ff. ) iſt das Feuer eine Materie, welche Licht und Waͤrme als Wirkungen hervorbringt, und wenn ſie zu einem Beſtandtheile der Koͤrper geworden iſt, ſich entweder frey in ihnen aufhaͤlt, den Grundſtoff der Kauſticitaͤt ausmacht, und das Feuerweſen genannt wird, oder durch eine feine Erde gebunden iſt, und den Namen des Brennbaren erhaͤlt.

Johann Friedrich Meyer (Chemiſche Verſ. zur naͤhern Erkenntniß des ungeloͤſchten Kalchs, Hannover und Leipz. 1764. 8. neuere Ausg. 1770. 8. ) unterſcheidet die erſte reinſte Materie des Feuers, die von ihm ſo genannte fette Saͤure (acidum pingue) und das Brennbare von einander. Die reinſte elementariſche Feuermaterie iſt nach ihm das Licht. Aus ihr und einem uͤbrigens noch unbekannten ſauren Salzweſen laͤßt er die fette Saͤure entſtehen, welche bey jeder Verbrennung und Verkalkung in Bewegung geſetzt werden, und die Materie des gemeinen Kuͤchenfeuers214 ausmachen ſoll. Das Brennbare beſteht nach ſeiner Meinung aus dem Lichte, der fetten Saͤure, Erde und Waſſer, und wird von ihm nicht als ein beſonderes Principium, ſondern vielmehr als eine Zuſammenſetzungsart angeſehen, welche in jedem Koͤrper, der brennen ſoll, vorhanden ſeyn muß.

Carl Wilhelm Scheele (Chemiſche Abhdl. von der Luft und dem Feuer, Upſala und Leipzig 1777. 8. ) nimmt im Gegentheil das Brennbare, als ein einfaches elementariſches Weſen, an. Aus demſelben und der fixen Luft oder der von ihm ſogenannten Luftſaͤure entſteht nach ſeiner Meinung die Feuerluft, oder das, was man ſonſt mit Prieſtley reine dephlogiſtiſirte Luft nennet. Dieſe Luft verwandelt ſich durch die Vereinigung mit einer geringern oder groͤßern Menge von Brennbarem in die ſtralende Hitze, die nach Art einer mit Brennbarem verbundenen Saͤure auf die Koͤrper wirkt, die Empfindung der Waͤrme und die Wirkungen des Feuers hervorbringt, und alſo in dieſem freylich etwas ſonderbar ſcheinenden Syſtem die eigentliche Materie des Feuers iſt. Wenn dieſe ſtralende Hitze mit noch mehrerem Brennbaren in Verbindung tritt, ſo wird daraus das Licht, und bey noch mehrerer Ueberſaͤttigung mit Brennbarem das entzuͤndbare Gas hervorgebracht. Das Feuer iſt der Zuſtand, in welchen die brennbaren Koͤrper durch Huͤlfe der Feuerluft gerathen, nachdem ſie vorher einen gewiſſen Grad der Hitze empfangen haben, wobey das Brennbare von den andern Materien, mit welchen es verbunden war, gewaltſam losgeriſſen wird, und dadurch eine Aufloͤſung der Koͤrper in ihre Beſtandtheile und eine gaͤnzliche Zerſetzung derſelben verurſacht. Dieſes Syſtem iſt nicht nur von ſeinem beruͤhmten Urheber mit vielen chymiſchen Verſuchen unterſtuͤtzt, ſondern auch von Bergmann (Anleitung zu chemiſchen Vorleſungen, auch in der Vorrede zu Scheeles Schrift ſelbſt) in ſeinen vornehmſten Theilen gebilliget worden. Es gruͤndet ſich vornehmlich darauf, daß Scheele durch ſehr feine Verſuche in der Materie des Lichts ein brennbares Weſen fand, und demnach zu entdecken glaubte, daß die Lichtmaterie nicht ganz ſo, wie215 das Brennbare ſelbſt, wirke, daher er ihr den Begriff eines einfachen Stoffs nicht beylegen wollte. Es laſſen ſich aber gegen die Schluͤſſe, welche er aus ſeinen Verſuchen gezogen hat, noch ſehr erhebliche Einwendungen machen, welche man beym Wallerius in der vorhin angefuͤhrten Diſſertation De materiali differentia luminis et ignis vorgetragen findet, ſo wie es auch ſchwer zu begreifen iſt, wie man ſo oft Leuchten ohne Waͤrme, und Hitze ohne Licht empfinden koͤnne, wenn das Licht in nichts anderm, als einer mit mehrerem Brennbaren uͤberſetzten Waͤrme beſteht. Dennoch weicht in vielen Stuͤcken das Scheeliſche Syſtem von den neuern ſo weit nicht ab, als es anfaͤnglich ſcheinet.

Lavoiſier (Mémoire ſur la combuſtion in Mém. de l'acad. roy. des Sc. à Paris, 1777. p. 592. deutſch in ſ. Werken von Weigel uͤberſetzt, Th. III. Greifsw. 1783. 8. S. 170. auch in Crells neuſten Entdeckungen, Th. V. S. 188.) nimmt den Stoff des Feuers, oder der Hitze und des Lichts fuͤr einerley an, und glaubt, dieſer Stoff ſey das Aufloͤſungsmittel, welches mit einem andern Grundtheile verbunden, die reine Luft ausmache. Wenn nun ein hinlaͤnglich erhitzter Koͤrper mit der atmoſphaͤriſchen Luft (welche zum Theil reine Luft enthaͤlt) in Beruͤhrung komme, ſo entziehe er ihr den Grundtheil, der Feuerſtoff werde frey, und gehe mit Hitze und Licht, d. i. mit Flamme davon. So werde der reine Theil der Luft zerſetzt, und es bleibe nur der verdorbene, oder die ſonſt ſo genannte phlogiſtiſirte Luft uͤbrig; der angezogne Grundtheil der reinen Luft aber bleibe im Reſte des verbrannten Koͤrpers zuruͤck. Dieſe Theorie hat viel Einnehmendes und Einfaches, erklaͤrt viele Erſcheinungen, und fand deswegen in Frankreich großen Beyfall. Da aber hiebey gar kein Phlogiſton angenommen wird, fuͤr deſſen Daſeyn doch viel Gruͤnde vorhanden ſind; da auch die Lichtmaterie ſchwerlich ganz einerley mit dem Feuerſtoff ſeyn kan, und der Grundtheil der Luft in dem Ruͤckſtande der Verbrennung noch nicht uͤberzeugend hat dargeſtellt werden koͤnnen: ſo hat dieſe Hypotheſe viel von ihrem Anſehen verlohren. (ſ. Gren Obſ. et Exp. circa geneſin aëris fixi et phlogiſticati. Halae, 1786. 8.) 216

Kein Naturforſcher hat mehr Muͤhe angewandt, die Materie des Feuers dem Auge ſichtbar darzuſtellen, als Marat (Decouverte ſur le feu, l'electricité et la lumiere. à Paris. 1779. 8. ins Deutſche uͤberſ. mit Anmerkungen von C. E. Weigel, Leipzig, 1783. gr. 8. ingl. Recherches ſur le feu par Mr. Marat. Paris. 1780. 8.). Er hat ſich dazu des Sonnenmikroſkops im verfinſterten Zimmer bedient, und mit Huͤlfe deſſelben aus gluͤhenden Koͤrpern etwas in Geſtalt feuriger Wellen aufſteigen geſehen, welches beſondere Verwandſchaften gegen andere Stoffe, denen es begegnete, z. B. gegen Waſſer, Salze, Erden, Metalle, Phlogiſton und Lichtmaterie aͤußerte. Seinen zahlreichen Beobachtungen zufolge iſt dieſes Weſen von der Lichtmaterie, dem Phlogiſton und der elektriſchen Materie weſentlich unterſchieden. Er giebt ihm den Namen der Fenermaterie oder der feurigen Fluͤßigkeit (fluide ig < * >), und erklaͤrt es fuͤr eine eigne Subſtanz, deren Theile ſehr durchſichtig, zart, ſchwer, beweglich, aͤußerſt hart und kugelfoͤrmig ſind. Dieſe Subſtanz macht einen Beſtandtheil der Koͤrper aus, und das Feuer beſteht in dem thaͤtigen Zuſtande derſelben, in welchem ſie durch die Bewegung ihrer Theile in den Koͤrpern Waͤrme und Flamme hervorbringt. Marat brachte in den Lichtkegel ſeines Sonnenmikroſkops nicht allein Koͤrper, die vom Feuer zerſtoͤrt werden, z. B. einen brennenden Wachsſtock, eine gluͤhende Kohle u. dgl., ſondern auch ſolche, die von ihrem Beſtande eigentlich nichts verlieren, als gluͤhende Stuͤcken Silber, Porcellan, Bergkryſtall u. ſ. w., ſahe aber allezeit auf der weißen Leinwand, die das Bild auffieng, einen hoch aufſteigenden weißen Cylinder, der ſich oberwaͤrts erweiterte und in lauter gekraͤuſelte Wellen verbreitete. Es ſcheint aber der Schluß, daß ſich hier die Feuermaterie ſelbſt darſtelle, mit allzuviel Uebereilung gezogen zu ſeyn. Vielleicht beſtand dieſe aufſteigende Saͤule blos aus dem Brennbaren, welches die Kohle und der Wachsſtock bey ihrer Zerſetzung aus ſich ſelbſt hergaben, die unzerſtoͤrlichen Materien aber aus den Koͤrpern, zwiſchen welchen ſie gegluͤhet worden waren, angenommen hatten und wieder von ſich gehen ließen, und welches durch217 den Schein des brennenden oder gluͤhenden Koͤrpers ſelbſt erleuchtet ward. Er fuͤhrt ſelbſt an, daß ſich die aufſteigende Saͤule durch den Luftſtrom eines Blaſebalgs aus ihrer geraden Richtung bringen und nach der Seite oder unterwaͤrts lenken laſſe, welches doch fuͤr eine ſo feine Materie, die alle Koͤrper durchdringen ſoll, eine ſehr grobe Erſcheinung iſt. Uebrigens bringt er noch Verſuche bey, welche gegen die Erfahrungen der mehreſten Naturforſcher erweiſen ſollen, daß die Koͤrper, wenn ſie heiß ſind und gluͤhen, ſchwerer werden. Er waͤhlte hiezu ſolche Koͤrper, die im Feuer nicht ſo leicht etwas von ihrer Subſtanz verlieren. Eine 6 Unzen wiegende ſilberne Kugel hatte bey dem Rothgluͤhen 5 1 / 2 Gran mehr am Gewichte, und eine bis zum Weißgluͤhen erhitzte kupferne Kugel von 15 Unzen und 6 Quentchen, wog, ohnerachtet ſie nach dem Erkalten drey Gran von ihrer Subſtanz verlohren hatte, gluͤhend doch zwey Gran mehr. Wenn dies richtig waͤre, ſo bewieſe es allerdings unlaͤugbar, daß erhitzte Koͤrper eine Materie in ſich nehmen, die vielleicht oft auch nur hindurchgeht, ohne ſich in ihnen feſtzuſetzen, die ſich doch aber auch bisweilen feſtſetzen kan. Nach Herrn Marat ſoll dieſe Materie, oder ſeine feurige Fluͤßigkeit, ſogar ſpecifiſch ſchwerer, als die Luft, ſeyn, welcher Satz allzuparadox iſt, als daß er nicht noch weit mehrerer Beſtaͤtigung beduͤrfen ſollte. Aehnliche Verſuche uͤber die Schwere des Feuers hat ſchon Boyle (De ponderabilitate flammae in Opp.) angeſtellt. Er glaubte, eine Schwere des Feuers daraus ſchließen zu koͤnnen, ſo wie Homberg 4 Unzen Spießglaskoͤnig, die hinter dem großen pariſer Brennglaſe einer ſtarken Hitze waren ausgeſetzt worden, 3 Drachmen ſchwerer, als vorher fand. Boerhaave bezeugt, daß er dies bey ſeinen Verſuchen nie gefunden habe, und Muſſchenbroek beſtreitet dieſe Abwaͤgungen ſehr richtig aus dem Grunde, weil ein Koͤrper, den man einmal kalt, das anderemal heiß wiegt, das erſteremal in dichterer, das anderemal in duͤnnerer Luft gewogen wird, und alſo ſchon darum das letztemal ſchwerer ſcheinen muß. ſ. Gewicht. 218

Eine der ſinnreichſten Theorien uͤber Waͤrme und Feuer iſt diejenige, welche D. Adair Crawford, ein junger Arzt zu London (Experiments and obſervations on animal Heat and the inflammation of combuſtible bodies. London, 1779. 8. mai. A. Crawfords Verſuche und Beobachtungen uͤber die thieriſche Waͤrme und die Entzuͤndung brennbarer Koͤrper, mit W. Morgans Erinnerungen wider die Theorie des Herrn C. Leipzig, 1785. 8. ), vorgetragen hat. Sie gruͤndet ſich zwar ganz auf Verſuche, welche die Herren Wilke, Black und Irwin ſchon ſeit dem Jahre 1772 angeſtellt hatten; aber die Beſchuldigung, als ob die Theorie ſelbſt von dieſen Gelehrten entlehnet ſey, iſt ungegruͤndet und es haben ihr die beyden zuletztgenannten ſelbſt ausdruͤcklich widerſprochen. Um dieſe Theorie mit moͤglichſter Kuͤrze und Deutlichkeit vorzuſtellen, werde ich derjenigen Ordnung folgen, welche die Herren Lichtenberg (in den Erxlebenſchen Anfangsgr. der Naturlehre, Goͤttingen, 1787. 8. §. 494. b, u. f.) und Karſten (Anleitung zur gemeinnuͤtzlichen Kenntniß der Natur, Halle, 1783. 8. XXVI. Abſchn. ) bey dem Vortrage derſelben beobachtet haben. Crawford's Theorie von Waͤrme und Feuer.

Wer ein Elementarfeuer, oder eine materielle Urſache der Waͤrme annimmt, der wird auch den Satz gelten laſſen, daß daſſelbe nach den Geſetzen der Verwandſchaft bald mit verſchiednen Koͤrpern in Verbindung treten, bald wiederum von denſelben abgeſchieden werden koͤnne; wenigſtens laͤßt ſich die Erzeugung der Kaͤlte bey Aufloͤſungen der Salze, die Erhitzung des ungeloͤſchten Kalks mit Waſſer, nebſt andern aͤhnlichen Erſcheinungen ohne dieſe Regel ſchwerlich auf eine befriedigende Art erklaͤren. Man muß daher annehmen, daß ſich das Feuer oder die Materie der Waͤrme bald in einem freyen, bald im gebundenen Zuſtande befinde.

Freyes Feuer

welches man auch freye oder fuͤhlbare, empfindbare Waͤrme (ſenſible heat) nennen kan, wirkt auf unſer Gefuͤhl und aufs Thermometer. Die Empfindung, welche es in uns erregt, nennen wir ebenfalls Waͤrme, und wenn ſie heftig iſt, Hitze. Freyes Feuer breitet219 ſich ſo lang durch alle benachbarte Koͤrper aus, bis ſie alle einerley Temperatur haben, d. i. bis das Thermometer bey allen gleich hoch ſtehet. Gebundnes Feuer hingegen heißt dasjenige, welches weder auf das Gefuͤhl, noch auf das Thermometer wirkt, ſondern gleichſam einen bleibenden Beſtandtheil der Koͤrper auszumachen ſcheint.

Jede Materie, welche von allen Seiten mit freyem Feuer oder mit waͤrmern Koͤrpern umgeben iſt, wird dadurch waͤrmer, wofern nicht etwa ein Theil der Waͤrme dabey gebunden und unthaͤtig gemacht wird. Sind die Maſſen, die ſich beruͤhren, gleichartig, ſo vertheilt ſich der Ueberſchuß der Hitze der waͤrmern uͤber die kaͤltere unter die ganze Maſſe gleichfoͤrmig. Wenn alſo a, b, die Maſſen zweener zu vermiſchenden Koͤrper, m, n, die ihnen zugehoͤrigen Grade der Waͤrme ſind, ſo wird der Grad der Waͤrme der Miſchung = (am+bn / a+b) ſeyn. Dies iſt die ſchon von Richmann (Nov. Comment. Petrop. Tom. I. p. 152. 168. ſqq. ) angegebne Regel, bey welcher uͤbrigens kleine Abweichungen von den Verſuchen nicht befremden duͤrfen, theils, weil doch bey jeder Vermiſchung ungleich warmer Materien etwas Waͤrme verlohren geht, theils, weil gleiche Grade des Thermometers bey weitem nicht vollkommen gleiche Vermehrungen oder Verminderungen der Waͤrme anzeigen. Aus dieſer Regel laͤßt ſich unter andern auch finden, wie viel Waſſer u. dgl. von gegebnen Temperaturen m, n man zuſammen gießen muͤſſe, um eine Miſchung von einer mittlern Temperatur μ daraus zu erhalten. Aus μ = (ma+nb / a+b) folgt a: b = μ n: m μ. Man ſoll z. B. eine Miſchung von 86 Grad Temperatur aus kaͤlterm Waſſer von 50 Grad, und waͤrmern von 110 Grad hervorbringen; ſo werden ſich die dazu noͤthigen Antheile des kaͤltern und waͤrmern Waſſers, wie 110 86: 86 50 = 24: 36 = 2: 3 verhalten muͤſſen.

Dieſe Regel trift mit ziemlicher Genauigkeit zu, wenn die vermiſchten Materien gleichartig, z. B. beyde Waſſer,220 beyde Queckſilber, ſind. Bey Vermiſchung ungleichartiger Maſſen aber fallen die Reſultate ganz anders aus. Wird 1 Pfund Waſſer von 110 Grad Waͤrme mit 14 Pfunden Queckſilber von 50 Grad Waͤrme vermiſcht, ſo ſollte die Miſchung den vorigen Regeln zu Folge (110+14. 50 / 15) = 54 Grad Waͤrme haben; ſie erhaͤlt aber, wenn man den Verſuch wirklich anſtellt, 86 Grad empfindbare Waͤrme oder freyes Feuer. Dies zeigt offenbar, daß 4 Pfunde Queckſilber nicht ſo viel Feuer oder Waͤrme binden und unthaͤtig machen, als 14 Pfunde Waſſer.

Um aus 1 Pfund Waſſer von der Temperatur 110 Grad eine Miſchung von 86 Grad Temperatur zu bereiten, haͤtte man, der vorigen Rechnung zu Folge, 2 / 3 Pfund Waſſer von 50 Grad Temperatur hinzuthun muͤſſen. Dieſe 2 / 3 Pfund Waſſer haͤtten alſo eben ſo viel freyes Feuer gebunden, als 14 Pfund Queckſilber. Mithin nimmt 1 Pfund Waſſer eben ſo viel Waͤrme an, als 21 Pfund Queckſilber; oder das Vermoͤgen des Waſſers, Waͤrme anzunehmen und zu binden, iſt 21mal groͤßer, als das aͤhnliche Vermoͤgen einer gleichen oder gleich ſchweren Maſſe Queckſilber. Dieſes wird jedesmal ſtatt finden, wo Waſſer und Queckſilber ſich zuſammen erhitzen und abkuͤhlen. Man nennt die Zahl, welche ausdruͤckt, wie viel mehr oder weniger Waͤrme ein beſtimmtes Gewicht von einer gewiſſen Materie dem Waſſer mittheilt oder auch wieder von ihm annimmt, als ein gleiches Gewicht Waſſer von gleicher Temperatur, die ſpecifiſche Waͤrme der Materie. In dieſem Sinne iſt (1 / 21) die ſpecifiſche Waͤrme des Queckſilbers, wenn die des Waſſers = 1 iſt. Es iſt eigentlich die Faͤhigkeit des Queckſilbers, Waͤrme zu binden, 21mal geringer, als eben dieſe Faͤhigkeit des Waſſers, oder durch eben die Menge Feuer wird Queckſilber 21mal ſtaͤrker erhitzt, als eine gleiche Maſſe Waſſer; daher man dieſe ſpecifiſche Waͤrme auch Capacitaͤt zu nennen pflegt. Von den Unterſuchungen uͤber die ſpecifiſche Waͤrme der Koͤrper, und den Tabellen, welche Kirwan, Wilke u. a. hieruͤber mitgetheilt haben,221 wird unter dem Artikel: Waͤrme, ſpecifiſche etwas mehreres vorkommen.

Abſolute Waͤrme hingegen heißt die Summe aller in einem gegebnen Koͤrper enthaltenen Waͤrme - Materie. Bey gleichartigen Materien von gleicher Temperatur werden ſich natuͤrlich die abſoluten Waͤrmen, wie die Maſſen verhalten. Bey ungleichartigen Materien aber, oder beym Uebergange der Koͤrper aus einem Zuſtande in den andern findet ſich hierinn eine ſehr große Verſchiedenheit. Schon Wilke (Von des Schnees Kaͤlte beym Schmelzen, in den ſchwed. Abhdl. 34. Band fuͤr das Jahr 1772. S. 93.) hat einen merkwuͤrdigen hieher gehoͤrigen Verſuch angeſtellt. Wenn man 162° warmes Waſſer mit 32° kaltem zu gleichen Theilen vermiſcht, ſo iſt die Temperatur der Miſchung den obigen Regeln gemaͤß 97°. Miſcht man aber mit eben dem warmen Waſſer gleich viel 32° kaltes Eis oder Schnee dem Gewicht nach, ſo ſteigt die Temperatur des Gemiſches nicht uͤber 32°, und es bleibt oft noch ein Theil des Schnees ungeſchmolzen. Hieraus erhellet augenſcheinlich, daß das 32° kalte Eis, um ein eben ſo kaltes Waſſer zu werden, ſo viel Feuer noͤthig hat, als ſonſt hinreichend iſt, eine gleiche Quantitaͤt Waſſer bis auf 162° zu erhitzen, oder daß es 130° Waͤrme verſchluckt und bindet, daß ſie nicht mehr aufs Gefuͤhl und Thermometer wirken kan. Dagegen muß das Waſſer beym Gefrieren, oder wenn es ſich in Eis verwandelt, eben ſo viel Feuer oder abſolute Waͤrme abſetzen. Aehnliche Phaͤnomene zeigen ſich beym Zerſchmelzen und Anſchießen der Salze, bey dem Erſtarren der geſchmolzenen Metalle, bey der Verwandlung des Waſſers in Daͤmpfe und der Verdichtung der letztern zu Waſſer. Man hat hierauf Methoden gegruͤndet, die Menge der abſoluten Waͤrme in den Koͤrpern zu beſtimmen, d. i. auszumachen, wie hoch ſie ein Thermometer treiben wuͤrde, wenn man ſie auf einmal in Freyheit ſetzte. So hat man gefunden, daß eiskaltes noch nicht gefrornes Waſſer noch ſo viel gebundne Waͤrme enthaͤlt, daß dieſelbe, wenn ſie auf einmal frey wuͤrde, eine empfindbare Hitze von 1300 fahrenheitiſchen Graden erregen wuͤrde, eine Hitze, welche uͤberfluͤßig hinreichend222 iſt, Eiſen rothgluͤhend zu machen. ſ. Waͤrme, abſolure.

Nach den hieruͤber angeſtellten Verſuchen enthaͤlt die gemeine Luft gegen 19mal mehr Feuer oder abſolute Waͤrme, und die dephlogiſtiſirte gegen 87mal mehr als ein gleiches Gewicht Waſſer von gleicher Temperatur; auch die gemeine Luft 69 und die dephlogiſtiſirte 322mal mehr, als das Gewicht gleich viel fixer und phlogiſtiſirter Luft. Die Metalle enthalten weniger Feuer, als ihre Kalke, z. B. der Spießglaskoͤnig, beynahe 3mal weniger, als der Spießglaskalk. Vitriolſaͤure enthaͤlt mehr denn 4mal ſo viel Feuer, als der Schwefel; das Pulsadernblut mehr, als das in den Blutadern; das Waſſer mehr als das Eis. Mehrere Beyſpiele hievon zeigen die bey dem Worte: Waͤrme, ſpecifiſche mitgetheilten Tabellen. Alle dieſe Beyſpiele aber ſcheinen nachfolgende Regel zu beſtaͤtigen.

Wenn mit einer Maſſe mehr Phlogiſton verbunden wird, ſo wird dadurch ihre Faͤhigkeit, das Feuer zu binden, vermindert, und ein Theil ihrer abſoluten Waͤrme ausgetrieben. Wird ihr hingegen Phlogiſton entzogen, ſo wird ihre Faͤhigkeit, das Feuer zu binden, verſtaͤrkt, und ſie verſchluckt einen Theil des Feuers aus den ſie beruͤhrenden Koͤrpern.

Dieſem Grundſatze. zu Folge ſieht Crawford das Phlogiſton als ein dem Feuer entgegengeſetztes Weſen an, deſſen Vereinigung mit einem Koͤrper das Feuer aus demſelben heraus treibt, dagegen durch die Wirkung des Feuers auf eine Maſſe die Anziehung derſelben gegen das Phlogiſton vermindert wird. Er erklaͤrt hieraus die Unterhaltung der Waͤrme in den Koͤrpern der lebenden Menſchen und Thiere (ſ. Athemholen, Waͤrme, thieriſche) ingleichen die Entzuͤndung und Verbrennung, nebſt den meiſten dabey vorkommenden Erſcheinungen ſehr gluͤcklich.

Freyes Feuer wirkt auf alle Koͤrper, welche Brennbares enthalten, als Aufloͤſungsmittel. Koͤmmt nun hiezu ein freyer Zutritt der Luft, deren reiner Theil eine ſtarke Verwandſchaft gegen das Phlogiſton hat, ſo wird dieſelbe ſich mit dem aus dem Koͤrper entwickelten Phlogiſton verbinden,223 und dagegen ihr Feuer fahren laſſen, das ſich theils mit dem Koͤrper verbindet, der das Phlogiſton hergab, theils ſich als frey in der benachbarten Luft vertheilt, und daher eine empfindbare oft ſehr heftige Hitze erregt. Die atmoſphaͤriſche Luft, mit deren reinem Theile ſich das Phlogiſton verbindet, wird dadurch in fixe oder phlogiſtiſirte Luft verwandelt, deren ſpecifiſche Waͤrme 322mal geringer iſt, als die der dephlogiſtiſirten. Man kan ſich hieraus einen Begrif von der großen Menge des Feuers machen, welches bey der Verbrennung der Koͤrper aus der Luft entbunden oder frey wird, beſonders, wenn ein beſtaͤndiger Luftzug immer friſche Luft herbey fuͤhrt, oder die Verbrennung in dephlogiſtiſirter Luft geſchieht, in welcher Eiſendraͤthe und Uhrfedern wie Schwefelfaden verbrennen.

Das freygewordene Feuer wird dem Geſuͤhl als Waͤrme oder Hitze empfindbar; in ſehr vielen Faͤllen aber wird es auch dem Geſicht als Licht merklich, wie bey dem Gluͤhen und der Flamme. Die letztere ſcheint ein in Luftgeſtalt abgeſchiedenes Phlogiſton, nach Volta und Kirwans Vorſtellungen ein entzuͤndetes brennbares Gas zu ſeyn, das ſich vielleicht ſo lang als Flamme zeigt, bis es ſeine Luftgeſtalt verlohren und ſich mit der atmoſphaͤriſchen Luft vereiniget hat. Ein Theil des abgeſchiedenen Phlogiſtons bleibt noch mit den uͤbrigen vom brennenden Koͤrper abgetrennten Theilen verbunden, welche in Geſtalt des Rauches davon gehen, eine Menge Feuertheile mit ſich nehmen, und dieſe in den hoͤhern Gegenden wiederum der Atmoſphaͤre uͤberlaſſen. Daß uͤbrigens in der Flamme einer Kerze die Hitze ſo heftig, in einer geringen Entfernung davon aber nur ſchwach iſt, ruͤhrt daher, weil eben die Feuermenge, welche die phlogiſtiſirte Luft bis auf einen ungeheuren Grad erhitzt, die gemeine atmoſphaͤriſche Luft nur bis auf einen ſehr maͤßigen Grad erwaͤrmet.

Hieraus erklaͤrt ſich, warum das Feuer nicht fortbrennet, wenn die umher befindliche Luft weggenommen wird, oder wenn ſie bereits mit Phlogiſton geſaͤttiget iſt; weil ſie nemlich alsdann keines weiter aufnehmen kann, daher auch keines weiter von der brennenden Maſſe abgeſondert wird. 224Eben ſo erfordert auch die Verkalkung der Metalle im Feuer den Zugang der freyen Luft, und in einem verſchloſſenen Gefaͤße kan nur eine beſtimmte Menge Metall verkalkt werden, ſo lange bis die eingeſchloſſene Luft phlogiſtiſiret iſt. Feuer und Luft wirken alſo bey jeder Verbrennung gemeinſchaftlich als Aufloͤſungsmittel; das erſte zerlegt den brennenden Koͤrper, indem die Luft ſich mit dem Phlogiſton verbindet, und dagegen den in ihr enthaltenen Vorrath von Feuer hergiebt. Durch einen Strom friſcher Luft aus einem Blaſebalge, durch Blaſen, durch das Loͤthrohr u. dgl. wird die Hitze verſtaͤrkt, beſonders wenn die hinzugeblaſene Luft ſehr rein iſt, weil mit der friſchen Luft ein neuer Vorrath von Feuer hinzugefuͤhret, und zugleich die phlogiſtiſirte Luft, welche den brennenden Koͤrper umgiebt, hinweggetrieben wird.

Es kan Stoffe geben, welche von einer ſchwachen unſerm Gefuͤhl kaum merklichen Waͤrme ſchon ſo weit zerlegt werden, daß etwas Phlogiſton aus ihnen ausgeht. Sobald dies mit der Luft in Beruͤhrung koͤmmt, kan Hitze und Entzuͤndung entſtehen. So erklaͤrt ſich die Selbſtentzuͤndung des Phoſphorus und Pyrophorus an der Luft. Schlechter Pyrophorus wird wenigſtens an der Luft warm, und zeigt einen Schwefelgeruch. Wenn Saͤuren und Oele einander mit Heftigkeit zerſetzen, ſo wird die umliegende Luft ploͤtzlich phlogiſtiſirt, ſie muß alſo dagegen viele Feuermaterie abſetzen, welche die Miſchung bis zur Entzuͤndung erhitzen kan. Hieraus erklaͤren ſich die ploͤtzlichen Erhitzungen der Miſchungen des Saſſafras - Guajak - oder Nelkenoͤls mit rauchender Salpeterſaͤure, die Selbſtentzuͤndung des mit Kienruß, Hanf und Flachs vermiſchten Hanfoͤles und Leinoͤles, die Entſtehung der Hitze und Flamme bey der Verwitterung der Kieße, in den Miſchungen aus Eiſen, Schwefel und Waſſer, und bey der Faͤulniß, wobey ſich ebenfalls viel Phlogiſton entbindet, welches die Urſache der Erhitzung des in den Scheuren naß aufgehaͤuften Heus iſt.

Dieſe ſehr ſinnreiche Theorie iſt von den Naturforſchern mit ungemeinem Beyfall aufgenommen worden: auch ſind225 die von Morgan dagegen gemachten Einwendungen von keiner Erheblichkeit. Herr de Luͤc, welcher weit ſtaͤrkere Zweifel gegen dieſe Hypotheſe vorgetragen hat, verſichert (Idées ſur la metéorologie §. 168.), D. Crawford habe ihm eingeſtanden, daß er mit ſeinen bisherigen Verſuchen zwar ſelbſt nicht ganz zufrieden ſey, aber doch alle ihm gemachte Zweifel zu heben hoffe. De Luͤc's Theorie vom Feuer.

De Luͤc (Neue Ideen uͤber die Meteorologie, Berlin und Stettin, 1787. 8. Erſter Theil, §. 115 264.) ſetzt das Feuer unter die Klaſſe der Duͤnſte, die er von der Klaſſe der luftfoͤrmigen Subſtanzen unterſcheidet. Alle Subſtanzen beyder Klaſſen beſtehen nach ſeinem Syſtem aus einer fortleitenden Fluͤßigkeit (fluide deferent) und einer bloß ſchweren Subſtanz (ſubſtance purement grave), die ſich bey den Duͤnſten von jener Fluͤßigkeit durch bloßen Druck losmacht, bey den luftfoͤrmigen Subſtanzen aber weit feſter mit ihr zuſammenhaͤngt. Bey den Duͤnſten macht ſich das fortleitende Fluidum ſeiner Seits auch von ſelbſt frey, um ſein Gleichgewicht herzuſtellen; und es giebt der ſchweren Subſtanz mehr ausdehnende Kraft, wenn es in mehrerm Ueberfluſſe zugegen iſt. Beym Feuer nun haͤlt de Luͤc die fortleitende Fluͤßigkeit fuͤr das Licht, und giebt der blos ſchweren Subſtanz den Namen der Feuermaterie; ob er gleich geſteht, daß ihm dieſe Subſtanz, als von dem Lichte abgeſondert, und fuͤr ſich allein exiſtirend, gaͤnzlich unbekannt ſey. Das Licht verliert durch ſeine Verbindung mit der Feuermaterie das Vermoͤgen zu leuchten, erzeugt aber dagegen ein neues ſehr auszeichnendes Phaͤnomen, die Waͤrme. Das Feuer hat eine groͤßte Dichtigkeit, uͤber welche hinaus ſich ein Theil davon zerſetzt und alſo wieder leuchtend wird. Dieſes Groͤßte iſt das Gluͤhen, und die hoͤchſte Stufe deſſelben das Weißgluͤhen, wobey die Zerſetzung des Feuers ſich auf alle Klaſſen der Lichttheilchen erſtreckt. Durch dieſes Groͤßte wird der Grad der Hitze, den wir durch Kunſt hervorbringen koͤnnen, die Ofenwaͤrme, eingeſchraͤnkt, deren Wirkungen Ausdehnung, Schmelzung226 und Verdampfung ſind. Wenn ein eiſerner Stab ſchnell rings herum geſchmiedet wird, ſo wird er bald gluͤhen, oder Licht und Waͤrme verbreiten. Dieſe zwey Phaͤnomene aber werden nicht durch einerley Fluidum erzeugt. Das Licht wird befreyt durch die Zerſetzung des einen Theils vom Feuer, die Waͤrme iſt die Wirkung desjenigen Feuers, das unzerſetzt entwichen iſt.

Die Sonnenſtralen ſind nicht an und fuͤr ſich warm, oder waͤrmend: das Licht muß ſich erſt mit einer andern Subſtanz verbinden, um Feuer zu werden, und die Sonnenſtralen beſitzen nur das Vermoͤgen, dieſe in den Koͤrpern enthaltene Subſtanz, oder die Feuermaterie, zu entwickeln. Hieraus erklaͤren ſich die ſonſt raͤthſelhaften Unterſchiede der Temperaturen an Orten von einerley Breite, der in der Atmoſphaͤre ſelbſt in der dunkelſten Nacht nech uͤbrig bleibende Lichtſchimmer, und die Kaͤlte in den obern Schichten der Atmoſphaͤre, welche doch wenigſtens eben ſo ſehr, als die untern, von der Summe der einfallenden und zuruͤckgeworfenen Sonnenſtralen durchſtrichen werden. Dieſen Theil ſeines Syſtems hatte Herr de Luͤc bereits in den phyſikaliſchen und moraliſchen Briefen uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen (141ſter Brief u. f.) vorgetragen (ſ. Syſtem uͤber die Waͤrme, in den leipziger Sammlungen zur Phyſik und Naturgeſchichte, II. B. 6tes Stuͤck. S. 643.).

Waͤrme iſt ihm Wirkung des freyen Feuers in andern Subſtanzen, oder der wirkliche Grad der ausdehnenden Kraft des freyen Feuers. Mit dieſer ausdehnenden Kraft ſteht die Groͤße der Waͤrme im Verhaͤltniß, nicht mit der Dichte des Feuers ſelbſt. Herr de Luͤc bemuͤht ſich hiebey, aus dem Naturſyſtem des Herrn le Sage, welches ganz auf Stoß und Bewegung gegruͤndet iſt, den Satz herzuleiten, daß alle ausdehnbare Fluͤßigkeiten im Verhaͤltniß ihrer Menge und der Geſchwindigkeit ihrer Bewegung wirken muͤſſen, und daß diejenigen Subſtanzen die meiſte Capacitaͤt fuͤr das Feuer oder fuͤr die Waͤrme haben oder um gleich heiß zu werden, die groͤßte Menge Feuer erfordern, in denen die Feuertheilchen bey ihrer Bewegung durch die Kleinheit oder durch die Form der Poren am oͤfterſten aufgehalten227 werden. Denn, ſagt er, da jedes Theilchen hier weniger Kraft hat, ſo iſt eine deſto groͤßere Menge noͤthig, um eben dieſelbe totale ausdehnende Kraft zu aͤußern, oder eben denſelben Grad der Waͤrme hervorzubringen. Da nun die Luft vom Feuer ſehr frey durchdrungen werden kan, ſo ſoll ſie nach dieſem Syſtem eine ſehr geringe Capacitaͤt fuͤr die Waͤrme haben, ob ihr gleich Crawford eine ſehr große beylege, die nemlich 19mal groͤßer, als die Capacitaͤt des Waſſers, ſey. Dieſe Angabe, ſagt de Luͤc, ſey auf ganz unrichtige Vorſtellungen von Capacitaͤt gegruͤndet; man muͤſſe bey den Verſuchen nicht gleiche Gewichte, ſondern gleiche Volumina vergleichen; ſo finde man aus den nemlichen Verſuchen die Capacitaͤt der Luft nur (1 / 43) von der Capacitaͤt des Waſſers; und dies ſey viel zu wenig, um aus den Veraͤnderungen, welche in einer ſo geringen Capacitaͤt vorgehen koͤnnten, mit Crawford die große bey der Verbrennung entſtehende Waͤrme zu erklaͤren. Ueberhaupt ſey das, was Crawford Capacitaͤt oder ſpecifiſche Waͤrme nenne, nichts weiter, als das laͤngſtbekannte Phaͤnomen (Recherches ſur les modif. de l'atmoſph. par de Luc. §. 973.), daß man aus gleichen Thermometerſtaͤnden nicht auf gleiche Mengen Feuer ſchließen duͤrfe.

Das Feuer hat eigne Verwandſchaften, und geht dadurch in die Zuſammenſetzung der meiſten feſten, fluͤßigen und elaſtiſchen Subſtanzen ein. Es tritt weſentlich in die Zuſammenſetzung aller brennbaren feſten Koͤrper, und blos von dieſem im brennbaren Koͤrper enthaltenen Feuer ruͤhrt die Waͤrme her, welche durch das Verbrennen hervorgebracht wird, wenn die dephlogiſtiſirte Luft ſich nicht dabey zerſtoͤrt, und blos durch fixe Luft erſetzt wird. Dies geſchieht z. B. bey der Verbrennung der Kohle, nach den hieruͤber angeſtellten Verſuchen der Herren Lavoiſier und de la Place (Mém. ſur la chaleur in den Mém. de l' acad. roy. des Sciences, ann. 1780. und deutſch in Lavoiſiers phyſiſch - chymiſchen Schriften, uͤberſ. von Weigel, zter Band, Greifswald. 1785. 8. S. 292. u. f.). Bey der Verbrennung des Phosphorus hingegen wird die dephlogiſtiſirte Luft wirklich zerſtoͤrt; dadurch wird auch das228 in ihr enthaltene Feuer frey, koͤmmt zu dem, was der brennende Koͤrper hergiebt, noch hinzu, und die Waͤrme wird daher in dieſem Falle weit ſtaͤrker, als in jenem, wo die dephlogiſtiſirte Luft ſich nicht zerſetzte. Nach den Verſuchen der Herren Lavoiſter und de la Place iſt bey gleich viel dephlogiſtiſirter Luft die Waͤrme bey der Verbrennung des Phoſphorus zu der bey Verbrennung der Kohle, wie 7 zu 3.

Wenn ſich die dephlogiſtiſirte Luft durch das Verbrennen zerſtoͤrt, ſo bringt die brennbare Subſtanz entzuͤndbate Luft hervor. Wenn ſich aber die dephlogiſtiſirte Luft nicht zerſetzt, ſo geht nur dasjenige, was ſonſt in die Zuſammenſetzung der brennbaren Luft koͤmmt, und was vielleicht das ſogenannte Phlogiſton iſt, in die Luft uͤber, und ſie wird dadurch fixe Luft. Die Entſtehung der entzuͤndbaren Luft in einer brennbaren Subſtanz reicht aber nicht zu, um das Verbrennen hervorzubringen; es iſt noch noͤthig, daß dieſe Luft, wenn ſie in Beruͤhrung mit der dephlogiſtiſirten koͤmmt, einen gewiſſen Grad der Waͤrme habe, welchen Herr de Luͤc nach einem Verſuche uͤber die freywillige Entzuͤndung des Baumoͤls auf den 275ſten Grad ſeiner Scale oder etwa auf 650 Grad des fahrenheitiſchen Thermometers ſetzt. Wenn dieſer Grad, den er die brennen - de Waͤrme nennt, vorhanden iſt, ſo iſt die Erzeugung des Feuers ſehr heftig. Wenn man eine Waͤrme von dieſem oder einem noch hoͤhern Grade in den brennenden Koͤrpern unterhalten kan, ſo ſcheint dies eins von den kraͤftigſten Mitteln zu Erzeugung neuer Waͤrme zu ſeyn, weil hiebey eine Zerſtoͤrung der dephlogiſtiſirten Luft, ſtatt ihrer bloßen Verwandlung in fixe, entſteht. Hierdurch wird nun auch eine fortgeſetzte Hervorbringung einer brennbaren Luft, begleitet mit dem noͤthigen Grad der Waͤrme, veranlaſſet, welche ſich mit der dephlogiſtiſirten im Augenblicke der Beruͤhrung entzuͤndet und zerſetzet. Durch dieſe Zerſetzung verwandeln ſich beyde Luftarten in einen mit freyem Feuer uͤberladnen Waſſerdunſt. Dieſer Dunſt iſt die Flamme; die große Waͤrme, welche ſie erzeugt, koͤmmt von einer großen Menge von ploͤtzlich beſreytem Feuer, und ihre Helligkeit von der Zerſetzung eines Theils dieſes229 Feuers her. Nachdem der Waſſerdunſt ſein Feuer an dem Orte, den die Flamme anzeigt, fahren gelaſſen hat, ſo vermiſcht er ſich mit der obern Luft, und erhebt ſich ſchnell mit ihr; daher folgt die untere Luft nach, und erneuert unaufhoͤrlich dieſelben Wirkungen. Dies erlaͤutert Herr de Luͤc durch das Beyſpiel der Lampe des Herrn Argand, bey welcher im Innerſten des hohlen Dachtes ſters eine große Hitze unterhalten wird. Wenn man uͤber der Flamme dieſer Lampe einen Helm mit einem Schnabel anbringt, ſo kan man in zwo Stunden eine halbe Unze voͤllig reines Waſſer ſammlen ein offenbarer Beweiß, daß ſich hier die im Innern des Dachts erzeugte brennbare Luft mit der dephlogiſtiſirten wirklich zerſetze, und einen Waſſerdunſt bilde. Wenn hingegen ein Licht auf die gemeine Art in atmoſphaͤriſcher Luft brennt, ſo wird aus Mangel an genugſamer innern Waͤrme des Dachts keine reine brennbare Luft entbunden; daher wird die dephlogiſtiſirte Luft der Atmoſphaͤre nicht zerſetzt, nur in fixe verwandlet. Dadurch entſteht weniger Feuer; auch geſchieht die Erneurung der Luft nicht geſchwind genug. Die fixe Luft iſt nach Lavoiſier im Verhaͤltniß 70 zu 47 ſchwerer, als die gemeine, und kann alſo, ob ſie gleich ſtark erwaͤrmt wird, dennoch ihrer Schwere wegen nur langſam aufſteigen, und der ſriſchen atmoſphaͤriſchen Luft Platz machen.

Auch die Fluͤßigkeit iſt nichts anders, als eine Wirkung der Verbindung einer gewiſſen Menge Feuer mit den Theilen der Koͤrper. Wenn ein feſter Koͤrper durch Feuer fluͤßig wird, z. B. wenn Eis zerſchmelzt, ſo kan dasjenige Feuer, welches das Fluͤßigwerden oder die Zerſchmelzung bewirkt, natuͤrlich nichts weiter bewirken, es geht alſo fuͤr das Thermometer und fuͤr das Gefuͤhl verlohren. D. Black hat gefunden, daß ſchmelzendes Eis einer gleich großen Menge Waſſer 140 Grad Waͤrme nach Fahrenheit entziehe. Wenn man z. B. eine Maſſe Eis von der Temperatur 32° mit einer gleichen Menge Waſſer von 172° vermiſcht, ſo hat nach der Schmelzung des Eiſes die ganze Waſſermaſſe 32°. Hiemit ſtimmen auch die Verſuche der Herren de la Place und Lavoiſier bis auf einen unbedeutenden230 Unterſchied uͤberein (auch der im Vorigen angefuͤhrte Verſuch des Herrn Wilke, nur daß dieſer ſtatt 172, 162, mithin ſtatt 140 nur 130 hat). Dieſe gleichſam verſchwundene Waͤrme nennt D. Black verborgene Waͤrme des Waſſers: de Luͤc will ſie lieber verborgenes Feuer nennen. Nach der Bemerkung des Herrn Lichtenberg in Goͤttingen in einem Briefe an de Luͤc vom 21 Maͤrz 1785 mag wohl die Menge dieſes verborgenen Feuers bey heißerm Waſſer immer groͤßer werden, weil heißeres Waſſer fluͤßiger iſt, oder mehr Tropfen giebt, als kaltes, mithin die Waͤrme, welche gebraucht wird, das vorher ſchon fluͤßige noch fluͤßiger zu machen, verborgene wird, oder fuͤr das Thermometer verlohren geht. Bey dem Gefrieren aͤußert ſich gerade das Gegentheil, und das verborgene Feuer wird wieder wirkſam. Es iſt bey dem Artikel: Eis angefuͤhrt worden, daß das Waſſer bis unter die Temperatur des Eispunkts erkalten kan, ohne zu gefrieren. Gefriert es aber alsdann durch Beruͤhrung, Schuͤtteln u. dgl., ſo nimmt es augenblicklich die Temperatur des Eispunktes an, und wird alſo waͤrmer. Dieſe Waͤrme iſt eine Wirkung des verborgenen Feuers, welches die gefrierenden Theile abſetzen.

Nach Crawford wuͤrde man alle dieſe Phaͤnomene daraus erklaͤren, daß das Waſſer mehr ſpecifiſche Waͤrme, als das Eis, hat, daß alſo bey der Verwaudlung des Eiſes in Waſſer, und bey allen Schmelzungen uͤberhaupt, Waͤrme oder Feuer verlohren gehen muß. Aber Herr de Luͤc beſtreitet hier ſehr eifrig die Crawfordiſchen Ideen von Capacitaͤt, d. i. von Faͤhigkeit, Feuer zu binden oder von ſpecifiſcher Waͤrme. Er fuͤhrt zuerſt an, es ſey unſicher, die ſpecifiſchen Capacitaͤten der Subſtanzen aus Verſuchen mit einerley Subſtan; unter verſchiedenen Temperaturen herzuleiten, weil die Subſtanzen mit der Temperatur zugleich auch die Capacitat aͤndern koͤnnten. Hierauf fuͤgt er hinzu, die Capacitaͤt (d. i. nach ihm die Menge von Feuer, welche in einer gewiſſen Subſtanz erforderlich iſt, um einen beſtimmten Grad der Ausdehnung hervorzubringen) haͤnge von der Beſchaffenheit der Poren der Koͤrper ab, und koͤnne231 bey gleichen Graden der Ausdehnung dennoch verſchieden ſeyn, daher ſey es falſch, die abſoluten Mengen der ſpecifiſchen Waͤrme proportionell anzunehmen: ferner ſetzten alle Crawfordiſche Berechnungen die ſich auf Grade des Thermometers bezoͤgen, und deren Unterſchiede als abſolute Mengen der Waͤrme betrachteten, voraus, daß man die abſoluten Mengen der Waͤrme in den Koͤrpern kennte, welches doch der Fall gar nicht ſey, daher auch in den Schluͤſſen, durch welche C. ſeinem Syſtem gemaͤß abſolute Waͤrmen zu beſtimmen ſuche, ein beſtaͤndiger Cirkel bleibe. Ueberhaupt habe man ſich bisher bey Schaͤtzung der in den Koͤrpern enthaltenen abſoluten Waͤrme ſehr geirrt. Man ſey durch Brauns Verſuch uͤber das Gefrieren des Queckſilbers verleitet worden, zu glauben, daß ſelbſt bey den kaͤlteſten Temperaturen noch viel Feuer in den Koͤrpern ſey: aber die neuern Verſuche des Hutchins (Philoſ. Trans. Vol. LXXIII. P. 2. ), nach welchen das Queckſilber ſchon bey 40° fahrenheitiſcher Scale gefriert, ſ. Gefrierung, gaͤben hievon ganz andere Begriffe. Endlich fuͤgt er noch hinzu, die ganze Idee von Capacitaͤt erklaͤre nur einen Nebenumſtand, und laſſe die Hauptſrage, wodurch und wie eigentlich das Schmelzen u. dgl. bewirkt werde, ganz unbeantwortet.

Herr de Luͤc glaubt, beym Zerſchmelzen werde der feſte Koͤrper in einen fluͤßigen durch eine Verbindung des Feuers mit ſeinen Theilen vermoͤge einer chymiſchen Verwandſchaft verwandelt; die Verminderung der Waͤrme aber entſtche daher, weil das Feuer, welches ſo mit den Theilen des Koͤrpers verbunden wird, hiedurch ſelbſt aufhoͤrt, zur Waͤrme beyzutragen. Dies geſchieht wenigſtens in allen Faͤllen, wo das Schmelzen unmittelbar durch die Waͤrme allein bewirkt wird. In andern Faͤllen, wo beym Schmelzen andere chymiſche Operationen mitwirken, (z. B. wenn man Eis mit Kochſalz miſcht) ſcheint weniger Feuer verlohren zu gehen; die Urſache hievon aber liegt darinn, weil das Salz durch ſeine Aufloͤſung und Zerſetzung das in ihm enthaltene Feuer mit hergiebt. 232

Endlich nimmt Herr de Luͤc an, daß in den meiſten Subſtanzen verborgenes Feuer vorhanden ſey, und daß das Feuer insbeſondere bey allen luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten das fortleitende Fluidum (fluide deferent) ausmache. Er ſucht umſtaͤndlich zu erweiſen, daß der Grad der fuͤhlbaren Waͤrme mehr von der Erzeugung und Zerſetzung ſolcher luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten, als von der Capacitaͤt der Koͤrper herruͤhre, und daß beſonders die reine und die brennbare Luft ſehr viel Feuer enthalten. Die chymiſchen Unterſchiede der Luftgattungen leitet er von den verſchiedenen Verwandſchaften ihrer Beſtandtheile mit dem Feuer ab.

Es iſt nicht zu laͤugnen, daß ſich aus ſeinen Saͤtzen eine zahlreiche Menge von Phaͤnomenen ſehr gluͤcklich erklaͤren laͤßt, und daß er der Crawfordiſchen Theorie einige ſehr ſtarke Gruͤnde entgegengeſetzt hat: wenn er aber mit Herrn le Sage auf die erſten mechaniſchen Urſachen der Dinge zuruͤckgehen will, und den Theilchen des Feuers, wenn es frey iſt, eine Bewegung in Schneckenlinien, oder die Bewegung eines Koͤrpers zuſchreibt, der ſich um eine andere Axe drehet, als um die er ſich fortbewegt, ſo moͤchten ſo kuͤhne carteſianiſche Behauptungen wohl noch zu fruͤhzeitig fuͤr den gegenwaͤrtigen Zuſtand der Wiſſenſchaft ſeyn.

Macquers chymiſches Woͤrterbuch mit Herrn Leonhardi Zuſaͤtzen, Art. Feuer.

Karſtens Anleitung zur gemeinnuͤtzlichen Kenntniß der Natur, Halle, 1783. 8. XXVI. Abſchnitt.

Erxlebens Anfangsgruͤnde der Naturlehre mit Zuſaͤtzen v. G. C. Lichtenberg. Goͤttingen, 1787. 8. IX. Abſchnitt, §. 494 b u. f.

Neue Ideen uͤber die Meteorologie von I. A. de Luͤc, aus dem Franz. uͤberſ. Berlin, 1787. II. Baͤnde, gr. 8., I. Band, §. 115 264.

Feuer, unterirdiſches, ſ. Centralfeuer, Vulkane.

Feuer (St. Elmus) ſ. Wetterlicht.

Feuerbeſtaͤndig, Fix, Fixum, Fixe.

So wird ein Koͤrper genannt, wenn er durch das Feuer nicht in233 Daͤmpfe verwandelt werden kan. Dem Feuerbeſtaͤndigen wird das Fluͤchtige entgegengeſetzt, ſ. Fluͤchtig.

Da wir die letzten Stufen der Wirkſamkeit des Feuers nicht kennen, ſo koͤnnen wir auch nicht wiſſen, ob es Koͤrper giebt, die ſelbſt bey den hoͤchſten Graden dieſer Wirkſamkeit nicht in Daͤmpfe verwandelt werden, d. h. die abſolut feuerbeſtaͤndig ſind. Man kan alſo in der Chymie immer nur von einer relativen Feuerbeſtaͤndigkeit reden, welche ſich auf einen gewiſſen Grad der Wirkſamkeit des Feuers bezieht. So nennt man die Vitriolſaͤure feuerbeſtaͤndig, nicht als ob ſie allen Graden des Feuers widerſtaͤnde, ſondern weil ſie weit weniger fluͤchtig iſt, als die uͤbrigen Saͤuren. Die Halbmetalle, z. B. den Spießglaskoͤnig, kan man in Vergleichung mit den weſentlichen Oelen und dem Aether feuerbeſtaͤndig, in Vergleichung mit den Metallen fluͤchtig nennen. Die feuerbeſtaͤndigſten Subſtanzen unter allen bekannten ſind die reinen erdichten Grundſtoffe.

Die Urſache der Feuerbeſtaͤndigkeit ſcheint entweder in der geringen Ausdehnung der Subſtanzen durch die Waͤrme, oder noch wahrſcheinlicher darinn zu liegen, daß die umgebende Materie, welches bey den chymiſchen Operationen gemeiniglich die Luft iſt, gegen die durch das Feuer in Bewegung geſetzten Theile nicht genug anziehende Kraft aͤußert, um ſie aufzuloͤſen und in ſich aufzunehmen.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Feuerbeſtaͤndigkeit.

Feuerfeſt, Apyrum, Apyre.

Ein Koͤrper heißt feuer feſt, wenn er ſelbſt bey der heftigſten Wirkung des Feuers weder ſchmelzet, noch ſonſt einige merkliche Veraͤnderung leidet. Man muß den Begrif des Feuerfeſten ſowohl von dem Strengfluͤßigen als von dem Feuerbeſtaͤndigen unterſcheiden. Der reine Kalkſtein z. B. iſt ſtrengfluͤſſig, und laͤßt ſich gar nicht, oder doch nicht ohne Hitze von außerordentlicher Heftigkeit ſchmelzen; aber feuerfeſt iſt er nicht, weil die Wirkung des Feuers ſeine weſentlichen Eigenſchaften gar ſehr veraͤnderr, und ihn in lebendigen Kalk verwandelt, ſ. Kalk. Die vollkommnen Metalle ſind234 feuerbeſtaͤndig, wenigſtens in einem ſehr hohen Grade; aber nicht feuerfeſt, weil ſie durch die Wirkung des Feuers ſchmelzen. Der ganz reine Bergkryſtall iſt, ſoviel wir wiſſen, eine feuerfeſte Subſtanz, weil man noch bisher die ſtaͤrkſte Wirkung des Feuers nicht vermoͤgend gefunden hat, ihn zu ſchmelzen, oder einige Veraͤnderung in ihm zu bewirken, ſo lange Zeit man ihn auch dem Feuer ausgeſetzt hat.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Feuerfeſt.

Feuerfontaine, ſ. Springbrunnen.

Feuerkugel, Bolis, Globus ardens, Bolide, Globe de feu.

Dieſen Namen giebt man einer der ſonderbarſten Lufterſcheinungen. Man ſieht nemlich bisweilen in der Atmoſphaͤre eine große leuchtende Kugel, deren Farbe oft ins Rothe faͤllt, und die ſich langſamer oder ſchneller durch die Luft bewegt. Oft zieht dieſe Kugel einen hellen Schweif nach ſich, der an der Kugel ſelbſt einen gleichen Durchmeſſer mit ihr hat, weiterhin aber ſich in eine Spitze endiget, und etwa 4 5 Durchmeſſer der Kugel lang iſt.

Die Groͤße dieſer Kugeln iſt verſchieden. Ihr ſcheinbarer Durchmeſſer hat bisweilen den vierten Theil des Monddurchmeſſers (Hiſt. de l'acad. de Paris 1738, 1740.), bisweilen die Haͤlfte deſſelben betragen. Seneka (Quaeſt. Nat. L. I. cap. 1.) und einige Neuere (Philoſ. Trans. no. 462, 463.) erzaͤhlen von Feuerkugeln, die an ſcheinbarer Groͤße dem Monde gleich gekommen ſeyen, und Gaſſendi (Phyſicae Sect. III. L. II. c. 7.) von einer, deren Durchmeſſer doppelt ſo groß als der des Monds geſchienen habe; da er ſie aber eine Fackel (facem) nennt, ſo ſcheint ſie keine voͤllig runde Geſtalt gehabt zu haben. Kirch (Ephem. Natur. Curioſ. anni 1686.) ſahe i. J. 1686 eine zu Leipzig, deren Durchmeſſer dem Halbmeſſer des Monds gleich war, und bey deren Lichte man leſen konnte. Weit groͤßer war die, welche Balbi (Comm. Bonon. To. I. p. 268.) 1719 zu Bologna beobachtete. Sie ſchien ſo groß als der Vollmond, glich einem brennenden Kampher und leuchtete ſo ſtark, als die aufgehende Sonne. Auf ihrer Oberflaͤche235 ſahe man vier Schlúnde, woraus Rauch und Flammen hervorbrachen. Aus gleichzeitigen Beobachtungen ihrer ſcheinbaren Hoͤhen an verſchiedenen Orten ſchloß man ihre wahre Hoͤhe uͤber der Erdflaͤche zwiſchen 16000 und 20000 Schritt, und ihren wahren Durchmeſſer 3560 Schuh. Sie verbreitete uͤberall einen Schwefelgeruch, und zerſprang mit einem heftigen Knalle. Weit naͤher kam der Erde diejenige, welche nach Chalmers Bericht 1748 mitten im Ocean gegen ein Schiff heran kam (Philoſ. Transact. no. 494. p. 366.). Sie ſchien an der Oberflaͤche des Meeres hinzuſtreichen, zerſprang in einer Entfernung von 40 50 Ellen vom Schiffe mit einem Getoͤſe, das dem Knallen von hundert Canonen glich, erfuͤllte das ganze Schiff mit einem Schwefelgeruch, zerbrach einen Maſt, ſpaltete den andern, warf fuͤnf Menſchen zu Boden, und beſchaͤdigte einen ſechſten durch Verbrennungen an der Haut.

Zu Paris verbreitete eine am 17 Iulius 1771. um 10 Uhr 36 Min. Abends erſchienene Feuerkugel ein allgemeines Schrecken. Sie ließ ſich gerade zu einer Zeit ſehen, da der Duc de Chaulnes Verſuche mit einem elektriſchen Drachen anſtellte, und der große Haufe glaubte durchgaͤngig, das fuͤrchterliche Phaͤnomen ſey durch dieſe Verſuche herbeygezogen worden. Dies bewog Herrn de la Lande, die Beobachtungen hieruͤber zu ſammlen, und mit einigen Bemerkungen zu begleiten; auch hat le Roy (Mém. de l' acad. des Sciences. ann. 1771. p. 668.) von dieſem Meteor eine eigne Abhandlung geliefert. Dieſe Kugel ward in einem großen Theile von Frankreich geſehen, und ſchien in Paris groͤßer und heller als der Mond. Sie zerſprang mit Krachen, und erſchuͤtterte dabey die Luft ſo, daß die Fenſter und das Hausgeraͤthe zitterten, und einige glaubten, es ſey ein Erdbeben dabey. Die Kugel war uͤber England entſtanden und auch um Oxford ſichtbar geweſen; ohngefaͤhr um Meluͤn, ſuͤdſuͤdweſtlich von Paris zerſprang ſie. Als man ſie wahrnahm, muß ſie mehr als 41076 Toiſen hoch uͤber der Erde geweſen ſeyn, und bey ihrem Zerſpringen uͤber 20598 Toiſen. Sie mag 6 8 Stunden Weges (lieues) in einer Secunde durchlaufen, und236 mehr als 500 Toiſen im Durchmeſſer gehalten haben. Der Himmel war bey der Erſcheinung dieſer Kugel vollkommen klar.

Einige Feuerkugeln drehen ſich um ihre Axe. Gewoͤhnlich verſchwinden ſie in einigen Secunden; man hat aber auch Beyſpiele, da ſie mehrere Minuten lang ſichtbar geblieben ſind. Nach des Ulloa Erzaͤhlung (Hiſt. de l' acad. de Paris, 1751.) ſind ſie bey der Stadt Santa Maria de la Parilla ſo haͤufig, daß viele in einer Nacht geſehen werden: uͤberhaupt aber ſind ſie ſelten. Zuweilen verſchwinden ſie auch ohne Schall.

Alle Naturforſcher geſtehen einmuͤthig, daß die Urſache und Entſtehungsart der Feuerkugeln von ſo ungeheuren Groͤßen und in ſo betraͤchtlichen Hoͤhen aͤußerſt ſchwer zu begreifen ſey. Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. natur. To. II. §. 2541.) ſchließt aus dem Schwefelgeruche der Feuerkugeln, daß ſie aus ſchweflichten und andern entzuͤndlichen Ausfluͤſſen beſtehen, welche zum Theil aus den Vulkanen, oder bey Erdbeben aus den unterirdiſchen Hoͤhlen, in die Luft aufgeſtiegen, und vom Winde zuſammengetrieben worden ſind, eine Wolke bilden, und durch Zuſammenkommen mit andern Duͤnſten, oder irgend eine andere Urſache, entzuͤndet werden. Andere Naturforſcher hingegen haben ihrer erſtaunlichen Hoͤhe, Groͤße und Geſchwindigkeit wegen es ganz aufgegeben, ſie aus irdiſchen Duͤnſten zu erklaͤren. So haͤlt ſie Halley, (Philoſ. Trans. no. 341.) fuͤr Materie, die im großen Weltraume zerſtreut ſey, ſich durch die allgemeine Anziehungskraft irgendwo geſetzt habe, und von der Erde auf ihrem Wege angetroffen werde, noch ehe ſie eine anſehnliche Geſchwindigkeit gegen die Sonne erhalte. Hartſoeker (Conjectures phyſiques, à la Haye. 1707 1710.) erklaͤrt ſie geradehin fuͤr Kometen, und Pringle (Phil. Trans. Vol. L. P. I. p. 263.) fuͤr Koͤrper, welche beſtaͤndig im Kreiſe umlaufen. Ich ſehe doch nicht, wie man dies mit ihrem Zerplatzen vereinigen will.

Als es gewoͤhnlich ward, alles aus der Elektricitaͤt herzuleiten, hat man auch die Feuerkugeln durch dieſelbe zu erklaͤren geſucht. Beccaria (Lettere dell 'elettricismo,237 1758. 4. ), der hiebey ſeiner Einbildungskraft unſtreitig zu viel nachgegeben hat, behauptete zuerſt, daß das ſogenannte Sternſchießen eine blos elektriſche Erſcheinung ſey (ſ. Sternſchnuppen), und da der fliegende Drache und die Feuerkugeln blos dem hoͤhern Grade nach von dem Sternſchießen unterſchieden zu ſeyn ſcheinen, ſo war er geneigt, auch dieſe fuͤr elektriſche Phaͤnomene zu halten. Dafuͤr hat ſie auch Hartmann (Von der Verwandſchaft der elektriſchen Kraft mit den erſchrecklichen Lufterſcheinungen. Hannover, 1759. 8. ) erklaͤren wollen, und ſeit dieſer Zeit hat man in den meiſten Lehrbuͤchern der Naturlehre die Feuerkugeln entweder geradehin fuͤr elektriſche Erſcheinungen ausgegeben, oder doch wenigſtens bemerkt, daß ſich bey ihrer Entſtehung Elektricitaͤt mit einmiſche. Reimarus hingegen (Vom Blitze, Hamburg, 1778. 8. S. 568.), der uͤberhaupt den gewagten Erklaͤrungen der Meteore aus der Elektricitaͤt nicht guͤnſtig iſt, urtheilt hievon ganz anders. Er geſteht zwar, daß er von den Feuerkugeln keinen recht wahrſcheinlichen Grund anzugeben wiſſe; daß ſie aber doch von elektriſchen Feuerballen oder wahren Blitzen ſehr unterſchieden ſeyn, zeige ſowohl ihr Anſehen, und ihre Art von Bewegung, als auch die uͤberaus große Hoͤhe von der Erde, wo ſie ſich zu zeigen pflegen, und wo die Luft ſo verduͤnnt ſeyn muͤſſe, daß ſich keine Wolken mehr bilden koͤnnten, und die Elektricitaͤt gewiß nur wie im luftleeren Raume ſich ausbreiten, nicht aber in geballetem Feuer erſcheinen koͤnnte. Dieſe erſtaunliche Hoͤhe der Feuerkugeln aber iſt aus dem weiten Umfange, in welchem ſie auf der Erde geſehen werden, und der bey manchen ſich auf 4 Grad in die Breite und 11 Grad in die Laͤnge erſtreckt hat, ganz unlaͤugbar. Daß man bisweilen beym Niederfallen der Feuerkugeln elektriſche Wirkungen wahrgenommen haben will, iſt noch kein Beweiß ihres elektriſchen Urſprungs, weil auch andere ſchnell durch die Luft bewegte Koͤrper Elektricitaͤt erregen koͤnnen. Auch ſcheint man bisweilen fuͤr Feuerkugeln gehalten zu haben, was in der That wahre Blitze geweſen ſind, welches vermuthlich bey der oben angefuͤhrten von Chalmers erzaͤhlten Begebenheit auf dem engliſchen238 Schiffe im Jahre 1748 der Fall geweſen ſeyn mag.

Bergmann (Phyſikaliſche Beſchr. der Erdkugel nach Roͤhls Ueberſ., Greifsw. 1780. gr. 8. §. 131.) nimmt, wie mir daͤucht, ſehr richtig, verſchiedene Gattungen von Feuerkugeln an. Was die niedrigſten betrifft, folgt er Muſſchenbroeks Meynung: nur meynt er, es ſey ſchwer zu begreifen, wie eine ſolche gewiß ſehr lockere Kugel ihre erſtaunliche Geſchwindigkeit behalten koͤnne, da die viel dichtere Canonenkugel wegen des Widerſtandes der Luft nicht zwo Meilen zu gehen vermoͤge. Eine andere Gattung Feuerkugeln, die zuweilen bey Donnerwettern entſtehen, und an der Erdflaͤche hingehen, wie die am engliſchen Schiffe im Jahre 1748, ſcheint ihm von anderer Beſchaffenheit und dem Blitze aͤhnlicher zu ſeyn. Die hoͤchſten endlich verſucht er von der groͤbern Materie des Zodiakallichts oder der Sonnenatmoſphaͤre herzuleiten, deren feinerer Theil nach Mairans Hypotheſe die Urſache der Nordlichter iſt, ſ. Atmoſphaͤre der Sonne, Nordlicht. Wenigſtens, meynt er, ſey dies nicht unglaublicher, als andere bisher angegebene Muthmaßungen. Er wuͤnſcht endlich, daß man einmal Gelegenheit finden moͤchte, die Subſtanz einer zerplatzten Feuerkugel an dem Orte, wo ſie niedergefallen ſey, zu unterſuchen, welches freylich das beſte Mittel zur Entdeckung der wahren Natur dieſes Meteors ſeyn wuͤrde.

Die meiſten Naturforſcher erklaͤren die Feuerkugeln, ſo wie den fliegenden Drachen und die ſogenannten Sternſchnuppen, welche ſich blos dem Grade nach von jenen zu unterſcheiden ſcheinen, fuͤr Wirkungen fetter, oͤlichter, entzuͤndlicher oder auch nur blos leuchtender Duͤnſte; wiewohl bey den Feuerkugeln eine wirkliche Entzuͤndung mit Exploſion unlaͤugbar vorhanden iſt. Sollte nicht, wie Volta (Briefe uͤber die Sumpfluft; a. d. Ital. Winterthur 1778. 8. ) von den Irrlichtern und Sternſchnuppen vermuthet, die brennbare Luft, welche ihrer Leichtigkeit halber bis in die groͤßten Hoͤhen aufſteigt, und mit atmoſphaͤriſcher Luft vermiſcht einer Entzuͤndung mit Exploſion faͤhig wird, (ſ. Gas, brennbares) einen großen Antheil an allen239 dieſen Erſcheinungen haben? Von Herbert (De aëre fluidisque ad aëris genus pertinentibus. Vienn. 1779. 8. ) haͤlt dieſes fuͤr ganz entſchieden.

Muſſchenbroek Introd. ad Philoſ. natur. To. II. §. 2541. ſqq.

Bergmann phyſik. Beſchreibung der Erdkugel durch Roͤhl. Th. II. §. 131.

Sigaud de la Fond. Dict. de phyſique, art. Globe de Feu.

Feuerluft, ſ. Gas, dephlogiſtiſirtes.

Feuermaſchine, ſ. Dampfmaſchine.

Feuerſpeyende Berge, ſ. Vulkane.

Fibern, Faſern, Fibrae, Fibres.

So nennt man die feinen cylindriſchen oder fadenfoͤrmigen Koͤrper, aus welchen verſchiedne Theile der Pflanzen und der thieriſchen Koͤrper zuſammengeſetzt ſind. Aus den Faſern des Hanfs, Leins, der Baumwolle und einiger Baumrinden werden nach gehoͤriger Zubereitung Faͤden geſponnen, und zu Geweben verbraucht. Weit merkwuͤrdiger aber ſind die Fibern des thieriſchen Koͤrpers, vorzuͤglich diejenigen, aus welchen die Muſkeln beſtehen, die Muſkelfibern, Fleiſchfaſern (fibrae muſculares), weil durch ſie alle Bewegungen der thieriſchen Koͤrper hervorgebracht werden, die eine ſo wichtige Quelle von Bewegung in der Koͤrperwelt ausmachen, ſ. Bewegung.

Man hat, um die Bewegung und Wirkung der Muſkeln zu erklaͤren, eine Menge verſchiedner Muthmaßungen vorgebracht, von denen einige der vornehmſten bey dem Worte: Muſkeln vorgetragen werden ſollen. Eine der wahrſcheinlichſten iſt die, welche den Fleiſchfaſern eine Reizbarkeit (irritabilitatem) beylegt, d. i. ein Vermoͤgen, ſich durch jeden mechaniſchen Reiz zuſammenzuziehen. Dieſe Muthmaßung hat vorzuͤglich Herr von Haller (Mémoires ſur la nature ſenſible et irritable des parties du corps animal, à Lauſanne, 1756. To. IV. 12m. ingl. De partibus corp. humani ſentientibus et irritabilibus, Sermo I IV. in Nov. Comm. Gotting. To. I IV. Man ſ. auch I. Ge. Zimmermann Diſſ. de irritabilitate, Gott. 1751. 4. ) dadurch wahrſcheinlich gemacht, daß die Bewegungen der Muſkeln bey einer aͤußern Reizung ſelbſt240 nach ihrer Trennung vom Gehirn noch eine Zeit lang, zuweilen mehrere Stunden fortdauren, auch die Bewegung des Herzens nach deſſen Abſonderung vom Koͤrper noch eine Zeit lang anhaͤlt. Dieſe Meynung hat ſoviel Beyfall gefunden, daß man anjetzt die Reizbarkeit, d. i. das Zuſammenziehen und Bewegen bey einer aͤußern Reizung fuͤr ein entſcheidendes und weſentliches Kennzeichen der Muſkelfaſer annimmt. Inzwiſchen iſt es mit dem Syſtem der Reizbarkeit eben ſo, wie mit ſo vielen andern Theorien der Naturlehre beſchaffen: Reizbarkeit iſt eben ſo, wie Attraction u. dgl. mehr ein Ausdruck eines allgemeinen Phaͤnomens, als eine Erklaͤrung der Urſache deſſelben; und die Art, wie die willkuͤhrlichen Bewegungen vermoͤge der Muſkelfibern hervorgebracht werden, moͤchte wohl fuͤr uns auf immer ein unerforſchliches Geheimniß bleiben.

Auch andere feſte Theile des thieriſchen Koͤrpers, Gefaͤße, Knochen u. dgl. ſind aus Fibern oder Faſern zuſammengeſetzt. Man nimmt von den Fibern uͤberhaupt an, daß ſie aus erdichten Theilen beſtehen, welche durch eine Gallerte (gluten) von Oel und Waſſer zuſammengehalten werden. Man ſchreibt einer jeden Fiber eine elaſtiſche Kraft zu, vermoͤge der ſie ſich, wenn ſie ausgedehnt worden iſt, wiederum in ihren vorigen Zuſtand ſetzet; und legt uͤberdies den reizbaren Fibern eine toniſche Kraft bey, vermoͤge der ſie ſich zuſammenzuziehen ſtreben, auch ohne vorher ausgedehnt worden zu ſeyn. Im Alter erſchlaffen die Fibern durch den langen Gebrauch, und der Koͤrper wird zu allen davon abhangenden Verrichtungen und Bewegungen von Zeit zu Zeit unfaͤhiger. Die Empfindungen und Leidenſchaften haben auf die toniſche Kraft der reizbaren Fibern einen ungemein ſtarken Einfluß; der Zorn verſtaͤrkt, und die Furcht ſchwaͤcht dieſe Kraft derſelben, ob gleich die Art und Weiſe, wie dies bewirkt wird, ganz unerklaͤrbar bleibt. Noch einiges hiemit zuſammenhaͤngende wird man bey dem Worte: Muſkeln finden.

Figur, ſ. Geſtalt.

Figur der Erde, ſ. Erdkugel

unter dem Abſchnitte: Abgeplatete Geſtalt der Erde. 241

Filtriren, Seihen, Durchſeihen

Filtratio, Filtration. Eine Operation, wodurch man die einer fluͤſſigen Materie beygemengten Unreinigkeiten oder fremden Theile ſcheidet, indem man ſie durch einen Koͤrper gehen laͤßt, deſſen Oefnungen die fluͤßige Materie hindurchlaſſen, die fremden Theile hingegen aufhalten. Der hiezu gebrauchte Koͤrper heißt das Filtrum oder Seihezeug, der Seiher (filtrum, filtre).

Das Filtrum muß von einer ſolchen Beſchaffenheit ſeyn, daß es von der durchgehenden fluͤßigen Materie nicht angegriffen wird, und derſelben nichts abgiebt; auch muͤſſen ſeine Oefnungen kleiner ſeyn, als die Theile der Subſtanzen, die man von der Fluͤßigkeit abſondern will. Man gebraucht dazu am gewoͤhnlichſten feine wollene Zeuge, Leinwand und vornemlich Loͤſchpapier. Daraus wird entweder ein Filtrirſak (Manica Hippocratis, Chauſſe) in Geſtalt eines umgekehrten hohlen Kegels gemacht, oder man legt das Loͤſchpapier in die Form eines Trichters zuſammen, bringt es in einen glaͤſernen Trichter, und legt etwas zwiſchen das Papier und die Seitenwaͤnde des Trichters, um das unmittelbare Anliegen des Papiers zu verhuͤten. Hat man viel durchzuſeihen, ſo befeſtigt man eine Leinwand an die vier Ecken eines hoͤlzernen Rahmens, doch ſo, daß ſie nicht geſpannt iſt, belegt das Innre mit Papier und gießt den zu filtrirenden Liquor darauf. Oft kan auch ein Haufen feiner Sand, oder eine gewiſſe Art Stein, deren Baſis die Bitterſalzerde iſt, und die deswegen Filtrirſtein heißt, zum Seihezeuge dienen.

Klebrichte dicke Materien, wie die ſyrupartigen und ſchleimichten, auch die ſehr geſaͤttigten Aufloͤſungen der Salze gehen nicht gut durch die Seiher; die letztern muͤſſen ſiedend filtrirt werden, weil ſie in dieſem Zuſtande fluͤſſiger ſind. Theile, die in der fluͤßigen Materie wirklich aufgeloͤſet ſind, koͤnnen durchs Filtriren von ihr nicht geſchieden werden; man muß ſie vorher durch das in jedem Falle erforderliche Verfahren niederſchlagen oder zum Gerinnen bringen. 242

Das zuerſt durchlauſende iſt allezeit truͤb, und muß zum zweytenmale filtrirt werden, weil die Oefnungen des Seihers im Anfang zu weit ſind, und erſt durch das Aufquellen von der Feuchtigkeit gehoͤrig verengert werden.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Durchſeihen.

Finſterniſſe, Verfinſterungen der Himmelskoͤrper, Eclipſes, Defectus Solis vel Lunae, Eclipſes. Dieſen Namen fuͤhren diejenigen Himmelsbegebenheiten, wobey ein Himmelskoͤrper durch das Dazwiſchentreten eines andern dunkeln, ganz oder zum Theil verdeckt oder ſeines Lichtes beraubt wird. Sie fuͤhren den Namen der Eklipſen von dem griechiſchen Worte〈…〉〈…〉6, deſicere, und ſind entweder partielle, wenn durch den dazwiſchentretenden Koͤrper nur ein Theil des andern, oder totale, wenn der letztere ganz unſern Augen entzogen wird.

Man kennt in der Sternkunde dreyerley Arten der Verfinſterung, die Sonnenfinſterniſſe, Mondfinſterniſſe, und Verfinſterungen der Trabanten, beſonders des Iupiters, von welchen wir das Noͤthigſte unter eigne Abſchnitte bringen wollen. Mondfinſterniſſe.

Bisweilen ſcheint der volle Mond ſein Licht ſo zu verlieren, daß es ausſieht, als ob eine runde ſchwarze Scheibe von Morgen gegen Abend vor ihn ruͤckte, nach und nach immer einen groͤßern Theil der Mondſcheibe bedeckte, und dieſe zuletzt allmaͤhlich wieder verließe. Eine ſolche Begebenheit heißt eine Mondfinſterniß (Eclipſis lunae ſ. lunaris, defectus lunae, Eclipſe de lune). Sie erfolgt aber niemals zu anderer Zeit, als beym Vollmonde, d. i. wenn der Mond der Sonne gegenuͤber geſehen wird, mithin die Erde zwiſchen Sonne und Mond ſteht, und ihren Schatten der Sonne gegenuͤber gerade in die Gegenden des Monds wirft. Auch erfolgen die Mondfinſterniſſe nicht bey allen Vollmonden, ſondern nur dann, wenn der Mittelpunkt des Vollmonds nahe bey der Ekliptik oder bey ſeinem Knoten ſteht, d. i. nahe an dem Orte, der der243 Sonne ganz genau entgegengeſetzt iſt, an welchen alſo zu dieſer Zeit der Schatten der Erdkugel hinfallen muß. Es laͤßt ſich daher nicht zweifeln, daß der auf die Mondſcheibe fallende Erdſchatten die Urſache der Mondfinſterniſſe, und die ſchwarze Scheibe, welche dabey vor den Mond zu ruͤcken ſcheint, der kreisfoͤrmige Durchſchnitt des kegelfoͤrmigen Erdſchattens in der Gegend der Mondbahn ſey. Dies wird dadurch voͤllig gewiß, daß man nach dieſer Vorausſetzung die Mondfinſterniſſe vorherſagen, und mit allen dabey vorkommenden Umſtaͤnden im voraus auf das genaueſte berechnen kan.

Die Mondfinſterniß iſt alſo nichts anders, als ein Durchgang des Monds durch den Schatten der Erde, wobey der im Erdſchatten befindliche Theil, bisweilen auch die ganze Mondſcheibe, ihr von der Sonne entlehntes Licht verliert.

Es ſey Taf. IX. Fig. 27. in S die Sonne, in C die Erde, ſo iſt EHF der Erdſchatten, welcher nach optiſchen Grundſaͤtzen eine kegelfoͤrmige Geſtalt haben, und ſich bis H, etwa 217 Erdhalbmeſſer weit von ECF erſtrecken muß, ſ. Schatten. Dieſer Erdſchatten wird von den aͤußerſten Stralen der Sonne AH und BH begrenzt, und heißt der wahre Schatten, weil den Orten, die ſich in ihm befinden, wegen der im Wege ſtehenden Erde, kein Punkt der Sonne ſichtbar ſeyn kan. Iſt nun ML ein Theil der Mondbahn, ſo kan der Mond, der nur etwa 60 Erdhalbmeſſer von C entfernt iſt, bey r, wo er von der Erde aus der Sonne gegenuͤber oder als Vollmond geſehen wird, in dieſen Schatten treten, bey m gaͤnzlich verfinſtert ſeyn, und bey t wieder aus dem Schatten hervorkommen.

Es folgt aber nicht, daß dies bey allen Vollmonden geſchehen muͤſſe. Wenn in der Figur die Flaͤche des Papiers die Ebne der Ekliptik vorſtellt, ſo liegt die Mondbahn, wovon ML ein Theil iſt, nicht in eben derſelben Flaͤche, ſondern macht mit ihr einen Winkel von etwa 5 Graden, ſchneidet ſich mit ihr in einer geraden Linie, welche die Knotenlinie heißt, und wird von dieſer Linie in zween Theile getheilt, wovon der eine uͤber, der andere unter244 die Flaͤche der Figur faͤllt, indem die Knotenlinie in dieſer Flaͤche ſelbſt liegt. Wenn alſo zu der Zeit, da der Mond nach r koͤmmt, die Knotenlinie nicht weit von der Lage Cm abweicht, d. h. wenn ein Knoten des Monds in oder nahe bey m faͤllt, ſo wird der Mond der Ebne der Ekliptik nahe kommen, und alſo den Erdſchatten treffen koͤnnen; iſt er aber zu eben der Zeit von ſeinem Knoten entfernt, ſo geht er, nach der Lage der Figur zu reden, uͤber oder unter dem Schatten vorbey, und leidet keine Verfinſterung, welches der Fall bey den meiſten Vollmonden iſt. Da der groͤßte ſcheinbare Halbmeſſer des Erdſchattens 47 Min. und der des Monds 17 Min. betraͤgt, ſo kann keine partielle Finſterniß mehr ſtatt finden, wenn die Breite des Monds (d. i. der Abſtand ſeines Mittelpunkts von der Ekliptik) im Augenblicke des Vollmonds 64 Min. (47+17), und keine totale, wenn ſie 30 Min. (47 17) uͤberſteigt; wovon das erſte erfordert, daß der Mond uͤber 12 13 Grad, das letztere, daß er uͤber 6 Grad vom naͤchſten Knoten entfernt ſey. Dies erlaͤutert Taf. IX. Fig. 28., wo

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den Knoten des Monds, EL

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die Ekliptik, C

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die Mondbahn darſtellet. Steht im Augenblicke des Vollmonds der Erdſchatten in E, 13 Grad von

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entfernt, daß EC 47+17 = 64 Min. betraͤgt, ſo ſtreicht der Mond C nur gerade am Rande des Schattens hin, ohne verfinſtert zu werden; bey L aber, 6 Grad von

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, iſt die groͤßte Entfernung, in der ſich der Mond ganz in den Erdſchatten einſenken kan.

Es giebt daher bisweilen ganze Jahre, in welchen keine Mondfinſterniß vorfaͤllt, weil alle Vollmonde derſelben zu weit von den Knoten der Mondbahn entfernt ſind, wie z. B. die Jahre 1781 und 1788: gemeiniglich aber ereignen ſich zwey Mondfinſterniſſe in jedem Jahre, die letztere 6 Monate nach der erſten.

In der Gegend der Mondbahn iſt der Schattenkegel der Erde noch faſt dreymal breiter, als der Mond, ſo daß letzterer nicht allein voͤllig verfinſtert werden, ſondern ſich auch eine Zeit lang im voͤlligen Schatten verweilen kan. Eine ſolche Finſterniß heißt eine totale mit Dauer (totalis245 cum mora) und wenn der Mond im Augenblicke der Oppoſition im Knoten ſelbſt iſt, daß alſo die Mittelpunkte des Erdſchattens und der Mondſcheibe auf einander fallen, eine centrale, bey welcher die Dauer der totalen Verfinſterung auf 1 3 / 4 Stunden betragen kan.

Um den wahren Schatten der Erde herum befindet ſich noch der Halbſchatten (penumbra) EL, FM Taf. IX. Fig. 27., der von den Lichtſtralen AFMK und BELI begrenzt wird, und in welchem immer noch ein Theil der Sonne zu ſehen iſt. Koͤmmt z. B. der Mond in M, ſo faͤngt der Rand der Erdkugel F an, ihm den Sonnenrand A zu verdecken; je weiter er nach r ruͤckt, deſto mehr wird die Sonne von der Erde bedeckt, bis endlich in r die ganze Sonnenſcheibe bedeckt zu werden anfaͤngt. So ſehen die Bewohner des Monds, ſo lange ſie ſich im Halbſchatten befinden, eine partielle, und wenn ſie in den wahren Schatten kommen, eine totale Sonnenfinſterniß. Auf der Mondſcheibe iſt der Halbſchatten nicht ſo deutlich zu bemerken; er zeigt ſich nur vor und nach dem Ein - und Austritt in den wahren Schatten dadurch, daß er die Mondflecken etwas truͤb und unkenntlich macht. Inzwiſchen verliert er ſich dennoch ſo unmerklich in den wahren Schatten, daß dadurch die Beobachtungen des Anfangs einer Mondfinſterniß immer ungewiß gemacht werden.

Da die Mondfinſterniß eine wirkliche Beraubung des Lichts iſt, ſo muß ſie von allen Einwohnern der Erde, bey denen ſie ſichtbar iſt (oder denen der Mond zur Zeit der Verfinſterung uͤber dem Horizonte ſteht), zu einerley Zeit und auf einerley Weiſe geſehen werden. Dies macht die aſtronomiſche Berechnung der Mondfinſterniß ſehr einfach. Wenn man die Zeit, da eine ſolche Finſterniß einfallen wird, vorlaͤufig kennet, wozu die Aſtronomie leichte Regeln vorſchreibt, ſo laͤßt ſich aus den aſtronomiſchen Tafeln die genaue Zeit des Vollmondes fuͤr den Meridian eines gewiſſen Orts auf der Erde, und fuͤr dieſe Zeit die Breite, ſtuͤndliche Bewegung und der Halbmeſſer des Monds, die ſtuͤndliche Bewegung und der Halbmeſſer der Sonne, die Mondund Sonnenparallaxe u. ſ. w. finden, woraus man mit246 Huͤlfe einiger aſtronomiſchen Lehrſaͤtze den ſcheinbare Halbmeſſer des Erdſchattens berechnen, und dann entweder durch Rechnung oder noch leichter durch Zeichnung, Anfang, Mittel, Ende, Groͤße der Finſterniß, und alle uͤbrige Umſtaͤnde beſtimmen kan. Anleitungen dazu finden ſich in den Lehrbuͤchern der Sternkunde (Aſtronomiſches Handbuch von de la Lande, aus d. Frz. Leipz. 1775. gr. 8. §. 620. u. f. Bode kurzgefaßte Erlaͤuterung der Sternkunde, Berlin 1778. 8. Zweyter Theil, §. 538. u. f.).

Die Groͤße einer Mondfinſterniß druͤckt man nach einer alten Gewohnheit in Zollen, d. i. in Zwoͤlftheilen des Monddurchmeſſers, und in Minuten, oder Sechzigtheilen der Zolle aus. Erreicht der Erdſchatten z. B. gerade den Mittelpunkt der Mondſcheibe, ſo ſagt man, die Groͤße der Verfinſterung betrage 6 Zoll. Die totale Verfinſterung macht 12 Zoll aus; man rechnet aber hiebey noch die Zolle hinzu, um welche ſich der Mond in den weit groͤßern Erdſchatten einſenkt; daher bey den totalen Mondfinſterniſſen mit Dauer, die Groͤße bis auf 21 Zoll und druͤber ſteigen kan.

Bey gaͤnzlichen Mondfinſterniſſen iſt bisweilen der Mond voͤllig verſchwunden, wie Kepler (Aſtron. Opt. p. 227. Epit. Aſtr. Copern. L. V. p. 825.) von den am 9 Dec. 1601 und am 15 Jun. 1620 meldet. Hevel (Selenograph. Cap. VI. fol. 117.) verſichert, am 25 Apr. 1642. habe man bey einer gaͤnzlichen Verſtinſterung den Ort des Monds auch durch Fernroͤhre nicht entdecken koͤnnen, obgleich der Himmel ſo heiter geweſen, daß man die Sterne der fuͤnften Groͤße geſehen habe. Dergleichen gaͤnzliche Verſchwindung aber ereignet ſich ſehr ſelten. Mehrentheils ſieht man den Mond ſelbſt waͤhrend der totalen Verfinſterung noch wie eine Kugel von hell - oder dunkelrother Farbe. Taf. IX. Fig. 27. wird leicht erlaͤutern, wie dieſes vermittelſt derjenigen Sonnenſtralen geſchehen koͤnne, welche auf die Atmoſphaͤre der Erde um die Gegend von E und F fallen, und beym Durchgange durch die Luft ſo gebrochen werden, daß ſie den Mond treffen. In der Erdferne erſcheint der Mond gewoͤhnlich heller und roͤther, als in der247 Erdnaͤhe; vermuthlich weil der Schatten daſelbſt ſchmaͤler iſt, und die von der Erdluft gebrochnen Sonnenſtralen naͤher zum Mittelpunkte deſſelben kommen. Es koͤmmt aber auch hiebey viel und faſt alles auf die Beſchaffenheit der Atmoſphaͤre an den Orten der Erde E und F an.

Die Beobachtung einer Mondfinſterniß beſteht darinn, daß man nach einer genauen Uhr den Augenblick des Anfangs und Endes derſelben, ingleichen den Anfang und das Ende der gaͤnzlichen Verfinſterung und die Zeitpunkte, wenn gewiſſe Flecken und Berge des Monds in den Erdſchatten und wieder heraustreten, genau bemerkt, auch die Groͤße des verfinſterten Theiles von Zeit zu Zeit abmißt. Die undeſtimmten Grenzen des wahren und Halb - Schattens aber machen dieſe Beobachtungen etwas unſicher.

Der Gebrauch, den man von dieſen Beobachtungen macht, beſteht nicht allein in der Berichtigung der Tafeln oder in der Verbeſſerung der Kenntniß des Mondlaufs, ſondern er erſtreckt ſich auch auf die Geographie. Da die Mondfinſterniſſe allen Bewohnern der Erde zugleich und in einerley Augenblicke erſcheinen, ſo geben ſie eine Menge Merkmale von gleichzeitigen Augenblicken an, und der Unterſchied der verſchiedenen Stunden, welche zwo von einander entfernte Orte der Erde in dieſen Augenblicken zaͤhlen, zeigt den Unterſchied der Zeit dieſer Orte uͤberhaupt an, und beſtimmt den Unterſchied ihrer geographiſchen Laͤngen, ſ. Laͤnge, geographiſche.

Es ſey z. B. wie Taf. IX. Fig. 27. der Mond mitten im Erdſchatten bey m, ſo wird ihn in eben dem Augenblicke der Zuſchauer ſowohl aus F, als aus o und E, central verfinſtert erblicken. Der in F aber wird, (weil ſich die Erde nach FoE um ihre Axe dreht) in eben dem Augenblicke die Sonne im Horizonte haben, und untergehen ſehen, mithin etwa 6 Uhr Abends zaͤhlen; der in o wird die Sonne gerade im entgegengeſetzten Meridian haben, alſo Mitternacht d. i. 12 Uhr; der in E endlich wird die Sonne aufgehen ſehen, und 6 Uhr fruͤh oder 18 Uhr zaͤhlen. Dieſe Unterſchiede der Zeit fuͤr einerley Augenblick zeigen, daß der Mittag, als der Anfang der Stundenzaͤhlung in E 6 Stunden248 fruͤher, als in o, und hier 6 Stunden fruͤher als in F geweſen ſey, d. i. daß ſich die geographiſchen Laͤngen der Orte E und o, ingleichen o und F um 90° unterſcheiden. Sonnenfinſterniſſe.

Die Sonne verliert zuweilen zur Zeit des Neumonds bey heiterm Himmel ihren Schein, auf die Art, als ob eine ſchwarze Scheibe von Abend gegen Morgen in ſie ruͤckte, welche bisweilen viel, bisweilen wenig von der Sonne, manchmal auch die ganze Sonne bedeckt. Dieſe Begebenheit heißt eine Sonnenfinſterniß (Eclipſis Solis ſ. ſolaris, Defectus Solis, Eclipſe de Soleil). Sie erfolgt nie zu anderer Zeit, als im Neumonde, d. i. wenn man den Mond eben da zu ſuchen hat, wo die Sonne ſteht. Da nun der Mond ein dunkler undurchſichtiger Koͤrper iſt, der ſich geſchwinder als die Sonne von Abend gegen Morgen bewegt, ſo iſt kein Zweifel, daß der Mond durch ſein Vortreten vor die Sonne die Sonnenfinſterniſſe veranlaſſe; welches dadurch zur voͤlligen Gewißheit gebracht wird, daß man nach dieſer Vorausſetzung dergleichen Begebenheiten vorherſagen, und aufs genauſte berechnen kan. Die Sonnenfinſterniß iſt alſo nichts anders, als eine Bedeckung der Sonne durch den Mond, wobey die Sonne ihr Licht nicht wirklich verliert, ſondern daſſelde nur den Erdbewohnern durch den vortretenden Mond entzogen wird; daher denn auch nicht an allen Orten der Erde ein gleich großer Theil der Sonne verfinſtert wird.

Die Sonnenfinſterniſſe ſind entweder partial, wenn die Sonne nur zum Theil, oder total, wenn ſie ganz vom Monde bedeckt wird. Das letzte ſetzt voraus, daß zur Zeit einer ſolchen Begebenheit der Mond groͤßer ausſehe, oder einen groͤßern ſcheinbaren Durchmeſſer habe, als die Sonne. Nun ſind die ſcheinbaren Durchmeſſer des Monds und der Sonne ſaft von gleicher Groͤße, aber beyde veraͤnderlich. Daher iſt zuweilen auch des Monds Durchmeſſer der kleinere. In dieſem Falle kan der dunkle Mond ganz in die Sonnenſcheibe hineintreten und noch einen hellen Ring um ſich unbedeckt laſſen. Eine ſolche Finſterniß heißt eine249 ringfoͤrmige (annularis, annulaire); ſo ward z. B. die vom 1 April 1764. zu Cadir, Calais und Pello in Lappland ringfoͤrmig geſehen, ob ſie gleich bey uns nur die groͤßere Haͤlfte der Sonne betraf. Central heißen die Sonnenfinſterniſſe, wenn die Mittelpunkte des Monds und der Sonne zuſammentreffen: iſt hiebey der Durchmeſſer des Monds kleiner, als der der Sonne, ſo iſt die Finſterniß ringfoͤrmig; iſt er groͤßer, ſo iſt ſie total mit Dauer (totalis cum mora, avec durée); ſind beyde Durchmeſſer gleich, daß zwar der Mond die Sonne deckt, aber wegen ſeiner eignen Bewegung ſogleich wieder verlaͤßt, ſo iſt die Verfinſterung total ohne Dauer oder von augenblicklicher Dauer (totalis ſine mora, ſans durée).

Die Sonnenfinſterniſſe, beſonders die groͤßern, ſind ſchon von den aͤlteſten Voͤlkern und Schriftſtellern als ſehr merkwuͤrdige Begebenheiten angeſehen worden. Im dreyzehnten Capitel des Propheten Eſaias wird ihrer erwaͤhnt, desgleichen im Homer und Pindar; umſtaͤndlich handelt von ihnen Plinius (Hiſt. nat. II. 12.). Nach ihm ſoll Thales unter den Griechen der Erſte geweſen ſeyn, der eine Sonnenfinſterniß vorhergeſagt hat, und zwar diejenige, die nach Herodots Nachricht im 6ten Jahre des Krieges zwiſchen den Lydiern und Medern, waͤhrend der Schlacht den Tag in Nacht verwandelte, und die nach Coſtards Berechnung (Philoſ. Tranſact. 1753. p. 23.) auf den 17ten May des 603ten Jahres vor C. G. gefallen iſt. Man ſieht hieraus, wieviel die Berechnung ſolcher Begebenheiten zur genauern Beſtimmung der Zeitrechnung beytragen kan. In einem im chronologiſchen und diplomatiſchen Fache ſehr brauchbaren Buche (L' art de verifier les dates, Paris, 1770. fol.) findet man ein genaues Verzeichniß aller ſeit dem Anfange der chriſtlichen Zeitrechnung vorgefallenen Finſterniſſe.

Der Anblick einer großen, beſonders einer gaͤnzlichen, Sonnenfinſterniß iſt in der That etwas ſehr ſonderbares. Es zeigen ſich dabey alle Wirkungen der Nacht. Die Voͤgel fallen zur Erde nieder, die Sterne erſcheinen, und die Dunkelheit iſt, wo nicht groͤßer, doch auffallender und250 empfindlicher, als die der Nacht ſelbſt. Es ſind aber die gaͤnzlichen Sonnenfinſterniſſe fuͤr einen beſtimmten Ort aͤuſſerſt ſelten. Im Jahre 1706 den 12 May ward eine an den meiſten Orten Deutſchlands total geſehen; in Paris aber blieb noch (1 / 12) vom Sonnendurchmeſſer unbedeckt, deſſen Licht aber eine traurige blaſſe Farbe zeigte (Hiſt. de l' acad. roy. des Sc. 1706.). Zu Montpellier, wo dieſe Finſterniß total war, und faſt uͤberall in Deutſchland, ſahe man waͤhrend der gaͤnzlichen Verfinſterung um den Mond herum einen lichten Ring, deſſen Breite auf der Seite, wo er am merklichſten war, ein Zwoͤlfcheil des Monddurchmeſſers betrug, und den Wolf (Elem. Aſtr. §. 54.) von dem wieder hervorgehenden Stuͤcke der Sonnenſcheibe an der Staͤrke des Lichts und an der Geſtalt ſehr deutlich unterſcheiden konnte. Einen aͤhnlichen Ring beobachtete auch Don Ulloa auf der Suͤdſee bey der Sonnenfinſterniß am 24 Jun. 1778. Man hat die Erſcheinung dieſes Ringes zum Beweiſe einer Mondatmoſphaͤre gebrauchen wollen, ſ. Atmoſphaͤre des Monds. In Paris ſahe man eine gaͤnzliche Sonnenfinſterniß am 22ſten May 1724, wo die voͤllige Dunkelheit 2 3 / 4 Minuten dauerte, auch Venus und Merkur ſichtbar wurden. Der erſte kleine Theil der Sonne, der ſich wieder entdeckte, ſchien wie ein lebhafter Blitz die ganze Dunkelheit auf einmal zu zerſtreuen (Hiſt. de l' acad. 1724.).

Ueberhaupt fallen zwar viel mehr Sonnen - als Mondfinſterniſſe vor; aber da die Sonnenfinſterniſſe immer nur auf einem geringen Theile der Erdflaͤche ſichtbar ſind, ſo ſind fuͤr einen beſtimmten Ort die ſichtbaren Sonnenfinſterniſſe weit ſeltener, als die ſichtbaren Mondfinſterniſſe. Das Verhaͤltniß iſt ohngefaͤhr wie 4 zu 11. Fuͤr Paris hat de Vaucel berechnet (Mém. préſentés. To. V. p. 575.), daß von 1774 bis 1900, 59 Sonnenfinſterniſſe ſichtbar ſeyn werden, worunter keine gaͤnzliche, und nur eine ringfoͤrmige den 9 Oct. 1847 befindlich ſeyn wird.

Wenn uns der Mond die Sonne ganz verdeckt, ſo muß natuͤrlicher Weiſe ſein Schatten auf die Erde fallen, und den Laͤndern, die er trift, das Sonnenlicht entziehen;251 daher iſt eine ſolche Himmelsbegebenheit eigentlich eine Erdfinſterniß (eclipſis terrae). Als eine ſolche erſcheint ſie auch den Bewohnern des Mondes, und laͤßt ſich ſo in der Sternkunde am leichteſten und allgemeinſten betrachten.

Es ſey Taf. IX. Fig. 29. in T die Erde, ACB ein Stuͤck der Mondbahn, der Mond jetzt in C, und in S die Sonne, I der weſtliche und K der oͤſtliche Rand derſelben. Steht der Neumond C mit T und S in einer Flaͤche, ſo kan ſein Schatten, welcher gegen die Erde ſpitzig zulaͤuft, auf den Ort a fallen, und hier wird die Sonne vom Monde gaͤnzlich bedeckt erſcheinen. Der Halbſchatten des Monds erſtreckt ſich von n bis o, und ſchneidet einen Kreis auf der Erdflaͤche ab, in welchem die Orte liegen, die nur einen Theil der Sonne bedeckt ſehen; dieſer Theil iſt deſto groͤßer, je naͤher der Ort dem Mittelpunkte a des Kreiſes liegt. Von o aus zeigt ſich der weſtliche, von n aus der oͤſtliche Mondrand an der Sonne. Außer dem beſchatteten Raume neo iſt in dieſem Augenblicke ſonſt nirgends etwas von dieſer Sonnenfinſterniß zu ſehen; denn die Orte von neo bis NTM ſehen ungehindert die voͤllige Sonne.

Wenn die Sonne zu dieſer Zeit in der Erdferne, und der Mond in der Erdnaͤhe iſt, ſo hat der Schattenkegel bey a noch einige Breite, und a ſteht eine totale Finſterniß mit einer Dauer, die ſich hoͤchſtens auf 3 Min. 41 Sec. erſtrecken kan. Erſcheinen die Durchmeſſer der Sonne und des Monds genau gleich groß, ſo faͤllt genau die Spitze des Schattenkegels auf a, und die Finſterniß iſt daſelbſt total und central ohne Dauer. Endlich. wenn der ſcheinbare Durchmeſſer des Monds, wie in den meiſten Faͤllen, kleiner iſt als der der Sonne, ſo erreicht die Spitze des Schattens die Erde gar nicht, und die Finſterniß iſt bey a ringfoͤrmig.

Waͤhrend der Finſterniß bewegt ſich nicht allein der Mond von A durch C nach B, ſondern es dreht ſich auch die Erde nach eben derſelben Richtung, nemlich nach MaN um ihre Axe. Iſt nun der Mond in A, ſo beruͤhrt der oͤſtliche Rand ſeines Halbſchattens die Erde zuerſt bey i, und der Ort, welcher gerade zu der Zeit bey i in die erleuchtete Halbkugel der Erde koͤmmt, ſieht unter allen zuerſt252 die Sonne beym Aufgange an ihrem weſtlichen Rande durch den Vortritt des oͤſtlichen Mondrands g verfinſtert werden. Nun geht der Mondſchatten uͤber i o, und wenn der Mond nach C koͤmmt, ſo bedeckt er die Sonne fuͤr die Laͤnder um a gerade um die Zeit des Mittags. Wenn endlich der Mond in B anlangt, ſo verlaͤßt der weſtliche Rand ſeines Halbſchattens bey K die Erde, und der Ort, welcher alsdann bey K in die dunkle Haͤlfte der Erde geht, iſt der letzte unter allen, der gerade bey Sonnenuntergang die Finſterniß ſich endigen, und den weſtlichen Mondrand h den oͤſtlichen Sonnenrand K verlaſſen ſieht. So laͤuft der Mondſchatten vom Abend gegen Morgen uͤber die Erdflaͤche fort; die weſtlichen Laͤnder ſehen die Sonne fruͤher verſinſtert als die oͤſtlichen, und ein ſehr großer Theil der Erdflaͤche ſieht gar keine Verfinſterung, ob er gleich die Sonne uͤber dem Horizonte hat.

Man wird hieraus ſchon abnehmen, daß die Theorie und Berechnung einer Sonnenfinſterniß, ſowohl als Erdfinſterniß allgemein fuͤr die ganze Erde (eclipſis ſolis generalis), als auch fuͤr einzelne Orte, weit ſchwerer, als die Berechnung der Mondfinſterniß, ausfallen muͤſſe. Sie wird inzwiſchen ſehr erleichtert, wenn man ſich die Eklipſe als Erdfinſterniß vorſtellt, und den Zuſchauer uͤber der Erde in einen dazu ſchicklichen Punkt ſtellt, wobey man nachher die kuͤnſtliche Erdkugel und die Zeichnung zu leichterer Beſtimmung der Reſultate gebrauchen kan. Hiezu findet man Anweiſungen bey de la Lande (Aſtron. Handbuch, §. 640. u. f.), Bode (Kurzgefaßte Erlaͤuterung der Sternkunde, Zweyter Theil. §. 549. u. f.) und in andern aſtronomiſchen Lehrbuͤchern. Die Umſtaͤnde der Erdfinſterniß aber durch bloße Rechnung zu finden, iſt eine Arbeit, die die Geduld auch des geuͤbteſten Rechners ermuͤden konnte. Ge. Matthias Boſe hat ſie in einer akademiſchen Schrift (Eclipſis terrae 1733. d. (2 / 13) Maii Lipſ. 1733. 4. ) mit ungemeiner Muͤhſamkeit umſtaͤndlich ausgefuͤhrt. Kuͤrzer iſt die Berechnung, wenn man eine ſolche Begebenheit blos als Sonnenfinſterniß fuͤr einen beſtimmten Ort der Erde betrachtet. Alsdann berechnet man ſie zuerſt aus den Tafeln253 fuͤr den Mittelpunkt der Erde, faſt wie die Mondfinſterniß, bringt dann die Zeitangaben auf den Meridian des Orts, unterſucht, was in den merkwuͤrdigſten Zeitpunkten der Begebenheit Sonne und Mond fuͤr Hoͤhen uͤber dem Horizonte dieſes Orts, mithin fuͤr Parallaxen haben, wie viel alſo die Parallaxen jeden dieſer Koͤrper in dieſen Zeitpunkten niedriger darſtellen, wodurch ſich denn die Erſcheinungen der Finſterniß fuͤr den verlangten Ort ergeben. Von einer ſolchen Berechnung hat Reccard ein ſchoͤnes Beyſpiel fuͤr Berlin gegeben (Abhandlung von der großen Sonnenfinſterniß den 1 Apr. 1764. von G. C. Reccard, Berlin, 1763. Zweyte Auflage, 1764. 4.). Nach gemachter Berechnung fuͤr die vornehmſten Zeitpunkte laͤßt ſich eine Zeichnung entwerfen, welche die Finſterniß ſinnlicher darſtellt, und die Data fuͤr die Zwiſchenzeiten leicht angiebt.

Nur diejenigen Neumonde ſind mit Sonnenfinſterniſſen begleitet, bey welchen der Mond nicht allzuweit von einem ſeiner Knoten entfernt iſt. Die Theorie lehrt, daß keine Sonnenfinſterniß mehr moͤglich ſey, wenn der Mond bey ſeiner Zuſammenkunft mit der Sonne uͤber 21 Grad vom Knoten abſtehet, daß hingegen gewiß eine an irgend einem Orte der Erde erfolge, wenn er weniger als 15 Grad vom Knoten entfernt iſt. Dieſe Grenzen erſtrecken ſich weiter, als die fuͤr die Mondfinſterniſſe; daher es uͤberhaupt genommen mehr Erdfinſterniſſe als Mondfinſterniſſe geben muß, nur daß die erſtern nicht an ſo vielen Orten ſichtbar ſind. Es kan ſich ſogar ereignen, daß zween Neumonde hinter einander mit Sonnenfinſterniſſen begleitet ſind. Denn zween auf einander folgende Neumonde fallen in Punkte des Thierkreiſes, die 30° von einander entfernt ſind, und ſo kan der erſte z. B. 15° vor dem Knoten, der andere 15° hinter dem Knoten fallen, welches beydes innerhalb der Grenzen faͤllt, da Sonnenfinſterniſſe moͤglich ſind. So werden im Jahre 1790 die beyden Neumonde vom 14 April und 13 May, und wiederum die vom 8 Oct. und 6 Nov. ſaͤmmtlich mit partialen Sonnenfinſterniſſen begleitet ſeyn. Bey den Mondfinſterniſſen kan dies niemals ſtatt finden, weil ſich die Grenze des Abſtands vom Knoten,254 fuͤr welche noch eine Finſterniß moͤglich iſt, bey dieſen nur bis 13 Grad erſtreckt.

Die Beobachtung einer Sonnenfinſterniß beſtehet darinn, daß man nach einer genauen Uhr den Augenblick des Anfangs und Endes derſelben genau bemerkt, von Zeit zu Zeit die Groͤße des verfinſterten Theils, welche wie beym Monde, in Zollen und Minuten angegeben wird, mißt, und uͤberhaupt den ſcheinbaren Weg der Mondſcheibe durch die Sonne ſo genau als moͤglich, zu beſtimmen fucht. Weil ſich hiebey der dunkle Mondrand auf dem hellen Sonnenteller ſehr deutlich und wohlbegrenzt zeiget, ſo ſind dieſe Beobachtungen weit zuverlaͤßiger und hoͤher zu ſchaͤtzen, als die der Mondfinſterniſſe.

Daher werden dieſe Beobachtungen von den Aſtronomen ſo oft als moͤglich angeſtellt, und theils zu Berichtigung der Tafeln, theils aber auch zur Beſtimmung des Unterſchieds der geographiſchen Laͤnge zweener Orte genuͤtzt. Zu der letztern Abſicht dienen ſie mit ganz vorzuͤglicher Sicherheit; nur erfordern ſie noch ziemlich weitlaͤuftige Berechnungen, um die an beyden Orten beobachtete fcheinbare Beruͤhrung des Sonnen - und Mondrandes auf eine wahre oder aus dem Mittelpunkte der Erde geſehene zu reduciren, aus welcher ſich alsdann erſt auf den Unterſchied der Laͤngen ſchließen laͤßt. Allgemeine Bemerkungen uͤber Sonnen - und Mondfinſterniſſe.

Die Verfinſterungen der Sonne und des Monds kehren, wie alle Himmelsbegebenheiten, in gewiſſen Perioden wieder. Man kan ſchon nach einer Finſterniß von anſehnlicher Groͤße erwarten, daß ſich im folgenden Jahre, 11 Tage fruͤher, wiederum eine, aber von geringerer Groͤße, zeigen werde. Denn da 12 Mondenmonate nur 354 Tage ausmachen, ſo fallen die Neu - und Vollmonde im folgenden Jahre 11 Tage fruͤher, ſ. Epakte, und der dreyzehnte trift etwa 11° weit von der Gegend des Thierkreiſes, in welcher der Knoten im vorigen Jahre ſtand, wenn im erſten eine255 Finſterniß war. Es gehen aber die Mondsknoten jaͤhrlich um 19° zuruͤck; alſo iſt der Knoten im folgenden Jahre uͤber die vorerwaͤhnten 11° noch weiter zuruͤck, und der Neuoder Vollmond iſt jetzt vom Knoten, wenn er das Jahr vorher im Knoten ſelbſt war. Daher iſt die Finſterniß kleiner. Im folgenden Jahre iſt die Entfernung 16°, daher die Mondfinſterniß ſchon ganz wegfaͤllt, die Sonnenfinſterniß aber noch moͤglich bleibt. So fallen nach einander Sonnenfinſterniſſe: d. 15 Jun. 1787, d. 4 Jun. 1788, d. 24 May 1789, den 13 May 1790 immer im folgenden Jahre ungefaͤhr 11 Tage fruͤher, als im vorigen. Die erſte iſt von geringer Groͤße, die v. 1788 iſt central, die letztern ſind wiederum geringer. Mondfinſterniſſe fallen: den 9 May 1789, den 29 Apr. 1790 eine gaͤnzliche, den 18 April 1791.

Eine ſehr merkwuͤrdige Periode der Ruͤckkehr der Finſterniſſe iſt die Halleyiſche oder Plinianiſche von 223 Mondenmonaten, oder 6585 1 / 3 Tagen, welche 18 Jahre und 11 Tage (oder, wenn in dieſen 18 Jahren 5 Schaltjahre fallen, 10 Tage) und 8 Stunden ausmachen. Waͤhrend dieſer Zeit ſind die Knoten des Monds, welche jaͤhrlich 19° 19′ zuruͤckgehen, etwa um 349° 20′ fortgegangen, alſo noch 10° 40′ vorwaͤrts von ihrer Stelle im Anfang der Periode entfernt. Die Sonne ſelbſt aber hat 18 Umlaͤufe vollendet, und in den 10 Tagen noch etwa 10° 40′ vorwaͤrts zuruͤckgelegt: ſie ſteht alſo gegen den gleich weit fortgeruͤckten Mondsknoten faſt eben ſo, wie im Anfange der Periode. Der Mond hat 223 Mondwechſel genau vollendet, und ſteht alſo wieder eben ſo, wie im Anfange; daher am Ende der Periode wieder eine Finſterniß erfolgen muß, wenn es eine im Anfange derſelben gab, weil Sonne, Mond und Mondsknoten eben dieſelbe Stellung haben. Halley, von welchem auch dieſe Periode benannt worden iſt, ſagte vermittelſt derſelben die Sonnenfinſterniß den 2 Jul. 1684. voraus, weil den 22 Jun. 1666 eine beobachtet worden war. Nach einer betraͤchtlichen Finſterniß aber werden die naͤchſten nach 18 Jahren immer kleiner, bis ſie endlich ganz außenbleiben. 256

Es iſt gewiß, daß dieſe Periode ſchon den Chaldaͤern unter dem Namen Saros bekannt geweſen ſey. Prolemaͤus (Almag. IV. 29.) fuͤhrt aus dem Hipparchus an, die alten Aſtronomen haͤtten ſie erfunden, und um volle Tage zu haben, die 6585 1 / 3 mit 3 multiplicirt, woraus eine Periode von 669 Mondenmonaten oder 19756 Tagen entſtanden ſey. Nun ſagt aber Geminus (Elem. aſtr. c. 15.) ausdruͤcklich, die Periode von 669 Monaten ſey chaldaͤiſchen Urſprungs. Ueberdies fuͤhrt Svidas im Woͤrterbuche unter dem Worte Saros nach der Berichtigung des Pearſon (Expoſ. fymb. apoſtol. Lond. 1683. f. 59.) an, der Saros ſey ein chaldaͤiſches Zeitmaaß, das aus 222 Mondenmonaten oder 18 Jahren und 6 Monaten beſtehe. Halley (Philoſ. Trans. no. 194. ann. 1691.) zeigt zwar, daß dieſe Angabe fehlerhaft, und 223 Monate fuͤr 222 zu leſen ſey; allein die Stelle iſt doch hinlaͤnglich, die Bekanntſchaft der Chaldaͤer mit dieſer Periode zu erweiſen. Die unter den Alten erwaͤhnten Vorherverkuͤndigungen der Finſterniſſe ſind gewiß blos vermittelſt dieſer, oder einer andern aͤhnlichen Periode geſchehen. Auch Plinius gedenkt derſelber (Hiſt. nat. II. 13.) mit den Worten: Defectus Solis et Lunae ducentis viginti tribus menſibus redire in ſuos orbes certum eſt, welche Stelle Halley ebenfalls aus Manuſcripten berichtiget, und daher dieſe Periode die Plinianiſche genannt hat. (Man ſ. hieruͤber Weidler Hiſt. aſtr. Cap. III. §. 18. und Bailly Geſchichte der alten Sternkunde, a. d. Frz. Zweyter Band. Leipzig, 1777. gr. 8. S. 172. u. f.).

Eben dieſes leiſten die Perioden von 716, von 3087, 6890, 9977 rc. Mondenmonaten; jede folgende immer genauer, als die vorhergehenden.

Die Berechnung ſowohl der vergangenen als der zukuͤnftigen Finſterniſſe aus den aſtronomiſchen Tafeln iſt allerdings ſehr muͤhſam. Lambert hat ſeine großen Talente fuͤr die Conſtruction zur Erleichterung dieſer Bemuͤhungen angewendet, und ſchon 1765 zu Berlin die Beſchreibung einer ekliptiſchen Tafel herausgegeben, wo man257 auf einem Kupferſtiche die Umſtaͤnde jener Finſterniß durch Abmeſſen beſtimmen kan. Vollſtaͤndiger findet man dieſe Tafel im zweyten Theile ſeiner Beytraͤge zum Gebrauch der Mathematik (Berlin, 1770. 8. no. XII. ), und noch weiter ausgefuͤhrt in des ungluͤcklichen Waſers hiſtoriſchdiplomatiſchem Iahrzeitbuche (Zuͤrich, 1779. auf 29 Folioblaͤttern).

Ich will noch einige Saͤtze von den Finſterniſſen beyfuͤgen, welche die angefuͤhrte Lambertiſche Tafel ſogleich durch den Augenſchein beweiſet. Die Anzahl der Finſterniſſe in einem Jahre kan hoͤchſtens bis auf 7 ſteigen, und alsdann treffen dieſelben im Iaͤnner, Iunius, Iulius und December ein. Ein Beyſpiel gab das Jahr 1787 mit 4 Sonnenund 3 Mondfinſterniſſen. In jedem Jahre muͤſſen wenigſtens zwey Sonnenfinſterniſſe einfallen; Mondfinſterniſſe koͤnnen gaͤnzlich fehlen, wie 1788. Je groͤßer die Sonnenfinſterniſſe in einem Jahre ſind (nemlich aus dem Mittelpunkte der Erde betrachtet), deſto kleiner ſind die Mondfinſterniſſe, und umgekehrt. Wenn eine totale Mondfinſterniß einfaͤllt, ſo ſind gemeiniglich beyde Neumonde, der vorhergehende und nachfolgende, mit Sonnenfinſterniſſen, aber von geringer Groͤße, begleitet. Im Jahre 1790 z. B. fallen totale Mondfinſterniſſe den 29 April und 23 October: die naͤchſten Neumonde vor und nachher, den 14 April, 13 May, 8 Oct. und 6 Nov. haben kleine Sonnenfinſterniſſe. Fallen hingegen centrale Sonnenfinſterniſſe ein, ſo ſind die Neumonde vor und nachher ganz ohne Mondfinſterniß.

Die aſtronomiſchen Kalender und Ephemeriden, z. B. Herrn Bode aſtronomiſches Jahrbuch, geben zur Bequemlichkeit der Aſtronomen die Finſterniſſe eines jeden Jahres mit ihren Umſtaͤnder genau berechnet an. Ein Verzeichniß aller bis zu Ende dieſes Jahrhunderts einfallenden Finſterniſſe hat Herr Bode (Anleitung zur Kenntniß des geſtirnten Himmels. Dritte Aufl. Berlin 1777. gr. 8. S. 453. u. f.) mitgetheilt. 258Verfinſterungen der Trabanten oder Nebenplaneten.

Der Planet Iupiter wird von vier, Saturn von fuͤnf Monden, Trabanten oder Nebenplaneten begleitet, ſ. Nebenplaneten, welche eben ſo, wie die Hauptplaneten, an ſich dunkle Koͤrper ſind, und blos von der Sonne erleuchtet werden. Wenn nun dieſe Nebenplaneten bey ihrem beſtaͤndigen Umlauf um den Hauptplaneten in den Schatten des letztern kommen, ſo ereignen ſich Trabantenverfinſterungen (Eclipſes Satellitum, Eclipſes des Satellites). Wir haben hier blos von den Verfinſterungen der Iupitersmonden zu handeln, weil ſie die einzigen ſind, welche man beobachten kan.

Die Iupitersmonden laufen ſehr geſchwind um ihren Hauptplaneten, ihre Bahnen ſind nur unter ſehr kleinen Winkeln gegen die Bahn des Iupiters und gegen die Ekliptik geneigt, und ihre Groͤße iſt ſehr gering gegen die Groͤße des Iupiters und gegen den Durchmeſſer ſeines Schattenkegels. Dieſe Umſtaͤnde verurſachen, daß die Iupitersmonden bey jedem Umlaufe den Schatten ihres Hauptplaneten durchſchneiden muͤſſen, daher die Verfinſterungen derſelben ſehr haͤufig ſind. Im Iupiter ſelbſt muͤſſen ſie ſich als Mondfinſterniſſe zeigen. Gehen aber die Monden zwiſchen dem Iupiter und der Sonne hindurch, ſo koͤnnen ſie auch ihren Schatten auf den Hauptplaneten werfen, und Sonnenfinſterniſſe auf ihm verurſachen, wobey wir auf der Erde die Schatten der Trabanten als dunkle runde Flecken uͤber die Scheibe des Iupiters ruͤcken ſehen.

Wenn die Erde zur Zeit der Conjunction oder Oppoſition des Iupiters mit der Sonne, nach Taf. IX. Fig. 30. in C oder D ſteht, ſo liegt der Schatten des Iupiters fuͤr uns gerade hinter ihm, wird unſerm Auge von ihm verdeckt, und wir ſehen mehrere Tage nach einander eben ſo wenig den Eintrit (Immerſion) bey e, als den Austritt (Emerſion) der Monden bey m, in und aus dem Schatten. Ruͤckt die Erde weiter von C nach B, ſo wird Iupiter in den Fruͤhſtunden ſichtbar, und man faͤngt an die rechte oder Weſtſeite259 des Schattens zu ſehen, an welcher die Eintritte in e geſchehen. In B, wenn Iupiter faſt um 90° von der Sonne S abſteht, und fruͤh um 6 Uhr culminirt, iſt dies am merklichſten. Indem die Erde von B nach D laͤuft, ruͤckt der Schatten allmaͤhlich wieder hinter den Koͤrper des Iupiters. In D ſelbſt, wo Iupiter der Sonne entgegen geſetzt iſt, und um Mitternacht culminirt, ſieht man wiederum weder Eintritte noch Austritte. Koͤmmt die Erde gegen A, ſo wird Iupiter Abends ſichtbar, und der Schatten zeigt ſich linker Hand oder oſtwaͤrts vom Iupiter, daß alſo jetzt blos die Austritte der Monden bey m ſichtbar ſind. Dies wird am merklichſten in A, wo Iupiter Abends um 6 Uhr culminirt. Laͤuft endlich die Erde von A bis C, ſo tritt der Schatten nach und nach wieder hinter den Iupiter, bis um C dieſer Planet ſelbſt mit der Sonne zuſammen koͤmmt, und in den Sonnenſtralen verſchwindet. Alſo ſieht man von der Conjunction bis zur Oppoſition nur die Eintritte, von dieſer bis zu jener nur die Austritte. Dies gilt wenigſtens fuͤr den erſten und zweyten Iupitersmond. Von dem dritten und vierten aber, welche weiter vom Iupiter abſtehen, werden, vornehmlich bey A und B, ſowohl die Ein - als Austritte geſehen, und in gewiſſen Lagen gegen die Ekliptik ſieht man dieſelben ſogar um C und D, wobey der Schatten ſowohl, als der Mond, oberhalb oder unterhalb des Iupiters zu ſtehen ſcheint.

Da die Verfinſterungen der Iupitersmonden wirkliche Beraubungen des Lichts ſind, ſo muͤſſen ſie allen Orten der Erde zu gleicher Zeit und auf gleiche Weiſe erſcheinen, und ſind daher, als Merkmale gleichzeitiger Augenblicke, zu Erfindung des Unterſchieds der geographiſchen Laͤngen ſehr bequem zu gebrauchen, ſ Laͤnge, geographiſche. Man kan ſie mit Huͤlfe des ſogenannten Iovilabiums leicht vorher wiſſen, und dann die naͤhern Umſtaͤnde aus den ſehr genauen Tafeln des Ritter Wargentin, die ſich in der berliner Sammlung aſtronomiſcher Tafeln finden, ohne große Muͤhe berechnen. Zu noch mehrerer Bequemlichkeit der Aſtronomen ſind ſie in den aſtronomiſchen Ephemeriden und Kalendern ſchon berechnet angegeben. 260

Die Beobachtung dieſer Verfinſterungen koͤmmt darau < * > an, daß man den Augenblick der Verſchwindung oder der erſten Wiedererſcheinung des Trabanten nach einer genauen Uhr bemerkt, und in wahrer Sonnenzeit ausdruͤckt. Die Iupitersmonden ſind zwar ſchon durch mittelmaͤßige Fernroͤhre von 2 bis 3 Fuß ſichtbar: aber ihre Verfinſterungen zu beobachten, wird doch wenigſtens ein 12fuͤßiges gemeines Fernrohr, oder ein an Wirkung dieſem gleich kommendes Spiegelteleſkop oder achromatiſches Fernrohr erfordert. Es miſcht ſich aber auch in dieſe Beobachtungen viel Ungewißheit. Laͤngere Fernroͤhre, welche ſtaͤrker vergroͤßern, zeigen den groͤßtentheils verdunkelten Mond noch, wenn man ihn mit ſchlechtern Fernroͤhren ſchon aus den Augen verlohren hat; d. h. ein beſſeres Fernrohr zeigt die Eintritte ſpaͤter, die Austritte eher an. Nach de l' Isle (Comm. Acad. Petrop. To. I. p. 472.) hat dieſer Unterſchied bey zweyen Fernroͤhren, einem von 20 1 / 2 und einem von 15 Fuß bisweilen 6 bis 7 Sec. betragen. Es iſt alſo noͤthig, bey jeder Beobachtung die Beſchaffenheit des Fernrohrs mit anzugeben. Auch koͤmmt es auf Iupiters Hoͤhe an, ob nemlich das Licht des Trabanten von der Luft, durch die es gehen muß, mehr oder weniger geſchwaͤcht wird. Der P. Hell (Ephemerides Aſtr. ann. 1764. p. 188.) hat Vorſchriften gegeben, wie die Verfinſterungen der Iupiterstrabanten bey aller Verſchiedenheit der Fernroͤhre dennoch genauer zu beobachten, und ſicherer als ſonſt, zu Beſtimmung der Laͤngen zu gebrauchen ſind.

de la Lande Aſtronomiſches Handbuch, aus d. Frz. uͤberſ. Leipzig, 1775. gr. 8. Fuͤnftes Buch. §. 600. u. f.

I. E Bode kurzgefaßte Erlaͤuterungen der Sternkunde, Berlin, 1778. 8. Erſter Theil, §. 436. Zweyter Theil, §. 613. u. f.

Kaͤſtners Anfangsgr. der angewandten Math. zweyte Abtheilung, Dritte Aufl. Goͤttingen 1781. 8. Aſtronomie, §. 300 302 Geographie, §. 35.

Firmament, Gewoͤlbe des Himmels, Firmamentum, Coelum, Firmament.

Man giebt dieſen Namen bisweilen dem blauen Gewoͤlbe, das vom Horizonte begrenzt uͤber der Erde und uͤber unſerm Haupte erſcheint,261 und an welchem Sonne, Mond und Sterne gleichſam angeheftet zu ſeyn ſcheinen. Dies alles iſt freylich bloße Erſcheinung. Die Geſtalt des Firmaments iſt um den Scheitelpunkt eingedruͤckt, ob ſie gleich in der Sternkunde als die innere Flaͤche einer Halbkugel angeſehen wird. Man ſ. hievon den Artikel: Himmel.

Fix, Fixum, Fixe.

Dieſes Wort wird in zwiefacher Bedeutung gebraucht. Einmal heißt es ſo viel, als gebunden, mit der Maſſe eines Koͤrpers feſt vereinigt und zu den Beſtandtheilen deſſelben gehoͤrig. So nannte man anfaͤnglich die Luft, welche ihre elaſtiſche Form verlohren hatte, und zu einem Beſtandtheile feſter oder fluͤßiger Koͤrper geworden war, fixe Luft, und ließ ihr dieſen Namen noch, wenn man ſie gleich wieder aus den Koͤrpern gezogen, und ihre elaſtiſche Form hergeſtellt hatte; bis endlich der Name der fixen Luft einer beſondern Gattung eigen geworden iſt, ſ. Gas, mephitiſches.

Dann aber heißt auch fix ſo viel als feuerbeſtaͤndig, z. B. fixes Laugenfalz rc. und wird dem volatilen oder fluͤchtigen entgegen geſetzt, ſ. Feuerbeſtaͤndig.

Fixe Luft, ſ. Gas, mephitiſches.

Fixſterne, Stellae fixae, Etoiles, Etoiles fixes.

Dieſen Namen fuͤhrt die unzaͤhlbare Menge derjenigen Sterne, welche ihre Stellungen gegen einander nicht aͤndern (wenigſtens nicht merklich aͤndern), mit einem funkelnden oder zitternden Lichte ſcheinen und ſelbſt durch die beſten Fernroͤhre keinen ſcheinbaren Durchmeſſer zeigen. Ihnen werden die Planeten oder Irrſterne entgegengeſetzt, welche ihre Stellung gegen die Fixſterne taͤglich aͤndern, durch die Fernroͤhre als runde Scheiben erſcheinen, und mit einem ruhigern nicht funkelnden Lichte glaͤnzen.

Die Fixſterne werden nach der Staͤrke ihres Lichts unter ſechs und mehrere Ordnungen gebracht, ſo daß die hellſten unter ihnen Sterne der erſten, die dieſen zunaͤchſt folgenden Sterne der zweyten, die naͤchſt kleinern der dritten u. ſ. w. Groͤße heißen. Das bloße Auge erkennt262 nur noch die von der ſechſten Groͤße: die uͤbrigen heißen teleſkopiſche, weil ſie blos durch Fernroͤhre ſichtbar ſind. Dieſe Sterne ſind haufenweiſe unter bildliche Vorſtellungen von menſchlichen, thieriſchen und andern Figuren gebracht, ſ Sternbilder, auch ſind vielen von ihnen eigne Namen beygelegt worden. Zu ihnen gehoͤren auch die Milchſtraße und die Nebelſterne, wovon wir unter beſondern Artikeln handeln werden. Der neuern Sternkunde zu Folge gehoͤrt auch die Sonne zu den Fixſternen.

Die Fixſterne werden ſelbſt von den beſten Fernroͤhren nicht vergroͤßert, ſondern zeigen ſich als untheilbare Punkte ohne einigen merklichen Durchmeſſer. Vielmehr wird ihnen durch die Fernroͤhre das ſtarke Licht benommen, durch das ſich ihr Bild auf der Netzhaut ausbreitet, und ſie erſcheinen daher noch kleiner, als ſie dem bloßen Auge vorkommen. Von dieſem geringen Durchmeſſer und ihrem gleichwohl ſtarken Glanze ruͤhrt auch ihr Funkeln oder Blinkern her, ſ. Funkeln. Die verſchiedene Staͤrke ihres Lichts haͤngt wahrſcheinlich von ihren verſchiedenen Groͤßen und Entfernungen von uns ab.

Man zaͤhlt gewoͤhnlich nicht mehr, als 15 Sterne der erſten Groͤße, obgleich einige noch 4 hinzufuͤgen, die aber richtiger zur zweyten Groͤße gerechnet werden. Vier davon ſtehen im Thierkreiſe: Aldebaran oder das Stierauge im Stier, Regulus oder das Loͤwenherz im Loͤwen, die Kornaͤhre (Spica virginis) in der Jungfrau und Anrares oder das Scorpionherz im Scorpion. Drey befinden ſich in der noͤrdlichen Halbkugel des Himmels: Arcturus im Bootes, die Ziege oder Capella im Fuhrmann, und Wega (lucida lyrae) in der Leyer. Die ſuͤdliche Halbkugel enthaͤlt acht Sterne erſter Groͤße: Be - < * > rigeuze an der Schulter und Rigel im Fuße des Orions, Acarnar am ſuͤdlichen Ende des Eridanus, den Hundsſtern oder Sirius (Canicula) im großen Hunde, Procyon im kleinen Hunde, Fomahand am Maul des ſuͤd - < * > Fiſches, Canopus im Schif Argo, und einen im Centaur. Einige Aſtronomen haben noch den Loͤwenſchwanz, den hellen Stern im Adler, den im Schwanze des Schwans263 und das Herz der Waſſerſchlange hinzugeſetzt, die aber kaum zur erſten Groͤße gerechnet werden koͤnnen.

Obgleich die Fixſterne ihre Stellen gegen einander nicht merklich aͤndern und von der Feſtigkeit oder Unbeweglichkeit ihren Namen fuͤhren, ſo ſind ſie doch keinesweges ohne ſcheinbare Bewegungen. Fuͤrs erſte folgen ſie der gemeinen oder taͤglichen Bewegung, und durchlaufen in einem Zeitraume, den man den Sterntag nennt, Tagekreiſe, welche mit dem Aequator parallel laufen. Die Alten hielten dieſe Bewegung fuͤr wirklich, ſchrieben ſie dem ganzen Firmamente oder der Sphaͤre ſelbſt zu, und glaubten, daß die Fixſterne an dieſer Sphaͤre befeſtiget waͤren. Die neuere Sternkunde aber, welche die taͤgliche Bewegung richtiger aus der Umdrehung der Erdkugel herleitet, giebt uns von der Groͤße der Fixſterne und des Weltgebaͤudes ganz andere und weit erhabnere Begriffe.

Dann ſcheinen auch ſaͤmtliche Fixſterne mit der Ekliptik parallel von Zeit zu Zeit fortzuruͤcken, ſo daß zwar ihre Breite ungeaͤndert bleibt, ihre Laͤnge aber jaͤhrlich um 50 Sec. und 20 Tertien, oder in 72 Jahren um einen Grad zunimmt, wodurch ſie binnen 25748 Jahren eine voͤllige Umdrehung um die Pole der Ekliptik vollenden muͤſſen. Aber auch dieſe Bewegung iſt blos ſcheinbar, und ruͤhrt von einem Fortruͤcken der Nachtgleichen her, wovon man den Artikel: Vorruͤcken der Nachtgleichen nachſehen kan.

Eine andere ſcheinbare Bewegung der Fixſterne, nach welcher ſie jaͤhrlich kleine Ellipſen, deren Axe 40 Sec. betraͤgt, zu beſchreiben ſcheinen, iſt nebſt ihrer Urſache bey dem Worte: Abirrung des Lichts erklaͤrt worden. Die Veraͤnderungen der Schiefe der Ekliptik (ſ. Schiefe der Ekliplik) verurſachen Veraͤnderungen in der Breite der Fixſterne, und das Wanken der Erdaxe (ſ. Wanken der Erdare) veranlaßt, daß ſie binnen 18 Jahren und 8 Mon. kleine Kreiſe von 18 Sec. Durchmeſſer zu durchlaufen ſcheinen.

Außer dieſen Bewegungen, welche alle blos ſcheinbar, und eigentlich Bewegungen der Erdkugel ſind, zeigen aber einige Fixſterne auch eigne oder wirkliche, wiewohl ſehr langſame264 Veraͤnderungen ihres Orts, wie man durch Vergleichung der neuern Beobachtungen mit den aͤltern unwiderſprechlich dargethan hat. Halley (Phil. Trans. 1718. no. 355.) hat zuerſt auf dieſe Art eigne Bewegungen an einigen großen Fixſternen, dem Aldebaran, Arctur und Sirius entdeckt, welche ſeit Ptolemaͤus Zeiten um einen halben Grad weiter nach Suͤden geruͤckt ſchienen. Caſſini, Richer, le Monnier und Bradley ſetzten dieſe Beobachtungen fort, und fanden aus Vergleichungen der ihrigen mit den von Tycho, Picard, de la Hire und Flamſtead angeſtellten, daß Arctur wirklich in 66 Jahren um 2 1 / 2 Min. nach Suͤden fortruͤcke, beym Sirius aber dieſe Bewegung nach Suͤden ſeit Tychons Zeiten erſt 2 Min. ausmache. Caſſini fand auch eigne Bewegungen an den Sternen Beteigeuze, Rigel, Regulus, Capella und am hellen im Adler. Tobias Mayer (De motu fixarum proprio in Tob. Mayeri Opp. ined. cura G. C. Lichtenberg. Gott. 1775. 4 maj. Vol. I. no. 6.) liefert ein Verzeichniß von mehr als 70 Sternen, von welchen ſich aus Vergleichung ſeiner Beobachtungen mit aͤltern von Roͤmer und de la Caille ſchließen laͤßt, daß ſie eine eigne Bewegung haben.

Der churpfaͤlziſche Aſtronom, Chriſtian Mayer zu Mannheim hatte nebſt ſeinem Gehuͤlfen Herrn Mezger mit ganz vorzuͤglichem Fleiße die Lagen der kleinen, oft nur durch gute Fernroͤhre ſichtbaren, Sterne unterſucht, welche ſich in der Nachbarſchaft der groͤßern Fixſterne befinden. Er hatte ſich dazu des Mikrometers bedient, und durch dieſe Methode in den Lagen dieſer kleinen Sterne gegen den groͤßern Fixſtern mancherley Veraͤnderungen wahrgenommen. Dieſe Beobachtungen ſind ſchaͤtzbar, und beſtaͤtigen, daß auch an kleinern Sternen eigne Bewegungen gefunden werden. Mayer aber ließ ſich verleiten, dieſe kleinen Sterne fuͤr Begleiter oder Trabanten der groͤßern, ja ſogar fuͤr Planeten derſelben oder fuͤr dunkle Koͤrper, die ihr Licht von dem großen Fixſtern empfiengen, zu halten eine Behauptung, welche viel Aufſehen machte, der aber bald von den angeſehenſten Aſtronomen widerſprochen ward. Mayer ſuchte ſich zwar zu vertheidigen (Chr. Mayers265 Vertheidigung neuer Beobachtungen von Fixſterntrabanten. Mannheim, 1778. gr. 8. Ej. De novis in coelo ſidereo phaenomenis, in miris ſtellarum fixarum comitibus, in Commentat. Aead. Theodoro-Palatinae, Vol. IV. Phyſic. 1780. p. 259.), aber ohne Erfolg. Sehr gruͤndlich iſt dieſes Vorgeben von einem Planetismus der kleinern Fixſterne durch Herrn Fuß in Petersburg widerlegt worden (Betrachtungen uͤber die Fixſterntrabanten von Herrn Prof. Fuß, aus d. Franz. in Bodens aſtronomiſchem Jahrbuche fuͤr 1785.).

Dieſe eignen Bewegungen der Fixſterne haben neuerlich Herr Herſchel (On the proper motion of the Sun and ſolar Syſtem in den Philoſ. Trans. Vol. LXXIII.) und Herr Prevoſt (Mém. lus à l' acad. des Sc. de Berlin en Iuill. et en Sept. 1783. par Mr. Prevoſt. à Berlin. 4.) als eine, wenigſtens zum Theil, ſcheinbare Bewegung zu betrachten angefangen. Sie glauben in den meiſten bisher gemachten Beobachtungen zu finden, daß die Fixſterne nach einer Gegend des Himmels zu mehr aus einander, nach der entgegengeſetzten aber mehr zuſammenruͤcken. Dem zu Folge ſchiene ſich unſere Sonne mit allen ihren Planeten und Kometen nach jener Gegend zu fortzubewegen, und von der entgegengeſetzten zu entfernen. Dieſe Bewegung richtet ſich nach Herſchel auf den Stern λ im Herkules, nach Prevoſt auf die noͤrdliche Krone zu. Einige Nachrichten von dieſen Muthmaßungen finden ſich in Herrn Bode aſtronomiſchem Jahrbuche fuͤr 1786.

Die Entfernung der Fixſterne von der Erde iſt fuͤr uns im buchſtaͤblichen Verſtande des Worts unermeßlich, weil uns wegen ihrer Groͤße alle Mittel, ſie zu beſtimmen, gaͤnzlich fehlen. Obgleich die Erde jaͤhrlich einen Kreis um die Sonne durchlaͤuft, deſſen Durchmeſſer uͤber 40 Millionen Meilen austraͤgt, und wir alſo gewiſſen Geſtirnen, z. B. dem Orion, im Winter um 40 Millionen Meilen naͤher, als im Sommer ſind; ſo iſt doch bey dieſem großen Unterſchiede der Naͤhe und Stellung nicht die geringſte Wirkung davon in der Groͤße oder Lage der Fixſterne wahrzunehmen. ſ. Parallaxe der Erdbahn. Das heißt: der ganze266 Durchmeſſer der Erdbahn iſt gegen die Entfernung der Fixſterne nur eine unbetraͤchtliche Groͤße, und als ein Punkt anzuſehen. Wenn die Parallaxe der Erdbahn fuͤr den naͤchſten Fixſtern nur 1 Sec. betruͤge, ſo wuͤrde daraus folgen, daß dieſer Stern von unſerer Sonne 206264mal weiter, als die Erde, entfernt ſey: jetzt, da ſie nicht einmal 1 Sec. betraͤgt, ſondern fuͤr uns ſchlechterdings unmerklich iſt, muß des naͤchſten Fixſterns Abſtand von der Sonne und von uns noch bey weitem groͤßer ſeyn, und man kan gar nicht beftimmen, wie weit er ſich erſtrecke.

Huygens (Coſmotheorus. Hag. Com. 1698. 4. L. II. p. 135. ſ. ) machte einen Verſuch, die Entfernung des Sirius daraus einigermaßen zu ſchaͤtzen, daß er ſeine ſcheinbare Groͤße und ſeinen Glanz mit der Groͤße und dem Glanze der Sonne verglich. Wenn er nemlich durch ein Rohr in die Sonne ſahe, deſſen kleine und mit einem mikroſkopiſchen Glaskuͤgelchen verſehene Oefnung nur den 27664ſten Theil der Sonnenſcheibe zeigte, ſo ſchien ihm dieſer Theil an Groͤße und Licht dem Sirius gleich, und er folgerte hieraus, daß, wenn Sirius ſo groß als die Sonne ſey, er 27664mal weiter, als dieſe, von der Erde abſtehen muͤſſe. Dieſe Schaͤtzung aber iſt viel zu gering: waͤre des Sirius Abſtand nicht groͤßer, ſo muͤßte fuͤr ihn eine Parallaxe der Erdbahn von 7 8 Sec. ſtatt finden. Uebrigens handeln von dieſer Methode auch Gregory (Elementa aſtr. phyſ. et geom. Lib. III. Prop. 60. 61. ) und Kaͤſtner (in Smith's vollſtaͤndigem Lehrbegrif der Optik. S. 448.).

Aus dieſer großen Entfernung der Fixſterne erklaͤrt es ſich, warum ſelbſt die beſten Fernroͤhre ihnen keine merkliche Groͤße geben, ſondern ſie nur als helle Punkte darſtellen. Ihr ſcheinbarer Durchmeſſer iſt allzuklein. Waͤre er der jaͤhrlichen Parallaxe gleich, ſo muͤßte der wirkliche Durchmeſſer des Fixſterns dem Halbmeſſer der Erdbahn gleich ſeyn, welches nicht glaublich iſt. Mithin iſt wohl der ſcheinbare Durchmeſſer der Fixſterne noch weit kleiner, als die ſchon ganz unmerkliche Parallaxe. Auch verſchwinden Regulus, Aldebaran, die Aehre und Antares, wenn ſie vom Monde bedeckt werden, ſo ſchnell, und erſcheinen ſo267 ploͤtzlich wieder, daß man dadurch verſichert wird, ihr ſcheinbarer Durchmeſſer betrage noch bey weitem nicht 1 Secunde, ja kaum 1 / 4 Sec. Mithin laͤßt ſich auch uͤber die wahre Groͤße der Fixſterne nicht das Geringſte mit Zuverlaͤßigkeit beſtimmen. Man darf ſie inzwiſchen wenigſtens eben ſo groß, als unſere Sonne, annehmen.

Da die Fixſterne ihrer unermeßlichen Entfernung und ihrer geringen ſcheinbaren Groͤße ungeachtet weit lebhafter leuchten, als die ſo nahen und ſo groß erſcheinenden Planeten, ſo kan ihr Licht nicht von der Sonne herkommen, es muß ihnen vielmehr eigen, d. i. ſie muͤſſen ſelbſt Sonnen ſeyn. Nach aller Wahrſcheinlichkeit iſt jede dieſer Sonnen mit Planeten umgeben, die von ihr erleuchtet und erwaͤrmet und von vernuͤnftigen, der Gluͤckſeligkeit faͤhigen Geſchoͤpfen bewohnt werden. Wenigſtens koͤnnen wir keine andere Abſicht der Fixſterne erdenken, die doch gewiß nicht darum allein geſchaffen ſind, um fuͤr uns Erdbewohner den naͤchtlichen Himmel zu ſchmuͤcken.

Man vergleiche hiemit die zahlloſe Menge dieſer Sonnen. Ueber fuͤnftauſend derſelben haben die Aſtronomen in ihre Verzeichniße gebracht; aber ſchon das bloße Auge bemerkt, daß ihre Anzahl weit hoͤher ſteigt, und die Fernroͤhre beſtaͤtigen dies in ſo hohem Grade, daß man durch ſie blos in der Gegend um den Guͤrtel und das Schwerdt des Orions uͤber 2000 Fixſterne zaͤhlet. Der groͤßte Theil der Nebelſterne beſteht aus ſogenannten Sternhaͤuflein, oder Sammlungen einer Menge kleiner Sterne. Endlich haͤufen ſie ſich in der Milchſtraße zu Millionen. Nimmt man hiezu noch die ungeheuren Entfernungen, um welche ſie von einander ſelbſt abſtehen muͤſſen, ſo erhaͤlt man von dem Umfange und der Groͤße der Schoͤpfung, und von der Macht, Weisheit und Guͤte ihres Urhebers Begriffe, die an Erhabenheit alles uͤbertreffen, was die Einbildungskraft der Menſchen zu umfaſſen vermag, ſ. Weltgebaͤude, bey welchem Worte man uͤber die Ordnungen und Lagen der Fixſterne gegen einander ſelbſt einige ſchoͤne Muthmaßungen finden wird. 268

Man hat bisweilen neue Fixſterne an Orten geſehen, wo vorher keine waren. Hipparch ward durch eine ſolche Erſcheinung 125 Jahr v. C. G. bewogen, ein Sternverzeichniß zu verfertigen. Das bekannteſte Beyſpiel iſt die Erſcheinung des neuen Sterns im Bilde der Caſſiopea, welcher ſich im November 1572 auf einmal mit einen. Glanze zeigte, der das Licht des Sirius und ſelbſt des Iupiters uͤbertraf, und am hellen Tage zu ſehen war. Er fieng vom December 1572 an abzunehmen, und ward endlich im Maͤrz 1574 unſichtbar. Tycho (Progymnaſmata Aſtron. Frf. 1602. 4. L. I.) hat ihn ſehr fleißig beobachtet, und keine Parallaxe an ihm wahrgenommen. Einen faſt eben ſo glaͤnzenden Stern beobachtete Kepler (De ſtella nova in pede Serpentarii. Prag. 1606. 4. ) am Fuß des Schlangentraͤgers im Jahre 1604, der ebenfalls keine Parallaxe zeigte, und im folgenden Jahre wieder unſichtbar ward. Der juͤngere Caſſini (Elemens d'Aſtron. p. 73.) fuͤhrt noch mehrere aͤhnliche Beyſpiele von kleinern neuen Sternen an.

Andere Fixſterne, die man wunderbare oder veraͤnderliche nennt, erſcheinen bald heller, bald dunkler, und verſchwinden wohl gar auf einige Zeit, halten aber doch bey dieſen Abwechſelungen ihres Lichts regelmaͤßige Perioden von beſtimmter Dauer. Im Sternbilde des Schwans allein ſind drey dergleichen veraͤnderliche Sterne, die Bayer in ſeiner Uranometrie fuͤr unveraͤnderlich gehalten, die erſten beyden mit χ und P bezeichnet, den dritten aber nahe am Kopfe des Schwans unter die ungebildeten geſetzt hat. Der merkwuͤrdigſte iſt der mit χ bezeichnete. Kirch hat ſeine Lichtveraͤnderungen 1686 zuerſt beobachtet; Caſſini (Mém. de l' Acad. roy. des Sc. 1759.) ſetzt die Periode derſelben auf 405 Tage. Am Halſe des Wallfiſches ward 1596 von Fabricius der veraͤnderliche Stern (mira in collo Ceti) beobachtet, welchen Bayer ο nennet, und der nach Hevel (Hiſtoria mirae ſtellae in collo Ceti. Gedan. 1662. fol.) binnen einer Periode von 11 Monaten von der dritten Groͤße bis zum Verſchwinden ab -, und dann nach der Wiedererſcheinung wieder bis zur dritten Groͤße zunimmt. Neuerlich hat Goodricke in England eine merkwuͤrdige269 Lichtabwechſelung an dem hellen Stern Algol im Haupte der Meduſe entdeckt, deren Dauer nur 2 Tage 21 Stunden oder 69 Stunden iſt. Mit Ablauf dieſer Zeit wird der Stern, der eigentlich von der zweyten Groͤße iſt, allemal auf die vierte herunter geſetzt. Hiezu braucht er aber nur 7 Stunden Zeit, nemlich 3 1 / 2 Stunden, um abzunehmen, und 3 1 / 2 Stunden, um ſeine vorige Groͤße wieder zu erhalten. Die uͤbrigen 62 Stunden bleibt er von der zweyten Groͤße. Durch neuere Beobachtungen des Herrn Grafen von Bruͤhl iſt die Periode des Wiederkehrens dieſer Lichtabnahme auf 2 Tage 20 St. 48 Min. 51 Sec. 16 Tert. geſetzt worden. (Man ſ. Bode aſtronom. Jahrbuch fuͤr 1786, Num. 18. 19. ; fuͤr 1788. Num. 13.) Aehnliche Lichtabwechſelungen zeigen β der Leyer, und η des Antinous (Phil. Trans. Vol. LXXV. P. I. no. 7. 9.).

Auch ſind ſeit den Zeiten der aͤltern Aſtronomen unlaͤugbar bleibende Veraͤnderungen in der Lichtſtaͤrke der Sterne vorgegangen. Den hellen Stern des Adlers rechnet Ptolemaͤus zur dritten Groͤße; er iſt aber jetzt ſo hell, daß ihm einige die erſte Groͤße beylegen. Den Stern δ des großen Baͤren geben Tycho und Bayer von der zweyten Groͤße an, jetzt iſt er ſo dunkel, daß man ihn zur vierten rechnen muß. Die berliner Sammlung aſtronomiſcher Tafeln (Berlin 1776. III. B. gr. 8. im erſten Bande, S. 212. u. f. Taf. XV.) giebt ein vollſtaͤndiges Verzeichniß der bisher bemerkten neuen und veraͤnderlichen Sterne.

Es iſt ſchwer, die Urſachen dieſer Veraͤnderungen anzugeben. Der P. Bouilland erklaͤrte die periodiſchen Lichtabwechſelungen dadurch, daß er die Fixſterne, die dergleichen zeigen, fuͤr halbe Sonnen (ſoles dimidiatos) annahm, deren eine Helfte leuchtend, die andere dunkel ſey, und die ſich um ihre Axe drehten. Herr von Maupertuis (Diſcours ſur les differentes figures des aſtres, à Paris. 1732. 8. auch in Oeuvres de Maupertuis, à Lion. 1768. To. IV. 8. To. I.) glaubt, dieſe Sterne haͤtten durch eine ſchnelle Umdrehung um ihre Axe eine ſehr platte tellerfoͤrmige Geſtalt bekommen, und ein großer Planet derſelben aͤndere die Richtung ihrer Axe ſo, daß ſie uns bisweilen die270 platte Seite, bisweilen die ſchmale Kante zukehrten, und im letztern Falle mit ſehr ſchwachem Lichte ſchienen oder gar verſchwaͤnden. Dieſe Hypotheſe erklaͤrt viel, iſt aber auch ſehr gekuͤnſtelt. Natuͤrlicher laͤßt ſich z. B. die Lichtabwechſelung des Algol daraus begreiflich machen, daß dieſe Sonne an einer gewiſſen Stelle, die aller 69 Stunden gegen uns zugekehrt iſt, große dunkle Flecken hat, oder daß ein großer Planet um ſie laͤuft, der uns um dieſe Zeit allemal einen Theil ihres Lichts entziehet.

Einige Fixſterne erſcheinen durch Fernroͤhre doppelt, und heißen Doppelſterne. Dergleichen iſt der Stern Caſtor oder α der Zwillinge u. a. m. Ein Verzeichniß von Doppelſternen in ſechs Claſſen giebt Herr Herſchel (Philoſ. Tranſ. Vol. LXXV. P. I. no. 6.).

De la Lande aſtronomiſches Handbuch, §. 283. u. f.

Bode kurzgefaßte Erl. der Sternkunde, Erſter Theil, §. 145. Zweyter Theil, §. 614. u. f.

Kaͤſtner Anfangsgr. der angewandten Mathematik. Dritte Aufl. Aſtronomie, §. 222. u. f.

Fixſternverzeichniſſe, Catalogi fixarum, Catalogues des étoiles.

Verzeichniſſe, in welche diejenigen Fixſterne, deren Stellen am Himmel man durch Beobachtungen genau beſtimmt hat, mit ihren Namen, Groͤßen, Laͤngen und Breiten, bisweilen auch den geraden Aufſteigungen und Abweichungen, eingetragen ſind. Man befolgt dabey insgemein die Ordnung, daß man ein Sternbild nach dem andern auffuͤhret, in jedem Sternbilde aber entweder die groͤßern Sterne oder diejenigen, welche zuerſt durch den Mittagskreis gehen (praecedentes) zuerſt ſetzet. Da ſich die Laͤngen, Aufſteigungen und Abweichungen von Zeit zu Zeit aͤndern, ſo koͤnnen ſolche Verzeichniſſe nur fuͤr ein gewiſſes Jahr eingerichtet werden.

Der erſte, der es unternahm, die Fixſterne in ein Verzeichniß zu bringen, und ihre Stellen zu beſtimmen, war Hipparch, der etwa 150 Jahr v. C. G. zu Alexandrien beobachtete. Plinius (Hiſt. nat. L. II. c. 26.) erzaͤhlt, daß zu dieſer Zeit ein neuer Stern erſchienen ſey. Atque haec, ſetzt er hinzu, in cauſa fuit, cur Hipparchus271 auſus ſit rem etiam Deo improbam, annumerare poſteris ſtellas, ſideraque ad normam expangere, organis excogitatis, per quae ſingulorum loca et magnitudines ſignaret caelo in hereditatem cunctis relicto. Dennoch weiß man aus dem Ptolemaͤus, daß ſchon 180 Jahr vorher Timocharis und Ariſtyllus viele hieher gehoͤrige Beobachtungen angeſtellt haben. Dieſes aͤlteſte Sternverzeichniß des Hipparch hat uns Ptolemaͤus (Almag. L. VII. c. 2.) aufbehalten, und mit eignen Beobachtungen vermehrt auf das Jahr 137 der chriſtlichen Zeitrechnung reducirt. Es enthaͤlt 1022 Sterne in 48 Sternbilder vertheilt. Der Araber Al-Batani (Albategnius) reducirte dieſes Verzeichniß auf das Jahr Chriſti 880, indem er den von Ptolemaͤus angegebnen Laͤngen wegen des Vorruͤckens der Nachtgleichen 11 5 / 6 Grad zuſetzte. Auch die Verſertiger der alphonſiniſchen Tafeln und ſelbſt Copernicus haben ſich blos mit Reduction des ptolemaͤiſchen Verzeichniſſes auf ihre Zeiten begnuͤgt. Vor Tychons Zeiten war der Fuͤrſt der Tatarey, Ulugh Beigh der Einzige, der im Jahre 1437 ein Sternverzeichniß aus eignen Beobachtungen zuſammentrug, welches Thomas Hyde (Tabulae longitudinis et latitudinis ſtellarum fixarum, ex obſ. Vlughbeighi, ex tribus MS. Perſicis. Oxon. 1665. 4. ) herausgegeben hat. Es enthaͤlt 1017 Sterne, und iſt genauer, als das ptolemaͤiſche.

Tycho de Brahe, deſſen Verdienſte um die praktiſche Sternkunde unvergeßlich ſind, fuͤhrte zuerſt die viel genauere Methode ein, die geraden Auſſteigungen und Abweichungen der Sterne zu beobachten, woraus ſich nachher die Laͤngen und Breiten berechnen laſſen; da die Alten auf eine weit unzuverlaͤßigere Art die Laͤngen und Breiten ſelbſt durch Beobachtung geſucht hatten. So entſtand ſein neues Fixſternverzeichniß (Catalogus fixarum 777 ad annum 1600. in Aſtronom. inſtauratae Progymnaſmatibus, Frf. 1602. 4. P. I. p. 257.), welches Kepler 1627 in die rudolphiniſchen Tafeln eingeruͤckt, und aus Tychons hinterlaſſenen Beobachtungen bis auf 1000 Sterne vermehrt auch zuerſt die Geſtirne um den Suͤdpol hinzugeſetzt hat, ſo wie272 ſie von den portugieſiſchen Seefahrern beobachtet, und von Petrus Theodori beſtimmt worden waren. Dieſes tychoniſche Verzeichniß hat nachher der P. Riccioli (Aſtron. reform. L. IV. ) auf das Jahr 1700 reducirt, und mit 101 Sternen aus ſeinen mit Grimaldi angeſtellten Beobachtungen vermehret, dabey aber offenbare Fehler des Tycho, und ſogar Sterne beybehalten, welche zu dieſer Zeit verſchwunden waren.

Faſt zu gleicher Zeit mit Tycho beobachtete der Landgraf von Heſſen-Caſſel Wilhelm IV. mit ſeinen Mathematikern Rothmann und Iobſt Byrge auf 30 Jahr lang die geraden Aufſteigungen und Abweichungen der Fixſterne. Hieraus iſt ein ſehr genaues Verzeichniß von 400 Sternen entſtanden, das ſich in den zu Leiden, 1618. 4. herausgekommenen Obſervationibus Haſſiacis und in der von Albert Curtius unter dem Namen Lucius Barret herausgegebnen Hiſtoria caeleſti (Aug. Vind. 1666. fol.) findet.

Zu dieſen Arbeiten der Aſtronomen fuͤgte Halley, als eine Frucht ſeiner Reiſe auf die Inſel St. Helena, das erſte genaue Verzeichniß von 350 ſuͤdlichen, bey uns unſichtbaren Fixſternen hinzu (Edmundi Halleji Catalogus ſtellarum auſtralium ſ. Supplementum catalogi Tychonici ad ann. 1677. Lond. 1679. 4. auch in Kirchs erſtem Jahre ſeiner Ephemer. motuum caeleſt. Lipſ. 1682. 4.). Er hatte die Diſtanzen dieſer Sterne von den tychoniſchen gemeſſen, und ihre Stellen daraus berechnet.

Hevel (Prodromus Aſtronomiae. Gedani 1690. fol.) theilt ein ſehr vollſtaͤndiges Verzeichniß mit, in welchem Tychos, das heſſiſche, Ulugh Beighs und Ptolemaͤus Verzeichniſſe neben einander ſtehen, und mit zwey neuen aus eignen Beobachtungen begleitet ſind. Von dieſen letztern enthaͤlt das groͤßere die Laͤngen, Breiten, Aufſteigungen und Abweichungen von 1888 Sternen, nemlich 950 alten, 603 neuen von ihm zuerſt beſtimmten, und 335 halleyiſchen oder ſuͤdlichen, auf das Jahr 1660; das kleinere nur die Laͤngen und Breiten fuͤr 1700. Dieſe große und verdienſtliche Arbeit wird noch immer ſehr hoch geſchaͤtzt. 273

Alle ſeine Vorgaͤnger aber uͤbertraf der engliſche Aſtronom Flamſtead, welcher auf 33 Jahr lang zu Greenwich die genauſten Beobachtungen angeſtellt hatte. Zuerſt gab Halley (Hiſtoria caeleſtis. Lond. 1712. T. II. fol.) Flamſteads Beobachtungen heraus, womit aber der Letztere nach Roſts Nachricht (Aufrichtiger Aſtronomus. Nuͤrnb. 1727. 4. S. 334.) ſo uͤbel zufrieden war, daß er ſo viel Exemplare, als er erhalten konnte, ins Feuer warf. Er ſtarb uͤber der neuen Ausgabe, die doch bald hernach erſchien (Hiſtoria caeleſtis Britannica. Lond. 1725. To. III. fol.), und im dritten Theile das große Verzeichniß von 3000 Sternen enthaͤlt, worunter ſich ſehr viele teleſkopiſche, d. i. blos durch Fernroͤhre ſichtbare, befinden.

Der Abt de la Caille, welcher zuerſt von 1747 bis 1750 zu Paris, und dann auf dem Vorgebirge der guten Hofnung in den Jahren 1751 und 1752 beobachtet hatte, gab in ſeinem hierdurch veranlaſſeten ſchaͤtzbaren Werke (Aſtronomiae fundamenta noviſſima, ſolis et ſtellarum obſervationibus ſtabilita. Pariſ. 1757. 4. ) ein ſehr genaues Verzeichniß von 397 Sternen fuͤr das Jahr 1750, woraus man in des P. Hell und den berliner Ephemeriden jaͤhrliche Auszuͤge eingeruͤckt findet.

Aus Bradley's muͤhſamen mit einem vortreflichen Sector von Graham angeſtellten Beobachtungen hat Maſon ein Verzeichniß von 387 Sternen fuͤr das Jahr 1760 berechnet, welches zuerſt im Nautical Almanac fuͤr 1773 erſchien, hernach aber auch von P. Hell in die wiener Ephemeriden eingeruͤckt worden iſt.

Herr Bode (Sammlung aſtronomiſcher Tafeln unter Aufſicht der königl. Acad. der Wiſſ. Berlin 1776. III. Bände, gr. 8. im erſten Bande, S. 83 u. f.) hat Hevels, Flamſtead's, de la Caille und Bradley's Verzeichniſſe der Laͤngen und Breiten mit vielem Scharfſinn und Arbeitſamkeit in eins zuſammengezogen, und ſo in einem kleinen Raume fuͤr 3175 Sterne alles geliefert, was die vier neuſten und genauſten Verzeichniſſe enthalten. Das vollſtaͤndigſte aber unter allen iſt das Verzeichniß der geraden Aufſteigungen und Abweichungen von 5058 Sternen, welches ebenfalls274 Herr Bode (Vorſtellung der Geſtirne, nebſt einem vollſtändigen Sternenverzeichniſſe, von I. E. Bade, Berlin und Stralſund, 1782. in kl. Landchartenformat) aus Flamſteads, Hevels, Tobias Mayers, de la Caille, Meſſier, le Monnier, Darquier u. a. Beobachtungen fuͤr das Jahr 1780 zuſammengetragen hat, und welches fuͤr die genaue Beſtimmung der Stellen der Fixſterne alles leiſtet, was der Kenner der Sternkunde nur immer verlangen kan. Das angefuͤhrte Buch enthaͤlt noch uͤberdies ein Verzeichniß von 280 der vornehmſten Fixſterne nach Bradley und de la Caille, ebenfalls fuͤr 1780, worin die jaͤhrlichen Aenderungen der geraden Aufſteigungen und Abweichungen, wie auch die Laͤngen und Breiten angegeben ſind.

Die Sterne, welche im Thierkreiſe ſtehen, die Zodiakalſterne, ſind darum vorzuͤglich merkwuͤrdig, weil ſie die Einzigen ſind, die vom Monde und den Planeten bedeckt werden koͤnnen. Darum hat man auf die Beſtimmung ihrer Stellen beſondern Fleiß verwendet, und eigne Verzeichniſſe fuͤr ſie ausgearbeitet. Schon Flamſtead hat ein ſolches (Catalogus ſtellarum 67, quas luna et planetae tegere poſſunt in der Hiſt. caeleſti Britann. To. III.); Tobias Mayer hatte die Zodiakalſterne vorzuͤglich fleißig mit dem goͤttingiſchen Mauerquadranten beobachtet, und der daſigen koͤnigl. Societaͤt der Wiſſenſchaften 1759 ein Verzeichniß von 998 Sternen im Thierkreiſe vorgelegt, das erſt nach ſeinem Tode herausgekommen iſt (Catalogus fixarum Zodiacalium in Tob. Mayeri Opp. ineditis. Gott. 1775. 4to maj. To. I. Num. V.). Mit Dheulland's 1755 herausgekommener Thierkreiskarte wird auch ein in Kupfer geſtochener Catalog der Zodiakalſterne in Octavformat ausgegeben.

Dav. Gregorii aſtronomiae phyſicae et geometricae elementa. Genevae, 1726. II. To. 4. To. I. L. II. Prop. 29.

Kaͤſtner Anfangsgr. der angew. Math. Dritte Aufl. Aſtronomie, §. 111.

Flaͤche, ſchiefe, ſ. Schiefe Ebne.

Flamme, Flamma, Flamme.

Ein leuchtender und einen hohen Grad der Waͤrme mittheilender Ausfluß aus275 den brennenden Koͤrpern, der in der atmoſphaͤriſchen Luft, die ihn umgiebt, in die Hoͤhe ſteigt. Ich glaube dieſen Artikel am ſchicklichſten behandeln zu koͤnnen, wenn ich zuerſt die vornehmſten Erſcheinungen der Flamme anfuͤhre, dann einige Meynungen uͤber die Natur derſelben vortrage, und bey den vorzuͤglichften einige daraus fließende Erklaͤrungen der Phaͤnomene beybringe.

Eine große Hitze bringt die ihr ausgeſetzten Koͤrper zum Leuchten, ſ. Gluͤhen. Aus ſehr vielen Koͤrpern ſteigt alsdann, wenn ſie der Luft ausgeſetzt ſind, etwas auf, das entweder dunkel iſt, das Anſehen von Daͤmpfen hat, und Rauch genannt wird, oder etwas Leuchtendes, das man Flamme nennt; in den meiſten Faͤllen Rauch und Flamme zugleich, ſo daß da, wo die Flamme aufhoͤrt, der Rauch ſichtbar zu werden anfaͤngt. Die Flamme theilt den Koͤrpern, die ſie beruͤhrt, eine ſehr betraͤchtliche Hitze mit, und entzuͤndet dadurch die brennbaren Materien, die man ihr ausſetzt. Der Rauch ſelbſt iſt da, wo er den brennenden Koͤrper oder die Flamme beruͤhrt, ſehr heiß, wird aber beym Aufſteigen in der Luft bald kaͤlter, und laͤßt ſich an den Stellen, wo er noch heiß iſt, durch Annaͤherung einer andern Flamme entzuͤnden, ſo daß er ſelbſt wieder in eine Flamme ausbricht.

Nicht alle Koͤrper brennen mit einer merklichen Flamme. Die feuerbeſtaͤndigen, z. B. feines Gold und Silber, Glas, Porcellan, Bergkryſtall, reine Kieſel rc. gluͤhen blos, und andere, die viel feuerbeſtaͤndige Theile enthalten, wie Kohlen, Aſche und die meiſten Metalle, ſcheinen ſich ohne merkliche Flamme zu zerſetzen oder zu verzehren. Was aber die letztern betrift, ſo muß man ſich durch den Anſchein nicht hintergehen laſſen. Das Anſehen eines Stabs Eiſen und eines Kieſels, die beyde bis zum Weißgluͤhen erhitzt ſind, iſt doch ſehr verſchieden; das Metall iſt in der That mit einer ſehr glaͤnzenden und ſogar Funken gebenden kleinen Flamme bedeckt, welche in dephlogiſtiſirter Luft noch weit merklicher wird; der Kieſel zeigt hievon nichts, hoͤrt auch weit eher auf zu gluͤhen. Wenn ſich das Bley auf einer Kapelle unter der Muffel verſchlackt, ſo ſieht das276 Metall weit brennender, als die Kapelle, aus, obgleich beyde einerley Grade des Feuers ausgeſetzt ſind. Dieſer Unterſchied koͤmmt gewiß nur von der kleinen Flamme her, welche die Verbrennung des Metalls begleitet, da indeſſen die unverbrennliche Kapelle keine aͤhnliche Erſcheinung zeigen kan. Es ſcheint daher ausgemacht, daß alle wirklich brennende Koͤrper mit Flamme brennen. Auch zeigen mehrere Kohlen neben einander gelegt und angeblaſen eine ſehr merkliche Flamme, wenn ſie gleich einzeln nur zu gluͤhen ſcheinen. Oele, Weingeiſt, Holz, Schwefel u. dgl., welche ſehr viel brennenden Stoff enthalten, geben auch die lebhafteſten Flammen.

Der Zugang der Luft iſt zu Entſtehung und Unterhaltung der Flamme ſchlechterdings nothwendig. Im luftleeren Raume kan keine Flamme fortdauren: auch verloͤſcht ſie, wenn die Luft um ſie her nicht immer erneuert wird. Daher brennt ein Licht unter einer glaͤſernen Glocke nur eine kurze Zeit lang; indem es ausbrennet, leidet die mit ihm eingeſchloßne Luft eine Verminderung ihres Volumens, und wird ungeſchickt, ferner eine Flamme in ſich brennen zu laſſen; daher Lichter ſowohl als gluͤhende Kohlen ſogleich darinn verloͤſchen. Man rechnet insgemein, daß ein gewoͤhnliches Licht in Zeit von einer Minute 4 Kannen Luft verderbe. Das Mittel, die verdorbene Luft zu Unterhaltung der Flamme wieder geſchickt zu machen, iſt, daß man Pflanzen eine Zeitlang in ihr wachſen laͤßt, oder ſie ſtark im Waſſer ſchuͤttelt. Zu Unterhaltung des thieriſchen Lebens aber wird dieſe durch das Ausbrennen eines Lichts verdorbene Luft nicht ganz untauglich. Man wird hieraus leicht ſchlieſſen, daß alles, was der brennenden Oberflaͤche den Zutritt der Luft raubet, z. B. das Uebergießen mit Waſſer, das Ueberſchuͤtten mit Sand u. dgl. die Flamme ausloͤſchen muͤſſe: da hingegen das Anblaſen, welches beſtaͤndig friſche unverdorbene Luft hinzufuͤhrt, die Flamme vergroͤßert. Blaͤſet man aber allzuſtark in die Flamme, ſo wird dadurch theils die noͤthige Hitze zu ploͤtzlich und zu ſtark vermindert, theils wird der Fortgang des Ausfluſſes aus dem brennenden Koͤrper durch den Druck der Luft gehemmet,277 und der Ausfluß ſelbſt zerſtreut, daher die Flamme verloͤſchen muß.

Weit lebhafter aber brennt eine jede Flamme in derjenigen Luftgattung, welcher man den Namen der dephlogiſtiſirten beylegt, ſ. Gas, dephlogiſtiſirtes. In ihr brennen Lichter, ehe ſie verloͤſchen, auf 6 bis 7mal laͤnger, als in der gemeinen Luft, und mit einem weit hellern Glanze. Kampher, Phoſphorus und andere leicht entzuͤndbare Koͤrper brennen in ihr mit einem Lichte, deſſen Staͤrke alle Erwartung uͤbertrift; Kohlen, die in ihr gluͤhen, werfen mit vielem Kniſtern Funken um ſich her, und duͤnner Eiſendrath ſchmelzt und brennt darinn, wie Schwefelfaden. Es iſt auch ſo gut als entſchieden, daß die gemeine atmoſphaͤriſche Luft nur darum die Flamme unterhaͤlt und die Verbrennung befoͤrdert, weil jederzeit ein ſehr betraͤchtlicher Theil von ihr aus reiner oder dephlogiſtiſirter Luft beſtehet.

Es giebt in der Flamme der verſchiedenen brennbaren Koͤrper große Unterſchiede. Selten iſt dieſe Flamme ganz rein; ſie fuͤhrt vielmehr die fremdartigen Theile mit ſich, welche den Rauch ausmachen, und von denen ein Theil unter dem Namen des Rußes aufgefangen werden kan. Die reinſten Flammen ſind die des rectificirten Weingeiſts und der vollkommnen Kohlen; dieſe geben auch den Verſuchen zu Folge die ſtaͤrkſte Hitze. Ueber die Reinigkeit verſchiedener Flammen findet man ſchoͤne Verſuche beym Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. natur. Lugd. Bat. 1762. 4|maj. To. II. §. 1655.). Die Flamme der Oele und oͤlichten Koͤrper iſt unter allen die unreinſte, und fuͤhrt nicht allein alle fluͤchtige Theile der Oele mit ſich, ſondern reißt durch mechaniſche Gewalt auch feuerbeſtaͤndige mit ſich fort; daher ſie ſehr dampft und einen ſtarken Ruß anleget. Auch die Flamme der Metalle iſt von einem Rauche begleitet, der aber nicht ſchwaͤrzet. Die des Schwefels wuͤrde ſehr rein ſeyn, wenn ſie nicht eine große Menge|Vitriolſaͤure bey ſich fuͤhrte. Außer den zum Rauche gehoͤrigen Materien ſondern ſich aus der Flamme der meiſten Koͤrper Waſſer, verſchiedene Gasarten und Saͤuren ab. Auch ſind278 die Farben der Flammen verſchieden; die reinſten des Weingeiſts und Schwefels ſind blau, Kupfer mit Kochſalzſaͤure brennt gruͤn, der Talk gelb, Kampher und Spießglas weiß u. f. w.

Die Flamme ſteigt in der freyen Luft in die Hoͤhe, ohne Zweifel wegen ihrer ſpecifiſchen Leichtigkeit. Sie nimmt dabey insgemein eine koniſche Geſtalt an, und verlaͤngert ſich ſehr betraͤchtlich, wenn man ſie mit einem engen Ringe umgiebt, oder mit einer duͤnnen Glasroͤhre von etwa 7 bis 8 Lin. Durchmeſſer auffaͤngt. Eben dieſe Verlaͤngerung zeigt ſich auch, wenn man die Flammen zwoer Kerzen mit einander in Beruͤhrung bringt.

Es wird zur Erzeugung und Unterhaltung der Flamme ein gewiſſer Grad der Hitze erfordert, welchen de Luͤc, wie ich bereits bey dem Worte: Feuer angefuͤhrt habe, auf 650 Grad des Fahrenheitiſchen Thermometers ſetzt, und die brennende Waͤrme nennt. So bald die Theile der Flamme, welcher durch die benachbarte kalte Luft, vielleicht auch durch die Verdampfung der Theile des brennbaren Koͤrpers viel Waͤrme entzogen wird, dieſen Grad der Hitze verlieren, ſo zeigen ſie ſich nicht mehr brennend oder leuchtend, und die Flamme hat an dieſer Stelle ihre Grenzen.

Manche Materien, z. B. der Weingeiſt, erhitzen ſich ſo ſchnell, daß ihre Oberflaͤchen durch ihre eigne Flamme immer den zum Brennen noͤthigen Grad der Waͤrme geſchwind genug erhalten koͤnnen. Daher brennt angezuͤndeter Weingeiſt immer fort, bis er verzehrt iſt, ohne weitere Huͤlfsmittel. Oel, Talg, Wachs u. dgl. erhitzen ſich langſamer, und erhalten an den Oberflaͤchen den gehoͤrigen Grad der Waͤrme zu ſpaͤt, um eine Flamme ununterbrochen zu erhalten. Daher ſind bey den Kerzen und Lampen Dachte (ellychnia, cotonea, mêches) noͤthig, in deren feinen Canaͤlen das Oel oder geſchmolzene Wachs und Talg in zarte Theile zertrennt bis zur Flamme in die Hoͤhe ſteigen kan. Bey dieſer Zertrennung nimmt es die erforderliche Hitze leicht an, da hingegen der Zufluß einer großen Maſſe von Oel oder Wachs die Hitze ploͤtzlich vermindern und die Flamme ausloͤſchen wuͤrde. Dieſe letztere ſteht auch279 immer etwas uͤber der Oberflaͤche der Kerze, weil dieſe Oberflaͤche nicht ſo heiß, als noͤthig, zu werden vermag. Der Dacht iſt alſo ein weſentliches Stuͤck bey einer Kerze oder Lampe; da er aber ſelbſt vom Feuer verzehrt, oder durch unreine Theile verſtopft und zum Zufuͤhren des Oels rc. untauglich wird, ſo erhellet hieraus die Unmoͤglichkeit eines ewigen Dachtes, ſo wie die Thorheit des Vorgebens von ewigen ihre Nahrung nie aufzehrenden Lampen, die bey den Alten bekannt geweſen ſeyn ſollen, und die der Prinz von Sanſevero (Nova act. erud. Lipſ. a. 1754. p. 82.) wieder erfunden haben wollte, von ſelbſt in die Augen faͤllt. Vortheilhaftere Einrichtungen der Lampen aber, als die gewoͤhnlichen ſind, laſſen ſich allerdings angeben, ſ. Lampen.

Ich komme nun auf die Anfuͤhrung einiger Meynungen uͤber das Weſen und die Beſtandtheile der Flamme, welche die Alten faſt durchgaͤngig mit dem Feuer ſelbſt verwechſelt und fuͤr eine einfache elementariſche Subſtanz gehalten haben; ſo wie noch jetzt diejenigen, welche mit phyſikaliſchen Unterſuchungen unbekannt ſind, ſich unter dem Worte Feuer die Flamme oder das ſogenannte Kuͤchenfeuer denken. So haben auch die Peripatetiker das Feuer und die Flamme fuͤr eine aus den brennenden Koͤrpern ausgehende elementariſche Subſtanz gehalten: van Helmont aber (Opera omn. Frf. 1707. 4. p. 120. De formarum ortu, §. 24.), ohngeachtet er das Feuer zu einem Mitteldinge zwiſchen Subſtanz und Eigenſchaft macht, iſt doch geneigt, die Flamme blos als einen Zuſtand anzuſehen, in welchen die Theile des brennenden Koͤrpers verſetzt werden.

Descartes (Princip. Philoſ. P. IV. §. 80. ſqq. ) erklaͤrt das Feuer fuͤr die Form, welche die groben erdichten Theile annehmen, wenn ſie einzeln der Bewegung des erſten Elements oder der ſubtilen Materie folgen. So beſteht nach ihm die Flamme einer Kerze aus oͤlichten Theilen, welche durch die ausſtroͤmende ſubtile Materie mit fortgeriſſen, und daher in eine ſchnelle Bewegung verſetzt werden. Dieſe ſubtile Materie ſucht ſich von der Erde zu entfernen, daher ſteigt die Flamme aufwaͤrts. Sie wuͤrde durch die Kuͤgelchen des zweyten Elements und die irdiſchen Theile in der280 Luft, die an die Stelle der Flamme treten wollen, ausgeloͤſcht werden, wenn ſie blos aus ſubtiler Materie beſtuͤnde, und wenn nicht die oͤlichten und erdichten Theile aus dem Dachte jene Hinderniſſe zuruͤcktrieben. Durch dieſen, Widerſtand aber wird die Flamme in der Hoͤhe mehr geſchwaͤcht, daher koͤmmt ihre ſpitzige Geſtalt. Weil aber nirgends in der Welt ein leerer Raum iſt, ſo muß die Luft, welche von Flamme und Rauch aus der Stelle getrieben wird, durch eine kreisfoͤrmige Bewegung an die Oberflaͤche der Kerze und an den untern Theil des Dachtes herabgehen, wo ſte wieder die geſchmolzenen Wachstheilchen in die Hoͤhe treibt, und ſo die Flamme unterhalten hilft. Man wird an dieſem Beyſpiele ſehen, wie kuͤnſtlich Descartes die Phaͤnomene aus ſeinen drey Elementen und dem vollen Raume zu erklaͤren weiß.

Die gewoͤhnlichſte Meynung unter den Naturforſchern und Chymikern bis auf die neueſten Zeiten iſt dieſe geweſen, daß die Flamme ein entzuͤndeter oder gluͤhender Dampf, oder eine Sammlung der aus den brennenden Koͤrpern auſſteigenden Daͤmpfe ſey, welche durch die Hitze entzuͤndet werden. Ueber dieſe Meynung ſind die Meiſten einig geweſen, wenn ſie ſich auch ſonſt vom Feuer und der Verbrennung noch ſo verſchiedene Begriffe gemacht haben; ſie iſt ſo einfach und natuͤrlich, daß ſie ſich von ſelbſt Beyfall erwirbt, wie denn auch die neueſten Entdeckungen ſie nicht umſtoßen, ſondern nur berichtigen. Newton traͤgt ſie in ſeiner Optik als eine Frage vor (Optice, latine redd. Samuel Clarke, Lond. 1706. 4. p. 294. Quaeſt. 8. 9. 10. ), wobey er das Feuer blos fuͤr Zuſtand oder Bewegung der Koͤrper zu halten geneigt ſcheint. Ich will ſeine eignen Worte anfuͤhren. Annon corpora omnia fixa, quum ſint ultra certum gradum calefacta, emittunt 'lumen et ſplendent, eaque luminis emiſſio per motus vibrantes partium ſuarum efficitur? Annon ignis corpus eſt eo usque calefactum, ut copioſius lumen emittat? Quid enim aliud eſt ferrum candens, niſi ignis? Quidue aliud eſt carbo candens, niſi lignum eo usque calefactum, ut id lumen emittat? Annon flamma vapor eſt, fumus ſive exhalatio candefacta,281 hoc eſt, calefacta usque eo, ut lumen emittat? Corpora enim flammam non concipiunt, niſi emittunt fumum copioſum, qui porro fumus ardet in flamma. Eben dieſer Meynung ſind auch viele Andere, die das Feuerweſen als eine beſondere Materie anſehen, wovon ich nur Boerhaave (Deigne in Elem. Chym. der leipziger Ausgabe v. 1732. 8. p. 116. ſqq. ), Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. natur. To. II. §. 1645.), Macquer (Chymiſches Woͤrterbuch, Art. Flamme), Nollet (Leçons de Phyſique, To. IV. p. 471. ſq. ), Erxleben (Anfangsgr. der Naturlehre, §. 437. u. f.), Gren (Syſtematiſches Handbuch der geſammten Chemie, Halle 1787. gr. 8. I. B. §. 312.) nennen will. Auch laſſen ſich ſehr viele Erſcheinungen hieraus ganz leicht erklaͤren, z. B. daß man den heißen Rauch ſo leicht entzuͤnden kan, daß feuerbeſtaͤndige Subſtanzen keine Flamme zeigen, das Ausloͤſchen und Erſticken der Flamme durch Waſſer, Sand, Ausblaſen rc., die Unreinigkeit und Farbe der Flammen, das Aufſteigen derſelben in der Luft, die Erleichterung des Fortbrennens durch Dachte u. f. w., welche Phaͤnomene Erxleben a. a. O. ſehr ungezwungen aus dieſem Begriffe von der Flamme erklaͤrt.

Der Abt Nollet erklaͤrt auch hieraus die kegelfoͤrmige Geſtalt der Flamme. Ohne aͤußere Gegenwirkung nemlich wuͤrden ſich die Daͤmpfe, mithin auch die gluͤhenden, kugelfoͤrmig verbreiten. Sie ſind aber mit Luft umgeben, in der ſie nach hydroſtatiſchen Geſetzen geradlinigt aufſteigen, und da ſie in einem beſtaͤndigen Strome fortgehen, ſo muß ſich hierdurch die ſphaͤriſche Geſtalt in eine cylindriſche verwandeln. Nun gehen die Daͤmpfe viel weiter hinaus, als wir die Flamme ſehen; ſie gluͤhen nur nicht mehr, weil die umgebende Luft ſie zu ſehr erkaͤltet. Dieſe Erkaͤltung faͤngt an den aͤußern Theilen an, indem der Kern oder die Axe der Flamme die Gluͤhhitze am laͤngſten behaͤlt; daher muͤſſen die aͤußern Theile der Flamme nach oben zu immer mehr verloͤſchen, und die kreisfoͤrmige Grenze derſelben muß ſich immer weiter gegen die Axe zuſammenziehen, woraus natuͤrlich die kegelfoͤrmige Geſtalt entſtehet. Hieraus erklaͤrt ſich auch die Verlaͤngerung der Flamme, wenn man ſie mit282 einer duͤnnen Glasroͤhre auffaͤngt, oder wenn man zwo Flammen an einander bringt. Denn im erſten Falle wird durch die Waͤnde der Roͤhre, die ſich ſchnell erhitzen, die Erkaͤltung der aͤußern Theile verhindert; im letztern Falle werden die ſchon verloſchenen Theile der einen Flamme durch die andere wieder entzuͤndet.

Nur die Nothwendigkeit des Zugangs friſcher Luft, wobey immer neue unverdorbene oder dephlogiſtiſirte Luft hinzugefuͤhrt wird, laͤßt ſich nicht ganz ungezwungen hieraus allein erklaͤren, wenn man die Unterſuchungen uͤber die Beſtandtheile der eigentlichen Flamme nicht weiter treibt. Erxleben (§. 442.) ſagt zwar, die Luft ſey noͤthig, um das Waͤſſerichte und andere Theile, die ſonſt die Flamme ausloͤſchen wuͤrden, aufzuloͤſen und fortzufuͤhren, auch diene vielleicht die Luft, um die Theile der Flamme zuſammen zu halten, und ihre Zerſtreuung zu verhuͤten. Allein dies thut nicht allen hiezu gehoͤrigen Erſcheinungen Gnuͤge, und die neuern Theorien erklaͤren dieſelben weit einfacher.

Stahl (Ge. Ern. Stahlii Experimenta, obſervationes et animadverſ. CCC. Berol. 1731. 8. §. 81.) hat zuerſt bemerkt und erwieſen, daß die Flamme waͤſſerichte Theile enthalte, und behauptet, daß Koͤrper, die kein Waſſer in ſich haben, auch keine Flamme geben, wenn ſie nicht Feuchtigkeit aus der Luft an ſich ziehen koͤnnen, oder mit Waſſer, das aber in ſehr feine Theile oder Daͤmpfe zertrennt ſeyn muͤßte, verſehen werden. So geben nach ihm die Kohlen und der Zink eine Flamme, indem ſie von auſſen her Feuchtigkeit an ſich ziehen. Pott (Von Licht und Feuer in ſ. Lithogeognoſie, Berlin 1746. 4. ) hat eben dieſes durch neue Verſuche zu beſtaͤtigen geſucht. Jede Flamme hat eine Art von Atmoſphaͤre, die ſich ſehr deutlich zeigt, wenn man das Bild einer Lichtflamme im verfinſterten Zimmer auffaͤngt, und die großentheils aus waͤſſerichten Theilen beſteht. Dieſer Dunſtkreis iſt deſto groͤßer, und die Flamme ſelbſt deſto breiter, je mehr Waͤſſerichtes der brennende Koͤrper enthaͤlt. Daß Waſſerdaͤmpfe gegen gluͤhende Kohlen geblaſen die Hitze ungemein verſtaͤrken, wird auch durch Verſuche mit der Aeolipile beſtaͤtiget, und283 Herr Klipſtein (ſ. Magazin fuͤr das Neueſte aus der Phyſik und Naturgeſch. IIIten B 2tes Stuͤck, S. 169.) hat davon Gebrauch gemacht, um dem Geblaͤſe bey Schmelzoͤfen mehr Wirkſamkeit zu geben.

Euler (Diſſ. de igne, §. 24. im Recueil des pieces, qui ont remporté le prix de l'Acad. roy. ann. 1738.) nennt die Flamme einen mit der ſubtilen Feuermaterie erfuͤllten Raum, und da nach ſeiner Hypotheſe dieſe Materie durch die Exploſion, in welcher das Feuer beſteht, mit Gewalt wuͤrde zerſtreut werden, ſo ſoll der Aether wiederum diejenige Subſtanz ſeyn, die durch ihre Elaſticitaͤt dieſe Materie in Geſtalt der Flamme zuſammenhaͤlt, und durch deren beſtaͤndige Erſchuͤtterung das Licht entſteht. Nach der Meynung eines andern Schriftſtellers (Diſcours ſur la propagation du feu par le P. Lozeran de Fieſc, ebenfalls im Recueil de pieces etc. 1738.) iſt Flamme, Feuer und Rauch alles einerley: ſie beſtehen aus fluͤchtigen Salzen, Schwefel, Luft, Aether, und ſind insgemein mit ſehr fein zertrennten und im Wirbel bewegten waͤſſerichten, erdichten und metalliſchen Theilen vermiſcht. Im Rauche iſt nur die Bewegung ſo ſchnell, als in der Flamme oder dem Feuer. Ein dritter (Explication de la nature du feu par le Comte de Crequy in eben demſ. Recueil. ) erklaͤrt Flamme und Feuer fuͤr die Aufloͤſung der Koͤrper durch den doppelten Strom einer unſichtbaren Materie, die ihre Bewegung den Koͤrpern mittheilt, ſo oft ſich ihre beyden Stroͤme nicht diametral durchdringen koͤnnen. Unter dieſe drey Schriften, welche ſo gewagte und durch gar keine Experimentalunterſuchung gepruͤfte Syſteme enthalten, hat die Akademie der Wiſſenſchaften im Jahre 1738 den Preiß uͤber die Frage von der Natur und Fortpflanzung des Feuers vertheilt. Inzwiſchen iſt der Satz, worinn ſie uͤbereinſtimmen, daß die Flamme das Feuerweſen ſelbſt ſey, auch von Andern, z. B. Weigel (Grundriß der reinen und angewandten Chymie, §. 315.), behauptet, dabey aber doch angefuͤhrt worden, daß ſie unzerlegtes Brennbare und Waſſer mit ſich fuͤhre.

Seitdem man die Natur der brennbaren Luft, ſ. Gas,284 brennbares, genauer unterſucht hat, iſt es ſehr vielen neuern Phyſikern und Chymiſten wahrſcheinlich geworden, daß die reine Flamme, die ihr beygemiſchten fremden Theile abgerechnet, nichts anders, als eine entzuͤndete Miſchung von brennbarer und dephlogiſtiſirter Luft ſey, wovon jene aus dem brennbaren Koͤrper, dieſe aus der atmoſphaͤriſchen Luft koͤmmt. Zuerſt hat dieſe Muthmaßung Herr Volta (Lettere ſull 'aria nativa delle paludi. Como, 1776. 8. Briefe uͤber die natuͤrlich entſtehende entzuͤndbare Sumpfluft, a. d. Ital. Winterthur, 1778. 8. ) vorgetragen. Da die brennbare Luft keiner fortdaurenden Entzuͤndung faͤhig iſt, wenn ſie nicht mit atmoſphaͤriſcher Luft, oder noch beſſer mit dephlogiſtiſirter, als dem reinſten Beſtandtheile der atmoſphaͤriſchen, vermiſcht wird, ſo erklaͤrt ſich hieraus auf eine weit ungezwungnere Art, als nach den uͤbrigen Hypotheſen, warum der Flamme der Zutritt der friſchen Luft unentbehrlich, und warum die dephlogiſtiſirte Luft ihrer Entſtehung und Unterhaltung ſo vorzuͤglich guͤnſtig iſt. Da ferner nach den Beobachtungen der Herren Cavendiſh, Watt, Lavoiſier, und de la Place die Miſchung von brennbarer und gemeiner Luft, durch die Abbrennung, in Waſſer verwandelt wird, ſo laͤßt ſich hieraus auch begreiflich machen, warum ſelbſt die reinſten Flammen ſo viel Waſſer geben, daß ſich daſſelbe durch einen uͤber der Flamme angebrachten Helm in ziemlicher Menge aufſammeln laͤßt. Endlich ſchließt ſich auch dieſe Muthmaßung unter allen am beſten an die neuern Theorien des Feuers und der Verbrennung an.

Nach Scheeles Theorie (ſ. Feuer) iſt die Hitze ſelbſt, oder vielmehr die Materie derſelben ein aus Phlogiſton und reiner Luft zuſammengeſetztes Weſen, welches durch ſeine Anziehung aus dem brennenden Koͤrper immer mehr Phlogiſton entwickelt, und dadurch ſelbſt immer mehr Intenſitaͤt erhaͤlt. Die mit Phlogiſton uͤberſaͤttigte reine Luft verwandelt ſich endlich in Licht und brennbare Luft, woraus die Entſtehung der Flamme, wenn man Volta's Meynung annimmt, leicht begreiflich wird.

Crawford ſelbſt hat ſich zwar in ſeiner bey dem Worte:285 Feuer angefuͤhrten Schrift uͤber die Natur der Flamme nicht beſtimmt erklaͤrt; es hat aber Richard Kirwan (Exp. and. obſervations on the ſpecific gravities and attractive powers of various ſalines ſubſtances, etc. Lond. 1781. 4. Verſuche und Beob. uͤber die Salze und die neuentdeckte Natur des Phlogiſton, a. d. Engl. von Crell. Berlin und Stettin, 1783. 8. ) die Crawfordiſche Theorie noch mehr erlaͤutert und beſtaͤtiget, und dabey zu erweiſen geſucht, daß das Phlogiſton bey der Verbrennung in Geſtalt eines luftfoͤrmigen Stoffs entwickelt werde, und im Grunde nichts anders, als eine von fremden Stoffen gereinigte brennbare Luft ſey, ſ. Phlogiſton. Wenn nun nach C. die Verbrennung durch eine doppelte Wahlanziehung zwiſchen Feuermaterie und dem brennenden Koͤrper auf einer, und zwiſchen Phlogiſton und Luft auf der andern Seite, bewirkt wird, ſo muß das luftfoͤrmig entbundne Phlogiſton oder die brennbare Luft ſich mit der atmosphaͤriſchen verbinden, welche Miſchung durch den Ueberſchuß der aus der Luft geſchiedenen Waͤrme, welche der drennende Koͤrper nicht ganz in ſich nehmen kan, entzuͤndet wird, daß alſo auch nach dieſem Syſtem die Flamme fuͤglich eine brennende Miſchung von Phlogiſton oder brennbarer und von reiner Luft genennt werden kan.

Herr de Luͤc (Neue Ideen uͤber die Meteorologie, I. B. §. 180. u. f.) erklaͤrt ſich uͤber die Entſtehung der Flamme beſtimmter, und unterſcheidet hiebey zween Faͤlle. Der erſte iſt dieſer, wenn die zur Verbrennung noͤthige dephlogiſtiſirte Luft nicht wirklich zerſtoͤrt, ſondern blos durch fixe Luft, vermittelſt einer Umwandlung oder Unterſchiebung, erſetzt wird. Dieſes geſchieht z. B. bey der Verbrennung der Kohle und anderer blos gluͤhenden Koͤrper, zum Theil auch bey den gemeinen Lampen und Kerzen, und bey allen ſchwachen mattbrennenden Flammen. Hiebey entbindet ſich aus dem brennenden Koͤrper nicht brennbare Luft ſelbſt, ſondern nur die ſchwere Subſtanz, welche einen Beſtandtheil der brennbaren Luft ausmacht, und nach de Luͤcs Vermuthung das Phlogiſton der Chymiker iſt. Durch dieſe Verbindung wird auf eine noch bis jetzt ſehr286 dunkle Art aus der dephlogiſtiſirten Luft fixe, oder es tritt wenigſtens ſolche an jener Stelle. Das hiebey merkliche Feuer koͤmmt alſo nicht aus der Luft, ſondern blos aus dem brennenden Koͤrper ſelbſt; es iſt daher in geringerer Menge vorhanden, und uͤberdies erneuert ſich die Luft nicht geſchwind genug, weil die fixe Luft zu ſchwer iſt, und alſo nicht ſchnell genug durch die Waͤrme erhoben werden kan. Der zweyte Fall iſt, wenn reine brennbare Luft entbunden, mit der dephlogiſtiſirten vermiſcht, und dieſe letztere wirklich zerſetzt wird. Dies geſchieht bey der Verbrennung des Phoſphorus, und uͤberhaupt bey den lebhafteſten Flammen. Hiebey koͤmmt das Feuer nicht blos aus dem brennenden Koͤrper, ſondern es wird auch ein ſehr großer Theil deſſelben aus der zerſetzten Luft frey. Daher iſt die Hitze ſehr groß, es iſt bey der Vermiſchung beyder Luftarten der noͤthige Grad der brennenden Waͤrme vorhanden, ſie zerſetzen ſich, und werden ein mit freyem Feuer uͤberladner Waſſerdunſt. Die Flamme iſt dieſer Dunſt ſelbſt, und ſie leuchtet, weil bey der großen Dichtigkeit ihres freyen Feuers ſich ein Theil deſſelben zerſetzt, und alſo das Licht daraus frey wird (indem das Feuer aus dem Feuerweſen und Licht beſteht, ſ. Feuer, unter dem Abſchnitte; de Luͤcs Theorie rc.). Das beſte Mittel dies zu befoͤrdern, iſt, daß man im brennenden Koͤrper ſelbſt eine große Hitze zu unterhalten ſucht, wodurch die voͤllige Verwandlung ſeiner phlogiſtiſchen Theile in reine brennbare Luft befoͤrdert wird, welche nach de Luͤc aus Phlogiſton und Feuer beſtehet, ſo daß das Feuer, wie bey allen luftfoͤrmigen Stoffen das fortleitende Fluidum, das Phlogiſton aber die ſchwere Subſtanz iſt. Es iſt gar nicht zu laͤugnen, daß dies alles ſowohl unter ſich, als mit den Erſcheinungen ſehr wohl zuſammenhaͤngt. Man ſ. auch den Artikel: Lampe. Man kan ſich uͤbrigens leicht denken, daß faſt bey jeder Verbrennung zum Theil der erſte, zum Theil der zweyte Fall ſtatt findet, Flamme und Hitze aber deſto lebhafter werden, je mehr ſich die Umſtaͤnde dem zweyten Falle naͤhern. Alſo kan man auch nach dieſem Syſtem die Flamme fuͤr eine entzuͤndete (oder durch Zerſetzung des Feuers leuchtende)287 Miſchung von brennbarer und dephlogiſtiſirter Luft erklaͤren.

Dieſe Meynung von dem Weſen der Flamme ſcheint anjetzt faſt allgemein angenommen zu ſeyn. Sie ſteht mit der oben angefuͤhrten, daß die Flamme ein brennender Rauch ſey, eigentlich nicht im Widerſpruche, ſondern iſt mehr eine genauere Beſtimmung und Berichtigung derſelben, daher eben die einfachen Erklaͤrungen der Phaͤnomene, die wir bey jener Meynung beygebracht haben, mit den noͤthigen Abaͤnderungen auch fuͤr dieſe ſtatt finden.

Macquers chym Woͤrterbuch, Art. Flamme.

Erxlebens Anfangsgr. der Naturlehre, dritte Auflage von Lichtenberg §. 437 447.

Briſſon dict. de phyſ. art. Flamme.

Recueil des pieces, qui ont remporté les prix de l' Acad. des Sc. depuis 1738 1747. à Paris 1739 1748. 4.

de Luͤc Neue Ideen uͤber die Meteorologie, I Band. § 180. u. f.

Flaſche, bologneſer, ſ. Bologneſer Flaſchen.

Flaſche, geladne, Kleiſtiſche Flaſche, Leidner Flaſche, elektriſche Flaſche, Ladungsflaſche, Verſtaͤrkungsflaſche, Phiala Leidenſis, Phiala electrica, Lagena armata, Bouteille de Leide, Bouteille electri, que.

Wenn man einem duͤnnen elektriſchen Koͤrper auf beyden einander gegenuͤber ſtehenden Seitenflaͤchen auf der einen Seite die poſitive, auf der andern die negative Elektricitaͤt mittheilt, ſo heißt der Koͤrper in dieſem Zuſtande geladen. Man waͤhlt hiezu gewoͤhnlich glaͤſerne Flaſchen, deren innern Waͤnden die eine, den aͤußern die andere Elektricitaͤt gegeben wird, woraus ſich der Begrif der geladnen Flaſche von ſelbſt ergiebt. Man kan aber anſtatt der Flaſchen eben ſowohl Platten, z. B. eine Tafel von gemeinem Fenſterglas, von Harz oder Siegellack waͤhlen, welche alsdann geladne elektriſche Platten heißen, ſ. Quadrat, elektriſches. Sobald die Elektricitaͤten beyder Seiten, welche durch die Dazwiſchenkunft des elektriſchen Koͤrpers ſelbſt getrennt waren, durch irgend ein Mittel vereiniget oder ſo nahe zuſammengebracht werden, daß ſie das zwiſchen liegende Mittel durchbrechen koͤnnen, ſo gehen ſie in288 einander mit einer ſtarken Exploſion uͤber. Dieſe heißt der elektriſche Schlag, die elektriſche Erſchuͤtterung rc. ſo wie der ganze Vorgang die Entladung, das Losſchlagen, auch der kleiſtiſche, muſſchenbroekiſche, oder Leidner Verſuch (experimentum Leidenſe, experience de Leide) und der Inbegrif der dabey vorkommenden Erſcheinungen die verſtaͤrkte Elektricitaͤt genannt wird. Ich werde in dieſem Artikel zuerſt von der Bereitung und den verſchiedenen Arten der Ladungsflaſchen, dann von ihrer Ladung, Entladung und den dabey vorkommenden Erſcheinungen handeln, hierauf die Geſchichte des leidner Verſuchs erzaͤhlen, und mit der Erkiaͤrung der Erſcheinungen aus den vornehmſten Theorien uͤber die Elektricitaͤt den Beſchluß machen. Bereitung und verſchiedene Einrichtung der Ladungsflaſchen.

Der allgemeine Begrif der Ladungsflaſche oder Platte iſt der, daß ſie aus einem an ſich elektriſchen duͤnnen Koͤrper beſteht, deſſen beyden Seiten Elektricitaͤt mitgetheilt werden kan. Hiezu wird nun gewoͤhnlich Glas genommen. Je groͤßer es iſt, deſto ſtaͤrker kan es geladen werden. Die Dicke des Glaſes aber koͤmmt hiebey ſehr in Betrachtung; denn ein duͤnneres Glas kan zwar leichter und ſtaͤrker geladen werden, als ein dickes; es iſt aber auch der Gefahr mehr ausgeſetzt, durch die Gewalt der elektriſchen Anziehung bey allzu ſtarker Ladung zerſprengt zu werden. Man kan daher die ſehr duͤnnen Flaſchen oder Platten zwar einzeln gebrauchen; wenn man aber mehrere mit einander verbinden will, ſ. Batterie, elektriſche, ſo muß man ſtaͤrkeres und wohl abgekuͤhltes Glas dazu waͤhlen.

Auf die Geſtalt des Glaſes koͤmmt hiebey nichts an. Zu Flaſchen fuͤr Batterien nimmt man gewoͤhnlich große cylindriſche, oder ſogenannte Zuckerglaͤſer; zum einzelnen Gebrauche Apothekerflaſchen, welche cylindriſch ſind, aber einen etwas engern Hals haben, wie Taf. IX. Fig. 31. zeigt, oder fuͤr kleine Verſuche die ganz gemeinen Arzneyglaͤſer.

Weil das Glas, ſo wie alle elektriſche Koͤrper, die mitgetheilte289 Elektricitaͤt nur an der beruͤhrten Stelle annimmt, und nicht von ſelbſt uͤber ſeine ganze Oberflaͤche verbreitet, ſo muß man die beyden Flaͤchen mit einer leitenden Materie, z. B. Zinnfolie, Goldblaͤttchen, Meſſing - oder Eiſenſpaͤnen rc. uͤberziehen, welches die Belegung derſelben genannt wird. Deswegen heißt die Ladungsflaſche oft auch die belegte Flaſche. Dies verſchaſft den Vortheil, daß ſich die mitgetheilte Elektricitaͤt, wenn ſie auch nur auf eine einzelne Stelle geleitet wird, dennoch ſogleich uͤber die ganze belegte Flaͤche ausbreitet, und bey der Entladung eben ſo auf einmal aus dieſer Flaͤche herausgeht. Der Boden CD wird ebenfalls von außen und innen belegt.

Die Belegung mit Zinnfolie oder Goldblaͤttchen iſt unſtreitig die beſte, und laͤßt ſich auch auf der aͤußern Seite ſehr leicht anbringen. Inwendig aber geht dies, wenn die Flaſche einen engen Hals hat, nicht an. In dieſem Falle fuͤllt man kleine Flaſchen, ſo weit die Belegung gehen ſoll, mit Eiſen - oder Meſſingſpaͤnen, auch wohl mit Schrot oder Waſſer, an; in groͤßere aber, die dadurch zu ſchwer wuͤrden, gießt man etwas Gummiwaſſer, ſchuͤttet ein wenig Meſſingſpaͤne hinein, und ſchwenkt die Flaſche, bis ſich die Spaͤne dicht an die innern Waͤnde angelegt haben, wo ſie durch das Gummiwaſſer ankleben.

Die Belegungen beyder Seiten des elektriſchen Koͤrpers duͤrfen einander um den Rand nicht nahe kommen. Ihre entgegengeſetzten Elektricitaͤten koͤnnten ſonſt Wege finden, ſich zu vereinigen, ohne daß man dies heben wollte, zumal da manche Glasarten die Elektricitaͤt ſehr leicht uͤber ihre Oberflaͤche leiten. Daher laͤßt man an den Platten den aͤußern Rand unbelegt: und die Flaſchen belegt man nur bis EF, ſo daß zwiſchen EF und GH2 3 Zoll Hoͤhe unbelegt bleiben. Es iſt ſehr rathſam, den unbelegten Raum EGBHF durch einen Ueberzug von Siegellack gegen die Feuchtigkeit zu ſchuͤtzen: auch giebt dieſer Ueberzug den Flaſchen, ſo wie der ganzen elektriſchen Geraͤthſchaft, ein ſehr nettes reinliches Anſehen. Das Siegellack wird hiezu im Moͤrſer zerſtoßen, hoͤchſtrectificirter290 Weingeiſt aufgegoſſen, und der daraus entſtandene Brey mit dem Pinſel auf das Glas getragen.

Die Oefnung der Flaſche B wird mit einem genau einpaſſenden trocknen und in zerlaſſenes Wachs getauchten Korkſtoͤpſel verſchloſſen. In dieſen Kork wird ein Loch gebohrt, und ein ſtarker meſſingner Drath hindurchgeſteckt, der unten umgebogen ſeyn, und die inwendige Belegung an mehrern Stellen beruͤhren muß, damit alles, was an dieſen Drath gebracht wird, mit der innern Seite der Flaſche durch eine leitende Verbindung zuſammenhaͤnge. Iſt die Flaſche inwendig mit Metallſpaͤnen oder Schrot gefuͤllt, ſo iſt es genug, den Drath bis in dieſe Fuͤllung hineingehen laſſen. Oben muß er wenigſtens 8 Zoll uͤber die Flaſche hervorragen: bey A bekoͤmmt er einen Knopf oder eine Kugel von etwa 2 / 3 Zoll Durchmeſſer. Es iſt ſehr bequem, wenn der Drath oben ſpitzig gemacht, etwas unter der Spitze aber mit Schraubengaͤngen verſehen wird, ſo daß man die hohle Kugel A nach Gefallen auf - und abſchrauben kan. Bisweilen wird auch der Drath am obern Ende krumm gebogen, damit man die Flaſche daran aufhaͤngen kan.

Man ſieht leicht, daß ſich die Einrichtung in Nebenumſtaͤnden mannigfaltig abaͤndern laͤßt. Prieſtley (Geſchichte der Elektr. Taf II. Fig. c, d, e, f, g, h, i, k,) hat Flaſchen von allerley Geſtalt abbilden laſſen. Zu den ganz kleinen Verſuchen kan man ein gemeines Arzneyglas mit Schrot, Eiſenfeile oder Waſſer bis uͤber die Helfte anfuͤllen, mit Kork verſtopfen, dadurch einen Eiſendrath mit einem Knopfe ſtecken, der bis in die Fuͤllung reicht, und die aͤußere Seite mit Zinnfolie oder Goldpapier belegen. Auch kann allenfalls die darum gelegte Hand die Stelle der aͤußern Belegung vertreten.

Wenn die Ladungsflaſchen einen Sprung bekommen, ſo ſind ſie zu fernerm Gebrauch untuͤchtig. Doch giebt Cavallo (Philoſ. Trans. Vol. LXVIII. P. 2. n. 44.) folgende Methode an, ſie wieder brauchbar zu machen. Man nehme vom zerbrochnen Theile die aͤußere Belegung291 ab, erwaͤrme die Flaſche an der Lichtflamme, und troͤpfle brennendes Siegellack darauf, ſo daß der Sprung damit bedeckt wird, und das Siegellack dicker aufliegt als das Glas ſelbſt dick iſt. Endlich bedecke man das Siegellack und einen Theil der Glasflaͤche mit einer Compoſition von 4 Theilen Wachs, 1 Theil Pech, 1 Theil Terpentin und ſehr wenig Baumoͤl, die man auf ein Stuͤck Wachstaffet ſtreicht, und wie ein Pflaſter auflegt.

Wegen der Zerbrechlichkeit des Glaſes hat man unterſucht, was ſich etwa ſonſt fuͤr Materien mit gleichem Vortheil brauchen ließen. Zu Flaſchen kan Porcellan dienen, das aber eben ſo zerbrechlich und noch theurer iſt. Zu Platten, wobey man außer dem Glaſe auch Harzcompoſitionen, Schwefel und Siegellack braucht, hat Beccaria eine Compoſition von Colophonium und geſtoßenem Marmor vorgeſchlagen, welche zu gleichen Theilen geſchmolzen, und auf eine mit Zinnfolie bedeckte Tafel gegoſſen werden. Viele Verſuche von dieſer Art hat Wilke (Schwediſche Abhandl. von 1758. der deutſch. Ueberſ. S. 241.) angeſtellt.

Da die gewoͤhnlichen Flaſchen ihre Ladung nur kurze Zeit halten, ſo hat Cavallo (Vollſtaͤndige Abhandl. der Lehre von der Elektricitaͤt, der deutſch. Ueberſ. dritte Aufl. Leipz. 1785. gr. 8. S. 278.) eine Einrichtung angegeben, welche die Ladung uͤber ſechs Wochen lang halten ſoll. Auſſer der innern und aͤußern Belegung, welche die Flaſche mit allen andern gemein hat, iſt in ihren Hals eine an beyden Enden offne Glasroͤhre eingekuͤttet, und geht ein wenig in die Flaſche hinein. Sie hat am untern Ende einen Drath, der die innere Belegung beruͤhrt. Der Drath mit dem Knopfe iſt in eine andere Glasroͤhre gekuͤttet, welche faſt doppelt ſo lang, aber enger iſt, als die vorige; und zwar ſo, daß am einen Ende blos der Knopf, am andern nur etwas weniges vom Drathe hervorragt. Dieſe Glasroͤhre kan man nach Gefallen in die andere hineinſtecken, wobey das untere Ende des Draths jenen an der erſten Roͤhre befindlichen Drath, oder noch beſſer die inn < * > -292 re Belegung ſelbſt beruͤhren muß; auf dieſe Art kan die Flaſche, wie gewoͤhnlich, geladen und entladen werden. Nimmt man aber nach der Ladung die innere Roͤhre mit dem Drathe und Knopfe heraus, ſo iſt die innere Belegung ganz iſolirt, und man kan ſo die Flaſche geladen bey ſich tragen oder verſenden, ohne daß ſie die Ladung ſo bald verloͤhre. Donndotf (Lehre von der Elektricitaͤt, Erfurt, 1784. II B. gr. 8. Erſter Band S. 57.) beſchreibt dieſe Flaſche mit einigen kleinen Abaͤnderungen umſtaͤndlich, giebt auch (ebend. S. 60. u. f.) noch eine aͤhnliche Einrichtung fuͤr letwas groͤßere Flaſchen an. Ladung, Entladung und dabey vorkommende Erſcheinungen.

Die Ladung der elektriſchen Platten und Flaſchen beſteht darinn, daß man der einen Belegung oder Seite die poſitive, der andern die negative Elektricitaͤt mittheilt. Da nun die gewoͤhnlichen Elektriſirmaſchinen ſo eingerichtet ſind, daß man aus ihrem Conductor oder erſten Leiter poſitive, und aus ihrem Reibzeuge, wenn daſſelbe iſolirt wird, zugleich negative Elektricitaͤt erhalten kan, ſo wird eine Flaſche geladen, wenn man z. B. ihre innere Seite mit dem Conductor, die aͤußere mit dem iſolirten Reibzeuge einer Elektriſirmaſchine durch Draͤthe oder Ketten verbindet, und die Maſchine in Bewegung ſetzt. Zur Verbindung der aͤußern Seite darf man nur den Drath auf den Tiſch legen, und die Flaſche mit dem belegten Boden CD darauf ſetzen; zur Verbindung der innern wird der Drath oder die Kette mit einem am Ende befindlichen Haͤckchen bey B an den meſſingenen Stab gehangen, oder auch ein paarmal darum geſchlungen. So kan man ſtark oder ſchwach laden, je nachdem man die Bewegung der Maſchine eine laͤngere oder kuͤrzere Zeit fortſetzt. Dies iſt nach Prieſtley (Geſchichte der Elektric. S. 360.) die kraͤftigſte Art, Flaſchen zu laden, bey welcher eine jede Seite eben die Elektricitaͤt bekoͤmmt, die die andere hergiebt.

Es iſt aber keinesweges noͤthig, beyde Seiten der Flaſche durch wirkliche Mittheilung zu elektriſiren. Gewoͤhnlich293 verbindet man blos die innere Belegung mit dem Conductor der Maſchine durch einen bey B angehangenen Drath, oder laͤßt auch auf den Knopf A Funken aus dem Conductor ſchlagen, wodurch die innere Seite der Flaſche die poſitive Elektricitaͤt erhaͤlt. Wofern nur alsdann die aͤußere Seite nicht iſolirt iſt, ſondern durch Leiter mit dem Boden zuſammenhaͤngt, ſo wird ſie von ſelbſt eben ſoviel negative Elektricitaͤt annehmen, als die innere Seite poſitive gehalten hat. Dies iſt eine Folge der Vertheilung der Elektricitaͤt, ſ. Elektricitaͤt, unter dem Abſchnitte: Elektriſche Witkungskreiſe rc. Es befindet ſich nemlich die aͤußere Seite der Flaſche im Wirkungskreiſe der innern, weil das Glas duͤnn iſt, und da die elektriſchen Atmoſphaͤren frey durch das Glas wirken, ſo bringt die poſitive Elektricitaͤt der innern Seite von ſelbſt eine gleich ſtarke negative in der aͤußern hervor, wofern nur dieſe letztere nicht iſolirt, ſondern mit Koͤrpern verbunden iſt, aus welchen ſie Elektricitaͤt erhalten, oder an die ſie dergleichen abgeben kann.

Iſt hingegen die aͤußere Seite iſolirt, wie z. B. wenn die Flaſche auf Glas oder Pech ſtehet, ſo kan gar keine Ladung bewirkt werden. Das Iſoliren unterbricht die Verbindung der aͤußern Flaͤche mit der Erde, und macht, daß dieſe Flaͤche ihren elektriſchen Zuſtand nicht aͤndern kan. Dies hat aber die Folge, daß die innere ihren Zuſtand auch nicht veraͤndert, weil ſie im Wirkungskreiſe der aͤuſſern iſt, und mit ihr im Gleichgewichte ſteht, ſo daß jeder Zuſatz von Elektricitaͤt, der in die innere dringen will, durch die Wirkung der aͤußern in den Drath zuruͤckgetrieben wird. Sobald man aber nur die aͤußere Seite durch eine Kette mit dem Tiſche oder Fußboden verbindet, geht die Ladung ſogleich von ſtatten.

Man uͤberſieht leicht, daß die Flaſche auch geladen wird, wenn man die aͤußere Seite mit dem Conductor der Maſchine, und die innere mit der Erde verbindet. Nur wird alsdann die aͤußere poſitiv, und die innere negativ. Eben dies geſchieht, wenn die innere mit dem iſolirten Reibzeuge294 der Maſchine, und die aͤußere mit der Erde verbunden wird, u. ſ. w.

Noch deutlicher ſieht man dieſes, wenn man die Flaſche iſolirt, und den Knopf A gegen den Conductor der Maſchine bringt. Es werden ſich gar keine oder nur wenige ſehr ſchwache Funken zeigen. Bringt man aber den Knoͤchel des Fingers, einen Schluͤſſel rc. gegen die iſolirte aͤußere Belegung, ſo werden ſogleich ſtarke und haͤufige Funken entſtehen, und ſo oft der Conductor dem Knopfe A einen Funken giebt, ſo oft bekoͤmmt auch der Finger einen aus der aͤußern Belegung. Offenbar darum, weil die innere Seite nur dann mehr +E annehmen kan, wenn die aͤußere eben ſoviel E zu erhalten, oder + E abzugeben, Gelegenheit hat.

Wenn man hiebey ſtatt des Fingers oder Schluͤſſels den Knopf einer zweyten nicht iſolirten Flaſche nimmt, ſo wird auch dieſe durch die Funken der erſten geladen, und ſo zeigt ſich von ſelbſt, wie ſich mehrere Flaſchen auf einmal laden laſſen.

Die Ladung findet ſich nicht in den Belegungen, ſondern auf der Glasflaͤche ſelbſt. Man kan die Belegungen abnehmen, und die Ladung bleibt doch in der Flaſche, wie ſich leicht verſuchen laͤßt, wenn die innere Belegung aus Schrot beſtehet, den man ausſchuͤtten kan, die aͤußere aber aus Zinnfolie, die nur leicht mit etwas Wachs angeklebt iſt.

Die Entladung der leidner Flaſche wird bewirkt, wenn man eine leitende Verbindung von einer Seite derſelben bis zur andern fuͤhrt, auch nur ſo weit, bis ſie der andern Seite ſo nahe koͤmmt, daß die Elektricitaͤt derſelben die zwiſchenliegende Luft durchbrechen kan. Man bedient ſich gewoͤhnlich dazu des Ausladers, ſ. Auslader, deſſen eines Ende an die aͤußere Belegung angeſetzt, das andere aber gegen den Knopf A genaͤhert wird. Sobald dieſes Ende in den gehoͤrigen Abſtand vom Knopfe, in die Schlagweite, koͤmmt, ſo bricht zwiſchen beyden ein ſtarker Funken mit einem heftigen Laute aus, und die Ladung der Flaſche iſt, bis auf einen kleinen Ueberreſt, verſchwunden. Dieſe Erſcheinung heißt der elektriſche295 Schlag (exploſio electrica, exploſion électrique, coup foudroyant).

Wenn die Ladung nicht allzuſtark iſt, ſo kan man dieſen Schlag durch den Koͤrper eines oder mehrerer Menſchen gehen laſſen. Iſt es nur einer, ſo faßt er die Flaſche an der aͤußern Belegung mit einer Hand, und naͤhert den Finger der andern Hand gegen ihren Knopf; ſind es mehrere, ſo viel ihrer auch ſeyn moͤgen, ſo ſtellen ſie ſich in einen Kreis, geben ſich die Haͤnde, der Erſte faßt die Flaſche mit der Hand, der Letzte bringt den Finger gegen den Knopf. Sobald der Schlag ausbricht, fuͤhlen Alle, wenn es auch Hundert und Mehrere waͤren, in demſelben Augenblicke eine heftige Erſchuͤtterung, vorzuͤglich in den Gelenken der Haͤnde, Arme und Schultern, und in der Bruſt, die eine ſchmerzhafte Empfindung zuruͤcklaͤßt. Davon heißt der Schlag auch die elektriſche Erſchuͤtterung (concuſſio, commotio electrica, commotion électrique). Iſt die Ladung ſtark, ſo darf man ſich dem Schlage nicht ausſetzen, weil er alsdann Thiere zu toͤdten vermoͤgend iſt. Der Funken iſt beym elektriſchen Schlage zwar kuͤrzer, aber ungleich dichter, heftiger und mit einem ſtaͤrkern Schalle verbunden, als der, welcher aus einem blos einfachen Leiter gezogen wird. Ueberhaupt bringt die Elektricitaͤt bey der Entladung der Flaſchen und Platten ihre erſtaunlichſten Wirkungen hervor, und heißt daher die verſtaͤrkte Elektricitaͤt.

Es kan aber auch die Entladung einer Flaſche ſtillſchweigend, d. i. ohne Schlag bewirkt werden, wenn man beyde Seiten derſelben allmaͤhlig von ihren Elektricitaͤten befreyen kan, (eine allein zu befreyen, iſt wegen des Wirkungskreiſes der andern unmoͤglich). Dies geſchieht z. B. wenn man beyde Seiten wechſelsweiſe beruͤhrt oder mit der Erde verbindet, oder wenn man die aͤußere Seite allein in dieſe Verbindung ſetzt, und an den meſſingnen Drath eine Spitze bringt, oder im Fall er ſpitzig geendet iſt, die Kugel davon abſchraubt, wobey die Elektricitaͤt der innern Seite ſich ſtill durch die Spitze zerſtreut, ſ. Spitzen; auch wenn man die eine Belegung mit der Erde verbindet, und die andere eine296 Zeitlang der Luft ausſetzt, wodurch ſie ihre Elektricitaͤt ebenfalls nach und nach verliert, weil in der Luft viel leitende Theile ſchweben. Eben daher verlieren die gewoͤhnlichen Flaſchen ihre Ladung in kurzer Zeit von ſelbſt. So erfolgt auch eine ſtille Entladung, wenn man um die aͤuſſere Belegung einen meſſingnen Ring legt, aus dem ein krummgebogner Drath mit einem Knopfe bis E Taf. IX. Fig. 32. heraufgeht, ſo daß die Knoͤpfe A und E ſich gegenuͤber ſtehen. Wenn man dann einen leichten Koͤrper B an einem Faden aufhaͤngt, ſo wird er wechſelsweiſe von A und B angezogen, fuͤhrt nach und nach die Elektricitaͤt der einen Seite in die andere uͤber, und entladet die Flaſche. Man formt den Koͤrper B, wie eine Spinne, daher der Verſuch den Namen der elektriſchen Spinne fuͤhrt.

Wenn man die eine Belegung einer geladnen Flaſche allein mit dem Finger oder einer andern Leiter beruͤhrt, ſo zeigt ſich dabey nichts Beſonders (bisweilen nur ein kleiner Funken am Knopfe), der Schlag erfolgt erſt, wenn ſich die leitende Verbindung bis an die andere Seite erſtreckt. Daher kan man die geladnen Flaſchen ſicher beym Knopfe oder von außen anfaſſen und forttragen, wenn man nur damit nicht einen andern Theil des Koͤrpers, oder die Kleider beruͤhrt.

Die leitende Verbindung zwiſchen beyden Seiten der Flaſche, der Verbindungs-Kreis, darf nicht eben aus einem einzigen ununterbrochnen Leiter beſtehen. Man kan ihn ſehr lang machen, und mancherley Koͤrper hineinbringen, wenn dieſe nur alle Leiter ſind. So koͤnnen ſehr viele Perſonen, die einander anfaſſen, den Kreis ausmachen. Man glaubte vor nicht langer Zeit in Paris, die Leitung werde unterbrochen, wenn man Caſtraten oder impotentes einſtelle; aber dieſer Wahn ward falſch befunden (Sigaud de la Fond Precis hiſtorique et experimental des phénomenes électriques. Paris, 1781. 8. p. 285.). Der Schlag nimmt aber immer den Weg durch die beſten Leiter, durch die er am leichteſten und mit dem wenigſten Widerſtande zum Ziele kommen kan: ſind daher mehr Verbindungen vorhanden, ſo vertheilt er ſich ſelten unter alle, ſondern297 zieht z. B. die metalliſche, oder die durch feuchte Koͤrper gehende vor, zumal wenn ſie zugleich die kuͤrzeſte iſt. Wenn der Kreis alſo aus vielen Perſonen beſteht, und der Boden feucht iſt, ſo fuͤhlen die Mittlern den Schlag nicht, weil er den leichtern und kuͤrzern Weg von den Erſten bis zu den Letzten durch den feuchten Boden nimmt. Man kan ſogar das Waſſer eines Fluſſes, oder einen langen Strich feuchtes Erdreich zu einem Theile der Verbindung machen. Dahin gehoͤrt Winklers Verſuch im Apelſchen Garten zu Leipzig d. 28. Jul. 1746. (ſ. Prieſtley Geſch. der Elektr. S. 59.), wobey drey Flaſchen in der Pleiße ſtanden, welche entladen wurden, wenn man die Verbindungskette dreyßig Ellen weit davon ebenfalls in den Fluß hieng, und das andere Ende an den mit den Flaſchen entbundenen Conductor brachte. D. Watſon trieb 1747 mit einigen Mitgliedern der koͤniglichen Societaͤt dieſe Verſuche noch weiter. (Prieſtley S. 71 u. f.), und leitete endlich den elektriſchen Schlag durch eine Verbindung von vier engliſchen Meilen, nemlich zwo Meilen Drath, und zwo Meilen trocknen Erdboden. Dieſen großen Raum legte die Elektricitat in einem Augenblicke zuruͤck. Es hat aber Volta (Rozier Journal de phyſique. 1779.) durch Verſuche erwieſen, daß bey großen Verbindungskreiſen die Elektricitaͤt nicht in einem ununterbrochnen Strome durch den ganzen Kreis gehet, daß vielmehr jede Seite ihren beſondern Strom erreget, und ihre Elektricitaͤt den naͤchſten Leitern abgiebt. Dem zu Folge entſtand in jenen freylich ſehr taͤuſchenden Verſuchen des Watſon der elektriſche Schlag an jedem Ende fuͤr ſich, und ohne Zuſammenhang mit dem andern Ende, wodurch das Unbegreifliche dabey auf einmal verſchwindet.

Durch elektriſche Koͤrper geht die Erſchuͤtterung nicht, ſie muͤßte denn ſtark genug ſeyn, ſie mit Gewalt zu durchbrechen, wobey allezeit ein Funken und eine Exploſion entſteht. Wenn daher die Verbindung durch eine Reihe nicht ganz zuſammenhaͤngender, ſondern nur nahe an einander ſtehender Koͤrper gemacht wird, ſo entſtehet zwiſchen jedem Paare dieſer Koͤrper ein Funken, weil die Elektricitaͤt die298 Luft durchbrechen muß. Hierauf gruͤnden ſich allerley elektriſche Spielwerke, z. B. man klebt mit Hauſenblaſe viereckichte Stuͤckchen von Goldblaͤttchen nahe neben einander auf eine Glastafel, daß das Ganze eine Sonne, einen Namen u. dgl. vorſtellt, und entladet eine Flaſche dadurch, ſo zeigt ſich die Sonne rc. auf einen Augenblick mit dem lebhafteſten Feuer, welches im Dunkeln viel Wirkung thut. Der Abt Nollet iſt der Erfinder hievon, und man kan die dabey zu beobachtenden Vortheile beym Sigaud de la Fond (Geſchichte der mediziniſchen und phyſikaliſchen Elektricitaͤt, von Kuͤhn. Leipzig, 1783. gr. 8. S. 240 u. f.) und Guyot (Phyſikal. und mathemat. Beluſtigungen, Th. IV. S. 300 310.) finden.

Wenn der Verbindungskreis durch unvollkommne Leiter, z. B. durch Stuͤcke trocknen Holzes, durch innwendig angefeuchtete Glasroͤhren rc. unterbrochen wird, ſo entſtehen dadurch anhaltend ſchneidende Funken oder Buͤſchel, die nicht erſchuͤttern, aber an dem Theile des Leibes, wo ſie einſtroͤmen, eine hoͤchſt widrige Empfindung verurſachen. Man kan damit holzichten, etwas ſpitzgeſchnittenen Zunder und ſogar lockeres, nicht in Patronen eingeſchloßnes, Schießpulver zuͤnden (ſ. Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſ. und Naturg. von Herrn Lichtenberg, II. B. 2 St. S. 70.).

Durch die Entladung verliert die Flaſche ihre Elektricitaͤt. In den meiſten Faͤllen aber bleibt noch ein Ueberreſt der Ladung zuruͤck, der, wenn ſie ſtark geweſen iſt, oft noch einen zweyten ziemlich betraͤchtlichen Schlag geben kan.

Es laſſen ſich mit der leidner Flaſche ungemein viel belehrende und unterhaltende Verſuche anſtellen. Verzeichniſſe und Beſchreibungen derſelben findet man beym Cavallo (Vollſt. Abhandl. der Lehre von der Elektr. III. Buch 7 Cap.), Adams (Verſuch uͤber die Elektr. a. d. Engl. Leipz. 1785. gr. 8. Cap. 7.) und Donndotf (Lehre von der Elektr. I. Band. S. 344 u. f. II. Band Cap. 19. Verſ. 22. u. f. von S. 825). Die ſtaͤrkſten299 Wirkungen erfolgen, wenn mehrere Flaſchen mit einander verbunden und zuſammen entladen werden, ſ. Batterie, elektriſche. Von den Phaͤnomenen und Wirkungen der elektriſchen Erſchuͤtterung ſelbſt werde ich bey dem Worte: Schlag, elektriſcher reden. Geſchichte des leidner Verſuchs.

Schon der Englaͤnder Stephan Gray fuͤhlte im Jahre 1735, als er ſich mit Ausziehung elektriſcher Funken aus dem Waſſer beſchaͤftigte, die Erſchuͤtterung der verſtaͤrkten Elektricitaͤt (Philoſ. Trans. no. 436. I. D. Titius de electrici experimenti Lugdunenſis inventore primo. Witteb. 1771. 4.). Da er aber die Bemerkung nicht weiter verfolgt hat; ſo kan man ihn nicht als den Erfinder dieſes merkwuͤrdigen Verſuchs anſehen.

Die Ehre, eine ſo wichtige Entdeckung gemacht zu haben, die alle Naturforſcher in Erſtaunen ſetzte, und dem Studium der Elektricitaͤt ein neues Leben gab, gehoͤrt ganz unſtreitig einem deutſchen Praͤlaten, dem Herrn von Kleiſt, Dechanten des Domcapituls zu Camin in Pommern, welcher am 11. Oct. 1745 die verſtaͤrkte Elektricitaͤt ſelbſt entdeckte, am 4. Nov. darauf dem D. Lieberkuͤhn in Berlin, am 28. Nov. dem Prediger Swietlicki in Danzig und bald nachher auch dem Profeſſor Kruͤger in Halle Nachrichten davon gab, welche der Erſte der berliner Akademie der Wiſſenſchaften, der Zweyte der danziger naturforſchenden Geſellſchaft mittheilte, und der Dritte ſchon 1746 drucken ließ (Kruͤgers Geſchichte der Erde, Halle 1746. 8. S. 177. u. f.). Dieſe Nachrichten enthalten Folgendes. Wenn ein Nagel oder ſtarker meſſingner Drath in ein kleines Arzneyglas geſteckt und elektriſirt wird, ſo erfolgen beſonders ſtarke Wirkungen. Das Glaͤschen muß recht trocken oder warm ſeyn. Man kan es vorher mit Kreide reiben. Thut man ein wenig Queckſilber oder Weingeiſt hinein, ſo geht alles noch beſſer von ſtat ten. Sobald das Glaͤschen von der elektriſchen Roͤhre weggenommen wird, ſo aͤußert ſich der leuchtende Stra lenbuͤſchel, und man kan mit dieſer brennenden Maſchine300 uͤber 60 Schritte weit im Zimmer herumgehen. Wird waͤhrendem Elektriſiren der Finger oder ein Stuͤck Geld an den Nagel gehalten, ſo iſt der herausfahrende Schlag ſo ſtark, daß Arme und Achſeln davon erſchuͤttert werden. Eine iſolirte Roͤhre laͤßt ſich dadurch weit ſtaͤrker elektriſi ren, als unmittelbar durch die Kugel. Wird ein Con ductor elektriſirt, der im Glaͤschen befindliche Nagel dar an gehalten, und mit Elektriſiren fortgefahren, ſo ſollte man kaum glauben, in welche Staͤrke die Elektricitaͤt ge ſetzt werde. Iſt das Glaͤschen niedrig, daß ſich die Fin ger in der gehoͤrigen Weite befinden, ſo ſchlaͤgt der Fun ken von ſelbſt aus dem Nagel auf den Finger zu. Duͤnn haͤlſige Glaͤſer ſind ein paarmal durch den heftigen Schlag zerſprengt worden u. ſ. w. Man ſieht, daß hiebey das Glas wirklich geladen war, wobey das hineingegoßne Queckſilber die innere, die darum gelegte Hand aber die aͤußere Belegung ausmachte. Man bemuͤhete ſich in Danzig, den Verſuch nachzuahmen, und Gralath war der Erſte, dem er gelang, jedoch erſt nach erhaltener ausfuͤhrlicher Anweiſung des Herrn von Kleiſt, welche 1747 (Abhandlung. der naturforſchenden Geſellſch. in Danzig. Th. I. 1747. 4. S. 512.) oͤffentlich bekannt gemacht wurde.

Zu Anfang des Jahres 1746 ſchrieb Muſſchenbroek aus Leiden an Reaumuͤr, er ſey auf einen ſchrecklichen Verſuch gerathen, mit einer Erſchuͤtterung, der er ſich nicht fuͤr die Krone Frankreichs zum Zweytenmal ausſetzen moͤchte: Allamand, ebenfalls Profeſſor in Leiden, wiederholte dieſes in einem Briefe an Nollet, und im Februar auch in einem eignen Aufſatze (Mém. de l' acad. des Sc. 1746. p. 2.).

Der Abt Nollet nannte daher die Entdeckung den leidner Verſuch, welchen Namen ſie auch behalten hat, ob ſie gleich weit richtiger der kleiſtiſche Verſuch heißt.

Man fieng in Frankreich an, Muſſchenbroek fuͤr den Erfinder zu halten, als Allamand noch im Jahre 1746 ſowohl an Nollet, als an Gralath meldete, die erſte Entdeckung gehoͤre eigentlich einem angeſehenen Privatmanne in Leiden Cunaͤus zu, der ſchon 1745 zufaͤlliger301 Weiſe darauf gekommen ſey. Es iſt nicht wahrſcheinlich, daß dieſer Mann etwas von der Entdeckung des deutſchen Praͤlaten gewußt habe; inzwiſchen bleibt dieſem Letztern unſtreitig das Verdienſt der erſten Erfindung und Bekanntmachung.

Muſſchenbroek erzaͤhlt, er und ſeine Freunde haͤtten darauf gedacht, elektriſirte Koͤrper, weil ſie an der Luft die Elektricitaͤt ſo bald verloͤhren, zu iſoliren, und haͤtten daher Waſſer in glaͤſernen Flaſchen durch einen mit der Maſchine communicirenden Drath elektriſirt. Dabey habe er, als er eine ſolche Flaſche in der einen Hand gehalten, und mit der andern den Drath von der Maſchine habe losmachen wollen, einen ſchrecklichen Schlag in ſeinen Armen und der Bruſt bekommen, den ſie alle bey wiederholtem Verſuche ebenfalls empfunden haͤtten, und von deſſen Wirkung auf ihren Koͤrper ſie fuͤrchterliche Beſchreibungen machen.

Dieſe Nachrichten erregten ein unbeſchreibliches Aufſehen, und machten die Elektricitaͤt zum Gegenſtande der allgemeinen Unterredung. Gralath und Winkler aber waren die Erſten, welche der Erfindung ſelbſt etwas zuſetzten. Gralath vertauſchte Glaͤschen, Nagel und Weingeiſt mit einer groͤßern Flaſche, einem Drathe mit der Kugel, und mit Waſſer, zeigte ſchon den 20 Apr. 1746 einen Verbindungskreis von 20 Perſonen, erfand die Batterie, und entdeckte die Unmoͤglichkeit, geſprungne Flaſchen zu laden, ingleichen den ſogenannten Ueberreſt der Ladung. Winkler, dem die Erſchuͤtterung ſehr empfindlich geweſen war, (Winkler on the effects of electricity upon himſelf and his wife. Phil. Trans. no. 480.) erfand eine Veranſtaltung, die verſtaͤrkte Elektricitaͤt von ferne zu beobachten, und ſtellte die obenangefuͤhrten Verſuche an, wobey ein Theil der Pleiſſe in die Verbindung gebracht ward.

Die meiſten Erweiterungen aber hat D. Watſon in den folgenden Jahren (Philoſ. Transact. 1748. 1749. etc. no. 477. 478. 482. 485. 489. ) hinzugeſetzt. Er fand, daß die Staͤrke des Schlags nicht von der Menge der Materie in der Flaſche, ſondern blos von der Groͤße der Flaͤche,302 die ſie beruͤhrt, abhaͤnge, welches dem D. Bevis Anlaß gab, die Belegung mit Zinnfolie zu erfinden. Er gab zuerſt eine Erklaͤrung des raͤthſelhaften Phaͤnomens der Ladung, und ordnete 1747 die ins Große gehenden Verſuche uͤber die Verbindungskreiſe und die Geſchwindigkeit des Schlages an, wobey ganze Striche Landes mit in die Verbindung gezogen wurden. Wilſon tauchte die Flaſchen auch von außen in Waſſer, entdeckte das wahre Verhaͤltniß der Staͤrke des Schlages, nahm wahr, daß derſelbe den Weg waͤhlt, bey dem er am wenigſten Widerſtand antrift, bemerkte die Lateral - exploſion u. ſ. f.

In Frankreich ſtellte der Abt Nollet die erſten Verſuche an, entdeckte zufaͤllig, daß eine luftleere Flaſche alle Dienſte einer belegten thue, machte Verbindungskreiſe von 180 Perſonen, die ſich mit eiſernen Draͤthen verbanden, und einen Umkreis von 900 Toiſen bildeten, und toͤdtete zuerſt Thiere durch den Schlag. Le Monnier fand, daß die Ladung eine Zeit lang (bey kaltem Wetter 36 Stunden) in den Flaſchen bleibe, und that ſich noch vor D. Watſon durch Verſuche mit langen Verbindungskreiſen, in die auch große Waſſerbaſſins gebracht wurden, hervor. In England ſowohl als in Frankreich hatte man ſchon wahrgenommen, daß iſolirte Flaſchen nicht geladen werden konnten, und daß die Belegung geladner Flaſchen leichte Koͤrper anzog, wenn man den Drath beruͤhrte, hingegen dieſelben abſtieß, wenn man den Finger an die Belegung brachte. Dieſe Verſuche haͤtten darauf fuͤhren koͤnnen, daß die Elektricitaͤten beyder Seiten entgegengeſetzt ſind; allein man uͤberſahe dies, und bildete ſich ein, das elektriſche Feuer ſtroͤme aus der Hand oder aus den Leitern, die die Flaſche von außen beruͤhrten, durch das Glas hindurch in die innere Belegung.

Indem alſo die Erklaͤrung der leidner Flaſche den europaͤiſchen Naturforſchern ein Geheimniß blieb, verbreitete ſich auf einmal ein unerwartetes Licht daruͤber durch die Briefe des D. Franklin in Philadelphia. (New experiments and obſ. on electricity in ſeveral lettres to Mr.303 Collinſon. Lond. 1751. 4. Benj. Franklins Briefe von der Elektricitaͤt, uͤberſ. v. I. C. Wilke. Leipz. 1758. 8.) Dieſer ſcharfſinnige Naturforſcher hatte ſchon vorher, ſo wie Watſon, bemerkt, daß bey der gemeinen Erregung der Elektricitaͤt das Reibzeug dasjenige hergiebt, was die Glaskugel erhaͤlt; dieſe Bemerkung hatte ihn bewogen, die beyden Elektricitaͤten des Glaſes und Reibzeugs als Ueberfluß und Mangel einander entgegenzuſetzen, und mit den Namen der poſitiven und negativen zu unterſcheiden. Da er nun bey ſeinen Verſuchen mit der leidner Flaſche gewahr ward, daß eine an Seide haͤngende Korkkugel von der aͤußern Belegung angezogen werde, wenn ſie von dem mit der innern Seite verbundnen Drathe abgeſtoßen wird, und daß man durch den hierauf gegruͤndeten Verſuch mit der elektriſchen Spinne die Flaſche entladen, oder die Elektricitaͤt der einen Seite in die andere uͤberfuͤhren koͤnne, ſo folgte aus ſeinen ſo wohl uͤberdachten Grundſaͤtzen von ſelbſt, daß bey der Ladung die Elektricitaͤten beyder Seiten einander entgegengeſetzt ſeyn muͤßten. Dieſe Entdeckung ließ ihn ſehr tiefe Blicke in das Geheimniß der leidner Flaſche thun, und ob er gleich bey ſeiner Theorie noch vieles Willkuͤhrliche hinzufuͤgen mußte, ſo erklaͤrte doch dieſelbe alle damals bekannte Erſcheinungen ſo deutlich, daß ſie den entſchiedenſten Beyfall der meiſten ſeiner Zeitgenoſſen erhielt.

Dieſe Theorie fuͤhrte ihn zugleich auf Beobachtung vieler neuen Erſcheinungen des Ladens, Entladens und elektriſchen Schlags, und auf die Erfindung einer zahlreichen Menge von neuen Verſuchen, ſo daß das meiſte, was noch jetzt uͤber die leidner Flaſche vorgetragen wird, aus ſeinen Briefen geſchoͤpft iſt, welche auf einmal den groͤßten Theil der vorigen Dunkelheit dieſer Lehre zerſtreuten. Hiezu kamen noch ſeine vortreflichen Entdeckungen uͤber den Blitz, die Wirkung der Spitzen rc. und die nuͤtzlichen Anwendungen derſelben auf die Blitzableiter und Beobachtung der Luftelektricitaͤt, wovon in dieſem Woͤrterbuche unter beſondern Artikeln gehandelt wird. Daher erregten ſeine Briefe mit Recht eine allgemeine Bewunderung; nur einige franzoͤſiſche Naturforſcher, insbeſondere Nollet, widerſprachen304 ſeiner Theorie, und bezweifelten den Nutzen ſeiner Entdeckungen.

Prieſtley (Geſch. der Elektr. S. 179 186.) erzaͤhlt verſchiedene einzelne Erfindungen, welche von den Naturforſchern zu den franklinſchen hinzugeſetzt worden ſind. Die vornehmſten ſind der Herren Wilke und Aepinus Ladung einer Luftſcheibe, ſ. Blitz, Beccatia's Ladung von Harz - Schwefel - und Siegellackplatten und verſchiedene andere uͤber die Wirkungen des elektriſchen Schlags, und die Erſcheinungen des Lichts gemachte Verſuche, welche zum Theil zur Beſtaͤtigung des franklinſchen Satzes, daß die Entladung ſtets aus der poſitiven Seite in die negative gehe, dienen ſollten.

Das von Wilke und Aepinus (Wilke diſſ. de electricitatibus contrariis. Roſtoch. 1757. 4. ) entdeckte Geſetz der elektriſchen Wirkungskreiſe klaͤrte die Theorie der leidner Flaſche noch mehr auf, und Wilke nahm davon Gelegenheit, alles, was bey der Ladung ſowohl in den Glasflaͤchen, als in den Belegungen vorgeht, genauer zu unterſuchen (Von den entgegengeſetzten Elektricitaͤten bey der Ladung und den dazu gehoͤrigen Theilen, in den ſchwed. Abhandl. 1762. S. 213. u. f.). Dieſe Unterſuchungen, welche im Grunde auch die Erfindung des Elektrophors enthalten, leiteten Herrn Wilke ſchon damals auf die Vermuthung, daß ſich die Phaͤnomene der Ladung aus der Hypotheſe von zwoen Materien, die er Feuer und Saͤure nennt, beſſer, als nach Franklin erklaͤren ließen, welcher Gedanke durch die neuern Entdeckungen noch mehr beſtaͤtiget worden iſt.

Herr Volta, ein zweyter Franklin in der Lehre der Elektricitaͤt, hat im Jahre 1775 den elektriſchen Apparat nicht nur mit dem fuͤr Theorie und Praxis ſo wichtigen Elektrophor vermehrt, der im Zuſtande der Ladung nichts anders, als eine entladne leidner Flaſche iſt, ſondern er hat auch, bey Veranlaſſung ſeiner uͤber dieſes Werkzeug gegebnen Erklaͤrungen, die Wirkungen der Elektricitaͤt aus einem ganz neuen Geſichtspunkte zu betrachten angefangen. Er ſahe zuerſt darauf, daß ein elektriſirter Koͤrper, wenn305 er den Zuſtand eines andern, der in ſeinen Wirkungskreis koͤmmt, veraͤndert, dadurch auch ſelbſt eine Veraͤnderung leidet, und darinn ſo lange beharret, bis der andere Koͤrper aus ſeinem Wirkungskreiſe entfernt wird. Dies iſt das eigne Geſetz ſeiner Theorie, welche er in einer eignen Abhandlung (Philoſ. Transact. 1782.) umſtaͤndlich aus einander geſetzt hat. Aber ſchon ſeine fruͤhern Schriften haben die neuern Phyſiker veranlaſſet, mehr darauf Acht zu geben, daß beyde entgegengeſetzte Elektricitaͤten bey ihren Wirkungen ſich wechſelſeitig binden.

Hiedurch ſind die neuern Erklaͤrungen der leidner Flaſche ſehr einfach und leicht geworden, beſonders ſo, wie ſie Herr Lichtenberg in ſeiner Ausgabe der Erxlebenſchen Anfangsgruͤnde der Naturlehre mit Bezeichnung der poſitiven El < * > tricitaͤt durch + E und der negativen durch E vorgetragen hat. Sie laſſen ſich mit beyden Hypotheſen, der franklinſchen ſowohl, als der ſymmerſchen von zwoen Materien, vereinigen, und leiten blos die Erſcheinungen aus unbezweifelt erwieſenen Geſetzen der Elektricitaͤt ab.

Neuere von Volta, Cavallo, Henly, Nairne, Lord Mahon, Sigaud de la Fond u. a. gemachte Verſuche mit Ladungsflaſchen oder Verbeſſerungen des dazu gehoͤrigen Apparats koͤnnen hier nicht umſtaͤndlich erzaͤhlt werden, ſind auch zum Theil in den die Elektricitaͤt betrefſenden Artikeln dieſes Woͤrterbuchs angefuͤhrt worden. Theorien der leidner Flaſche.

Die unerwartete Entdeckung des leidner Verſuchs ſetzte die Naturforſcher in nicht geringe Verlegenheit. Sie zeigte die Nichtigkeit aller vorherigen Theorien der Elektricitaͤt, und ſtellte eine Erſcheinung dar, die kein Phyſiker vermoͤgend einer Theorie haͤtte vorausſehen koͤnnen.

Inzwiſchen verſuchte Noller ſogleich (Mém. de l' acad. roy. des Sc. ann. 1746. p. 1. ſq. ), ſeine Hypotheſe der gleichzeitigen Aus - und Zufluͤſſe (man ſ. den erſten Theil dieſes Woͤrterbuchs, S. 756.) darauf anzuwenden. Er erklaͤrt demnach die Erſchuͤtterung aus dem heftigen und doppelten306 Stoße, der durch das Zuſammentreffen der elektriſchen Stroͤme im menſchlichen Koͤrper rc. entſtehe, wenn die Ausfluͤſſe aus dem Knopfe und der Belegung den Zufluͤſſen aus den beyden Haͤnden des Experimentators begegneten. Das Gefaͤß muͤſſe von Glas ſeyn, damit der Drath nicht gleich bey der Beruͤhrung der aͤußern Flaͤche ſeine Elektricitaͤt durch einen einfachen Funken verliere. Er behauptet ſchlechterdings, es koͤnne auch eine iſolirte Flaſche geladen werden; denn ſeine Hypotheſe enthaͤlt keinen Grund, warum es unmoͤglich ſeyn ſollte. Er laͤugnet beym Entladen die Nothwendigkeit, beyde Seiten zu verbinden, und ſieht uͤberhaupt die Ladung blos fuͤr Ueberſuͤllung mit elektriſcher Materie an, ohne die entgegengeſetzten Elektricitaͤten zu unterſcheiden. Die fernern Entdeckungen machten dieſe Theorie gar bald unzureichend. Nollet aber hat ſie mit einer faſt unglaublichen Standhaftigkeit vertheidiget, und allen ſeinen Scharfſinn aufgeboten, um die Schwierigkeiten zu heben, die ihm faſt jeder neuerfundene Verſuch darſtellte.

Franklins

Theorie (ſ. dieſes Woͤrterbuchs I. Th. S. 759.) erklaͤrt den leidner Verſuch weit gluͤcklicher. Dennoch mußte man dabey, außer den allgemeinen Saͤtzen der franklinſchen Theorie, noch die Undurchdringlichkeit des Glaſes fuͤr die elektriſche Materie, und den Grundſatz annehmen, daß das Glas, ſo wie jeder elektriſche Koͤrper, nur eine gewiſſe Menge elektriſcher Materie zu enthalten vermoͤge, ſo daß es unmoͤglich ſey, einer Seite des Glaſes etwas zu geben oder zu entziehen, wofern nicht die andere Seite eben ſo viel verlieren oder bekommen koͤnne. Dieſer letzte Satz klingt freylich etwas dunkel und ſonderbar; aber die Schwierigkeit liegt nur im Ausdrucke, und alles wird deutlich, ſo bald man damit das Geſetz der Wirkungskreiſe verbindet. Wenn nemlich das Glas duͤnn iſt, ſo liegt jede Seite im Wirkungskreiſe der andern, und ein Zuſatz von poſitiver Elektricitaͤt in der einen muß einen gleichen Zuſatz von negativer, oder nach Fr. einen gleichen Verluſt von elektriſcher Materie in der andern veranlaſſen. Iſt das Letztere nicht moͤglich, wie z. B. bey iſolirten Flaſchen, ſo kan auch das Erſte nicht ſtatt finden, d. h. jene Seite kan den Zuſatz von307 poſitiver Elektricitaͤt gar nicht annehmen, weil er durch die Wirkung der andern Seite abgeſtoßen wird. Dies haben aber Wilke und Aepinus erſt deutlich gelehrt; und daraus erklaͤren ſich alle Erſcheinungen der geladnen Flaſche ganz leicht, wenn man nur annimmt, daß duͤnnes Glas die Wirkungskreiſe oder die Vertheilung der Elektricitaͤt nicht hindere, ob es gleich die Mittheilung derſelben unmoͤglich macht.

Die Erſcheinungen des Ladens und Entladens laſſen ſich am kuͤrzeſten erklaͤren, wenn man ſich der Zeichen + E und E fuͤr die poſitive und negative Elektricitaͤt, und der Worte: Binden und Freylaſſen bey den Wirkungen der Vertheilung bedient. Dies iſt eine Sprache, die ſich nach allen Syſtemen uͤberſetzen laͤßt. Ich will dieſe Erklaͤrungen hier in eben der Ordnung mittheilen, nach welcher ich oben die Erſcheinungen ſelbſt vorgetragen habe.

Verbindet man eine Seite der Flaſche mit dem Conductor der Maſchine, die andere mit dem Reibzeuge, ſo erhaͤlt jene + E dieſe verliert + E, und erhaͤlt E beydes in gleichem Grade, ja es koͤmmt ſogar eben das + E durch den Conductor in jene, welches aus dieſer in das Reibzeug gegangen iſt. Beyde E binden ſich, daher die Flaſche, ſo lange nichts weiter vorgeht, keine elektriſchen Phaͤnomene zeigt.

Wenn man auch nur die innere Seite allein mit dem Conductor verbindet, ſo erhaͤlt ſie mehr + E, daher wird faſt eben ſo viel + E der aͤußern Seite frey, und mehr E in ihr gebunden. Iſt ſie alſo mit hinlaͤnglichen Leitern verbunden, ſo giebt ſie an dieſe das freye + E ab, und nimmt dagegen ſo viel E an, als das + E der innern Seite bindet. Daher wird auch in dieſem Falle die Flaſche geladen. Hiebey iſt noch zu bemerken, daß das + E der innern Seite doch nicht ganz ſo viel E in die aͤußere bringt, daß es dadurch voͤllig gebunden wuͤrde. Ein Theil des + E an der mit dem Conductor verbundnen Seite bleibt alſo noch immer frey, daher auch der Knopf der Flaſche, wenn man ihn allein beruͤhrt, einen kleinen Funken giebt. 308

Iſt aber die aͤußere Seite iſolirt, ſo kan ſich ihr E gar nicht aͤndern. Daher kan auch das E der innern Seite keinen Zuſatz annehmen, weil ihn das ſchon genug beſchaͤftigte E der aͤußern Seite nicht binden kan. Er bleibt alſo frey, und geht in den Leiter zuruͤck; mithin kan eine iſolirte Flaſche nicht geladen werden.

Wird umgekehrt die aͤußere Seite mit + E verbunden, und die innere nicht iſolirt, ſo erhaͤlt jene + E, dieſe gleich viel E aus der Erde. Wird die innere Seite mit E verbunden, und die aͤußere nicht iſolirt, ſo erhaͤlt jene E, dieſe eben ſo viel + E aus der Erde.

Verbindet man die Seiten nicht voͤllig mit dem Conductor und mit Leitern, ſondern naͤhert man ſie nur daran, ſo gehen + E und E durch Funken in ſie uͤber. Das uͤbrige richtet ſich alles nach den vorigen Regeln.

Die Entladung erfolgt, wenn man die ſehr ſtark gewordenen - +E beyder Seiten durch Leiter verbindet: dann gehen ſie in einander uͤber, und die beyden Seiten befreyen einander ſelbſt von ihren Elektricitaͤten. Daß die Wirkungen hiebey ſo heftig ſind, ruͤhrt wohl von nichts anderm, als von der großen Menge des E her, das zuvor in beyden Seiten ſich wechſelſeitig gebunden hielt, und nun ploͤtzlich frey wird. Dieſes E ſteigt in der geladnen Flaſche, und noch mehr in den Batterien, zu einer ſolchen Menge an, daß damit die Elektricitaͤt eines noch ſo ſtarken Conductors in keine Vergleichung koͤmmt. Nemlich die eine Seite kan ſo lang mehr + E annehmen, als die andere mehr E erhalten kan, folglich hat die Staͤrke der Ladung keine Grenzen, als die, die ihr die Zerbrechlichkeit des Glaſes ſetzt, welches doch von allzu ſtarken Elektricitaͤten endlich eben ſo, wie die Luft, mit einem Schlage durchbrochen wird.

Die elektriſche Spinne wird vom Knopfe der Flaſche angezogen, erhaͤlt etwas + E, und wird darauf nach dem Geſetz der Wirkungskreiſe wieder abgeſtoßen. In dieſem Zuſtande zieht ſie der Knopf E, Taf. IX. Fig. 32., an, nimmt ihr + E in ſich, theilt ihr E mit, und ſtoͤßt ſie dann wieder ab. So wird ſie wieder von A angezogen, dem ſie ihr E mittheilt und + E dagegen annimmt, bis ſie309 endlich alles + E und E beyder Seiten allmaͤhlich uͤbergefuͤhrt, und dadurch die Entladung in der Stille bewirkt hat.

Wenn man nur eine Seite allein beruͤhrt, ſo kan kein Schlag erfolgen, weil das E der beruͤhrten Seite nicht frey iſt. Oft iſt ein kleiner Theil davon frey, und man erhaͤlt einen kleinen unbedeutenden Funken aus der Seite, die mit der Maſchine verbunden geweſen iſt, zumal wenn die andere Seite nicht iſolirt iſt.

Dieſe Erklaͤrungen (denn die uͤbrigen angefuͤhrten Erſcheinungen ſind von keiner Theorie abhaͤngig) verwandeln ſich in die frankliniſchen, wenn man nur ſtatt + E Ueberfluß, ſtatt E Mangel an elektriſcher Materie ſetzt; beym binden und freylaſſen aber den erwaͤhnten frankliniſchen Satz ſubſtituirt, daß eine Seite des Glaſes gerade ſo viel Mangel haben muͤſſe, als die andere Ueberfluß hat, daher gleichſam jeder Mangel einen gleichen Ueberfluß der andern Seite bindet, den die Erſetzung jenes Mangels wieder frey laͤßt. Es ſind hingegen die ſymmerſchen Erklaͤrungen, wenn man ſich unter + E und E zwo beſondere reelle Subſtanzen denkt, welches Letztere ich wenigſtens weit natuͤrlicher, als das Erſtere finde, weil es mir ſchwer wird zu begreifen, wie Mangel und Ueberfluß von einerley Subſtanz ſo thaͤtig auf einander wirken koͤnnen. Auch ſind dieſe Erklaͤrungen ganz dem Geſetze des Herrn Volta gemaͤß, weil dabey durchgaͤngig angenommen iſt, daß das E, welches ein anderes bindet, zugleich ſelbſt gebunden, d. i. zu allen weitern Wirkungen unfaͤhig werde.

Ganz neuerlich und erſt nach dem Abdrucke des erſten Theils von dieſem Woͤrterbuche hat Herr de Luͤc in ſeinen Idees ſur la méteorologie eine neue, wenigſtens ſehr ſinnreiche, Theorie der Elektricitaͤt vorgetragen, welche nur eine einzige elektriſche Materie vorausſetzt, und von der ich in moͤglichſter Kuͤrze noch etwas, als einen Zuſatz zum Artikel: Elektricitaͤt, beyfuͤgen muß. Er glaubt eine große Aehnlichkeit der Elektricitaͤt mit den Waſſerduͤnſten wahrzunehmen, und haͤlt daher das elektriſche Fluidum fuͤr einen Dunſt, d. i. fuͤr eine Materie, deren fortleitendes Fluidum mit ihrer ſchweren Subſtanz nur ſchwach verbunden310 iſt, ſo wie bey den Waſſerduͤnſten, das Feuer mit dem Waſſer. Jenes nennt er hiebey elektriſches fortleitendes Fluidum, dieſe, die ſchwere Subſtanz, elektriſche Materie. So, wie z. B. das Feuer aus den Duͤnſten mit Zuruͤcklaſſung des Waſſers entweicht, wenn ſie kalte Koͤrper beruͤhren, ſo entweicht das elektriſche < * > ortleitende Fluidum mit Zuruͤcklaſſung der elektriſchen Materie, wenn es einen Koͤrper antrifft, der weniger davon hat, und vertheilt ſich gleichfoͤrmig durch alle Koͤrper.

Die elektriſche Materie ſtrebt nach den leitenden Subſtanzen auf eine große Entfernung, wenn ſie aber an ſie gekommen iſt, ſo haͤngt ſie ſich nicht an, ſondern wird durch ihr fortleitendes Fluidum in einem Kreislaufe um die Leiter herum fortgeriſſen. Zu den nicht leitenden Subſtanzen hingegen ſtrebt ſie auf eine ſehr kleine Entfernung; wenn ſie ſie aber erreicht hat, haͤngt ſie ſich an, und kan durch das fortleitende Fluidum nicht fortgeriſſen werden.

Das fortleitende Fluidum ſtrebt nach allen Subſtanzen in einer weit groͤßern Entfernung, von dem Koͤrper, der mehr hat, zu dem, der weniger beſitzt; es hat Verwandſchaft mit der elektriſchen Materie, aber ſeine Verbindung damit iſt ſehr ſchwach; eine groͤßere Menge fortleitendes Fluidum giebt eben derſelben Menge elektriſcher Materie mehr ausdehnende Kraft. Dies ungefaͤhr ſind die allgemeinen Hauptſaͤtze dieſer allerdings ſehr zufammengeſetzten Theorie.

Hieraus wird nun die Ladung der leidner Flaſche ſo erklaͤrt. Man denke ſich eine Glasplatte, von beyden Seiten mit Waſſer umfaßt, gegen deren Seite A ſich heiße Waſſerduͤnſte bewegen. So wie dieſe an die kaͤltere Platte kommen, erkalten ſie, ihr befreytes Feuer verbreitet ſich uͤber die ganze Platte, und das von ihm verlaſſene Waſſer vermehrt dasjenige Waſſer, womit die Seite A ſchon vorher bekleidet war. Das neue Feuer aber dringt durch die Glasplatte auf die Seite B, verſtaͤrkt daſelbſt die Ausduͤnſtung, und vermindert alſo das Waſſer, das B bekleidet. Dieſe Veraͤnderungen gehen ſo lange fort, bis Glasplatte und Waſſer die Temperatur der heißen Duͤnſte angenommen311 haben. Alsdann hoͤren die Duͤnſte auf, ſich bey A zu zerſetzen, es geht kein Feuer mehr nach B uͤber, und die ungleiche Vertheilung des Waſſers in A und B hat ihr Groͤßtes erreicht. Weil B weiter von der Quelle der Waͤrme abliegt, ſo kan es ein wenig kaͤlter, als A, ſeyn, und die Duͤnſte koͤnnen etwas weniger ausdehnende Kraft bey B haben, als bey A.

Etwas ganz Analoges geſchieht bey der Ladung der kleiſtiſchen Flaſche. Man darf nur fuͤr Duͤnſte Elektricitaͤt, fuͤr Feuer fortleitendes elektriſches Fluidum, fuͤr Waſſer elektriſche Materie ſetzen, ſo ſieht man, warum die eine Seite bis zu einem gewiſſen Groͤßten elektriſche Materie verlieren muß, indem die andere mehr erhaͤlt, wofern nur jene mit dem Boden verbunden iſt, d. h. wofern B nur ausduͤnſten kan. Am Ende hat A elektriſche Materie gewonnen, B dergleichen verlohren; aber der Gewinn in A iſt groͤßer als der Verluſt in B, weil der Hang des fortleitenden Fluidums, von A nach B zu gehen, durch die Entfernung, die das Glas zwifchen ſie ſetzt, geſchwaͤcht wird. Die Elektricitaͤt in A hat ſo viel ausdehnende Kraft, als die in der Quelle, welche die Ladung hervorgebracht hat; die in B ſo viel, als die im Boden, der mit B in Verbindung iſt; das fortleitende Fluidum aber (das Feuer im Beyſpiele) hat in der ganzen Flaſche an Menge zugenommen, und iſt durch A und B faſt gleich vertheilt.

Nun iſt es bekannt, daß man eine Flaſche entladen kan, wenn man wechſelsweiſe beyde Seiten beruͤhrt; man muß aber bey A, beym Knopfe der Flaſche (oder bey der Seite, die mit dem Conductor verbunden geweſen iſt) anfangen, weil B keinen Funken giebt. Dies wird ſo erklaͤrt. B ſteht mit dem Boden im Gleichgewicht, alſo iſt die Beruͤhrung davon unwirkſam; A aber giebt ſo viel Elektricitaͤt ab, als der Staͤrke des ladenden Conductors gemaͤß iſt, weil es mit dieſem gleiche ausdehnende Kraft hat. Dadurch geht fortleitendes Fluidum aus dem ganzen Apparat, alſo auch aus B hinein; dadurch verliert B an ausdehnender Kraft, und koͤmmt aus dem Gleichgewichte mit dem Boden. Beruͤhrt man nun B, ſo koͤmmt ein neuer312 Funken aus dem Boden. Dieſer laͤßt ſeine elektriſche Materie an B, ſein fortleitendes Fluidum aber vertheilt ſich durch den ganzen Apparat, alſo auch mit durch A, das dadurch wieder an ausdehnender Kraft zunimmt, und das Gleichgewicht mit dem Boden verliert. Daher kan man wieder einen Funken aus A ziehen u. ſ. f. So verliert A bey jedem Funken etwas elektriſche Materie, B aber bekoͤmmt bey jedem neue, bis endlich durch Fortſetzung des Verfahrens beyde faſt gleich viel haben, und die Flaſche entladen iſt.

Die ploͤtzliche Entladung durch leitende Verbindungen iſt nichts, als eine ſchnellere Succeſſion eben derſelben Wirkungen. Die Entladung aber iſt nie vollſtaͤndig, weil die elektriſche Materie an den nicht-leitenden Subſtanzen ſehr feſt anhaͤngt.

Schon dieſes Wenige wird zeigen, mit welchem Witz und Scharfſinn der verdienſtvolle Urheber dieſer Theorie entfernte Aehnlichkeiten wahrnimmt, und die Erſcheinungen bis auf die kleinſten Umſtaͤnde zergliedert, um ihren Urſachen nachzuforſchen. So zuſammengeſetzt und verwickelt ſeine Vorausſetzungen auf den erſten Blick ſcheinen, ſo erklaͤren ſie doch in der Folge jeden Umſtand gluͤcklich und vollſtaͤndig. Daß z. B. A allezeit zuerſt beruͤhrt werden muß, davon moͤchte ſich wohl, ſo wie von vielen andern kleinſcheinenden Umſtaͤnden aus der bisherigen Theorie ſchwerlich ſo befriedigend, wie hier, Rechenſchaft geben laſſen. Ueberdies leitet auch Herr de Luͤc noch andere Erſcheinungen, die ich hier uͤbergehen muß, eben ſo gluͤcklich aus der Analogie mit den Duͤnſten her. Mehr von dieſem ganzen Syſtem werde ich noch bey den Worten: Spitzen und Wi < * > kungskreiſe, elektriſche beybringen.

Prieſtley Geſchichte der Elektricitaͤt, durch Kruͤnitz, an mehreren Stellen.

Beckmann Beytraͤge zur Geſchichte der Erfindungen I. Th. 4 St. S. 571. u. f.

Cavallo Vollſt, Abhdl. der Lehre von der Elektricitaͤt, I. Th. Cap. 7. u. S. 278.

Erxlebens Anfangsgr. der Naturlehre durch Lichtenberg < * > Dritte Aufl. §. 529. u. f. §. 549. g. 313

de Luͤc neue Ideen uͤber die Meteorolo < * > ie. II. Abtheil. Cap. 3. Vom elektriſchen Fluidum. 1. 2. 3. Abſchnitt.

Flaſchenzug, Polyſpaſt

Polyſpaſtus, Polyſpaſton, Polyſpoſte. Ein mechaniſches Werkzeug, aus zween Kloben oder Flaſchen zuſammengeſetzt, deren jede mehrere Rollen enthaͤlt. Die obere Flaſche iſt befeſtigt, an der untern aber haͤngt die Laſt, welche durch ein um alle Rollen gehendes Seil zugleich mit der untern Flaſche in die Hoͤhe gehoben wird, ſ. Rolle. Taf. IX. Fig. 33. ſtellt einen Flaſchenzug von vier Rollen (tetraſpaſton) BC, DE, FG, HI, in den beyden Kloben oder Flaſchen NM und OP vor. Der obere Kloben iſt bey N befeſtiget, der untere traͤgt bey P die Laſt L. Das Seil iſt bey M an einen Hacken im obern Kloben befeſtiget, geht von da aus uͤber die Rolle IH wieder aufwaͤrts nach G, uͤber GF niederwaͤrts nach E, uͤber ED aufwaͤrts nach C, endlich noch uͤber CB niederwaͤrts. Am Ende deſſelben zieht eine Kraft K das Seil an, und ſucht durch Verkuͤrzung der Seile CD, EF, GH, IM, den untern Kloben mit der Laſt zu erheben, oder wenigſtens zu erhalten.

Wenn die Kraft K ſich zur Laſt L, wie 1 zu der Anzahl der Seile verhaͤlt, an denen der untere Kloben haͤngt (hier, wie 1: 4, weil der untere Kloben vier Seile MI, HG, FE, DC ſpannt), ſo ſind beyde im Gleichgewicht. Denn die Laſt L ſpannt jedes Seil des untern Klobens mit einem Theile, der auf die Anzahl der Seile ankoͤmmt, hier mit ihrem vierten Theile. Die obern Rollen aber wirken blos als einfache, ſ. Rolle, und aͤndern nur die Richtungen der Seile, daher die Kraft K nur ſo viel zu halten hat, als das Seil CD traͤgt, d. i. hier den vierten Theil der Laſt L. Das Gleichgewicht iſt alſo vorhanden, wenn die Kraft ſich zur Laſt, wie 1: 4 verhaͤlt. Iſt die Laſt z. B. 40 Pfund, ſo braucht man bey v nur 10 Pfund Kraft, ſie zu erhalten. Die uͤbrigen 30 Pfund traͤgt der Punkt N. Eine etwas ſtaͤrkere Kraft wuͤrde die Laſt heben.

Das Seil koͤnnte auch bey O an den untern Kloben befeſtiget, und von da uͤber GFIHCBED gefuͤhrt ſeyn,314 wobey am Seile, das von D heraufgeht, eine Kraft aufwaͤrts ziehen, oder auch das Seil fuͤr eine niederziehende Kraft noch um eine dritte obere Rolle gefuͤhrt ſeyn koͤnnte. In dieſem Falle wuͤrde die Laſt fuͤnf Seile ſpannen, und K nur der fuͤnfte Theil von L ſeyn duͤrfen.

Je mehr alſo Rollen im Flaſchenzuge ſind, d. i. je mehr Seile die Laſt ſpannt, deſto mehr kan durch eine geringere Kraft gehoben werden. Aber auch hier gilt das allgemeine Geſetz der Maſchinen, daß das, was an Kraft gewonnen wird, an Raum oder Zeit wieder verlohren geht. Soll die Laſt um 1 Schuh gehoben werden, ſo muß ſich jeder Strick, den ſie ſpannt, um 1 Schuh, mithin das ganze Seil hier um 4 Schuh, verkuͤrzen, und die Kraft, die das Seil auszieht, muß vier Schuh weit fortgehen.

Hiebey wird vorausgeſetzt, daß alle Seile parallel ſind, weil ſich ſonſt bey der Rolle das Verhaͤltniß K: L aͤndert. Damit aber die Seile nicht an einander kommen, und ſich reiben, muͤſſen die mittlern Rollen kleiner, als die aͤußern ſeyn, wobey das Seil FE ſchief geht. Dies verurſacht eine kleine Abweichung von der Regel. Dieſe zu vermeiden, kan man die Rollen in den Kloben neben einander ſetzen, wie Leupold (Theatr. Machinar. generale. Cap. III. §. 63.) vorſchlaͤgt; aber dann laufen die Seile ſeitwaͤrts ſchief, und klemmen die Rollen. Alſo iſt es beſſer, bey der gewoͤhnlichen Einrichtung zu bleiben, zumal da das Reiben und die Steife der Seile noch weit betraͤchtlichere Abweichungen veranlaſſen.

Der Flaſchenzug iſt naͤchſt dem Haſpel das gewoͤhnlichſte und bequemſte Hebzeug, und wird taͤglich beym Bauen rc. zu Hebung ſchwerer Laſten gebraucht. Mit dem Haſpel verbunden zwingt er ungeheure Laſten, und die ſo bewunderte Mechanik der Egypter hat vielleicht blos in der Kenntniß dieſer beyden Hebzeuge beſtanden, die den Alten ſehr bekannt waren. Den Flaſchenzug beſchreibt Vitruv (De architectura Lib. X. c. 3. 4. ), und mehrere Abaͤnderungen und Verbindungen deſſelben findet man beym Leupold (Theatrum machinarum, Tab. XXXV, XXXVI. u. f.) abgebildet. 315

Flecken der Sonne, des Monds, der Planeten, ſ. Sonne, Mond, Venus, Mars, Iupiter.

Flintglas, Kieſelglas, weißes Kryſtallglas

engl. Flintglaſs. Eine Glasart, welche unter dieſem Namen in den engliſchen Glashuͤtten bereitet wird, und ſich durch vorzuͤgliche Weiße und Reinigkeit unterſcheidet. Sie iſt in der Dioptrik ſehr beruͤhmt geworden, ſeitdem der aͤltere Dollond durch ihre Verbindung mit dem Crownglaſe Mittel gefunden hat, die Abweichung wegen der Farbenzerſtreuung in den Fernroͤhren zu vermeiden, ſ. Achromatiſche Fernroͤhre.

Dollond giebt in einem Briefe, welchen Clairaut (Mém. de Paris, 1757. p. 857.) anfuͤhrt, das Brechungsverhaͤltniß fuͤr das Flintglas, wie 1, 583: 1 an. Nach dem Duͤc de Chaulnes (Mém. de Berlin 1767.) iſt es 1: 0,628. Es bricht alſo dieſes Glas die Lichtſtralen etwas weniger, als das Crownglas, wiewohl der Unterſchied aͤuſſerſt gering iſt, ſ. Crownglas. Dagegen zerſtreut es dieſelben weit ſtaͤrker, ſo daß das durch ein Prisma von Flintglas entſtandene Farbenbild unter gleichen Umſtaͤnden um die Haͤlfte laͤnger iſt, als das durch ein Prisma von Crownglas gebildete.

Daher wird das Flintglas bey den achromatiſchen Fernroͤhren zum Hohlglaſe der zuſammengeſetzten Objectivlinſe gebraucht, welches bey einer ganz geringen Brechung dennoch eine ſtarke Farbenzerſtreuung nach der entgegengeſetzten Seite bewirken, und dadurch die ſtarke Farbenzerſtreuung der erhabnen Glaͤſer von Crownglas gerade aufheben ſoll. Es koͤmmt hiebey faſt alles auf die Guͤte des Flintglaſes an, welches man nur in den engliſchen Glashuͤtten in der erforderlichen Guͤte hat finden koͤnnen, und das jetzt ſelbſt in England nicht mehr ſo gut als ehedem, verfertiget werden ſoll, ſ. Achromatiſche Fernroͤhre.

Zeiher entdeckte durch ſeine in Petersburg angeſtellten Verſuche (ſ. den Art. Farbenzerſtreuung), daß die Eigenſchaft des Flintglaſes, die Farben ſo betraͤchtlich zu zerſtreuen, die Folge einer ſtarken Beymiſchung von Bleykalk316 ſey. Solche mit Bleykalken bereitete Glaͤſer ſind ſchwerer, weniger ſproͤde und zum Poliren geſchickter als andere, und werden insgemein Kryſtallglas genannt. Zeiher fand, daß aus 3 Theilen Mennige und 1 Theile Kieſel ein Glas entſtehe, welches die Farben fuͤnfmal ſtaͤrker, als das gemeine oder Crownglas zerſtreut. Er entdeckte zugleich, daß ein ſtaͤrkerer Zuſatz von Laugenſalzen die Brechung ungemein vermindere, ohne die Farbenzerſtreuung merklich zu aͤndern. Er erhielt vermittelſt dieſer Entdeckungen endlich ein Glas, welches das Flintglas der Englaͤnder zum Gebrauche fuͤr Fernroͤhren weit uͤbertreffen muͤßte, weil es das Licht dreymal mehr, als das gemeine Glas zerſtreuet, und doch das Brechungsverhaͤltniß nur 1, 61: 1 giebt (Mém. de Berlin. 1766. p. 150.).

Die groͤßte Schwierigkeit aber liegt bey der Verfertigung ſolcher Glaͤſer in den Blaſen und Streifen, wozu alle Arten der Kryſtallglaͤſer vorzuͤglich geneigt ſind, und welche die Lichtſtralen beym Durchgange wegen ihrer groͤßern Dichte in Unordnung bringen. Die Farbe thut nicht ſo viel zur Sache. Die Streifen aber bilden, wenn man den Schein eines Lichts durch das Glas auf Papier fallen laͤſt, helle Linien von dunkeln Raͤndern begrenzt, zum Beweiſe, daß ſie die Stralen mehr als das uͤbrige Glas zuſammenlenken. Dieſe Streifen ſind wellenfoͤrmig, und durchſchneiden ſich, wie Netze, in verſchiedenen Richtungen. Sie ruͤhren allerdings von einer unvollkommnen Schmelzung her; aber die groͤßten Chymiker geſtehen, daß es bey dem Zuſatze metalliſcher Subſtanzen faſt unmoͤglich ſey, ſie zu vermeiden. Scheffer (Chemiſche Vorleſungen, Greifsw. 1779. 8 §. 176. d.) berichtet, daß die Englaͤnder zum Flinkglaſe 24 Theile Kieſel, 7 Theile Bleykalk und 1 Theil Salpeter nehmen. Er glaubt, es ſey dabey des Bleykalks zu viel, und dies verurſache die Streifen. Der Graf Buffon (Suppl. à l' hiſt. nat. To. II. Paris 1774. 12. p. 284.) meldet inzwiſchen, er habe aus 1 Pfund des weißeſten Sandes, 1 Pfund Bleykalk, 1 / 2 Pfund Potaſche, und 1 Loth Salpeter ein ſehr vortrefliches Glas dieſer Art verfertigt.

Florentiner Thermometer, ſ. Thermometer. 317

Fluͤchtig, Volatile, Volatil.

Ein Koͤrper heißt fluͤchtig, wenn er ſich durch die Wirkung des Feuers in Daͤmpfe oder Gasarten verwandeln und davon treiben laͤßt. Das Fluͤchtige iſt alſo dem Feuerbeſtaͤndigen oder Fixen entgegengeſetzt, ſ. Feuerbeſtaͤndig.

Die Fluͤchtigkeit entſpringt von der Ausdehnbarkeit oder Aufloͤslichkeit der Koͤrper durch das Feuer, und ihr Grad iſt nach der Beſchaffenheit der Subſtanzen ſehr verſchieden. Vielleicht giebt es in der Natur keine Materie, welche nicht fluͤchtig waͤre; nur ſind es viele nicht bey den gewoͤhnlichen oder uns bekannten Graden des Feuers, oder ſie ſind nicht ſo fluͤchtig, als andere mit ihnen verbundne. Daher druͤcken die Worte: fluͤchtig und feuerbeſtaͤndig eigentlich blos relative Begriffe aus, und beziehen ſich auf die Grade des Feuers oder auf Vergleichung mit andern Koͤrpern.

Vielleicht haͤngt auch die Fluͤchtigkeit zum Theil von dem die Koͤrper umgebenden Mittel ab. Dieſes iſt doch mehrentheils die Luft. Wenn nun dieſe auf die durchs Feuer ausgedehnten oder aufgeloͤſten Theile eines Koͤrpers eine anziehende Kraft aͤußert, ſo werden ſie verfluͤchtiget; ſo lange dies nicht geſchieht, ſind oder ſcheinen ſie wenigſtens feuerbeſtaͤndig. Die fluͤchtigen Theile bleiben in der Luft, und ſind entweder als Duͤnſte mit ihr verbunden, oder als Rauch ſichtbar, oder als Gas mit der atmoſphaͤriſchen Luft gemiſcht. Wird die Luft mit den beyden erſtern Arten uͤberſaͤttiget, ſo entſteht ein Niederſchlag, wie bey der Deſtillation und Sublimation, wodurch wir die verfluͤchtigten Subſtanzen wieder gewinnen.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Fluͤchtigkeit.

Fluͤſſe, Stroͤme, Flumina, Fluvii, Amnes, Fleuves, Rivieres.

So heißen die groͤßern fließenden Gewaͤſſer, welche aus der Vereinigung der Baͤche entſpringen, und durch ihre Verbindungen mit einander immer zunehmen, bis ſich endlich ihr Waſſer ins Meer ergießt. Die ſchnellern und reißender fließenden pflegt man insbeſondere Stroͤme zu nennen; wiewohl unter dieſem Namen oft318 auch blos die groͤßern ſchiffbaren Fluͤſſe, ohne Ruͤckſicht auf ihre Geſchwindigkeit, verſtanden werden. In der franzoͤſtſchen Sprache ſind Fleuves (flumina) die ſchiffbaren oder auch unmittelbar ins Meer laufenden; Rivieres (amnes), die keine Schiffe tragen oder ſich in andere Fluͤſſe ergießen.

Das fließende Waſſer hat ſeinen erſten Urſprung aus den Quellen, ſ. Quellen. Die meiſten und groͤßten Fluͤſſe kommen daher aus den Gebirgen herab, wo es mehr regnet, wo mehr Schnee ſchmelzt und die Wolken ſtaͤrker angezogen und verdichtet werden. Dennoch entſpringen auch einige Fluͤſſe aus Seen, wie der Don, der Amazonenfluß, der Miſſiſippi, Sr Lorenzfluß u. a. m.

Der Weg, den ſie nehmen, richtet ſich nach dem Abhange der Erdflaͤche, ſo daß ihre Oberflaͤche, wenn ſie ruhig waͤre, eine ſchiefe Ebne ſeyn wuͤrde. Da die niedrigen Stellen der Erdflaͤche nicht in geraden Linien fortgehen, ſo machen die Fluͤſſe viele Kruͤmmungen, gemeiniglich deſto mehr, je naͤher ſie dem Meere kommen. Die meiſten gehen nach Oſten oder Weſten, nur wenige nach Norden oder Suͤden. Sie werden beym Fortgange immer breiter, und ergießen ſich insgemein durch mehrere Muͤndungen ins Meer.

Es giebt Fluͤſſe, die ſich unter der Erde verlieren und hernach wieder ausbrechen. Davon findet man viel Fabeln bey den Alten (z. B. Ovid. Metam. XV. v. 273. ſqq.). Plinius (H. N. II. 103. V, 9.) erzaͤhlt, der Alpheus in Arkadien gehe unter dem Meere fort, bis zur Quelle Arerhuſa in Sicilien; was man in den Fluß werfe, komme in der Quelle wieder hervor, wovon Strabo (Geogr. L. VI. ) ſchon das Ungereimte bemerkt. Von der Rhone iſt bekannt, daß ſie ſich zwiſchen Genf und Lion auf 1 / 8 Meile weit verliert; genauere Unterſuchungen haben gelehrt, daß ſie von herabgefallenem Schutt der Gebirge verborgen wird. Eben dieſe Bewandniß mag es wohl mit der Guadiana in Spanien, und mit einigen Fluͤſſen in der Normandie und Lothringen haben. Andere, z. B. ein Arm des Rheins in Holland, und viele in Afrika, verlieren ſich im Sande. Einige kleine Baͤche fallen wirklich in Spalten oder Hoͤhlen,319 und kommen an deren Ende in Geſtalt der Quellen wieder hervor.

Die Theorie des Laufs der Fluͤſſe iſt weitlaͤuftig und noch manchen Schwierigkeiten unterworfen, ſ. Hydrodynamik. Ihre Geſchwindigkeit richtet ſich nicht immer nach der Abhaͤngigkeit des Grundes. Die Donau iſt weniger abhaͤngig, als der Rhe < * > und der Po, und doch geſchwinder; die Loire hat nach Picard dreymal mehr Fall, als die doppelt ſo geſchwinde Seine. Auch iſt die Geſchwindigkeit eines Fluſſes an verſchiedenen Stellen ungleich, theils wegen des verſchiedenen Falles, theils wegen der Verengerung oder Erweiterung des Bettes. Ueberdies koͤmmt es hiebey auf die Tiefe des Waſſers und auf den Widerſtand bey den Kruͤmmungen, Inſeln rc. an. Die geſchwindeſten Fluͤſſe ſind der Tiger, der Indus, die Donau. Wenn ein ſchneller Strom ins Meer ausfließt, oder in eine See geht, ſo behaͤlt er ſeine Geſchwindigkeit noch eine Zeit lang, ſo daß man ſeine Fahrt auf eine ziemliche Weite von dem ſtillſtehenden Waſſer unterſcheiden kan, ob es gleich ein Irrthum iſt, daß der Rhein durch den Bodenſee und die Rhone durch den Genferſee ganz durchgehen, ohne ſich mit dem Waſſer derſelben zu vermiſchen.

In der Mitte, wo die Geſchwindigkeit am groͤßten iſt, ſieht das Waſſer eines Fluſſes bisweilen auf 3 Fuß hoͤher, als an den Ufern; bey dem Ausfluſſe aber iſt die Oberflaͤche in der Mitte hohl, weil das Meerwaſſer an den Seiten am ſtaͤrkſten aufſteigt. Durch dieſe Gegenwirkung ſowohl, als durch Kruͤmmungen, Inſeln, Bruͤcken u. dgl. koͤnnen Wirbel entſtehen; bisweilen werden ſogar die Fluͤſſe durch das Aufſchwellen anderer hineinfallenden, durch das Zuruͤcktreten des Meeres, durch Winde und Eisbruͤche in ihrem Laufe aufgehalten oder zuruͤckgetrieben.

Die Oberflaͤche der Fluͤſſe ſteigt und faͤllt, je nachdem die Zufluͤſſe zu - oder abnehmen. Bey verſtaͤrktem Zufluſſe waͤchſt zuerſt die Geſchwindigkeit in der Tiefe, daher bisweilen der Zufluß abgefuͤhrt wird, ohne daß die Oberflaͤche ſteigt. Nimmt das Waſſer noch mehr zu, ſo wird auch auf der Oberflaͤche die Geſchwindigkeit groͤßer, bis eine Ueberſchwemmung320 erfolgt, wodurch ſie betraͤchtlich vermindert, und das uͤbergetretene Waſſer nur ſehr langſam abgefuͤhrt wird. Fluͤſſe mit hohen Ufern gehen oft viel hoͤher, als die umliegenden Wieſen und Felder.

Unter den Ueberſchwemmungen, welche jaͤhrlich zu gewiſſen Jahrszeiten erfolgen, iſt die des Nils die beruͤhm - < * > eſte. In Aethiopien, wo es vom April bis September regnet, tritt ſie ſchon zu Ende des May, in Egypten aber erſt im Iunius ein, ſteigt 46 Tage und faͤllt eben ſo lange. Der Nordwind thut dabey ſehr viel; er treibt die Wolken gegen die Gebirge im innern Afrika, und verhindert den Ausſluß des Nils; erhebt ſich ein Suͤowind, ſo faͤllt die Fluth in einem Tage ſo viel, als ſie in vieren geſtiegen iſt. Da das Land von dem abgeſetzten Schlamme immer hoͤher wird, ſo muß das Waſſer jetzt weit hoͤher, als vor Alters, ſteigen, ehe die Ueberſchwemmung erfolgt. Seine Hoͤhe wird durch die ſogenannten Nilmeſſer beſtimmt, dergleichen nach dem Diodor ſchon die aͤlteſten egyptiſchen Koͤnige zu Memphis errichten ließen. Der jetzige Nilmeſſer ſteht Alt-Cairo gegen uͤber am ſuͤdlichen Ende der Inſel Rodda. Er iſt eine mehr als 50 Fuß hohe Saͤule, in drey Haupttheile, jeden von 8 conſtantinopolitaniſchen Ellen, getheilt, und in ein Viereck eingeſchloſſen, welches auf einem Gewoͤlbe ruht, unter welchem der Fluß durchgeht. Jetzt muß das Waſſer 50 Fuß hoch ſteigen, ehe es das Land uͤberſchwemmt, da es hingegen in alten Zeiten nur 16 Fuß, und im erſten Jahrhundert n. C. G. nur 32 Fuß zu ſteigen brauchte, wenn anders die von Herodot und Plintus (Hiſt. nat. V. 9. XXXVI. 7.) angegebnen Maaße zuverlaͤſſig ſind.

Der Abhang des Bodens der Fluͤſſe ſenkt ſich gemeiniglich ſehr langſam; bisweilen aber bricht er auch mit einemmale jaͤhe ab, wodurch die Waſſerfaͤlle entſtehen. Bey dieſen zertrennt ſich das Waſſer ſo fein, daß man faſt einen beſtaͤndigen Nebel ſiehet, worinn ſich, wenn die Sonne ſcheint, ein Regenbogen zeigt. In Deutſchland ſind vornehmlich die Rheinfaͤlle bey Schafhauſen und Laufenburg merkwuͤrdig, wovon der erſte 80 Fuß Hoͤhe hat. In321 Amerika giebt es weit groͤßere; der des Niagara iſt 170 Fuß hoch; der des Bogocas bey St. Magdalena (Bouguer Voyage au Perou, p. 91.) 2 300 Toiſen.

Die Menge des Waſſers, welche die Fluͤſſe ins Meer ſuͤhren, iſt erſtaunlich groß. Die Wolga ſoll in einer Stunde uͤber 1000, der Jordan faſt 9, der Po 421, die Seine 16, die Themſe 30 1 / 2 Millionen Cubikfuß Waſſer geben. Buffon (Hiſtoire naturelle generale et part. Vol. I. p. 356.) findet nach einem von Keill gemachten Ueberſchlage, daß alle Fluͤſſe der Erde das Meer, wenn es trocken waͤre, in 812 Jahren ausfuͤllen wuͤrden. Aber die Gruͤnde ſolcher Beſtimmungen ſind ſo unſicher, daß das Reſultat davon nicht anders, als unzuverlaͤßig, ſeyn kan.

Torb. Bergmann phyſikaliſche Beſchreibung der Erdkugel durch Roͤhl, 2te Aufl. Greifswald, 1780. gr. 8. Erſter Band, S. 316. u. f.

Fluͤßig, Fluidum, Fluide.

Fluͤßig heißt ein Koͤrper, wenn ſeine Theile ſo wenig Zuſammenhang haben, daß ſie der Trennung nur geringen, kaum merklichen Widerſtand thun, dennoch aber genug Anziehung gegen einander aͤußern, um den Sinnen einen einzigen ohne Unterbrechung zuſammenhaͤngenden Koͤrper darzuſtellen. Ihnen werden die feſten Koͤrper (ſolida) entgegengeſetzt, ſ. Feſt. Die Fluͤßigkeit iſt ein mittlerer Zuſtand zwiſchen der Feſtigkeit und der gaͤnzlichen Zertrennung der Theile. Im Zuſtande der Feſtigkeit haͤngen die Theile ſtark und bleibend, bey der Fluͤßigkeit nur wenig, bey der Zertrennung gar nicht mehr zuſammen. Ein Beyſpiel giebt feſtes, geſchmolzenes, und zu Pulver geſtoßenes Glas. Wir muͤſſen aber die Unterſchiede der fluͤßigen und feſten Koͤrper noch genauer beſtimmen.

1. Die Theile des fluͤßigen Koͤrpers laſſen ſich faſt ohne merklichen Widerſtand trennen, und ſondern ſich oft von ſelbſt blos durch ihr Gewicht ab. Man kan z. B. mit der Hand, wo man will, durchs Waſſer fahren, und ein Tropfen trennt ſich von der uͤbrigen Maſſe ganz allein durch ſeine Schwere. Daher kan man einen Theil einer fluͤßigen322 Materie bewegen, ohne das Ganze mit zu bewegen. Dies heißt refpective Beweglichkeit der Theile (mobilitas partium reſpectiva) und iſt ein Hauptkennzeichen der Fluͤſſigkeit.

2. Die fluͤßigen Koͤrper nehmen die Geſtalt der Gefaͤße an, in die ſie eingeſchloſſen werden, und laſſen keinen Raum darinn leer, in den ihnen ein Weg offen ſteht (conformatio ad figuram vaſis). Dies iſt eine natuͤrliche Folge der reſpectiven Beweglichkeit ihrer Theile, die ihnen erlaubt, den Geſetzen der Schwere oder Elaſticitaͤt einzeln und ohne Beytritt des Ganzen zu folgen.

3. Ihre gleichartigen Theile ſind ſo zart, daß ſie einzeln genommen nicht in die Sinne fallen, daher die Oberflaͤche voͤllig zuſammenhaͤngend erſcheint, ohne daß man, wie bey den feſten Koͤrpern, etwas von ihrer Structur daran wahrnimmt.

4. Ihre Theile haͤngen ſich von ſelbſt in Tropfen an einander, weil der Zuſammenhang zwar gering iſt, aber doch, beſonders in den kleinern Theilen, etwas betraͤgt. Dieſe Tropfen nehmen, weil die Anziehung auf allen Seiten gleich ſtark iſt, eine Kugelgeſtalt an, und zween derſelben fließen, wenn man ſie an einander bringt, in einen zuſammen. Es iſt aber hiebey zu bemerken, daß dies nur bey denjenigen fluͤßigen Materien wirklich ſtatt findet, deren Elaſticitaͤt unmerklich iſt, wie beym Waſſer, Weingeiſt, Oelen, geſchmolzenen Metallen u. ſ. w., welche daher auch tropfbare Fluͤßigkeiten (liquida, liquides) genannt werden. Die ſtaͤrker elaſtiſchen werden natuͤrlicher Weiſe eben durch ihre Elaſticitaͤt dieſer Eigenſchaft beraubt, und heiſſen elaſtiſche Fluͤßigkeiten, dergleichen die Daͤmpfe und Gasarten ſind. Ohne Zweifel wuͤrden ſie auch tropfbar ſeyn, wenn ſie ſich nicht ſtets nach allen Seiten auszubreiten ſtrebten.

5. Die tropfbaren Fluͤßigkeiten nehmen, wenn ſie in Ruhe ſind, eine voͤllig ebne und wagrechte Oberflaͤche an, mit der das Bleyloth oder die Richtung der Schwere uͤberall rechte Winkel macht. Dies iſt eine Folge des geringen Zuſammenhangs und der Feinheit der Theile, welche ſich auf jeder323 ſchiefen Ebne von ſelbſt losreiſſen und herabfließen, daher das Ganze nicht eher in Ruhe koͤmmt, als bis ſeine Oberflaͤche eine voͤllig wagrechte Ebne iſt. Daß bey den elaſtiſchen Fluͤßigkeiten dieſes nicht ſtatt finde, faͤllt von ſelbſt in die Augen.

Descartes ſucht das Weſen der fluͤßigen Koͤrper in einer beſtaͤndigen innern Bewegung ihrer Theile; dagegen ſieht er den Zuſammenhang der feſten Koͤrper als eine Folge der Ruhe ihrer Theile an; Boerhaave aber hat weit richtiger das Feuer fuͤr die Urſache aller Fluͤßigkeit gehalten.

Unzaͤhlbare Beyſpiele belehren uns, daß Feſtigkeit und Fluͤßigkeit keine weſentlichen Eigenſchaften, ſondern bloße Zuſtaͤnde der Koͤrper ſind. Sehr viele feſte Koͤrper werden durch die Wirkung des Feuers geſchmolzen, oder in fluͤſſige verwandelt; ſehr viele fluͤßige hingegen bringt die Entziehung der Waͤrme zum Gefrieren, d. i. in den feſten Zuſtand. Man hat alſo Gruͤnde genug anzunehmen, daß die meiſten Koͤrper weſentlich weder feſt noch fluͤßig ſind, daß ſie vielmehr nur durch den Ueberfluß der Waͤrme in den fluͤßigen Zuſtand verſetzt werden, und daß alſo das Feuer die Urſache ihrer Fluͤßigkeit iſt. Vielleicht bewirkt es die Fluͤßigkeit durch das Dazwiſchentreten ſeiner Theile zwiſchen die Theile der Koͤrper, wodurch der Zuſammenhang der letztern geſchwaͤcht wird.

Daß das Feuer nicht alle feſte Koͤrper fluͤßig macht, koͤmmt wohl nur daher, weil es viele derſelben eher zerſetzt, als ſchmelzt.

Man unterſcheidet Grade der Fluͤßigkeit. Ein Koͤrper iſt fluͤßiger, wenn ſich ſeine Theile leichter trennen, und beym Ausgießen mehr und kleinere Tropfen bilden. Ein ſtaͤrkerer Grad des Feuers bewirkt unter gleichen Umſtaͤnden auch einen hoͤhern Grad der Fluͤßigkeit

Koͤrper, welche ſich ſchon im fluͤßigen Zuſtande befinden, koͤnnen wieder andere feſte Koͤrper durch die Aufloͤſung in eben dieſen Zuſtand verſetzen. Es giebt Subſtanzen, welche nicht unmittelbar durchs Feuer, wohl aber durch andere Fluͤßigkeiten fluͤßig werden. So werden die Gummiarten vom Feuer eher zerſtoͤrt, als geſchmolzen, ob ſie ſich324 gleich im Waſſer aufloͤſen; Salze, Metalle, Harze u. ſ. w. ſchmelzen am Feuer, und werden auch durch Fluͤßigkeiten aufgeloͤſet. Man unterſcheidet beyde Arten des Fluͤßigwerdens durch die Namen: Schmelzung und Aufloͤſung.

Die mechaniſchen ſowohl als chymiſchen Erſcheinungen, welche ſich an den fluͤßigen Koͤrpern zeigen, ſind von den Phaͤnomenen der feſten Koͤrper gaͤnzlich verſchieden (man ſ. z. B. den Art. Druck), ſo wie ſich wiederum die Erſcheinungen der tropfbaren und der elaſtiſchen Fluͤßigkeiten weſentlich unterſcheiden. Darauf gruͤndet ſich die Eintheilung der Wiſſenſchaften, welche die Kraͤfte und Bewegungen der Koͤrper unterſuchen, wobey man Statik, Mechanik, Dynamik von Hydroſtatik, Hydraulik und Hydrodynamik, ingleichen von Aeroſtatik, Pnevmatik und Aerodynamik unterſcheidet. Die Chymie bewirkt faſt alle Zerlegungen und Verbindungen der Koͤrper durch Verſetzungen derſelben in den fluͤßigen Zuſtand.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Fluͤßigkeit.

Fluͤßigkeit, Fluiditas, Fluidité.

Der Zuſtand des fluͤßigen Koͤrpers, ſ. den vorigen Artikel.

Sehr oft wird auch unter dem Worte: Fluͤßigkeit der fluͤßige Koͤrper ſelbſt, das Fluidum, verſtanden. So ſagt man: elaſtiſche Fluͤßigkeiten, tropfbare Fluͤßigkeiten.

Fluß, Fluxus, Flux.

Dieſes Wort bedeutet bisweilen ſoviel als Schmelzung. Ein Erz iſt in ſehr duͤnnem Fluße, heißt eben ſoviel, als: es iſt vollkommen geſchmolzen.

Man belegt aber auch mit dem Namen der Fluͤſſe die ſalzigen Beymiſchungen, durch welche die Schmelzung ſtrengfluͤßiger Erze befoͤrdert wird. Die fixen Laugenſalze, der Salpeter, Borax, Weinſtein und das gemeine Salz ſind die gewoͤhnlichſten. Sollen dergleichen Fluͤße zu Reducirung der Metalle dienen, ſo muͤßen ſie zugleich viel Brennbares enthalten; daher kan man nach Gellerts Vorſchlage acht Theile gepuͤlvertes Glas, einen Theil calcinirten Borax und einen halben Theil Kohlenſtaub mit Vortheil gebrauchen. 325

Die Vermiſchungen von Salpeter und Weinſtein heiſſen insbeſondere, wenn man ſie nicht hat verpuffen laſſen, roher Fluß, die verpufte von 2 Theilen Weinſtein und 1 Theil Salpeter ſchwarzer Fluß oder Reducirfluß, die ebenfalls verpufte von gleichen Theilen Salpeter und Weingeiſt weißet Fluß. Dieſe werden zum Probiren und andern Arbeiten im Kleinen gebraucht.

Macquer chym. Woͤrterb. durch Lconhardi, Art. Fluß.

Flußſpathſaͤure, Spathſaͤure, Acidum fluoris mineralis, Acide ſpathique.

Diejenige beſondere mineraliſche Saͤure, welche aus der Deſtillation des Flußſpaths mit andern Saͤuren erhalten wird. Durch eine von Marggraf (Mem. de l' Acad. de Berlin 1768.) vorgenommene Deſtillation des Flußſpaths ward Scheele (Schwed. Abhandl. auf d. I. 1771 und in Crells Chymiſchem Journal, Th. II. S. 102. u. f.) zur Entdeckung und weitern Unterſuchung dieſer Saͤure veranlaſſet.

Sie giebt mit den Laugenſalzen gallertartige Aufloͤſungen, und insbeſondere mit dem fluͤchtigen eine, aus der man in glaͤſernen Gefaͤßen eine wahre Kieſelerde, und aus dem Anſchießen der druͤber ſtehenden Feuchtigkeit den Flußſpathſalmiak erhaͤlt. Die Kalkerde loͤſt ſich in der Flußſpathſaͤure vollkommen auf; die Aufloͤſung erhaͤlt nach der Saͤttigung ein gallertartiges Anſehen und ſetzt einen wirklichen reducirten Flußſpath ab. Mit der Bitterſalzerde verbindet ſie ſich innig, und erzeugt ein in Waſſer und allen Saͤuren unaufloͤsliches Salz von einer eignen Kryſtalliſation, das Flußſpathbitterſalz.

Die merkwuͤrdigſte Eigenſchaft dieſer Saͤure aber iſt, daß ſie die ſonſt in Saͤuren ganz unaufloͤsliche Kieſelerde aufloͤſet, und daher auch bey den Deſtillationen das Glas angreift. Dies iſt anjetzt außer Zweifel geſetzt, daher auch die Eigenthuͤmlichkeit der Flußſpathſaͤure nicht weiter beſtritten werden kan, obgleich Prieſtley und Monner ſie ſonſt fuͤr eine modificirte Vitriolſaͤure, Boulanger und Abigaard fuͤr eine Kochſalzſaͤure, Sage und Boſc d' Antic fuͤr eine Phoſphorusſaͤure halten wollten. Die Kieſelerde326 verwandelt aber dieſe Saͤure in kein Mittelſalz. Das Waſſer vermindert ihre Anziehung gegen die Kieſelerde; daher ſetzt ſie bey der Deſtillation das aufgeloͤſte Glas der Gefaͤße, ſobald ſie das Waſſer der Vorlage beruͤhrt, in Geſtalt einer erdichten Rinde ab, deren wahren Urſprung Herr Wiegleb (Crells neuſte Entdeckungen, Theil I. S. 3.) zuerſt entdeckt hat. Am ſtaͤrkſten loͤſet ſie die Kieſelerde in der Dampf - und Luftgeſtalt auf, ſ. Gas, flußſpathſaures. Aus der Aufloͤſung der Kieſelerde in waͤßrichter Flußſpathſaͤure ſahe Bergmann (Opuſc. chem. argum. Voll. II. p. 33.) nach zwey Jahren wahre Bergkryſtallen entſtehen.

Sie wirkt auch auf einige Metalle und Halbmetalle, als Silber, Bley, Eiſen, Kupfer, Queckſilber, Wismuth, Zink, und die Kalke des Zinns, Kobalts und Nickels, und giebt damit Mittelſalze, welche die Namen des Silberflußſpathſalzes u. ſ. w. fuͤhren.

Leonhardi in Macquers chym. Woͤrterb. Art. Spathſaͤure.

Gren ſyſtematiſches Handbuch der Chemie, Halle 1787. gr. 8. §. 998. u. f.

Flußſpathſaure Luft, ſ. Gas, flußſpathſaures.

Fluth, ſ. Ebbe und Fluth.

Folge der Zeichen, Ordo ſignorum caeleſtium, Conſecutio ſignorum, Ordre des ſignes.

Wenn man von den wirklichen Bewegungen der Himmelskoͤrper redet, und die Richtung derſelben angeben will, ſo kan man die Ausdruͤcke: von Abend gegen Morgen, von der Rechten zur Linken rc. nicht allemal ohne Zweydeutigkeit gebrauchen. Man waͤhlt daher lieber die Ekliptik zum Wegweiſer, und nennt die Richtung, nach welcher die zwoͤlf himmliſchen Zeichen: Widder, Stier, Zwillinge rc. ſ. Ekliptik, auf einander folgen, die Folge der Zeichen, und ſagt von einem Geſtirn, deſſen Bewegung aus dem Widder in den Stier rc. gehet, es bewege ſich nach der Folge und Ordnung der Zeichen (in conſequentia, ſelon l' ordre des ſignes), ſo wie man von der entgegengeſetzten Bewegung327 aus dem Widder in die Fiſche rc. ſagt, ſie erfolge der Ordnung der Zeichen entgegen (in antecedentia ſ. praecedentia, contre l' ordre des ſignes. Wenn ein Geſtirn der Ordnung der Zeichen zu folgen ſcheint, ſo heißt ſeine Bewegung rechtlaͤufig (directus, directe), im entgegengeſetzten Falle ruͤcklaͤufig (retrogradus, retrograde).

Taf. IX. Fig. 34. laufe ein Himmelskoͤrper im Kreiſe um S nach der Richtung ABCDE, welche zugleich die Folge der Zeichen ſey. Ueber der Ebne des Papiers liege der Nordpol, unter ihr der Suͤdpol. Man ſtelle ſich nun einen Zuſchauer vor, der, wie wir, ſein Haupt ſtets gegen den Nordpol, oder der Figur nach, oberwaͤrts kehret. Dieſer Zuſchauer ſtehe, wo er wolle, ſo iſt er doch innerhalb der Grenzen des unendlich entfernten Fixſternhimmels, von welchem ab, de Theile vorſtellen moͤgen. Er mag ſich alſo nach ab oder nach de kehren, ſo geht ihm die Folge der Zeichen ab und de immer von der Rechten zur Linken. In unſern Laͤndern alſo werden rechtlaͤufige Bewegungen dem, der ſie betrachtet, von der Rechten zur Linken gehen. In den Suͤdlaͤndern hingegen geht die Folge der Zeichen von der Linken zur Rechten, wie man ſogleich uͤberſieht, wenn man in der Figur den Zuſchauer auf den Kopf ſtellt.

Nun koͤmmt es aber auch noch darauf an, ob der Zuſchauer, der die Bewegung im Kreiſe ABCDE betrachtet, innerhalb oder außerhalb dieſes Kreiſes ſteht. Steht er innerhalb, ſo wird ihm, (wofern er nur ſeinen Ort nicht aͤndert) die Bewegung uͤberall nach der Folge der Zeichen erſcheinen. Der Koͤrper, der durch AB geht, wird ihm von a nach b, und wenn er durch DE geht, von d nach e zu laufen ſcheinen. Steht er aber auſſerhalb, wie in T, ſo wird ihm zwar die Bewegung durch AB nach der Folge der Zeichen, oder bey uns von der Rechten zur Linken, die durch DE aber von der Linken zur Rechten, oder gegen die Folge der Zeichen erſcheinen. In den Suͤdlaͤndern findet eben das ſtatt, nur mit Verwechſelung der rechten und linken Seite. Die ſcheinbare Bewegung iſt alſo fuͤr dieſen328 Fall in der gegen den Zuſchauer gekehrten Haͤlfte der Bahn CDE ruͤcklaͤufig, ob gleich die wahre Bewegung eben ſowohl als bey AB der Ordnung der Zeichen folgt.

Weil wir in den Nordlaͤndern Sonne, Mond und alle Planeten und Nebenplaneten, ſo wie die himmliſchen Zeichen ſelbſt, ſtets gegen Mittag ſehen, ſo haben wir bey Betrachtung derſelben den Abend zur Rechten, den Morgen zur Linken. Alſo geht uns die Folge der Zeichen auch von Abend gegen Morgen. Auch den Bewohnern der Suͤdlaͤnder geht ſie auf dieſe Art; ſie ſehen nemlich die Ekliptik, Sonne rc. gegen Norden, und haben dabey den Abend zur Linken rc.

Diejenigen Himmaͤlskoͤrper alſo, deren Bahnen uns umſchließen, ſcheinen uns, wenn ſie nach der Ordnung der Zeichen gehen, ſtets von Abend gegen Morgen fortzuruͤkken (wofern wir ſelbſt unſern Ort nicht aͤndern). Fuͤr dieſe iſt alſo bey uns jeder dieſer Ausdruͤcke: nach der Zeichenfolge, von der Rechten zur Linken, von Abend gegen Morgen, gleichgeltend, wie beym Mond, Mars, Iupiter, Saturn, Uranus.

Die aber, deren Bahn wir von außen her betrachten, ſcheinen uns, wenn ſie der Ordnung der Zeichen folgen, nur in der entferntern Haͤlfte ihrer Bahn von Abend gegen Morgen, in der uns zugekehrten Haͤlfte aber von Morgen gegen Abend zu gehen. Hier ſind alſo jene Ausdruͤcke nicht mehr gleichgeltend. Dies iſt der Fall beym Merkur, der Venus, beym Umlaufe der Iupiters - und Saturnsmonden um ihre Hauptplaneten, und bey den Bewegungen der Sonnen - und Planetenflecken.

Die Sonnenflecken z. B. gehen ſtets von Morgen gegen Abend durch die Sonnenſcheibe. Man ſchließt aber dennoch daraus ſehr richtig, daß ſich die Sonne nach der Folge der Zeichen um ihre Axe drehe, eben darum, weil wir dieſe Flecken nie anders, als in der uns zugekehrten Haͤlfte ihres Umdrehungskreiſes ſehen, in welcher ſich eine rechtlaͤufige Bewegung jederzeit ruͤcklaͤufig darſtellt.

Alle Planeten laufen um die Sonne, auch alle Nebenplaneten um ihre Hauptplaneten, nach der Folge der329 Zeichen, und nach eben der Richtung drehen ſich auch alle Weltkoͤrper, von denen es bekannt iſt, um ihre Axen. Das heißt ſoviel, als: Alle Kreislaͤufe im Sonnenſyſtem ſind ſo gerichtet, daß ſie einem Zuſchauer, der innerhalb des Kreiſes ſteht, und das Haupt gegen die noͤrdlichen Fixſterne kehrt, von der Rechten zur Linken gehen.

Fontaine, ſ. Springbrunnen.

Foſſilien, Foſſilia, Foſſiles.

Dieſen Namen fuͤhren im weitlaͤuftigſten Verſtande alle aus der Erde gegrabne natuͤrliche Koͤrper, zu welchem der drey Naturreiche ſie auch gehoͤren moͤgen. So rechnet man das gegrabne Elfenbein (ebur foſſile), die unter der Erde gefundenen Thierknochen, Conchylien, das gegrabne Holz u. dgl. zu den Foſſilien.

Im eingeſchraͤnktern Verſtande bezeichnet dies Wort die unorganiſchen Koͤrper des Mineralreichs, ſ. Mineralien.

Friction, ſ. Reiben.

Frictionsmaſchine, ſ. Reiben.

Froſt, Frigus glaciale, Gelu, Gelée.

Derjenige Zuſtand des Luftkreiſes, bey welchem das Waſſer und andere gewoͤhnlich fluͤßige Koͤrper in den Zuſtand der Feſtigkeit uͤbergegangen oder gefroren ſind, ſ. Gefrierung.

Wenn an irgend einem Orte der Erde die freye Luft ſo ſtark erkaͤltet wird, daß ſie dem Waſſer Waͤrme oder Feuer genug entziehet, um ihm dadurch ſeine Fluͤßigkeit zu rauben und es in Eis zu verwandeln, ſo ſagt man, es friere, es trete ein Froſt ein. Der hiezu erforderliche Grad der Temperatur iſt, ſoviel man bis jetzt weiß, jederzeit und an allen Orten einerley, ſ. Thermometer, und beſtimmt den Anfang des Froſtes.

Bey zunehmender Kaͤlte wird auch der Froſt ſtaͤrker; es gefrieren Liquoren, die bey der Temperatur des Eispunkts noch fluͤßig blieben, der Froſt dringt durch die Mauern der Gebaͤude, ſelbſt ſchnelle Stroͤme gefrieren auf der Oberflaͤche entweder zum Theil oder ganz bis auf eine330 gewiſſe Tiefe, je nachdem die Kaͤlte heftiger und anhaltender iſt.

Froͤſte bey heiterm Himmel heißen helle Froͤſte (belles gelées). Bey ſtarken Froͤſten ſcheint die Sonne etwas blaͤſſer, und die Luft iſt nicht ſo heiter, als an gewiſſen Wintertagen, deren Kaͤlte maͤßiger iſt. Theils duͤnſtet bey ſtarker Kaͤlte das Eis betraͤchtlich aus, ſ. Eis, theils werden die Duͤnſte auch in einer maͤßigen Hoͤhe ſchon genug verdichtet, um die Durchſichtigkeit der Luft zu hindern. Eben darum ſind die hellen Froͤſte in der Nachbarſchaft von Seen und großen Fluͤſſen ſelten, weil die Kaͤlte daſelbſt insgemein mit Nebeln begleitet iſt.

Starke Winde hindern die Entſtehung des Eiſes, theils weil ſie das Waſſer in Bewegung ſetzen, theils auch, weil ſie allezeit die Kaͤlte ein wenig vermindern. Obgleich der Nordwind gewoͤhnlich Froͤſte bringt, ſo ſind ſie doch, wenn er heftig iſt, bey weitem nicht die ſtaͤrkſten. Ein ſchwacher trockner Wind iſt dem Gefrieren am vortheilhafteſten.

Nie iſt ein ſtarker Froſt fuͤr Pflanzen und Baͤume verderblicher, als wenn er ploͤtzlich auf Thauwetter, oder langen Regen folgt. Unter dieſen Umſtaͤnden haben die Theile der Pflanzen viel Waſſer eingeſogen, das nun in ihren kleinen Roͤhrchen gefriert, die Fibern und den ganzen organiſchen Bau, ſelbſt des haͤrteſten Holzes, zerreißt, und oft die ſtaͤrkſten Baͤume mit einem heftigen Knalle zerſprengt. So erfroren im ſtrengen Winter des Jahres 1709 faſt alle Oel - und Fruchtbaͤume in Languedoc und der Provence. Die ſtaͤrkſten und aͤlteſten Baͤume erſtarben am haͤufigſten, weil ihre ſchon zu unbiegſamen Fibern der Ausdehnung des Waſſers beym Gefrieren am wenigſten nachgeben konnten. Dies iſt alſo eine Folge der Ausdehnung beym Gefrieren, wie die Zerſprengung der Gefaͤße, ſ. Eis.

Auch die Fruͤchte erfrieren in ſtarken Wintern. Gewoͤhnlich verlieren ſie dabey ihren Geſchmack, und faulen, ſobald ſie wieder aufthauen. Indem die waͤßrichten Theile, die ſie in ſo großer Menge enthalten, zu Eis werden, und331 ſich ausdehnen, zerreißen ſie die kleinen Gefaͤße und zerſtoͤren die Organiſation.

Selbſt am thieriſchen Koͤrper ereignen ſich in den kalten Laͤndern aͤhnliche Erſcheinungen. Nicht ſelten ſieht man Leute; die durch einen ſtarken Froſt die Naſe oder die Ohren verlohren haben. Sogar in den gemaͤßigtern Klimaten finden ſich Beyſpiele hievon. Das einzige Mittel, ein erfrornes Glied zu erhalten, iſt, daß man es nur ſehr langſam wieder auſthauen laͤßt, daß man es z. B. eine Zeit lang in Schnee ſteckt, ehe es einer mildern Temperatur ausgeſetzt wird. Eben ſo kan man auch erfrorne Fruͤchte erhalten. Ein allzuſchnelles Aufthauen laͤßt den Theilen des erfrornen Koͤrpers nicht Zeit, die Anordnung wieder anzunehmen, aus der ſie das Gefrieren gebracht hat, und die gehoͤrige Organiſation wiederherzuſtehen.

Nolles Leçons de phyſique, To. IV. p. 136. ſqq.

Briſſon Dict. raiſonné de phyſ. art. Gelée.

Froſtpunkt, ſ. Thermometer.

Fruͤhling, Fruͤhjahr, Lenz, Ver, Printems.

Eine der vier Jahrszeiten, welche nach dem Winter und vor dem Sommer faͤllt, von dem Tage anfaͤngt, an welchem die Sonne beym Aufſteigen in den Aequator tritt, und ſich mit dem endiget, an welchem ſie zu Mittag ihren hoͤchſten Stand im Jahre erreichet. Da bey uns die aufſteigenden Zeichen vom Steinbock bis zum Krebſe gehen, und dieſe Haͤlfte der Ekliptik vom Aequator im Anfangspunkte des Widders durchſchnitten wird, ſo beſtimmt der Eintritt der Sonne in den Widder den Anfang, und der in den Krebs das Ende des Fruͤhlings, der alſo bey uns um den 20 Maͤrz mit der Nachtgleiche anfaͤngt, und um den 21 Jun. mit dem laͤngſten Tage aufhoͤrt, ſ. Ekliptik.

In der ſuͤdlichen gemaͤßigten Zone enthaͤlt die andere Haͤlfte der Ekliptik die aufſteigenden Zeichen, daher der Fruͤhling mit der Nachtgleiche um den 23 Sept. anfaͤngt, und mit dem laͤngſten Tage den 21 Dec. aufhoͤrt.

Unter dem Aequator und in der heißen Zone laſſen ſich die Jahrszeiten ſo regelmaͤßig nicht abtheilen, und man332 hat dabey mehr die naſſe und trockne Zeit zu unterſcheiden. Auch bey uns bezieht man im gemeinen Leben die Benennungen der Jahrszeiten mehr auf Temperatur und Witterung, als auf den Stand der Sonne; da nun jene nicht von dieſem allein abhaͤngen, ſo laͤßt ſich der Anfang der Jahrszeiten in dieſem Sinne wegen der mitwirkenden veraͤnderlichen Urſachen nicht genau angeben. So verſteht man unter Fruͤhling die unbeſtimmte Zeit, binnen welcher die Kaͤlte aufhoͤrt, die Temperatur allmaͤhlich milder und waͤrmer wird, und die erſtorbne Natur wieder auflebt.

Fruͤhlingsnachtgleiche

Aequinoctium vernum, Equinoxe du printems. Die Zeit, zu welcher die Sonne im Aufſteigen den Aequator erreicht, an allen Orten der Erde den Tag der Nacht gleich macht, und in unſerer gemaͤßigten Zone den Anfang des Fruͤhlings beſtimmt. Die Sonne ſteht alsdann in einem Punkte des Aequators ſelbſt, beſchreibt den Aequator als ihren Tagkreis, und iſt daher, weil ihn jeder Horizont zu gleichen Theilen ſchneidet, uͤberall 12 Stunden ſichtbar und 12 Stunden unſichtbar. Es geſchieht dies bey ihrem Eintritt in den Widder, welcher jaͤhrlich um den 21 Maͤrz erfolgt.

Fruͤhlingspunkt, Widderpunkt, erſter Punkt des Widders, Anfangspunkt der Ekliptik und des Aequators, Punctum aequinoctii verni, Punctum primum arietis, Equinoxe du printems, Premier point du Bélier.

Derjenige Durchſchnittspunkt des Aequators mit der Ekliptik oder jaͤhrlichen Sonnenbahn, in welchem die Sonne bey ihrem ſcheinbaren jaͤhrlichen Umlaufe um den 21 Maͤrz oder zu Anfange des Fruͤhlings tritt, indem ſie aus der ſuͤdlichen Halbkugel in die noͤrdliche aufſteigt. Ehedem ſtand an dieſer Stelle das Sternbild des Widders, daher man den naͤchſten 30 Graden der Ekliptik, von dieſem Punkte an gegen Morgen gerechnet, den Namen des Widders beylegte. Hieraus erklaͤren ſich die angefuͤhrten Benennungen, welche beybehalten werden, obgleich der Punkt ſelbſt ſchon laͤngſt die Sterne des Widders verlaſſen hat, und anjetzt unter den Sternen der Fiſche ſteht. 333

Dieſer Punkt, der mit

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bezeichnet wird, iſt einer der merkwuͤrdigſten am Himmel. Man hat ihn zum Anfangspunkte der beyden Kreiſe, die ſich in ihm durchſchneiden, angenommen, und zaͤhlt ſowohl die Grade des Aequators, als die Zeichen und Grade der Ekliptik, von ihm aus gegen Morgen zu, ſ. Folge der Zeichen. Alſo iſt fuͤr ihn die Laͤnge und Rectaſcenſion ſowohl als die Breite und Abweichung = 0. Seine jetzige Stelle faͤllt zwiſchen den ſuͤdlichen Fiſch und den Schwanz des Wallfiſches unter Sterne von ſehr geringer Groͤße. Durch ihn und die Weltpole geht der Kolur der Nachtgleichen, ſ. Koluren, durch ihn und die Pole der Ekliptik der erſte Breitenkreis.

Funkeln oder Blinkern der Fixſterne

Scintillatio fixarum, Radians fixarum ſplendor, Scintillation des étoiles fixes. Das lebhafte Zittern, wodurch ſich das Licht der Fixſterne von dem oft ſtaͤrkern, aber doch mattern und ſtillen Lichte der Planeten unterſcheidet.

Wir ſehen die Fixſterne nicht immer gleich ſtark funkeln; niedrig am Himmel blinkern ſie weit ſtaͤrker, als in der Hoͤhe, und bey dunſtiger Luft mehr, als wenn dieſelbe rein iſt. Es iſt alſo bald zu vermuthen, daß das Funkeln der Sterne von der Beſchaffenheit des Luftkreiſes abhaͤnge. Das ſtarke Licht der Fixſterne nemlich muß durch die im Luftkreiſe befindlichen Duͤnſte, welche in beſtaͤndiger Bewegung ſind, hindurchgehen; daher werden die Lichtſtralen durch die Brechungen in eine zitternde Bewegung gebracht, welche uns die Sterne ſelbſt gleichſam als bewegliche Punkte zeigt. Dies haben die Beobachtungen in heiſſen und trocknen Laͤndern, z. B. im wuͤſten Arabien und am perſiſchen Meerbuſen, (Hamburg. Magazin, I B. S. 421.) beſtaͤtigt, wo man bey einem, faſt immer heitern, Himmel die Sterne lebhaft glaͤnzen, aber nicht funkeln ſieht. Hieraus wird auch begreiflich, warum ſie bey feuchter Luft und am Horizonte, wo ihr Licht durch mehr Duͤnſte gehen muß, ſtaͤrker funkeln. 334

Daß die Planeten nicht funkeln, ruͤhrt ohne Zweifel von der mindern Lebhaftigkeit ihres nur von der Sonne entlehnten Lichts, hauptſaͤchlich aber von ihren ſcheinbaren Durchmeſſern oder ihrer ſcheibenaͤhnlichen Geſtalt her, bey der man blos ein Zittern an den Raͤndern wuͤrde bemerken koͤnnen. Wenn daher Iupiter und Venus ihrer Groͤße wegen noch ſo ſtark glaͤnzen, ſo iſt doch dieſer, Glanz vom Blinkern der Fixſterne merklich unterſchieden. An der Sonne bemerkt man bisweilen am Horizonte das erwaͤhnte Zittern der Raͤnder. Gute Fernroͤhre benehmen den Fixſternen das funkelnde Anſehen, obgleich das Licht des Sirius und der Sterne erſter Groͤße noch ſo lebhaft bleibt, daß es auch im Fernrohre noch alle prismatiſche Farben ſpielt.

Vitellio (Opticae theſaurus Riſneri. p. 449.) hat ſchon dieſe Erklaͤrung des Blinkerns, ſo wie D. Hoock (Micrographia, p. 231.). Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. nat. Vol. II. §. 1741.) will zwar einen Theil davon in der Wirkung ihres lebhaften Lichts aufs Auge ſuchen; dann muͤßten ſie aber um das Zenith am ſtaͤrkſten funkeln, weil ihr Licht von daher am ungeſchwaͤchteſten ins Auge koͤmmt. Michell ſucht die Urſache in einer ungleichen Dichte des von den Sternen ausgehenden Lichts; noch andere haben ſie darinn finden wollen, weil unzaͤhlbare in der Luft ſchwebende Staͤubchen die Fixſterne, die nur als Punkte erſcheinen, unaufhoͤrlich verdeckten und wieder erſcheinen ließen. Ein ſolches Staͤubchen muͤßte aber wenigſtens ſo groß, als der Augenſtern ſeyn.

Bode, Anleitung zur Kenntniß des geſtirnten Himmels, Dritte Aufl. Berlin, 1777. gr. 8. S. 589 u. f.

Prieſtley Geſchichte der Optik, S. 14. 131. 372.

Funken, Scintilla, Etincelle.

Ein kleiner brennender oder gluͤhender Koͤrper, der durch irgend eine Kraft von einer groͤßern Maſſe losgeriſſen wird. Bey einem ſtark brennenden Feuer treiben die von der Hitze verurſachten Exploſionen eingeſchloſſener Luft und Daͤmpfe oft kleine losgeriſſene Stuͤcken der brennenden Materie in die Hoͤhe. Sie fliegen in die Luft, wie kleine Aeroſtaten, weil die in ihnen noch eingeſchloßne Luft ſtark erhitzt, alſo bey mehr ſpecifiſcher335 Elaſticitaͤt doch leichter als die atmoſphaͤriſche iſt. Daher das Umherfliegen der Funken bey Feuersbruͤnſten. Aus gleichem Grunde ſpruͤht ein gluͤhendes Eiſen, zumal in dephlogiſtiſirter Luft, haͤufige Funken umher.

Die Funken beym Feuerſchlagen ſind Stuͤckchen Stahl, welche durch den Schlag losgeriſſen, von dem durch das heftige Reiben frey gewordenen Feuer gluͤhend gemacht, oft ſogar mit Theilchen des Steins zuſammengeſchmolzen oder verſchlackt ſind. Man entdeckt ſie durchs Mikroſkop, wenn man Feuer auf ein untergelegtes Papier geſchlagen hat, in der Geſtalt kleiner Kuͤgelchen. Ihrer großen Geſchwindigkeit halber ſcheint ein ſehr merklicher Theil ihres Weges auf einmal zu leuchten, daher ſtellen ſie ſich als leuchtende Faͤden von einiger Laͤnge dar.

Funken, elektriſcher, Scintilla electrica, Etintelle électrique.

Diejenige elektriſche Erſcheinung, da die Elektricitaͤt eines Koͤrpers in einen andern in Geſtalt eines ſchmalen Lichtcylinders uͤbergeht, welcher bey Tage ſichtbar und mit einem kniſternden Laute begleitet iſt, aber im Augenblicke ſeiner Entſtehung ploͤtzlich wieder verſchwindet. Es geſchieht durch den Funken jederzeit eine Mittheilung der Electricitaͤt, ſ. Elektricitaͤt unter dem Abſchnitte: Mittheilung (I. Th. S. 733.).

Der elektriſche Funken zeigt ſich blos zwiſchen ſtumpfgeendeten oder abgerundeten Koͤrpern, am lebhafteſten dann, wenn ſie beyde Leiter und auf entgegengeſetzte Art elektriſirt ſind; obgleich auch ſehr ſtarke Funken entſtehen, wenn nur der eine Koͤrper ſtark elektriſirt, der andere aber im natuͤrlichen Zuſtande oder wohl gar gleichartig mit jenem, aber ſchwach elektriſirt iſt. Bringt man ſolche Koͤrper gegen einander, ſo ſieht man zuerſt zwiſchen ihnen ein unordentlich gebildetes Licht. Naͤhert man ſie aber noch mehr an einander, ſo bricht der Funken aus. Die Weite, in der dieſes zuerſt geſchieht, heißt die Schlagweite: ſie iſt deſto groͤßer, je mehr der elektriſche Zuſtand beyder Koͤrper unterſchieden iſt. Wenn man die Funken aus einem mit einer Elektriſirmaſchine verbundenen erſten Leiter zieht, ſo336 ſind ſie deſto ſtaͤrker, je mehr Oberflaͤche der Leiter hat, und je mehr er in die Laͤnge ausgedehnt iſt; auch erhaͤlt man die ſtaͤrkſten aus dem von der Maſchine abgekehrten Ende des Leiters. Der P. Gordon in Erfurt verſtaͤrkte durch einen 200 Ellen langen dicken Eiſendrath den Funken ſo ſehr, daß er Voͤgel dadurch toͤdtete. Laͤßt man den Funken in den Finger oder irgend einen Theil des Koͤrpers gehen, ſo verurſacht er eine ſchmerzhafte Empfindung, erſchuͤttert auch wohl, wenn er ſehr ſtark iſt, den ganzen Koͤrper. Eben ſo empfindet man den Funken, wenn man ſich ſelbſt iſolirt hat und elektriſiren laͤßt, und dann von einem andern beruͤhrt wird, oder ſelbſt einen Leiter beruͤhrt. Iſt der Funken ſtark genug, ſo kan man dadurch leicht entzuͤndliche Koͤrper, z. B. Weingeiſt, zumal wenn er warm iſt, eine Kerze, die eben vorher gebrannt hat u. dgl. anzuͤnden; am leichteſten brennbare Luft mit atmoſphaͤriſcher oder dephlogiſtiſirter vermiſcht, worauf ſich verſchiedene Werkzeuge gruͤnden, ſ. Lampe, Piſtole, elektriſche.

Die Elektricitaͤt geht bey der Mittheilung durch den Funken wahrſcheinlich als ein kleiner ſphaͤriſcher Koͤrper uͤber, und ſollte wie ein leuchtendes Kuͤgelchen erſcheinen. Ihre Geſchwindigkeit aber iſt ſo groß, daß ihr ganzer Weg auf einmal zu leuchten ſcheint, und alſo die Erſcheinung eines Lichtcylinders darſtellt. Eben dieſe Geſchwindigkeit macht es unmoͤglich, die Richtung des Funkens zu unterſcheiden, von dem man daher nie ſagen kan, aus welchem Koͤrper er komme, und in welchen er gehe. Nach Franklin's Theorie ſoll er freylich aus dem poſitiv elektriſirten Koͤrper kommen, und in den negativ elektriſirten hineingehen. Aber die Erfahrung belehrt uns ganz und gar nicht daruͤber, und die Funken aus negativen Conductorn ſehen voͤllig eben ſo aus, wie die aus poſitiven.

Aus ſehr ſtarken Funken großer Maſchinen ſtroͤmen bisweilen Feuerbuͤſchel nach allen Seiten aus. Sehr oft brechen ſich die Funken, zumal die laͤngern, unter ſpitzigen Winkeln und bilden ein Zikzak, wie man dies auch am Wetterſtrale ſieht. Dies ruͤhrt von den feuchten oder leitenden Theilen her, die in der Luft nahe an ihrem Wege liegen,337 und auf die ſie zugehen, um den Weg zu waͤhlen, wo ſie den wenigſten Widerſtand antreſfen.

Die ſtaͤrkſten Funken unter allen bisherigen von 24 Zoll Laͤnge und der Dicke eines Federkiels, hat die Maſchine im Teyleriſchen Muſeum zu Haarlem gegeben (ſ. dieſes Woͤrterb. Th. I. S. 799.). Sie werden weit laͤnger, wenn man ſie an der Oberflaͤche eines ſchlechten Leiters hingehen laͤſt. Auf dieſe Art gab die gedachte Maſchine Funken von 6 Fuß Laͤnge. Die Laͤnge der Funken zu meſſen, haben Groß (Elektriſche Pauſen, Leipzig, 1776. 8. ), le Roy (Mém. de l' acad. de Paris 1766. p. 541.), und Langenbucher (Beſchreibung einer verbeſſ. Elektriſirmaſchine, Augſp. 1780. 8. S. 46.) eigne Werkzeuge unter dem Namen Funkenmeſſer (Spintherometre) angegeben. Sie beſtehen aus Kugeln, die man laͤngſt einem Maaßſtabe verſchieben, und dadurch ihre Entfernung vom Conductor, der ihnen Funken giebt, abmeſſen kan.

Johann Friedrich Groß hat in der eben angefuͤhrten Schrift zuerſt ein beſonderes Phaͤnomen der elektriſchen Funken angezeigt, das er mit dem Namen der elektriſchen Pauſen belegt. In einiger Entfernung vom elektriſirten Koͤrper hoͤren unter gewiſſen Umſtaͤnden die Funken auf; in einer groͤßern Entfernung kommen ſie wieder. Nairne (Phil. Tr. Vol. LXVIII.) hat nachher eben dies bemerkt, ſ. dieſes Woͤrterbuchs I. Theil, S. 393. Vielleicht iſt es die Wirkung einer zwiſchen beyden Koͤrpern entſtandnen Ladung der Luft.

Die Entſtehung des elektriſchen Funkens wird aus der Theorie der Elektricitaͤt ſehr leicht erklaͤrt. Wenn ein Koͤrper z. B. +E hat, und ein anderer, der weniger +E, oder 0 oder E hat, in ſeinen Wirkungskreis koͤmmt, ſo wird auf der jenem zugekehrten Stelle des letztern die entgegengeſetzte Elektricitaͤt erweckt, d. h. ſein + E wird abgeſtoßen, und ſein E wird frey und gegen dieſe Seite gezogen. Nun entſteht zwiſchen beyden eine ſtarke Anziehung, die leichte Koͤrper ſogar fortreißt. Naͤhert man beyde noch mehr, ſo wird dieſe Anziehung noch ſtaͤrker, bis endlich die zwiſchen beyden E liegende Luftſcheibe duͤnn genug338 iſt, um mit den E durchbrochen zu werden. Alsdann gehen beyde E in ſichtbarer Geſtalt in einander uͤber, ſaͤttigen ſich und bringen beyde Koͤrper ins Gleichgewicht. Nicht-leiter, welche die Elektricitaͤt nur ſchwer verlieren und annehmen, geben nur kleine Funken, oder nur ſtechendes Licht mit Kniſtern, Leiter hingegen veranlaſſen ſtaͤrkere Funken. Was die Abſtumpfung der Enden hiebey thut, findet man im Art. Spitzen.

Die erſten Beobachter des elektriſchen Lichts, Boyle, Otto von Guericke, D. Wall, und Hawksbee ſahen es blos an Nicht-leitern, und bemerkten gleichſam nur einen Schimmer und das Kniſtern davon. D Wall fuͤhlte doch ſchon, daß das Licht des geriebnen Bernſteins den Finger auf eine empfindliche Art, mit einem ploͤtzlichen Stoße, oder mit einem Blaſen, wie ein Wind, treffe. Hawksbee nennt den Schall ein Schnappen (Snapping), und die Wirkung auf den Finger eine Art von Druck (a kind of preſſure). Funken aus einem Leiter ſahe Gray zuerſt, da er ſeine geriebne Glasroͤhre gegen die Oberflaͤche des Waſſers in einem Gefaͤße brachte (Phil. Trans. 1730.). Er erzaͤhlt, es ſey ein feiner Stral aus dem Waſſer hervorgekommen. Die eigentliche Entdeckung des. Funkens aber gehoͤrt dem du Fay, welcher ihn im Jahre 1732 zuerſt aus ſeinem eignen Koͤrper zog (Mém. de Paris 1733.). Er ſowohl, als die, die ihn beruͤhrten, empfanden einen Schmerz, wie von einem Nadelſtiche, oder vom Brennen eines Funkens, der durch die Kleider eben ſo, wie auf die bloße Haut, wirkte, und im Dunkeln ſahe man den Funken ſehr deutlich. Noller, der damals du Fay's Schuͤler war, ſagt (Leçons de phyſ. Vol. VI. p. 408., er werde die Beſtuͤrzung nie vergeſſen, in die der erſte Funke aus dem menſchlichen Koͤrper du Fay und ihn verſetzt habe. Er fand hernach, daß man aus Metallen noch ſtaͤrkere Funken erhielte, wodurch Gray veranlaßt wurde, metallne Conductoren oder erſte Leiter anzubringen, die ihm ſo ſtarke Funken aus Waſſer gaben, daß er die Aehnlichkeit mit dem Blitze im voraus ahndete, (ſ. dieſes Woͤrterb. I. Th. S. 748.). 339

Die deutſchen Naturforſcher, insbeſondere Gordon in Erfurt, verſtaͤrkten die Funken noch mehr, und bemuͤhten ſich, brennbare Stoffe dadurch zu entzuͤnden. D. Ludolf in Berlin und Winkler in Leipzig waren die erſten, denen es im Jahre 1744 gelang, Weingeiſt anzubrennen; Gralath in Danzig entzuͤndete den Dampf einer eben verloſchenen Kerze, und Boſe in Wittenberg den von geſchmolzenem Schießpulver. D. Watſon wiederholte dieſe Verſuche, und fand, daß die Entzuͤndung auch von ſtatten gehe, wenn eine elektriſirte Perſon den Weingeiſt haͤlt, und eine unelektriſirte den Finger daran bringt, d. h. daß negative Funken eben ſowohl als poſitive zuͤnden.

Bald hierauf gab die Entdekung der leidner Flaſche den Naturforſchern ein Mittel, weit ſtaͤrkere Wirkungen hervorzubringen, als der Funken der einfachen Elektricitaͤt zu thun vermoͤgend iſt. Man iſt daher auf die Verſtaͤrkung deſſelben nicht mehr ſo ſehr bedacht geweſen. Der Abt Nollet hat verſchiedene Spielwerke, die man damit machen kan, z. B. im Dunkeln leuchtende Buchſtaben und andere Figuren darzuſtellen, ſehr umſtaͤndlich beſchrieben (Lettres ſur l'electricité, To. II. à Paris 1760. 12mo Lettr. 22. p. 274. ſq.). Die neuern, groͤßern und beſſer eingerichteten Maſchinen haben inzwiſchen einfache Funken verſchafft, deren Wirkungen der verſtaͤrkten Elektricitaͤt nicht viel nachgeben.

Prieſiley Geſchichte der Elektr. durch Kruͤnitz, an mehreren Stellen.

Erxleben Anfangsgr. der Naturl. §. 521 523.

Cavallo Vollſt. Abhandl. der Lehre v. der Clektr. Dritte Aufl. S. 7. 34.

Fuß, Schuh, Pes, Pied.

Der Fuß oder Schuh iſt das zur Meſſung gerader Linien angenommene Maaß, aus deſſen Zuſammenſetzungen und Eintheilungen alle uͤbrigen Laͤngenmaaße entſpringen. Es ſoll eigentlich die Laͤnge des Fußes von einem im vollkommenſten Verhaͤltniſſe gebildeten Manne ſeyn; das Unbeſtimmte hierinn aber macht, daß die Fußmaaße faſt aller Orten von einander abweichen. 340

Dieſe unangenehme Verſchiedenheit wuͤrde ſich vermeiden laſſen, wenn uns die Natur ein allgemeines Laͤngenmaaß gegeben haͤtte, ſo wie ſie uns durch die beſtaͤndig gleiche Dauer des Sterntags oder der Umwaͤlzung der Erde ein allgemeines Zeitmaaß verſchaſſt. Aber in dem ganzen Umfange der Naturreiche findet ſich nichts, was immer und uͤberall mit einer gleichen unveraͤnderlichen Laͤnge hervorgebracht oder beſtimmt wuͤrde; man trifft vielmehr in allen natuͤrlichen Produkten und Beſtimmungen Mannigfaltigkeit und Unterſchiede der Groͤße an.

Nach vielerley fruchtloſen Vorſchlaͤgen, die Weidler (Diſſ. de nova menſura corporum univerſali, Witeb. 1727.) erzaͤhlt, und noch mit einem neuen vermehrt hat, glaubte Huygens (De horolog. oſcill. prop. 25.) in der Laͤnge des Secundenpendels ein allgemeines Maaß gefunden zu haben. Aber die Entdeckung, daß das Secundenpendel nicht uͤberall gleich, ſondern unter dem Aequator kuͤrzer, als bey uns ſey, vernichtete auch dieſe Ausſicht, obgleich die Laͤnge des Secundenpendels fuͤr einen beſtimmten Ort, z. B. fuͤr Paris, oder um dem Aequator ſelbft zu gleichfoͤrmigen Beſtimmungen der Maaße nach den Vorſchlaͤgen Bouguers (Figure de la terre, p. 300.) und Condamine's (Voyage de la riviere des Amaz. p. 202.) dienen koͤnnte. Darauf bezieht ſich der Wunſch des Letztern in der Aufſchrift eines Denkmals, das er in Peru wegen ſeiner Verſuche uͤber das Secundenpendel errichten ließ. Es iſt darauf die Laͤnge dieſes Pendels unter dem Aequator in Stein gegraben mit den Worten: Menſurae naturalis exemplar, utinam et univerſalis!

Vom menſchlichen Koͤrper haben ſchon die Alten die Beſtimmungen ihrer Maaße entlehnt, daher ihre digiti, palmae, pedes, cubiti, paſſus, orgyiae (Klaftern) benannt ſind. Wie unrichtig die aͤltern deutſchen Feldmeſſer hiebey zu Werke gegangen ſind, ſieht man aus Jacob Koͤbels Geometrey (Frf. 1584. 4. S. 4.), wo vorgeſchrieben wird, ſechszehn Mann, klein und groß, wie die un gefehrlich nach einander aus der Kirchen gehen, einen je den vor den andern einen Schuh ſtellen zu laſſen; dieſelbi ge341 Lenge werde und ſolle feyn, ein gerecht gemein Meß rute, damit man das Feld meſſen ſol. Von ſo thoͤrichten Beſtimmungsarten moͤgen wohl die großen Unterſchiede zwiſchen den Fußmaaßen, oft bey benachbarten Orten, zum Theil herruͤhren.

In den phyſikaliſchen Angaben koͤmmt am haͤufigſten der pariſer oder koͤnigliche Fuß (pes Pariſinus, pied du Roi) vor, der auch unter den uͤbrigen der groͤßte iſt, und daher am bequemſten dienen kan, um alle andere damit zu vergleichen. Man theilt ihn in 12 Zoll (digitos, pollices, pouces), den Zoll in 12 Linien, die Linie noch in 10 oder 100, mithin den ganzen Fuß in 14400 Theile ein. In ſolchen Theilen laſſen ſich die Laͤngen anderer Fußmaaße angeben, z. B. der rhemlaͤndiſche auch in Daͤnemark eingefuͤhrte Fuß, haͤlt 13913, der leipziger 12529 ſolcher Theile.

Ein Verzeichniß der bekannteſten Fußmaaße mit dem pariſer verglichen, liefert aus den beſten Schriftſtellern Herr Mayer (Gruͤndlicher und ausfuͤhrlicher Unterricht zur praktiſchen Geometrie. Goͤttingen, 1777. III. Th. 8. Erſter Theil, S. 52.), lehrt auch zugleich den Gebrauch deſſelben zur Verwandlung der Maaße in einander ſehrkurz und deutlich. Von den Fußmaaßen der Alten handeln Sncllius (Eratoſthenes Batav. L. II. ), Riccioli (Geograph. reform. L. II. ), Eiſenſchmid (De ponderibus et menſuris. Argent. 1708. 8. ) und Arbuthnot (Tables of ancient Coins, Weights and Meaſures, London 1727. 4.).

Aus dem Fußmaaße entſtehen durch Zuſammenſezzung und Theilung alle andern Laͤngenmaaße. Zween Schuh oder Fuß geben die Elle (cubitum, aune), ſechs Schuh die Klafter, den Faden, das Lachter (hexapoda, orgyiam, ulnam, toiſe, daher ſechs pariſer Schuh die in den phyſikaliſchen Angaben ſo oft vorkommende franzoͤſiſche Toiſe ausmachen), 10, bisweilen auch 12, 15 oder 16 Schuh die Ruthe (decempedam). Eingetheilt wird der Fuß von den Werkleuten in 12, von den Geometern in 10 Zoll, ſo der Zoll in 12 oder 10 Linien. Die ſaͤchfiſchen Feldmeſſer342 nehmen 15 leipziger Schuhe, (Werkſchuhe) auf eine Ruthe, theilen aber dieſe (um von der Decimaleintheilung nicht abzuweichen) in 10 geometriſche Schuhe ein, daher ſich der geometriſche Schuh zum Werkſchuhe wie 15: 10 oder wie 3: 2 verhaͤlt. Dieſen geometriſchen Schuh theilen ſie in 10 Zolle, dagegen die Werkleute den Werkſchuh in 12 Zolle theilen. So verhaͤlt ſich der geometriſche Zoll zum Werkzolle, wie 36: 20 oder wie 9: 5. In der Phyſik giebt man ſo, wie im gemeinen Leben, die Laͤngen nach Werkmaaße an.

Noch groͤßere Laͤngenmaaße ſind die Meilen, von welchen ein beſonderer Artikel handeln wird.

G

Gaͤhrung, Fermentatio, Fermentation.

Eine innere Bewegung, in welche die vegetabiliſchen und thieriſchen Subſtanzen an der Luft bey einer gelinden Waͤrme und Naͤſſe gerathen, und durch welche ihre chymiſchen Beſtandtheile in neue Verbindungen geſetzt werden. Alle Stoffe aus dem Pflanzen - und Thierreiche, welche Oel, feine Erde und Salz enthalten, gerathen von ſelbſt in dieſe Bewegung, wenn ſie mit einer zulaͤnglichen Menge Waſſer einer Waͤrme, welche etwa von einigen Graden uͤber dem Eispunkte bis 25° nach Reaumuͤr gehet, ausgeſetzt, und nicht alles Zutritts der Luft beraubt werden. Die neuen Gemiſche aber, welche die Gaͤhrung hervorbringt, ſind nach den Stoffen und Umſtaͤnden ſehr verſchieden.

Bey allen Gaͤhrungen entwickelt ſich die ſogenannte fixe Luft oder Luftſaͤure, ſ. Gas, mephitiſches. Sobald dieſe hervorzugehen anfaͤngt, wird die fluͤßige Maſſe truͤb, die oͤlichten, erdichten und ſalzigen Theile trennen ſich von den uͤbrigen, und es bilden oder entwickeln ſich neue Gemiſche, die den Geſchmack und Geruch der Maſſe aͤndern. Alle Theile des Koͤrpers ſind dabey thaͤtig; aber die Luftſaͤure, die ſie vielleicht vorher in Verbindung hielt, macht den Anfang, und iſt das vornehmſte innere Huͤlfsmittel des ganzen Vorgangs. 343

Man unterſcheidet drey Arten oder vielmehr Stufen dieſer Veraͤnderung, die Weingahruͤng, Eſſiggaͤhrung und Faͤulniß, oder die geiſtige (ſpirituoſa, vinoſa), ſaure (acetoſa) und faule Gaͤhrung (putredinoſa). Aus der erſten erhaͤlt man einen Wein, und aus dieſem einen entzuͤndlichen mit Waſſer miſchbaren Geiſt, den Weingeiſt; aus der zweyten eine Saͤure, einen Eſſig; die dritte zerſetzt die Koͤrper voͤllig, und giebt ein fluͤchtiges Laugenſalz, ſ. Faͤulniß.

Viele, beſonders vegetabiliſche Subſtanzen, gehen allmaͤhlig durch alle dieſe Stufen, andere neigen ſich gleich vom Anfang zur ſauren Gaͤhrung, noch andere, beſonders die thieriſchen, ſogleich zur Faͤulniß. Eine Subſtanz, welche ſchon durch eine hoͤhere Stufe gegangen iſt, kan nicht wieder zur ni < * > drigen zuruͤckkehren. Diejenigen aber, welche der geiſtigen Gaͤhrung faͤhig ſind, koͤnnen zur Faͤulniß nicht anders, als durch die beyden erſten Stufen kommen. Stahl (Zymotechnia ſundamentalis, Halae, 1697. 8. Stahls allgemeine Grunderkenntniß der Gaͤhrungskunſt. Frf. u. Leipz. 1734. 8. ) hat zuerſt wahrgenommen, daß dieſe drey Veraͤnderungen nicht, wie man vordem glaubte, beſondere Operationen, ſondern Stufen eines und eben deſſelben Ueberganges ſind.

Schon beym Leben der Pflanzen und Thiere gehen beym Keimen und Wachsthum der erſten, und bey den Bereitungen der Saͤfte in den letzern, gaͤhrungsartige, obgleich ſchwache, Bewegungen vor. Nach Endigung des Lebens aber durchlaufen alle dieſer Veraͤnderungen faͤhige Subſtanzen aus dem Pflanzen und Thierreiche die ihnen zukommenden Stufen, daß alſo die Gaͤhrung in ihrem ganzen Umfange genommen nicht anders, als der Uebergang zur Faͤulniß iſt.

Man hemmt und unterdruͤckt die Gaͤhrung durch Kaͤlte, durch Abhaltung der Luft und des Waſſers, und durch Vermiſchung mit Materien, die ſich mit den Beſtandtheilen der Koͤrper vereinigen koͤnnen, und doch der Gaͤhrung unfaͤhig ſind, z. B. mit Weingeiſt, Saͤuren und Mittelſalzen. Kein Traubenfaß gaͤhrt, und kein Fleiſch fault in344 ſtrenger Kaͤlte, unter der Glocke der Luftpumpe, oder bey vollkommner Austrocknung. Der Wein bleibt in ſeinem Zuſtande, wenn man ihn mit Schwefelſaͤure durchziehen laͤßt, und thieriſche Koͤrper werden vor der Verderbniß durch Weingeiſt, Salz, Rauch u. dgl. geſchuͤtzt.

Mineraliſche Subſtanzen ſind der Gaͤhrung unfaͤhig; das Verwittern der Kieſe, wobey ſich neue Salze bilden, und die Veraͤnderung der unvollkommnen Metalle durch Luft und Waſſer, laſſen ſich hieher nicht wohl rechnen; man muͤtzte denn dem Worte Gaͤhrung eine weit ausgebreitetere Bedeutung geben. Sonſt hat man auch ſehr unrichtig die Gaͤhrung mit dem Aufbrauſen verwechſelt, welches doch bey ihr blos ein begleitender Umſtand iſt, ſ. Aufbrauſen.

Die Gaͤhrung wird veranlaſſet oder erregt, wenn man den Koͤrper mit einer ſchon gaͤhrenden, oder dazu hoͤchſt geneigten Subſtanz vermiſchet. Solche Subſtanzen heißen Gaͤhrungsmittel, Fermente (fermenta, ferments). Dergleichen ſind bey der geiſtigen Gaͤhrung die Hefen, bey der Eſſiggaͤhrung die Weinkaͤmme, der Sauerteig und fuͤr die Milch das Laab. Oft ſind auch Honig, Zucker, Farinenzucker und andere ſuͤße Pflanzenſaͤfte, Gefaͤße von Eichenholz, in welchen bereits Materien gegohren haben u. ſ. w. als Fermente anzuſehen. Aehnliche Wirkungen bringen die Anſteckungsgifte im Blute des lebenden Koͤrpers hervor.

Macquers chym. Woͤrterbuch, durch Leonhardi, Art. Gaͤhrung, Gaͤbrungsmittel.

Gallileiſches Fernrohr, ſ. Fernrohr.

Galmey, Calamintſtein, < * > gegrabne Cadmie. Lapis calaminaris, Cadmia nativa ſ. foſſilis, Pierre calaminaire, Calamine, Cadmie foſſile. Ein Mineral von einer gelben ins Roͤthliche fallenden Farbe, welches Zink, Eiſen und bisweilen andere Subſtanzen enthaͤlt, und zur Bereitung des Meſſings gebraucht wird, ſ. Meſſing.

Gang, Erzgang, Vena metallica, Filon, Mire.

Gaͤnge nennt man Spalten der Gebirge, in welchen die345 Metalle, Erze und andere von der Maſſe des Gebirges, oder der Bergart, unterſchiedene Foſſilien enthalten ſind. Um ſich von der gewoͤhnlichen Geſtalt dieſer Gaͤnge richtige Begriffe zu machen, ſtelle man ſich durch das Gebirge oder einen Theil deſſelben zwo parallele Ebnen geſetzt vor, die die uͤber einander liegenden Schichten der Gebirgsmaſſe, die Gebirgslager, durchſchneiden. Wenn man ſich nun den Raum zwiſchen dieſen Ebnen entweder leer oder mit einer andern Maſſe ausgeſuͤllt denkt, ſo hat man im erſten Falle eine Kluft, im zweyten einen Gang. Haben dieſe Ebnen einerley Lage mit den Gebirgslagern ſelbſt, und iſt ihr Raum ebenfalls mit einer andern Materie ausgefuͤllt, ſo heißt er ein Floͤtz. Man ſieht dieſe Ebnen als Grenzen des Ganges an, und ihr Abſtand von einander beſtimmt ſeine Dicke oder Maͤchtigkeit. Bey den Gaͤngen heißen dieſe Grenzen Saalbaͤnder, und zwar die obere das Hangende, die untere das Liegende; bey Floͤtzen wird die obere das Dach, die untere die Sohle genannt.

Die Richtung eines Ganges nach den Weltgegenden, oder der Winkel, welchen die in ſeinen Ebnen gezognen Horizontallinien mit der Mittagslinie machen, heißt ſein Streichen, und wird von den Markſcheidern nicht in Graden, ſondern in Stunden angegeben. Man theilt zu dem Ende den Horizont in 24 Stunden, welche vom Mittagspunkte und Mitternachtspunkte aus zur Rechten bis XII fortgezaͤhlt werden. So fallen die gedachten Punkte ſelbſt in die zwoͤlfte, der Morgen - und Abendpunkt aber in die ſechſte Stunde, und von einem Gange, welcher von Nordoſt nach Suͤdweſt laͤuft, ſagt man, er ſtreiche in der dritten Stunde. Je nachdem dieſe Richtung eine ſolche iſt, nach welcher man in eben dieſem Gebirge bereits viel oder wenig fuͤndige Gaͤnge angetroffen hat, ſagt man, der Gang ſtreiche in einer guten oder ſchlechten Stunde.

Die Neigung des Ganges gegen die Verticalebne heißt ſein Fallen, und wird durch gewoͤhnliche Grade ausgedruͤckt. Die Wiſſenſchaft alles deſſen, was hiebey auf Abmeſſung und Berechnung ankoͤmmt, heißt die Mark -346 ſcheidekunſt (Geometria ſubterranea). Sie iſt von Herrn Lempe, Profeſſorn der Bergakademie zu Freyberg, (Gruͤndliche Anleitung zur Markſcheidekunſt, Leipzig, 1782. gr. 8.) ſehr vollſtaͤndig und gruͤndlich vorgetragen worden.

Die Gaͤnge ſind mit einem von der Bergart verſchiedenen Geſtein, der Gangart, ausgefuͤllt, in welcher die Erze liegen, ſ. Erze. Die keine Erze enthalten, heißen taube Gaͤnge, die uͤbrigen fuͤndige.

Man ſieht die Gaͤnge am wahrſcheinlichſten als Spalten an, welche in den aͤlteſten Gebirgen entweder bey Verhaͤrtung der Maſſe oder durch Erdbeben entſtanden, und nachher durch die Wirkung des Feuers und Waſſers mit den Gangarten und Erzen ausgefuͤllt worden ſind. Wenn zu der damaligen Zeit die Oberflaͤche unter dem Meere ſtand, und alſo das Waſſer die entſtandnen Spalten ſogleich anfuͤllte, ſo iſt der Urſprung der Gangarten, welche mehrentheils kryſtalliniſch ſind, leicht zu begreifen; aber die Entſtehung der Metalle iſt nicht ſo deutlich, und wir muͤſſen uͤber die Art, auf welche die Natur ſelbige hervorgebracht hat, unſere gaͤnzliche Unwiſſenheit geſtehen.

Ganggebirge, ſ. Berge.

Gas, Gasart, Luft, Luftgattung, luftfoͤrmiger Stof permanent elaſtiſches, bleibend elaſtiſches Fluidum, Gas, Aër, Aura, Aeris genus, fluidum aeriforme, fluidum elaſticum, Gas, Air, Eſpece d' air, ſluide aëriforme, fluide d' une élaſticité permanente.

Unter dieſen Benennungen verſtehe ich hier mit Herrn Lichtenberg (Zuſ. zu Erxlebens Anfangsgr. der Naturl. §. 236.) jede voͤllig unſichtbare elaſtiſche fluͤßige Materie, welche durch die Waͤrme betraͤchtlich ausgedehnt, und durch die Kaͤlte zuſammengezogen wird, ohne jedoch durch letztere jemals zu einem feſten, oder zu einem tropfbaren fluͤßigen Koͤrper verdichtet zu werden; die endlich in glaͤſerne Gefaͤße eingeſchloſſen werden kan, ohne in denſelben ihre Eigenſchaften zu veraͤndern. Durch ihre Unſichtbarkeit und ſtarke Elaſticitaͤt unterſcheiden ſich die Gasarten von den tropfbaren Fluͤßigkeiten; durch die Unmoͤglichkeit einer347 Verdichtung mittelſt der Kaͤlte von den Daͤmpfen und Duͤnſten, welche die Kaͤlte in feſter oder tropfbarer Geſtalt niederſchlaͤgt, durch die Moͤglichkeit der Einſperrung endlich von Materien, wie der Feuerſtoff, das Licht, die elektriſche, magnetiſche u. ſ. w., die ſich nicht in Gefaͤße einſchließen laſſen. Nach dieſer Beſtimmung gehoͤrt unſere atmoſphaͤriſche Luft, ſo wie die dephlogiſtiſirte, ebenfalls unter die Gasarten. Ich weiß wohl, daß viele angeſehene Chymiker die reſpirablen Luftarten davon unterſcheiden, und den Namen Gas blos denen Gattungen beylegen, die ſich nicht athmen laſſen; es ſchien mir aber hier vorzuͤglich bequem, nach Macquer's Beyſpiele, die chymiſchen Eigenſchaften aller luftfoͤrmigen Stoffe unter dem Artikel: Gas zuſammen zu ſtellen, ſo wie die Behandlung ihrer mechaniſchen Eigenſchaften bey dem Worte: Luft den ſchicklichſten Platz finden wird.

Der Name Gas, welchen van Helmont zuerſt gebraucht hat, ſoll nach Einigen aus dem Hebraͤiſchen entlehnt ſeyn, und eine Unreinigkeit anzeigen, die ſich aus dem Koͤrper ſcheidet. Andere leiten ihn von Geiſt; Junker aber (Conſp. Chem. Tab. XIV. §. 14.) von dem deutſchen Gaͤſcht her, welches einen Schaum oder Ausbruch der Luft aus einem Koͤrper bedeutet. Dieſe Ableitung iſt wohl die wahrſcheinlichſte; und das Wort laͤßt ſich, weil es keine ihm eigne Bedeutung hat, bequemer als andere, zur Bezeichnung der luftfoͤrmigen Stoffe uͤberhaupt gebrauchen.

Paracelſus belegte die elaſtiſche Materie, welche bey der Gaͤhrung und dem Aufbrauſen aus den Koͤrpern geht, mit dem Namen eines wilden Geiſtes (Spiritus ſilveſtris).

Van Helmont (Complexionum atque mixtionum elementarium figmentum, Num. 14. in Opp. omn. Frf. 1707. 4. p. 102.) unterſchied ſchon verſchiedne Arten dieſer Materien mit den Namen Gas ſilveſtre flammeum, ventoſum, pingue u. ſ. f., und bemerkte mit Recht, daß dieſes Gas, in welches ſich manche Koͤrper gaͤnzlich aufloͤſen laſſen, in ihnen nicht in ſeiner elaſtiſchen Geſtalt, ſondern in einer concreten und coagulirten Form (ſpiritus concretus et corporis more coagulatus) vorhanden ſey. Er348 ſchreibt die ſchaͤdlichen Wirkungen der Hundsgrotte bey Neapel einem Gas zu, und erklaͤrt in einigen ſeiner Abhandlungen durch die Erzeugung der Gasarten viele Erſcheinungen des thieriſchen Koͤrpers auf eine ſolche Art, daß die Menge und Richtigkeit ſeiner Kenntniſſe hievon Bewunderung erregt.

Boyle (Nova exp. phyſico-mechanica de elaſticitate et gravitate aeris, in Opp. Genev. 1680. 4. ) entwickelte durch haͤufige Verſuche mancherley Gasarten, gab denſelben den Namen der gemachten oder kuͤnſtlichen Luft (factious air), entdeckte auch zuerſt, daß die gemeine Luft durch die Verbrennung vermindert, oder wie er es erklaͤrte, ihre Federkraft geſchwaͤcht wuͤrde. Daß die Zinn-und Bleykalke bey ihrer Entſtehung Luft einſaugen, lehrte ſchon 1630 Iean Rey (Eſſais ſur la recherche de la cauſe, pour laquelle l'Eſtain et le Plomb augmentent de poids, quand on les calcine, Bazas. 8.), aus deſſen Schrift Rozier (Journal de phyſique, To. V. p. 47. ſq. ) und Weigel (Beytr. zur Geſchichte der Luftarten, Greifsw. 1784. 8. Erſt. Th. S. 1. u. f.) Auszuͤge geben.

Hales (Vegetable Statiks. Lond. 1727. 8. Statik der Gewaͤchſe, Halle 1747. 8. ) verfolgte dieſe Unterſuchungen noch weiter, erfand eine Geraͤthſchaft zu Behandlung der Luftarten, ſ. Pnevmatiſch-chymiſcher Apparat, und ſuchte beſonders die Quantitaͤten der entbundnen oder derſchluckten luftfoͤrmigen Materien zu beſtimmen. Das ſechſte Capitel ſeiner angefuͤhrten Schrift enthaͤlt den Keim der meiſten neuern Entdeckungen. Herr Lavoiſier (Opuſc. phyſiques et chymiques Paris, 1774. T. I. P. I. Lavoiſier phyſikaliſch - chemiſche Schriften, a. d. Frz. von Weigel, Greifsw. 1783. 8. ) hat aus ihm ſowohl, als aus andern Schriſtſtellern in dieſem Fache vortrefliche Auszuͤge geliefert, wozu Herr Weigel (Beytr. zur Geſch. der Luftarten) noch mehrere hinzufuͤgt.

D. Joſeph Black, (Abhdl. von einſaugenden Erden, und beſonders von der weißen Magneſia, in den neuen Edinburger Bemerk. und Verſ. Th. II. ) machte im Jahre 1756 von dieſen Entdeckungen eine ſehr gluͤckliche Anwendung349 auf die chymiſche Theorie. Er bewieß, daß die Aetzbarkeit und aufloͤſende Thaͤtigkeit des Kalts und der Laugenſalze von dem Grade ihrer Saͤttigung mit fixer Luft abhange, ein Syſtem, welches die vorigen Theorien der Chymiſten, z. B. die Meyeriſche von der fetten Saͤure, bald verdraͤngte. Iacquin (Examen chemicum doctrinae Meyerianae et Blackianae. Vindob. 1769. 8. deutſch, Frf. u. Lpzg. 1770. 8. ) beſtaͤrkte dieſe wichtige Entdeckung, und Macbride (Experimental Eſſays on medical and philoſophical ſubjects. London, 1767. 8. ) machte Anwendungen davon auf den thieriſchen Koͤrper.

D. Prieſtley (Experiments and Obſervations on different kinds of air, Vol. I. Lond. 1774. Vol. II. 1775. Vol. III. 1777. ferner Vol. IV. unter dem Titel: Exper. and Obſerv. relating to various branches of Natural Philoſophy with a continuation of the obſ. on air. London 1779. und Vol. V. oder des Letztern Vol. II. Birmingham, 1781. Vol. III. Birmingham, 1786. 8. deutſch: Verſuche und Beob. uͤber die verſchiedenen Gattungen der Luft von D. Chriſtian Ludwig, Wien 1778. 79. 80. Verſuche und Beobacht. uͤber verſchiedene Theile der Naturlehre, Leipzig, 1780. 8. Zweyter Band, Wien und Leipz. 1782. 8. ) hat in der Menge und Wichtigkeit ſeiner uͤber die Gasarten gemachten Entdeckungen alle ſeine Vorgaͤnger bey weitem uͤbertroffen, und dem forſchenden Phyſiker ein ganz neues Feld eroͤfnet. Auszuͤge aus ſeinen weitlaͤuftigen und reichhaltigen Schriften findet man beym Weigel (Beytr. zur Geſch. der Luftarten. S. 265. u. f.) und in den leipzig. Sammlungen zur Phyſik und Naturgeſchichte (III. Band. 1. 3. u. 6. Stuͤck).

Seit dieſer Zeit iſt die Lehre von den Gasarten, die man ſonſt zur Chymie allein zaͤhlte, ein wichtiger Theil der Naturlehre geworden. Durch ſie haben wir erſt unſere Luft gehoͤrig kennen gelernt, Auffchluͤſſe uͤber die Natur des Feuers und Phlogiſtons bekommen, neue Verhaͤltniſſe der Thiere und Pflanzen entdeckt, und gefunden, daß ſich feſte Koͤrper ganz leicht in permanent elaſtiſche Fluͤßigkeiten, und dieſe in jene, verwandeln laſſen, ein Verfahren, wovon die Natur gewiß ſehr haͤufigen Gebrauch macht. Die vornehmſten350 Schriftſteller, welche ſich in dieſem Fache hervorgethan haben, fuͤhrt Herr Leonhardi (in Macquer's chymiſch. Woͤrterb. Art. Gas, Th. II. S. 334. u. f. vorzuͤglich in der Anm. ***) S. 335.) an. Kurze Vorſtellungen der ganzen Lehre von den Luftgattungen haben Cavallo (Abhandlungen uͤber die Eigenſchaften der Luft und der uͤbrigen beſtaͤndig elaſtiſchen Materien, a. d. Engl. Leipzig, 1783. 8. ), Leonhardi (Aerologiae phyſico-chemicae recentioris primae lineae. Lipſ. 1781. 4. und: Kurzer Umriß der neuern Entd. uͤber die Luftg. bey ſ. Ueberſ. von Scheclens Abhdl. von Luft und Feuer, Leipzig, 1782. 8. ), Rouland (Tableau hiſtorique des proprietés de l' air. à Paris, 1784. 8. ), de la Metherie (Eſſai analytique ſur l' air pur et les differentes eſpeces d' air. à Paris, 1785. 8. ), Weber (Ueber die gemeine und durch Aufloͤſung aus Koͤrpern entwickelte Luft, Landshut, 1785. 8. ), am gedraͤngteſten Herr Lichtenberg (Vierte Aufl. von Erxlebens Naturl. Goͤtt. 1787. 8. nach §. 236.) gegeben.

Die Luftgattungen ſind von den Daͤmpfen dadurch weſentlich unterſchieden, daß ſie nicht, wie jene, durch die Kaͤlte oder durch einen hinreichenden Druck ihrer Elaſticitaͤt beraubt, und in feſte oder tropfbare Materien verwandelt werden, daher ſie auch den Namen bleibend elaſtiſcher Fluͤßigkeiten (permanently elaſtics) erhalten haben. Sie ſcheinen daher mit dem Feuer, welches doch wohl die Urſache der Fluͤßigkeit und Elaſticitaͤt enthaͤlt, inniger und feſter, als die Daͤmpfe, verbunden zu ſeyn.

De Luͤc (Neue Ideen uͤber die Meteorologie, a. d. Frz. Berlin, 1787. I. B. S. 73. u. f.) theilt die elaſtiſchen oder, wie er ſie nennt, ausdehnbaren Fluͤßigkeiten uͤberhaupt in die zwo Claſſen der Duͤnſte (vapeurs) und der luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten (fluides aëriformes) ein. Er ſucht den erſten Grund der Ausdehnbarkeit in einer Verbindung mit dem Lichte, als der einzigen elementariſchen und einfachen elaſtiſchen Subſtanz, außer der alle uͤbrigen zuſammengeſetzt ſind, und ohne Aufhoͤren entſtehen und wieder vergehen. Dieſe Subſtanzen nun erhalten ihre Elaſticitaͤt von einem ihrer Beſtandtheile, welcher mit dem351 Lichte genau verbunden iſt, und den er die fortleitende Fluͤßigkeit (fluide déferent) nennt. Dieſes fortleitende Fluidum macht mit einer andern blos ſchweren, nicht elaſtiſchen, Subſtanz (ſubſtance grave) zuſammen, die elaſtiſche Materie, ſo wie ſie ſich uns zeiget, aus.

Die unterſcheidenden Kennzeichen der Duͤnſte und luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten ſind nach ihm folgende drey.

1. Die luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten halten jeden bekannten Grad des Drucks aus, ohne ſich zu zerſetzen; die Duͤnſte hingegen zerſetzen ſich, wenn ein allzuſtarker Druck ihr fortleitendes Fluidum von der blos ſchweren Subſtanz trennet.

2. Die luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten zerſetzen ſich nicht eher, als wenn ſich zwiſchen ihrer blos ſchweren Subſtanz und einem andern Kuͤrper eine ſtaͤrkere Verwandſchaft aͤuſſert, als zwiſchen dieſer Subſtanz und ihrem fortleitenden Fluidum ſtatt findet; daher kan eine luftfoͤrmige Fluͤßigkeit in einem hermetiſch verſchloßnen Gefaͤße nicht zerſetzt werden. Bey Duͤnſten hingegen ſindet auch eine Zerſetzung ohne Dazwiſchenkunft eines andern Koͤrpers ſtatt, wenn nemlich das fortleitende Fluidum die ſchwere Subſtanz verlaͤßt, um ſich in das ihm zukommende Gleichgewicht zu ſetzen.

3. Sind die luftfoͤrmigen Stoffe einmal gebildet, ſo iſt ihre Zuſammenſetzung beſtimmt, und ſie koͤnnen ihre Natur nicht aͤndern, wenn nicht eine neue Subſtanz hinzukoͤmmt. Daher bleibt das Verhaͤltniß ihrer Beſtandtheile immer eben daſſelbe und ihre ſpecifiſche Elaſticitaͤt immer gleich groß. Bey den Duͤnſten hingegen iſt das Verhaͤltniß der Beſtandtheile ſehr abwechſelnd, und ihre Elaſticitaͤt richtet ſich nach der Menge des in ihnen enthaltenen ſortleitenden Fluidums.

Dieſe drey Kennzeichen vereinigen ſich ſaͤmmtlich dahin, daß bey den luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten eine weit ſtaͤrkere und innigere Verbindung der ſchweren Subſtanz mit dem fortleitenden Fluidum ſtatt findet, als bey den Duͤnſten. Es iſt aber nach de Luͤc das fortleitende Fluidum bey allen luftfoͤrmigen Fluͤßigkeiten das Feuer, und ſein Syſtem ſtimmt alſo ſehr wohl mit dem Satze uͤberein, daß das Weſen der beſtaͤndig elaſtiſchen Materien in einer genauen352 Verbindung mit dem Feuer beſtehe. Zu den Duͤnſten werden uͤbrigens nach dieſem Syſtem nicht allein die Waſſerdaͤmpfe gerechnet, wo das Feuer das fortleitende Fluidum, und das Waſſer die ſchwere Subſtanz iſt, ſondern es gehoͤren auch das Feuer ſelbſt, und die elektriſche Materie in dieſe Claſſe, ſ. Feuer, Flaſche, geladne.

Die Vorrichtungen, deren man ſich zu den Verſuchen uͤber die Gasarten bedienen muß, welche urſpruͤnglich von Hales herruͤhren, von Prieſtley aber ſehr verbeſſert worden ſind, werde ich bey dem Worte: Pnevmatiſch-chymiſcher Apparat beſchreiben.

Alle jetzt bekannte Gasarten laſſen ſich in ſolche, die dem thieriſchen Leben und der Verbrennung dienlich ſind, reſpirable, athembare, und ſolche theilen, die die Thiere toͤdten und die Lichter ausloͤſchen, irreſpirable, mephitiſche, Schwaden, Muffeten (Mephites). Zur erſten Claſſe gehoͤren blos die gemeine und die dephlogiſtiſitte Luft. Viele haben dieſe Claſſe gar nicht mit unter dem Namen Gas begriffen, ſondern als wahre und eigentliche Luft von den Gasarten, worunter ſie blos die mephitiſchen verſtehen, unterſchieden. Die mephitiſchen ſind wiederum entweder ſolche, die ſich nicht mit Waſſer vermiſchen, oder die ſich damit miſchen laſſen. Dieſer Unterſchied iſt wegen der Behandlungsart wichtig, da bey den meiſten letztern der pnevmatiſch-chymiſche Queckſilber - Apparat gebraucht werden muß. Die mit Waſſer nicht miſchbaren Gasarten ſind: Phlogiſtiſirtes Gas, Nitroͤſes oder ſalpeterartiges Gas, und Brennbares Gas, wozu man noch das eigentlich Mephitiſche Gas, oder die Luftſaͤure rechnen kan, welche ſich wenigſtens nicht ſo leicht mit dem Waſſer miſcht, daß ſie den Gebrauch des Queckſilber-Apparats erforderte. Die mit Waſſer miſchbaren ſind: Vitriolſaures, Salzſaures, Salpeterſaures, Flußſpathſaures, Eſſigſaures, Hepatiſches, Fluͤchtig-alkaliſches und nach Einigen noch Phoſphoriſches Gas. Von jeder dieſer einzelnen Gattungen folgen nun umſtaͤndliche Nachrichten in beſondern, ebenfalls nach alphabetiſcher Ordnung fortgehenden Artikeln. 353

Gas, atmoſphaͤriſches

(Keir), gemeine Luft, atmoſphaͤriſche Luft, Gas atmoſphaericum, Aër atmoſphaericus vulgaris, communis, Gas ventoſum (Helmont). Gas atmoſphérique, Air commun, Air de l' atmoſphère. Die unſichtbare, farbenloſe, durchſichtige, compreſſible, ſchwere und elaſtiſche fluͤßige Materie, welche unſere Erdkugel, als Luftkreis, von allen Seiten her umgiebt. Die Einrichtung, welche ich bey Behandlung der Gasarten getroffen habe, macht, daß ich von dieſer ſo wichtigen Fluͤßigkeit unter zween Artikeln, hier und bey dem Worte: Luft reden muß. Dort werde ich von ihren mechaniſchen Eigenſchaften, hier aber von ihrer chymiſchen Unterſuchung und ihren Verhaͤltniſſen gegen die uͤbrigen Gasarten handeln. Dort wird alſo auch der Ort ſeyn, die Beweiſe ihres Daſeyns und ihrer vornehmſten Eigenſchaften anzufuͤhren, die ich hier als erwieſen vorausſetzen muß.

Dieſe die Erde umgebende Materie iſt in ihrem gewoͤhnlichen Zuſtande mit unzaͤhlbaren fremden Subſtanzen verbunden. Sie haͤlt Waſſer in ſich aufgeloͤſet, ſ. Duͤnſte, und verbindet ſich mittelſt deſſelben mit Salzen; ſie iſt an manchen Orten mit Schwefel, faulen Ausfluͤſſen, u. dgl. impraͤgnirt, auch ſchweben haͤufige erdichte Theilchen in ihr. Wenn man endlich auch alle dieſe fremden Subſtanzen von ihr trennet, ſo iſt doch der zuruͤckbleibende luftige Stoff ſelbſt noch zuſammengeſetzt, und keinesweges, wie man ehedem glaubte, eine einfache elementariſche Subſtanz.

Bey der großen Menge von entzuͤndlichen, wenigſtens phlogiſtiſirten Koͤrpern, bey der Verbreitung des brennbaren Weſens durch alle Reiche der Natur, bey den vielen Entwicklungen des Phlogiſtons, welche taͤglich auf der Erde vorgehen, und bey der aufloͤßenden Kraft der Luft auf ſo viele verfluͤchtigte Stoffe, faͤllt es von ſelbſt in die Augen, daß die Luft der Atmoſphaͤre mit Phlogiſton verbunden ſeyn muͤſſe. Man wird bey den Worten: Athmen und Verbrennung finden, daß die gemeine Luft dieſe beyden Operationen nur in ſofern befoͤrdert, als ſie faͤhig iſt, das durch dieſelben ſo haͤufig entwickelte Brennbare in ſich aufzunehmen. 354Sie wird mit demſelben endlich geſaͤttiget, und iſt alsdann unfaͤhig, Athmen und Verbrennung laͤnger zu befoͤrdern; es ſterben die Thiere, und es verloͤſchen die Lichter in ihr: ſie zeigt ſich uͤberhaupt alsdann als ein Gas von eigner Art, welchem man den Namen des phlogiſtiſirten giebt, ſ. Gas, phlogiſtiſirtes.

Da dieſer phlogiſtiſirte Theil der gemeinen Luft weder zum Athmen, noch zur Verbrennung dienen kan, ſo muß in der Luft der Atmoſphaͤre allerdings noch ein Theil ſeyn, der ſie reſpirabel und zur Unterhaltung des Feuers faͤhig macht. Dieſen ihren Beſtandtheil nennt man dephlogiſtiſirte oder reine Luft, ſ. Gas, dephlogiſtiſirtes. Da dieſe reine Luft, welche man auch durch die Kunſt hervorbringen kan, bey den phlogiſtiſchen Proceſſen in eine der atmoſphaͤriſchen aͤhnliche Luftgattung uͤbergeht, und endlich ein wahres phlogiſtiſirtes Gas zuruͤcklaͤßt, ſo kan man ſie mit allem Rechte als einen Grundbeſtandtheil der atmoſphaͤriſchen Luft, als die eigentliche und wahre reſpirable Luft anſehen.

Laͤßt man unter einer Glocke, die in einer Schale mit Waſſer ſteht, eine Kerze bis zum Verloͤſchen ausbrennen, ſo findet man nach dem Verſuche die Luft in der Glocke vermindert (das Waſſer nemlich tritt in der Glocke viel hoͤher herauf, als es vorher ſtand); es muß daher ein Theil der Luft vom Waſſer verſchluckt worden ſeyn. Hat das Waſſer viel davon in ſich genommen, ſo zeigt es Merkmale einer Saͤure; es faͤrbt z. B. blaue Pflanzenſaͤfte roth. Nimmt man ſtatt des reinen Waſſers Kalkwaſſer, ſo ſchlaͤgt ſich der Kalk daraus nieder. Alles dies ſind Kennzeichen, daß der vom Waſſer eingeſogne Theil fixe Luft oder Luftſaͤure (ſ. Gas, mephitiſches) geweſen ſey. Ob es gleich ſchwer iſt, gewiß zu entſcheiden, woher dieſe fixe Luft komme, ſo ſcheint doch Prieſtley (Exp. and Obſ. Vol. I. p. 136.) dargethan zu haben, daß ſie wenigſtens nicht durch bloße Erhitzung des brennbaren Koͤrpers, ohne wirkliche Verbrennung, entſtehe, weil Kohlen in brennbarer, ſalpeterartiger oder phlogiſtiſirter Luft, wenn er den Brennpunkt einer Glaslinſe darauf richtete, keine fixe Luft gaben. Er355 ſieht keinen Grund, warum ſich bey einem ſolchen Grade der Erhitzung keine erzeugen ſollte, wenn ſie uͤberhaupt aus dem brennenden Koͤrper kaͤme, und ſchließt daher, ſie komme vielmehr aus der gemeinen Luft, welche allezeit einigen Antheil von fixer Luft in ſich enthalte. Dieſen Satz beſtaͤtigt auch die Bemerkung, daß aͤtzende Laugenſalze und gebrannter Kalk auch an der atmoſphaͤriſchen Luft wieder mild werden, daher man jetzt nicht mehr daran zweifelt, daß in der atmoſphaͤriſchen Luft auch ein Theil Luftſaͤure enthalten ſey. Ob aber derſelbe zu ihrem Weſen gehoͤre, oder nur zufaͤllig durch die haͤufigen Entwickelungen fixer Luft aus den Erdkoͤrpern in die Atmoſphaͤre komme, laͤßt ſich ſo gewiß noch nicht entſcheiden.

Man kan alſo den luftigen Grundſtof der Atmoſphaͤre als ein Gemiſch von dephlogiſtiſirter, phlogiſtiſirter und fixer Luft anſehen. Nach den Scheeliſchen und Bergmanniſchen Verſuchen betraͤgt der gewoͤhnliche Antheil an reiner Luft ohngefaͤhr 1 / 4, an phlogiſtiſirter 5 / 8, und an fixer (1 / 16). Dies alles kan uns wenigſtens uͤberzeugen, daß die gemeine Luft noch ein ſehr zuſammengeſetzter Stof ſey.

Außer dem Athmen der Thiere und der Verbrennung verderben auch die Calcination der Metalle, die Faͤulniß, die Wirkung des Schwefels, des Kalks mit Waſſer, Salmiak, oder Saͤuren, des Eiſens und Kupfers mit fluͤchtigem Alkali, des Bleys mit Weineſſig u. ſ. w. die gemeine Luft, und dieſe Verderbung iſt jederzeit mit einer Verminderung des Volumens verbunden. Man kan es zur Regel annehmen, daß Luft, die durch irgend ein Verfahren vermindert worden iſt, nicht mehr ſo rein, als vorher ſey, und daß man eine beſtimmte Quantitaͤt Luft, die ſich durch die genannten Proceſſe nicht weiter vermindern laͤßt, fuͤr untuͤchtig zum Athmen und zur Verbrennung halten muͤſſe.

Boyle und die uͤbrigen Naturforſcher des vorigen Jahrhunderts, welche dieſe Verminderung ſchon kannten, ſahen dieſelbe blos fuͤr die Folge einer geſchwaͤchten Elaſticitaͤt der Luft an, welche alsdann durch den gewoͤhnlichen Druck der Atmoſphaͤre in einen engern Raum zuſammengepreßt werde. Da aber die zuruͤckbleibende Luft den Verſuchen zu356 Folge nicht ſpecifiſch ſchwerer, vielmehr leichter, als die gemeine, gefunden wird, ſo kan man dieſe Urſache nicht annehmen. Prieſtley behauptete daher zuerſt, es werde durch die Verbindung mit dem Brennbaren die fixe Luft, welche den ſchwerſten Theil der gemeinen ausmacht, aus der letztern niedergeſchlagen. In der Folge aber, da er bemerkte, daß aͤhnliche Verminderungen auch bey ſolchen Luftgattungen erfolgten, welche nicht den geringſten Antheil von fixer Luft in ſich hielten, nahm er dieſe Verminderung fuͤr eine wirkliche Zuſammenziehung des Volumens an, deren Art und Weiſe er zu erklaͤren unvermoͤgend ſey (Exp. and Obſ. Vol. I. p. 267.).

Auch der elektriſche Funken ſoll die Luft phlogiſtiſiren, wenn man ihn zu wiederholtenmalen in eine Menge derſelben ſchlagen laͤßt. Prieſtley gebrauchte dazu eine Glasroͤhre, an deren Ende ein Drath angekuͤttet war, welcher als Axe ein wenig in die Roͤhre hineingieng, und am aͤußern Ende einen Knopf hatte. Er ſteckte das ofne Ende der Roͤhre in Lakmustinctur und brachte den Knopf gegen den Conductor einer Elektriſirmaſchine, ſo daß der Funken aus dem innern Ende des Draths durch die Luft in die Tinctur ſchlug. Er fand, daß durch wiederholte Funken binnen zwo Minuten die Luft vermindert und der obere Theil der Lakmustinctur roth gefaͤrbt ward. Fontana zeigte durch Verſuche, welche Cavallo (Ueber die Natur und Eigenſch. der Luft, S. 391.) anfuͤhrt, daß der Drath oder der Kuͤtt das Phlogiſton hergebe, weil das Phaͤnomen auſſenbleibt, wenn man Silberdrath ohne Kuͤtt in die Glasroͤhre einſchleift. Hiedurch wurden wenigſtens Prieſtleys Schluͤſſe, daß der elektriſche Funken ſelbſt Phlogiſton enthalte, ſehr zweifelhaft. Nach den neuſten Verſuchen von Cavendiſh aber koͤmmt die Roͤthung von einer dabey erzeugten Salpeterſaͤure her, ſ. Gas, phlogiſtiſirtes.

Die gemeine Luft verbindet ſich ſehr leicht mit dem Waſſer. Sie haͤlt nicht allein Waſſer in ſich aufgeloͤſet, ſ. Duͤnſte, ſondern es iſt auch in jedem Waſſer eine betraͤchtliche Menge Luft enthalten, welche unter der Luftpumpe, oder durchs Kochen, in Form von Blaſen herausgeht. Das357 deſtillirte oder gekochte Waſſer nimmt dagegen wiederum einen Theil der Luft, welcher man es ausſetzt, ohne eine merkliche Vergroͤßerung ſeines Volumens in ſich. Es abſorbirt, nach Scheele (Von Luft und Feuer, S. 164.), vorzuͤglich den reinern Theil der Luft; daher man auch durch ein zweytes Kochen eine ſehr reine oder dephlogiſtiſirte Luft aus dem Waſſer erhalten kan; obgleich durch das erſte Kochen des natuͤrlichen Fluß - oder Brunnenwaſſers keine beſonders reine Luft erhalten wird. Daͤmpfe des Waſſers aber, ſo wie auch der Dampf und Rauch verſchiedener andern Subſtanzen machen die Luft zum Athmen untuͤchtig.

Durch bloße Beruͤhrung mit gemeinem, nicht gekochtem, Waſſer wird die Beſchaffenheit der Luft nicht veraͤndert. Durch Schuͤtteln im Waſſer hingegen wird gute Luft verſchlimmert, phlogiſtiſirte aber verbeſſert, woraus man ſchließen kan, daß Waſſer und Luft beyde mit dem Phlogiſton in Verwandſchaft ſtehen. Es entwickelt ſich bey dieſem Schuͤtteln bisweilen auch Luft aus dem Waſſer, wodurch beſonders im Anfange der Operation, das Volumen der Luft zuzunehmen ſcheint, wie Fontana (Philoſ. Trans. Vol. LXIX. p. 443.) bemerkt hat. Wenn aber ſchaͤdliche Luft durch Schuͤtteln im Waſſer verbeſſert werden ſoll, ſo muß das dazu gebrauchte Waſſer der freyen Luft ausgeſetzt ſeyn, damit es den faulen phlogiſtiſchen Stoff in die Atmoſphaͤre uͤberfuͤhren koͤnne. Daß dieſes wirklich geſchehe, zeigt der unangenehme Geruch, den man bisweilen bey einer ſolchen Operation verſpuͤret.

Da die Maſſe der atmoſphaͤriſchen Luft unaufhoͤrlich durch das Athmen der Menſchen und Thiere, durch das Brennen ſo vieler natuͤrlichen und kuͤnſtlichen Feuer, durch die Faͤulniß und Aufloͤſung unzaͤhlbarer Subſtanzen und durch viele andere phlogiſtiſche Proceſſe verdorben wird, ſo wuͤrde ſie endlich ganz zu ihrer Beſtimmung untuͤchtig werden, wenn nicht die Natur fuͤr eben ſo wirkſame Mittel zu ihrer Wiederherſtellung und Verbeſſerung geſorgt haͤtte. Unter die kraͤftigſten dieſer Mittel gehoͤrt vorzuͤglich die Vegetation oder das Wachsthum der Pflanzen. Dieſe in der That wichtige Entdeckung machte Prieſtley (Exp.358 and Obſ. Vol. I. P. I. Sect. 4.), nachdem er ſich lange mit vergeblichen Verſuchen uͤber die Verbeſſerung verdorbner Luft beſchaͤftigt hatte. Er fand, daß die durch das Athmen der in ihr geſtorbnen Thiere vollkommen toͤdtlich gewordene Luft durch die Vegetation der Pflanzen ſo gut wieder hergeſtellt ward, daß nach Verlauf einiger Tage ein Thier in ihr wieder eben ſo gut und ſo lange lebte, als in einer gleichen Menge gemeiner Luft. Er bediente ſich bey dieſen Verſuchen vornehmlich der Muͤnze (Menta piperitis, Linn.), und ſetzte im Auguſt des Jahres 1771 einen Stengel von dieſer Pflanze in Luft, in welcher er Maͤuſe hatte athmen und ſterben laſſen. Acht oder neun Tage darauf war dieſe Luft wiederum voͤllig reſpirabel geworden, und eine Maus befand ſich wohl in derſelben, dagegen eine andere in dem zuruͤckbehaltenen Reſte jener verdorbnen Luft augenblicklich ſtarb.

Zwar wollten dieſe Verſuche einigen andern Naturforſchern nicht gelingen, und ſelbſt Prieſtley fand im Jahre 1778 bey Wiederholung derſelben mit einer Menge anderer Pflanzen (Exp. and Obſ. Vol. IV. p. 302.) ihr Reſultat zweifelhaft. Allein die im Jahre 1779 bekannt gewordenen Verſuche des D. Ingenhouß (Exp. upon vegetables London, 1779. 8. Verſuche mit Pflanzen, wodurch entdeckt worden, daß ſie die Kraft beſitzen, die atmoſphaͤriſche Luft beym Sonnenſchein zu reinigen, des Nachts aber zu verſchlimmern, Leipzig 1780. 8. ) klaͤrten einen großen Theil dieſer Misverſtaͤndniße auf. Dieſer Gelehrte bemerkte, 1 < * > daß die meiſten Pflanzen die Kraft haben, ſchlechte Luft in wenigen Stunden zu verbeſſern, wenn ſie dem Sonnenlichte ausgeſetzt werden, daß ſie hingegen in der Nacht oder im Schatten die gemeine Luft verderben, 2) daß die Pflanzen aus ihrer eignen Subſtanz am Sonnenlichte eine reine dephlogiſtiſirte Luft, in der Nacht aber oder im Schatten eine ſehr unreine Luft geben, 3) daß nicht alle Theile der Pflanzen, ſondern nur die gruͤnen Stengel und Blaͤtter, beſonders durch ihre untere Seite, dieſe Wirkung thun, 4) daß die Entwicklung der dephlogiſtiſirten Luft erſt einige Stunden nach Erſcheinung der Sonne uͤber dem Horizonte anfange, und mit Ende des Tages aufhoͤre, und359 daß der Schaden, den die Pflanzen bey Nacht thun, durch den Vortheil, den ſie den Tag uͤber bringen, bey weitem uͤberwogen werde, weil die ſchaͤdliche Luft aus einer Pflanze die ganze Nacht uͤber kaum (1 / 100) von der dephlogiſtiſirten Luft betraͤgt, die an einem heitern Tage in zwo Stunden aus ihr hervorkoͤmmt. Senebier in Genf (Mémoires phyſico-chymiques ſur l'influence de la lumière ſolaire pour modifier les êtres des trois regnes de la nature. à Geneve 1782. III. To. 8. Recherches ſur l'influence de la lumière ſolaire pour metamorphoſer l'air fixe en air pur par la vegetation, ebend. 1783. 8. ) hat zu behaupten geſucht, daß die Pflanzen in der Nacht gar keine Luft gaͤben, worauf Ingenhouß (Vermiſchte Schriften, durch Molitor, Wien, 1784. gr. 8. II. B. Num. 8.) geantwortet, und die Richtigkit ſeiner Verſuche beſtaͤtiget hat. Die reinſte Luft erhielt er aus einigen Waſſerpflanzen und dem gruͤnen Schlamm in einem ſteinernen Troge. ſ. Gas, dephlogiſtiſirtes.

So wirkt die Vegetation der Pflanzen dem Athemholen, der Verbrennung, Faͤulniß u. ſ. w. unaufhoͤrlich entgegen, und erhaͤlt dadurch die Atmoſphaͤre ſtets in dem noͤthigen mittlern Zuſtande der Reinigkeit. Wenn im Winter die Kaͤlte das Wachsthum der Pflanzen hindert, ſo hemmt ſie zugleich auch den Fortgang der Faͤulniß. In ſumpfigen Gegenden wachſen gerade ſolche Pflanzen, welche die Luft am ſtaͤrkſten reinigen. Die dephlogiſtiſirte Luft iſt ſchwerer, als die phlogiſtiſirte, daher ſie ſich, ſobald ſie aus den Blaͤttern koͤmmt, niederwaͤrts ſenket. So weiſe und wohlthaͤtige Anſtalten hat der Schoͤpfer zu Erhaltung der noͤthigen Reinigkeit des Luftkreiſes getroffen.

Da uͤberdies die durch Reſpiration und Faͤulniß verdorbene Luft durch Schuͤtteln im Waſſer verbeſſert wird, ſo koͤnnen noch außerdem die Bewegungen des Meeres und der Fluͤſſe, vornehmlich aber das Herabfallen des Regens und Thaues zur Reinigung der Atmoſphaͤre beytragen.

Von dem Grade der Reinigkeit oder Heilſamkeit der Luft an verſchiedenen Orten der Erde, und dem Werkzeuge, wodurch man denſelben zu beſtimmen ſucht, finden ſich360 Nachrichten bey dem Worte: Eudiometer. Im Ganzen genommen findet man die Luft an verſchiedenen Orten der Erde durch das Eudiometer gar nicht ſehr verſchieden, diejenigen Orte ausgenommen, wo augenſcheinlich viel phlogiſtiſche Materien aufſteigen, wie z. B. in der Nachbarſchaft fauler Suͤmpfe. Dennoch bemerkt man in der Heilſamkeit der Luft betraͤchtliche Unterſchiede in Gegenden, in welchen das Eudiometer faſt einerley Reinigkeit anzeigt, obgleich die Geſundheit der Einwohner offenbar das Gegentheil beweiſet. Es kan alſo die Probe durch das Eudiometer keinesweges fuͤr ein ſicheres Mittel zu Beſtimmung der Geſundheit der Luft gehalten werden.

Man hat ſchon vor alten Zeiten auf Mittel gedacht, verdorbene Luft durch die Kunſt zu verbeſſern. Nach Boyle (Exp. phyſico-mech. de elaſticitate et gravitate aëris, Exp. 41.) ſoll Cornelius Drebbel einen chymiſchen Liquor erfunden haben, deſſen Daͤmpfe der durchs Athmen verdorbnen Luft die verlohrnen Lebensgeiſter (principium vitale) wieder ertheilen. Boyle ſagt ſogar, es ſey ihm bekannt worden, was dies fuͤr ein Liquor geweſen ſey. Da die Verderbung der Luft nicht von der Entziehung des Lebensgeiſts, ſondern von der Entziehung des reinern Theils durch die Verbindung mit Phlogiſton herruͤhrt, das man nicht ſo leicht, und am wenigſten durch Daͤmpfe eines Liquors von der Luft trennen kan, ſo iſt die ganze Sache wahrſcheinlich ein fabelhaftes Vorgeben geweſen.

Das einzige bisher bekannte Mittel, die ſchlechte Luft aus Orten, wo ſie haͤufig und unvermeidlich erzeugt wird, hinwegzubringen, iſt der Luftzug, den man aber nicht unter die hier geſuchten Methoden zaͤhlen kan, weil er die Luft nicht verbeſſert, ſondern wegfuͤhrt und reinere an ihre Stelle bringt.

D. Hales fand, daß er eine Menge Luft laͤnger athmen konnte, wenn er ſie waͤhrend des Einathmens durch zuſammengefaltete in Weineſſig, Salzwaſſer oder Weinſteinoͤl getauchte Lappen gehen ließ. Die Urſache liegt wohl darinn, weil bey der Reſpiration fixe Luft erzeugt wird, welche der Weineſſig rc. einſchluckt. Das Kalkwaſſer wuͤrde361 eben dieſes thun. Es iſt aber auch dies keine eigentliche Verbeſſerung verdorbner Luft.

Endlich hat Herr Achard (Ueber die Dephlogiſtiſirung der phlogiſtiſchen Luft, in ſ. Samml. phyſikal. und chym. Abhdl. I. Band, Berlin, 1784. 8. ) gefunden, daß phlogiſtiſirte Luft ungemein verbeſſert wird, wenn man ſie durch geſchmolzenen Salpeter gehen laͤßt. Es iſt dies ohne Zweiſel eine Wirkung der dephlogiſtiſirten Luft, welche ſich aus dem, dem Feuer ausgeſetzten, Salpeter haͤufig entbindet, ſ. Gas, dephlogiſtiſirtes.

Man kennt auch keine Methode, ein der gemeinen Luft vollkommen gleiches elaſtiſches Fluidum durch die Kunſt hervorzubringen, obgleich bey den kuͤnſtlichen Erzeugungen anderer Luftarten oft etwas gemeine Luft zugleich mit entwickelt wird. So fuͤhrt z. B. die fixe Luft allezeit etwas gemeine Luft bey ſich, welche man durch Schuͤtteln im Waſſer von ihr trennen kan, wobey nach und nach die fixe Luft verſchluckt wird, und die gemeine allein im Gefaͤße zuruͤckbleibt.

Im uͤbrigen ſehe man die Artikel: Luft, Luftkreis, Gas, dephlogiſtiſirtes, Gas, phlogiſtiſirtes.

Gas, brennbares, entzuͤndbare, entzuͤndliche Luft, brennbare Luft, inflammable Luft, brennende Luft

(Scheele), Brennluft (Ingenhouß), Gas inflammabile, Aer inflammabilis, Mephitis inflammabilis, Gas carbonum, Gas pingue (Helmont), Gas infiammable, Air inſlammable. Eine mephitiſche und mit dem Waſſer nicht miſchbare Gasart, welche mit einer Flamme brennt, und mit atmoſphaͤriſcher oder dephlogiſtiſirter Luft vermiſcht, ſich mit Exploſion entzuͤndet.

Schon laͤngſt kannte man Daͤmpfe metalliſcher Aufloͤſungen, die bey Annaͤherung eines brennenden Lichts Feuer fangen, und entzuͤndliche Schwaden gewiſſer Hoͤhlen, Mineralwaſſer und Bergwerke, welche ſich mit einem fuͤrchterlichen Knalle an den Grubenlichtern der Bergleute entzuͤnden (Feuerſchwaden, feu briſou, engl. Fire-damp). Auch die durch den natuͤrlichen Gang der Verdauung im362 menſchlichen Koͤrper erzeugte brennbare Luft kannte Van Helmont. Stercoreus ſlatus, transmiſſus per flammam candelae, transvolando accenditur, ac flammam diver ſicolorem iridis inſtar exprimit. (De flatibus Sect. 49.) Hal < * > s (Vegetable Statiks Exp. 57.) entwickelte entzuͤndliche Materie aus Erbſen, Wachs, Auſterſchalen und Bernſtein. Im Jahre 1764 wurde Franklin, als er durch Newjerſey reiſete, erzaͤhlt, daß ſich die Luft uͤber verſchiedenen ſtehenden Waſſern daſelbſt mit dem Lichte anzuͤnden laſſe; es ward auch 1765 an D. Chandler in London geſchrieben, daß ſich dieſes Phaͤnomen in einem gewiſſen Muͤhlteiche in Newjerſey zeige, und die Entdeckung von ohngefaͤhr durch des Muͤllers Leute gemacht worden ſey. (ſ. Prieſtley Verſ. und Beob. I. Band, Anhang, Num. 6.) Unterdeſſen hatte Cavendiſh (Exp. on factitious air, in Philoſ. Tr. Vol. LVI. Experimente mit erkuͤnſtelter Luft, im N. Hamburg. Magazin B. XII. S. 387.) noch mehrere Verſuche mit brennbarer Luft aus Eiſen, Zink und Zinn angeſtellt, auch die ſpecifiſche Schwere dieſer Gasart beſtimmt, ſo daß D. Prieſtley ſchon genug vor ſich fand, um bey ſeiner weitlaͤuftigen Bearbeitung der Luftgattungen auch die brennbaren Gasarten zu einem vorzuͤglichen Gegenſtande ſeiner Aufmerkſamkeit zu waͤhlen. (Man ſ. ſeine Verſ. und Beobacht. I. Band. 3 Abſchnitt.)

Die brennbare Luft kann aus allen entzuͤndbaren oder ſonſt Brennbares enthaltenden Subſtanzen, ſelbſt aus den Metallen, durch Hitze, Gaͤhrung, Saͤuren u. ſ. f. auf unendlich verſchiedene Arten erhalten werden. Alle dieſe Luftgattungen aber gehen in ihren Eigenſchaften von einander ab, und haben vielleicht nichts als die Entzuͤndbarkeit und die geringe ſpecifiſche Schwere gemein; auch muͤſſen Gemiſche aus gemeiner Luft und entzuͤndlichen Daͤmpfen, wie z. B. Luft, worinn Aether verduͤnſtet iſt, von den eigentlichen brennbaren Gasarten genau unterſchieden werden. Dieſe letztern ſelbſt aber ſind ſowohl nach den Subſtanzen, aus welchen ſie kommen, als nach den Arten ihrer Entwickelung verſchieden, und behalten Merkmale des dabey gebrauchten Verfahrens; daher es, wie Herbert (De aëre, fluidisque363 ad aeris genus pert. Prop 25. p. 123.) ſchon erwieſen hat, mehr als eine Gattung brennbarer Luft giebt.

Die gewoͤhnlichſte Methode, ſie zu erhalten, iſt, daß man Metalle, vorzuͤglich Eiſen oder Zink, in Vitriol - oder Salzſaͤure (nicht in Salpeterſaͤure, welche eine andere Luftgattung giebt, ſ. Gas, ſalpeterartiges) aufloͤſet. Man ſchuͤtte in die zum pnevmatiſch-chymiſchen Apparat gehoͤrige Flaſche FG (Taf. X. Fig. 35.) Eiſenſpaͤne oder grob gekoͤrnten Zink, daß etwa der vierte oder fuͤnfte Theil derſelben davon angefuͤllt wird, gieße ſo viel Waſſer darauf, daß es davon gerade bedeckt iſt, und thue etwas Vitrioloͤl hinzu, welches nicht mehr als etwa den dritten oder vierten Theil des Waſſers austragen darf. Sodann verſtopfe man die Flaſche mit dem Stoͤpſel D, durch welchen die wie ein S gebogne Glasroͤhre DAB hindurchgeht, und bringe das Ende dieſer Roͤhre unter die mit Waſſer gefuͤllte Glocke K, die in einem Becken mit Waſſer umgeſtuͤrzt iſt. Die Miſchung bey G wird ſogleich aufbrauſen, und brennbare Luft geben, welche durch die Roͤhre DAB aufſteigt, in Blaſen durch das Waſſer der Glocke hindurch geht, und ſich oben bey K ſammelt, ſ. Pnevmatiſch-chymiſcher Apparat.

Es wird aber auch brennbare Luft aus den Metallen durch Saͤuren aller Art, nur die Salpeterſaͤure und Arſenikſaͤure ausgenommen, entwickelt. Ferner kan man ſie nach de Laſſone Verſuchen durch Aufloͤſung des Zinks im mineraliſchen und fluͤchtigen Laugenſalze erhalten. Aus den Steinkohlen und Oelen wird ſie durch das Feuer, das aber ſtets ſehr jaͤhe angewendet werden muß, unmittelbar entbunden, ſo daß ſie aus heftig gluͤhenden Steinkohlen von ſelbſt aufſteigt. Prieſtley erhielt entzuͤndbare Luft aus ſehr reiner Eiſenfeile, die er in einem Gefaͤße mit Queckſilber dem Brennpunkte einer Glaslinſe ausſetzte. Durch den elektriſchen Funken wurde aus verſchiednen entzuͤndlichen Subſtanzen, vorzuͤglich aus Oelen, Salmiakgeiſt, und Vitriolnaphtha brennbare Luft entbunden. Der Vitriolaͤther verwandelt ſich von ſelbſt in einen brennbaren luftfoͤrmigen Dunſt, der aber wohl eigentlich keine Gasart iſt. Der Weingeiſt giebt brennbare Luft, wenn ſeine Daͤmpfe durch364 ein gluͤhendes Rohr, und das Waſſer, wenn deſſen Daͤmpfe durch ein eiſernes gluͤhendes Rohr gehen. Halle (Natuͤrl. Magie, Berlin, 1784. 8. ) erhielt aus einer Handvoll Gartenbohnen in einer Retorte uͤber dem Feuer eine Menge brennbarer Luft. Eben ſo kan man ſie auch aus den Erdaͤpfeln und andern vegetabiliſchen Nahrungsmitteln erhalten.

Von Natur findet man die brennbare Luft in allen drey Reichen. In den Schaͤchten, unterirdiſchen Hoͤhlen, und vorzuͤglich in den Steinkohlengruben iſt ſie unter dem Namen des Feuerſchwadens bekannt; in den Gedaͤrmen der Thiere entwickelt ſie ſich haͤufig; ſie findet ſich auch in den Cloaken und heimlichen Gemaͤchern (Laborie, Cadet et Parmentier Obſerv. ſur les foſſes d'aiſance. Paris, 1778.), Begraͤbnißorten (Dobſon Medical Comment. on fixed air, p. 77.) und an Plaͤtzen, wo todtes Vieh fault. Der weiße Diptam (Dictamnus Fraxinella) giebt, wenn er bluͤhet, ſo viel brennbares Gas, daß die Atmoſphaͤre um ihn Feuer faͤngt.

In den Suͤmpfen, Pfuͤtzen und ſtehenden Waſſern, wo viele Pflanzen, Schilf u. dgl. modern, trifft man in dem Schlamme des Grundes brennbare Luft an, welche den beſondern Namen der Sumpfluft (Gas paluſtre, Aer paludum, Gas inflammable des marais) erhaͤlt. Hierauf hat Volta (Lettere ſull 'aria inflammabile nativa delle paludi. Como, 1776. 8. Alt. Volta Briefe uͤber die entzuͤndliche Luft, die aus den Suͤmpfen entſteht, Zuͤrich, 1778. 8. ) beſonders aufmerkſam gemacht, und gezeigt, wie man dieſe Luft durch Auflockerung des Grundes an ſumpfigen Orten in Menge erhalten und aufſammeln koͤnne. Man darf nur eine mit Waſſer gefuͤllte Flaſche in dem Waſſer des Sumpfes umkehren, einen Trichter in die Muͤndung bringen, und auf dem Grunde mit einem ſpitzigen Stocke ruͤhren, ſo ſteigt die Sumpfluft in Blaſen auf, die ſich im Trichter fangen, und ſo in die Flaſche geleitet werden. Eine noch bequemere Vorrichtung mit einer an einen Stock gebundnen Blaſe beſchreibt Ingenhouß (Vermiſchte Schriften rc. Wien 1784. gr. 8. I. B. Num. 11. S. 300.). 365

Jedes brennbare Gas hat einen ſtarken durchdringenden Geruch, der aber bey jeder Art verſchieden iſt, und nach Prieſtley vornehmlich davon abhaͤngt, ob die Subſtanz, aus der die Luft entbunden worden, zum Mineral - Thier-oder Pflanzenreiche gehoͤrt. Auch iſt das brennbare Gas den Thieren toͤdtlich, und loͤſcht ein Licht aus, ob es gleich an ſich ſelbſt entzuͤndlich iſt.

Die Entzuͤndbarkeit dieſer Luftart iſt ein ſehr auffallendes Phaͤnomen; denn eine unſichtbare Materie Feuer fangen und mit einer lebhaften Farbe brennen zu ſehen, muß wohl Jeden in Verwunderung ſetzen. Es kan ſich aber dieſe Luft, gleich andern brennbaren Materien, nicht entzuͤnden, wenn ſie nicht mit gemeiner oder dephlogiſtiſirter in Beruͤhrung ſteht. Wenn man z. B. eine Flaſche mit brennbarer Luft oͤfnet, und ſogleich eine Lichtflamme daran bringt, ſo macht ſie zwar eine ſchwache Exploſion, weil ſchon ihre Oberflaͤche mit gemeiner Luft vermiſcht iſt; nimmt man aber hernach das Licht weg, ſo brennt ſie ruhig im Halſe der Flaſche fort, weil dies der einzige Ort iſt, an welchem ſie die gemeine Luft beruͤhrt. Blaͤſet man alsdann auf die eine Seite der Oefnung, ſo ſteigt die Flamme ein wenig uͤber den Hals der Flaſche hervor; bisweilen ſcheint ſie auch an den Seiten herabzulaufen. Von dem brennenden Gas ſondert ſich ein Dampf ab, der in die Flaſche hineingeht, woraus erhellet, daß ſich beym Brennen etwas Waͤſſerichtes abſondere. Die Flamme der aus Metallen entbundnen brennbaren Luft hat eine gruͤnlich weiße Farbe; mitten in derſelben aber zeigen ſich lebhafte rothe Funken, die nach allen Richtungen ſchießen. Die Flamme der aus vegetabiliſchen und thieriſchen Subſtanzen entbundnen iſt ſchwaͤcher und zeigt nie Funken (Fontana in Phil. Tr. Vol. LXIX. p. 359.). Durch Vermiſchung mit nitroͤſer Luft wird die Flamme gruͤn, mit fixer blau. Wenn man durch eine enge Oefnung einen Strom brennbarer Luft herausdruͤckt, und durch den elektriſchen Funken entzuͤndet, ſo bildet ſich ein ununterbrochner langer Feuerſtrom. Man muß aber keine ſpitzige Roͤhre zu dieſem Verſuche nehmen, weil der elektriſche Funke nicht auf Spitzen ſchlaͤgt; man muß vielmehr366 eine Kugel mit kleinen Loͤchern durchbohrt gebrauchen (Chauſſier im Journal de phyſ. Oct. 1777.).

Iſt aber die brennbare Luft mit reſpirabler vermiſcht, ſo explodirt ſie bey Annaͤherung einer Flamme mit einem heftigen Knalle, und es entzuͤndet ſich das ganze Gemiſch auf einmal, wenn ihm auch gleich die Verbindung mit der aͤußern Luft abgeſchnitten iſt. Zwey Theile gemeiner und ein Theil brennbarer Luft geben nach Prieſtley und Lavoiſier die ſtaͤrkſte Exploſion. Noch weit ſtaͤrker aber werden die Wirkungen, wenn man dephlogiſtiſirte Luft, ſtatt der gemeinen, nimmt, wobey man nur einen Theil derſelben auf zween Theile brennbarer Luft rechnen darf. Alsdann iſt der Knall 40 50mal ſtaͤrker, als bey der gemeinen Luft, und die Exploſion uͤbt in verſchloßnen Gefaͤßen eine große Gewalt aus. Man kan eine ſolche Miſchung von dephlogiſtiſirter und brennbarer Luft, eine Knallluft, in Flaſchen Jahre lang aufheben, ohne daß ſie etwas von ihrer Entzuͤndbarkeit verliert. Die Flaſchen ſcheinen ganz leer zu ſeyn, man darf ſie aber nur oͤfnen und anzuͤnden, um eine dem Unerfahrnen ganz unbegreifliche Platzung zu erregen.

Durch das Abbrennen ſolcher Miſchungen in verſchloßnen Gefaͤßen wird das Volumen der eingeſchloßnen Materie betraͤchtlich vermindert, und der Ueberreſt iſt theils phlogiſtiſirte Luft, theils wird nach den Verſuchen der Herren Cavendiſh, Watt, Lavoiſier und de la Place (Crells chem. Annalen, Jahr 1785. B. I. S. 47. 304. 499. ) eine Quantitaͤt Waſſer erzeugt, die mit dem Gewichte der abgebrannten Luftarten beynahe uͤbereinſtimmt. Hievon ſ. man die Art. Gas, dephlogiſtiſirtes, Waſſer.

Es iſt merkwuͤrdig, daß die brennbare Luft mit den Daͤmpfen der Salpeterſaͤure vermiſcht, eben ſo, wie mit gemeiner Luft, explodiret. Fuͤllt man eine in Salpeterſaͤure umgeſtuͤrzte Glocke mit brennbarer Luft, ſo wird ihr Volumen durch die Daͤmpfe der Saͤure vermehrt, und die Miſchung explodirt; aber dieſe Faͤhigkeit iſt nicht dauerhaft; denn durch langes Stillſtehen oder beym Durchgange durch Waſſer trennen ſich die ſauren Daͤmpfe, und laſſen die brennbare Luft in ihrem vorigen Zuſtande zuruͤck. Uebrigens367 iſt die erwaͤhnte Miſchung ein Schießpulver in Luftgeſtalt, und ihre Exploſion beruht mit der des Schießpulvers auf einerley Gruͤnden, nemlich auf der Entwickelung dephlogiſtiſirter Luft aus den Salpeterdaͤmpfen, wodurch die Verbrennung der brennbaren Luft befoͤrdert wird. ſ. Schießpulver.

Unter allen Gasarten iſt die brennbare Luft die leichteſte, ob ſich gleich bey ihrer ſpecifiſchen Schwere große Unterſchiede finden, je nachdem ſie aus andern Subſtanzen, auf andere Arten, und mit mehr oder weniger Reinigkeit, entbunden wird. Cavendiſh (Philoſ. Trans. Vol. LVII.) fand ſie zehnmal, Fontana funfzehnmal, Sigaud de la Fond ſechsmal leichter, als die gemeine Luft. Wegen dieſer Leichtigkeit tritt ſie allezeit in den oberſten Theil der Gefaͤße, und die Feuerſchwaden der Salz - und Steinkohlengruben fliegen der Decke oder dem Haͤngenden zu. Auf dieſe große Leichtigkeit der brennbaren Luft gruͤndet ſich auch die Erfindung des Herrn Charles, dieſes Gas zu Erhebung der aeroſtatiſchen Maſchinen zu gebrauchen, ſ. Aeroſtat. Ingenhouß erhielt aus Vitrioloͤl und Weingeiſt (d. i. aus Vitriolaͤther) eine brennbare Luft (vielleicht nur einen Dunſt), welche etwas weniges ſchwerer, als die gemeine Luft war. Die Sumpfluft iſt zwar leichter, als die gemeine, aber weit ſchwerer als andere brennbare Gasarten.

Das brennbare Gas wird unter diejenigen gerechnet, die ſich nicht mit Waſſer miſchen. Dies iſt auch nach Cavendiſh und Scheeles Verſuchen fuͤr die meiſten Gattungen richtig. Prieſtley aber bemerkt (Exp. and Obſ. Vol. I. p. 59. ſq. ), daß die aus vegetabiliſchen oder animaliſchen Subſtanzen gezogne brennbare Luft doch zum Theil vom Waſſer verſchluckt werde, weil ſie fixe Luft bey ſich habe. Auch uͤberzieht ſich die Oberflaͤche des Waſſers, woruͤber brennbare Luft ſteht, mit einem duͤnnen Haͤutchen. Im dritten Bande der Verſuche und Beobachtungen beſtaͤtigt Prieſtley, was er ſchon vorher angegeben hatte, daß deſtillirtes Waſſer von der brennbaren Luft (1 / 14) (1 / 13) ſeines Volumens in ſich nehme, und fuͤgt hinzu, man koͤnne dieſen Antheil durch Kochen wieder herausziehen, ohne ſeine Entzuͤndbarkeit geſchwaͤcht368 zu finden. Fontana und Senebier fanden, daß Waſſer in verſchloßnen Gefaͤßen nichts von der brennbaren Luft abſorbire, wohl aber, wenn es der freyen Luft ausgeſetzt ſey. (M. ſ. de la Fond Eſſai ſur differentes eſpeces de l'air. Paris 1779. 8. p. 259.) Durch Schuͤtteln in Terpentinoͤl fand Prieſtley (Vol. III. p. 266.) das Volumen der brennbaren Luft vermehrt, aber ſie hatte einen großen Theil ihrer Entzuͤndbarkeit und ihrer uͤbrigen charakteriſtiſchen Eigenſchaften verlohren.

Die Pflanzen kommen in brennbarer Luft mehrentheils ſehr wohl fort; ſie ſelbſt aber wird von den Pflanzen, vornehmlich von Waſſerpflanzen, an freyer Luft und am Tage, mit der Zeit merklich verbeſſert, ob ſie gleich dabey noch ihre platzende Eigenſchaft behaͤlt. Ingenhouß ſieht ſie in dieſem Falle als eine eigne Gasart an, die man platzendes Gas (fulminating Gas) nennen koͤnnte, und deren Entſtehung er zum Theil der aus den Pflanzen kommenden dephlogiſtiſirten Luft, theils, weil ſie ſich auch des Nachts erzeuget, einer beſondern Einwirkung der Lebenskraft der Pflanzen zuſchreibt.

Scheele hatte bey Gelegenheit ſeiner Einwuͤrfe gegen die Prieſtleyiſche Theorie der Reſpiration (ſ. Athmen) behauptet, daß die brennbare Luft ſehr wohl reſpirabel ſey, und durchs Athmen ihre Entzuͤndbarkeit verliere. Dies veranlaſſete Herrn Fontana (Philoſ. Tr. Vol. LXIX. Ueber das Einathmen der entzuͤndbaren Luft, in den Sammlungen zur Phyſik und Naturg. II Band, 4. St. S. 488. u. f.) die Unterſuchung durch eigne Erfahrung anzuſtellen. Er fand hiebey, daß Vermiſchung mit gemeiner Luft die brennbare wirklich reſpirabel macht, und daß dazu ſchon die Quantitaͤt gemeiner Luft hinreichend iſt, die in den Lungen eines Menſchen nach einem gewoͤhnlichen Ausathmen noch zuruͤckbleibt. Er konnte auf dieſe Art einige Zuͤge brennbare Luft athmen, und fuͤhlte dabey ſogar eine beſondere Leichtigkeit; als er aber nach einem ſtarken und reinen Ausathmen brennbare Luft aus einem großen Gefaͤße einzog, ſank er beym dritten Athemzuge kraftlos auf die Kniee nieder. Auch ward durch die Reſpiration der Thiere, welche369 in brennbarer Luft ſtarben, die Entzuͤndbarkeit nicht vermindert, außer wenn die Portion der brennbaren Luft zu klein war, und ſie alſo mit allzu viel gemeiner Luft aus den Lungen der Thiere vermiſcht ward. Hiedurch ſind Scheeles Behauptungen voͤllig widerlegt, und zugleich die Veranlaſſungen ſeiner Taͤuſchung entdeckt worden.

Ueber die Natur und Beſtandtheile der brennbaren Luft ſind die Meynungen ſehr getheilt geweſen. Prieſtley erklaͤrte ſie zuerſt fuͤr ein Gemiſch aus Phlogiſton und Saͤure. Als er aber durch fortgeſetzte Verſuche in den Jahren 1773 u. f. kein Zeichen einer Saͤure in ihr entdecken konnte, ſo nahm er an, ſie beſtehe aus einem feinen entwickelten Phlogiſton, mit einigen feinen erdichten Theilchen verbunden. Daß ſie Phlogiſton enthalte, iſt gewiß, und laͤßt ſich außer ihrer Entzuͤndung und Verbrennung auch noch durch andere Verſuche erweiſen. Macquer und Montigny fanden, daß die brennbare Luft aus Eiſen und Vitrioloͤl den Silber-Queckſilber-und Bleyaufloͤſungen diejenige braune und ſchwarze Farbe ſehr geſchwind und leicht mittheile, welche den Anfang der Reduction anzeigt, und ein ſicheres Kennzeichen einer Mittheilung des Phlogiſtons iſt. Prieſtley (Exp. and Obſ. Vol. IV. Sect. 34.) ſetzte brennbare Luft in hermetiſch verſchloßnen Roͤhren von Flintglas einem heftigen Feuer aus. Die Roͤhren wurden dadurch an der innern Seite unausloͤſchlich ſchwarz; dieſe Schwaͤrze ward aber durch eingeſchuͤttete Mennige und ein zweytes Gluͤhen wieder aufgehoben ein Beweis, daß ſich anfaͤnglich der im Flintglaſe enthaltene Bleykalk durch das Phlogiſton der brennbaren Luft reducirt und in den metalliſchen Zuſtand verſetzt hatte, hernach aber durch die Mennige ſeines Phlogiſtons wieder beraubt worden war. Chauſſier hat entdeckt, daß man in der brennbaren Luft keine Metalle verkalken, wohl aber Bley-Eiſen - und Queckſilberkalke, ohne einen weitern Zuſatz, wieder herſtellen koͤnne (man ſ. de la Fond Eſſai ſur diff. eſp. de l' air, p. 282. ſqq.). Dies ſetzt wohl die Gegenwart des Phlogiſtons in dieſer Gasart außer Zweifel. Ob es aber darinn nach Chauſſier durch reine Luft, oder nach Scheele durch370 Hitze, oder nach Prieſtley und Keir (Treatiſe on Gaſes, London, 1779. §. 134. p. 101.) durch erdige Theile gebunden ſey, iſt ſo leicht nicht zu entſcheiden.

Richard Kirwan (Exp. and Obſ. on the ſpeciſic gravities and attractive powers of various ſaline ſubſtances, London 1781. 4. Concluſion of the Exp. and Obſ. eb. 1783. 4 deutſch von Crell, Berlin und Stettin 1783. 8. Zweytes St. 1785. 8. ) hat die brennbare Luft fuͤr das Phlogiſton ſelbſt, mithin fuͤr einen elementariſchen Stoff erklaͤrt, wogegen ſich doch theils aus den Zerſetzungen dieſer Gasart, theils aus ihrer verſchiedenen Beſchaffenheit mancherley gegruͤndete Einwendungen machen laſſen. Senebier (Recherches analytiques ſur la nature de l' air inflammable, Geneve 1784. 8. uͤberſ. v. Crell mit Kirwans Anm. Leipz. 1785. 8. ) behauptet gegen Kirwan, daß die brennbare Luft aus dem zu ihrer Entbindung gebrauchten Salze, Phlogiſton und Waſſer beſtehe. Kirwan aber zeigt in den Anmerkungen, daß der Antheil an Salze hoͤchſt unbetraͤchtlich und blos zufaͤllig ſey.

Uebrigens hat uns die genauere Kenntniß der brennbaren Luft zu einigen beſſern Erklaͤrungen verſchiedener Naturbegebenheiten verholfen. Man ſ. hievon die Worte: Flamme, Irrlicht, Sternſchnuppen, Feuerkugeln. Oft findet ſich im Sommer in der Atmoſphaͤre eine uͤbelriechende Materie verbreitet, welche am Geruch verſchiedenen Gattungen der brennbaren Luft ſehr nahe koͤmmt. Auch bey den Vulkanen und Erdbeben, die mit Feuerausbruͤchen begleitet ſind, ſcheint ſich brennbare Luft einzumiſchen, und die entzuͤndlichen unterirdiſchen Schwaden erklaͤren ſich durch ſie mit großer Leichtigkeit.

Unter die vornehmſten Anwendungen dieſer Lehre gehoͤrt die Erfindung der mit brennbarer Luft gefuͤllten Luftbaͤlle, ſ. Aeroſtat. Ein hiehergehoͤriges Spielwerk iſt die aeroſtatiſche Pflanze, da man ein Cylinderglas halb mit fixer und halb mit brennbarer Luft fuͤllet, und einen kleinen aeroſtatiſchen Ball in Geſtalt einer Blume hineinbringt, welcher mitten im Gefaͤße, wo ſich beyde Gasarten ſcheiden, ſchweben bleibt, weil er ſchwerer als die obenſtehende371 brennbare, und leichter als die unten liegende fixe Luft, iſt. Von andern Anwendungen der brennbaren Luft wird man bey den Worten: Lampe, elektriſche, Piſtole, elektriſche Nachrichten finden.

Gas, dephlogiſtiſirtes, dephlogiſtiſirte Luft, brennſtoffleere Luft, reine Luft

(Bergmann), Feuerluft (Scheele) kuͤnſtliche reine Luft (Keir), Lebensluft (Ingenhouß), Empyrealluft, Gas dephlogiſticatum, Aer dephlogiſticatus, Aer puriſſimus, Aer verus factitius, Aer vitalis, Gas ou Air dephlogiſtique. Derjenige Beſtandtheil der atmoſphaͤriſchen Luft, welcher dieſelbe zu Unterhaltung des Feuers und des Athemholens der Thiere einzig und allein geſchickt macht. Man kan ihn als einen eignen luftfoͤrmigen Stoff darſtellen, welcher alle Eigenſchaften der gemeinen Luft hat, aber das Athemholen und das Feuer weit mehr, als dieſe, befoͤrdert und weit laͤnger unterhaͤlt.

Es finden ſich ſchon in den Werken einiger aͤltern Schriftſteller dunkle Ideen von einem reinern Beſtandtheile der gemeinen Luft; beſonders hat der D Mayow (lo. Mayow Opera omnia medico-phyſica. Oxon. 1674. 8. Hag. Com. 1681. 8. Tract. I. De Sale Nitro et Spiritu Nitro-aëreo) ſchon einen feinſten Theil der Luft als zum Athmen tauglich erkannt; aber dieſe Begriſfe ſind noch ſo undeutlich und hypothetiſch, daß die neuern Naturforſcher wohl wenig Licht dadurch haben erhalten koͤnnen.

D. Prieſtley und Scheele ſind daher als die erſten anzuſehen, welchen man die Entdeckung dieſes reinen Theils der Luft zu danken hat. Jener hatte ſchon in dem 1774 herausgekommenen erſten Bande ſeiner Verſuche und Beobachtungen (p. 155., der deutſch. Ueberſ. S. 152.), einer bleibend elaſtiſchen Materie gedacht, welche reiner, als andere kuͤnſtliche Luftgattungen ſey. Aber erſt im 2ten Bande, welcher 1776 erſchien, findet ſich die zahlreiche Menge von Verſuchen, welche zu allen unſern Kenntniſſen von der dephlogiſtiſirten Luft den Grund gelegt haben. Prieſtley erhielt dieſe Luft zum Erſtenmale am 1. Aug. 1774. aus372 trocknem der Waͤrme ausgeſetzten Salpeter, und bereitete ſich bald eine groͤßere Menge davon, die zu verſchiedenen Verſuchen hinreichend war. Er ſahe ſie mit Recht als eine ſolche an, die wenig Phlogiſton enthielte, und nannte ſie daher dephlogiſtiſirte Luft. Faſt um eben dieſe Zeit hatte auch Scheele, damals noch zu Koͤping in Schweden, eben dieſe Luftgattung hervorgebracht, und ihr den Namen der Empyreal - oder Feuerluft gegeben. Er machte dieſe Entdeckung in ſeiner chymiſchen Abhandlung von Luft und Feuer bekannt, welche zum Erſtenmale zu Upſal und Leipzig im Jahre 1777 herauskam. Der Gang aber, den dieſe beyden Gelehrten bey ihren Verſuchen genommen haben, und ihre verſchiedenen Begriffe von der Sache ſelbſt, zeigen ſehr deutlich, daß hiebey Keiner etwas von dem Andern entlehnt habe.

Von Natur entwickelt hat man die dephlogiſtiſirte Luft bisher noch nirgends gefunden; man kennt aber verſchiedene Methoden, ſie zu entbinden und aufzuſammeln. Die vornehmſten ſind: Starke Erhitzung verſchiedener Mineralien, vornehmlich des Salpeters und Braunſteins; Erhitzung verſchiedener Subſtanzen, beſonders einiger metalliſchen Kalke; Erhitzung anderer metalliſchen Kalke und Erden nach vorhergegangener Anfeuchtung mit Salpeterſaͤure oder Vermiſchung mit Vitriolſaͤure; Ausſetzung des Brunnenwaſſers an die Sonnenſtralen; Kochen einiger Arten von Waſſer; Ausſetzung friſcher Blaͤtter von Pflanzen an das Sonnenlicht.

Die beſte Methode, ſie zu erhalten, iſt die Erhitzung des Braunſteins (magneſia nigra, magneſia vitriariorum, magneſium Bergm. ) oder des Salpeters. Es wird zu dem Ende in eine kleine irdene Retorte ein Pfund gepuͤlverter Braunſtein geſchuͤttet, eine lange blecherne Roͤhre an die Muͤndung derſelben angekuͤttet, die Retorte in einem Wind - oder Reverberirofen ins freye Feuer gelegt, und die Oefnung der Roͤhre unter den Trichter im Brete der Wanne des pnevmatiſch chymiſchen Apparats gebracht, indem auf dem Brete ſelbſt ein mit Waſſer gefuͤlltes Gefaͤß umgeſtuͤrzt iſt. Anfangs geht blos die atmoſphaͤriſche Luft373 aus der Roͤhre und Retorte uͤber; ſobald aber der Braunſtein gluͤhet, entwickelt ſich dephlogiſtiſirte Luft. So kan man aus 16 Unzen Braunſtein 760 780 Cubikzolle dephlogiſtiſirte Luft erhalten. Eben ſo kan man mit dem Salpeter verfahren. Scheele (Von Luft und Feuer, §. 35.) nimmt eine glaͤſerne Retorte, und bindet ſtatt alles Apparats eine mit Waſſer angefeuchtete Blaſe vor, welches allerdings die wohlfeilſte Art iſt. Der Salpeter verliert durch dieſe Operation ſeine Saͤure gaͤnzlich, und es bleibt in der Retorte blos der laugenartige Ruͤckſtand, der die Baſis dieſes Salzes ausgemacht hatte. Scheele (a. a. O.) hat ſogar aus der bloßen Salpeterſaͤure, nemlich aus dem rauchenden Salpetergeiſte, ſeine Empyrealluft erhalten. Es ſchien alſo hiebey die Salpeterſaͤure ſelbſt in dephlogiſtiſirte Luft verwandelt zu werden; ſo wie man auch dephlogiſtiſirte Luft erhaͤlt, wenn man Salpeterdaͤmpfe durch ein gluͤhendes Pfeifenrohr gehen laͤßt.

Aus ſehr vielen Subſtanzen laͤßt ſich auch dephlogiſtiſirte Luft durch die Hitze entwickeln, wenn man ſie vorher mit Salpeterſaͤure angefeuchtet oder darinn aufgeloͤſet hat. Dahin gehoͤren nach Prieſtley Mennige, Zinkblumen, Thon, Sedativſalz, Kieſelſteine, Eiſen und alle andere Metalle, wobey aber doch immer einige andere Gasarten mit zum Vorſchein kommen, beſonders wenn die gebrauchten Subſtanzen vom Phlogiſton nicht, ſo viel moͤglich, befreyt worden ſind. Enthalten ſie viel Phlogiſton, ſo geben ſie ſalpeterartige, haben ſie weniger davon, fixe, und ſind ſie in hohem Grade davon befreyt, dephlogiſtiſirte Luft; die beyden letztern Gattungen gehen insgemein mit einander uͤber.

Die reinſte dephlogiſtiſirte Luft geben die Queckſilberniederſchlaͤge, der ohne Zuſatz bereitete Queckſilberkalk (Mercurius praecipitatus per ſe), und der rothe Queckſilberniederſchlag (Praecipitatum rubrum) wovon zwar der letztere durch Salpeterſaͤure bereitet, der erſte aber gaͤnzlich davon frey iſt. Beyde haben die Eigenſchaft, daß ſie ſich in verſchloßnen Gefaͤßen durch die Hitze von ſelbſt, und ohne Zuſatz von Phlogiſton, reduciren oder wiederum374 in fließendes Queckſilber verwandeln; und da ſonſt bey der Reduction der Metallkalke, wenn man Phlogiſton zuſetzen muß, fixe Luft entbunden wird, ſo entwickelt ſich hier ſowohl durch die Hitze des Brennpunkts als des gewoͤhnlichen Feuers eine große Menge der reinſten Luft. Prieſtley, Fontana, Bayen und Lavoiſier haben hieruͤber die entſcheidendſten Verſuche angeſtellt. Man ſieht daraus nicht nur, daß die dephlogiſtiſirte Luft auch ohne Salx eterſaͤure entbunden werden koͤnne, ſondern auch, daß die Vermehrung des Gewichts bey dieſen beyden Verkalkungen des Queckſilbers von der Einſaugung, nicht der fixen ſondern der reinſten dephlogiſtiſirten Luft herkomme, woraus man wahrſcheinlich ſchließen kan, daß es mit den Verkalkungen der uͤbrigen Metalle eine gleiche Bewandniß habe, ſ. Verkalkung.

Aus den meiſten Subſtanzen, welche mit Salpeterſaͤure vermiſcht, reine Luft geben, z. B. der Mennige, kan man auch, theils durch die bloße Hitze, theils durch Vitriolſaͤure, dephlogiſtiſirte und fixe Luft zugleich erhalten. Mit der Kochſalzſaͤure konnte Prieſtley keine Entwicklung reiner Luft bewirken; nur einmal erhielt er etwas aus der Deſtillation einer Aufloͤſung von Mennige in Salzgeiſt (Exp. and Obſ. Vol. IV. p. 442.). Das groͤßte Hinderniß bey dieſen Entbindungen machen die Gefaͤße, welche faſt allezeit bis zum Gluͤhen und noch dazu ploͤtzlich erhitzt werden muͤſſen, wobey dickere Gefaͤße zerſpringen, duͤnnere weich werden und ſchmelzen. Nimmt man Flintenlaͤufe oder eiſerne Retorten, ſo geben dieſe Phlogiſton. Am beſten iſt es, die Gefaͤße in einen Schmelztiegel oder blechernen Umſchluß einzufaſſen, daß ſie beym Weichwerden wenigſtens nicht aus einander fallen.

Daß friſche Pflanzen dephlogiſtiſirte Luft geben, iſt ebenfalls von Prieſtley ſchon bemerkt worden. D. Ingenhouß aber (Verſuche mit Pflanzen rc. Leipzig, 1780. 8. ) beſtimmte dieſe Entdeckung genauer, und fand, daß friſche Pflanzen, wenn ſie in reinem Waſſer dem Sonnenlichte ausgeſetzt werden, vorzuͤglich aus ihren Blaͤttern und aus der unterſten Flaͤche derſelben eine betraͤchtliche Menge375 der reinſten Luft hergeben, welche ſich in Geſtalt kleiner Blaͤschen aus ihnen entwickelt, und an die Oberflaͤche der Blaͤtter anſetzt. Die Einwirkung des Sonnenlichtes iſt hiebey eine nothwendige Bedingung, weil eben dieſe Pflanzen nach Ingenhouß bey Nacht oder im Schatten eine unreine und verdorbne Luft hervorbringen. Die Blaͤtter und Stengel der Agave americana ſind hiezu beſonders bequem: man kan ſie ſogar in Stuͤcken zerſchnitten noch zu dieſem Gebrauche benuͤtzen. Auch geben die ſaftigen Gewaͤchſe und einige kryptogamiſche Pflanzen, beſonders der Flußwaſſerfaden (Conferva rivularis), die Tremella Noſtoch und die Prieſtleyiſche gruͤne Materie, die dephlogiſtiſirte Luft in vorzuͤglicher Menge (ſ. Ingenhouß uͤber den Urſprung und die Natur der Prieſtleyiſchen gruͤnen Materie, des Flußwaſſerfadens rc. in ſ. Vermiſchten Schriften B. II. S. 127. u. f.). In einigen Pflanzen findet man dieſe Luft ſogar in eignen Behaͤltniſſen abgeſondert, wie in den Fruchtbaͤlgen der Coluthea arboreſcens und in den Blaſen des Fucus veſiculoſus.

Das bloße Brunnenwaſſer giebt, wenn es dem Sonnenlichte ausgeſetzt wird, mit der Zeit eine Menge dephlogiſtiſirter Luft. Da ſich aber dieſelbe nicht eher zu zeigen anfaͤngt, als bis ſich die gruͤne Materie erzeugt hat, die insgemein den Boden und die Seiten der Baſſins mit Brunnenwaſſer bedeckt, den Namen der prieſtleyiſchen gruͤnen Materie fuͤhrt, und nach Ingenhouß mehr zum Thier - als zum Pflanzenreiche gehoͤrt, ſo iſt wohl die Entwickelung dieſer Luft mehr aus der gedachten Materie, als aus dem Waſſer ſelbſt, herzuleiten. Durch langes Stehen am Sonnenlichte wird alle im Waſſer befindliche Luft gereiniget, und endlich in dephlogiſtiſirte verwandelt, daher die ſtets von der Sonne beſchienenen Gewaͤſſer viel zur Verbeſſerung der Atmoſphaͤre beytragen koͤnnen.

Die dephlogiſtiſirte Luft iſt zum Athmen der Thiere weit geſchickter, als die gemeine, und dieſe leben daher in ihr ſechs bis ſiebenmal laͤnger, als in der Letztern. Sie iſt es eigentlich, die wir athmen |und vermittelſt welcher wir leben, daher ihr auch Ingenhouß den Namen der Lebens -376 luft (aer vitalis) beylegt. Bergmann (Anleitung zu chymiſchen Vorleſ. §. 292.) vermuthet ſogar, daß die Bewohner der neugeſchaffnen Erde durch das Athmen der damals noch reinen dephlogiſtiſirten Luft der Atmoſphaͤre ein ſo hohes Alter erreicht haben.

Sie befoͤrdert ferner die Verbrennung in einem ſehr hohen Grade. Eine Kerze brennt, ehe ſie ausloͤſcht, 6 7mal laͤnger in ihr, als in der gemeinen Luft, und mit einer weit glaͤnzendern und groͤßern Flamme und Hitze. Wenn man eine Blaſe mit ihr anfuͤllt, an den Hals derſelben eine glaͤſerne Roͤhre bindet, deren Ende in eine feine Spitze ausgezogen iſt, und die Luft durch Druͤcken der Blaſe heraus gegen eine Lichtflamme treibt, ſo daß die Flamme dadurch in eine horizontale Richtung gebracht wird, ſo ſchmelzen kleine Metallſtuͤckchen und ſogar Platinakoͤrner, die man der Flamme auf einer Kohle entgegen haͤlt, augenblicklich. Kampher und Phoſphorus brennen in dieſer Luft mit einem bewundernswuͤrdigen Glanze, und gluͤhende Kohlen werfen mit Kniſtern Funken umher. Glimmende Dachte, Papier, Zunder gerathen darinn ſogleich in Flammen. Ein feiner ſtaͤhlerner Drath, oder eine Uhrfeder, die man vorher an der Spitze gluͤhend gemacht hat, ſchmelzt und verbrennt darinn mit vielem Funkenwerfen. Zu einigen hieher gehoͤrigen ſchoͤnen Verſuchen hat D. Ingenhouß (Vermiſchte Schriften, I. Band, S. 201. u. f. S. 365. u. f.) Anleitungen gegeben.

Mit brennbarer Luft vermiſcht, giebt dieſe Luftgattung eine ſehr ſtarke Knallluft, die ſich bey Annaͤherung eines brennenden Koͤrpers oder durch den elektriſchen Funken entzuͤndet, und mit einer heftigen Exploſion abbrennt, ſ. Gas, brennbares. Durch das Abbrennen verwandelt ſich dieſe Knallluft groͤßtentheils in Waſſer, wie die Verſuche von Cavendiſh (Verſuche uͤber die Luft und das daraus erfolgende Waſſer, in Crells chym. Annalen, 1785. S. 324. u. f.), Watt (Gedanken uͤber die Beſtandtheile des Waſſers und der dephlogiſtiſirten Luft, ebend. 1786. S. 23. u. f. Blagdens Brief, S. 58. ingl. S. 136. u. f.), und Lavoiſier (in Lichtenbergs Magazin, B. II. St. 4. S. 91. u. f.)377 beweiſen. Der Letztere bediente ſich eines Apparats, womit er in einem uͤber Queckſilber geſtuͤrzten Gefaͤße, dem die Gemeinſchaft mit der aͤußern Luft gaͤnzlich abgeſchnitten war, eine Miſchung von 30 Pinten brennbarer, und 15 bis 18 Pinten dephlogiſtiſirter Luft verbrennen konnte. Sobald das Gemiſch entzuͤndet ward, verdunkelten ſich ſogleich die Waͤnde des Gefaͤßes, und uͤberzogen ſich mit einer großen Menge kleiner Waſſertroͤpfchen, die nach und nach in groͤßere zuſammenfloſſen, herabrannen und die Queckſilberflaͤche mit einer Lage von Waſſer bedeckten, welche am Gewichte beynahe eben ſo viel betrug, als die verbrannten Luftgattungen gewogen hatten. Dieſer Verſuch iſt fuͤr die Lehre von der Erzeugung des Waſſers ſowohl, als fuͤr die Theorie der Verbrennung ſehr wichtig, und leitet auf die Vermuthung, daß das Weſen der dephlogiſtiſirten Luft und des Waſſers in genauer Verbindung ſtehe.

Die reine Luft iſt ſchwerer, als die atmoſphaͤriſche, aber leichter, als fixe Luft. Das Verhaͤltniß der eigenthuͤmlichen Schweren dephlogiſtiſirter und gemeiner Luft iſt nach Prieſtley wie 187: 165, nach Fontana, wie 160: 152, nach de la Metherie, wie 17: 16. Eben dieſer groͤßern Schwere wegen entwickelt ſie ſich auch nach Ingenhouß aus der untern Flaͤche der Pflanzenblaͤtter.

Sie hat eine ſehr ſtarke Anziehung gegen das Phlogiſton, und wird durch alle phlogiſtiſche Proceſſe weit mehr, als die gemeine Luft, vermindert. Wenn ſie ſehr rein iſt, und man zu 2 Maaßen von ihr 2 Maaß ſalpeterartige Luft hinzuthut, ſo wird das ganze aus 4 Maaßen beſtehende Gemiſch in den Raum eines einzigen Maaßes zuſammengezogen, und beſteht nunmehr aus fixer und phlogiſtiſirter Luft. Wenn 2 Maaß dephlogiſtiſirte Luft mit 3 Maaßen ſalpeterartiger eben ſoviel Volumen geben, als 2 Maaß gemeine Luft mit 1 Maaß ſalpeterartiger, ſo ſagt man, die dephlogiſtiſirte Luft ſey dreymal ſo gut, als die gemeine. Die reinſte Luft welche Prieſtley (Exp. and Obſ. Vol. IV. Sect. 25.) aus der Deſtillation einer Queckſilberaufloͤſung in Scheidewaſſer erhielt, war ſo gut, daß ein Maaß davon mit 2 Maaßen ſalpeterartiger Luft vermiſcht, nur den378 Raum von (3 / 100) eines Maaßes einnahm. Dieſe erſtaunliche Verminderung leitet den D. Prieſtley auf die Vermuthung, daß dephlogiſtiſirte und ſalpeterartige Luft in ihrer groͤßten Reinigkeit nach der gehoͤrigen Proportion vermiſcht, vielleicht ihre Luftgeſtalt ganz verlieren und dem Scheine nach verſchwinden wuͤrden. Das Produkt, das ſie alsdann erzeugten, muͤßte, weil es unſichtbar iſt, im Waſſer aufgeloͤſet (vielleicht gar Waſſer ſelbſt) ſeyn.

Die dephlogiſtiſirte Luft laͤßt ſich gar nicht, oder doch nur ſehr ſchwer mit dem Waſſer vermiſchen, wofern dieſes nicht durch Kochen oder Deſtilliren luftleer gemacht iſt. In dieſem Falle aber nimmt es nach Fontana (Philoſ. Trans. Vol. LXIX. p. 439.) etwas mehr dephlogiſtiſirte, als gemeine, Luft in ſich. Es haͤngt aber damit nicht ſehr feſt zuſammen und laͤßt ſich ſchon durch ſtarkes Schuͤtteln wieder davon befreyen.

Dieſe Luftgattung truͤbt das Kalkwaſſer nicht, faͤrbt die Pflanzenſaͤfte nicht und macht das aͤtzende Laugenſalz nicht mild. Sie hat weder Geruch noch Geſchmack, und zeigt uͤberhaupt nicht das geringſte Merkmal einer Saͤure.

Durch Beymiſchung von dephlogiſtiſirter Luft kan ſowohl die phlogiſtiſirte als auch die fixe Luft zum Einathmen und zur Befoͤrderung der Verbrennung geſchickter gemacht werden. Scheele (Von Luft und Feuer, §. 50.) fand, daß in einem Gemiſche aus vier Theilen fixer und einem Theile Feuerluft ein Licht wieder ziemlich gut brannte. Das Wachsthum der Pflanzen aber wird durch dieſe Luftart nicht befoͤrdert.

Was nun die Natur der dephlogiſtiſirten Luft betrifft, ſo nahm Prieſtley dieſelbe ſeinen erſten Verſuchen zufolge fuͤr einen aus Salpeterſaͤure und Erde zuſammengeſetzten Stoff an. Wenn man bedenkt, daß der Salpeter, aus dem man ſoviel dephlogiſtiſirte Luft ziehen kan, dadurch ſeine Saͤure ganz verliert, daß er ſich blos in freyer Luft erzeugt, und daß viele Subſtanzen, z. B. der Schwefel, dennoch eingehuͤllte Saͤure enthalten, wenn ſie gleich kein aͤuſſeres Merkmal derſelben zeigen, ſo faͤllt man ganz natuͤrlich darauf, daß dieſe Luftgattung eine in etwas anders eingehuͤllte379 Salpeterſaͤure ſeyn koͤnne. Prieſtley ſetzt dazu noch in der Vorrede des dritten Bands ſeiner Verſuche dieſe Gruͤnde, daß man aus einer erdichten Subſtanz, aus der man ſchon dephlogiſtiſirte Luft erhalten hat, durch wiederholtes Aufgießen von Salpeterſaͤure immer mehr dergleichen ausziehen koͤnne, bis der erdichte Stoff ganz erſchoͤpft ſey, und daß er bisweilen einen weißen Staub in dieſer Luftgattung bemerkt habe. Fontana (Recherches phyſiques ſur la nature de l' air dephlogiſtique) hat dagegen das Daſeyn einer Erde in der dephlogiſtiſirten Luft beſtritten, weil bey der Verwandlung des Queckſilbers in rothes Praͤcipitat, und der Wiederherſtellung aus demſelben nichts am Gewicht verlohren gehe, und obgleich Prieſtley einen ſolchen Verluſt wirklich beobachtet zu haben glaubt, ſo hat er doch bey ſeinen Verſuchen ein ſo heftiges Feuer angewendet, daß daſſelbe leicht einen Theil des Praͤcipitats hat verfluͤchtigen und dadurch den Verluſt an Gewichte veranlaſſen koͤnnen. Es iſt alſo ſehr zweifelhaft, und vielmehr unwahrſcheinlich, daß ein erdichter Stoff in der dephlogiſtiſirten Luft enthalten ſey.

Wenn aber dies nicht ſtatt findet, ſo wird es auch zugleich unwahrſcheinlich, daß dieſe Luftgattung Salpeterſaͤure enthalte, indem ſie nicht die mindeſten Spuren einer freyen Saͤure an ſich traͤgt. Die Verwandlung der Salpeterſaͤure und ihrer Daͤmpfe in dephlogiſtiſirte Luft laͤßt ſich alsdann auch ſo erklaͤren, daß man dieſe Luft fuͤr das einfache Weſen, und die Salpeterſaͤure fuͤr das zuſammengeſetzte annimmt. So erklaͤrt Fontana (Exp. ſur l' alcali etc. in Rozier Journal de phyſique. 1778.) die Salpeterſaͤure fuͤr ein Gemiſch aus dephlogiſtiſirter Luft und Phlogiſton. Dieſe Hypotheſe erklaͤrt einige Phaͤnomene ſehr leicht, z. B. die Reduction des rothen Praͤcipitats ohne Zuſatz von Phlogiſton. Dieſes Praͤcipitat iſt durch Salpeterſaͤure bereitet, haͤlt alſo noch etwas von derſelben in ſich. Wirkt nun das Feuer ſtark darauf, ſo wird dieſe Saͤure zerſetzt, ihr Phlogiſton verbindet ſich mit dem Kalke, und ſtellt die metalliſche Form wieder her, die dephlegiſtiſirte Luft aber wird entwickelt. Auch wird es hiebey380 leicht begreiflich, warum man gewiſſe Subſtanzen, die kein Phlogiſton enthalten, mit Salpeterſaͤure anfeuchten muß, wenn ſie reine Luft geben ſollen, weil ſich alsdann das Phlogiſton der Salpeterſaͤure mit den Subſtanzen verbindet, und die dephlogiſtiſirte Luft frey wird.

Die Verſuche ſcheinen uͤberhaupt anzugeben, daß dieſe reinſte Gattung der Luft nicht ſo, wie die meiſten uͤbrigen, waͤhrend der Operation erzeugt, ſondern nur entwickelt oder von dem, was ſie vorher gebunden hielt, frey gemacht werde. Die Pflanzen ſaugen im Sonnenſcheine das zu ihrem Wachsthum noͤthige Brennbare aus der Atmoſphaͤre, oder den ſie umgebenden Stoſfen, ein, und laſſen den reinern Theil zuruͤck; die Salpeter-und Vitriolſaͤure, die vielleicht mit dem Phlogiſton naͤher verwandt ſind, als die in der Mennige rc. eingeſchloßne Luft, wenden ſich zu dieſem Phlogiſton und machen die reinere Luft frey. So ſcheint dieſe Luft der reinſte Beſtandtheil der Atmoſphaͤre zu ſeyn, und aus dieſer in andere Koͤrper allein oder mit andern Beſtandtheilen zugleich uͤberzugehen. Je nachdem nun die Koͤrper mit ihr mehr oder weniger verwandt ſind, werden ſie dieſelbe ſchwerer oder leichter, von ſelbſt oder vermittelſt der Hitze und der Saͤuren von ſich geben. Die Salpeterſaͤure kan alſo die Entwicklung dieſer Luftart befoͤrdern, ja auch wohl ſelbſt aus ihrer Miſchung reine Luft hergeben, ohne doch ſelbſt einen Beſtandtheil der dephlogiſtiſirten Luft auszumachen. Es noͤthigen uns alſo die Entwicklung der reinen Luft aus Salpeter, Salpeterſaͤure und deren Daͤmpfen keineswegs, in dieſer Luft die Salpeterſaͤure ſelbſt zu ſuchen, zumal da es ſo viele Methoden giebt, ſie ohne Zuthun dieſer Saͤure zu erhalten.

Die neuern Verſuche uͤber die Verbrennung der brennbaren und dephlogiſtiſirten Luft in verſchloßnen Gefaͤßen haben Veranlaſſung gegeben, die reine Luft fuͤr ein in elaſtiſcher Form dargeſtelltes Waſſer zu halten. Man bekoͤmmt nicht allein Waſſer, wie ſchon im Vorigen angeſuͤhrt iſt, aus der Verbrennung der Knallluft, ſondern es ſcheint ſich auch umgekehrt das Waſſer in brennbare und reine Luft zerlegen zu laſſen. Lavoiſier that in ein mit Queckſilber gefuͤlltes und in Queckſilber umgeſtuͤrztes Glas etwas Waſſer381 mit ſehr reiner Stahlfeile. Nach 24 Stunden fieng das Eiſen an ſich zu verkalken und ward zum Theil roſtig. Zu gleicher Zeit entwickelte ſich eine Menge brennbarer Luft, deren Menge der dephlogiſtiſirten, die das Eiſen bey der Verkalkung in ſich genommen hatte, proportionirt war. Men konnte die Quantitaͤt dieſer eingeſchluckten Luft aus dem vermehrten Gewichte des Eiſens nach ſeiner Trocknung ſchließen. Dieſer Verſuch zeigt alſo eine Zerlegung des Waſſers in brennbare und dephlogiſtiſirte Luft, wovon die erſte ſich abſondert, die letztere hingegen ſich mit dem Eiſen verbindet und deſſen Verkalkung bewirkt (Man ſ. Lichtenbergs Magazin fúr das Neuſte rc. B. II. St. 4. S. 91. u. f.). Aus dieſer Entdeckung, von welcher bey dem Worte Waſſer ausfuͤhrlichere Nachrichten vorkommen werden, ſchließt Watt, welcher ſie ſchon vor Lavoiſiers Verſuchen gekannt hatte (Man ſ. de Luͤc Ideen uͤber die Meteorologie, II. B. §. 678. u. f.), daß die dephlogiſtiſirte Luft nichts weiter, als ein ſeines Phlogiſtons beraubtes und mit der Feuermaterie verbundnes Waſſer ſey. Die Abhandlungen der Herren Cavendiſh und Watt finden ſich in den philoſophiſchen Transactionen vom Jahre 1784. Dieſe Idee, welche de Luͤc den erſten Stral von wahrem Lichte in der Meteorologie nennt, erklaͤrt die Phaͤnomene mit einer bewundernswuͤrdigen Leichtigkeit, und es iſt nicht zu zweifeln, daß ſie durch die Auſſchluͤſſe, welche ſich nach de Luͤc daraus herleiten laſſen, den allgemeinen Beyfall der Naturforſcher erhalten werde.

Die Unterſuchungen der dephlogiſtiſirten Luft haben uns nicht nur eine genauere Kenntniß von der Beſchaffenheit der Atmoſphaͤre und von dem großen Nutzen dieſer Luftgattung fuͤr alles, was athmet und lebet, zugleich mit richtigern Erklaͤrungen vieler Phaͤnomene, z. B. der Verpuffung, des Schieß - und Knallpulvers rc. verſchafft, ſondern auch zu verſchiedenen nuͤtzlichen Anwendungen Anlaß gegeben. Schon Prieſtley (Exp. and Obſ. Vol. II. p. 101.) aͤußerte, daß die reine Luft bey Lungenkrankheiten gute Dienſte thun wuͤrde; es fehlte aber anfaͤnglich an wohlfeilen Arten, ſie zu erhalten, und an bequemen Methoden, ſie von Kranken382 athmen zu laſſen. Dieſem Mangel ſcheint jetzt durch die Erfindung der leichten Art, ſie aus Braunſtein und Salpeter zu ziehen, und durch die bequemen Vorrichtungen, welche zum Athmen derſelben von einigen Aerzten und Phyſikern, insbeſondere von D. Ingenhouß (Ueber die Natur der dephlogiſtiſirten Luft, in ſ. Vermiſchten Schriften, Band II. S. 69. u. f.) und von Achard (Sammlungen phyſ. und chem. Abhandl. B. I. S. 63.) angegeben worden ſind, ziemlich abgeholfen zu ſeyn. Man hat das Einathmen derſelben insbeſondere bey Lungenkrankheiten, und ihr Einblaſen als das wirkſamſte Rettungsmittel fuͤr Perſonen empfohlen, die von ſchaͤdlichen Luftgattungen bis zur Ohnmacht (Aſphyxia) erſtickt ſind. Man hat auch vorgeſchlagen, denen, die ſich in ſchaͤdliche Luftgattungen wagen muͤſſen, Blaſen oder Gefaͤße mit dephlogiſtiſirter Luft, als ein Verwahrungsmittel, mitzugeben. Daß es inzwiſchen beym Gebrauche dieſer Luft in Krankheiten ein gewiſſes Groͤßtes gebe, das man nicht uͤberſchreiten darf, ohne dem Kranken zu ſchaden, hat Herr Lichtenberg (Vorrede zur vierten Aufl. der Erxlebenſchen Anfangsgr. der Naturl. Goͤtt. 1787. 8. S. XXIX. u. f.) ſehr richtig bemerkt. In gewiſſen Krankheiten, z. B. faulen Fiebern, iſt die reine Luft eine Arzney, die wie der Wein, in Maaße gegeben, nuͤtzt, im Uebermaaße ſchaͤdlich und toͤdtlich werden kan, weil ſich die Hitze, die ihr Einathmen verurſacht, durch den ohnehin aͤußerſt erhitzten Koͤrper des Kranken nicht ſo ſchnell, als durch einen geſunden Koͤrper, zu vertheilen im Stande iſt.

Da die dephlogiſtiſirte Luft die Hitze der Flamme ſo betraͤchtlich verſtaͤrkt, ſo hat man ſie auch auf das zu ſo vielen Abſichten nuͤtzliche Loͤthrohr und die Schmelzung angewendet. Man kan zu dem Ende dieſe reine Luft aus einer ans Loͤthrohr gebundnen Blaſe ausdruͤcken, oder ſich eigner Vorrichtungen bedienen, dergleichen Galliſch (Verſuch einer Anwendung der dephlog. Luft aufs Loͤthrohr, in Crells chem. Annal. 1784. S. 31.), Goͤttling (Beſchreibung verſchiedener Blaſenmaſchinen, Erfurt, 1784. 4. ), und Geijer (Schmelzungsverſuche mit Feuerluft in den Schwed. Abhandl. von 1784. V. Band. ) angegeben haben,383 wobey die Feuerluft durch den Druck des Waſſers aus einem Gefaͤße auf die Flamme geleitet wird. Zu groͤßern Schmelzungen mit dephlogiſtiſirter Luft haben Achard (Crells neuſte Entdeck. in der Chem. Th. VIII. S. 79.) und Lavoiſier (Hiſt. de l'Ac. de Paris, 1783.) kleine Oefen angegeben. Methoden reine Luft zu erhalten und zur Schmelzung zu nuͤtzen hat Ehrmann (Verſuch einer Schmelzkunſt mit Beyhuͤlſe der Feuerluft, Strasburg, 1786. gr. 8.) ſehr vollſtaͤndig geſammelt. Man erhaͤlt dadurch einen ungewoͤhnlichen Grad der Hitze und Wirkungen, die man durch das gemeine Feuer auf keine Weiſe erreichen kan.

Gas, eſſigſaures, vegetabiliſch-ſaures, vegetabiliſch-ſaure Luft

(Prieſtley), Eſſigluft, Gas acidum, acetoſum, Aer acidus vegetabilis. Mephitis acetoſa, Gas acide aceteux. Eine mit dem Waſſer miſchbare Gasart, welche Prieſtley aus einer ſehr ſtarken und durch Vitriolſaͤure concentrirten Eſſigſaͤure erhielt, und fuͤr eine in Luftgeſtalt dargeſtellte Pflanzenſaͤure annahm.

Er entwickelte dieſelbe (Exp. and Obſ. Vol. II. p. 23.) durch die bloße Hitze aus einem ſtark concentrirten Weineſſig in einem kleinen Queckſilber-Apparat, wobey er, um ſie von aller Feuchtigkeit zu reinigen, zwiſchen das Glas mit dem Weineſſige und das Queckſilber, wie Taf. X. Fig. 36. zeigt, noch ein Zwiſchengefaͤß angebracht hatte. Sie zeigte ſich weit ſchwaͤcher, als die mineraliſchen Saͤuren, griff das Salz und den Borax gar nicht an, loͤſchte ein Licht aus, verband ſich ſehr leicht und feſt mit dem Waſſer, und zeigte weiter kein beſonderes Phaͤnomen, als daß ſie dem Olivenoͤle, welches andere ſaure Gasarten zaͤher und dunkler machen, vielmehr die gelbe Farbe benahm, und mehr Durchſichtigkeit gab.

Sie unterſchied ſich alſo von der vitriolſauren Luft blos durch dieſe Wirkung auf das Olivenoͤl und durch ihren Geruch. Und da ſie mit laugenartiger Luft vermiſcht, ihre Elaſticitaͤt verlohr, eine weiße Wolke bildete, und an den Waͤnden des Gefaͤßes ein Pulver anlegte, das einem Schwefel ziemlich aͤhnlich ſah, da uͤberdis der gebrauchte Weineſſig durch384 Vitriolſaͤure concentrirt worden war, ſo zweifelt Prieſtley ſelbſt, ob das, was er erhielt, etwas anders, als vitriolſaures Gas, geweſen ſey, und ob es eine eigne von den uͤbrigen Gasarten verſchiedene vegetabiliſch-ſaure Luft gebe.

De la Metherie (Eſſai analytique ſur l'air pur et les differentes eſpeces de l'air. à Paris, 1785. 8. p. 212.) hat ſich zur Erzeugung der vegetabiliſch-ſauren Luft des Gruͤnſpans bedient. Ervermiſchte ihn mit Vitriolſaͤure, erwaͤrmte das Gefaͤß mit einem brennenden Wachsſtocke, und fieng die Luft in einem kleinen Queckſilber-Apparat auf. Dieſes leichte Verfahren kan wenigſtens dienen, ein ſolches Gas in Menge zu weitern Unterſuchungen zu bereiten, wobey es ſich zeigen wird, ob es in mehrern Umſtaͤnden von dem vitriolſauren Gas unterſchieden ſey. Daß ſich die Eſſigſaͤure, ſo wie auch andere Pflanzenſaͤuren, z. B. die des Weinſteins und Zuckers, in Luftgeſtalt werden darſtellen laſſen, iſt wohl nicht zu zweifeln, wenn es auch auf den bisher verſuchten Wegen nicht angehen ſollte.

Gas, fluͤchtig alkaliſches, ſ. Gas, laugenartiges.

Gas, flußſpathſaures, ſpathſaures, Flußſpathgas, Flußſpathſaure Luft, luftige Flußſpathſaͤure, Gas fluoris mineralis, Gas acidum ſpathoſum, Aer acidus ſpathoſus, Mephitis fluoris mineralis, Gas acide ſpathique, Air acide ſpathique.

Eine in Luftgeſtalt dargeſtellte Flußſpathſaͤure, welche man aus dem phoſphoreſcirenden gruͤnlichen oder blaͤulichen Flußſpathe vermittelſt aufgegoßner concentrirter Vitriolſaͤure bey einer gelinden Waͤrme erhaͤlt.

Die Entdeckung dieſer beſonders merkwuͤrdigen Gasart war eine Folge der Verſuche, welche Scheele uͤber die Saͤure des Flußſpaths, phoſphoreſcirenden Spaths, oder unaͤchten Smaragds (Fluor ſpathoſus, Fluor mineralis, facie ſpathoſa, particulis nitentibus, Waller. ) anſtellte, ſ. Flußſpathſaͤure. Er deſtillirte dieſen Spath mit ſtarker Vitriolſaͤure, und ſahe eine Menge erdichte Materie, |wie gepuͤlverten Sand, mit uͤbergehen, die385 auf dem Waſſer in der Vorlage eine ſteinichte Rinde bildete, und die er anfaͤnglich fuͤr ein durch die Saͤure verwandeltes Waſſer hielt (Schwed. Abhdl. B. XXXIII. S. 122. u. f.). Prieſtley, welcher von Scheelens neuer Entdeckung einer eignen Flußſpathſaͤure Nachricht bekam, verſchafte ſich den noͤthigen Spath von Derbyſhire, welchen man in England zu Vaſen und Verzierungen der Camine verarbeitet, und verſuchte dieſe Saͤure vermittelſt des Vitrioloͤls im Queckſilber-Apparat in Luftgeſtalt zu erhalten (Exp. and Obſ. Vol. II. p. 189. ſq.). Es gelang ihm auch, eine Menge ſolches Gas zu ſammlen, welches, als er Waſſer hinzuließ, ſich zuſammenzog, und eine weiße Erde auf der Waſſerflaͤche abſetzte. Er konnte nicht muͤde werden, dieſe ſcheinbare augenblickliche Verwandlung der Luft in einen ſteinichten Koͤrper zu bewundern. Eine Blaſe von dieſem Gas durchs Queckſilber in das Waſſer gebracht, verwandelte ſich bey der erſten Beruͤhrung in eine ſteinichte Kugel, welche in der Folge zerſprang, und ihre Truͤmmern wie ein zartes Gewebe auf der Waſſerflaͤche verbreitete. Mehrere Kugeln hiengen zuſammen und bildeten Cylinder, und aus mehrern Cylindern entſtanden Verbindungen von Roͤhren in Geſtalt der Orgelpfeifen. So neu und auffallend dieſe Erſcheinung iſt, ſo laͤßt ſie ſich doch nunmehr, da man die Wirkungen der Flußſpathſaͤure genauer kennt, ganz natuͤrlich erklaͤren.

Man erhaͤlt dieſe Gasart ſehr leicht, wenn man die klein geſchlagnen Stuͤcken Spath in ein Glas mit eingeriebenem Stoͤpſel und durchgehendem Rohre ſchuͤttet, und etwas Vitrioloͤl darauf gießet. Das Gas wird alsdann, anfaͤnglich ohne alle Waͤrme, in der Folge aber bey einer ſehr gelinden Hitze entbunden, und kan im Queckſilber-Apparat aufgefangen werden.

Die Eigenſchaften dieſer Gasart ſind folgende. Sie wird vom Waſſer ſchnell verſchluckt, und verwandlet daſſelbe in wahre Flußſpathſaͤure. Man kennt auch keine andere Flußſpathſaͤure, als die, welche auf dieſe Art verbreitet iſt. Die Flußſpathluft iſt weit ſchwerer, als die gemeine (nach Fontana im Verhaͤltniſſe 3: 1), loͤſcht die Flamme aus,386 und toͤdtet die Thiere ſchnell. Sie hat einen ſauren Geſchmack und den ſauren ſafranartigen Geruch der Kochſalzſaͤure, roͤthet die Lakmustinktur, truͤbt das Kalkwaſſer, und loͤſet, wenn ſie erhitzt wird, das Glas und die Kieſelerde auf. Wenn ſie in glaͤſernen Gefaͤßen entbunden wird, oder Kieſelerde mit dem Flußſpathe vermengt iſt, ſo ſetzt ſie, ſobald ſie Waſſer beruͤhrt, die erwaͤhnte kieſelartige Rinde ab; dies geſchieht aber nicht, wenn man ſie in metallnen Gefaͤßen aus reinem Spathe entwickelt. In der atmoſphaͤriſchen Luft nimmt ſie die Geſtalt einer weißen Wolke an.

Dieſe Eigenſchaften bringen es zur voͤlligen Gewißheit, daß die Flußſpathluft nichts anders, als eine durchs Feuer in den luftfoͤrmigen Zuſtand verſetzte Flußſpathſaͤure ſey. Da dieſe Saͤure die einzige unter allen iſt, welche die Kieſelerde aufloͤſet, und alſo das Glas angreift, ſo erklaͤrt ſich die Entſtehung der ſteinichten Rinde ſehr leicht. Die Spathluft nemlich greift das glaͤſerne Gefaͤß und die Roͤhren an, durch die ſie hindurch geht, und nimmt eine Menge Kieſelerde aufgeloͤſet in ſich. Bey der Beruͤhrung mit dem Waſſer, mit welchem die Spathluft in noch genauerer Verwandſchaft ſteht, wird dieſe Erde in feſter Geſtalt niedergeſchlagen. Wenn man die erzeugte ſteinichte Rinde durch wiederholtes Abwaſchen von aller Saͤure befreyt, ſo verwandelt ſie ſich in ein weißes Pulver, das eben ſo feuerbeſtaͤndig, als der Quarz und Kieſel, und ſelbſt im Brennpunkte unſchmelzbar iſt, in eine wahre Kieſelerde. Dies beſtaͤtiget ſich noch mehr dadurch, daß die Erzeugung der ſteinichten Rinde wegfaͤllt, wenn man die Operation in metallnen Gefaͤßen vornimmt, weil alsdann die Spathluft keine Kieſelerde in ſich nehmen kan. Dies lehrt uns den ſonſt kaum glaublichen Satz, daß dieſe ſo ſchwere feſte und feuerbeſtaͤndige Erde dennoch verfluͤchtiget, ja ſogar in ein luftfoͤrmiges elaſtiſches Aggregat gebracht werden koͤnne.

D. Prieſtley erklaͤrte die Spathluft fuͤr eine Vitriolſaͤure, welche etwas Phlogiſton und die Erde des Flußſpaths bey ſich fuͤhre. Er wußte damals noch nicht, daß die Erde in ihr fehlet, wenn ſie nicht durch Glas gegangen387 iſt, auch war es noch nicht ſo gewiß erwieſen, daß der Flußſpath eine eigne Saͤure habe. Er glaubte durch einen entſcheidenden Verſuch erweiſen zu koͤnnen, daß dieſes Gas von vitriolſaurer Art ſey. Wenn man nemlich das mit ihm impraͤgnirte Waſſer einer gelinden Hitze ausſetzt, ſo geht eine elaſtiſche Materie heraus, die der vitriolſauren Luft ganz aͤhnlich iſt, und ſich mit dem Waſſer verbindet, ohne eine Rinde abzuſetzen. Dieſer Verſuch iſt aber ſehr leicht zu erklaͤren: die im Waſſer enthaltene Luft nemlich hatte die. Kieſelerde ſchon vorher abgeſetzt, als ſie ſich mit dem Waſſer verband, und da ſie jetzt wieder unmittelbar aus Waſſer in Waſſer uͤbergieng, ohne Glas zu beruͤhren, ſo war auch kein weiterer Niederſchlag einer Kieſelerde moͤglich. Auch gelang es ihm nicht, die vitriolſaure Luft durch hineingebrachten Flußſpath, auf weichen er den Brennpunkt einer Glaslinſe hinlenkte, in Spathluft zu verwandeln ein deutliches Zeichen, daß die aufgeloͤſte Erde nicht aus dem Flußſpathe komme. Er fand auch, daß das mit Spathluft geſchwaͤngerte Waſſer weit ſpaͤter gefriere, als das mit vitriolſaurer Luft impraͤgnirte. Endlich bemerkte er ſelbſt (Exp. and Obſ. Vol. IV. p. 434.), daß dieſe Luft das Glas angreife. Man findet uͤbrigens Prieſtleys und Monnets Gruͤnde wider die Eigenthuͤmlichkeit der Flußſpathſaͤure, die ſie vielmehr fuͤr eine Vitriolſaͤure halten wollten, in ihren in den leipziger Sammlungen zur Phyſik und Naturgeſchichte (I. Band 3 Stuͤck, S. 290 u. f.) uͤberſetzten Abhandlungen.

Uebrigens ſchlucken auch der Weingeiſt und Aether die Spathluft ein, ohne ihre Entzuͤndbarkeit und Durchſichtigkeit zu verlieren. Der Alaun, der lebendige und rohe Kalk und die Holzkohlen nehmen auch einen Theil dieſer Luft in ſich, da hingegen Terpentinoͤl, Schwefel und Schwefelleber, Kuͤchenſalz, Salmiak, Eiſen und Gummilak keine Wirkung darauf aͤußern.

Gas, hepatiſches, hepatiſche Luft, Schwefelleberluft, ſtinkende Schwefelluft

(Scheele) Gas hepaticum, Aer hepaticus, Mephitis hepatica, Gas he -388 patique, Air hepatique. Eine mephitiſche entzuͤndliche und mit dem Waſſer miſchbare Gasart, die man aus den Schwefellebern (d. i. aus Verbindungen des Schwefels mit Laugenſalzen, alkaliſchen Erden oder einigen Metallen) vermittelſt der Salz - oder Vitriolſaͤure erhaͤlt. Die Entdeckung dieſer Gasart ſind wir Herrn Bergmann (De mineris Zinci, §. 8. 9. in Opuſc. To. II. ) ſchuldig, der ſie zuerſt aus der ſogenannten ſchwarzen Blende (Pſeudogalena nigra Danemorenſis), einem ſchwefelhaltigen Zinkerz, durch aufgegoßne Vitriolſaͤure erhielt.

Man kan dieſelbe aus allen Schwefellebern durch Aufguß einer Saͤure, vorzuͤglich der Salzſaͤure ziehen, aber nicht durch Salpeterſaͤure (Bergmann Anl. zu chem. Vorleſungen, §. 310.). Auch aus den kuͤnſtlich bereiteten metalliſchen Schwefellebern, z. B. aus gleichen Theilen von fein geriebnem Braunſtein und gepuͤlvertem Schwefel, aus 3 Theilen Eiſenfeile und 2 Theilen Schwefel bekoͤmmt man hepatiſche Luft, wenn man dieſe Gemenge in einer Retorte ſo lange erhitzt, bis kein Schwefel mehr aufſteigt, und dann eine Saͤure aufgießt. Die ſpaniſche Soda, eine laugenartige Subſtanz, welche zugleich Schwefel haͤlt, giebt nach Gmelin (Einl. in die Chymie. Nuͤrnb. 1780. 8. §. 33.) mit Vitriol-Salz - oder Eſſigſaͤure ein entzuͤndliches Gas, welches hepatiſch iſt. Scheele (Von Luft und Feuer, S. 150.) hat ſelbſt aus Kohlenſtaub und Schwefel, und (S. 154.) aus Baumoͤl und Schwefel durch ſtarke Hitze dergleichen erhalten, welche Erfahrung ſogar van Helmont (De flatibus, §. 7.) ſchon kannte.

Dieſes Gas hat den ausnehmend ſtarken ſtinkenden Geruch der faulen Eyer oder der aufgeloͤſten Schwefelleber. Es toͤdtet die Thiere, und loͤſcht die Lichter aus. Mit atmoſphaͤriſcher Luft vermiſcht brennt es bey Annaͤherung eines Lichts oder durch den elektriſchen Funken mit einer roͤthlich blauen Flamme, und ſetzt dabey an die Waͤnde des Gefaͤſſes etwas Schwefel ab. Mit dreymal ſo viel atmoſphaͤriſcher Luft verbrennt es ſchneller und mit einem Schlage. Es roͤthet die Lakmustinctur nicht, und faͤrbt den Violenſyrup gruͤnlich. Es truͤbt das Kalkwaſſer nicht. Wenn389 man es uͤber Queckſilber mit atmoſphaͤriſcher oder dephlogiſtiſirter Luft vermiſcht, ſo vermindert ſich das Volumen beyder Luftgattungen, die hepatiſche Luft laͤßt den Schwefel fallen, und die reſpirable wird phlogiſtiſirt und verdorben.

Das Waſſer nimmt die hepatiſche Luft ſehr willig in ſich, und koͤmmt alsdann mit dem Waſſer der Schwefelbaͤder, ſ. Baͤder, warme, uͤberein (Bergmann de aquis medicatis, calidis arte parandis, in Opuſc. Vol. I. p. 229. ſq.) Wenn es heiß iſt, loͤſet es weniger davon auf. In der mittlern Temperatur nehmen 100 Cubikzoll Waſſer etwa 60 Cubikzoll hepatiſches Gas in ſich. Nach Hahnemann (Von der Arſenikvergiftung. Leipz. 1786. 8. S. 26) nehmen 42000 Gran kaltes Waſſer ſo viel hepatiſche Luft auf, daß 100 Gran Schwefel dadurch aufgeloͤſet ſind. Das dadurch entſtandene Schwefelwaſſer hat einen ſtarken Schwefellebergeruch, einen ſtarken ſuͤßlichen ekelhaften Geſchmack, und ſieht klar und hell aus, ſo lange es noch nicht an der Luft geſtanden hat. Es roͤthet die Lakmustinktur nicht, wenn nicht die zur Bereitung gebrauchte Schwefelleber mit mildem Laugenſalze verfertigt geweſen iſt, in welchem Falle unter der hepatiſchen etwas fixe Luft befindlich iſt, die die Lakmustinktur roͤthen und das Kalkwaſſer truͤben kan. Durch Kochen in ofnen Gefaͤßen wird die hepatiſche Luft ganz aus dem Waſſer getrieben. Durch lange Beruͤhrung mit gemeiner Luft, ingleichen durch Salpeterſaͤure wird das Phlogiſton aus dem Schwefelwaſſer gezogen, der uͤble Geruch verſchwindet und der Schwefel ſchlaͤgt ſich nieder. Daher koͤmmt der Schwefel, den einige warme Baͤder, z. B. die aachner, an der Luft abſetzen. Geſaͤttigtes Schwefelwaſſer ſchlaͤgt die Metalle aus ihren Aufloͤſungen in Saͤuren mit verſchiedenen Farben nieder, ſchwaͤrzt das Silber und Queckſilber und loͤſet die Eiſenfeile auf.

Nach Bergmanns Meynung beſteht die hepatiſche Luft aus Phlogiſton und Schwefel, welche durch den Beytritt gebundener Waͤrme die Luftgeſtalt erhalten haben. Alle Subſtanzen, die das Brennbare ſtark anziehen, z. B. reine Luft, ſcheiden aus ihr den Schwefel ab, und werden phlogiſtiſirt. Waͤre die hepatiſche Luft blos luftfoͤrmiger390 Schwefel, ſo wuͤrde ſie durch die reine Luft bey Abſonderung des Brennbaren in vitriolſaure Luft verwandelt werden muͤſſen. Die Entſtehung dieſer Gasart erklaͤrt Herr Gren (Syſtematiſches Handbuch der Chemie, Halle, 1787. gr. 8. Erſter Theil, §. 770.) aus dem ſchwachen Zuſammenhange der Beſtandtheile des Schwefels in der Schwefelleber, wobey die Laugenſalze, Erden oder metalliſchen Theile die Vitriolſaͤure des Schwefels ſtaͤrker, als ſein Phlogiſton, anziehen, und alſo gleichſam einen Theil des Phlogiſtons frey machen, wodurch bey der Entbindung dieſer Luftart ein Theil des Schwefels mit mehrerm Phlogiſton verbunden und durch die Waͤrme luftfoͤrmig wird.

Gas, laugenartiges, fluͤchtig-alkaliſches, fluͤchtig-alkaliſche Luft, laugenſalzige Luft, urinoͤſe Luft, Gas alcalinum volatile, Aer alcalinus, Mephitis urinoſa, Gas alcali-volatil.

Eine mephitiſche entzuͤndbare, mit dem Waſſer miſchbare Gasart, die man aus dem fluͤchtigen Laugenſalze erhaͤlt, indem man entweder das aͤtzende fluͤchtige Alkali ſelbſt, oder den Salmiak mit hinzugethanem Kalk oder Mennige erhitzt ein fluͤchtiges Laugenſalz in Luftgeſtalt.

Prieſtley (Exp. and Obſ. Vol. I. der deutſch. Ueberſ. S. 159. u. f.) ward durch ſeine Entdeckung der ſalzſauren Luft auf die Vermuthung geleitet, daß ſich vielleicht mehrere Salze auf eine aͤhnliche Art wuͤrden bearbeiten laſſen. Er fand dies auch beſtaͤtiget, und erhielt aus dem Hirſchhornſalze und fluͤchtigen Salmiakſalze durch die bloße Erwaͤrmung an der Lichtflamme eine elaſtiſche Materie, die ſich zwar von den uͤbrigen Gasarten unterſchied, aber noch ſehr viele fixe Luft enthielt. Fortgeſetzte Verſuche lehrten ihn Methoden, ſie reiner zu entwickeln.

Man erhaͤlt dieſe laugenartige Luft am beſten, wenn man ſtarken aͤtzenden Salmiakgeiſt (Spiritus ſalis ammoniaci cum calce viva paratus) in einem Kolben gelind erhitzt und das aufſteigende Gas im Queckſilber-Apparat auffaͤngt. Statt des fertigen aͤtzenden Laugenſalzes kan man aber auch 2 Theile ungeloͤſchten Kalk und einen391 Theil gemeinen Salmiak oder 9 Theile Mennige und 4 Theile Salmiak nehmen. Die fixen Laugenſalze und das milde fluͤchtige, geben bey dieſer Behandlung entweder gar kein Gas, oder blos fixe Luft, oder doch eine mit ſehr viel fixer Luft vermiſchte laugenartige.

Da bey dem vorgeſchriebenen Verfahren viel waͤſſerichte Theile mit uͤbergehen, ſo thut man wohl, wenn man ſich auch hier des Taf. X. Fig. 36. vorgeſtellten Zwiſchengefaͤßes bedienet.

Die urinoͤſe Luft hat den durchdringenden faſt erſtickenden Geruch des aͤtzenden Salmiakgeiſts, und einen ſcharfen, aͤtzenden urinoͤſen Geſchmack. Sie faͤrbt den Veilchenſyrup gruͤn. Sie wird vom Waſſer gaͤnzlich verſchluckt, und verwandlet das deſtillirte in einen wahren aͤtzenden Salmiakgeiſt, wobey viel Waͤrme frey wird. Eis ſchmelzt daher ſehr ſchnell in ihr, und wird dann auch Salmiakgeiſt, wobey wieder Kaͤlte entſteht. Das Kalkwaſſer truͤbt ſie gar nicht; loͤßt ſich aber doch nach und nach darinn auf, und ſchlaͤgt lebendigen Kalk daraus nieder. Sie toͤdtet die Thiere, und loͤſcht Lichter aus. Doch entzuͤndet ſie ſich im reinen Zuſtande etwas, oder vergroͤßert vielmehr die Lichtflamme auf einen Augenblick. Sie iſt leichter, als die gemeine Luft (nach Fontana im Verhaͤltniß 7: 15), und wird durch die Hitze mehr, als die gemeine, ausgedehnt.

Mit atmoſphaͤriſcher Luft vermiſcht entzuͤndet ſie ſich mit einem Knalle, und brennt mit einer ſchwachen Flamme. Der elektriſche Funken vergroͤßert alsdann nach Prieſtley (Exp. and Obſ. Vol. II. p. 239.) ihr Volumen, und verwandelt ſie in brennbare Luft. Einige glauben, es komme ihr dieſe Entzuͤndbarkeit nicht weſentlich zu, ſondern zeige ſich nur, wenn ſie aus einem mit vielem Phlogiſton verſehenen Laugenſalze entbunden oder ſonſt mit Brennbarem verſetzt worden ſey, womit ſie eine ſehr große Verwandſchaft hat. Es iſt aber auch anjetzt ſehr wahrſcheinlich, daß das fluͤchtige Alkali weſentlich Phlogiſton enthalte. Mit den reſpirablen Luftgattungen, ingleichen mit hepatiſcher und nitroͤſer Luft vermiſcht oder mengt ſie ſich, ohne zerſetzt zu werden. 392

Mit den ſauren Luftarten zeigt ſie eines der auffallendſten Phaͤnomene in der ganzen Phyſik, da nemlich zwo unſichtbare Subſtanzen im Augenblicke ihrer Beruͤhrung die Elaſticitaͤt verlieren, und einen feſten weißen Salmiak erzeugen. Hiebey werden zur Saͤttigung auf zwey Maaß laugenartige Luft, von der ſalzſauren Luft zwey Maaß, von der vitriolſauren ein Maaß und von rothen Salpeterdaͤmpfen 2 / 5 Maaß erfordert. Auch die Saͤuren ſelbſt in der fluͤßigen Geſtalt verſchlucken die laugenartige Luft, und werden dadurch in wahre Salmiakaufloͤſungen verwandelt, wobey ſich viele Waͤrme entwickelt. Mit der Luftſaͤure wird die alkaliſche Luft zu einem milden fluͤchtigen Alkali, das ſich in kryſtalliniſcher Form an die Waͤnde des Gefaͤßes anlegt.

Dieſe Eigenſchaften zeigen deutlich, daß dieſe Gasart das fluͤchtige Laugenſalz ſelbſt ſey, welchem der damit verbundne Waͤrmeſtof eine luftfoͤrmige Geſtalt gegeben hat. Dieſe gebundene Waͤrme wird frey, wenn Waſſer, Saͤuren rc. das Laugenſalz anziehen. Auch das Eis macht Waͤrme frey, aber das Schmelzen deſſelben bindet ſie wieder, und noch mehr dazu, daher entſteht hiebey Kaͤlte. Es erklaͤrt ſich ferner hieraus, warum man das aͤtzende fluͤchtige Alkali nicht in trockner Geſtalt darſtellen kan, weil es ſich nemlich allezeit in Luftgeſtalt entbindet und alſo einen Koͤrper finden muß, der es aufloͤſet und in ſich nimmt.

Gas, mephitiſches

(Macquer), Kalkgas (Keir), wildes Gas oder weinigtes Gas (van Helmont), fixe Luft (Black, Prieſtley), kuͤnſtliche Luft (Boyle), mephitiſche Saͤure (Bewley), Luftſaͤure (Bergmann), Kreidenſaͤure (Bouquet), Sauerluft (Ingenhouß), Gas mephiticum, calcareum, ſilveſtre, vinoſum, Mephitis vinoſa, acidula, Aer fixus, Aer factitius, Acidum mephiticum, Acidum aëreum ſ. atmoſphaericum, Acidum cretae, Gas méphitique, calcaire, Air fixe, Acide méphitique, Acide crayeux. Das mephitiſches Gas oder die fixe Luft iſt diejenige mit dem Waſſer miſchbare, nicht reſpirable Gasart, welche bey der Weingaͤhrung aus den Koͤrpern393 hervorgeht, und aus den milden Laugenſalzen und alkaliſchen Erden durch Saͤuren entwickelt wird.

Dieſe Luftgattung iſt vielleicht unter allen uͤbrigen, die gemeine Luft ausgenommen, den Menſchen zuerſt bekannt geworden; aus ihr beſtehen die erſtickenden Schwaden oder die boͤſen Wetter der Bergleute, die man ſonſt den durch die Luft verbreiteten unterirdiſchen Ausduͤnſtungen zuſchrieb. Van Helmont bemerkte um die Mitte des 16ten Jahrhunderts, daß ſich dieſer erſtickende Dampf auch uͤber der Oberflaͤche gaͤhrender Koͤrper befinde, und gab ihm daher den Namen Gas vinoſum. Boyle machte unter andern zahlreichen Erfahrungen uͤber die aus den Koͤrpern entwickelten luftfoͤrmigen Stoffe, auch dieſe, daß geſtoßene und in deſtillirten Weineſſig geſchuͤttete Korallen und Auſterſchalen Luft erzeugten, die er kuͤnſtliche Luft (ſactitious air) nannte, und woruͤber er ſeine Verſuche ſchon am 15ten Maͤrzt 1664 derjenigen Geſellſchaft von Gelehrten vorlegte, aus welcher bald darauf die koͤnigliche Societaͤt zu London entſtand. Man nahm ſie damals, ſo wie andere von Boyle entwickelte Gasarten, fuͤr gemeine Luft, welche ihre Elaſticitaͤt verlohren habe, und ſich als Element in der Grundmiſchung der Koͤrper befinde. Es iſt zu verwundern, daß man ſo lange Zeit angeſtanden hat, dieſen Gegenſtand genauer zu unterſuchen.

Erſt im Jahre 1756 ſetzte D. Black in Edinburgh die von Boyle angefangenen Verſuche fort, und fand, daß ſich eben die Luft, welche jener erhalten hatte, aus allen kalkartigen oder laugenartigen Koͤrpern hervorbringen ließ. Er nannte ſie fixe Luft, weil ſie vor ihrer Entwickelung in den Koͤrpern feſtgehalten oder gebunden war, und man damals noch nicht ſo beſtimmt wußte, daß ſich auſler ihr noch ſo viele andere vorher ebenfalls gebundene Gasarten freymachen ließen.

Prieſtley, der durch ſeine Erfahrungen die weſentliche Verſchiedenheit der mehrern Luftgattungen genauer beſtimmte, ließ dennoch denjenigen, die man ſchon vor ihm gekannt hatte, ihre alten Namen, behielt alſo auch fuͤr dieſe den Namen der fixen Luft bey, obgleich derſelbe viel zu allgemein394 iſt, und allen Gasarten zukoͤmmt. Die Alten (Virgil. Aen. VII. v. 84. Perſ. Sat. III. v. 99.) nannten die ſchwefelartigen Schwaden in der Atmoſphaͤre Mephites; daher man theils allen nicht reſpirablen Gasarten mit Prieſtley den Namen der mephitiſchen beygelegt, theils auch die hier beſchriebne beſondere Gattung mit Macquer das mephitiſche Gas genannt hat. Die ſchicklichſte unter allen iſt die von Bergmann gewaͤhlte Benennung der Luftſaͤure, da dieſe Gattung ohne Zweifel eine eigne Saͤure in Luftgeſtalt iſt.

Man erhaͤit das mephitiſche Gas aus den milden alkaliſchen Erden und Salzen durch aufgegoßne Saͤuren, und durch Feuer; man bekoͤmmt es auch aus den in der Weingaͤhrung befindlichen Koͤrpern. Die leichteſte Methode iſt, ſich der Taf. X. Fig. 35. vorgeſtellten Vorrichtung ſo zu bedienen, wie es bey dem Worte: Gas, brennbares, angezeigt worden iſt, nur daß in die Flaſche FG, Kreide oder geſtoßner Marmor gethan, und Vitrioloͤl mit 4 5mal ſo viel Waſſer verduͤnnt aufgegoſſen wird. Es entſteht hiebey ein ſtarkes Aufbrauſen, und die haͤufig entwickelte Luftſaͤure geht durch das gebogne Rohr und durch das Waſſer im umgeſtuͤrzten Cylinder in den obern Raum des letztern bey K uͤber. Man kan aber auch anſtatt des Marmors oder der alkaliſchen Erden ein jedes der drey Laugenſalze, und ſtatt des Vitrioloͤls eben ſowohl Salzgeiſt, Scheidewaſſer oder jede andere Saͤure gebrauchen. Die erhaltene fixe Luft iſt in allen dieſen Faͤllen immer einerley und hat eben dieſelben Eigenſchaften.

Durch die Wirkung des Feuers erhaͤlt man dieſes Gas aus den Kalkerden, wenn man ſie in einer glaͤſernen Retorte im Sandbade, oder in einer irdenen Retorte unmittelbar der Hitze ausſetzt. Metallne Gefaͤße oder Flintenlaͤufe darf man hiezu nicht gebrauchen, weil aus ihnen Phlogiſton mit uͤbergeht. Ueberhaupt geben faſt alle Materien, die man dem Feuer ausſetzt, unter andern Gasarten, welche ſich daraus entwickeln, auch etwas fixe| Luft; vorzuͤglich aber die alkaliſchen Subſtanzen. 395

Nach Cavendiſh (Phil. Transact. 1776.) enthaͤlt der Marmor (407 / 1000) ſeines Gewichts, die Weinſteinkryſtallen (428 / 1000) des ihrigen, und der fluͤchtige Salmiak (528 / 1000) des ſeinigen, fixe Luft; nach Bergmann (De acido aëreo, Sect. VII. ) das Weinſteinſalz (33 / 100); nach Iacquin (Examen doctrinae Mayerianae de acido pingui) der Kalkrahm (13 / 32) ſeines Gewichts. Boyle, Boerhaave und Hales haben ſchon die bey verſchiedenen aͤhnlichen Proceſſen entbundenen Quantitaͤten des luftfoͤrmigen Stofs beſtimmt angegeben; da ſie aber die unterſcheidenden Kennzeichen der Luftſaͤure nicht kannten, ſo kan man nicht wiſſen, ob dieſe Quantitaͤten ganz aus Luftſaͤure beſtanden haben.

Auch wird bey jeder Verbrennung, nur die des Schwefels und der Metalle ausgenommen, fixe Luft entwickelt. Ein Licht, das unter einer in Kalkwaſſer umgeſtuͤrzten Glocke brennt, ſchlaͤgt ſogleich den Kalk nieder, welches ein unfehlbares Kennzeichen einer Gegenwart der Luftſaͤure iſt. Bey der Verkalkung der Metalle zeigt ſich keine fixe Luft, bey der Reduction der Kalke aber koͤmmt nebſt der dephlogiſtiſirten Luft immer auch etwas fixe und bisweilen lauter fixe zum Vorſchein.

Man kan endlich auch durch die Gaͤhrung dieſe Gasart erhalten. Prieſtley bediente ſich dieſes Mittels bey ſeinen erſten Verſuchen in einem nahe bey ſeiner Wohnung gelegenen Brauhauſe. Ueber dem Gebaͤude, wenn es auf der Kufe in Gaͤhrung tritt, befindet ſich gemeiniglich eine 9 12 Zoll (nach dem Duͤc de Chaulnes oft auf 4 Schuh) hohe Schicht fixer Luft, in die man nur eine Flaſche mit auſwaͤrts gekehrter Oefnung haͤngen darf. Die fixe Luft ſenkt ſich durch ihre Schwere von ſelbſt in die Flaſche hinein, und treibt die leichtere gemeine Luft aus der Oefnung derſelben heraus. Man kan auch einen mit Waſſer gefuͤllten und in Waſſer umgeſtuͤrzten Glascylinder nahe an das Bier ſelbſt (wo die fixe Luft am reinſten iſt) bringen, und durch Aufheben des Cylinders Blaſen von derſelben in ihn aufſteigen laſſen.

Von Natur findet ſich die fixe Luft in Gruben, Hoͤlen Brunnen und andern Plaͤtzen, denen der Luftzug mangelt,396 wo ſie durch eine natuͤrliche Gaͤhrung oder Verbrennung, z. B. in der Nachbarſchaft der Vulkane, Kieſe u. dgl. entſtehen kan. Schon ſeit mehrern Jahrhunderten kennt man die Hundsgrotte (Grotta del cane) bey Neapel wegen der auf ihrem Boden ruhenden Schicht von fixer Luft, welche aus den Spalten der Erde hervordringt. Nahe am Boden dieſer Grotte ſterben die Thiere unter heftigen Zukkungen, oder werden wenigſtens auf einige Zeit der Empfindung beraubt, und die hineingebrachten Fackeln und Lichter verloͤſchen. Der Dampf der Kerzen verbreitet ſich in der etwa 14 Zoll hohen Schicht uͤber dem Boden, und ſinkt, wenn man ihn zur Hoͤhle hinaustreibt, in der gemeinen Luft nieder, in der ſonſt der Rauch in die Hoͤhe ſteiget. Der Boden um dieſe Grotte hat viele warme Quellen, Ausbruͤche von Rauch rc., und ſehr nahe dabey iſt die bekannte Solfatara, eine ganz ſchweflichte und ſtets dampfende Gegend. Die boͤſen Wetter der Bergwerke loͤſchen die Grubenlichter aus, und erſticken bisweilen die Arbeiter, die ihnen zu nahe kommen. Sie legen ſich auf den Boden oder auf das Liegende, ſo wie die brennbaren Daͤmpfe am Hangenden ſchweben. Von eben dieſer Art ſind die erſtickenden Schwaden in den Kellern, wo Bier oder Moſt gaͤhrt.

In den Geſundbrunnen befindet ſich viel fixe Luft, ſ. Geſundbrunnen, welche oft auch als eine Schicht uͤber der Oberflaͤche ihrer Quellen ſchwebet. Sie giebt ſowohl ihnen, als den abgegohrnen Liquoren, welche noch immer viel fixe Luft enthalten, den angenehmen ſtechenden Geſchmack; daher man ſchale Biere oder Weine durch zugeſetzte fixe Luft oder durch Vermiſchung mit jungem gaͤhrendem Biere oder Moſte wieder herſtellen kan. Darauf gruͤndet ſich auch die Verbeſſerung des ſauren Biers durch Kreide, die die Saͤure abſorbirt, und durch ihre frey werdende fixe Luft den Geſchmack wieder erhebt.

Endlich macht auch die fixe Luft einen Beſtandtheil der Atmoſphaͤre aus, der jedoch vielleicht nur zufaͤllig iſt, und insgemein etwa (1 / 10) des Ganzen betraͤgt; ſo wie ſie ſich auch in der Luft, die wir ausathmen, in ziemlicher Menge findet. 397

Die fixe Luft iſt nach Bergmann im Verhaͤltniſſe 3: 2, nach Lavoiſier im Verhaͤltniſſe 561: 455, ſpecifiſch ſchwerer, als die atmoſphaͤriſche, und ſinkt daher in der Letztern zu Boden. Dies giebt Gelegenheit zu ſehr artigen Verſuchen, dergleichen der Duͤc de Chaulnes (Mém. des Sav. étrangers 1778.) vor der Pariſer Akademie angeſtellt hat. Man kann nemlich die unſichtbare fixe Luft aus einem Gefaͤße in ein anderes, wie Waſſer oder wie jedes ſichtbare Fluidum, ausgießen, und dadurch ein Licht ausloͤſchen, eine Maus toͤdten u. ſ. w. Man gießt dem Augenſcheine nach Nichts aus einem Becher, worinn Nichts iſt, in einen andern, worinn auch Nichts iſt, mit vieler Vorſicht, Nichts zu verſchuͤtten, und kan doch dadurch Thiere toͤdten, Lichter ausloͤſchen, Salze kryſtalliſiren u. dgl. Will man die fixe Luft ſichtbar machen, ſo darf man nur den Dampf einer Kerze hineingehen laſſen, den ſie in ſich behaͤlt. Alsdann ſieht man die glatte Oberflaͤche, an der ſie ſich von der gemeinen Luft uͤber ihr ſcheidet, und welche wellenfoͤrmig wird, wenn man darauf blaͤſet. Treibt man dieſen in fixer Luft ſchwebenden Dampf uͤber den Rand des Gefaͤßes hinaus, ſo laͤuft er an den Seiten hinunter.

Dieſe Gasart loͤſcht das Feuer ſchnell aus, und zieht den Dampf der Kerzen ſtark an ſich. Sie iſt untauglich zum Athmen, und Thiere koͤnnen darinn nicht fortleben. Die warmbluͤtigen ſterben am ſchnellſten, ſpaͤter die Amphibien, die Inſecten werden nur halb getoͤdtet, die Irritabilitaͤt wird ſchnell vernichtet, und das noch warme Herz eines ſo getoͤdteten Thiers zeigt keine Bewegung mehr.

Die fixe Luft wird vom kalten Waſſer voͤllig eingeſchluckt, jedoch nicht ſo ſchnell, daß man ſie nicht mit Waſſer in Gefaͤße einſchließen und eine Zeitlang darinn aufbewahren koͤnnte. Nach Bergmann verſchluckt das Waſſer bey 41 Grad Temperatur nach Fahrenheit etwas mehr davon, als ſein eigen Volumen austraͤgt; bey 50 Grad Temperatur kaum ein gleiches Volumen, und ſo immer weniger, je heißer es iſt. Ganz heißes Waſſer nimmt gar keine fixe Luft in ſich; man kan daher dieſe Luft durch Kochen, aber auch durch die Luftpumpe und durchs Gefrieren, wieder aus398 dem Waſſer treiben. Das Schuͤtteln befoͤrdert die Aufloͤſung der Luftſaͤure im Waſſer. Es bleibt aber dabey allezeit ein Ruͤckſtand uͤbrig, den das Waſſer nicht aufloͤſet, und der aus verdorbner oder phlogiſtiſirter Luft beſteht. Durch die Impraͤgnation des Waſſers mit fixer Luft entſteht das kuͤnſtliche Sauerwaſſer, oder luftſaͤurehaltige Waſſer (aqua aërata), das die Sauerbrunnen nachahmt, von deſſen Bereitung man den Artikel: Parkeriſche Maſchine nachſehen kan.

Die fixe Luft iſt eine wahre Saͤure. Sie faͤrbt nach Bergmanns genauen Verſuchen (Schwed. Abhdl. v. 1773 und De acido aëreo, §. VI. ) die Lakmustinctur roth, aͤndert aber, weil ſie ſehr ſchwach iſt, die Farbe des Veilchenſyrups nicht, wodurch Prieſtley anfaͤnglich bewogen ward, ihre ſaure Natur in Zweifel zu ziehen. Allein ſie giebt doch dem Veilchenſyrup, wenn ihn Laugenſalze gruͤn gefaͤrbt haben, ſeine blaue Farbe wieder; und uͤberdies beweiſet der ſaure Geſchmack des mit ihr impraͤgnirten Waſſers, und ihr Verhalten gegen die Laugenſalze und Erden zur Gnuͤge, daß ſie eine wahre Saͤure ſey. Nach Herrn Achards Verſuchen (Chym. phyſ. Schriften, S. 37. u. f.) koͤnnen auch in dem mit ihr impraͤgnirten Waſſer alle Metalle aufgeloͤſet werden; das Eiſen loͤſet ſich darinn ſehr leicht auf.

Die Pflanzen gedeihen nach Prieſtley's Verſuchen nicht in ihr, ob ſie gleich, wie D. Ingenhouß (Verſuche mit Pflanzen rc. ) gezeigt hat, im luftſauren Waſſer ſehr gut vegetiren, und die Saͤure aus demſelben in ſich nehmen.

Die Erſcheinungen, welche die Kalkerden und Laugenſalze bey ihrer Verbindung mit der Luftſaͤure zeigen, ſind ſo merkwuͤrdig, und fuͤr die chymiſchen Unterſuchungen ſo wichtig, daß ſie umſtaͤndlich angefuͤhrt zu werden verdienen. I. Wenn Kalkerden und Laugenſalze in ihrem gewoͤhnlichen Zuſtande mit Saͤuren vermiſcht werden, ſo entſteht ein Aufbrauſen, und es wird dadurch eine große Menge Luftſaͤure entwickelt. II. Die Kalkerden und Laugenſalze halten ſonſt die fixe Luft ſehr feſt an ſich. Es gehoͤrt z. B. ein ſtarkes Feuer dazu, dieſe Luftgattung aus der Magneſia zu treiben; und Kalkerden, aus denen man ſchon eine399 Menge davon durchs Feuer entwickelt hat, geben immer noch mehr, wenn man Saͤuren darauf gießt. Die Saͤuren aber treiben auf einmal alle fixe Luft heraus. III. Die ſonſt im Waſſer unaufloͤslichen Kalkerden loͤſen ſich darinn auf, ſobald ſie ihre fixe Luft verlohren haben. So iſt der Kalkſtein oder rohe Kalk im Waſſer unaufloͤslich; hingegen der lebendige, d. i. ſeiner fixen Luft beraubte Kalk loͤſet ſich darinn auf und giebt dadurch das ſogenannte Kalkwaſſer. Setzt man dieſe Subſtanzen wieder in Stand, fixe Luft anzunehmen, ſo verlieren ſie die Aufloͤslichkeit im Waſſer aufs neue. Wird z. B. Kalkwaſſer der fixen Luft ausgeſetzt, ſo abſorbirt der Kalk dieſe Luft, ſchlaͤgt ſich dadurch aus dem Waſſer nieder, und macht das vorher helle Kalkwaſſer truͤb. Dieſer Niederſchlag iſt wiederum roher Kalk. Vermiſcht man das Kalkwaſſer mit Weingeiſt, ſo ſchlaͤgt dieſer zwar auch den Kalk nieder, aber dieſes Praͤcipitat iſt noch lebendiger Kalk: denn hier iſt der Niederſchlag durch Verbindung des Weingeiſts mit dem Waſſer geſchehen, und keine fixe Luft hinzugekommen. IV. Die Laugenſalze werden, wenn ſie ihre fixe Luft verlieren, kraͤftigere Aufloͤſungsmittel und weit mehr kauſtiſch, aber unfaͤhig zur Kryſtalliſation und zum Aufbrauſen mit Saͤuren. Giebt man ihnen aber, ſo wie den kauſtiſchen Erden, ihre fixe Luft wieder, ſo werden ſie mild, brauſen mit den Saͤuren, werden ſchwerer, der Kryſtalliſation faͤhig u. ſ. w. Daher ſchießt z. B. das Weinſteinoͤl, ſo bald man fixe Luft dazu bringt, in Kryſtallen an.

Dies ſind Entdeckungen eines ſcharfſinnigen Naturforſchers, des D. Black in Edinburgh (Exp. on Magneſia alba etc. in den Eſſays and obſervations read before a Society in Edinburgh, Vol. II. p. 157.), welcher die Benennungen der milden und kauſtiſchen Laugenſalze zuerſt einfuͤhrte, und auf ſeine Erfahrungen eine ſinnreiche Theorie baute, ſ. Kauſticitaͤt. Eben derſelbe hat auch zuerſt bemerkt, daß, wenn man die Metalle aus ihren Aufloͤſungen in Saͤuren durch ein mildes Alkali oder durch eine Kalkerde niederſchlaͤgt, ſich die fixe Luft von dem Alkali trenne und mit dem Niederſchlage verbinde. 400

Dieſe und andere Erſcheinungen, welche keiner andern Saͤure, außer der fixen Luft zukommen, machen, daß man dieſe Luftgattung mit Bergmann fuͤr eine eigne Saͤure (acidum ſui generis), die ſich von allen uͤbrigen unterſcheidet, halten muß. Als D. Prieſtley zuerſt anfieng, die Lehre von den Luftgattungen aufzuklaͤren, glaubten einige, der ſaure Geſchmack des mit fixer Luft impraͤgnirten Waſſers komme von einem Theile der Vitriolſaͤure her, welche man zur Entwicklung der Luft gebraucht habe, und von welcher etwas mit in dieſelbe uͤbergegangen ſey. Aber der Geſchmack des luftſauren Waſſers, der von dem Geſchmacke des mit Vitriolſaͤure tingirten ganz verſchieden iſt, und die Verſuche mit fixer Luft, welche durch Feuer aus der edinburgiſchen Magneſia ohne alle Vitriolſaͤure gezogen war, und dennoch dem Waſſer eben dieſen Geſchmack gab, auch die Lakmustinktur roͤthete, widerlegten dieſes Vorgeben bald. Bewley bewieß auch durch entſcheidende Verſuche (Prieſtley Verſuche und Beob. B. II. im Anhange Num. 1.), daß dieſe Saͤure der fixen Luft nicht blos beygemiſcht ſey, weil alkaliſche Aufloͤſungen aus dieſer Luft nicht blos den ſauren Theil hinwegnahmen, ſondern die ganze Luft einſchluckten. Auch war alle Muͤhe, ſie mit irgend einer der bekannten Saͤuren zu vergleichen, vergeblich, und Bewley ſahe ſich genoͤthiget, ſie mit Bergmann fuͤr eine beſondere Saͤure zu erklaͤren, daher er ihr denn auch den eignen Namen der mephitiſchen Saͤure beylegte.

Andere, z. B. Sage, haben dieſe Luftſaͤure fuͤr eine Salzſaͤure halten wollen, welche durch die Digeſtion uͤber Sand mit Oel getraͤnkt fluͤchtig geworden ſey. Allein der Duͤc de Chaulnes und Herr Achard (Chym. phyſik. Schriſten, S. 305 328.) haben bewieſen, daß die nach Sage's Art behandelte Salzſaͤure faſt in keiner Eigenſchaft mit der Luftſaͤure uͤbereinſtimme.

Viele Chymiſten, unter andern Macquer, ſind geneigt, die fixe Luft fuͤr eine aus reiner Luft und Feuermaterie oder Phlogiſton zuſammengeſetzte Subſtanz zu erklaͤren, ſo daß die phlogiſtiſirte Luft gleichſam zwiſchen der reinen und der fixen oder vollkommen mephitiſchen das Mittel hal -401 < * > en ſoll. Sie fuͤhren zum Beweiſe an, daß ſich die im Waſſer geſchuͤttelte fixe Luft zuerſt der phlogiſtiſirten naͤhere, endlich aber der Natur der reinen Luft nahe komme. Prieſtley hingegen hat im vierten Bande ſeiner Verſuche (Sect. XXXIX. no. 9.) dieſer Behauptung mit Recht widerſprochen, und geaͤußert, daß man eher die fixe Luft fuͤr das Mittel zwiſchen phlogiſtiſirter und reiner erklaͤren koͤnne. Eine blos durch Brennbares verdorbne Luft, ſagt er, zeigt keine Eigenſchaften einer Saͤure, iſt leichter als reine Luft, und verbindet ſich nicht gern mit dem Waſſer; die fixe Luft hingegen hat gerade die entgegengeſetzten Eigenſchaften. Auch kan man nie phlogiſtiſirte Luft durch mehrern Zuſatz von Brennbarem in fixe verwandeln.

Scheele (Von Luft und Feuer, §. 93.) kehrt dieſe Stufenleiter ganz um, erklaͤrt die Luftſaͤure fuͤr leer von Phlogiſton, die verdorbene Luft fuͤr phlogiſtiſch, und die Feuerluft fuͤr eine mit Phlogiſton geſaͤttigte Luftſaͤure. Er gruͤndet dies hauptſaͤchlich auf den falſchen Wahn, daß die brennbare Luft durchs Athmen vom Phlogiſton befreyt werde, daß alſo beym Athmen Phlogiſton in den Koͤrper komme. Da nun beym Ausathmen Luftſaͤure mit ausgehet, ſo ſollte dieſelbe eine ganz vom Brennbaren befreyte Luft ſeyn. Wenn aber die durchs Ausathmen verdorbne Luft gleiche Eigenſchaften mit der hat, die durch Verbrennung und Faͤulniß verdorben iſt, ſo muß ſie wohl auch auf einerley Art mit der Letztern, d. i. durch Annehmung, nicht durch Entziehung des Brennbaren, verdorben worden ſeyn.

Fontana (Phyſiſche Unterſ. uͤber die Natur der Salpeterluft, der vom Brennbaren beraubten und der fixen Luft, Wien, 1777. 8. ) tritt Macquers Meynung bey, und fuͤhrt noch als einen neuen Beweis an, wenn man Metallkalke ohne Zuſatz von Phlogiſton in verſchloſſenen Gefaͤßen dem Feuer ausſetze, ſo erhalte man bald fixe, bald phlogiſtiſirte, bald reine Luft; nehme man aber Phlogiſton hinzu, ſo erzeuge ſich bey der Reduction blos fixe Luft. Eben dies hat Lavoiſier (Mém. de Paris 1775 und in Crells chem. Journal, Th. V. S. 125 132.) noch durch mehrere Verſuche zu beſtaͤtigen geſucht, ob er gleich, da er kein Phlogiſton402 annimmt, ſich anders hieruͤber ausdruͤckt, und die Erzeugung aus Entziehung der reinen Luft herleitet. Ueberhaupt wird man bey allen phlogiſtiſchen Proceſſen fixe Luft, mehr oder weniger, finden; und die Frage iſt eigentlich: Ob dieſelbe durch Verbindung der reinen Luft mit dem Phlogiſton erzeugt, oder ob ſie aus der gemeinen Luft durch das Phlogiſton vermittelſt einer Zerſetzung niedergeſchlagen werde. Macquer, Fontana und Lavoiſier nehmen das Erſtere oder die Erzeugung, Prieſtley das Letztere oder den Niederſchlag an, welches darum wahrſcheinlicher iſt, weil es die oben angefuͤhrten Gruͤnde fuͤr ſich hat, die Verſuche mit den Metallkalken aber ſich auf beyderley Art erklaͤren laſſen. Seitdem die eigne ſaure Natur der fixen Luft außer Zweifel geſetzt iſt, faͤllt es auch ſehr ſchwer, ſich dieſelbe als eine phlogiſtiſirte Luft vorzuſtellen.

Nach Prieſtley's letztern Vermuthungen (Exp. and Obſ. Vol. IV. Sect. XXXV. no. I. p. 388.) ſoll die fixe Luft eine zubereitete (factitious) Subſtanz, eine Modification der Vitriol - und Salpeterſaͤure ſeyn, weil er aus dem Weingeiſte, einer Materie, die nach ihm offenbar keine fixe Luft enthaͤlt, durch Deſtillation mit dieſen beyden Saͤuren dennoch fixe Luft ziehen konnte. Es fließen aber in ſeine Schluͤſſe willkuͤhrliche Vorausſetzungen ein, und die Reinigkeit der Saͤure, ſo wie die Beſchaffenheit der erhaltenen Luft, muͤßte bey ſo feinen Verſuchen, als dieſe ſind, erſt noch ſorgfaͤltiger gepruͤft werden.

Man wird aus dem Bisherigen leicht ſehen, daß es noch zu fruͤhzeitig iſt, uͤber das Weſen und den eigentlichen Urſprung der Luftſaͤure voͤllig zu entſcheiden. Entweder macht ſie als eine eigne Saͤure einen Grundbeſtandtheil der reinen und alſo auch der gemeinen Luft aus, und wird durch das Phlogiſton aus derſelben niedergeſchlagen, oder ſie iſt ſelbſt aus hoͤchſt reiner Luft und Phlogiſton zuſammengeſetzt. Die neuſten Muthmaßungen, daß das Waſſer aus brennbarer und reiner Luft beſtehe, daß die brennbare Luft das Phlogiſton ſelbſt, und die reinſte Luft ein Waſſer in Luftgeſtalt ſey, (ſ. Gas, dephlogiſtiſirtes; Gas, brennbares; Waſſer) ſcheinen doch mit der erſtern Hypotheſe beſſer, als403 mit der letztern uͤbereinzuſtimmen. Nach der erſtern waͤre die Luftſaͤure ein Beſtandtheil der reinen vom Phlogiſton ganz leeren Luft, wuͤrde durchs Brennbare daraus geſchieden, und die reine Luft, wenn ſie durch die allzu große Menge des Phlogiſtons zugleich ihr gebundenes Feuer verloͤhre, erzeugte Waſſer: nach der letztern aber waͤren Waſſer und Luftſaͤure aus einerley Beſtandtheilen, nemlich aus reiner Luft und Phlogiſton, zuſammengeſetzt, welches doch kaum anzunehmen ſeyn moͤchte.

Fontana (Journal de phyſique 1778.) ſucht alle thieriſche und vegetabiliſche Saͤuren blos von der in den Koͤrpern enthaltenen großen Menge von fixer Luft herzuleiten. Seine Verſuche zeigen wenigſtens, daß ſehr viele Subſtanzen des Thier - und Pflanzenreichs ihre Saͤure verlieren, wenn man ihnen die fixe Luft nimmt, und daß ſie bey jedem Verluſt der Saͤure fixe Luft geben. Dadurch wird es auch zweifelhaft, ob bey der Verbrennung die fixe Luft aus der Atmoſphaͤre oder aus dem brennenden Koͤrper komme.

Die Anwendungen, welche man von den neuern Entdeckungen uͤber die Luftſaͤure gemacht hat, beſtehen außer der Nachahmung der Sauerbrunnen (ſ. Geſundbrunnen, Parkeriſche Maſchine) hauptſaͤchlich in ihrem Gebrauche bey faulen Krankheiten, z. B. Scorbut, Krebsſchaͤden, Geſchwuͤren, boͤſen Haͤlſen, boͤsartigen Pocken, Faulfiebern, Blaſenſteinen und andern ſteinichten Concretionen. Sie gruͤnden ſich theils auf die faͤulnißwidrige, theils auf die aufloͤſende Eigenſchaft dieſer Luftgattung. Die erſte iſt ſo groß, daß man das Fleiſch und die Fruͤchte in ihr ſehr lange Zeit vor der Faͤulniß bewahren kan. Sie wird an den Koͤrper entweder aͤußerlich angebracht, indem man ſie aus einer Blaſe durch die Oefnung eines trichterfoͤrmigen glaͤſernen Gefaͤßes ausdruͤckt und an den leidenden Theil ſtroͤmen laͤßt, oder ſie wird innerlich als ein Klyſtir gegeben, wobey man keine Aufblaͤhung fuͤrchten darf, weil ſie von den Saͤften des Koͤrpers ſehr leicht abſorbirt wird. Bewley raͤth auch das mit fixer Luft impraͤgnirte feuerfeſte Laugenſalz als ein ſehr brauchbares Arzneymittel an; und D. Hulme ſchreibt vor, eine laugenartige Mixtur und gleich darauf404 ſehr verduͤnnten Vitriolgeiſt zu nehmen, damit die Luftſaͤure im Koͤrper ſelbſt entwickelt werde. Dieſe Mittel und der Gebrauch der kuͤnſtlichen Sauerbrunnen ſind bey aͤußerlichen und innern faulen Schaͤden und Krankheiten ſehr zu empfehlen. D. Warren (in Prieſtley's Exp. and Obſ. Vol. II. p. 377.), Percival (Medical Eſſays) und Dobſon (Medical Commentary on ſixed air), fuͤhren viele Beyſpiele gluͤcklich verrichteter Heilungen don dieſer Art an.

Was den Blaſenſtein betrift, ſo hat Prieſtley erwieſen, daß die fixe Luft, die ſich aus den Speiſen entwickelt, durch den Urin abgefuͤhrt werde, aus dem ſich durch die Hitze fixe Luft entbindet und dabey einen kalkartigen Bodenſatz bewirkt, woraus er ſehr richtig ſchloß, daß dieſe Gasart, durch das Trinken des damit impraͤgnirten Waſſers den Blaſenſtein aufloͤſen koͤnnte, welches auch D. Percival (Prieſtley's Exp. and Obſ. Vol. II. Append. no. 2.) durch die Erfahrung beſtaͤtiget fand.

Gas, nitroͤſes, ſ. Gas, ſalpeterartiges.

Gas, phlogiftiſirtes, phlogiſtiſirte

oder phlogiſtiſche Luft, verdorbne Luft (Scheele), unreine Luft, Stickluft, Gas phlogiſlicatum, Aër phlogiſlicatus, vitiatus, Mephitis aëris phlogiſtica, Gas ou Air phlogiſtique. Diejenige nicht reſpirable und mit Waſſer nicht miſchbare Gasart, in welche ſich die gemeine Luft durch jeden phlogiſtiſchen Proceß verwandelt. Man nennt nemlich einen phlogiſtiſchen Proceß jedes Verfahren der Natur oder Kunſt, wobey das vorher in den Koͤrpern gebundene Phlogiſton frey gemacht und mit der Luft verbunden wird, z. B. die Verbrennung, Faͤulniß, das Athmen, u. dgl. Es war zwar laͤngſt vor Prieſtley bekannt, daß die Luft durch dergleichen Vorgaͤnge vermindert und verdorben werde; inzwiſchen haben wir doch dieſem verdienſtvollen Naturforſcher die genauere Kenntniß der phlogiſtiſirten Luft einzig und allein zu verdanken.

Man kan die Wirkungen des Phlogiſtiſirens am leichtſten bey der Verbrennung bemerken. Man ſetze z. B. eine brennende Kerze auf einem Leuchter in eine Schuͤſſel405 mit Waſſer AGHB, Taf. X. Fig. 37. und ſtuͤrze die umgekehrte glaͤſerne Glocke FGEH daruͤber, in der das Waſſer inwendig bey IK eben ſo hoch, als auswendig in der Schuͤſſel, ſtehen wird. Binnen wenig Minuten wird die Lichtflamme allmaͤhlig immer ſchwaͤcher werden, und endlich verloͤſchen; das Waſſer im Cylinder aber wird dabey immer hoͤher hinaufſteigen, und endlich bey CD ſtehen bleiben. Dies beweiſet, daß die Luft uͤber dem Waſſer verdorben, und zu fernerer Unterhaltung des Feuers untauglich geworden ſey, und daß ſich zugleich ihr anfaͤngliches Volumen FEKI bis auf die Groͤße FEDC zuſammengezogen oder vermindert habe.

Um die Groͤße dieſer Verminderung genau zu meſſen, muß man ſich eines Cylinders bedienen, welcher oben bey FE mit einem Glasſtoͤpſel verſchloſſen werden kan. Auf ein in der Schuͤſſel ſtehendes Fußgeſtell legt man dann etwas Kunkelſchen Phoſphorus, ſtuͤrzt den Cylinder offen daruͤber, verſtopft ihn alsdann erſt genau, und bemerkt ſich durch ein Zeichen, die Stelle des Cylinders, an welcher die Waſſerflaͤche ſteht. Hierauf zuͤndet man den Phoſphorus durch ein Brennglas an; er bricht in eine ſtarke Flamme aus, und verbrennt mit vielem weißen Dampfe. Anfangs wird zwar das Waſſer von der erhitzten Luft heruntergedruͤckt, bald aber ſteigt es wieder, und ſteht nach dem Verloͤſchen des Phoſphorus weit hoͤher, als das bemerkte Zeichen. So hat man gefunden, daß durch jeden Gran des verbrannten Phoſphorus 3 Cubikzoll atmoſphaͤriſche Luft verlohren gehen, und daß uͤberhaupt die gemeine Luft hoͤchſtens um ihren vierten Theil vermindert werden kan. Ueber dieſe Verminderung hat man ſchon Verſuche von Mayow und Hales; die neuern aber ſind von Prieſtley (Exp. and Obſ. Vol. I.) und Lavoiſier (Opuſc. phyſiques et chym. à Paris 1774. 8. p. 374.) angeſtellt worden.

Die verminderte Luft ſelbſt iſt ſpecifiſch leichter, als die gemeine, vermiſcht ſich mit dieſer leicht, mit dem Waſſer aber gar nicht. Sie faͤrbt die Lakmustinctur nicht, truͤbt auch das Kalkwaſſer nicht. Thiere ſterben und Lichter verloͤſchen ſchnell in ihr; die Pflanzen aber gedeihen in derſelben,406 benehmen ihr die ſchlimmen Eigenſchaften, und machen ſie der reinen Luft aͤhnlicher. Sie heißt durch Verbrennung phlogiſtiſirte Luft. Bey genauerer Unterſuchung findet man allezeit etwas fixe Luft dabey, von der es ungewiß iſt, ob ſie aus dem brennenden Koͤrper oder aus der gemeinen Luft gekommen, ingleichen, ob ſie ſchon vorher vorhanden geweſen, oder durch die Verbrennung erſt entſtanden ſey.

Ein anderer phlogiſtiſcher Proceß iſt das Athmen der Thiere, ſ. Athmen. Wenn man eine Maus, Taube rc. in ein verſchloßnes in Waſſer umgeſtuͤrztes Gefaͤß ſetzt, ſo lebt das Thier nur noch eine kurze Zeit, deren Dauer ſich nach der Menge der eingeſchloßnen Luft richtet, und ſtirbt endlich unter Zuckungen und Beklemmung. Die Luft wird dabey ebenfalls bisweilen um 1 / 5 oder 1 / 6 vermindert, und wenn man in dieſe verdorbene Luft ein anderes Thier bringt, ſo ſtirbt es darinn augenblicklich. Dieſe verdorbene Luft loͤſcht die Lichter aus, hat alle Kennzeichen der durch Verbrennung phlogiſtiſirten Luft, und fuͤhrt fixe Luft in ziemlicher Menge bey ſich. Die Verminderung der Luft durch das Athmen hat Boyle zuerſt bemerkt.

In der durchs Athmen phlogiſtiſirten Luft leben die Thiere etwas laͤnger, wenn ſie ſich im obern Theile der Glocke aufhalten. Die Urſache mag wohl in der dabey erzeugten fixen Luft liegen, welche ſich auf den Boden ſenkt, und dadurch dieſe Gegend noch ſchaͤdlicher fuͤr das thieriſche Leben macht. Die Inſecten aber koͤnnen in der durch Athmen oder Faͤulniß verdorbnen Luft wohl leben.

Auch die Verkalkung der Metalle gehoͤrt zu den phlogiſtiſchen Proceſſen, ſ. Verkalkung. Sie kan ohne Zutritt der gemeinen Luft nicht bewirkt werden, und eine gegebne Menge Luft reicht blos zu, eine beſtimmte Quantitaͤt Metall in Kalk zu verwandeln. Die uͤbrigbleibende verminderte Luft hat alle oben angefuͤhrte Kennzeichen der phlogiſtiſirten, fuͤhrt aber wenig oder gar keine fixe Luft bey ſich, welches den D. Prieſtley auf die Vermuthung brachte, daß die fixe Luft in die Kalke uͤbergehe und die Urſache der Vermehrung ihres Gewichts ſey. Lavoiſier (Opuſc. phyſ.407 et chym. P. II. ch. 5.) hat es durch die entſcheidendſten Verſuche außer Zweifel geſetzt, daß bey der Verkalkung der Metalle elaſtiſche Materie eingeſogen werde, und bey der Reduction wieder herausgehe. Dieſe eingeſogne Luft ſcheint aber nach dem, was bey dem Worte: Gas, dephlogiſtiſirtes,, angefuͤhrt worden iſt, eher dephlogiſtiſirte, als fixe Luft zu ſeyn.

Außer den angefuͤhrten phlogiſtiſchen Proceſſen wird auch die Luft durch Schwefel, durch Kalk und Waſſer, durch Kalk und Salmiak, durch Kalk und Saͤuren, durch Eiſen mit fluͤchtigem Alkali, durch Kupfer mit fluͤchtigem Alkali, durch Bley mit Weineſſig, durch Schwefelleber und andere Materien, durch die Vermiſchung mit nitroͤſer Luft, durch das Abknallen der brennbaren, durch die Faͤulniß thieriſcher und vegetabiliſcher Subſtanzen, u. ſ. w. ja ſogar durch darinn geſchuͤtteltes Bley, Schrot oder Vogeldunſt (ſ. Lichtenbergs Magazin B. III. St. I. S. 35. und Rozier Journal de phyſique. 1784. Oct.) verdorben, wobey meiſtens zugleich mehr oder weniger fixe Luft erzeugt wird.

Hiebey ſind allezeit Verminderung und Verderbung der Luft unzertrennlich verbunden, ſo daß ſich auch der Grad der Verminderung, wie der Grad der Verderbung, verhaͤlt, wenn nicht beſondere Umſtaͤnde Ausnahmen machen, wie z. B. bey den Kohlen, welche im Verloͤſchen die Luft einſchlucken, und alſo eine ſtaͤrkere Verminderung verurſachen, als nach dem Grade der Phlogiſtication ſtatt finden ſollte. Boyle und die uͤbrigen Naturforſcher des vorigen Jahrhunderts erklaͤrten dieſe Verminderung blos fuͤr eine Schwaͤchung der Elaſticitaͤt, wobey der gewoͤhnliche Druck der Atmoſphaͤre die Luft in einen engern Raum zuſammenpreſſe. Daraus aber wuͤrde folgen, daß die verminderte Luft ſpecifiſch ſchwerer, als die gemeine, ſeyn muͤſſe, da man ſie doch im Gegentheil ſpecifiſch leichter findet.

Es muß alſo die Verminderung des Volumens durch die Phlogiſtication eine andere Urſache haben. Dieſe kan nun entweder darinn liegen, daß ein Theil der Luft von der phlogiſtiſirenden Subſtanz verſchluckt wird, oder darinn, daß durch das Phlogiſton der ſchwere Theil der Luft, d. i.408 die fixe Luft, oder die ſchwere Subſtanz, welche in manchen Faͤllen fixe Luft bildet, niedergeſchlagen wird. Das letztere nahm Prieſtley an, ob er gleich ſelbſt (Vol. I. p. 267.) bemerkt, daß es zur Erklaͤrung nicht ganz hinreiche, weil auch ſolche Luftarten, die keine fixe Luft enthalten, durch zugeſetztes Phlogiſton vermindert wuͤrden. Die Vergleichung der geringen Menge von niedergeſchlagner Luftſaͤure mit der Groͤße der Verminderung ſelbſt giebt auch wohl zu erkennen, daß das Phaͤnomen zwar zum Theil, aber doch nicht ganz aus dieſer Urſache koͤnne hergeleitet werden. Lavoiſier hat ſich durch dieſe Schwierigkeiten bewogen gefunden, gar kein Phlogiſton anzunehmen, und die phlogiſtiſchen Proceſſe durch die Zerſetzung der reinen Luft, und die Einſchluckung ihres Grundtheils in die Koͤrper zu erklaͤren, wobey nur der verdorbene Theil der Luft uͤbrig bleibe.

Einige ſind darauf gefallen, dieſe Verminderung des Volumens, welche zugleich mit Verminderung des abſoluten Gewichts begleitet iſt, aus einer angenommenen abſoluten Leichtigkeit des Phlogiſtons zu erklaͤren. Aber der Begriff von abſoluter Leichtigkeit ſtreitet wider alle Grundſaͤtze der Phyſik, nach welchen jede Materie ſchwer iſt (ſ. Gravitation), und keine Subſtanz gefunden werden kan, die durch ihr Hinzukommen das abſolute Gewicht der Koͤrper vermindern koͤnnte. Vielmehr zeigt die Abnahme des Volumens, begleitet mit Abnahme des Gewichts, nothwendig einen Verluſt materieller Theile an.

Die neuſten Unterſuchungen hieruͤber, welche von Cavendiſh angeſtellt, und in den Philoſophiſchen Transactionen vom I. 1784 bekannt gemacht worden ſind (ſ. Lichtenbergs Magazin fuͤr das Neuſte rc. III. B. 3. St. S. 39. u. f.), ſcheinen es außer Zweifel zu ſetzen, daß die Verminderung beym Phlogiſtiſiren durch die Verwandlung des reinſten Theils der Luft in Waſſer bewirkt werde, wobey nur der unreinere Theil zuruͤckbleibt. Man ſollte dem zu Folge nicht ſagen, die Luft werde phlogiſtiſirt, ſondern vielmehr, ſie werde ihres dephlogiſtiſirten Theils beraubt.

Man findet die Luft auch phlogiſtiſirt, wenn ein elektriſcher Funken zu wiederholtenmalen durch dieſelbe gegangen409 iſt, ſ. Gas, atmoſphaͤriſches. Prieſtley ſchloß daraus, daß die elektriſche Materie entweder Phlogiſton ſey, oder doch dergleichen enthalte; Fontana aber machte durch Verſuche wahrſcheinlich, daß das Phlogiſton aus dem zur Vorrichtung gebrauchten Kuͤtt gekommen ſey. Cavendiſh hat endlich bey ſeinen neuſten Verſuchen uͤber die phlogiſtiſirte Luft entſcheidend bewieſen, daß die hiebey entſtehende Verminderung von der aus der phlogiſtiſirten Luft entſtandnen Salpeterſaͤure bewirkt werde.

Durch Schuͤtteln im Waſſer wird die voͤllig phlogiſtiſirte Luft ſo weit verbeſſert, daß ſie wieder zum Athmen tauglich iſt, und von der nitroͤſen Luft vermindert wird, ob ſie gleich noch immer Lichter ausloͤſchet.

Die Natur der phlogiſtiſirten Luft iſt noch immer ſehr raͤthſelhaft. Es ſchien anfaͤnglich am natuͤrlichſten, ſie fuͤr ein Gemiſch von reiner Luft und Phlogiſton zu erklaͤren; allein die Phaͤnomene, beſonders die ſo merkwuͤrdige Erſcheinung der Verminderung des Volumens und des Gewichts beym Phlogiſtiſiren der reſpirablen Luft, zeigten bald, daß man mit dieſer Erklaͤrung allein nicht ausreiche. Daher haben Scheele und Lavoiſier die dephlogiſtiſirte und phlogiſtiſirte Luft als zwo vollkommen verſchiedene Subſtanzen, und die gemeine Luft als ein Gemiſch aus beyden angeſehen. Unter dieſer Vorausſetzung laͤßt ſich die Verminderung aus einer Zerſetzung der reſpirablen Luft, wobey der reinere Theil ſich in Waſſer verwandelt, oder vom phlogiſtiſirenden Koͤrper verſchluckt wird, und blos der unreinere oder irreſpirable Theil uͤbrig bleibt, ſehr wohl erklaͤren.

Die Naturforſcher, welche dieſes Syſtem annahmen, hielten dem zufolge die phlogiſtiſirte Luft fuͤr einen einfachen in der gemeinen Luft anzutreffenden Grundſtof. Die neuern Verſuche des Herrn Cavendiſh aber (Philoſ. Trans. 1784. und in Lichtenbergs Magazin fuͤr das Neuſte rc. B. III. St. 3. S. 39. u. f.) ſcheinen darauf zu fuͤhren, daß man dieſe in der Atmoſphaͤre enthaltene phlogiſtiſirte Luft fuͤr eine Zuſammenſetzung aus Salpeterſaͤure und Phlogiſton halten muͤſſe. Cavendiſh fand nemlich, daß beym Verpuffen brennbarer und dephlogiſtiſirter Luft in verſchloßnen Gefaͤßen,410 das daraus erzeugte Waſſer einen ſauren Geſchmack hatte, und mit fixem Alkali geſaͤttigt nach dem Abdampfen einen wahren Salpeter gab. Dies geſchahe auch, wenn gleich zur Bereitung der reinen Luft nicht Salpeterſaͤure, ſondern Vitrioloͤl gebraucht worden war. So giebt auch der Salpeter mit Kohlen verpuft, und die Salpeterſaͤure, wenn ſie in hohem Grade phlogiſtiſirt wird, faſt lauter phlogiſtiſirte Luft.

Cavendiſh verpuffte ferner 18500 Gran-Maaße entzuͤndbare Luft mit 9750 dephlogiſtiſirter aus rothem Praͤcipitat; bey einem zweyten Verſuche ſetzte er jenem Gemiſche noch 2500 Gran-Maaße Luft zu, die durch Eiſenfeile und Schwefel phlogiſtiſirt worden war. Das entſtandne Waſſer war in beyden Verſuchen ſauer, allein im letztern offenbar weit ſtaͤrker, als im erſtern, daß alſo die phlogiſtiſirte Luft unſtreitig die Saͤure hergegeben hatte. Endlich ſand er bey Fortſetzung der Verſuche, daß aus einem Gemiſche von 7 Theilen dephlogiſtiſirter Luft, die ohne Salpeterſaͤure bereitet war, und 3 Theilen phlogiſtiſirter, durch den elektriſchen Funken Salpeterſaͤure erhalten ward, woraus er entſcheidend folgert, daß die in der Atmoſphaͤre befindliche phlogiſtiſirte Luft nichts anders, als eine mit Phlogiſton geſaͤttigte Salpeterſaͤure ſey.

Prieſtley findet gegen dieſen letztern Verſuch keine Einwendung zu machen, und erklaͤrt ihn fuͤr eine der groͤſten Entdeckungen, die je in Ruͤckſicht auf die Luft gemacht worden ſind. Inzwiſchen geſteht er doch, nicht recht zu wiſſen, wie er ſich die Verſuche erklaͤren ſolle, bey welchen ohne allen Beytritt der Salpeterſaͤure phlogiſtiſirte Luft zum Vorſchein koͤmmt, z. B. bey Erhitzung der Holzkohlen und des rothen Praͤcipitats, bey Zerſetzung der laugenartigen Luft u. ſ. w. Sollte dieſe Luft eben ſo, wie die in der Atmoſphaͤre, in Salpeterſaͤure umgeaͤndert werden koͤnnen, ſo wuͤrde uns dieſe Erſcheinung in große Verlegenheit ſetzen, und wir wuͤrden die Elemente der Salpeterſaͤure in Koͤrpern finden, worinn wir ſie am wenigſten vermuthet haͤtten. Vielleicht wuͤrde die Schwierigkeit einigermaßen gehoben, wenn man annaͤhme, daß die dephlogiſtiſirte Luft den ſauren411 Grundſtof darreiche, die phlogiſtiſirte aber aus der Baſis der Salpeterſaͤure, d. i. aus dem dephlogiſtiſirten Salpeterdunſte und dem Phlogiſton beſtuͤnde. Doch dies ſind Muthmaßungen, uͤber deren Richtigkeit blos fortgeſetzte Verſuche eine Entſcheidung gewaͤhren koͤnnen.

Von der Beſtimmung des Grades der Phlogiſtication der Luft ſ. die Worte: Eudiometer; Gas, atmoſphaͤriſches.

Gas, phoſphoriſches, Phoſphorluft, Gas phosphoricum, Mephitis phoſphorica, Air ou Gas phoſphorique.

Gengembre (Mém. de l' Acad. des Sc. à Paris, 1785.) beſchreibt eine Luft, die er bey der Aufloͤſung des Harnphoſphors in aͤtzenden feuerfeſten Laugenſalzen, auch ſogar, wiewohl nur wenig, in Kalkmilch, erhielt, wenn er dieſe Aufloͤſung bey gelindem Feuer deſtillirte, und das uͤbergehende uͤber Queckſilber auffieng. Sie riecht, wie faule Fiſche, und unterſcheidet ſich von allen andern brennbaren Luftarten dadurch, daß ſie ſich beym Zutritt zu gemeiner oder dephlogiſtiſirter, nicht ganz kalter Luft, mit einer Exploſion und lebhaftem Lichte von ſelbſt entzuͤndet. Alsdann riecht ſie, wie brennender Phoſphorus, und macht das Waſſer, uͤber dem ſie abbrennt, ſauer. Auch der uͤbrige Theil brennt, wenn er angezuͤndet wird. Ihre ſpecifiſche Schwere verhaͤlt ſich zu der gemeinen Luft, wie 21: 10, aber ihre eigentliche Beſchaffenheit iſt noch wenig unterſucht.

Gas, ſalpeterartiges, Salpetergas, ſalpeterartige oder Salpeterluft, nitroͤſe Luft, Gas nitroſum, Aer nitroſus, Mephitis nitri phlogiſtica, Gas ou Air nitreux. Diejenige irreſpirable und mit Waſſer nicht miſchbare Gasart, welche man aus den Daͤmpfen der phlogiſtiſirten Salpeterſaͤure durch die Waͤrme und Ausſchlieſſung der gemeinen Luft erhaͤlt ein phlogiſtiſcher Salpeterdampf in Luftgeſtalt.

Schon van Helmont (De flatibus, §. 67.) redet von einem Gas, das bey der Aufloͤſung des Silbers in Scheidewaſſer (chryſulca) aufſteige, und die Gefaͤße zerſprenge. 412Hales (Statical Eſſays, Vol. I. p. 224. II. p. 208. Statik der Gewaͤchſe, Halle, 1747. 8. S. 128. 224. ) kannte die Eigenſchaften deſſelben ſchon genauer. Er zog es aus waltoner Kießen mit Scheidewaſſer, und fand, daß es mit gemeiner Luft vermiſcht einen orangefarbnen Dampf darſtellte, und daß dabey ein großer Theil der Luft verſchluckt ward. Dennoch haben die folgenden Chymiſten bis auf Prieſtley dieſe merkwuͤrdige Beobachtung ganz uͤberſehen. Dieſer aber, der ſie beym Leſen des Hales bemerkt hatte, ſprach daruͤber im Jahre 1772 mit Cavendiſh, welcher aͤußerte, die Roͤthe haͤnge wahrſcheinlich blos vom Salpetergeiſte ab, und man werde dieſe Luft auch aus andern Kießen, und ſelbſt aus Metallen, erhalten koͤnnen. Hierauf ſtellte Prieſtley den Verſuch wirklich an, ſahe ihn am 4ten Junii 1772 zum Erſtenmale gelingen, und gab der erhaltenen Gasart den Namen ſalpeterartige Luft (nitrous air).

Die Salpeterſaͤure ſteigt, ſobald ſie ſich an der Luft mit dem Brennbaren verbindet, in rothen Daͤmpfen auf, die vom Waſſer leicht eingeſchluckt und wieder in eine wahre Salpeterſaͤure verwandelt werden. Dieſe Daͤmpfe zeigen ſich, ſobald man Scheidewaſſer auf Metalle, oder andere Phlogiſton enthaltende Subſtanzen gießt, und der rauchende Salpetergeiſt ſendet ſie an der Luft von ſelbſt aus. Sobald man aber hiebey den Zugang der Luft abſchneidet, ſo geht zwar die Aufloͤſung noch immer mit der vorigen Lebhaftigkeit fort, allein die Daͤmpfe verſchwinden. Statt ihrer ſteigt ein unſichtbares Gas in Blaſen auf, und fuͤllt die dazu beſtimmten im Waſſer umgeſtuͤrzten Gefaͤße. Je roͤther die Blaſen beym Aufſteigen noch ſind, je heftiger ſie hervorbrechen, und je mehr ſie im Waſſer Wolken bilden, deſto ſtaͤrker wird die Salpeterluft, die hingegen nur ſchwach iſt, wenn ſie in hellen und durchſichtigen Blaſen hervorbricht. Dies ſind Entdeckungen des Abt Fontana (Ricerche fiſiche ſopra l' aria fiſſa etc. Firenze. 1774. Phyſiſche Unterſ. uͤber die Natur der Salpeterluft, der vom Brennbaren beraubten Luft und der fixen Luft, uͤberſ. von F. X. v. Waſſerberg, Wien, 1777. 8. S. 11. u. f.). 413

Die organiſchen Koͤrper des Thier - und Pflanzenreichs geben wegen der vielen Luftſaͤure, die ſie enthalten, keine reine Salpeterluft. Am beſten dienen alſo dazu die Metalle, vornehmlich Silber, Queckſilber und Kupfer. Das Eiſen giebt ſie zwar haͤufig und leicht, aber nicht immer von gleicher Guͤte. Am leichteſten iſt ſie zu erhalten, wenn man ſich der Taf. X. Fig. 35. vorgeſtellten Geraͤthſchaft bedienet, in die Flaſche FG Kupfer - oder Meſſingſpaͤne ſchuͤttet, und daruͤber ſoviel Waſſer, daß ſie gerade bedeckt werden, mit etwa halb ſoviel Salpeterſaͤure gießt.

Es geben aber alle metalliſche Subſtanzen Salpeterluft. Gold, Platina und Spießglaskoͤnig muͤſſen, da ſie ſich nicht in bloßer Salpeterſaͤure aufloͤſen, im Koͤnigswaſſer aufgeloͤſet werden. Das Bley giebt am wenigſten, und der Zink liefert meiſtentheils phlogiſtiſirte Luft. Sehr concentrirte Salpeterſaͤure entwickelt nicht einmal ſoviel Luft, als verduͤnnte, und erregt dabey eine allzuſtarke Hitze, welche die Gefaͤße leicht zerſprengt. Durch eine gelinde Waͤrme aber wird die Entbindung befoͤrdert, ſo wie durch eine große Oberflaͤche der metalliſchen Subſtanz, daher man ſpiralfoͤrmig gewundene Stuͤcken Kupferdrath mit Vortheil brauchen kan.

Die vegetabiliſchen Subſtanzen, z. B. arabiſches Gummi, Kampher, geſtoßne Kohlen, Gallaͤpfel, Weingeiſt, weſentliche Oele, geben zwar Salpeterluft, aber mit viel fixer und brennbarer vermiſcht; die thieriſchen hingegen bringen ſehr wenig Salpeterluft, und faſt lauter fixe, brennbare und phlogiſtiſirte.

Die Salpeterluft iſt, wie die gemeine, durchſichtig und ohne Farbe; außer daß ſie im Anfange der Entbindung bisweilen etwas roͤthlich oder truͤb ausſieht. So lange ſie die reſpirable Luft nicht beruͤhrt, zeigt ſie keine Spur einer Saͤure, hat weder Geruch noch Geſchmack, faͤrbt auch die Lakmustinktur und den Veilchenſyrup nicht. Zwar findet man an ihr gewoͤhnlich einen ſauren Geſchmack und den ſtarken Geruch der rauchenden Salpeterſaͤure; man muß aber bedenken, daß ſie vorher, ehe ſie die Naſe und den Gaumen erreicht, nothwendig durch atmoſphaͤriſche414 Luft gehen muß, wodurch ſie in rothe Daͤmpfe verwandlet wird. Fontana, der ſie aus einer Federharzflaſche in den von aller Luft ausgeleerten Mund zog, fand ſie ganz ohne Geſchmack.

Ihre ſpecifiſche Schwere iſt faſt eben ſo groß, als die der gemeinen Luft. Beyde verhalten ſich nach Prieſtley wie 716: 717; nach Lafond wie 184: 185; nach de la Metherie, wie 349: 360; nach Fontana iſt ſie um etwas ſchwerer, als die gemeine, im Verhaͤltniſſe 399: 385.

Sie loͤſcht die Lichter ſchnell aus, laͤßt ſich aber nach Prieſtley (Vol. III. p. 17.) durch Beruͤhrung mit Eiſen in einen Zuſtand verſetzen, in welchem ſie die Verbrennung befoͤrdert, und den man durch Schuͤtteln im Waſſer ihr wieder benehmen kan. Bey einigen Entbindungsproceſſen giebt es auch eine Periode, in welcher ſie gleich in dieſem Zuſtande uͤbergeht. Sie toͤdtet die Thiere, ſogar die Inſecten, augenblicklich, verderbt auch die Pflanzen, welche in ihr verbleichen und zu Grunde gehen. Dennoch hat ſie eine ungemein ſtarke faͤulnißwidrige Kraft, daher man Fleiſch und Fruͤchte ſehr lange Zeit in ihr aufbewahren kan, ob ſie gleich dadurch einen uͤblen Geruch und Geſchmack bekommen. Sie truͤbt das Kalkwaſſer nicht, und macht die aͤtzenden Laugenſalze nicht mild.

Durch die Beruͤhrung mit Waſſer wird ſie langſam zerſetzt, und verliert nach 2 3 Monaten ihre ganze Wirkſamkeit. Wenn im Waſſer noch reſpirable Luft befindlich iſt, ſo erfolgt dieſe Zerſetzung ſchneller. Durch Schuͤtteln nimmt das von Luft gereinigte Waſſer ohngefaͤhr ſoviel Salpeterluft in ſich, als den zehnten Theil ſeines Volumens betraͤgt, welche durchs Kochen oder Gefrieren wieder herausgetrieben werden kan. Das mit Salpeterluft impraͤgnirte Waſſer hat ſehr wenig Saͤure; wenn es aber mit gemeiner Luft in Beruͤhrung koͤmmt, ſo wird die Salpeterluft darinn zerſetzt, und das Waſſer impraͤgnirt ſich mit der Salpeterſaͤure. Man kan dies durch Ausſetzung von Salpeterluft an das Waſſer in Beruͤhrung mit gemeiner Luft ſo weit treiben, daß das Waſſer ganz blau und ein wahres Scheidewaſſer wird. 415

Die Salpeterluft wird noch von vielen andern Subſtanzen aller drey Naturreiche abſorbirt und zerſetzt, woruͤber ſich in Prieſtley's Werke ſehr viele und merkwuͤrdige Beobachtungen finden. Sobald ſie nemlich eine Subſtanz antrift, welche ihr Phlogiſton oder ihre Saͤure anzieht, ſo wird ſie zerſetzt, und der nicht angezogne Beſtandtheil koͤmmt dadurch in Freyheit. Dies zeigt, daß ihre Beſtandtheile nur ſehr ſchwach zuſammenhaͤngen.

Das wichtigſte und auffallendſte Phaͤnomen der Salpeterluft aber iſt ihre Verminderung oder Zerſetzung durch die reſpirabeln Luftgattungen. Laͤßt man nemlich unter einen Glascylinder, in welchem Salpeterluft uͤber Waſſer ſtehet, atmoſphaͤriſche Luft treten, ſo entſteht augenblicklich eine Roͤthe, die Salpeterluft verlaͤßt ihren luftfoͤrmigen Zuſtand, und verwandelt ſich in rothen Salpeterdampf; es entſteht einige Waͤrme, das Waſſer ſteigt in dem Cylinder in die Hoͤhe, verſchluckt die Daͤmpfe, und wird zu einer wahren verduͤnnten Salpeterſaͤure. Bringt man auf dieſe Art ſoviel atmoſphaͤriſche Luft hinzu, bis ſich keine rothen Daͤmpfen mehr zeigen, oder bis die Salpeterluft ganz zerſtoͤrt iſt, ſo nimmt die uͤbrigbleibende Luft nicht einmal ſoviel Raum ein, als die angewendete atmoſphaͤriſche Luft allein einnehmen ſollte, und es ſcheint alſo ſelbſt ein Theil von dieſer verlohren zu gehen. Dieſer Ruͤckſtand iſt wahre phlogiſtiſirte Luft, von eben der Art, als die durchs Verbrennen erzeugte, mit einer ſehr geringen Quantitaͤt fixer Luft.

Es laͤßt ſich uͤber die zur Saͤttigung noͤthigen Quantitaͤten wegen der verſchiednen Guͤte der Luftgattungen nichts gewiſſes beſtimmen; aber im Durchſchnitt genommen ſind nach Lavoiſier zu einer voͤlligen Saͤttigung 16 Theile gemeine und 7 1 / 3 Theil nitroͤſe Luft noͤthig, und es verſchwindet hiebey die ganze nitroͤſe und ein Viertheil der gemeinen Luft.

Nimmt man ſtatt der gemeinen, dephlogiſtiſirte Luft, ſo iſt die rothe Farbe weit ſtaͤrker, die Erwaͤrmung betraͤchtlicher, und die Verminderung weit ſchneller und ausnehmend groß. Man braucht nach Lavoiſier nur 4 Theile416 dephlogiſtiſirte Luft, um 7 1 / 3 Theil Salpeterluft gaͤnz zu zerſetzen, und der Ruͤckſtand betraͤgt nur noch (1 / 12) des Raums der angewendeten dephlogiſtiſirten Luft. Prieſtley (Vol. IV. p. 246.) fand ſogar einmal, daß bey der Vermiſchung von 2 Maaß nitroͤſer und 1 Maaß dephlogiſtiſirter Luft nach der Verminderung nur (3 / 100) Maaß uͤbrig blieb. Es iſt kaum zu bezweifeln, daß beyde Gasarten voͤllig verſchwinden wuͤrden, wenn es moͤglich waͤre, ſie in ihrer vollkommnen Reinigkeit und ohne Beymiſchung von phlogiſtiſirter Luft zu erhalten.

Fixe Luft, brennbare, phlogiſtiſirte, u. ſ. w. werden durch die Miſchung mit Salpeterluft nicht vermindert, zerſetzen auch dieſe Gasart nicht. Je reiner aber die reſpirable Luft iſt, deſto ſtaͤrker iſt die Verminderung, welche ſie durch Beymiſchung der Salpeterluft leidet. Man hat daher die Groͤße dieſer Verminderung, die man durch eigne Werkzeuge abmißt, ſ. Eudiometer, zum Maaßſtabe der Reinigkeit und Heilſamkeit der atmoſphaͤriſchen Luft angenommen; ob ſie gleich eigentlich nur den Grad ihrer Phlogiſtication anzeiget, keinesweges aber die abſoluten Mengen der dephlogiſtiſirten und phlogiſtiſirten Luft in der Atmoſphaͤre angiebt, noch auch ein ſicheres Kennzeichen der Heilſamkeit iſt, indem die gemeine Luft außer dem Phlogiſton noch andere ſchaͤdliche Beymiſchungen enthalten kan, welche durch dieſe Pruͤfung nicht angezeigt werden.

Die Erſcheinungen dieſer Verminderung aͤndern ſich in etwas ab, wenn man den Verſuch im Queckſilber-Apparat anſtellet. Die Roͤthe dauret hier laͤnger, die Verminderung geſchieht langſamer und iſt am Ende nicht ſo groß; laͤßt man aber etwas Waſſer hinzu, ſo verſchwindet die Roͤthe der Miſchung bald, und das Volumen wird dadurch noch etwas mehr vermindert. Dies beweiſet deutlich, daß hiebey das Waſſer einen Theil der Gasarten einſchlucke.

Daß die rothen Daͤmpfe wahre Salpeterſaͤure ſind, kan man auch durch einen artigen Verſuch des D. Prieſtley (Vol. I. p. 210.) erweiſen. Man haͤnge unter der Glocke etwas Salmiak in Gaze oder Neſſeltuch auf, und417 laſſe Salpeterluft hinzu. Sobald die Roͤthe vergeht, ſenkt ſich von dem Salze eine weiße Wolke, wie Schneeflocken oder Puder nieder, die nach und nach das ganze Gefaͤß fuͤllt, und ein brennbarer Salpeter iſt.

Was die Natur der Salpeterluft betrift, ſo iſt die gewoͤhnliche und faſt allgemein angenommene Theorie dieſe, daß ſie aus Salpeterſaͤure und Phlogiſton beſtehe. Dies behaupten Prieſtley (Vol. I. p. 261.), Fontana (Phyſ. Unterſ. uͤber die Salpeterluft) und Macquer; Scheele (Von Luft und Feuer, S. 25.) und Bergmann (Opuſc. Vol. II. p. 368.) nennen ſie ſogar phlogiſtiſirte Salpeterſaͤure in Luftgeſtalt. Aus dieſer Theorie erklaͤrt ſich das Phaͤnomen ihrer Verminderung ſehr natuͤrlich und leicht. Denn die hinzukommende reine Luft verbindet ſich mit dem Phlogiſton des Salpetergas. Dadurch wird deſſen Miſchung zerſtoͤrt, die befreyte Salpeterſaͤure geht aus dem Zuſtande der Luft in den des Dampfes uͤber und wird vom Waſſer verſchluckt; die mit dem Phlogiſton verbundne reine Luft verwandlet ſich ebenfalls in Waſſer, die Gasarten verſchwinden, und das in ihnen vorher gebundene, nunmehr aber befreyte, Feuer erzeugt Waͤrme. Hiebey bleibt als Ruͤckſtand blos der unreine oder aus irreſpirabeln Gasarten beſtehende Antheil uͤbrig.

Lavoiſier hingegen (Mém. ſur l' exiſtence de l' air dans l' acide nitreux, in Mém. de Paris 1776, und im Recueil de mémoires et d' obſerv. ſur la fabrication du Salpétre, à Paris, 1776. 4. p. 601 617.) welcher gar kein Phlogiſton annimmt, haͤlt das Salpetergas fuͤr eine ihres Waſſers und ihrer reinen Luft beraubte Salpeterſaͤure. Er erklaͤrt hieraus die Verminderung dadurch, daß die reſpirable Luft ſich mit der Salpeterſaͤure verbinde, welche dadurch alle ihre Beſtandtheile wieder erhalte, und die Luftgeſtalt ablege. Er gruͤndet ſeine Behauptung auf eine Reihe ſehr ſchoͤner Verſuche, welche beweiſen, daß bey der Aufloͤſung des Queckſilbers in Salpeterſaͤure nitroͤſe Luft, und bey der Wiederherſtellung des Queckſilbers aus dem rothen Praͤcipitate dieſer Aufloͤſung reine Luft entbunden werde. Weil nun bey der Wiederherſtellung nach ſeiner Vorausſetzung418 eben das entbunden werden muß, was bey der Aufloͤſung der Saͤure entzogen ward, ſo ſchließt er, es ſey dieſes die reine Luft, und alſo das Salpetergas eine, durch Beraubung der reinen Luft, zerſetzte Saͤure. Macquer aber zeigt ſehr richtig, daß er hiebey die Zerſetzung der Saͤure bey der Aufloͤſung willkuͤhrlich vorausſetze, und daß weit wahrſcheinlicher im Salpetergas die noch unzerſetzte Saͤure durch etwas gebunden ſey, was ſie hindert, ſich als Saͤure zu zeigen, welches nichts anders, als das Phlogiſton ſeyn kan. Macquer beruft ſich hiebey auf die von Lavoiſier ſelbſt bemerkten Umſtaͤnde, daß die Wiederherſtellung des Queckſilbers mehr reine Luft gab, als die Aufloͤſung Salpetergas gegeben hatte; daß das Salpetergas ſchon von der Haͤlfte der erhaltnen reinen Luft geſaͤttigt ward, und daß am Ende der ganzen Operation faſt die Haͤlfte der vermeyntlich zerſetzten Salpeterſaͤure fehlte. Dieſe Umſtaͤnde, welche Lavoiſier ſelbſt nicht zu erklaͤren weiß, zeigen deutlich, daß hiebey nicht blos Abgang und Wiedererſtattung eben derſelben Subſtanz erfolge, ſondern daß der Uebergang der Salpeterſaͤure in Salpetergas noch eine andere Urſache, als den bloßen Abgang der reinen Luft, haben muͤſſe. Ich werde mich hierauf bey dem Worte: Phlogiſton beziehen.

Man hat alſo die Entſtehung der Daͤmpfe bey der Vermiſchung der nitroͤſen und gemeinen Luft nicht fuͤr eine Erzeugung, ſondern fuͤr einen Niederſchlag anzuſehen. Daß aber dieſer Niederſchlag nach Herrn Acbard (Chymiſchphyſ. Schriften, S. 173.) durch die in der gemeinen Luft befindliche Vitriolſaͤure bewirkt werde, iſt wohl unwahrſcheinlich, da das Daſeyn einer ſolchen Saͤure unerwieſen iſt. Man kan ihn weit beſſer aus der ſtaͤrkern Verwandſchaft des Phlogiſtons mit der Luft herleiten.

Kirwan (Exp. and Obſ. on various ſaline ſubſtan - < * > es, nach Crells Ueberſ. S. 105.) hat die Verminderung der reſpirablen Luft durch Salpetergas fuͤr einen Uebergang in fixe Luft, die vom Waſſer verſchluckt wuͤrde, anſehen wollen. Man findet aber im Ruͤckſtande allzuwenig fixe Luft, als daß man dieſelbe fuͤr ein Hauptprodukt der Operation419 ſelbſt annehmen koͤnnte, und im Waſſer faſt gar keine. Und die Verminderung iſt faſt eben ſo ſtark, wenn man Queckſilber oder heißes Waſſer zur Sperrung gebraucht, welche doch keine fixe Luft abſorbiren (ſ. Gren Diſſ. de geneſi aëris fixi et phlogiſticati, Halae, 1787. 8. S. 58 65.).

Fontana (Phyſ. Unterſ. uͤber die Salpeterluft, S. 106.) beweiſt aus Tropfen, die ſich in einer mit Eis umgebnen mit Salpetergas angefuͤllten, Glocke anſetzten, daß dieſes Gas etwas Waſſer enthalte. Dies ſcheinen auch die Kryſtalliſationen zu beweiſen, die mein fruͤh verſtorbner Freund, D. Chriſtian Ludwig, bey einer heftigen Kaͤlte aus der ſalpeterartigen Luft erhielt. Dieſes Waſſer traͤgt nach Fontana mit dazu bey, die reine Luft einzuſaugen, und die Verminderung zu bewirken, welche doch auch im Queckſilber-Apparate erfolgt, wo weiter kein Waſſer als dieſes, vorhanden iſt.

Nach Bergmann (De attract. electiv. §. 14. 15. ) giebt die Salpeterſaͤure mit Brennbarem geſaͤttigt, wie beym Verpuffen, eine Subſtanz, die ſich durch ploͤtzliches Verbrennen augenblicklich zerſetzt; mit etwas weniger Brennbarem wird ſie Salpetergas, und mit noch wenigerm ſalpeterſaure Luft.

Die Anwendungen, welche man von der Kenntniß der nitroͤſen Luft gemacht hat, betreffen theils den Gebrauch derſelben zur Aufbewahrung anatomiſcher Bereitungen, welche ſonſt faulen wuͤrden, nach Sigaud de la Fond Vorſchlaͤgen, theils ihre Benutzung zu eudiometriſchen Verſuchen zu Pruͤfung der Guͤte der Luft, ſ. Eudiometer. In der letztern Abſicht waͤre noch eine beſtimmte Methode zu wuͤnſchen, nach der man eine an Staͤrke ſich immer gleiche Salpeterluft verfertigen koͤnnte. Haͤtte man aber auch eine ſolche, ſo wuͤrde doch das Eudiometer kein untruͤgliches Kennzeichen der Heilſamkeit der Luft abgeben, da zum Beyſpiel ein Gemiſch von brennbarer und reiner Luft die Pruͤfung mit dieſem Werkzeuge eben ſo gut, als die gemeine Luft, aushalten, und dennoch toͤdtend ſeyn kan. 420

Gas, ſalpeterſaures, ſalpeterſaure Luft, phlogiſtiſirte Salpeterſaͤure

(Bergmann), Salpeterdaͤmpfe (Prieſtley), Gas acidum nitroſum, Acidum nitri phlogiſticatum, Mephitis acida nitri, Gas ou Air acide - nitreux. Eine durch die rothen Daͤmpfe der Salpeterſaͤure phlogiſtiſirte und mit derſelben vermiſchte gemeine Luft oder auch dieſe Daͤmpfe ſelbſt, wenn ſie ihre Roͤthe abgelegt haben. Wenn man nemlich dieſe Daͤmpfe in cylindriſchen Flaſchen aufbewahret, ſo verlieren ſie mit der Zeit, indem ſie die dabey befindliche Luft phlogiſtiſiren, einen Antheil ihres Brennbaren und damit zugleich ihre Roͤthe, und nehmen voͤllig eine luftaͤhnliche Form an. Da ſie aber vom Waſſer augenblicklich verſchluckt werden, auch das Queckſilber bald angreifen und eine nitroͤſe Luft mit demſelben bilden, ſo iſt es ſehr ſchwer, ſie lange aufzubewahren, wie es denn uͤberhaupt noch zweifelhaft bleibt, ob man ſie unter die Gasarten zu rechnen habe. Sie ſcheinen vielmehr einen Dampf, als eine bleibend elaſtiſche Materie auszumachen.

Man erhaͤlt dieſe Daͤmpfe durch die Erhitzung der reinen Salpeterſaͤure, oder durch Aufgießen eines kleinen Antheils von Vitrioloͤl auf dieſelbe, durch Aufloͤſungen des Wismuths und einiger andern Metalle in ſtarker Salpeterſaͤure rc. Man kan ſie bey dieſen Operationen vermittelſt des pnevmatiſch-chymiſchen Queckſilber Apparats auffangen, wo ſie, wenn auch keine atmoſphaͤriſche Luft dazu koͤmmt, dennoch ihre Roͤthe verlieren. Auch giebt es bey den Entbindungen der dephlogiſtiſirten Luft aus Subſtanzen, die mit Salpeterſaͤure angefeuchtet ſind, eine gewiſſe Periode, in welcher man Salpeterdaͤmpfe erhaͤlt, die aber in dieſem Falle von dem Waſſer der Vorrichtung ſogleich verſchluckt werden.

Die Salpeterdaͤmpfe muͤſſen, wenn ſie anders zu den Gasarten gehoͤren, unter die irreſpirablen Gattungen gezaͤhlt werden. Sie behalten ihre rothe oder orangengelbe Farbe ſo lange, bis eine Zerſetzung in ihnen vorgeht, und dieſe Farbe wird ſtaͤrker, wenn man ſie erhitzt (Prieſtley Exp. and Obſ. Vol. III. Sect. 18.). Sie ſind ſchwerer, als421 gemeine Luft, vermiſchen ſich aber nach und nach mit derſelben, verlieren ihre Roͤthe, und phlogiſtiſiren die Luft.

Sie werden vom Waſſer in betraͤchtlicher Menge eingeſaugt, und verwandeln daſſelbe in wahren Salpetergeiſt. Das mit ihnen impraͤgnirte Waſſer giebt von ſelbſt, und noch mehr bey gelinder Waͤrme, eine ſehr reine und von Luftſaͤure freye Salpeterluft, ſo lange, bis ſich die ſonſt blaue Farbe dieſes Waſſers in eine gruͤne verwandelt. Man kan daraus nach Prieſtley ſo viel Salpeterluft erhalten, daß dieſelbe 10mal ſo viel Raum, als das Waſſer ſelbſt, einnimmt, obgleich das Waſſer nicht mehr Salpeterluft einſaugt, als (1 / 10) ſeines Volumens betraͤgt.

Die Oele nehmen einen großen Antheil Salpeterdaͤmpfe mit Aufbrauſen in ſich, werden dadurch zum Gerinnen gebracht, und veraͤndern ihre Farbe auf ſehr mannigfaltige Art. Sie geben alsdann phlogiſtiſirte Luft. Der Vitriolaͤther mit dieſen Daͤmpfen impraͤgnirt, giebt einen weißen Rauch, und brennt mit einer gruͤnen Flamme. Die Vitriol - und Salpeterſaͤure ſchlucken viel ſolcher Daͤmpfe ein, doch nicht ſo viel, als das Waſſer. Auch das Kochſalz zieht ſie in ſich; den Alaun machen ſie weiß und undurchſichtig, den Schwefel aber laſſen ſie unveraͤndert. Die Salzſaure verwandelt ſich durch ſie in ein wahres Koͤnigswaſſer; der Weingeiſt erzeugt bey reichlicher Impraͤgnation einen obenauf ſchwimmenden Salpeteraͤther, wird endlich blau, kocht und giebt eine betraͤchtliche Menge brennbare Luft.

Man ſieht leicht, daß ſich dieſe Daͤmpfe voͤllig, wie die phlogiſtiſirte Salpeterſaͤure ſelbſt verhalten, daher ſie denn auch fuͤr nichts anders, als fuͤr dieſe Saͤure in Dampfgeſtalt erkannt werden koͤnnen, und den von Bergmann beygelegten Namen ſehr wohl verdienen. Unter die Gasarten ſind ſie kaum zu rechnen, wenn ſie nicht mit gemeiner Luft vermiſcht ſind; aber auch in dieſem Falle machen ſie kein beſonderes Gas aus.

Gas, ſalzſaures, kochſalzſaures; ſeeſaure, kochſalzſaure Luft, luftige Salzſaͤure, Gas muriatieum,422 Aer muriaticus, Aer acidus ſalinus ſ. marinus, Mephitis muriatica, Gas on Air acide-marin.

Die phlogiſtiſirte Kochſalzſaͤure in Luftgeſtalt, oder das irreſpirable, mit dem Waſſer miſchbare, Gas, welches durch Aufguß der Vitriolſaͤure auf die Salzſaͤure haltenden Mittel - und Neutralſalze oder durch Deſtillation der Salzſaͤure ſelbſt erhalten wird.

Die Aufguͤſſe der Vitriol - und Salzſaͤure auf Metalle geben ſonſt brennbare Luft. Cavendiſh aber (Philoſ. Trans. Vol. LVI. p. 157.) bemerkte zuerſt, daß die auf Kupfer gegoſſene Salzſaͤure eine Luft lieferte, die ſogleich vom Waſſer verſchluckt ward, und daher keine brennbare Luft ſeyn konnte. Prieſtley benuͤtzte dieſe Beobachtung, und fand durch wiederholte Verſuche, daß der Dampf, der ſich bey Vermiſchung des gemeinen Salzes mit Vitriolſaͤure erzeugt, und ſich an der Kaͤlte zu Salzgeiſt verdichtet, in luftfoͤrmiger Geſtalt dargeſtellt werden koͤnne. Es war dies die erſte Entdeckung einer mineraliſchen Saͤure in Luftgeſtalt, welche ihrem Erfinder nachher zu aͤhnlichen Proben mit andern Saͤuren Anlaß gab.

Die beſte Methode, die ſalzſaure Luft zu erhalten, iſt folgende. Man fuͤlle etwa den ſechſten oder vierten Theil eines Kolbens mit gemeinem Kuͤchenſalz an, gieße etwas reines (nicht nach Schwefel riechendes) Vitrioloͤl darauf, und laſſe den entbundenen Dampf durch ein gebognes Rohr in den Queckſilber-Apparat uͤbergehen, wobey man noch die Entwicklung durch Erwaͤrmung des Kolbens mit einem brennenden Wachsſtocke befoͤrdern kan. Oder man erhitze eine Portion reine Salzſaͤure in einem Kolben, und fange das herausgehende im Queckſilber-Apparat auf. Der rauchende Salzgeiſt giebt ſchon von ſelbſt Daͤmpfe von ſich, die alle Eigenſchaften der ſalzſauren Luft beſitzen.

Dieſe elaſtiſche Materie verliert aber ihren luftfoͤrmigen Zuſtand, ſobald ſie die atmoſphaͤriſche Luft beruͤhrt. Sie verwandelt ſich alsdann mit Erwaͤrmung in einen weißgrauen Dampf, wobey auch aller Wahrſcheinlichkeit nach eine Verminderung des Volumens vorgehet. Je feuchter die Luft iſt, deſto ſtaͤrker iſt dieſer Dampf, daher ihn423 Prieſtley (Vol. I. p. 229.) aus der Verbindung der Salzſaͤure mit der in der Luft aufgeloͤſeten Feuchtigkeit erklaͤrt.

Sie iſt betraͤchlich ſchwerer, als die gemeine Luft, nach Fontana im Verhaͤltniß 3: 2, und von Herbert, der das Verhaͤltniß 2718: 2719 angiebt, ſcheint ſich einer ſehr unreinen Luft bedient zu haben. Sie iſt ſehr ſauer und aͤtzend von Geſchmack, hat den Geruch des rauchenden Salzgeiſtes, roͤthet die blauen Pflanzenſaͤfte, toͤdtet die Thiere, loͤſcht die Lichter aus, jedoch ſo, daß ſie einen Augenblick mit einer gruͤnen oder lichtblauen Farbe brennen, truͤbt das Kalkwaſſer nicht, erhitzt ſich mit den aͤtzenden Laugenſalzen, und bildet damit ſalzſaure Neutralſalze.

Sie wird vom Waſſer augenblicklich, in großer Menge und mit Erhitzung verſchluckt. Nach Prieſtley nehmen 2 1 / 2 Gran Regenwaſſer 3 Unzenmaaße ſalzſaure Luft in ſich. Durch dieſe Impraͤgnation wird das Waſſer ausnehmend ſauer, und giebt, wenn es geſaͤttigt iſt, den ſtaͤrkſten rauchenden Salzgeiſt ab Durch dieſe Saͤttigung wird das Volumen des Waſſers um ein Drittel vergroͤßert, und ſein Gewicht verdoppelt. Das Eis ſchmelzt in ihr ſo ſchnell, als ob man ein gluͤhendes Eiſen daran braͤchte, und verſchluckt die Luft augenblicklich. Das Waſſer erhaͤlt durch dieſe Impraͤgnation keine Farbe, und das Gas laͤßt ſich durch eine gelinde Hitze wieder heraustreiben.

Salzſaure und laugenartige Luft vernichten einander beym Zuſammenbringen, und bilden einen Salmiak in weißer ſichtbarer Geſtalt, ſ. Gas, laugenattiges.

Faſt alle Subſtanzen, welche Phlogiſton enthalten, verſchlucken etwas ſalzſaure Luft, zugleich aber nimmt der uͤbrige Theil ihr Phlo iſton in ſich, und wird durch dieſe Verbindung in brennbare Luft verwandelt. Prieſtley hat hieruͤber Verſuche mit einer großen Menge von Subſtanzen angeſtellt, wobey die ſalzſaure Luft voͤllig ſo, wie der tropfbare Salzgeiſt, nur weit ſtaͤrker, wirkt, weil ſie von dem Waſſer, welches jener bey ſich fuͤhrt, befreyt, iſt. So loͤſet ſie verſchiedene Metalle und metalliſche Kalke ſchnell auf, greift auch diejenigen Glaͤſer an, welche viel Bleykalk424 enthalten. Die Oele ſaugen ſie langſam ein, und werden davon verdickt; Kampher ſchmelzt in ihr; und mit kochendem Weingeiſte erzeugt ſie einen wirklichen Salzaͤther.

Phlogiſtiſirte Luft wird zwar durch das ſalzſaure Gas nicht zerſetzt oder verbeſſert; inzwiſchen kann man doch das letztere nach de Morveau (in Rozier Obſ. de phyſique To. I. p. 416. To. V. p. 73.) ſehr vortheilhaft zu Verbeſſerung der mit faulen Anſteckungsgiften verdorbnen Luft gebrauchen, weil es das fluͤchtige Laugenſalz, welches das ſcharfe Oel aufgeloͤſet enthaͤlt, ſaͤttiget, und mit erſtaunlicher Geſchwindigkeit den ganzen Raum ausfuͤllt, in dem man es entbindet.

Aus allen dieſen Eigenſchaften, welche mit denen der Salzſaͤure ganz uͤbereinſtimmen, zeigt ſich ſehr deutlich, daß die ſalzſaure Luft eine wahre mit Phlogiſton verbundene und durch Feuermaterie in Luftgeſtalt gebrachte Kochſalzſaͤure ſey. Sie unterſcheidet ſich aber von einem andern von Scheele entdeckten elaſtiſchen Stoffe oder Dampfe, welcher den Namen der dephlogiſtiſirten Salzſaͤure fuͤhrt, und aus Braunſtein durch Salzgeiſt entbunden wird, ſ. Salzſaͤure, dephlogiſtiſirte.

Außer den Vortheilen, welche die Erfindung der ſalzſauren Luft, bey Erklaͤrung der Entſtehung luftfoͤrmiger Stoffe uͤberhaupt, und der Bereitung des Salzgeiſts insbeſondere, verſchaft hat, ſ. Salzſaͤure, und außer ihrer Anwendung wider die Faͤulniß, kan ſie auch zu Bereitung der ſtaͤrkſten und reinſten Salzſaͤure durch ihre Verbindung mit dem Waſſer, zu Verfertigung eines guten Koͤnigswaſſers durch Verbindung mit Salpeterſaͤure, und zur ſchnellen Hervorbringung eines luftleeren Raumes durch ihre Einſaugung ins Waſſer gebraucht werden.

Endlich iſt hier noch zu bemerken, daß Prieſtley (Verſ. und Beob, Th. III. S. 211.) durch Abrauchen einer Goldaufloͤſung auch das Koͤnigswaſſer in eine luftaͤhnliche Form gebracht hat, in der man es koͤnigsſaure Luft, (Gas acidum regale, Gas muriatico-nitroſum) nennen koͤnnte, Dieſe Gasart erweiſet ſich theils als Salpeterluft, theils aber auch, und noch mehr, als ſalzſaures Gas; ſie425 loͤſcht Lichter aus, brennt mit einer ſchoͤnen blauen Flamme, und greift das Queckſilber an. Ihre Eigenſchaften ſind noch nicht hinreichend unterſucht.

Gas, ſchwefelleberartiges, ſ. Gas, hepatiſches.

Gas, vitriolſaures, fluͤchtiges ſchwefelſaures Gas (Macquer), vitriolſaure Luft (Prieſtley), luftfoͤrmige Schwefelſaͤure (Lavoiſier), luftfoͤrmige phlogiſtiſirte Vitriolſaͤure (Bergmann), Schwefelluft, Gas acidum vitriolicum, Gas acidum ſulphureum volatile, Aer acidus vitriolicus, Acidum vitrioli phlogiſticatum aëriforme, Mephitis acida ſulphuris, Gas ou Air acide vitriolique, Acide de ſoufre aëriforme. Die phlogiſtiſirte Vitriolſaͤure oder fluͤchtige Schwefelſaͤure in Luftgeſtalt, oder dasjenige irreſpirable mit Waſſer miſchbare Gas, welches man aus Vermiſchung der Vitriolſaͤure mit entzuͤndlichen Koͤrpern, z. B. mit Oelen, durch eine gelinde Waͤrme erhaͤlt.

Man wußte ſchon laͤngſt, daß die Vitriolſaͤure, welche eine vorzuͤgliche Verwandſchaft mit dem Phlogiſton hat, bey ihrer Verbindung mit demſelben einen Schwefelgeruch annimmt, und ſchweflichte Daͤmpfe von ſich giebt. Prieſtley, dem es ſchon gelungen war, die Daͤmpfe des Salzgeiſts in Luftform darzuſtellen, machte aͤhnliche Proben mit dieſen Schwefeldaͤmpfen, und nannte das erhaltene Gas vitriolſaure Luft.

Um ſie zu erhalten, darf man nur in die Entbindungsflaſche etwas Oliven - oder Mandeloͤl thun, und daruͤber etwa 3 bis 4mal ſoviel ſehr ſtarkes Vitrioloͤl gießen, ſo daß beydes zuſammen das Drittel oder die Helfte der Flaſche fuͤllt. Dies giebt bey einer gelinden Waͤrme, wozu ſchon die Flamme eines Wachslichts hinreichend iſt, die elaſtiſche Materie, welche im Queckſilber-Apparat aufgefangen wird. Statt des Oels kan man auch Weingeiſt, Aether, Kohlen, Metalle u. dgl. nehmen, nur Gold und Platina ausgenommen, welche die Vitriolſaͤure nicht angreift. Das Vitrioloͤl muß ſehr concentrirt ſeyn, beſonders, wenn man Metalle dazu nimmt, unter welchen einige mit ver -426 duͤnnter Vitriolſaͤure eine ganz andere Luftgattung, nemlich brennbare Luft, geben. Von Subſtanzen, welche mit der Vitriolſaͤure heftig aufbrauſen, z. B. Oel und Queckſilber muß man nicht allzuviel nehmen, weil ſonſt die Gefaͤße leicht zerſpringen. Mit Holzkohlen geht die Entbindung am ſtillſten von ſtatten; auch mit Zucker, wobey von Herbert dem erhaltenen Gas den beſondern Namen der zuckerſauren Luft beylegt. Gemeiniglich iſt etwas brennbare, fixe und phlogiſtiſirte Luft dabey, beſonders viel brennbare, wenn man ſich des Aethers bedient hat.

Um die Quellen des Aachner Bades findet man dieſe Luft natuͤrlich.

Sie iſt nach Fontana doppelt ſo ſchwer, als die gemeine Luft, hat den ſehr ſtechenden und durchdringenden Geruch des verbrennenden Schwefels, und einen ſehr ſchwach-ſaͤuerlichen Geſchmack, roͤthet den Violenſaft und entfaͤrbt ihn endlich ganz, wie die phlogiſtiſirte Vitriolſaͤure. Sie toͤdtet die Thiere ſchnell, loͤſcht die Lichter aus, ohne vorher ihre Flamme zu vergroͤßern, truͤbt das Kalkwaſſer nicht, und bildet mit den Laugenſalzen und Erden eben die Neutral - und Mittelſalze, wie die phlogiſtiſirte Vitriolſaͤure.

Sie wird vom Waſſer, und zwar auch vom ſiedenden, ſchnell eingeſogen, ſo daß 100 Theile Waſſer 5 Theile Schwefelluft, dem Gewichte nach. in ſich nehmen. Das mit ihr impraͤgnirte Waſſer iſt klar und hell, und erlangt alle Eigenſchaften der phlogiſtiſirten Vitriolſaͤure. Es unterſcheidet ſich vom Vitrioloͤl durch eine weit ſchwaͤchere Saͤure und ſtaͤrkere Fluͤchtigkeit; daher auch der Geruch unertraͤglich auffallend iſt, und das Waſſer an der freyen Luft faſt gaͤnzlich verraucht. Das Eis ſchmelzt in der Schwefelluft, obgleich die Impraͤgnation damit das Gefrieren des Waſſers nicht verhindert. Auch loͤſet dieſes Gas den Kampher, das Eiſen und das Kupfer auf; treibt aus keinem Neutral - oder Mittelſalze die Saͤure aus, wohl aber aus den milden Laugenſalzen die Luftſaͤure; und verhindert die Gaͤhrung. Es wird auch vom Vitriolaͤther,427 der Schwefelleber, den Kohlen, dem Borax, Fiſchthran u. dgl. abſorbiret.

Wenn man die vitriolſaure Luft mit atmoſphaͤriſcher, und noch mehr mit dephlogiſtiſirter, vermiſcht, ſo erzeugt ſich einige Waͤrme. Waͤſcht man das Gemiſch in Waſſer, ſo ſcheidet ſich die Saͤure ſchnell ab, und die reſpirable Luft bleibt nur phlogiſtiſirt und in einem verminderten Volumen zuruͤck. Fixe und phlogiſtiſirte Luft vermiſchen ſich mit der Schwefelluft ohne Veraͤnderung.

Man ſieht hieraus, daß dieſes Gas nichts anders, als eine durch Phlogiſton fluͤchtig gewordene Vitriolſaͤure in Luftgeſtalt ſey. Durch die ſtarke Anziehung nimmt die concentrirte Vitriolſaͤure das Brennbare in Menge an ſich, wird dadurch ſluͤchtig und ſtark von Geruch, laͤßt es aber auch wieder von ſich, ſobald Stoffe vorhanden ſind, die es ſtaͤrker anziehen, z. B. reſpirable Luft, welche dadurch phlogiſtiſirt wird, und eine gewoͤhnliche Vitriolſaͤure zuruͤcklaͤßt. Bey der Einwirkung der Vitriolſaͤure in die entzuͤndlichen Subſtanzen wird ein Theil des in den Koͤrpern gebundnen Feuers frey, durch welchen die phlogiſtiſirte Saͤure luftfoͤrmig wird. Sobald ſie das Waſſer beruͤhrt, wird ſie aufgeloͤſet, und laͤſt das in ihr gebundne Feuer wiederum los, daher ſie auch das Eis ſchmelzet. Nach der verſchiedenen Menge des Brennbaren iſt die phlogiſtiſirte Vitriolſaͤure ſelbſt ſehr verſchieden. In 100 Gran Schwefelluft ſollen nach Kirwan (Von der Menge des Phlogiſtons in vitrioliſcher Luft in deſſen Verſuchen und Beob. 1. Stuͤck. S. 121.) 8,48 Gran Phlogiſton und 91,52 Gran Saͤure ent halten ſeyn.

Prieſtley Verſuche und Beobachtungen uͤber verſchiedene Gattungen der Luft, a. d. Engl. III Theile 8. Wien, 1778. 1779. 1780. Verſuche und Beob. uͤber verſchiedne Zweige der Naturlehre a. d. Engl. I. B. Leipz. 1780. II. B. Wien u. Leipz. 8. an mehreren Stellen.

Macquer's Chymiſches Woͤrterbuch, mit Herrn Leonhardi Zuſaͤtzen, Art. Gas.

Aërologiae phyſico-chemicae recentioris primae lineae, ſcr. Io. Gottfr. Leonhardi. Lipſ. 1781. 4. 428

Tib. Cavallo Abhandl. uͤber die Natur und Eigenſchaften der Luft, und der uͤbrigen beſtaͤndig elaſtiſchen Materien, a. d. Engl. Leipzig, 1783. gr. 8.

Ueber die Luftgattungen, nach Prieſtley, in den Leipziger Sammlungen zur Phyſik und Naturgeſchichte, III. Bandes, 1ſtes, 3tes und 6tes Stuͤck.

Grens

ſyſtematiſches Handbuch der geſammten Chemie, Erſter Theil. Halle, 1787. gr. 8.

Erxlebens Anfangsgruͤnde der Naturlehre, Vierte Auflags mit Zuſaͤtzen von G. C. Lichtenberg. Goͤttingen, 1787, 8. Zuſaͤtze uͤber die verſchiedenen Luftarten, S. 191 205.

Gebirge, ſ. Berge.

Gefrierpunkt, ſ. Thermometer.

Gefrierung, Congelatio, Congelation.

Der Uebergang eines erkaltenden Koͤrpers aus dem fluͤßigen Zuſtande in den feſten. In dieſer weitlaͤuftigern, aber phyſikaliſch richtigen Bedeutung des Worts gehoͤrt das Erhaͤrten geſchmolzener Metalle ebenfalls zu den Gefrierungen, und es wird die Gefrierung uͤberhaupt der Schmelzung entgegengeſetzt, ſ. Schmelzung. Der gemeine Sprachgebrauch aber nennt das Feſtwerden durch die Erkaltung nur alsdann ein Gefrieren, wenn es Koͤrper betrift, welche bey den gewoͤhnlichen Temperaturen der Atmoſphaͤre fluͤßig ſind, z. B. Waſſer, Queckſilber u. a.: und giebt ihm dagegen den Namen des Geſtehens, wenn der Koͤrper bey der Sommerwaͤrme unſers Luftkreiſes noch feſt bleibt, und alſo erſt durch ſtaͤrkere Hitze hat geſchmolzen werden muͤſſen, wie Wachs, Schwefel, Metalle u. ſ. w.

Allem Anſehen nach iſt das Feuer oder die Waͤrme die einzige Urſache der Fluͤßigkeit ſ. Fluͤßig. Dem zu Folge wird ein fluͤßiger Koͤrper gefrieren oder in den feſten Zuſtand uͤbergehen, wenn ihm der zur Bewirkung ſeiner Fluͤſſigkeit erforderliche Grad der Waͤrme entzogen wird. Dieſer Grad iſt zwar fuͤr ebendieſelbe Subſtanz immer der nemliche, bey verſchiedenen Subſtanzen aber iſt er verſchieden.

Das reine Waſſer gefriert zu Eis bey einer Temperatur, welche ſo beſtimmt und ſich immer ſo gleich gefunden wird, daß man ſie bey den Abmeſſungen der Waͤrme429 als einen feſten Punkt zum Grunde legt, ſ. Thermometer. Dieſer Punkt iſt der 32ſte Grad der fahrenheitiſchen, und die Null der reaumuriſchen Thermometerſcale. Er beſtimmt die Temperatur der Atmoſphaͤre, bey welcher ſich Froſt und Thauwetter ſcheiden. Von Subſtanzen, welche bey dieſer Temperatur noch fluͤßig bleiben, ſagt man insgemein, daß ſie gefrieren, wenn ſie bey groͤßerer Kaͤlte feſt werden; diejenigen aber, welche bey dieſem Grade ſchon feſt ſind, und erſt in groͤßerer Hitze fluͤßig werden, betrachtet man gleichſam als natuͤrlich feſte Koͤrper, obgleich ihr Geſtehen nach vorhergegangner Schmelzung phyſikaliſch gar nicht von der Gefrierung unterſchieden iſt.

Milch gefriert beym 30ſten, Weineſſig und Urin beym 28ſten, Laͤmmerblut beym 25ſten, Burgunder, Madera und Bordeauxer Wein beym 20ſten Grade, halb Waſſer und halb hochrectificirter Weingeiſt unter einander gemiſcht bey 7 (d. i. bey 7 Grad unterhalb der Null) des fahrenheitiſchen Thermometers. Fuͤr andere Subſtanzen, die bey der Temperatur des gefrierenden Waſſers noch feſt ſind, werde ich dem Sprachgebrauche gemaͤß den Grad ihres Schmelzens angeben, ſ. Schmelzung.

Vom Queckſilber, das bey großen Graden der Kaͤlte noch fluͤßig bleibt, glaubte man ehedem, es gefriere gar nicht, oder ſey weſentlich fluͤßig, wenigſtens habe ihm noch kein bekannter Grad der Kaͤlte die Fluͤßigkeit entzogen. Gmelin ſahe es zu Ieniſeisk in Sibirien im Jahre 1734 bis auf 120 Grad der fahrenheitiſchen Scale herabfallen, ohne daß es ihm ſeine Fluͤßigkeit zu verlieren ſchien; in andern Faͤllen, die er auf ſeiner damaligen Reiſe beobachtete, zeigten ſich im Thermometer Erſcheinungen, die dem Gefrieren aͤhnlich waren, die er aber gar nicht dafuͤr anſahe, ſondern von dem Eſſig herleitete, mit dem man das Queckſilber gereiniger haͤtte. Am 14. Dec. 1759 aber ſank dem Profeſſor Braun zu Petersburg bey einer Temperatur der aͤuſſern Luft von 34 Grad nach Fahrenheit in einer Miſchung von Schnee und rauchendem Salpetergeiſt das Queckſilber des Thermometers bis 352 Grad herab,430 und er fand daſſelbe, als er die Kugel aus der Miſchung nahm, wider alle Erwartung feſt oder gefroren. Am 25 Dec. darauf ward der Verſuch wiederholt, und die Kugel des Thermometers zerbrochen, wobey ſich das Queckſilber als eine feſte, glaͤnzende, metalliſche Maſſe zeigte, die noch weicher als Bley war, und einen dumpfen Schall gab. (De admirando frigore artiſiciali, quo mercurius ſ. hydrargyrus eſt congelatus, auct. Ioſ. Ad. Braunio Petrop. 1760. 4. und in Nov. Comm. Petrop. Vol. XI. p. 268. Additamenta et ſupplem. ibid. p. 302.) Herr Blumenbach in Goͤttingen, jetzt Profeſſor daſelbſt, war der Erſte, der ſeitdem das Gefrieren des Queckſilbers wahrnahm, als er am 11. Jan. 1774 etwas von dieſem Metalle mit einer Miſchung von Schnee und Salmiak umgeben der Luft ausſetzte, in welcher ein Weingeiſtthermometer 10 Grad nach Fahrenheit zeigte (ſ. Goͤtting. Anz. von gelehrten Sachen 1774. 13. St. v. 29. Jan.). Inzwiſchen hatte die koͤnigliche Societaͤt zu London dem Herrn Hutchins, welcher als Gouverneur des Albany-Forts nach der Hudſonsbay gieng, dieſer Verſuche halber Auftrag gethan. Dieſer brachte im Iaͤnner und Februar 1775 das Queckſilber zweymal zum Gefrieren; dem D. Bicker in Rotterdam gelang der Verſuch nur unvollkommen am 28. Jan. 1776 bey einer Temperatur der Luft von+2°, wobey das Queckſilber ſchon bey 94° ſtehen blieb und auf der Oberflaͤche wie ein Amalgama gerann; der D. Fothergill in Northampton aber brachte es um eben dieſe Zeit bey einer natuͤrlichen Kaͤlte von+9° zum Gefrieren. Man hatte zwar hiebey den eigentlichen Gefrierpunkt dieſes Metalls nicht zuverlaͤßig beſtimmen koͤnnen; Brauns letztere Verſuche veranlaſſeten jedoch die meiſten Naturforſcher, ihn nicht geringer, als 352 Grad der fahrenheitiſchen oder 500 der delisliſchen Scale, anzunehmen.

Hutchins hingegen bediente ſich nach dem Vorſchlage von Cavendiſh und D. Black der Methode, in das zum Gefrieren beſtimmte Queckſilber ein kleines Thermometer zu ſetzen, weil zu vermuthen war, es werde das Metall beym Uebergange in den feſten Zuſtand, wie andere431 Materien, eine unveraͤnderliche Temperatur annehmen, und dieſe durch das darinn ſtehende Thermometer anzeigen, weil doch die ploͤtzliche Zuſammenziehung erſt im Augenblicke der Gefrierung anfange. Auf dieſe Art fand er im Jahre 1781 durch eine Reihe ſchoͤner Verſuche (Experiments for aſcertaining the point of mercurial congelation by Thomas Hutchins, Philoſ. Trans. Vol. LXXIII. P. II. mit Abhandlungen von Blagden und Cavendiſh begleitet), daß der wahre Gefrierpunkt des Queckſilbers nicht unter 39° nach Fahrenheit ſey, und das Herabſinken bis 352° blos von einer ſtarken Zuſammenziehung im Augenblicke des Gefrierens herruͤhre, bey welcher dieſes Metall ganz aufhoͤrt, einen richtigen Maaßſtab der Waͤrme abzugeben. Seitdem hat auch D. Guthrie zu Petersburg (Nouvelles experiences pour ſervir à determiner le vrai point de congelation du mercure etc. à St. Petersb. 1785. 4. ) ſeine Verſuche hieruͤber bekannt gemacht, welche in der Hauptſache mit den Hutchinſiſchen uͤbereinſtimmen, und zugleich erweiſen, was man ſonſt in Zweifel zog, daß das Queckſilber auch in ſeinem reinſten Zuſtande zum Gefrieren gebracht werden koͤnne. Schon vor Hurchins haͤtte man wiſſen koͤnnen, daß der Gefrierpunkt des Queckſilbers ſo tief nicht liege, als man ihn damals nach Braun annahm. Denn Pallas hatte bereits am 6 und 7 Dec. 1772 zu Kraſnojarſk im aſiatiſchen Sibirien (unter 93° Laͤnge und 56 1 / noͤrdlicher Breite) durch die bloß natuͤrliche Kaͤlte das Queckſilber ſowohl im Thermometer, als in einer ofnen Schale gefrieren ſehen. Er konnte freylich den Grad. dieſer Kaͤlte nicht genau angeben, aber ein einfallender Nordweſtwind, wobey die gefrornen Maſſen wieder ſchmolzen und das Thermometer herſtellten, brachte daſſelbe ſogleich auf 46°, welcher Grad doch nahe an dem wahren Gefrierpunkte liegen mußte. Die Geſchichte aller dieſer und mehrerer Verſuche hat Blagden (Hiſtory of the congelation of Quickſilver, in den Phil. Tr. Vol. LXXIII. P. II. p. 329 ſeqq. deutſch in den leipz. Sammlungen zur Phyſik und Naturg. III. B. 3tes und 5tes St.) ſehr vollſtaͤndig erzaͤhlt und mit lehrreichen Bemerkungen begleitet. 432

Hoͤchſt rectiſicirter Weingeiſt und andere von waͤſſerigten Beymiſchungen ganz reine geiſtige Liquoren gefrieren gar nicht, oder doch ſpaͤter, als das Queckſilber, ſo daß ſie die Kaͤlte der Miſchungen von Schnee und Saͤure, welche nicht uͤber 46° zu ſteigen ſcheint, vollkommen aushalten. Mit Waſſer vermiſcht aber gefrieren ſie bey geringerer Kaͤlte. Luftfoͤrmige Stoffe gefrieren bey keinem bekannten Grade der Kaͤlte, und eben dies iſt das weſentliche Kennzeichen, wodurch man ſie von den Daͤmpfen unterſcheidet, welche in der Kaͤlte zuſammenfließen.

Sowohl die gefrierenden, als auch die nach dem Schmelzen erhaͤrtenden Subſtanzen behalten die Temperatur, die zu ihrem Feſtwerden noͤthig iſt, waͤhrend des Ueberganges aus dem fluͤßigen Zuſtande in den feſten unveraͤndert bey. Es iſt dies wohl eine natuͤrliche Folge davon, daß die Waͤrme, die vorher ihre Fluͤßigkeit bewirkte, waͤhrend dieſer Zeit frey wird, und das weitere Erkalten ſo lange hindert, bis die Fluͤßigkeit voͤllig aufgehoben iſt.

Nach vollendeter Gefrierung aber kan der entſtandene feſte Koͤrper auch groͤßere Grade der Kaͤlte annehmen. Viele Subſtanzen koͤnnen, wenn ſie in Ruhe ſind, einige Grade kaͤlter werden, als zu ihrer Gefrierung noͤthig iſt; ſobald ſie aber in Bewegung kommen, werden ſie ploͤtzlich feſt, und kehren dabey genau zu der Temperatur ihres Gefrierens zuruͤck. Man ſehe hieruͤber den Artikel: Eis.

Beym Gefrieren ſelbſt, ſo wie beym Geſtehen nach der Schmelzung, aͤndern alle Subſtanzen ihr Volumen ſchnell und ſtark; manche dehnen ſich dem Anſcheine nach aus, andere ziehen ſich zuſammen. Das Zuſammenziehen wird in den meiſten Faͤllen bemerkt, und iſt vielleicht ein allgemeines Phaͤnomen bey allen feſtwerdenden Subſtanzen. Es iſt beſonders beym Gefrieren des Queckſilbers ſehr ſtark, welcher Umſtand eben den Irrthum uͤber den Gefrierpunkt dieſes Metalls veranlaßt hat. Wie weit die Zuſammenziehung gehe, iſt doch durch die bisherigen Verſuche nicht genau beſtimmt. Nimmt man nach Braun an, es ſey bis 550° der delisliſchen Scale geſunken, da ſein Gefrierpunkt ( 40° Fahr. ) 210° dieſer Scale iſt, ſo433 ſo hat die Zuſammenziehung 340 delisliſche Grade, d. i. (340 / 10000) des Volumens bey der Temperatur des kochenden Waſſers, oder (340 / 9790) d. i. beynahe (1 / 27) des Volumens im Augenblicke der Gefrierung betragen. Es iſt aber hiebey nicht auf die in der gefrornen Queckſilbermaſſe entſtandenen Hoͤlungen gerechnet. Eben dieſes Zuſammenziehen bemerkt man beym Geſtehen der meiſten geſchmolznen Metalle, und anderer Materien.

Waſſer hingegen, Eiſen, Schwefel und Spießglas ſcheinen ſich beym Uebergange in den feſten Zuſtand auszudehnen. Vom Waſſer ſ. den Art. Eis. Vom Eiſen hat man bemerkt, daß alsdann inwendig in demſelben viele kleine Hoͤhlungen entſtehen, und daß hingegen reiner Stahl ſich beym Erhaͤrten zuſammenzieht. Vielleicht ſind dergleichen Hoͤhlungen (ſie ſeyen nun mit Luft angefuͤllt, wie beym Eiſe, oder nicht) die Urſache der ſcheinbaren Vergroͤßerung des Volumens, und wenn man ſie abrechnete, koͤnnte man wohl finden, daß ſich der eigentlich mit feſter Materie angefuͤllte Raum vermindert haͤtte. So waͤre das ploͤtzliche Zuſammenziehen ein allgemeines Phaͤnomen der Gefrierung, ſo wie Zuſammenziehung uͤberhaupt eine Wirkung der abnehmenden Waͤrme iſt.

Herr Lichtenberg fand bey Waſſer, das er im Vacuo frieren ließ, dieſe Hoͤlungen ſo groß, daß das ganze Eis einem Schaume glich, ſ. Eis. Er giebt hievon drey Urſachen, wenigſtens als moͤgliche, an. Es kan nemlich das Waſſer noch nicht ganz rein von Luft geweſen ſeyn, die ſich beym Gefrieren losgemacht, und im Vacuo ſo große Blaſen gebildet hat; oder es kan durch den Proceß des Gefrierens ein luftfoͤrmiger Stof erzeugt werden; oder es kan endlich die dabey frey werdende Waͤrme ſtark genug ſeyn, um im Vacuo ein augenblickliches Sieden zu bewirken, d. h. einen Theil des Waſſers in elaſtiſche Daͤmpfe zu verwandeln. Vielleicht, ſagt er, finden alle drey Umſtaͤnde zugleich ſtatt.

Die meiſten, und vielleicht alle Subſtanzen, kryſtalliſiren ſich beym Gefrieren. Vom Waſſer ſehe man hieruͤber die Worte; Eis, Schnee. Beym Queckſilber fand ſchon434 Braun, wenn es unvollkommen gefroren war, und der noch fluͤßige innere Theil abgegoſſen ward, die Oberflaͤche, welche alsdann zum Vorſchein kam, aͤußerſt rauh, und gleichſam aus kleinen Kuͤgelchen zuſammengeſetzt. Hutchins (Experiments for aſcertaining etc. Exp. X.) bemerkte, als er das fluͤßige Queckſilber abgoß, daß die innere Oberflaͤche ſehr uneben und mit vielen uͤberzwerch laufenden Nadeln beſetzt war, wovon einige Kuͤgelchen, wie Knoͤpfe, hatten. Eben dies erfolgt auch beym Geſtehen geſchmolzener Metalle. Wenn man hiezu ſchickliche Maſſen von denſelben der kalten Luft ſo lang ausſetzt, bis die aͤuſſere Seite erhaͤrtet iſt, und alsdann die innere noch fluͤßige Maſſe abgießt, ſo ſieht man die Hoͤlung in der Mitte allenthalben mit Druſen von metalliſchen Kryſtallen beſetzt, welche an Schoͤnheit und Regelmaͤßigkeit ſchwerlich den feinſten Salzkryſtallen nachſtehen.

Nach dieſer kurzen Erzaͤhlung der vornehmſten Phaͤnomene des Gefrierens will ich noch etwas von den Meinungen der Naturforſcher uͤber die Urſache deſſelben hinzufuͤgen.

Descartes (Princip. philoſ. nat. P. IV. Prop. 48. u. Meteor. C. I. §. 7.), welcher die Feſtigkeit fuͤr Ruhe und die Fluͤßigkeit fuͤr innere Bewegung der Theile annahm, erklaͤrt die Gefrierung fuͤr eine Folge der ſchwaͤchern Wirkung ſeines zweyten Elements auf die Bewegung der Theile der Koͤrper. Die groͤßern Theile dieſes Elements wirken nach ihm ſtaͤrker, die feinern ſchwaͤcher. Marmor und Metalle laſſen in ihre Zwiſchenraͤume nur die feinern Theile dringen, daher werden ſie wenig bewegt, und zeigen Feſtigkeit und Kaͤlte. Das Waſſer nimmt zwar groͤßere Theile auf, die ſeine Beſtandtheile trennen und bewegen; im Winter aber, wenn die ſubtile Materie ſehr fein iſt, kommen die Waſſertheile in Ruhe, legen ſich unordentlich uͤber einander, und bilden einen feſten Koͤrper.

Gaſſendi

und andere, welche eine kaltmachende Materie annehmen, leiten die Gefrierung von dem Eindringen dieſer Materie in die Zwiſchenraͤume der fluͤßigen Koͤrper her, wo ſich dieſelbe feſtſetzen, die freye Bewegung der435 Theile hindern, und ſo das Feſtwerden und die Vergroͤßerung des Volumens beym Eiſe veranlaſſen ſoll. Ueber die Natur der kaltmachenden Materie aber ſind die Meynungen wiederum verſchieden geweſen.

Einige glaubten, die eindringende Materie ſey blos die gemeine Luft, welche die Blaſen des Eiſes erzeuge und das Volumen vergroͤßere; Boyle aber (Hiſtoria experimentalis de frigore. Londin. 1665. 8. ) widerlegte ſchon dieſe Meynung, indem er zeigte, daß das Waſſer auch in hermetiſch verſchloßnen Gefaͤßen mit Blaſen gefriere, und das Oel beym Gefrieren ſich zuſammenziehe.

Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. nat. §. 1504 ſq. ) meint, das Gefrieren ruͤhre gar nicht unmittelbar von der Kaͤlte, ſondern von dem Eindringen einer feinen Materie (nonnullorum corporum ſubtilium, quae ſunt in caelo) her, die ſich mit dem kalten Waſſer miſche, eine Gaͤhrung oder Aufbrauſen veranlaſſe und die Theile befeſtige. Seine Gruͤnde ſind: Das Eis ſey nicht in Ruhe; denn die Blaſen naͤhmen beym Fortgange des Gefrierens zu, es zerſprenge die Gefaͤße, dehne ſich aus und duͤnſte. Es ſchwelle zu ſehr auf, ohne daß doch die Luft in den Blaſen zuſammengedruͤckt ſey. Manchmal bleibe das Waſſer fluͤßig, wenn gleich die Temperatur unter dem Eispunkte ſtehe, zumal in Gefaͤßen, wenn nemlich die froſtmachende Materie nicht frey durch die Waͤnde dringen koͤnne. In Holland friere es nicht beym Nordwinde, der uͤber die kaͤlteſten Gegenden komme, ſondern beym Oſtwinde, der uͤber viel Land gehe, und viel fremde Theile mit ſich fuͤhre. Der Froſt ſey manchmal nur in einen kleinen Bezirk Landes eingeſchraͤnkt, richte ſich auch nicht nach den geographiſchen Breiten. Kranke ahndeten den Froſt vorher, wegen der in der Luft befindlichen fremden Theile; gefrornes Waſſer ſey nicht mehr ſo geſchickt zu Bereitung der Speiſen; Scheidewaſſer mache das Waſſer waͤrmer, das Eis aber kaͤlter; die Dicke des Eiſes richte ſich nicht nach dem Grade der Kaͤlte; Waſſer in eine Miſchung von Salz und Schnee geſetzt, gefriere, indem die Miſchung ſelbſt ſchmelze. Die Anzahl dieſer Gruͤnde iſt anſehnlich genug; allein alle angefuͤhrte436 Umſtaͤnde laſſen ſich auch aus Entziehung der Waͤrme erklaͤren. Ueberdies findet man eine Maſſe Eis nicht ſchwerer als das Waſſer, woraus ſie entſtand, und der Augenſchein lehrt zu deutlich, daß es nicht einer fremden Materie halber, ſondern nur darum friert, weil es kalt iſt.

Die Chymiker haben lange Zeit die kaltmachende Materie unter den Salzen und beſonders im Salpeter geſucht, welcher ihrer Meinung nach ſehr haͤufig im Luftkreiſe enthalten ſeyn ſollte. Man nahm die Theile dieſes Salzes fuͤr kleine ſpitzige Nadeln an, die ſich an die Waſſerkuͤgelchen anſetzten, und ſie endlich auf allen Seiten gleichſam mit Stacheln umringten und in einander verwickelten. Die Empfindung der Kaͤlte ſelbſt ſollte von der Einwirkung dieſer ſpitzigen Theilchen auf unſern Koͤrper herkommen. Die kuͤnſtlichen Gefrierungen, die man durch Miſchungen des Eiſes oder Schnees mit Salpeter hervorbringen kan, ſchienen dieſe Erklaͤrungen zu beguͤnſtigen. Man glaubte, die Salpetertheilchen draͤngen dabey durch die Zwiſchenraͤume der Gefaͤße in das darinn befindliche Waſſer ein, ſ. Kaͤlte, kuͤnſtliche. Man kan aber dieſem Argumente ſeine ganze Beweiskraft durch die Frage benehmen, warum denn dieſe kaltmachende Miſchungen nicht ſelbſt gefrieren. Es iſt auch anjetzt gewiß genug entſchieden, daß man, um die Phaͤnomene der Kaͤlte zu erklaͤren, keine beſondere Materie noͤthig hat, ſ. Kaͤlte.

Winkler (De cauſis frigoris et glaciei. Lipſ 1737. 4. ) nimmt an, die ſonſt runden Waſſertheilchen wuͤrden beym Gefrieren zertheilt und in kleinere Kuͤgelchen oder eckigte Koͤrper zertrennt, woraus er vornehmlich die Vergroͤßerung des Volumens beym Eiſe erklaͤren will. Aber welche Kraft ſollte eine ſolche Zertrennung bewirken? In einer neuern Schrift (Unde vim elaſticam adipiſcatur aqua rareſcens, Lipſ. 1753. 4. ) ſieht er zwar die Feſtigkeit des Eiſes richtig als den natuͤrlichen Zuſtand des vom Feuer verlaſſenen Waſſers an, leitet aber die Vergroͤßerung des Volumens davon her, daß ſich die Waſſertheile bey der Beruͤhrung in hohle elaſtiſche Kuͤgelchen vereinigen. 437

Seitdem die Gefrierung des Queckſilbers außer Zweifel geſetzt iſt, hat man vermoͤge der Analogie deutlicher eingeſehen, daß es fuͤr alle Metalle, ſo wie fuͤr alle uͤbrigen Subſtanzen, gewiſſe Temperaturen gebe, bey welchen ſie ihre Fluͤßigkeit mit der Feſtigkeit vertauſchen, daß das Gefrieren mit dem Geſtehen geſchmolzner Materien einerley Phaͤnomen ſey, und daß man Feſtigkeit und Fluͤßigkeit nicht fuͤr Eigenſchaften der Koͤrper, ſondern fuͤr bloße vom Grade ihrer Waͤrme abhaͤngende Zuſtaͤnde derſelben halten muͤſſe. Dieſe Meinung ſelbſt iſt nicht neu; Boyle gedenkt ihrer ſchon, als einer ſehr wahrſcheinlichen, an mehrern Stellen; ſie iſt aber erſt in neuern Zeiten herrſchender und allgemeiner geworden. Man ſieht demnach die Fluͤſſigkeit als eine Wirkung der Waͤrme oder des Feuers an, welches durch ſeine Dazwiſchenkunft und chymiſche Verwandſchaft den Zuſammenhang der Theile ſchwaͤcht, dagegen derſelbe durch die Entziehung des Feuers, oder durch die Kaͤlte wiederum zu ſeiner vorigen Staͤrke gelanget. So erklaͤren ſich die Phaͤnomene des Gefrierens ſehr leicht und ungezwungen. Eine jede Subſtanz muß, um fluͤßig zu ſeyn, wenigſtens einen beſtimmten Grad freyer Waͤrme bey ſich haben; verliert ſie etwas hievon, ſo gewinnt das Beſtreben ihrer Theile zu einander die Oberhand, und es zeigt ſich Zuſammenhang und Feſtigkeit. Waͤhrend des Uebergangs wird ein Theil des gebundnen Feuers, das vorher die Fluͤßigkeit bewirkte, frey und erſetzt den Verluſt der freyen Waͤrme, daher der Koͤrper waͤhrend des Gefrierens nicht weiter erkaltet. Hat das Anziehen der Theile wegen der Ruhe des Koͤrpers u dgl. nicht gleich wirken koͤnnen, und iſt alſo etwas mehr freye Waͤrme ausgegangen, als ſonſt zum Gefrieren hinlaͤnglich waͤre, ſo wird bey der geringſten Bewegung das Anziehen ploͤtzlich wirken, wobey die gebundene Waͤrme, welche vorher Fluͤßigkeit bewirkte, auf einmal frey wird, und den Koͤrper auf die Temperatur ſeines eigentlichen Gefrierpunkts zuruͤckbringt. Die ploͤtzliche Zuſammenziehung iſt die Wirkung des naͤhern Zuſammentretens der Theile, und die Ausdehnung des gefrierenden Waſſers ſcheint blos von Nebenurſachen,438 z. B. von den darinn entſtehenden Hoͤlungen oder Luftblaſen, von der dem Waſſer eignen Art der Kryſtalliſation u. ſ. w. herzukommen.

Man ſehe uͤbrigens die Artikel: Eis, Kryſtalliſation; Kaͤlte, Kaͤlte, kuͤnſtliche; Schmelzung, Feuer, Waͤrme.

Erxlebens Anfangsgr. der Naturlehre, durch Lichtenberg Vierte Auflage §. 424 431. §. 472.

Blagden Geſchichte der Verſuche uͤber das Gefrieren des Qucckſilbers in d. Sammlungen zur Phyſ. u. Naturg. III. B. 3. u. 5. St.

Muſſchenbroek Introd. in philoſ. nat. Vol. II. §. 1504 ſqq.

Gefuͤhl, Tactus, Tact, le Toucher.

Der Sinn, durch welchen wir die fuͤhlbaren Gegenſtaͤnde bemerken. Es iſt der groͤbſte, aber auch der zuverlaͤßigſte unſerer Sinne, der die Ueberzeugung von dem Daſeyn der Dinge auſſer uns ganz vollendet. Er iſt uͤberdies durch den ganzen Koͤrper verbreitet, und wir nehmen durch ihn die Gegenſtaͤnde von allen Seiten wahr, da die uͤbrigen Sinne nur auf gewiſſe Theile des Koͤrpers eingeſchraͤnkt ſind. Ohne Gefuͤhl wuͤrden wir Avtomate ſeyn; man wuͤrde uns zerſtoͤren koͤnnen, ohne daß wir etwas davon bemerkten.

Das Werkzeug des Gefuͤhls ſind die uͤber den ganzen Koͤrper verbreiteten Nerven. Die Haut, ein ungemein dichtes Gewebe von Fibern, iſt mit unzaͤhlbaren kleinen Loͤchern durchbohrt, durch welche die aͤuſſerſten Enden der Nerven, die Fuͤhlkoͤrner, wie kleine Waͤrzchen gebildet, hindurchgehen, ihr aͤuſſeres aus der harten Hirnhaut entſpringendes Haͤutchen ſeitwaͤrts ablegen, und ſich mit einem netzfoͤrmigen Schleim (Rete Malpighianum) bedeckt, bis unter das Oberhaͤurchen oder die Epidermis erſtrecken. Hier liegen ſie nach geraden Linien in einer gewiſſen Ordnung, durch welche die auf der Haut ſichtbaren, und beſonders an den Fingerſpitzen in Form von Spirallinien ſo merklichen Furchen gebildet werden. Dieſe Nervenſpitzen oder Fuͤhlkoͤrner ſind der eigentliche Sitz und das Werkzeug des Gefuͤhls.

Dieſer Sinn iſt der allgemeinſte, und begreift die uͤbrigen unter ſich, welche alle auſ beſondere Arten des Gefuͤhls439 hinauslaufen. Er kan durch Aufmerkſamkeit und Uebung ſo verfeinert werden, daß durch ihn oft Blinde fuͤr den Mangel des Geſichts großentheils entſchaͤdiget worden ſind.

Gegenſtaͤnde des Gefuͤhls ſind alle Koͤrper, welche die Oberflaͤche der Haut erſchuͤttern und unſere Nerven bewegen koͤnnen. Wir erkennen durchs Gefuͤhl ihr Volumen, ihre Geſtalt, Ruhe, Bewegung, Haͤrte, Weichheit, Fluͤſſigkeit, Waͤrme, Kaͤlte, Trockenheit, Feuchtigkeit u. ſ. w.

Der Sinn des Gefuͤhls iſt zugleich thaͤtig und leidend. Wir fuͤhlen zwar mehrentheils Dinge außer uns, aber wenn ein Glied des Koͤrpers das andere beruͤhrt, ſo fuͤhlen beyde und werden gefuͤhlt; beyde ſind Gegenſtand und Werkzeug zugleich.

Sind die Nervenſpitzen durch Verbrennung zerſtoͤrt, mit einer fremden Materie bedeckt, durch die Kaͤlte zuſammengezogen, gelaͤhmt rc., ſo verliert der Theil, den dies betrift, das Gefuͤhl ſo lange, bis ſie wieder in ihren natuͤrlichen Zuſtand zuruͤckkehren.

Ein beſonderes Phaͤnomen des Gefuͤhls iſt der Kitzel, eine leichte Erſchuͤtterung der Nervenſpitzen, welche jedoch lebhaft genug iſt, um eine unangenehme Empfindung zu erregen, und die in beſonders genauer Verbindung mit der Einbildungskraft ſteht.

Nollet Leçons de phyſique. Paris, 1743. 12. To. I. p. 151. ſq.

Le Cat Traité des ſens. Paris, 1767. 8. p. 203.

Gegenfuͤßler, Antipoden

Antipodes, Antichthones, Antipodes. Dieſen Namen giebt man den Bewohnern ſolcher Laͤnder, welche auf der Erdflaͤche einander dem Durchmeſſer nach gegenuͤber ſtehen. Die in o, Taf. VIII. Fig. 2. ſind derer in n, und dieſe jener Antipoden. Das Zenith jener iſt das Nadir dieſer, und umgekehrt. Beyde treibt die Schwere nach C, dem Mittelpunkte der Erde, oder vielmehr lothrecht gegen die Erdflaͤche, auf der ihre Fuͤße ſtehen. Beyde ſtehen alſo feſt, und es iſt bey einer ſehr maͤßigen Aufmerkſamkeit leicht zu uͤberſehen, daß die in n weder herabfallen koͤnnen, noch etwa die Koͤpfe unterwaͤrts440 kehren, wie ſich Unerfahrne bisweilen vorſtellen, wenn ſie die Figur und die Worte: oben, unten blos auf den Ort o beziehen. Jedem Menſchen heißt das oben, wohin ſich ſein Haupt, und das unten, wogegen ſich ſeine Fuͤße kehren. Fuͤr die in n iſt alſo N oben und C unten, und die Richtung der Schwere treibt bey ihnen eben ſowohl, als bey uns, die Koͤrper niederwaͤrts, daher ſie von ihrer Stellung gegen Himmel und Erde eben die Empfindung, wie wir von der unſrigen, haben. Alles dies iſt durch die wirklichen Erfahrungen der vielen Weltumſegler vollkommen beſtaͤtiget worden. In Vergleichung mit einander aber kehren ſich die in n und die in o wirklich die Fuͤße zu, daher auch die Benennungen ihren Urſprung haben.

Gegenfuͤßler wohnen in gleichen, aber entgegengeſetzten Breiten, und die Laͤngen ihrer Wohnplaͤtze unterſcheiden ſich um 180°. Daher ſind ihre Jahrszeiten gerade entgegengeſetzt, und ihre Stunden um 12 St. unterſchieden. Unſere Antipoden haben Fruͤhling, wenn wir Herbſt, Mitternacht, wenn wir Mittag haben. Fuͤr Leipzig faͤllt der entgegengeſetzte Ort der Erdflaͤche in die Suͤdſee zwiſchen Neuſeeland und die ſuͤdliche Spitze von Amerika, daß wir alſo keine eigentlichen Gegenfuͤßler haben.

Die Idee von Antipoden findet ſich ſchon bey den griechiſchen Weltweiſen, und namentlich beym Plato, zu deſſen Zeiten man die Kugelgeſtalt der Erde laͤngſtens aus Schluͤßen kannte. Sehr viele Schriftſteller, z. B. Cicero (Quaeſt. Acad. IV. 39.), Plinius (H. N. II. 65.). Plutarch (De facie lunae) gedenken der Antipoden, zum Theil umſtaͤndlich. Die Kirchenvaͤter hingegen fingen an, ſich ſehr heftig gegen die Meinung von der Kugelgeſtalt der Erde zu erklaͤren. Lactantius (Inſlit. Divin. III. 24.) und Auguſtinus (De civit. Dei XVI. 9.) laͤugnen das Daſeyn der Gegenfuͤßler, und Coſmas nennt die Vertheidiger der Runde der Erde homines nomine Chriſtiano indignos, qui S. Scripturam abnegent, utpote quae mundum eſſe tabernaculum teſtetur. Im achten Jahrhunderte n. C. G. vertheidigte Vergilius, der aus Irland nach441 Bayern gekommen war, das Cbriſtenthum zu predigen, die Meynung von den Gegenſuͤßlern. Der bekannte Apoſtel der Bayern und Thuͤringer, Bonifaz, beklagte ſich beym Pabſte Zacharias, er lehre alium mundum ſub terra, aliosque homines, und der Pabſt antwortete: Vergilium philoſophum a templo Dei et eccleſia depellito, ſi illam perverſam doctrinam fuerit confeſſus (Man ſ. Aventini annal. Boiorum L. III.). Auch in neuern Zeiten hatte ſich das Vorurtheil wider dieſe Meynung noch lange erhalten, bis endlich die Umſchiſſungen der Erde eine voͤllige Ueberzeugung von dem wirklichen Daſeyn der Gegenfuͤßler verſchaften.

G. S Bauer Vergilius a Zacharia Papa et Boniſacio ob aſſertos antipodas haereſeos inique poſtulatus. Lipſ. 1752. 4.

Gegengewicht, Pondus contrarium, Contrepoids.

Ein Gewicht, oder eine andere bewegende Kraft, ſo angebracht, daß ſie das Gewicht einer Laſt vermindert, oder wahl gar aufhebt, und dadurch deren Bewegung erleichtert.

Gegengewichte finden in vielen Werkzeugen und auf mancherley Art ſtatt. Ein Beyſpiel zeigt Taf. II. Fig. 44. bey dem Hookiſchen Radbarometer. Hier ſoll das Queckſilber, wenn es bey G ſteigt, das auf ſeiner Flaͤche ſchwimmende Stuͤckchen Eiſen heben, und dadurch die Rolle S mit dem Zeiger drehen. Dies zu erleichtern, wird an den uͤber S gezognen Faden das Gegengewicht H gehangen. Dies hebt einen großen Theil des Gewichts von G auf, erleichtert alſo die Bewegung, und ſpannt zugleich den Faden. Es darſ aber H nicht ganz ſo ſchwer, als G, ſeyn, damit beym Herabſinken des Queckſilbers, G ein Uebergewicht erhalte, wieder herabgehe und die Rolle S mit dem Zeiger zuruͤckdrehe.

Man pflegt auf die Hebel oder Schwengel der Ziehbrunnen große Steine zu binden. Dieſe dienen als Gegengewichte, weil ſie beym Auſziehen des vollen Eimers mit einem Theile ſeiner Laſt das Gleichgewicht halten, und alſo das Heben erleichtern. 442

Gegenſchattichte, Antiſcii, Antiſciens.

Bewohner ſolcher Orte der Erdflaͤche, deren Schatten im Mittage auf entgegengeſetzte Seiten fallen. Es ſind diejenigen, welche in den gemaͤßigten Zonen auf verſchiedenen Seiten des Aequators wohnen. Die Bewohner der noͤrdlichen gemaͤßigten Zone ſind den Bewohnern der ſuͤdlichen gegenſchatticht, und umgekehrt. Jene werfen ihren Mittagsſchatten auf die Nordſeite, dieſe auf die Suͤdſeite.

Gegenſchein, ſ. Aſpecten.

Gegenwirkung, Reaction, Reactio, Reaction.

Wenn ein Koͤrper in den andern wirkt, ſo leidet er dadurch ſelbſt eine Veraͤnderung. Er verliert nemlich ſo viel von ſeiner Kraft, Bewegung u. ſ. w., als auf die Wirkung in den andern verwendet wird. Man hat ſich ſonſt vorgeſtellt, als ob der leidende Koͤrper zuruͤckwirkte, und dem thaͤtigen dies entzoͤge. Dieſes nun hat man mit dem Namen der Gegenwirkung bezeichnet, welche alſo nichts weiter iſt als die Veraͤnderung, die ein Koͤrper dadurch, daß er in einen andern wirkt, erleidet.

Ein Pferd, das 10 Centner ziehen koͤnnte, an einen Stein geſpannt, den zu bewegen 8 Centner Kraft noͤthig ſind, zieht den Stein mit dieſer Kraft, uͤberwindet ſeine Traͤgheit, und verliert dadurch eben dieſe 8 Centner Kraft; natuͤrlich darum, weil ſie nichts mehr wirken koͤnnen, wenn ſie einmal verwendet ſind. Es geht alſo ſo ſort, als ob es nur noch 2 Centner Kraft haͤtte, und der Stein folgt ihm ſo, als ob er nun keine Gewalt mehr erforderte, fortgefuͤhrt zu werden. Man ſtellt ſich alſo vor, der Stein wirke zuruͤck, entziehe dem Pferde 8 Pfund Kraft, und uͤbe eine Gegenwirkung aus.

Schon die Scholaſtiker lehrten, Wirkung ſey nie ohne Gegenwirkung: Newton aber (Princip. philoſ. natur. Axiom. 3.) beſtimmte genauer, der Wirkung ſey allemal eine gleiche Gegenwirkung entgegengeſetzt, (reactio aequalis et contraria actioni) und fuͤhrte dieſen Satz als ein Axiom in die Naturlehre ein. 443

Gehoͤrig verſtanden iſt dieſer Grundſatz ſehr einleuchtend, und wird in der Lehre vom Druck und Stoß mit Nutzen gebraucht. Weil aber der Ausdruck: Gegenwirkung nicht ganz bequem iſt, um eine bloße Veraͤnderung durch Wirken zu bezeichnen, ſo hat dies zu falſchen Anwendungen Anlaß gegeben. Manche Naturforſcher legen dem leidenden Koͤrper zu viel bey. Hamberger (Elem. phyſices mathem. Jenae, 1735. 8. §. 36.) behauptet, die Gegenwirkung, oder, wie er es nennt, der Widerſtand ſey eine Kraft, etwas wirklich entgegenziehendes oder ſtoßendes. Dies liegt nicht in dem Begriffe von Wirkung allein, aus dem man doch den newtoniſchen Satz lediglich herzuleiten hat, wenn er als Axiom angeſehen werden ſoll. Iſt ſo etwas wirklich vorhanden, ſo muß es aus beſondern Erfahrungen bewieſen werden. Dergleichen Erfahrungen hat zwar Hamberger beygebracht, aber ſie erweiſen nicht, was ſie ſollen, und ſind ſaͤmmtlich aus der Langſamkeit zu erklaͤren, womit ſich die Bewegung mittheilt. Z. B. Man legt ein Schrotkuͤgelchen nahe an den Rand eines Tellers, und ſtoͤßt an den gegenuͤberſtehenden Rand, ſo ſcheint ſich das Kuͤgelchen dem Stoße entgegen zu bewegen. Eigentlich: bewegt ſich der Teller, kan aber dieſe Bewegung dem Kuͤgelchen nicht gleich mittheilen; alſo ruht dieſes, der Teller geht darunter weg, und die Bewegung des Kuͤgelchens, welche eine Gegenwirkung beweiſen ſollte, iſt gar nicht vorhanden. Oder: Man haͤngt einen Tabakspfeifenſtiel BC Taf. X. Fig. 38. ſenkrecht auf, und ſtellt unten an denſelben ein Glaͤschen IF ſo, daß es ihn bey C beruͤhrt. Schlaͤgt man nun ſehr geſchwind nach der Richtung AE an den Pfeifenſtiel, daß er zerbricht, ſo wird das Glaͤschen nach der Richtung IG umgeworfen. Dies ſoll eine zuruͤckwirkende Kraft des geſchlagnen Koͤrpers erweiſen; allein, was hier vorgeht, iſt folgendes. Der Schlag theilt dem abgebrochenen Ende E eine große Geſchwindigkeit nach ED mit, die ſich nicht gleich durch das ganze Stuͤck EC verbreiten kan. Daher bleibt der Schwerpunkt des Stuͤcks, oder K in Ruhe, und EC dreht ſich um K in die Lage DH, wobey der Punkt C den Weg CH nehmen, und444 das Glas nach der Richtung IG umwerfen muß. Schlaͤgt man langſam, oder weit unten, nahe bey C, ſo wird das Glas nicht umfallen, und die eingebildete zuruͤckwirkende Kraft wird außenbleiben.

Selbſt Newton hat aus ſeinem Axiom mehr hergeleitet, als wirklich daraus folgt. Er ſchließt (Princ. L. III. prop. 5. Coroll. 1.), die Gravitation der Weltkoͤrper ſey gegenſeitig, z. B. es gravitire nicht allein der Mond gegen die Erde, ſondern auch die Erde gegen den Mond, weil Wirkung und Gegenwirkung ſtets bey einander ſey. Aber wer ſieht nicht, daß die Gravitation, deren Urſache noch unbekannt iſt, mit dem Zuge, Drucke und Stoße nicht ſo geradehin verwechſelt werden duͤrfe. Sollte ſie vom Stoße einer Materie herruͤhren, warum koͤnnte denn dieſe Materie nicht den Mond gegen die Erde treiben, ohne zugleich dieſe gegen jenen zu fuͤhren? Es ſind allerdings alle bekannten Attractionen gegenſeitig; aber dies muß aus Erfahrungen erwieſen werden. Die Schwere des Monds gegen die Erde folgt aus der Art ſeiner Bewegung um letztere; die der Erde gegen den Mond aus der Ebbe und Fluth, und aus ihren in der Bewegung der Erde ſichtbaren Wirkungen; keinesweges aber aus dem Grundſatze von der Gegenwirkung, welcher blos eine Folge der Traͤgheit der Koͤrper, und nur da als Vorſtellungsart anwendbar iſt, wo Veraͤnderung durch Wirken ſtatt findet.

Kaͤſtners Anfangsgr. der hoͤhern Mechanik, Goͤttingen, 1766. 8. §. 125. u. f.

Gegenwohner, Antoeci, Antéciens.

Dieſen Namen erhalten die Bewohner ſolcher Orte der Erdflaͤche, welche unter einerley Mittagskreiſe, und in gleichen, aber entgegengeſetzten, Breiten wohnen. So ſind Taf. VIII. Fig. 2 die in i Gegenwohner derer in ſ; beyde Orte liegen im Meridian poſ is, und ihre Breiten oder Abſtaͤnde vom Aequator af und ai ſind gleich. Die Gegenwohner haben zu gleicher Zeit Mittag, alſo einerley Tagesſtunden, aber entgegengeſetzte Jahrszeiten. Leipzigs Gegenwohner ſind445 unterhalb der ſuͤdlichen Spitze von Afrika in der Gegend des Cap Circonciſion zu ſuchen.

Gehoͤr, Auditus, Ouie.

Der Sinn, durch welchen wir den Schall und Klang empfinden. Das Werkzeug deſſelben iſt das Ohr. Ich wuͤrde ohne eine vorhergegangene Beſchreibung dieſes ſehr zuſammengeſetzten Organs wenig Deutliches vom Gehoͤre ſelbſt ſagen koͤnnen; die Betrachtung hat mich bewogen, die Beſchreibung des Ohrs hauptſaͤchlich nach Karſten (Anleitung zur gemeinnuͤtz. Kenntniß der Natur, §. 94. u. f.) hier mitzutheilen, und bey dem Worte: Ohr, auf gegenwaͤrtigen Artikel zu verweiſen.

Das menſchliche Ohr, womit auch das Ohr der Thiere bey einigen mehr, bey andern weniger Aehnlichkeit hat, liegt groͤßtentheils im Schlaͤfeknochen (os temporum), und man unterſcheidet das aͤußere und innere Ohr, oder nach Valſalva (De aure humana. Bonon. 1704. 4. ) die aͤußere, mittlere und innerſte Hoͤhle deſſelben.

Zur aͤußern Hoͤhle gehoͤrt der knorplichte, duͤnne, elaſtiſche, mit Haͤuten uͤberzogne Theil, den wir von außen an beyden Seiten des Hauptes ſehen. Seine aͤußere Flaͤche AB Taf. X. Fig. 39. iſt mit verſchiedenen Hervorragungen und Hoͤhlungen verſehen, den Schall aufzufangen und in die Muſchel (concha, conque) zu bringen, dann aber weiter in den Gehoͤrgang (meatus auditorius, conduit auditif) zu leiten. Dieſer faͤngt auf dem Boden der Muſchel und unter dem knorplichten Theile (Tragus, trage) C an, ſeine Querſchnitte ſind elliptiſch, die Flaͤche ſeiner Oefnung betraͤgt (5 1 / 35) Quadratlinien, und iſt 50mal kleiner, als die aͤußere Flaͤche des Ohrs, daher hier der Schall 50mal ſtaͤrker ſeyn kan, als wenn er ohne das aͤuſſere Ohr ſogleich in den Gehoͤrgang gekommen waͤre. Die Gehoͤrgangsroͤhre DE iſt 9 Lin. lang, 4 Lin. hoch, und 3 Lin. breit, ſteigt bogenartig von D nach F, von da nach E wieder hinab, dann wieder hinauf, wo ſie ſich mit dem Trommelfell (membrana tympani, membrane du tambour) GH endiget. Ihr Umfang iſt anfangs knorplicht, weiterhin446 aber endigt ſich der Gehoͤrgang ſelbſt im Schlaͤfeknochen. Er iſt mit ſeinen Haͤuten bedeckt, unter denen ſich aus kleinen Druͤſen das Ohrenſchmalz abſondert, das ihn befeuchtet, und ſo, wie die kleinen Haare im Eingange, beſchuͤtzt; bey neugebohrnen Kindern iſt er etwas enger, und am Trommelfelle mit einer weißen ſchleimichten Subſtanz erfuͤllt, welche das Waſſer, worinn der Foͤtus ſchwimmt, abhaͤlt, ins Ohr zu dringen. Das Trommelfell ſchließt ſchief an, ſo daß es mit der Gehoͤrgangsroͤhre oben einen ſtumpfen, unten einen ſpitzigen Winkel macht. Es iſt von außen ein wenig hohl vertieft, von innen aber erhaben; ſeine Flaͤche iſt mehr koniſch als ſphaͤriſch, der Umfang elliptiſch, und der mittlere Durchmeſſer (3 7 / 10) Linien.

Mit dem Trommelfelle faͤngt die mittlere Hoͤhle des Ohrs, die Crommelhoͤhle, Pauke (Tympanum, Cavitas tympani, Caiſſe du tambour) an. Sie befindet ſich im Innern des Schlaͤfeknochens, hat eine irregulaͤre elliptiſche Figur, im mittlern Durchſchnitt von 4 Linien. Hier hat eine kleine, aus vier der zarteſten Knoͤchelchen zuſammengeſetzte Maſchine, Taf. X. Fig. 40, ihre Stelle. Dieſe Knoͤchelchen ſind der Hammer (malleus, marteau) GIK, der Ambos (incus, enclume) GL, der Stegreif (ſtapes, étrier) LNM, und ein ungemein kleines linſenfoͤrmiges Beinchen (os orbiculare, oſſelet orbiculaire ou lenticulaire) bey L. Der Hammer und Ambos haͤngen bey G zuſammen, ſind aber, wie ein Winkelhebel, um dieſen Punkt beweglich. Der Ambos und Stegreif aber ſind vermittelſt des linſenfoͤrmigen Beinchens ſo verbunden, daß jeder Theil einzeln um L beweglich iſt. Der Hammer haͤngt an dem Trommelfelle an.

Aus der Trommelhoͤhle laͤuft die Euſtachiſche Roͤhre (tuba Euſtachiana, trompe d' Euſtache) HY nach der innern Hoͤhle des Mundes, wodurch ſich die Trommelhoͤhle mit Luft fuͤllt, welche der aͤußern an Federkraft gleich iſt, daher man auch durch den Mund und die Naſe hoͤren kan. Außerdem laͤuft auch aus dieſer Hoͤhle noch ein Gang in die Zellen des zitzenfoͤrmigen Fortſatzes (Apophyſi < * > maſtoidea). 447

Die innerſte Hoͤhle des Ohrs heißt das Labyrinth (labyrinthus, labyrinthe) PRQO, und iſt Fig. 41. beſonders ſo vorgeſtellt, daß man die untere Seite ſieht. Sie liegt uͤber der Trommelhoͤhle, jedoch zugleich etwas nach hinten, in der feſteſten Maſſe des Schlaͤfeknochens, und hat eine eigne ſehr zuſammengeſetzte Geſtalt. Sie beſteht aus dem Vorhof (veſtibulum, veſtibule) S, Fig. 39, drey halbkreisfoͤrmigen Roͤhren (canales oſſei ſemicirculares, canaux ſemicirculaires) P, Q, R, und der Schnecke (cochlea, limaçon) O. Der Vorhof haͤngt durch eine kleine Oefnung unter dem Namen des ovalen Fenſters (feneſtra ovalis, fenêtre ovale) T, Fig. 41. mit der Trommelhoͤhle zuſammen.

Der ganze Arm des Hammers IK, Fig. 40. iſt mit dem Trommelfell zuſammengewachſen, und die Spitze K der Handhabe des Hammers (manubrium mallei, manche du marteau) liegt an der Spitze des koniſchen Trommelfells. Bey G haͤngt der von Hammer und Ambos gebildete Winkelhebel durch zwey haͤutige Baͤnder an der obern Wand der Trommelhoͤhie. Des Stegreifs Schenkel machen mit dem Horizont einen Winkel von 45°, ſeine Grundflaͤche MN ſchließt genau an das ovale Fenſter an, und haͤngt mit deſſen Umfange durch ein duͤnnes Haͤutchen ſo zuſammen, daß der Stegreif noch ein wenig beweglich bleibt, und weil der Zuſammenhang bey M am feſteſten iſt, ſich mit der Seite N im Bogen um M drehen kan.

Die drey halbkreisfoͤrmigen Canaͤle ſind von verſchiedener Groͤße, und werden daher am beſten durch die Namen des groͤßern, kleinern und kleinſten unterſchieden. Zwey von ihnen haben einen gemeinſchaftlichen Schenkel PT, und alle zuſammen endigen ſich daher nur mit fuͤnf Oefnungen am Vorhofe.

Die Schnecke iſt ein ſpiralfoͤrmiger Canal im Schlaͤfeknochen, der ſich um eine kegelfoͤrmige Spindel windet, und um dieſelbe von der Grundflaͤche an bis an die Spitze dritthalb Windungen macht. Die Hoͤhle der Schnecke wird durch die duͤnne Schnecken-Scheidewand oder das gewundene Blatt, (ſepimentum cochleae, lamina ſpiralis,448 lame ſpirale), welche zum Theil knorplicht, zum Theil zart, wie ein durchſichtiges Haͤutchen iſt, in zween Canaͤle, die Scalen, Treppen, (Scalae, rampes du limaçon) getheilt. Eine derſelben, die Vorhofsſcale (Scala veſtibuli, rampe externe) endigt ſich mit ihter Oefnung im Vorhofe an der Seite des ovalen Fenſters; die andere (Scala tympani, rampe interne) ſteht mit der Trommelhoͤhle in Verbindung, und endigt ſich daſelbſt in ein rundes Loch, welches das runde Fenſter heißt, und mit einem duͤnnen Haͤutchen geſchloſſen iſt.

Der Gehoͤrnerve iſt theils hart, theils weich, und hat im Schlaͤfeknochen ſeinen zwiefach abgetheilten Canal. Taf. X. Fig. 42. Die eine Abtheilung AB, der gemeinſchaftliche Nervencanal, iſt dem haͤrtern und weichern Theile gemein, der andere DE, der Fallopiſche Aquaͤduct, iſt dem haͤrtern Theile eigen. Aus dem gemeinſchaftlichen Canal tritt der haͤrtere Gehoͤrnerve bey F ab in den letztern Canal DE, welcher nach D zu mit der Hoͤhle der Hirnſchale in Verbindung iſt, wo ſich der Nerve ins Gehirn vertheilet, nach C zu aber einen Aſt (chorda tympani) durch die Trommelhoͤhle ſendet, bey E endlich aus den Schlaͤfeknochen heraustritt, und Aeſte uͤber die ganze Helfte des Geſichts verbreitet, Der weichere Nerve hingegen tritt in zween Aeſten bey B theils mit der Schnecke, theils mit dem Vorhof in Verbindung, und bildet im letztern und in den halbkreisfoͤrmigen Canaͤlen zarte Haͤutchen, die ſchallenden Zonen, in der Schnecke aber den haͤutigen Theil der Spiralſcheidewand.

So bewundernswuͤrdig nun dieſes Werkzeug von dem Schoͤpfer gebildet und aus den feinſten Theilen zuſammengeſetzt iſt, ſo wenig ſind wir im Stande, die eigentliche Beſtimmung aller dieſer Theile und die Abſicht ihres ſo kuͤnſtlichen Baus anzugeben. Den mehreſten ſcheint das Labyrinth das eigentliche Werkzeug des Gehoͤrs zu ſeyn, zu welchem Schall und Ton durch die uͤbrigen Theile blos geleitet und fortgepflanzt werden. Der in der Luft erregte Schall nemlich geht durch die Muſchel und den Gehoͤrgang bis ans Trommelfell und ſetzt daſſelbe in eine zitternde Bewegung. 449Dadurch wird die Luft in der Trommelhoͤhle und durch dieſe das Haͤutchen des runden Fenſters ebenfalls erſchuͤttert. Iſt alſo die Hoͤhle des Labyrinths gleichfalls mit Luft erfuͤllt, ſo wird auch dieſer die Erſchuͤtterung mitgetheilt; ſie wirkt alsdann auf den Gehoͤrnerven, und hiemit iſt die Empfindung des Schalls unmittelbar verbunden.

Man fuͤhlt es ſogleich, daß dieſe Erklaͤrung viel zu einfach iſt, um den Mechaniſmus eines ſo zuſammengeſetzten Werkzeugs mit einiger Vollſtaͤndigkeit begreiflich zu machen. Um alſo der Sache etwas naͤher zu kommen, und zu erklaͤren, wie die Verſchiedenheit der Toͤne empfunden werden koͤnne, nimmt man an, der zum Hammer gehoͤrige Muſkel ſpanne das Trommelfell jederzeit ſo ſtark, daß es mit dem entſtandenen Tone harmoniſch bebe; durch die Bewegung des Amboßes und Stegreifs werde auch vermittelſt des an letzterm befindlichen Muſkels das Haͤutchen am Ovalfenſter gleich ſtark geſpannt, und dadurch die Wirkung des Tons deſto lebhafter ins Labyrinth uͤbergebracht. Man ſtellt ſich endlich die Faſern des haͤutigen Theils der Spiralſcheidewand, welche von der Mitte gegen den Umfang laufen, und in den weiten Windungen laͤnger, als in den engen ſind, als geſpannte Saiten von verſchiedenen Laͤngen vor, deren jede mit einem eignen Tone uͤbereinſtimmt, und nimmt an, daß durch jeden Klang die mit ihm harmonirenden Faſern erſchuͤttert, und dieſe Schwingungen durch den Gehoͤrnerven bis ins Gehirn fortgepflanzt werden. Dieſe Erklaͤrung giebt Muſſchenbroek (Introd. in philoſ. nat. Vol. II. §. 2280. 2281.).

Der kuͤnſtliche Bau der vier kleinen Gehoͤrknoͤchelchen ſcheint aber doch eine wichtigere Beſtimmung anzuzeigen, als die ihnen hiebey zugeſchriebene Spannung des Haͤutchens am Ovalfenfter iſt. Vielleicht pflanzen ſie ſelbſt durch ihre Bewegung den Ton vom Trommelfell bis ins Labyrinth fort. Das zitternde Trommelfell erſchuͤttert den Winkelhebel, den Hammer und Ambos bilden, und dadurch auch den Stegreif ſo, daß er ſich um den einen Punkt ſeiner Grundflaͤche, wie um ein Charnier, ſchneil hin und wieder ſchwingt. Waͤre nun das Labyrinth voll Luft, ſo450 wuͤrde dieſe die Erſchuͤtterung den Nerven mittheilen und zum Gehirn bringen.

Aber eine große Schwierigkeit bey allen dieſen Erklaͤrungen iſt, daß man keine Oefnung findet, durch welche Luft von gleicher Federkraft mit der aͤußern ins Labyrinth gelangen kan, indem beyde Fenſter mit Haͤutchen verſchloſſen ſind. Schon aͤltere Zergliederer haben Feuchtigkeiten im Labyrinthe wahrgenommen: Cotunni (Diſſ. de aquaeductibus auris humanae internae. Neap. 1760. 4. ) und Meckel (Diſſ. de labyrinthi auris contentis. Argentor. 1777. 4. ) haben endlich erwieſen, daß es ganz voll Waſſer ſey. Dieſe Entdeckung wuͤrde die aͤltern Naturforſcher ſehr in Verlegenheit geſetzt haben; jetzt wiſſen wir aber, daß auch das Waſſer in einigem Grade elaſtiſch ſey, und den Schall fortpflanze; uͤberdies ſind auch zwey zarte Raͤumchen vorhanden, in welche das Waſſer zum Theil ausweichen kan. Herr D. Wuͤnſch (De auris humanae proprietatibus. Lipſ. 1777. 4. ) glaubt, es werde die ganze ſehr zarte und elaſtiſche Maſſe des Labyrinths erſchuͤttert, welche Meinung auch wohl die wahrſcheinlichſte iſt.

Wenn die Erſchuͤtterungen aus regelmaͤßigen und gleichzeitig auf einander folgenden Schlaͤgen beſtehen, ſo wird ein Klang oder Ton, wenn aber dieſes Regelmaͤßige fehlt, wird ein blos unharmoniſcher Schall empfunden. Beyde koͤnnen, wenn ſie ſtark werden, den Gaumen und die Zaͤhne erſchuͤttern, und ſogar Taubheit verurſachen.

Daß man mehrere Toͤne zugleich hoͤret, erklaͤrt man leicht dadurch, weil jeder Ton nur die mit ihm harmoniſchen Faſern der Spiralſcheidewand erſchuͤttert, daher von verſchiedenen Toͤnen auch verſchiedene Nervenſpitzen geruͤhrt werden. Das Labyrinth, die Schnecke und die vier kleinen Gehoͤrknoͤchelchen wachſen nicht, ſondern ſind bey Kindern eben ſo groß, als bey Erwachſenen. Sollte hiebey nicht die Abſicht ſeyn, zu bewirken, daß gewiſſe beſtimmte Toͤne immer eben dieſelben Stellen dieſer Theile und auf eben dieſelbe Art erſchuͤttern muͤſſen. Denn, wenn z. B. die Nervenfaſern der Spiralſcheidewand an Laͤnge zunaͤhmen, ſo wuͤrden Kinder gewiſſe hohe Toͤne hoͤren koͤnnen, die ſie als451 erwachſene Perſonen nicht mehr zu unterſcheiden vermoͤgend ſeyn wuͤrden.

Karſtens Anleitung zur gemeinnuͤtzlichen Kenntniß der Natur. Halle, 1783. 8. VII. Abſchn. §. 94 100.

Gehoͤrnerve, ſ. Gehoͤr.

Geiſt, Spiritus, Spiritus, Eſprit.

Dieſer Name wird den Fluͤßigkeiten beygelegt, die man durchs Deſtilliren aus den Koͤrpern erhaͤlt, wenn ſie aus fluͤchtigen die Nerven reizenden Theilen beſtehen und ſich in jedem Verhaͤltniſſe mit Waſſer vermiſchen. Man hat drey Hauptarten von Spiritus: brennbare, ſaure, alkaliſche.

Zu den brennbaren gehoͤren der Spiritus Rector oder der fluͤchtigſte und feinſte Theil der weſentlichen Pflanzenoͤle, und die eigentlichen brennbaren Spiritus aus Wein, Bier und anderen durch die Weingaͤhrung gegangenen Subſtanzen, ſ. Weingeiſt. Man kan auch die Aetherarten hiezu rechnen, ſ. Aether.

Die zweyte Claſſe begreift alle durchs Deſtilliren erhaltene Saͤuren. Die aus dem Mineralreiche heißen Schwefelgeiſt, Salpetergeiſt, nach der Subſtanz, aus der man ſie erhalten hat; bey den aus dem Pflanzen - und Thierreiche pflegt man das Beywort ſauer hinzuzuſetzen, weil dieſe Subſtanzen noch andere, nicht ſaute, Spiritus geben, z. B. ſaurer Geiſt vom Pockholze, ſaurer Ameiſengeiſt.

In die dritte gehoͤren die fluͤchtig-alkaliſchen Geiſter aus dem Salmiak, gefaulten Pflanzen und thieriſchen Stoffen, der fluͤchtige Salmiakgeiſt, Hirſchhornſpiritus, u. ſ. w.

Macquer chem. Woͤrterb. Art. Spiritus.

Gemaͤlde, elektriſches, ſ. Zaubergemaͤlde.

Geocentriſch, Geocentricum, Géocentrique.

So wird dasjenige genannt, was ſich auf den Mittelpunkt der Erde bezieht, oder wovon man ſich vorſtellt, als ob es aus dem Mittelpunkte der Erde betrachtet wuͤrde. Der Ort, den ein Planet, aus der Mitte der Erde geſehen, unter den Fixſternen einnehmen wuͤrde, heißt ſein geocentriſcher452 Ort, und deſſen Laͤnge und Breite die geocentriſche. An eben dieſem Orte wird der Planet aus derjenigen Stelle der Erdflaͤche geſehen, welche ihn zu der Zeit im Scheitel hat. Vom geocentriſchen Orte wird der wahre Ort, ingleichen der heliocentriſche Ort unterſchieden, ſ. Heliocentriſch.

Geogenie, Geogonie

Geogonia. Ein Name, den man der Lehre von der Entſtehung und Bildung der Erdkugel beylegt. Dieſe Lehre gehoͤrt eigentlich zur phyſiſchen Geographie. Herr Silberſchlag hat unter der Aufſchrift: Geogonie, eine eigne Hypotheſe uͤber dieſe Gegenſtaͤnde vorgetragen, ſ. den Art. Erdkugel, unter dem Abſchnitte: Hypotheſen uͤber die Entſtehung und Bildung der Erde.

Geographie, Erdbeſchreibung

Geographia, Géographie. Dieſen Namen fuͤhrt die Lehre von der Erde, deren Groͤße, Geſtalt, Bewegungen, Beſchaffenheit, Eintheilungen der Oberflaͤche u. ſ. w., welche Gegenſtaͤnde eine Wiſſenſchaft von großer Wichtigkeit und weitlaͤuftigem Umfange ausmachen. Ihr griechiſcher Name wird durch den deutſchen ganz eigentlich ausgedruͤckt.

Man theilt die Geographie in die mathematiſche, phyſiſche und politiſche ein. Die mathematiſche betrachtet, was bey der Erde einer Ausmeſſung faͤhig iſt; die phyſiſche handelt von ihrer natuͤrlichen Beſchaffenheit, Bildung, Veraͤnderungen, den Theilen ihrer Oberflaͤche, dem feſten Lande, Gewaͤſſern, Bergen, Inſeln rc. und wird bisweilen auch allgemeine Phyſik oder Naturgeſchichte der Erde genannt; die politiſche endlich hat die buͤrgerlichen Abtheilungen der Oberflaͤche zum Gegenſtande.

Man begreift die mathematiſche und phyſiſche Geographie, welche die natuͤrliche Beſchaffenheit der Erde betreffen, zuſammen unter dem Namen der allgemeinen Erdbeſchreibung. So hat Varenius zu Cambridge im Jahre 1672 eine Geographiam generalem, die noch immer geſchaͤtzt wird, herausgegeben. Blos dieſe allgemeine Erdbeſchreibung453 gehoͤrt zur Phyſik: einzelne Abſchnitte von ihr fuͤhren auch beſondere Namen, z. B. derjenige Theil der mathematiſchen, den der Seefahrende benuͤtzt, heißt die Hydrographie oder Schifkunſt; was aus der phyſiſchen die Berge betrift, wird Gebirgslehre genannt, u. ſ. w.

Der erſte Urſprung dieſer Wiſſenſchaft iſt aus den Reiſen der aͤlteſten handlungtreibenden Voͤlker, beſonders aus den Seereiſen der Phoͤnicier herzuleiten. Als man den Bau des Schifs und die Kunſt, es durch Ruder und Segel zu regieren, kennen gelernt hatte, ſchifte man aus Mangel einer Leitung nie bey Nacht, und wagte nicht, ſich von den Kuͤſten zu entfernen. Endlich fanden ſich am geſtirnten Himmel Merkmale der Weltgegenden, wozu die Phoͤnicier den kleinen, die Griechen den großen Baͤr gebrauchten, den ſie auch immer noch vorzogen, ob ſie gleich Thales eines Beſſern belehren wollte. Die Phoͤnicier und Griechen lernten durch ihre Seereiſen wenigſtens den groͤßten Theil der Kuͤſten des mittellaͤndiſchen Meeres und der anliegenden Laͤnder kennen, aber die Berichte der Reiſenden wurden aus Hang zum Wunderbaren, aus Eitelkeit und Eigennutz mit den abgeſchmackteſten Fabeln vermiſcht, wovon ſich in den geographiſchen Schriften der Alten auffallende Beyſpiele finden.

Aus den Mondfinſterniſſen und dem Unterſchiede der Mittagshoͤhen der Geſtirne ſchloß man ſchon fruͤhzeitig die runde Geſtalt der Erde, und bekam Begriffe von ihren Verhaͤltniſſen zur Sonne und den uͤbrigen Planeten, welche Thales und andere griechiſche Weltweiſen in ihren Schulen verbreiteten. Anaximander, des Thales Schuͤler, hat, nach den Berichten des Strabo und Diogenes Laertius, die erſte Zeichnung vom Umfange der Erde und des Meeres (d. i. von den Kuͤſten der damals bekannten Laͤnder) gemacht, und Hekataͤus die erſte Erdbeſchreibung abgefaßt. Pytheas ward von Maſſilien, dem heutigen Marſeille, einer damaligen republikaniſchen Colonie der Phocenſer, ausgeſandt, um neue Entdeckungen gegen Norden zu machen. Er kam bis Thule (Island), und berichtete, er habe am laͤngſten Tage die Sonne nicht untergehen454 geſehen, welches die Wahrheit ſeiner Erzaͤhlung beſtaͤtiget. Strabo fuͤhrt aus ſeiner Schrift (〈…〉〈…〉7, Reiſe um die Welt) noch einiges an, worunter ſeltſame Dinge vorkommen, z. B. daß jenſeits Thule die Erde mit einer aus Erde und Waſſer gemiſchten Maſſe aufhoͤre. Durch die Carthaginienſer, als eine der Handlung ganz ergebne Nation und Colonie der Phoͤnicier, ward die Kenntniß fremder Laͤnder ebenfalls erweitert. Einige geographiſche Schriften dieſes Zeitalters hat Hudſon (Geographiae veteris ſcriptores graeci minores, III. Vol. Oxon. 1698 1712. 8. ) herausgegeben. Vornehmlich aber ward die mathematiſche Geographie im Muſeum zu Alexandrien erweitert. Hier unternahm Eratoſthenes die erſte Berechnung der Groͤße der Erde, und Hipparch lehrte die Beſtimmung der Lage der Orte durch Laͤnge und Breite, die Erfindung der Laͤngen aus den Mondfinſterniſſen, und die Methode, die Kugel auf einer Ebne zu entwerfen. Hier brachte endlich Ptolemaͤus im zweyten Jahrhunderte nach C. G. die geographiſchen Kenntniſſe ſeiner Zeit in eine vollſtaͤndige Sammlung (〈…〉〈…〉8 ſ. Geographicae enarrationis libri VII. ), welcher Agathodaͤmon Zeichnungen oder Landkarten beygefuͤgt hat. Nach dieſen hat ſich die den Alten bekannte Welt (orbis antiquus) nicht uͤber 124° in die Laͤnge und 84° in die Breite erſtreckt, ſelbſt die Laͤnder mitgerechnet, deren Daſeyn nur vermuthet ward.

Was die phyſiſche Geographie betrift, ſo findet man in den Schriften des Ariſtoteles und Plinius eine Menge dahin gehoͤriger, aber großentheils unzuverlaͤßiger und fabelhafter Nachrichten; auch haben die Schriftſteller der politiſchen Geographie, z. B. Strabo und Mela, ſehr vieles hieher gehoͤrige eingeſchaltet.

Das mittlere Zeitalter zeichnet ſich, außer einer von dem Kalifen Al-Mamon veranſtalteten Erdmeſſung, hauptſaͤchlich durch die Erfindung des Seecompaſſes aus, ſ. Compas Seit dieſem um den Anfang des 14ten Jahrhunderts fallenden Zeitpunkte machte die Schiffahrt, beſonders unter den Portugieſen, durch den Prinzen Heinrich den Seefahrer, anſehnliche Fortſchritte. Eine Art von Enthuſiasmus,455 welche bis ins 16te Jahrhundert gedauert hat, trieb eine Menge Abentheurer auf die Entdeckung neuer Laͤnder aus, wovon die Folgen hoͤchſt wichtig waren. Im Jahre 1486 entdeckte der Portugieſe Bartholomaͤus Diaz die Umfahrt um die ſuͤdliche Spitze von Afrika, und oͤfnete dadurch ſeiner Nation den Weg zum oſtindiſchen Handel, der bisher in den Haͤnden der Venetianer geweſen war.

Bald hierauf folgte im Jahre 1492 die Entdeckung der neuen Welt, oder des vierten Welttheils durch Chriſtoph Colom oder Columbus, deren Geſchichte Robertſon (Geſchichte von Amerika aus d. Engl. III. Th. Leipzig, 1777. 8. ) ſo vortreflich erzaͤhlt hat. Stuͤven (Diſſ. de vero novi orbis inventore. Frf. 1714. 4. ) hat zwar die Ehre dieſer Entdeckung dem Martin Behaim, einem nuͤrnbergiſchen Patricier, der ſich in Portugall und auf der azoriſchen Inſel Fayal aufhielt, viele Seereiſen unternahm und kuͤnſtliche Erdkugeln verfertigte, zuſchreiben wollen. Doppelmayr (Nachricht von den nuͤrnbergiſchen Mathematicis und Kuͤnſtlern, Nuͤrnb. 1730. Fol. bildet eine ſolche Erdkugel des Behaim ab, auf welcher wirklich an der Stelle, wo Amerika liegt, feſtes Land, aber zuſammenhaͤngend mit Aſien, angegeben iſt. Er fuͤhrt auch an, Wagenſeil (Sacra parentalia Behaimiana) habe aus dem Behaimiſchen Familienarchiv Urkunden abdrucken laſſen, denen zu Folge Behaim 1485 in Braſilien gelandet ſeyn, ja ſogar die magellaniſche Meerenge entdeckt haben ſolle. Dazu koͤmmt, daß Ferrara, ein ſehr glaubwuͤrdiger ſpaniſcher Geſchichtſchreiber (Dec. I. L. I. c. 2.) den beruͤhmten Koſmographen und Verfertiger kuͤnſtlicher Erdkugeln, Martinus de Bohemia, als einen Freund des Columbus nennt. Da aber die erwaͤhnten Urkunden dem Behaim allzuviel beyzulegen ſcheinen, und das uͤbrige keinen Beweiß ausmacht (indem die Meynung, daß ſich Aſien bis gegen das atlantiſche Meer erſtrecke, damals herrſchend war), ſo kan dies dem Colom den ſo ſehr verdienten Ruhm dieſer Entdeckung nicht entziehen. Bald hierauf folgte auch im Jahre 1519 die erſte Umſchiffung der Erde durch Ferdinand Magellan, welche die Kugelgeſtalt derſelben voͤllig außer Zweifel ſetzte. 456

Seit dieſer Zeit nun hat auch die Geographie mit der Sternkunde zugleich immer weitere Fortſchritte gemacht, und allmaͤhlich eine ganz andere Geſtalt gewonnen. Im vorigen Jahrhunderte trug Riccioli (Geographia et Hydrographia reformata. Venet. 1665. ſol. ) alles, was man zu ſeinen Zeiten davon wußte, in ein vollſtaͤndiges und in ſeiner Art faſt einziges Werk zuſammen. Die zu eben der Zeit in Frankreich und England geſtifteten gelehrten Geſellſchaften machten es zu einer von ihren Hauptabſichten, die Kenntniß der Erdkugel moͤglichſt zu erweitern. Man veranſtaltete nicht nur weite und koſtbare Reiſen, ſondern kam auch nach und nach auf richtigere Methoden, die Groͤße der Erde zu beſtimmen, die geographiſchen Laͤngen und Breiten der Orte zu finden, und dadurch die Landcharten zu verbeſſern. Huygens und Newton muthmaßten die ſphaͤroidiſche Geſtalt der Erde, welches zu den vielen beym Worte: Erdkugel erzaͤhlten Abmeſſungen und Unterſuchungen Gelegenheit gab, die uns in der Mitte des gegenwaͤrtigen Jahrhunderts eine voͤllige Ueberzeugung von der abgeplatteten Geſtalt der Erde verſchafft haben. In den neuſten Zeiten ſind die geographiſchen Entdeckungen auf der Erdflaͤche durch unzaͤhlbare Beobachtungen auf ſo manchen von den Englaͤndern, Franzoſen, Spaniern, Ruſſen und Schweden veranſtalteten See - und Landreiſen vervielfaͤltiget, die Lagen vieler Orte genauer beſtimmt, und die Landkarten zu einer weit hoͤhern Vollkommenheit gebracht worden. Dennoch iſt die Arbeit bey weitem nicht vollendet; noch ein ſehr großer Theil der Erdflaͤche iſt voͤllig unbekannt, und ſelbſt in vielen bekannten Laͤndern iſt die Lage der Orte noch ſo unbeſtimmt, daß unſern Nachkommen ein ſehr weites Feld zu Uebung ihres Fleißes offen bleibt.

Die mathematiſche Geographie iſt neuerlich von Mallet (Allgemeine oder mathematiſche Beſchreibung der Erdkugel, aus dem Schwed. von Roͤhl, Greifsw. 1774. 8. ), vornehmlich aber von Bode (Anleitung zur allgemeinen Kenntniß der Erdkugel, mit einer Charte und Kupfern, Berlin, 1786. gr. 8.) ſehr ſchoͤn und gruͤndlich vorgetragen worden: und die erſten Grundſaͤtze, worauf die Erdbeſchreibung457 zu bauen iſt, hat Maupertuis (Elemens de Geographie. à Paris, 1742. 8. ) in einer angenehmen Schreibart kurz zuſammengefaßt. Anfaͤngern iſt auch Walch (Ausfuͤhrliche mathematiſche Geographie. Goͤttingen, 1783. 8. ) zu empfehlen.

Die phyſiſche Erdbeſchreibung iſt von Lulofs (Einleitung zur mathematiſchen und phyſikaliſchen Kenntniß der Erdkugel, aus dem Hollaͤnd. von Kaͤſtner. Goͤttingen und Leipzig, 1755. gr. 4.) und Bergmann (Phyſikaliſche Beſchreibung der Erdkugel, aus dem Schwed. von Roͤhl. Greifsw. 1769. gr. 8. Zweyte Ausgabe in II B. 1780. gr. 8.) ausfuͤhrlich abgehandelt worden. Das Noͤthigſte findet man auch von der mathematiſchen in den Kaͤſtneriſchen und andern Lehrbuͤchern der angewandten Mathematik; von der phyſiſchen in den Erxlebenſchen Anfangsgruͤnden der Naturlehre; und von beyden zugleich in Wiedeburgs Einleitung in die phyſiſch-mathematiſche Kosmologie (Gotha, 1776. gr. 8.).

Geologie, Geologia, Géologie.

Dieſer Name, der ſo viel, als Lehre von der Erde, bedeutet, iſt von einigen Schriftſtellern der phyſiſchen Erdbeſchreibung, von andern der mathematiſchen und phyſiſchen zugleich, oder der ſogenannten allgemeinen Geographie (ſ. Geographie) beygelegt worden. So nennt de Luͤc ſeine und Herrn de Sauſſuͤre Unterſuchungen uͤber die Beſchaffenheit der Erde geologiſch (Ideen uͤber die Meteorologie, B. I. S. 433.), und Herr Sack hat unter der Aufſchrift: Geologie oder Betrachtung der Erde (Breslau, 1785. 8. ) eine in die mathematiſche und phyſiſche Erdkunde einſchlagende Schrift herausgegeben, worinn er behauptet, daß die Sonne uns viel naͤher ſey, als man gewoͤhnlich angiebt, daß die Erde ſich mit ihrem Luftkreiſe auf dem Umfange ihrer Bahn um die Sonne fortwaͤlze u. dgl.

Gerinnung, Coagulatio, Coagulum, Coagulation.

Dieſen Namen gebrauchen die Chymiſten, um diejenigen Operationen uͤberhaupt anzuzeigen, durch welche ſie458 Koͤrper aus dem fluͤßigen Zuſtande in den feſten verſetzen. So heißt z. B. die Kryſtalliſation der Salze eine Gerinnung. Arten des Coagulirens ſind: Das Gefrieren, Geſtehen, Feſtwerden, Eindicken, Niederſchlagen, Laaben, Buttern u. ſ. f.

Es wird aber der Name Gerinnung insgemein nur einigen Arten derſelben beygelegt. Dahin gehoͤren 1) das freywillige Gerinnen des Bluts, der Milch und einiger Pflanzenſaͤfte an der Luft. Das Blut iſt dieſer Gerinnung ausgeſetzt, ſobald es irgendwo ſtagnirt, oder ſeinen natuͤrlichen Umlauf im Koͤrper nicht fortſetzt, 2) die Gerinnung des Eyweißes, der Milch, und anderer thieriſcher Saͤfte durch die Waͤrme. Nach Martin's Beobachtungen iſt dazu eine Waͤrme von 156 Grad nach Fahrenheit erforderlich. 3) Die Gerinnung der Oele durch Saͤuren, der Milch durch Saͤuren, Laugenſalz und Weingeiſt u. ſ. w.

Die Theorie der Gerinnungen liegt noch faſt gaͤnzlich im Dunkeln. Man kan zwar einige aus den ſonſt bekannten Lehren von der Wahlanziehung und den Niederſchlaͤgen mit ziemlicher Deutlichkeit erklaͤren; bey den meiſten aber bleiben doch Phaͤnomene uͤbrig, von denen ſich ſchwerlich Rechenſchaft geben laͤßt. Die Gerinnung der Oele durch die Saͤuren z. B. laͤßt ſich daraus begreiflich machen, daß ſich die Saͤuren gern mit den in den Oelen enthaltenen Stoffen verbinden, wodurch Neutral - oder Mittelſalze entſtehen, die mit dem erdichten Grundſtoff des Gemiſches einen Koͤrper von einiger Conſiſtenz bilden. Bey der Gerinnung der Milch u. a. aber bleibt es immer wunderbar, wie einige Tropfen Saͤure u. dgl. der groͤßten Quantitaͤt Milch faſt in einem Augenblicke ihre Fluͤßigkeit entzieben koͤnnen.

Die feſte oder conſiſtente Subſtanz, welche durch eine Gerinnung aus zwoen vermiſchten Fluͤßigkeiten entſtanden iſt, heißt eine geronnene Subſtanz, ein Coagulum.

Briſſon dict. de phyſ. art. Coagulation.

Geruch, Odoratus, Olfactus, Odorat.

Der Sinn, durch welchen wir die Geruͤche, vermittelſt der Ausfluͤſſe459 der Koͤrper, empfinden. Das Werkzeug defſelben iſt die Schleimhaut (membrana pituitaria, membrane pituitaire) im Innern der Naſe, welche aus einem feinen Gewebe von Fibern des Geruchsnerven (nervus olfactorius, nerf olſactif) beſteht. Die Nervenſpitzen, welche ſich an der Oberflaͤche dieſer Haut, wie kleine Waͤrzchen, endigen, nehmen den Eindruck der riechenden Ausfluͤſſe an, und pflanzen denſelben bis zum Gehirn fort. Bey Thieren, welche einen feinen Geruch haben, iſt die Schleimhaut ſehr weit ausgebreitet, und mit haͤufigen ſehr frey liegenden Nerven verſehen.

Der Geruch iſt dem Geſchmack ſehr aͤhnlich, und oft verlieren ſich die Empfindungen beyder Sinne ganz in einander, wie beym|Genuß geiſtiger und fluͤchtig-alkaliſcher Speiſen, z. B. eines ſtarken Bieres oder Senfs. Die Thiere pflegen die Beſchaffenheit der Nahrungsmittel, die ſie vor ſich finden, vorher durch den Geruch zu unterſuchen. Daher will Le Cat den Geruch fuͤr keinen beſondern Sinn, ſondern fuͤr eine Art des Geſchmacks halten. Er nennt ihn: le goùt des odeurs et l' avant-goùt des ſaveurs. In der That iſt auch die Schleimhaut eine Fortſetzung der innern Haut des Gaumens, welche das Werkzeug des Geſchmacks iſt. Von dem Gegenſtande des Geruchs ſ. den folgenden Artikel: Geruͤche.

Der Geruch kan durch Krankheiten oder zufaͤllige Urſachen geſchwaͤcht werden. Ein haͤufiger Gebrauch allzuſtarker Geruͤche macht die Nervenſpitzen durch die lange Gewohnheit unempfindlich. Beym Schnupfen wird die Schleimhaut mit einem zaͤhen und haͤufigen Schleime uͤberzogen, der theils ihre ganze Subſtanz aufſchwellet und ſie zur Empfindung der Geruͤche unfaͤhig macht, theils auch die Luft abhaͤlt, die Ausfluͤſſe der Koͤrper an die Nerven zu bringen.

Nollet Leçons de phyſique. Paris, 1743. 12. T. I. Leç. 2. p. 164.

Geruͤche

Odores, Corporum partes odoriferae, Odeurs. Diejenigen Ausfluͤſſe der Koͤrper, welche durch460 ihre Wirkung auf die Nerven der Schleimart in uns die Empfindung des Geruchs erregen. Ohne Zweifel beſtehen die Geruͤche aus feinen, ſalzigen und fluͤchtigen Theilen, welche durch Waͤrme, Gaͤhrung u. ſ. w. von den Koͤrpern getrennt werden, und noch andere Theile mit ſich fortreiſſen, ſ. Ausfluͤſſe. Die Wirkung des Feuers, die Gaͤhrung rc. verbreiten faſt allezeit Geruͤche auch aus Koͤrpern, die ſonſt ohne Geruch ſind, weil ſie die Ausduͤnſtung vermehren; bey der wirklichen Zerſetzung der Koͤrper werden dieſe Geruͤche nicht nur heftiger und durchdringender, ſondern es aͤndert ſich auch ihre Art und Beſchaffenheit, weil dabey weit mehr und feinere Theile entbunden werden, die ſich in der Luft auf eine andere Art unter einander vereinigen.

Man hat fuͤr die Arten der Geruͤche keine ſo beſtimmten Namen, wie fuͤr die Gegenſtaͤnde des Geſchmacks und der uͤbrigen Sinne, und begnuͤgt ſich damit, die unbekanntern durch Vergleichung mit bekanntern, z. B. der Roſen, Veilchen, des Moſchus, des Schwefels, der verſengten Federn u. ſ. w. zu bezeichnen. Dies zeigt, daß die Menſchen dieſen Sinn weniger, als die uͤbrigen, benutzen.

Von der Feinheit der Ausfluͤſſe, die den Geruch verbreiten, iſt ſchon bey dem Worte: Ausfluͤſſe, geredet worden. Die von den Koͤrpern getrennten Theilchen ſchweben in der Luft; dieſe iſt das Vehikel, durch welches ſie, vermittelſt des Athemholens, eingeſogen und an das Werkzeug des Geruchs gebracht werden.

Nollet Leçons de phyſ. T. I. Leç. 2.

Geſchmack, Guſtus, Guſtatus, Goût.

Der Sinn, durch welchen wir das Schmeckende oder Schmackhafte der Koͤrper, (Sapor, Saveur), durch die Beruͤhrung mit der Zunge oder dem Gaumen empfinden. Dieſer Sinn iſt der thieriſchen Oekonomie vorzuͤglich nothwendig, da ihre Erhaltung vom Genuſſe der Nahrung abhaͤngt, welchen der Geſchmack angenehm macht, und zugleich die Thiere in Stand ſetzt, die dienlichen Nahrungsmittel zu unterſcheiden. 461

Das Werkzeug des Geſchmacks iſt die innere Haut, die die Zunge und den Gaumen umkleidet. Nach Le Cat (Traité des ſens. à Paris, 1767. 8. ) erſtreckt ſich dieſelbe unterwaͤrts bis in den Schlund und Magen, oberwaͤrts bis in die Naſe, unter dem Namen der Schleimhaut, ſ. Geruch, und empfindet deſto lebhafter, je naͤher ſie dem Gehirne koͤmmt. Dieſe Haut iſt mit haͤufigen Nerven verſehen, welche ſich, beſonders an der Oberflaͤche der Zunge, in viele Waͤrzchen, die Geſchmackkoͤrner, endigen. Zwiſchen denſelben oͤfnen ſich feine Gefaͤße, die einen Saft abſondern, welcher die Zunge anfeuchtet, die Geſchmackkoͤrner erweichet, und die ſchmackhaften Stoffe aufloͤſet, welche auf dieſe Art die Geſchmackkoͤrner ſehr genau beruͤhren, und einen Eindruck machen, den die Nerven bis zum Gehirn fortpflanzen.

Der Gegenſtand des Geſchmacks oder das Schmackhafte in den Koͤrpern machen eigentlich die Salze aus, obgleich die Arten des Geſchmacks unendlich mannigfaltiger ſind, als die uns bekannte Anzahl und Verſchiedenheit der Salze. Es kan aber die Empfindung, die ein jedes Salz auf der Zunge erregt, durch Beymiſchungen anderer Salze, auch an ſich unſchmackhafter Stoffe, in verſchiedener Anzahl und Doſis, mannigfaltig abgeaͤndert werden, ſo wie aus wenigen einfachen Farben unzaͤhliche zuſammengeſetzte entſtehen. Die reinen Salze wirken auf die Zunge ſehr heftig, und jede Subſtanz hat einen deſto lebhaftern Geſchmack, je mehr ſie ſalzige Beſtandtheile enthaͤlt.

Durch den allzuhaͤufigen Gebrauch lebhaftſchmeckender Speiſen und Getraͤnke, wird das Organ des Geſchmacks abgeſtumpft. Daher ſchmeckt denen der Wein nicht, die an den Branntwein gewoͤhnt ſind; die Waſſertrinker hingegen haben den feinſten Geſchmack.

Nollet Leçons de Phyſ. à Paris. 1743. 12. T. I. p. 157. ſq.

Geſchwindigkeit, Celeritas, Velocitas, Viteſſe.

Dieſes Wort druͤckt einen relativen Begrif aus, der von der Vergleichung des Raumes und der Zeit bey den Bewegungen der Koͤrper abhaͤngt, ſ. Bewegung (Th. I. S. 327. 462Num 6.). Jede Bewegung erfordert eine gewiſſe Zeit, und fuͤhrt in derſelben den Koͤrper durch einen gewiſſen Raum. Iſt nun dieſer Raum in kurzer Zeit groß, ſo ſchreibt man dem bewegten Koͤrper eine große Geſchwindigkeit zu; eine geringe hingegen, wenn der durchlaufene Raum in laͤngerer Zeit klein iſt. Durchlaͤuft ein Koͤrper einen doppelt, dreyfach rc. ſo großen Raum, als ein anderer in eben der Zeit, ſo ſagt man, ſeine Geſchwindigkeit ſey doppelt, dreymal rc. ſo groß, als die des andern. So iſt Geſchwindigkeit nichts anders, als Verhaͤltniß zwiſchen Zeit und Raum der Bewegung, und man kan nicht ſagen, wie groß eine Geſchwindigkeit an ſich, ſondern nur, wie vielmal ſie groͤßer oder kleiner, als eine andere, ſey.

Durchlaͤuft ein Koͤrper in gleichen Zeiten immer gleiche Raͤume, ſo nennt man ſowohl ſeine Bewegung, als ſeine Geſchwindigkeit gleichfoͤrmig, ſo wie im entgegengeſetzten Falle ungleichfoͤrmig. Der Geſchwindigkeit aber kommen eigentlich dieſe Benennungen nicht zu. Jede Geſchwindigkeit iſt gleichfoͤrmig; und wenn ſich die Bewegung veraͤndert, ſo hat der Koͤrper nicht eine ungleichfoͤrmige, ſondern in jeder Stelle des Weges eine andere Geſchwindigkeit. Was man alſo bisweilen ungleichfoͤrmige Geſchwindigkeit nennt, iſt nicht mehr eine einzige, ſondern eine Folge oder Reihe verſchiedener Geſchwindigkeiten.

Wenn man dies mit dem Beweiſe vergleicht, der ſich bey dem Worte: Bewegung, gleichfoͤrmige, (Th. I. S. 332 und 333. Num. II. ) findet, ſo fließt daraus, daß ſich uͤberhaupt Geſchwindigkeiten, wie die Quotienten der Raͤume durch die Zeiten verhalten, und daß man jede Geſchwindigkeit c (wenn der Raum = s und die Zeit = t heißt) durch s / t ausdruͤcken koͤnne, wofern man nur den Raum in einem bekannten Maaße, die Zeit aber in Secunden beſtimmt, und diejenige Geſchwindigkeit = 1 ſetzt, mit welcher der Raum 1 in einer Secunde Zeit durchlaufen wird. Nimmt man zum Maaße des Raumes463 ein Tauſendtheilchen des rheinlaͤndiſchen Schuhes an, ſo hat ein Koͤrper, der 20 ſolche Tauſendtheilchen in 5 Sec. zuruͤcklegt, die Geſchwindigkeit (20 / 5) = 4.

Bey veraͤnderten Bewegungen ſind die Geſchwindigkeiten an jeder Stelle des Weges verſchieden. Wenn ſie wachſen, wird die Bewegung beſchleunigt, wenn ſie abnehmen, retardirt oder vermindert. Man ſagt bisweilen auch, die Geſchwindigkeit werde beſchleunigt und retardirt; aber eigentlich koͤnnen dieſe Ausdruͤcke nur von der Bewegung gelten. Nimmt die Geſchwindigkeit in gleichen Zeiten immer um gleichviel zu oder ab, ſo heißt die Bewegung gleichfoͤrmig-beſchleunigt oder gleichfoͤrmig-vermindert; ſonſt ungleichfoͤrmig-beſchleunigt, ungleichfoͤrmig-verminderr, ſ. Beſchleunigung, Retardation.

Bey der gleichfoͤrmig-beſchleunigten Bewegung, und alſo auch beym freyen Falle der Koͤrper, (ſ. Fall der Koͤrper) verhaͤlt ſich die Geſchwindigkeit v an jeder Stelle, wie die Zeit t vom Anfange der Bewegung gerechnet, und die Quadratzahl der Geſchwindigkeit, v, wie der zuruͤckgelegte Raum. Iſt durch eine ſolche Bewegung in 1 Sec. Zeit der Raum g zuruͤckgelegt worden, ſo iſt Auch iſt ſie an jeder Stelle ſo groß, daß ſie den Koͤrper in der Zeit t doppelt ſo weit wuͤrde gefuͤhrt haben, als er wirklich gegangen iſt. Dies alles iſt beym Worte: Bewegung, gleichfoͤrmig-beſchleunigte (Th. I. S. 336 u. 337.) erwieſen.

Bey gleichfoͤrmig-verminderter Bewegung, wo die anfaͤngliche Geſchwindigkeit = c iſt, wird ſie nach Verlauf der Zeit t, bis zur Groͤße c 2gt abnehmen, und ihre Verminderungen verhalten ſich, wie die Zeit.

Bey ungleichfoͤrmig-beſchleunigten oder verminderten Bewegungen koͤmmt es auf das Geſetz an, nach welchem ſich die beſchleunigende oder retardirende Kraft aͤndert, daher464 im Allgemeinen hieruͤber nichts beſtimmt werden kan. Ein Beyſpiel der Berechnung der Geſchwindigkeit fuͤr einen einzelnen Fall dieſer Art findet ſich bey dem Worte: Bewegung, ungleichfoͤrmig-beſchleunigte (Th. I. S. 345.). Bey den Centralbewegungen verhalten ſich die Geſchwindigkeiten umgekehrt, wie die Perpendikel aus dem Mittelpunkte der Kraͤfte auf die Tangenten der Curve an den zugehoͤrigen Stellen des Weges, ſ. Centralbewegung (Th. I. S. 470 472.).

So, wie man die Bewegungen in abſolute und relative, ingleichen in wirkliche und ſcheinbare eintheilt, ſo kan man auch ihre Geſchwindigkeiten auf eben dieſe Art abtheilen und benennen, ſ. Bewegung. Vorzuͤglich iſt der Begriff von relativer Geſchwindigkeit in der Anwendung von großem Nutzen.

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Geht nemlich ein Koͤrper in einer Secunde von A nach C, indem ein anderer von A nach B geht, ſo ſind AC und AB ihre abſoluten Geſchwindigkeiten. Da aber die relative Bewegung des erſten gegen den zweyten (ſ. Bewegung, relative) nur durch BC = AC AB gegangen iſt, ſo kan man den zweyten als ruhend annehmen, und dem erſten die relative Geſchwindigkeit BC beylegen, welche dem Unterſchiede der beyden abſoluten AC und AB gleich iſt. So hat man ſtatt zwoer nur eine Geſchwindigkeit zu betrachten, welches die Rechnungen und Conſtructionen ſehr erleichtert, und uͤberall gebraucht werden kan, wo blos der Stand zweener Koͤrper gegen einander ſelbſt, nicht gegen einen dritten, zu betrachten iſt.

Die ſcheinbaren Bewegungen, ſ. Bewegung, ſcheinbare, z. B. durch ST (Taf. IV. Fig. 57.), werden von dem Auge O, ſo lang ſich nicht Urtheile aus Nebenumſtaͤnden einmiſchen, blos nach der Groͤße des Winkels SOT empfunden. Bey Beſtimmung einer ſcheinbaren Geſchwindigkeit hat man alſo dieſen Winkel, oder den ihn meſſenden Bogen SV in Graden ausgedruͤckt, als den Raum anzuſehen, der, nach Annehmung ſchicklicher Einheiten,465 durch die Zeit dividirt, die ſcheinbare Geſchwindigkeit geben wird. Dies iſt der Fall bey den Bewegungen der Himmelskoͤrper, wo z. B. die taͤgliche Bewegung im Aequator in einer Secunde Zeit 15 im Bogen betraͤgt, und alſo die ſcheinbare Geſchwindigkeit, wenn man die Secunde des Bogens zur Einheit nehmen wollte, = 15 ſeyn wuͤrde.

Bisweilen ſieht man bey der Bewegung eines Koͤrpers um einen andern S, Taf. IX. Fig. 34, auf die Groͤße der Winkel ASB, BSC, CSD u. ſ. w., welche die aus dem ruhenden Koͤrper S nach dem bewegten A gezogne Linie in ſucceſſiven Zeitraͤumen beſchreibt. Eine ſo betrachtete Bewegung heißt Winkelbewegung, (motus angularis, mouvement angulaire), und da hiebey der zuruͤckgelegte Winkel als der Raum angeſehen wird, ſo giebt er durch die Zeit dividirt die ſogenannte Winkelgeſchwindigkeit (celeritas ſ. velocitas angularis, vîteſſe angulaire), welche entweder immer gleich bleiben, oder nach gewiſſen Geſetzen zu - und abnehmen kan, daher ſich die Winkelbewegungen eben ſo, wie die in Linien, in gleichfoͤrmige und ungleichfoͤrmige u. ſ. w. eintheilen laſſen.

Einer jeden Geſchwindigkeit c bey der Bewegung in Linien koͤmmt eine gewiſſe Hoͤhe h zu, durch welche die ſchweren Koͤrper auf der Erdflaͤche fallen muͤſſen, wenn ſie durch den Fall dieſe Geſchwindigkeit erhalten ſollen. Sie wird durch die Formel gefunden, ſ. Fall der Koͤrper.

Geſetze der Natur, ſ. Naturgeſetze.

Geſetze der Bewegung, ſ. Bewegung.

Geſetze der Brechung, ſ. Brechung des Lichts

Geſetze der Centralbewegung, ſ. Centralbewegung.

Geſetze des Drucks fluͤßiger Maſſen, ſ. Druck.

Geſetze der Elektricitaͤt, ſ. Elektricitaͤt. 466

Geſetze der Erhaltung lebendiger Kraͤfte, ſ. Kraft, lebendige.

Geſetze, galilaͤiſche, des Falls der Koͤrper, ſ. Fall der Koͤrper

Geſetze der Federkraft feſter Koͤrper, ſ. Elaſticitaͤt.

Geſetz des Gleichgewichts der Kraͤfte, ſ. Gleichgewicht.

Geſetz des Gleichgewichts am Hebel, ſ. Hebel. fluͤßiger Materien, ſ. Roͤhren, communicirende.

Geſetz des Gleichgewichts fluͤßiger Koͤrper mit feſten, ſ. Gleichgewicht, Schwimmen.

Geſetze, kepleriſche, der Bewegungen himmliſcher Koͤrper, ſ. Repleriſche Regeln.

Geſetze des Magnets, ſ. Magnet.

Geſetz, mariottiſches, der Zuſammendruͤckung der Luft, ſ. Luft.

Geſetz, newtoniſches, der Gravitation, ſ. Gravitation.

Geſetze der Pendel, ſ. Pendel.

Geſetze des Stoßes, ſ. Stoß.

Geſetz der Stetigkeit, ſ. Stetigkeit.

Geſetz der kleinſten Wirkung, ſ. Wirkung.

Geſetz der Traͤgheit, ſ. Traͤgheit.

Geſetz der Zuruͤckwerfung, ſ. Zuruͤckwerfung.

Geſicht, Viſus, Viſio, Vue.

Der Sinn, durch welchen wir die ſichtbaren Gegenſtaͤnde vermittelſt des Lichts wahrnehmen. Da wir durch dieſen Sinn, den edelſten unter allen uͤbrigen, die meiſten Begriffe erhalten, und vornehmlich die wichtigſten Erfahrungen uͤber phyſikaliſche Gegenſtaͤnde anſtellen, ſo war es noͤthig, von ihm etwas umftaͤndlicher, als von den andern, zu handeln. Ich habe daher dem Werkzeuge deſſelben, und der Wirkung des Lichts auf daſſelbe den beſondern Artikel: Auge gewidmet, und eben ſo werde ich von den Empfindungen, die das Licht durchs Auge in uns erregt, und von unſern Urtheilen uͤber467 dieſe Empfindungen unter dem Artikel: Sehen reden. Die Lehre vom Sinne des Geſichts iſt alſo groͤßtentheils unter dieſe beyden Abſchnitte vertheilt, und wenn man hiezu noch dasjenige nimmt, was bey den Worten: Entfernung, ſcheinbare; Groͤße, ſcheinbare; Bild; Geſichtsbetruͤge; Geſichtsfehler beygebracht iſt, ſo wird man von den wichtigſten und noͤthigſten Theilen dieſer ſehr weitlaͤuftigen Lehre ſoviel antreffen, als hier mitzutheilen moͤglich war.

Geſichtsaxe, ſ. Axe.

Geſichtsbetruͤge, optiſche Taͤuſchungen, Fallaciae opticae, Fallaciae viſus, Illuſions optiques.

Die falſchen Urtheile, welche wir uͤber die Beſchaffenheit und den Zuſtand der geſehenen Gegenſtaͤnde faͤllen, heißen Geſichtsbetruͤge, wenn wir aus denen im Auge erregten Empfindungen, in ungewoͤhnlichen Faͤllen, dennoch nach den gewohnten Regeln ſchließen. Wir vergleichen von Jugend auf das Geſicht mit dem Gefuͤhl, und erlangen dadurch eine Fertigkeit, den Ort, die Groͤße, Entfernung rc. der geſehenen Gegenſtaͤnde zu beurtheilen. Die Anwendung dieſer Fertigkeit truͤgt in den gewoͤhnlichen Faͤllen faſt niemals; wir wenden ſie aber mit einer ungemeinen Schnelligkeit auf alle Faͤlle, alſo oft auch auf ſolche an, bey welchen große Ausnahmen von den gewoͤhnlichen Regeln vorkommen. Hier urtheilen wir nothwendig falſch < * > weil wir uns aber dieſes Urtheilens nicht deutlich bewußt ſind, und es mit dem Sehen ſelbſt verwechſeln, ſo glauben wir bey Entdeckung des Irrthums, falſch geſehen zu haben, und von unſerm Auge getaͤuſcht zu ſeyn. Daher hat man dieſen Irrungen den Namen der Geſichtsbetruͤge beygelegt, und uͤber die Betruͤglichkeit der Sinne geſtritten, obgleich die Darſtellung allezeit richtig, d. h. den Geſetzen des Lichts und der Einrichtung des Auges angemeſſen, iſt, ſo daß der Fehler blos in dem Urtheile liegt, das wir uͤber die Darſtellung faͤllen.

Die meiſten Geſichtsbetruͤge fallen bey der Betrachtung des Himmels und der Geſtirne vor. Hierbey haben468 uns alle Mittel, das Geſehene mit dem Gefuͤhl zu vergleichen, gaͤnzlich gefehlt; wir haben uns daher fuͤr dieſe ganze Claſſe von Gegenſtaͤnden keine beſondern Regeln bilden koͤnnen, und es iſt natuͤrlich, daß wir bey jedem Urtheile irren, das wir daruͤber nach dem Augenmaaße, d. i. nach den gewoͤhnlichen fuͤr nahe irdiſche Gegenſtaͤnde geltenden Regeln faͤllen. So glauben wir die Fixſterne nahe bey einander zu ſehen, weil uns die Darſtellung im Auge nichts angiebt, woraus wir auf einen betraͤchtlichen Abſtand derſelben von einander ſchließen koͤnnten; wir glauben, Bewegungen der Geſtirne wahrzunehmen, weil ſich ihre Lage gegen das Auge aͤndert, das wir fuͤr ruhend halten, in welchem Falle wir bey irdiſchen Gegenſtaͤnden auf ihre Bewegung zu ſchließen gewohnt ſind; wir ſehen Sonne und Mond fuͤr platte Scheiben an, weil wir durch keinen Umſtand veranlaßt werden, zu bemerken, daß ihre Mitte hervorſtehe, und dem Auge naͤher, als die Raͤnder ſey welches bey nahen Dingen ein untruͤgliches Zeichen einer platten Oberflaͤche iſt; wir halten endlich das Gewoͤlbe des Himmels fuͤr eingedruͤckt, und das, was am Horizonte erſcheint, fuͤr groͤßer, als das, was gegen den Scheitelpunkt ſteht, weil wir uns hiebey nach Regeln richten, die nur aus den gewoͤhnlichen Faͤllen auf der Erde gezogen, und nur fuͤr dieſe richtig ſind, ſ. Himmel; Groͤße, ſcheinbare, Entfernung, ſcheinbate. Ueberhaupt ſind am Himmel die Geſichtsbetruͤge unzaͤhlbar, daher denn auch die ſphaͤriſche Sternkunde von der theoriſchen gaͤnzlich abgeſondert werden muß.

Aber auch bey Betrachtung irdiſcher Gegenſtaͤnde kommen die von den gewoͤhnlichen Regeln abweichenden Faͤlle haͤufig genug vor. Es wuͤrde unmoͤglich ſeyn, alle anzu fuͤhren; ich will daher nur einiger der merkwuͤrdigſten gedenken.

Es iſt eine ſehr bekannte Erfahrung, daß wir aus den Zeiten der fruͤhen Jugend eine Erinnerung an die Groͤße der Zimmer, Saͤle und Plaͤtze unſerer Wohnungen uͤbrigbehalten. Kehren wir aber nach einer langen Abweſenheit an den Ort unſrer Erziehung zuruͤck, ſo uͤberraſcht uns die469 unerwartete Kleinheit derſelben, welche mit jener Vorſtellung von ihrer Groͤße gar nicht mehr uͤbereinſtimmt. Dennoch hat ſich hiebey ſeit jenen Zeiten nichts weiter geaͤndert, als unſere Fertigkeit und Art, von der Groͤße der Gegenſtaͤnde zu urtheilen.

So ſcheinen uns auch Dinge, die wir von unten in der Hoͤhe, oder von einem hohen Gebaͤude herab in der Tiefe ſehen, ungewoͤhnlich klein. Dies iſt nemlich eine fuͤr uns ungewoͤhnliche Art des Sehens, und wir ſchaͤtzen ſie nach den Regeln, an die wir uns beym Sehen in horizontaler Richtung gewoͤhnt haben. Nach dieſen Regeln halten wir die hoch oder tief ſtehenden Dinge fuͤr naͤher, als ſie wirklich ſind, und legen ihnen darum eine geringere Groͤße bey, ſ. Groͤße, ſcheinbare. D. Iurin (ſ. Prieſtley Geſch. der Optik, durch Kluͤgel, S. 297.) erklaͤrt dies ſehr deutlich. Manlaſſe, ſagt er, einen Knaben, der nie auf einem hohen Gebaͤude geweſen, die Spitze des Mo numents in London beſteigen, ſo werden ihm Menſchen und Pferde auf der Gaſſe ſo klein vorkommen, daß er ſich hoͤchlich wundern wird. Aber nach 10 oder 20 Jahren, wenn er mehrmal von ſo großen Hoͤhen herunter zu ſehen ſich gewoͤhnt hat, werden ihm dieſelben Gegenſtaͤnde nicht mehr ſo klein ausſehen. Und wenn er ſie von ſolchen Hoͤ hen herab ſo oft ſaͤhe, als er ſie mit ſich auf derſelben Eb ne auf den Gaſſen ſiehet, ſo wuͤrden ſie ihm von der Spi tze des Monuments herab nicht kleiner vorkommen, als wenn er ſie aus einem Fenſter im erſten Stocke betrach tete.

Ueberhaupt halten wir nach Bouguers Bemerkung (Mém. de Paris. 1755. p. 156. ſqq. ) ſehr große Entfernungen immer fuͤr kleiner, als ſie ſind, weil uns in der Ferne die Data, die auf das Urtheil von groͤßerm Abſtande leiten, immer mehr fehlen. Daher koͤmmt es, daß eine lange Allee ſich zuſammenzuziehen, und ein weiter horizontaler Grund, z. B. die Flaͤche des Meeres ſich zu erheben ſcheint, weil wir die fernern Theile fuͤr naͤher halten, und uns alſo das Zuſammenlaufen oder die Erhebung ſtaͤrker vorkoͤmmt, als ſie bey der geglaubten Naͤhe nach den gewoͤhnlichen Regeln470 (oder nach der Perſpectiv) ſeyn ſollte. Aus eben dem Grunde ſcheinen ſich die obern Theile eines ſenkrechten Gebaͤudes dem nahe ſtehenden Beobachter vorwaͤrts zu neigen. Darum ſcheinen auch ſteile Flaͤchen, von unten hinauf betrachtet, noch ſteiler, als ſie wirklich ſind, da man hingegen von oben herab einen weniger jaͤhen Abhang zu ſehen glaubt.

Wenn man ein Geldſtuͤck, Petſchaft u. dgl. durch Glaͤſer betrachtet, ſo glaubt man ſehr oft das erhabne Gepraͤge vertieft, oder die vertieften Figuren des Petſchafts erhaben zu ſehen. Ioblot (Deſcription de pluſieurs nouveaux microſcopes, 1712.) fuͤhrt dieſes ſchon an, und bemerkt, daß bey fortgeſetzter Beobachtung die Erſcheinungen des Erhabnen und Vertieften immer abwechſeln. P. F. Gmelin (Philoſ. Trans. 1747.) hat hievon ebenfalls Nachricht gegeben. Dieſe Erſcheinung koͤmmt daher, daß man das einfallende Licht von der unrechten Seite her annimmt. Denn unſer Urtheil vom Erhabnen und Vertieften richtet ſich nach der Wahrnehmung des Lichts und Schattens; der Schatten auf der Lichtſeite deutet Vertiefung, der auf der Schattenſeite Erhoͤhung an. Soll alſb der Verſuch gelingen, ſo muß man nicht zugleich ſehen, wo das Licht wirklich herkoͤmmt, d. h. man muß den Gegenſtand nicht mit freyem Auge, ſondern durch ein Mikroſkop, oder durch die Roͤhre mit drey Ocularen aus einem Erdrohre u. dgl. betrachten. Man hat es nicht ganz in ſeiner Gewalt, das Licht auf der Seite, wo man es eben haben will, anzunehmen; wenn man aber den Blick erſt auf den Rand richtet, und nur allmaͤhlig nach der Mitte fuͤhrt, ſo kan man allezeit bewirken, daß der Gegenſtand wirklich ſo, wie er iſt, erſcheint; vielleicht darum, weil alsdann das Daſeyn oder der Mangel der Schlagſchatten deutlicher bemerkt, und aus jenem Erhabenheit, aus dieſem Vertiefung, richtig geſchloſſen wird.

Wenn man eine zum Theil mit Waſſer gefuͤllte Flaſche vor einem Hohlſpiegel ſo haͤlt, daß ſich von ihr ein verkehrtes Bild zeigt, ſo ſcheint im Bilde der volle Theil leer, und der leere voll. Abat (Amuſemens philoſoph. p. 242. f.)471 erklaͤrt dies daraus, daß wir nicht gewohnt ſind, Waſſer in einem Gefaͤße oben, und Luft unten zu ſehen, daher unſer Theil ſo ausfaͤllt, als ob das Waſſer unten waͤre, wo ſich im Spiegel der leere Theil abbildet. Kehrt man die Flaſche um und laͤßt ſie auslaufen, ſo ſcheint das Bild ſich zu fuͤllen; ſobald ſie aber leer iſt, ſieht man auch ihr Bild leer.

Wie unrichtig man oft uͤber die Bewegung der Koͤrper aus ihrer ſcheinbaren Bewegung urtheile, bewegte Koͤrper fuͤr ruhend, ruhende fuͤr bewegt, vorwaͤrts gehende fuͤr zuruͤckgehend. u. dgl. halte, wird in allen Lehrbuͤchern der Optik durch viele Beyſpiele gezeigt. Porterfield (On the eye, Vol. II. p. 122.) hat dieſe Lehre von der ſcheinbaren Bewegung ſehr ſchoͤn in eilf Saͤtze gebracht, die man im Prieſtley (Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel, S. 501. f.) findet. Wenn ſich z. B. das Auge gerade fort beweget, und man ſich der Bewegung bewußt iſt, ſo werden entfernte Koͤrper ſich nach eben derſelben Richtung mit zu bewegen ſcheinen, weil ihr Bild, der Bewegung des Auges ungeachtet, immer auf eben derſelben Stelle der Netzhaut bleibt, oder weil wir ſie immer nach eben derſelben Gegend zu ſehen, wie einen Gefaͤhrten, der uns zur Seite geht. So ſcheint der Mond an unſerer Seite uͤber Haͤuſer und Baͤume mit uns fortzugehen. Bewegt ſich das Auge geſchwind, und iſt man ſich der Bewegung nicht bewußt, ſo ſcheinen einem die ruhenden Koͤrper an den Seiten entgegenzukommen, wie auf einem Schiffe die Ufer u. ſ. w. Bisweilen kan eine Bewegung von ferne betrachtet, nach der entgegengeſetzten Richtung zu gehen ſcheinen, z. B. wenn man den vordern Fluͤgel einer Windmuͤhle fuͤr den hintern, die naͤhere Seite eines Kronleuchters, der ſich drehet, fuͤr die entferntere nimmt.

Die Bilder heller Gegenſtaͤnde breiten ſich auf der Netzhaut aus. Darum ſieht an einer halb weißen, halb ſchwarzen Scheibe der weiße Theil von weitem groͤßer, als der ſchwarze aus; und am drey - oder viertaͤgigen Monde ſcheint die helle Sichel einem groͤßern Kreiſe zuzugehoͤren, als der von der Erde erleuchtete dunklere Theil. Hiebey koͤmmt472 auch viel darauf an, ob das Sehen recht deutlich iſt; in dieſem Falle wird nach Iurin der Betrug verſchwinden, weil alsdann die Stralen, die aus einem Punkte kommen, mehr auf einen einzigen Punkt der Netzhaut concentrirt werden, und ſich alſo nicht mehr ſo ſtark, als ſonſt, verbreiten. Daher faͤllt die Erſcheinung weg, wenn man den Gegenſtand durchs Fernrohr ſieht. Eben dies iſt die Urſache, warum helle Sterne dem bloßen Auge mit einiger Groͤße; durchs Fernrohr aber weit kleiner oder gar nur als Punkte erſcheinen. Dieſer Umſtand hat die alten Aſtronomen verleitet, die ſcheinbaren Durchmeſſer der Planeten weit groͤßer als ſie ſind, zu ſchaͤtzen.

Auch dauren die Eindruͤcke heller Gegenſtaͤnde auf die Netzhaut noch eine kleine Zeit fort, wenn ſchon das Bild ſeine Stelle verlaſſen hat. Daher bildet eine im Kreiſe geſchwungne Kohle einen voͤlligen Feuereirkel. Von Segner (De raritate luminis. Gotting. 1740.) und d'Arcy (Mém. de Paris, 1765. p. 450) haben Verſuche hieruͤber angeſtellt. Der Erſte ſchloß aus der Geſchwindigkeit, mit welcher die Kohle geſchwungen werden mußte, wenn der Kreis ununterbrochen ſcheinen ſollte, daß die Eindruͤcke des Lichts etwa eine halbe Secunde dauren; d'Arcy ſetzt dieſe Zeit auf 2 2 / 3 Secunden. Aus eben dem Grunde ſehen wir die Funken, den Blitz u. dgl. ſtralenfoͤrmig, und die glaͤnzenden Meteore ſcheinen einen hellen Schweif nach ſich zu ziehen.

Wenn man in ein Kartenblatt zwey oder mehrere Loͤcher ſticht, die nicht weiter von einander ſind, als die Oefnung des Augenſterns breit iſt, das Blatt nahe vors Auge haͤlt, und dadurch einen hellen Gegenſtand, z. B. eine Lichtflamme, in einiger Entfernung betrachtet, ſo ſieht man gemeiniglich ſoviel Lichtflammen, als Loͤcher ſind; man kan aber dem Auge auch eine ſolche Einrichtung geben, daß es nur eine einzige ſieht. Damit verhaͤlt es ſich ſo. Steht das Licht gerade in der Entfernung, auf die das Auge ohne alle Anſtrengung deutlich ſieht, ſo vereinigen ſich die zuſammengehoͤrigen Stralen auf einen Punkt der Netzhaut, und das Licht erſcheint einfach, nur dunkler, weil die Theile473 des Kartenblatts |einige Stralen auffangen. Ruͤckt man aber das Licht naͤher, ſo werden die von einem Punkte kommenden Stralen, welche durch die verſchiedenen Loͤcher gehen, erſt hinter der Netzhaut vereiniget: auf ihr ſelbſt fallen ſie auf verſchiedene Punkte, und es entſtehen alſo ſoviel Bilder, als Loͤcher ſind. Eben dies erfolgt, wenn man das Licht zu weit entfernt, wobey ſich die zuſammengehoͤrenden Stralen ſchon vor der Netzhaut vereinigen, durchkreuzen, und wieder auf verſchiedene Punkte, nur in umgekehrter Ordnung, fallen. Verdeckt man ein Loch, z. B. das aͤußerſte zur Rechten, ſo wird, wenn das Licht zu nahe ſteht, das aͤußerſte Bild zur Linken verſchwinden; iſt aber das Licht zu weit entfernt, ſo verſchwindet das letzte Bild zur Rechten. Giebt man aber durch Anſtrengung dem Auge die Einrichtung, bey der es das Licht an ſeinem jedesmaligen Orte deutlich ſehen wuͤrde, ſo ziehen ſich die mehreren Bilder in ein einziges zuſammen. Scheiner hatte dieſes ſchon bemerkt; de la Motte in Danzig (Verſuche und Abhandl. der Geſellſch. in Danzig, B. II. S. 290.) und Muſſchenbroek (Introd. in philoſ. nat. Vol. II. §. 1905.) haben umſtaͤndliche Erklaͤrungen davon gegeben, und dieſelben durch ſehr deutliche Abbildungen erlaͤutert.

Einen beſondern Geſichtsbetrug fuͤhrt Le Cat (Traité des ſens, p. 298.) an, welchen auch ſchon der Ieſuit Fabri (Synopſis Optica, Lugd. 1667. 4. p. 26.) ganz richtig erklaͤrt hat.

Es ſey Taf. X. Fig. 43. D das Auge, CB ein Kartenblatt mit einem kleinen Loche in der Mitte, E ein entfernter heller Gegenſtand, z. B. der helle Himmel, die weiße Wand eines Gebaͤudes oder dgl., d der Kopf einer Stecknadel, die, wie die Figur zeigt, ſehr nahe vor das Loch des Kartenblatts, und mit demſelben ganz nahe ans Auge gehalten wird. Der Bequemlichkeit halber kan man die Nadel bey e umbiegen, und durch das Kartenblatt durchſtechen. Sieht nun das Auge durch das Loch im Kartenblatte gegen das helle E, ſo ſcheint ihm die Nadel ſehr vergroͤßert, umgekehrt und hinter dem Loche bey F. Die Erklaͤrung hievon iſt folgende. Die Stecknadel ſelbſt ſieht474 das Auge gar nicht, weil ſie ihm viel zu nahe liegt. Es ſieht aber durch das Loch des Kartenblatts einen Theil des Hellen GH, doch ſo, daß der Kopf der Nadel d die Stralen aufhaͤlt, die vom untern Theile H kommen. Daher fehlen Theile des Hellen, d. h. man ſieht darauf nach H zu einen Schatten, der die Figur des Nadelknopfs hat. Weil man die Entfernung des Hellen vom Kartenblatte nicht bemerkt, ſo ſetzt man daſſelbe mit dem darauf erſcheinenden Schatten gleich hinter das Loch in F. Die Theile der Nadel ſelbſt fangen Stralen auf, die von G kommen, und man ſieht alſo ihren Schatten nach G zu uͤber F, woraus ein umgekehrtes und vergroͤßertes Schattenbild der Nadel entſteht. Kuͤrzer druͤcken ſich Fabri und Le Cat ſo aus: Auf die Netzhaut falle bey D ein aufrechter Schatten der Nadel, der wegen der verkehrten Lage des Bilds im Auge, in Abſicht auf die umliegenden Gegenſtaͤnde, als ein umgekehrter, empfunden werde. Beyde Erklaͤrungen ſagen im Grunde das nemliche. Der Englaͤnder Gray fuͤhrt dieſen Geſichtsbetrug in den Philoſophiſchen Transactionen an, erklaͤrt ihn aber ſehr irrig daraus, daß die Luft im Loche des Kartenblatts einen Hohlſpiel bilde.

Haͤlt man einen undurchſichtigen Koͤrper 3 4 Zoll weit vom Auge gegen etwas Helles, und fuͤhrt noch naͤher beym Auge einen zweyten dunklen Koͤrper auf den erſten zu, ſo ſcheint der Rand des erſten ſich auszubreiten, und jenem entgegenzukommen. Dies erklaͤrt Melville (Edinb. Eſſays, Vol. II. p. 55.) aus den Halbſchatten, welche die Raͤnder naher Koͤrper, wegen der Weite des Augenſterns, auf die Netzhaut werfen, oder daraus, daß gewiſſe Theile des Hellen dem ganzen Augenſterne, nebenliegende aber nur der Helfte deſſelben u. ſ. w. verdeckt werden. Der Halbſchatten des entfernten Koͤrpers iſt ſchmaͤler und dunkler; ſobald nun beyde Halbſchatten zuſammentreffen, ſo werden dem Augenſterne Stellen des Hellen ganz verdeckt, die man vorher wenigſtens noch dunkel ſahe, und es ſcheinen ſich beyde Koͤrper auszubreiten, nur iſt dies bey dem entferntern wegen ſeines ſchwaͤrzern Halbſchattens ungleich merklicher. 475Sehr ausfuͤhrlich findet man dieſe Erklaͤrung beym Prieſtley (Geſch. der Optik S. 515.).

Zu den Geſichtsbetruͤgen laͤßt ſich auch das Doppelſehen der Gegenſtaͤnde, die außer dem Horopter liegen, ſ. Sehen, Horopter, und die Erſcheinung der zufaͤlligen Farben rechnen, ſ. Farben, zufaͤllige. Auch die Beugung des Lichts verurſacht einige, z. B. daß ſich entfernte Gegenſtaͤnde, Thuͤrme und Huͤgel, hin und her zu bewegen ſcheinen, wenn man vor dem Auge einen duͤnnen Drath herumfuͤhrt u. ſ. w., welches Le Cat (Traité des ſens, p. 299.) erklaͤrt.

Sehr merkwuͤrdig ſind die von der Brechung und Zuruͤckwerfung der Stralen herruͤhrenden Taͤuſchungen, von welchen Buͤſch (Tractatus duo optici argumenti, Hamb., 1783. 8. ) und Gruber (Phyſikal, Abhdl. uͤber die Stralenbrechung und Abprellung auf erwaͤrmten Flaͤchen, Dreßden, 1787. 4. ) handeln. Man ſieht nemlich oft in flachen und weit uͤberſehbaren Gegenden einen Theil der Atmoſphaͤre gegen den Horizont hin ſo verdickt, daß man nichts dadurch gewahr wird, die hohen Gegenſtaͤnde am Horizonte aber ragen daruͤber empor; es gewinnt alſo das Anſehen, als ob ſich in der Ferne ein großer Teich oder See befaͤnde, und die Gegenſtaͤnde am Horizonte jenſeits dieſes Sees laͤgen. Was aber das wunderbarſte iſt, die Bilder der Gegenſtaͤnde, z. B. entfernter Berge, Staͤdte u. dgl. ſpiegeln ſich in dieſem ſcheinbaren See, und erſcheinen darinn umgekehrt, wie die Baͤume am Ufer eines Teiches. Taf. X. Fig. 44. wird dieſe Erſcheinung erlaͤutern, welche verſchwindet, ſobald man ſich im Wagen in die Hoͤhe richtet. Herr Buͤſch erklaͤrt nun dieſes Phaͤnomen aus der Stralenbrechung am Horizont, und aus der Zuruͤckwerfung des Lichts, wenn es auf glatte Flaͤchen unter einem ſehr kleinen Winkel auffaͤllt. Herrn Grubers Erklaͤrungen beruhen zwar in der Hauptſache auf eben dieſen Gruͤnden; er zeigt aber noch insbeſondere, daß die Erwaͤrmung der Luft am Horizonte die Haupturſache des ganzen Phaͤnomens ſey. Er nahm ebendaſſelbe wahr, wenn er aus ſeiner Wohnung die horizontale Flaͤche des Frießes476 und vorſpringenden Architrabs an einem benachbarten Gebaͤude gleichſam mit dem Auge beſtrich. Denn wenn dieſe Flaͤche ſtark von der Sonne erwaͤrmt war, und die Luft an ihr, wie gewoͤhnlich, zitterte, ſo ſpiegelten ſich die Facaden der dahinterſtehenden Haͤuſer in den Vertiefungen der Flaͤche. Er ſahe ſogar dieſelbe Erſcheinung an einer heißen Stange in ſeinem Zimmer, wenn er laͤngſt ihrer Oberflaͤche hin das Auge auf ein weißes Papier an der Wand richtete.

Prieſtley Geſchichte der Optik durch Kluͤgel, an mehreren Stellen.

Geſichtsfehler, Vitia viſus, Défauts de la vue.

Ich werde in dieſem Artikel einige Fehler oder widernatuͤrliche Beſchaffenheiten des menſchlichen Auges zuſammenſtellen, welche mir einer beſondern Anfuͤhrung werth ſcheinen. Hiezu gehoͤren unter den von Cullen (Kurzer Inbegrif der mediciniſchen Noſologie, a. d. Engl. Leipzig, 1786. gr. 8. I. Th. S. 399. u. f.) angefuͤhrten Localkrankheiten einige Arten der das Auge betreffenden vier Gattungen (Caligo, Amauroſis, Dysopia, Pſeudoblepſis).

Die Verdunkelung des Geſichts, wobey die Netzhaut nichts leidet (Caligo), wenn nemlich das Licht durch einen vor dieſer Haut liegenden dunkeln Gegenſtand entzogen wird, kan entweder von einem Fehler der Augenlieder, von Flecken der Hornhaut, von einem Fehler oder gaͤnzlichen Mangel der waͤſſerichten oder von Verdunkelung der glaͤſernen Feuchtigkeit, von Verſtopfung, Zuſammenziehung oder Verwachſung des Augenſterns, oder endlich von einer Verdunkelung der Kryſtallinſe herruͤhren. Im letztern Falle fuͤhrt die Krankheit den Ramen des grauen Stahrs (Cataracta, Caligo lentis, Gutta opaca), und kan durch Herausziehung oder Riederdruͤckung der Kryſtallinſe geheilt werden, weil man auch ohne Linſe ſehen kan, ſ. Auge. Blindheit durch Verdunkelung der glaͤſernen Feuchtigkeit wird der gruͤne Stahr (Glaucoma) genannt.

Die Verminderung oder der gaͤnzliche Verluſt des Gefichts,477 ohne einen in die Augen fallenden Fehler des Auges, wobey die Pupille meiſtentheils erweitert iſt, und die Kraft ſich zuſammenzuziehen, verlohren hat, heißt der ſchwarze Stahr (Amauroſis, Gutta ſerena). Dieſe mehrentheils unheilbare Krankheit beſteht in einer Laͤhmung des Sehnervens und Unempfindlichkeit der Netzhaut, und kan aus Anhaͤufungen und Stockungen der Saͤfte im Gehirn, aus einer angebohrnen oder durch Krankheit veranlaßten Schwaͤche, aus Krampf oder endlich aus Giften, welche innerlich oder aͤußerlich an den Koͤrper gebracht werden, entſtehen.

Geſichtsſchwaͤchen

(Dysopiae), wobey das Auge nur in einer gewiſſen Staͤrke des Lichts, oder in einer gewiſſen Entfernung und Lage deutlich ſieht, ſind das Tag - und Nachtſehen, die Kurz - und Weitſichtigkeit, das Schiefſehen und Schielen.

Das Tagſ < * > hen (Hemeralopia, Viſus diurnus Boerh.) iſt der Fehler derjenigen Augen, welche nur beym hellſten Sonnenlichte deutlich ſehen, in der Daͤmmerung aber nichts unterſcheiden koͤnnen. Sauvages (Noſologia methodiea, Amſt. 1768. 4 maj. To. I. p. 732.) fuͤhrt an, dieſe Krankheit ſey um Montpellier epidemiſch geweſen, und leitet ſie von einer Erſchlaffung der Geſichtswerkzeuge durch die feuchte und neblichte Herbſtluft ab. Einen aͤhnlichen Fall fuͤhrt Nicolai (Abhdl. von den Fehlern des Geſichts, Berlin, 1754. 8. S. 156.) an. Wenn dieſer Fehler angebohren iſt, wie bey einem jungen Menſchen in England (Lowthorp Philoſ. Trans. abridged. Vol. I. p. 38. u. Sauvages, p. 734.). ſcheint er von einer allzugeringen Empfindlichkeit der Netzhaut herzuruͤhren. Die Augen der Huͤhner haben von Natur dieſe Beſchaffenheit.

Dagegen wird durch eine allzugroße Empfindlichkeit der Netzhaut und des Augenſterns, bisweilen auch durch Entzuͤndung und krampfhafte Zufaͤlle der Augen, oder durch Erweiterung der Pupille bey langanhaltender Dunkelheit das Nachtſehen (Nyctalopia, Viſus nocturnus, Vue de hibou, de chat etc.) veranlaſſet. Thuͤmmig (Verſuch einer gruͤndlichen Erlaͤuterung der merkwuͤrdigſten Begebenheiten in der Natur Halle, 8. S. 254.) fuͤhrt das478 Beyſpiel eines Tonkuͤnſtlers an, den eine zerſprungne Saite ſo heftig ins rechte Auge ſchlug, daß er damit eine Zeit lang am Tage gar nichts, des Nachts aber alles deutlich ſehen konnte; und Boerhaave (De morbis oculorum) gedenkt eines Englaͤnders, der nach einem langen Aufenthalt in einem dunkeln Gefaͤngniß einen Monat hindurch beym Taglichte nichts ſehen konnte. Einige Thiere, z. B. die Eulen, Fledermaͤuſe, Katzen u. a. haben von Natur ſo empfindliche Augen, wobey zugleich der Augenſtern einer ſehr großen Erweiterung faͤhig, und die Aderhaut von einer lebhaft glaͤnzenden gruͤnen oder roͤthlichen Farbe iſt.

Auch unter den Menſchen hat die Natur ſehr viele mit ſo empfindlichen Augen verſehen, und es iſt merkwuͤrdig, daß ſich dabey faſt immer eine Weiße der Haut und der Haare findet. Maupertuis (Venus phyſique, Oeuvres de Maup. Lion, 1768. 8. To. II. p. 100, ſqq. ) erzaͤhlt von den Bewohnern der Landenge Darien, daß ſie wegen dieſes Geſichtsfehlers alle Arbeiten in der Nacht verrichten und am Tage ruhen. Unter den Negern findet man die ſogenannten weißen Mohren (Leucaethiopes). Blaffards oder Albinos. Maupertuis (a. a. O. S. 115.) beſchreibt einen ſolchen, der 1744 nach Paris gebracht ward, und obgleich von ſchwarzen Eltern gebohren, dennoch eine weiße Haut mit hellblauen (nach Fontenelle ins Roͤthliche fallenden) hoͤchſt empfindlichen Augen hatte. Er ſieht dies mit Recht fuͤr eine Krankheit der Haut und der Augen an. Man weiß, daß in Guinea, Iava, Panama ganze ſich fortpflanzende Racen von Maͤnnern und Weibern mit dieſer Krankheit behaftet ſind. Es finden ſich aber auch einzelne Albinos unter den Europaͤern. Die Herren Blumenbach, Storr und de Sauſſuͤre haben deren zween in Chamouny, Buzzi (Opuſculi ſcelti di Milano, 1784. To. VII. p. 11.) vier in Mayland, und der Graf Razumowsky (Crells chym. Annalen, 1787. I. St. S. 149.) einen in Grotzingen geſehen. Herr Blumenbach (De oculis Leucaethiopum et iridis motu in Comment. Gotting. To. VII. ad ann. 1784 et 1785. p. 29. ſq. ) leitet die aͤußerſte Empfindlichkeit des Geſichts bey dieſen Albines, welche479 mit einer Roͤthe des Sterns und der innern Theile des Auges begleitet iſt, von dem Mangel des braunen oder ſchwaͤrzlichen Schleims (pigmentum nigrum) her, welcher ſonſt das innere Auge von der fuͤnften Woche nach der Empfaͤngniß an bekleidet. Er erklaͤrt die Verbindung zwiſchen dieſer rothen Farbe der Augen und der Weiße der Haut und Haare, aus der Aehnlichkeit des Gewebes, aus welchem ſich der ſchwarze Schleim, das malpighiſche Netz und die Haare bilden. Schon Simon Portius (De coloribus oculorum, Florent. 1550. 4. p. 34.) hat bemerkt, daß blaue Augen weniger von dieſem Schleime haben und daher empfindlicher gegen das Licht ſind, als ſchwarze. Buzzi fand es durch Zergliederung eines menſchlichen Koͤrpers beſtaͤtigt, daß bey einer weißen Aderhaut mit roſenrothem Sterne nicht nur der ſchwarze Schleim im Auge, ſondern auch das gewoͤhnliche ſchleimichte Weſen an der Haut des uͤbrigen Koͤrpers fehlte, und die Haare außerordentlich weiß waren. Er ſahe in Mayland noch drey Albinos, Soͤhne einer Mutter, die außer ihnen noch vier Kinder mit braunen Augen und Haaren gebohren, waͤhrend der Schwangerſchaft mit den Albinos aber eine außerordentliche Begierde nach Milch empfunden hatte. Die beyden Albinos in Chamouny ſind ebenfalls Bruͤder, von Eltern mit brauner Haut und ſchwarzen Augen gezeugt, dergleichen auch ihre Schweſtern haben. Ihre Augenſterne ſind nach de Sauſſure (Reiſen durch die Alpen, IV Theil, Leipz. 1788. gr. 8. S. 249.) von entſchiedenem Roſenroth; alle Haare ihres Koͤrpers waren in der Jugend milchweiß und fein, ſind aber jetzt roͤther und rauch, ſo wie auch jetzt ihre Augen das Helle mehr, als ſonſt, ertragen koͤnnen. In der Jugend mußte man ſie aus Mitleid ernaͤhren, weil ſie das Vieh zu huͤten nicht im Stande waren.

Von der Kurzſichtigkeit (Myopia) und Weitſichtigkeit (Presbyopia) iſt bereits bey dem Worte: Auge (Th. I. S. 194 196.) gehandelt worden. Ich will nur noch hinzuſetzen, daß dieſe Fehler bisweilen blos das eine Auge, oder ein Auge mehr, als das andere, betreffen. Bey mir ſelbſt iſt das linke Auge aͤußerſt kurzſichtig,480 da hingegen das rechte in ziemliche Entfernungen deutlich ſieht. Ich habe mich gewoͤhnt, blos das |rechte Auge zu brauchen, und fuͤhle daher, wenn ich daſſelbe zuſchließe, um mit dem kurzſichtigen allein etwas in der Naͤhe zu betrachten, eine ſchmerzhafte Anſtrengung, waͤhrend welcher mir der Gegenſtand weiter wegzuruͤcken, und etwas groͤßer zu werden ſcheint, bis das Bild deutlich wird. Wenn ich alsdann das rechte Auge wieder oͤfne, ſo fuͤhle ich die Anſtrengung in dieſem, das Object ſcheint mir naͤher zu kommen, und ſich gleichſam zuſammenzuziehen. Verdruͤcke ich ein Auge mit dem Finger ſo, daß ich zwey Bilder ſehe, ſo ſtellt ſich mir das undeutliche Bild durch das kurzſichtige Auge merklich entfernter und groͤßer dar, als das deutliche. Einer meiner Freunde, der unter unſere aufgeklaͤrteſten Aerzte gehoͤrt, und eben ſo ungleiche Augen hat, verſichert mich, daß er mit dem kurzſichtigen Auge alle Gegenſtaͤnde um (1 / 24) kleiner, als mit dem andern, ſehe. Dies iſt meiner Erfahrung entgegen; es ſolgt aber daraus nichts weiter, als daß wir beyde uͤber ſcheinbare Entfernung und Groͤße auf verſchiedene Art urtheilen.

Es giebt auch Augen, welche alle, ſowohl nahe, als entfernte Gegenſtaͤnde undeutlich ſehen, wenn ſie ſich nicht erhabner Glaͤſer bedienen. Von dieſer Art ſind die am grauen Stahr operirten Augen. Fanin (Mémoires et Obſ. ſur l'oeil, Paris 1772. 8. p. 429.) fuͤhrt ein Beyſpiel von Augen an, welche von Natur ſo beſchaffen waren, und ſucht die Urſache dieſes Fehlers in einer allzuplatten Kryſtallinſe.

Das Schiefſehen (Luſcitas Boerh. Viſus obliquus), wobey das Auge nur das, was ihm zur Seite ſteht, deutlich ſiehet, und ſich alſo, um gerade vor ihm ſtehende Dinge zu betrachten, ſeitwaͤrts wenden muß, kan von einer ſchiefen Lage der Pupille oder Kryſtallinſe, von einer Undurchſichtigkeit des vordern Theils der Hornhaut, oder von einer Unempfindlichkeit des in der Augenaxe liegenden Theils der Netzhaut herruͤhren. Das Schielen (Strabiſmus Luſcitas relativa), welches hievon verſchieden iſt, wird unter einem beſondern Artikel abgehandelt werden. 481

Das falſche Sehen (Pſeudoblepſis), welches die letzte Claſſe der Geſichtsfehler ausmacht, zeigt entweder Dinge, die gar nicht vorhanden ſind (Pſeudoblepſis imaginaria), oder vorhandene Dinge anders, als gewoͤhnlich (Pſeudoblepſis mutans). Zur erſten Art gehoͤren die Erſcheinungen von Fliegen, Netzen, Funken u. dgl. die vor dem Auge ſchweben; zur zweyten das Nichtſehen der Farben, die Erſcheinung falſcher Farben, falſcher Geſtalten, Lagen und Groͤßen, das Halbſehen und das Doppeltſehen.

Viele Perſonen ſehen vor ihren Augen dunkle Flecken oder Punkte wie kleine Muͤcken, wellenfoͤrmig gewundene Faͤden, Netze, Spinnweben, helle Punkte oder Funken u. dgl. Dieſe Flecken ſteigen in die Hoͤhe auf, wenn das Auge ſchnell gegen den Himmel erhoben wird; wenn man aber ſcharf auf einen Gegenſtand ſieht, ſinken ſie langſam herab und verſchwinden, bis das Auge wieder bewegt wird. Sie erſcheinen am deutlichſten, wenn ſie vor der Mitte des Auges vorbeygehen, und daſſelbe auf einen hellen Gegenſtand, vorzuͤglich gegen Schnee oder Nebel, gerichtet iſt. Manche Augen ſehen ſie in faſt unzaͤhlbarer Menge, und einige darunter ſcheinen ſchwerer zu ſeyn und ſinken ſchneller zu Boden, als die andern. Wenn man den Kopf niederſenkt, ſo ſammeln ſie ſich um die Mitte des Auges; legt man ſich aber auf den Ruͤcken, und ſenkt den Kopf hinterwaͤrts, ſo gehen ſie nach der Stirn zu, welche alsdann am niedrigſten liegt. Sie folgen alſo offenbar der Schwere ſo, wie Koͤrper, die in einer fluͤßigen Materie ſchwimmen. Die meiſten Aerzte haben ſie mit Willis (Anat. cerebri, cap. 21.) aus der Unempfindlichkeit gewiſſer Stellen der Netzhaut durch ausgetretenes Blut oder Ver - < * > lechtung der Gefaͤße erklaͤrt, wodurch aber ihre Bewegung nicht begreiflich wird; de la Hire und Le Roi (Mém. de Paris, 1760.) ſetzen ſie in die waͤſſerichte Feuchtigkeit, und Morgagni (Adverſar. anatom. VI. Animadverſ. 75.) leitet ſie von Streifen der eingetrockneten Thraͤnenfeuchtigkeit auf der Hornhaut her. Maitre-Jan (Traité des maladies de l' oeil, 12mo p. 281.) vermuthet, daß dieſe Erſcheinung, weil ſie oſt vor dem grauen482 Stahre vorhergeht, von einem Fehler der aͤußern Haͤute der Kryſtallinſe herruͤhren moͤge. Demours (Sur les filamens, qui paroiſſent voltiger devantles yeux, im Journal de Medecine, Fevr. 1788. p. 274. ſqq. ) oͤfnete die Hornhaut einiger Augen, denen ſolche Flecken erſchienen, und ließ die waͤſſerichte Feuchtigkeit auslaufen, allein die Kranken ſahen die Flecken noch, wie vorher. Er ſetzt alſo die Urſache derſelben in die Feuchtigkeit des Morgagni, welche die Kryſtallinſe umgiebt, und von der nach ſeiner Meynung einige kleine Theile, ohne viel von ihrer Durchſichtigkeit zu verlieren, etwas mehr Dichte, Schwere und Brechungskraft erhalten koͤnnen. Hiebey laͤugnet er nicht, daß die unbeweglichen Flecken von Unempfindlichkeit gewiſſer Stellen des Sehnerven oder der Netzhaut herruͤhren, und Vorboten des ſchwarzen Stahrs ſeyn koͤnnen, ſo wie die beweglichen eine entfernte Dispoſition zum grauen Stahr anzeigen wuͤrden.

Von dem Nichtſehen der Farben, als einem angebohrnen Fehler, werden in den philoſophiſchen Transactionen (Vol. LXVII. P. 1. n. 14. Vol. LXVIII. P. II. p. 611. und in den Samml. zur Phyſik und Naturgeſch. 1. B. 5. St. S. 637.) einige Beyſpiele angefuͤhrt. Drey Bruͤder Harris in Cumberland ſahen Groͤße und Geſtalt ſehr deutlich, konnten aber keine Farben unterſcheiden. Einer davon unterſchied zwar ſchwarz von weiß, auch ein geſtreiftes Band von einem einfarbichten, wußte aber die Namen der Farben nicht anders, als durch Rathen zu treffen. Eben dies wird von einem gewiſſen Colardeau in Frankreich und einem Apotheker M. in Strasburg erzaͤhlt (ſ. Lichtenbergs Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſ. 1. B. 2. St. S. 57.). Giros de Gentilly hat unter dem Namen Georg Palmer in engliſcher Sprache eine Theorie der Farben und des Geſichts herausgegeben, worinn er annimmt, das Licht habe nur drey urſpruͤngliche Farben, die Netzhaut aber dreyerley Membranen, deren jede einer beſondern Farbe zugehoͤre. In manchem Auge nun ſey jede dieſer Membranen fuͤr alle Farbenſtralen zugleich empfindlich, wodurch483 das Vermoͤgen, Farben zu unterſcheiden, geſchwaͤcht oder gar aufgehoben werde.

Das Sehen falſcher Farben (Chrupſia, Viſus coloratus) kan von der Gelbſucht, von ausgetretenem Blut, von einem ſtarken Eindrucke des Lichts auf die Netzhaut, von heftigem Reiben des Auges, und andern Urſachen herruͤhren. Boyle (Exp. de coloribus P. 1.) erzaͤhlt, daß bey einer Peſt die Kranken an den Kleidern und andern Gegenſtaͤnden die lebhafteſten Regenbogenfarben ſahen; man hat auch Beyſpiele, daß nach einem heftigen Schrecken die Dinge gruͤn oder blau erſchienen ſind. Bey geſchloßnem Auge ſieht man gewoͤhnlich zufaͤllige Farben, ſ. Farben, zufallige. Druͤckt man das geſchloßne Auge mit dem Finger im innern Augenwinkel, ſo ſieht man ein buntes Bild des ganzen Augenſterns, welches von dem wenigen, durch die Augenlieder einfallenden, Lichte auf der Netzhaut entworfen wird.

Falſche Geſtalten, Lagen und Groͤßen der Dinge (Metamorphopſia, Viſus defiguratus) koͤnnen ſich aus verſchiedenen Urſachen zeigen, welche vornehmlich in der Myopie, in Nervenkrankheiten, Verſchleimung der erſten Wege, oder in einem unregelmaͤßigen Bau irgend eines zum Auge gehoͤrigen Theiles zu ſuchen ſind. Nach Lentin (Obſerv. Faſcicul. II. ) ſahe ein Kranker alle Gegenſtaͤnde zu klein. Sauvages (Noſologia method. To. II. p. 190.) fuͤhrt einen Fall an, da ein achtzigjaͤhriger Mann eine Zeitlang alle gerade Gegenſtaͤnde krumm und nach einer Seite hangend ſahe, und Stoll (Ratio medendi, To. II. p. 14.) erwaͤhnt, daß nach einer hitzigen Krankheit dem Patienten alle Objecte ſchief und vorwaͤrts gekruͤmmt erſchienen. Noch ſonderbarer iſt der Fall, den Sennert (Praxis med. L. 1. c. 3. Sect. 2.) anfuͤhrt, da ein Leibarzt zu Dresden, als er die Augen ploͤtzlich in die Hoͤhe richtete, auf einmal alles umgekehrt ſahe, welcher Zufall ein Vierteljahr lang anhielt, und bey einer andern ſchnellen Erhebung der Augen ſich auf einmal wieder verlohr.

Vom Halbſehen der Gegenſtaͤnde fuͤhrt Vater (Diſs. de viſus vitiis duobus rariſſimis. Viteb. 1723. 4. ) drey484 Faͤlle an, und ſucht ſie aus einer Preſſung des Gehirns und aus dem Kreuzen der Sehnerven zu erklaͤren.

Gewoͤhnlicher iſt das Doppeltſehen (Diplopia, Viſus duplicatus), von welchem Klauhold (Diſs. de viſu duplicato, Argent. 1746. 4. ) und Klinke (Diſs. de Diplopia, Gotting. 1774. 4. ) viele Beobachtungen geſammlet haben. Sauvages (Noſol. To. I. p. 193.) zaͤhlt zehn Varietaͤten deſſelben aus verſchiedenen Urſachen, zu denen ſich noch mehrere ſetzen ließen. Wenn man mit beyden Augen ſiehet, ſo erſcheinen alle Gegenſtaͤnde doppelt, ſobald die Augenaren nicht zuſammenlaufen, ſ. Horoprer. Ein ſolches Doppeltſehen kan Folge oder Symptom von mancherley Krankheiten ſeyn, wobey die Augen entweder durch Kraͤmpfe oder durch Laͤhmung verwendet, und aus ihrer natuͤrlichen Lage gebracht werden. Bisweilen kan es auch von der Ungleichheit der Augen, und der beſondern Schwaͤche oder Verletzung des einen herkommen. Auch einem Auge allein koͤnnen die Gegenſtaͤnde doppelt oder vervielfaͤltiget erſcheinen, wenn die Hornhaut oder Kryſtallinſe durch Verletzungen eine polyedriſche Geſtalt erhaͤlt, oder der Augenſtern mehr, als eine, Oefnung hat. Viele Kurzſichtige ſehen alle entfernte Gegenſtaͤnde, auch mit einem Auge, doppelt (Diplopia remotorum), wovon de la Hire (Accidens de la vue, p. 352.) die Urſache in der Geſtalt der Kryſtallinſe ſucht.

Geſichtsfeld, Campus viſionis, Champ de vision.

Der Raum, den das Auge auf einmal uͤberſieht, vornehmlich, wenn es Gegenſtaͤnde durch Fernroͤhre oder Mikroſkope betrachtet. Weil bey den dioptriſchen Werkzeugen auf allen Seiten der Augenaxe gleich viel uͤberſehen werden kan, ſo iſt das Geſichtsfeld ein Kreis. Der Halbmeſſer dieſes Kreiſes wird in Graden und Theilen der Grade, angegeben. Er iſt derjenige Winkel, welchen die aͤußerſten ins Auge kommenden Stralen rings herum mit der Augenaxe machen. Soviel nemlich kan man rings herum ſehen, als zwiſchen den Schenkeln dieſes Winkels enthalten iſt. 485

Das bloße Auge ſieht eigentlich nur das recht deutlich, was nahe an der Geſichtsaxe anliegt. Inzwiſchen bilden ſich doch auch ſeitwaͤrts liegende Gegenſtaͤnde deutlich genug mit ab. Man nimmt insgemein an, es werde ſoviel auf einmal uͤberſehen, als zwiſchen den Schenkeln eines rechten Winkels liegt, d. i. der Halbmeſſer des Geſichtsfeldes ſey = 45°.

Durch das galileiſche Fernrohr uͤberſieht man deſto mehr, je naͤher man das Auge an das Augenglas bringt. Haͤlt man es ſehr nahe daran, ſo wird die Groͤße des Geſichtsfeldes durch die Oefnung des Augenſterns beſtimmt; daher man im Dunkeln mehr, als bey Tage uͤberſehen kan.

Im Sternrohre iſt das Geſichtsfeld beſtimmter. Wenn das Auge am vortheilhafteſten Orte, ein wenig hinter dem Brennpunkte des Augenglaſes ſteht, ſo iſt die Tangente des Halbmeſſers vom Geſichtsfelde gleich dem Halbmeſſer der Oefnung des Augenglaſes, dividirt durch die Laͤnge des Fernrohrs, ſ. Fernrohr. Eben dies findet auch beym Erdrohre nach ſeiner gewoͤhnlichen Einrichtung ſtatt, nur daß man hier nicht mit der ganzen Laͤnge des Fernrohrs, ſondern blos mit der Summe der Brennweiten des Vorder - und Augenglaſes zu dividiren hat.

Durch mehrere Glaͤſer wird in manchen Faͤllen das Geſichtsfeld vergroͤßert, z. B. zwey nahe beyſammen ſtehende Augenglaͤſer verdoppeln den Halbmeſſer deſſelben. Macht man ein großes Feld zum Hauptzwecke, ſo iſt es am beſten, das Fernrohr nicht lang zu machen, wie z. B. bey den Nachtfernroͤhren.

Bey den Spiegelteleſkopen wird die Groͤße des Geſichtsfelds durch ein zuſammengeſetztes Verhaͤltniß beſtimmt, ſ. Spiegelteleſkop, aus welchem ſich ergiebt, daß ſie ſich auch hier, wie die Oefnung des Augenglaſes verhalte. Um alſo ein großes Feld zu uͤberſehen, muͤßte man das Augenglas breit machen. Da dies viel Abweichungen geben wuͤrde, ſo veraͤndert man lieber die ganze Stellung, laͤßt das letzte Bild etwas hinter den großen Spiegel fallen, faͤngt aber die Stralen noch vorher mit dem486 Augenglaſe auf, und leitet ſie erſt durch ein zweytes Augenglas ins Auge ſelbſt, wodurch eben ſo, wie durch zwey nahe Augenglaͤſer im Sternrohre, das Feld ſehr erweitert wird. Man pflegt hiebey uͤberhaupt das Geſichtsfeld mehr durch Proben, als durch Abmeſſung und Rechnung zu beſtimmen.

Bey den einfachen Mikroſkopen iſt die Tangente des Halbmeſſers vom Geſichtsfelde gleich dem Halbmeſſer des Kuͤgelchens oder der Linſe, dividirt durch die Brennweite, ſ. Mikroſkop.

Beym zuſammengeſetzten Vergroͤßerungsglaſe aus zwey und mehrern Glaͤſern, iſt eben dieſe Tangente gleich dem Halbmeſſer der Oefnung des Augenglaſes, dividirt durch das Produkt des Abſtands des Auges vom Glaſe in die Vergroͤßerungszahl, welche Regel uͤberhaupt als eine allgemeine fuͤr alle optiſche Werkzeuge gelten kan.

Geſichtskreis, ſ. Horizont.

Geſichtswinkel, ſ. Sehewinkel.

Geſtalt, Figur, Figura, Figure.

Geſtalt uͤberhaupt heißt Beſchaffenheit und gegenſeitige Lage der Grenzen einer ausgedehnten Groͤße. Da jeder Koͤrper ausgedehnt iſt, und alſo Grenzen hat, ſo koͤmmt auch jedem eine Geſtalt zu, obgleich oft die Koͤrper ſo klein ſind, daß unſer Geſicht und Gefuͤhl dieſelbe nicht mehr bemerken koͤnnen. Die Geſtalt iſt alſo eines von den allgemeinen Phaͤnomenen der Koͤrper.

Durch die Geſtalt unterſcheiden ſich Koͤrper, die ſonſt an Groͤße, innerer Beſchaffenheit, Gewicht rc. gleich ſind, z. B. eine Bleykugel von einem gleich ſchweren bleyernen Wuͤrfel. Die Geſtalten der Koͤrper ſind unendlich mannigfaltig, und Leibnitz ſcheint nicht mit Unrecht behauptet zu haben, daß es in der Natur keine zween Koͤrper von voͤllig gleicher Geſtalt gebe. Uebrigens wird Gleichheit der Geſtalt Aehnlichkeit genannt.

Die ſcheinbare Geſtalt der Gegenſtaͤnde, von denen wir uͤberhaupt blos die Grenzen oder Flaͤchen ſehen, koͤmmt darauf an, wie uns die Groͤße und Entfernung dieſer Grenzen487 erſcheint. Es finden dabey viele Trugſchluͤſſe ſtatt. Ein eckichter Koͤrper erſcheint in der Ferne rund, weil wir ſeine Ecken nicht mehr bemerken; ein Kreis von der Seite betrachter, ſieht elliptiſch aus, wenn wir alle Theile ſeines Umfangs fuͤr gleich entfernt halten. So kan uns ein Cylinder als ein Viereck, eine Kugel als ein Kreis vorkommen, wenn wir nicht durch Licht und Schatten bemerken, daß jenes ein Cylinder, dieſes eine Kugel ſey.

Erxleben Anfangsgr. der Naturl. §. 318.

Geſtehen, Erhaͤrten. Man ſagt von denjenigen Subſtanzen, welche bey den gewoͤhnlichen Temperaturen der Atmoſphoͤre im feſten Zuſtande ſind, z. B. von den Metallen, Schwefel rc., daß ſie geſtehen oder erhaͤrten, wenn ſie nach vorhergegangener Schmelzung durch die Abnahme der Waͤrme aus dem fluͤßigen Zuſtande wiederum in den gewoͤhnlichen feſten uͤbergehen. Es gehoͤrt das Geſtehen in einerley Claſſe mit dem Gefrieren; beydes ſind Gattungen der Gerinnung, ſ. Gerinnung, Gefrierung.

Geſtirne, Aſtra, Sidera, Aſtres.

Unter dieſem Namen werden alle Koͤrper begriffen, die wir am Gewoͤlbe des Himmels bey Tag oder Nacht wahrnehmen, und welche der gemeinen oder taͤglichen Bewegung des ganzen Himmels mit folgen. Sie erſcheinen uns alle leuchtend, bis wir erſt bey mehrerer Aufmerkſamkeit durch Schluͤſſe entdecken, daß nur einige an ſich leuchrend, andere hingegen dunkel, und nur von fremdem Lichte erleuchtet ſind. Die an ſich leuchtenden ſind die Sonne und die Fixſterne; die dunkeln die Planeten, die Monden oder Nebenplaneten und die Kometen. Von allen dieſen handlen eigne Artikel dieſes Woͤrterbuchs.

Die Lehre von den Geſtirnen, ſ. Aſtronomie, uͤberzeugt uns davon, daß dieſe Koͤrper groͤſtentheils unſere Erdkugel an Groͤße weit uͤbertreffen, ſo klein ſie uns auch ſcheinen; daß ihre Entfernungen von einander zum Theil alle Groͤßen uͤberſteigen, die wir meſſen oder uns vorſtellen koͤnnen, und daß den Bewohnern, mit welchen ſie aller488 Wahrſcheinlichkeit nach beſetzt ſind, unſere Erde entweder gar nicht mehr, oder doch nur als ein unbedeutendes kleines Sternchen ſichtbar iſt, ſ. Weltgebaͤude.

Geſundbrunnen, Mineralwaſſer, Fontes medicati, Aquae minerales, Eaux minerales.

Diejenigen Brunnen oder Quellen, in deren Waſſer gasartige, ſchweflichte, ſalzige oder metalliſche Subſtanzen enthalten ſind. Im weitlaͤuftigſten Verſtande ſind alle Waſſer mineraliſch, weil ſich in allen wenigſtens etwas Erde und Selenit findet; man giebt aber den gemeinen Waſſern nur in dem Falle, wenn die Beymiſchungen betraͤchtlich ſind, den Namen harter oder roher Waſſer (aquae durae, eaux crues), und mineraliſche nennt man nur diejenigen, welche die zu Anfang genannten Beſtandtheile bey ſich fuͤhren. Die meiſten derſelben werden der Geſundheit halber mit gutem Erfolg getrunken, und dieſen koͤmmt eigentlich die Benennung der Geſundbrunnen zu.

Dieſe Waſſer erhalten die mineraliſchen Beſtandtheile dadurch, daß ſie durch Erdſchichten laufen, in welchen ſich Salze und Kieße im Zuſtande der Zerſetzung befinden. Sie ſind entweder kalt, wenn ihre Temperatur die Waͤrme des Luftkreiſes nicht uͤbertrift, oder warm, warme Baͤder, von welchen letztern ein eigner Artikel handlet. Einige dieſer Waſſer enthalten eine große Quantitaͤt Luftſaͤure oder fixe Luft, die ihnen einen geiſtigen und ſtechenden Geſchmack giebt, aber durch Umſchuͤtteln und Freyſtehen an der Luft davon geht. Dieſe heiſſen Sauerbrunnen, Sauerwaſſer (aquae acidulae, Eaux acidules).

Die chymiſchen Unterſuchungen der Mineralwaſſer erfordern eine ſehr feine Behandlung, wozu Macquer und Bergmann (De analyſi aquarum in Opuſc. phyſ. et chem. ) vorzuͤglich gute Anleitungen geben. Man kan ſie ihrem fixen Gehalte nach mit Zuͤckert in ſeifenartige, Bitterwaſſer, alkaliſche, ſalzige, ſchwefelhaltige und eiſenhaltige abtheilen. Schriften uͤber die Claſſificationen und Beſchreibungen derſelben habe ich bey dem Worte: Baͤder angefuͤhrt. 489

Die ſeifenartigen, wie z. B. die zu Plombieres, fuͤhren eine feine Thonerde bey ſich, und ſind in Anſehung ihres fixen Gehalts die unwirkſamſten. Die Bitterwaſſer, abfuͤhrenden Waſſer (aquae catharticae, purgantes, amarae) enthalten das aus Vitriolſaͤure und Bitterſalzerde beſtehende Bitterſalz, und, wenn ſie Zugang zu fixem mineraliſchen Alkali gehabt haben, oft auch wahres Glauberſalz. Biswellen findet ſich auch freye Bitterſalzerde oder Kalkerde dabey, die nur durch etwas Luftſaͤure gebunden wird. In Deutſchland ſind das Sedlitzer und Saidſchuͤtzer die bekannteſten (Troſchel Nachr. von dem wahrhaften boͤhmiſchen Bitterwaſſer Saidſchuͤtzer Urſprungs, aus dem Hochbelſchen Berge. Leitmeritz, 1761. 8.). Bergmann fand in einer ſchwediſchen Kanne ſaidſchuͤtzer Bitterwaſſer, 4 1 / 2 Gran luftſaͤurehaltigen Kalk, 24 1 / 2 Gr. Gyps, 12 1 / 2 Gr. luftſaͤurehaltige Bitterſalzerde, 859 1 / 2 Gr. Bitterſalz, 21 3 / 4 Gr. Bitterkochſalz, einen Cubikzoll fixe Luft und eben ſoviel reine Luft.

Die alkaliſchen Mineralwaſſer enthalten etwas freyes fixes mineraliſches Laugenſalz, das vielleicht nur durch einige Luftſaͤure gebunden iſt. Den groͤſten Theil des Salzgehalts machen doch immer das dabey befindliche Glauberſalz, Bitterſalz und Kochſalz aus. Die warmen Quellen dieſer Art, z. B. die Carlsbader, fuͤhren gern eine aufgeloͤſete Kalkerde bey ſich, die ſie an der Luft abſetzen, ſ. Baͤder. Die ſalzigen unterſcheiden ſich von den Solen oder eigentlichen Salzquellen durch die fixe Luft, die ſie enthalten, auf welche bey ihrem mediciniſchen Gebrauche eigentlich geſehen wird. Man kan das Selterwaſſer zu dieſer Claſſe rechnen, ob es gleich auch Mineralalkali und Bitterſalz enthaͤlt (Unterſuchung von des beruͤhmten Selzerwaſſers Beſtandtheilen, Wirkungen und richtigem Gebrauch. Leipz. 1775. 8.). Bergmann erhielt aus einer ſchwediſchen Kanne Selzerwaſſer 17 Gran luftſaͤurehaltigen Kalk, 29 1 / 2 Gr. luftſaͤurehaltige Bitterſalzerde, 24 Gr. luftſaͤurehaltiges Mineralalkali, 109 1 / 2 Gr. Kochſalz, 60 Cubikzoll fixe und 1 Cubikzoll reine Luft.

Die ſchwefelhaltigen ſind warme Quellen, welche490 einen Schwefel in ſich halten und an der Luft wieder abſetzen. Die Aachner Baͤder ſind die bekannteſten darunter, ſ. Baͤder, warme.

Die eiſenhaltigen oder Stahlwaſſer (aquae martiales, chalybeatae) fuͤhren Eiſen entweder durch Vitriolſaͤure oder durch Luftſaͤure aufgeloͤſet. Die Quellen ſind an ihrer fettig ſcheinenden regenbogenfarbigen Haut und dem abgeſetzten Eiſenocher kennbar. Sie ſind die gemeinſten von allen, und fehlen faſt niemals in ſumpfigen Gegenden und Torfmooren, uͤberhaupt in der Nachbarſchaft von Schwefelkießen. Sie haben einen zuſammenziehenden Geſchmack, und enthalten mehrentheils noch erdigte Theile und Mittelſalze. Zu den bekanntern gehoͤren das Spa - und Pyrmonterwaſſer (Seip Beſchreibung der Pyrmontiſchen Mineralbrunnen und Stahlwaſſer, Hannov. 1750. 8. Markard Beſchreibung von Pyrmont, 1. Th. Leipz. 1784. gr. 8. S. 246. u. f.). Nach Bergmann haͤlt das Spawaſſer in der ſchwediſchen Kanne 8 1 / 2 Gran luftſaͤurehaltigen Kalk, 20 Gr. luftſaͤurehaltige Bitterſalzerde, 8 1 / 2 Gr. luftſaͤurehaltiges Mineralalkali, 9 Gr. Kochſalz, 3 1 / 4 Gr. luftſaͤurehaltiges Eiſen, und 45 Cubikzoll Luftſaͤure; das Pyrmonter hingegen 20 Gran luftſaͤurehaltigen Kalk, 38 1 / 2 Gr. Gyps, 45 Gr. luftſaͤurehaltige Bitterſalzerde, 25 Gr. Bitterſalz, 7 Gr. Kochſalz, 3 1 / 2 Gr. luftſaͤurehaltiges Eiſen und 95 Cubikzoll Luftſaͤure. Markard ſetzt nach Verſuchen, die von Herrn Weſtrumb zwey Meilen von der Quelle ſelbſt angeſtellt ſind, den Gehalt an Luftſaͤure auf 140 Cubikzoll in einer Kanne.

Wie man ſich die Entſtehung der Mineralwaſſer vorſtellen koͤnne, ſ. bey dem Worte: Baͤder, warme. Ich will hier nur noch hinzuſetzen, daß die fixe Luft, welche viele dieſer Waſſer in ſo großer Menge enthalten, wahrſcheinlich von der im Waſſer geſchehenen Verbindung der uͤbrigen Stoffe herruͤhrt, da es bekannt iſt, daß bey jeder Aufloͤſung der Kalkerden in Saͤuren eine betraͤchtliche Menge Luftſaͤure entwickelt wird, welche ſich mit dem Waſſer ſehr gern und genau verbindet.

Man hat ſich ſchon laͤngſt bemuͤht, die Geſundbrunnen491 durch die Kunſt nachzuahmen. Da aber die Luftſaͤure ein ſo wichtiger Beſtandtheil derſelben iſt, ſo hatte dieſe Unternehmung, ehe man die luſtfoͤrmigen Stoffe genauer kennen lernte, unuͤberſteigliche Schwierigkeiten. Man ſuchte anfaͤnglich, ihnen dieſes fluͤchtige geiſtige Weſen durch Gemenge von Eiſenfeile und Schwefel mitzurheilen. Venel (Mém. ſur l' analyſe des eaux de Selters, in Mém. préſentés à l' Acad. roy. Vol. II. p. 53. 80. ſqq. ) fuͤhrte zuerſt die Chymiſten auf den rechten Weg, indem er den luftfoͤrmigen Stof durch Umſchuͤtteln in einer Flaſche mit einer Blaſe aus dem Mineralwaſſer zu erhalten, und durch Aufloͤſung des Mineralalkali mit Salzſaͤure in das gemeine Waſſer zu bringen lehrte. Daß dieſe im Waſſer gleichſam fixirte Luft das Eiſen aufloͤslich mache, ward auch ſchon von Lane (Phil. Tr. Vol. LXIX. N. Hamburg. Magaz. B. XI. S. 483.) bemerkt. Jetzt iſt es durch die Entde ckungen uͤber die Gasarten ſattſam erwieſen, daß dieſer fluͤchtige Geiſt der Sauerbrunnen nichts anders, als Prieſtleys fixe Luft oder die Luftſaͤure ſey, ſ. Gas, mephitiſches, die man ſo leicht aus dem Aufbrauſen der Kalkerden mit Saͤuren erhalten kann. Man hat ſeitdem eigne Werkzeuge erfunden, um das Waſſer auf eine bequeme Art mit dieſer Gasart zu impraͤgniren, (ſ. Parkers Maſchine), wobey man denn die gehoͤrige Menge Eiſen und die uͤbrigen Antheile an fixen Stoffen, leicht hinzuthun, und ſo die Sauerwaſſer ſehr vollkommen nachahmen kan.

Macquer's Chymiſches Woͤrterbuch, Art. Waſſer, mineraliſche, mit Herrn Leonhardi Anm.

Zuͤckert Beſchreibung aller Geſundbrunnen Deutſchlands, Koͤnigsberg, zwote Aufl. 1776. gr. 8.

Gewicht, Pondus, Poids.

Die Groͤße des Drucks, den ein Koͤrper durch ſeine Schwere aͤußert; die Groͤße ſeines Beſtrebens zu fallen. Das Gewicht eines Koͤrpers beſteht aus der Summe der Beſtrebungen, womit alle ſeine Theile zum Fall getrieben werden. Da nun alle Theile des Koͤrpers Materie ſind, und alle bekannte Materie ſchwer iſt, ſo ſind wir berechtiget, anzunehmen, daß das Gewicht eines Koͤrpers deſto groͤßer ſey, je mehr er Theile492 hat, oder daß es ſich wie die Menge der ihm zugehoͤrigen Materie, wie ſeine Maſſe, verhalte, ſ. Maſſe.

Die Worte, Gewicht und Schwere, ſo oſt ſie auch im gemeinen Leben verwechſelt werden, druͤcken doch ganz verſchiedene Begriffe aus. Schwere iſt das Beſtreben, womit jeder einzelne Theil der Materie uͤberhaupt fallen will, Gewicht iſt die Summe dieſer Beſtrebungen in einem beſtimmten Koͤrper. Jene haͤngt blos von der Gravitation der Materie gegen die Erde, dieſes zugleich von der Maſſe des ſchweren Koͤrpers ab; jene iſt eine beſchleunigende, dieſes eine bewegende Kraft, ſ. Kraft. Wenn ich aus einem Gefaͤß voll Waſſer einige Kannen ſchoͤpfe, ſo vermindert ſich ſein Gewicht, nicht ſeine Schwere; wenn ich aber das Gefaͤß aus unſern Laͤndern in die Naͤhe des Aequators uͤberfuͤhre, ſo vermindert ſich die Schwere zugleich mit dem Gewichte, weil in dieſem Falle jeder einzelne Theil leichter wird.

Man beſtimmt das Gewicht der Koͤrper durch Vergleichung mit andern bekannten Gewichten, dem Pfunde und deſſen Theilen, ſ. Pfund. Von dem hiezu dienenden Werkzeuge ſ. den Artikel: Wage. Das Verfahren ſelbſt heißt Wiegen, abwaͤgen. Was man hiebey findet, blos an ſich betrachtet, heißt das abſolute Gewicht (pondus abſolutum, poids abſolut).

Das abſolute Gewicht, betrachtet im Verhaͤltniß mit dem Raume, den der Koͤrper einnimmt, oder mit ſeinem Volumen, giebt den Begrif von eigenthuͤmlichem Gewicht, ſpecifiſchem Gewicht (pondus ſpecificum, poids relatif). Dieſer Name iſt zwar weit ſchicklicher, als die ſonſt gebraͤuchliche Benennung: ſpecifiſche Schwere; ich habe aber bey dem Entwurfe meines Plans einmal die aͤltere Benennung, an die ich gewoͤhnt war, beybehalten, und verweiſe alſo hier auf den Artikel: Schwere, ſpecifiſche.

Bey dem Worte: Gleichgewicht wird erwieſen, daß ein feſter Koͤrper, wenn man ihn in einen fluͤßigen einſenkt, von ſeinem abſoluten Gewichte ſoviel verliere, als das Gewicht des von ihm aus ſeiner Stelle getriebnen Fluͤßigen493 betraͤgt. Eine Bleykugel z. B., welche 11 Loth wiegt, und ſo groß iſt, daß ſie ein Loth Waſſer aus der Stelle treibt, wird in Waſſer geſenkt, nur 10 Loth wiegen. Dieſer Ueberreſt heißt alsdann ihr relatives Gewicht (pondus relativum).

Da nun die Luft, welche die Koͤrper auf der Erde umgiebt, alie Eigenſchaften fluͤßiger Materien hat, ſo folgt hieraus, daß ſelbſt in freyer Luft jeder Koͤrper einen Theil ſeines Gewichts verliert, daß alſo alle Gewichte der Koͤrper, wie ſie im luftvollen Raume in unſere Sinne fallen, nur relative Gewichte ſind. So wird eine Maſſe Waſſer, deren wahres Gewicht 850 Gran betraͤgt, in freyer Luft nur einen Druck von 849 Gran ausuͤben, u. ſ. w. Wir erfahren alſo durch Abwaͤgen nur ſehr ſelten das wahre Gewicht der Koͤrper, zumal da die dazu gebrauchten Einſetzgewichte in der Wagſchale ebenfalls einen Theil ihres abſoluten Gewichts verlieren.

Je groͤßer der Raum iſt, den ein Koͤrper einnimmt, deſto mehr Luft treibt er aus ihrer Stelle; deſto groͤßer iſt alſo auch der dabey erlittene Verluſt am Gewicht. Nun dehnt die Waͤrme alle Koͤrper in einen groͤßern Raum aus: ſie werden alſo, wenn ſie erhitzt ſind, mehr Gewicht verlieren, und leichter ſcheinen, als wenn ſie kalt gewogen werden. Eben daher ſagt man auch, daß ein Koͤrper im Sommer weniger, als im Winter, wiege; man hat aber dabey in Betrachtung zu ziehen, daß er im Sommer in waͤrmerer und alſo leichterer Luft gewogen wird, welcher Umſtand jenen Unterſchied wenigſtens zum Theil wieder aufhebt.

Ueberhaupt iſt dieſer Verluſt des Gewichts der Koͤrper in der Luft in den meiſten Faͤllen unbetraͤchtlich; er kan aber bey Koͤrpern, die ſehr leicht ſind, und doch einen großen Raum einnehmen, ſo betraͤchtlich werden, daß man ihn ſchlechterdings nicht vernachlaͤßigen darf. Dies iſt der Fall bey den mit Luft angefuͤllten Blaſen und andern leichten Huͤllen. Werden dieſe gar mit noch leichtern Stoffen, als die Luft ſelbſt iſt, z. B. mit brennbarer Luft, gefuͤllt, ſo kan es ſo weit kommen, daß ſie ihr ganzes Gewicht verlieren,494 oder daß ſie gar in der Luft emporſteigen und vielleicht noch betraͤchtliche Laſten mit ſich erheben, ſ. Aeroſtat.

Gewitter, Ungewitter, Donnerwetter, Tempeſtas fulminea, Orage accompagnée d' éclairs et de tonnerre.

Wenn Wolken, deren elektriſches Gleichgewicht unter ſich, oder mit der Erde, geſtoͤrt iſt, ſich zu mehrern wiederhohlten malen ihrer Elektricitaͤt durch den Blitz und mit Donner entledigen, ſo heißt dieſe prachtvolle aber zugleich auch ſuͤrchterliche, Begebenheit ein Gewitter, und die Wolken ſelbſt Gewitterwolken. Das meiſte hievon wird bey den Worten: Blitz, Blitzableiter, Donner, Luftelektricitaͤt, vorgetragen.

Die Elektricitaͤt der Luft und der Wolken entſtehe, woher ſie wolle, ſo zeigen doch die Gewitterwolken alle die Eigenſchaften, welche andere elektriſirte Koͤrper zeigen. Sie ziehen die unelektriſirten Wolken und leichten Koͤrper der Erde an, ſtoßen die gleich elektriſirten zuruͤck, geben Leitern, die in ihren Wirkungskreis kommen, die entgegengeſetzte Elektricitaͤt, entladen ſich auf ſtumpfgeendete Koͤrper durch einen Wetterſtral, und verlieren ihre Elektricitaͤt ſtillſchweigend durch die Wirkung der Spitzen.

Man findet zwar im Winter die Wolken eben ſo ſtark, als im Sommer, elektriſch; dennoch ſind im Winter die Gewitter bey weitem nicht ſo haͤufig. Dies koͤmmt vielleicht nach der Vermuthung des Hrn. Achard (Chymiſch - Phyſiſche Schriften, Berlin, 1780. 8. S. 263.) daher, weil kalte Luft beſſer iſolirt, als warme, wie alle iſolirende Koͤrper uͤberhaupt thun, daß folglich in kalter Luft nicht leicht ein Blitz entſtehen kan, es muͤſte denn die Elektricitaͤt uͤberaus ſtark werden. Auch lehrt die Erfahrung, daß Gewitter, wenn ſie im Winter einmal kommen, ſehr ſchwer ſind.

Des Nachmittags und Abends entſtehen mehr Gewitter, als des Morgens, vielleicht weil zu dieſen Zeiten die Luft erwaͤrmter und mehrern Elektricitaͤt erregenden Abwechſelungen der Temperatur ausgeſetzt iſt. In bergigten Gegenden ſind die Gewitter wegen der Anziehung der Berge495 gegen die Wolken haͤufiger und anhaltender als auf dem ebnen Lande, und ziehen manchmal etliche Tage an und uͤber den Bergen herum.

Gemeiniglich ſind die Gewitter mit Sturm und Regen begleitet. Der Sturm entſteht durch die ploͤtzliche Abkuͤhlung der Luft, vielleicht auch durch die vom fallenden Waſſer entwickelte Luft und Daͤmpfe. Der Gewitterregen faͤllt in großen Tropfen nieder, welches eine große Hoͤhe des Falles und eine vielleicht durch die Elektricitaͤt verſtaͤrkte Anziehung anzeigt. Wenn nach Hrn. de Sauſſuͤre Muthmaßung (ſ. Duͤnſte) die unbekannte Urſache, welche die Duͤnſte in den Wolken in blaſenfoͤrmiger Geſtalt erhaͤlt, die Elektricitaͤt iſt, ſo wuͤrde ſich daraus leicht erklaͤren laſſen, warum oſt auf einen ſtarken Blitz ploͤtzlich ein heftiger Regenguß folgt. Es waͤre nemlich durch den Blitz die Wolke ihrer Elektricitaͤt beraubt worden, alſo muͤſten die Dunſtblaͤschen zerplatzen, und ihr Waſſer fiele nun in Regentropfen herab.

Daß das Laͤuten mit Glocken die Gewitter nicht vertreibt, iſt jetzt allgemein bekannt; die Glocke mit dem haͤnfenen Strick giebt aber einen guten Leiter ab, und ſetzt den Laͤutenden der Gefahr aus. Ob das Abfeuren der Geſchuͤtze die Gewitterwolken wirklich zertheile, iſt wohl noch ſehr unentſchieden; man beruft ſich zwar auf Erfahrungen, aber vielieicht haͤtten ſich die Wolken ohne dieſe Anſtalt auch zertheilt.

Erxleben Anfangsgr. der Raturl. §. 749.

Glas, Vitrum, Verre.

Ein durch die Schmelzung entſtandner, glaͤnzender, harter, ſproͤder, auf dem Bruche ſchneidender, durchſichtiger Koͤrper, der ſich bey hinlaͤnglicher Hitze wieder in Fluß bringen laͤßt.

Man kan die Glaͤſer, in der weitlaͤuftigſten Bedeutung des Worts, in einfache und zuſammengeſetzte eintheilen. Die einfachen ſind ſalzig, wie das Boraxglas, oder metalliſch, wie das Glas vom Spiesglaſe (Vitrum antimonii). Die zuſammengeſetzten werden entweder aus verſchiednen erdigten Stoffen, oder aus Salzen und Erden,496 oder aus Metallkalken, Salzen und Erden bereitet. Sie ſind ferner entweder vollkommene oder unvollkommene. Die vollkommnen Glaͤſer ſind ganz durchſichtig, durch vollkommne Aufloͤſung und Schmelzung aller Theile; die unvollkommnen, z. B. Schmelz und Porcellan ſind undurchſichtig oder nur halb durchſichtig, weil viele ihrer Theile ungeſchmolzen bleiben. Glaͤſer, die man bey Metallarbeiten erhaͤlt, heißen Schlacken (ſcoriae) ſ. Verglaſung.

Das gemeine Glas wird aus glasartigen oder Kieſelerde enthaltenden und laugenartigen Materien, z. B. aus Sand und Aſche, bereitet. Unter den Saͤuren iſt keine, die es aufloͤſet, außer der Flußſpathſaͤure; wenn es aber gepuͤlvert und mit Mineralſaͤuren digerirt wird, ſo verbinden ſich dieſe letztern mit dem Laugenſalze und die Kieſelerde wird frey. Wenn das Glas zu viel Laugenſalz enthaͤlt, ſo wird es auch in ganzen Stuͤcken von den Mineralſaͤuren angegriffen; mit 3 4mal ſo viel Alkali zuſammengeſchmolzen giebt es ſogar eine Maſſe, die im Waſſer aufloͤslich iſt.

Die Maſſe oder Fritte, woraus man das Glas bereitet, wird in den Glasoͤfen in großen Tiegeln geſchmolzen, und zu Gefaͤßen und anderm Geraͤthe vermittelſt des Blaſerohrs, entweder aus freyer Hand, oder in Formen, in die erforderliche Geſtalt gebracht. Die Platten zu Spiegeln und dgl. werden aus geblaſenen Walzen geſtreckt, dickere auch gegoſſen. Die fertigen Arbeiten werden, um die von einer ſchleunigen Erkaltung entſtehende Haͤrte und Spannung der Theile zu mindern, im Kuͤhlofen wieder erhitzt und allmaͤhlig abgekuͤhlt. Spiegel, nachgeahmte Edelſteine, optiſche und andere Kryſtallglaͤſer werden nachher weiter durch Maſchinen, auf Muͤhlen oder aus freyer Hand geſchliffen, oder mit einem Diamant geſchnitten. Kleine Arbeiten werden auch wohl vor einer Lampe geblaſen.

Das gemeine gruͤne Glas wird aus Sand und Aſche bereitet. Bedient man ſich ausgelaugter Aſche; ſo wird auch wohl etwas Kochſalz zugeſetzt. Die Farbe haͤngt von497 der Wahl der Ingredienzien, die Haͤrte und Dauer an der Luft und gegen feuchte Aufloͤſungsmittel von dem Verhaͤltniſſe derſelben ab. Zum weißen oder Kryſtallglaſe waͤhlt man reinere und weniger faͤrbende Kieſel und Laugenſalze, und benimmt die noch uͤbrige gruͤne Farbe durch Braunſtein, der es aber im Uebermaaße zugeſetzt, oder bey zu lang anhaltendem Fluſſe, wieder roͤthlich faͤrbt. Sollen kuͤnſtliche Arbeiten daraus verfertiget werden, ſo wird es durch einen groͤßern Antheil von Laugenſalz, durch Arſenik, Salpeter oder Bleykalk leichtfluͤßiger gemacht, wodurch es aber auch zugleich weicher und leichter von Aufloͤſungsmitteln angegriffen wird. Durch Bleykalke erhaͤlt es eine anſehnliche Schwere, nimmt eine ſchoͤne Politur an, bricht die Lichtſtralen etwas weniger, zerſtreut aber nach Zeihers Entdeckung die Farben weit ſtaͤrker (ſ. Flintglas, Achromatiſche Fernroͤhre). Kuͤnſtliche Edelſteine oder Fluͤſſe ſind haͤrtere Glaͤſer aus Straß oder feinerer Fritte von gewaͤhlten Stoffen, die zur Nachahmung der natuͤrlichen Edelſteine oft auch durch zugeſetzte Metallkalke gefaͤrbt werden.

Zur Glasbereitung oder Hyalurgie haben ſchon im vorigen Jahrhunderte Neri (De arte vitriaria Libri VII. Amſt. 1681. 12. ) und Kunkel (Vollkommne Glasmacherkunſt Frf. 1689. 4. Nuͤrnb. 1756. 4. ) ſehr ſchaͤtzbare Anweiſungen gegeben, ſo wie unter den Neuern Halle (Der Glasarbeiter, in der Werkſtaͤtte der heutigen Kuͤnſte, Brandenb. und Leipz. 1761. 4. B. III. S. 141 158.), Hartwig (Die Glashuͤtte, in Sprengels Handwerken in Tabellen, Samml. X. Berlin, 1773. 8. S. 274 309.) und Beckmann (Anleitung zur Technologie, Goͤttingen, 2te Aufl. 1787. 8. S. 240 254.) zu empfehlen ſind.

Das Glas wird zu ſo vielen im gemeinen Leben brauchbaren Geraͤthen mit Vortheil angewendet, daß es naͤchſt den Metallen gewiß die nuͤtzlichſte chymiſche Erfindung der Menſchen ausmacht. Es war ſchon im hoͤchſten Alterthum bekannt. Plinius (H. N. L. XXXVI. c. 26.) erzaͤhlt, es ſey von egyptiſchen Kaufleuten bey einer Reiſe durch Phoͤnicien am Ufer des Fluſſes Belus durch einen498 Zufall erfunden worden, da ſie bey der Bereitung der Speiſen einige Stuͤcken Natrum mit Uferſande vermengt unter ihre Dreyfuͤße geſetzt und durchs Feuer verglaſet gefunden haͤtten. Von dieſem Fluſſe fuͤhren auch Tacitus (Hiſtor. L. V.) und Joſephus (De bello Iudaico II. 9.) an, daß ſein Sand zur Bereitung des Glaſes ſehr geſchickt ſey. Nach der Erzaͤhlung des Plinius iſt die aͤlteſte Glasfabrik zu Sidon geweſen; in Rom hat man erſt zu Tibers Zeiten Glas zu bereiten angefangen. Was aber dieſer Schriftſteller von der Erfindung des Kunſtſtuͤcks hinzufuͤgt, das Glas biegſam und ſtreckbar zu machen, iſt allem Anſehen nach eine Fabel, wofuͤr es auch ſchon Iſidorus (Orig. XVI. 15.) ausgiebt. Zwar ließe ſich dieſes biegſame Glas fuͤr Hornſilber erklaͤren, wenn es nicht hoͤchſt unwahrſcheinlich waͤre, daß man ſchon damals auf die Entdeckung dieſes Silberniederſchlags habe kommen koͤnnen. Endlich erfand man unter Nerons Regierung die Kunſt, Becher und Gefaͤße aus einem hellen weißen Glaſe zu bereiten, das dem Bergkryſtalle glich; ſie kamen aus Alexandrien, und wurden um ungeheure Preiſe verkauft.

Von der Geſchichte des Glaſes handeln Hamberger (Comment. Soc. Gotting. To. IV. ), und Michaelis (ebend. ) von der Geſchichte des Glaſes bey den Hebraͤern.

Fuͤr die Phyſik iſt das Glas wegen vieler von ſeinen Eigenſchaften eine ganz unentbehrliche Materie. Seine Unzerſtoͤrlichkeit, Undurchdringlichkeit, und Durchſichtigkeit machen es geſchickt zu Gefaͤßen, in welchen mancherley Stoffe eingeſchloſſen und mancherley Operationen vorgenommen werden koͤnnen. Durch ſeine ſtralenbrechende Eigenſchaft und Glaͤtte wird es zu optiſchen Werkzeugen brauchbar, und als ein vorzuͤglich guter Nicht-leiter macht es einen betraͤchtlichen Theil der elektriſchen Geraͤthſchaft aus. Unſere Kenntniß der Natur wuͤrde daher ohne den Gebrauch des Glaſes weit unvollkommner, als jetzt, geblieben ſeyn.

Macquer chem. Woͤrterbuch, Art. Glas.

Briſſon dict. raiſonné de phyſ. Art. Verre. 499

Glaselektricitaͤt, poſitive oder Plus-elektricitaͤt, Electricitas vitrea ſ. poſitiva, Electricitée vitrée ou poſitive. Diejenige Elektricitaͤt, welche das glatte Glas durch Reiben mit der Hand oder mit andern Subſtanzen erhaͤlt. Sie iſt, wie du Fay entdeckt hat, der Elektricitaͤt, die das Harz oder Siegellack durch Reiben an den meiſten Subſtanzen erhaͤlt, entgegengeſetzt, ſo daß ein elektriſcher Koͤrper, welchen das geriebene Glas anzieht, in eben dem Zuſtande von denn geriebnen Siegellack abgeſtoſſen wird. Franklin und uͤberhaupt alle, welche nur eine einzige elektriſche Materie annehmen, erklaͤren die Glaselektricitaͤt aus dem Ueberfluſſe dieſer Materie, und nennen ſie daher die poſitive oder Pluselektricitaͤt, ſ. Elektricitaͤt, unter dem Abſchnitte: Entgegengeſetzte Elektricitaͤten.

Glastropfen, Glasthraͤnen, Sptingglaͤſer

Lacrymae vitreae, Larmes Bataviques, Larmes de verre. Wenn man einen fluͤßigen Glastropfen in kaltes Waſſer fallen laͤßt, ſo nimmt er die Geſtalt eines ovalrunden Koͤrpers an, der ſich in einen langen duͤnnen Schwanz endiget, und erhaͤlt nun in ſeinem feſten Zuſtande den Namen einer Glasthraͤne u. ſ. w. Dieſe feſten Glastropfen haben die merkwuͤrdige Eigenſchaft, daß ſich der ovalrunde Theil mit dem Hammer ſchlagen und abſchleifen laͤßt, ohne zu zerbrechen, da hingegen, wenn man den duͤnnen Schweif abbricht, der gange Tropfen augenblicklich in einen feinen Staub zerſpringt.

Man kan die Urſache dieſes Zerſpringens nicht in der Luft ſuchen; denn obgleich dieſe Tropfen gewoͤhnlich kieine Blaͤschen enthalten, ſo kan man doch den Koͤrper bis auf dieſe Blaͤschen abſchleifen, ohne daß er zerſpringt: auch thun die Tropfen ihre Wirkung im luftleeren Raume. Die erwaͤhnten Blaͤschen ſind nach Boſc d' Antic (Mém. preſentés à l' Ac. de Paris, To. IV. ) nichts, als ein in Daͤmpfe aufgeloͤſter Glasſchaum oder Glasgalle, und die Glastropfen zerſpringen auch, wenn ſie keine Blaͤschen haben.

Vielmehr liegt die Urſache des Phaͤnomens in ihrem500 ploͤtzlichen Erkalten im Waſſer, wie bey den Springkolben, ſ. Bologneſer Flaſchen, wobey die aͤußern Theile eher, als die innern, kalt werden, daher man ſie noch auf 6 Secunden lang im Waſſer gluͤhen ſieht. Dadurch gerathen ihre Theile in eine ſehr ſtarke und ungleiche Spannung, und eine angefangne Trennung ſetzt ſich augenblicklich durch alle Theile fort. Im ovalen Theile hingegen iſt die Verbindung wegen der Woͤlbung feſter. Dieſe richtige Meinung haben ſchon Hobbes, Montanari und Sturm angenommen. Die Glastropfen verlieren ihre Sproͤdigkeit, wie die Springkolben, wenn man ſie auf gluͤhende Kohlen legt, und dann nach und nach abkuͤhlen laͤßt. Man kan ſie von weißem Glaſe eben ſowohl, als von gruͤnem, verfertigen.

Laͤßt man einen noch fluͤßigen Glasfaden in kaltes Waſſer gehen, ſo nimmt er von ſelbſt eine ſpiralfoͤrmige Windung an. Die ſo bereiteten Glaswuͤrmer (vermiculi vitrei) zerſpringen ebenfalls in Staub, wenn man ein Stuͤck davon abbricht.

Wolfs Nuͤtzliche Verſuche, Th. III. Cap. 3.

Erxleben Anfangsgruͤnde der Naturl. mit Lichtenbergs Anm. §. 422.

Glatt, Laevis, Poli.

Glatt heißt die Oberflaͤche eines Koͤrpers, wenn auf ihr keine, oder nur wenige und unbetraͤchtliche Theile uͤber die andern hervorragen. Wir finden in der Natur keine voͤllig glatten Oberflaͤchen; ſelbſt in den polirten Flaͤchen der beſten Glaͤſer und Metallſpiegel, die dem bloßen Auge und dem Gefuͤhl glatt ſcheinen, entdeckt man durch das Microſkop noch Erhoͤhungen und Vertiefungen. Inzwiſchen giebt es Koͤrper, deren Flaͤchen von Natur oder durch Kunſt ſehr glatt ſind, z. B. Eis, polirte Glaͤſer und Marmorplatten u. dgl. Dem Glatten iſt das Rauhe entgegengeſetzt, ſ. Rauh. Glatte Ebnen von einerley Materien haͤngen bey der Beruͤhrung zuſammen, ſ. Cohaͤſion, und Koͤrper, die man auf glatten Flaͤchen bewegt, leiden weniger Reibung, ſ. Reiben. 501

Glatteis

Glacies tenuis corporum ſuperficies obducens, Verglas. Wenn nach einer ſtarken oder langwierigen Kaͤlte die Temperatur gelinder wird, ſo bleiben das Steinpflaſter, die Fußboden, Mauern und andere Koͤrper noch eine Zeit lang kaͤlter, als die aͤußere Luft, daher ſchlagen ſich an ihren Oberflaͤchen die in der Luft aufgeloͤſten Duͤnſte nieder, und gefrieren, wenn die Flaͤchen kalt genug ſind, in Form einer duͤnnen glatten Eisrinde, welche Glatteis genannt wird. Eine ſolche Rinde bildet auch der Regen, wenn er bey der Temperatur des Eispunkts, wo die Tropfen ſchon dem Gefrieren nahe ſind, auf den noch kaͤltern Boden herabfaͤllt, und augenblicklich auf demſelben gefrieret.

Gleichfoͤrmig, Aequabilis, Uniforme.

Gleichfoͤrmig heißt, was ſo vertheilt iſt, daß auf jeden gleich großen Theil gleichviel koͤmmt. Gleichfoͤrmige Bewegung, bey welcher jeder Theil des Weges mit gleicher Geſchwindigkeit beſchrieben, oder in jedem Zeittheile gleich viel Raum zuruͤckgelegt wird; gleichfoͤrmige Dichte, wenn jeder Theil des Koͤrpers ſo dicht, als der andere, oder in jedem gleich großen Raume gleich viel Maſſe enthalten iſt, u. ſ. w. ſ. Bewegung, gleichfoͤrmige, Dichte. Dem Gleichfoͤrmigen wird das Ungleichfoͤrmige entgegengeſetzt.

Gleichgewicht, Aequilibrium, Equilibre.

Der Zuſtand der Ruhe, welcher erfolgt, wenn zwo gleiche Kraͤfte nach entgegengeſetzten Richtungen einander entgegen wirken, ſo daß beyde ſich aufheben, und keine von ihnen Bewegung hervorbringen kan. Wenn beyde Schalen einer Wage mit vollkommen gleichen Gewichten beſchwert ſind, ſo ſtrebt das Gewicht der Schale zur Rechten, das rechte Ende des Wagbalkens herabzuziehen, das in der Schale zur Linken hingegen ſtrebt mit gleicher Kraft, eben dieſes Ende aufwaͤrts zu treiben, beyde Beſtrebungen heben ſich auf, und der Wagbalken bleibt in Ruhe. Dieſen Zuftand nennt man das Gleichgewicht der Kraͤfte, welcher Namen eben ſo, wie die lateiniſche Benennung, von dem Beyſpiele der innenſtehenden Wage hergenommen iſt. Die Lehre vom Gleichgewichte der Kraͤfte heißt die Statik. 502

Der allgemeine Grundſatz der Statik iſt alſo dieſer: Wenn ein Koͤrper von zwoen einander gerade entgegengeſetzten u. gleichen Kraͤften getrieben wird, ſo muß er ruhen, oder die Kraͤfte ſtehen im Gleichgewicht. Es haͤngt dieſes Axiom mit dem Satze des zureichenden Grundes zuſammen. Nemlich beyden Kraͤften zugleich kan der Koͤrper nicht folgen; es iſt aber auch kein Grund da, warum er einer allein mehr, als der andern, folgen ſollte.

Wird ein Koͤrper von mehr als zwoen Kraͤften getrieben, ſo laͤßt ſich ein Paar derſelben nach den Regeln der Zuſammenſetzung der Kraͤfte in eine einzige zuſammenbringen, welche eine andere Groͤße und Richtung hat, ſ. Zuſammenſetzung der Kraͤfte. Dieſe mit der dritten zuſammengeſetzt, giebt wiederum eine neue, die ſich als die Summe aller drey zuſammengeſetzten anſehen laͤßt, und mit der vierten rc. zuſammengeſetzt, ein neues Reſultat fuͤr die Summe aller vier rc. Kraͤfte giebt. Faͤhrt man ſo fort, bis nur noch eine einzige uͤbrig iſt, und iſt alsdann dieſe letzte der Summe aller uͤbrigen gleich und entgegengeſetzt, ſo ſtehen ſaͤmmtliche Kraͤfte im Gleichgewicht, und der Koͤrper muß ruhen.

Taf. X. Fig. 45. werde der Koͤrper A nach den Richtungen AB, AC, AD von drey Kraͤften gezogen, die ſich wie die Linien AB, AC, AD verhalten. Man ſetze AB und AC zuſammen, indem man BE mit AC und CE mit AB parallel ziehet, ſo wird AE, die Diagonale des Parallelogramms ABEC die Summe derſelben ſeyn. Iſt nun die einzige noch uͤbrige Kraft AD dieſer Summe AE genau gleich und entgegengeſetzt, ſo muß der Koͤrper A in Ruhe bleiben, weil die dritte Kraft gerade das aufhebt, was die beyden erſten zuſammen hervorbringen. Hiebey muß alſo AD = DE ſeyn, und die Richtungen beyder Linien AD und DE muͤſſen in einerley geraden Linie (in directum) liegen; mithin ſind die drey Seiten des Dreyecks ACE den Richtungen der drey Kraͤfte AB, AC, AD gleichlaufend: denn AC iſt die Richtung der erſten Kraft ſelbſt, CE iſt mit der Richtung der zweyten AB parallel,503 und AE liegt in einer geraden Linie mit der Richtung der dritten AD. Auch ſind dieſe drey Seiten den Linien AB, AC, AD gleich, und verhalten ſich daher wie die Groͤßen der Kraͤfte. Daher iſt das Geſetz des Gleichgewichts fuͤr drey Kraͤfte dieſes: Wird ein Koͤrper von drey Kraͤften getrieben, welche ſich, wie drey mit ihnen parallele Seiten eines Dreyecks verhalten, ſo muß er ruhen. Dieſer von Simon Stevin (Beghinſelen der Weghkonſt, Amſterd. 1596. 4. ) entdeckte Satz iſt ſehr fruchtbar an wichtigen Folgen, und Varignon (Nouvelle mecanique ou Statique, à Paris, 1725. 4. ) hat ihn zum allgemeinen Grundſatze der ganzen Statik angenommen. Doch hat er fuͤr einen Grundſatz keine hinlaͤngliche Evidenz, und iſt vielmehr eine Folge aus der Lehre von Zuſammenſetzung der Kraͤfte.

Aus dem Grundſatze des Gleichgewichts zwoer Kraͤfte fließen als Folgen, die Geſetze des Gleichgewichts feſter Koͤrper am Hebel, fluͤßiger Koͤrper unter einander ſelbſt, und feſter Koͤrper mit fluͤßigen. Die Geſetze des Gleichgewichts feſter Koͤrper am Hebel, und fluͤßiger unter einander ſelbſt werden bey den Worten: Hebel und Roͤhren, communicirende, abgehandelt werden; aber fuͤr die Saͤtze vom Gleichgewicht feſter Koͤrper mit fluͤßigen habe ich keine ſchickliche Stelle in irgend einem beſondern Artikel finden koͤnnen, und will ſie daher dem gegenwaͤrtigen beyfuͤgen. Gleichgewicht fluͤßiger Koͤrper mit feſten.

Folgende Saͤtze ſind bey dem Worte Druck unter dem Abſchnitte: Druck fluͤßiger Maſſen gegen die Gefaͤße (Th. I. S. 611. u. f.) erwieſen worden.

I. Der Druck des Waſſers (welches Wort hier uͤberhaupt jede fluͤßige Materie bedeutet) auf einen Boden, iſt dem Gewichte der Waſſerſaͤule gleich, welche den Boden zur Grundflaͤche und die ſenkrechte Hoͤhe des Waſſers uͤber demſelben zur Hoͤhe hat.

II. Der aufwaͤrts gerichtete Druck gegen einen feſten Deckel wird durch das Gewicht einer Waſſerſaͤule gemeſſen, welche die Flaͤche des Deckels zur Grundflaͤche, und die504 ſenkrechte Hoͤhe des Waſſers uͤber der Ebne des Deckels zur Hoͤhe hat.

III. Der ſeitwaͤrts gehende Druck auf eine feſte Wand wird durch das Gewicht einer Waſſerſaͤule gemeſſen, welche die Wand zur Grundflaͤche, und die ſenkrechte Hoͤhe des Waſſers uͤber die Mitte der Wand zur Hoͤhe hat.

Man ſtelle ſich nun vor, Taf. X. Fig. 46. ſey in das bis EF mit Waſſer gefuͤllte Gefaͤß ABCD ein rechtwinklichtes Parallelepipedum abcd ſo eingeſenkt, daß es voͤllig vom Waſſer umringt werde. So iſt zuerſt aus III. klar, daß der Druck des Waſſers auf die Seitenwaͤnde ac und bd gleich groß ſey, weil die Seitenflaͤchen ſelbſt gleich groß ſind, und die Hoͤhe des Waſſers uͤber ihrer Mitte ge und hf, ebenfalls auf beyden Seiten gleich iſt. Daher heben ſich dieſe Druͤckungen als gleiche und entgegengeſetzte Kraͤfte von allen Seiten auf, es findet ein voͤlliges Gleichgewicht ſtatt, und der Koͤrper wird vom Waſſer auf keine Seite verſchoben.

Wohl aber wird er von beyden Seiten zuſammengedruͤckt, und die Preſſungen koͤnnen bey einer großen Tiefe unter Waſſer ſehr ſtark werden, ſo daß platte zerbrechliche Flaͤchen dadurch zerdruͤckt werden. Daher zerbricht eine verſtopfte leere Flaſche mit platten Seitenflaͤchen, wenn man ſie ſehr tief im Waſſer verſenkt; eine offen gelaſſene aber bleibt ganz, weil ſie ſich inwendig mit Waſſer fuͤllt, welches auf jede Seitenflaͤche von innen eben ſo ſtark herauswaͤrts druͤckt, als das aͤußere hineinwaͤrts; daher die aͤußern Preſſungen beyde aufgehoben werden, und nicht mehr auf das Zuſammendruͤcken der ganzen Flaſche wirken koͤnnen.

Es erhellet ferner aus I., daß der Druck des Waſſers auf die obere Flaͤche ab dem Gewichte der Waſſerſaͤule eabf gleich iſt, und aus II., daß der aufwaͤrts gerichtete Druck gegen die untere Flaͤche cd durch das Gewicht der Waſſerſaͤule ecdf gemeſſen wird. Dieſe beyden Druͤckungen ſind zwar entgegengeſetzt, aber nicht gleich. Es wird alſo die groͤßere, d. i. die aufwaͤrts gerichtete, nur um ſo viel vermindert werden, als die kleinere betraͤgt. Nun iſt505 die Waſſerſaͤule ecdf, um eabf vermindert, der Waſſerſaͤule abcd oder dem Waſſer gleich, das den Raum des feſten Koͤrpers abcd einnimmt. Es bleibt alſo von dem aufwaͤrts gerichteten Drucke ſo viel uͤbrig, als das Gewicht des Waſſers austraͤgt, das den Raum des eingeſenkten Koͤrpers einnehmen kann. Oder: Das Waſſer hebt einen ganz eingeſenkten Koͤrper mit einer Kraft, die dem Gewichte des aus ſeiner Stelle getriebnen Waſſers gleich iſt.

Dieſer Beweiß gilt, wie er hier vorgetragen iſt, nur fuͤr ein rechtwinklichtes Parallelepipedum. Man kan ihn aber leicht auf Koͤrper von jeder Geſtalt ausdehnen, wenn man das zu Huͤlfe nimmt, was am Schluſſe des Artikels: Druck (Th. I. S. 614.) vom Drucke auf krumme Flaͤchen geſagt wird. Hat z. B. der feſte Koͤrper die irregulaͤre Geſtalt abcd, Taf. X. Fig. 47, ſo wird der niederwaͤrts gehende Druck dem Gewichte des Waſſers im Raume eadcf; der aufwaͤrts gehende dem des Waſſers im Raume eabcf; und alſo beyder Unterſchied oder die Kraft, womit der Koͤrper wirklich gehoben wird, dem Gewicht des Waſſers im Raume abcd gleich ſeyn.

Kuͤrzer wird eben dieſer Satz in den phyſikaliſchen Lehrbuͤchern ſo erwieſen: Ein feſter Koͤrper, in Waſſer verſenkt, leidet unſtreitig von dem ihn umgebenden Waſſer eben den Druck, den ein eben ſo großer Theil Waſſer an ſeine Stelle geſetzt davon leiden wuͤrde. Dieſer Theil Waſſer in abcd wird aber von dem uͤbrigen Waſſer dergeſtalt getragen, daß ſein Gewicht, mit dem er zu Boden ſinken will, gerade aufgehoben wird, weil er an ſeiner Stelle bleibt, ohne zu fallen. Alſo wird auch von dem Gewichte des eingeſenkten feſten Koͤrpers ſo viel aufgehoben, oder das Waſſer hebt ihn ſo ſtark, als das Gewicht des Waſſers betraͤgt, das gerade ſeine Stelle einnehmen koͤnnte, oder das er aus derſelben vertrieben hat.

Hat alſo ein Koͤrper mehr Gewicht, als ein gleich groſſer Theil Waſſer, ſo verliert er durch das Heben des Waſſers nur einen Theil ſeines Gewichts; der uͤbrige Theil treibt ihn zu Boden, daher ſinkt er unter. Ein Faden,506 der ihn haͤlt, hat nicht mehr das ganze Gewicht des Koͤrpers, ſondern nur dieſen Ueberreſt, mit dem er ſinken will, zu tragen, und die Wage, an deren Schale dieſer Faden befeſtiget wird, zeigt nur dieſen Ueberreſt an. Das heißt: Der Koͤrper verliert im Waſſer von ſeinem Gewichte ſo viel, als ein gleich großer Theil Waſſer wiegt. Wiegt z. B. eine Bleykugel 11 Loth, und eine gleich große Waſſerkugel 1 Loth, ſo wird die Bleykugel in Waſſer verſenkt, 1 Loth von ihrem Gewichte verlieren. Verſuche hieruͤber anzuſtellen, dient die hydroſtatiſche Wage, ſ. Wage, hydroſtatiſche, und Anwendungen hievon auf die Beſtimmung der eigenthuͤmlichen Gewichte der Koͤrper findet man bey dem Worte: Schwere, ſpecifiſche.

Hat der feſte Koͤrper, der ſich in dem Waſſer befindet, mit dem Waſſer ſelbſt einerley Gewicht, ſo verliert er ſein ganzes Gewicht, und behaͤlt nichts uͤbrig, womit er ſinken koͤnnte. Er bleibt alſo mitten im Waſſer an ſeiner Stelle ruhig ſtehen, und ein Faden, an dem er haͤngt, hat nichts mehr zu tragen. So fuͤhlt man das Gewicht eines Eimers mit Waſſer, den man aus einem Brunnen zieht, gar nicht, ſo lang der Eimer voͤllig unter Waſſer iſt.

Ein feſter Koͤrper endlich, der weniger wiegt, als ein gleich großer Theil Waſſer, wird von dem Waſſer ſtaͤrker aufwaͤrts gehoben, als ihn ſein Gewicht niedertreibt. Er wird alſo weder ſinken, noch ſtehen bleiben, ſondern vielmehr ſo lang aufwaͤrts ſteigen, bis ihn das Waſſer nicht mehr ſtaͤrker heben kan, als ihn ſein Gewicht abwaͤrts treibt, d. h. er wird ſchwimmen. Eben dies wiederfaͤhrt auch einem fluͤßigen Koͤrper, der ſich nicht mit dem Waſſer vermiſcht, und es wird hievon bey dem Worte: Schwimmen, ausfuͤhrlich gehandelt werden.

Dieſe Saͤtze vom Gleichgewichte feſter Koͤrper mit fluͤßigen, ſind Erfindungen des Archimedes (〈…〉〈…〉9 ſ. De inſidentibus humido Libri II. in Opp. per David. Rivaltum. Paris 1615. fol. p. 487.), von welchem Vitruv (De architectura L. IX. c. 3.) das bekannte Maͤrchen erzaͤhlt, daß er bey Veranlaſſung einer507 vom Koͤnig Hieron beſtellten goldnen Krone, den Betrug des Kuͤnſtlers, der ſie mit Silber gemiſcht hatte, ohne Zerſtoͤrung des Kunſtwerks zu entdecken gewuͤnſcht habe, hierauf im Bade durch Nachdenken uͤber das Leichterwerden ſeines ins Waſſer geſenkten Koͤrpers auf die Erfindung der hydroſtatiſchen Probe geleitet worden, und vor Freuden uͤber dieſe Entdeckung mit Geſchrey nackend aus dem Bade geſprungen ſey. Iſt gleich dieſe Erzaͤhlung fabelhaft, ſo kan doch die Erfindung ſelbſt dem Archimedes zugehoͤren, wiewohl ſeine oben angefuͤhrten Buͤcher nur von ſchwimmenden, nicht von unterſinkenden Koͤrpern handeln.

Gleichung der Bahn, ſ. Anomalie.

Gleichung der Zeit, Zeitgleichung, Aequatio temporis, Equation du tems, Equation de l' horloge.

So heißt in der Sternkunde der Unterſchied zwiſchen der wahren und mittlern Sonnenzeit, ſ. Sonnenzeit.

Da die wahren Sonnentage, mithin auch die Stunden und uͤbrigen Theile der wahren Sonnenzeit, ungleich ſind, ſo iſt es unmoͤglich, daß Uhren, deren groͤßter Vorzug in einem gleichſoͤrmigen Gange beſteht, jemals wahre Sonnenzeit zeigen koͤnnen. Um aber doch ein gewiſſes Mittel zu haben, woran man die immer gleichen Stunden der Uhren binden koͤnne, hat man die mittlere Sonnenzeit eingefuͤhrt. Man ſtellt ſich zu dem Ende eine erdichtete Sonne vor, welche ſich im Aequator bewegt und taͤglich gleich weit gegen Morgen fortruͤckt, dennoch aber ihren jaͤhrlichen Umlauf um den ganzen Himmel in eben der Zeit, wie die wahre Sonne, vollendet. Man uͤberſieht leicht, daß dieſe erdichtete Sonne bey ihrem taͤglichen Umlaufe den Mittagskreis bald fruͤher, bald ſpaͤter, als die wahre Sonne, bisweilen auch zugleich mit der letztern erreichen wuͤrde. Die Culmination der erdichteten Sonne wuͤrde aber den Augenblick des mittlern Mittags angeben, den die aſtronomiſchen Uhren zeigen ſollen, ſo wie die Culmination der wahren Sonne den Augenblick des wahren Mittags beſtimmt, den die Sonnenuhren weiſen. Der Unterſchied zwiſchen beyden oder die Zeitgleichung giebt alſo zugleich an, um wie viel die aſtronomiſchen508 Penduluhren im Mittage jeden Tages von den Sonnenuhren abweichen ſollen.

Ein mittlerer Sonnentag kan zwar von einem wahren Sonnentage nie viel uͤber 30 Secunden unterſchieden ſeyn; mehrentheils weichen beyde noch weit weniger von einander ab. Da ſich aber dieſe Unterſchiede oft mehrere Monate hindurch von Tag zu Tag aufſammlen, ſo kan ihre Summe, oder die Zeitgleichung ſelbſt, bis uͤber 15 Minuten ſteigen.

Genauere Berechnungen des wahren Sonnenlaufs zeigen, daß im Februar und November der Unterſchied beyder Mittage bis auf 15 Minuten gehe; viermal im Jahre aber, nemlich den 15ten April, 15 Junii, 31 Auguſt und 24 December ganz verſchwinde, wo folglich beyde Sonnen zugleich in den Meridian kommen wuͤrden.

Folgende Tafel enthaͤlt die Zeitgleichung durchs ganze Jahr von 10 zu 10 Tagen ſo, daß ſie zu 12 Uhr hinzugeſetzt iſt, wenn die erdichtete Sonne fruͤher in den Mittagskreis koͤmmt; von 12 Uhr abgezogen, wenn die wahre Sonne dieſen Kreis eher erreicht. So giebt die Tafel eigentlich an, was eine nach der mittlern Sonnenzeit abgetheilte richtige Penduluhr zeigen muß, wenn die wahre Sonne im Mittage ſteht, und die Sonnenuhren 12 zeigen.

Jan.112 U.4Min.Jun.1011 U.59Min.
1112820121
21121230123
311214Jul.10125
Febr.10121520126
20121430126
Maͤrz21212Aug.912|5
12121019123
2212729121
Apr.1124Sept.81158
11121181154
211158281151
May11157Oct.81148
111156181145
211156281144
311157
Nov.711 U.44Min.Dec.711 U.52Min.
171145171157
27114827122

Genauer geben dies die aſtronomiſchen Ephemeriden und Kalender an. In Bode aſtronomiſchem Jahrbuche findet man in der dritten Columne der erſten Seite unter der Aufſchrift: Mittlere Zeit im wahren Mittage dieſe Angabe bis auf Zehntel der Secunde fuͤr alle Tage des Jahres, z. B. fuͤr den 10. Jul. 1786, 12 U. 4 Min. 52, 7 Sec. Auf dieſe Zeit mußte an ſelbigem Tage im Augenblicke des Mittags eine Uhr geſtellt werden, wenn ſie die mittlere Sonnenzeit richtig zeigen ſollte.

Die Stadtuhren, Zimmer - und Taſchenuhren, welche ſich, ſo viel moͤglich, nach der Sonne oder buͤrgerlichen Zeit richten ſollen, muͤſſen eigentlich jeden Tag entweder nach der Sonne, oder nach einer richtigen aſtronomiſchen Uhr (Probiruhr) geſtellt werden. Dieſe letztere zeigt die mittlere Zeit. Wenn alſo am 10 Jul. 1786 die Probiruhr 12 U. 4 Min. 52, 7 Sec. zeigte, ſo war dies der Augenblick, in welchem man die zum gemeinen Gebrauch beſtimmten Uhren genau auf 12 Uhr ſtellen mußte. Man ſieht hieraus, daß die Tafel der Zeitgleichung auch im gemeinen Leben zum Stellen der Uhren unentbehrlich iſt.

Bode Erlaͤuterung der Sternkunde I. Theil. §. 184.

Glockenſpiel, elektriſches

Carillon électrique. Eine Verbindung von einigen Metallgloͤckchen, an welche die Kloͤppel durch die elektriſche Anziehung anſchlagen. Die einfachſte Einrichtung zeigt Taf. X. Fig. 48. B iſt ein meſſingenes Gehenk, womit man das ganze Geraͤth an den Conductor einer Maſchine haͤngen kan. Die zwo Glocken C und E haͤngen an meſſingnen Ketten; die mittlere D und die kleinen meſſingnen Kloͤppel zwiſchen CD und DE an ſeidnen Faͤden. Aus der Hoͤhlung der Glocke D geht eine meſſingne Kette hervor, die am Ende F eine ſeidne Schnur hat. Laͤßt man dieſe Kette auf den Tiſch fallen, und elektriſirt den Conductor A, ſo wird das Glockenſpiel ſo lange laͤuten, als es elektriſirt bleibt. 510

Die Glocken C und E werden zuerſt elektriſirt, ziehen die Kloͤppel an, theilen ihnen etwas Elektricitaͤt mit, und ſtoßen ſie dann gegen die Glocke D zuruͤck, an welche ſie dieſe Elektricitaͤt wieder abgeben, und nun von neuem von C und E angezogen werden, u. ſ. w. Wenn man die ſeidne Schnur F angreift, und damit die Kette vom Tiſche aufhebt, daß die Glocke D nunmehr iſolirt iſt, ſo werden die Glocken zwar eine Zeit laͤuten, aber bald ſtillſtehen, weil D bald eben ſo viel Elektricitaͤt erhaͤlt, als C und E, daß alſo die Kloͤppel nichts mehr an D abgeben koͤnnen, mithin auch nicht mehr angezogen werden.

Dieſe Vorrichtung kan noch auf mancherley Art abgeaͤndert werden. Man kan z. B. eine ganze Reihe von Glocken verbinden, dieſelben in einen Kreis ſtellen u. ſ. w. Verſchiedene ſolche Abaͤnderungen beſchreibt Adams (Verſuch uͤber die Elektr. Leipz. 1785. gr. 8. 24 Verſ. S. 36.). Franklin brachte das Glockenſpiel an ſeinen Elektricitaͤtszeiger ſo an, daß es durch ſein Laͤuten anzeigte, wenn die Luft elektriſch war, ſ. Elektricitaͤtszeiger. Auch der Vorſchlag des elektriſchen Claviers, ſ. Clavier, elektriſches, beruht auf dem Glockenſpiele.

Cavallo Abhandl. der Lehre von der Elektricitaͤt, Dritte Aufl. Leipzig, 1785. gr. 8. S. 245. u. f.

Gluͤhen, Candere, Excandeſcere, Rougir.

Wenn ein Koͤrper ſo ſtark erhitzt iſt, daß er leuchtet, ſo ſagt man, er gluͤhe. Leuchtet auch das, was von ihm ausgeht, ſo nennt man es eine Flamme, und ſagt, der Koͤrper brenne. Man kann daher die Flamme einen gluͤhenden Dampf oder eine aus dem brennenden Koͤrper kommende und gluͤhende elaſtiſche Materie nennen, ſ. Flamme. Durchs Brennen wird der Koͤrper allezeit zerſtoͤrt, aber nicht allemal durchs Gluͤhen. Wenn das Gluͤhen den Koͤrper zerſetzt, wie bey den Kohlen, dem Eiſen u. ſ. w., ſo ſcheint es wohl mit dem Brennen einerley zu ſeyn, und man kan in ſolchen Faͤllen auch durch Anblaſen und andere Mittel die Flamme verſtaͤrken und ſichtbar machen. Feuerbeſtaͤndige Koͤrper aber, z. B. Quarz, Glas, vollkommne Metalle511 u. dgl. werden durchs Gluͤhen nicht zerſetzt, und geben daher gar keine Flamme.

Es iſt zum Gluͤhen ein gewiſſer Grad der Hitze erforderlich, der den zum Schmelzen noͤthigen Grad bey manchen Koͤrpern uͤberſteigt, bey andern aber geringer, als der letztere, iſt. Manche Koͤrper, z. B. Bley und Zinn, ſchmelzen, ehe ſie gluͤhen, andere, wie Eiſen, gluͤhen, ehe ſie ſchmelzen. Das Rothgluͤhen, wobey nur rothe und gelbe Lichtſtralen ausgehen, erfordert keine ſo große Hitze, als das Weißgluͤhen, wobey alle Arten von Farbenſtralen in Bewegung geſetzt werden. Nach den neuſten Theorien ſcheint der Grad der Hitze, welcher zum Gluͤhen verbrennlicher Koͤrper erforderlich iſt, der 650ſte Grad der fahrenheitiſchen Scale zu ſeyn. Hieher ſetzt wenigſtens Herr de Luͤc ſeinen Entzuͤndungspunkt, (degré de chaleur brûlante), und Kraft (Comm. Petrop. To. XIV. ) hat ſchon lange vorher bemerkt, daß bey dieſem Grade das vorher gluͤhende Eiſen im Dunkeln zu leuchten aufhoͤre.

Gold, Aurum, Or.

Das vollkommenſte, bey den gewoͤhnlichen Operationen der Chymie unzerſtoͤrliche Metall, von einer ſchimmernden gelben Farbe und großer Dehnbarkeit. Es beſitzt die Eigenſchaften, welche die Metalle auszeichnen, im hoͤchſten Grade, und iſt deswegen von den aͤltern Chymiſten die Sonne oder der Koͤnig der Metalle genannt, auch mit Θ bezeichnet worden. Es iſt haͤrter als Zinn, aber weicher als Silber. Seine Dehnbarkeit iſt erſtaunlich; und man kan nach Reaumurs Berechnungen (Mém. de Paris, 1713.) mit einer Unze Gold einen 444 Stunden Weges (lieues) langen Silberfaden genau bedecken und vergolden, ſ. Dehnbarkeit, auch bringen es die Goldſchlaͤger in ſehr duͤnne Blaͤttchen. Es hat unter allen Metallen die groͤßte Zaͤhigkeit. Ein Golddrath von (1 / 10) Zoll Durchmeſſer traͤgt, ohne zu reißen, 50 Pfund. Der Wirkung des Waſſers und der Luft widerſteht das Gold voͤllig, und jede Unſcheinbarkeit ſeiner Oberflaͤche kan nur von daran klebenden fremden Materien, nie von einer Zerſtoͤrung des Goldes ſelbſt, herkommen. 512

Es hat die groͤßte ſpecifiſche Schwere unter allen Metallen, und uͤberhaupt unter allen bekannten Koͤrpern. Sie betraͤgt bey dem reinſten Golde 19,649mal ſo viel, als die des reinen Waſſers, ſo daß ein pariſer Cubikſchuh davon etwa 1348 Pfund wiegt.

Das Gold iſt in hohem Grade feuerbeſtaͤndig. Es wird im Feuer zuerſt gluͤhend, und ſchmelzt dann mit einer ſanften gruͤnen Farbe auf der Oberflaͤche. Allein es leidet dabey nicht den mindeſten Abgang, wenn man es gleich, wie Boyle und Kunkel, uͤber einen Monat lang im Glasofen dem Feuer ausſetzt. Dennoch wird es durch die Hitze des Brennpunkts großer Brennglaͤſer in einem duͤnnen Rauche aufgetrieben, der ſich an kaltes Silber haͤngt, und darauf eine wahre Vergoldung bildet. Homberg wollte dieſen Rauch fuͤr den merkurialiſchen Grundſtoff des Goldes halten; aber Macquer, Briſſon u. a. erklaͤren ihn blos fuͤr eine Menge feiner, ſonſt unveraͤnderter, Goldtheilchen.

Unter den mineraliſchen Saͤuren loͤſen die dephlogiſtiſirte Salzſaͤure (Scheele von Luft und Feuer, §. 82.) und die allerſtaͤrkſte Salpeterſaͤure (Brandt ſchwed. Abhdl. 1748.) das Gold, wiewohl nur ſchwach, auf. Die eigentlichen Aufloͤſungsmittel des Goldes ſind das Koͤnigswaſſer und die Schwefelleber. Das Koͤnigswaſſer, Goldſcheidewaſſer (aqua regis, eau royale) beſteht aus Salzſaͤure, mit Salpeterſaͤure vermiſcht, und kan ſehr leicht durch Aufloͤſung des Salmiaks in Scheidewaſſer erhalten werden. Die Aufloͤſung des Goldes darinn hat eine goldgelbe Farbe, faͤrbt die Finger ſtark violet, und giebt beym Abdampfen die Goldkryſtallen und den Goldkalk. Das Gold kan auch daraus durch ſehr viele Mittel, vorzuͤglich durch Laugenſalze, Kalkerden und andere Metalle niedergeſchlagen werden. Der durch fluͤchtiges Alkali bewirkte Niederſchlag iſt das Knallgold; durch das Zinn und Libavs rauchenden Salzgeiſt wird der Mineralpurpur oder das Goldpraͤcipitat des Caſſius erhalten. Dieſe Niederſchlaͤge ſcheinen, wenn ſie mit Laugenſalzen oder Erden bereitet ſind, wahre Goldkalke zu ſeyn, da die mit Metallen bereiteten blos fein zertrenntes metalliſches513 Gold ſind. Sie ſind in allen Saͤuren aufloͤslich. Der Aether zieht das Gold aus der Aufloͤſung in ſich, ſchwimmt mit ihm auf dem Koͤnigswaſſer, und bildet ein trinkbares Gold (aurum potabile).

Die aus fixem Alkali und Schwefel zuſammengeſetzte Schwefelleber loͤſet durch Schmelzung das Gold ſogleich auf, zergeht mit demſelben, wenn ſie kalt iſt, im Waſſer, und nimmt das Gold mit ſich durch das Loͤſchpapier des Filtrums. Dies iſt Stahls trinkbares Gold; man kan es durch Saͤuren niederſchlagen, wobey zwar nebſt dem Golde auch der Schwefel zu Boden faͤllt, aber durch Feuer weggetrieben, das Gold in metalliſcher Geſtalt zuruͤcklaͤßt.

Das Gold laͤßt ſich mit allen Metallen verbinden. Zu Muͤnzen und Goldſchmiedsarbeiten wird es mit Silber und Kupfer, zu Gewinnung aus den Erzen und zu Vergoldungen mit Queckſilber, zur Reinigung von fremden Beymiſchungen mit Bley und Spießglaskoͤnig verbunden. Es verliert durch alle dieſe Vermiſchungen an Geſchmeidigkeit, und kan vom Silber nicht anders geſchieden werden, als durch Aufloͤſung in Saͤuren oder Schwefel; von den uͤbrigen Metallen aber reiniget man es durch die Verſchlackung derſelben mit Bley, Salpeter oder Spießglas, wobey das Gold unzerſtoͤrt zuruͤck bleibt.

Man ſieht wegen der angefuͤhrten Erſcheinungen das Gold als ein feuerbeſtaͤndiges, unzerſtoͤrbares und unzerſetzbares Metall an. Einige Chymiſten, z. B. Kunkel, geben zwar vor, es verkalkt zu haben, und Homberg glaubte, es ſey im Brennpunkte des großen Tſchirnhauſenſchen Brennglaſes in ein violettes Glas verwandelt worden, ſ. Brennglas. Macquer bezeugt, daß er ſelbſt ein ſtarkes Korn von dieſem Glaſe erhalten habe, aber er bemerkt auch, daß man darinn durchs Mikroſkop eine unzaͤhlbare Menge feiner unzerſetzter Goldkoͤrner entdecke; er wagt es daher nicht, uͤber die Natur und den Urſprung dieſes Glaſes zu entſcheiden. Die Alchymiſten behaupten die Moͤglichkeit, das Gold zu zerſetzen, zu zerſtoͤren, oder das, was ſie ſeinen Schwefel, ſeine Tinctur, ſeine Seele514 nennen, herauszuziehen. Sie haben in dieſer Abſicht erſtaunliche Arbeiten unternommen, von denen einige wohl einer Wiederholung und genauern Pruͤfung werth waͤren.

Man findet das Gold mehrentheils gediegen; jetzt aber iſt außer allem Zweifel, daß es ſich auch vererzet antreffen laſſe. Der Aedelforſer Goldkies in Schweden iſt ein durch Schwefelkies, und das Nagyager Golderz in Siebenbuͤrgen ein durch Waſſerbley, Spießglas, roͤthliche Blende, Silberfahlerz, Schwefel, Eiſen und Arſenik vererztes Gold. Es giebt auch außerdem noch mehrere Golderze. Gediegen ſindet ſich das Gold in verſchiedenen Geſteinen, vorzuͤglich aber in Quarz und Kieſel, daher auch im Sande vieler Fluͤſſe, z. B. des Rheins, der Rhone, des Tago, aus welchem es, jedoch nur mit geringem Vortheil, gewaſchen wird. Es iſt insgemein mit andern Metallen, vorzuͤglich mit Silber|, vermiſcht. (Man ſehe Gmelins Einl. in die Mineralogie, Nuͤrnberg, 1780. 8. S. 376. u. f.).

Das Gold dient nicht allein gemuͤnzt zur bequemen Darſtellung des Werths aller menſchlichen Beduͤrfniße; ſondern es wird auch ſeiner Schoͤnheit und Unzerſtoͤrlichkeit halber zu Geraͤthſchaften und Schmuck verarbeitet, und zu Vergoldungen gebraucht, welche den Arbeiten ein reicheres Anſehen geben, und ſie gegen die Zerſtoͤrung durch Luft und Waſſer ſchuͤtzen. Man erhaͤlt daraus den ſchoͤnen Mineralpurpur zur Schmelz - und Porcellanmalerey (ſ. Levis Hiſtorie des Goldes im Zuſammenhange der Kuͤnſte rc. a. d. Engl. von Ziegler, Zuͤrch 1764. gr. 8. I. B. S. 61 370). Der Gebrauch der Goldtinkturen in der Arzneykunſt beruht auf alchymiſtiſchen Traͤumereyen, und wahrſcheinlich iſt das Gold, eben wegen ſeiner Unzerſetzlichkeit, ohne alle mediciniſche Wirkungen.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Gold, mit Hrn. Leonhardi Anm.

Grade, Gradus, Degres.

Wenn man ein Ganzes in eine beſtimmte Anzahl gleicher Theile theilt, ſo heißt in vielen Faͤllen jeder ſo cher Theil ein Grad

In der Meßkunſt wird der Umfang eines jeden Kreiſes515 in 360 gleiche Theile oder Grade getheilt; man theilt den Grad weiter in 60 Minuten, die Minute in 60 Secunden u. ſ. f., und bezeichnet dieſe Theile mit 0 1 11; ſo daß die Bezeichnung 51° 19′ 47″, 51 Grad 19 Minuten und 47 Secunden ausdruͤckt. Man bedient ſich der Kreisbogen zum Maaße der Winkel, und ſchreibt einem Winkel z. B. die Groͤße von 90 Graden oder 60 Gr. zu, wenn alle aus ſeiner Spitze beſchriebene Kreisbogen zwiſchen ſeinen Schenkeln, 90° oder 60° des ganzen Umkreiſes halten. Alle zur Winkelmeſſung beſtimmte Werkzeuge enthalten Kreisbogen, welche in Grade, und ſo weit moͤglich, in Theile von Graden getheilt ſind.

Eben ſo werden nun auch alle groͤßte Kreiſe am Himmel und auf der Erde in Grade, Minuten, Secunden u. ſ. w. getheilt, und ihre Bogen, welche Maaße der Winkel am Auge oder am Mittelpunkte der Kugel ſind, werden in ſolchen Graden und deren Theilen angegeben. Man theilt den Horizont, den Mittagskreis und die uͤbrigen Scheitelkreiſe, den Aequator, die Ekliptik, die Breitenkreiſe u. ſ. f. in Grade ein, wie man unter den Artikeln, die dieſen Worten zugehoͤren, ausfuͤhrlicher finden kan.

Ein Grad des Mittagskreiſes oder des Umfangs der Erdkugel wuͤrde alſo, wenn die Erde eine vollkommne Kugel waͤre, den 360 ſten Theil ihres Umfangs ausmachen. Und waͤre z. B. der Bogen od (Taf. VIII. Fig. 2.) ein ſolcher Grad, ſo wuͤrde der Winkel ZCD, den die beyden Scheitellinien der Orte o und d, nemlich ZC und DC, mit einander machen, auch betragen, weil er durch den Bogen od gemeſſen wuͤrde. Da aber die Erde abgeplattet iſt, wie Taf. VIII. Fig. 4., ſo findet dies nicht mehr ſtatt, und man nennt nun einen Grad des Mittagskreiſes denjenigen Theil des Umkreiſes, durch welchen man gehen muß, wenn ſich die Richtung der Scheitellinie um veraͤndern ſoll, z. B. Aa und Pp, wenn die Richtungen der Schwere, AE und aE, ingleichen PD und pD bey E und D Winkel von machen. Dieſe Grade ſind um die Pole groͤßer und um den Aequator kleiner, ſ. Erdkugel, unter dem Abſchnitte: Abgeplattete Geſtalt der Erde. 516

Grade der Laͤnge

ſind am Himmel Grade der Ekliptik, von dem Anfange derſelben, oder von dem Anfange eines Zeichens an bis an den Breitenkreis irgend eines Geſtirns gerechnet, ſ. Laͤnge der Geſtirne; auf der Erde ſind es Grade des Aequators, von deſſen Anfange oder vom erſten Meridiane an bis an den Meridian irgend eines Orts gezaͤhlet, ſ. Laͤnge, geographiſche.

Grade der Breite

am Himmel ſind Grade eines Breitenkreiſes, von der Ekliptik an gezaͤhlt, bis an das Geſtirn, dem der Breitenkreis zugehoͤrt, ſ. Breite der Geſtirne; auf der Erde ſind es Grade des Mittagskreiſes, vom Aequator an bis an den Ort, dem der Mittagskreis zugehoͤrt, ſ. Breite, geographiſche.

Man pflegt auch Werkzeuge, die zu phyſikaliſchen Abmeſſungen dienen, z. B. Thermometer, Hygrometer, Araͤometer u. dgl. mit Maaßſtaͤben oder Sealen zu verſehen, deren Theile Grade genannt werden. In dieſer Abſicht muͤſſen zuerſt auf einer ſolchen Scale zween feſte Punkte beſtimmt werden, bey welchen das Werkzeug zween jedermann verſtaͤndliche und ſich immer gleich bleibende phyſiſche Effecte anzeigt, z. B. der Punkt der Siedhitze und der Gefrierpunkt am Thermometer, die Punkte der groͤßten Feuchtigkeit und Trockenheit am Hygrometer u. ſ. w. Der Abſtand dieſer Punkte auf der Scale heißt der Fundamendalraum (intervallum fundamentale), und wird dann in eine gewiſſe Menge gleicher Theile oder Grade getheilt. Wegen der Bequemlichkeiten der Decimaltheilung waͤre es gut, dem Fundamentalraume ſtets 100 Grade zu geben, wie Celſius beym Thermometer, und Mehrere beym Hygrometer gethan haben. Aus andern Abſichten aber weicht man hievon ab, ſo wie Fahrenheit beym Thermometer in 180, Reaumur in 80, del 'Isle in 150 Grade theilt, ſ. Thermometer, Hygrometer.

Man nennt alsdann den Grad der Waͤrme, oder der Temperatur diejenige fuͤhlbare Waͤrme, bey welcher das Thermometer den genannten Grad zeigt: Grad der Feuchtigkeit diejenige Diſpoſition der Luft, Feuchtigkeit517 mitzutheilen, bey welcher das Hygrometer den genannten Grad zeigt. Der Kuͤrze wegen werden auch dieſe Grade bisweilen mit o bezeichnet, z. B. 32° nach Fahrenheit, obgleich dieſe Bezeichnung eigentlich nur den Theilen des Kreiſes zukoͤmmt.

Gravitation, Schwerkraft, allgemeine Schwere, Gravitatio, Gravitas univerſalis, Gravitation.

Das Phaͤnomen der Koͤrperwelt, da entfernte Koͤrper ſich einander naͤhern, oder zu naͤhern ſtreben, ohne daß man eine aͤußere Urſache davon gewahr wird die Attraction entfernter Koͤrper, ſ. Attraction. So faͤllt ein freygelaſſener Koͤrper lothrecht gegen die Erdflaͤche, das Waſſer der Erdkugel erhebt ſich gegen den Mond, der Mond ſelbſt iſt hinwiederum gegen die Erde ſchwer, und man finder bey der genauern Betrachtung des Laufs der Planeten, daß ſie alle gegen die Sonne und gegen einander ſelbft gravitiren oder ſchwer ſind.

Man hat alſo Urſache genug, dieſes wechſelſeitige Beſtreben nach Annaͤherung fuͤr ein allgemeines Phaͤnomen der Koͤrperwelt zu erklaͤren. Es giebt freylich ſehr viele Faͤlle, in welchen es ſich gar nicht zu zeigen ſcheint. Zween neben einander herabfallende Steine z. B. ſcheinen nicht die mindeſte Anziehung gegen einander zu aͤußern; ſie ſetzen ungeſtoͤrt ihren lothrechten Fall in parallelen Linien fort, ohne durch ihre Gravitation gegen einander ſelbſt naͤher zuſammenzukommen. Aber alle ſolche Faͤlle ſind bloße Ausnahmen von der Regel. Die Steine gravitiren nemlich gegen die ganze Maſſe der Erdkugel unendlich ſtaͤrker, als gegen einander ſelbſt; daher iſt ihr Beſtreben in lothrechten Linien zu fallen unendlich groͤßer, als ihr wechſelſeitiges Streben nach Annaͤherung, und das letztere kan in dem erſten nicht die mindeſte merkliche Aenderung bewirken.

Wenn man alles Kraft nennt, was Bewegung hervorzubringen ſtrebt, und wenn man insbeſondere denjenigen Beſtrebungen den Namen der Schwere giebt, welche ohne eine ſichtbare aͤußere Urſache einen Koͤrper gegen einen andern entfernten treiben, ſo fuͤhrt das erwaͤhnte allgemeine518 Phaͤnomen die Namen der Schwerkraft und der allgememen Schwere ſehr ſchicklich. Dieſe Benennungen ſind zwar weit beſſer gewaͤhlt, als der auf irrige Nebenbegriffe fuͤhrende Name der Attraction. Welchen Namen man aber auch waͤhlen mag, ſo muß man nie vergeſſen, daß derſelbe blos das Phaͤnomen bezeichnen, nicht die phyſiſche Urſache deſſelben angeben ſoll, welche uns noch bisher gaͤnzlich unbekannt iſt. Es muß uns genug ſeyn zu wiſſen, und durch unzaͤhlbare Erfahrungen beſtaͤtiget zu ſehen, daß alle im Weltraume vorhandene Materie gegen einander nach gewiſſen ſehr beſtimmten Geſetzen ſchwer iſt; wir muͤſſen aber nicht glauben, durch die Worte: Attraction, Gravitation, Schwerkraft rc. die Urſache hievon, und den Mechaniſmus, wodurch die Schwere bewirkt wird, erklaͤrt zu haben.

Der Begrif einer allgemeinen Schwere fand ſich ſchon in den Schulen der griechiſchen Weltweiſen. Gregory (Elem. aſtr. phyſ. et geometr. in praefat. ) hat viele dies beweiſende Stellen der Alten geſammelt, wovon aber die meiſten vielmehr die Meynung von der Mehrheit der Welten betreffen. Anaxagoras ſchrieb den Himmelskoͤrpern eine Schwere gegen die Erde zu, die er fuͤr den Mittelpunkt ihrer Bewegungen annahm, und beantwortete die Frage warum ſie nicht herabfielen, damit, daß ihre Kreisbewegung es verhindere. Aus dem Luctez ſieht man, daß die allgemeine Schwere ein Grundſatz des epikureiſchen Syſtems geweſen ſey. Dieſer Dichter zieht daraus (De rer. nat. I. v. 983 ſqq. ) die kuͤhne Folgerung, daß die Welt ohne Grenzen ſey; denn, ſagt er, wenn es eine Grenze derſelben gaͤbe, ſo wuͤrden die Koͤrper daſelbſt gegen keine aͤußern weiter ſchwer ſeyn, alſo von ihrer Schwere gegen die innern herabgetrieben werden, und laͤngſt in der Mitte des Ganzen zuſammengekommen ſeyn.

Praeterea ſpatium ſommaï totius omne

Undique ſi incluſum certis conſiſteret oris,

Finitumque foret, jam copia materiaï

Undique ponderibus ſolidis confluxet ad imum

Nec foret omnino coelum, neque lumina ſolis;519

Quippe ubi materies omnis cumulata jaceret

Ex infinito jam tempore ſubſidendo.

Copernikus (De revolutionibus orb. coeleſt. L. I. cap. 9) erklaͤrt die runde Geſtalt der Himmelskoͤrper aus dem Beſtreben ihrer Theile nach Vereinigung. Equi dem exiſtimo, ſagt er, gravitatem non aliud eſſe, quam appetentiam quandam naturalem partibus inditam a di vina providentia opificis univerſorum, ut in unitatem integritatemque ſuam ſeſe conferant in formam globi coëuntes. Quam affectionem credibile eſt etiam Soli, Lunae, caeterisque errantium ſulgoribus ineſſe, ut ejus efficacia in ea, qua ſe repraeſentant, rotunditate per maneant. Kepler, der alle ſeine Vorgaͤnger an Scharfſinn uͤbertraf, gieng noch viel weiter, und erſtreckte die Schwere auf den Mond, die Sonne und die Planeten unter einander ſelbſt. In der Vorrede ſeines beruͤhmten Buchs uͤber die Geſtalt der Planetenbahnen (Aſtronomia nova〈…〉〈…〉10 tradita Commentariis de motibus ſtellae Martis. Prag. 1609. fol.) ſetzt er folgende Grundſaͤtze der allgemeinen Schwere feſt: Quod gravitas eſt affectio corporea mutua inter cognata corpora ad unitionen ſeu conjunctionem. Duo corpora non impedita coirent loco intermedio, quodlibet accedens ad alterum tanto intervallo, quan ta eſt alterius moles in comparatione; adeoque ſi Lu na et Terra non retinerentur, quaelibet in ſuo circui tu, Terra aſcenderet ad Lunam quinquageſima quarta parte intervalli; Luna deſcenderet ad Terram 53 cir citer partibus intervalli, ibique jungerentur. Quod Luna prolectat aquas terreſtres; unde fit fluxus, ubi ſunt latiſſimi alvei Oceani, aquisque ſpatioſa recipro candi libertas. Et ſi Terra ceſſaret attrahere ad ſe aquas ſuas, aquae marinae elevarentur et in corpus Lunae influerent. Er vergleicht ferner (ebend. cap. 34.) die Himmelskoͤrper mit Magneten, und beruft ſich wegen der Erdkugel auf Gilbert (De magnete magneticisque corporibus et magno magnete tellure. Lond. 1600. 4.). Per bellum equidem attigi exemplum magnetis, et omnino rei conveniens, ac parum abeſt, quin res ipſa dici520 poſſit. Nam, quid ego de magnete, tamquam de exemplo? Cum ipſa tellus, Guilielmo Gilberto, Anglo, demonſtrante, magnus quidam ſit magnes. Bey ſo beſtimmten Aeußerungen uͤber die allgemeine Schwere kan man ſich nicht genug verwundern, wie Kepler neun Jahre darauf in einem andern Buche (Epitome Aſtron. Copern. Lentiis ad Danub. 1618. 8. ), eine ſo ſchlechte und hievon ganz abweichende phyſiſche Aſtronomie vortragen konnte, nach welcher die Sonne den Planeten nur alsdann anzieht, wenn er ihr die freundſchaftliche Seite (partem amicam) zukehrt, ſonſt aber abſtoͤßt. Dieſer große Aſtronom und Geometer gab einer lebhaften Einbildungskraft allzuſehr nach, um ein guter Phyſtker zu ſeyn. Er wuͤrde ſonſt nicht uͤber ſeinen archerypiſchen Verhaͤltniſſen und harmoniſchen Proportionen die Entdeckung der wahren phyſiſchen Aſtronomie verfehlt haben, der er doch ſo nahe war, und von welcher ſeine vortreflichen Regeln die Grundlage ausmachen.

Die Leſung der Kepleriſchen Schriften war hinreichend, der Meynung von der allgemeinen und wechſelſeitigen Schwere mehrere Vertheidiger zu erwecken. Fermat gedenkt nicht nur in ſeinen Schriften der Erklaͤrung der Schwere durch ein gegenſeitiges Anziehen, wobey ſich ein Koͤrper dem andern ſo zu naͤhern ſucht, daß der groͤßere den kuͤrzeſten Weg macht, ſondern er fand auch nach dem Zeugniſſe des P. Merſenne (Harmon. univerſ. L. II. prop. 12.) den Satz, daß ein Theilchen zwiſchen der Oberflaͤche und dem Mittelpunkte der Kugel weniger gravitirt, weil es die aͤußern Theile ruͤckwaͤrts anziehen, woraus er ſchloß, daß die Schwere in dieſer Ruͤckſicht, wie der Abſtand vom Mittelpunkte abnehme. Roberval gab unter dem Namen Ariſtarch von Samos ein Buch heraus (Ariſt. Samii de mundi ſyſtemate liber ſingularis, Paris. 1644. 4), worinn er allen Theilen der Materie die Schwere gegen einander als eine weſentliche Eigenſchaft beylegt, welche mache, daß ſie ſich zu runden Maſſen bilden.

Niemand aber hat vor Newton die Lehre von der Gravitation ſo allgemein uͤberſehen, als D. Hook (An attempt to prove the motion of the Earth, London, 1674.521 4.). Ich will, ſagt er (p. 27.), ein Weltſyſtem erklaͤ ren, das von allen andern unterſchieden iſt, aber mit den Saͤtzen der Mechanik vollkommen uͤberein ſtimmt. Es gruͤndet ſich auf folgende drey Vorausſe tzungen, 1) daß alle Himmelskoͤrper, nicht allein gegen ihren eignen Mittelpunkt, ſondern auch wechſelſeitig ge gen einander ſelbſt, innerhalb ihrer Wirkungskreiſe, ſchwer ſind, 2) daß alle Koͤrper, die eine einfache und geradlinig te Bewegung haben, dieſelbe in gerader Linie fortſetzen, wenn nicht irgend eine Kraft ſie beſtaͤndig ablenkt, und zwingt, einen Kreis, eine Ellipſe oder eine andere zuſam mengeſetztere Curve zu beſchreiben, 3) daß die Anziehung deſto ſtaͤrker wird, je naͤher der anziehende Koͤrper iſt. Er ſetzt hinzu, das Geſetz, nach welchem dieſe Kraft zunehme, habe er noch nicht unterſucht, es koͤnne aber deſſen Entdeckung der Sternkunde ſehr nuͤtzlich ſeyn. Dennoch konnte er daſſelbe nicht angeben, ob er gleich durch verſprochne Belohnungen dazu aufgefordert ward, und hat in der Folge ſich vergeblich bemuͤht, den Ruhm dieſer großen Erfindung mit Newton zu theilen, von deſſen erhabnen Demonſtrationen ſeine Muthmaßungen noch ſehr weit abſtehen.

Die Entdeckung des Geſetzes der Gravitation war Newton vorbehalten. Gregory (Praefat. Elem. Aſtron. phyſ. et geom. ) behauptet zwar, es ſey dieſes Geſetz ſchon dem Pythagoras bekannt geweſen, der es aus den muſikaliſchen Intervallen geſchloſſen habe. Allein die angefuͤhrten hiſtoriſchen Zeugniſſe beweiſen nichts weiter, als daß Pythagoras die Verhaͤltniſſe der Intervallen gekannt, und viel von einer Harmonie der Sphaͤren geſprochen habe: man muß im Schließen uͤber große Luͤcken ſpringen, wenn man hieraus eine Kenntniß des Geſetzes der Schwere folgern will. Die Geſchichte von Newtons Entdeckung wird von ſeinem Zeitgenoſſen Pemberton (A view of Sir Iſaac Newton's Philoſophy, London, 1728. 4. Preface) auf folgende Art erzaͤhlt. Die erſten Vorſtellungen von Newtons Syſtem entſtanden in ihm 1666, da er durch die Peſt genoͤthiget war, ſich von Cambridge wegzubegeben. 522Er gieng ganz allein in einem Garten ſpatziren, und beſchaͤftigte ſich in Gedanken mit Betrachtung der Schwere. Dieſe Kraft, dachte er, nimmt nicht merklich ab, wenn man ſich auf die Gipfel der hoͤchſten Berge begiebt; warum ſollte ſie ſich nicht noch weiter und bis zum Monde erſtrecken? Wenn aber dieſes wirklich iſt, ſo muß ſie auf die Bewegung des Monds einen Einfluß haben; vielleicht dient ſie, den Mond in ſeiner Bahn zu erhalten. Und wenn ſie gleich in geringen Entfernungen nicht merklich geſchwaͤcht wird, ſo kan ſie doch wohl in der Weite des Monds gar ſehr verringert werden.

Um nun zu einer Beſtimmung des Geſetzes dieſer Verringerung zu gelangen, dachte er ferner, wenn die Schwere gegen die Erde den Mond in ſeiner Bahn erhielte, ſo wuͤrden auch die Planeten durch ihre Schwere gegen die Sonne, und die Iupitersmonden durch ihre Schwere gegen den Iupiter, in den ihrigen erhalten werden. Wenn man aber die Umlaufszeiten der Planeten um die Sonne mit ihren Entfernungen von derſelben vergleicht, ſo findet man, daß ſich die Schwungkraͤfte bey ihrer Bewegung, mithin auch die Centripetalkraͤfte, die jenen das Gleichgewicht halten, im umgekehrten Verhaͤltniſſe der Quadrate der Entfernungen befinden. Eben ſo iſt es bey den Iupitersmonden. Er ſchloß hieraus, die Kraft, welche den Mond in ſeiner Bahn erhalte, werde die nach dieſem Verhaͤltniſſe verminderte Schwere, und alſo (da der Mond 60mal weiter vom Mittelpunkte der Erde abſteht, als die Koͤrper auf der Erdflaͤche) 3600mal geringer, als die Schwere an der Erdflaͤche ſeyn. Dem zu Folge muͤßte der Mond in einer Minute Zeit nur durch (1 / 3600) des Raums fallen, welchen die fallenden Koͤrper bey uns in einer Minute beſchreiben, und welcher 3600X15 1 / 2 Fuß betraͤgt, ſ. Fall der Koͤrper; d. i. der Mond muͤßte durch 15 1 / 2 Fuß fallen.

Dieſe Groͤße aber, um welche ſich der Mond in einer Minute der Erde naͤhern wuͤrde, wenn er der Schwere allein folgte, macht bey ſeiner Centralbewegung den Querſinus des Bogens aus, den er waͤhrend einer Minute beſchreibt, und welcher 32 56 der ganzen Bahn betraͤgt. 523Newton berechnete nun den Queerſinus dieſes Bogens fuͤr einen Kreis von 60 Erdhalbmeſſern, nahm aber dabey, weil er keine Buͤcher zur Hand hatte, und ihm Norwoods genauere Erdmeſſung vom J. 1635 nicht bekannt war, nach der damaligen gemeinen Art den Grad des Mittagskreiſes 60 engliſche Meilen, alſo den Erdhalbmeſſer 3430 Meilen an, welches viel zu klein iſt, und daher den gedachten Queerſinus nur 13 1 / 3 Fuß giebt. Viele Naturforſcher wuͤrden ſich daruͤber hinausgeſetzt, und ihr Gebaͤude immer weiter aufgefuͤhrt haben. Aber dieſer vortrefliche Philoſoph, der nicht Syſteme, ſondern Wahrheit ſuchte, warf ſeine ſo ſchoͤn verbundnen Muthmaßungen ſogleich von ſich, als ſie ihm mit den Beobachtungen zu ſtreiten ſchienen.

Erſt nach zehn Jahren ward er durch einen Brief des D. Hoock zu einer Unterſuchung veranlaſſet, bey welcher ihm ſeine ehemaligen Berechnungen uͤber die Schwere des Monds wieder einfielen. Inzwiſchen war Picards Gradmeſſung in Frankreich bekannt geworden, nach welcher der Grad 57060 Toiſen, d. i. nicht 60, ſondern 69 1 / 2 engliſche Meilen hielt. Dies gab den Halbmeſſer der Erde weit groͤßer, und fuͤr den Queerſinus des Bogens von 32 56 in einem Kreiſe von 60 Erdhalbmeſſern genau die 15 1 / 2 Fuß, um welche der Mond in einer Minute Zeit ſich der Erde naͤhern mußte; zum Beweiſe, daß die Schwere gegen die Erde ſich bis zum Monde wirklich zeige, und im umgekehrten Verhaͤltniſſe des Quadrats der Entfernung abnehme.

Newton unterſuchte nunmehr mit Huͤlfe der Geometrie, welche Curve ein geworfener Koͤrper beſchreibe, wenn er ſtets nach einerley Punkte gezogen wird, und ſich dieſe Kraft verkehrt, wie das Quadrat des Abſtands von dieſem Punkte, verhaͤlt. Er fand anfaͤnglich, daß bey jedem Geſetze der Kraft die vom Radius vector beſchriebenen Flaͤchenraͤume den Zeiten proportional ſeyn muͤßten; und dann, daß bey dem angenommenen Geſetze die Curve ein Kegelſchnitt, und der Punkt, nach welchem die Kraft gerichtet iſt, ein Brennpunkt deſſelben ſey. Da nun dies nach den Kepleriſchen Regeln gerade der Fall beym Laufe der524 Planeten iſt, ſo ſchloß er, daß auch die Planeten durch eine aͤhnliche Schwerkraft gegen die Sonne getrieben wuͤrden, und daß ſich dieſe umgekehrt, wie die Quadratzahl ihres Abſtandes, verhalte.

Einige Jahre darauf reiſete D. Halley nach Cambridge, um Newton zu beſuchen. Dieſer beruͤhmte Gelehrte ſahe den Werth von Newtons Entdeckungen ſogleich ein, und lag ihm an, ſie in den Transactionen bekannt zu machen. Bald darauf aber gieng er noch weiter, und ermunterte ihn in Verbindung mit der koͤniglichen Societaͤr, alles noch mehr zu entwickeln, und ſeine ſchoͤnen mechaniſchen Theorien mit der Erklaͤrung der himmliſchen Bewegungen zu verbinden. Halley erbot ſich ſogar, die Ausgabe zu beſorgen. Dieſe Bitten, und, wenn man ſo ſagen darf, Zunoͤthigungen uͤberwanden endlich Newtons allzugroße Beſcheidenheit, und beſchleunigten die Herausgabe ſeines unſterblichen Werks, welches im Jahre 1687 unter dem Titel: Philoſophiae naturalis principia mathematica, Lond. 4. erſchien. Newton ſoll den groͤßten Theil des Inhalts in einer Zeit ven 18 Monaten erfunden und in Ordnung gebracht haben. Dieſes vortrefliche Buch fand auf dem feſten Lande anfaͤnglich nicht den verdienten Beyfall; man hatte noch kaum die ſinnloſen Erklaͤrungen der Scholaſtiker verlaſſen, und ſich in dem Syſteme der carteſianiſchen Wirbel, das doch wenigſtens mechaniſch und verſtaͤndlich war, feſtgeſetzt; es ſchien alſo hart, dieſes ſo bald wieder verlaſſen zu muͤſſen.

Die Idee der allgemeinen Schwere iſt nicht blos Hypotheſe; ſie iſt eine durch Analogie und Unterſuchung der Phaͤnomene beſtaͤtigte Thatſache. Die ungeſtoͤrte und ohne Schwaͤchung fortdaurende Bewegung der Planeten zeigt, daß der Himmelsraum keine merklich widerſtehende Materie enthalte, und Newton bewieß, daß ein Fluidum, wie Descartes Materie der Wirbel, die Bewegung der Himmelskoͤrper in kurzer Zeit vernichten muͤßte. Dennoch werden die Raͤume des Himmels nach allen Richtungen von den Kometen frey durchſchnitten; und ſo fein und aufgeloͤſet man auch ein ſolches Fluidum annimmt, ſo bleibt525 doch, wenn man ihm dië nemliche Maſſe giebt, immer der nemliche Widerſtand, wie ſelbſt die eifrigſten Carteſianer einraͤumen muͤſſen, ſ. Wirbel.

Die Bewegung der Himmelskoͤrper kan alſo nicht Wirkung einer circulirenden Materie, ſie muß Folge einer mitgetheilten Bewegung ſeyn. Nun aber weicht der einmal bewegte Koͤrper nicht von der geradlinigten Richtung ab, wenn ihn nicht irgend eine Kraft davon entfernt. Daher muͤſſen die Planeten, welche in krummen Linien um die Sonne laufen, nothwendig alle Augenblicke durch eine Kraft von der geraden Linie abgelenkt werden. Auch muß dieſe Kraft nach der Sonne gerichtet ſeyn. Denn es iſt ein erwieſener Lehrſatz der Mechanik, daß, wenn ein Koͤrper um irgend einen Punkt Flaͤchenraͤume, die den Zeiten proportional ſind, beſchreibet, ſich die ablenkende Kraft nach dieſem Punkte richten muͤſſe. So iſt erwieſen, daß die Planeten durch die fortdaurende Wirkung eines anfaͤnglichen Stoßes, verbunden mit einer ſtets wirkenden Kraft nach der Sonne, getrieben werden. Eben ſo iſt es mit den Nebenplaneten, und am Ende mit allen Theilen der Himmelskoͤrper beſchaffen, welche alle mit einer der Maſſe proportionalen Kraft ſich zu vereinigen ſtreben. Dieſe Kraft iſt die allgemeine Schwere, von deren Daſeyn uns alſo unlaͤugbare Erfahrungen uͤberzeugen.

Herr de la Lande (Aſtron. Handbuch, §. 999.) giebt folgende Phaͤnomene an, von welchen jedes einzeln betrachtet, ſchon hinreichend ſeyn wuͤrde, das Daſeyn der Gravitation zu beweiſen, 1. die Ebbe und Fluth, ſ. Ebbe; 2. die Ungleichheiten der Mondslaufs, welche ſichtbarlich von der Gravitation gegen die Sonne herruͤhren, ſ. Mond; 3. die Bewegung der Planeten um die Sonne, ſ. Centralbewegung; 4. die elliptiſche Geſtalt aller um die Sonne gehenden Bahnen, ſ. Kometen; 5. das Vorruͤcken der Nachtgleichen; 6. das Wanken der Erdaxe, von welchen Erſcheinungen unter eignen Artikeln gehandelt wird; 7. die Perturbationen, welche die Planeten in ihrem Laufe durch ihre wechſelſeitige Einwirkung leiden, ſ. Planeten; 8. die Ungleichheiten des Laufs der Kometen, ſ. 526Kometen; 9. die abgeplattete Geſtalt der Erde und des Iupiters, ſ. Erdkugel; 10. die anziehende Kraft der Berge gegen das Pendel, wovon noch in dieſem Artikel zu reden iſt; 11. eine kleine Aenderung der Breite der Fixſterne wegen der Gravitation der Erde gegen den Iupiter (die jedoch blos auf einer Muthmaßung von Euler beruht) 12. das Abnehmen der Schiefe der Ekliptik, ſ. Schiefe der Ekliptik; 13. die Bewegung der Apſidenlinien aller Planeten; 14. die Bewegung aller Knotenlinien; 15. die Ungleichheiten des Laufs der Iupitersmonden. Von dieſen funfzehn Erſcheinungen koͤnnen die meiſten in dem Syſtem der Wirbel und des vollen Raumes gar nicht erklaͤrt werden, dagegen ſie aus dem Geſetze der Gravitation als nothwendige Folgen abfließen.

Das in der Natur wirklich ſtatt findende Geſetz der Gravitation iſt folgendes: Die Gravitation des Koͤrpers A gegen B verhaͤlt ſich direct, wie die Maſſe von B, und umgekchrt, wie das Quadrat der Entfernung beyder Koͤrper A und B (eſt in ratione compoſita ex directa maſſarum et ſubduplicata diſtantiarum). Hat z. B. A 6mal mehr Maſſe, als B, und iſt vom Koͤrper C doppelt ſo weit entfernt, als B, ſo wird C 6 / 4 oder 1 1 / 2 mal ſtaͤrker gegen A gravitiren.

Newton iſt nie ſo weit gegangen, daß er die Schwere nebſt dieſem ihrem Geſetze als eine weſentliche Eigenſchaft der Materie angeſehen haͤtre. Er verbitter dies vielmehr (Princip. L. I. Sect. II. ), und macht in ſeinen der Optik beygefuͤgten Fragen (Quaeſt 21. 22. ) ſogar einen Verſuch, die Schwere aus den Stoͤßen des Aethers herzuleiten, ſ. Aether. Man hat ihn daher mit Unrecht beſchuldiget, daß er durch die Attraction eine von den verborgnen Qualitaͤten der Scholaſtiker wieder einfuͤhre. Dieſe waren zu tadeln, wenn ſie zu Erklaͤrung eines jeden beſondern Phaͤnomens eine neue Eigenſchaft erſannen; Newton aber verdient vielmehr Beyfall, wenn er ſo viele beſondere Phaͤnomene aus einem einzigen allgemeinen ableitet. Seine Schuͤler giengen freylich weiter, als er, wie ich ſchon bey dem Worte: Artraction bemerkt habe; auch kan dies527 nicht ganz ohne ſein Vorwiſſen geſchehen ſeyn, da er im Jahre 1713, als Cotes ſeine Principien herausgab, noch am Leben war; dagegen ſind aber auch viele ſeiner Nachfolger, z. B. Maclaurin, den aͤltern Vorſtellungen getreu geblieben.

Man ſetzt ſich ſehr ſtarken Einwuͤrfen aus, wenn man die allgemeine Schwere als eine mit der Materie weſentlich verbundne Eigenſchaft (qualité inhérente) behaupten will. Fuͤrs erſte wird dadurch alle weitere Unterſuchung abgebrochen, und es bleibt nichts mehr zu ſagen uͤbrig, als daß Gott der Materie einmal dieſe Eigenſchaft beygelegt und dieſe Geſetze vorgeſchrieben habe. Dies iſt nun keine Erklaͤrung mehr; dennoch iſt das Phaͤnomen der wechſelſeitigen Naͤherung, nach dem verkehrten Verhaͤltniß des Quadrats der Entfernung, noch nicht einfach genug, und fuͤhrt noch zu viel beſondere Beſtimmung bey ſich, als daß man alle Bemuͤhung, es zu erklaͤren, aufgeben ſollte. Man iſt ja immer noch begierig zu wiſſen, warum ſich die Gravitation nicht nach dem Abſtande ſelbſt, oder nach deſſen Wuͤrfel, ſondern gerade nach dem Quadrate, richte. Darauf antworten: es ſey des Schoͤpfers Wille ſo geweſen, heißt eigentlich ſagen: man wiſſe die Urſache nicht, glaube ſie aber zu wiſſen. Herr Lichrenberg bemerkt hiebey ſehr ſchicklich, was man nicht wiſſe, koͤnne man noch lernen; was man nicht wiſſe, aber zu wiſſen glaube, lerne man entweder nie, oder doch nicht ohne unangenehme Demuͤthigung.

Ferner ſieht man ſchwerlich ein, wie zween von einander entfernte Koͤrper ohne ein Zwiſchenmittel auf einander wirken ſollen. Wer kan begreifen, ſagt Herr de Luͤc (Briefeuͤber die Geſchichte der Erde rc. I. Theil. Num. XI. ) daß ein Koͤrper da wirken ſoll, wo er nicht iſt? Zwey Theilchen der Materie ſind entfernt von einander und ohne alle materielle Verbindung, und doch ſoll ſich eins um des andern willen bewegen! Und ohne daß beyden etwas wiederfaͤhrt, ſoll ſich das eine viermal geſchwinder bewe gen, wenn es dem andern doppelt ſo nahe gekommen iſt! Welche Zauberkraft mag ihnen dieſe Beſtimmung geben? 528 Um der geringen Entfernung willen (welche Nichts iſt, wenn man kein Zwiſchenmittel annimmt) ſoll die Be ſtrebung genau nach einem gewiſſen Verhaͤltniſſe zuneh men? Dies iſt mehr als unverſtaͤndlich. Theile des Monds und der Erde ſollen ohne Mittel blos durch den Zauber des Worts: Schwere, weſentliche Eigen ſchaft aller Materie, in einander wirken. Selbſt, wenn die Materie Verſtand haͤtte und durch Bewegungs gruͤnde beſtimmt wuͤrde, muͤßte man doch noch Boten an nehmen, durch die ſie von der Gegenwart anderer Koͤrper, von ihrer Maſſe, Lage und Entfernung benachrichtiget wuͤrde, ehe ſie ſich nach ihnen hin bewegen koͤnnte.

Endlich macht man, wenn man den einzigen Grund in dem Willen des Schoͤpfers ſucht, die ganze Schoͤpfung zu einer beſtaͤndigen Reihe von Wunderwerken. Es iſt zwar gefaͤhrlich, uͤber das zu ſtreiten, was Gott thun kan, und wirklich thut; allein die Anziehung fuͤr eine unmittelbare Folge des goͤttlichen Willens halten und keinen weitern Grund derſelben in der Natur der Koͤrper ſuchen, das iſt doch eben ſo viel, als ſagen, daß Gott ſelbſt den Stein fuͤhre, der auf die Erde faͤllt.

Herr von Maupertuis (Sur les differentes figures des aſtres, in deſſen Oeuvres, a Lyon, 1768. gr. 8. To. I. p. 96. ſq. ) ſucht zwar die Moͤglichkeit des Satzes, daß die Gravitation eine weſentliche Eigenſchaft der Koͤrper ſey, zu vertheidigen. Diejenigen, ſagt er, welche die Attraction fuͤr ein metaphyſiſches Ungeheuer anſehen, gleichen dem Poͤbel, der alles fuͤr unmoͤglich haͤlt, wovon er noch keinen Begriff gehabt hat, und dabey Dinge uͤberſieht, die ihm eben ſo unbegreiflich ſcheinen wuͤrden, wenn er ſie nicht taͤglich vor Augen haͤtte. Kennen wir denn etwa die Natur des Stoßes, und der Mittheilung der Bewegungen beſſer? Muͤſſen wir nicht dabey eben ſowohl geſtehen, daß es Gott iſt, der nach den zur Erhaltung der Welt geordneten Geſetzen, den geſtoßnen Koͤrper in Bewegung kommen und den ſtoßenden ſeine Bewegung aͤndern laͤßt? Warum ſollen wir denn nicht auch ſagen, es ſey Gott, der nach den geordneten Geſetzen dieſes Beſtreben nach Annaͤherung ſtatt529 finden und daraus Bewegung entſtehen laͤßt? So liegt in dem Satze, daß die Anziehung weſentlich ſey, keine metaphyſiſche Unmoͤglichkeit. Es waͤre laͤcherlich, den Koͤrpern andere Eigenſchaften beyzulegen, als die die Erfahrung lehret; aber es iſt vielleicht noch laͤcherlicher, aus der geringen Anzahl von Eigenſchaften, die wir noch kaum an ihnen kennen, dogmatiſch uͤber die Unmoͤglichkeit jeder andern Eigenſchaft zu entſcheiden; gerade als ob wir den Maaßſtab fuͤr die Faͤhigkeiten der Gegenſtaͤnde haͤtten, von denen uns doch weiter nichts bekannt iſt, als eine geringe Anzahl Eigenſchaften.

Allein dieſe Vertheidigung ſcheint mir doch die Einwuͤrfe bey weitem nicht zu heben. Man muß zuletzt allemal auf eine Urſache außer der Welt, d. i. auf den Schoͤpfer kommen; nur darf dies nicht eher geſchehen, als bis die Phaͤnomene ganz einfach, und von zufaͤlligen Beſtimmungen frey ſind, und bis die Geſetze ſich aus den bekannten Eigenſchaften der Koͤrper als Folgen herleiten laſſen. Dies iſt der Fall beym Stoße; aber er ſcheint es noch nicht bey der Gravitation zu ſeyn.

Da inzwiſchen dieſe Einwuͤrfe Newtons Theorie ſelbſt gar nicht treſſen, ſo wie viele andere, welche der P. Gerdil (Diſſ. ſur l'incompatibilité de l'attraction et de ſes differentes loix avec les phénomenes) mit vieler Staͤrke und Beſcheidenheit vorgerragen hat, ſo will ich noch einen andern beyfuͤgen, den Johann Bernoulli (Nouvelle phyſique céleſte, §. 42. in Opp. Lauſannae et Genevae, 1742. 4. To. III. p. 299.) wider das Geſetz der Gravitation ſelbſt gerichtet hat. Es iſt folgender. Die Dichte oder Menge der Stralen, welche von dem anziehenden Koͤrper ausgehen, und ein Elementartheilchen der Mate rie ergreifen, muß nach der Maſſe deſſelben, nicht nach der Oberflaͤche, geſchaͤtzt werden; hieraus folgt, daß die anziehende Kraft abnehmen muͤſſe wie der Wuͤrfel, nicht aber, wie das Quadrat der Entfernung zunimmt, wor aus ſich leicht folgern laͤßt, daß die ganzen Maſſen der Planeten nach eben dieſem Geſetze gegen die Sonne gra vitiren muͤſſen. Dieſer Einwurf aber ſetzt voraus, daß530 die Gravitation Wirkung eines Ausfluſſes ſey, der ſich in Form von Stralen um einen Mittelpunkt verbreitet, welche Vorausſetzung Newtons Vertheidiger gar nicht zuzugeben genoͤthiget ſind. Es haben zwar einige Newtonianer das Geſetz der Gravitation mit dem Geſetze der Abnahme des Lichts verglichen, welches wirklich durch Stralen aus einem Mittelpunkte gebildet wird; allein dieſe Vergleichung iſt kein weſentlicher Theil des Syſtems, und ſehr wenig paſſend, da das Licht nur die Oberflaͤche erlenchtet, die Gravitation aber die ganze Maſſe betrift. Wer uͤberhaupt die Urſache des Phaͤnomens unentſchieden laͤſt, darf auch nicht zugeben, daß es durch Stralen aus dem anziehenden Koͤrper bewirkt werde, alsdann aber faͤllt die ganze Staͤrke des Einwurfs hinweg.

Ich komme nunmehr auf die newtoniſche Theorie ſelbſt. Sind alle Theile der Materie gegen einander ſchwer, ſo muß jeder Koͤrper gegen alle Theile eines andern gravitiren, und alſo auf dieſen andern zu mit einer Kraft und Richtung gehen, welche aus den Kraͤften und Richtungen gegen alle Theile deſſelben zuſammengeſetzt iſt. Newton beweiſet (prop. 71 et 77.), daß dieſe Richtung in zween Faͤllen gegen den Schwerpunkt der ganzen Maſſe des andern Koͤrpers gehe, 1. wenn ſich die Schwere, wie der Abſtand, verhaͤlt, 2. wenn ſie ſich verkehrt, wie das Quadrat des Abſtands verhaͤlt, der Koͤrper aber kugelfoͤrmig iſt, und in gleichen Abſtaͤnden vom Mittelpunkte gleiche Dichtigkeit hat. In dieſen zween Faͤllen kan man die ganze Maſſe im Schwerpunkte verſammlet annehmen, und im letztern Falle die Gravitation durchM / D ausdruͤcken, wenn M die Maſſe des anziehenden Koͤrpers, D des angezognen Abſtand von jenes Schwerpunkte iſt.

Befindet ſich aber der angezogene Koͤrper innerhalb der anziehenden Kugel, wie ein Stein im Innern der Erde, ſo wird er (prop. 73.) im Verhaͤltniſſe ſeines Abſtandes vom Mittelpunkte angezogen, und die Schwere nimmt in eben dem Verhaͤltniſſe ab, in welchem er dem Mittelpunkte531 naͤher koͤmmt. Im Innern einer hohlen Sphaͤre heben ſich die Anziehungen von allen Seiten auf (prop. 70.).

Zwo Kugeln gravitiren in den vorerwaͤhnten beyden Faͤllen ſo gegen einander, als ob ihre ganzen Maſſen in ihren Schwerpunkten waͤren (pr. 75.). Bey allen andern Geſetzen der Gravitation wuͤrden die ganzen Kugeln nicht einerley Geſetz mit den einzelnen Theilen befolgen; denn dies iſt ein beſonderer Vorzug der gedachten beyden Faͤlle, in welchem auch Maupertuis (Mém. de Paris 1737.) die Urſache finden will, warum der Schoͤpfer das Geſetz des umgekehrten Verhaͤltniſſes der Quadrate gewaͤhlt habe.

Aus dieſem Geſetze laſſen ſich nun, wenn man blos die Gravitation gegen die Sonne betrachtet, die elliptiſchen Bewegungen der Planeten ſo ableiten, wie bey dem Worte: Centralbewegung (Th. I. S. 474. u. f.) gezeigt worden iſt. Da aber die Schwere wechſelſeitig iſt, ſo gravitirt auch die Sonne gegen die Planeten (Newt. L. I. Sect. XI. ) und iſt daher nicht ganz unbeweglich. Liefe nur ein Planet um ſie, ſo wuͤrden beyde um ihren gemeinſchaftlichen Schwerpunkt aͤhnliche Ellipſen beſchreiben. Koͤmmt noch ein dritter hinzu, ſo wird die Aufloͤſung verwickelter, und macht einen Fall der beruͤhmten Aufgabe von drey Koͤrpern aus. So laͤßt ſich uͤberſehen, daß in unſerm Sonnenſyſtem die Planeten nicht um den Mittelpunkt der Sonne, ſondern um den gemeinſchaftlichen Schwerpunkt aller dazu gehoͤrigen Koͤrper laufen, welches der einzige unbewegliche Punkt des Syſtems iſt. Die Sonne ſelbſt bewegt ſich um denſelben, aber ihre uͤberwiegend große Maſſe macht, daß dieſer Schwerpunkt ihrem Mittelpunkte ſehr nahe liegt, daher ihre Bewegung unmerklich wird. Inzwiſchen aͤndert ſich dadurch das Geſetz des gleichen Verhaͤltniſſes der Flaͤchenraͤume und der Zeiten ein wenig, und es koͤmmt daher die Bewegung der Apſiden und der Knotenlinien (Newton L. III. prop. 14. Schol.).

Bey dem Laufe der Monden um ihre Hauptplaneten bewirkt ebenfalls die Schwere gegen die Sonne große Abweichungen. Dieſe machen den zweyten Fall der Aufgabe von drey Koͤrpern aus. Es iſt z. B. nicht die Erde ſelbſt,532 ſondern ihr und des Monds gemeinſchaftlicher Schwerpunkt, der in einer elliptiſchen Bahn um die Sonne laͤuft, indeß ſowohl der Mond, als auch die Erde monatliche Umlaͤufe um dieſen Schwerpunkt machen. Hierauf muß bey der Beſtimmung des wahren Orts der Erde in den aſtronomiſchen Rechnungen Ruͤckſicht genommen werden, denn da dieſer Schwerpunkt 1 1 / 2 Erdhalbmeſſer vom Mittelpunkte der Erde abſteht, ſo kan in den Quadraturen des Monds die Erde um ſo viel voraus, oder zuruͤckgeblieben ſeyn, und der Ort der Sonne ſich um 1 1 / 2 Sonnenparallaxen, d. i. 12 aͤndern.

Eine der ſinnreichſten Anwendungen der newtoniſchen Theorie iſt die Beſtimmung der Maſſen der Himmelskoͤrper (L. III. prop. 8.). Man kan ſich bey Kugeln und bey dem wirklich ſtattfindenden Geſetze der Anziehung die ganze Maſſe im Mittelpunkte verſammelt gedenken, und alſo aus der Staͤrke der Gravitation auf die Maſſe des anziehenden Koͤrpers ſchließen. Die Staͤrke der Gravitation aber verhaͤlt ſich, wie der Raum, durch welchen der ſchwere Koͤrper in einer beſtimmten Entfernung, die wir = b ſetzen wollen, in der erſten Secunde herabfaͤllt. Nun iſt nach dem, was beym Worte Centralbewegung (Th. I. S. 474 480.) erwieſen iſt, wenn T die Umlaufszeit, A die große Axe der Bahn, a die Entfernung am Ende der großen Axe, e den Raum des Falls in 1 Secunde in der Entfernung a bedeutet (nach S. 480. Num. V.) Mithin iſt der Fallraum in 1 Sec. fuͤr die Entfernung b (weil ſich dieſe Raͤume umgekehrt wie die Quadrate der Entfernungen, oder wie b: a verhalten muͤſſen) = (ea / b) = (πA / 4bT).

Da nun π und b beſtimmte unveraͤnderliche Groͤßen ſind, ſo wird ſich dieſer Fallraum, mithin auch die Gravitation533 und die Maſſe des anziehenden Koͤrpers wie (A / T) verhalten, d. h. die Maſſen verhalten ſich, wie die Cubikzahlen der Axen von den Bahnen, dividirt durch die Quadratzahlen der Umlaufszeiten.

Nun laͤuft die Erde um die Sonne, der Mond um die Erde; jene Bahn hat ungefaͤhr eine 400mal groͤßere Axe und eine etwa 13mal groͤßere Umlaufszeit als dieſe; daher muß die Sonne (400 / 13) mal d. i. ohngefaͤhr 378000mal mehr Maſſe, als die Erde haben. Newton giebt aus andern Datis die Zahl 169282; de la Lande nach genauern Beſtimmungen 365412 an. Eben ſo beſtimmt Newton aus den Axen und Umlaufszeiten der Iupitersund Saturnsmonden die Maſſen der beyden Hauptplaneten auf (1 / 1067) und (1 / 3021) von der Maſſe der Sonne.

Die Maſſen, durch die Volumina oder koͤrperlichen Raͤume dividirt, geben die Verhaͤltniſſe der Dichtigkeiten, ſ. Dichte. So findet er die Dichten fuͤr Sonne, Iupiter, Saturn und Erde wie 100,94 1 / 2, 67 und 400. Er ſucht endlich die Schweren auf den Oberflaͤchen derſelben, welche ſich, wie die Gravitationen oder Maſſen, dividirt durch die Quadrate der Halbmeſſer, verhalten, und findet dieſe, wie 10000,943,529 u. 435, daß alſo ein Koͤrper auf der Oberflaͤche der Sonne 23mal ſchwerer ſeyn und in der erſten Secunde 23mal weiter fallen wuͤrde, als auf der Erdflaͤche. Statt der Zahlen, welche hier blos zu Beyſpielen dienen, werden bey dem Artikel: Weltſyſtem genauere angegeben. Was die uͤbrigen Planeten betrifft, ſo mangelt uns, da ſie keine Monden haben, ein Glied der Kette; Newton aber vermuthet, daß ſie nach dem Verhaͤltniſſe ihrer Erwaͤrmung deſto dichter ſind, je naͤher ſie der Sonne kommen, und ſetzt alſo z. B. den Merkur 7mal ſo dicht, als die Erde. Die Schwere nach dem Monde beſtimmt er aus den Phaͤnomenen der Ebbe und Fluth, und findet die Maſſe534 des Monds 40mal kleiner als die Maſſe der Erde, ſeine Dichte hingegen zu der Dichte der Erde, wie 11: 9.

Von dieſen Theorien haͤngen nun alle die Erſcheinungen ab, welche ich oben aus de la Lande als Beweiſe fuͤr das Syſtem der Gravitation angefuͤhrt habe. Jede derſelben macht einen beſondern Zweig von Anwendungen aus, an welchen dieſes Syſtem ſo fruchtbar iſt, und welche die neuern Geometer und Aſtronomen ſo vollſtaͤndig ausgefuͤhrt und ſo uͤbereinſtimmend mit den Beobachtungen gefunden haben, daß das Syſtem der allgemeinen Schwere nichts mehr von dem Wechſel der Zeiten und Meynungen zu fuͤrchten hat.

Auch iſt dieſes Syſtem in neuern Zeiten nicht weiter mit erheblichen Gruͤnden beſtritten worden; denn diejenigen, welche dagegen ſchreiben, ohne es zu kennen, verdienen hier keine Erwaͤhnung. Im Monat Iunius des Jahrs 1769 erſchien im Journal de beaux arts et de ſciences, welches damals der Abt Aubert ſammelte, ein Brief aus Faucigny, worinn ein gewiſſer Coultaud, der ſich ancien Profeſſeur de Phyſique à Turin unterzeichnet hatte, die Verſicherung gab, durch wiederholte Verſuche in den daſigen Gebirgen die Schwere in der Hoͤhe groͤßer, als am Fuße der Berge gefunden zu haben, weil das Pendel in einer Hoͤhe von 1085 Toiſen dem am tiefern Standorte binnen 2 Monaten um 27 Min. 20 Sec. vorgeeilt ſey. Er berechnete aus dieſem Verſuche, den er das Grab der Attraction und ihrer Geſetze nennt, daß die Schwere im Verhaͤltniſſe der Entfernung von der Erde zunehmen muͤſſe, worauf der P. Bertier ein eignes, der newtoniſchen Theorie entgegengeſetztes, Syſtem baute. Es folgte im December 1771 ein zweyter Brief eines gewiſſen Mercier in Sitten an Herrn Gesner in Zuͤrich, der eben dies durch neue Verſuche beſtaͤtigte. Die Sache erregte einiges Aufſehen, und d'Alembert bewieß ſchon, daß es in den Gebirgen Stellen geben koͤnne, wo ſelbſt nach Newtons Geſetzen das Pendel in der Hoͤhe ſchneller, als unten, ſchwingen muͤſſe. Endlich fand ſich bey genauerer Nachfrage, daß das ganze Vorgeben ein Gewebe von Luͤgen ſey, daß die erzaͤhlten535 Verſuche nie angeſtellt worden, und ſich weder ein Profeſſor Coultaud in Turin, noch ein Mercier in Sitten befinde. De Luͤc (Briefe uͤber die Geſchichte der Erde rc. I Th. 45. Brief), der ſelbſt dieſen Betrug entdecken half, erzaͤhlt die Geſchichte deſſelben ſehr umſtaͤndlich.

Die neuſte Beſtaͤtigung hat das Syſtem der Gravitation durch Maſkelyne's Beobachtungen und Meſſungen am Berge Shehallien in Schottland erhalten. Die Schwere gegen die Erde iſt zwar ſo groß, daß ſie die beſondern Gravitationen der Erdkoͤrper gegen einander ſelbſt unmerklich macht, wie der Sturmwind einen leichten Hauch, um mit Maupertuis zu reden. Dennoch koͤnnen dieſe beſondern Gravitationen merklich werden, wenn ſie gegen Koͤrper gerichtet ſind, deren Maſſen ein merkliches Verhaͤltniß gegen die ganze Maſſe der Erde haben. So fanden ſchon Bouguer und de la Condamine, daß der Berg Chimboraco in Quito das am Quadranten hangende Bleyloth gegen ſich von der lothrechten Linie abzog. Sie beſtimmten durch mehrere auf der Nord - und Suͤdſeite des Berges gemeſſene Hoͤhen der Sterne die Abweichung des Bleyloths auf 7 bis 8. Dieſe Beobachtungen errgten den Wunſch, die Anziehungen mehrerer Berge zu meſſen, um dadurch auf die mittlere Dichte der Erdkugel ſchließen zu koͤnnen. Der koͤnigliche Aſtronom zu Greenwich, Nevil Maſkelyne legte der Societaͤt zu London einen Plan dazu vor, den er auch im Sommer 1774 ausfuͤhrte (Philoſ. Trans. Vol. LXV. for 1775. no. 48. 49.). Der Berg Shehallien in Pertſhire ſchien dazu vorzuͤglich geſchickt, weil er hoch iſt, einzeln ſteht, ſich weit von Oſten nach Weſten ſtreckt, dagegen aber von Norden nach Suͤden ſteil iſt, und eine ſchmale Grundflaͤche hat. Es kam darauf an, ſuͤdlich und noͤrdlich vom Berge die Abſtaͤnde einiger Fixſterne vom Scheitel zu meſſen. Denn um wieviel bey der ſuͤdlichen Beobachtung der Berg das Bleyloth von der Scheitellinie abgezogen hatte, um ſoviel mußte der ſuͤdliche Abſtand eines Sterns vom Zenith zu klein gefunden werden, und umgekehrt. Hiemit waren geometriſche Meſſungen zu verbinden, um den wahren Unterſchied der geographiſchen Breiten536 beyder Beobachtungsorte, unabhaͤngig von der Einwirkung des Berges, zu finden. Endlich mußtel noch, wegen der Schluͤſſe auf die Dichte der Erde, die Geſtalt und Groͤße des Berges ſelbſt beſtimmt werden. Maſkelyne ſtellte auf der Suͤdſeite des Berges 169, auf der Nordſeite 168 Beobachtungen an 43 Sternen an, von welchen 40 mit einander verglichen, fuͤr den Unterſchied der Scheitelpunkte beyder Orte 54,6 Sec. gaben. Nach den geometriſchen Meſſungen fand nur ein Unterſchied der Breiten von 42,94 Sec. ſtatt, daß alſo die beyden entgegengeſetzten Anziehungen des Berges dieſen Unterſchied um 11, 66 Sec. zu groß machten. Die Abmeſſungen ſind noch bis 1776 fortgeſetzt und berichtiget worden. Hutton (Philoſ. Trans. Vol. LXVIII. for 1778. no. 33.) theilt die dazu gehoͤrigen Zeichnungen mit, und berechnet, daß ſich die Anziehung der Erde zur Anziehung des Berges gegen das Bleyloth, wie 9 zu 5, verhalte. Da nun der Berg aus einem gleichfoͤrmigen Granit beſteht, deſſen Dichte 2 1 / 2mal groͤßer iſt, als die Dichte des Waſſers, ſo folgt hieraus die mittlere Dichte der Erdkugel 4 1 / 2mal groͤßer, als die Dichte des Waſſers. Hiedurch werden alle Syſteme widerlegt, welche aus der Erde eine hohle Kugel machen, und Hutton vermuthet, daß auf 1 / 4 1 / 3 von ihr aus Metallen beſtehe.

Ich will dieſem Artikel noch eine Anzeige einiger Schriften uͤber die newtoniſche Gravitation beyfuͤgen. Newtons Principia ſelbſt traten zuerſt im Jahre 1687. zu London auf Befehl der koͤniglichen Societaͤt ans Licht, und wurden von Roger Cotes (Cantabr. 1713. 4. ) und von Heinrich Pemberton (Lond. 1726. 4. ) aufs, neue herausgegeben. Man hat auch noch ſpaͤtere Ausgaben (Amſt. 1733. 4., Lond. 1746. 4.). Da aber dieſes ſchwere Werk von Wenigen ohne Commentar geleſen werden kan, ſo ſind die Ausgaben des Iacquier und le Sueur (Philoſ. nat. princ. math. perpetuis commentariis illuſtrata ſtudio PP. Thomae le Sueur et Franc. Iacquier. Genevae, 1739. III To. 4. und noch vermehrter 1750. 4. ) und Teſſanek (Phil. nat. etc. commentationibus illuſtrata potiſſimum537 Io. Teſſanek, et quibusdam in locis veterioribus Th. le Sueur et Fr. lacquler aliter propoſitis. To. I. Pragae, 1780. 4. ) zu empfehlen. Maclaurin (An account of Sir Iſaac Newton's philoſophical diſcoveries, Lond. 1748.) und Pemberton (A view of Sir Iſ. Newt. philoſophy, Lond. 1728. 4. ) haben dieſe Erfindungen kuͤrzer vorgetragen; der Erſtere zeichnet ſich durch die tiefe Gruͤndlichkeit, der Zweyte durch Leichtigkeit der Darſtellung aus. Auch Voltaire (Elémens de la philoſophie de Neuton, mis à la portée de tout le monde, à Amſt. 1738. 8. Lauſanne, 1773. 8. ) traͤgt die newtoniſchen Lehren, wenigſtens in einer ſchoͤnen Schreibart, vor, aber Herr Kaͤſtner (Vorrede zu v. Rohrs phyſik. Bibliothek, S. 17.) urtheilt, die poetiſche Zueignungsſchrift an die Marquiſe von Chatelet ſey das Beſte an dieſem Werke. Den ganzen Umfang alles deſſen, was von der Gravitation und ihren Geſetzen bis 1767 abgeleitet worden iſt, hat der P. Friſi (Paulli Friſii, Barnabitae, |de gravitate univerſali corporum libri tres, Mediolani, 1768. 4maj. ) ſehr vollſtaͤndig und gruͤndlich abgehandelt. Auch gehoͤren hieher die Lehrbuͤcher der Sternkunde, vorzuͤglich Keill, Gregory, de la Landerc. deren phyſiſcher Theil ſich gaͤnzlich auf das Geſetz der Gravitation gruͤndet.

Montucla Hiſtoire des mathematiques. Vol. II. P. IV. L. VIII. no. 11.

Newton Princ. philoſ. nat. L. I. Sect. XI. L. III. Prop. 8.

Gregorianiſches Teleſkop, ſ. Spiegelteleſkop.

Grotten, ſ. Hoͤhlen.

Groͤße, ſcheinbare, Magnitudo apparens, Grandeur apparente.

Ich habe ſchon bey dem Artikel: Entfernung, ſcheinbare bemerkt, daß aus dem unbeſtimmten Gebrauche des Worts: ſcheinbare Groͤße, viele Mißverſtaͤndniſſe entſpringen. Es iſt aber die ſcheinbare Groͤße eines Gegenſtandes nichts anders, als die ſcheinbare Entfernung ſeiner aͤußerſten Grenzen von einander; ich werde mich alſo auf dasjenige beziehen koͤnnen, was unter dem Artikel: Entfernung. (Th. I. S. 838 u. f.) zu538 Aufklaͤrung der hiebey vorkommenden Mißverſtaͤndniſſe geſagt worden iſt. Ich will nur noch bemerken, daß hiebey von koͤrperlicher Groͤße die Rede nie ſeyn kan, weil wir von allen Dingen nur die Oberflaͤche ſehen und ſelbſt dieſe nur nach Laͤnge und Breite, d. i. nach Linien meſſen, daher es eine leere Prahlerey iſt, wenn Kuͤnſtler von ihren Mikroſ kopen u. dgl. ſagen, daß ſie dem koͤrperlichen Raume nach 1000000mal vergroͤßern. Es war genug, zu ſagen, daß die Vergroͤßerung dem Durchmeſſer nach 100fach ſey.

Scheinbare Groͤße einer Linie iſt ſcheinbare Entfernung ihrer Endpunkte, oder (nach Th. I. S. 838) der Winkel, welchen die aus beyden Enden kommenden Lichtſtralen am Auge mit elnander bilden. So iſt die ſcheinbare Groͤße der Linie ST (Taf. VII. Fig. 129.) der optiſche Winkel SOT, unter welchem der wahre Abſtand der Punkte S und T von einander, ins Auge faͤllt. Bleibt man bey dieſer reinen optiſchen Darſtellung ſtehen, ohne auf das Urtheil zu ſehen, welches die Seele daruͤber faͤllt, ſo hat man in allen Faͤllen etwas beſtimmtes, woran man ſich halten kan, ohne daß ſich falſche Urtheile, d. i. Geſichtsbetruͤge, einmiſchen. So muß ſich Jeder, der beſtimmt ſprechen will, uͤber ſcheinbare Groͤße ausdruͤcken. Er muß ſie durch einen Winkel angeben, und durch geometriſche oder aſtronomiſche Werkzeuge, wie alle andere Winkel, abmeſſen. Alsdann werden ihm Sonne und Mond am Horizonte ſowohl, als im Scheitel, 31 Min. im Durchmeſſer halten; Iupiters Durchmeſſer wird, wenn er am groͤßten iſt, durch ein 20mal vergroͤßerndes Fernrohr 16 Min. groß ſcheinen u. ſ. w., und Verſchiedenheiten hierinn werden wahre Unterſchiede der ſcheinbaren Groͤßen, ohne eingemiſchte Geſichtsbetruͤge, anzeigen.

Weil wir uns aber durch lange Uebung eine Fertigkeit erworben haben, uͤber das Geſehene zu urtheilen, und weil ſich dieſe Fertigkeit ſo innig mit dem Sehen ſelbſt vereiniget, daß wir die reine optiſche Darſtellung gar nicht mehr von dem daruͤber gefaͤllten Urtheile zu unterſcheiden wiſſen; ſo werden wir auch nie die ſcheinbare Groͤße eines Dinges539 ſehen, ohne ſie mit einem ſchnellen Urtheile uͤber ſeine wahre Groͤße zu begleiten. Dieſe dem Dinge von uns zugeſchriebene wahre Groͤße heißt nun ebenfalls ſcheinbare Groͤße, aber in einer ganz andern Bedeutung des Worts, bey der es außer dem optiſchen Winkel zugleich auf die Umſtaͤnde ankoͤmmt, welche die Seele bey Beurtheilung des Geſehenen zu Huͤlfe nimmt. Ich habe ſchon erinnert (Th. I. S. 840.), daß die Worte: Entfernung und Groͤße in der erſten Bedeutung etwas beſtimmtes, in dieſer zweyten aber etwas unbeſtimmtes ausdruͤcken, das von Urtheilen abhaͤngt, die bald ſo, bald anders, ausfallen.

Scheinbare Groͤße in dieſer Bedeutung iſt die Vorſtellung einer wahren Groͤße, die in uns vermoͤge des Augenmaaßes, nach gewiſſen gewohnten Regeln, aus mancherley zuſammengenommenen Umſtaͤnden entſteht (Man ſ. Th. I. S. 841.).

Dieſer Umſtaͤnde ſind hier vornehmlich zween: 1) die durch andere Erfahrungen erlangte Kenntniß der wahren Groͤße, 2) die ſcheinbare Entfernung des Gegenſtands von unſerm Auge, von welcher im erſten Theile dieſes Woͤrterbuchs von S. 840 bis 849. die Rede iſt. Der erſte Umſtand leitet uns gewoͤhnlich bey Beurtheilung der Groͤßen naher und irdiſcher Dinge, der zweyte bey entfernten und himmliſchen Gegenſtaͤnden.

Wenn wir die wahre Groͤße einer Sache ſchon vorher aus Erfahrungen kennen, ſo machen wir uns, zumal, wenn wir ſie nahe ſehen, von ihr eine mit dieſer Groͤße uͤbereinſtimmende Vorſtellung, und irren in dergleichen gewoͤhnlichen Faͤllen ſelten oder niemals. So ſcheint uns ein erwachſener Mann in der Entfernung von 12 Schuhen immer groͤßer, als ein Kind in der Entfernung von 1 Schuh, ob wir gleich das letztere unter einem weit groͤßern optiſchen Winkel ſehen, weil wir aus den Verhaͤltniſſen der Theile des Koͤrpers, dem ganzen aͤußern Anſehen oder aus vorhergegangener Bekanntſchaft ſchon die wahre Groͤße von beyden kennen. Wir ſind auch uͤberdies ſchon gewohnt, in ſo geringen Entfernungen die Abſtaͤnde und Groͤßen der Dinge richtig zu beurtheilen.

Bey ungewoͤhnlichen Faͤllen aber und in groͤßern Abſtaͤnden540 richtet ſich unſer Urtheil nach der ſcheinbaren Entfernung, die wir dem geſehenen Gegenſtande beylegen. Wir halten das fuͤr groß, was bey großer Entfernung dennoch unter einem großen Winkel erſcheint; das fuͤr klein, was bey geringer Entfernung dennoch unter einem geringen Winkel geſehen wird. Die ſcheinbare Groͤße des Gegenſtands iſt alsdann als das Produkt aus dem Winkel (eigentlich aus deſſen Tangente) in die ſcheinbare Entfernung anzuſehen. Hieraus folgt ſehr natuͤrlich, daß bey underaͤndertem Winkel der Gegenſtand groͤßer ſcheint, wenn wir ihn entfernter, und kleiner, wenn wir ihn naͤher glauben.

Daher koͤmmt es denn, daß wir in Abſicht auf die Groͤße irren, ſo oft wir uͤder die Entfernung irren; und daß die Urtheile uͤber die ſcheinbare Groͤße verſchieden ſind, ſobald die Vorſtellungen von der Entfernung nicht uͤbereinſtimmen. Wie ſchwankend aber die Urtheile von den Entfernungen ſind, und von wie vielen Umſtaͤnden ſie abhaͤngen, iſt im erſten Theile, S. 843. u. f. deutlich gezeigt worden. Hieraus entſpringen mancherley Irrungen und Mißverſtaͤndniſſe uͤber ſcheinbare Groͤße, wovon ich nur einige als Beyſpiele anfuͤhren will.

Wenn man hoͤrt, ein Fernrohr vergroͤßere 20mal, alſo der Flaͤche nach 400mal, ſo macht man ſich Hofnung, die Himmelskoͤrper dadurch in erſtaunenswuͤrdiger Groͤße zu ſehen: man findet ſich aber bey wirklicher Betrachtung derſelben ſehr getaͤuſcht, und ſieht ſie zwar ziemlich groͤßer, als mit bloßen Augen, aber bey weitem nicht der uͤbergroßen Erwartung gemaͤß. Die Erklaͤrung des Phaͤnomens iſt ſehr leicht: der optiſche Winkel oder das, was eigentlich ſcheinbare Groͤße heißen ſoll, iſt wirklich 20mal vergroͤßert, aber der Gegenſtand ſcheint dabey viel naͤher gekommen zu ſeyn, und in eben dem Verhaͤltniſſe vermindert ſich dem Urtheile nach ſeine ſcheinbare Groͤße.

Von mehrern Perſonen, die den Iupiter durch einerley Fernrohr betrachten, wird man ganz verſchiedene Urtheile uͤber ſeine ſcheinbare Groͤße hoͤren. Einer wird ihn mit einem Gulden, der Andere mit einem Sechspfennigſtuͤck, der Dritte mit einem Stecknadelknopfe rc. vergleichen. 541Der Erſte nemlich ſtellt ſich das dunkle Geſichtsfeld, an welchem er die helle Scheibe ſieht, entfernter, der letztere naͤher vor.

Sonne und Mond ſcheinen uns am Horizonte weit groͤßer, als in einiger Hoͤhe uͤber demſelben, weil wir den Himmel am Horizonte fuͤr entfernter, in hoͤhern Gegenden fuͤr naͤher halten. Der optiſche Winkel, unter dem dieſe Koͤrper geſehen werden, mit aſtronomiſchen Werkzeugen gemeſſen, bleibt dabey immer einerley. Eben ſo ſcheinen uns die Diſtanzen der Fixſterne von einander am Horizonte groͤßer, als in der Hoͤhe, und wenn man nach dem Augenmaaße von Hoͤhen uͤber dem Horizonte urtheilen, z. B. den Punkt beſtimmen will, der eine Hoͤhe von 45° hat, ſo ſetzt man ihn gewiß zu niedrig, und findet einen Punkt, der kaum 23° Hoͤhe hat, weil uns die Helfte des Himmels am Horizonte entfernter, alſo auch weit groͤßer ſcheint, als die Helſte gegen das Zenith, ſ. Himmel.

Auch irdiſche Gegenſtaͤnde, Menſchen, Thiere u. dgl. ſcheinen aus der Hoͤhe oder Tiefe betrachtet, naͤher und alſo kleiner, als wenn man ſie auf der Plaͤne hin ſiehet, ſ. Geſichtsbetruͤge.

Es koͤmmt daher bey dem Urtheile von der ſcheinbaren Groͤße auf alle die Umſtaͤnde an, die das Urtheil uͤber die Entfernung beſtimmen, und vielleicht vereinigen ſich damit noch mehrere. Sehen wir etwas in einem Verhaͤltniſſe, das uns andere aͤhnliche Erfahrungen ins Gedaͤchtniß bringt, ſo helfen auch dieſe das Urtheil von der Groͤße beſtimmen. Haben wir eine Sache, z. B. ein Dintenfaß, ein Trinkglas, lang gebraucht, und nehmen hernach ein groͤßeres Stuͤck dieſer Art, ſo ſcheint dieſes Anfangs ſehr groß, mit der Zeit aber allmaͤhlig kleiner. Kindern kommen entfernte Sachen kleiner vor, als Erwachſenen, u. ſ. w. Die Groͤße des Bildes auf der Netzhaut iſt nur ein einzelner Umſtand beym Sehen; was er ſagen wolle, erklaͤren wir uns, wie bey vieldeutigen Worten, aus dem Zuſammenhange.

Man kan daher von der ſcheinbaren Groͤße nie beſtimmt ſprechen, wenn man nicht bey der erſten Bedeutung des Worts,542 d. i. bey der reinen optiſchen Darſtellung allein ſtehen bleibt, und ſie durch den Winkel ausdruͤckt, unter welchem die aͤuſſerſten Lichtſtralen von einem Gegenſtande ins Auge fallen. Dieſes Winkels Tangente verhaͤlt ſich zum Sinustotus, wie die wahre Groͤße zur Entfernung, wenn man ſenkrecht gegen die Linie ſieht, durch welche die wahre Groͤße gemeſſen wird. Iſt der Winkel klein, ſo kan man ſeine Groͤße ſelbſt ſtatt der Tangente in die Verhaͤltniſſe ſetzen. Fuͤr einerley Gegenſtand verhalten ſich dann die ſcheinbaren Groͤßen umgekehrt, wie die Entfernungen; und fuͤr gleiche Entfernungen ſind die ſcheinbaren Groͤßen in einerley Verhaͤltniß mit den wahren, ſ. Sehewinkel.

Prieſtley Geſchichte der Optik durch Kluͤgel, S. 493. Anm. e.

Grundſtoffe der Koͤrper

Principia corporum, Principes des corps. Die Beſtandtheile, in welche die Koͤrper durch chymiſche Zerſetzung zerlegt werden. Sie ſind entweder erſte Grundſtoffe, Urſtoffe (principia prima), welche nicht weiter zerlegt werden koͤnnen, ſ. Elemente, oder gemiſchte, zuſammengeſetzte Grundſtoffe (principia principiata ſ. mixta), welche einer fernern Zerlegung faͤhig ſind.

Die Schuͤler des Paracelſus nahmen fuͤnf Grundſtoffe aller Koͤrper an, welche ſie den Merkurius oder Spiritus, das Phlegma, den Schwefel, das Salz und die Erde nannten. Sie verſtanden wahrſcheinlich unter dem Merkurius oder Spiritus die fluͤchtigen und riechenden, unter Phlegma die waͤßrichten unentzuͤndlichen, unter Schwefel die brennbaren, unter Salz die ſalzigen oder ſchmackhaften Theile, und unter Erde den feuerbeſtaͤndigen Ruͤckſtand. Unter dieſen ſogenannten Grundſtoffen des Paracelſus ſind einige weniger einfach als die andern, welches Dunkelheit und Verwirrung der Begriffe veranlaſſete.

Becher ſetzte daher nur zween Grundſtoffe, Erde und Waſſer feſt, nahm aber drey Arten von Erden, die glasartige, entzuͤndliche und Merkurialerde. Die erſte war ihm der Grundſtoff der Feuerbeſtaͤndigkeit, die543 zwote der Brennbarkeit, und die dritte das metalliſche Principium. Dieſe Theorie hat die Veranlaſſung zu der ſyſtematiſchen Chymie und zu den wichtigſten neuern Entdeckungen gegeben; ſie wuͤrde aber ohne Stahls Bemuͤhungen um ſie ſo fruchtbar nicht geworden ſeyn. Dieſer beruͤhmte Chymiker vertauſchte die entzuͤndliche Erde mit dem Phlogiſton, das ſeit der Zeit ein fuͤr Chymie und Phyſik ſo wichtiger Stof geworden iſt, und bemuͤhte ſich mit vielem Scharfſinn, das Daſeyn eines metalliſchen Principiums zu beweiſen, ohne es jedoch dabey weiter, als bis auf Muthmaßungen bringen zu koͤnnen.

Macquer glaubt, weil Waſſer und glasartige Erde entſchiedene Grundſtoffe waͤren, das Phlogiſton aber nichts anders, als gebundenes Feuer ſey, und die neuern Entdeckungen zeigten, daß auch die Luft einen Grundſtof der Koͤrper ausmache, ſo ſey man gegenwaͤrtig wieder auf die vier Elemente des Ariſtoteles, Feuer, Waſſer, Luft und Erde zuruͤckgekommen. Allein das Feuer iſt wohl mit dem Phlogiſton nicht geradehin zu verwechſeln, das Waſſer ſcheint nach den neuſten Entdeckungen einer weitern Zerlegung faͤhig ſeyn, und die aus den Koͤrpern enthaltene Luft beſteht aus ſo mancherley verſchiedentlich zuſammengeſetzten Gattungen, daß man dieſer Behauptung keinesweges beypflichten kan, und vielmehr geſtehen muß, daß ſich die Anzahl und Beſchaffenheit der erſten Grundſtoffe noch gar nicht angeben laſſe, ſ. Elemente.

Macquers chym. Woͤrterbuch, Art. Grundſtoffe.

Gyps, Gypſum, Gypſe, Plâtre.

Eine zarte ſteinichte Materie, die ſich leicht ritzen laͤßt, und mit dem Stahle kein Feuer giebt. Sie macht oft ganze Anhoͤhen und langgedehnte Huͤgel aus. In durchſichtigen, glaͤnzenden, duͤnnen Blaͤttern, welche genau auf einander liegen, und ganze durchſichtige Maſſen bilden, heißt ſie Frauenglas, Fraueneis, Spiegelſtein (Glacies Mariae, Lapis ſpecularis, Pierre ſpeculaire), in Faſern, die der Laͤnge nach uͤber einander liegen, Stralengyps (Gypſum ſtriatum, Gypſe à filets), in halbdurchſichtigen koͤrnichten544 Steinmaſſen, Gypsſtein oder Alabaſter (Gypſum Alabaſtrum, Albâtre gypſeux).

Dem Feuer ausgeſetzt werden dieſe Steinarten undurchſichtig, weiß und leicht zerreiblich. In dieſem Zuſtande heißen ſie gebrannter Gyps, und geben mit Waſſer zu einem Teige vermiſcht, eine Maſſe (Plâtre), die ſich in alle Geſtalten formen laͤßt, und in kurzer Zeit ohne weitern Zuſatz von ſelbſt erhaͤrtet. Dieſe Eigenſchaft macht den Gyps zu allerley Beduͤrfniſſen bey Gebaͤuden, Abformen rc. hoͤchſt bequem.

Der Gyps, der ſonſt einige Aehnlichkeit mit dem Kalke hat, iſt doch darinn weſentlich vom Letztern unterſchieden, daß er mit den Saͤuren nicht brauſet und ſich nicht darinn aufloͤſet. Pott | (Lithogeognoſie, Th. I. S. 3.) macht ihn daher zu einer eignen Claſſe von Erden, und unterſcheidet ihn von der Kalkerde, ob er gleich ſelbſt (S. 17.) eingeſteht, daß die ſogenannte ſelenitiſche Erde, oder die Zuſammenſetzung von Kalkerde und Vitriolſaͤure, ſich nur in wenigen geringen Umſtaͤnden vom Gypſe unterſcheide. Marggtaf aber (Chymiſche Schriften, Th. II. Berlin, 1767. 8. Abh. X. §. 5. S. 139. f.) hat durch entſcheidende Zerlegungen und Zuſammenſetzungen dargethan, daß der Gyps nichts anders, als eine mit Vitriolſaͤure geſaͤttigte Kalkerde, ein Salz ſey, daß von Natur kryſtalliſirt iſt, dem aber durch das Brennen ſein Kryſtalliſationswaſſer entzogen wird.

Der Gyps wird zu Verzierungen in den Gebaͤuden, zu Abguͤſſen von Statuͤen und Muͤnzen, zum Modelliren, zur Befeſtigung der Haſpen in den Mauren, zur Nachahmung des Marmors, zur Bereitung verſchiedner Glaͤſer u. ſ. w. gebraucht. In der Faͤrbekunſt dient er zur Feſtſetzung einiger, beſonders gelber, Farben; im thieriſchen Koͤrper bringt er ſchaͤdliche und austrocknende Wirkungen hervor, daher die bey den Alten gewoͤhnliche Vermiſchung der Weine mit Gyps (Plin. H. N. XIX. 19. Columella de re ruſt. XII. 20. 26. 28. ) nachtheilig iſt; zu Duͤngung und Fruchtbarmachung der545 Felder aber wird er, beſonders in kaltem Boden, mit Nutzen gebraucht.

Macquer Chymiſches Woͤrterbuch, mit Herrn Leonhardi Anm. Art. Gyps.

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Haarroͤhren, Tubi capillares, Tuyaux capillaires, Tubes capillaires.

Dieſen Namen fuͤhren alle enge Roͤhren von geringem Durchmeſſer, wegen ihrer Aehnlichkeit mit den Haaren, welche ebenfalls hohle Roͤhren ſind. Die Haarroͤhren der Experimentalphyſik aber duͤrfen eben nicht ſo fein und duͤnn, als Haare ſeyn; man rechnet Glasroͤhren ſchon dafuͤr, wenn der Durchmeſſer ihrer Hoͤhlung, oder ihre Weite im Lichten (lumen) nur nicht uͤber (1 / 10) eines rheinlaͤndiſchen Zolles betraͤgt und 's Graveſande (Phyſices Elem. T. I. L. I. c. 5.) laͤßt ſogar 1 / 6 Zoll zu. Sie koͤnnen auch von Metall und andern Materien ſeyn, ob man gleich die Verſuche ſelten an andern, als an Glasroͤhren, anſtellet. Alle poroͤſe Koͤrper, welche fluͤßige Materien anziehen, z. B. Schwaͤmme, Loͤſchpapier, Zucker rc. laſſen ſich als Zuſammenſetzungen von Haarroͤhren anſehen.

Die Erſcheinungen an den Haarroͤhren ſcheinen Ausnahmen von dem Geſetz der Hydroſtatik zu machen, nach welchem zwo Saͤulen von einerley fluͤßigen Materie nicht anders im Gleichgewichte ſeyn koͤnnen, als wenn ihre Oberflaͤchen gleich hoch, d. i. in einer und eben derſelben Horizontalebne liegen, ſ. Roͤhren, communicirende. Bey den Haarroͤhren hingegen beobachtet man folgendes.

1) Wenn in ein Gefaͤß mit Waſſer eine glaͤſerne oben und unten ofne Haarroͤhre getaucht wird, ſo ſteigt das Waſſer innerhalb der Roͤhre hoͤher, als es von außen im Gefaͤße ſteht.

2) Es ſteigt deſto hoͤher, je enger der Roͤhre Durchmeſſer iſt.

3) Doch ſteigt es nie uͤber die obere Oefnung der Roͤhre546 hinaus, ſo daß es von außen wieder herablaufen koͤnnte, ſo kurz auch die Roͤhre ſeyn mag.

4) Wenn man ein Haarroͤhrchen in verſchiedne Liquoren taucht, ſo ſteigen ſie zwar alle darinn, aber auf verſchiedene Hoͤhen. Dabey findet die Regel nicht ſtatt, daß die ſchwerſten am wenigſten ſteigen; der leichtere Weingeiſt z. B. ſteigt weniger, als das ſchwerere Salzwaſſer.

5) Taucht man hingegen das Haarrohr in Queckſilber, ſo ſteht dieſes darinn niedriger, als von außen, und dies um deſto mehr, je enger das Haarrohr iſt.

Wenn man dieſe Erſcheinungen mit demjenigen zuſammenhaͤlt, was bey dem Worte: Adhaͤſion im erſten Theile dieſes Woͤrterbuchs, S. 45. u. f. geſagt worden iſt, ſo begreift man ihre Urſache ganz leicht, und die Unmoͤglichkeit, ſie auf eine andere Art zu erklaͤren, zeigt zugleich das wirkliche Daſeyn eines Anhaͤngens der Koͤrper an einander, uͤber deſſen Urſache wir weiter keine Erklaͤrung geben koͤnnen.

1) Das Waſſer ſteigt an den Seiten der Glasroͤhre, wie an den Raͤndern aller glaͤſernen Gefaͤße, darum in die Hoͤhe, weil es vom Glaſe ſtaͤrker angezogen wird, als ſeine Theile unter einander ſelbſt zuſammenhaͤngen. Weil nun die Roͤhre eng iſt, ſo fließen dieſe ringsherum aufgeſtiegnen Waſſerberge in einander, und bilden eine ganze Maſſe, welche wiederum vom Glaſe ſtaͤrker angezogen, als von dem uͤbrigen Waſſer zuruͤckgehalten wird u. ſ. w., bis endlich das immer vergroͤßerte Gewicht der aufgeſtiegnen Waſſerſaͤule mit dem Zuſammenhange zugleich der Anziehung des Glaſes das Gleichgewicht haͤlt.

2) Je enger die Roͤhre iſt, deſto geringer iſt dieſes Gewicht der Waſſerſaͤule, welche von dem Anhaͤngen am Glaſe getragen wird, deſto groͤßer hingegen die Anzahl der Punkte, womit jede gleich große Waſſermaſſe das Glas beruͤhrt; deſto hoͤher kan alſo dieſe Saͤule werden, ehe das Gleichgewicht erfolgt. Iſt der Durchmeſſer eines Haarroͤhrchens doppelt ſo groß, als der Durchmeſſer eines andern, ſo iſt zwar das Gewicht der Waſſerſaͤule bey einerley Hoͤhe viermal groͤßer, und das Waſſer ſollte alſo nur bis547 zum vierten Theile der Hoͤhe im andern ſteigen: aber es beruͤhrt auch den Rand des Glaſes in doppelt ſo viel Punkten, und wird alſo doppelt ſo ſtark angezogen, daher es in allem halb ſo hoch ſteigt, als im andern Haarroͤhrchen. Dieſer Erklaͤrung nach muͤſſen ſich die Hoͤhen des Steigens ohngeſaͤhr umgekehrt, wie die Durchmeſſer der Roͤhren verhalten, womit auch die Verſuche uͤbereinſtimmen.

3) Die Hoͤhe des Steigens koͤmmt zwar gar nicht auf die Laͤnge des Roͤhrchens an; aber wenn das Waſſer die obere Oefnung erreicht hat, ſo kan es nicht herausgehoben werden, weil keine Glaswaͤnde mehr da ſind, die es anziehen.

4) Nicht alle fluͤßige Materien werden vom Glaſe gleich ſtark angezogen, und es koͤmmt dabey gar nicht auf ihre ſpecifiſche Schwere an. Auch zieht ein Glas ſtaͤrker an, als das andere.

5) Des Queckſilbers Theile haͤngen unter einander ſtaͤrker zuſammen, als ſie vom Glaſe angezogen werden. Indem man alſo ein Haarroͤhrchen in Queckſilber taucht, wird der kleine Theil, der von unten in die Roͤhre eindringen ſollte, von der uͤbrigen Maſſe des Queckſilbers ſtaͤrker zuruͤckgehalten, als ihn das Glas zieht. Ueber ihm iſt kein Queckſilber, das dieſe Kraft aufheben koͤnnte; ſie uͤberwindet alſo ſowohl den Druck, der aus den hydroſtatiſchen Geſetzen folgt, als auch das Anziehen des Glaſes, und das Queckſilber bleibt ſo lange ſtehen, bis endlich der hydroſtatiſche Druck das Uebergewicht bekoͤmmt, und es hineintreibet. Dies geſchieht deſto ſpaͤter, je enger die Roͤhre iſt, je genauer alſo das Queckſilber von der Beruͤhrung mit dem uͤbrigen abgeſchnitten wird. Man hat hiebey gar nicht noͤthig, zu einer zuruͤckſtoßenden Kraft ſeine Zuflucht zu nehmen.

Nach de la Lande (Diſſ. ſur la cauſe de l'élevation des liqueurs dans les tubes capillaires, à Paris, 1770.) ſoll Franz Aggiunti, Leibarzt des Großherzogs von Toſcana, einer von den Stiftern der Akademie del Cimento, der im Jahre 1635 geſtorben iſt, die Phaͤnomene der Haarroͤhren zuerſt bemerkt haben. Der Ieſuit Honora -548 tus Fabri (Scient. phyſ. Tract. V. L. II. Digreſſ. 1.) und aus ihm Johann Chriſtoph Sturm (Collegium Curioſum, Norimb. 1676. 4. To. I. Tentam. 8.) fuͤhren die Erſcheinungen 1. 2. 3. umſtaͤndlich an, und erklaͤren ſie aus dem Drucke der Luft, welches dadurch hinlaͤnglich widerlegt wird, daß unter der Glocke der Luftpumpe alles eben ſo erfolgt. Sie ſetzen uͤbrigens noch die ganz falſche Beobachtung hinzu, daß das Waſſer in langen Roͤhren hoͤher ſteige, als in kurzen.

Iſaak Voſſius (De Nili et aliorum fluminum origine, Hagae Com. 1666. cap. 2,) bemerkt zuerſt, daß das Queckſilber in Haarroͤhren niedriger ſtehe, und daß ſich die Erſcheinungen auch in communicirenden Roͤhren zeigen, wenn der eine Schenkel ein Haarroͤhrchen iſt. Er ſucht die Urſache in der Zaͤhigkeit (viſcoſitate) des Waſſers, durch die es an das Glas anklebe, und dabey ſein Gewicht verliere, wodurch zwar das Haͤngenbleiben des einmal aufgeſtiegnen Waſſers, nicht aber das freywillige Aufſteigen ſelbſt erklaͤrt wird.

Borellus (De motionibus naturalibus a gravitate pendentibus, Lugd. Bat. 1686. Prop. 182 188.) bemerkt, das Waſſer ſteige ſchneller und hoͤher, wenn die Roͤhre inwendig feucht ſey. Er will die ganze Sache aus einer Art von Netz erklaͤren, welches vom Waſſer an der untern Oefnung der Roͤhre gebildet werde, und ſtellt ſich, um die Hebung des Waſſers begreiflich zu machen, die Theilchen deſſelben als biegſame Hebel vor.

Jacob Bernoulli (De gravitate aetheris. Amſt. 1683. 8. p. 239.) glaubt, die Lufttheilchen, als Kuͤgelchen, paſſeten ſelten ganz genau in die Oefnung einer Roͤhre, die aͤußerſten am Rande traͤfen die Wand der Roͤhre ſo, daß ſie noch von ihr getragen wuͤrden, und wenn alſo etwa 6 ſolche Theilchen im Durchmeſſer Platz haͤtten, ſo wuͤrden 2 davon vom Rande der Roͤhre getragen, daher druͤckten nur noch 4 abwaͤrts, und es ſey alſo der Druck der Luft an dieſer Stelle ſchwaͤcher, als der von außen, daher das Fluidum hoͤher hinaufgetrieben werde. Dieſe ſehr gekuͤnſtelte Erklaͤrung faͤllt ſchon dadurch hinweg, daß ſich die Hoͤhen,549 auf welche verſchiedne Liquoren ſteigen, nicht, wie die ſpecifiſchen Schweren der Liquoren verhalten.

Ludwig Carre (Mém. de Paris, 1705.) machte nebſt Geoffroy viele Verſuche uͤber die Haarroͤhren, fand, daß das Waſſer in ihnen nicht ſtieg, wenn ſie inwendig mit Fett beſtrichen waren, ſo lange bis der beſtrichne Theil ganz unter Waſſer ſtand, ſtellte Verſuche unter der Glocke der Luftpumpe an, und bemerkte, daß die Laͤnge der Roͤhren nichts zur Hoͤhe des Steigens beytrage. Er iſt der Erſte, der die Erſcheinungen aus dem Anhaͤngen des Waſſers ans Glas erklaͤrt, und die meiſten Phaͤnomene richtig daraus herleitet: nur irrt er darinn, daß er annimmt, die das Glas beruͤhrenden Theile des Waſſers verloͤhren ihr ganzes Gewicht, woraus folgen muͤßte, das Waſſer ſteige hoͤher, wenn man die Roͤhre tiefer einſenkt.

D. Iurin (Philoſ. Transact. no. 355 et 363.) ſtellte Verſuche mit glaͤſernen Gefaͤßen an, welche aus Roͤhren von verſchiednen Durchmeſſern beſtanden. Wenn der weitere Durchmeſſer das Waſſer beruͤhrte, ſo ſtieg es ſo hoch, als der engern Roͤhre zukam: brachte er aber die engere Roͤhre ans Waſſer, ſo trat es nur ſo weit, als die weitere es halten konnte. Er erklaͤrt das Phaͤnomen ſo, wie Hawksbee, aus der Anziehung, welche dem Waſſer, das die innere Wand der Roͤhre beruͤhrt, ſein Gewicht benehme, daher daſſelbe von dem Drucke des Waſſers im Gefaͤße erhoben, und von dem naͤchſtfolgenden Ringe der innern Glaswand angezogen werde. Das Haͤngenbleiben des Waſſers leitet er von dem Ringe der Glaswand her, welcher die obere Peripherie des Waſſers zur Baſis und den Wirkungskreis der Anziehung des Glaſes zur Hoͤhe hat. Buͤlfinger (Diſſ. de tubulis capillaribus, in Comment. Petrop. To. II. p. 233. und in den Anm. uͤber Iurin's Abhandlung, eb. To. III. p. 81 ſqq. ) ſetzte noch mehrere Verſuche hinzu, und fand, daß ein Haarroͤhrchen gerade ſo viel Waſſer anzieht und erhaͤlt, als der groͤßte Tropfen ausmacht, der auswendig an dem Roͤhrchen, ohne herabzufallen, haͤngen kan, daß in trocknen Roͤhren das Waſſer zuerſt am550 Rande, nicht in der Mitte, heraufſteigt u. ſ. w. In Abſicht auf die Erklaͤrungen giebt er Iurin voͤllig Beyfall.

Muſſchenbroek (Diſſ. phyſ. exp. de tubulis capillaribus, in ſ. Diſſ. phyſ. p. 271. ingl. de attractione ſpeculorum planorum vitreorum, ebend. p. 334.) vervielfaͤltigte die Verſuche noch mehr, und gab folgende Hoͤhen des Steigens in einer Glasroͤhre von 1 / 3 rheinl. Linie Durchmeſſer und 43 Lin. Laͤnge an.

Harn eines geſun -Lin.Sp Schw.Lin.Sp. Schw.
den Menſchen.33 - 341,03Weinſteinoͤl25 - 261,55
Salmiakgeiſt30 - 331,12Ruͤboͤl210,913
Vitrioloͤl26 - 271,7Salpeterg.201,315
Waſſer261Alkohol18 - 190,866

Er glaubte dabey gefunden zu haben, daß das Waſſer in langen Roͤhren hoͤher ſtehe, als in kuͤrzern; aber ſelbſt in ſeinen Verſuchen ſind die angegebnen Unterſchiede ſo gering, daß man nichts Zuverlaͤßiges daraus folgern kan. Inzwiſchen ſchließt er daraus, die Urſache des Phaͤnomens ſey durch die ganze Laͤnge der Roͤhre verbreitet, und erklaͤrt daſſelbe aus der Attraction entfernter Koͤrper, wobey aber auch die Glasdicke mit in Betrachtung kommen wuͤrde, welche, wie bekannt, auf das Reſultat der Verſuche nicht den mindeſten Einfluß hat.

Weitbrecht (Tentamen theoriae, qua aſcenſus aquae in tubis capillaribus explicatur, in Comm. Petrop. To. VIII. p. 261. und Explicatio difficiliorum experim. circa aſcenſum aquae in tubos cap. ebend. To. IX. p. 275.) theilt ſehr ſchaͤtzbare Bemerkungen und Verſuche uͤber das Anhaͤngen ans Glas und die Geſtalten der Tropfen mit, und ſcheint unter allen die genaueſten Experimentalunterſuchungen uͤber dieſen Gegenſtand angeſtellt zu haben. Bey der Erklaͤrung ſelbſt, die er von der Attraction und Cohaͤſion (attractione continuata) herleitet, unterſcheidet er ſehr richtig die Wirkung des Glaſes aufs Waſſer von der Wirkung der Waſſertheile auf einander ſelbſt. Er leitet das Aufſteigen von der ſtufenweiſe wirkenden anziehenden Kraft der ganzen innern Glasflaͤche und von dem Zuſammenhange der Waſſertheilchen; die Erhaltung des aufgeſtiegnen551 Waſſers aber von der Anziehung des Ringes der Glasroͤhre, mit welchem die Oberflaͤche der erhaltenen Waſſerſaͤule zuſammenhaͤngt, und von dem Zuſammenhange des Waſſers unter ſich her. In engern Roͤhren wird jedes Waſſertheilchen von mehrern Glaspunkten dieſes Ringes zugleich angezogen, als in weitern.

Herr Gellert (De phaenomenis plumbi fuſi in tubis capillaribus, in Comm. Petrop. Tom XII. p. 243.) findet das geſchmolzene Bley in glaͤſernen und irrdenen Haarroͤhren niedriger, als von außen, und dieſe Tiefe unter der aͤußern Horizontalebne (infra libellam) im umgekehrten Verhaͤltniſſe der Durchmeſſer, und in priſmatiſchen Roͤhren (De tubis capillaribus priſmaticis, ebend. p. 252.) im umgekehrten Verhaͤltniſſe der Quadratwurzeln aus den Grundflaͤchen. Er erklaͤrt dies auch ſehr richtig daraus, daß die Theile des geſchmolznen Bleys unter ſich ſtaͤrker zuſammenhaͤngen, als ſie vom Glaſe und Thone angezogen werden.

De la Lande giebt in der oben angefuͤhrten Schrift von dem Aufſteigen in Haarroͤhren folgende Erklaͤrung. Wenn Waſſer in einem Gefaͤße ruhig ſteht, ſo haben alle lothrechte Saͤulen deſſelben einerley Gewicht und einerley Anziehung. Die eingetauchte Glasroͤhre treibt einen Theil einer ſolchen Saͤule aus der Stelle, und bewirkt mehr Anziehung, als dieſer Theil. Dadurch werden die unter der Oefnung ſtehenden Waſſertheilchen aufwaͤrts gezogen, und verlieren etwas von ihrem Gewichte. Die innere Waſſerſaͤule im Haarrohre wird alſo leichter, und muß von den aͤußern weiter in die Hoͤhe getrieben werden, bis das Gewicht des aufgeſtiegnen Waſſers der Anziehung der Roͤhre gleich iſt. Ueberdies zieht noch der untere Theil der Glasroͤhre, ſo weit ſein Wirkungskreis reicht, die anliegenden Waſſertheile gegen ſich, ohne daß dieſe Anziehung von andern unterwaͤrts liegenden Glastheilen wieder aufgehoben wuͤrde. Endlich wird auch die Oberflaͤche des aufgeſtiegnen Waſſers von dem anliegenden Glasringe gegen ſich gezogen, und dieſer Anziehung wirkt zwar eine gleich ſtarke Anziehung gegen das Glas nach unten entgegen, die aber durch552 die Anziehung des Waſſers unter ſich ſelbſt vermindert wird Setzt man die Kraft, mit welcher das Waſſer vom Glaſe, ſo weit deſſen Wirkung reicht, angezogen wird = g, und die, womit es vom Waſſer ſelbſt in gleicher Weite angezogen wird = w; ſo iſt die ganze Anziehung aus der erſten Urſache = g w, aus der zweyten ebenfalls = g w, aus der dritten = g (g w) = w. Die ganze Anziehung alſo = 2g 2w+w = 2g w. Daher muͤßte das Waſſer noch ſteigen, wenn nur die Anziehung des Glaſes uͤber halb ſo groß, als die des Waſſers unter ſich ſelbſt, waͤre. Man kan dies leicht auf das Queckſilber anwenden, wo bey Einſenkung einer Glasroͤhre die Anziehung oberwaͤrts ſchwaͤcher wird, und der unterwaͤrts nach dem uͤbrigen Queckſilber gerichteten nicht mehr das Gleichgewicht haͤlt, daher das Gewicht der Saͤule vermehrt wird, und die uͤbrigen ſie nicht mehr ſo hoch erhalten koͤnnen, als ſie ſelbſt ſind, u. ſ. w.

Eben ſo ſteigt auch Waſſer zwiſchen ein Paar ebnen Glasplatten, die man nahe genug an einander bringt, in prismatiſchen engen Roͤhren und in engen Oefnungen und Zwiſchenraͤumen anderer Koͤrper in die Hoͤhe. So ſaugen Schwaͤmme, Salz, Zucker, Erde, Holz, Leinwand, Loͤſchpapier, Dachte, Stricke u. dgl. allerley fluͤßige Materien, nicht aber Queckſilber, in ſich; ſo ſteigt der Saft in die Gefaͤße der Baͤume und Pflanzen, ſ. Aohaͤſion.

Obgleich D. Hook (Micrographia Obſ. VII. ) mit vielem Scharfſinne zu behaupten geſucht hat, daß die Wirkung der Haarroͤhren vom Drucke der Luft herruͤhre, ſo ſind doch die Verſuche dieſer Meynung ſchlechterdings entgegen. Und da ſich dieſe Erſcheinungen auch weder aus dem Drucke des Aethers, noch aus einem bloßen Zuſammenhange erklaͤren laſſen, ſo machen ſie einen Hauptbeweis fuͤr das Daſeyn einer anziehenden Kraft in der Materie aus.

C. B. Funccii Diſſ. de aſcenſu fluidorum in tubis capillaribus Comment. I et II. Lipſ. 1773. 4.

Erxleben Anfangsgr. der Naturlehre, Goͤtt. 1787. 8. §. 184. u. f. 553

Haͤrte, Durities, Dureté.

Diejenige Eigenſchaft der Koͤrper, vermoͤge welcher ſie durch den Druck oder Stoß ihre Geſtalt, d. i. die Lage ihrer Theile gegen einander, nicht aͤndern laſſen. Da wir keinen vollkommen harten Koͤrper kennen, ſo druͤckt das Wort Haͤrte gemeiniglich nur einen relativen Begriff aus, und man ſchreibt dieſe Eigenſchaft denjenigen Koͤrpern zu, welche zur Aenderung ihrer Geſtalt eine ſehr große Kraft erfordern. So nennt man Steine hart, wenn ſie mit dem Stahle Feuer geben u. ſ. w. Eine abſolute Haͤrte findet ſich vielleicht nirgends, als in den erſten Elementen oder Atomen der Koͤrper; und die relative Haͤrte der zuſammengeſetzten Koͤrper beſteht in nichts andern, als in dem Zuſammenhange ihrer Theile, ſ. Hart, Cohaͤſion.

Haͤrten des Stahls, ſ. Stahl.

Hagel, Schloßen, Grando, Grêle.

Der Hagel beſteht aus gefrornen Waſſertheilen, welche in Eisklumpen vereint aus der Atmoſphaͤre niederfallen. Die Regentropfen nemlich koͤnnen vielleicht nach ihrer Entſtehung aus den hoͤchſten Gegenden, welche man daher die Region des Hagels nennet, in niedrigere Gegenden des Luftkreiſes gelangen, welche vorzuͤglich kalt ſind, wo ſie ſich in Eiskuͤgelchen oder Kerne verwandeln. Beym weitern Fallen nehmen ſie dann die feuchten Duͤnſte, die ihnen begegnen, auf; dieſe frieren um den Kern herum an, und bilden die ihn umgebenden Schalen oder Eisrinden; oft haͤngen ſich mehrere ſolche Kerne in eckichten Klumpen an einander, und ſo koͤmmt es, daß man die Schloßen oder Hagelkoͤrner bisweilen rund, als einen feſten mit duͤnnen Eisſchalen umgebnen Kern, bisweilen in unregelmaͤßigen und eckichten Geſtalten findet. Dies iſt wenigſtens die gewoͤhnliche Erklaͤrung dieſer fuͤr Felder und Saaten ſo verderblichen Luftbegebenheit.

Die Hagelkoͤrner ſind von ſehr verſchiedner Groͤße. Man hat dergleichen, wiewohl ſelten, von dem Gewichte eines Pfundes geſehen. Die auf den Bergen fallen, ſind nach Scheuchzer und Beccaria (Lettere del elettriciſmo. 554Lett. 15.) kleiner, als die in den Plaͤnen. Selten iſt ihre Geſtalt vollkommen rund; ſie ſind vielmehr unregelmaͤßig abgeplattet, und oft, wenn ſie mit ſtarken Stuͤrmen niederfallen, durch das Aneinanderſchlagen zerbrochen. Ihr innerer Kern iſt undurchſichtig und einem compacten Schnee aͤhnlich; die aͤußere Schale iſt hell und durchſichtig.

Es iſt eine ſehr bekannte Sache, daß es aͤußerſt ſelten im Winter hagelt, und daß die heftigſten Hagelwetter, welche insgemein mit Sturm, Donner und Blitz begleitet ſind, in den Monaten May, Iunius, Iulius und Auguſt auch meiſtens bey Tage, einfallen. Der Wind iſt dabey ſehr veraͤnderlich, und mehrentheils geht unmittelbar vor dem Hagelwetter eine Hauptveraͤnderung ſeiner Richtung vorher. Das Aneinanderſtoßen der Hagelkoͤrner verurſacht ein Getoͤſe in der Luft. Oft faͤllt der Hagel mit Regen vermiſcht, bisweilen aber geht auch der Regen voran, und verwandelt ſich in der Folge in Hagel. Vor den heftigen Gewittern, welche die Hagelwetter begleiten, iſt es gemeiniglich ſehr ſchwuͤl; beym Herabfallen des Hagels aber und noch mehr nach demſelben, findet man die Luft abgekuͤhlet.

Dennoch giebt es einzelne Beyſpiele von Hagelwettern, die im Winter oder in der Nacht gekommen ſind, wie z. B. in Montpellier am 30 Iaͤnner 1741. (Mém. de Paris 1741. p. 218.). Sie ſind alsdann deſto heftiger und allezeit mit ſchrecklichen Donnerwettern begleitet. Dieſe Faͤlle ſind jedoch nur Ausnahmen, und die Regel bleibt allemal dieſe, daß es blos im Winter ſchneyt und blos im Sommer hagelt, ſo wie in den Zwiſchenzeiten, zumal im Fruͤhling, der zarte Graupenhagel (greſil) faͤllt, der vom Schnee die Weichheit und vom Hagel die Figur hat.

Dieſe Regel hat man ſonſt dadurch zu erklaͤren geſucht, daß im Winter der ganze Luftkreis zu kalt ſey, als daß das Waſſer darinn in Tropfen ſollte zuſammenfließen koͤnnen. Aber der Umſtand, daß die ſchweren Hagelwetter allemal Donnerwetter ſind, ſcheint wohl deutlich zu beweiſen, daß zur Entſtehung des Hagels ein Ausbruch der Elektricitaͤt erforderlich ſey. Mongez (Lettre ſur la formation de la grèle, in Rozier Journal de phyſ. Sept. 1778.) fuͤhrt ein Beyſpiel555 an, daß es bey einem Regen, der einige Tage, ohne zu blitzen, angehalten hatte, ſogleich zu hageln anfieng, als es anfieng zu blitzen. Welcher Zuſammenhang aber zwiſchen der Elektricitaͤt und der Erzeugung des Hagels ſtatt finde, iſt noch ſehr dunkel.

Herr de Luͤc (Idées ſur la meteorologie, To. II. Sect. 3. ch. 2.) ſchließt aus dem ſchneeaͤhnlichen Kerne der Hagelkoͤrner, daß ſie ſich nicht aus Regentropfen, ſondern aus Schneeflocken bilden, welche im obern Theile der Gewitterwolke durch ein ploͤtzliches Erkalten, das von irgend einer chymiſchen Urſache abhaͤngt, entſtehen und im Fallen durch das Gewoͤlk ſtreichen. Nach dieſer Hypotheſe kan ſich der Hagel nicht, wie man ſonſt gewoͤhnlich annahm, in den hoͤchſten Gegenden der Atmoſphaͤre bilden, weil die Gewitterwolken immer ſehr niedrig gehen. Und dann wird es wiederum ſehr ſchwer, die bisweilen ſo betraͤchtliche Groͤße und unregelmaͤßige Geſtalt der Hagelkoͤrner zu erklaͤren. Dieſe Luftbegebenheit gehoͤrt alſo noch zur Zeit unter diejenigen, uͤber welche wir erſt in Zukunft von genauern Unterſuchungen des Luftkreiſes richtigere Belehrungen erwarten muͤſſen.

Muſſchenbroek Introd. in philoſ. nat. To II. §. 2391 ſq.

Erxlebens Anfangsgr. der Naturlehre, Vierte Auflage durch Lichtenberg, §. 736.

Halbkugeln, Hemiſphaͤre, Hemiſphaeria, Hemiſphères.

Jeder groͤßte Kreis theilt die Kugel durch ſeine Ebne, und die Kugelflaͤche durch ſeinen Umkreis in zwo gleiche Helften, welche man Halbkugeln nennt. Insbeſondere fuͤhren dieſen Namen in der Geographie und Sternkunde die Helften, in welche die Erd - und Himmelskugel durch den Horizont, Aequator und Mittagskreis getheilt werden.

Der Horizont theilt uns den Himmel in die ſichtbare und unſichtbare, oder welches eben ſo viel iſt, in die obere und untere Halbkugel ein. Auch auf der Erdkugel Taf. VIII. Fig. 2. kan man fuͤr den Beobachtungsort o, den man ſich ſtets oben gedenkt, und deſſen wahrer Horizont mn556 iſt, die Erde in die obere und untere Halbkugel maopn und mstqn getheilt annehmen.

Der Aequator aq und AQ theilt die Erd - und Himmelskugel in die noͤrdliche und ſuͤdliche Halbkugel, aopnq und amsnq, AZPRQ und AHSNQ, wovon jene den Nordpol p und P, dieſe den Suͤdpol s und S in ihrer Mitte hat.

Der Mittagskreis des Beobachtungsorts omsnpo und ZHSNPZ theilt beyde Kugeln in die oͤſtliche und weſtliche Halbkugel, wovon in der Figur gerade nur die oͤſtliche ſichtbar iſt, die weſtliche aber auf ihre Ruͤckſeite faͤllt. Jene hat den Morgenpunkt C, dieſe den entgegengeſetzten Abendpunkt in ihrer Mitte.

Der groͤßte Kreis endlich, deſſen Ebne auf der nach dem Mittelpunkte der Sonne gezognen Linie ſenkrecht ſteht, theilt die Erdkugel und jeden dunklen Koͤrper des Sonnenſyſtems in die erleuchtete und dunkle Halbkugel ein. Weil aber die Sonne einen groͤßern Halbmeſſer hat, als die dunklen Himmelskoͤrper, ſo erleuchtet ſie von jedem dieſer Koͤrper etwas mehr als die Helfte, und das erleuchtete Hemiſphaͤr erſtreckt ſich ringsum uͤber ſeine eigentliche Grenze noch um die Groͤße des ſcheinbaren Halbmeſſers der Sonne, d. i. fuͤr die Erdkugel ohngefaͤhr um 15 Minuten eines groͤßten Kreiſes hinaus.

Halbkugeln, magdeburgiſche, Hemiſphaeria Magdeburgiea, Hémiſphères de Magdebourg.

Der Erfinder der Luftpumpe, Otto von Guerike zu Magdeburg, ſtellte unter andern merkwuͤrdigen Verſuchen mit dieſem Inſtrumente auch folgenden an. Er ließ zwo kuͤpferne Halbkugeln A und B, Taf. X. Fig. 49., (67 / 100) einer magdeburgiſchen Elle im Durchmeſſer, verfertigen, welche genau an einander paſſeten. An einer derſelben war bey H ein Hahn angebracht, durch welchen man nach Gefallen die Verbindung zwiſchen der innern und aͤußern Luft aufheben und wieder eroͤfnen konnte. Rings herum waren Rinken angebracht, um Seile durchzuziehen und Pferde daran zu ſpannen. Zwiſchen die auf einander paſſenden557 Raͤnder der Halbkugel ward ein mit Wachs und Terpentin getraͤnkter lederner Ring gelegt.

Dieſe Halbkugeln legte Guerike auf einander, und zog bey geoͤfnetem Hahne, vermittelſt ſeiner Luftpumpe, die Luft aus dem innern Raume ſchnell heraus, wodurch beyde ſtark an einander gedruͤckt, und wenn man den Hahn verſchloß und ſie abnahm, vom Drucke der aͤußern Luft ſo feſt vereiniget wurden, daß 16 Pferde ſie nur mit Muͤhe aus einander reißen konnten, wobey man einen Knall, wie einen Buͤchſenſchuß, hoͤrte. Oefnete man aber durch Umdrehung des Hahns der aͤußern Luft den Zugang, ſo konnte ſie Jedermann leicht mit der bloßen Hand aus einander bringen. Guerike berechnet den Druck der Luft auf den groͤßten Kreis jeder Halbkugel zu 2686 Pfund; welches aber zu viel iſt, weil er die Waſſerſaͤule, die der Atmoſphaͤre gleich wiegt, 20 Ellen hoch annimmt, da ſie doch nur 32 rheinl. Schuhe zur Hoͤhe hat. Ueberdies war auch der innere Raum bey weitem nicht voͤllig leer von Luft, und es iſt alſo noch der Gegendruck der zuruͤckgebliebenen innern Luft abzuziehen. Die 2686 Pfund auf 8 Pferde, die an jeder Halbkugel zogen, vertheilt, gaͤben auf jedes 336 Pfund. Da man nun die Kraft eines Pferdes im horizontalen Zuge nur 175 Pfund rechnen kan, ſo waͤre es unmoͤglich geweſen, die Kugeln durch 16 Pferde aus einander zu reißen, wenn Guerikens Rechnung richtig, und ſein Vacuum vollkommen geweſen waͤre.

Er ließ nachher zwo noch groͤßere Halbkugeln, von einer ganzen Elle im Durchmeſſer verfertigen, welche von 24 30 Pferden nicht aus einander gebracht werden konnten. Die kleinern brachte er auch an einem feſten Geſtelle in ſeinem Hofe an, wo ſie mehrere Centner Gewichte trugen, ohne aus einander zu gehen.

Dieſe Verſuche zeigte Guerike ſchon im Jahre 1654. auf dem Reichstage zu Regensburg in Gegenwart des Kaiſers Ferdinand des Dritten und vieler Großen des Reichs, wodurch die Erfindung der Luftpumpe bekannter und die Lehre vom Drucke der Luft mehr ausgebreitet ward. Weil alſo dieſe Halbkugeln in der Geſchichte der Phyſik merkwuͤrdig558 ſind, und auch an ſich einen ſchoͤnen Experimentalbeweis von der Groͤße des Drucks der Atmoſphaͤre abgeben, ſo ſind ſie bis jetzt unter dem Namen der magdeburgiſchen Halbkugeln ein Theil der phyſikaliſchen Experimentalgeraͤthſchaft geblieben. Wie man den Verſuch damit bequem einrichte, lehrt Wolf (Nuͤtzliche Verſuche, Th. I. Cap. 5. §. 115 u. f.).

Ottonis de Guericke Experimenta nova Magdeburgica de vacuo ſpatio. Amſtelaed. 1672. fol. L. III. cap. 23. 24. 25.

Halbmetalle, Semimetalla, Demi-metaux.

Dieſen Namen fuͤhren einige Subſtanzen, welche alle Eigenſchaften der Metalle, als Schwere, Undurchſichtigkeit, Glanz, Unvereinbarkeit mit erdichten Materien u. ſ. w. nur die Dehnbarkeit ausgenommen beſitzen, vom Feuer aber in Daͤmpfe verwandelt werden feuer-unbeſtaͤndig-undehnbare Metalle. Die neuern Chymiſten ſehen die ſonſt ſehr gebraͤuchliche Eintheilung in Metalle und Halbmetalle nicht mehr fuͤr weſentlich an, da man jetzt Mittel findet, Subſtanzen dehnbar zu machen, die ſonſt zu den Halbmetallen gezaͤhlt wurden.

Die bis jetzt bekannten Halbmetalle ſind der Spießglaskoͤnig, Wismuth, Kobaltkoͤnig, Arſenikkoͤnig, Nickel und Braunſteinkoͤnig. Man ſ. die Artikel: Spießglas, Wismuth, Kobalt, Arſenik, Nickel. Einige haben das Queckſilber unter die Halbmetalle zaͤhlen wollen; es laͤßt ſich aber gefroren unter dem Hammer ſtrecken, und muß daher unter die Metalle gerechnet werden; eben ſo wie der Zink, den man zu Drathe ziehen und zu Blechen walzen kan, ſ. Zink. Dagegen iſt der Nickel erſt von Herrn Cronſtedt den vorher bekannten Halbmetallen beygefuͤgt werden.

Der Braunſtein (Magneſia nigra, ſ. vitriariorum, Manganèſe) iſt ein ziemlich harter mineraliſcher Koͤrper von dunkelgrauer, ſchwaͤrzlicher oder roͤthlicher Farbe und von ſtreifigtem Gewebe, den man unter dem Namen der Glasſeife in den Glashuͤtten braucht, um dem gruͤnen Glaſe die Farbe zu benehmen. Man hat ihn lange Zeit559 fuͤr ein Eiſenerz gehalten; aber Pott (Miſcell. Berol. To. VI. 1740. p. 40. ſq. ) und Cronſtedt fanden ſchon, daß er dieſes nicht ſey. Sage fuͤhrt ihn unter den Zinkerzen auf. Endlich entdeckten Gahn im Jahre 1774 und Bergmann (Nov. Act. Vpſal. Vol. II. p. 246. ſq. ), daß er ein ganz neues Halbmetall, den Braunſteinkoͤnig (Magneſium), enthalte. Dieſer Braunſteinkoͤnig iſt bruͤchig, auf dem Bruche koͤrnicht, weiß und glaͤnzend, und noch haͤrter und ſtrengfluͤßiger, als das Eiſen. Sein Kalk ſieht ſchwarz, und im ſtrengſten Feuer gruͤn aus, wird aber, wenn er mehr Brennbares erhaͤlt, weiß. Lapeirouſe (Obſ. ſur quelques proprietés de la manganèſe, in Rozier Journal de phyſ. To. XVI. p. 156.) und de Morveau (ebend. p. 157. und p. 348. ſq. ) haben dieſen Koͤnig ebenfalls erhalten, und es außer Zweifel geſetzt, daß er ein eignes neues Halbmetall ſey. Seine ſpecifiſche Schwere iſt 6,850mal groͤßer, als die des Waſſers. In der Luft laͤuft er bald an, und in feuchter verwittert er zu einem ſchwaͤrzlich braunen Kalke, der ſchwerer, als der Koͤnig, iſt. Er loͤſet ſich in allen Saͤuren, vorzuͤglich in der Salpeterſaͤure, auf. Durch Roͤſten giebt er einen ſchwaͤrzlichen Kalk, der bey ſtarkem Feuer in ein gelblich braunes durchſichtiges Glas verwandelt wird.

Das Waſſerbley (Molybdaena) und Reißbley (Plumbago) ſind keine Halbmetalle, ſondern vielmehr verbrennliche Subſtanzen, welche etwas Eiſen enthalten. Scheele fand in dem erſten eine beſondere mit Schwefel uͤberſetzte Saͤure, im letztern viel Brennbares und fixe Luft.

Von dem neuen Metalle, welches Scheele und Bergmann aus dem Tungſtein, die Gebruͤder de Luyart aber aus dem Wolfram gezogen haben, werde ich bey dem Worte: Metalle, etwas anfuͤhren.

Macquer chym Woͤrterb. mit Hrn. Leonhardi Anm. Art. Halbmetalle, Braunſtein.

Halbleiter, unvollkommne Leiter der Elektricitaͤt, ſchlechte Leiter, Conductores electricitatis560 deterioris conditionis, Conducteurs imparfaits.

Materien, welche die Elektricitaͤt nicht anders, als mit merklicher Schwierigkeit, leiten. Die Grenzen der urſpruͤnglich elektriſchen Koͤrper und der Leiter laufen ſo in einander, daß es einige giebt, in welchen ſich in der That eine urſpruͤngliche Elektricitaͤt erregen laͤßt, und die doch zu gleicher Zeit in einigem Grade leiten, ſ. Elektriſche Koͤrper, Leiter. Dieſes ſind die ſchlechteſien aus beyden Claſſen, z. B. trocknes, nicht gedoͤrrtes Holz, trockne und reine Marmorund Alabaſterplatten, Achat, Chalcedon, Elfenbein, Schildpatt, mit Leinoͤl imbibirtes oder uͤberkalktes Holz, trocknes Leder, Pergamen, Papier rc. Dieſe Halbleiter ſind durch Volta's Erſindung des Condenſators der Elektricitaͤt merkwuͤrdig geworden, ſ. Condenſator der Elektricitaͤt.

Halbſchatten, Penumbra, Penombre.

Wenn ein leuchtender Koͤrper nicht als ein bloßer Punkt angeſehen werden kan, ſondern eine merkliche Groͤße hat, ſo haben die Schatten, welche dunkle von ihm erleuchtete Koͤrper ihm gegenuͤber werfen, keine genau begrenzten Umriße, ſondern verlaufen ſich unvermerkt und allmaͤhlich aus dem Dunkeln ins Helle. Der blaſſe, den voͤlligen Schatten umgebende, Streif heißt alsdann der Halbſchatten.

Man ſetze, Taf. X. Fig. 50. ſey AB ein lothrecht ſtehender von der Sonne ST beſchienener Stab, auf dem wagrechten Boden DE. Dieſer wird der Sonne gegenuͤber den Schatten Ac werfen. Es hat aber die Sonne eine merkliche ſcheinbare Groͤße, und ihr Durchmeſſer ST erſcheint aus B, der Spitze des Stabs, unter dem Winkel SBT, welcher ohngefaͤhr 31 Minuten betraͤgt. Koͤnnte man die Sonne als den bloßen Punkt T anſehen, ſo wuͤrde T in allen Punkten zwiſchen A und c verdeckt, denen von c gegen E liegenden aber ſichtbar ſeyn, d. i. der Schatten wuͤrde genau bis c reichen. Wegen der Groͤße des Sonnendurchmeſſers aber bekoͤmmt ſchon der Punkt C Licht von S, und alſo erhalten alle zwiſchen Cc liegende Punkte Licht von einem deſto groͤßern Theile der Sonne, je naͤher561 ſie an c liegen, bis endlich c von der ganzen Sonnenſcheibe erleuchtet wird. Daher hoͤrt der voͤllige Schatten bey C ſo auf, daß die Dunkelheit nach und nach abnimmt, und erſt bey c in voͤlliges Licht uͤbergeht. So iſt Cc die Laͤnge des Halbſchattens. Dieſe Laͤnge kan durch trigonometriſche Rechnung gefunden werden, wenn die Hoͤhen des obern und untern Sonnenrandes, oder die Winkel C und c, und die Hoͤhe des Stabs AB, gegeben ſind. Sie iſt alsdann = ABX (cotang. c cot. C), und wird deſto geringer, je groͤßer die Winkel C und c ſind, d. i. je hoͤher die Sonne ſteht. Daher iſt der Mittag die ſchicklichſte Zeit fuͤr Meſſungen von Hoͤhen oder Sonnenhoͤhen vermittelſt des Schattens, welche durch den Halbſchatten unſicher gemacht werden.

Die dunkeln Himmelskoͤrper, z. B. Erde und Mond, werfen der Sonne gegenuͤber den Schatten EFH, Taf. IX. Fig. 27., welcher ringsum mit dem Halbſchatten EIKF umgeben iſt. Dieſer Halbſchatten begreift die Punkte in ſich, welchen nur ein Theil der Sonne vom dunkeln Koͤrper verdeckt wird. Nahe am ganzen Schatten EFH, z. B. bey t und r iſt die Dunkelheit groß, und verlaͤuft ſich nach und nach ins voͤllige Licht bey L und M. Der Halbſchatten der Erdkugel macht die Beobachtungen der Mondfinſterniſſe ſehr unſicher, ſ. Finſterniſſe. Ueber die Grade der Dunkelheit in verſchiedenen Stellen des Halbſchattens hat de la Hire (Mém. de Paris. 1711.) Unterſuchungen angeſtellt.

Es kommen aber bey den Halbſchatten der Koͤrper die Erfahrungen nicht mit der geometriſchen Theorie uͤberein. Die Urſache davon iſt die Beugung derjenigen Lichtſtralen, welche an den Raͤndern der dunkeln Koͤrper hinfahren und den Halbſchatten begrenzen, ſ. Beugung des Lichts. Der Theorie nach ſollten z. B. die Halbſchatten von beyden Seiten eines cylindriſchrn Koͤrpers an der Sonne erſt in einer Entfernung von 110 Dicken des Cylinders in der Mitte des ganzen Schattens zuſammen kommen, weil die Cotangente von 31 Minuten = 110,8 iſt; nach. Maraldi's Verſuchen aber (Mém. de Paris. 1723.) kommen ſie ſchon562 in einer Entfernung von 38 45 Dicken zuſammen. Dies nennt Maraldi den falſchen Halbfchatten (pénombre fauſſe).

Hart, Durum, Dur.

Hart heißt ein Koͤrper, wenn ſich ſeine Geſtalt, d. i. die Lage ſeiner Theile gegen einander durch keinen Druck oder Stoß aͤndern laͤßt. Im Gegentheil heißt der Koͤrper weich, wenn er Aenderungen ſeiner Geſtalt zulaͤßt, und dieſe geaͤnderte Geſtalt auch behaͤlt; elaſtiſch aber, wenn er zwar die Geſtalt aͤndern laͤßt, aber nach aufhoͤrendem Drucke oder Stoße die vorige wieder annimmt. Nun zeigt die Erfahrung, daß alle zuſammengeſetzte Koͤrper Aenderungen ihrer Geſtalt zulaſſen. Daher giebt es unter ihnen keinen vollkommen oder abſolut harten Koͤrper, und das Wort Hart druͤckt insgemein einen blos relativen Begriff aus: wir nennen diejenigen Koͤrper hart, welche zu Aenderung ihrer Geſtalt eine große Kraft, oder mehr Kraft als andere, erfordern. So heißt ein Stein hart, wenn er mit dem Stahle Feuer giebt, d. i. wenn zu Trennung ſeiner Theile eine Kraft erfordert wird, welche zugleich vermoͤgend iſt, die Theile des Stahls zu trennen u. ſ. w.

Wenn man ſich Atomen, oder erſte untheilbare Elemente der Materie gedenken will, ſo muͤſſen dieſelben unſtreitig vollkommen hart angenommen werden. Denn da ſie keine weitern Theile haben ſollen, ſo laͤßt ſich der Begriff von Aenderung der Lage der Theile auf ſie gar nicht anwenden; ſie koͤnnen daher weder weich noch elaſtiſch gedacht werden. Alſo ſcheinen doch die Atomen vollkommen hart zu ſeyn, wenn es auch die zuſammengeſetzten Koͤrper nicht ſind; und die Haͤrte gehoͤrt wenigſtens unter die hypothetiſchen Eigenſchaften der Materie.

Johann Bernoulli aber (Diſcours ſur le mouvement, in Opp. To. III. no. 135. ch. I.) hat aus Urſachen, welche ſich auf die Geſetze des Stoßes und der Stetigkeit gruͤnden, auch den erſten Theilen der Materie die Haͤrte abgeſprochen, ſ. Stetigkeit. Es koͤmmt hiebey freylich auf den Begriff an, den man ſich von der Materie uͤberhaupt563 machen will; wenn man aber ſonſt Urſachen hat, Atomen anzunehmen, die doch der Natur der Sache nach hart gedacht werden muͤſſen, ſo iſt das Geſetz der Stetigkeit allein nicht hinreichend, dieſen Begriff umzuſtoßen, weil es ſich blos auf Induction aus den Phaͤnomenen gruͤndet, und vielleicht manche Ausnahmen leiden kan, wenn man auf die erſten Urſachen der Dinge zuruͤckgeht.

Was die Haͤrte der zuſammengeſetzten Koͤrper betrifft, ſo iſt dieſelbe, im gewoͤhnlichen Sinne genommen, eine Folge des Zuſammenhangs ihrer Theile, und beruht alſo mit dieſem auf einerley Gruͤnden, ſ. Cohaͤſion.

Harze, Reſinae, Reſines.

Die Harze ſind im Waſſer unaufloͤßliche verbrennliche Subſtanzen, welche in der Kaͤlte bruͤchig, wie Glas, ſind, bey gelinder Waͤrme weich werden, und bey groͤßerer Hitze ſo zaͤhe fließen, daß ſie ſich zu Faͤden ziehen laſſen. Sie werden aus den Baͤumen und Pflanzen, aus welchen ſie ausſchwitzen, geſammelt, zum Theil auch, wie das Pech, durch Feuer mit Gewalt herausgetrieben oder durch Aufloͤſung im Weingeiſte abgeſchieden. Viele Baͤume, Wurzeln und Pflanzen ſind ganz damit angefuͤllt. Die gemeinen Harze werden zu Fackeln und Verpichung der Faͤſſer, Schiffe und Kaͤhne, die feinern durchſichtigen zu Bereitung der Firniſſe, die aus der Ialappe, dem Scammonium u. a. in der Arzneykunſt, die Benzoe und der Storax zum Raͤuchern gebraucht. Die bey der gewoͤhnlichen Temperatur ſchon fluͤßigen heißen Balſame. Das elaſtiſche oder Federharz (Reſina elaſtica, Caoutchouc) entſteht durch Eintrocknen eines milchweißen Safts, der in Guiana, Quito, Cayenne und Isle de France aus dem Baume Heve laͤuft (ſ. Juliaans Diſſ. de reſina elaſtica Cayennenſi, Traj. ad Rhen. 1780. 4. im Auszuge in den leipziger Sammlungen zur Phyſik und Naturg. II. B. 6. St.). Das gemeine Harz wird auch als ein Nicht-leiter in mancherley Abſichten beym elektriſchen Apparat gebraucht.

Macquer chym. Wdrterbuch, Art. Harze, und Leonhardi in der Anm. zu dem Art. Oel. 564

Harzelektricitaͤt, negative oder Minus-elektricitaͤt, Electricitas reſinoſa ſ. negativa, Electricité reſinenſe ou negative. Diejenige Elektricitaͤt, welche das gemeine Harz oder Pech, Siegellack rc. durch Reiben mit der Hand, Haſenbalg, Leder und den meiſten andern Subſtanzen erhaͤlt. Sie iſt, nach duͤ Fay's Entdeckung, derjenigen Elektricitaͤt, die das glatte Glas durch Reiben mit eben dieſen Subſtanzen erhaͤlt, entgegengeſetzt, ſo daß ein elektriſirter Koͤrper, welchen das geriebene Harz anzieht, in eben dem Zuſtande vom geriebenen Glaſe abgeſtoßen wird. Franklin und uͤberhaupt alle, welche nur eine einzige elektriſche Materie annehmen, erklaͤren die Harzelektricitaͤt aus dem Mangel dieſer Materie, und nennen ſie daher die negative oder Minus-elektricitaͤt, ſ. Elektricitaͤt, unter dem Abſchnitte: Entgegengeſetzte Elektricitaͤten.

Haſpel, ſ. Rad an der Welle.

Hauptgegenden, Cardinalpunkte, Plagae cardinales, Cardines mundi, Points cardinaux.

Die vier Punkte, in welchen der Horizont vom Mittagskreiſe und Aequator durchſchnitten wird. Weil die beyden letztern Kreiſe auf einander ſenkrecht ſtehen, alle drey aber groͤßte Kreiſe ſind, ſo wird der Horizont durch dieſe vier Durchſchnittspunkte in vier gleiche Theile oder Quadranten getheilt. Wo ihn der Mittagskreis ſchneidet, da liegen der Mittags - und Mitternachtspunkt, der letztere nach der Gegend des bey uns ſichtbaren Weltpols zu, der erſte dieſem gegenuͤber. Eine Linie von einem zum andern gezogen, heißt die Mittagslinie. Der Aequator aber beſtimmt durch ſeine Durchſchnitte mit dem Horizonte den Morgen - und Abendpunkt ſo, daß dem gegen Mittag gekehrten Zuſchauer der Morgen zur Linken und der Abend zur Rechten liegt. Dieſe vier Punkte fuͤhren auch die Namen: Nord, Suͤd, Oſt und Weſt, unter welchen bisweilen nicht allein die Punkte ſelbſt, ſondern auch die um ſie herumliegenden Gegenden der Himmelskugel verſtanden werden, ſ. Weltgegenden. 565

Hebel, Vectis, Levier.

Wenn man ſich an einer feſten unbiegſamen Verbindung von Koͤrpern drey Punkte gedenken kan, um deren einen, den Ruhepunkt, die ganze Verbindung ſich drehen laͤßt, indem an den beyden andern Punkten zwo Kraͤfte einander entgegen wirken, ſo heißt dieſe Verbindung ein Hebel. Ein Beyſpiel hievon giebt der Wagbalken, deſſen Ruhepunkt in der Mitte liegt, indeß die Gewichte in beyden Wagſchalen den Balken ſelbſt nach entgegengeſetzten Richtungen umzudrehen ſtreben. Der Hebel iſt die einfachſte unter allen Maſchinen, und ſeine Theorie liegt bey der Betrachtung aller uͤbrigen zum Grunde.

Wenn man die Materie des Hebels nebſt ihrem Gewichte bey Seite ſetzt, und ſich die genannten drey Punkte blos durch mathematiſche Linien verbunden denkt, ſo heißt dieſe Verbindung ein mathematiſcher, und wenn alle drey Punkte in einer geraden Linie liegen, ein geradlinigter mathematiſcher Hebel, wie ACB Taf. X. Fig. 51., CAB Fig. 52. und CBA Fig. 53. Der Ruhepunkt C heißt auch der Bewegungs - oder Umdrehungspunkt (centrum motus, point d'appui), und das, worauf der Hebel in C liegt, die Unterlage (hypomochlium). In manchen Faͤllen, wie bey Fig. 52. wird es eine Ueberlage; oder es iſt eigentlich als ein Zapfen anzuſehen, um den ſich der Hebel dreht, ohne auf - und abwaͤrts weichen zu koͤnnen.

Liegt der Ruhepunkt C zwiſchen den beyden andern Punkten A und B, an welchen die Kraͤfte angebracht ſind, wie bey Fig. 51., ſo heißt dies ein Hebel der erſten Art, ein doppelarmichter oder zweyſeitiger Hebel (vectis heterodromus), bey deſſen Bewegung die Kraͤfte nach verſchiedenen Seiten gehen, z. B. D faͤllt, wenn E ſteigt. Befindet ſich aber der Ruhepunkt C an einem Ende wie Fig. 52. und 53., ſo iſt es ein Hebel der andern Art, ein einarmichter, einſeitiger Hebel (vectis homodromus), bey deſſen Bewegung beyde Kraͤfte nach einerley Seite gehen. Hier iſt nemlich in A eine aufwaͤrts ziehende Kraft D angebracht, welche zugleich mit E|ſteigen und ſinken muß. 566

Unnoͤthiger Weiſe nehmen einige, z. B. Wolf, noch einen Hebel der dritten Art, oder Wurfhebel an. Sie unterſcheiden nemlich die Kraft von der Laſt, geben blos dem Falle Fig. 53., wo die Laſt in der Mitte iſt, den Namen der zweyten Art, und fuͤhren Fig. 52., wo ſich die Kraft in der Mitte befindet, als die dritte Art, auf. Es iſt aber dieſe Abtheilung ganz uͤberfluͤßig, weil Kraft und Laſt blos bey der Ausuͤbung unterſchieden, in der Theorie aber zuſammen als zwo entgegengeſetzte Kraͤfte betrachtet werden muͤſſen.

Geſetz des Gleichgewichts der Kraͤfte am Hebel.

Am geradlinigten mathematiſchen Hebel ſtehen ſenkrecht wirkende Kraͤfte

D und E im Gleichgewichte, wenn ſie ſich verkehrt, wie ihre Entfernungen oder Abſtaͤnde vom Ruhepunkte (ſ. Entfernung einer Kraft vom Ruhepunkte) d. i. wie CB: CA, verhalten. So wird z. B. der Hebel Fig. 53. im Gleichgewicht ſtehen, wenn das in der Entfernung CB angebrachte Gewicht E doppelt ſo groß iſt, als die in der doppelten Entfernung CA aufwaͤrts ziehende Kraft D.

Dieſes Geſetz des Gleichgewichts der Kraͤfte am Hebel, auf welchem die ganze Statik und Maſchinenlehre beruht, war ſchon in den aͤlteſten Zeiten bekannt, und wird bereits vom Archimedes (De aequiponderantibus Lib. I. Prop. VI. in Archimedis Opp. per Iſaacum Barrow, Lond. 1675. 4. ingl. Archimedis Kunſtbuͤcher, verteutſcht von I. C. Sturm Nuͤrnberg, 1670. fol. Erſtes Buch: Von der Flaͤchen Gleichwichtigkeit) aus der Lehre vom Schwerpunkte erwieſen. Man findet den archimedeiſchen Beweis mit einiger Abaͤnderung in den wolfiſchen Anfangsgruͤnden der Mechanik, und bey vielen aͤltern mechaniſchen Schriftſtellern. Archimed hatte ihm die Wendung gegeben, daß er zeigte, es ſey kein Grund da, warum ſich der Hebel unter der Bedingung, die das Geſetz enthaͤlt, auf die eine Seite eher, als auf die andere, drehen ſollte, daher er ſich gar nicht drehe. Man hat deswegen geſagt, daß Herr von567 Leibnitz ſeinen Satz des zureichenden Grundes aus dieſen Buͤchern des Archimedes entlehnt habe.

Es iſt aber dieſer archimedeiſche Beweis, wie ſchon Barrow bemerkt, darum unzulaͤnglich, weil dabey unerwieſen angenommen wird, der Schwerpunkt bleibe einerley, man moͤge Koͤrper verbinden oder trennen. Daher ſuchte Descartes (Tract. de Mechanica, in Opuſc. poſth. Amſtel. 1701. 4. ) die ganze Statik aus dem neuen Grundſatze herzuleiten, daß das wahre Vermoͤgen einer bewegenden Kraft dem Produkte der bewegten Maſſe in ihre Geſchwindigkeit gleich ſey. Bewegt ſich nemlich der Hebel ACB, Taf. X. Fig. 54. mit den Koͤrpern A und B um den Ruhepunkt C bis in die Lage aCb, ſo verhalten ſich die bewegten Maſſen, wie A: B, die Geſchwindigkeiten, wie die in gleicher Zeit von ihnen durchlaufenen Raͤume oder Bogen Aa und Bb. Dieſe Bogen aber, als aͤhnliche, welche die beyden gleichen Winkel ACa und BCb meſſen, verhalten ſich wie ihre Halbmeſſer CA und CB, daher CA: CB das Verhaͤltniß der Geſchwindigkeiten iſt. Alſo ſind nach dem Satze des Descartes die Kraͤfte, mit denen ſich A und B bewegen, wie AXCA: BXCB. Iſt nun A: B = CB: CA, ſo folgt oder die bewegenden Kraͤfte ſind einander gleich, ſuchen aber den Hebel auf entgegengeſetzte Seiten zu drehen, daher er nach dem allgemeinen Satze des Gleichgewichts in Ruhe bleiben muß. Dieſer allerdings ſehr ſcharfſinnige Beweis, der eigentlich darauf beruht, daß es gleichen Aufwand von Kraft erfordert, 1 Pfund 2 Schuh hoch, und 2 Pfund in gleicher Zeit 1 Schuh hoch zu heben u. ſ. w. bleibt doch den Einwendungen ausgeſetzt, daß das carteſianiſche Maaß der bewegenden Kraͤfte fuͤr einen Grundſatz nicht Evidenz genug hat, und daß im Gleichgewichte, wo der Hebel ſtill ſteht, gar keine Geſchwindigkeit betrachtet werden kan. Wenn gleich auf letzteres die Carteſianer antworten, es ſey doch beym Gleichgewichte Kraft, oder Streben nach Bewegung mit einer gewiſſen Geſchwindigkeit (ſollicitatio ad motum, velocitas virtualis) vorhanden, die man in568 dieſem Falle ſtatt der wirklichen Geſchwindigkeit ſetzen koͤnne, ſo entkraͤftet doch die Einwendung noch immer die mathematiſche Schaͤrfe dieſer Demonſtration.

Newton (Princip. L. I. Axiom. 3. Coroll. 2.) leitet das Geſetz des Gleichgewichts am Hebel aus der Lehre von Zuſammenſetzung der Kraͤfte her, und Varignon (Nouvelle Mecanique ou Statique, à Paris, 1725. 4. ) hat auf dieſe Lehre die ganze Statik und Mechanik gebaut. Johann Bernoulli aber (Variae prop. mechanico-dynamicae, Opp. To. IV. no. 177. §. V.) behauptet, es muͤſſe vielmehr die Lehre von der Zuſammenſetzung der Kraͤfte auf die Theorie des Hebels gegruͤndet werden, wenn man einen Cirkel im Beweiſen vermeiden wolle. Bey dieſen Unvollkommenheiten der Beweiſe des erſten ſtatiſchen Grundgeſetzes ſagte d'Alembert mit Recht (Traité de Dynamique, à Paris, 1743. 4. préface), man ſey mehr bemuͤht geweſen, das Gebaͤude der Mechanik zu vergroͤßern, als deſſen Eingange Licht zu geben; man habe den Bau immer fortgeſetzt, ohne fuͤr die gehoͤrige Feſtigkeit des Grundes zu ſorgen. Herr Hofrath Kaͤſtner (Vectis et compoſitionis virium theoria evidentius expoſita, Lipſ. 1753. 4. ) hat endlich dieſem Mangel abgeholfen, und einen voͤllig ſcharfen Beweis fuͤr das Geſetz des Hebels gegeben, nach deſſen wiederholter Bekanntmachung er erſt einige aͤhnliche Betrachtungen in des de la Hire Mechanik fand. Ich will dieſen Beweis hier in moͤglichſter Kuͤrze mittheilen.

Wenn an dem doppelarmichten Hebel die beyden auf ihn ſenkrecht wirkenden Kraͤfte gleich groß und gleich weit vom Ruhepunkte entfernt ſind, ſo kan keine von beyden die andere uͤberwinden. Denn eben die Urſachen, welche der einen das Uebergewicht geben koͤnnten, gelten auch von der andern; folglich heben ſich beyde Kraͤfte auf, und es entſteht ein Gleichgewicht. Dieſer Satz hat Evidenz genug fuͤr einen Grundſatz. Die Unterlage C, Taf. X. Fig. 51. hat in dieſem Falle die Summe von D und E, oder D zweymal zu tragen. Wenn alſo anſtatt der Unterlage nur eine Kraft nach der Richtung CF zoͤge, die der Kraft D oder E zweymal569 genommen, gleich waͤre, ſo wuͤrde dieſe den Hebel tragen, und alles wuͤrde ruhen.

Nun nehme man an dieſem Hebel das Gewicht D weg, und befeſtige dagegen den Punkt A ſo, daß er weder aufwaͤrts noch unterwaͤrts weichen kan, ſo wird ſich der doppelarmichte Hebel in den einarmichten Taf. X. Fig. 52. verwandeln, wo die Kraft AD = 2E oder doppelt ſo groß, als die in B angebrachte, B aber noch einmal ſo weit vom Ruhepunkte C entfernt iſt, als A; und wo ſich unter dieſen Umſtaͤnden die einfache und die doppelte Kraft das Gleichgewicht halten.

Aber, wenn man nun dieſen einarmichten Hebel jenſeits der Unterlage um das Stuͤck CF, Fig. 55., verlaͤngerte, das dem Stuͤcke CA gleich waͤre, ſo wuͤrden unſtreitig zwey Pfund an F gehenkt eben ſo ſtark unterwaͤrts nach der Richtung FG ziehen, als zwey Pfund in A, die nach der Richtung AD zoͤgen. Aber die letztern zwey Pfund ſtehen im Gleichgewichte mit einem Pfunde, das noch einmal ſo weit vom Ruhepunkte in B ziehet: alſo halten auch zwey Pfund und ein Pfund am doppelarmichten Hebel einander das Gleichgewicht, wenn das eine Pfund E zweymal weiter vom Ruhepunkte C entfernt iſt, als die zwey Pfund G am andern Arme.

Eben ſo kan man weiter ſchließen, daß in beyden Arten des Hebels das dreyfache Gewicht dem einfachen das Gleichgewicht haͤlt, wenn das einfache dreymal weiter vom Ruhepunkte entfernt iſt; das vierfache dem einfachen, wenn dieſes viermal weiter entfernt iſt u. ſ. w. Ueberhaupt alſo, daß das n fache Gewicht dem einfachen das Gleichgewicht haͤlt, wenn das einfache n mal weiter vom Ruhepunkte abſteht, als das n fache.

Wenn ſich endlich die Kraͤfte D und E Taf. X. Fig. 56. uͤberhaupt, wie m: n, und ihre Entfernungen CA und CB, wie n: m, verhalten, ſo nehme man CP ſo groß, daß es in CA n mal, in CB m mal enthalten iſt, und ſtelle ſich bey P ein angehangnes Gewicht L = n. D = m. E, und eine eben ſo große aufwaͤrts nach PQ gerichtete Kraft vor. Beyde halten einander ungezweifelt das Gleichgewicht. 570Aber die Kraft nach PQ haͤlt auch mit D das Gleichgewicht, weil ſie n mal groͤßer als D, dafuͤr aber D n mal entfernter vom Ruhepunkte C iſt: und das Gewicht L haͤlt mit E das Gleichgewicht, weil es m mal groͤßer als E, dafuͤr aber E m mal weiter entfernt von C iſt. Mithin muͤſſen ſich auch D und E ſelbſt das Gleichgewicht halten. Da ſich jedes Verhaͤltniß durch zwo ganze Zahlen ausdruͤcken laͤßt, welche fuͤr m und n geſetzt werden koͤnnen, ſo gilt dieſer Beweis bey jedem Verhaͤltniſſe der Kraͤſte, und es erfolgt uͤberhaupt ein Gleichgewicht am Hebel der erſten Art, wenn ſich die Kraͤfte verkehrt, wie die Entfernungen vom Ruhepunkte, verhalten.

Daß aber dieſer Satz auch vom einarmichten Hebel gelte, erhellet ſogleich, wenn man Cb = CB nimmt, und fuͤr E eine an b aufwaͤrts nach be ziehende Kraft = E ſubſtituirt. Es bleibt hiebey alles in Ruhe, weil die Kraft E bey b eben ſo auf die Umdrehung des Hebels wirkt, als das Gewicht E in der gleichgroßen Entfernung CB wirkte. Daher iſt die Kraft bey b mit D im Gleichgewicht, wenn ſie ſich zu D wie n: m, ihre Entfernung Cb aber zur Entfernung CA, wie CB zu CA, d. i. wie m: n verhaͤlt. So iſt das Geſetz des Gleichgewichts fuͤr beyde Arten des Hebels erwieſen.

Dieſer Theorie zufolge ſteht ein Pfund mit tauſend Pfunden im Gleichgewichte, wenn der Arm des mathematiſchen Hebels, woran das eine Pfund wirkt, tauſendmal laͤnger, als der andere Arm, iſt. Unter dieſen Umſtaͤnden muß ſogar ein Pfund Kraft mit einem hinzukommenden geringen Zuſatze eine Laſt von 1000 Pfunden in Bewegung ſetzen koͤnnen. Athenaͤus (Deipnoſophiſticorum L. V.) erzaͤhlt, Archimed habe durch Maſchinen den Koͤnig Hieron mit ſeiner Hand ein Schiff bewegen laſſen, und ihm, da er ſein Erſtaunen bezeugt habe, geantwortet: Gieb mir einen Standpunkt, ſo will ich die Erde bewegen. Dieſer kuͤhne Ausſpruch haͤlt zwar keine genaue Pruͤfung aus (ſ. Sturm Diſſ. Terra machinis immota, Altorf. 1691. 4), iſt aber doch im gehoͤrigen Sinne genommen in ſofern richtig, als die571 Theorie an ſich den Verſtaͤrkungen der Kraͤfte durch den Hebel gar keine Grenzen ſetzt.

Wenn ſich die Kraͤfte verkehrt, wie ihre Entfernungen vom Ruhepunkte verhalten, ſo muß das Product der einen Kraft in ihre Entfernung, dem Producte der andern in die ihrige gleich ſeyn. Man nennt daher dieſes Product das Moment (momentum ſtaticum), und druͤckt das Geſetz des Gleichgewichts am Hebel auch ſo aus: Wenn die Momente auf beyden Seiten gleich ſind, ſo erfolgt ein Gleichgewicht, und wenn ein Gleichgewicht erfolgen ſoll, ſo muͤſſen die Momente gleich ſeyn.

Wird der im Gleichgewichte ſtehende Hebel bewegt, wie Taf. X. Fig. 54., ſo verhalten ſich die Wege, welche die Kraͤfte in gleichen Zeiten zuruͤcklegen, wie die Arme des Hebels CA und CB, d. i. verkehrt, wie die Kraͤfte ſelbſt. Ein Pfund alſo, das vier Pfund bewegt, muß vier Schuh weit gehen, indem die vier Pfund nur einen Schuh durchlaufen; es muß ſich alſo viermal ſo geſchwind bewegen. Ie geringer die Kraft iſt, womit die Laſt bewegt wird, deſto groͤßer muß die Geſchwindigkeit der Kraft gegen die Geſchwindigkeit der Laſt ſeyn. Man druͤckt dieſen Satz ſo aus: Soviel man an Kraft|gewinnt, ſoviel verliert man an Geſchwindigkeit. Dies iſt ein allgemeines Geſetz der Maſchinenlehre, und wer 100 Pfund mit 1 Pfund heben will, muß die Kraft durch 100 Schuhe gehen laſſen, wenn die Laſt um 1 Schuh gehoben werden ſoll. Schiefer Zug der Kraͤfte.

Alles Bisherige iſt nur von Kraͤften erwieſen worden, welche ſenkrecht an den Armen des Hebels wirken. Jetzt aber ziehe eine Kraft K, Taf. XI. Fig. 57. an dem Hebel CB unter dem ſchiefen Winkel CBK. Wenn man aus dem Ruhepunkte C auf die Richtung der Kraft BK das Perpendikel CP faͤllet, und ſich vorſtellet, das rechtwinklichte Dreyeck CPB koͤnne um C gedrehet werden, ſo wird die Kraft K, bey P an die Linie CP angebracht, an dieſer Linie mit dem Momente KXCP wirken. Sobald ſie aber CP dreht, dreht ſie zugleich das ganze Dreyeck CPB572 eben ſo ſtark mit, daher auch die Linie CB. Alſo iſt das Moment, womit ſie auf die Umdrehung von CB wirkt, auch = KXCP. Es iſt aber ganz einerley, ob die Kraft K bey P angehangen und durchs Dreyeck CBP mit B verbunden, oder ob ſie unmittelbar an B angebracht iſt. Daher wird das Moment, fuͤr den ſchiefen Zug BK an B, durch das Product der Kraft in die aus dem Ruhepunkte auf die Richtungslinie der Kraft gefaͤllte Perpendicularlinie CP ausgedruͤckt. Verſteht man nun, wie dies in der Statik gewoͤhnlich iſt, unter dem Worte: Entfernung vom Ruhepunkte dieſe Perpendicularlinie aus C auf die Richtung der Kraft BK, (ſ. Entfernung einer Kraft vom Ruhepunkte), ſo wird auch fuͤr den ſchiefen Zug das Moment dem Producte der Kraft in die Entfernung gleich, und ſo gelten alle fuͤr den ſenkrechten Zug erwieſene Saͤtze auch fuͤr den ſchiefen.

So werden am Hebel ACB, Taf. XI. Fig. 58. die ſchiefziehenden Kraͤfte D und E im Gleichgewichte ſeyn, wenn ſie ſich verkehrt, wie die Perpendikel Ca und Cb, die aus C auf ihre Richtungslinien AD und BE gefaͤllt worden, d. i. wie ihre Entfernungen, verhalten. Denn ihre Momente ſind DXCa und EXCb; und das Gleichgewicht erfolgt, wenn dieſe gleich ſind, oder wenn

Wenn man beyder Kraͤfte Richtungen ſo weit verlaͤngert, bis ſie ſich I ſchneiden, ſo giebt die Linie CI die Richtung an, nach welcher die Unterlage gedruͤckt wird, die mittlere Richtung der Kraͤfte. Verlaͤngert man AI und CI ein wenig, und zieht, wo man will, ed mit BI parallel, ſo bildet Ied ein Dreyeck, deſſen drey Seiten den Richtungen der aͤußern Kraͤfte und der mittlern parallel laufen, und deſſen Seiten Id, de und eI ſich, wie die Kraͤfte D, E und der Widerſtand der Unterlage, verhalten. Dies haͤngt mit Stevins Satze vom Gleichgewichte dreyer Kraͤfte zuſammen; ſ. Gleichgewicht.

Weil der Perpendikel Ca = CA. ſin. A, alſo das Moment der Kraft D = D. CA. ſin. A iſt, und ſich daher, wenn D und CA einerley bleiben, wie der Sinus von A, verhaͤlt,573 ſo folgt, daß eine Kraft am Hebel mehr vermoͤge, wenn ſie ſenkrecht, als wenn ſie ſchief angebracht iſt. Beym ſenkrechten Zuge nemlich iſt A ein rechter Winkel, daher ſein Sinus dem Sinustotus gleich und groͤßer, als in jedem Falle, wo A ein ſchiefer Winkel iſt.

Daß alle dieſe Saͤtze auch vom Winkelhebel, oder gebrochnen Hebel, vom krummlinigten Hebel, und von jeder Verbindung gelten, in welcher ſich drey Punkte fuͤr Ruhepunkt und zwo|entgegengeſetzte Kraͤfte denken laſſen, erhellet daraus, weil in allen dieſen Faͤllen die ganze Ebne, in welche ſich dieſe Punkte bringen laſſen, von jeder Kraft mit eben dem Momente und eben ſo ſtark um den Ruhepunkt gedrehet wird, als wenn dieſe Kraft an einer auf ihre Richtung ſenkrechten Linie durch den Ruhepunkt wirkte, woraus die Schluͤſſe eben ſo, wie beym ſchiefen Zuge, folgen, ſ. Winkelhebel. Das angefuͤhrte Geſetz des Gleichgewichts iſt alſo allen mathematiſchen Hebeln gemein. Phyſiſcher Hebel.

Wird das Gewicht des Hebels ſelbſt mit in Betrachtung gezogen, wie dies allerdings in der Ausuͤbung geſchehen muß, ſo heißt der Hebel ein phyſiſcher. Man kan ihn als ein neues Gewicht anſehen, das im Schwerpunkte des Hebels angebracht waͤre, ſ. Schwerpunkt, deſſen Moment beſonders berechnet, und zu dem Momente der Seite, auf die es faͤllt, hinzugeſetzt werden muß. Sind alsdann die Momente beyder Seiten gleich, ſo ſteht der phyſiſche Hebel im Gleichgewichte.

Waͤre z. B. Taf. XI. Fig. 59. der Hebel ACB 10 Pfund ſchwer, und 6 Schuhe lang, bey C, einen Schuh weit von A, durch eine Unterlage geſtuͤtzt, in A mit 300, und in B mit 56 Pfund beſchwert, ſo wuͤrde man ſich ſein ganzes Gewicht von 10 Pfunden in ſeiner Mitte, oder im Schwerpunkte V beyſammen gedenken, und ihn uͤbrigens als einen mathematiſchen Hebel betrachten koͤnnen. Dann waͤren die Momente linker Hand = 300X1; rechter Hand = 56X5 +10X2 = 300, alſo der Hebel im Gleichgewichte. 574

Sollte eben dieſer Hebel, wie Taf. XI. Fig. 60. als einer der zweyten Art gebraucht, und bey A, einen Schuh weit von C mit 300 Pfund beſchwert werden, ſo muͤßte am andern Ende B eine Kraft von 55 Pfund aufwaͤrts ziehen, um das Gleichgewicht zu bewirken. Denn ſo waͤren die herabwaͤrts wirkenden Momente = 300. 1+10.3 = 330; das aufwaͤrts wirkende = 55.6 = 330, alſo beyde gleich groß. So laͤßt ſich aus den ſechs Stuͤcken: Groͤße beyder Kraͤfte, Entfernung derſelben, Gewicht des Hebels, Abſtand ſeines Schwerpunkts vom Ruhepunkte, ein jedes finden, wenn die fuͤnf uͤbrigen gegeben ſind, wozu in den Lehrbuͤchern der Statik umſtaͤndliche Anweiſungen vorkommen.

Sind aber bey noch unbekanntem Ruhepunkte die Kraͤfte und ihre Stellen nebſt dem Gewicht und Schwerpunkte des Hebels gegeben, ſo findet man daraus den Ort des Ruhepunkts, wenn man nach der beym Worte: Schwerpunkt mitgetheilten Regel den gemeinſchaftlichen Schwerpunkt des Hebels und der beyden Kraͤfte ſucht. Dieſer Schwerpunkt iſt alsdann der Ruhepunkt.

Der Hebel iſt das einfachſte, und eben darum auch eines der wirkſamſten Ruͤſtzeuge. Das Reiben betraͤgt bey ihm nur wenig, und die Kraft kan daher faſt eben ſo viel ausrichten, als die Theorie angiebt, welches ſich kaum von irgend einer andern Maſchine ſagen laͤßt. Eine ſeiner nuͤtzlichſten Anwendungen iſt die Wage, ſ. Wage. Die Arten, den einfachen Hebel als Ruͤſtzeug zu Verſtaͤrkung der Kraft zu gebrauchen, ſind unzaͤhlbar, und fallen bey einiger Aufmerkſamkeit uͤberall in die Augen, wo man Menſchen arbeiten ſieht. In ſeiner ganz einfachen Geſtalt iſt er unter dem Namen des Hebebaums bekannt.

Die groͤßte Unbequemlichkeit beym Gebrauche des einfachen Hebels iſt, daß man die Laſt durch ihn nicht hoch heben kan, weil ſein kuͤrzerer Arm nur Kreisbogen von einem ſehr kleinen Halbmeſſer beſchreibt, und alſo die Laſt kaum um die Groͤße eines ſolchen Halbmeſſers erhebt. Dieſer Unbequemlichkeit abzuhelfen, hat man Vorrichtungen erfunden, wo ein Hebel auf abwechſelnden Unterlagen ruhen kan, von denen die folgende immer hoͤher liegt, als die575 vorhergehende, wobey der Hebel mit der daran befindlichen Laſt ſtufenweis von einer zur andern gebracht wird. Oder man verſieht ſeinen kurzen Arm mit Buͤgeln, die in eine gezatznte Stange einfallen, und dieſe mehreremale nach einander, jedesmal um einen Zahn, hoͤher heben. Dieſe Vorrichtungen begreift man zuſammen unter dem Namen der Hebladen. Sie werden zum Erſtenmale bey einem franzoͤſiſchen Schriftſteller (Recreations mathematiques, Rouen, 1634. Part. II. Probl. 21.) unter dem Namen: Levier ſans fin, und aus demſelben beym Schwenter (Mathematiſche Erquickſtunden, Nuͤrnb. 1651. 4. Funfzehuter Theil, 23 Aufg. ) ſehr undeutlich erwaͤhnt, von Leupold aber (Theatr. machinarium, Cap. V. Taf. 16. 17. ) deutlich beſchrieben und abgebildet. Beſondere Hebladen, Baͤume umzuſtuͤrzen und Wurzelſtoͤcke aus der Erde zu reißen, beſchreiben Boͤſe (Hebmaſchine, Goͤttingen, 1771. 8. ), Polhem (Abhdl. der ſchwed. Akad. der Wiſſ. XVIII. B. der Ueberſ. S. 193.) und Silberſchlag (Cloſter-Bergiſche Verſuche, Berlin, 1768. 6 Verſ. S. 169.).

Außerdem findet der Gebrauch des Hebels und die Anwendung ſeiner Geſetze im gemeinen Leben bey tauſenderley Verfahren ſtatt, ohne daß man immer darauf Achtung giebt, oder die Geſetze ſelbſt kennt. Der Geisfuß der Maͤurer, die Ruder, Meſſer, Scheeren, Zangen, Hammer, Bohrer, u. dgl. ſind einfache oder zuſammengeſetzte Hebel, deren Wirkungen dem allgemeinen Geſetze dieſes Ruͤſtzeugs folgen. So beſteht die Scheere aus zween Hebeln, die ſich um einen gemeinſchaftlichen Ruhepunkt drehen, und wo der Widerſtand, den die Theile des zu zerſchneidenden Koͤrper ihrer Trennung entgegenſetzen, die Stelle der Laſt vertritt. Sehr oft wird auch der Hebel ſo angebracht, daß er die Geſchwindigkeit der Bewegungen vergroͤßern ſoll, in welchem Falle die Laſt weiter vom Ruhepunkte entfernt ſeyn muß, als die Kraft.

Auch die Muſkeln des thieriſchen Koͤrpers wirken bey Bewegung der Glieder nach den Geſetzen des Hebels. Die Natur hat hiebey mehrentheils diejenige Art des einarmichten576 Hebels gebraucht, bey welcher die zu bewegende Laſt weiter, als die Kraft, entfernt iſt, und welche einige Schriftſteller unter dem Namen des Wurfhebels beſonders unterſchieden haben, wobey noch uͤberdieß die Richtung der Muſkelfaſern ſehr ſchief an die als Hebel wirkenden Knochen angebracht iſt. Hiebey muß nun die Kraft ungemein viel ſtaͤrker, als die Laſt, ſeyn; dagegen wird aber auch durch die geringſte Bewegung der Kraft, der Laſt eine ſehr große Geſchwindigkeit mitgetheilt. Wenn wir z. B. eine Laſt mit ausgeſtrecktem Vorderarme halten, ſo iſt im Ellenbogen der Ruhepunkt, und der Vorderarm ſelbſt bildet einen Hebel, gegen den die Laſt ſenkrecht wirkt, indeß die Muſkelfaſern faſt mit dem Hebel parallel laufen, und ihn endlich nur unter einem ſehr ſpitzigen Winkel ſchneiden. Daher iſt hier die Entfernung der Kraft ungemein viel geringer, als die Entfernung der Laſt, und die Kraft der Muſkeln muß weit groͤßer ſeyn, als die Laſt, die man in dieſer Stellung halten kan. Borellus (De motu animalium, Lugd. Bat. 1685. 4. P. I. cap. 14.) und Nieuwetyt (Gebrauch der Weltbetrachtung, aus dem Hollaͤnd. von Segner, Iena, 1747. 4. X Betr. S. 104.) haben hieraus Unterſuchungen uͤber die ungemeine Kraft der Muſkeln angeſtellt, ſ. Muſkeln. Die Natur ſcheint dieſe Einrichtung gewaͤhlt zu haben, um den Raum, durch den ſich die Kraft bewegen muß, wenn ſie der Laſt eine betraͤchtliche Geſchwindigkeit geben ſoll, ſo klein, als moͤglich, zu machen.

Kaͤſtners Anfangsgr. der angewandten Mathematik, der math. Anfangsgr. II. Theil. 1 ſte Abtheil. Mechaniſche und Optiſche Wiſſ., Dritte Aufl. Goͤttingen, 1780. 8. Mechanik. §. 25. u. f.

Erxleben Anfangsgruͤnde der Naturl. durch Lichtenberg, Vierte Aufl. Goͤttingen, 1787. 8. §. 74 83.

Heber, Sipho, Siphon.

Dieſen Namen fuͤhrt eine aus zween Schenkeln beſtehende an beyden Enden ofne Roͤhre, ABC, Taf. XI. Fig. 61 und 62, deren Geſtalt uͤbrigens willkuͤhrlich iſt, und deren man ſich bedienen kan, um fluͤßige Materien aus einem Gefaͤße durch den Druck der Luft auslaufen zu laſſen, oder auszuheben. 577

Wenn eine ſolche Roͤhre mit der Oefnung A in ein Gefaͤß mit Waſſer geſenkt wird, ſo ſteigt das Waſſer in ihr von ſelbſt eben ſo hoch, als es im Gefaͤß ſteht, d. i. bis DE, Fig. 61. Bringt man es aber durch Saugen bey C, oder durch andere Mittel ſo weit, daß der ganze Heber bis C voll Waſſer wird, ſo wird er bey C anfangen auszulaufen, und damit ſo lang fortfahren, bis die Waſſerflaͤche DE im Gefaͤße unter A herabgeſunken iſt, und alſo kein Waſſer mehr in die Oefnung A eintreten kan. Es wird alſo das zwiſchen DE und A enthaltene Waſſer bis B gehoben, wovon dieſe Vorrichtung den Namen des Hebers erhalten zu haben ſcheint.

Die Atmoſphaͤre nemlich treibt durch ihren Druck gegen die Waſſerflaͤche DE, das Waſſer herab, daß es durch die Oefnung A in den Heber treten, und uͤber DE hinaus bis B ſteigen muß, wo dieſem Drucke der Luft eine Waſſerſaͤule von der Hoͤhe BE oder BH entgegen wirkt, und alſo (wenn die ſpecifiſche Schwere des Waſſers = 1, der Queerſchnitt des Hebers bey B = b geſetzt wird) der Druck, womit das Waſſer in B nach der rechten Hand getrieben wird, = b. (32 Fuß BH) uͤbrig bleibt. Dagegen druͤckt aber auch die Atmoſphaͤre gegen C aufwaͤrts, und ſtrebt das Waſſer im Schenkel BC zu erheben, oder bey B nach der linken Hand zu treiben. Dieſem Drucke wirkt das Waſſer in BC entgegen; es wird alſo das in B mit dem Drucke b. (32 Fuß BC) nach der linken Hand getrieben. Der Erfolg koͤmmt nun darauf an, welche von beyden Druͤckungen die groͤßere iſt. In dem Fig. 61. vorgeſtellten Falle iſt es die rechter Hand gehende, und das Waſſer in B wird alſo mit der Kraft b. (32 Fuß BH 32 Fuß+BC) = b. (BC BH) = b HC nach H zu getrieben, und muß durch C ausfließen. Das Waſſer zwiſchen BA wird durch den Druck der Luft ſo lange nachgetrieben, als A noch unter Waſſer ſteht, und BC groͤßer denn BH iſt, d. h. ſo lange die ausgießende Oefnung tiefer liegt als die Waſſerflaͤche DE im Gefaͤße.

Es werden, wenn ein Heber fließen ſoll, folgende drey Bedingungen erfordert: 1) daß die einſaugende Oefnung A578 unter Waſſer ſtehe, 2) daß die Hoͤhen EB und FB nicht uͤber 32 Fuß betragen, 3) daß die ausgießende Oefnung C tiefer, als die Waſſerflaͤche im Gefaͤße DE, liege. Die erſte Bedingung iſt an ſich klar. Denn ſobald die Oefnung A das Waſſer nicht mehr erreicht, tritt ſtatt deſſelben Luft in den Heber, und treibt alles darinn enthaltene Waſſer durch C aus.

Die zweyte Bedingung ergiebt ſich daraus, daß der Druck der Atmoſphaͤre das Waſſer nie hoͤher, als 32 Fuß, heben kan. Geht alſo BE uͤber dieſe Grenze hinaus, ſo wird b. (32 Fuß BH) negativ, das Waſſer in B trennt ſich, und ſinkt gegen DE zuruͤck, bis es nur noch 32 Fuß hoch daruͤber ſteht, und uͤber ſich bis B einen luftleeren Raum hat. Aus dem Schenkel BC fließt ebenfalls nur ſoviel, daß noch 32 Fuß hoch Waſſer uͤber C ſteht, und daruͤber bis B ein leerer Raum bleibt. Iſt zwar EB kleiner, aber doch FB groͤßer, als 32 Fuß, ſo wird der Heber zwar anfangen zu fließen; er wird aber aufhoͤren, ſobald die Waſſerflaͤche DE bis 32 Fuß tief unter B geſunken iſt, da ſich denn das Waſſer, wie vorhin, bey B trennen wird. Man kan alſo des Porta Vorſchlag, Waſſer durch Heber uͤber Berge zu fuͤhren, nicht bewerkſtelligen, wenn die Berge uͤber 32 Fuß hoch ſind. Sollte Queckſilber durch den Heber fließen, ſo duͤrften EB und FB nicht uͤber 28 Zoll ſeyn u. ſ. w.

Die dritte Bedingung gruͤndet ſich darauf, daß in der Formel b. (BC BH) BC groͤßer als BH ſeyn, oder C tiefer als H liegen muß, wenn der Werth der Formel poſitiv ſeyn, oder das Waſſer in B wirklich nach C zu getrieben werden ſoll. Iſt BC = BH, ſo wird der Druck in B = 0, und der Heber ſteht ſtill, ohne jedoch auszulaufen. Iſt aber BC kleiner als BH, ſo wird der Druck in B negativ, d.h. das Waſſer wird von B aus ins Gefaͤß zuruͤckgetrieben.

Um hievon Beyſpiele zu geben, ſey Taf. XI. Fig. 63. ABC ein Heber mit gleich langen Schenkeln, deren Oefnungen A und C in einer wagrechten Ebne liegen. So lange DE uͤber A und C ſteht, wird er allerdings fließen,579 weil das Waſſer in B mit der Kraft b HC nach C getrieben wird. Sobald aber die Waſſerflaͤche DE bis AC herabgeſunken, und H bis C gekommen iſt, ſteht er darum ſtill, weil HC = 0 iſt, alſo das Waſſer bey B in Ruhe bleibt. Der Heber bleibt aber voͤllig gefuͤllt, und wenn man wieder Waſſer im Gefaͤße zugießt, ſo faͤngt er von neuem an zu fließen. Setzt man bey C ein Gefaͤß an, in dem das Waſſer hoͤher ſteht, als bey A, ſo fließt er zuruͤck, bis das Waſſer in beyden Gefaͤßen gleich hoch ſteht. Dies iſt der ſogenannte wuͤrtembergiſche Heber.

Eben dieſe Bewandniß hat es mit dem Heber, Taf. XI. Fig. 64., deſſen kuͤrzerer Schenkel BC das Waſſer ſo lange ausgießt, bis die Waſſerflaͤche DE mit der Oefnung C in einerley wagrechte Ebne koͤmmt. Er hoͤrt alsdann aus eben der Urſache auf zu fließen, wie der wuͤrtembergiſche, bleibt aber ebenfalls gefuͤllt, und faͤngt bey mehr hinzugegoßnem Waſſer aufs neue zu fließen an. Dieſe beyden Heber zeigen auch, daß der ausgießende Schenkel nicht eben der laͤngere ſeyn muͤſſe, wie die aͤltern phyſikaliſchen Schriftſteller, z. B. Wolf, mit Unrecht erfordern. Sie haben vor dem gewoͤhnlichen Heber, Fig. 61., noch das voraus, daß ſie ſich nicht ausleeren, wenn ſie zu fließen aufhoͤren, und alſo nicht von neuem gefuͤllt werden duͤrfen, wenn man mehr Waſſer hinzugießt, oder ſie tiefer einſenkt.

Wenn aber bey Fig. 64. die Waſſerflaͤche bey MN, alſo tiefer als C ſteht, und man den Heber durch Saugen fuͤllt, ſo laͤuft er bey C gar nicht, ſondern das Waſſer bey B laͤuft gegen DE zuruͤck, bey C dringt die Luft ein, treibt das Waſſer in CB ebenfalls zuruͤck, und macht den Heber leer.

Die Heber waren ſchon den Griechen bekannt. Heron von Alexandrien (Pnevmaticorum ſ. Spiritalium liber ex interpr. Commandini, Paris. 1575. 4. ) gedenkt ihrer, und erklaͤrt ſie aus der Vermeidung des leeren Raums. Johann Baptiſta Porta (Pnevmaticorum libri III. Neap. 1601. 4. L. III. c. 1.) thut den Vorſchlag, das Waſſer durch einen Heber uͤber Berge zu fuͤhren. Um ſolche580 Heber zu fuͤllen, muͤßten beyde Oefnungen Haͤhne, und der obere Theil B einen Hahn und Trichter haben. Die Haͤhne an den Oefnungen wuͤrden Anfangs verſchloſſen, und der Heber durch den Trichter gefuͤllt; alsdann wuͤrde der Hahn am Trichter verſchloſſen, und die an beyden Enden geoͤfnet. Dieſen Vorſchlag wiederholt auch Schwenter (Mathematiſche Erquickſtunden, XIII. Theil. 2te Aufg. ); beyde wußten noch nicht, daß der Berg kaum 32 Fuß Hoͤhe haben duͤrfe, und kannten die wahre Urſache dieſer Wirkung nicht. Schwenter ſagt: Der ſchwerer Theil noͤthigt das leich ter, daß es in die Hoͤhe ſteigen muß. Buͤchner (Breslauiſche Sammlungen, Januar 1720. Cl. V.) hat Porta's Vorſchlag wirklich ausgefuͤhrt.

Als der Druck der Luft genauer bekannt wurde, fieng man bald an, auch das Fließen der Heber aus demſelben zu erklaͤren. Es iſt eine natuͤrliche Folge aus dieſen Erklaͤrungen, daß der Heber im luftleeren Raume zu fließen aufhoͤren muͤßte, wie dies auch wirklich geſchieht, wenn der Verſuch mit der gehoͤrigen Genauigkeit angeſtellt wird. Aber bey der Unvollkommenheit der ehemaligen Luftpumpen, wollten die engen und niedrigen Heber, deren man ſich bediente, in welchen das Waſſer, wie in jeder Haarroͤhre, ohne Druck der Luft aufſtieg, eine lange Zeit nicht zu fließen aufhoͤren, wenn man ſie unter die Glocke der Luftpumpe brachte. Wolf (Nuͤtzl. Verſuche, Th. III. Cap. 9. §. 123.) bemerkt, daß auch ihm die Heber unter der Glocke der Luftpumpe floͤſſen. Einigen war dies genug, um die Erklaͤrungen aus dem Drucke der Luft aufzugeben, und das Fließen der Heber aus einem Zuſammenhange des vorangehenden Waſſers mit dem nachfolgenden herzuleiten, welches nach Herrn Kaͤſtners Bemerkung (Anmerkungen zur Markſcheidekunſt, Goͤttingen, 1775. 8. in der Vortede) Stricke aus Waſſer flechten heißt. Homberg aber (Mém. de Paris. 1714. p. 84.) hat ſchon ſehr richtig bemerkt, daß dieſes Fließen unter der Glocke keineswegs den Ungrund der Erklaͤrungen des Hebers beweiſe. Wenn die Luft unter der Glocke auch 100mal verduͤnnt wird, welches gewiß mehr iſt, als die alten Luftpumpen leiſteten, ſo hebt581 ſie dennoch das Waſſer noch um (32 / 100) Fuß oder beynahe 4 Zoll, wozu noch das Aufſteigen des Waſſers in engen Roͤhren, und der Umſtand koͤmmt, daß man ſich keines von Luft gereinigten Waſſers bediente, daher unter der Glocke immer neue Luft aufſtieg (ſ. Tetens de cauſſa fluxus ſiphonis bicruralis in vacuo continuati. Butzov. 1763. 4.). Wenn man ſich vollkommnerer Luftpumpen, hoͤherer und weiterer Heber und eines wohl von Luft gereinigten Waſſers oder noch beſſer des Queckſilbers bedient, ſo hoͤrt jeder Heber unter der Glocke auf zu fließen. Hauſen fragte ſeine Zuhoͤrer, ob der Heber fließen ſolle, oder nicht, und machte den Verſuch, wie ſie ihn verlangten.

Gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts machte Johann Jordan, ein Buͤrger zu Stuttgard, zuerſt die Bemerkung, daß ein Heber mit gleich langen Schenkeln aus jeder Oefnung Waſſer gebe, wenn man die andere in ein Gefaͤß mit Waſſer bringt. Der damalige herzoglich wuͤrtembergiſche Leibarzt, Salomon Reiſel, machte im Jahre 1684 die erſte ſehr geheimnißvolle Nachricht davon bekannt, und gab die Sache fuͤr etwas Beſonderes aus. Aber bald nachher beſchrieb Papinus (Philoſ. Trans. 1685. n. 167.) einen ſolchen Heber, und Reiſel ſelbſt (Sipho Wirtembergicus per majora experimenta firmatus, Stutgard. 1690. 4. ) machte nun die wahren Umſtaͤnde bekannt. Dieſer Heber hat den Namen des wuͤrtembergiſchen behalten. Ob er gleich fuͤr diejenigen, welche die Theorie genau kennen, nichts Beſonderes hat, ſo machte er doch damals viel Aufſehen, weil man vorher geglaubt hatte, der eingetauchte Schenkel muͤſſe kuͤrzer ſeyn, als der ausgießende. Man machte viele Verſuche, das Waſſer damit uͤber 32 Fuß zu heben, welche freylich vergeblich waren. Wenn man dieſen Heber, wie Taf. XI. Fig. 65. zeigt, an ein Gefaͤß anbringt, in welchem die Waſſerflaͤche DE hoͤher, als B, ſteht, ſo fuͤllt er ſich von ſelbſt, leert das Gefaͤß bis an A aus, und bleibt gefuͤllt, wenn er zu fließen aufhoͤret.

Der Diabetes des Heron, Taf. XI. Fig. 66. iſt ein verſteckter Heber. Durch den Boden BC des Gefaͤßes582 ABCD geht eine an beyden Seiten ofne Roͤhre EF. Dieſe iſt mit einer andern etwas weitern Roͤhre GHI bedeckt, die ſonſt allenthalben verſchloſſen iſt, nur am Boden bey G eine Oefnung an der Seite hat. Gießt man Waſſer in das Gefaͤß, ſo ſteigt es zugleich in dem zwiſchen beyden Roͤhren befindlichen Zwiſchenraume eben ſo hoch, als im Gefaͤße. So lange nun die Waſſerflaͤche im Gefaͤße niedriger, als die Oefnung E, ſteht, ſo lange kan kein Waſſer auslaufen. Sobald ſich aber dieſe Waſſerflaͤche uͤber E erhebt, wird das Waſſer bey E in die Roͤhre EF hineintreten und durch dieſelbe abfließen. Und wei < * > hier alle Urſachen, wie beym gewoͤhnlichen Heber, vorhanden ſind, ſo wird der Abfluß ſo lange fortdauren, bis das Gefaͤß ganz ausgeleeret iſt. Beyde Roͤhren zuſammen machen einen Heber aus, wovon ein Schenkel in dem andern ſteckt. Dieſe Einrichtung oder auch ein gewoͤhnlicher Heber in einem Becher angebracht, und in dem Rande deſſelben verſteckt, macht den Vexirbecher aus, der maͤßig gefuͤllt, den Wein haͤlt, ganz voll gefuͤllt aber bis auf den Boden auslaͤuft.

Wenn heberfoͤrmige Canaͤle unter der Erde mit natuͤrlichen Brunnen in Verbindung ſtehen, ſo kan ſich bey trocknem Wetter, wobey der obere Theil dieſer Canaͤle leer bleibt, das Waſſer im Brunnen erhalten, da hingegen bey Regenwetter, wenn das Waſſer hoch genug ſteigt, um den Canal bis oben auszufuͤllen, der ganze Brunnen auslaͤuft und trocken wird. Solche Brunnen haben Waſſer, wenn es trocken iſt, und vertrocknen beym Regenwetter.

Der unterbrochne Heber, Taf. XI. Fig. 67. (ſipho interruptus) hat Schenkel, welche nicht unmittelbar mit einander verbunden ſind. Die Steigroͤhre CE ſteht in dem ofnen mit Waſſer gefuͤllten Gefaͤße AB, und iſt oben bey E in das luftdicht verſchloßne Gefaͤß FG hineingeleitet. AB gegenuͤber wird ein anderes mit Waſſer gefuͤlltes Gefaͤß KL angebracht, welches mit FG durch die Roͤhre HI verbunden, ſonſt aber ebenfalls gegen das Eindringen der aͤußern Luft ſorgfaͤltig verwahrt iſt. Am Boden deſſelben iſt die mit dem Hahne O verſehene Roͤhre MN583 angebracht, deren Hahn niedriger liegen muß, als die untere Oefnung C der Steigroͤhre. Oefnet man dieſen Hahn, ſo laͤuft das Waſſer in KL durch MN ab; die Luft in HI, FG und CE breitet ſich in einen groͤßern Raum aus, und der Druck der Atmoſphaͤre treibt das Waſſer durch CE in das obere Gefaͤß. Wenn der Behaͤlter AB einen beſtaͤndigen Zufluß hat, ſo kan man zwiſchen AB und KL eine Verbindung durch eine Roͤhre mit dem Hahne P machen, zugleich aber auch an FG eine Roͤhre zum Ablauf mit dem Hahne Q anbringen. Oefnet man nun P und Q, indem O verſchloſſen iſt, ſo fuͤllt ſich KL mit Waſſer an, und die dadurch vertriebene Luft nimmt ihren Ausweg durch Q. Wenn KL gefuͤllt iſt, verſchließt man P und Q, und oͤfnet dagegen O, ſo ſteigt das Waſſer durch CE in die Hoͤhe. Wenn KL wieder leer iſt, kan man es aufs neue, wie vorhin, durch Oefnung von P und Q fuͤllen, wobey zugleich das gehobne Waſſer aus FG bey Q abfließen wird. Dieſe Maſchine giebt alſo ein Mittel, das Waſſer von A bis Q zu erheben. Es muß aber hiebey die Steigroͤhre CE viel unter 32 Fuß ſeyn. Denn da FG nicht ganz luftleer iſt, ſondern nur verduͤnnte Luft enthaͤlt, ſo wirkt deren Federkraft dem Drucke der Atmoſphaͤre ſtets entgegen. Kan ſich z. B. die Luft in CE, FG und HI, durch das Auslaufen des Waſſers aus KL, durch das Doppelte des vorigen Raums ausbreiten, ſo iſt ihre Federkraft noch halb ſo groß, als der Druck der Atmoſphaͤre; der letztere kan alſo das Waſſer nur 16 Fuß hoch heben. Leupold (Theatr. machin. Hydraul. To. I. §. 12.) beſchreibt dieſe Maſchine vollſtaͤndig, und erinnert mit Recht, KL muͤſſe an koͤrperlichem Raume wenigſtens doppelt ſo groß, als FG, ſeyn, damit ſich die Luft in einen hinlaͤnglich großen Raum verbreiten koͤnne.

Wenn dieſe Maſchine im Großen angebracht werden ſoll, ſo iſt noch eine beſondere Einrichtung dazu noͤthig, daß ſich die Haͤhne O, P, Q zu rechter Zeit oͤfnen und verſchließen. Schott (Technica curioſa L. V. Cap. 1 3.) beſchreibt eine ſolche Maſchine, durch welche Jeremias Mitz, ein Einwohner in Baſel, das Waſſer in ſeinem584 Hauſe in einen erhabnen Behaͤlter leitete. Leupold (a. a. O.) giebt eine Einrichtung an, die ſich von der Mitziſchen nur in Abſicht des Mechanismus zur Oefnung der Haͤhne unterſcheidet, auch zeigt er ſo, wie Wolf (Elem. Matheſeos, Hydraul. §. 79. 80. ), wie ſich mehrere dergleichen unterbrochne Heber verbinden laſſen, um das Waſſer auf betraͤchtlichere Hoͤhen zu heben.

Wolf giebt auch einige Spielwerke an, die ſich mit dem Heber machen laſſen. Man kan ihm z. B. die Geſtalt einer Schlange geben, die aus einem Baſſin das Waſſer ausſaͤuft, was ein Storch in ſelbiges ausſpeyt u. dgl. Nimmt man zum Heber eine Glasroͤhre, wie ABC, Taf. XI. Fig. 62., deren unteres Ende C aufwaͤrts umgebogen und in eine Spitze mit einer engen Oefnung ausgezogen iſt, ſo ſpringt das bey C auslaufende Waſſer in die Hoͤhe, und man erhaͤlt einen kleinen Springbrunnen, den man an ein Gefaͤß mit Waſſer haͤngen kan. Auch der unterbrochne Heber, Taf. XI. Fig. 67. kan zum Springbrunnen dienen, wenn man ſtatt des Gefaͤßes FG eine hohe glaͤſerne Glecke auf einen metallnen Teller kuͤttet, die Steigroͤhre CE durch den Teller fuͤhrt und ihr eine zugeſpitzte Oefnung giebt, wobey das Gefaͤß KL ganz wegbleiben, und die Roͤhre HI bis N in einem fortgefuͤhrt werden kan. Eine große Anzahl von allerley Hebern beſchreibt Lehmann (Diſſ. de Siphonibus, Lipſ. 1710. 4.).

Die einfachen Heber werden insgemein durch Saugen gefuͤllt. Weil man ſie bisweilen zu Liquoren braucht, die man nicht gern in den Mund kommen laͤßt, ſo bringt man am laͤngern Schenkel, etwa bey G, Taf. XI. Fig. 61. noch ein aufwaͤrtsgehendes Glasrohr an, an deſſen Ende man, indem C mit dem Finger verſchloſſen wird, ſo lange ſaugt, bis der Liquor den ganzen Schenkel BC angefuͤllt hat. Ein ſolcher Heber heißt ein doppelter (ſiphon double, ou de laboratoire). Lowitz (Sammlung der Verſuche, wodurch ſich die Eigenſchaften der Luft begreiflich machen laſſen. Nuͤrnb. 1754. 4. ) hat einen Heber angegeben, der ſich ohne Saugen fuͤllen laͤßt. Mit den gemeinen585 Hebern iſt dieſes leicht durch eine geſchickte Neigung derſelben zu bewerkſtelligen.

Kaͤſtner Anfangsgr. der angew. Math., der mathem. Anfangsgr. II. Th. < * > ſte Abth. Dritte Aufl. Hydraulik. §. 4 8.

Karſten Lehrbegrif der geſammten Mathem. Fuͤnfter Theil, Hydraulik, XVI. Abſchnitt. §. 248 260.

Erxleben Anfangsgr. der Naturl. durch Lichtenberg. Vierte Aufl. §. 252 255.

Heber, anatomiſcher

Sipho anatomicus. Der Freyherr von Wolf (Element. Matheſ. Hydroſtat. Cap. II. §. 52.) beſchreibt unter dieſem Namen ein blechernes Gefaͤß DGEF, Taf. XI. Fig. 68., an welches die hohe Roͤhre HI angeloͤthet iſt. Spannt man uͤber die Oefnung FD eine Blaſe oder andere haͤutige Theile des thieriſchen Koͤrpers, und gießt das Gefaͤß und die Roͤhre HI voll Waſſer, ſo wird die Haut nicht nur mit großer Gewalt in Geſtalt eines Kugelſegments ausgedehnt, ſondern es werden auch durch den ſtarken und gleichfoͤrmigen Druck alle Haͤutchen und Gefaͤße ſo aus einander getrieben, daß man ſie vermittelſt eines kleinen Einſchnitts weit bequemer, als ſonſt, von einander trennen, und die Structur der haͤutigen Theile ſehr genau beobachten kan. Die Blaſe FD nemlich wird von unten auf mit einer Kraft gepreßt, welche dem Gewichte der Waſſerſaͤule FDLK gleich iſt, ſ. Druck (Th. I. S. 613.). Bey Wolfs anatomiſchem Heber (Nuͤtzliche Verſuche, Th. I. Cap. 3. §. 58.) war die Roͤhre HI 11 Lin. weit, und 250 Liu. hoͤher, als das Gefaͤß, ſo daß ſie 1 1 / 2 Pfund Waſſer hielt. Das Gefaͤß ſelbſt hatte 48 Lin. im Durchmeſſer; die Blaſe FD ward mit 30 Pfund Gewicht beſchwert, welche durch den Druck des Waſſers in HI, das doch nur 1 1 / 2 Pfund wog, wirklich gehoben wurden.

Heberbarometer, ſ. Barometer.

Heliacus, ortus et occaſus ſiderum, ſ. Aufgang der Geſtirne, Untergang der Geſtirne.

Helioeentriſch, Heliocentricum, Héliocentrique.

So nennt man dasjenige, was ſich auf den Mittelpunkt der Sonne bezieht, oder wovon man ſich vorſtellt, als ob586 es aus dem Mittelpunkte der Sonne betrachtet wuͤrde. Der Ort, den ein Planet, aus der Mitte der Sonne geſehen, unter den Fixſternen einnehmen wuͤrde, heißt ſein heliocentriſcher Ort, und deſſen Laͤnge und Breite heliocentriſche Laͤnge und Breite des Planeten. Da die Bewegungen der Planeten um die Sonne, als einen feſten Punkt, gehen, und alſo aus ihr am regelmaͤßigſten erſcheinen, ſo werden die aſtronomiſchen Rechnungen zuerſt auf die heliocentriſchen Orte gerichtet, wobey ſich die gehoͤrigen Berichtigungen leichter anbringen laſſen, worauf man denn das Gefundene erſt auf den geocentriſchen, und alsdann auf den wahren Ort reduciret, ſ. Geocentriſch.

Heliometer, Heliometrum, Héliometre.

Ein Werkzeug, das, an ein Fernrohr angebracht, dienen kan, den ſcheinbaren Durchmeſſer der Sonne (oder des Monds) zu meſſen, wozu die gewoͤhnlichen Mikrometer nicht bequem find.

Nach der erſten von Bouguer (Mém. de l'Acad. des Sc. 1748.) bekannt gemachten Einrichtung beſteht dieſes Werkzeug aus einem aſtronomiſchen Fernrohre mit zweyen neben einander liegenden Objectivglaͤſern, welche zwey neben einander liegende Bilder des Gegenſtandes machen. Dieſe Bilder werden beyde zugleich durch ein einziges Ocular betrachtet. Von den beyden Objectivglaͤſern iſt das eine unbeweglich, das andere aber kan jenem mittelſt einer Schraube genaͤhert oder auch weiter davon entfernt werden, wodurch ſich denn auch die beyden Bilder des Gegenſtandes naͤhern, oder entfernen. Stellt man nun bey Betrachtung der Sonne die Objective ſo, daß beyde Sonnenbilder ſich mit den Raͤndern beruͤhren, ſo giebt alsdann die Entfernung der Mittelpunkte beyder Glaͤſer den Durchmeſſer des Sonnenbilds an, welcher dem ſcheinbaren Durchmeſſer der Sonne ſelbſt jederzeit proportional iſt. Die Entfernung der Mittelpunkte beyder Glaͤſer wird durch einen am beweglichen Objective angebrachten Zeiger, auf einem Maaßſtabe angegeben, wobey die Schraube durch ihre Umdrehung an einer getheilten Scheibe die kleinern Theile beftimmt,587 deren Werth, ſo wie der Werth der groͤßern Theile des Maaßſtabs, wie beym Mikrometer, durch Erfahrung ausgemacht werden muß, ſ. Mikrometer. Hiebey iſt es gut, große Objective zu haben, weil bey großen Bildern die Beruͤhrung der Raͤnder ſchaͤrfer wahrgenommen werden kan. Um die Mittelpunkte in allen Faͤllen nahe genug an einander bringen zu koͤnnen, wird von jedem Glaſe an der Seite, die es dem andern zukehrt, ein Theil abgeſchnitten, daß alſo die Glaͤſer die Geſtalt der groͤßern Segmente eines Kreiſes erhalten. So wird auch dieſes Werkzeug von de la Lande (Aſtronomie, §. 2433. der zweyten Ausg. ) beſchrieben. Umſtaͤndlicher handelt davon und von der Beſtimmung des Werths der Theile am Maaßſtabe, Herr Kaͤſtner (Aſtron. Abhandl. II. Samml. S. 372. u. f.).

Savery hatte ſchon im Jahre 1743 der koͤniglichen Societaͤt zu London die Beſchreibung eines aͤhnlichen Werkzeugs uͤbergeben (Philoſ. Transact. 1753. Vol. XLVIII. P. I. no. 26.), um den Unterſchied der Sonnendurchmeſſer in der Erdnaͤhe und Erdferne zu meſſen, wenn gleich das Fernrohr ſo ſtark vergroͤßerte, daß man den ganzen Durchmeſſer nicht auf einmal ſehen konnte. Hiebey bleiben beyde Objective unbeweglich; die Bilder ſtehen mit den Raͤndern von einander ab, und der veraͤnderliche Abſtand wird durch ein gewoͤhnliches im Brennpunkte angebrachtes Mikrometer gemeſſen. Savery hatte auch ſchon den Einfall, nicht zwey ganze Objectivglaͤſer zu gebrauchen (weil man ſelten zwey von genau gleichen Brennweiten findet), ſondern ein einziges in Stuͤcken zu zerſchneiden, und dieſe ſtatt der ganzen anzuwenden.

Dollond (Philoſ. Trans. a. a. O. no. 27.) halbirt ein Objectivglas, und braucht beyde Helften ſo, wie Bouguer die ganzen Glaͤſer. Hiebey kan man die Mittelpunkte C und c, Taf. XI. Fig. 69. ſo nahe man will, zuſammenbringen, alſo ihre Abſtaͤnde genauer beſtimmen, auch kleinere Winkel, als bey der vorigen Einrichtung, meſſen. Die beyden Helften bewegt Dollond ſo an einander, wie die Figur zeigt, macht die eine unbeweglich, und mißt die Verſchiebung der andern durch einen Maaßſtab588 mit einem Vernier ab. Um die Laͤnge des Fernrohrs abzukuͤrzen, ſchlaͤgt er vor, hinter die beyden halbirten Objective noch ein ganzes von kuͤrzerer Brennweite zu ſetzen; oder noch lieber die halbirten Objective an der vordern Oefnung eines Spiegelteleſkops anzubringen. Werkzeuge nach dem letztern Vorſchlage eingerichtet, heißen Spiegelteleſkope mit Objectivmikrometern. Sie werden haͤufig gebraucht, weil das Spiegelteleſkop wegen der Kleinheit ſeines Bildes das gewoͤhnliche Mikrometer nicht wohl zulaͤßt. Beſchreibungen davon findet man bey de la Lande (Aſtron. zweyte Ausg. §. 2438. u. f.) und in einer Disputation von Hallencreuz und Inſulin (De micrometro objectivo, Upſala. 1767. 4.).

Das Heliometer kan uͤberhaupt zu Meſſung kleiner Weiten am Himmel dienen. Lambert (Beytraͤge zum Gebrauch der Mathem. III. Th. Berlin, 1772. 8. Num. VII. §. 25.) beſchreibt ein wohlfeiles Werkzeug dieſer Art, das er gebraucht hat, Abſtaͤnde eines Kometen von Fixſternen zu meſſen.

Kaͤſtner Aſtronomiſche Abhandlungen, Zweyte Sammlung, Goͤttingen, 1774. 8. S. 372. u. f.

Helioſkop, Helioſcopium, Hélioſcope.

Ein Fernrohr, hinter welchem man das Bild der Sonne auf einer Ebne auffaͤngt. Ein aſtronomiſches oder hollaͤndiſches Fernrohr wird etwas weiter aus einander gezogen, als es, um dadurch zu ſehen, noͤthig iſt. So wird es gegen die Sonne gerichtet, und das dadurch entſtehende Bild in einem dunklen Orte aufgefangen. In dieſer Abſicht wird entweder ein Zimmer verfinſtert; oder man ſteckt das Fernrohr in ein dunkles trichterfoͤrmiges Behaͤltniß, deſſen Boden mit Papier in Oel getraͤnkt uͤberſpannt, oder mit einem mattgeſchliffenen Glaſe verſchloſſen iſt, darauf ſich die Sonne abbildet. Auf dieſem Papiere oder Glaſe wird ein Kreis beſchrieben, den das Sonnenbild gerade ausfuͤllt (circulus obſervatorius), und der durch 5 innere concentriſche Kreiſe in die gewoͤhnlichen 12 Zolle getheilt wird.

Scheiner (Roſa Urſina, Bracciani, 1626. fol. L. II.589 cap. 27.) hat ein Fernrohr im verfinſterten Zimmer zu Beobachtung der Sonnenflecken gebraucht. Er bediente ſich des hollaͤndiſchen Fernrohrs, weil damals noch kein anderes bekannt war. Hevel (Selenographia, Prolegom. p. 98.) beſchreibt dieſes Verfahren ausfuͤhrlich. Von dem ſprachrohrfoͤrmigen Helioſkop, deſſen ſich Eimmart in Nuͤrnberg zu Beobachtung der Sonnenfinſterniſſe bediente, handelt Roſt (Aſtronomiſches Handbuch, Th. II. Cap. 11.). Gebraucht man dabey ein aſtronomiſches Fernrohr, ſo ſtellt ſich das Bild aufrecht dar. Ein ungenannter Italiaͤner (De h < * > liometri ſtructura et uſu. Venet. 1760. 4. ) hat an dieſem Werkzeuge, das er unrichtig Heliometer nennt, noch einige Veraͤnderungen gemacht; es iſt aber zu ſo genauen Beobachtungen, als der jetzige Zuſtand der Aſtronomie erfordert, untauglich, und dient blos zu einer bequemen Betrachtung und Abzeichnung der Sonnenſcheibe mit ihren Flecken.

Kaͤſtner Aſtronomiſche Abhandlungen, Zweyte Sammlung. S. 362. u. f.

Hemiſphaͤr, ſ. Halbkugel.

Hepatiſche Luft, ſ. Gas, hepatiſches.

Herbſt, Spaͤtjahr, Autumnus, Automne.

Eine der vier Jahrszeiten, welche zwiſchen den Sommer und Winter faͤllt, von dem Tag anfaͤngt, an welchem die Sonne beym Niederſteigen in den Aequator tritt, und ſich mit dem endiget, an welchem dieſelbe im Mittage ihren niedrigſten Stand im Jahre erreicht. Diejenige Helfte der Ekliptik, welche bey uns die niederſteigenden Zeichen vom Krebſe bis zum Steinbock enthaͤlt, wird vom Aequator im Anfangspunkte der Wage durchſchnitten; daher beſtimmt der Eintritt der Sonne in die Wage den Anfang, und der in den Steinbock das Ende des Herbſts, welcher alſo bey uns um den 23. September mit der Nachtgleiche anfaͤngt, und um den 21. December mit dem kuͤrzeſten Tage aufhoͤrt, ſ. Ekliptik.

In der ſuͤdlichen gemaͤßigten Zone enthaͤlt die andere Helfte der Ekliptik die niederſteigenden Zeichen, daher der590 Herbſt mit der Nachtgleiche um den 20. Maͤrz anfaͤngt, und mit dem kuͤrzeſten Tage um den 21. Iunius aufhoͤrt.

Im gemeinen Leben, wo die Namen der Jahrszeiten mehr auf Temperatur und Witterung, als auf den Stand der Sonne bezogen werden, verſteht man unter dem Herbſte die unbeſtimmte Zeit, binnen welcher die Sonnenwaͤrme allmaͤhlich abnimmt, die Temperatur rauher und kaͤlter wird, und die ihrer Fruͤchte entledigten Baͤume Laub und Saft verlieren.

Herbſtnachtgleiche

Aequinoctium autumnale, Equinoxe d' automne. Die Zeit, zu welcher die Sonne beym Niederſteigen den Aequator erreicht, an allen Orten der Erde den Tag der Nacht gleich macht, und in unſerer gemaͤßigten Zone den Anfang des Herbſts beſtimmt. Da ſie alsdann im Aequator ſelbſt ſteht, und dieſen als ihren Tagkreis beſchreibt, den jeder Horizont in gleiche Helften ſchneidet, ſo iſt ſie uͤberall 12 Stunden ſichtbar und 12 Stunden unſichtbar. Es geſchieht dies fuͤr die noͤrdliche Helfte der Erdkugel bey ihrem Eintritte in die Wage, jaͤhrlich um den 23. September.

Herbſtpunkt

Punctum aequinoctii autumnalis, Equinoxe d' automne. Derjenige Durchſchnittspunkt des Aequators mit der Ekliptik, in welchen die Sonne, bey ihrem ſcheinbaren jaͤhrlichen Umlaufe, um den 23. September oder zu Anfange des Herbſtes tritt, indem ſie aus der noͤrdlichen Halbkugel in die ſuͤdliche niederſteigt. Er iſt der Anfangspunkt des Zeichens der Wage, und wird mit

[figure]

bezeichnet, obgleich das Sternbild der Wage dieſen Ort verlaſſen hat, und der Herbſtpunkt anjetzt nahe bey den Sternen auf der linken Schulter der Jungfrau ſtehet. Er iſt dem Fruͤhlingspunkte, oder Anfange der Ekliptik und des Aequators gerade entgegengeſetzt, daher betraͤgt ſeine gerade Aufſteigung 180°, ſeine Laͤnge eben ſoviel, oder 6 Zeichen; ſeine Abweichung und Breite aber ſind = 0. 591

Hermetiſch verſchloſſen, Hermetice clauſum ſ. ſigillatum, Scellé hermétiquement.

Die aͤltern Chymiſten nannten die Oefnung eines glaͤſernen Gefaͤßes oder einer Roͤhre hermetiſch verſchloſſen, wenn man ſie am Feuer zugeſchmolzen hatte. Dieſe Benennung hat ſich noch erhalten, und wird den Roͤhren der Barometer und anderer phyſikaliſchen Werkzeuge beygelegt, deren Oefnungen man an der Lampe ſo verſchmolzen hat, daß ſie die Roͤhre mit einer ununterbrochnen Woͤlbung oder in Form einer Spitze vollkommen zuſchließen.

Heronsball, ſ. Springbrunnen.

Heronsbrunnen, ſ. Springbrunnen.

Heterogen, Ungleichartig

Heterogeneum, Diſſimilare, Heterogène, Diſſimilaire. Was von verſchiedner Art und Beſchaffenheit iſt. Beſtehen Koͤrper aus Theilen von verſchiedener Natur, Dichte, Farbe rc. ſo ſind eigentlich dieſe Theile unter einander heterogen. Manche Schriftſteller nennen aber in ſolchen Faͤllen die Koͤrper ſelbſt heterogene. Dergleichen ſind die Thiere, Pflanzen, auch die meiſten Mineralien in ihrem natuͤrlichen Zuſtande, das Sonnenlicht, die aus verſcbiedenen Gattungen ungleich gemiſchte Luft der Atmoſphaͤre u. dgl. Dem Heterogenen ſetzt man das Homogene entgegen, ſ. Homogen.

Heteroſcii, Heteroſciens, EinſchatrichteDurch ein Verſehen iſt das Wort: Einſchatrichte unter dem Buchſtaben E im erſten Theile ausgelaſſen.. Die Bewohner der gemaͤßigten Zonen, welche ihre mittaͤglichen Schatten das ganze Jahr hindurch nur auf eine Seite werfen. Bey uns iſt dies die Nordſeite, bey den Bewohnern der ſuͤdlichen gemaͤßigten Zone die Suͤdſeite. Die Benennung koͤmmt von dem griechiſchen〈…〉〈…〉12, einer, und〈…〉〈…〉13, der Schatten.

Himmel, Himmelskugel, Himmelsgewoͤlbe, Firmament

Coelum, Sphaera coeleſtis, Firmamentum, Ciel, Firmament. Das blaue Gewoͤlbe, welches592 uns zu umgeben ſcheint, an dem ſich, wenn es nicht von Wolken bedeckt wird, die Sonne und die Geſtirne zeigen.

Die Sternkunde uͤberzeugt uns, daß dieſe Woͤlbung eine bloße Erſcheinung ſey, obgleich das alte Syſtem des Ariſtoteles und der Scholaſtiker ſie als eine wirkliche Hohlkugel betrachtete, und ſogar mehrere feſte Himmel oder in einander ſteckende Sphaͤren von dieſer Art annahm. Die copernikaniſche Weltordnung aber verſchafte von den unermeßlichen Entfernungen und Groͤßen der Fixſterne und des Weltraums richtigere Begriffe, mit welchen die alte Meynung von der Feſtigkeit der Himmel nicht mehr beſtehen konnte; uͤberdies ſahe man auch die Kometen nach allerley Richtungen in Bahnen von ungemeiner Groͤße laufen, und die eingebildeten Sphaͤren ungehindert durchſchneiden. Descartes ſetzte daher an die Stelle der ehemaligen feſten Himmel ſein Syſtem des vollen Raumes und der Wirbel. Er dachte ſich das ganze Weltgebaͤude als abſolut erfuͤllt mit den Theilen ſeines zweyten Elements, welche um die Himmelskoͤrper in unzaͤhlbaren Wirbeln mit ſchneller Bewegung umliefen. Newton hat endlich aus den Erſcheinungen der Himmelskoͤrper, aus den immer fortgeſetzten Bewegungen der Planeten, aus ihrer nicht abnehmenden Geſchwindigkeit, und aus dem freyen Durchgange der Kometen durch alle Gegenden des Himmels erwieſen, daß der Raum, in welchem ſich die Himmelskoͤrper bewegen, keine merklich widerſtehende Materie enthalten koͤnne, und daß ſich darinn nichts, als das Licht, oder vielleicht eine aͤußerſt feine elaſtiſche Fluͤßigkeit befinde, ſ. Aether.

In dieſem Raume bewegen ſich nun alle Himmelskoͤrper, und unter ihnen auch die mit ihrem Luftkreiſe umgebne Erdkugel. Jedes Auge auf derſelben blickt durch den Luftkreis hindurch in die grenzenloſe Ferne des Himmels, und da dieſe Ausſicht nach allen Seiten zu frey iſt, außer da, wo ſie durch die Erdflaͤche ſelbſt unterbrochen wird, ſo entſteht daraus natuͤrlich die Erſcheinung einer das Auge593 umgebenden ununterbrochenen Rundung eines auf dem Horizonte aufſtehenden Gewoͤlbes.

Die himmelblaue Farbe (couleur azurée) dieſes Gewoͤlbes iſt keineswegs, wie die Alten annahmen, dem Himmel oder der Sphaͤre eigen; ſie iſt vielmehr eine Wirkung des durch den Luftkreis gehenden Lichts der Sonne und der Geſtirne. Die Stellen der Woͤlbung, an denen wir keine Geſtirne erblicken, ſollten eigentlich wie alles, was gar kein Licht ins Auge ſendet, ſchwarz erſcheinen. Allein das Licht der Sonne und der Geſtirne wird von der Erde in den Luftkreis, und von den Lufttheilen wieder auf die Erde zuruͤckgeworfen. Dieſe Lufttheile laſſen die ſtaͤrkſten Lichtſtralen, d. i. die rothen, gelben und gruͤnen hindurch, und werfen hingegen die blauen, als die ſchwaͤchſten, wiederum gegen die Erde und ins Auge zuruͤck. Dies iſt Nollets Erklaͤrung (Leçons de Phyſique, To. VI. p. 17.). Faſt eben dies kan man auch ſo ausdruͤcken, daß das Durchſehen durch eine große Maſſe von erleuchteter Luft die Empfindung der blauen Farbe errege, daher auch ſehr entlegne Gegenſtaͤnde, z. B. entfernte Gebirge und Waͤlder, blau ausſehen.

Wenn ſich in den Anblick der ſcheinbaren Himmelswoͤlbung keine Urtheile uͤber den Abſtand der Stellen einmiſchten, ſo muͤßte ſie ſich als eine vollkommne Halbkugel darſtellen, weil man aus dem bloßen Anblicke nicht wiſſen kan, ob eine Stelle entfernter als die andere iſt. Da wir aber unſer Sehen allezeit mit Urtheilen uͤber Entfernung, Groͤße und Geſtalt begleiten, ſ. Entfernung, ſcheinbare, ſo thun wir dies auch, ſelbſt ohne uns deſſen deutlich bewußt zu ſeyn, bey der Betrachtung des Himmels, der uns demnach als ein Gewoͤlbe von einer ganz eignen, am obern Theile eingedruͤckten, Kruͤmmung erſcheint, wobey der Horizont 3 4mal weiter vom Auge abſteht, als der Scheitelpunkt.

Dieſe eingedruͤckte Geſtalt des Himmels gruͤndet ſich auf den durch ſo viele Beyſpiele beſtaͤtigten Geſichtsbetrug, nach welchem wir alle vor uns nach der Plaͤne hin liegende Dinge fuͤr entfernter halten, als die in gleichem594 Abſtande uͤber uns geſehenen Gegenſtaͤnde, ſ. Geſichtsbetruͤge, Entfernung, ſcheinbare. Dem zufolge ſcheinen uns die niedrigen Stellen des Himmels weiter, die hoͤhern naͤher zu ſeyn, und es entſteht daraus die Vorſtellung einer ſtark eingedruͤckten Woͤlbung, deren Kruͤmmung nach Folkes Bemerkung beym Smith (Vollſt. Lehrbegriff der Optik, durch Kaͤſtner, S. 416.) die Geſtalt einer Muſchellinie hat. Smith (a. a. O. S. 55.) giebt eine Methode an, dieſe Geſtalt und ihre Abmeſſungen genauer zu unterſuchen. Er ſuchte nach dem Augenmaaße diejenige Stelle des Monds, wo derſelbe vom Scheitel eben ſo weit, als vom Horizonte, abzuſtehen ſchien. Dies war an dem ſcheinbaren Gewoͤlbe CDBA (Taf. XI. Fig. 70.) der Punkt B, wo CB = BA geſchaͤtzt wurde. Wenn er nun hierauf die wahre Hoͤhe des Monds oder den Winkel BOA mit aſtronomiſchen Werkzeugen maß, ſo fand er ihn = 23°, woraus ſich vermittelſt einer cubiſchen Gleichung, oder noch leichter durch geometriſche Conſtruction, OC: OA wie 3: 10 oder nach Hrn. Kaͤſtners Anmerkung beynahe wie 1: 3,23 findet. Er bemerkt auch, wenn die Sonne 30° hoch ſtehe, ſo ſcheine ſie dem bloßen Auge ſchon naͤher am Zenith, als am Horizonte zu ſeyn, ob ſie gleich in der That dem letztern weit naͤher ſteht. Und wenn ein Stern in der Hoͤhe von 45°, alſo gerade zwiſchen Scheitel und Horizont in der Mitte ſteht, ſo wird er nach der Linie OD ſo geſehen, daß ſein Ort D vom Horizonte A uͤber dreymal weiter, als vom Zenith C, abzuſtehen ſcheint. Eine nothwendige Folge hievon iſt, daß gleiche Winkel, z. B. von 15°, dem Auge am Horizonte weit groͤßer, als am Zenith, ausſehen. Ein ſolcher Winkel faßt am ſcheinbaren Gewoͤlbe zwiſchen ſeinen Schenkeln am Horizonte den Bogen Aa, am Zenith den Bogen Cc, und man irrt ſich erſtaunlich, wenn man die wahre Groͤße des Winkels nach dieſen Bogen beurtheilt.

Hieraus ergiebt ſich nun ſehr leicht, warum Sonne, Mond, Entfernungen der Sterne von einander, Breite des Regenbogens, und uͤberhaupt alle ſcheinbare Groͤßen am Himmel, beym Horizonte merklich groͤßer, als in der595 Hoͤhe ſcheinen. Die Urſache iſt die ſcheinbare Geſtalt des Himmels, oder, was eben ſoviel ſagen will, weil ſie das Auge nach den gewoͤhnlichen Regeln des Sehens am Horizonte fuͤr entfernter nimmt. Smith giebt uͤber dieſes Verhaͤltniß der ſcheinbaren Entfernungen OA, Oa, OB, OD, OC, welches zugleich das Verhaͤltniß der ſcheinbaren Groͤſſen iſt, folgende Tabelle:

HoͤhenScheinbare Entfernungen.
100
1568
3050
4540
6034
7531
9030

Er erklaͤrt auch hieraus die elliptiſche Geſtalt der Halonen, welche Newton, Whiſton (Philoſ. Trans. no. 369.) und er ſelbſt, bemerkt hatten, indem der untere Halbmeſſer des Hofs jederzeit groͤßer, als der obere, erſcheint, welches den verticalen Durchmeſſer aͤndert, indem der horizontale ungeaͤndert bleibt. Endlich beſtaͤtigt er dieſe ſehr richtige Theorie noch durch die Beyſpiele der Kometenſchweife und eines von Cotes geſehenen Meteors.

Nach dem Anfuͤhren des Roger Baco (Perſpectiv. p. 118. ed. Combach. ) ſoll ſchon Ptolemaͤus, in ſeiner verlohren gegangenen Schrift von der Optik, die ſcheinbare Vergroͤßerung der Sonne und des Monds am Horizonte auf dieſe Art erklaͤrt haben, ob er ſie gleich in ſeinem Almageſt (L. I. c. 3.), ſo wie Strabo (Geogr. L. III. ſub init. ), unrichtig aus der Stralenbrechung durch die Duͤnſte herleitet. Alhazen im ſiebenden Buche zeigt, daß die Stralenbrechung vielmehr eine Verkleinerung bewirken muͤßte, und erklaͤrt das Phaͤnomen fuͤr einen Geſichtsbetrug aus der groͤßern ſcheinbaren Entfernung des Himmels am Horizonte. Dieſe ſehr vernuͤnftige Erklaͤrung, welche auch Hobbes und Gaſſendi angenommen hatten, ward vom P. Gouye (Mém. de Paris, 1700.) und von Molyneux (Phil. Trans. no. 187.) wieder beſtritten, von De -596 ſaguliers aber aufs neue vertheidigt und durch Verſuche beſtaͤtiget.

Bertley (Eſſay towards a new theory of viſion, Dublin, 1709. 8. Sect. 68.) glaubt, der Mond ſehe im Horizonte groͤßer und entfernter aus, weil er wegen der Duͤnſte matter leuchte. Dieſe Meynung nimmt auch Euler im dritten Theile der Briefe an eine deutſche Prinzeſſin (S. 317. u. f.) an, und erklaͤrt daraus zugleich die plattgedruͤckte Geſtalt des Himmels. Smith fuͤhrt aber gegen dieſe Erklaͤrung des Berkley an, daß der Mond bey Tage und bey Mondfinſterniſſen in der Hoͤhe geſehen, auch matter und doch nicht groͤßer erſcheine, und daß man aus dieſer Hypotheſe keinen Grund von der Vergroͤßerung der Sternbilder oder des Abſtands der Fixſterne von einander angeben koͤnne. Unſtreitig iſt es weit richtiger, dieſe Vergroͤßerung daraus herzuleiten, daß wir die Gegenſtaͤnde am Himmel da zu ſehen glauben, wo ihre Projection auf das ſcheinbare Gewoͤlbe hinfaͤllt; die Geſtalt dieſes Gewoͤlbes ſelbſt aber aus der Verſchiedenheit des Urtheils uͤber Entfernungen am Horizonte und in der Hoͤhe, zu erklaͤren, welches Smith ſehr umſtaͤndlich ausfuͤhrt, und S. 419. noch durch die Erſcheinung der lichten Stralen erlaͤutert, welche aus dem ſcheinbaren Orte der Sonne hinter den Wolken ausfahren.

Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel, S. 504. u. f.

Himmelskugel, kuͤnſtliche, Globus caeleſtis artificialis, Globe céleſte.

Eine Kugel von Holz oder Pappe, auf deren Flaͤche die Punkte und Kreiſe der Himmelskugel nebſt den Sternbildern und Fixſternen in den gehoͤrigen Lagen und Verhaͤltniſſen verzeichnet ſind, und die in einem dazu ſchicklichen Geſtell gedrehet werden kan ein Modell der ſcheinbaren Himmelskugel.

Zwar erſcheint uns, dem vorhergehenden Artikel zufolge, der Himmel als ein plattgedruͤcktes Gewoͤlbe; aber dieſe unregelmaͤßige Geſtalt haͤngt blos von einem Urtheile oder Geſichtsbetruge ab, und der Himmel muß, wenn wir bey der reinen optiſchen Darſtellung ſtehen bleiben, wo uns597 nichts von einer verſchiedenen Entfernung der Stellen belehrt, fuͤr eine Flaͤche, deren Punkte vom Auge gleich weit abſtehen, d. i. fuͤr eine das Auge als Mittelpunkt umgebende Kugelflaͤche angenommen werden. Man ſetze alſo Taf. VIII. Fig. 2. das Auge in C, ſo kann der Kreis ZPRQNSHAZ einen Durchſchnitt der Himmelskugel oder Sphaͤre vorſtellen, auf der man ſich nun noch folgende Punkte und Kreiſe gedenkt, die ich hier, weil von jedem ein beſonderer Artikel handelt, nur mit wenigen Worten erwaͤhne. Punkte und Kreiſe der Himmelskugel.

Die Erde ſelbſt verdeckt uns jederzeit die untere oder unſichtbare Helfte des Himmels, welche von der obern ſichtbaren Helfte durch den groͤßten Kreis HR, Taf. VIII. Fig. 2., der unſere Ausſicht begrenzt, den Horizont, getrennt iſt. Lothrecht auf die Ebne des Horizonts HR geht durch das Auge C die Scheitellinie ZN, welche an der Flaͤche des Himmels uͤber uns den Scheitelpunkt oder das Zenith Z, unter uns das Nadir N trift, ſ. Horizont, Zenith, Nadir.

Die ganze Sphaͤre ſcheint ſich mit allen daran befindlichen Geſtirnen aller 24 Stunden ſo umzudrehen, daß dabey die Linie PS, die Weltaxe, und deren Endpunkte P und S, die Weltpole, unbewegt bleiben, alle uͤbrige Stellen aber Kreiſe wie GF, KI etc. beſchreiben, welche alle mit einander parallel laufen, und Tagkreiſe genannt werden. Der in unſern Laͤndern ſichtbare Weltpol P heißt der Nordpol, der andere S der Suͤdpol. Der groͤßte Kreis ZPQNSAZ, welcher durch Zenith, Nadir und die beyden Weltpole geht, heißt der Meridian oder Mittagskreis. Er ſchneidet den Horizont in den Punkten H und R, dem Mittags - und Mitternachtspunkte, ſ. Weltaxe, Weltpole, Mittagskreis.

Der Horizont und Mittagskreis bleiben bey der taͤglichen Umdrehung der Sphaͤre unbewegt. Man ſagt, ſie liegen in der unbeweglichen Himmelskugel, in der ſich gleichſam eine andere bewegliche umdrehet. 598

Der groͤßte Tagkreis AQ, der von den Weltpolen P und Q uͤberall um 90° entfernt iſt, heißt der Aequator, theilt die Sphaͤre in die noͤrdliche und ſuͤdliche Halbkugel AZPRQ und AHSNQ, und ſchneidet ſich mit dem Horizont und Meridian zu gleichen Helften. Mit ihm laufen die uͤbrigen Tagkreiſe parallel und heißen daher auch Paralleikreiſe, ſ. Aequator.

Die Sonne durchlaͤuft in ihrer jaͤhrlichen Bewegung den groͤßten Kreis der Sphaͤre FCK, die Ekliptik, welche mit dem Aequator einen Winkel von 23 1 / macht, deren Pole E und L alſo von den Weltpolen P und S ebenfalls um 23 1 / abſtehen. Eben ſo weit ſtehen auch der noͤrdlichſte und ſuͤdlichſte Punkt der Ekliptik F und K vom Aequator ab. Die Tagkreiſe oder Parallelkreiſe dieſer Punkte, GF und KI heißen die Wendekreiſe, die Tagkreiſe der Pole der Ekliptik, ED und TL, aber die Polarkreiſe, ſ. Ekliptik, Pole, Wendekreiſe, Polarkreiſe.

Groͤßte Kreiſe durch die Weltpole, die alſo auf dem Aequator ſenkrecht ſtehen, heißen Abweichungs - oder Stundenkreiſe; groͤßte Kreiſe durch die Pole der Ekliptik, alſo auf dieſe ſenkrecht, Breitenkreiſe. Einrichtung der kuͤnſtlichen Himmelskugel.

Auf der Oberflaͤche einer Kugel iſt alles, was zur beweglichen Sphaͤre gehoͤrt, nebſt den beyden Weltpolen, den Sternbildern und vornehmſten Sternen nach ihrer gehoͤrigen Laͤnge und Breite, verzeichnet, auch ſind die Kreiſe, welche den Aequator und die Ekliptik vorſtellen, auf die gehoͤrige Art eingetheilt. Was die Stunden und Breitenkreiſe betrift, ſo iſt es genug, durch jeden zehnten Grad des Aequators und der Ekliptik einen davon zu ziehen. Durch die beyden Pole wird die meſſingne Axe PS, Taf. XI. Fig. 71. durchgefteckt, deren Enden bey P und S als feſte meſſingene Stifte nach der Richtung der Axe hervorragen.

Was die unbewegliche Sphaͤre betrift, zu welcher der Meridian und Horizont gehoͤren, ſo wird der Meridian durch den ſtarken meſſingenen Kreis oder Ring APQSA vorgeſtellt, durch welchen die Enden der Axe599 bey P und S ſo hindurchgehen, daß ſich die Kugel innerhalb dieſes Kreiſes um die Axe frey herumdrehen laͤßt. Dieſer Kreis iſt in die vier Quadranten AP, QP, QS und AS, und jeder Quadrant in ſeine 90° ſo getheilt, daß bey A und Q, 90° bey P und S zu ſtehen koͤmmt.

Der Hor < * > zont wird durch den flachen hoͤlzernen oder pappenen, auf 4 Saͤulen ruhenden und das Geſtell ausmachenden Ring HOR vorgeſtellt, auf welchem ſich ein Kreis mit den gewoͤhnlichen Eintheilungen des Horizonts und den Namen der Weltgegenden befindet. Da es hier der Platz verſtattet, ſo bringt man auf dem Horizonte noch andere brauchbare Dinge, z. B. einen immerwaͤhrenden Kalender u. dgl. an. In zween Einſchnitte dieſes Ringes bey H und R wird der meſſingene Meridian APQ mit der darinn haͤngenden beweglichen Kugel eingelegt, der noch uͤberdies um mehrerer Feſtigkeit willen bey N in einem Einſchnitte des Fußgeſtells ruhet. So ſtehen Meridian und Horizont feſt, und die Kugel laͤßt ſich innerhalb beyder um ihre Axe drehen. Der Meridian muß in den Einſchnitten H, N und R ſo locker liegen, daß man ihn verſchieben, und P nach Gefallen hoͤher oder niedriger uͤber R ſtellen kan.

An dem Stifte P iſt ein Zeiger ſo angebracht, daß er ſich zwar mit der Kugel und dem Stifte zugleich umdrehet, doch aber auch, wenn man einige Kraft anwendet, um den Stift allein gedrehet, und anders, als vorher, geſtellet werden kan. Den Stift als Mittelpunkt umgiebt ein kleiner am Meridian befeſtigter Kreis m n, der in 24 gleiche Theile getheilt, und mit den Zahlen der Tagesſtunden ſo bezeichnet iſt, daß die 2te Stunde ſich in m und in n, oder am Meridiane endigt. Weil eine ganze Umdrehung der Sphaͤre oder des Zeigers 24 Sternſtunden ausmacht, ſ. Sternzeit, ſo giebt der Zeiger an, wie viel Sternzeit jedem Theile einer Umdrehung zukoͤmmt, und der Kreis m n heißt deswegen der Stundencirkel. Man kan ihn entbehren, wenn man den Aequator AQ der beweglichen Kugel ſelbſt in 12te Stunden theilt, wobey ſich noch uͤberdies die Theilung bis auf Minuten fortſetzen laͤßt.

Endlich gehoͤrt noch hiezu ein auf die Kugel paſſender600 Quadrant von Meſſingblech, der in ſeine 90° getheilt iſt, und mit dem einen Ende durch ein Druckſchraͤubchen an einen Punkt des Meridians befeſtigt werden kan. Er dient, Bogen groͤßter Kreiſe auf der Kugel abzumeſſen, und heißt der Hoͤhenquadrant, weil er mehrentheils im Zenith eingeſchraubt, und zu Abmeſſung der Hoͤhen gebraucht wird. Verfertigung der beweglichen Kugeln.

Man koͤnnte, wie ehedem wohl geſchehen iſt, eine maſſive Kugel glatt abdrehen, und alsdann auf ihre Flaͤche die gehoͤrigen Punkte, Kreiſe und Sternbilder auftragen. Das wuͤrde aber theils ſehr ſchwere, theils ſehr theure Kugeln geben. Leichter und wohlfeiler erhaͤlt man ſie, wenn ein Geripp von duͤnnen hoͤlzernen Reifen mit Gyps in genauer Form einer Kugel uͤberlegt, und dann mit Streifen uͤberzogen wird, welche ſchon im voraus mit den gehoͤrigen Kreiſen und Geſtirnen in Kupfer geſtochen, und auf Papier abgedruckt ſind. Eben das gilt auch von der Bereitung der kuͤnſtlichen Erdkugeln, daher ich bey dem Worte: Erdkugel, kuͤnſtliche, hieher verwieſen habe.

Ein ſolcher Streifen koͤnnte etwa wie diejenigen ausſehen, die zu Bereitung der Aeroſtaten gebraucht werden, und im erſten Theile dieſes Woͤrterbuchs bey dem Worte: Aeroſtat (S. 70.) beſchrieben, auch daſelbſt Taf. I. Fig. 8. abgebildet worden ſind. Die Linie BCD koͤnnte beym Auflegen in einen Bogen des Aequators gekruͤmmt und die Punkte A und E in die Weltpole gebracht werden, in denen am Ende die Spitzen aller gebrauchten Streifen zuſammen kommen wuͤrden. Dieſem Vorſchlage nach muͤſſen die Linien AB, AC, AD auf der Kugel Quadranten des Meridians, alſo einander gleich, werden, da ſie doch auf dem ebnen Papiere offenbar ungleich ſind. Man hilft dieſer Schwierigkeit dadurch ab, daß man das Papier anfeuchtet, worauf es ſich dergeſtalt dehnen laͤßt, daß die kuͤrzere Linie AC ſich beym Aufziehen in eine laͤngere ſtreckt. Inzwiſchen veraͤndert dies doch die Stelle, welche die Kreiſe und Geſtirne auf und neben der Linie AC einnehmen,601 und da bey den kuͤnſtlichen Erd - und Himmelskugeln viel auf die Genauigkeit dieſer Stellen ankoͤmmt, ſo muß bey Verzeichnung der Streifen auf dieſe Dehnung des Papiers Ruͤckſicht genommen werden.

Vorſchriften zur Verzeichnung ſolcher Streifen findet man unter andern beym Doppelmayr (Dritte Eroͤfnung der Bionſchen mathematiſchen Werkſchule, Nuͤrnb. 1721. 4. S. 2.). Die Gruͤnde derſelben hat zuerſt Pieter Smit (Coſmographia, of Verdeelinge van de geheele Wereld, Amſterd., 2te Ausg. 1720.) angegeben. Beurtheilungen davon und die eigentliche Theorie giebt Herr Kaͤſtner (De faſciis globis obducendis, in Comment. Soc. R. Sc. Gotting. 1778. Claſſ. Mathem.), der auch eine aͤltere Abhandlung von Lowitz uͤber dieſen Gegenſtand (Comment. Soc. R. Sc. antiquiores, To. I. ad ann. 1778.) hat abdrucken laſſen. Die nuͤrnbergiſchen und augſpurgiſchen Kupferſtichhaͤndler verkaufen ſolche Streifen, nach den Doppelmayriſchen Vorſchriften geſtochen, zu Kugeln von verſchiedenen Groͤßen. Gebrauch der kuͤnſtlichen Himmelskugel.

Man ſieht aus der beſchriebnen Einrichtung der kuͤnſtlichen Himmelskugel leicht, daß ſie ein genaues Modell des ſcheinbaren Himmels ſelbſt darſtellet, an dem man alſo das Meiſte, was ſich dort im Großen zeigt, im Kleinen nachahmen und abmeſſen kan, daher ſich die meiſten Aufgaben der ſphaͤriſchen Sternkunde durch den Globus mechaniſch aufloͤſen laſſen. Es iſt dazu nichts weiter noͤthig, als dieſem Modelle fuͤr jeden Ort und jede Zeit die gehoͤrige Stellung zu geben.

Man verlangt z. B. die Stellung der Sphaͤre fuͤr Leipzig am kuͤrzeſten Tage, Abends um 6 Uhr, vor ſich zu ſehen. Da die Breite oder Polhoͤhe von Leipzig ohngefaͤhr 51 2 / betraͤgt, ſ. Breite, geographiſche, ſo verſchiebe man Taf. XI. Fig. 71. den meſſingnen Meridian APQS in den Einſchnitten H, N, R ſo lange, bis der Bogen PR, oder die Hoͤhe des Pols P uͤber den Horizont 51 2 / enthaͤlt. Man ſuche ferner aus den aſtronomiſchen Ephemeriden,602 oder auch aus dem auf dem Horizonte verzeichneten Kalender den Ort der Sonne fuͤr den Mittag des gegebnen Tages. Er wird in dem angenommenen Beyſpiele ohngefaͤhr

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oder im Anfange des Steinbocks ſeyn. Dieſen Ort ſuche man in der auf der Kugel verzeichneten Ekliptik auf, drehe die Kugel ſo lange, bis derſelbe Ort zwiſchen P und H unter den Meridian koͤmmt, halte ſie in dieſer Stellung feſt, und drehe den Zeiger des Stundenkreiſes bey unverruͤckter Kugel auf die zwoͤlfte Stunde bey m. Endlich laſſe man die Kugel los, und wende ſie ſo lange weiter nach der Abendſeite um, bis der Zeiger die ſechſte Abendſtunde trift, ſo zeigt der Globus im Kleinen die Stellung des Himmels fuͤr dieſe Zeit in einem genau aͤhnlichen Modelle. Man wird daran ſehen, daß die Sonne ſchon tief unter dem Horizonte ſey, man wird finden, welche Geſtirne nach jeder Weltgegend zu uͤber dem Horizonte ſtehen, welche eben im Auf - oder Untergehen begriffen ſind, welche im Mittagskreiſe ſtehen; der Hoͤhenquadrant im Scheitelpunkte angeſchraubt, wird die Hoͤhe jedes Sterns angeben u. ſ. w.

Fuͤhrt man den Ort der Sonne oder das Bild eines Sterns in den Mittagskreis oder in den Morgen - und Abendhorizont, ſo giebt der Zeiger auf dem Stundencirkel die Stunde der Culmination, oder des Auf - und Untergangs an, woraus ſich bey der Sonne die Tageslaͤnge, bey den uͤbrigen Geſtirnen die Dauer ihrer Sichtbarkeit u. dgl. finden laͤßt.

Es iſt hier nicht der Ort, die mannichfaltigen Aufgaben, die ſich hierdurch mechaniſch aufloͤſen laſſen, umſtaͤndlich anzufuͤhren. Es handeln davon die meiſten Lehrbuͤcher der Sternkunde; außerdem auch eigne Anweiſungen von Blaeu (Inſtitutio aſtronomica de uſu globorum, Amſt. 1634. 1652. 8. ), Lulofs (Introd. ad cognitionem atque uſum utriusque globi, Lugd. Bat. 1748. 8. ), Adams (Treatiſe deſcribing the conſtruction and explaining the uſe of new celeſtial and terreſtrial globes, the 2 edit. London, 1769. 4. ) und Scheibel (Vollſtaͤndiger Unterricht603 vom Gebrauch der kuͤnſtlichen Himmels - und Erdkugel, Breslau 1779. 8. 2te Aufl. 1785. 8.).

Freylich koͤnnen dieſe Aufloͤſungen der Natur der Sache nach keine Schaͤrfe gewaͤhren, und ſind alſo, wo Genauigkeit erfordert wird, ſchlechterdings unzulaͤnglich. Sie bleiben aber doch, wo man ſich mit mittelmaͤßiger Richtigkeit befriedigen darf, aͤußerſt bequem, und helfen ſogar, wenn man ſchaͤrfere Rechnungen anſtellt, durch den bloßen ſinnlichen Anblick entſcheiden, ob z. B. die berechnete Seite eines Kugeldreyecks uͤber oder unter 90°, ob der berechnete Winkel ſtumpf oder ſpitzig ſey u. dgl., welches die Rechnung ſelbſt in vielen Faͤllen unentſchieden laͤßt. Wolfs Urtheil (Anfangsgr. der Aſtr. 2te Erkl. §. 11.), daß der Globus nur fuͤr die ſey, welche nicht denken koͤnnen oder wollen, iſt uͤbertrieben hart, und es wird nicht leicht ein praktiſcher Aſtronom den Gebrauch des Globus gaͤnzlich aufgeben.

Die kuͤnſtliche Himmelskugel, gehoͤrig nach Ort und Zeit geſtellt, zeigt, nach welcher Weltgegend und in welcher Hoͤhe jedes Sternbild zu finden ſey, und wird dadurch ein ſehr gutes Huͤlfsmittel, die Sterne kennen zu lernen. Nur hat ſie das Unbequeme, daß wir an ihr die Sterne auf der aͤußern oder erhabnen Seite finden, da der Himmel dieſelben an der innern hohlen Flaͤche zeigt. Daher ſtehen auf dem Globus die Sternbilder verkehrt. Die Einbildungskraft aber hilft dieſem Umſtande leicht ab, und es ſcheint mir nicht der Muͤhe werth, blos dieſerwegen Kugeln mit Oefnungen, durch die man in das Innere ſehen kan, oder hohle Halbkugeln und Sternkegel zu gebrauchen, wo die Kreiſe und Sterne auf der innern Flaͤche verzeichnet ſind, ſ. Sternkegel. Geſchichte der kuͤnſtlichen Himmels - und Erdkugeln.

Die Modelle der Himmelskugel bey den Alten, von welchen Fabricius (Biblioth. graeca, L. IV. c. 14. p. 455. ſqq. ) redet, ſcheinen groͤßtentheils Armillarſphaͤren geweſen zu ſeyn, ſ. Ringkugel. Diodor erklaͤrt die Fabel604 vom Atlas, der den Himmel traͤgt, dadurch, daß ein mauritaniſcher Fuͤrſt dieſes Namens die erſte Kugel mit darauf verzeichneten Geſtirnen verfertiget habe. Nach der Muthmaßung des Gaſſendi (Opp. To. V. p. 375.) ſoll Eudoxus von Cnidus 190 Jahre v. C. G. eine ſolche zu Stande gebracht, und die Sternbilder des Aratus darauf geſetzt haben. In einer Stelle des Diogenes Laertius aber (Vit. Philoſoph. in prooem. ), welche ſagt, daß Muſaͤus eine Theogonie und Sphaͤre gemacht habe, iſt das griechiſche Wort (〈…〉〈…〉14) wohl von Verfertigung eines Gedichts zu verſtehen. Die Vorſtellungen der Erdkugel ſcheinen den Alten bekannter geweſen zu ſeyn, und Ptolemaͤus hat daruͤber in ſeiner Geographie ein eignes Capitel (Geogr. L. I. c. 22. 〈…〉〈…〉15).

In neuern Zeiten beſchaͤftigten ſich vom funfzehnten Jahrhunderte an Regiomontan, Schoner, Hartmann u. a. mit Verfertigung von Himmelskugeln, die aber noch ſehr unvollkommen waren. Martin Behaim, ein nuͤrnbergiſcher Patricier (ſ. Doppelmayt's Nachricht von den nuͤrnbergiſchen Mathematicis und Kuͤnſtlern, Nuͤrnb. 1750. Fol. S. 1. u. f.), der in Portugall lebte, und viele Seereiſen gemacht hatte, verfertigte um das Ende des 15ten Jahrhunderts kuͤnſtliche Erdkugeln, wovon noch eine auf der Bibliothek zu Nuͤrnberg aufbewahrt wird, und in Doppelmayrs Buche abgebildet iſt. Im 16ten Jahrhunderte haben ſich Fracaſtori in Italien, Gemma Friſius, Gerhard Mercator und Iodocus Hond durch Bereitung kuͤnſtlicher Erdkugeln hervorgethan, und Tycho de Brahe brachte im Jahre 1583 eine ſehr koſtbare meſſingene Himmelskugel von 6 Fuß Durchmeſſer zu Stande, welche zu Kopenhagen im Jahre 1728 mit der daſigen Sternwarte verbrannte.

Aus dem 17ten Jahrhunderte ſind die Erd - und Himmelskugeln der Gebruͤder Wilhelm Ianſon und Iohann Ianſon Blaeu oder Caͤſius in Amſterdam vorzuͤglich beruͤhmt. Eine Erdkugel von 7 Fuß Durchmeſſer, 1645 1650 von den Erben des Wilhelm Blaeu verfertiget,605 wird auf der Kunſtkammer in Petersburg aufbehalten. Die große gottorpiſche Weltkugel, welche fuͤr den Herzog Friedrich von Holſtein von 1656 bis 1664 durch Andreas Buſch aus Limburg gebaut ward, hatte 11 Schuh im Durchſchnitt, ſtellte von innen den Himmel und von außen die Erde vor, hatte inwendig an der Axe einen Tiſch mit Baͤnken fuͤr 12 Perſonen, und am Horizonte eine Gallerie. Dieſe große Maſchine iſt in Petersburg reparirt worden, und ſteht noch daſelbſt in einem eignen Hauſe. Erhard Weigel, Profeſſor zu Iena, der auch uͤber die Globen geſchrieben hat (Beſchreibung der verbeſſerten Himmels - und Erdengloben, Iena, 1681. 4. ) verfertigte große Kugeln von Kupfer und Meſſing, zum Theil mit ſeinen heraldiſchen Sternbildern bezeichnet. Er durchloͤcherte die Stellen der Sterne, und machte in die Kugelflaͤche Oefnungen, durch welche man die Sterne in der hohlen Flaͤche als helle Punkte ſahe. Eine ſehr große Kugel von dieſer Art, in welcher dreyßig Perſonen Raum haben, befindet ſich in Kopenhagen.

Am meiſten hat ſich durch Verfertigung großer Globen zu Anfang des gegenwaͤrtigen Jahrhunderts der venetianiſche Kosmograph Vincenz Coronelli ausgezeichnet. Von ihm ſind die beyden fuͤr Ludwig XIV. verfertigten Kugeln von 13 Schuh Durchmeſſer, welche zu Marly ſtehen, und ihrer Groͤße ungeachtet, wegen ihres genauen Gleichgewichts, mit einem Finger bewegt werden koͤnnenAuf dieſen Umſtand bezieht ſich die darauf geſetzte uͤbertriebene Schmeicheley: Incluta Gallorum proh! quanta potentia regis En digito coeli volvit et orbis opus. . Der Hollaͤnder Gerhard Valk lieferte wohlfeilere Globen, die aber von den franzoͤſiſchen und engliſchen des de l' Isle und Moll an Genauigkeit uͤbertroffen wurden. In Deutſchland eroͤfnete Ludwig Andreaͤ zu Nuͤrnberg die erſte Officin von Erd - und Himmelskugeln in leidlichen Preiſen, welchem Enderſch zu Elbingen in Preuſſen und die homanniſche Officin nachfolgten. Die letztere uͤbertrug die Veranſtaltung im Jahre 1728 dem Profeſſor Doppelmayr, der ſie durch Puſchner in drey verſchiednen Groͤſſen606 zu 6 Zoll, 8 Zoll und 1 rheinl. Fuß im Durchſchnitte, verfertigen ließ, von welcher Art ſie auch noch jetzt am leichteſten zu haben ſind.

Im Jahre 1749 arbeitete die koſmographiſche Geſellſchaft zu Nuͤrnberg an Verfertigung groͤßerer und genauerer Erd - und Himmelskugeln (Avertiſſement des heritiers de Homann ſur la conſtruction de grands globes à Nuernb. 1746. fol. Second avertiſſ. par Ge. Maur. Lowiz. 1749. 4. Troiſieme avertiſſ. par Lowiz, 1753. 4.). Sie kam zwar damit nicht zu Stande, hat aber doch kleine ſehr brauchbare geliefert. Robert de Vaugondy verfertigte 1752 ein paar Globen von 6 Fuß Durchmeſſer fuͤr den Koͤnig von Frankreich, auf welche 1764 des de la Caille ſuͤdliche Sternbilder, und 1774 die Entdeckungen der engliſchen Seefahrer im Suͤdmeere und der ruſſiſchen zwiſchen Aſien und Amerika nachgetragen worden ſind. Die koſmographiſche Geſellſchaft zu Upſal hat ſeit dem Jahre 1766 durch den Graveur Ackermann und nach deſſen Tode durch Herrn Akrell in Stockholm Kugeln von 2 Schuh, 1 Schuh und 5 Zoll im Durchmeſſer, ſo wie Adams in London 1769, und de la Lande in Paris 1777 unter verſchiedenen Groͤßen geliefert, welche ſaͤmtlich wegen ihrer Genauigkeit und Vollſtaͤndigkeit in Abſicht der neuſten Entdeckungen ſehr empfohlen zu werden verdienen.

Kaͤſtner Anfangsgr. der angew. Mathematik, der mathem. Anfangsgr. II. Theil, 2te Abtheil. Dritte Aufl. Goͤttingen 1781. 8. Aſtronomie, § 119.

Pfennigs Anleitung zur Kenntniß der mathematiſchen Erdbeſchreibung. Berlin und Stettin, 1779. 8. Cap. 15. S. 116. u. f.

Hitze. Blos die deutſche Sprache unterſcheidet hoͤhere Grade der fuͤhlbaren Waͤrme durch den eignen Namen der Hitze, den man gewoͤhnlich denjenigen Graden der Waͤrme beylegt, welche dem Gefuͤhl unertraͤglich oder ſchmerzhaft werden.

Hoͤfe um Sonne und Mond, Halonen, Halones, Coronae, Halons, Couronnes.

Kreiſe oder Ringe, welche zu gewiſſen Zeiten die Sonne, den Mond, auch607 wohl die groͤßern Sterne zu umgeben ſcheinen, und bald weiß, bald wie Regenbogen gefaͤrbt ſind. Im letztern Falle iſt die rothe Farbe gewoͤhnlich die innerſte. Bisweilen ſieht man mehrere concentriſche Ringe auf einmal. Ihr Durchmeſſer betraͤgt mehrentheils 45 Grade, doch kan er auch andere Groͤßen haben, und von 90° gehen. Sie werden vom Winde zerſtreut, und an Orten, die einige Meilen aus einander liegen, nicht zugleich geſehen. Daher kan die Urſache ihrer Entſtehung nicht hoch im Luftkreiſe liegen.

Man ſieht einen ſolchen Hof um jedes Licht, das man im kalten durch aufſteigenden Dunſt vom warmen Waſſer, durch angehauchte oder leicht uͤberfrorne Fenſterſcheiben u. dgl. betrachtet. Wenn man Luſt unter eine vorher luftleete Glocke laͤßt, und jenſeits derſelben ein Licht ſetzt, ſo erſcheint um daſſelbe ein Hof, ſo bald ſich die in der Luft enthaltene Feuchtigkeit niederſchlaͤgt. Dies hat ſchon Otto von Guerike (Experimenta de vacuo ſpatio, L. III. cap. 11. p. 89.) beobachtet. Muſſchenbroeck (Introd. ad philoſ. nat. To. II. §. 2450.) ſahe durch ſein uͤberfrornes Stubenfenſter einen Ring um den Mond, welcher verſchwand, wenn er das Fenſter oͤfnete. Man ſieht hieraus, daß die Hoͤfe durch die Brechung der Lichtſtralen in den waͤſſerichten Theilen des Luftkreiſes entſtehen. Die umſtaͤndliche Erklaͤrung der Hoͤfe aber mit allen beſondern Erſcheinungen hat viele Schwierigkeiten, und es ſcheint dabey nicht allein auf die allgemeinen Geſetze der Stralenbrechung, ſondern auch auf die Eigenſchaften der duͤnnen Scheibchen anzukommen, welche bey dem Worte: Farben erwaͤhnt worden ſind.

Descartes ſchreibt in ſeiner Dioptrik die Entſtehung der Hoͤfe den in der Luft ſchwebenden Eistheilen zu, welche nach ihrer verſchiedenen Erhabenheit denſelben bald groͤßere bald kleinere Durchmeſſer geben ſollen. Gaſſendi (De meteoris, in Opp. Vol. II. p. 103.) und Dechales (Curſus mathemat. Vol. III. p. 758.) ſuchen die Hoͤfe, wie den Regenbogen, zu erklaͤren. Aber keiner von beyden beſtimmt deutlich, wie hiebey die gehoͤrigen Farbenſtralen608 ins Auge kommen. Dechales bringt zwar einen Verſuch bey, wo eine mit Waſſer gefuͤllte Glaskugel hinter ſich einen farbigen Ring bildet, an dem die Stralen des Randes mit der Axe einen Winkel von 23° machen; man kan aber dies nicht ungezwungen auf die Hoͤfe anwenden, deren Durchmeſſer ſich auch gar nicht an die Groͤße von 46° binden.

Die vornehmſte Theorie der Hoͤfe iſt die von Huygens (Philoſ. Trans. Vol. V. no. 60. Diſſ. de coronis et parheliis, in Opp. reliquis, Amſt. 1728. 4. ), welcher zu dieſem Behuf in der Atmoſphaͤre durchſichtige Kuͤgelchen mit einem undurchſichtigen Kerne, von der Groͤße des Ruͤbſaamens, annimmt. Wenn A, B, C, Taf. XI. Fig. 72. ſolche Kuͤgelchen ſind, auf welche die mit der Linie OD parallelen Sonnenſtralen fallen, ſo werden die auf den Kern fallenden Stralen gaͤnzlich aufgehalten, die zunaͤchſt am Kerne hingehenden aber in D, E, F unter einem Winkel zuſammengelenkt, deſſen Groͤße auf das Verhaͤltniß des Kerns zur ganzen Kugel ankoͤmmt. Geſetzt, dieſer Winkel ſey 47°. Nun ſtehe das Auge in O, und ſehe die Sonne nach der Linie OA; man ſetze an OA einen Winkel AOC, der der Helfte jenes Winkels gleich, oder hier 23 1 / iſt. So wird das Auge von allen zwiſchen A und C liegenden Kuͤgelchen keine Sonnenſtralen erhalten. Denn von B z. B. werden die Stralen, die zunaͤchſt am Kerne vorbeygehen, nach H und K kommen, und das Auge verfehlen; diejenigen, ſo noch weiter gegen den Rand zu einfallen, werden noch weiter nach N und M abgelenkt. C wird alſo die erſte Kugel ſeyn, von der der Punkt O wiederum den Stral CO erhaͤlt. Dreht man nun die Figur um die Axe OA, ſo ergiebt ſich leicht, daß innerhalb eines Kreiſes vom Halbmeſſer 23 1 / 2′, oder vom Durchmeſſer 47°, dieſe Kuͤgelchen alle Sonnenſtralen abhalten, dagegen die am Umfange dieſes Kreiſes liegenden wieder Sonnenlicht ins Auge ſenden, woraus die Erſcheinung eines dunkeln Flecks um die Sonne ſelbſt, und eines hellen Kreiſes von beſtimmtem Durchmeſſer um das Dunkle, folget. Man kan ſich auch die Entſtehung und Ordnung der Farben hiebey erklaͤren, weil die rothen Stralen, die am wenigſten609 gebrochen werden, nach der Brechung den kleinſten Winkel mit der Axe machen, und alſo das Auge im geringſten Abſtande der Kuͤgelchen von A treffen, daher die rothe Farbe die innerſte ſeyn muß. Dieſe Kuͤgelchen nimmt Huygens fuͤr einen feinen Schnee an, der durch die Bewegung in der Luft eine runde Geſtalt bekommen habe, und von außen her aufgethauet ſey. Er berechnet das Verhaͤltniß der Halbmeſſer des Kuͤgelchens und des Kerns, wie 1000 zu 12, wenn der Hof 1 Grad im Durchmeſſer hat, 1000 zu 480 fuͤr 45°, zu 680 fuͤr 90°, und zu 730 fuͤr 120° Durchmeſſer.

Weidler (Diſſ. de parheliis. Viteb. 1738. 4. ) haͤlt es fuͤr unwahrſcheinlich, daß ſolche Koͤrper, wie Huygens vorausſetzt, mit genau abgemeſſenen Kernen von voͤllig gleichen Verhaͤltniſſen, vorhanden ſeyn ſollten, zumal da die Hoͤfe ſich auch um Lichtflammen zeigten, wo es ſolche Koͤrper mit Kernen gewiß nicht gebe. Er erklaͤrt das Phaͤnomen aus kleinen Tropfen, worinn die Stralen zweymal gebrochen und zweymal zuruͤckgeworfen werden. Mariotte leitet die kleinen Hoͤfe von einer zweymaligen Brechung des Lichts in waͤſſerichten Duͤnſten her; die mit zwo Reihen von Farben aus kleinen erhabnen Stuͤcken Schnee; und die groͤßern aus gleichſeitigen Prismen von Eis, welche gegen die Sonne eine gewiſſe Lage haben.

Newton (Optice L. II. P. 2. prop. 9.) aͤußert gelegentlich ſeine Meynung dahin, daß die groͤßern und weniger abwechſelnden Erſcheinungen der Hoͤfe von den allgemeinen Geſetzen der Brechung, die kleinern und veraͤnderlichen aber von den Farben duͤnner Blaͤttchen abhaͤngen. Das Licht durch ſphaͤriſche Tropfen und Hagelkoͤrner zweymal ohne Zuruͤckwerfung gebrochen, muͤßte 26° von der Sonne am ſtaͤrkſten ſeyn, und von da aus auf beyden Seiten allmaͤhlich abnehmen. Platt gedruͤckte Hagelkoͤrner koͤnnten Hoͤfe von kleinern Durchmeſſern bilden, die inwendig roth, auswendig blau erſchienen; Huygens inwendig undurchſichtige Koͤrner erklaͤrten das Phaͤnomen ſehr gut, und das Licht, welches erſt nach zwey Brechungen und drey oder mehr Zuruͤckwerfungen ins Auge komme, ſey zu610 ſchwach, um ſo helle Bogen zu bilden. An einer anderu Stelle (Opt. L. II. P. IV. Obſ. 13.) nimmt er die Farben an duͤnnen Scheibchen und die Anwandlungen des leichtern Durchgehens oder Zuruͤckgehens zu Huͤlfe, woraus beym Durchgange des Lichts durch kleine Tropfen concentriſche Kreiſe entſtehen muͤſſen. Fuͤr Waſſertropfen von (1 / 500) Zoll Durchmeſſer muͤßte der Durchmeſſer des erſten rothen Ringes 7 1 / , des zweyten 10 1 / , des dritten 12 1 / ſeyn, und fuͤr noch kleinere Waſſerkuͤgelchen muͤßten die Ringe groͤßer werden. Er ſucht dies durch Beobachtungen von concentriſchen bunten Hoͤfen zu beſtaͤtigen, die er um die Sonne im Iunius 1692, um den Mond im Februar 1664 geſehen hat. Die Farben der Ringe hielten faſt eben die Ordnung, die man an den concentriſchen Ringen zwiſchen zuſammengedruͤckten Glaͤſern wahrnimmt, ſ. Farben. Bey der letztern Beobachtung war der innere Ring , der zweyte 5 1 / groß. Zugleich erſchien ein großer Hof um den Mond von 22 1 / Durchmeſſer. Dieſer hatte eine elliptiſche Geſtalt, welche aber Smith ſehr richtig aus dem bekannten Geſichtsbetruge erklaͤrt, durch welchen wir den Mond ſelbſt am Horizonte fuͤr groͤßer, als in der Hoͤhe, halten, ſ. Groͤße, ſcheinbare.

Bouguer (Mém. de Paris 1744. ſ. auch Ulloa's Reiſen in der allgemeinen Hiſtorie der Reiſen, Th. IX. ) ſahe auf dem Pichincha in Peru bey Aufgang der Sonne auf einer 30 Schritt entfernten Wolke ſeinen Schatten, am Kopfe mit einer Glorie von 3 4 concentriſchen Kreiſen von lebhaften Regenbogenfarben umgeben, und in der Entfernung mit einem großen weißen Kreiſe umſchloſſen. Die Durchmeſſer der kleinen Kreiſe waren 5 2 / 3, 11 und 17′, der des groͤßern 67°. Dieſe Erſcheinung ſahen er und ſeine Gefaͤhrten hernach oft wieder, aber nur in Wolken, die aus gefrornen Theilchen beſtanden, niemals in Regentropfen; und wenn die Sonne ſchon uͤber den Horizont hinauf war, ſahen ſie nur noch den obern Theil des weißen Kreiſes. Eine aͤhnliche Erſcheinung ſeines mit Regenbogen umgebnen Schattens nahm auch D. Mac-Fait (Edinburgh Eſſays, Vol. I. p. 198.) auf einer Anhoͤhe in Schottland611 bey einem Nebel wahr. Man findet uͤbrigens noch einiges hieher gehoͤrige bey dem Worte: Nebenſonnen.

Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel, S. 432. u. f.

Hoͤhe eines Orts, Altitudo loci, Hauteur d'un lieu.

Die Perpendikularlinie oder das Loth aus einem Orte, auf die verlaͤngerte Horizontalflaͤche eines andern, wird jenes Orts Hoͤhe uͤber dieſen genannt. Die Hoͤhe des Aetna uͤber Catania iſt das Loth aus dem Gipfel des Aetna auf die Horizontalflaͤche von Catania. Es wird hiebey nicht die ſcheinbare Horizontalebne, ſondern die mit der Erdflaͤche ſelbſt concentriſche krumme Horizontalflaͤche verſtanden, ſ. Horizontal. Die Hoͤhen der Orte werden gewoͤhnlich von der Meeresflaͤche aus gerechnet, welches jederzeit anzunehmen iſt, wo nicht ausdruͤcklich etwas anders erinnert wird. Mit den Meſſungen der Hoͤhen beſchaͤftigt ſich eine eigne Abtheilung der praktiſchen Meßkunſt; von dem Gebrauche des Barometers hiezu, ſ. den Artikel: Hoͤhenmeſſung, barometriſche.

Die Hoͤhen der vornehmſten Berge auf der Erdflaͤche ſind bey dem Worte: Berge angegeben, wobey noch zu bemerken iſt, daß nach dem Berichte des Molina (Verſuch einer Naturgeſchichte von Chili, aus dem Ital., Leipz. 1786. 8. ) der Descabeſado in Chili dem Chimboraço in Quito an Hoͤhe nichts nachgeben ſoll.

Hoͤhe eines Geſtirns, Altitudo aſtri, Hauteur d'un aſtre.

Der zwiſchen dem Horizonte und einem Geſtirne oder andern Punkte des Himmels enthaltne Bogen eines Scheitelkreiſes. Dieſer Bogen iſt das Maaß des Winkels, welchen die nach dem Sterne oder Punkte gezogne Geſichtslinie mit der Horizontalebne macht. Der Abſtand vom Scheitel iſt das Complement der Hoͤhe zu 90°, weil der zwiſchen Scheitel und Horizont enthaltene Bogen des Scheitelkreiſes uͤberall 90° ausmacht.

Wenn ein Geſtirn eben im Auf - oder Untergehen begriffen iſt, ſo iſt ſeine Hoͤhe = 0. Die groͤßte Hoͤhe aber erreichen die Geſtirne, bey ihrem taͤglichen Umlaufe, im Mittagskreiſe,612 ſ. Culmination, Mittagshoͤhe. Azimuth und Hoͤhe zuſammen beſtimmen den Ort eines Sterns fuͤr den Augenblick, da man ſie beobachtet hat, aber wegen des Fortruͤckens der Sterne aͤndern ſich dieſe Beſtimmungen alle Augenblicke.

Die Hoͤhen der Sterne werden, wie Winkel in der Geometrie, gemeſſen. Nur werden hier kuͤnſtlichere Werkzeuge und mehr Aufmerkſamkeit erfordert. Von dem vornehmſten dieſer Werkzeuge werde ich bey dem Worte: Quadrant, aſtronomiſcher einige Nachricht geben. Die Mittagshoͤhen, zu deren Beobachtung der Mauerquadrant dient, ſind in mancherley Abſichten die brauchbarſten, ſ. Mittagshoͤhe. Gleich große Hoͤhen eines Sterns vorund nach ſeinem Durchgange durch den Mittagskreis, werden uͤbereinſtimmende oder zuſammengehoͤrige Hoͤhen (altitudines correſpondentes) genannt.

Hoͤhenmeſſung, barometriſche, Altitudinum menſuratio ope barometri, Determination des hauteurs par le moyen du baromêtre.

Die Methoden, Hoͤhen der Berge und Orte zu meſſen, gehoͤren zwar ſaͤmmtlich zur praktiſchen Meßkunſt; allein die Hoͤhenmeſſungen durchs Barometer gruͤnden ſich ganz auf eine phyſikaliſche Theorie, welche den Gegenſtand dieſes Artikels ausmachen wird.

Gleich nach der Erfindung der Torricelliſchen Roͤhre im Jahre 1643 (ſ. Barometer) ließ Paſcal durch ſeinen Schwager, den Rath Perrier zu Clermont in Auvergne, Verſuche daruͤber anſtellen, ob das Queckſilber in dieſer Roͤhre, ſeiner Vermuthung nach, auf dem Gipfel eines Berges niedriger, als am Fuße deſſelben ſtehen werde. Dies mußte erfolgen, wofern die Queckſilberſaͤule vom Drucke der Luft erhalten ward; dieſe Saͤule mußte auf dem Berge, wo die Roͤhre weniger Luft uͤber ſich hatte, kuͤrzer ſeyn, als unten, wo eine hoͤhere Luftſaͤule gegen ſie druͤckte. Paſcal (Traité de l' équilibre des liqueurs et de la peſanteur de la maſſe d'air. Paris, 1663. 12. ) meldet, Perrier habe am 19. Sept. 1648. den Stand des Queckſilbers im Garten des Kloſters der Minimen zu Clermont613 26 Zoll 3 1 / 2 Lin., auf der Spitze des Puy de Dome aber nur 23 Zoll 2 Lin. gefunden, daß alſo fuͤr dieſen etwa 500 Toiſen hohen Berg der Unterſchied 3 Zoll 1 1 / 2 Lin. betrage. Paſcal ſelbſt fand das Queckſilber auf dem 24 Toiſen hohen Thurme der Kirche St. Iaques de la Boucherie in Paris uͤber 2 Lin. niedriger, als unten. Er ſchließt hieraus nicht nur, daß die Luft wirklich ſchwer ſey, und daß die Queckſilberhoͤhe in der Torricelliſchen Roͤhre ihr Gewicht anzeige, ſordern vermuthet auch ſchon, daß man hieraus Mittel finden werde, die Hoͤhe eines Orts uͤber andere von ihm entfernte abzumeſſen. Descartes beklagt ſich in einem am 11. Jun. 1649 geſchriebenen Briefe (Renati Descartes Epiſtolae, Amſt. 1682. P. III. Ep. 67.), daßihm Paſcal nicht antworte, da er demſelben doch ſchon vor 2 Jahren den Gedanken angegeben habe, das Queckſilber muͤſſe fallen, wenn man mit dem Barometer hoͤher ſteige. Er ſchreibt Paſcals Stillſchweigen deſſen Verbindungen mit ſeinem Gegner Roberval zu. Dem ſey nun, wie ihm wolle, ſo iſt doch die Ausfuͤhrung und der Vorſchlag einer Anwendung auf Hoͤhenmeſſungen unſtreitig Paſcaln allein eigen.

Etwa zwanzig Jahre darauf ward durch Boyle und Mariotte das unter dem Namen des mariottiſchen bekannte Geſetz entdeckt, daß ſich die Dichte der Luft, wie der Druck, den ſie traͤgt, verhalte, ſ. Luft. Mariotte ſchrieb hieruͤber ein fuͤr die damalige Zeit vortrefliches Buch (Diſcours de la nature de l' air. 1676. 8. und in den Oeuvres de Mr. Mariotte, à la Haye, 1740. 4. To. I.), welches den erſten Verſuch einer Regel fuͤr Hoͤhenmeſſungen mit dem Barometer enthaͤlt. Erfahrungen in den Kellern der pariſer Sternwarte zeigten, daß das Barometer um 1 Linie fiel, wenn man es 63 Fuß hoͤher brachte; wofuͤr Mariotte zu Erleichterung der Rechnung 60 Fuß annimmt, um welche das 28 Zoll oder 336 Lin. zeigende Barometer erhoben werden muͤſſe, um 335 Lin. zu zeigen. Nun ſtellt er ſich die Atmoſphaͤre in Schichten getheilt vor, in deren jeder das Barometer (1 / 12) Lin. tiefer faͤllt, deren jede alſo gleiche Maſſen Luft enthaͤlt. Die unterſte oder erſte derſelben614 iſt (1 / 12). 60 oder 5 Fuß hoch, und die Anzahl aller bis ans Ende der Atmoſphaͤre iſt 12.336 = 4032.

Nach dem mariottiſchen Geſetze traͤgt im Anfange der 2016ſten Schicht, wo das Barometer nur noch 14 Zoll oder (2016 / 12) Lin. zeigt, die Luft nur halb ſo viel Druck, und ihre Dichte iſt nur halb ſo groß, als unten, mithin die Hoͤhe der Schicht ſelbſt doppelt ſo groß oder 10 Fuß. Ueberhaupt wird man, um jeder einzelnen Schicht Hoͤhe zu finden, die Formel (4032.5 / y) brauchen muͤſſen, wenn y die Barometerhoͤhe am Anfange der Schicht, in Zwoͤlftheilen der pariſer Linie ausgedruͤckt, bedeutet. So machen die Hoͤhen der Schichten zuſammen folgende Reihe aus:

Von dieſer Reihe geben alle Glieder bis (4032.5 / y+1), einzeln berechnet und addirt, die ganze Hoͤhe der Luftſaͤule bis dahin, wo die Barometerhoͤhe = y iſt. Die Schicht, welche zum Diviſor y ſelbſt hat, liegt uͤber dem Orte der Beobachtung, und darf alſo in deſſen Hoͤhe nicht mit eingerechnet werden. Die Muͤhe dieſer Berechnung aber wird Mariotten zu groß; er nimmt daher an, die Reihe (welche eigentlich eine harmoniſche iſt) ſey eine arithmetiſche von eben ſo viel Gliedern, deren erſtes Glied = 5 das letzte = (4032.5 / y+1) ſey. Dieſe ſummirt er, um die Hoͤhe zu finden, nach den gewoͤhnlichen Regeln fuͤr die Summe arithmetiſcher Reihen.

Herr de Luͤc (Unterſ. uͤber die Atmoſph. Th. I. S. 296.) hat ſich die Muͤhe gegeben, die Mariotte ſcheute, durch einzelne Berechnung und Summirung der Glieder, die Hoͤhen fuͤr die Barometerſtaͤnde von 28 bis 16 Zoll, fuͤr alle einzelne Zolle zu ſuchen, und in eine Tabelle zu bringen, wobey auch fuͤr 1 Linie Queckſilber-Fall wieder 63 Fuß615 ſtatt 60 geſetzt, die Schichten aber 1 Lin. hoch angenommen werden. Bey meiner Ueberſetzung des de Luͤcſchen Werks fand ich einen in alle Zahlen dieſer Tabelle eingeſchlichenen Rechnungsfehler, den ich (S. 243. u. f. Anm. *)) angezeigt und berichtigt habe. Dieſe Tabelle giebt fuͤr den Barometerſtand auf dem Coraçon 15 Zoll 10 Lin., die Hoͤhe 12039 Fuß oder 2006 Toiſen uͤber die Meeresflaͤche. Es betraͤgt aber dieſelbe nach dem Art. Berge (Th. I. S. 302.) 2470 Toiſen; alſo giebt Mariotte's Verfahren große Hoͤhen viel zu klein. Die Urſache hievon liegt zwar mehr in der Vorausſetzung, daß man nur 63 Fuß ſteigen duͤrfe, um das Barometer 1 Linie fallen zu ſehen: aber auch die Methode ſelbſt iſt aͤußerſt unvollkommen und beſchwerlich. Mariotte ſieht zwar ein, man koͤnne das Wachsthum der Schichten nach den Regeln beſtimmen, durch welche man die Logarithmen findet, faͤllt aber doch nicht darauf, dieſe Logarithmen wirklich zu gebrauchen, und begnuͤgt ſich, durch Addiren zu ſuchen, was man durch Integriren finden muß.

Halley

war der Erſte, der in einem im Jahre 1685 der Societaͤt zu London uͤbergebnen Aufſatze (A diſcourſe of the rule of the decreaſe of the height of the Mercury in the Barometre, in den Philoſ. Trans. no. 181. und in Miſcellaneis Curioſis, London. 1705. 8. ) hie zu die Logarithmen wirklich anwendete. Er gruͤndet dieſe richtige Theorie der barometriſchen Hoͤhenmeſſung auf die Betrachtung der Hyperbel; es wird aber hier ſchicklicher ſeyn, ſie nach Herrn Kaͤſtner (Abhdl. von Hoͤhenmeſſ. durch das Barometer, S. 223. u. f.) durch eine Rechnung vorzutragen.

Es ſey Taf. XI. Fig. 73, SK = x eine Hoͤhe, an deren unterm Ende S die Barometerhoͤhe = f, am obern K = y ſey. Bey S verhalte ſich die Dichte der Luft zur Dichte des Queckſilbers, wie m: 1. So iſt nach dem mariottiſchen Geſetze die Dichte der Luft in K = (my / f), weil die Dichten ſich wie die Barometerhoͤhen, alſo die in S und die in K, wie f: y verhalten. 616

Das Differential der Hoͤhe SK ſey Kk = dx. So wird die Barometerhoͤhe y von K bis k um dy abnehmen. Dieſe Abnahme oder dieſes dy muß dem Gewichte der Luft im Raume Kk gleich ſeyn. Soviel nemlich dieſes Gewicht betraͤgt, um ſoviel nimmt der Druck der Luft von K bis k ab. Nun iſt das Gewicht hier, wo man im unendlich kleinen Kk die Dichte gleichfoͤrmig ſetzen muß, dem Produkte der Dichte in den Raum gleich, ſ. Dichte, oder es iſt das Gewicht = (my / f) ·dx. Daher woraus, wenn man ſo integrirt, daß fuͤr x = o; y = f wird folgt.

Man kan den natuͤrlichen Logarithmen, der hier zum Vorſchein koͤmmt, ſogleich aus dem gewoͤhnlichen briggiſchen (oder aus log. f / y) finden, wenn man den letztern mit der Zahl 2,302585 ... multipliciret. Dieſe Zahl heiße e, ſo iſt

Nun ſey fuͤr eine andere Hoͤhe uͤber S, oder fuͤr SL, die Barometerhoͤhe in L = Y, ſo wird617 Dies giebt die allgemeine Regel: Wenn man den Unterſchied der Logarithmen von y und Y, oder von den Barometerhoͤhen an den Orten K und L, durch den unveraͤnderlichen Coefficientenf / e multiplicitet, ſo findet man die Hoͤhe KL.

Der beſtaͤndige Coefficient f / e hat zween Factoren. Der eine e dient blos, die natuͤrlichen Logarithmen in briggiſche zur Bequemlichkeit der Rechnung zu verwandeln. Der zweyte f / m aber iſt eine Barometerhoͤhe f oder der Ausdruck des Gewichts der Atmoſphaͤre, durch die Dichte der Luft an derſelben Stelle m dividirt. Nun giebt das Gewicht, durch die Dichte dividirt, den Raum oder hier die Hoͤhe der Saͤule, wenn die Dichte durchaus gleichfoͤrmig iſt. Mithin iſt f / m die Hoͤhe einer Saͤule fluͤßiger Materie, welche durchaus die Dichte der untern Luft hat, und ſo ſtark druckt, als die Atmoſphaͤre druckt.

Es ſtellt aber auch f die abſolute Elaſticitaͤt der Luft in S dar, welche jederzeit dem Gewichte der darauf druͤckenden Luftſaͤule gleich iſt. Nun verhaͤlt ſich die ſpecifiſche Elaſticitaͤt, wie der Quotient der abſoluten Elaſticitaͤt f durch die Dichte m, ſ. Elaſticitaͤt, ſpecifiſche (Th. I. S. 712.). Alſo iſt f / m der ſpecifiſchen Elaſticitaͤt der Luft in S proportional.

Man nenne der Kuͤrze halber den Coefficienten f / m = c, ſo iſt x = c. log. nat. f / y = ce log. f / y. Es laͤßt ſich eine logarithmiſche Linie denken, deren Abſciſſen die x und deren Ordinaten die y der Formel ausdruͤcken. Die Formel618 ſelbſt wuͤrde die Gleichung fuͤr dieſe Linie, dx = (cdy / y) ihre Differentialgleichung, und c ihre Subtangente ſeyn. Das negative Zeichen bedeutet hier nur, daß dieſe Subtangente nicht wie ſonſt, gegen den Anfang der Abſciſſen zu, ſondern von demſelben hinweg, nach der entgegengeſetzten Richtung faͤllt, weil hier die Ordinaten abnehmen, wenn die Abſciſſen wachſen. Daher iſt die Subtangente dieſer Curve der ſpecifiſchen Federkraft der Luft proportional, und der Hoͤhe einer Saͤule gleich, deren fluͤßige Materie die Dichte der untern Luft und das Gewicht der Atmoſphaͤre hat. Dieſen Satz hat Cotes (Harmonia menſurarum, p. 18.) ſynthetiſch erwieſen. Und weil 1 / m = c / f ſo zeigt dieſe Subtangente durch die untere Barometerhoͤhe dividirt, an, wie vielmal 1 groͤßer, als m, oder das Queckſilber ſchwerer, als die untere Luft iſt.

Dies iſt in moͤglichſter Kuͤrze der Abriß der allgemeinen Theorie, wo nun noch die Beſtimmung des c von Erfahrungen abhaͤngt. Mariotte's Erfahrungen geben fuͤr f = 336tʹ und y = 335tʹ; x = 63 Fuß oder 10,5 Toiſen. Bey ihm iſt alſo 10,5 = ce (log. 336 log. 335), woraus nach gehoͤriger Berechnung ce = 8111 Toiſen, c = 3522 Toiſen, und das Queckſilber 9058mal dichter, als die Luft, folgt. Halley hingegen geht davon aus, daß das Waſſer 800mal ſchwerer, als die Luft, und Queckſilber 13 1 / 2mal ſchwerer, als Waſſer, ſey, daher er 1 / m = 13 1 / 2. 800 = 10800 ſetzt. Fuͤr die Stelle, wo dieſes ſtatt findet, oder am Ufer des Meeres, nimmt er die Barometerhoͤhe f = 30 engl. Zoll. So iſtf / m = c = (30.10800 / 12) Fuß = 27000 engl. Fuß, und ce = 62170 Fuß, welches auf pariſer Maaß nach dem Verhaͤltniſſe 153: 144 reducirt, ce = 58512 Fuß oder 9752 Toiſen giebt. Alſo iſt619 Merkwuͤrdig iſt es, daß Halley's blos aus den eigenthuͤmlichen Schweren gefundener Coefficient der Wahrheit weit naͤher koͤmmt, als der, den Mariottes wirkliche Beobachtungen geben.

Daß beym Mariotte die Angabe von 63 Fuß viel zu klein ſey, ergiebt ſich ſchon aus de la Hire's (Mém. de Paris, 1709.) ebenfalls in den Kellern der pariſer Sternwarte angeſtellten Beobachtungen, wobey 74 2 / 3 Fuß Hoͤhe fuͤr 1 Lin. Queckſilberfall gefunden ward. Auch Horrebow (Elem. philoſ. nat. Hafn. 1748. 8. Cap. 8.) bemerkt, als das Barometer auf 28 Zoll geſtanden, habe er 75 Fuß ſteigen muͤſſen, bis es eine Linie geſunken ſey. Hierauf gruͤndet er eine Berechnung nach Schichten; nach der logarithmiſchen Theorie wuͤrde ſeiner Erfahrung zufolge ce = 9657 Toiſen, und ſeyn.

Johann Jacob Scheuchzer (Bergreiſe, in ſ. Naturgeſchichte des Schweizerlandes, Th. II. herausgeg. von Sulzer, Zuͤrich, 1746., und in den Philoſ. Trans. 1727. no. 405.) maß im Pfeffersbade in der Grafſchaft Sarganz mit der Schnur eine Felſenwand von 714 Fuß, und fand das Queckſilber am Fuße des Felſens 25″ 9 1 / 3tʹ = 309 1 / 3tʹ, auf der Spitze 10tʹ tiefer, alſo 299 1 / 3tʹ. Der Unterſchied der Logarithmen iſt 0,0142717, und ſoll in ce multiplicirt. 714 Fuß = 119 Toiſen geben. Daher waͤre ce = (119 / 0,0142717) = 8338 Toiſen, und die Dichte der Luft bey 28 Zoll Barometerhoͤhe 9311mal geringer, als die Dichte des Queckſilbers. Hiebey iſt der Coefficient unſtreitig zu klein; Herr Kaͤſtner erinnert auch, daß die Angaben Fehler in Reduction des Zuͤrcher Maaßes auf pariſer verrathen, und Scheuchzer geſteht ſelbſt, daß er auf die Hoͤhe des Queckſilbers im Behaͤltniſſe ſeines Barometers keine Ruͤckſicht genommen habe.

Bouguer (Voyage au Perou in der Figure de la terre, Paris, 1749. 4. S. XXXIX. ) hat aus ſeinen in620 Amerika angeſtellten Beobachtungen eine Regel gezogen, welche wegen ihres beruͤhmten Urhebers und wegen der leichten Rechnung, die ſie vorſchreibt, ſehr bekannt geworden iſt. Man ſoll, ſagt er, von dem Unterſchiede der Logarithmen beyder Queckſilberhoͤhen den dreyßigſten Theil abziehen, und blos die Kennzifer nebſt den vier erſten Stellen behalten. Dies als eine ganze Zahl geleſen, gebe die relative Hoͤhe der Oerter in Toiſen. Von einem Decimalbruche die erſten 4 Stellen als eine ganze Zahl leſen, heißt ihn durch 10000 multipliciren, und den dreyßigſten Theil abziehen iſt ſoviel, als (29 / 30) behalten. Bouguer's Regel iſt alſo dieſe: wo ce = 9666 2 / 3; c = 4198 Toiſen, und die Dichte der Luft am Ufer des Meers, beym Barometerſtande 28 Zoll 1 Lin., 10764mal geringer, als die des Queckſilbers iſt. Bouguer giebt nirgends die Gruͤnde ſeiner Vorſchriſt an, erklaͤrt ſich aber in einem Briefe an Needham (Obſervations des hauteurs faites avec le baromêtre au mois d' Aout 1751, ſur une partie des Alpes, par Mr. Needham, à Berne, 1760. 4. ), ſeine Methode diene nur fuͤr Berge, wo der Stand des Queckſilbers nicht ſehr veraͤnderlich ſey, und gebe eigentlich nicht Hoͤhen uͤber dem Meere, ſondern Tiefen unter dem Pichincha an, deſſen Hoͤhe uͤber das Meer er durch geometriſche Meſſung 2434 Toiſen gefunden habe. Die Urſache dieſer beſondern Beſtimmung der Regel und zugleich die Erfahrungen, welche dabey zum Grunde liegen, hat Herr Kaͤſtner mit großem Scharfſinn aufgeſucht. Da nemlich der Stand des Barometers auf hohen Bergen, zumal unter dem Aequator, faſt unveraͤnderlich iſt, und die Hoͤhe des Pichincha nach B. Meynung ſehr ſcharf gemeſſen war, ſo glaubte er etwas Beſtimmteres zu erhalten, wenn er die Barometerſtaͤnde auf dem Pichincha und dem Carabourou, jenen von 15″ 11tʹ = 191tʹ, dieſen von 21″ 2 3 / 4″ = 254, 75tʹ, nebſt der geometriſch gemeſſenen Hoͤhe des erſten uͤber den letzten von 1209 Toiſen zum Grunde legte. Der Unterſchied der Logarithmen von 254,75 und621 191 iſt = 0,1250807, u. ſo ſollte ce = (1209 / 0,1250807) = 9665,8 ſeyn, wofuͤr B. bequemerer Rechnung halber 9666,6 oder (29 / 30). 10000 angenommen hat. So wird freylich der Fehler immer groͤßer, je tiefer man herabkoͤmmt, und Needham fand die Hoͤhen der Berge uͤber das Meer, wenn er von oben herab rechnete, 63 Toiſen groͤßer, als wenn er von der Meeresflaͤche aus gieng, welches aber auch großentheils davon herruͤhrt, daß er den Barometerſtand am Meere 28 Zoll ſetzt, da ihn B. 28 Zoll 1 Lin. annimmt.

Uebrigens hat Bouguer (Mém. de Paris, 1753. Sur les dilatations de l'air dans l'atmoſphère) zuerſt auf den Begriff von ſpecifiſcher Federkraft der Luft aufmerkſam gemacht. Haͤufige Erfahrungen bewieſen ihm, daß ſich die abſolute Federkraft einer und ebenderſelben Luftmaſſe ſelbſt bey den ſtaͤrkſten Ausbreitungen genau, wie die Dichte, verhielt. Dennoch ward ſeine fuͤr hohe Berge ſo genaue Regel ſchon im untern Theile der Cordelieren fehlerhaft, und noch weniger konnte ſie fuͤr Europa gelten; denn die untere Luft fand ſich immer viel dichter, als ſie der Regel nach ſeyn ſollte. Dies konnte auch nicht Folge der Waͤrme ſeyn, welche unten groͤßer iſt, und die Luft daſelbſt vielmehr ausbreiten und verduͤnnen muß. Er vermuthet daher, daß verſchiedene Luftarten bey gleicher Waͤrme und Dichtigkeit dennoch verſchiednen Widerſtand thun, d. i. verſchiedne ſpecifiſche Federkraft beſitzen moͤchten. Er ſchlaͤgt, dies zu unterſuchen, Verſuche mit dem Pendel uͤber den Widerſtand der Luft vor, hatte auch bereits einen Anfang damit gemacht, und die ſpecifiſche Federkraft zwar von Quito bis auf den Pichincha faſt ungeaͤndert, bis ans Ufer des Meeres aber ſehr verſchieden gefunden. Die Reſultate davon hat er in eine krumme Linie gebracht, welche man aber auch, nach de la Lande (Connoiſſance des mouv. cél. 1765. p. 215.) fuͤr die Curve der Fehler halten koͤnnte, die bey den von Bouguer gebrauchten Meſſungen begangen worden ſind.

Daniel Bernoulli (Hydrodynamica, Argent. 1738.622 4. Sect. X.) folgert aus ſeiner beym Worte: Elaſticitaͤt angefuͤhrten Hypotheſe den Satz, die druͤckende Kraft verhalte ſich, wie das Quadrat der Geſchwindigkeit der innern Bewegung der Lufttheilchen, mit dem Raume dividirt. Hieraus leitet er eine Differentialgleichung zwiſchen der Kraft, der Geſchwindigkeit und der Hoͤhe uͤber dem Meere her, die ſich, wenn die Geſchwindigkeit unveraͤnderlich iſt, in die gemeine logarithmiſche Gleichung verwandlet. Er ſetzt aber dieſe Geſchwindigkeit veraͤnderlich, ſucht aus einigen Erfahrungen von Barometerhoͤhen ihr Geſetz, integrirt jene Gleichung, und findet, nachdem er die beſtaͤndigen Groͤßen ebenfalls aus Erfahrungen zu beſtimmen geſucht hat, wo f den mittlern Barometerſtand am Meere oder 28 Zell 4 3 / 4 Lin. bedeutet. Eine Tabelle nach dieſer Regel berechnet findet ſich beym Sulzer (Beſchreibung der Merkwuͤrdigkeiten auf einer Reiſe durch einige Orte des Schweizerlandes. Zuͤrich, 1742. 4. ) und Boͤhm (Gruͤndliche Anleitung zur Meßkunſt auf dem Felde, Frankfurt, 2te Aufl. 1759. 4. Anhang. Taf. IV.). Dieſe Regel iſt blos hypothetiſch, und wenn man beym Integriren andere Beobachtungen zum Grunde legt, ſo findet man auch ſtatt des Coefficienten 22000 andere Zahlen.

Caſſini (Mém. de Paris, 1733.) nahm zu Vergleichung einiger auf den Pyrenaͤen gemachten Beobachtungen an, die Dichte der Luft verhalte ſich, wie das Quadrat des Drucks, woraus folgt. Seine Vorausſetzung aber beruht auf keinen phyſikaliſchen Gruͤnden. Maraldi nahm an, die Schichten, durch welche das Queckſilber immer um 1 Lin. faͤllt, vom Meere an, waͤren nach einander 61, 62, 63 Fuß u. ſ. w. hoch. Feuillee machte eben ſolche Schichten, nur jede um 2 Fuß groͤßer. Von allen dieſen Hypotheſen handelt623 Lulofs (Einleitung zur math. u. phyſ. Kenntniß der Erdkugel, §. 446. u. f.). Fontana (Delle Altezze barometriche, Saggio analitico del P. Gregorio Fontana. Pavia, 1771. 8. ) zieht hiebey die Abnahme der Schwere nach dem Geſetze der Gravitation mit in Betrachtung eine bloße analytiſche Uebung. Newton (Princ. L. II. prop. 22.) hatte ſchon eben dieſe Unterſuchung durch die Betrachtung der Hyperbel, und Cotes (Harm. menſurarum, in Opp. Cantabr. 1722. p. 18.) durch die logarithmiſche Linie angeſtellt.

Tobias Mayer in Goͤttingen hat zwo Tafeln zu barometriſchen Hoͤhenmeſſungen verfertigt, von welchen Herr Beckmann (in Laxmanns ſibiriſchen Briefen, Goͤttingen, 1769. 8. Anm. S. 34.), und genauer Herr Kaͤſtner (Abhdl. v. Hoͤhenm. durch das Barom. §. 214. u. f.) redet. Sie enthalten Barometerhoͤhen und zugehoͤrige Hoͤhen uͤber den Horizont des Meeres, der in der erſten bey 28″ 4tʹ, in der zwoten bey 28″ Barometerhoͤhe angenommen wird. Beyder Tafeln Horizonte ſind daher um 52 Toiſen unterſchieden; uͤbrigens zeigt ſich durch gehoͤrige Unterſuchung, daß die Tafeln ſelbſt auf der Formel beruhen. Man weiß nicht, was Mayern bewogen hat, ce = 10000 anzunehmen; inzwiſchen iſt dies eben die Formel, welche bey der leichteſten Rechnung zugleich die richtigſten Reſultate giebt, und daher bey den neuern Verbeſſerungen dieſer Theorie durchgaͤngig zum Grunde gelegt worden iſt.

Eines der vorzuͤglichſten Werke uͤber dieſen Gegenſtand find des Herrn de Luͤc Unterſuchungen uͤber die Atmoſphaͤre (Geneve, 1772. II. To. 4.), deren vollſtaͤndiger Titel nebſt der deutſchen Ueberſetzung am Ende dieſes Artikels angefuͤhrt wird. Wie weit die vor der Erſcheinung dieſes Buchs bekannten Regeln der Hoͤhenmeſſung von einander abgiengen, werden folgende Reſultate aus ihnen zeigen. 624

Hoͤhen des Coraçon.
par. Fußpar. Fuß
nach Mariotte arith -nach Caſſini16217
metiſcher Progreſſ.13167 D. Bernoulli16905
nach Mariotte eigent - Horrebow14344
lichen Grundſaͤtzen12049 Bouguer14359,9
nach Halley ---14486 Mayer14855
Maraldi --19941durch geometriſche
Scheuchzer -12386Meſſung14820

Dieſe Ungewißheit bewog Herrn de Luͤc zu ſeinen muͤhſamen Arbeiten uͤber das Barometer, deren ich ſchon bey dem dieſem Werkzeuge gewidmeten Artikel gedacht habe. Er fand die Urſachen der bisherigen Ungewißheit theils in der Unvollkommenheit der Barometer ſelbſt, theils aber in der gaͤnzlichen Vernachlaͤßigung des großen Einfluſſes der Waͤrme ſowohl auf das Queckſilber, als auf die Luft. Von ſeinen Verbeſſerungen des Werkzeugs ſelbſt, und dem Einfluſſe der Waͤrme auf den Stand des Queckſilbers iſt beym Worte: Barometer gehandelt worden: hier bleibt alſo noch die Wirkung der Waͤrme auf die Luft zu betrachten uͤbrig.

Herr de Luͤc (Unterſ. Th. II. §. 588.) findet aus einer großen Anzahl von Beobachtungen und Meſſungen auf dem Berge Saleve bey Genf, daß die Differenz der Logarithmen (als ganze Zahl geleſen) die Hoͤhe in Tauſendtheilchen der Toiſe giebt, wenn die Waͤrme der Luft+16 3 / 4 Grad des Queckſilberthermometers von 80 Graden iſt. Fuͤr dieſen Grad der Waͤrme iſt alſo oder hiebey iſt Mayers Formel richtig, obgleich Mayer nichts von de Luͤc's Bemuͤhungen gewußt hat.

Um nun die Berichtigung zu beſtimmen, die fuͤr andere Grade der Waͤrme hiebey noͤthig iſt, ordnete de Luͤc ſeine Beobachtungen ſo, daß er die, wo die Waͤrme groͤßer als 16 3 / 4 Grad war, von denen, wo ſie kleiner war, abſonderte, und berechnete, wie viel etliche davon zuſammen im Durchſchnitte Abweichung von der Regel fuͤr 1 Grad Aenderung der Waͤrme gaben. Noch fand er zu wenig Uebereinſtimmung,625 und ſahe ſich genoͤthigt, die am meiſten abweichenden Beobachtungen wegzuwerfen. Es fand ſich, daß alle die, welche um die Zeit des Aufgangs der Sonne gemacht waren, weggelaſſen werden mußten, weil ſie die Hoͤhe zu klein gaben, wovon er die Urſache in dem um dieſe Zeit wehenden Oſtwinde ſucht, der die Luft aus der Ebne auf die Berge fuͤhre, und einen hoͤhern Barometerſtand daſelbſt verurſache.

Nach dieſer Weglaſſung ſtimmten die Reſultate im Durchſchnitte dahin uͤberein, daß man, fuͤr jeden Grad Aenderung der Waͤrme, den durch die Regel gefundenen Unterſchied der Hoͤhen um (1 / 215) aͤndern muͤſſe. Dies giebt, wenn n die Anzahl der Grade bedeutet, um welche das Queckfilberthermometer von 80 Graden (oder das ſogenannte reaumuͤriſche) uͤber 16 3 / 4 ſteht, die hinzuzufuͤgende Berichtigung = (n / 215) ·x, mithin Oder, wenn r den beobachteten Grad des reaumuͤriſchen Thermometers ſelbſt anzeigt, alſo n = r 16 3 / 4 iſt,

Der Coefficient ce iſt = 10000 ((198,25+r / 215))

Herr de Luͤc macht, um den Zahlen 215 und 16 3 / 4 auszuweichen, eine neue Thermometerſcale, die beym Siedpunkte+147, beym Eispunkte 39, und bey 16 3 / 4 nach Reaumuͤr, Null hat. Weil ſo zwiſchen Sied - und Eispunkte 186 Grade enthalten ſind, ſo macht 1 Reaum. Grad (186 / 80) de Luͤcſche, und wenn darauf (1 / 215) Aenderung koͤmmt, ſo koͤmmt auf 1 Grad nach de Luͤc (80. / 215.186) = (1 / 500) Aenderung. Nun heiße der Grad, den das Thermometer an dieſer S < * > ale626 zeigt, l, ſo iſt die hinzuzuſetzende Berichtigung = (l / 500) ·x = (2l / 1000) x, und

Er. De Luͤc (Unterſ. Th. II. S. 158) findet an ſeinem erſten Standpunkte auf dem Berge Saleve den Barometerſtand oben 5186, unten 5233 Sechszehntheile einer Linie. Dieſe Angaben ſind ſchon wegen der Wirkung der Waͤrme aufs Queckſilber berichtiget. Die Waͤrme der freyen Luft geben die Thermometer nach ſeiner eben beſchriebenen Scale oben 45, unten 47 an, woraus das Mittel (45+47 / 2) die mittlere Waͤrme der ganzen Luftſaͤule, oder l giebt, daß alſo 2l = (45+47) oder die Summe der Thermometerangaben an beyden Beobachtungsorten iſt. Hieraus ergiebt ſich folgende Berechnung:

log. 5233 =3,7187507
log. 5186 =3,7148325
Unterſchied =0,0039182
Hoͤhe in Toiſen =39,182
in Schuhen =235,092
(92 / 1000) hievon = 21,62
Verbeſſerte Hoͤhe =213,472Schuh

Die geometriſch gemeſſene Hoͤhe war 216 Fuß 2 Zoll.

De Luͤc findet ſeine Formeln am Meere ſowohl als auf den Alpen bis 1560 Toiſen uͤber dem Meere mit der Erfahrung uͤbereinſtimmend, folgert daraus, daß man bey der gewoͤhnlichen Temperatur am Ufer des mittellaͤndiſchen Meeres auf 80 Fuß ſteigen muͤſſe, um eine Linie Queckſilberfall zu erhalten, und ſchließt ſein klaſſiſches Werk mit Erzaͤhlung der noch zuruͤckbleibenden Schwierigkeiten und mit Vorſchlaͤgen, ihnen abzuhelfen. Herr Prof. Zimmermann in Braunſchweig (Beobachtungen auf einer Harzreiſe, Braunſchweig, 1775. 8. ) pruͤfte die627 de Luͤcſche Methode ſowohl an Hoͤhen, als auch an Tiefen in den Bergwerken auf dem Harz, und fand ſie mit den unmittelbaren Meſſungen und den Markſcheiderangaben ziemlich uͤbereinſtimmend. De Luͤc hat auch ſelbſt Anwendungen davon auf Beſtimmung der Tiefen der Gruben im Harz gemacht (Philoſ. Transact. 1777. Vol. LXVII. P. I. n. 22.).

Maſkelyne (Philoſ. Trans. 1774. Vol. LXIV. P. I. no. 20.) reduciret die de Luͤcſchen Formeln auf engliſches Maaß und Grade des fahrenheitiſchen Thermometers, deſſen Siedpunkt bey 30 engl. Zoll Barometerhoͤhe beſtimmt iſt, da ihn die franzoͤſiſchen Kuͤnſtler bey 27 pariſer Zoll zu beſtimmen pflegen. Horſley (ebend. no. 30.) beſchaͤftigt ſich gleichfalls mit dieſen Reductionen, bringt aber außerdem noch viel Lehrreiches bey, macht Bemerkungen uͤber die durch die Waͤrme geaͤnderte Subtangente der logarithmiſchen Linie, und ſetzt Tafeln zur Erleichterung der de Luͤcſchen Berechnungen fuͤr Englaͤnder hinzu.

Lambert (Abhdl. von den Barometerhoͤhen und ihren Veraͤnderungen in den Abhdl. der Churbayr. Akad. der Wiſſ. III. B. 2. Th. S. 75 182.) bemerkt, daß die Federkraft der Luft auch durch die Duͤnſte vermehrt werde, welche theils die Lufttheilchen zuſammenpreſſen, theils die druͤckende Laſt vergroͤßern, daher Mariottes Geſetz nur in ſehr großen Hoͤhen voͤllig zutreffen koͤnne. Aus geometriſchen Meſſungen, die er ſchon laͤngſt in einer andern Schrift (Les proprietés de la route de lumiere par les airs, à la Haye, 1758. 8maj. ) wegen der Stralenbrechung berichtiget hatte, giebt er die Formel wo a den Barometerſtand am Meere bedeutet.

Der Ritter Georg Shuckburgh (Philoſ. Trans. 1777. Vol. LXVII. P. I. no. 29.) hat de Luͤc's Vorſchriften durch wirkliche Nachmeſſungen auf den Bergen Saleve und Mole bey Genf ſcharf gepruͤft, und glaubt zu finden, daß dieſelben bey der Temperatur 61,4 Grad nach Fahrenheit628 die Hoͤhen auf jede 1000 Schuh um 23 Schuh zu klein geben. So ſucht er auch Fehler in der Berichtigung wegen der Waͤrme der Luft, und will, aus Verſuchen uͤber die Ausdehnung der Luft durch die Waͤrme, wobey das Volumen beym Eispunkte um 2,43 Tauſendtheile ſtieg, wenn ſich die Waͤrme um 1 Grad aͤnderte, ſchließen, die Temperatur, wobey die logarithmiſche Differenz die Hoͤhe unmittelbar in engliſchen Klaftern (fathoms) giebt, ſey nicht, wie nach Horſley aus de Luͤc's Formeln folge, 39,7, ſondern 31,24 Grad nach Fahrenheit, alſo beynahe der Eispunkt ſelbſt. Hierauf gruͤndet er nun eine neue Berechnungsart, welche ſehr weitlaͤuftig und ganz von ſeinen in dieſer Abſicht mitgetheilten Tabellen abhaͤngig iſt.

In eben dem Bande der Transactionen (no. 34.) pruͤft auch William Roy die de Luͤcſchen Regeln. Sehr ſorgfaͤltige Verſuche uͤber die Ausdehnung der Luft im Amontoniſchen Luftthermometer fuͤhren ihn auf das Reſultat, daß die Ausdehnung der Luft bey den gewoͤhnlichen Temperaturen im Durchſchnitt genommen fuͤr jeden Grad Aenderung der Waͤrme 2,45 Tauſendtheilchen des ganzen Volumens betrage, da de Luͤc, Horſley's Reductionen gemaͤß, nur 2,10 annehme, alſo fuͤr jeden fahrenheitiſchen Grad 0,35 d. i. 1 / 7 der ganzen Ausdehnung zu wenig ſetze. Er hat ferner die Hoͤhe der Berge Snowdon und Moel Eillio in Carnarvonſhire ſehr genau gemeſſen, und glaubt ſchließen zu duͤrfen, daß die Temperatur, wobey es keiner Berichtigung bedarf, ſehr nahe am Eispunkte ſey (wo er alſo mit Shuckburgh uͤbereinſtimmt), auch daß die Beobachtungen bey Sonnenaufgang, welche de Luͤc wegwirft, gerade die zuverlaͤßigſten ſeyen. Die Berechnung ſelbſt verrichtet er zwar durch die Logarithmen; zur Berichtigung wegen der Waͤrme aber giebt er Tabellen, und zum Ueberfluß < * > auch noch Thermometerſcalen an. Seine Verbeſſerung betraͤgt+ (m 32 / 408) ·x, wenn m die mittlere Temperatur der Luftſaͤule in fahrenheitiſchen Graden bedeutet, alſo iſt bey ihm629 in engliſchen Faden oder Klaftern.

De Luͤc (Philoſ. Trans. 1778. Vol. LXVIII. P. I. no. 17.) vertheidigt ſeine Methode, und erklaͤrt die von Shuckburgh und Roy gefundenen Abweichungen daraus, daß ſie das Thermometer an der Sonne, er aber ſtets im Schatten, beobachten. Shuckburgh (ebend. no. 32.) vergleicht ſeine und Roy's Regeln, die doch noch in einigen Stuͤcken von einander abweichen, und zeigt aus Meſſungen, daß die ſeinige 2, Roy's aber 14 Zehntauſendtheilchen der ganzen Hoͤhe zu viel gebe.

Herr Roſenthal (Beytraͤge zu der Verfertigung, der wiſſenſchaftlichen Kenntniß und dem Gebrauche meteorologiſcher Werkzeuge. Gotha, I. B. 1782. II. B. 1784. 8. ) geht anfaͤnglich wiederum auf Summirung von Schichten zuruͤck, deren jeder (1 / 16) Lin. Queckſilberfall zugehoͤrt. Er berechnet dieſe Schichten von 350 Lin. bis 187 1 / 2 Lin. Barometerſtand, wobey er die Hoͤhe der unterſten unbeſtimmt laͤßt, und m nennt, daß alſo z. B. die Hoͤhe derjenigen Schicht, welche der Queckſilberhoͤhe von 300 Lin. zugehoͤrt, = (350 / 300). m oder 1,166. .m wird. Die Hoͤhen dieſer Schichten, ſo wie ihre Summen von oben herab, oder von der 3000ſten an gerechnet, bringt er in Tabellen, wo man nun die beyden beobachteten Barometerſtaͤnde nachſchlagen, und die dabeyſtehenden Summen von einander abziehen muß, um das zu erhalten, was noch mit m multiplicirt die wahre Hoͤhe geben wird. Waͤre hiebey, wie gehoͤrig, nicht additt, ſondern die logarithmiſche Berechnung gebraucht worden, ſo wuͤrde Herrn Roſenthals Hoͤhe Die unrichtige Methode, zu addiren, wo man integriren muß, verurſacht freylich Abweichungen hievon. Um nun dieſes m zu beſtimmen, bedient ſich Herr R. der Meſſungen des de Luͤc ſo, daß er die dabey gefundenen630 Hoͤhen durch die Anzahl der Sechszehntheile von Linien dividirt, welche in dem Unterſchiede der Barometerſtaͤnde enthalten ſind, und glaubt dadurch zu finden, wie viel Hoͤhe auf (1 / 16) Unterſchied der Queckſilberhoͤhe komme. Dies kan nur fuͤr ſehr kleine Hoͤhen leidlich zutreſfen; waͤre es uͤberhaupt richtig, ſo koͤnnten die Hoͤhen durch die bloße Regel Detri gefunden werden. Inzwiſchen giebt ihm dieſe Methode, im Durchſchnitte aus vielen Beobachtungen, den Werth ſeines m = 4,6864 Fuß od. 0,781 Toiſen bey der Temperatur 16 3 / 4 nach Reaumuͤr. Das Produkt hievon in die vorhin gefundene Zahl ſoll die wahre Hoͤhe in Toiſen geben. Man ſieht leicht aus dem obigen, wo m = 0,0000775. ce ſeyn ſollte, daß bey dieſer Temperatur, bey welcher ce = 10000 iſt, m = 0,775 Toiſen ſeyn muß, daß es alſo durch die unrichtige Berechnungsart um (6 / 1000) Toiſen oder um (1 / 129) ſeines wahren Werths zu groß gefunden worden iſt. Hieraus erhellet, daß dieſe Methode eigentlich ein Ruͤckgang zu den mariottiſchen Schichten, und weder ſcharf genug in Beſtimmung der Zahlen der Tabelle, noch richtig in Abſicht auf den gebrauchten Coefficienten iſt, aus deſſen Betrachtung uͤbrigens Herr R. gute Bemerkungen uͤber Dichte und Federkraft der Luft herleitet.

Hiernaͤchſt aͤndert auch Herr Roſenthal die Berichtigung wegen Waͤrme der Luft. Lambert nemlich hatte in ſeine Pyrometrie die Ausdehnung der Luft vom Eiszum Siedpunkte (370 / 1000) des ganzen Volumens gefunden. Da nun de Luͤc an ſeiner Scale 372 Grade zwiſchen beyden Punkten hat, ſo glaubt Hr. R. beyde mit einander vereinigen zu koͤnnen, ſetzt aber zur Erleichterung der Rechnung 1000 an den Punkt der Normaltemperatur (16 3 / 4 Reaum. ), bey welchem Lambert 1077 hat. Dem gemaͤß muß an den Eispunkt 928, an den Siedpunkt 1272 kommen. Zeigt nun das Thermometer an der untern Station z. B. 1038, an der obern 1002, ſo iſt blos die mittlere Waͤrme 1020 in die gefundene Hoͤhe zu multipliciren und das Produkt mit 1000 zu dividiren, weil ſich hiebey die ganze Luftſaͤule, gegen ihre Groͤße bey der Normal-Temperatur gehalten, im Verhaͤltniſſe 1000: 1020 veraͤndert hat. 631

Endlich bringt auch Herr R. noch eine ſinnreiche Abaͤnderung der logarithmiſchen Formel bey, die ſich auf ſeine beym Worte: Barometer (ſ. dieſes Woͤrterbuchs Th. I. S. 265.) angefuͤhrte Berichtigung wegen der Waͤrme des Queckſilbers gruͤndet. Ein Heberbarometer zeige unten im laͤngern Schenkel a, im kuͤrzern b, oben auf dem Berge im laͤngern α, im kuͤrzern β; die Normallaͤnge (ſ. Th. I. a. a. O.) ſey = l. So iſt der berichtigte Barometerſtand unten = (a b / a+b) · l oben (α β / α+β) · l. Alſo die Differenz ihrer Logarithmen = log. (a b / a+b) log. (α β / α+β), welches nun noch mit 10000 multiplicirt und wegen der Waͤrme der Luft berichtiget werden muß, um die wahre Hoͤhe zu finden. Dieſe Methode erſpart, 1) das eine Thermometer, das bey de Luͤc am Brete des Barometers angebracht iſt, gaͤnzlich; 2) bringt ſie die Queckſilberhoͤhen auf die Normaltemperatur (16 3 / 4) ſelbſt, da de Luͤc ſie (nach Th. I. S. 261.) nur auf 10° nach Reaumuͤr bringt, und alſo waͤrmere Luft mit kaͤlterm Queckſilber vergleicht. Koͤnnte man ſich auf eine durchaus gleiche Weite der Barometerroͤhren verlaſſen, und allen Verluſt des Queckſilbers aus der Roͤhre verhuͤten, ſo wuͤrde dies eine weſentliche und ſehr ſchaͤtzbare Verbeſſerung der de Luͤcſchen Methode ſeyn, ob man gleich dabey mehr zu rechnen und vier Logarithmen aufzuſuchen hat. So viel von Herrn Roſenthals Bemuͤhungen, in welchen viel Vortrefliches mit einigem Fehlerhaften vermiſcht iſt.

Herr Kramp (Geſchichte der Aeroſtatik, Strasb. 1784. gr. 8. Th. I. Abſchn. 5, 6, 7.) hat die Gruͤnde einet Theorie der ſpecifiſchen Federkraft verſchiedener Luftarten mit vieler mathematiſchen Einſicht aus einander geſetzt, und dabey manches zu den Hoͤhenmeſſungen Gehoͤrige < * > deutlicher beſtimmt. Bouguers Vermuthung einer verſchiednen ſpecifiſchen Elaſticitaͤt der Lufttheilchen hat ſich durch die neuen Entdeckungen uͤber die Gasarten vollkommen beſtaͤtiget, und wir haben Urſache genug, hierauf aufmerkſam632 zu ſeyn. Die ſpecifiſche Federkraft einer Luftſaͤule iſt, wie oben bemerkt worden, dem c der allgemeinen Formel oder der Subtangente der zugehoͤrigen logarithmiſchen Linie proportional. Bey Hrn. Kramp, der in ſeiner Theorie blos auf hyperboliſche Logarithmen ſieht, iſt Man findet fuͤr jede logarithmiſche Formel zu Hoͤhenmeſſungen die zugehoͤrigen Subtangenten oder c, wenn man unſere im Vorigen angegebnen Coefficienten ce mit e - 2,302585 ..... dividirt, oder mit 1 / e = 0,43429448 ... multiplicirt. So iſt c

nach Mariotte=3522Toiſen
nach Halley=4235
nach Horrebow=4394
nach Scheuchzer=5621
nach Bouguer=4198
nach Lambert,
Mayer u. de Luͤc=4342

Aber dieſe Subtangente aͤndert ſich durch die Waͤrme weil ſelbige die ſpecifiſche Federkraft aͤndert. Bey de Luͤc z. B. iſt c nur alsdann 4342 Toiſen, (oder wie Herr Kramp aus ſeinen Beobachtungen findet 4342,704 Toiſen) wenn die Temperatur 16 3 / 4 (eigentlich (16 24 / 31)) nach Reaumuͤr iſt; und dieſe Groͤße aͤndert ſich fuͤr jeden Grad der Waͤrme um (1 / 215). Sie iſt alſo, wie ſchon oben berechnet worden, wenn das reaumuͤriſche Thermometer r Grade zeigt, mit 1+ (r 16,75 / 215) d. i. mit (198 1 / 4+r / 215) oder mit (18440+93r / 20000) zu multipliciren.

Es ſeyen nun zween Grade der ſpecifiſchen Federkraft c und C, und die Grade des reaumuͤriſchen Thermometers, fuͤr die ſie ſtatt finden, r und R, ſo wird633 ſeyn. Z. B. fuͤr den 8ten und dreyßigſten Grad nach Reaumuͤr, welches ohngefaͤhr die aͤußerſten Grade bey unſern Beobachtungen ſind, verhalten ſich die ſpecifiſchen Elaſticitaͤten der Luft, wie 190 1 / 4: 228 1 / 4 = 761: 913 oder beynahe, wie 5: 6. Fuͤr Eis - und Siedpunkt wie 198 1 / 4: 278 1 / 4 d. i. faſt wie 5: 7.

Nun hat de Luͤc angenommen, die Hoͤhen veraͤndern ſich bey jedem Grade Aenderung der Waͤrme gleichviel. Dieſe Vorausſetzung iſt wohl nicht in aller Schaͤrfe wahr, ſie laͤßt ſich aber dadurch entſchuldigen, daß der groͤßte Unterſchied der ſpecifiſchen Federkraͤfte nur 1 / 6 des Ganzen betragen kann.

Herr Kramp macht aber in dieſer Theorie noch zwo weſentliche Aenderungen. Zuerſt legt er nicht, wie de Luͤc 16 3 / 4, ſondern 10 Grad Temperatur zum Grunde, und ſetzt die ſpecifiſche Federkraft der Luft bey dieſem Grade = 1. So iſt dieſelbe fuͤr jeden andern Grad R, = (198 1 / 4+R / 208 1 / 4) Zweytens vergleicht er Herrn de Luͤc's Angaben mit den Aenderungen der aſtronomiſchen Stralenbrechung, welche nach Mayers Beſtimmungen um (1 / 22) waͤchſt, ſo oft das Reaumuͤriſche Thermometer bey unveraͤnderter Barometerhoͤhe um 10 Grad faͤllt. Dies macht fuͤr 1 Grad (1 / 220) aus, und gilt eigentlich bey der Temperatur 10 Grad nach Reaumuͤr. Da ſich nun die ſpecifiſche Federkraft, bey ungeaͤnderter Barometerhoͤhe verkehrt, wie die Dichte oder Stralenbrechung verhaͤlt, ſo wird jene fuͤr r Grade des Thermometers mit 1+ (r 10 / 220) d. i. mit (210+r / 220) zu multipliciren ſeyn, und ſich daher wie 210+r, oder wie 1+ (r / 210) verhalten. Dieſe Beſtimmung ſcheint Herrn K. richtiger, als die des de Luͤc, welcher 1+ (r / 198) ſetzt. 634

Nach dieſen Aenderungen wird ſich nun die Subtangente, welche bey 16 3 / 4 Grad 4342,704 war, und dem Bruche 1+ (r / 210) proportional bleibt, fuͤr 10 Grad im Verhaͤltniſſe 226 3 / 4: 220 vermindern, mithin 4213,440 Toiſen gleich werden, und der 220ſte Theil hievon oder 19,152 Toiſen wird ihre Veraͤnderung fuͤr jeden Grad des Thermometers ſeyn. Hieraus iſt von Herrn K. eine Tafel (S. 113.) berechnet, in welcher die Federkraft und Subtangente fuͤr jeden Grad des Thermometers angegeben ſind. Dieſe Tafel giebt alſo c fuͤr jede mittlere Waͤrme, und dies in die Differenz der hyperboliſchen Logarithmen (oder zuerſt in e und dann in die Differenz der briggiſchen) multiplicirt, giebt ſogleich die wahre Hoͤhe x. Dieſes ſinnreiche Verfahren bringt wenigſtens die Berichtigung wegen der Waͤrme der Luft auf eine mathematiſche Form, welche zu weitern Unterſuchungen und Verbeſſerungen ſehr bequem iſt. Die Subtangente mit der Barometerhoͤhe dividirt, zeigt auch ſogleich, wie vielmal die Luft leichter, als Queckſilber, iſt.

Herr Roſenthal (Beylage zu Herrn Krampens Geſchichte der Aeroſtatik, Gotha, 1785. 8. ) hat ſich zwar verſchiedene von Herr Kramps Saͤtzen, als ſeine Erfindungen zueignen wollen; dieſer aber (Anhang zur Geſchichte der Aeroſtatik, Strasb. 1786. gr. 8.) antwortet darauf ſehr gruͤndlich und mit ſichtbarem Gefuͤhl ſeiner Ueberlegenheit, zeigt auch lehrreich, wie der Gang ſeiner Ideen durch Bouguer's, Lamberts und de Luͤc's Schriften ganz natuͤrlich veranlaſſet worden ſey, und fuͤgt eine ſehr wohl ausgearbeitete Theorie der ſpecifiſchen Federkraͤfte verſchiedener Luftarten, nebſt einer Tabelle uͤber dieſelben bey 55 Grad nach Fahrenheit aus Fontana's Verſuchen bey, die er mit brauchbaren Anwendungen auf das Gleichgewicht der Luftarten in verſchloßnen Roͤhren, und auf die Geſchwindigkeit des Schalles begleitet.

Herr Hofrath Mayer (Phyſikaliſch - mathematiſche Abhandlung uͤber das Ausmeſſen der Waͤrme in Ruͤckſicht auf das Hoͤhenmeſſen vermittelſt des Barom. Frf. u. Lpzg.635 1786. 8. ) giebt eine allgemeine Theorie der Waͤrmemeſſung, uͤber welche Amontons, Lambert, de Luͤc u. a. ſchon ſo viel einzelne ſchoͤne Erfahrungen gemacht, und Unterſuchungen angeſtellt hatten. Das allgemeine Geſetz ſcheint, unter den gehoͤrigen Ausnahmen, dieſes zu ſeyn, daß ſich die Differenzen der Raͤume, in die ſich ein Koͤrper ausdehnt, wie die Differenzen der Temperaturen, verhalten. Hieraus wird eine Differentialformel hergeleitet, welche fruchtbar an wichtigen Folgen iſt, und ſtreng beweiſet, daß die blos von der Waͤrme herruͤhrende Veraͤnderung der Federkraft der Aenderung der Waͤrme ſelbſt proportional ſey. Dies wird nun nach Verſuchen uͤber die Vergleichung der abſoluten Waͤrmen mit den Ausdehnungen der Luft, auf die barometriſche Hoͤhenmeſſung angewendet, und gezeigt, wie de Luͤc's Berichtigung um (1 / 215) fuͤr jeden reaumuͤriſchen Grad aus den Verſuchen und der Differentialgleichung folge. Herr Mayer behauptet, de Luͤc's Beſtimmung von (1 / 215) ſey in allen Faͤllen ſo zureichend, daß ſie keiner weitern Verbeſſerung beduͤrfe.

Herr Hennert betrachtet in ſeiner 1785 zu Goͤttingen gekroͤnten Preißſchrift (Commentatio de altitudinum menſuratione ope barometri. Ultraj. 1786. 8maj. ) die Theorie der Hoͤhenmeſſungen und ihrer Berichtigungen in der groͤßten Allgemeinheit. Der Raum verſtattet hier nicht, ſeine Berechnungen im Zuſammenhange vorzulegen. Einzelne Bemerkungen daraus ſind folgende: Wenn ſich Dichten zwoer Luftmaſſen, wie D: d, Waͤrmen (d. i. Luftſaͤulen, die von ihnen bey einer gewiſſen Dichte und bey den ſtattfindenden Temperaturen getragen werden koͤnnen) wie C: γ, die Queckſilberſaͤulen, die ſie tragen, wie f: y verhalten ſo iſt (f / DC) = (y /〈…〉〈…〉17) = A eine unveraͤnderliche Groͤße. Nun folgt aus den gewoͤhnlichen Schluͤſſen die Formel woraus man nach gehoͤrigem Integriren ſ (dx / γ) = A log. nat.636 f / y erhaͤlt. Die Berichtigung wegen der Waͤrme des Queckſilbers richtet H. ſo ein, daß ſie nach einer von ihm mitgetheilten Tafel nur am untern Barometerſtande f vorgenommen werden darf, den er alsdann fcorr. nennt. Statt der natuͤrlichen Logarithmen briggiſche zu gebrauchen, darf man nur A mit 2,30285 .... multipliciren, wodurch es ſich in B verwandelt. Um nun noch dx: γ zu integriren, nimmt er γ = C (1+ (αx / f)) an und findet ſo, mit Weglaſſung kleiner Groͤßen wo C und γ aus mitgetheilten Tabellen durch die Grade des fahrenheitiſchen Thermometers an beyden Standpunkten gegeben ſind. Herr H. zeigt auch, daß dieſe Methode mit den meiſten Erfahrungen uͤbereinſtimme.

Zu den Formeln, welche vom Mariottiſchen Geſetze abweichen, gehoͤrt noch eine von Herrn D. Wuͤnſch (Neue Theorie von der Atmoſphaͤre und Hoͤhenmeſſ. mit Barometern, Leipzig, 1782. 8.). Sie beruht auf den Saͤtzen, daß ſich die Dichte der Luft wegen des Geſetzes der Gravitation verkehrt, wie die vierte Potenz des Abſtandes vom Mittelpunkte der Erde, verhalte, und daß man die ſo gefundene Dichte, wegen des Drucks der obern Luft auf die untere, mit der halben untern Barometerhoͤhe multipliciren muͤſſe, um die wirkliche Dichte zu erhalten. Daraus ſoll nun eine Formel folgen, in welcher Unterſchiede der Wurzeln vierter Potenz aus den Barometerhoͤhen faſt eben ſo gebraucht werden, wie ſonſt die Unterſchiede der Logarithmen. Herr W. theilt deswegen muͤhſam berechnere Tafeln uͤber die Wurzeln der vierten Potenz aus den natuͤrlichen Zahlen und ihre Unterſchiede mit. Aber der Grund dieſes Gebaͤudes iſt eine bloße, noch dazu hoͤchſt unwahrſcheinliche, Hypotheſe, und die Formeln folgen nicht richtig aus den vorausgeſchickten Saͤtzen.

Man weiß aus Beobachtungen, daß die Veraͤnderungen637 des Barometers auf eine große Strecke Landes gleichzeitig erfolgen, und wenn die Orte gleich hoch liegen, auch gleich groß, bey nicht allzugroßen Unterſchieden der Hoͤhen aber den mittlern Hoͤhen der Queckſilberſaͤulen an dieſen Orten proportional ſind. Bey großen Unterſchieden der Hoͤhen aber, die mehrere Hunderte von Toiſen betragen, hoͤrt dieſes Geſetz auf, und die Barometerveraͤnderungen werden in der Hoͤhe weit geringer, welches ein ungluͤcklicher Umſtand fuͤr die Hoͤhenmeſſungen iſt. (Man ſ. Sauſſure Voyages dans les Alpes, To. IV.)

Durch das Barometer koͤnnen auch weite Strecken Landes, oder der Lauf der Fluͤſſe, nivellirt werden. Man laͤßt entweder an einem Orte das Barometer taͤglich zu gewiſſen Stunden beobachten, und macht die Beobachtungen an andern Orten zu eben den Stunden, um die gleichzeitigen paarweiſe zur Berechnung zu gebrauchen; oder man nimmt fuͤr jeden Ort die daſelbſt beobach < * > eten mittlern Barometerhoͤhen. Fuͤr die Meeresflaͤche iſt der mittlere Barometerſtand nach Bouguer 28 pariſer Zoll 1 Lin.; er kan aber bis 28 Zoll 4 3 / 4 Lin. ſteigen.

Recherches ſur les modifications de l'atmoſphère par Mr. Iean Andre de Luc, à Geneve, To. I et II. 1772. gr. 4.

I. A. de Luͤc Unterſuchungen uͤber die Atmoſphaͤre; aus dem Franz. uͤberſ. Leipzig, I. Th. 1776. II. Th. 1778. gr. 8.

A. G. Kaͤſtners Abhandlung von Hoͤhenmeſſungen durch das Barometer, in ſ. Anmerkungen uͤber die Markſcheidekunſt. Goͤttingen, 1775. 8. S. 215. u. f.

C. H. Damen Diſſ. phyſ. et math. de montium altitudine barometro metienda. Hagae Com. 1783. 8.

Hoͤhlen, unterirdiſche, Grotten, Cavernae, Cavernes, Grottes.

Leere Raͤume von verſchiedener Groͤße, in den Bergen oder im Innern der Erde. Sie werden mehrentheils in gebirgichten Orten, vornehmlich in Kalkgebirgen, ſelten oder niemals im platten Lande angetroffen. Auf den Inſeln des Archipelagus, den azoriſchen, canariſchen, gruͤnen, moluckiſchen u. a. ſind ſie ſehr haͤufig, da Inſeln uͤberhaupt nichts als Spitzen von Bergen ſind, die638 aus dem Meere hervorragen. Gemeiniglich haben ſie Gaͤnge von verſchiedener Hoͤhe und Richtung, welche in groͤßere mit Pfeilern und Figuren von Tropfſtein ausgezierte Kluͤfte fuͤhren, auf deren Boden ſich Waſſer befindet. Bisweilen trifft man darinn auch Knochen, Zaͤhne und Gerippe von Landthieren an.

Die Elfenhoͤhle (Paols-hole, fire-hole) in Derbyſhire iſt ihrer Groͤße wegen bekannt. Man laͤßt ſich zuerſt auf 120 Fuß tief durch eine lothrechte Oefnung hinab, die endlich ſeitwaͤrts geht, ſich erweitert, und auf einem Steingeſchuͤtte zu einer Hoͤhle fuͤhrt, welche auf 150 Fuß Hoͤhe und Breite hat, und in der ſich 60 99 Fuß hohe Pfeiler von Tropfſtein erheben. Sie iſt von Leigh (ſ. Act. Erud. Lipſ. 1701. Nov. p. 517.) und von Lloyd (Philoſ. Trans. 1771. Vol. LXXI. n. 31.) beſchrieben worden.

Die Baumannshoͤhle auf dem Harz, zu welcher ein natuͤrliches Gewoͤlbe in den Berg hinein fuͤhrt, beſteht aus mehreren Raͤumen und engen Gaͤngen. Sie iſt uͤberall mit Tropf - und Rindenſteinen ausgezieret, an denen ſich eine lebhafte Einbildungskraft allerley Figuren, als Moſen mit zwey Hoͤrnern, Chriſti Auferſtehung, Moͤnche, ein betendes Weib, Orgeln u. dgl. hat vorſtellen koͤnnen. Man findet in ihr auch Knochen und allerley Verſteinerungen. Die Scharzfelder Hoͤhle iſt jener ſehr aͤhnlich, und hat unter einer großen Menge Knochen einige von ſolcher Groͤße, daß man die Thiere nicht errathen kan, denen ſie zugehoͤren. Dieſe Hoͤlen hat Leibnitz (Protogaea, ex edit. Scheidii. Gott. 1749. 4. To. I. §. 36. 37. ) beſchrieben.

Auch in Frankreich und der Schweiz findet man viele aͤhnliche Hoͤhlen. Eine in der Franche Comte (Mém. de Paris 1712. 1726. ingl. Mém. des Sav. etrangers, To. I.) hat einen Boden, der aus drey Fuß dickem Eiſe beſteht, und viele auf 20 Fuß hohe Eispfeiler. Das Thermometer haͤlt ſich darinn beſtaͤndig um den Eispunkt. Die Grotte de Notre Dame de Balme, 7 Stunden weit von Lion, hat an der einen Seite einen 6 Fuß breiten Bach, der ſich beym Ausgange in die Rhone ergießt. Aus dem Ber -639 < * > e Coyer, aus Malignon in Provence rc. bricht durch Spalten und Oefnungen ein kalter Wind hervor.

In Italien ſind verſchiedene unterirdiſche Hoͤhlen. Der Monte Eolo nordwaͤrts von Terni, bey der kleinen Stadt Ceſi giebt aus ſeinen Spalten, beſonders zur Sommerzeit, einige Stunden vor und nach dem Mittage, einen kuͤhlen Wind. Die Hundsgrotte (Grotta del cane) bey Neapel, deren ſchon Plinius (Hiſt. nat. Lib. II. ) gedenkt, iſt wegen des erſtickenden Schwadens auf ihrem Fußboden bekannt, in welchem die Thiere ſterben und die Fackeln verloͤſchen. Dieſer Schwaden erſtreckt ſich nur bis 10 Zoll uͤber dem Boden, und in einer groͤßern Hoͤhe kan man ſich ohne Schaden aufhalten und frey athmen. Dieſer toͤdtliche Schwaden beſteht aus fixer Luft, welche aus dem kalkartigen Boden durch die in den daſigen Schwefelkieſen enthaltene Vitriolſaͤure entwickelt wird, ſ. Gas, mephitiſches.

Ueberhaupt ſind in den vulkaniſchen, ſchweflichten und den Erdbeben ausgeſetzten Gegenden die Hoͤhlen ſehr haͤufig, wie z. B. in den Inſeln des Archipelagus, in den Azoren, Moluken, den Cordelieren, in Peru u. ſ. w.

Eine der beruͤhmteſten Hoͤhlen iſt die Grotte von Antiparos, welche Tournefort (Voyage au Levant, ed. de Lion, 1717. 4. p. 188. ſq. ) beſchreibt. Der Eingang iſt gewoͤlbt und uͤber 20 Schritte weit; er fuͤhrt zu einer dunkeln Oefnung, durch die man mit großer Schwierigkeit vermittelſt enger Gaͤnge, ſchmaler Treppen und Leitern, uͤber jaͤhe Abſtuͤrze bis zu einer Tiefe von mehr als 300 Klaftern gelangen kan, wo man eine ſehr große und auf dem Boden mit allerley Steinfiguren bedeckte Hoͤhle findet. Der bey den Alten bekannte Labyrinth in Creta oder Candia bey Gortyna, hat ſeinen Eingang an der Suͤdſeite des Berges Ida. Er fuͤhrt durch einen Gang mit vielen Beugungen und Seitenſteigen, wovon der groͤßte 1200 Schritt lang iſt, zu zween großen Saͤlen. Der Weg iſt zuweilen ſo niedrig, daß man kriechen muß. Die Waͤnde ſind lothrecht und ſcheinen von großen ordentlich uͤber einander liegenden Steinen aufgeſuͤhrt; die eingehauenen Namen haben ein640 Relief auf zwo Linlen dick erhalten, welches weißer iſt, als der Stein. Tournefort ſieht dieſen Labyrinth, wenigſtens zum Theil, fuͤr ein Werk der Menſchen an; Pocock vermuthet, daß es ein Steinbruch geweſen ſey, welches aber wegen des weichen Steins, der Beſchaffenheit der Gaͤnge und der Schwierigkeit der Ausfoͤrderung ſehr unwahrſcheinlich iſt. In dem alten Achaja, jetzt Livadia, iſt die Grotte des Trophonius, welche im Alterthum wegen eines Orakels bekannt war. Sie liegt zwiſchen einem See und dem Meere, unter einem hohen Berge, durch welchen auf 40 unterirdiſche Gaͤnge hindurch gehen, und zum Theil dem See zum Abfluſſe dienen.

Die meiſten dieſer Hoͤhlen, vorzuͤglich diejenigen, welche in Kalkgebirgen angetroffen werden, und auf dem Boden Waſſer enthalten, ſcheinen vom Waſſer gebildet zu ſeyn, welches beym Durchſeihen durch die Zwiſchenraͤume des Geſteins, die in Schichten oder Neſtern liegenden kalkartigen Materien nach und nach erweicht, und mit ſich hinweg gefuͤhrt hat. Die Vergroͤßerung ſolcher Hoͤhlen daur < * > hin und wieder noch jetzt fort; denn man findet, daß von den Decken dieſer Gewoͤlber noch immer Waſſer herabtroͤpfelt. Findet ein ſolcher Tropfen bey ſeinem Falle eine Baſis, ſo ſetzt er an dieſelbe die Kalktheile ab, die er mit ſich fuͤhret, und bildet dadurch mit der Zeit die Tropfſteine oder Stalactiten, die ſich in dergleichen Hoͤlen ſo haͤufig in Form der Eiszapfen, Saͤulen, Kruſten und unter mancherley andern ſeltſamen Geſtalten erzeugen. Noch jetzt ſpuͤhlt das durchſeihende Thau - und Regenwaſſer in den Kalkgebirgen ganze Schichten aus, und macht dadurch die Oefnungen, welche die Bergleute Kalkſchlotten zu nennen pflegen (ſ. de Luͤc Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen, II. Th. 112. Brief.). Bisweilen ſtuͤrzt dadurch ein Theil des daruͤberliegenden Bodens ein, und veranlaſſet die ſogenannten Erdfaͤlle, dergleichen ſich an vielen Orten, z. B. in der Gegend um Pyrmont (ſ. Markard Beſchreibung von Pyrmont, I. Th. II. Abſchn. Cap. 2. S. 185.) ſehr haͤufig finden. Iſt eine ſolche Kalkſchicht mit Materien vermiſcht, die das Waſſer nicht641 aufloͤſen kan, z. B. mit Conchylien, Knochen und Landthieren, Truͤmmern von feſtem Geſtein u. dgl., ſo bleiben dieſe auf den Boden der Hoͤhlen zuruͤck, woraus ſich die Menge der Muſcheln, Knochen und des Steinſchutts auf dem Boden der Hoͤhlen ſehr leicht erklaͤret. Es iſt alſo kaum zu bezweifeln, daß die meiſten Hoͤhlen ihre Entſtehung dieſer Urſache zu danken haben.

Außerdem aber koͤnnen auch Erdbeben und Vulkane ſowohl in urſpruͤnglichen, als auch in vulkaniſchen Bergen, durch ungleiche Erhebung oder Brechung, durch Erhaͤrtung der obern Lava, unter welcher die untere noch immer abfließt, und auf andere Art, Hoͤhlen erzeugen. Die ſogenannten Aeolushoͤhlen erklaͤrt Knoll (Unterhaltende Naturwunder, Aeolushoͤhlen, u. ſ. w. Erfurt, 1786. 8. ) durch periodiſches Stuͤrzen kaͤlterer dichterer Luft in duͤnnere waͤrmere, durch Hervorbrechen vulkaniſcher Duͤnſte, oder Entwickelung kuͤnſtlicher Luftarten, und durch Wind, der von herabſtuͤrzendem Waſſer erregt wird.

Bergmann, phyſicaliſche Beſchr. der Erdkugel, durch Roͤhl, Greifswalde, 1780. gr. 8. I. Th. 2. Abth. Cap. 7.

Briſſon Dict. raiſonné de phyſique, art. Cavernes.

Hoͤrrohr, Tuba acuſtica, Cornet acouſtique.

Ein Werkzeug zu Verſtaͤrkung des Gehoͤrs fuͤr diejenigen, bey welchen dieſer Sinn ſchwach iſt. Man giebt den Hoͤrroͤhren eine weite Oefnung AC, Taf. XI. Fig. 74. und CD, Fig. 75., damit ſie ſoviel Schallſtralen ab, cd, als moͤglich auffangen koͤnnen, welche ſonſt bey dem Ohre vorbeygehen wuͤrden. Dem innern Theile Ab, Cd, giebt man am beſten eine paraboliſche Geſtalt, welche die Parallelſtralen ab, cd in den Brennpunkt f ſammelt, wo ſie durch die Roͤhre fg, die man in das Ohr ſteckt, zu dem Werkzeuge des Gehoͤrs gefuͤhrt werden. Inwendig muͤſſen dieſe Hoͤrroͤhren wohl polirt, auswendig aber mit einem weichen Stoffe uͤberzogen ſeyn, damit ſie den Schall vollkommen regelmaͤßig zuruͤckwerfen, auch durch die aͤußere Seite nicht durchlaſſen. Le Cat (Traité des ſens, p. 292.) bemerkte am Bau des Ohrs, daß der Schall in einer voͤllig eingeſchloßnen Luft ſehr verſtaͤrkt werde, und gab daher das642 doppelte Hoͤrrohr, Fig. 75. an, wo die Hoͤhlung AEB eine eingeſchloßne Luft enthaͤlt, welche nicht anders, als durch die Roͤhre EG in das Ohr ausweichen kan, und von den Schallſtralen geruͤhrt wird, die ſich in der vordern Hoͤlung CFD nach F reflectiren. Solcher Roͤhren bedienen ſich ſchwerhoͤrende Perſonen mit Nutzen. Sonſt thut uns und den Thieren das aͤußere Ohr eben die Dienſte, wie auch die hohle Hand, wenn man ſie hinter das Ohr haͤlt.

Briſſon Dict. raiſ. de Phyſique, art. Cornet acouſtique.

Erxleben Anfangsgr. der Naturlehre, 4te Aufl. §. 227.

Hohlglaͤſer, ſ. Linſenglaͤſer.

Hohlſpiegel, Speculum concavum, Miroir concave.

Ein krummer Spiegel, deſſen Flaͤche nach der Vorderſeite zu hohl iſt. Die Kruͤmmung kan ſphaͤriſch, paraboliſch, elliptiſch oder hyperboliſch ſeyn. Da die letztern beyden Arten ſelten gebraucht werden, fuͤr die paraboliſchen aber ein eigner Artikel (Paraboliſche Spiegel) beſtimmt iſt, ſo bleiben hier nur noch die ſphaͤriſchen Hohlſpiegel oder hohlen Kugelſpiegel (ſpecula ſphaerica concava) zu betrachten uͤbrig, wobey man erſtens auf die Wege der von ihnen zuruͤckgeworfenen Stralen, zweytens auf die Bilder, die ſie darſtellen, zu ſehen hat.

MN, Taf. XI. Fig. 76. ſey ein Durchſchnitt eines hohlen Kugelſpiegels, und deſſen Mitte A ſey mit dem Mittelpunkte der Kugel C durch die Axe AC verbunden. Ein Stral LM, der parallel mit der Axe einfaͤllt, macht mit dem Halbmeſſer der Kugel CM, (welcher auf der Kugelflaͤche bey M lothrecht ſteht) den Einfallswinkel 0 = y, wird alſo unter einem eben ſo großen Winkel x = 0 = y ſo zuruͤckgeworfen, daß er die Axe CA bey O ſchneidet. Weil nun im Dreyecke COM die Winkel x und y gleich ſind, ſo ſind auch die Seiten MO und CO gleich, und werden, wie in jedem gleichſchenklichten Dreyecke, durch das Product der halben Grundlinie in die Secante des anliegenden Winkels ausgedruͤckt. Nennt man alſo den Halbmeſſer der Kugelflaͤche CM = a, ſo iſt643

Der Stral CA, der in der Axe ſelbſt einfaͤllt, trifft den Spiegel ſenkrecht, und prallt in ſich ſelbſt zuruͤck. Der zunaͤchſt an CA einfallende ca, fuͤr welchen der Bogen Aa oder das Maaß des Winkels y unendlich klein, alſo deſſen Secante = 1 iſt, trifft die Axe in F ſo, daß CF = 1 / 2 a, oder F auf der Helfte des Halbmeſſers liegt.

Iſt die Breite des Spiegels oder der Bogen AM (der allezeit den Winkel y mißt) 18°, ſo wird LM, der letzte einfallende Parallelſtral, die Axe in O ſo treffen, daß CO = 1 / 2a. ſec. 18° = 1,051 ... 1 / 2a = 0,5255. .a. Alle den Spiegel treffende Parallelſtralen werden alſo zwiſchen F und O durch die Axe gehen, wobey der Raum FO = 0,5255. .a 0,5. a = 0,0255. .a oder (1 / 39) des Halbmeſſers betraͤgt.

Waͤre des Spiegels Breite AM oder y = 60°, ſo wuͤrde fuͤr den aͤußerſten Parallelſtral CO = 1 / 2a. ſec. 60° = a ſeyn, oder dieſer Stral wird auf den Spiegel ſelbſt nach A zuruͤckgeworfen.

Der Raum FO = CO CF iſt uͤberhaupt fuͤr jede Breite des Spiegels = 1 / 2 a. ſec. y 1 / 2a = 1 / 2a. (ſec. y 1), alſo fuͤr die Breiten , , , 15° = a multiplicirt in 0,00086; 0,00275; 0,00623; 0,01763, oder = (1 / 1470), (1 / 363), (1 / 160), (1 / 57) des Halbmeſſers.

Ein hohler Kugelſpiegel alſo bringt Stralen, welche mit ſeiner Axe parallel einfallen, in einem Raume FO zuſammen, der einen deſto geringern Theil des Halbmeſſers ausmacht, je kleiner die Breite des Spiegels iſt. Der Punkt F liegt um die Helfte des Halbmeſſers vom Spiegel ab. Die nahe an der Axe einfallenden Stralen ſammeln ſich naͤher bey F, die weiter abliegenden weiter von F ab gegen A zu, und die 60° abſtehenden in A ſelbſt. Auch werden die Unterſchiede der Raͤume FO, in welchen die zuruͤckgeworfenen Stralen die Axe kreuzen, deſto kleiner, je naͤher die Stralen an der Axe liegen, d. i. je naͤher ſie bey F vorbeygehen, oder die Strahlen kommen in der Gegend von F am dichteſten zuſammen.

Durch dieſe Verdichtung werden die Sonnenſtralen, wenn die Axe des Spiegels gegen der Sonne Mittelpunkt gerichtet iſt, vermoͤgend gemacht, bey F zu brennen,644 ſ. Brennſpiegel. Daher heißt auch F der Brennpunkt und AF die Brennweite des Spiegels, welche letztere alſo die Helfte des Halbmeſſers oder den vierten Theil des Durchmeſſers betraͤgt. Dieſen Satz hat Porta (De refractione, p. 39.) zuerſt angegeben. Wenn der Spiegel keine allzugroße Breite hat, ſo kan man annehmen, alle aus einem Punkte der Sonne kommende Stralen wuͤrden um F vereiniget, wobey das, was hierin nicht in aller Schaͤrfe richtig iſt, als eine Abweichung wegen der Kuge < * > geſtalt des Spiegels angeſehen wird. Die weiter von F abliegenden Stralen dienen doch den Gegenſtand mit zu erwaͤrmen. Offenbar aber waͤre es zum Brennen unnuͤtz, dem Spiegel viel Grade zu geben.

Die Groͤße der Abweichung wegen der Kugelgeſtalt koͤmmt auf die Groͤße des Raumes FO an, und laͤßt ſich aus ihr durch Rechnungen herleiten, welche fuͤr unſern gegenwaͤrtigen Zweck zu weitlaͤuftig ſind. Herr Kaͤſtner (Analytiſche Katoptrik, in Smiths Lehrbegrif der Optik, S. 81. u. f.) hat dieſelben analytiſch ausgefuͤhrt und berechnet (15 Zuſ. S. 92.), daß bey einem hohlen Kugelſpiegel von Breite das Licht in einem nahe am Brennpunkte liegenden Kreiſe 170590 mal dichter zuſammen gebracht wird, als beym Einfallen, vorausgeſetzt, daß keine Stralen durch die Reflexion verlohren gehen.

Fiele die Abweichung wegen der Kugelgeſtalt ganz hinweg, ſo wuͤrde ſich im Brennpunkte F ein deutliches Bild der Sonne zeigen, und ſchon darum wuͤrde ſich der Brennpunkt in einen dieſem Bilde gleichen Flaͤchenraum verwandeln. Wie man unter dieſer Vorausſetzung die Dichte des Lichts im Brennraume finde, iſt bey dem Worte: Brennraum angegeben. Die Abweichung aber vermindert nicht allein die Deutlichkeit dieſes Sonnenbilds in F, ſondern macht auch, daß zwiſchen F und O eine ununterbrochene Reihe von Sonnenbildern entſteht, welche verſchiedene Groͤßen haben, und den Brennraum zu einem koͤrperlichen Raume ausdehnen, deſſen auf den Spiegel lothrechte Durchſchnitte von Brenn < * > en begrenzt werden. Da man aber den hohlen Kugelſpiegeln nie eine betraͤchtliche Breite645 giebt, ſo kan man bey den allgemeinen Erklaͤrungen ihrer Phaͤnomene die Abweichung wohl bey Seite ſetzen.

Stralen, die aus F auf die Flaͤche des Hohlſpiegels fallen, werden dergeſtalt zuruͤckgeworfen, daß ſie hernach alle unter ſich und mit der Axe gleichlaufend werden. Von einer brennenden Kerze in F wirft der Spiegel alles Licht parallel in unendliche Entfernungen hinaus.

Daß die zuͤndende Eigenſchaft der hohlen Kugelſpiegel ſchon den Alten bekannt geweſen ſey, erhellet aus den Anfangsgruͤnden der Katoptrik, die man insgemein dem Euklides zuſchreibt, wo dieſe Eigenſchaft (Prop. 31.) ausdruͤcklich erwaͤhnt, der Brennpunkt aber ſehr unrichtig in den Mittelpunkt der Kugelflaͤche geſetzt wird. Man findet aber keine beſtimmten Nachrichten, daß davon irgend einiger Gebrauch gemacht worden ſey, und die Erzaͤhlung von Archimeds Brennſpiegeln iſt vielen Zweifeln unterworfen, ſ. Brennſpiegel. Euklids Katoptrik beſchaͤftiget ſich mehr mit den im Hohlſpiegel erſcheinenden Bildern, zu deren Betrachtung wir nunmehr fortgehen wollen.

Es iſt bey dem Worte: Bild bereits angefuͤhrt worden, daß man die Beſtimmung des Orts der Bilder in Spiegeln auf zweyerley Saͤtze gruͤnde. Der erſte, ſchon in Euklids Katoptrik gebrauchte, iſt dieſer: daß man das Bild eines Punkts da ſehe, wo der vom Spiegel zuruͤckgeworfene Stral das vom Punkte auf die Spiegelflaͤche gefaͤllte Loth ſchneidet. Euklid ſuchte ihn daher zu erweiſen, weil man in Kugelſpiegeln kein Bild ſieht, wenn das Auge in dieſem Lothe ſteht, welcher Grund aber nicht hinreichend iſt. Der andere von Barrow eingefuͤhrte Grundſatz nimmt den Ort des Bildes in der Spitze des von den zuruͤckgeworfenen Stralen gebildeten Kegels an. Nun giebt es zwar, wie Herr Kaͤſtner (De objecti in ſpeculo ſphaerico viſi magnitudine apparente, Comm. Nov. Gotting. To. VIII. 1777.) gezeigt hat, in ſphaͤriſchen Spiegeln gar keinen Punkt, aus dem die von einerley Punkte des Gegenſtandes ins Auge fallenden Stralen alle herkaͤmen; doch enthaͤlt auch bey ihnen das Perpendikel von dem ſichtbaren Punkte auf die Flaͤche des Spiegels (oder die646 Linie durch den ſichtbaren Punkt und des Spiegels Mittelpunkt) denjenigen Ort, um welchen die Zerſtreuungspunkte der zuruͤckgeworfenen Stralen am dichteſten beyſammen liegen, in welchen man alſo den Ort des Bildes ohne großen Fehler ſetzen kann.

Dies alſo vorausgeſetzt, ſey Taf. XI. Fig. 77. SV der Durchſchnitt eines Hohlſpiegels mit der Ebne, in welcher die Reflexion geſchieht; C der Mittelpunkt des Spiegels, F der Brennpunkt. Zwiſchen dem Brennpunkte und dem Spiegel befinde ſich der Gegenſtand AB; die Perpendikel aus ſeinen Endpunkten auf die Spiegelflaͤche ſind die durch den Mittelpunkt C gehenden Linien CAI, CBM. Die aus A auf den Spiegel fallenden divergirenden Stralen AR, AG werden nach der Zuruͤckwerfung weniger divergiren, gerade als ob ſie aus einem entlegenern Punkte des Perpendikels I herkaͤmen. So wird dem Auge O, das dieſe Stralen auffaßt, das Bild von A ohngefaͤhr um I zu liegen ſcheinen; und eben ſo wird das Bild von B hinter dem Spiegel in M auf der Verlaͤngerung von CB liegen. Der Gegenſtand erſcheint alſo hinter dem Spiegel in IM aufrecht und vergroͤßert. Je naͤher AB an den Brennpunkt ruͤckt, deſto weniger divergiren die reflectirten Stralen, deſto weiter fallen alſo die Vereinigungspunkte I und M hinaus, und deſto ſtaͤrker wird die Vergroͤßerung.

Ruͤckt AB in den Brennraum F ſelbſt, ſo gehen die aus A einfallenden Stralen nach der Reflexion parallel mit einander ſelbſt, und mit dem Perpendikel CA. Es giebt alſo in dieſem Falle keinen Durchſchnittspunkt mehr; und die zuruͤckgeworfenen Stralen bilden nicht Kegel, ſondern Cylinder, die keine Spitze haben; es kan alſo kein Bild von A erſcheinen. Eben dies gilt von B, und von den uͤbrigen Punkten des Gegenſtandes, der alſo, wenn er im Brennraume ſteht, im Spiegel gar nicht geſehen werden kan.

Liegt der Gegenſtand uͤber den Brennpunkt F hinaus, wie AB (Taf. XI. Fig. 78.), ſo werden die Stralen AR, AG nach der Zuruͤckwerfung convergent, kreuzen ſich in einem Punkte I des Perpendikels ACV, und kommen in647 dem Falle, den die Figur darſtellt, erſt nach dem Durchkreuzen ins Auge, daher das Bild von A in I erſcheinen ſollte. Eben ſo muͤßte B ſein Bild in M haben, und alſo das Bild IM umgekehrt vor dem Spiegel in der Luft zu ſchweben ſcheinen. Man nennt es daher ein Luftbild.

Es ſind hierbey drey Faͤlle zu unterſcheiden. 1) Wenn, wie bey Fig. 79., der Gegenſtand AB zwiſchen F und C, dem Brennpunkte und Mittelpunkte des Spiegels liegt, ſo iſt der Perpendikel durch A die Linie SACI, der Stral AR wird nach I zuruͤckgeworfen, ſchneidet daſelbſt den Perpendikel, und ſtellt A in I, mithin das umgekehrte Luftbild IM noch vor dem Gegenſtande AB ſelbſt, und groͤßer, als dieſen, vor. 2) Wenn der Gegenſtand im Mittelpunkte des Spiegels ſelbſt, oder in C liegt, wie Ca, Fig. 79. Alsdann bekoͤmmt der durch a gehende Perpendikel auf den Spiegel die Lage Ca ſelbſt, und das Bild von a faͤllt in b, wo der reflectirte Stral Rb die Verlaͤngerung von aC ſchneidet. Weil hier Cb = Ca, ſo iſt in dieſem Falle das Luftbild eben ſo groß, als der Gegenſtand, und ſollte denſelben zu beruͤhren ſcheinen. 3) Wenn der Gegenſtand uͤber den Mittelpunkt C hinaus liegt, wie Fig. 78., ſo ſchwebt das Luftbild naͤher vor dem Spiegel, und iſt kleiner, als der Gegenſtand.

Mit dieſen Saͤtzen ſtimmt die Erfahrung zwar in Abſicht auf die umgekehrte Lage und die Groͤße der Bilder voͤllig uͤberein; was aber die ſcheinbaren Stellen der Luftbilder betrifft, ſo findet man zwiſchen den erwaͤhnten drey Faͤllen wenig Unterſchied, die Bilder ſcheinen einmal wie das anderemal gleichſam auf dem Spiegel ſelbſt zu ſchweben, und man ſieht ſie ſogar, wenn das Auge die Punkte I und M hinter ſich hat. Dies iſt allerdings ein wichtiger Einwurf gegen die Theorie, deſſen Staͤrke Barrow ſelbſt gefuͤhlt hat. Bey dem Worte: Bild habe ich angefuͤhrt, wie man dieſe Schwierigkeit zu heben geſucht habe. Der Anblick der Luftbilder iſt fuͤr uns eine neue und ungewoͤhnliche Art des Sehens, wobey wir das Bild auf den Spiegel ſelbſt ſetzen, weil wir zwiſchen beyden nichts ſehen, was uns einen Begriff von Abſtand oder Entfernung geben koͤnnte. So648 loͤſet ſich die Schwierigkeit in einen Geſichtsbetrug oder vielmehr in ein Sehen und Urtheilen nach unbeſtimmten Regeln auf, und wenn der Ort des eigentlichen Bildes erſt hinter dem Auge liegt, und wir alſo von den Punkten des Gegenſtandes convergirende Stralen erhalten, ſo wird das Bild jederzeit ſehr undeutlich ſeyn, und wir werden, wenn wir es genau betrachten wollen, eine ſchmerzhafte Anſtrengung des Auges fuͤhlen. Dennoch bleibt an dem gemachten Einwurfe ſoviel wahr, daß die ſcheinbare Stelle geſehener Punkte nicht von dem Scheitel des Kegels der Geſichtsſtralen allein, ſondern von mehrern Umſtaͤnden abhaͤngt, ſ. Entfernung, ſcheinbare.

Johann Georg Brengger, ein Arzt in Kaufbeuern, aͤußert in einem Briefe an Keplern vom 22. Dec. 1604. (Epiſtolae ad Keplerum ſcriptae ed. a Mich. Gottl. Hanſchio, Lipſ. 1718. fol. Ep. CLI. p. 223.) den Gedanken, der Ort des Bildes liege in dem Perpendikel aus dem leuchtenden Punkte auf die Ebne, welche die Spiegelflaͤche im Zuruͤckſtrahlungspunkte beruͤhret, eine Beſtimmung, welcher auch d'Alembert (Opuſcules mathem. To. I. p. 275. ) vor der alten gewoͤhnlichen den Vorzug giebt. Kepler aber (Ep. CLII.) antwortet darauf ſehr gut, es komme nicht auf eine, ſondern auf mehrere Repercuſſionen, nemlich auf die Vereinigungspunkte mehrerer zuruͤckgeworſenen Stralen an. D'Alembert beſchließt ſeine Unterſuchungen auch damit, daß es gar keinen allgemeinen Grundſatz uͤber den ſcheinbaren Ort der Bilder gebe.

Man kan das Schweben der Bilder in der Luft deutlicher bemerken, wenn man etwas zwiſchen den Ort des Bildes und den Spiegel bringt, und bewegt, wodurch die Empfindung eines Abſtands vom Spiegel lebhafter gemacht wird. Ficht man z. B. mit einem Degen gegen den Hohlſpiegel, ſo ſcheint das Bild des Degens aus dem Spiegel hervorzukommen und dagegen zu fechten; bewegt man die Hand gegen den Spiegel, ſo ſcheint aus demſelben eine andere Hand zu kommen, und ſich in jene zu legen u. ſ. w. 649

Kaͤſiner Anfangsgr. der angew. Math., 1 ſte Abth. Dritte Aufl. Katoptrik, §. 32. u. f.

Prieſiley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel, S. 7. u. f.

Hollaͤndiſches Fernrohr, ſ. Fernrohr.

Homogen, Gleichartig

Homogeneum, Similare, Homogene, Similaire. Was von einerley Art und Beſchaffenheit iſt. Beſteht ein Koͤrper aus lauter Theilen, die mit dem Ganzen ſelbſt von einerley Art ſind (partes ſimilares), ſo pflegt man auch wohl den Koͤrper ſelbſt einen homogenen zu nennen. Solche Koͤrper ſind das reine Waſſer, die reinen Metalle, die einfachen Farbenſtralen (wenn man anders das Licht fuͤr eine materielle Subſtanz annimmt), u. ſ. w. Die Theile ſolcher Koͤrper haben einerley Dichte, Farbe, Haͤrte, und uͤberhaupt einerley Eigenſchaften mit dem Ganzen. Dem Homogenen ſetzt man das Heterogene entgegen, ſ. Heterogen.

Horizont, Geſichtskreis, Horizon, Circulus finitor, Horizon.

Ueberall auf der Erdflaͤche, wo nicht hohe Gegenſtaͤnde die freye Ausſicht hindern, ſieht es aus, als ob ſich das Auge in einer kreisfoͤrmigen Ebne befaͤnde, auf der der Himmel, wie ein hohles Gewoͤlbe, ringsherum aufliegt. Dieſe Ebne ſelbſt, und auch ihr Umkreis, heiſſen der ſcheinbare Horizont (Horizon apparens); die Ebne ſelbſt beruͤhrt die kugelfoͤrmige Erdflaͤche an dem Orte, wo das Auge ſteht, und wird alſo Taf. VIII. Fig. 2. durch hr vorgeſtellt. Das Auge o nemlich kan, weil die Erde undurchſichtig iſt, vom Himmel nicht mehr uͤberſehen, als was uͤber hr liegt.

Eine Ebne HCR, mit dieſer beruͤhrenden parallel durch C, der Erde Mittelpunkt, gefuͤhrt, heißt der wahre Horizont (Horizon verus). Eben dieſen Namen fuͤhrt auch ihr Umkreis, der ein groͤßter Kreis der Sphaͤre iſt. Beyde Horizonte ſtehen von einander um den Bogen Hh, oder um das Maaß des Winkels HCh ab, welcher den Namen der Horizontalparallaxe fuͤhrt, und deſto kleiner wird, je kleiner man die Erdkugel in Vergleichung650 mit der Himmelskugel annimmt. Da ſich nun in Abſicht auf die Fixſterne nicht die mindeſte Spur einer Horizontalparallaxe, ſelbſt durch die genaueſten Beobachtungen, entdecken laͤßt, ſo muß in Vergleichung mit der Kugel der Fixſterne die ganze Erde fuͤr unendlich klein angenommen werden, daß alſo o und C in einen Punkt zuſammenfallen, und zwiſchen wahrem und ſcheinbarem Horizont kein Unterſchied mehr zu machen iſt, ſ. Erdkugel, unter dem Abſchnitte: Horizont, Aequator rc. Bey Betrachtung des Mondes, der Sonne und der Planeten aber bleibt dieſer Unterſchied, und eben durch ihn werden die Entfernungen dieſer Koͤrper von uns gemeſſen, ſ. Parallaxe.

Der Horizont iſt unſtreitig der erſte Kreis, den man am Himmel kennen lernte; Aufgang, Untergang und Hoͤhe der Geſtirne ſind Begriffe, die ſich auf ihn beziehen. Daher hat auch die Aſtrologie, deren Urſprung uralt iſt, ihre meiſten Beſtimmungen auf die Stellung der Geſtirne gegen den Horizont gegruͤndet. Sein griechiſcher Name (von〈…〉〈…〉18, finio) heißt ſo viel als begrenzender Kreis.

Die Erfahrung lehrt, daß an allen Orten der Erdflaͤche die Richtung der Schwere oder des Bleywurfs mit der Ebne des Horizonts rechte Winkel macht. Die verlaͤngerte Richtung der Schwere alſo, oder die Scheitellinie ZoCN iſt die Axe, und die Punkte Z und N, oder das Zenith und Nadir ſind die Pole des Horizonts, und ſtehen uͤberall um 90° von ihm ab. Alle durch das Zenith gehende groͤßte Kreiſe (Scheitelkreiſe oder Verticalcirkel) ſtehen auf ihm ſenkrecht; und alle groͤßte Kreiſe der Sphaͤre (Aequator, Ekliptik, Mittagskreis u. ſ. w) ſchneiden ſich mit ihm unter gleichen Helften. Er theilt die ganze Himmelskugel in zwo gleiche Helften, die obere oder ſichtbare, und die untere oder unſichtbare Halbkugel.

Seine beyden Durchſchnittspunkte, mit dem Meridian H und R, heißen der Mittags - und Mitternachtspunkt. Der letztere liegt auf der Seite des bey uns ſichtbaren Nordpols P; jener dieſem gegen uͤber. Die Durchſchnitte des Horizonts mit dem Aequator beſtimmen den Morgen - und Abendpunkt, ſo daß ein gegen Mittag651 gekehrter Zuſchauer jenen zur Linken, dieſen zur Rechten hat. Dieſe vier Punkte theilen den Horizont in vier gleiche Theile oder Quadranten, ſ. Hauptgegenden; wird jeder Quadrant noch dreymal halbirt, ſo entſteht daraus die bey den Schiffern gewoͤhnliche Eintheilung des Horizonts in 32 Winde oder Weltgegenden, ſ. Weltgegenden, Windroſe.

Die Markſcheider theilen den Horizont, um das Streichen der Gaͤnge zu beſtimmen, in 24 Stunden, ſ. Gaͤnge.

In der Sternkunde wird der Horizont, wie jeder Kreis, in 360 Grade getheilt, die man gewoͤhnlich vom Mittagspunkte aus auf beyden Seiten fortzaͤhlt, ſo daß man im Mitternachtspunkte mit 180° von beyden Seiten her zuſammentrift. Nach ſolchen Graden und ihren Theilen werden die Azimuthe der Geſtirne angegeben, ſ. Azimuth. Bisweilen aber, vorzuͤglich fuͤr Sterne, die eben auf - oder untergehen, faͤngt man auch vom Morgen - oder Abendpunkte zu zaͤhlen an, und beſtimmt in ſolchen Graden die Morgenund Abendweiten, ſ. Morgenweite, Abendweite.

Horizontal, Wagrecht, Waſſergleich, Horizontale, ad libellam compoſitum, Horizontal.

Eine Ebne oder Linie heißt horizontal, wenn ſie mit dem ſcheinbaren und wahren Horizonte des Orts parallel laͤuft. Die Richtung der Schwere oder des Bleyloths macht alsdann rechte Winkel mit ihr. Man nennt die Werkzeuge, wodurch ſich horizontale Linien angeben laſſen, Wagen, z. B. Bleywagen, Schrotwagen, Waſſerwagen rc. vermuthlich, weil der Balken einer gewoͤhnlichen Wage im Gleichgewichte einen horizontalen Stand hat. Daher koͤmmt der Name wagrecht, ſo wie die Benennung waſſergleich davon hergenommen iſt, daß die Oberflaͤche des ſtillſtehenden Waſſers und aller fluͤßigen Koͤrper von ſelbſt eine horizontale Ebne bildet, ſ. Fluͤßig.

Eigentlich iſt die Flaͤche, die wir auf der Erde uͤberſehen, ein Stuͤck der kugelfoͤrmigen Erdflaͤche, und weicht vom ſcheinbaren Horizonte, der als eine Ebne betrachtet wird, in groͤßern Diſtanzen ſo ab, wie ein Kreisbogen von652 ſeiner Tangente. Man iſt daher genoͤthigt, bey weiten Verlaͤngerungen horizontaler Ebnen und Linien auf die Kruͤmmung der Erdflaͤche Ruͤckſicht zu nehmen, ſ. Waſſerwaͤgen; bey geringern Diſtanzen iſt dies nicht noͤthig.

Horizontalebne, ſ. Horizontal.

Horizontallinie, ſ. Horizontal.

Horizontalparallaxe, ſ. Parallaxe.

Horizontalwage, ſ. Waſſerwaͤgen.

Horopter, Horopter, Horopter, Lieu du concours des deux axes optiques.

Wenn wir einen Punkt C Taf. XI. Fig. 80. deutlich ſehen wollen, ſo richten wir beyde Augenaxen AC und BC darauf, die alſo im Punkte C zuſammenſtoßen. Eine Ebne durch C, lothrecht auf das Dreyeck ABC, gefuͤhrt, heißt alsdann der Horopter.

Es iſt leicht zu uͤberſehen, daß die beyden Bilder von C und uͤberhaupt die Bilder eines jeden im Horopter liegenden Punktes, auf uͤbereinſtimmen de Punkte der Netzhaut in beyden Augen fallen. Man ſtelle ſich z. B. dieſe Netzhaͤute unter den Linien de, de vor, ſo faͤllt das Bild von C in beyden Augen auf die Mitte der Netzhaut in c. Liegen aber zugleich andere Gegenſtaͤnde, wie D und E außer dem Horopter, ſo fallen ihre Bilder d und e in beyden Augen auf verſchiedene Seiten von c, alſo auf nicht uͤbereinſtimmende Punkte der Netzhaͤute, wie die Figur ſehr deutlich zeigt, indem z. B. d im rechten Auge rechts, im linken links, von der Mitte c abliegt.

Nun lehrt die allgemeine Erfahrung, daß wir eine Sache nur einmal ſehen, wenn ihr Bild in beyden Augen auf uͤbereinſtimmende oder zuſammengehoͤrige Punkte faͤllt, ſ. Sehen. Die Urſache mag wohl darinn liegen, daß wir auf dieſe Art uͤber das Geſehene zu urtheilen gewoͤhnt worden ſind, weil uns das Gefuͤhl belehrt hat, daß bey dem ordentlichen Gebrauche unſerer Augen die ſo geſehene Sache nur einzeln vorhanden ſey. Das Auge ſtellt uns alſo ein einfaches Gemaͤlde aller im Horopter liegenden Gegenſtaͤnde dar, welches auf beyden Netzhaͤuten gleichfoͤrmig abgebildet iſt. Da nun die Bilder der in D und E liegenden653 Dinge auf nicht zuſammengehoͤrige Punkte der Netzhaͤute, alſo auf zwo verſchiedene Stellen des Gemaͤldes fallen, ſo iſt es eine nothwendige Folge, daß wir alles, was außer dem Horopter liegt, doppelt ſehen.

Die Gewohnheit, die Geſichtsaxen zu richten, iſt ſo ſtark, daß es uns ſehr ſchwer faͤllt, dieſes nicht zu thun, und wenn ein Auge geſchloſſen iſt, ſo kan man mit dem aufs Augenlied gelegten Finger fuͤhlen, daß es allemal den Bewegungen des ofnen folgt. Werden aber durch vorſaͤtzliches Schielen, oder durch Verdruͤckung des einen Auges mit dem Finger, die Geſichtsaxen nach verſchiedenen Punkten gerichtet, ſo iſt gar kein Horopter vorhanden und es erſcheinen alle Sachen doppelt.

Sind die Geſichtsaxen natuͤrlich nach einem Punkte C gerichtet, ſo erſcheinen Gegenſtaͤnde wie D und E mit doppelten, und zugleich undeutlichen Bildern. Eben dieſer Undeutlichkeit wegen, und weil wir immer nur auf das, was eigentlich betrachtet wird, Achtung geben, bemerken wir dieſe doppelte Erſcheinung nur, wenn der Eindruck der Gegenſtaͤnde D, E lebhaft iſt, oder ſonſt durch irgend einen Umſtand die Aufmerkſamkeit erregt. Betrachten wir des Abends etwas nahe vor dem Auge, ſo erſcheinen die Lichtflammen doppelt; ſehen wir in die Ferne, ſo ſtellt ſich von dem jaͤhling gegen das Auge gefuͤhrten Finger ein doppeltes Bild dar. Haͤlt man ein langes Lineal gerade vor ſich zwiſchen die Augenbraunen, ſo daß ſeine beyden Flaͤchen nach beyden Augen zugekehrt ſind, und richtet alsdann die Augen auf eine entlegne Sache, ſo erſcheint die rechte Seite des Lineals dem rechten Auge zur linken, und die linke Seite dem linken Auge zur rechten.

Smith Vollſt. Lehrbegrif der Optik, durch Kaͤſtner. I. Buch, 5 Cap. §. 137. S. 43. u. f.

Hundstage, Dies caniculares, Fours caniculaires.

Dieſen Namen fuͤhren die Tage vom 24. Julii bis zum 24. Auguſt. Es iſt dies ohngefaͤhr die Zeit, waͤhrend der die Sonne in der Naͤhe des Hundsſterns oder Sirius ſteht, und dieſen glaͤnzenden Stern durch ihre Stralen unſern Augen654 entzieht. Man ſ. die Worte: Aufgang, Untergang. Die Alten glaubten, die große Hitze in den Hundstagen komme von der Vereinigung der Stralen der Sonne und des Sirius her.

Hydraulik, Hydraulica, Hydraulique.

Die Lehre von der Bewegung fluͤßiger Materien, und insbeſondere des Waſſers. Die Geſetze der Bewegung ſind bey den fluͤßigen Koͤrpern weit ſchwerer, als bey den feſten, zu entdecken, weil die Theile fluͤßiger Koͤrper ſich bey der Bewegung trennen, und verſchiedene Geſchwindigkeiten erlangen, daher die Bewegung an jeder Stelle beſonders betrachtet werden muß. Hiezu ſind Anwendungen der hoͤhern Mathematik nothwendig, deren Kenntniß nicht bey Jedem vorausgeſetzt werden kan. Man hat alſo um derer willen, die dieſe Kenntniſſe entbehren, und doch etwas von den praktiſchen Mitteln, Waſſer in Bewegung zu ſetzen, wiſſen wollen, die gemeine Hydraulik von der hoͤhern oder der Hydrodynamik unterſchieden. In der gemeinen Hydraulik begnuͤgt man ſich, Werkzeuge zu beſchreiben, womit das Waſſer theils zum wirklichen Nutzen in der Oekonomie, dem Bergbaue, verſchiedenen Kuͤnſten u. ſ. w., theils auch zum Vergnuͤgen, gehoben und bewegt werden kan. Man iſt aber ohne Beyhuͤlfe der hoͤhern Mathematik nicht einmal im Stande, die Wirkungen dieſer Werkzeuge gehoͤrig zu berechnen; ein gruͤndliches Studium der Hydraulik muß daher ſtets mit Anwendungen der hoͤhern Mathematik oder mit Hydrodynamik begleitet werden.

Die Hydraulik iſt ferner von der Hydrotechnik oder Waſſerbaukunſt unterſchieden, weiche letztere eigentlich einen Theil der Baukunſt ausmacht, und von der Lenkung und Schiffbarmachung der Stroͤme, Anlegung der Haͤfen, den Waſſerleitungen, Deich - und Schleuſſenbau, Bruͤckenbau u. ſ. w. handelt.

Bey den Alten waren ſchon verſchiedene noch jetzt gebraͤuchliche Maſchinen zu Erhebung des Waſſers bekannt. Vitruv (De architectura L. X. c. 12.) eignet die Erfindung der Waſſerſchraube dem Archimedes, und die des Druckwerks655 mit doppeltem Stiefel, ſ. Druckwerk, dem Cteſibius von Alexandrien zu. Heron zu Alexandrien, des Cteſibius Schuͤler, hat in einem beſondern Buche (〈…〉〈…〉19 ſ. Spiritalium liber ed. a Commandino, Pariſ. 1575. 4. ) eine Menge hydrauliſcher Maſchinen und beſonders artiger Springbrunnen geſammelt, und aus der Vermeidung des leeren Raumes erklaͤrt. Sie beruhen meiſtens auf dem Drucke und den uͤbrigen Eigenſchaften der Luft, ſ. Heber, Springbrunnen.

Der P. Schott (Mechanica hydraulico-pnevmatica, Herbip. 1657. 4. ) und Boͤckler (Architectura curioſa, oder Bau - und Waſſerkunſt, Nuͤrnberg, 1704. fol.) beſchreiben eine große Anzahl Erfindungen von Springbrunnen und andern Waſſermaſchinen, jedoch ohne davon eine gruͤndliche Theorie zu liefern. Die beſte praktiſche Sammlung der meiſten Waſſermaſchinen iſt die von Leupold (Theatrum machinarum hydraulicarum, Tomi II. Leipzig, 1724 und 1725. fol.), deren Verfaſſer ſich zwar, ſoviel bey ihm ſtand, guter Gruͤnde befliſſen, dennoch aber ſeine Theorie viel zu mangelhaft gelaſſen hat, ſo ſchaͤtzbar uͤbrigens ſein Unterricht in Abſicht des Praktiſchen iſt.

Die Theorie der hydrauliſchen Maſchinen hat zuerſt Mariotte (Traité du mouvement des eaux. Paris, 1686. 8. Mariotte's Grundlehren der Hydroſtatik und Hydraulik, a. d. Frz. von D. Meinig, Leipzig, 1723. 8. ) zu verbeſſern angefangen. Nachdem ſie ſchon durch mehrere hydrodynamiſche Unterſuchungen und Erfindungen bereichert war, erſchien das ſchaͤtzbare Werk des Belidor (Architecture hydraulique, Paris, 1737. IV. Vol. gr. 4. Architectura hydraulica, von Belidor, mit Wolfs Voͤrrede, Augsburg, 1740 1769. 4 Baͤnde. kl. Fol.), wo man Theorie und Praxis ſehr gluͤcklich vereiniget findet. Dieſes Buch begreift außer der eigentlichen Hydraulik auch die Muͤhlen und andere Maſchinen, welche durch Waſſer bewegt werden und die Waſſerbaukunſt. Die neuſten Erweiterungen der Hydrodynamik haben noch einzelne Anwendungen auf beſondere Gattungen hydrauliſcher Maſchinen veranlaſſet, welche an den gehoͤrigen Orten angefuͤhrt656 werden, ſ. Druckwerk, Pumpen, Waſſerſchraube, Springbrunnen. Eine kurze Ueberſicht deſſen, was zur Hydraulik gehoͤrt, mit einem Verzeichniße der vornehmſten Schriften findet man beym Eberhard (Neue Beytraͤge zur Matheſi applicata, Halle, 1773. 8.).

Hydrodynamik, Hydrodynamica, Hydrodynamique.

Die Lehre von den Kraͤften und Bewegungen fluͤſſiger Koͤrper im Allgemeinen betrachtet. Es laͤßt ſich hiebey, ohne Algebra, hoͤhere Geometrie und Analyſis des Unendlichen, nichts Gruͤndliches und Vollkommnes finden; dennoch wuͤnſcht man die Lehren von den Maſchinen zur Bewegung des Waſſers ihrer Wichtigkeit wegen auch denen vorzutragen, die ihre Erfindung oder genauere Berechnung zu verſtehen nicht im Stande ſind. Dies hat die Abſonderung der Hydrodynamik von der gemeinen Hydraulik (ſ. den vorhergehenden Artikel) veranlaſſet, wobey alles, was Lehren der hoͤhern Mathematik vorausſetzt, zur Hydrodynamik gerechnet wird, eben ſo, wie man bey der Betrachtung der Bewegungen feſter Koͤrper die gemeine Mechanik von der hoͤhern oder der Dynamik unterſcheidet.

Die erſten Gruͤnde zur Hydrodynamik ſind in Italien von den Schuͤlern des Galilei um die Mitte des vorigen Jahrhunderts gelegt worden. Caſtelli, ein Benedictiner vom Monte Caſino, (Della miſura dell 'acque correnti, Rom. 1640. und in der Nuova raccolta d' autori che trattano del moto dell' acque. Parma 1766. VI. To. 4.) unterſuchte zuerſt das Geſetz der Geſchwindigkeit, mit welcher das Waſſer aus engen Oefnungen der Gefaͤße laͤuft, und glaubte durch Erfahrungen zu finden, die Geſchwindigkeit verhalte ſich, wie die Waſſerhoͤhe. Torricelli aber (Del moto dei gravi, Firenz. 1644. 4. ) und Baliani (De motu naturali gravium, Genuae, 1646. 4. ) behaupteten dagegen mit mehrerem Rechte, daß ſich die Geſchwindigkeiten, wie die Quadratwurzeln der Waſſerhoͤhen, verhielten. Matiotte (Du mouvement des eaux. Paris, 1686. 8. ) beſtaͤtigte nachher Torricellis Lehre durch Erfahrungen. Hieher gehoͤren auch die Schriften des Johann Ceva657 (Geometria motus, Bonon. 1692. 4.). Domenico Guiltelmini (Menſura aquarum fluentium, Bonon. 1690. 4. ingl. De natura fluminum in Guilielmini Opp. Genev. 1719. 4. ) und Poleni (De caſtellis, Flor. 1718. und italiaͤniſch unter dem Titel: Delle Peſcaje, in der Nuova raccolta Vol. III.). Newton (Princip. L. II. Prop. 36. ſq. ), Hermann (Phoronomia, ſ. de viribus et motibus corporum ſolidorum et fluidorum libri II. Amſtel. 1716. 4. ) und Varignon (Mém. de l'acad. des ſc. de Paris. 1699. et 1703.) trieben dieſe theoretiſchen Unterſuchungen noch weiter, ſchraͤnkten ſich aber doch groͤßtentheils auf die Lehre vom Auslauf des Waſſers aus Gefaͤßen, ingleichen von der Bewegung der Wellen und der Waſſerwirbel ein.

Die erſten, welche die Geſetze der Bewegung des Waſſers, und beſonders der Beſchleunigung deſſelben mit Huͤlfe der Integralrechnung vollſtaͤndiger entwickelten, waren die beyden Bernoulli. Johann Bernoulli, der Vater (Hydraulica nunc primum detecta ac demonſtrata directe ex fundamentis pure mechanicis, anno 1732. in Opp. To. IV. ) gruͤndete ſich auf die uͤberzeugenden Saͤtze der allgemeinen Mechanik; Daniel Bernoulli, der Sohn (Hydrodynamica ſ. de viribus et motibus fluidorum commentarii, Argentor. 1738. 4. ) gieng von dem Grundſatze der Erhaltung lebendiger Kraͤfte aus, ſ. Kraft, lebendige. Des letztern Arbeit iſt wegen der mannigfaltigen Unterſuchungen und Anwendungen ungemein lehrreich.

Naͤchſtdem hat Euler in verſchiedenen akademiſchen Abhandlungen (Mém. de Berlin, 1750, 1751, 1752, 1754. Nov. Comment. Petropol. To. VI., und vorzuͤglich Principes generaux du mouvement des Fluides, Mém. d < * > Berlin, 1755. p. 274. ſq. ) der Methode des aͤltern Bernoulli mehr Allgemeinheit zu geben geſucht, auch von derſelben einige praktiſche Anwendungen gemacht. Herr von Segner, (Exercitationum hydraulicarum faſciculus, Gotting. 1747. 4. ) fieng an, was die beyden Bernoullis analytiſch entdeckt hatten, in einem kurzen ſynthetiſchen Vortrage zu lehren. D'Alembert (Traité de l'équilibr < * > et du mouvement des fluides pour ſervir de ſuite au traité658 de dynamique. à Paris, 1744. 4. ) hat Johann Bernoullis Gruͤnde ſtreng getadelt, und dagegen ſeine Fundamentalgleichungen aus einer leichten ihm eignen analytiſchen Formel hergeleitet, auf die er auch ſchon die Dynamik der feſten Koͤrper gebaut hatte, ohne jedoch dieſe Formel umſtaͤndlich zu erlaͤutern und uͤberzeugend zu rechtfertigen. Auch bleibt er blos bey allgemeinen theoretiſchen Unterſuchungen ſtehen.

Herr Kaͤſtner (Anfangsgruͤnde der Hydrodynamik, der mathematiſchen Anfangsgr. IV. Theil, 2te Abth. Goͤttingen, 1769. 8. ) giebt von den aͤltern Schriftſtellern ſehr vollſtaͤndige Nachrichten, und traͤgt die Theorie nach Johann Bernoulli mit Vergleichung der euleriſchen Methoden vor. Karſten (Lehrbegriff der geſammten Mathem. 5ter Theil, Greifsw. 1770. 8. 6ter Th. 1771. 8. ) hat die Hydraulik ſehr ausfuͤhrlich und mit haͤufigen praktiſchen Anwendungen, vorzuͤglich nach Euler erklaͤrt, zugleich aber auch auf die Methoden der beyden Bernoulli Ruͤckſicht genommen.

Hydrographie, Hydrographia, Hydrographie.

Derjenige Theil der mathematiſchen Geographie, welcher von der Kenntniß, und Beſchiffung des Meeres handelt. Man rechnet dahin die Lehren vom Compaß, Beſtimmung der Laͤnge und Breite zur See, den Seekarten, der Loxodromie und Erfindung des Weges zur See, welches letztere auch beſonders mit dem Namen der Schiffahrt (Navigation) belegt wird.

Im vorigen Jahrhunderte trug der Ieſuit Fournier, (Hydrographie, Paris, 1653. fol.) alles, was hievon zu ſeiner Zeit bekannt war, zuſammen, und eine aͤhnliche Sammlung verband Riccioli mit ſeinem geographiſchen Werke (Geographia et Hydrographia reformata. Venet. 1662. fol.). Die Theorie der Seekarten mit wachſenden Breiten, dergleichen ſchon vorher Gerhard Mercator verfertigt hatte, zeigte Eduard Wright (Certain errors in Navigation detected and corrected, the 2d edit. Lond. 1657.). Alle dieſe Lehren aber ſind659 ſeitdem durch mehrere Unterſuchungen und Beobachtungen, Anwendung der hoͤhern Mathematik, Erfindung bequemer Werkzeuge u. dgl. zu einer weit groͤßern Vollkommenheit gebracht worden. Man ſ. die Worte: Compaß, Abweichung der Magnetnadel, Neigung der Magnetnadel Laͤnge, geographiſche, Loxodromie. Die vorzuͤglichſten neuern Schriften uͤber die Schiffahrt in dieſem verbeſſerten Zuſtande ſind von Bouguer, (Nouveau Traité de Navigation, Paris, 1755, 1760, 1769. 4.) Leveque (Guide du Navigateur ou Traité de la prâtique des obſervations et des calculs neceſſaires au Navigateur. Paris, 1778. 4. ) und Roͤhl (Anleitung zur Steuermannskunſt, Greifsw. 1778. 8. ); auch hat Herr Bode (Kurzgefaßte Erlaͤuterung der Sternkunde, und der damit verwandten Wiſſenſchaften, Berlin, 1778. 2. Theil) etwas davon in einer lehrreichen Kuͤrze mitgetheilet.

Hydrologie, Hydrologia, Hydrologie.

Unter dieſem Namen haben Wallerius (Hydrologie, eller Watturiket, Stockholm, 1748. 8. Hydrologie oder Waſſerreich, uͤberſ. von Denſo. Berlin, 1751. 8. ), Cartheuſer (Rudimenta hydrologiae ſyſtematicae, Frf. ad Viadr. 1758. 8. ) und Monnet (Nouvelle hydrologie, à Londres, 1772. 8. ) ſyſtematiſche Verzeichniſſe der verſchiedenen auf der Erd - < * > aͤche anzutreſfenden Waͤſſer, welche mehr oder weniger mit allerhand fremden Stoffen impraͤgnirt ſind, herausgegeben. Die Beſchreibung und Claſſifikation derſelben macht einen eignen Theil der Naturgeſchichte aus.

Hydroftatik, Hydroſtatica, Hydroſtatique.

Die Lehre vom Gleichgewichte fluͤßiger Materien unter einander ſelbſt und mit feſten Koͤrpern. Obgleich der Name eigentlich nur Statik des Waſſers bedeutet, ſo werden doch hier unter Waſſer alle fluͤßige Materien verſtanden. Man theilt die Hydroſtatik gewoͤhnlich in zween Hauptabſchnitte, deren erſter von dem Drucke der fluͤßigen Materien uͤberhaupt und ihrem Gleichgewichte unter ſich (ſ. die Artikel: Druck, Roͤhren, communicirende), der zweyte von ihrem Gleichgewichte mit eingeſenkten feſten Koͤrpern, (ſ. Gleich -660 gewicht, Schwimmen,) handelt. Auch werden die Anwendungen, die man hievon zu Entdeckung der eigenthuͤmlichen Schweren der Koͤrper macht (ſ. Schwere, ſpecifiſche) mit zur Hydroſtatik gerechnet.

Der erſte Erfinder hydroſtatiſcher Saͤtze, welche das Gleichgewicht fluͤßiger Koͤrper mit feſten betreffen, war Archimed, von dem uns noch zwey Buͤcher von ſchwimmenden Koͤrpern (〈…〉〈…〉20 De inſidentibus humido Libri II. in Opp. Archimedis per David Rivaltum. Paris, 1615. Fol.) uͤbrig ſind. Vitruv, (De architectura L. XI. c. 3.) ſchreibt ihm auch die Erfindung der Methode zu, den Gehalt eines aus Gold und Silber gemiſchten Koͤrpers durch Einſenkung in Waſſer zu erfahren, welches wohl richtig ſeyn kan, wenn auch die dabey befindliche Erzaͤhlung von der goldnen Krone des Koͤnigs Hiero, und von Archimeds Freude uͤber die im Bade gemachte Entdeckung, nicht in allen Umſtaͤnden glaubwuͤrdig ſeyn ſollte. Mit den Saͤtzen des Archimedes hat man ſich bis zum vorigen Jahrhunderte befriediget, in welchem Marino Ghetaldi (Archimedes promotus, Romae 1603.) und Galilei (Diſcorſo intorno alle coſe, che ſtanno ſu l'acqua o che in quella ſi muovono, Opere di Galileo Galilei, Firenze, 1718. 4. maj. To. I. p. 221.) noch einiges hinzuſetzten.

Der erſte Abſchnitt dieſer Wiſſenſchaft aber, oder die Lehre vom Druck und Gleichgewicht der fluͤßigen Materie nunter ſich, iſt erſt in der letztern Helfte des vorigen Jahrhunderts von Boyle (Paradoxa hydroſtatica, in deſſen Opp. var. Genev. 1680. 4. ingl. Medicina hydroſtatica. Genev. 1698. 4. ) und Mariotte (Traité du mouvement des eaux et des autres corps fluides, à Paris, 1668. 8. ) bearbeitet worden. Das Auffallende in dem Satze, daß fluͤßige Koͤrper nicht im Verhaͤltniſſe ihrer Maſſe, ſondern ihrer Hoͤhe und Grundflaͤche druͤcken, daher ein Pfund Waſſer mehreren Centnern das Gleichgewicht halten kan, (ſ. Druck, Heber, anatomiſcher) veranlaſſete Boyle'n ſeiner Schrift den Titel hydroſtatiſcher Paradoxen zu geben; und in der Medicina hydroſtatica hat er den Umlauf des Gebluͤt < * >661 und der Saͤfte im menſchlichen Koͤrper nach hydroſtatiſchen und hydrauliſchen Grundſaͤtzen behandelt, und dadurch die Aerzte zu vielen blos me haniſchen Erklaͤrungen der phyſiologiſchen Phaͤnomene veranlaſſet.

Den Lehrſatz vom Gleichgewichte fluͤßiger Materien in communicirenden Roͤhren, hat Daniel Bernoulli (Hydrodynam. Sect. II. § 1. ſqq. ) ſchaͤrfer, als vor ihm geſchehen war, erwieſen. Er ſucht dabey auch den Grundſatz, daß die Oberflaͤche jedes ſtillſtehenden Waſſers wagrecht ſeyn muͤſſe, zu beweiſen, wogegen aber d'Alembert (Traité des fluides, art. 13.) ſehr gegruͤndete Erinnerungen gemacht, und dadurch die neuern Lehrer der Hydroſtatik bewogen hat, dieſen Satz lieber als eine Erfahrung anzunehmen.

Uebrigens findet man Einleitungen in die Hydroſtatik in allen Lehrbuͤchern der angewandten Mathematik, vorzuͤglich beym Kaͤſtner (Anfangsgr. der angew. Math., der mathemat. Anfangsgr. II. Th. 1. Abtheil. dritte Aufl. Goͤttingen, 1780 8. S. 111. u. f.) und Karſten (Lehrbegriſ < * > der geſammten Mathematik, dritter Theil, Greifsw. 1769. 8.).

Hydroſkop, ſ. Araͤometer

Hyetometer, ſ. Regenmaaß.

Hygrometer, Notiometer, Hygroſkop, Feuchtigkeitsmaaß, Hygrometrum, Notiometrum, Hygroſcopium, Hygromètre, Notiomètre, Hygroſcope. Ein Werkzeug, aus deſſen Zuſtande man beurtheilen kan, ob mehr oder weniger Feuchtigkeit in der Luft gegenwaͤrtig iſt, oder eigentlich, in welchem Grade die Luft geneigt iſt, den Koͤrpern Feuchtigkeit mitzutheilen. Dieſes Werkzeug iſt ſehr lange Zeit hoͤchſt unvollkommen geblieben; erſt ſeit wenig Jahren haben es die Naturforſcher zwar anſehnlich verbeſſert, aber bey weitem noch nicht zur Vollkommenheit gebracht. Der griechiſche Name bedeutet ein Maaß der Feuchtigkeit: wer genau unterſcheidet, nennt diejenigen, die nur ohngefaͤhr anzeigen, ob die Luft feuchter oder trockner ſey, Hygroſkope.

Die in der Luft befindliche Feuchtigkeit zieht ſich in662 mancherley Koͤrper, z. B. Stricke, Saiten, Papier, Pergamen, Holz, Elfenbein, Haar, Fiſchbein u. ſ. w. und bewirkt in denſelben entweder eine Ausdehnung, oder ein Aufquellen in der Breite, wodurch ſich der Koͤrper nach der Richtung der Laͤnge ſeiner Fibern verkuͤrzt. Hanfene Stricke und Darmſaiten winden ſich im Feuchten mehr auf, ſchwellen nach der Dicke, und werden dadurch kuͤrzer; Tannenholz quellet nach der Richtung, die ſeine Fibern rechtwinklicht durchſchneidet, daher bey feuchtem Wetter die Thuͤren und Fenſter verquellen; Papier und Pergamen dehnen ſich nach allen Richtungen aus u. ſ. f. Dieſe Wirkungen ſahe man als Mittel an, die Groͤße der Feuchtigkeit zu erkennen, und nach einigen ſoll der beruͤhmte italiaͤniſche Arzt Morgagni dieſen Gedanken zuerſt gehabt haben.

Die aͤlteſten Einrichtungen der Werkzeuge dieſer Art werden von Leupold (Theatr. Aeroſtat. Cap. VII. S. 288. u. f.) und Wolf (Nuͤtzliche Verſuche, Th. II. Cap. 7.) beſchrieben. Ich will nur wenige davon erwaͤhnen. Man zieht eine lange haͤnfene Schnur oder einen Bindfaden, wie Taf. XII. Fig. 81. vorſtellt, uͤber eine oder etliche Rollen, befeſtigt ſie bey A, und beſchweret ſie bey B mit einem Gewichte, welches durch die Verkuͤrzung der Schnur bey der Feuchtigkeit aufſteigt, bey trockner Witterung aber ſich wieder herablaͤßt. An dem Gewichte B iſt ein Zeiger angebracht, der an der Scale CD das Steigen und Sinken deſſelben angiebt, welches man mit der bekannten Laͤnge der Schnur vergleichen kan. Oder man haͤngt, Taf. XII. Fig. 82. an die Saite AB, eine Kugel B, welche dieſelbe ausdehnet. Sobald die Saite feucht wird, dreht ſie ſich auf, und wendet die Kugel mit ſich herum, geht aber im Trocknen wieder zuruͤck. Ueber dieſes Aufdrehen der Saiten hat Molyneux zu Dublin, (Philoſ. Transact. no. 162. Acta Erud. ann. 1686. p. 389.) Verſuche angeſtellt. Um zu ſehen, wie viel ſich die Kugel wendet, beſchreibt man darauf zween Parallelkreiſe DE, theilt die Zone dazwiſchen in Grade, und befeſtigt am Geſtelle bey F den Zeiger FD. Man kan dabey allerley Veraͤnderungen anbringen, z. B. dem Geſtelle die Form eines Hauſes mit zwo Thuͤren geden,663 wo aus der einen bey feuchtem Wetter eine Puppe mit einem Regenſchirme heraustritt u. dgl. Solche Hygroſkopien werden noch jetzt zum Verkauf herum getragen. Ein Papierſtreif zwiſchen zween feſtſtehenden Saͤulen ausgeſpannt, und in der Mitte mit einem kleinen Gewichte beſchwert, kan nach Dalence '(Traité des baromètres, thermom. et hygromètres, Amſt. 1688.) ebenfalls zum Hygroſkop dienen. Der Streif dehnt ſich im Feuchten aus, die Spannung wird ſchwaͤcher, das Gewicht ſinkt ein wenig, und giebt durch ſeinen Zeiger an einer Scale die Groͤße des Sinkens an. Das Hygrometer des Hautefeuille (Pendule perpetuelle, Paris, 1678. 4. ) beſteht aus zwo tannenen Bretern AEFC und BHGD Taf. XII. Fig. 83. die in zwo eichenen Leiſten CD und AB in Falzen liegen, bey A, C, B, D aber befeſtiget ſind. Wenn ſich dieſe von der Feuchtigkeit ausdehnen, ſo kommen die Seiten EF und HG naͤher zuſammen; das bey I befeſtigte bezahnte Blech IK treibt alſo das kleine am andern Brete feſte Getriebe L herum, und dreht den daran ſteckenden Zeiger, der auf der andern Seite des Brets an einem getheilten Kreiſe die Grade der Drehung angiebt. Taͤuber in Zeitz (Act. Erud. Lipſ. 1687. p. 76. ſqq. ) hat auf Verbeſſerung dieſes Hygroſkops eine Muͤhe verwendet, die es nicht verdienet; weil das Tannenholz mit der Zeit ganz austrocknet, und dann keine Feuchtigkeit mehr annimmt.

Der P. Maignan bediente ſich nach Dalance's Nachricht zum Hygroſkop der Grannen von wilden Haferkoͤrnern (Rauchhafer), welche ſich durch die Feuchtigkeit ſehr ſtark drehen. Eine ſolche Granne ſchloß er in ein Gehaͤus ein, deſſen oberer Umkreis in Grade getheilt war, und bog die Spitze der Granne, wie einen Zeiger, um. Dieſe Hafergranne iſt gegen die Feuchtigkeit ſehr empfindlich, ſo lange ſie friſch iſt, ſie verliert aber dieſe Eigenſchaft durch|das Austrocknen, daher hat ſie Sturm (Colleg. curioſum. Norib. 1676. 4. ) mit einem kurzen Stuͤcke von einer Darmſaite vertauſcht. Um aber dieſe Saite in einer lothrechten Stellung zu erhalten, ſchließt er ſie in ein Glasroͤhrchen ein, ohne zu bedenken, daß er ſie dadurch der Luft entzieht,664 deren Feuchtigkeit doch auf ſie wirken ſoll. Der P. Merſenne ſpannte eine Darmſaite in freyer Luft auf einen gewiſſen Ton, und ſchloß auf feuchtere Luft, wenn ſie einen hoͤhern Ton angab, auf trocknere hingegen, wenn ſie ſich tiefer herabſtimmte.

Eine andere Art von Hygrometern mißt die Feuchtigkeit durch das veraͤnderte Gewicht der Koͤrper, welche ſie in ſich nehmen. So haͤngt man Schwaͤmme, die vorher in einer Salmiakaufloͤſung geweicht, und wieder getrocknet worden ſind, in freyer Luft an eine Wage, und mißt die Veraͤnderungen ihres Gewichts durch die Grade des Ausſchlags oder durch Gegengewichte. Man kan dazu auch Salze und Saͤuren, z. B. Vitrioloͤl in einem offnen Glaſe gebrauchen, wie Gould (Philoſ. Trans. no. 156. Act. Erud. Lipſ. 1685. p. 315.) zuerſt bemerkt hat. Es iſt gewiß, daß alle dieſe die Feuchtigkeit anziehende Koͤrper eine Verwandſchaft mit dem Waſſer haben, welche mit der Verwandſchaft der Luft gegen daſſelbe in einem beſtimmten Verhaͤltniſſe ſteht; man hatte aber in den damaligen Zeiten weder auf die Groͤße dieſes Verhaͤltniſſes, noch auf die Einfluͤſſe der Waͤrme und Dichte der Luft Achtung gegeben.

Die Mitglieder der florentiner Akademie del Cimento (Tentamina experimentorum natural. captorum in acad. del Cim. edit. Petr. v. Muſchenbroek, Lugd. Batav. 1731. 4. ) waͤhlten einen ganz andern Weg, die Menge des in der Luft enthaltenen Waſſers zu meſſen. Sie ſetzten ein koniſches, mit Schnee oder geſchabtem Eis gefuͤlltes, Glas mit unterwaͤrts gekehrter Spitze der freyen Luft aus; die Feuchtigkeit in der Luft ſchlug ſich an der kalten Glasflaͤche nieder, und die Menge des herabtroͤpfelnden Waſſers zeigte den Grad derſelben an. Der Abt Fontana (Saggio del real gabinetto di Firenze, p. 19.) nimmt ſtatt deſſen eine polirte Glasplatte von bekanntem Gewicht, erkaͤltet ſie auf einen beſtimmten Grad, ſetzt ſie ſo eine beſtimmte Zeit lang der Luft aus, und ſchließt alsdann aus der Vermehrung ihres Gewichts auf die Menge der in der Luft enthaltenen Feuchtigkeit. Le Roy (Mém. de l' acad. de Paris, 1751.) erkaͤltet ein Glas mit Waſſer665 von gleicher Temperatur mit der Luft durch nach und nach zugegoßnes eiskaltes Waſſer, bemerkt den Grad der Kaͤlte, bey welchem das Glas an der aͤußern Flaͤche truͤb zu werden oder zu ſchwitzen anfaͤngt, und ſchließt aus der Groͤße dieſes Grads auf die Menge von Feuchtigkeit, welche die Luft bey ihrer eigentlichen Temperatur enthaͤlt. Alle dieſe Methoden aber ſind zu Beſtimmung der Feuchtigkeit in verſchloßnen Gefaͤßen unbrauchbar, finden auch nicht ſtatt, wenn die Temperatur der Luft unter dem Eispunkte iſt, und das Schwitzen des Glaſes kan durch Fettigkeit und andere zufaͤllige Umſtaͤnde verhindert werden.

Daher ſind die neuern Phyſiker wiederum auf jenen erſten Weg zuruͤck gegangen, wo die Feuchtigkeit durch ihre unmittelbaren Wirkungen gemeſſen wird. Lambert (Mém. de l'acad. des Sc. de Pruſſe, 1769 et 1772. Hygrometrie, aus dem Frz. uͤberſ. Augsburg, 1774. 8. Fortſetzung 1775. 8. ) ſuchte nach ſorgfaͤltigen Verſuchen uͤber die Grade der Ausduͤnſtung des Waſſers das oben erwaͤhnte Sturmiſche Hygrometer mit einer kurzen lothrecht ſtehenden Darmſaite dahin zu verbeſſern, daß der Zeiger deſſelben ſogleich angeben ſollte, um wie viel ſich die in einem Cubikſchuh Luft enthaltene Menge feuchter Duͤnſte geaͤndert habe.

Smeaton (Phil. Transact. 1771. Vol. LXI. P. I. n. 24.) hat ſich bemuͤht, das Hygrometer aus hanfenen Schnuͤren zu verbeſſern, und ihm feſte Punkte zu geben. Eine 35 Zoll lange und (1 / 20) bis (1 / 30) Zoll dicke Schnur, die man vorher in Salzwaſſer geſotten, gedehnt, und eine Woche lang durch Gewichte von 1-2 Pfund geſpannt hat, wird oben an einem Geigenwirbel befeſtiget, und endigt ſich unten an einem meſſingenen Drathe, der das Ende eines mit 1 / 2 Pfund Gegengewicht beſchwerten Zeigers dreht. Dieſer Zeiger iſt 12 Zoll lang, und weiſet auf einen Gradbogen, der eine Theilung von 0 bis 100 hat. An einem trocknen Tage wird die wohl ausgetrocknete Schnur an ein maͤßiges Feuer geſtellt, und mit dem Wirbel ſo aufgewunden, daß der Zeiger auf 0 ſteht. Dann wird ſie mit warmem Waſſer ſo lang angefeuchtet, bis ſie weiter keine Verkuͤrzung dadurch666 erleidet; worauf man dann den Gradbogen ſo weit naͤher oder weiter abruͤckt, daß der Zeiger in dieſer Lage den Punkt 100 trifft. Es faͤllt aber in die Augen, daß in dieſer Beſtimmung der feſten Punkte keine hinreichende Gewißheit liegt.

Herr de Luͤc fuͤhlte bey ſeinen muͤhſamen Unterſuchungen uͤber die Luft das Beduͤrfniß, beſſere Maaße der Feuchtigkeit zu haben, ſehr lebhaft. Er brachte endlich ein Hygrometer von Elfenbein zu Stande, welches ſich mit andern aͤhnlichen vergleichen ließ, und die vorigen, welche hoͤchſtens nur Hygroſkope genannt werden koͤnnen, weit uͤbertraf. Dieſes Werkzeug gab er gleich nach deſſen Erfindung dem Capitain Phipps auf einer Reiſe nach dem Nordpole mit, daher ſich die erſte Nachricht davon ſchon in der Beſchreibung dieſer Reiſe (A voyage towards the north pole etc. London, 1774. gr. 4.) findet. Es iſt aber nachher von Herrn de Luͤc ſelbſt (Philoſ. Trans. Vol. LXIII. no. 38. ingl. Copie d'un mémoire ſur un hygromètre comparable in Rozier Obſerv. ſur la phyſique, May 1775. p. 381., deutſch in den Leipziger Sammlungen zur Phyſik und Naturg. 1. B. 1. Stuͤck. S. 10. u. f.) beſchrieben worden. Es beſteht aus einem hohlen elfenbeinernen Cylinder, 2″8tʹ lang und inwendig 2 1 / 2tʹ weit, welcher nur an einem Ende offen und nur (3 / 16) Lin. dick iſt. Die obern 2 Lin. der Laͤnge ſind etwas dicker, und mit einer 13-14 Zoll langen Glasroͤhre verbunden. Bey feuchtem Wetter wird der Cylinder geraͤumiger; Queckſilber alſo, das in ihm und der Roͤhre enthalten iſt, zeigt durch ſein Fallen Feuchtigkeit, durch ſein Steigen Trockenheit an, Als den feſten Punkt der vollkommenen Naͤſſe ſieht Herr de Luͤc den an, wo das Queckſilber ſteht, wenn man den Cylinder in ſchmelzendes Eis ſetzt. Nun mißt er an einem Queckſilberthermometer den Abſtand des Eis - und Siedpunkts, bricht die Kugel davon ab, und wiegt das in ihr befindliche Queckſilber. Die vierte Proportionalzahl zu dieſem Gewichte, dem Gewichte deſſen, das zur Fuͤllung des Cylinders noͤthig iſt, und der Groͤße des gemeſſenen Abſtands giebt ihm das Fundamentalintervall am Hygrometer,667 zu welchem eben die Glasroͤhre gebraucht wird. Dieſes Intervall theilt er in 40 gleiche Grade, und traͤgt ſolcher Grade noch mehrere aufwaͤrts, ſo weit es der Raum verſtattet. Oben bleibt die Glasroͤhre offen, und wird nur durch einen elfenbeinernen Deckelgegen den Staub geſchuͤtzt. Wenn man nun dabey ein Thermometer gebraucht, bey dem der Raum zwiſchen Sied - und Eispunkt ebenfalls in 40 Grade getheilt iſt, oder wo die Zahl der reaumuͤriſchen Scale halbirt wird, ſo kan man ſehen, wie viel von der Aenderung im Stande des Hygrometers der Waͤrme und wie viel der Feuchtigkeit zuzuſchreiben iſt. Dieſes Werkzeug hat nur einen feſten Punkt, nemlich den der voͤlligen Naͤſſe; den der Trockenheit glaubte Herr de L. nicht ohne Feuer beſtimmen zu koͤnnen, fuͤrchtete aber durch dieſes die Natur des Elfenbeins zu veraͤndern. Da das Inſtrument auch unter der Glocke der Luftpumpe nicht zu gebrauchen iſt, und das Elfenbein die Luft nur an einer Seite beruͤhrt, ſo hat er es ſelbſt in der Folge wieder aufgegeben. Dennoch verdient dieſe Erfindung, als der erſte Schritt zu den neuern Verbeſſerungen der Hygrometrie, bemerkt zu werden. Herr de L. hat auch mit dieſem Hygrometer Beobachtungen gemacht, welche entſchieden, daß die Luft auf den Bergen ſtets trockner, als in der Tiefe, ſey.

Herr Tobias Lowitz (ſ. Goͤttingiſches Magazin der Wiſſ. und Litteratur, III. Jahrg. 4tes Stuͤck, Num. 2.), der ſich im Jahre 1772. mit ſeinem Vater zu Dmitriefsk in Aſtrachan aufhielt, fand daſelbſt am Ufer der Wolga duͤnne blaulichte Schieferſteine, welche die Feuchtigkeit ungemein ſtark anzogen, aber eben ſo leicht auch wieder verduͤnſten ließen. Ein Taͤfelchen von ſolchem Schiefer wog gluͤhend 175, voͤllig mit Waſſer geſaͤttiget, 247 Gran, hatte alſo von der vollkommnen Trockenheit bis zum Punkte der voͤlligen Naͤſſe 72 Gran Waſſer angenommen. Der aͤltere Lowitz brachte eine runde duͤnne Scheibe von dieſem Steine an den einen Arm einer empfindlichen Wage an, die an ein Bret befeſtiget war, und hieng an den andern Arm eine Kette von Silberdrath, deren Ende an einen Schieber befeſtigt war, welcher ſich in einem Falze an der668 Seite des Brets hoͤher und niedriger ſtellen ließ. Er beſtimmte durch Proben den Stand des Schiebers, wenn die Wage im Gleichgewichte war, und wenn ſie 10 Gran Uebergewicht hatte, theilte den Raum zwiſchen dieſen Standpunkten in 10 gleiche Theile, und trug ſolcher Theile mehr, ſo weit noͤthig, fort. Ward nun an den einen Arm dieſer Wage der Stein, an den andern ein Gewicht gehangen, das dem Gewichte des ganz trocknen Steins (z. B. 175 Gr.) gleich war, ſo zeigte der Schieber das Uebergewicht des Steins in Granen an, wenn er mit dem Kettchen ſo geſtellt ward, daß die Wage ins Gleichgewicht kam. Ein am Schieber angebrachter Vernier zeigte noch Zehntheile eines Grans. Herr Lowitz bemerkte, daß bey einem anhaltenden naſſen Wetter dieſes Hygrometer uͤber 55 Gran, bey einer anhaltenden Hitze von 113 Graden nach Fahrenheit nur 1 1 / 2 Gran Feuchtigkeit angab. Er hat aber dieſen Thonſchiefer, wovon ein paar Stuͤcke im goͤttingiſchen Naturaliencabinet ſind, nirgend anders finden koͤnnen.

Herr de Sauſſuͤre (Eſſais ſur l'hygrometrie, à Neufchatel, 1783. 8. maj. Verſuch uͤber die Hygrometrie durch Horaz Benedict de Sauſſuͤre; aus d. Frz. von I D T. (Titius), Leipzig, 1784. 8. ) hat endlich zu einer eigentlichen Theorie der Meſſung abſoluter Quantitaͤten des in der Luft ſchwebenden Waſſers den Plan entworfen. Er bedient ſich zum Hygrometer eines weichen, wo moͤglich blonden, nicht krauſen, Menſchenhaares, welches aber wegen der anklebenden Fettigkeit in einer Aufloͤſung von 7 1 / 2 Skrupel Sodaſalz in 30 Unzen Waſſer 30 Minuten lang, dann noch zweymal etliche Minuten lang in reinem Waſſer gekocht, in kaltem Waſſer abgeſpuͤlt und an der Luft getrocknet werden muß. Ein ſolches Haar, welches ſich von der groͤßten Trockenheit bis zur groͤßten Feuchtigkeit um 24-25 Tauſendtheile ſeiner ganzen Laͤnge ausdehnt, hatte Hr. de S. unten an einem feſten Punkte angehaͤngt, und ſein oberes Ende um eine duͤnne Welle gewunden, die einen Zeiger trug, welche ihre Drehung auf eine Zifferſcheibe anzeigte. Das Haar wird durch ein Gewicht von 3-4 Gran geſpanut, das an einem ſeidnen Faden in entgegengeſetzter Richtung669 um eben dieſe Welle gewunden war. Dieſe Einrichtung (hygromètre à arbre) fand er aber zum Fortbringen unbequem, und erſann daher eine andere, als Reiſe-hygrometer (hygromètre portatif) dienende, welche Taf. XII. Fig. 84. vorgeſtellt iſt. Der weſentliche Theil dabey iſt der Zeiger, deſſen horizontalen Durchſchnitt man bey G, B, D, E, F beſonders finder. Die Nadel BE iſt in der Mitte durchloͤchert, und es geht eine Axe hindurch, die im Mittel duͤnner, als an den Enden, gefeilt iſt, damit ſie die Hoͤhlung an weniger Stellen reibt. Der hintere Theil der Nadel BE hat auf dem Umkreiſe B doppelre Einſchnitte, worinn das Haar und das Gegengewicht, letzteres an einem Seidenfaden, wie uͤber eine Rolle, herliegt. An der Nadel ſitzen ſenkrecht uͤber und unter ihrem Mittelpunkte zwo kleine Zangen mit Schrauben, den beyden Einſchnitten der Rolle gegenuͤber, womit bey a der Seidenfaden des Gegengewichts, bey c das untere Ende des Haares eingeklemmt wird. Die Axe der Nadel geht durch den am Geſtell befeſtigten Arm GF, und wird darinn durch die Druckſchraube F feſtgehalten. Die Nadel muß ſo vollkommen im Gleichgewicht ſeyn, daß ſie, wenn man das Gewicht abnimmt, in jeder Stellung ſtehen bleibt. So muß jede Veraͤnderung in der Laͤnge des Haars den Stand des ſehr beweglichen und leichten Zeigers aͤndern. Das Metallſtuͤck heh hat die Geſtalt eines um den Mittelpunkt des Zeigers beſchriebenen Kreisbogens. Die Theilung, welche vom Punkte der groͤßten Trockenheit bis zum Punkte der groͤßten Feuchtigkeit geht, wird entweder in Grade des Kreiſes, oder in 100 Theile des Raums gemacht. Die Zange y, die das obere Ende des Haars haͤlt, befindet ſich an einem Arme, der ſich am Geſtell verſchieben und durch die Druckſchraube x an jeder Stelle befeſtigen laͤßt. Geringe Veraͤnderungen der Stellung macht man durch Verſchiebung der Saͤule l, mittelſt der Stellſchraube m. Das Stuͤck nopq, in die Lage gebracht, die mit Punkten angedeutet iſt, haͤlt beym Forttragen des Inſtruments Gewicht und Nadel feſt. Der Hacken r dient, ein Thermometer anzuhaͤngen. 670

Um nun den Punkt der groͤßten Feuchtigkeit zu beſtimmen, befeuchtet Hr. de S. eine glaͤſerne Glocke inwendig uͤberall mit Waſſer, haͤngt das Inſtrument darinn auf, und ſetzt ſie ſo uͤber einen Teller mit Waſſer. Wenn ſich das Haar nach 5 bis 6 Stunden noch immer verlaͤngert, ſo muß man es wegwerfen, weil es zu empfindlich iſt. Hoͤrt es aber auf, ſich zu verlaͤngern, ſo ſteht nun der Zeiger auf dem Punkte der Saͤttigung mit Feuchtigkeit. Geht das Haar wieder zuruͤck, wie manche thun, wenn ſie zu ſtark gedehnt worden ſind (cheveux retrogrades), ſo iſt es ebenfalls untauglich. Man muß dieſe Beſtimmung mehrere male und mit Zwiſchenzeiten von vielen Tagen wiederholen, wobey das Inſtrument genau wieder auf denſelben Punkt zuruͤckkommen muß.

Die groͤßte Trockenheit beſtimmt er nach ſeiner ſchon im Journal de phyſique (1778. To. I. p. 43.) angegebnen Methode. Er trocknet nemlich die Luft unter einer glaͤſernen Glocke mit einem bis zum Gluͤhen erhitzten Bleche, auf welchem ein Pulver aus gleichen Theilen Salpeter und rohem Weinſtein verpuft hat, und das daraus entſtandene fixe Laugenſalz mit dem Bleche zugleich eine Stunde lang im Gluͤhen erhalten worden iſt. Dieſes Blech, welches die Geſtalt eines halben Cylinders hat, wird ſo heiß, als ohne Zerſprengung der Glocke moͤglich iſt, unter dieſelbe gebracht, das Hygrometer hinein gehangen, und die Gemeinſchaft mit der aͤußern Luft am untern Rande durch Queckſilber abgeſchnitten, worauf man nun alles abkuͤhlen laͤßt. Das Kennzeichen der erlangten vollkommenen Trockenheit nach vollendeter Operation iſt dieſes, daß nun die Waͤrme das Haar verlaͤngern muß; denn iſt noch etwas Feuchtigkeit darinn, ſo wird bey zunchmender Waͤrme die Luft mehr davon aufloͤſen, und das Haar verkuͤrzen. Es iſt aber dieſe Beſtimmung aͤußerſt muͤhſam. Ein voͤllig trocknes Haar wird, wenn ſich die Waͤrme um 1 Grad aͤndert, um 19 Milliontheilchen ſeiner Laͤnge, und das zinnerne Geſtell des Hygrometers um 26 Milliontheilchen ausgedehnt, welches zuſammen etwa (1 / 13) eines Hygrometergrades austraͤgt. 671

Herr de Sauſſuͤre fand, daß ein Cubikſchuh Luft, bis auf den 8ten Grad ſeiner Scale ausgetrocknet, bey 14-15 Grad Temperatur nicht mehr als 11 Gran Waſſer aufgeloͤſet erhalten konnte, obgleich Lambert 342 Gran angiebt. Die Urſache dieſes erſtaunlichen Unterſchieds ſucht de S. darinn, daß Lambert nicht auf die Fortdauer des Ausduͤnſtens, wegen des Niederſchlags an den Waͤnden der Gefaͤße, ſelbſt nach erfolgter Saͤttigung der Luft, Achtung gegeben, und ſich allzukleiner Gefaͤße bedient habe. In freyer Luft, meynt er, ſey vielleicht die Menge des Waſſers noch geringer. Wenn die Luft bey 14-15 Grad Temperatur von der hoͤchſten Trockenheit zur hoͤchſten Naͤſſe uͤbergieng, ſo nahm ihre Federkraft um (1 / 54) zu, und das Manometer ſtieg darinn von 27 Zoll auf 27 Zoll 6 Lin. Er zeigt einen Weg, durch dieſe Beſtimmungen zur Kenntniß der abſoluten Quantitaͤt des in der Luft vorhandenen Waſſers zu gelangen, zieht dabey auch den Grad der Waͤrme in Betrachtung, weil eben dieſelbe Luft bey anderer Waͤrme das Hygrometer anders afficirt, geſteht aber endlich ſelbſt, daß ſeine Verſuche noch nicht vollkommen ſind, und mehr Pruͤfung und Berichtigung beduͤrfen. Dennoch bleibt ihm das unſtreitige Verdienſt, zu einer beſſern Hygrometrie die erſten richtigen Gruͤnde gelegt zu haben.

Herr de Luͤc (Idées ſur la meteorologie, To. I. Sect. 1. ch. 3.) hat gegen die Sauſſuͤriſche Beſtimmung der feſten Punkte, und gegen die Brauchbarkeit des Haares zum Hygrometer uͤberhaupt, viele Einwendungen gemacht. Die groͤßte Feuchtigkeit, glaubt er, muͤſſe nothwendig durch voͤllige Einſenkung in Waſſer beſtimmt werden; zur Austrocknung der Luft zieht er den Gebrauch des Kalks vor, und uͤber den Gang der Haarhygrometer bringt er Verſuche bey, nach welchen ſeine neuern Werkzeuge von Fiſchbein allerdings betraͤchtliche Vorzuͤge vor den Sauſſuͤriſchen zu haben ſcheinen.

Die churpfaͤlziſche Akademie der Wiſſenſchaften zu Mannheim gab im Jahre 1783. die Verfertigung harmonirender Hygrometer als Preisfrage auf. Dieſen Preis erhielt Herr Chiminello, Aſtronom zu Padua, welcher einen672 mit Queckſilber gefuͤllten Federkiel zum Hygrometer vorſchlaͤgt, die groͤßte Feuchtigkeit durch Einſenkung in Waſſer beſtimmt, und einen zwoten feſten Punkt durch Ausſetzung des Inſtruments an die Sonne bey einer mittlern Trockenheit der Atmoſphaͤre, und bey 25 Grad Temperatur nach Reaumuͤr zu erhalten glaubt. In einem Auhange zu dieſer Preisſchrift (Opuſcoli Scelti di Milano, To. IX. p. 1.) macht er noch einige Einwuͤrfe gegen die Einrichtung des Sauſſuͤriſchen Haarhygrometers, die Beſtimmung der feſten Punkte und den Gang deſſelben.

Der P. Iean Baptiſte zu Vicenza hat zum Hygrometer einen Streif von Goldſchlaͤgerblaſe vorgeſchlagen, der faſt eben ſo, wie das Haar bey de Sauſſuͤre, angebracht wird. Er bedient ſich auch eben der Methode, den Punkt der Naͤſſe zu beſtimmen, den zweyten feſten Punkt aber ſucht er durch Ausſetzung des Inſtruments an eine bis 50 Grad nach Reaumuͤr erhitzte Luft in einem verſchloßnen Gefaͤße. So glaubt er ein beſſeres und wohlfeileres Inſtrument, als de Sauſſuͤre, zu erhalten.

Letzterer aber hat ſich gegen die Einwuͤrfe dieſer drey Gegner, und beſonders gegen Herrn de Luͤc zwar gruͤndlich, aber doch mit viel Empfindlichkeit, vertheidigt (Defenſe de l'hygromètre à cheveu, in Rozier Journal de Phyſ. Jan. et Febr. 1788.). Er erklaͤrt die Fehler, welche an den nach ſeiner Methode verfertigten Haarhygrometern wahrgenommen worden, daraus, daß man dazu ſchlechte und verwerfliche Haare (cheveux retrogrades) gebraucht habe.

Herr de Luͤc ſelbſt hatte ſein erſtes Hygrometer von Elfenbein mit Queckſilber bald wieder verworfen, und etwa um das Jahr 1775 ein neues erdacht, welches aus einem duͤnnen Spane von Elfenbein beſtand, der uͤber Rollen auf und nieder gefuͤhrt, einen Zeiger drehte. Um die Wirkung der Waͤrme und Kaͤlte aufzuheben, hatte er dem Geſtell eine den roſtfoͤrmigen Pendelſtangen aͤhnliche Einrichtung gegeben. Weil er aber hernach fand, daß das Elfenbein nicht immer dieſelbe Ausdehnbarkeit hatte, und daß dieſem Fehler auch die damals ſchon vorgeſchlagnen Federkiele und viele andere Subſtanzen, ausgeſetzt waren,673 ſo blieb er endlich bey dem Fiſchbein ſtehen. Hiebey nahm er noch immer nur einen feſten Punkt an; denn er glaubte die gaͤnzliche Austrocknung nicht anders, als durch Feuer, bewirken zu koͤnnen. So uͤbergab er die Beſchreibung ſeines erſten Fiſchbeinhygrometers der Pariſer Akademie im I. 1781. Bald hernach aber fand er Mittel, auch den zweyten feſten Punkt der groͤßten Trockenheit zu beſtimmen, wozu er den Kalk in großen Maſſen gebraucht, welchem ein gleiches Volumen Luft auf drey Wochen lang ausgeſetzt wird. Er gedenkt auch (Idees ſur la meteorologie a. a. O. §. 53.) eines neu ausgedachten Apparats hiezu, wobey man den Kalk in noch groͤßern Maſſen brauchen und das Verfahren abkuͤrzen koͤnne. Zum Koͤrper des Hygrometers ſelbſt gebraucht er duͤnne Streifen von Fiſchbein, von der Oberflaͤche oder dicken Rinde der Fiſchbeinblaͤtter genommen, und nach der Breite der Faſern gearbeitet, die er mit einer Feder ſpannt. Er hat ſie ſo fein verfertiget, daß ein Streif von 1 Fuß Laͤnge nur 1 / 4 Gran wiegt, und doch 1 / 3 Unze Kraft der Feder aushaͤlt. Ein Streif von 8 Zollen iſt hinreichend, und giebt etwa eine Veraͤnderung von 1 Zoll. Die Feder, welche ihn ſpannt, iſt in eine Trommel, wie eine Uhrfeder eingeſchloſſen, macht 5-6 Winbungen, und wirkt an der dritten Windung auf den Streiſen mit einer halben Unze Kraft. Die Veraͤnderungen werden durch einen Zeiger an einer Zifferſcheibe angegeben. Er beſchreibt auch (a. a. O. §. 61.) noch eine zu den gemeinen Beobachtungen ſehr bequeme Einrichtung in Geſtalt einer Taſchenuhr, und ſucht darzuthun, daß der Gang dieſer Hygrometer mit der Menge der Feuchtigkeit in der Luft ſelbſt im Verhaͤltniſſe ſtehe.

De Sauſſuͤre in ſeiner angefuͤhrten Vertheidigungsſchrift erklaͤrt das Fiſchbein wegen der zwiſchen ſeinen Faſern enthaltenen ſchleimichten Materie fuͤr verdaͤchtig, und ſchließt aus de Luͤc's eignen Verſuchen, daß die Luft ſchon mit Feuchtigkeit geſaͤttigt ſey, wenn das Fiſchbein-Hygrometer erſt 80-81 Grad zeige; auch behauptet er, die de Luͤcſche Beſtimmung des feſten Punkts der Trockenheit ſey nichts als eine Nachahmung ſeines ſchon 1778. bekannt gemachten674 Verfahrens, wobey blos der Kalk ſtatt der Laugenſalze ſubſtituirt werde. Erſt die Zukunft, von der wir uͤberhaupt noch wichtige Verbeſſerungen der Hygrometrie erwarten, wird uͤber den Werth dieſer beyden Werkzeuge entſcheiden koͤnnen, deren Erfinder ſich an phyſikaliſchen Einſichten und mechaniſcher Geſchicklichkeit beyde gleich kommen.

Man hat noch außerdem im Pflanzen - und Mineralreiche verſchiedene Subſtanzen gefunden, welche zur Beobachtung und vielleicht auch zur Meſſung der in der Luft ſchwebenden Feuchtigkeit gebraucht werden koͤnnten. Dahin gehoͤren außer dem ſchon angefuͤhrten Schiefer aus Aſtrachan, das Weltauge (Das Weltauge, ein Hygroſkop, von Schreber, im Naturforſcher, 19. Stuͤck, Halle, 1783.), eine vom Grafen de la Guerrande an den noͤrdlichen Kuͤſten von Bretagne gefundene Art von Meergras (Fucus, alga marina, ſ. Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſik u. ſ. w. III. B. 2. St. S. 159.) die vertrocknete Carlina vulgaris (Bjerkander in den neuen ſchwediſchen Abh. III. Band) u. a. m.

Hygroſkop, ſ. Hygrometer.

Hypomochlion, Unterlage, Hypomochlium, Hypomochlion, Point d'appui.

Dasjenige, was den Ruhepunkt eines Hebels C, Taf. X. Fig. 51. 52. 53. traͤgt oder haͤlt, ſo daß ſich der Hebel zwar um denſelben drehen, nicht aber verſchieben oder auf - und abwaͤrts weichen kan. Man ſtellt ſich das Hypomochlion am beſten als einen Zapfen vor, um den ſich der Hebel dreht. Die gewoͤhnliche Vorſtellung einer Unterlage gilt nur, wenn die am Hebel wirkenden Kraͤfte den Ruhepunkt niederwaͤrts druͤcken. In Faͤllen, wo der Ruhepunkt aufwaͤrts gedruͤckt wird, wie bey Fig. 52., muß man ftatt deſſen eine Ueberlage annehmen. Inzwiſchen iſt die griechiſche Benennung von dem Begriſf der Unterlage abgeleitet; Hypomochlion heißt buchſtaͤblich: was unterm Hebel liegt.

Der Widerſtand der Unterlage oder des Zapfens, iſt als eine dritte Kraft am Hebel anzuſehen; und zieht man dieſe mit in Betrachtung, ſo richtet ſich das, was am ruhenden675 Hebel vorgeht, nach dem Geſetze des Gleichgewichts dreyer Kraͤfte, ſ. Gleichgewicht. Wenn die Kraͤfte mit einander parallel wirken, ſo traͤgt die Unterlage beym Hebel der erſten Art die Summe beyder Kraͤfte; beym Hebel der zweyten Art traͤgt oder haͤlt der Zapfen nur ſoviel, als der Unterſchied beyder Kraͤfte ausmacht: ziehen aber die Kraͤſte ſchief, wie Taf. XI. Fig. 58., ſo wird der Ruhepunkt C nach der Richtung CI (der mittlern Richtung der Kraͤfte) mit einer Kraft gedruͤckt, die ſich zu den aͤußern Kraͤſten D und E, wie Ie zu Id und de verhaͤlt, ſ. Hebel.

Man muß bey den Hebeln, und bey allen Maſchinen uͤberhaupt, dafuͤr ſorgen, daß Unterlagen und Zapfen an den Bewegungspunkten eine Feſtigkeit haben, welche den ſo berechneten Druck auszuhalten vermoͤgend iſt.

Hypotheſe, angenommener Satz, Vorausſetzung, Hypotheſis, Suppoſitio, Hypotheſe Suppoſition. Die wahren Urſachen der natuͤrlichen Wirkungen und Erſcheinungen ſind oft ſehr verborgen, und laſſen ſich nicht mit entſchiedener Gewißheit angeben. In ſolchen Faͤllen nimmt man bey Erklaͤrung der Phaͤnomene ſeine Zuflucht zu ſelbſt erdachten Vorſtellungsarten; man nimmt an, die zu erklaͤrende Naturbegebenheit geſchehe aus dieſer oder jener Urſache, auf dieſe oder jene Weiſe. Solche blos angenommene Urſachen und Vorſtellungsarten fuͤhren den Namen der Hypotheſen. So iſt z. B. die wahre Urſache der elektriſchen Erſcheinungen verborgen, und wenn ſich Franklin zu Erklaͤrung derſelben eine feine Materie denkt, und die Erſcheinungen aus dem Ueberfluſſe oder Mangel derſelben herleitet, ſo iſt dieſe blos von ihm erdachte Vorſtellung, deren Richtigkeit ſich nicht gewiß erwéiſen laͤßt, eine phyſikaliſche Hypotheſe. Die Artikel dieſes Woͤrterbuchs enthalten ſo zahlreiche Beyſpiele hievon, daß es ganz unnoͤthig iſt, hier mehrere davon anzufuͤhren.

Wenn es gleich den Hypotheſen an apodiktiſcher Gewißheit fehlt, ſo koͤnnen ſie doch oft zu einem ſehr hohen Grade von Wahrſcheinlichkeit erhoben werden. Hiezu wird erfordert, daß ſie an ſich nichts Widerſprechendes, gegen676 ausgemachte Wahrheiten oder voͤllig erwieſene Naturgeſetze ſtreitendes enthalten, und daß ſie uͤberdies eine vollkommen befriedigende leichte und ungezwungene Erklaͤrung aller mit ihnen zuſammenhaͤngenden Erſcheinungen gewaͤhren. Dieſe Eigenſchaften geben z. B. dem copernikaniſchen Weltſyſtem, wenn es auch nicht mathematiſch erwieſen werden kan, eine Wahrſcheinlichkeit, welche ſich nach dem einſtimmigen Urtheile aller Sachkundigen der Gewißheit gleich ſetzen laͤßt.

Das erſte Merkmal einer guten Hypotheſe iſt ihre Simplicitaͤt, wenn ſie nemlich die Erſcheinungen, um deren willen ſie gemacht iſt, durch die leichteſten und geſchwindeſten Mittel, mit der groͤßten Erſparniß, und ohne Einfuͤhrung neuer Subſtanzen oder Kraͤfte, erklaͤrt. Eine gute Hypotheſe muß ferner in Analogie mit den bekannten Geſetzen der Welt ſtehen. Die Natur iſt nie mit ſich ſelbſt im Widerſpruche, und in allen ihren Werken erblickt man Zuͤge eines allgemeinen Plans, in welchem kein Theil gegen den andern ſtreitet. Findet man alſo Aehnlichkeit und Uebereinſtimmung zwiſchen Geſetzen, die man feſtſtellen will, und denjenigen, die ſchon entdeckt und beſtaͤtiget ſind, ſo kan man die vermutheten Geſetze fuͤr wahrſcheinlich halten. Aehnliche Wirkungen verrathen faſt immer auch aͤhnliche Urſachen. Dies giebt der copernikaniſchen Hypotheſe ein ſo großes Uebergewicht uͤber die tychoniſche, obgleich beyde die Erſcheinungen erklaͤren. In jener iſt alles Folge eines einzigen Grundſatzes, und jede Erklaͤrung ſtimmt mit den andern uͤberein; in dieſer hingegen iſt wider die Analogie das Große dem Kleinen untergeordnet, und Wirkungen, welche ganz aͤhnlich ſcheinen, muͤſſen mit betraͤchtlichen Verſchiedenheiten erklaͤrt werden.

Die Wahrſcheinlichkeit einer Hypotheſe ſteht ferner < * > im Verhaͤltniſſe mit der Menge der Faͤlle, die ſie erklaͤrt; ſie naͤhert ſich nemlich in eben dieſem Verhaͤltniſſe der wahren Urſache, welche alle Faͤlle erklaͤren wuͤrde. Auch iſt dieſe Wahrſcheinlichkeit deſto groͤßer, je genauer die Reſultate, die ſich aus der Hypotheſe und aus richtigen Beobachtungen ziehen laſſen, mit der Erfahrung uͤbereinſtimmen. 677So wird die newtoniſche Theorie der Gravitation, wenn man ſie anders noch zu den Hypotheſen rechnen darf, dadurch uͤber alle Zweifel erhoben, weil ſie in Verbindung mit den Beobachtungen alle wechſelſeitige Perturbationen im Laufe der Planeten mit einer bewundernswuͤrdigen Genauigkeit beſtimmt, und ſo den aſtronomiſchen Tafeln erſt die erforderliche Vollkommenheit gegeben hat, die man vorher durch kein Mittel erreichen konnte.

So kan ſich oft das, was anfaͤnglich Hypotheſe war, in der Folge als allgemein anerkannte Wahrheit beſtaͤtigen, und wenn ich das Wenige ausnehme, was ſich unmittelbar auf Beobachtung gruͤndet, ſo giebt es vielleicht in dem ganzen Umfange der Naturlehre keine Wahrheit, die nicht einmal Hypotheſe geweſen waͤre.

Man kan daher den großen Nutzen und die Unentbehrlichkeit der Hypotheſen in der Phyſik keineswegs bezweifeln. Wo man keine andern Mittel hat, die Natur zu erklaͤren, da ſind ſie das einzige Band, durch das man mehrere Begebenheiten verknuͤpfen, und auf den Weg zu einer zweckmaͤßigen Vervielfaͤltigung der Beobachtungen und Verſuche, ja ſelbſt zur Entdeckung der wahren Urſache, geleitet werden kan. Die Sternkunde wuͤrde ſehr arm ſeyn, wenn man ſich erſt dann darauf haͤtte legen wollen, als das wahre Weltſyſtem erfunden war, auf welches man vielleicht ohne die vorhergehenden zahlreichen Hypotheſen gar nicht gekommen waͤre. Und eben dies iſt der Fall in den meiſten uͤbrigen Faͤchern der Naturlehre. Die guten Hypotheſen, wenn ſie auch nicht die Wahrheit ſelbſt ſind, machen doch den Zuſammenhang der Begebenheiten ſinnlicher, veranlaſſen Verſuche und Entdeckungen, an welche man ohne ſie nicht gedacht haͤtte, und ermuntern den unpartheyiſchen Beobachter unaufhoͤrlich zu neuen Pruͤfungen, welche faſt immer etwas Nuͤtzliches lehren.

Dagegen iſt der Mißbrauch der Hypotheſen aͤußerſt gefaͤhrlich fuͤr den Fortgang und die Ausbreitung der Wahrheit. Wer eine Hypotheſe erſonnen hat, und einmal ſo weit gekommen iſt, ſie fuͤr wahrſcheinlich zu halten, der beredet ſich ſehr leicht, daß alle weitere Pruͤfung unnoͤthig678 ſey. Er glaubt alsdann nicht mehr, daß die Natur ſeiner Vorſtellung widerſprechen koͤnne, und wenn neue Beobachtungen gegen ihn ſtreiten, ſo erzwingt er ſich durch Witz und Geſchicklichkeit neue Erklaͤrungen oder Zuſaͤtze zur Hypotheſe ſelbſt, welche meiſtentheils nichts anders als neue Irrthuͤmer ſind, und den Epicykeln des ptolemaͤiſchen Weltſyſtems gleichen. Hypotheſen, die man mit dergleichem Flickwerke verſehen muß, um ſie neuern Beobachtungen anzupaſſen, ſind im hoͤchſten Grade verdaͤchtig. So ſinnreich auch bisweilen ihre Vertheidiger die Beobachtungen zu drehen und die Widerſpruͤche zu heben wiſſen, ſo muß doch der unbefangene Naturforſcher nie vergeſſen, daß die Begierde, etwas zu behaupten, der aͤrgſte Sophiſt ſey, den man ſich gedenken kan, und daß eine einzige Thatſache mehr wahren Werth habe, als das kuͤnſtlichſte Gebaͤude von ſolchen Erklaͤrungen.

Bey dem Studium der Geſchichte der Phyſik bleibt man zweifelhaft, ob die Hypotheſen dem Fortgange dieſer Wiſſenſchaft mehr geſchadet oder genuͤtzt haben. So viele wichtige Entdeckungen aus ihnen entſprungen ſind, ſo hat doch auch der alle Grenzen uͤberſteigende Mißbrauch derſelben die Wiſſenſchaft bis zum Anfange des vorigen Jahrhunderts in ihrer erſten Kindheit zuruͤckgehalten, und ihrem Wachsthume noch bis in die gegenwaͤrtigen Zeiten ſtarke Hinderniſſe entgegengeſetzt. Die ganze Schule des Descartes behaußrete, alle Dinge nach der Vorſtellungsart ihres Lehrers erklaͤren zu koͤnnen, und ſuchte in den Beobachtungen nichts weiter, als Beſtaͤtigung dieſer ſchon vorher gefaßten Begriffe und Meynungen auf. So wurden die vortreflichſten Erfahrungen verdrehet, und ſtatt der Geſchichte der Natur ward eine Geſchichte meuſchlicher Vorſtellungen erzaͤhlt, bey der man ſich unglaubliche Muͤhe gegeben hat, unnuͤtze Begriffe zu erfinden und zu vertheidigen. Newton machte endlich dieſem Unweſen ein Ende. Er war ſo ſehr wider die Hypotheſen dieſer Art eingenommen, daß er ſeine Theorien ſchlechterdings nicht alſo genannt wiſſen wollte, ſo viel ſie auch noch hin und wieder Hypothetiſches enthalten. Er ſuchte die Phyſiker auf den679 richtigen Begriff von Hypotheſen zu fuͤhren, indem er (Princip. L. III. ſub i < * > t.) unter dieſem Namen einige Saͤtze vortrug, die jeder gern einraͤumt, ob ſie gleich nicht mit mathematiſcher Schaͤrfe zu erweiſen ſind (wie die Poſtulata oder Hypotheſes der alten Mathematiker). Unter dieſen Saͤtzen befinden ſich z. B. die vortreflichen Regeln, daß man nicht mehr Urſachen der Naturbegebenheiten annehmen muͤſſe, als wirklich erwieſen und zur Erklaͤrung der Erſcheinungen hinreichend ſind; daß einerley oder aͤhnliche natuͤrliche Wirkungen einerley Urſachen haben; das copernikaniſche Syſtem, die kepleriſchen Regeln u. ſ. w. Vorausſetzungen, welche ſich von den carteſianiſchen Hypotheſen ſehr merklich unterſcheiden. Er gab endlich den Phyſikern durch ſeine Schriften ein vortrefliches Beyſpiel, ſo wenig als moͤglich vorauszuſetzen, und ſo viel als moͤglich, aus Erfahrung und Induction zu ſchließen. Nach einem langen Streite zwiſchen ſeinen und des Descartes Anhaͤngern hat doch endlich die beſſere Methode geſiegt, und obgleich die Anzahl der Hypotheſen, beſonders in den dunklern Faͤchern und in dem chymiſchen Theile der Naturlehre, ſeitdem noch anſehnlich vermehrt worden iſt, und noch immer zunimmt, ſo ſcheinen ſie doch in unſern Tagen mit mehrerer Maͤßigung behandelt, und nicht ſo oft, als ſonſt, zum Nachtheil der Wahrheit gemißbraucht zu werden.

Diſcours ſur les dispoſitions, qu'il faut avoir pour faire du progrès dans l'étude de la phyſique par M. Nollet, vor dem er - < * > Bande ſ. Leçons de phyſ. exp.

Senebier Kunſt zu beobachten, a. d. Franz. v. Gmelin, Leipzig, 1776. 8. II. B. 9 11. Abſchn.

J

Jahr, Annus, An, Année.

Die Zeit, binnen welcher die Erde ihre Bahn um die Sonne einmal durchlaͤuft. Nach Ablauf dieſer Zeit koͤmmt ſie alſo wieder in ihre vorige Stellung gegen die Sonne, und es kehren den Orten auf ihrer Oberflaͤche die vorigen Jahrszeiten, und die uͤbrigen von der Sonne abhaͤngenden Erſcheinungen zuruͤck. Eben680 dies iſt auch der Zeitraum, in welchem die Sonne durch ihre eigne Bewegung die ganze Ekliptik, oder alle zwoͤlf himmliſche Zeichen zu durchlaufen ſcheint, ſ. Ekliptik. Er giebt wegen der Wiederkehr aller Verrichtungen, die von der Sonne und den Jahrszeiten abhaͤngen, ein ſehr brauchbares Maaß der Zeit.

Man hat anfaͤnglich die Groͤße des Jahres nicht ganz genau gekannt. Die Egypter nahmen nach den Nachrichten des Syncellus zuerſt ein Jahr von 360 Taͤgen an, dem nachher die Thebaͤer noch fuͤnf Tage zuſetzten. Der große Ring des Oſymandyas (Diod. Sic. L. I. Sect. 2.) hatte daher einen Umfang von 365 Ellen; jede Elle bezog ſich auf einen Tag des Jahres, und es war dabey der Aufund Untergang der Geſtirne, mit aſtrologiſchen Folgerungen, bemerkt. Weiterhin ward man gewahr, daß dieſes Jahr um einen Viertelstag zu kurz ſey, daher die Wiedererſcheinung des Hundsſterns, welche die Ueberſchwemmung des Nils verkuͤndigte, alle 4 Jahre um einen Tag ſpaͤter erfolgte, und ſo erſt in 4X365 oder eigentlich in 1461 Jahren, wieder auf denſelben Tag des buͤrgerlichen Jahrs zuruͤckkehrte. Weil ſich aber die Feſtrechnung der Egypter auf das Jahr von 365 Tagen gruͤndete, ſo war ihnen daſſelbe|zu heilig, um etwas daran zu aͤndern; ſie ließen alſo ihre Feſte ungeſtoͤrt durch alle Jahrszeiten ruͤcken, und bemerkten blos die Periode ihrer Wiederkehr auf den vorigen Tag unter dem Namen des Hundsſterncyclus (Periodus Sothiaca) bis endlich nach der Schlacht bey Actium Egypten eine Provinz des roͤmiſchen Reichs ward, und ein Jahr ann < * > men mußte, das an Groͤße dem julianiſchen gleich war.

Die Griechen nahmen bey ihren Bemuͤhungen, das Sonnenjahr mit dem Mondlaufe zu vereinigen (ſ. Kalender), jenes zu 365 Tagen 6 Stunden an. Der metonianiſche Cykel von 19 Jahren oder 6940 Tagen war di < * > Angabe zufolge noch 6 Stunden laͤnger, als 19 Sonnenjahre; aber die hundert Jahr ſpaͤter eingefuͤhrte kallippi < * > Periode von 27759 Tagen trifft mit 76 Jahren von 365 1 / 4 Tagen ganz genau uͤberein. Dieſe Periode ward bey den Griechen beybehalten, und Soſigenes, mit deſſen < * >681 Caͤſar den roͤmiſchen Kalender verbeſſerte, fuͤhrte das Jahr, das ſie vorausſetzt, auch bey den Roͤmern ein. Seit dieſer Zeit iſt es unter dem Namen des julianiſchen Jahres bekannt geblieben.

Hipparch zu Alexandrien beobachtete nach den Nachrichten des Prolemaͤus (Almageſt. L. III. ) die Zeitpunkte der Nachtgleichen und Sonnenwenden mit vieler Sorgfalt. Er verglich ſeine Beobachtungen mit denen, welche Ariſtarch von Samos 145 Jahre vor ihm angeſtellt hatte, und fand, daß die Sonnenwenden ſeit dieſer Zeit um 12 Stunden fruͤher einfielen. Dieſer Beſtimmung nach ſchien ihm die wahre Laͤnge des Jahres (12 / 145) oder beynahe (1 / 12) Stunde, d.i. 5 Minuten kuͤrzer, als die kallippiſche Periode annahm, mithin nur 365 T. 5 St. 55 Min. zu ſeyn. Weil dieſe (12 / 145) Stunden in 4X76 Jahren 25 St. 9 Min. ausmachen, ſo ſchlug er vor, vier kallippiſche Perioden zuſammenzunehmen, und einen Tag daraus hinwegzulaſſen, wobey 304 Jahre von eben ſo viel Umlaͤufen der Sonne nur um 1 Stunde 9 Min. abweichen wuͤrden. Es iſt aber dieſer Vorſchlag ohne Anwendung geblieben.

Die neuern Aſtronomen haben von der vortreflichen Methode des Hipparch, alte und neue Beobachtungen zu vergleichen, haͤufigen Gebrauch gemacht. So hatte Walther zu Nuͤrnberg im Jahre 1488 die Nachtgleiche den 10ten Maͤrz um 15 Uhr 40 Min. beobachtet, welches auf den Meridian von Uranienburg (der um 15 Min. Zeit weiter oſtwaͤrts liegt) reducirt, die Nachtgleiche

1488d. 10 Maͤrz15 St.55 Min.giebt.
Tycho fand ſie 1588d. 9 Maͤrz21 St.10 Min.
Unterſchied auf 100 Jahr 18 St. 45 M. = 1125 M.
div. mit 100)
auf 1 Jahr 11 Min. 15 Sec.

Nach dieſer Rechnung iſt das wahre Sonnenjahr um 11 Min. 15 Sec. kuͤrzer, als das julianiſche v. 365 T. 6 Stunden, mithin betraͤgt es 365 T. 5 St. 48 Min. 45 Sec. (ſ. Tychonis de Brahe Progymnaſm. Aſtr. p. 51.). Aehnliche Vergleichungen findet man beym Riccioli (Almageſt.682 nov. p. 138. Aſtron. reform. p. 16.), Hevel (Prodrom. Aſtr.) Manfredi (De gnomone Bononienſi p. 74.) Caſſini (Elemens de l'aſtr. L. II. ch. 10.) und de la Lande (Aſtronomie, der zwoten Ausg. §. 885.) geſammelt. Der Letztere ſetzt die mittlere Laͤnge des Sonnenjahrs

365 T.5 St.48 Min.45 Sec.30 Tert.

Dieſer Zeitraum, binnen welchem die Sonne von einer Nachtgleiche oder Sonnenwende aus bis wieder zu eben derſelben laͤuft, heißt von den Tropen oder Sonnenwenden das tropiſche Sonnenjahr (annus ſolaris tropicus). Waͤhrend dieſer Zeit ſind die Fixſterne, wegen des Vorruͤckens der Nachtgleichen, um 50″ weiter gegen Morgen gegangen, und die Sonne braucht daher, um wieder zu dem vorigen Fixſterne zu gelangen, noch 20 Min. 5, 7 Sec. Zeit uͤber das tropiſche Jahr. Dieſer Zeitraum heißt das Sternjahr oder die ſideriſche Umlaufszeit (annus ſidereus). Die Erdferne oder eigentlich die Sonnenferne der Erde ruͤckt in eben der Zeit um 65″ fort, daher die Sonne, um von einer Erdferne bis zur folgenden zu gelangen, 26 Min. Zeit uͤber das tropiſche Sonnenjahr noͤthig hat. Dieſer Zeitraum heißt die anomaliſtiſche Umlaufszeit. De la Lande (Aſtr. 888. 889. ) ſetzt

die ſideriſche365 T.6 St.9 Min.11,2 Sec.
die anomaliſtiſche36561520

Weil zwoͤlf Umlaͤufe oder Wechſel des Monds dem Jahre nahe kommen, ſo nennt man die Dauer von zwoͤlſ ſynodiſchen Mondenmonaten (ſ. Monat) ein Mondenjahr (annus lunaris). Sie betraͤgt nach de la Lande (Aſtr. 1422.)

354 T.8 St.48 Min.34,7 Sec.

und iſt beynahe um 11 Tage (eigentlich. 10 T. 21 St.) kuͤrzer, als das tropiſche Sonnenjahr.

Die bisher angezeigten Jahre ſind aſtronomiſche (anni coeleſtes). Sie geben wirkliche Dauer der himmliſchen Umlaͤufe bis auf Minuten und Secunden an. Von ihnen unterſcheiden ſich die buͤrgerlichen Jahre (anni civiles), welche im Kalender, wo man die Tage nicht theilen683 kan, angenommen werden muͤſſen, und aus Anzahlen von vollen Tagen beſtehen, die dem aſtronomiſchen Jahre ſo nahe, als moͤglich, kommen. Aus dem vorigen erhellet, daß es hiebey am natuͤrlichſten und richtigſten iſt, das buͤrgerliche Sonnenjahr zu 365 Tagen anzunehmen. Ein ſolches heißt ein gemeines Jahr (annus communis). Weil es aber, nach dem vorigen, um 5 St. 48 Min. 45 1 / 2 Sec., oder faſt um 6 Stunden, zu kurz iſt, und dieſer Fehler in vier Jahren faſt einen ganzen Tag ausmacht, ſo ſetzt unſer Kalender aller 4 Jahre einen Tag hinzu, woraus ein Jahr von 366 Tagen, ein Schaltjahr (annus biſſextilis) entſteht. Dieſer Schalttag (dies intercalaris) wird zwiſchen den 23ſten und 24ſten Februar eingeſchoben; und weil hiebey im roͤmiſchen Kalender der 23ſte Februar (ſextus Kalendas Martias) zweymal gezaͤhlt wird, ſo iſt daher die lateiniſche Benennung (biſſextilis, a bis numerato ſexto) entſprungen.

Die von verſchiedenen Voͤlkern angenommenen buͤrgerlichen Jahre ſind entweder Sonnen - oder Mondenjahre. Sie ſetzen ſaͤmmtlich eine auf Beobachtung beruhende Groͤße des aſtronomiſchen Jahres voraus, enthalten eine Anzahl voller Tage, welche dieſer Groͤße nahe koͤmmt, und laſſen alsdann entweder die Jahrszeiten durch alle Tage des Jahres durchruͤcken (anni vagi), oder halten dieſelben durch Einſchaltungen an gewiſſe Tage feſt (anni fixi).

Zu den buͤrgerlichen Sonnenjahren, in welchen die Jahrszeiten durch alle Tage des Jahres ruͤcken, gehoͤrt das alte egyptiſche Jahr von 365 Tagen, welches mit dem nabonaſſariſchen Jahre der Chaldaͤer und dem yezdegerdiſchen Jahre der Perſer einerley iſt. In 1461 ſolchen Jahren ruͤckt die Nachtgleiche nach und nach durch alle Tage des Jahrs hindurch.

Das julianiſche Jahr ſollte zwar der Abſicht nach ein feſtes Jahr ſeyn. Weil aber die vorausgeſetzte Dauer des aſtronomiſchen Jahres von 365 T. 6 St., um 11 Min. 14,5 Sec. zu groß iſt, welches in 400 Jahren 3 Tage betraͤgt, ſo muͤſſen dennoch die Nachtgleichen aller 400 Jahre 3 Tage fruͤher fallen, und es war daher die Fruͤhlingsnachtgleiche684 vom Jahre 325 n. C. G. bis zu Ende des 16ten Jahrhunderts vom 21ten bis zum 10ten Maͤrz vorgeruͤckt. Dies gab Anlaß zu Einfuͤhrung des gregorianiſchen Kalenders, ſ. Kalender, wobey das Jahr zu 365 T. 5 St. 49 Min. 12 Sec. angenommen iſt, und binnen 400 Jahren allezeit drey Schalttage wegbleiben. Dieſes verbeſſerte oder gregorianiſche iſt nun wirklich ein fixes Jahr, in welchem ſich die Fruͤhlingsnachtgleiche immer um den 20 Maͤrz haͤlt. Die vorausgeſetzte Dauer des Sonnenjahrs weicht von der wahren nur um 27 Sec. ab, welches erſt in 3200 Jahren eine Abweichung von einem Tage giebt.

Bey den Perſern fuͤhrte der Sultan Gelal bereits im Jahre 1079 n C. G. mit Huͤlfe des Aſtronomen Omar Chejam ein Jahr (annus Galilaeus) ein, welches mit dem Laufe der Sonne noch genauer, als ſelbſt das gregorianiſche, uͤbereinſtimmt. Es wird nemlich dabey 7mal nach einander aller vier Jahre, das achtemal aber erſt im 5ten Jahre, ein Tag eingeſchaltet. Daher ſind unter 33 Jahren allezeit 25 gemeine und 8 Schaltjahre, oder dieſe 33 Jahre haben 33X365+8 = 12053 Tage, ſo daß ein Jahr = 365 T. 5 St. 49 Min. 5 Sec. 28 Tert. vorausgeſetzt wird, welches von der wahren Groͤße nur um 20 Sec. abweicht, und erſt in 4320 Jahren um einen einzigen Tag fehlet. Dieſe Einſchaltungsart wuͤrde der gregorianiſchen vorzuziehen ſeyn, wenn nicht bey der letztern zugleich auf den Mondlauf haͤtte geſehen werden muͤſſen, wobey der gleichfoͤrmige Fortgang des Einſchaltens durch ein ganzes Jahrhundert einen großen Vortheil gewaͤhret.

Unter den buͤrgerlichen Mondenjahren giebt es wiederum ſolche, in denen die Jahrszeiten durch die Tage des Jahres fortruͤcken (vagos) und andere, in welchen ſie durch Einſchaltungen an gewiſſen Tagen feſtgehalten werden (fixos). Zu den erſtern gehoͤrt das muhammedaniſche oder arabiſche Jahr, welches aus 354 Tagen beſtehet und zwoͤlf Monate hat, welche mit 30 und 29 Tagen abwechſeln. In jeder Periode von 30 Jahren wird in den Jahren 2, 5, 7, 10, 13, 15, 18, 21, 24, 26, 29 dem letzten Monate, der ſonſt nur 29 Tage hat, der 30ſte zugeſetzt, daß685 alſo unter 30 Jahren, 19 von 354, und 11 von 355 Tagen ſind. Hiebey iſt das Mondenjahr 354 T. 8 St. 48 Min. vorausgeſetzt; dies weicht von dem wahren Mondlauf jaͤhrlich um 35 Sec., oder in 2480 Jahren um einen Tag ab; dagegen iſt auf die Sonne hiebey gar keine Ruͤckſicht genommen.

Zu den fixen Mondenjahren, welche ſich nach dem Lauſe der Sonne und des Mondes zugleich richten, gehoͤren das athenienſiſche und juͤdiſche Jahr. Das gemeine athenienſiſche Jahr (annus Atticus communis) beſtand aus 12 Monaten, welche mit 30 und 29 Tagen abwechſelten, alſo aus 354 Tagen, und fieng mit dem naͤchſten Neumonde nach der Sommerſonnenwende an. Das Schaltjahr (annus embolimaeus) hatte 13 Monate, oder 384 Tage. Anfaͤnglich ward in jeder Periode von acht Jahren (Octaëteris) dreymal, nemlich zu Ende des 3ten, 5ten und 8ten Jahres eingeſchaltet, daß alſo 8 Jahre 99 Monate oder 2922 Tage hatten. Dieſer Zeitraum iſt zwar eben ſo lang als 8 Sonnenjahre, jedes zu 365 T. 6 St., aber um 1 1 / 2 Tage kuͤrzer als 99 Mondumlaͤufe, jeden zu 29 T. 12 St. 44 Min. gerechnet. Meton und Euctemon fuͤhrten daher den Cykel von 19 Jahren (Enneadecaëteris) ein, dem ſie 235 Monate, 125 von 30,110 von 29 Tagen gaben, ſo daß das 3te, 6te, 8te, 11te, 14te, 17te und 19te Jahr, Schaltjahre von 13 Monaten waren, die uͤbrigen aber nur 12 Monate behielten. Dieſe Periode enthaͤlt 6940 Tage; 19 Sonnenjahre aber haben 6 Stunden, und 235 Mondumlaͤufe 7 2 / 3 Stunden weniger. Aus dieſem Grunde ließ Kallippus von dem letzten Schaltmonate der vierten 19jaͤhrigen Periode noch einen Tag hinweg, wodurch denn dieſe 76 Jahre oder 940 Monate gerade 76 julianiſchen Jahren gleich und um 6 2 / 3 Stunden laͤnger als 940 Mondwechſel wurden. Da der ſynodiſche Monat in der That noch 3 Sec. laͤnger iſt, als oben angenommen wird, ſo gehen von dieſen 6 2 / 3 Stunden noch 940. 3 Sec. oder 47 Minuten ab, daß alſo die kallippiſche Periode vom Sonnenlaufe nur eben ſo weit, als das julianiſche Jahr, d. i. um einen Tag in 128 Jahren, und vom Mondlaufe nur um 5 St. 53 Min. in686 76 Jahren, d. i. um einen Tag in 310 Jahren, abweicht. Dieſe Verbindung des Sonnen - und Mondlaufs iſt allerdings eine der vortreflichſten Erfindungen des Alterthums, obgleich die Einſchaltungsmethode ſelbſt fuͤr den Gebrauch des gemeinen Lebens allzugekuͤnſtelt ausfaͤllt, und in den einzelnen Jahren allzugroße Abweichungen vom Sonnenlaufe zulaͤßt, ſ. Kalender.

Auch das jetzige Jahr der Iuden iſt ein fixes oder mit dem Sonnenlaufe vereinigtes Mondenjahr von 354 Tagen, welches von dem naͤchſten Neumonde nach der Herbſtnachtgleiche anfaͤngt. Sie bedienen ſich dabey eines Cykels von 19 Jahren, in welchem das 3, 6, 8, 11, 14, 17, 19te, Schaltjahre von 13 Monaten ſind. Die Monate wechſeln mit 30 und 29 Tagen ab; und der Schaltmonat von 30 Tagen wird zwiſchen den ſechſten und ſiebenden Monat eingeſchoben. Unter ihren gemeinen und Schaltjahren kommen aber auch ſolche vor, die einen Tag mehr oder weniger, als die gewoͤhnlichen, haben, ſo daß die Periode von 19 Mondenjahren, in welcher ſie 235 Monate zaͤhlen, um eine Stunde und 485 Helakim (oder 1080 Theile der Stunde) kuͤrzer iſt, als der julianiſche Mondcykel.

Montucla Hiſt. des mathem. P. I. L. III. no. XIII. ſq.

Kaͤſtner Anfangsgr. der Aſtronomie und Chronologie, Goͤttingen, 1781. 8. an mehreren Stellen.

Guil. Beveregii Inſtitut. Chronol. L. II. Londin. 1705. 4.

Jahrszeiten, Quatuor anni tempora, Saiſons.

Die vier Theile, in welche das Jahr, in Abſicht auf die Stellung der Erde gegen die Sonne, beſonders von den Bewohnern der gemaͤßigten Zonen, eingetheilt wird. Ihre Namen ſind Fruͤhling, Sommer, Herbſt, Winter, und von jeder handelt ein beſonderer Artikel dieſes Woͤrterbuchs.

Wenn die Sonne im Anfang des Steinbocks ſteht, ſo iſt in der noͤrdlichen gemaͤßigten Zone ihre Mittagshoͤhe am kleinſten, und die Tageslaͤnge am kuͤrzeſten. Ihre ſchief auffallenden Stralen erwaͤrmen die Erdflaͤche wenig und nur einige Stunden lang, die Kaͤlte nimmt uͤberhand, und687 man ſagt, es ſey Winter. Je weiter ſie aber zu dem Zeichen des Widders hinaufruͤckt, deſto mehr waͤchſt ihre Mittagshoͤhe zugleich mit der Laͤnge des Tages, ihre Stralen werden weniger ſchief, erwaͤrmen ſtaͤrker und laͤnger, die erſtorbene Natur faͤngt endlich von neuem an zu leben, und mit dem Eintritte der Sonne in den Widder hebt der Fruͤhling an. Alle dieſe Wirkungen nehmen zu, bis beym Eintritte der Sonne in den Krebs ihre Mittagshoͤhe und die Tageslaͤnge am groͤßten werden, und die Stralen die ſtaͤrkſte Hitze verurſachen. Alsdann ſagt man, es ſey Sommer. Von dieſer Zeit an reifen die Fruͤchte; die Sonne aber geht wiederum nach dem Aequator zuruͤck in niedrigere Stellen, ihre Stralen werden ſchiefer, die Tage kuͤrzer, und wir bekommen Herbſt, wenn die Sonne in die Wage tritt. Endlich geht ſie von hier aus in noch niedrigere Stellen der Ekliptik, die Tage werden noch kuͤrzer, die Sonnenſtralen fallen noch ſchiefer auf, die Witterung wird rauher und kaͤlter, bis mit dem Eintritte der Sonne in den Steinbock der Winter wiederkehret. Die ſuͤdliche gemaͤßigte Zone hat zu gleicher Zeit die entgegengeſetzten Jahrszeiten.

Fuͤr die Bewohner der kalten Zonen laſſen ſich die Jahrszeiten eben ſo, wie fuͤr die benachbarten gemaͤßigten annehmen. Im Fruͤhlinge giebt es fuͤr dieſe Orte eine Zeit, in der die Sonne gar nicht mehr untergeht, einen beſtaͤndigen Tag, der ſich bis in den Sommer hinein erſtreckt, und deſto laͤnger dauert, je naͤher der Ort dem Pole liegt. Dagegen faͤngt im Herbſte eine beſtaͤndige Nacht an, welche bis in den Winter anhaͤlt.

Auf die Orte der heißen Zone aber laͤßt ſich die Abtheilung in Jahrszeiten nicht mehr anwenden. Dieſen Orten geht die Mittagsſonne jaͤhrlich zweymal durch den Scheitel, und zweymal iſt ſie von demſelben am weitſten entfernt. Dies wuͤrde zween Sommer und zween Winter, aber meiſtens von ſehr ungleicher Dauer, geben: aber der Begrif von unſern Jahrszeiten laͤßt ſich uͤberhaupt nicht auf Orte anwenden, wo die Sonne faſt immer hoch ſteht, wo die Abwechſelungen der Temperatur und Tageslaͤnge nicht688 betraͤchtlich ſind, und die Fruchtbarkeit mehr auf Naͤſſe und Trockenheit, als auf Waͤrme und Kaͤlte, ankoͤmmt. Wenn in der heißen Zone eigentlich Sommer ſeyn ſollte, oder wenn ſich die Sonne am meiſten uͤber den Horizont erhebt, ſo fallt die Regenzeit ein; die angenehmſte Jahrszeit aber pflegt diejenige zu ſeyn, da die Sonne am niedrigſten ſteht.

Die Abwechſelung der Jahrszeiten haͤngt lediglich davon ab, daß die Ekliptik mit dem Aequator nicht zuſammenfaͤllt, ſondern gegen denſelben unter einem Winkel von 23 1 / geneigt iſt; oder was eben ſo viel iſt, davon, daß die Erde ſich nicht ganz nach eben der Richtung um ihre Axe drehet, nach welcher ſie ihre jaͤhrliche Bahn um die Sonne beſchreibet. Eine ſehr einfache Erklaͤrung hievon giebt das copernikaniſche Syſtem, ſ. Weltſyſtem. Fielen Aequator und Ekliptik in eine Ebne zuſammen, ſo wuͤrde die Sonne ſtets im Aequator ſtehen; es wuͤrde uͤberall und immer der Tag der Nacht gleich ſeyn, und durchgaͤngig ein beſtaͤndiger Fruͤhling herrſchen.

Da die Erde nicht alle Theile ihrer Bahn mit gleicher Geſchwindigkeit durchlaͤuft, ſo ſind auch die Jahrszeiten nicht von gleicher Laͤnge. Fruͤhling und Sommer dauren bey uns zuſammen ohngefaͤhr 186, Herbſt und Winter 179 Tage.

Waͤrme, Kaͤlte und Witterung haͤngen zwar großentheils, aber bey weitem nicht ganz, von der Wirkung der Sonne ab, ſondern richten ſich außerdem noch nach vielerley localen und zufaͤlligen Urſachen. Daher werden ſie nicht durch die Jahrszeiten allein beſtimmt, und ſo kan es im Sommer ſehr kalte, im Winter ſehr warme Tage geben. Weil die Wirkungen erſt dann am ſtaͤrkſten werden, wenn ihre Urſachen eine Zeit lang gedauert haben, ſo iſt es nicht gerade dann am kaͤlteſten, wenn die Sonne am niedrigſten, oder am waͤrmſten, wenn dieſelbe am hoͤchſten ſteht; vielmehr faͤllt die groͤßte Kaͤlte und Hitze erſt einige Zeit nach dem Anfange des Winters und Sommers ein, ſ. Klima. 689

Erxleben Anfangsgruͤnde der Naturl. durch Lichtenberg, §. 600, 622, 770.

Idioelektriſch, ſ. Elektriſche Koͤrper.

Impraͤgnation, Impraegnatio, Imprégnation. Dieſes Wort bedeutet eben ſo viel, als Aufloͤſung, wird aber hauptſaͤchlich von Aufloͤſungen der Salze und der Gasarten in Waſſer und andern tropfbaren Fluͤßigkeiten gebraucht. Waſſer mit Salz, Vitriolſaͤure, fixer Luft u. ſ. f. imptaͤgniren, heißt eine Quantitaͤt Salz oder Vitriolſaͤure darinn aufloͤſen, oder eine Menge fixe Luft von demſelben abſorbiren laſſen, Eine Maſchine zur Impraͤgnation des Waſſers mit fixer Luft und andern Gasarten wird bey dem Worte: Parkeriſche Maſchine beſchrieben.

Inbegriff, ſ. Volumen.

Inclination, ſ. Neigung.

Incruſtation, Incruſtatio, Incruſtation. Einige Waſſer haben die Eigenſchaft, die ihnen beygemiſchten erdichten, ſalzigen oder kießigten Theile an der Oberflaͤche der Koͤrper, mit denen ſie in Beruͤhrung ſtehen, abzuſetzen. Koͤrper, die man ſolchen Waſſern eine Zeit lang ausſetzt, werden dadurch mit einer harten ſteinaͤhnlichen Rinde uͤberzogen, und man nennt ſewohl dieſen Vorgang ſelbſt, als auch den uͤberzognen Koͤrper, eine Incruſtation. Der letztere wuͤrde richtiger ein Incruſtat, oder incruſrirter Koͤrper heißen.

Die gewoͤhnlichſten Incruſtationen ſind kalkartig, weil ſich die Kalkerde unter allen uͤbrigen am leichteſten mit dem Waſſer vermiſcht. Hieher gehoͤren die Stalakriten oder Tropfſteine, Rindenſteine, welche ſich durch das Herabtroͤpſeln des Waſſers in unterirdiſchen Hoͤhlen bilden, und durch die fortdaurende Incruſtation beſondere Geſtalten annehmen, ſ. Hoͤhlen. Andere Ueberzuͤge ſind ocherartig, und unterſcheiden ſich durch eine gelbe oder braune Farbe. In den Gradirhaͤuſern der Salzwerke uͤberziehen ſich die Reiſer, durch welche die Sole troͤpfelt, und andere Koͤrper, die man hineinlegt, mit einer theils kalkartigen, theils690 ſalzigen Rinde. Die warmen Quellen z. B. das Carlsbad, deren Waſſer wegen ſeiner Waͤrme viel fremde Materien aufloͤſet, haben dieſe incruſtirende Eigenſchaft in vorzuͤglich hohem Grade, ſ. Baͤder, warme.

Indifferenzpunkt, Punctum indifferentiae, Point d'indifſerence. Dieſen Namen giebt Brugmanns (Tentamina philoſophica de materia magnetica eiusque actione in ferrum et magnetem. Franequ. 1765. 4. deutſch, mit neuen Zuſaͤtzen des Verf. durch D. C. G. Eſchenbach, Leipz. 1784. 8. S. 70.) demjenigen Punkte eines eiſernen oder ſtaͤhlernen Staͤbchens, an welchem der Magnet, mit dem man es beſtreicht, ſtehen muß, wenn das eine Ende des Staͤbchens gar keine Polaritaͤt zeigen ſoll.

Wenn man nemlich ein unmagnetiſches Staͤbchen Eiſen oder Stahl AC, Taf. XII. Fig. 85., bey A mit dem Nordpol eines ſtarken Magnets beruͤhret, ſo wird A ein Suͤdpol, und C ein Nordpol; ſtreicht man aber mit dem Magnet am ganzen Staͤbchen hin bis C, ſo wird am Ende A ein Nordpol und C ein Suͤdpol.

Herr Brugmanns gerieth dadurch auf die vortrefliche Muthmaßung, weil das Ende A waͤhrend dem Hinſtreichen ſeine Polaritaͤt aͤndert, und aus der ſuͤdlichen in die noͤrdliche uͤbergeht, daß wohl der Magnet auf ſeinem Wege von A nach C in einen Punkt M kommen muͤſſe, wo A gar keine Polaritaͤt hat, die ſuͤdliche Spitze einer Nadel eben ſowohl als die noͤrdliche zieht, und alſo ganz indifferent iſt. Er fand auch dies durch die Erfahrung beſtaͤtiget. Stand der Magnet in M, ſo zeigte A gar keine Polaritaͤt, indem C noch immer ein Nordpol war. Fuhr er mit dem Magnete weiter nach C, ſo fieng A an eine noͤrdliche Polaritaͤt zu zeigen, und die noͤrdliche Polaritaͤt von C nahm ab. Kam er bis N, ſo ward C indifferent, und ſtrich er bis ans Ende, ſo erhielt C eine ſtarke ſuͤdliche, und A eine noͤrdliche Polaritaͤt. Er gab daher den Punkten M und N den Namen der Indifferenzpunkte. Sie finden ſich bey allen Eiſen - und Stahlſtaͤbchen oder Drath, nur haben ſie bey verſchiedenen Dicken und Laͤngen, auch691 bey verſchiedener Haͤrte des Eiſens und Staͤrke des Magnets andere Lagen. Herr van Swinden hat hieruͤber noch viele Verſuche angeſtellt, ſ. Magnet.

Beccaria (Elettric. artif. 1771. p. 208.) und Lord Mahon (Principles of electricity, London, 1779. 4. ) haben bemerkt, daß es an elektriſirten Leitern aͤhnliche Punkte giebt, wobey das eine Ende des Leiters gar keine Elektricitaͤt zeigt, wenn der elektriſirte Koͤrper, der dem Leiter die Elektricitaͤt mittheilt, an einen ſolchen Punkt gehalten wird.

Lichtenberg Anm. zu Erxlebens Anfangsgr. der Naturl. Vierte Aufl. Goͤttingen, 1787. § 570 b.

Inflexion, ſ. Beugung des Lichts.

Intenſitaͤt, Energie, Wirkſamkeit, Intenſitas, Energia, Efficacia, Intenſité, Energie. Das Vermoͤgen zu wirken, oder die Groͤße der Kraft, in ſo fern ſie nicht von der Groͤße des Koͤrpers oder von der Menge ſeiner Theile abhaͤngt, ſondern jedem einzelnen Theile eigen iſt.

Wenn man zu einem Gewichte ein anderes hinzuthut, ſo wird zwar der Druck, oder die Wirkung der Schwere, vergroͤßert; weil aber dies blos von der vermehrten Maſſe oder Menge der Theile herkoͤmmt, ſo kan man in dieſem Falle nicht ſagen, die Intenſitaͤt der Schwere ſey groͤßer geworden. Wuͤrde aber das Gewicht in die Gegenden um die Pole, oder auf die Oberflaͤche der Sonne gebracht, ſo wuͤrde jeder Theil deſſelben ſtaͤrker druͤcken, d. i. die Intenſitaͤt der Schwere wuͤrde zunehmen. Hiebey iſt Intenſitaͤt eben das, was man ſonſt beſchleunigende Kraft nennt, ſ. Kraft, beſchleunigende.

Wenn man die Oberflaͤche und Laͤnge eines iſolirten Leiters vergroͤßert, ſo wird er dadurch in Stand geſetzt, aus andern elektriſirten Koͤrpern, oder aus der Maſchine, mehr Elektricitaͤt, als vorher, anzunehmen und wieder zu entlaſſen. Man erhaͤlt aus lhm ſtaͤrkere Funken u. ſ. w.; aber dieſe Verſtaͤrkung der Wirkungen, welche blos von Vergroͤßerung692 der wirkenden Flaͤche abhaͤngt, iſt keine Verſtaͤrkung der Intenſitaͤt. Wird aber ein Leiter. ohne Vergroͤßerung ſeiner Laͤnge und Flaͤche, in Stand geſetzt, weit mehr Elektricitaͤt, als ſonſt, anzunehmen, ohne daß ſie eine merkliche Wirkung aͤußern kan, wie z. B. bey der Ladung der Leidner Flaſche, beym Condenſator der Elektricitaͤt, ſo ſagt man: die Intenſitaͤt ſey geſchwaͤcht. Bey der Entladung, Aufhebung des Deckels vom Condenſator u. ſ. w. werden die Urſachen, welche vorher die Intenſitaͤt ſchwaͤchten, aufgehoben, das natuͤrliche Vermoͤgen zu wirken, kehrt zuruͤck, und es erfolgen nunmehr deſto ſtaͤrkere Wirkungen.

Von entgegengeſetzten Kraͤften, welche auf einerley Maſſe oder Raum wirken, ſchwaͤcht eine jede der andern Intenſitaͤt. Werden ſie von einander getrennt, ſo kehren ihre Intenſitaͤten unvermindert zuruͤck, und aͤußern die ihrer Groͤße gemaͤßen Wirkungen.

Iovilabium, ſ. Nebenplaneten.

Irrlichter, Irrwiſche, Ignes fatui, Ambulones, Feux follets. Flammen oder Lichter von verſchiedenen Groͤßen, die man nicht weit vom Boden, vornemlich uͤber ſumpfigen Orten, Mooren, Kirchhoͤfen, Schindangern u. dgl. in der Luft ſchweben und ſich hin und her bewegen ſieht. Bisweilen erſcheinen deren zwey, drey oder noch mehrere zugleich. Am oͤfterſten werden ſie in den warmen Laͤndern im Sommer und zu Anfange des Herbſts, gleich nach Sonnenuntergange geſehen. Die gewoͤhnlichen haben die Groͤße einer Lichtflamme; die groͤßern heißen Irrwiſche, und ſollen in der Gegend um Bologna, wo ſie uͤberhaupt, wie in verſchiedenen Gegenden von Spanien und Aethiopien, ſehr haͤufig ſind, bisweilen eine Hoͤhe von 12 Fuß erreichen.

Es iſt ſonderbar, daß wir von den Irrlichtern, deren doch ſo oft gedacht wird, noch keine genauere Beſchreibungen und Unterſuchungen haben. Dechales (Mund. mathemat. To. IV. ) erzaͤhlt zwar, Robert Fludd habe ein693 Irrlicht verfolgt, zu Boden geſchlagen, und eine ſchleimichte Materie, wie Froſchleich gefunden. Derham (Philoſ. Trans. Vol. XXXVI. no. 411.) fuͤhrt an, er ſey auf eines zugegangen, das um eine modernde Diſtel zu huͤpfen geſchienen, es ſey aber vor ihm geflohen; und nach Beccari und Hanov (Phyſica dogmatica. To. II. p. 233.) ſoll ein Irrlicht eine italiaͤniſche Meile weit vor einem Reiſenden hergegangen ſeyn. Wenn es wahr iſt, was man hieraus gefolgert, und ſo oft nachgeſchrieben hat, daß dieſe Lichter vor dem Verfolger fliehen und dem Fliehenden nachfolgen, ſo laͤßt es ſich leicht aus der Bewegung der Luft erklaͤren. Man hat auch geſagt, daß ſie vor dem Fluchenden fliehen und ſich dem Betenden naͤhern. Auch dies wuͤrde daraus zu erklaͤren ſeyn, daß jener die Luft mit Heftigkeit von ſich ſtoͤßt, dieſer aber mehr an ſich ziehet. Der Aberglaube macht aus dieſen Lichtern abgeſchiedene Seelen oder boͤſe Geiſter, welche die Reiſenden irre fuͤhren, und ſelbſt einige Phyſiker, z. B. Cardan (De varietate rerum L. XIV. c. 69.) und Sennert (Epitome natur. ſcient. Amſt. 1651. 12. L. II. c. 2.) ſprechen nicht vernuͤnftiger davon.

Man kan bey dieſem Mangel an guten Beobachtungen nichts weiter, als Muthmaßungen, uͤber die Natur und Urſache der Irrlichter vorbringen. Vielleicht entſtehen ſie, oder einige Arten von ihnen, durch einen bey der Faͤulniß erzeugten natuͤrlichen Phoſphorus, ſo wie bekanntlich faule Fiſche, faules Fleiſch, faules Holz u. dgl. im Dunkein leuchten (Newtoni Optic. L. III. qu. 10.).

Vielleicht koͤnnen leuchtende Inſekten, entweder einzeln oder in ganzen Klumpen, zu Zeiten dergleichen Erſcheinungen nachahmen, ob es gleich unwahrſcheinlich iſt, daß nach Willoughby, Ray und Valliſneri (Opp. To. I. p. 85.) alle Irrlichter von leuchtenden Inſekten herruͤhren ſollten.

Es iſt auch moͤglich, daß an dieſem Phaͤnomen die Elektricitaͤt zuweilen einigen Antheil haben kan; wenigſtens iſt die Erſcheinung ſelbſt dem St. Elmusfeuer oder elektriſchen Wetterlichte an den Spitzen der Koͤrper (ſ. 694Wetterlicht) nicht unaͤhnlich, und unterſcheidet ſich blos durch ihre Beweglichkeit. Eine hoͤchſt merkwuͤrdige hiehergehoͤrige Begebenheit, welche gewiß elektriſch war, erzaͤhlt Herr von|Trebra (Beytraͤge zu den elektriſchen Erſcheinungen, im teutſchen Merkur, October 1783.). Am 5ten September 1783 Abends um 10 Uhr erſchien zu Zellerfeld ein Schein einer rothen Gluth am Himmel, der bald ſtaͤrker, bald ſchwaͤcher und blaͤſſer ward, und nach einigen Minuten wieder aufhoͤrte. Bald darauf ſchoſſen wieder von Abend her matte Flammen, wie beym Nordlichte, nur weit tiefer in der Atmoſphaͤre, auf, die immer lichter wurden und naͤher kamen, bis augenblicklich Hrn. v. Tr. ganzes Haus und alles um ihn her voͤllig hell ward. So flammte es einige Minuten, wie ein ſtehenbleibender Blitz, und zog dann in eine weitere Entfernung von etwa 500 Schritten hin, wo es ſo lange ſtand, daß er es hinlaͤnglich beobachten konnte. Nahe an der Erde war das mehreſte Licht, das ſich ziemlich, wenigſtens bis zum Orangefarbnen, roͤthete. Sein Umfang mochte etwa 20 Schritte ſeyn, und auf dieſem war alles ſo aͤußerſt hell, daß man Kleinigkeiten auch in der Entfernung ſehen zu koͤnnen ſich beredete. Von dieſem Punkte aus ſtralte das immer ſchwaͤchere gelbe, bis endlich, in noch mehr Entfernung von ſeinem Mittelpunkte an der Erde, ganz weiſſe Licht, mit bogenfoͤrmiger Erweiterung des Umfangs in die Hoͤhe, und erleuchtete den herumſtehenden duͤnnen Nebel zwar bis auf eine ziemliche Entfernung von der Erde, aber doch nicht ganz durch: denn oben druͤber war wieder duͤſrre Dunkelheit. So ſtand dieſer lichtflammende Schweif ein Paar Minuten lang, dann ruͤckte er ſchwingend in Abwechſelung mit Dunkel weiter gegen Mittag hin, und zog, nachdem er auch hier einige Minuten geſtanden hatte, in große Entfernung auf den Fleck, wo man ihn zuerſt als ein Zeichen eines entfernten Feuers beobachtet hatte. Hier verſchwand das Meteor, blickte aber nach einer halben Stunde wieder auf, und ſetzte dieſes Spiel bis gegen 1 Uhr Nachts fort. Am Tage vorher war das Barometer ſehr ſtark gefallen, und die Witterung kalt und regnicht geweſen. 695Selbſt waͤhrend der Erſcheinung regnete es, und der Wind gieng maͤßig aus Abend. Reimarus (Vom Blitze, §. 100 und 168.) haͤlt die Irrlichter und Irrwiſche darum nicht fuͤr elektriſch, weil ihr Licht zu matt ſey: auf das eben beſchriebene Meteor aber laͤßt ſich dieſer Schluß nicht anwenden.

Volta (Lettere ſull'aria inflammabile nativa delle paludi, Como, 1776. 8. ) erklaͤrt die Irrlichter fuͤr Erſcheinungen der aus ſumpfigen Orten aufſteigenden brennbaren oder Sumpfluft, welche durch ihre Vermiſchung mit atmoſphaͤriſcher Luft einer Entzuͤndung faͤhig wird, und bey vielen Verſuchen, durch den elektriſchen Funken entzuͤndet, eine blaͤuliche Flamme giebt, welche dem Scheine der Irrlichter ziemlich aͤhnlich iſt, ſ. Gas, brennbares. Dieſer Erklaͤrung, welche bey vielen Phyſikern Beyfall gefunden hat, ſteht nur das entgegen, daß die Irrlichter blos zu leuchten, nicht wirklich zu brennen ſcheinen, und daß man ſich Blitze oder elektriſche Funken hinzudenken muß, welche die aus den Suͤmpfen emporſteigenden Stroͤme von Gas entzuͤnden. Mir bleibt es daher allemal wahrſcheinlicher, daß die gewoͤhnlichen Irrlichter Wirkungen einer durch die Faͤulniß erzeugten phoſphoreſcirenden Materie ſind. Vielleicht werden einſt genauere Beobachtungen dieſes Meteors ſelbſt, und Unterſuchungen uͤber die phoſphoreſeirenden Gasarten (ſ. Gas, phoſphoriſches) mehr Licht uͤber dieſen noch ſehr dunkeln Gegenſtand verbreiten.

Die brennenden Irrwiſche, welche Muſſchenbrock (Introd. ad philoſ. nat. To. II. §. 2508.) unter dem Namen Ambulones incendiarii anfuͤhrt, dergleichen nach dem Tacitus (Annal. L. XIII. ) ehedem in der Gegend von Luͤttich, und nach neuern Nachrichten in Holſtein, Frankreich und Italien, Haͤuſer angezuͤndet und Verwuͤſtungen angerichtet haben ſollen, gehoͤren nicht hieher, und ſind allem Anſehen nach Erdbraͤnde oder Ausbruͤche eines unterirdiſchen Feuers geweſen.

van Muſſchenbroek Introd. in philoſ. nat. To. II. §. 2507.

Erxleben Anfangsgr. der Naturlehre, §. 757. 696

Irrſterne, ſ. Planeten.

Irrwiſche, ſ. Irrlichter.

Iſochroniſch, Iſochrona, Iſochrones. Dieſen Namen giebt man Wirkungen, welche von gleich langer Dauer ſind, oder in gleich langen Zeiten erfolgen. So ſind die Schwingungen eines Pendels iſochroniſch, wenn das Pendel ſelbſt einerley Laͤnge behaͤlt, und die Bogen, durch die es ſchwingt, gleich groß bleiben. Dieſe Eigenſchaft der Wirkungen oder Erſcheinungen heißt ihr Iſochroniſmus.

Unter iſochroniſch-paracentriſchen Linien verſteht man in der hoͤhern Mechanik diejenigen Curven, in welchen ein Koͤrper, von einer gegebnen Kraft getrieben, ſich einem gegebnen Punkte in gleichen Zeiten gleich viel naͤhert, oder von demſelben entfernt. Fuͤr die freye Centralbewegung iſt die hyperboliſche Spirallinie eine ſolche Curve, in welcher ein Koͤrper laͤuft, wenn ſich die Centripetalkraft verkehrt, wie der Wuͤrfel der Entfernung vom Mittelpunkte der Kraͤfte verhaͤlt. Leibnitz (Act. Erud. Lipſ. 1689. p. 195.) hat die Fragen von dieſen Linien zuerſt in die Mechanik eingefuͤhrt, nachdem er ſie ſchon 1687 dem Abt Catelan, einem Vertheidiger der carteſianiſchen Phyſik, aufgegeben hatte. Sie heißen auch Curvae acceſſus et receſſus aequabilis, und Euler handelt von ihnen im zweyten Theile ſeiner Mechanik (Prop. 28 30.).

Iſoliren, Inſulare, Corporibus idioelectricis circumdare, Iſoler. Einen Koͤrper iſoliren, heißt, ihn mit lauter Nicht-leitern der Elektricitaͤt umringen, und von allen leitenden Verbindungen mit dem Erdboden ausſchließen. Da die reine und trockne Luft ein Nicht-leiter iſt, ſo iſt ein in ihr ſchwebender Koͤrper, z. B. eine Pflaumfeder, ſchon an ſich iſolirt. Eine Metallſtange, die in reiner und trockner Luſt an ſeidnen Schnuͤren haͤngt, auf einem glaͤſernen Fuße ſteht, u. dgl. iſt iſolirt, weil ſie nichts als Luft und Seide oder Glas, mithin lauter Richtleiter, beruͤhrt. So wird ein Menſch iſolirt, wenn er ſich697 auf einen Harz - oder Pechkuchen ſtellet. In feuchter mit Duͤnſten angefuͤtlter Luft kan man keinen Koͤrper gehoͤrig iſoliren, daher auch in ihr die elektriſchen Verſuche ſehr ſchlecht von ſtatten gehen.

Die Abſicht des Iſolirens iſt, zu verhuͤten, daß der Koͤrper die Elektricitaͤt, die er ſchon hat, oder die man ihm erſt mittheilen will, nicht weiter abgebe, welches geſchehen wuͤrde, wenn er mit mehrern Leitern, und durch dieſe mit der Erde zuſammenhienge. Daher muß z. B. der erſte Leiter oder Hauptconductor, in welchem man die durch eine Maſchine erregte Elektricitaͤt ſammeln will, jederzeit iſolirt ſeyn. Wenn man einem Menſchen, z. B. einem Kranken, Elektricitaͤt mittheilen will, ſo muß man ihn vorher iſoliren.

Zu mehrerer Bequemlichkeit beym Iſoliren dienen die iſolirenden Srative oder Seſſel (Inſulatoria, Iſoloirs). Dazu gebraucht man Fußbrete mit Glasfuͤßen, Pech - oder Harzkuchen (gâteaux électriques), Stative, welche auf Glasſaͤulen oder Siegellackſtangen ſtehen, Seſſel von gedoͤrrtem und in heißem Oel getraͤnktem Holz u. dgi. Im Nothfall kan das erſte beſte, was zur Hand iſt, z. B. eine Trinkglas, ein Porcellantaſſe u. dgl. zum Iſoliren der darauf geſtellten Koͤrper dienen. Die Hauptleiter der Elektirſirmaſchinen werden gewoͤhnlich auf Glasfuͤße geſtellt, oder in ſeidnen Schnuͤren aufgehangen. Um Menſchen zu iſoliren, ließ Nollet auch Schuhe von gedoͤrrtem und in Oel geſottenem Holze anziehen, welche dazu ſehr gute Dienſte thaten. Alle dieſe zum Iſoliren beſtimmten Geraͤthſchaften muͤſſen ſehr trocken gehalten werden, weil alle anhaͤngende Feuchtigkeit leitet, und daher ihrer Abſicht entgegen iſt. Man thut alſo wohl, wenn man die glaͤſernen Theile des Apparats mit einer Siegellackaufloͤſung in Weingeiſt beſtreicht, wodurch ſie ſich nicht nur rein und trocken erhalten, ſondern zugleich ein gutes Anſehen bekommen.

Gewiſſe Abſichten bey den elektriſchen Verſuchen erfordern, daß man nicht iſolire, oder daß die Iſolirung, wenn ſie ſchon veranſtaltet iſt, wieder aufgehoben werde. Eine698 Flaſche z. B., welche man laden will, darf nicht iſolirt ſeyn. Wenn eine Glasmaſchine den Conductur ſtark poſitiv elektriſiren ſoll, ſo darf das Kiſſen nicht iſolirt ſeyn, u. ſ. w. Um nun eine vorher veranſtaltete Iſolirung ſogleich aufzuheben, darf man nur eine metallne Kette von duͤnnem Drath um den Koͤrper ſchlingen, und ihr Ende auf den Fußboden fallen laſſen. So wird der Koͤrper durch eine leitende Verbindung mit dem Fußboden, welcher ſtets Feuchtigkeit genug hat, und durch dieſen mit den uͤbrigen Theilen des Gebaͤudes und mit der Erde ſelbſt, verbunden. Um die Iſolirung wieder herzuſtellen, iſt nichts weiter noͤthig, als die Kette entweder ganz abzunehmen, oder nur zu verhindern, daß ihr Ende den Boden und andere Leiter nicht mehr beruͤhre.

Iulianiſches Jahr, ſ. Jahr.

Iulianiſcher Kalender, ſ. Kalender.

Iulianiſche Periode, ſ. Periode.

Iupiter, Iupiter, Iupiter. Dieſen Namen fuͤhrt einer von den ſechs Sternen, welche ihren Stand unter den Fixſternen taͤglich veraͤndern, und deswegen Irrſterne oder Planeten heißen, ſ. Planeten. Iupiter iſt unter dieſen Sternen, naͤchſt der Venus, der hellſte und glaͤnzendſte, ſcheint mit einem weißen lebhaften Lichte, und faͤllt beſonders, wenn er der Sonne gegenuͤber ſteht, und um Mitternacht durch den Mittagskreis geht, wegen ſeiner Groͤße und ſeines Glanzes ſehr praͤchtig in die Augen. Unter den Fixſternen ruͤckt er, wie alle uͤbrige Planeten, von Abend gegen Morgen ſo fort, daß er, wenn er bey der Sonne ſteht, am ſchnellſten forteilt, wenn er aber derſelben faſt gegenuͤber geſehen wird, ſtill ſteht, und endlich uͤber 100 Tage lang zuruͤckgeht. Mit dieſen Abwechſelungen ſeines ſcheinbaren Laufs vollendet er endlich den Umlauf um den ganzen Himmel ohngefaͤhr in zwoͤlf Jahren. Von dieſem ſcheinbaren Umlaufe aber iſt ſeine wahre Bewegung ſehr weit unterſchieden.

Nach dem, was die theoriſche Aſtronomie von dem Laufe der Himmelskoͤrper lehrt, iſt Iupiter einer von den699 obern Planeten, welche von der Sonne weiter, als die Erde, entfernt ſind, und deren Bahnen die Erdbahn umſchließen. Er iſt in der Ordnung, von der Sonne ausgerechnet, der fuͤnfte Planet, und ſeine Bahn faͤllt zwiſchen die Bahnen des Mars und Saturs. Sie iſt, wie alle Planetenbahnen, elliptiſch, und ihre Ebne macht mit der Ebne der Erdbahn einen Winkel von 19′ 26″.

Die Eccenrricitaͤt der Iupitersbahn iſt indeß nicht ſehr betraͤchtlich. Sein groͤßter Abſtand von der Sonne verhaͤlt ſich zum kleinſten etwa, wie 11 zu 10. In ſeinem mittlern Abſtande iſt er von der Sonne 5,201 mal weiter, als die Erde, entfernt. Will man alſo mit ohngefaͤhren Vorſtellungeu zufrieden ſeyn, ſo kan man die Bahn des Iupiters als einen Kreis anſehen, deſſen Halbmeſſer fuͤnfmal groͤßer iſt, als der Halbmeſſer der Erdbahn.

Dieſe Bahn durchlaͤuft der Planet in 4330 Tagen, 8 Stunden, 58 Min. 27 Sec. oder in ohngefaͤhr 11 Jahren 315 1 / 3 Tagen, ſo, daß er im Durchſchnitt genommen, jaͤhrlich 30° 20′ 31″ und taͤglich 4′ 59″ 16tʹ ſeines Kreiſes zuruͤcklegt. Nimmt man hiezu die Groͤße dieſes Kreiſes, ſo laͤßt ſich berechuen, daß er in jeder Zeitſecunde 3 Stunden Weges durchlaͤuft.

Aus den Bewegungen ſeiner Flecken oder Streifen hat Caſſini geſchloſſen, daß er ſich binnen 9 Stunden 56 Min. um ſeine Axe drehet, wobey ſein Aequator mit der Ebne ſeiner Bahn um die Sonne einen Winkel von macht. Dieſe ſchnelle Umdrehung bey ſeiner betraͤchtlichen Groͤße, wobey jeder Punkt ſeines Aequators in einer Zeitſecunde 6550 Toiſen durchlaͤuft, hat ihm eine ſtarke Abplattung gegeben, welche durch gute Fernroͤhre in die Augen faͤllt. Aus Short's Beobachtungen giebt de la Lande (Aſtr. L. XX. 3221.) das Verhaͤltniß der Axe zum Durchmeſſer des Aequators, wie 13: 14 an.

Sein ſcheinbarer Durchmeſſer betraͤgt in der Erdnaͤhe, wenn er der Sonne gegenuͤber ſteht, 49″ in den mittlern Weiten aber nur etwa 37′. In derjenigen Entfernung, in welcher ſich die Erde von der Sonne befindet, wuͤrde er 5,20mal groͤßer, d. i. 3′ 13″, 7 groß, erſcheinen. In eben dieſer Weite700 aber erſcheint der Durchmeſſer der Sonne 31′57, d. i. faſt 10mal groͤßer. Man kan hieraus ſchließen, daß Iupiter im Durchmeſſer faſt 10mal kleiner, als die Sonne, mithin ohngefehr 11 1 / 4mal groͤßer, als die Erde ſey.

Sein koͤrperlicher Raum iſt demnach 1479mal ſo groß, als der Inbegrif der Erdkugel. Aus Schluͤſſen, deren Grund bey dem Worte: Gravitation erklaͤrt worden iſt, findet man, daß die Koͤrper in gleicher Entfernung 340mal ſtaͤrker gegen den Iupiter gravitiren, als gegen die Erde, und daß er alſo 340mal mehr Maſſe, als letztere, hat. Mithin iſt ſeine Dichte nur (340 / 1479) oder etwa (23 / 100) von der Dichtigkeit der Erde, und die ſchweren Koͤrper fallen auf ſeiner Oberflaͤche in einer Secunde durch (340 / 11,25) ·15 d.i. ohngefaͤhr durch 40 Fuß.

Wenn man den mittlern Abſtand der Erde von der Sonne (welcher etwa 12000 Erddurchmeſſer betraͤgt) in 1000 Theile theilt, ſo iſt Iupiter in der Sonnennaͤhe um 4950, und in der Sonnenferne um 5452 ſolcher Theile von der Sonne entfernt. Sein kleinſter Abſtand von uns findet ſtatt, wenn er der Sonne entgegengeſetzt, zugleich in der Sonnennaͤhe, die Erde aber in der Sonnenferne iſt; alsdann betraͤgt dieſer Abſtand 4950 1017 = 3933 ſolcher Theile. Sein groͤßter Abſtand hingegen iſt, wenn er bey der Sonne geſehen wird, und in der Sonnenferne, die Erde aber auch in der Sonnenferne iſt; dieſer Abſtand betraͤgt 5452+1017 = 6469 Theile, wovon jeder 12 Erddurchmeſſer enthaͤlt. Iupiters kleinſter Abſtand von uns verhaͤlt ſich alſo zum groͤßten faſt wie 40: 65, d. i. wie 8 zu 13, daher auch ſein Durchmeſſer bald groͤßer, bald kleiner ſcheint.

Sein mittlerer Abſtand macht 5201 Theile, oder 62412 Erddurchmeſſer aus.

Da Iupiter von außen um die Erdbahn umlaͤuft, alſo nie zwiſchen die Sonne und Erde koͤmmt, auch allezeit viel weiter von uns abſteht, als die Sonne, ſo wendet er niemals einen Theil ſeiner dunkeln Seite gegen uns, und man kan an ſeiner Scheibe kein Ab - und Zunehmen bemerken. 701Dennoch beweiſen andere Erſcheinungen, z. B. die Verfinſterungen ſeiner Monden, deutlich, daß er an ſich ein dunkler Koͤrper ſey, und blos von der Sonne erleuchtet werde.

Den Iupiter begleiten vier kleine um ihn laufende Sterne, welche ſeine Trabanten (Satellites Jovis) oder Monden genannt werden, ſ. Nebenplaneten.

Die Fernroͤhre zeigen auf der Oberflaͤche dieſes Planeten Streifen oder Banden (Faſcias) von veraͤnderlicher Geſtalt und Lage. Sie ſind mehrentheils mit einander, und mit dem Aequator der Umdrehung gleichlaufend. Ihre Auzahl iſt unbeſtimmt; man hat ihrer zuweilen acht, zuweilen nur einen einzigen geſehen. Gewoͤhnlich zeigen ſich drey Streifen, wovon der eine, den man immer ſieht, etwas breiter iſt, als die uͤbrigen. Dieſer Streif geht durch die noͤrdliche Helfte der Iupitersſcheibe, ganz nahe am Durchmeſſer hin. Die Veraͤnderungen dieſer Streifen ſind vornaͤmlich von Caſſim und Maraldi (Anciens mémoires de l'Acad. des Sc. To. II. p. 104. To. X. p. 1. 513. 707. Mém. de l' Acad. 1699, 1708, 1714.) ſehr ſorgfaͤltig beobachtet worden. Neuerlich hat ſie Herr Oberamtmann Schroͤter in Lilienthal bey Bremen (Beytraͤge zu den neuſten aſtronom. Entdeckungen, herausg. von Bode, Berlin, 1788. 8. ) durch ein 7fuͤßiges Herſchelſches Teleſkop mit 140 210 facher Vergroͤßerung beobachtet. Er haͤlt ſie fuͤr abwechſelnde Verdickungen und Aufheiterungen in der Atmoſphaͤre des Iupiters, welche ſich aus einem beſtaͤndigen Zuge in derſelben erklaͤren laſſen. Ihre Umdrehungsperiode iſt veraͤnderlich, und faͤllt zwiſchen die Grenzen von 7 St. 7 Min. und 9 St. 56 Min. Sie veraͤndern alſo ihre Stellung gegen die Oberflaͤche des Iupiters, und gehen ſchneller fort, wenn der erwaͤhnte Zug in ſeiner Atmoſphaͤre ſtaͤrker iſt. Außer dieſen Streifen ſieht man auch dunkle und helle Flecken auf der Scheibe des Iupiters.

Die Aſtronomen bezeichnen dieſen Planeten mit

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Bode kurzgefaßte Erlaͤuterung der Sternkunde rc. Berlin, 1778. 8. an mehreren Stellen.

Iupitersmonden, ſ. Nebenplaneten. 702

K

Kaͤlte, Frigus, Froid.

Kaͤlte nennen wir einen geringen Grad der freyen oder fuͤhlbaren Waͤrme, oder auch die Empfindung, welche in uns entſteht, wenn wir Koͤrper beruͤhren, die weniger ſolche Waͤrme enthalten, als unſer eigner Koͤrper, und die daher den letztern etwas von ſeiner Waͤrme entziehen, ſ. Waͤrme. Es ergiebt ſich hieraus, daß der Begrif von Kaͤlte blos relativ ſey, und daß wir einen Koͤrper nur in Vergleichung mit andern waͤrmern kalt nennen. So iſt das Eis in unſern Laͤndern kalt in Vergleichung mit dem noch fluͤßigen Waſſer oder mit der Temperatur des menſchlichen Koͤrpers: hingegen iſt es warm in Vergleichung mit dem Eiſe der Polarlaͤnder. So ſcheint uns oft die Luft nach ſchwuͤlen Sommertagen durch ein Gewitter ſehr abgekuͤhlt, ob ſie gleich noch eine Temperatur hat, die wir ſehr warm finden wuͤrden, wenn wir ſie mitten im Winter fuͤhlten.

Da wir die Urſache der Waͤrme in einer eignen Materie ſuchen, ſ. Feuer, ſo iſt es ſehr natuͤrlich, die Kaͤlte fuͤr eine Wirkung des Mangels und der Entziehung dieſer Materie oder der vorher wirkſamen fuͤhlbaren Waͤrme zu erklaͤren. Hieraus laſſen ſich auch alle Erſcheinungen begreiflich machen, ohne daß man noͤthig hat, mit der Schule des Gaſſendi die Kaͤlte fuͤr etwas Poſitives anzunehmen, und von einer eignen kaltmachenden Materie herzuleiten, von deren Daſeyn wir keine Erfahrung haben, und die man, wenn ſie zu Erklaͤrung des Gefrierens unentbehrlich waͤre, eben ſowohl auch zu Erklaͤrung des Erhaͤrtens geſchmolzner Metalle noͤthig haben muͤßte.

Die gaͤnzliche Beraubung aller Waͤrme wuͤrde Koͤrper in einen Zuſtand verſetzen, den man die abſolute Kaͤlte nennen koͤnnte. In der Natur iſt ein ſolcher Zuſtand nicht anzutreffen, weil die immer vorhandene freye Waͤrme ſich durch alle Koͤrper mit einer gewiſſen Gleichfoͤrmigkeit zu verbreiten ſtrebt, ſ. Waͤrme.

Die Wirkungen der Kaͤlte ſind den Wirkungen der Waͤrme entgegengeſetzt. So, wie dieſe die Koͤrper ausdehnt,703 und bey einem beſtimmten Grade ihrer Staͤrke in den fluͤßigen Zuſtand verſetzt; ſo bewirkt dagegen die Kaͤlte Zuſammenziehung des Volumens, und verwandelt fluͤßige Koͤrper in feſte Maſſen, ſ. Thetmometer, Gefrierung. Feſte Koͤrper, ſelbſt die haͤrteſten, z. B. Metalle, Steine, ſogar der Diamant, werden durch die Kaͤlte in einen engern Raum zuſammengezogen. Dem Waſſer und vielen andern Liquoren widerfaͤhrt eben dieſes, bis zu dem Punkte ihrer Gefrierung; ſobald ſie aber dieſem nahe kommen, weichen ſie auf einmal von der Regel ab, und dehnen ſich, indem ſie feſt werden, ſehr merklich aus. Dieſe Ausdehnung aber ſcheint mehr eine Folge gewiſſer begleitenden Umſtaͤnde, als eine unmittelbare Wirkung der Kaͤlte zu ſeyn, ſ. Gefrierung Oele, Fettigkeiten, Wachs und geſchmolzene Metalle werden durch die Kaͤlte, ſelbſt beym Geſtehen, noch zuſammen gezogen: nur das Eiſen macht eine Ausnahme, indem es ſich waͤhrend ſeines Ueberganges aus dem fluͤßigen Zuſtand in den feſten ausdehnet, welches auch der Schwefel und das rohe Spießglas thun, dagegen ſich das Queckſilber beym Gefrieren auf einmal ungemein ſtark zuſammenzieht.

Die Daͤmpfe, oder die vom Feuer aufgeloͤßten fluͤßigen Materien, werden durch die Kaͤlte oder Entziehung des Feuers verdichtet, und in ihrer vorigen tropfbaren Form niedergeſchlagen, in welcher ſie auch, wenn die Kaͤlte dazu hinreichend iſt, gefrieren: die Gasarten hingegen werden durch die Kaͤlte zwar in engere Raͤume zuſammen gezogen, nie aber ihrer elaſtiſchen Form beraubt, und eben dies iſt das Hauptkennzeichen, wodurch ſich dieſe beſtaͤndig elaſtiſchen Materien von den Daͤmpfen unterſcheiden.

Kaͤlte wird, der oben gegebnen Erklaͤrung gemaͤß, durch jede Verminderung der freyen Waͤrme hervorgebracht, es mag nun dieſe Verminderung durch Abweſenheit oder Schwaͤchung der Waͤrme erregenden Urſachen, oder durch Bindung der freyen Waͤrme, oder endlich durch Mittheilung derſelben an andere Koͤrper entſtehen. So macht die Abweſenheit oder das ſchiefere Auffallen der Sonnenſtralen die Luft und die Erde in der Nacht kaͤlter, als am Tage,704 im Winter kaͤlter, als im Sommer; ſo entſteht durch Bindung oder Verwendung freyer Waͤrme eine oft ſehr betraͤchtliche Kaͤlte bey gewiſſen Aufloͤſungen, Ausduͤnſtungen u. dgl. ; ſo wird durch Mittheilung ſeiner Waͤrme ein Koͤrper abgekuͤhlt, wenn ihn andere kaͤltere beruͤhren oder umgeben. Durch dieſe Mittel entſteht Kaͤlte entweder ohne Zuthun der Menſchen, oder durch gefliſſentliche Veranſtaltungen; worauf die Elntheilung der Kaͤlte in natuͤrliche und kuͤnſtliche beruht. Da von der letztern der folgende Artikel handeln wird, ſo iſt hier nur noch etwas weniges von der natuͤrlichen Kaͤlte hinzuzuſetzen.

Viele Laͤnder und Gegenden ſind ihrer Lage wegen weit kaͤlter als andere, die mit ihnen unter einerley geographiſcher Breite liegen, und alſo den Sonnenſtralen in gleichem Maaße ausgeſetzt ſind. Ueberhaupt iſt ein Ort deſto kaͤlter, je hoͤher er uͤber der Meeresflaͤche liegt; daher denn ſelbſt in Peru, mitten in der heißen Zone, die Gipfel vieler Berge mit beſtaͤndigem Schnee und Eis bedeckt bleiben. Man erklaͤrte ſonſt dieſe kaͤltere Temperatur hoher Orte daraus, daß ſich die duͤnnere Luft daſelbſt nicht ſtark erwaͤrmen ließe, und daß der groͤßte Theil der Waͤrme von den von der Erdflaͤche zuruͤckgeworfenen Sonnenſtralen herruͤhrte, welche die hoͤhern Gegenden des Luftkreiſes nur in geringer Menge erreichten. Aber Herr de Luͤc (Briefe uͤber die Geſch. der Erde, Th. II. S. 491. u. f.) zeigt aus Beobachtungen des Herrn Pictet in Genf, daß die Waͤrme des Erdbodens, und die Reflexion der Sonnenſtralen ſehr wenig Einfluß auf die Waͤrme der Luft haben, daß vielmehr die Einwirkung der Sonnenſtralen auf die Luft nicht allein von der Dichte der Luft, ſondern auch von der Natur der Luftſchichten und von der Menge der Feuermaterie, die ſie enthalten, abhaͤnge; weil z. B. die untere Luft, wenn ſie viel Duͤnſte in ſich haͤlt, ſich unter gleichen Umſtaͤnden ſtaͤrker erwaͤrmen laͤßt, als wenn ſie rein iſt. Dennoch leitet Kirwan (An Eſtimate of the temperature of different latitudes. London, 1787. 8. ) den groͤßten Theil der Waͤrme des Luftkreiſes von der Beruͤhrung und Mittheilung des Erdbodens her, wobey die Kaͤlte auf den Bergen705 deſto begreiflicher wird, da die Sonne jede Seite der Berge nur wenige Stunden lang und mit ſehr ſchief auffallenden Stralen beſcheint, auch die hervorgebrachte Waͤrme ſich an den Bergſpitzen, welche von allen Seiten her mit Luft umringt ſind, weit ſchneller, als im platten Lande, zerſtreut. Starke und weit ausgebreitete Waldungen machen die Laͤnder vorzuͤglich kalt, weil das Eis wegen der vielen Schatten ſpaͤter aufthauet. Auch die Winde haben einen merklichen Einfluß auf die Kaͤlte der Luft, wenn ſie, wie bey uns die Nordwinde, Luft aus kaͤltern Erdſtrichen|in unſere Gegenden uͤberfuͤhren.

Die ſtaͤrkſten Grade der Kaͤlte in unſern Laͤndern erſtrecken ſich nicht ſehr weit unter die Null des fahrenheitiſchen Thermometers ( 15 Grad nach Reaumuͤr). In dem ſehr harten Winter des Jahres 1740 war der tiefſte Stand des Thermometers zu Wittenberg 10 Grad, und zu Danzig 12 2 / 5 Gr. nach Fahrenheit. Weit ſtaͤrkere Grade der Kaͤlte findet man in Sibirien zum Theil an Orten, deren geographiſche Breite nicht viel groͤßer iſt, als die fuͤr unſere Laͤnder. Folgende Beyſpiele hievon ſind aus der in Erxlebens Anfangsgruͤnden der Naturlehre §. 761 befindlichen Tabelle genommen.

OrtNoͤrdl. BreiteZeit der Beob.Fahrenh.
Kirinskoi OſtrogGrade
in Sibirien-57°47′1737, 8Dec.112
1738, 20Jan.118
Torneaͤ in Lappland65°51′173742 2 / 5
1760 5Jan.130
Tomsk in Sibirien1735.138 1 / 2
Kirenga1738.150
Yeniſeiſk1735, 16Jan.157

Ich kan jedoch nicht umhin, zu bemerken, daß faſt alle dieſe Beobachtungen verdaͤchtig ſind, weil ſie den neuſten Entdeckungen zufolge den wahren Gefrierpunkt des706 Queckſilbers uͤberſteigen, wobey dieſes Metall aufhoͤrt ein richtiges Maaß fuͤr die Unterſchiede der Temperatur zu ſeyn, und weit ſtaͤrker zuſammen gezogen wird, als ſeinem regelmaͤßigen Gange nach geſchehen ſollte, ſ. Gefrierung. Nach Hutchins Beobachtungen in der Hudſonsbay ſank das Weingeiſtthermometer nie unter 46°, wenn auch die Queckſilberthermometer 300 bis faſt 500° zeigten.

Man wird uͤbrigens noch vieles hieher gehoͤrige unter den Artikeln: Eis, Ftoſt, Gefrierung, Klima, Waͤrme, antreffen.

Kaͤlte, kuͤnſtliche

Frigus artificiale, factitium, Froid artificiel. Man kan zwar dieſen Namen einer jeden durch Menſchen veranſtalteten Abkuͤhlung oder Entziehung der Waͤrme beylegen: er wird aber insgemein nur von denjenigen Erkaͤltungen gebraucht, die man durch Aufloͤſungen oder Vermiſchungen gewiſſer Subſtanzen, ingleichen durch Ausduͤnſtung, hervorbringt.

Wenn man Kochſalz, Salpeter oder Salmiak in einer hinreichenden Menge Waſſer aufloͤſet, ſo wird das Gemiſch waͤhrend der Aufloͤſung merklich kaͤlter, und ein hineingeſetztes Thermometer ſinkt bis unter den Gefrierpunkt, wenn das Waſſer ſchon vorher kalt genug war. Nach Reaumuͤt's Verſuchen (Mém. de l'acad. roy. des ſc. 1734.) erkaͤltete ein Pfund Salz in 3-4 Pinten Waſſer geſchuͤttet, das letztere um 4-6 reaumuͤriſche Grade. Die Aufloͤſung ſelbſt gefrieret nicht, wenn gleich ihre Temperatur unter dem Eispunkte ſteht: ſetzt man aber ein glaͤſernes Gefaͤß mit reinem Waſſer in dieſelbe, ſo kan man letzteres, wenn es ſchon an ſich kalt iſt, gar leicht zum Gefrieren bringen. Dieſe Kaͤlte aber verliert ſich wieder, wenn das Salz voͤllig aufgeloͤßt iſt.

Weit ſtaͤrker iſt die Wirkung, wenn man dieſe Salze mit Schnee oder geſchabtem Eiſe vermiſchet. Dabey zerſchmelzt zwar das Eis zu Waſſer, worinn ſich das Salz aufloͤßt, es entſteht aber zugleich eine ſo betraͤchtliche Erkaͤltung, daß man auf dieſe Art das in die Miſchung geſetzte reine Waſſer, ſelbſt im Sommer, und ſogar uͤber dem707 Feuer, in Eis verwandeln kan. Dieſe Erſcheinungen ſind ſchon von Boyle unterſucht, und mit vielen Erfahrungen beſtaͤtiget worden. Nach Reaumuͤr brachten 2 Theile Kochſalz mit 4 Theilen geſchabten Eiſes, ſelbſt in den waͤrmſten Tagen, das Weingeiſtthermometer auf 15°; Salmiak und Salpeter auf 13° und 11°, Steinſalz (Sal gemmae) und Potaſche auf 17°. Fahrenheit nahm die durch Schnee und Salmiak hervorgebrachte Kaͤlte zum feſten Punkte ſeines Thermometers an. Aber auch dieſe Kaͤlte dauert nur ſo lang, als die Aufloͤſung waͤhret.

Die hoͤchſten Grade der kuͤnſtlichen Kaͤlte werden hervorgebracht, wenn man Eis oder Schnee mit den aus den Salzen gezognen ſauren Geiſtern vermiſcht. Salpetergeiſt, der ſchon bis zum Eispunkte erkaͤltet iſt, auf doppelt ſoviel (dem Gewichte nach) Eis oder Schnee gegoſſen, treibt das Thermometer ſehr ſchnell auf 19°. Erkaͤltet man aber die zu miſchenden Materien vorher ſtaͤrker, ſo werden ſie bey der Vermiſchung ſelbſt eine noch weit groͤßere Erkaͤltung bewirken. Durch dieſes Mittel trieb Fahrenheit die kuͤnſtliche Kaͤlte bis zu 40° ſeines Thermometers (ſ. Boerhave Elem. Chym. de igne, Exp. IV. Coroll. 3.), und die petersburgiſchen Akademiſten bedienten ſich deſſelben zu Hervorbringung der Kaͤlte, bey welcher ſie das Queckſilber zuerſt gefrieren ſahen. Nach den neueſten hieruͤber angeſtellten Verſuchen (An account of experiments made by Mr. John M' Nab at Henley-Houſe, Hudſons - Bay relating to freezing mixtures, by Henry Cavendiſh. London, 1786. 4. ) bewirkt die Vitriolſaͤure die groͤßte Kaͤlte; naͤchſtdem der rauchende Salpetergeiſt, gemeines Kochſalz und Salmiak; der reine Salpeter aber im geringſte Grade. Wird der Schnee der concentrirteſten Salpeterſaͤure ſehr allmaͤhlig beygemiſcht, ſo entſteht anfaͤnglich allemal eine Waͤrme, ehe die Kaͤlte erfolgt. Eine diluirte Salpeterſaͤure aber giebt, auch allmaͤhlig mit dem Schnee verbunden, ſogleich Kaͤlte.

Auch geiſtige Liquoren ſchmelzen Eis und Schnee, wenn ſie darauf gegoſſen werden, und erzeugen dabey eine kuͤnſtliche Kaͤlte. Eben dies thun die fluͤchtig alkaliſchen, z. B.708 der Salmiakgeiſt rc. Die Oele ſchmelzen zwar das Eis; aber da ſie ſich nicht mit dem daraus entſtehenden Waſſer vermiſchen, ſo erzeugen ſie auch dabey keine neue Kaͤlte. Hieruͤber haben ſchon Geoffroy (Mém de l'acad. des Sc. 1727. 1728. ) und Muſſchenbroek (Experimenta varia circa mixturas cum aqua, ſpiritu vini, aqua forti etc. inſtituta, in den Tentam. Acad. del Cimento, Lugd. Bat. 1731. 4. ) viele Verſuche bekannt gemacht. Auch Aufloͤſungen von Laugenſalzen in Saͤuren, z. B. von 2 Theilen Salmiak in 3 Theilen Vitriolſaͤure, geben Kaͤlte. Es brauſet zwar die Miſchung auf, und ſendet warme Daͤmpfe aus, in denen das Thermometer um einige Grade ſteigt. Setzt man aber die Kugel des Thermometers in die brauſende Miſchung ſeibſt, ſo faͤllt es faſt um eben ſo viel Grade tiefer.

Die Grundlage zu allen Verſuchen dieſer Art gab Boyle's vortrefliche Schrift uͤber die Kaͤlte (Hiſt. experimentalis de Frigore. Lond. 1665. 4. ), worinn er ſchon die Wirkungen der Salze und ſauren Geiſter beym Schmelzen des Eiſes und Schnees bekannt machte. Bald darauf zeigte er in einer andern Schrift (A new frigorific experiment etc. in Philoſ. Trans. no. 15), daß ſich auch durch bloße Aufloͤſung des Salmiaks im Waſſer eine ſehr betraͤchtliche Kaͤlte hervorbringen laſſe. Fahrenheit erfand 1729 die Methode, nach einer ſchon vorhergegangenen Erkaͤltung des geſtoßenen Eiſes durch neuen hinzugegoßnen Salpetergeiſt die Kaͤlte noch mehr zu verſtaͤrken; Reaumuͤer beſtimmmte endlich die hervorgebrachten Grade der Kaͤlte ſelbſt, wozu es Boyle'n nur an einer beſtimmten Eintheilung des Thermometers gefehlt hatte.

Man hat zu Erklaͤrung dieſer Phaͤnomene nicht noͤthig, mit Ramazzini, Muſſchenbroek, Richmann u. a. eine kaltmachende Materie in den Salzen anzunehmen, da ſich alles aus mehreren andern Vorſtellungsarten herleiten laͤßt. Die Entſtehung der Kaͤlte ruͤhrt offenbar von der Aufloͤſung her. Iſt das Eis und Salz ſo trocken, daß bey der Miſchung nicht Feuchtigkeit genung vorhanden iſt, um das Salz aufzuloͤſen, ſo entſteht auch keine groͤßere709 Kaͤlte; nimmt man aber ſtatt des trocknen Salzes Salzgeiſt, ſo erhaͤlt man die Kaͤlte augenblicklich. Auch dauert dieſelbe nur ſo lang, als Aufloͤſung vorgeht; iſt dieſe voruͤber, ſo nimmt das Gemiſch allmaͤhlig die Temperatur der Luft wieder an. Aus dieſem Grunde ſagen diejenigen, welche die Waͤrme blos fuͤr eine ſchwingende Bewegung halten, es werde dieſe Bewegung durch die Aufloͤſungen der Salze geſchwaͤcht; andere erklaͤren die Sache ſo, daß die Aufloͤſung, bey welcher ſich die vermiſchten Materien aufs innigſte durchdringen, einen Theil des Elementarfeuers aus dem Waſſer treibe, daher auch die Luft um eine ſolche Aufloͤſung waͤrmer, als vorher, werde. Da aber bey weitem nicht alle Aufloͤſungen Kaͤlte erregen, ſo iſt wohl folgende Erklaͤrung die natuͤrlichſte und wahrſcheinlichſte.

Bey gewiſſen Aufloͤſungen, beſonders ſolchen, welche mit einer Schmelzung des Eiſes oder Schnees begleitet ſind, wird zu Bewirkung der Aufloͤſung und zum Fluͤßigwerden der vorher feſten Koͤrper, ein Theil Feuermaterie oder Waͤrme erfordert. Dieſer kan, ſo lang er hierauf verwendet wird, natuͤrlich nichts weiter bewirken; folglich wird mehr Waͤrme gebunden, oder es entſteht ein groͤßerer Mangel an wirkſamem Feuer, an fteyer Waͤrme, welcher Mangel nichts anders, als Kaͤlte ſelbſt, iſt. Es entſteht dadurch gleichſam ein feuerleerer Raum, der ſich mit dem Feuer des Gefaͤßes und der benachbarten Koͤrper anfuͤllet, und dadurch das Fallen des Thermometers und die Empfindung der Kaͤlte in der Hand bewirkt. Geſchieht dieſer Uebergang ploͤtzlich, ſo kan dadurch ſelbſt dem Queckſilber mehr Feuer entzogen werden, als es noͤthig hat, um im fluͤßigen Zuſtande zu bleiben, zumal, wenn es ſchon vorher, wie bey kalter Witterung, einen großen Theil ſeines Feuerweſens verloren hatte. Dagegen giebt es andere Aufloͤſungen, bey welchen Hitze entſteht, wenn naͤmlich das Gemiſch nicht mehr ſo viel Feuer binden kan, als die vermiſchten Materien enthalten. Alles dieſes beruht auf der verſchiedenen Verwandſchaft der Koͤrper mit dem Feuer; daher es auch nicht befremden kan, daß z. B. Salpetergeiſt mit Waſſer vermiſcht, eine Waͤrme, hingegen, mit Schnee710 vermiſcht, Kaͤlte hervorbringt.

Ein anderes Mittel, kuͤnſtliche Kaͤlte zu erzeugen, iſt die Ausduͤnſtung, zu deren Bewirkung ebenfalls Waͤrme, die vorher frey war, verwendet wird, ſ. Ausduͤnſtung (dieſes Woͤrterb. Th. I. S. 212.), Erkalten. Ein Thermometer, in Waſſer eingetaucht und dann der freyen Luft ausgeſetzt, faͤllt ſo lange, bis das Waſſer ganz abgedunſtet iſt. Richmann (Tentamen explicandi phaenomenon paradoxum, ſcilicet thermometro mercuriali ex aqua extracto mercurium in aëre aqua calidiori deſcendere et oſtendere temperiem minus calidam, ac aëris ambientis eſt, in Nov. Comm. Petrop. To. I. p. 290.) ſchreibt das erwaͤhnte Phaͤnomen den in der Luft ſchwebenden kaltmachenden Theilen zu, welche von dem an der Kugel des Thermometers haͤngenden Waſſerhaͤutchen angezogen wuͤrden, und von Mairan (Diſſ. ſur la glace, P. II. Sect. 2. cap. 8. 9. ) ſucht es von der Bewegung dieſes Waſſerhaͤutchens durch die Luft herzuleiten. Cullen (Von der Kaͤlte, die durchs Ausduͤnſten fluͤßiger Sachen verurſacht worden, in den neuen Edinburgiſchen Verſ. Th. II. 1755.) iſt der erſte, der hiebey die Ausduͤnſtung geſehen hat; Baume (Sur le refroidiſſement que les liqueurs produiſent en l'evaporant in Mém. preſentés, To. V. p. 405 et 425.) und Cavallo (Experiments relating to the cold produced by evaporation of various fluids in Phil. Trans. Vol. LXXI. P. II. ) haben hieruͤber die beſten Verſuche angeſtellt. Das Eintauchen in Vitriolaether, welcher an der Luft ſehr ſchnell verduͤnſtet, thut hiebey die ſchnellſte und ſtaͤrkſte Wirkung. Cavallo brachte durch dieſes Mittel, mitten im Sommer, da das fahrenheitiſche Thermometer auf 64 Grad ſtand, daſſelbe in 2 Minuten bis auf 3 Grad, d. i. 29 Grad unter den Eispunkt herab. Bey dieſen Verſuchen war es ein hoͤchſt merkwuͤrdiger Umſtand, daß das Waſſer in einem auf dieſe Art behandelten Gefaͤß im Sommer oft erſt fror, wenn das in ſelbigem ſtehende Thermometer ſchon 15 Grad unter dem Eispunkte ſtand, im Winter hingegen ſchon bey 2 Graden darunter. Vielleicht kan bey einer ſo ploͤtzlichen Erkaͤltung derjenige| Theil711 der Waͤrme, der die Fluͤßigkeit bewirkt, nicht ſo ſchnell von dem Koͤrper losgemacht werden, daher die zu Bewirkung der Ausduͤnſtung noͤthige Waͤrme dem Queckſilber des Thermometers in ſtaͤrkerm Maaße, als dem Waſſer, worinn jenes ſtehet, entjogen wird.

Nach Braun (Nov. Comm. Petrop. To. X. uͤberſ. im neuen Hamburgiſchen Magazin, B. IV. S. 369. u. f.) und Achard (Beſchaͤftigungen der Berliner naturforſch. Geſellſchaft. B. 1. S. 112. u f.) iſt die Erkaͤltung des Thermometers deſto groͤßer, je geſchwinder die Verduͤnſtung iſt; in Oele und ſaure Spiritus getaucht, zeigt das Thermometer gar keine Erkaͤltung, und in die letztern, wenn ſie ſtark ſind, vorzuͤglich in Vitrioloel, getaucht, faͤngt es in der Luft ſogar an zu ſteigen, weil dieſe Spiritus die Feuchtigkeit aus der Luft an ſich ziehen, und ſich damit erhitzen.

Unter der Glocke der Luftpumpe faͤllt das Thermometer, wenn man die Luft auszieht, um 2-3 Grad, koͤmmt aber bald wieder auf die Temperatur der Atmoſphaͤre zuruͤck, und ſteigt, wenn man die aͤußere Luft wieder hinzulaͤßt, noch um 2-3 Grade hoͤher. Setzt man unter die Glocke ein Gefaͤß mit Weingeiſt, und ſenkt die Kugel des Thermometers in denſelben ein, ſo faͤllt das Queckſilber beym Ausziehen der Luft um einige Grade, vorzuͤglich, wenn viel Luft aus dem Weingeiſte geht; wenn man alsdann das Thermometer heraus und in den obern Theil der Glocke aufzieht, ſo faͤllt es ſehr ſchnell um 8-9 Grade, offenbar darum, weil in der aͤußerſt verduͤnnten Luft die Ausduͤnſtung ſehr ſchnell und ſtark von ſtatten geht. Hieher gehoͤrt auch der im erſten Theile dieſes Woͤrterbuchs (S. 213.) erwaͤhnte Verſuch des D. Franklin.

Das Anblaſen friſcher Luft befoͤrdert die Ausduͤnſtung, und vermehrt die dadurch erzeugte Kaͤlte; daher ſich Herr Achard bey ſeinen neuſten Verſuchen uͤber das Gefrieren des Queckſilbers nicht blos einer Kaͤlte erregenden Miſchung bedient, ſondern auch die Wirkung derſelben durch die Ausduͤnſtung des Vitriolaethers verſtaͤrkt, und durch beſtaͤndiges Blaſen mit einem Blaſebalge befoͤrdert hat. 712

Erxleben Anfangsgr. der Raturl. durch Lichtenberg. Vierte Aufl. § 493, 494 a.

Briſſon Dict. raiſonné de Phyſique, Art. Refroidiſſement.

Kalender, Calendarium, Calendrier.

Eine durch die geſetzgebende Gewalt eingefuͤhrte Abtheilung der Zeit in Jahre, Monate und Tage, zum Gebrauch des buͤrgerlichen Lebens. Auch bedeutet das Wort Kalender ein Verzeichniß der Tage nach dieſer Abtheilung (Hemerologium, Rationarium dierum), fuͤr ein gewiſſes Jahr, oder fuͤr mehrere Jahre, und hat ſeinen Urſprung von dem Namen Kalendae, welchen die Roͤmer dem erſten Tage jedes Monats, wegen der an ſelbigem uͤblichen Ausrufung der Monatstage, beylegten.

Das natuͤrlichſte und erſte Maaß der Zeit waren die Tage. Man mußte aber bald das Beduͤrfniß fuͤhlen, zu Vermeidung großer Zahlen und damit verbundner Irrungen, groͤßere und aus mehrern Tagen beſtehende Zeitmaaße zu gebrauchen. Ein ſolches gab zuerſt der Wechſel des Monds, deſſen Erſcheinungen in 29 bis 30 Tagen wiederkehren. Man fieng alſo an, die Zeit nach Monden zu zaͤhlen (wie dies einige amerikaniſche Voͤlker noch jetzt thun), bis man an dem Wechſel der Jahrszeiten und der Witterung, ein Zeitmaaß entdeckte, das fuͤr die Beduͤrfniſſe des Feldbaus und der Viehzucht noch wichtiger war, und ſich auf den in 360 und etlichen Tagen vollendeten Umlauf der Sonne gruͤndete. Dieſes iſt bey den meiſten bekannten Voͤlkern unter dem Namen des Jahres eingefuͤhrt worden, ſ. die Artikel: Tag, Monat, Jahr.

Die Verbindung dieſer Zeitmaaße mit einander macht den Kalender aus, welcher ſeine gegenwaͤrtige Vollkommenheit und Uebereinſtimmung mit dem Himmelslaufe erſt ſpaͤt, und nach mancherley Abwechſelungen, erhalten hat. Ich werde in dieſem Artikel bloß die Geſchichte des griechiſchen, julianiſchen, gregorianiſchen und verbeſſerten Kalenders vortragen, und dann eine kurze Erklaͤrung der dazu gehoͤrigen Rechnung beyfuͤgen.

Indeß die Egyptier ihren Kalender blos nach der Sonne,713 die Araber hingegen nach dem Monde einrichteten, ſuchten die Griechen zufolge eines Orakelſoruchs (ſ. Gemini Iſagoge Aſtron. c. 6.) die Bewegungen beyder Himmelskoͤrper zu vereinigen, eine Abſicht, mit der ſich ihre Aſtronomen viele Jahrhunderte beſchaͤftiget haben. Sie ſetzten anfaͤnglich das Jahr 12 1 / 2 Monaten gleich, und ließen dem zufolge Jahre von 12 und von 13 Monaten abwechſeln. Solon, der den großen Fehler dieſer Zeitrechnung bemerkte, nahm den Monat zu 29 1 / 2 Tagen an, und wechſelte durchgaͤngig mit Monaten von 29 und von 30 Tagen. So war das Jahr ziemlich uͤbereinſtimmend mit dem Mondlaufe. Um es nun auch mit der Sonne zu vereinigen, erfand Cleoſtrates von Tenedos (ſ. Cenſorinus de die natali, c. 18.) nicht lange nach den Zeiten des Thales die Octaeteride oder Periode von acht Jahren. Dieſe beſtand darinn, daß man unter jeden 8 auf einander folgenden Jahten, dem 3ten, 5ten und 8ten einen Monat von 30 Tagen mehr, und alſo 13 Monate gab. Hierdurch erhielt dieſe Periode 2922 Tage und 99 Monate, welcher Zeitraum 8 Sonnenjahren (zu 365 1 / 4 Tag) genau gleich iſt, von 99 Mondwechſeln aber, (welche 2923 1 / 2 Tag ausmachen) um 1 1 / 2 Tage abweicht. Man machte, um dieſem Fehler abzuhelfen, einige nicht ganz gluͤckliche Aenderungen, welche ſo viel Verwirrung in den Kalender brachten, daß Ariſtophanes an einigen Stellen ſeiner Wolken ſehr bitter daruͤber ſpottet. Diana, die Goͤttin des Monds, beklagt ſich, daß man nicht mehr auf ihren Lauf achte, und daß die Goͤtter an einem beſtimmten Tage, anſtatt ein herrliches Opferfeſt in Athen zu genießen, mit leerem Munde nach dem Olymp haͤtten zuruͤckgehen muͤſſen. Cenſorin erzaͤhlt eine große Menge von Vorſchlaͤgen, durch welche Harpalus, Nauteles, Mneſiſtratus, Philolaus, Oenopides u. a. dieſer Unordnung vergebens abzuhelfen ſuchten. Die meiſten dieſer Vorſchlaͤge ſehen ſo fehlerhaft aus, daß Scaliger (De emendatione temporum. Pariſ. 1602. fol.) ihre Urheber der groͤbſten Unwiſſenheit beſchuldiget: der P. Petau aber (Doctrina temporum. Pariſ. 1627. fol.) bemerkt deſto beſcheidner, daß wir zu wenig von der Beſchaffenheit dieſer714 Vorſchlaͤge wiſſen, um gruͤndlich daruͤber urtheilen zu koͤnnen.

Endlich ſchlugen Meton und Euctemon die ſo beruͤhmt gewordene Enneadekaeteride oder Periode von 19 Jahren vor, unter welchen 12 von 12, und 7 von 13 Monaten waren, ſo daß dieſer ganze Zeitraum aus 235 Monaten beſtand. Die Zahl der Tage aͤnderte Meton ſo ab, daß unter dieſen 235 Monaten 125 aus 30,110 aus 29 Tagen beſtanden, und die ganze Periode 6940 Tage enthielt, ſ. Jahr. Durch dieſes Mittel ward der Lauf der Sonne und des Mondes ſehr gluͤcklich vereiniget, indem 19 Sonnenjahre 6939 Tage 18 St., und 235 Mondwechſel 6939 T. 16 St. 20 Min. ausmachen. Dieſe Periode ward von den Griechen im 433ſten Jahre vor C. G. am 16ten Jul., 19 Tage nach dem Sommerſolſtitium angenommen. Sie fieng mit dem Neumonde an, der dieſen|Tag um 7 Uhr 43 Min. Abends einfiel, und ihr erſter Tag ward vom Untergange der Sonne an dieſem Tage gerechnet. Dieſen Anfang waͤhlte Meton wegen der olympiſchen Spiele, welche im erſten Monate nach dem Sommerſolſtitium gehalten werden mußten. Er ſtellte zu Athen eine Tafel auf, welche die Ordnung und Gruͤnde ſeiner Zeitrechnung erklaͤrte, und der allgemeine Beyfall, den dieſe|Erfindung in ganz Griechenland erhielt, veranlaſſete, daß man der Zahl, welche jedes Jahr in der Reihe der 19 einnahm, die Benennung der guͤldenen Zahl beylegte. Dieſer metonianiſche Mondcykel iſt ſelbſt noch in unſerm Kalender bey der cykliſchen Berechnung der Neumonde brauchbar. ſ. Epakten.

Dennoch iſt derſelbe gegen 19 Jahre um 6 Stunden und gegen 235 Mondwechſel um 7 2 / 3 Stunden zu lang, daher ihn Kallippus ſchon 102 Jahre darauf verbeſſerte. Dieſer Aſtronom nahm vier Mondcykel oder 76 Jahre zuſammen, und ließ von einem derſelben einen Tag hinweg. So traf dieſe neue Periode von 27759 Tagen mit 76 Sonnenjahren von 365 1 / 4 Tagen genau uͤberein, und war gegen 940 Mondwechſel nur noch um 6 2 / 3 Stunden (genauer nur 5 St. 53 Min.) zu lang. Dieſe kallippiſche Periode ward im 331ſten Jahre vor C. G. im ſiebenten Jahre der ſechſten metonianiſchen Periode eingefuͤhrt. Die griechiſchen Aſtronomen715 haben ihre Beobachtungen nach dieſer Zeitrechnung angegeben, und ſie ſtimmt mit dem bey uns angenommenen Mondcykel voͤllig uͤberein. Dennoch iſt die Abweichung vom Sonnenlaufe, ob ſie ſich gleich in der ganzen Periode aufhebt, in einzelnen Jahren derſelben ſehr betraͤchtlich. Das erſte Jahr z. B. hat nur 354 Tage, und iſt gegen den Sonnenlauf um 11 Tage zu kurz. Mithin faͤngt das zweyte Jahr 11 Tage zu fruͤh an, und wird die Nachtgleiche erſt den 31ſten Maͤrz haben, wenn dieſelbe im erſten Jahre auf den 20ſten Maͤrz fiel. Das dritte Jahr hat ſie noch 11 Tage ſpaͤter; durch den am Ende deſſelben eingeſchalteten Monat aber wird ſie wieder um 19 Tage vorwaͤrts auf den 23ſten Maͤrz gebracht u. ſ. w., daß alſo der Anfang der Jahrszeiten nie einen feſten Standpunkt hat, und erſt nach 76 Jahren genau wieder auf den vorigen Tag zuruͤck koͤmmt.

Bey den Roͤmern hatte Romulus anfaͤnglich ein Jahr von 304 Tagen eingefuͤhrt, und in 10 Monate abgetheilt, deren vier aus 31, ſechs aus 30 Tagen beſtanden (Macrob. Saturn. L. I. cap. 14.). Da aber dies weder mit der Sonne, noch mit dem Monde uͤbereinſtimmt, ſo ſetzte Numa noch 50 Tage hinzu, nahm auch, der ungeraden Zahl halber, der man eine gute Vorbedeutung beylegte, jedem der ſechs Monate von 30 Tagen, einen Tag ab, und vertheilte dieſe 56 Tage zu gleichen Theilen unter zween neue Monate von 28 Tagen, welche die Namen Januar und Februar erhielten. Endlich ſetzte er, ebenfalls der ungeraden Zahl halber, dem Jahre ſelbſt noch einen Tag zu, der dem Januar beygelegt wurde, ſo daß der einzige den Gottheiten der Unterwelt (Diis inferis) heilige Februar eine gerade Anzahl von Tagen, nemlich 28 behielt. Dieſes Jahr von 355 Tagen enthielt nun etwas uͤber 12 Mondwechſel, und ſollte durch Einſchaltungen mit dem Sonnenlaufe uͤbereinſtimmend gemacht werden. Man waͤhlte dazu die Methode der Griechen, in 8 Jahren 90 Tage einzuſchalten, wobey man Schaltjahre und gemeine Jahre, und Einſchaltungen von 22 und 23 Tagen abwechſeln ließ. Dieſe Octaeteride der Griechen aber ſetzt ein Jahr von 354 Tagen voraus,716 daher der roͤmiſche Kalender in jeder Periode 8 Tage zu viel hatte, mithin allezeit in der dritten Periode ſtatt 90 nur 66 Tage oder dreymal 22 Tage einſchaltete. Dieſe Einſchaltung geſchahe im Februar, als im letzten Monate des damaligen Jahres, und zwar nach dem 23ſten Tage deſſelben, wenn das Feſt der Terminalien voruͤber war. Weil man es aber fuͤr eine uͤble Vorbedeutung hielt, wenn die Nundinae auf den erſten Tag im Jahre oder auf die Nonen fielen, ſo ward es den Prieſtern uͤberlaſſen, zu Vermeidung dieſes Umſtands die Einſchaltungen nach Gefallen abzuaͤndern. Dieſe hoͤchſt unvollkommne Einrichtung brachte mit der Zeit den Kalender in gaͤnzliche Unordnung. Aus Aberglauben unterließ man bisweilen das Einſchalten gaͤnzlich, und in den letztern Zeiten der Republik mißbrauchten die Prieſter ihre Freyheit (intercalandi licentiam, Macrob. ), um Zahltage, Gerichtstermine und Antrittszeiten der Aemter nach Beduͤrfniß und Staatsabſichten zu beſchleunigen oder hinauszuſchieben. Daher erwaͤhnt Cicero (Epiſt. ad Atticum X, 17.) der Nachtgleiche in einem Briefe, welcher mitten im May (des Jahres 704 nach Erbauung Roms) geſchrieben iſt.

Als Iulius Caͤſar die Dictatur und das Pontificat uͤberkommen hatte, berief er, um dieſen Unordnungen abzuhelfen, den griechiſchen Aſtronomen Soſigenes nach Rom, und fuͤhrte mit deſſen und des M. Fabius Beyhuͤlfe im Jahre 707 nach Erbauung Roms die Zeitrechnung ein, welche von ihm den Namen des julianiſchen Kalenders erhalten hat. Um die Nachtgleiche wieder in den Maͤrz zu bringen, wurden zwiſchen dem November und December des gedachten Jahres noch zween Monate eingeſchaltet, ſo daß dieſes Jahr (annus confuſionis), welches der Ordnung nach ein Schaltjahr von 378 Tagen haͤtte ſeyn ſollen, dadurch 452 Tage erhielt. Fuͤr die Zukunft ward das bey der kallippiſchen Periode zum Grunde liegende Sonnenjahr von 365 1 / 4 Tagen, oder das julianiſche Jahr, eingefuͤhrt, den Monaten die noch jetzt uͤbliche Anzahl von Tagen gegeben, die Einſchaltung ganzer Monate gaͤnzlich aufgehoben, und wegen des uͤber 365 volle717 Tage noch uͤberſchießenden 1 / 4 Tages injedem vierten Jahre nach dem 23ſten Februar einen Schalttag einzuſchieben, verordnet. Dieſer bloß auf den Sonnenlauf gegruͤndeten Zeitrechnung, welche h. z. T. unter dem Namen des alten Kalenders oder alten Styls bekannt iſt, hat ſich das roͤmiſche Reich bis zu ſeinem Untergange, und die chriſtliche Kirche im Occident bis zum Jahre 1582 n. C. G. unveraͤndert bedienet; die orientaliſche Kirche behaͤlt dieſelbe noch bis jetzt bey.

Im chriſtlichen Kalender aber mußte wegen des Oſterfeſts, nach welchem ſich die uͤbrigen beweglichen Feſte richten, auch einige Ruͤckſicht auf den Mondlauf genommen werden. Die Iuden feyerten das Paſcha am 14ten Tage des Monats Niſan, deſſen Vollmond auf den Tag der Nachtgleiche oder zunaͤchſt darnach fiel. Die Kirche behielt dieſe Beſtimmung des Monats bey, ſetzte aber den Tag auf einen Sonntag; und da einige Kirchen in den erſten Jahrhunderten n. C. G. das Oſterfeſt, wenn der Vollmond auf einen Sonntag fiel, am Vollmondstage ſelbſt, alſo zugleich mit den Iuden, feyerten, ſo verbot dies das Concilium zu Nicaͤa unter der Regierung Conſtantins des Großen, im I. 325 n. C. G. Der Tradition nach befahl es zugleich, den folgenden Sonntag fuͤr Oſtern zu rechnen, und ſetzte alſo den Oſtertag auf den naͤchſten Sonntag nach demjenigen Vollmonde, welcher zunaͤchſt auf den 21. Maͤrz (als den damaligen Tag der Nachtgleiche) folgen wuͤrde. Dadurch ward es nothwendig, die Vollmonde voraus zu berechnen, und leichte Methoden dazu zum Gebrauch der Geiſtlichen anzugeben.

Hiezu hatten ſchon vor der Kirchenverſammlung zu Nicaͤa einige Biſchoͤfe Vorſchlaͤge gethan; vorzuͤglich war durch Euſebius von Caͤſarea der metonianiſche Cykel oder Mondscirkel von 19 Jahren empfohlen worden, welchen auch, wie man durchgaͤngig angenommen hat, das Concilium beſtaͤtigt, und ſeinen Gebrauch zur Berechnung des Oſterfeſtes vorgeſchrieben haben ſoll, ſ. Cykel, Epakten. Man ſetzte nemlich voraus, daß nach 19 julianiſchen Jahren die Neumonde genau wieder auf dieſelben Monatstage718 fielen, und daß man daher durch Beſchreibung der guͤldenen Zahl zu den Tagen des Kalenders, auf welche die Neumonde in den erſten 19 Jahren gefallen waren, dieſe Neumonde fuͤr alle folgende Jahre richtig wiederfinden und das Oſterfeſt dadurch leicht beſtimmen koͤnne. Eigentlich aber trug das Concilium dem Patriarchen von Alexandrien, deſſen Dioͤces wegen des alexandriniſchen Muſeums die gelehrteſten Aſtronomen haben ſollte, auf, die Oſtervollmonde zu pruͤfen, und den richtigen Tag derſelben dem roͤmiſchen Biſchofe anzuzeigen. Allein es ſind dieſe Anzeigen voͤllig vernachlaͤßiget, alle Oſterfeſte nach der unvollkommnen cykliſchen Rechnung beſtimmt, und daher ſehr viele wider die vermeynte Dispoſition des Conciliums theils zu fruͤh, theils zu ſpaͤt, gefeyert worden.

Mit der Zeit wurden die Fehler dieſes mit dem julianiſchen Jahre combinirten Mondcykels merklicher. Da das angenommene Jahr ſelbſt um 11 Min. zu lang iſt, ſo muſte die Zeit der Nachtgleiche jaͤhrlich um 11 Min. gegen den Anfang des Jahres zuruͤckruͤcken, welches in 400 Jahren 3 Tage betraͤgt. Daher war ſie im ſechszehnten Jahrhunderte, ſeit dem I. 325, vom 21. Maͤrz bis zum 10ten fortgeruͤckt. Da ferner 19 julianiſche Jahre um 1 St. 32 Min. laͤnger ſind, als 235 Mondwechſel, welches in 312 1 / 2 Jahren einen Tag, und in 1250 Jahren vier Tage betraͤgt, ſo mußten die Neumonde im ſechszehnten Jahrhunderte vier Tage fruͤher, als zur Zeit des Conciliums, fallen. So wuͤrde nach und nach der Winter in den September, und der Vollmond auf die Tage geruͤckt ſeyn, fuͤr welche die beygeſchriebne guͤldne Zahl Neumond anzeigte.

Schon Beda hatte um das Jahr 700 das Fortruͤcken der Nachtgleiche bemerkt, welches damals ſchon drey Tage betrug. Im dreyzehnten Jahrhunderte ſchrieb Johann von Sacroboſco ſein Buch: De anni ratione, und Roger Bacon rieth, das Jahr ſo zu aͤndern, daß die Nachtgleichen, wie im Anfange der chriſtlichen Zeitrechnung, auf den 25. Maͤrz und September fielen. Im funfzehnten Jahrhunderte gaben Peter d'Ailly (de Alliaco) auf dem coſtnitzer und der Cardinal von Cuſa auf dem lateranenſiſchen719 Concilium Verbeſſerungsvorſchlaͤge ein. Sirtus IV. trug im Jahre 1474 die Sache dem Regiomontan auf, den er in dieſer Abſicht zum Biſchof von Regenſpurg ernannte, deſſen fruͤhzeitiger Tod aber alles unterbrach. Der beſſere Fortgang der Aſtronomie im ſechszehnten Jahrhunderte veranlaſſete eine große Anzahl Schriften hieruͤber von Angelus, Stoͤfler, Pighi, Schoner, Gauricus u. a. Paul von Middelburgh, Biſchof von Foſſembruͤn, berechnete die Neumonde fuͤr die 3000 erſten Jahre der chriſtlichen Zeitrechnung aſtronomiſch, und Egnaz Dante errichtete den beruͤhmten Gnomon in der Petroniuskirche zu Bologna blos in der Abſicht, um das Vorruͤcken des Tages der Nachtgleiche Jedermann ſinnlich zu machen.

Endlich fuͤhrte Gregor XIII. der ſeinen Pontificat durch etwas Hervorſtechendes auszeichnen wollte, dieſen laͤngſt gewuͤnſchten Vorſchlag wirklich aus. Der Plan hiezu war von Aloys Lili, einem Arzte aus Verona, entworſen, und ward nach dem ploͤtzlichen Tode ſeines Urhebers dem Pabſte von deſſen Bruder Anton Lilli uͤberreicht. Es ward zu dieſem Geſchaͤfte eine eigne Congregation von Praͤlaten und Gelehrten niedergeſetzt, wovon der Cardinal Sirleti, der Patriarch von Antiochien, Chriſtoph Clavius, Anton Lili, Egnaz Dante u. a. Mitglieder waren. Im Jahre 1577 ſandte man Abgeordnete an alle katholiſche Regenten, die den Plan mit Lob und Beyfall aufnahmen, ſo daß ſich der Papſt im Stande ſahe, im Maͤrz 1582 durch ein Breve den alten Kalender abzuſchaffen, und den ſogenannten neuen Styl oder gregotianiſchen Kalender einzufuͤhren, deſſen Beſchaffenheit nunmehr zu erklaͤren iſt.

Zufoͤrderſt wurden aus dem Octob. des 1582ſten Jahres 10 Tage hinweggelaſſen; indem man nach dem 4ten ſogleich den 15ten zaͤhlte, damit die Nachtgleiche des folgenden Jahres wieder den 21. Maͤrz fallen moͤchte. Zugleich ward die Dauer des Sonnenjahres 365 T. 5 St. 49 Min. 12 Sec. angenommen, und (weil dies vom julianiſchen Jahre um 10 4 / 5 Min., oder in 400 Jahren um 3 Tage abweicht) feſtgeſetzt, in Zukunft unter vier auf einander folgenden720 Secularjahren, welche nach dem julianiſchen Kalender allezeit Schaltjahre ſeyn ſollten, nur ein einziges ein Schaltjahr ſeyn zu laſſen. So iſt unter den vier Jahren 1600, 1700, 1800, 1900 nur das erſte ein Schaltjahr geweſen; die uͤbrigen drey werden gemeine Jahre u. ſ. f. Durch dieſes Mittel werden aus dem julianiſchen Kalender aller 400 Jahre drey Schalttage hinweggelaſſen, welches das Fortruͤcken des Tags der Nachtgleichen verhindert. Iſt gleich nach den neuſten Beſtimmungen das Sonnenjahr noch 27 Sec. kuͤrzer, als man es hiebey angenommen hat, ſo ruͤckt doch dieſes Fehlers wegen die Nachtgleiche erſt nach 3200 Jahren um einen Tag, und man wird alsdann einmal vier Secularjahre nach einander ſaͤmmtlich zu gemeinen Jahren machen muͤſſen.

Um nun dieſe Jahresrechnung mit dem Mondlaufe zu verbinden, verwarf Lili das Beyſchreiben der guͤldnen Zahlen zu den Tagen des Kalenders gaͤnzlich, und fuͤhrte dagegen den Gebrauch der Epakten ein, ſo wie derſelbe bey dem Worte: Epakten (Th. I. S. 850 u. f.) beſchrieben worden iſt. Das Jahr 1787 z. B. hat die guͤldne Zahl II, und die Epakte XI. Die kirchlichen Neumonde deſſelben fallen daher auf diejenigen Tage, welche im julianiſchen Kalender mit II, im gregorianiſchen aber mit XI bezeichnet ſind, d. i. auf d. 20 Jan., 18 Febr., 20 Maͤrz u. ſ. w. Beydes thut nun zwar gleiche Dienſte, ſo lange der Cykel uͤberhaupt zutrift; aber die noͤthigen Veraͤnderungen laſſen ſich bey den Epakten leichter und ordentlicher, als bey den guͤldnen Zahlen, anbringen.

Der metonianiſche Mondcykel nemlich iſt in 312 1 / 2 Jahren um einen Tag zu lang; es faͤllt alſo der Neumond nach dieſer Zeit um einen Tag fruͤher, und das Alter des Monds am erſten Iaͤnner, d. i. die Epakte, vergroͤßert ſich um 1. Nimmt man hiebey die regulaͤre julianiſche Einſchaltung an, ſo dienen die Epakten*, XI, XXII, III, XIV rc. 300 Jahre lang fuͤr die Jahre, welche I, II, III, IV, V rc. zur guͤldnen Zahl haben; hernach muß man fuͤr eben dieſe Jahre I, XII, XXIII, IV, XV rc., und wieder nach 300 Jahren II, XIII, XXIV, V, XVI rc. brauchen. Da721 aber der gregorianiſche Kalender in 400 Jahren drey Tage hinweglaͤßt, ſo wird dieſe Verſchiebung der Epakten dadurch folgendergeſtalt veraͤndert. Der im Jahre 1582 zum Grunde gelegte Cykel war I, XII, XXIII, IV, XV rc. Er wuͤrde 300 Jahre dauern, wenn alle Secularjahre Schaltjahreblieben; da nun 1600 ein Schaltjahr blieb, ſo galt er durch das ganze vorige Jahrhundert. Im Jahre 1700 blieb ein Tag hinweg, dadurch ruͤckten die Neumonde einen Tag weiter, und die Epakte mußte um 1 vermindert werden. Daher iſt der Cykel fuͤr das gegenwaͤrtige Jahrhundert *, XI, XXII, III, XIV rc. Am Ende dieſes Jahrhunderts ſollte er um 1 zunehmen, weil ſeit 1500, 300 Jahre verfloſſen ſind; da aber in dieſem Jahre der Schalttag wiederum wegfaͤllt, ſo tritt der Cykel dadurch wieder in ſeine vorige Stelle und gilt ungeaͤndert bis 1900. Alsdann faͤllt der Schalttag wieder hinweg, und der Epaktencykel wird XXIX, X, XXI, II rc. ; das Jahr 2000 bleibt ein Schaltjahr und aͤndert nichts; 2100 ſollte der Cykel wegen der wieder abgelaufenen 300 Jahre um 1 ſteigen, wegen des weggelaſſenen Schalttags aber faͤllt er auch um 1, und bleibt wieder ungeaͤndert, bis er ſich endlich 2200 in XXVIII, IX, XX, I rc. verwandelt. Um dies nicht fuͤr alle Jahrhunderte wiederholen zu duͤrfen, gab Lili zwo Tabellen an, in welchen man den Cykel fuͤr jedes Jahrhundert durch bloſes Auſſchlagen findet, und die in den meiſten chronologiſchen Handbuͤchern unter den Namen der Epaktentafel und Epaktengleichung vorkommen. So iſt zwar das Jahr nicht ſelbſt nach dem Mondlaufe geordnet; es iſt aber doch ſehr leicht, die Tage der Neumonde, wenigſtens der kirchlichen zu finden, welche inzwiſchen mit den wahren oder aſtronomiſchen nicht richtig uͤbereinſtimmen.

Naͤchſt Lili hatte an dieſen Einrichtungen Clavius den meiſten Antheil. Er mußte die zu Pruͤfung des Plans noͤthigen Rechnungen fuͤhren, das ganze Verbeſſerungsgeſchaͤft der Nachwelt erklaͤren, und die Kritiken der Gegner beantworten, unter welchen ſich Moͤſtlin, Scaliger und Vieta am meiſten auszeichneten. Dies gab die Veranlaſſung zu ſeinem ſchoͤnen chronologiſchen Werke (De calendario722 Gregoriano, Romae, 1603. fol. und in Chph. Clavii Opp. mathemat. Mogunt. 1612. fol. To. V.). Die Hauptfehler, welche man dem gregorianiſchen Kalender mit Grunde vorwarf, ſind 1) daß bey dieſer Einſchaltungsform die Nachtgleiche noch immer vom 21 Maͤrz auf den 20ſten und 19ten uͤbergeht, beſonders in denjenigen Schaltjahren, welche vor dem erſten gemeinen Secularjahre vorhergehen, wie 1696 u. ſ. f. 2) daß man bey der Verbeſſerung des Mondcykels nur drey Tage Vorruͤcken der Neumonde ſeit dem Nicaͤniſchen Concilium angenommen hat, da doch daſſelbe, wie Jedermann eingeſtehen muß, bis auf vier Tage gegangen iſt; daher denn die aſtronomiſchen Neumonde einen ganzen Tag, und oft noch druͤber, vor den kirchlichen vorhergehen. Clavius entſchuldigt zwar den letztern Fehler mit der Abſicht, dadurch zu verhuͤten, daß der 14te Tag des kirchlichen Mondalters nie vor den aſtronomiſchen Vollmond fallen und alſo Oſtern vor dem wahren Vollmonde gefeyert werden moͤchte; allein es bleibt demohngeachtet eine offenbare Abweichung von den Verordnungen, welche die Congregation im Jahre 1580 einhellig feſtſetzte, wie auch Caſſini (Mém. de l'acad. des Sc. 1702.) eingeſteht.

Die proteſtantiſchen Staaten nahmen dieſe von Rom aus veranſtaltete Kalenderverbeſſerung nicht an. Man darf ſie deswegen eben nicht, wie Wolf thut, eines ungegruͤndeten Eifers beſchuldigen. Wenn ſie gleich das Fehlerhafte der alten Einrichtungen eben ſowohl einſahen, ſo konnten ſie doch abgeneigt ſeyn, Verbeſſerungen, die an ſich ſelbſt entbehrlich waren, auf Befehl einer Gewalt, der ſie nicht mehr gehorchten, anzunehmen, zumal da die Verbeſſerung ſelbſt wegen des Gebrauchs der Epakten noch keine aſtronomiſche Richtigkeit gewaͤhrte. Dieſe Verſchiedenheit veranlaßte die Namen des alten und neuen Styls. Endlich bewog die Beſchwerlichkeit des Gebrauchs von zweyerley Kalendern bey Glaubensgenoſſen, die unter einander wohnten und ſtets Geſchaͤfte mit einander hatten, die evangeliſchen Staͤnde des teutſchen Reichs, im Jahre 1700 den verbeſſerten Kalender einzufuͤhren. Man ließ in dieſer723 Abſicht in gedachtem Jahre die zehn letzten Tage des Februars zugleich mit dem in ſelbiges Jahr nach dem alten Styl einfallenden Schalttage hinweg, ſo daß auf den 18ten Febr. ſogleich der erſte Maͤrz folgte, und die Tage nunmehr mit dem neuen Styl uͤbereinſtimmten. Die Einſchaltung ward eben ſo, wie im gregorianiſchen Kalender, eingerichtet; in Abſicht auf den Mondlauf und das Oſterfeſt aber ward die cykliſche Feſtrechnung (computus eccleſiaſlicus) verworfen, und dagegen vorgeſchrieben, den Oſtervollmond nach Keplers rudolphiniſchen Tafeln fuͤr den Mittagskreis von Uranienburg, wo Tycho beobachtet hat, zu berechnen, den Tag, auf welchen dieſer Vollmond faͤllt, von Mitternacht an gerechnet, fuͤr die Oſtergrenze (terminum paſchalem) zu nehmen, und den naͤchſten Sonntag darauf das Oſterfeſt zu feyern.

Dieſe aſtronomiſche Rechnung kan von der cykliſchen um einen Tag abweichen, und wenn der Oſtervollmond innerhalb Sonnabends und Sonntags faͤllt, in Feyrung des Oſterfeſtes eine Woche Unterſchied verurſachen. Ein ſolcher Fall trat ſchon 1724 ein, da der Oſtervollmond nach den rudolphiniſchen Tafeln und fuͤr den Meridian von Uranienburg d. 8 April um 4 Uhr Nachmitt. einfiel. Dieſer Tag war ein Sonnabend, folglich Oſtern der Proteſtanten Sonntags darauf den 9 April. Die cykliſche Rechnung hingegen gab den Oſtervollmond Sonntags den 9 Apr.; mithin die Oſtern der Katholiken erſt den 16 April (Müller, de ratione computandi Paſchatos exemplo anni 1724. illuſtrata. Altorf. 1723. 4.). Eben dies ereignete ſich im Jahre 1744, da Oſtern bey den Proteſtanten auf den 29 Maͤrz, bey den Katholiktn auf den 5 April fiel. Im Jahre 1778 fiel das gregorianiſche Oſterfeſt den 19 April; nach der aſtronomiſchen Rechnung eigentlich auf den 12ten, ward aber, weil es da mit dem Paſcha der Iuden zuſammenkam, durch einen eignen Schluß der evangeliſchen Staͤnde auf den 19ten verlegt. (Borz de die paſchatos anni 1778. Lipſ. 1775. 4. und De Paſchate anni 1778. Iudaico, Lipſ. 1776. 4.). Alle dieſe Weitlaͤuftigkeiten ſind uͤber eine Anordnung entſtanden, die man nicht einmal fuͤr den724 Schluß eines oͤkumeniſchen Conciliums ausgeben kan. Denn in den Acten der Nicaͤniſchen Kirchenverſammlung findet ſich daruͤber nichts, als ein Synodalbrief der verſammleten Geiſtlichen, welcher enthaͤlt, daß das Oſterfeſt nicht mit den Iuden, aber von der ganzen Chriſtenheit an einem Tage gefeyert werden ſoll (Walch Decreti Nicaeni de Paſchate explicatio, in Comm. Nov. Gotting. ann. 1769. 1770.). Daher wuͤnſchte Joh. Bernoulli (Opp. To. IV. n. 188. p. 497.) man moͤchte Oſtern den erſten Sonntag nach der Nachtgleiche, und Erneſti (De feſto paſchatos, Lipſ. 1777. 4. ) man moͤchte es den Sonntag nach dem 25 Maͤrz feyern.

Endlich haben ſich die evangeliſchen Staͤnde nach dem Inhalte eines von Wien den 7 Jun. 1776. datirten kayſerlichen Patents, entſchloſſen, den neuen Styl unter dem Namen eines allgemeinen Reichskalenders voͤllig beyzutreten, und das Feſt der Auferſtehung jederzeit mit den Katholiſchen zugleich zu feyern. England hatte ſchon 1752, und Schweden 1753 den verbeſſerten Kalender angenommen, daß alſo der alte Styl unter den chriſtlichen Voͤlkern in Europa nur noch in Rußland uͤblich iſt.

Ein Beyſpiel der Kalenderberechnung nach dem allgemeinen oder gregorianiſchen Styl zu geben, will ich das Jahr 1788 waͤhlen. Man hat fuͤr daſſelbe vor allen andern den Sonnencirkel und Sonntagsbuchſtaben, dann die guͤldne Zahl, die Epakten und den Oſtervollmond zu ſuchen.

Vom Sonnencykel iſt bereits beym Worte: Cykel geredet worden. Die dort gelehrte Rechnung giebt fuͤr 1788 die Zahl deſſelben 5. Hiemit iſt nun der Sonntagsbuchſtabe ſo verbunden. Man ſchreibt zu allen Tagen des Jahres der Reihe nach die ſieben Buchſtaben A, B, C, D, E, F, G, ſo daß der erſte Iaͤnner A, der zweyte B u. ſ. w. neben ſich hat, und wenn man einmal durch iſt, von neuem mit A angefangen wird. Der Buchſtabe, welcher auf dieſe Art die Sonntage des Jahres trift, heißt der Sonntagsbuchſtabe (littera dominicalis) deſſelben. Der letzte December erhaͤlt dadurch wiederum A. Iſt nun z. B. B der Sonntagsbuchſtabe des Jahres geweſen, hat alſo A bey725 den Sonnabenden geſtanden, ſo iſt der letzte December ebenfalls ein Sonnabend, das folgende Jahr faͤngt mit dem Sonntage an, und da beym erſten Iaͤnner deſſelben widerum A ſtehet, ſo iſt A ſein Sonntagsbuchſtabe. Hieraus wird begreiflich, daß der Sonntagsbuchſtabe von jedem Jahre zum folgenden um eine Stelle, z. B. von B auf A, von A auf G, von G auf F, u. ſ. w. zuruͤcktritt. Im Schaltjahre werden der 23ſte und 24ſte Februar mit einerley Buchſtaben, beyde mit E, beyeichnet. Solchergeſtalt bekoͤmmt der folgende Theil des Jahres einen andern Sonntagsbuchſtaben, als der erſte vor dem 23 Febr. fallende Theil hatte, und es tritt der Sonntagsbuchſtabe im Schaltjahre um zwey Stellen zuruͤck. Folgende Tafel enthaͤlt die Sonntagsbuchſtaben der 28 Jahre des julianiſchen Sonnencykels.

1. G, F,5. B, A,9. D, C,13 F, E17. A, G21. C, B25. E, D|
2. E,6. G10. B14. D18. F22. A26. C
3. D,7. F11. A15. C19. E23. G27. B
4. C,8. E12. G16. B20. D23. F28. A

Das 29 Jahr bekoͤmmt wieder G, F, und faͤngt alſo die Reihe von neuem an. Dieſer Tabelle zufolge ſind die julianiſchen Sonntagsbuchſtaben fuͤr 1788, wo die Zahl im Sonnencirkel 5 iſt, B und A, der erſte fuͤr die Zeit vor dem Schalttage, der letzte fuͤr die nach demſelben.

Durch die gregorianiſche Verbeſſerung aͤnderte ſich dieſe Ordnung. Bey Wegwerfung der zehn Tage aus dem October 1582 giengen 10 Buchſtaben (d. i. eine ganze Reihe von ſieben, und noch drey daruͤber) verlohren, und der Sonntagsbuchſtabe mußte daher um drey Stellen, d. i. von G bis C, weiter ruͤcken. Im Jahre 1700. ruͤckte er durch die Weglaſſung des Schalttags noch um die vierte Stelle, alſo von G bis D fort. Hieraus ergiebt ſich fuͤr den gregorianiſchen Kalender folgende Tafel:

1. D, C5. F, E9. A, G13. C, B17. E, D21. G, F25. B, A
2. B6. D10. F14. A18. C22. E26. G
3. A7. C11. E15. G19. B23. D27. F
4. G8. B12. D16. F20. A24. C28. E.

Dieſe gilt bis 1800, wo durch neue Weglaſſung eines Schalttages die Buchſtaben wieder um eine Stelle weiter ruͤcken, und die Tafel fuͤr kuͤnftiges Jahrhundert mit E, D726 anfaͤngt. Fuͤr 1788, deſſen Zahl 5 iſt, ſind die gregorianiſchen Sonntagsbuchſtaben F, E. Der erſte Sonntag dieſes Jahres ſaͤllt alſo auf den erſten mit F bezeichneten Tag, d. i. auf den 6 Jan.; die folgenden auf den 13, 20, 27 Jan. 3, 10, 17, 24 Febr. Dieſer 24 Febr. iſt zugleich der Schalttag, und bekoͤmmt daher mit dem 23 Febr. einerley Buchſtaben E. Da er aber ein Sonntag iſt, ſo wird E nunmehr Sonntagsbuchſtabe, und bleibt dies bis zum Ende des Jahrs. Nunmehr kan man das ganze Jahr leicht in die gehoͤrigen Monate und Wochen eintheilen.

Wie man die guͤldene Zahl und die Epakte finde, iſt bereits bey den Worten: Cykel und Epakte vorgetragen worden. Fuͤr 1788 iſt die guͤldne Zahl III, und die Epakte XXII. Letzteres heißt: Die Neumonde fallen auf die Tage, welche im gregorianiſchen Kalender mit XXII bezeichnet ſind, d. i. auf den 9 Jan., 7 Febr., 9 Maͤrz, 7 Apr. u. ſ. w. Es ſaͤngt alſo mit dem 9 Maͤrz eine Lunation an, deren 14ter Tag, oder der 22 Maͤrz der erſte Vollmond nach der auf den 21 Maͤrz fallenden Nachtgleiche iſt. Dieſer 22 Maͤrz iſt die Oſtergrenze (terminus paſchalis) des Jahrs. Er fuͤhrt im Kalender den Buchſtaben D bey ſich, und weil der Sonntag in dieſem Theile des Jahres 1788 E hat, ſo iſt er ein Sonnabend; alſo der naͤchſtfolgende Sonntag, oder der 23 Maͤrz der Oſtertag.

Wenn ſo das Oſterfeſt beſtimmt iſt, ordnen ſich die uͤbrigen beweglichen Feſte ſehr leicht nach demſelben. Die neun vorhergehenden Sonntage, ſo wie die acht nachfolgenden, fuͤhren beſondere Namen, die man in jedem Kalender findet: die vier vor dem Weihnachtfeſte oder 25 Dec. vorhergehenden bekommen die Namen des erſten, zweyten rc. Advents: die nach dem Erſcheinungsfeſte werden bis zu Septuageſimaͤ, ſo wie die nach Trinitatis bis zum erſten Advent nach der Ordnung der Zahlen fortgerechnet. Die unbeweglichen Feſte, welche jaͤhrlich auf einerley Monatstage fallen, findet man ebenfalls in jedem Kalender. Außer dem Verzeichniſſe der Tage mit beygeſchriebenen Namen, wird den Kalendern noch eine Anzeige727 der Cykeln, der Epakte und des Sonntagsbuchſtabens, der Orte der Sonne und des Mondes nebſt der Stunde ihres Auf - und Untergangs fuͤr jeden Tag, des Mondwechſels, der Tage der Nachtgleichen und Sonnenwenden, der Sonnen - und Mondfinſterniſſe u. ſ. w. nebſt andern nuͤtzlichen Nachrichten beygefuͤgt. Es war ſonſt gewoͤhnlich, die Kalender mit Anzeigen der Aſpekten, Wetterverkuͤndigungen und mancherley aſtrologiſchem Tand anzufuͤllen. Seit einiger Zeit aber hat man angefangen, ſie vielmehr als Mittel zu Ausbreitung nuͤtzlicher und angenehmer Kenntniſſe zu gebrauchen. In dem Leipziger verbeſſerten Kalender findet man fuͤr einen fehr wohlfeilen Preiß viele brauchbare aſtronomiſche Angaben, und außer der gemeinen auch die julianiſche, roͤmiſche und juͤdiſche Zeitrechnung.

Montucla hiſt. des mathematiques. To. I. P. I. C. 3. §. 13. P. III. C. 4. §. 11.

Kaͤſtner

Anfangsgr. der angew. Mathem., Chronologie an mehreren Stellen.

Kalk, Kalch, Calx, Chaux.

Es giebt in der Natur eine eigne Art von Erden und Steinen, welche faͤhig ſind, ſich durch die Wirkung des Feuers in das, was man lebendigen Kalk nennt, verwandeln zu laſſen. In ihrem natuͤrlichen Zuſtande brauſen dieſe Erden und Steine (die rohe Kalkerde, Kalkſtein, Marmor, Kreide u. ſ. w.) mit den Saͤuren, und es entwickelt ſich aus ihnen eine große Menge fixer Luft oder Luftſaͤure. Sie ſcheinen, den chemiſchen Unterſuchungen nach, aus einer eignen Grunderde, ſ. Kalkerde, mit einer gewiſſen Menge Waſſer und fixer Luft verbunden, zu beſtehen, und heißen roher Kalk.

Wenn man die kalkartigen Erden und Steine bis zum Gluͤhen erhitzt, und 12 15 Stunden lang in dieſem Grade der Hitze erhaͤlt, ſo verwandeln ſie ſich in eine lockere zerreibliche Materie, welche ſich in den Saͤuren ohne Aufbrauſen, aber mit betraͤchtlicher Erhitzung und Aufwallung, aufloͤſet, und einen ſehr ſcharfen brennenden Geſchmack hat. Dieſe Materie heißt gebrannter, lebendiger oder un -728 geloͤſchter Kalk (calx viva, calx pura Bergm., Chaux vive.) Die Kalkſteine verlieren bey dieſer Verwandlung faſt die Helfte von ihrem Gewichte.

Dieſer lebendige Kalk iſt ein wahres aͤtzendes fixes Laugenſalz, das ſich auch wirklich, obgleich mit einiger Schwierigkeit, im Waſſer aufloͤſen laͤßt. Nach Bergmann (De acido äereo, §. 11.) erfordert ein Theil Kalk 300 Theile, nach andern 680 Theile ſiedendes Waſſer zur voͤlligen Aufloͤſung. Die Aufloͤſung ſelbſt heißt Kalkwaſſer (aqua calcis, ean de chaux). Wenn man dieſes Kalkwaſſer von dem nicht aufgeloͤſeten Kalke abgießt, ſo iſt es voͤllig durchſichtig und farbenlos, hat einen eignen ſchrumpfenden alkaliſchen Geſchmack, faͤrbt die blauen Pflanzenſaͤfte gruͤn, und zeigt alle Eigenſchaften eines aufgeloͤßten Laugenſalzes. In voͤllig gefuͤllten und verſchloſſenen Gefaͤßen bleibt das Kalkwaſſer unveraͤndert. An der freyen Luft aber erzeugt ſich auf der Oberflaͤche deſſelben ein Hautchen, der Kalkrahm (cremor calcis), das endlich zu Boden faͤllt, und einem neuen Haͤutchen Platz macht, bis zuletzt aller aufgeloͤſete Kalk niedergeſchlagen iſt. Alsdann aber iſt derſelbe nicht mehr aͤtzend, brauſet wieder mit den Saͤuren, und loͤſet ſich im Waſſer nicht mehr auf; kurz, er iſt nicht mehr lebendiger, ſondern wiederum roher Kalk.

Eben dies geſchieht, wenn man fixe Luft oder Luftſaͤure zu dem Kalkwaſſer bringt. Es wird davon ſogleich truͤb, und laͤßt rohen Kalk fallen. Faͤhrt man mit dem Zumiſchen der Luftſaͤure fort, ſo loͤßt ſich dieſer rohe Kalk wieder auf; das Waſſer aber erhaͤlt den aͤaͤenden Geſchmack, und die Eigenſchaften des Kalkwaſſers nicht wieder. Durch das Kochen wird der rohe Kalk wieder aus demſelben niedergeſchlagen.

Der Weingeiſt, welcher keine Luftſaͤure enthaͤlt, ſchlaͤgt zwar den Kalk ebenfalls aus dem Kalkwaſſer nieder; es iſt aber dieſer Niederſchlag nicht roher, ſondern lebendiger Kalk.

Wenn man auf den gebrannten Kalk Waſſer gießt, ſo dringt daſſelbe mit einem Geziſche hinein, er zerſpaltet,729 ſchwillt mit ſtarker Erhitzung auf, und verwandelt ſich in einen feinen Brey oder Teig, den geloͤſchten Kalk (calx extincta, chaux éteinte). Faſt eben dies wiederfaͤhrt auch dem gebrannten Kalke, wenn er blos der freyen Luft ausgeſetzt wird, er ſchwillt nemlich auf, und zerfaͤllt, jedoch ohne Erhitzung, aber mit betraͤchtlicher Zunahme ſeines Gewichts. Alsdann heißt er zerfallner Kalk, Staubkalk, Mehlkalk (chaux éteinte à l'air), und hat alle Eigenſchaften des rohen Kalks.

Wenn Laugenſalze mit lebendigem Kalke bearbeitet, z. B. in Kalkwaſſer getroͤpfelt, darinn gekocht, oder uͤber gebranntem Kalk deſtilliret werden, ſo erhalten ſie dadurch eine aͤtzende Eigenſchaft, ſ. Kauſticitaͤt, der Kalk hingegen verliert ſeine Aetzbarkeit, und nimmt die Natur des rohen Kalks wieder an.

Aus dem Teige, welcher durch das Loͤſchen des gebrannten Kalks mit Waſſer entſteht, bereitet man den ſogenannten Moͤrtel (Caementum, Mortier) durch Vermiſchung mit Sand und Kies, oder gebranntem und groͤblich gepuͤlvertem Thone. Dieſe Vermiſchung nimmt, wenn ſie trocknet, eine Conſiſtenz an, und wird daher als ein Bindemittel der Steine in Gebaͤuden, Mauern, Eſtrichen u. dgl. gebraucht.

Dies ſind die merkwuͤrdigen Eigenſchaften, welche die Kalkerden und Kalkſteine bey ihrer Verwandlung in lebendigen Kalk erhalten, und beym Loͤſchen durch Wiederannehmung ihres erſten Zuſtandes hinwiederum verlieren. Die Aetzbarkeit, Aufloͤslichkeit im Waſſer, der Mangel des Brauſens mit den Saͤuren und die Erhitzung beym Loͤſchen dieſe unterſcheidenden Kennzeichen des lebendigen Kalks, welche durchs Brennen entſtehen, und durchs Loͤſchen ſich wieder verlieren, haben die Chymiker von je her nicht wenig beſchaͤftiget. Van Helmont, Daniel Ludovici (Ephemerid. Acad. naturae curioſ. ann. 1675 et 1676. Obſ. 244.) und duͤ Fay (Mém. de Paris, ann. 1724.) nahmen deswegen ein eignes Salz an, das im Kalke durchs Brennen entwickelt werde; die aͤtzende Kraft und Erhitzung mit dem Waſſer veranlaſſeten Homberg (Mém. de Paris,730 1700.) und Lemery (ebend. ann. 1709.) zu der Behauptung, daß ſich in den Zwiſchenraͤumen des Kalks Feuertheile, von dem Brennen her, eingeſchloſſen befaͤnden, einer Menge anderer, zum Theil thoͤrichter, Meinungen zu geſchweigen.

Johann Friedrich Meyer (Chymiſche Verſuche zur naͤhern Erkenntniß des ungeloͤſchten Kalks rc. Hannover, 1764. 1770. 8. ) baute auf ſeine vielen und ſchaͤtzbaren Verſuche eine Theorie der Aetzbarkeit, deren Natur er in einer eignen im Kuͤchenfeuer, nicht aber im Sonnenfeuer, enthaltenen Materie ſuchte. Er hielt dieſe Materie fuͤr das reinſte, mit einer Saͤure verbundne Feuerweſen, und nannte ſie das Kauſticum oder die fette Saͤure (acidum pingue). Seiner Meynung nach dringt dieſe fette Saͤure aus dem Kuͤchenfeuer beym Brennen, ſelbſt durch die Gefaͤße, in den Kalk, macht ihn aͤtzend und im Waſſer aufioͤslich, entwickelt ſich beym Loͤſchen, verurſacht die Erhitzung, geht vom Kalke in die Laugenſalze uͤber, theilt dieſen die Aetzbarkeit mit u. ſ. w. Macquer ſetzt dieſer Theorie die ſtarken Gruͤnde entgegen, daß das Feuer die Materien, mit denen es ſich bindet, nicht aͤtzend mache, vielmehr durch ein ſolches Binden ſeine eigne Wirkſamkeit verliere; daß ſich das Kalkwaſſer, welches ſich an der freyen Luft zerſetzt, auch in verſchloßnen Gefaͤßen zerſetzen muͤßte, wenn das Kauſticum durch die Waͤnde der Gefaͤße dringen koͤnnte; daß ſich endlich die Kalkſteine auch im Brennraume erhabner Glaͤſer durch die Sonnenſtralen in lebendigen Kalk verwandeln laſſen, welchen Verſuch Well (Rechtfertigung der Blackiſchen Lehre, Wien, 1771. 8. ) zuerſt angeſtellt hat.

Da beym Brennen faſt die Helfte des Gewichts der Kalkſteine verloren geht, ſo ſcheint der rohe Kalk durch dieſe Operation vielmehr etwas zu verlieren, als anzunehmen. Schon Stahl hat nach Macquers Bemerkung die ſalzartigen Eigenſchaften des Kalkes, ſo wie aller Salze, aus der Vereinigung des waͤßrichten und erdichten Grundſtoffs erklaͤrt, und angenommen, daß das Brennen den waͤßrichten Grundſtoff hinwegfuͤhre, daß aber dieſe Trennung731 die Neigung des erdichten Theils gegen das Waſſer nicht aufhebe, ſondern ſie vielmehr durch Verfeinerung der Erde noch mehr verſtaͤrke, daher die in der Kalkerde beteits angefangene ſalzartige Miſchung im lebendigen Kalke noch vollkommner werde, wenn man ihn aufs neue mit Waſſer vermiſche.

Durch die neuern Entdeckungen uͤber die Luftſaͤure, ſ. Gas, mephitiſches, iſt dieſe Theorie weit mehr aufgeklaͤrt und vollſtaͤndiger gemacht worden. D. Black in Edinburgh (Exp. on Magneſia alba etc. in den Eſſays and obſ. read before a Society in Edinb. Vol. II. p. 157.) zeigte im Jahre 1756 zuerſt, daß die von ihm ſogenannte fixe Luft hiebey eine ſehr wichtige Rolle ſpiele, indem ſie eben dasjenige iſt, was aus dem rohen Kalke ſowohl beym Brennen, als beym Aufgießen der Saͤuren, herausgeht. Er nahm den Kalk von Natur ſcharf und im Waſſer aufloͤslich an, glaubte aber, daß die fixe Luft im rohen Kalke dieſe Schaͤrfe und Aufloͤslichkeit vermindere, und mit ihm gleichſam ein Mittelſalz bilde. Durchs Brennen gehe die fixe Luft nebſt dem Waſſer, und dadurch zugleich ein Theil des Gewichts verloren; daher zeige nun der gebrannte Kalk ſeine Schaͤrfe und Aufloͤslichkeit. An der Luft empfange er wieder fixe Luft, und kehre daher in den Zuſtand des rohen Kalks zuruͤck. Das Aufbrauſen mit den Saͤuren entſtehe durch Entwicklung der fixen Luft, und falle beym lebendigen Kalke darum hinweg, weil dieſer keine fixe Luft mehr enthalte. Die Kalkerde habe mehr Verwandſchaft zur fixen Luft, als die Laugenſalze; daher entziehe der gebrannte Kalk den letztern ihre fixe Luft, oder das, was ſie vorher neutraliſirte oder mild machte, werde aber dadurch ſelbſt mild und in rohen Kalk verwandelt.

Dieſe Theorie iſt durch die neuern Unterſuchungen der Luftſaͤure immer mehr beſtaͤtiget worden. Nach Bergmann (De acido aëreo, §. 11.) iſt der rohe Kalk ein ſchwer aufloͤsliches Mittelſalz, welches ohngefaͤhr 55 Theile reine Kalkerde, 11 Theile Waſſer und 34 Theile Luftſaͤure enthaͤlt. Durch das Brennen werden die Luftſaͤure und das Waſſer herausgetrieben, daher auch Bergmann den rohen Kalk732 luftſaͤurehaltigen oder milden (Calx aërata), den gebrannten reinen Kalk (Calx pura) nennt. Obgleich die Luftſaͤure aus dem Kalkwaſſer rohen Kalk niederſchlaͤgt, und ihm die Aufloͤslichkeit benimmt, ſo loͤſet doch die Ueberſaͤttigung mit Luftſaͤure den rohen Kalk ſelbſt wieder auf, und verbindet ihn mit dem Waſſer, ohne jedoch ſeine Aetzbarkeit wieder herzuſtellen. Auf dieſe Art koͤnnen die Waſſer, und beſonders die Sauerbrunnen eine große Menge rohen Kalk in ſich aufgeloͤßt enthalten. Das Kochen, welches die Luftſaͤure austreibt, ſchlaͤgt auch dieſen rohen Kalk wiederum nieder. Iacquin (Examen chemicum doctrinae Meyerianae de acido pingui. Vindob. 1769. 8. ) hat die Richtigkeit dieſer Theorie durch entſcheidende Verſuche dargethan.

Die Erhitzung des gebrannten Kalks beym Loͤſchen mit Waſſer war noch das einzige Phaͤnomen, um deſſen willen viele Chymiker die Meyeriſche Idee beybehielten, daß ſich beym Brennen Feuertheile mit dem Kalke verbaͤnden, und beym Loͤſchen wieder entwickelten, woraus auch noch viele die Aetzkraft herleiteten, die man aus einer vorgefaßten Meynung nicht gern fuͤr etwas anders, als fuͤr eine Wirkung des Feuers, halten wollte. Seitdem man aber von gebundner und freyer Waͤrme, und von der Natur der Kauſticitaͤt richtigere Begriffe erlangt hat, werden dieſe Phaͤnomene keinen Naturforſcher mehr fuͤr die meyeriſche Hypotheſe einnehmen. Man weiß, daß Erhitzung uͤberall entſteht, wo Feuer, das vorher gebunden war, frey wird, welches bey der Loͤſchung des Kalks eben ſo, wie bey vielen andern Verbindungen verwandter Stoffe, ſtatt findet; die Aetzbarkeit aber kan man fuͤr nichts anders, als fuͤr eine Wirkung der chymiſchen Verwandſchaften oder Wahlanziehungen halten, ſ. Kauſticitaͤt.

Das Binden und Erhaͤrten des Moͤrtels iſt eine Folge der großen Feinheit der Theile des geloͤſchten Kalks, welche ſich auf die Oberflaͤche der harten Theile des Sandes genau anſetzen, und wegen der Menge der Beruͤhrungspunkte damit ſehr ſtark zuſammenhaͤngen, ſ. Cohaͤſion. Zu dieſer Haͤrte des Moͤrtels traͤgt das Waſſer viel bey, welches733 man aus dem aͤlteſten und trockenſten Moͤrtel uͤber dem Feuer in großer Menge erhaͤlt. Eben ſo uͤberzieht das Kalkwaſſer in unverſtopften Gefaͤßen die Seitenwaͤnde mit einem feſten anhaͤngenden Niederſchlage, den man kaum anders, als durch Abſchleifen, hinwegbringen kan.

Außer dem Gebrauche in der Baukunſt benuͤtzt man auch den rohen und gebrannten Kalk zu Duͤngung der Felder; beym Seifenſieden, Haarbeitzen und Lederbereiten; in der Faͤrbekunſt bey Bereitung des Indigs, Lakmuſes und der Orſeille, zum Bleichen, zur Einſaugung der Saͤure bey Obſt - und ſuͤßen Weinen, ingleichen beym Zuckerſieden; mit Eyweiß, Kaͤſe u. dgl. zum Kuͤtten, und zu mancherley chymiſchen Bereitungen. In der Arzneykunſt wird das Kalkwaſſer, aus Muſchel - und Auſterſchalen bereitet, und mit Milch vermiſcht, als ein abſorbirendes und zugleich ſtaͤrkendes Mittel, ingleichen als ein austrocknendes zu Heilung der Geſchwuͤre in den weichen Theilen des Koͤrpers, und als Aufloͤſungsmittel gegen Nieren - und Blaſenſteine benuͤtzt.

Macquer chym. Woͤrterbuch, durch Leonbardi Art. Kalch, ſteinartiger oder erdichter.

Gren ſyſt. Handbuch der Chemie. 1. Theil. S. 167 179.

Kalke, metalliſche, Metallkalke, metalliſche Erden, Calces metallicae, Chaux metalliques.

So nennt man das, was uͤbrig bleibt, wenn man die Metalle ihres Brennbaren beraubt (verkalkt, calcinirt) hat, ſ. Verkalkung. Dahin gehoͤrt die Mennige aus dem Bley, die Zinnaſche aus dem Zinn, das rothe Praͤcipitat aus dem Queckſilber, und ſehr viele andere aͤhnliche Materien. Dieſe metalliſchen Kalke oder Erden ſind nicht einfach, und haben fuͤr jedes Metall beſondere Eigenſchaften; ſtimmen aber alle darinn uͤberein, daß ſie weniger ſchmelzbar, feuerbeſtaͤndiger, minder aufloͤslich in Saͤuren, und von geringerer ſpecifiſchen Schwere, aber von groͤßerm abſoluten Gewichte ſind, als die Metalle, aus denen ſie entſtehen. Aus 100 Pfund Bley z. B. erhaͤlt man uͤber 110 Pfund Bleykalk.

Man kan die Metalle entweder durch das Feuer an734 freyer Luft, mittelſt einer Art von Verbrennung, oder durch Aufloͤſung in Saͤuren, vorzuͤglich in der Vitriol - und Salpeterſaͤure, oder durch die Verpuffung mit dem Salpeter in Kalke verwandeln. Durch alle dieſe Mittel verlieren ſie ihre metalliſchen Eigenſchaften deſto mehr, je ſtaͤrker ſie dadurch des in ihnen enthaltenen Phlogiſtons beraubt werden.

Von dem lebendigen Kalke, (ſ. den vorhergehenden Artikel) ſind dieſe metalliſchen Erden zwar ſehr weſentlich unterſchieden, ſie haben aber doch mit ihm die aͤhnliche Eigenſchaft, daß ſie die Laugenſalze aͤtzbar machen. Daß man aber beyden Subſtanzen einerley Namen gegeben hat, koͤmmt wohl daher, weil man ehedem alles Kalk nannte, was durch die Wirkung des Feuers ohne Flamme in ein erdichtes Pulver zerfallen war.

Unter den Erſcheinungen der Metallkalke iſt die betraͤchtliche Vermehrung des abſoluten Gewichts bey der Verkalkung gewiß eine der merkwuͤrdigſten. Man hat ſie fruͤhzeitig wahrgenommen, und auf mannichfaltige Art zu erklaͤren geſucht. Schon im Jahre 1630 leitete ſie Iean Rey (Eſſais ſur la recherche de la cauſe, pour laquelle l'Eſtain et le Plomb augmentent de poids, quand on les calcine, à Bazas, 8.) von der Luft her, welche die Zinnund Bleykalke bey der Verkalkung einſaugten. Man verließ aber dieſe Meynung wieder, und erklaͤrte mit Boyle (New experiments to make fire and flame ſtable and ponderable, Lond. 1673. 8. und in Boyle's Works, Vol. III,) und Lemery (Mém. de l'acad. de Paris, 1712.) dieſes Schwererwerden aus beygetretenen Feuertheilen. Als die Theorie des Brennbaren bekannter ward, und man die Verkalkung allgemein fuͤr eine Beraubung des Phlogiſtons erkannte, ſchien es denen, welche Feuer und Phlogiſton nicht deutlich unterſchieden, widerſprechend, daß beym Verluſte des letztern dem Kalke mehr Feuertheile beytreten ſollten (Diſſ. ſur la cauſe de l'augmentation de poids, que certaines matieres acquiérent dans leur calcination par le P. Béraud. à la Haye 1748. 8. Vogel Progr. quo experimenta chemicorum de incremento ponderis corp. calcin. examinat. Gott. 1753. 4. ) und es blieb bey einer735 Menge daruͤber vorgetragener Hypotheſen die Sache immer ein unerforſchliches Raͤthſel. Meyer glaubte es durch das Kauſticum, oder Acidum pingue aufzuloͤſen, welches er vom brennbaren Weſen unterſchied, und aus dem Kuͤchenfeuer in die Kalke uͤbergehen ließ; allein es fehlte dieſer angenommenen Urſache uͤberhaupt an hinlaͤnglichen Beweiſen Die Herren de Morveau, Maret und Duͤrande (Elemens de Chymie theorique et prâtique. à Dijon, 1777. 12mo. uͤberſ. von Weigel, Leipz. III. Th. 1778 1780.) haben das Phlogiſton als eine Materie ohne Schwere, oder gar als eine ſolche betrachtet, welche durch abſolute Leichtigkeit das Gewicht der Koͤrper, denen ſie beytritt, vermindere, welcher Begriff, ob ihn gleich manche neuere Chymiker annehmen, dennoch mit den ausgemachteſten Grundſaͤtzen der Phyſik ſtreitet, nach welchen jede Materie ſchwer iſt. Wollte man auch dieſe Verminderung blos auf das relative Gewicht beziehen, das die Koͤrper in der Luft haben, ſo wie ein Stein unter Waſſer leichter wird, wenn man eine Blaſe voll Luft daran bindet, ſo wuͤrde doch dieſer Erklaͤrung der Umſtand entgegen ſtehen, daß die Metalle zugleich ſpecifiſch ſchwerer ſind, als ihre Kalke.

Die neuern Bearbeitungen der Lehre von den Gasarten haben endlich auf die alte ſchon von Rey vorgetragne Meynung wieder zuruͤckgefuͤhrt, nachdem auch Hales und Prieſtley gefunden hatten, daß die Metallkalke eine große Menge gasartige Materien enthielten. Wenn man dieſe Kalke durch Schmelzen mit zugeſetztem Phlogiſton zu Metallen wiederherſtellet, oder reduciret, ſo entſteht allezeit ein ſtarkes Aufbrauſen, und es entwickelt ſich eine Menge gasartiger Materie. Lavoiſier (Opuſcules chym. et phyſ. To. I. p. 285. To. II. p. 311. ſq. ) und Bayen (in Rozier Journ. de phyſ. To. III. p. 120. T. VI. p. 487. To. VII. p. 390. ſq. ) haben es durch zahlreiche Verſuche hoͤchſt wahrſcheinlich gemacht, daß dem Metalle bey der Verkalkung ein Antheil von dephlogiſtiſirter Luft aus der Atmoſphaͤre beytrete. Die vorzuͤglichſten Beweiſe dafuͤr ſind, daß die Verkalkung nie ohne Zutritt der Luft von ſtatten geht, daß ſich bey der Reduction der Kalke Gasarten entwickeln,736 deren Gewicht mit dem Uebergewichte der Kalke uͤbereinkoͤmmt, und daß endlich bey jeder Verkalkung eine Menge Luft verſchluckt wird, die mit der Menge des erhaltenen Kalks im Verhaͤltniſſe ſteht. Lavoiſier ſetzte abgewogenes Zinn in einer glaͤſernen verſchloßnen Retorte dem Feuer aus. Die Verkalkung hoͤrte bald auf, und die Retorte ſelbſt wog noch ſoviel, als vorher ein ſicherer Beweis, daß der Zuwachs des Gewichts bey dem Kalke nicht von Feuertheilen herruͤhre. Als er aber die Spitze der Retorte abbrach, fuhr die aͤußere Luft mit einem Ziſchen hinein, und obgleich die Retorte ihr voriges Gewicht behalten hatte, fand ſich doch beym Zinne eine Vermehrung deſſelben. Bayen unterſuchte beſonders die Queckſilberkalke, und erhielt bey Wiederherſtellung derſelben allezeit eine Menge luftaͤhnlicher Materie, welche der Menge des reducirten Metalls und dem Unterſchiede des Gewichts angemeſſen war. Beyde Chymiker ſchließen hieraus ſehr richtig, daß die Metallkalke durch das Hinzukommen einer Gasart an Gewichte zunehmen; ſie gehen aber noch viel weiter, ſchreiben die ganze Urſache der Verkalkung und Reduction dieſer Gasart allein zu, und ſuchen dadurch das Phlogiſton ganz aus den Erklaͤrungen der Chymie zu verbannen, ſ. Phlogiſton.

Bey der Verkalkung des Zinns in einer glaͤſernen Retorte zeigte die uͤbrigbleibende Luft alle Kennzeichen der phlogiſtiſirten, fuͤhrte aber wenig oder gar keine fixe Luft bey ſich. Lavoiſier kan dies ſehr leicht erklaͤren, da nach ihm die unreine Luft einen beſondern von Natur vorhandnen Theil der reſpirabeln ausmacht, welcher nothwendig zuruͤckbleiben muß, wenn der reinere Theil in den Metallkalk eingeſogen wird. Prieſtley hingegen war mehr geneigt zu glauben, daß die Phlogiſtication der Luft von dem, dem Metalle entzognen, Brennbaren herruͤhre, und die bey ſolchen phlogiſtiſchen Proceſſen gewoͤhnlich entſtehende fixe Luft dasjenige ſey, was in den Kalk uͤbergehe, und deſſen Gewicht vermehre, wie denn auch das bey der Wiederherſtellung der Kalke entwickelte Gas groͤßtentheils fixe Luft iſt. 737Allein die Phaͤnomene der Queckſilberniederſchlaͤge, (ſ. den Art: Gas dephlogiſtiſitres), welche ſich ohne Zuſatz von Phlogiſton reduciren laſſen, und dabey keine fixe, ſondern die reinſte dephlogiſtiſirte Luft geben, machen es wahrſcheinlicher, daß bey der Verkalkung der Metalle bloß der reine oder dephlogiſtiſirte Theil der Luft eingeſogen werde, und die fixe Luft bey der Reduction auf eine bisher noch unbekannte Art durch das zugeſetzte Brennbare entſtehe, ſ. Verkalkung.

Nach Crawford's Theorie und Verſuchen binden die Metallkalke allerdings mehr Feuer, als die Metalle ſelbſt, nur daß hieraus die Zunahme ihres Gewichts nicht hergeleitet werden kan. Die ſpecifiſche Waͤrme oder Capacitaͤt Feuer zu binden iſt (die des Waſſers = 1 geſetzt) fuͤr Eiſen, Zinn, Bley und Spießglaskoͤnig 0,125; 0,068; 0,050; 0,086; fuͤr ihre Kalke 0,320; 0,096; 0,068; 0,220.

Macquer Chymiſches Woͤrterb., Art. Kalche, metalliſche.

Hagen Grundriß der Experimentalchemie, Koͤnigsb. und Leipzig, 1786. gr. 8. S. 235.

Kalkerde, Terra calcarea, Terre calcaire.

Eine eigne von den uͤbrigen weſentlich verſchiedene Erde, welche im natuͤrlichen Zuſtande mit allen Saͤuren brauſet, durch die Wirkung des Feuers aber die Kennzeichen des lebendigen Kalks annimmt. Bey dem Worte: Kalk iſt gezeigt worden, daß dieſe Erde oder der rohe Kalk im natuͤrlichen Zuſtande eine große Menge Luftſaͤure bey ſich fuͤhre, welche durch die Saͤuren ſowohl, als durch das Feuer, herausgetrieben wird. Allem Anſehen nach liegen die Aetzbarkeit, Aufloͤslichkeit im Waſſer und uͤbrigen Eigenſchaften des lebendigen Kalks ſchon im rohen Kalke ſelbſt, werden aber durch die Verbindung mit der Luftſaͤure in hohem Grade geſchwaͤcht, und zeigen ſich erſt alsdann wieder, wenn die Luftſaͤure hinweggetrieben iſt. Dem zufolge iſt die Kalkerde von Natur mit Luftſaͤure geſaͤttiget, und giebt von derſelben befreyt den lebendigen Kalk, der den Laugenſalzen aͤhnlich iſt. 738

Das Aufbrauſen mit den Saͤuren iſt das gewoͤhnliche Kennzeichen, wodurch man die Kalkerde von andern erdichten Materien, und vornemlich von der Kieſelerde, unterſcheidet. Doch iſt hiebey zu bemerken, daß die Kalkerde, wenn die Saͤuren ſehr verduͤnnt ſind, oder wenn ſie von ihrem Gas ſchon befreyt iſt, nicht mehr brauſet, ingleichen, daß es noch mehrere mit den Saͤuren brauſende Materien giebt (wovon bey dem Worte Gas haͤufige Beyſpiele vorkommen), die man alſo noch durch andere Kennzeichen von den kalkartigen Stoffen unterſcheiden muß.

Die Kalkerde giebt mit der Vitriolſaͤure den Selenit oder Gyps, mit der Kochſalzſaͤure den fixen Salmiak, mit der Flußſpathſaͤure den Flußſpath, mit der Salpeterſaͤure das ſalpetrige Kalkſalz oder den balduinſchen Phoſphorus, mit den vegetabiliſchen Saͤuren den Eſſigſelenit, Weinſteinſelenit, Citronenſelenit u. ſ. w. mit der Fettſaͤure das thieriſche Kochſalz, und mit der Ameiſenſaͤure den Ameiſenſelenit. Sie zerſetzt alle Salmiakſalze, verbindet ſich mit den Saͤuren derſelben, und macht das fluͤchtige Alkali daraus frey.

Sie iſt fuͤr ſich allein im ſtrengſten Feuer unſchmelzbar, mit den feuerbeſtaͤndigen Laugenſalzen aber fließt ſie durch die Hitze nach Achards Verſuchen (Samml. phyſ. und chem. Abhandl. B. 1. S. 379 und 444.) zu einer Art von Glas.

Da die Decken aller Schalthiere aus einer ſehr reinen Kalkerde beſtehen, und man die Ueberbleibſel der ehemaligen Seethiere vorzuͤglich in den kalkartigen Schichten des Erdbodens antrifft, ſo haben ſehr viele Geologen mit Buffon den Urſprung aller Kalkerde und kalkartigen Materien uͤberhaupt von den Schalthieren hergeleitet. Sollte dieß auch nicht allgemein gelten, ſo iſt es doch von einigen Kalkſchichten gar nicht zu laͤugnen, in welchen die Truͤmmern ehemaliger Conchylien ſo haͤufig ſind, daß ſie bey weitem den groͤßten Theil der ganzen Maſſe ausmachen. Wenn man die unbeſchreibliche Menge der in den Kalklagern begrabnen739 Muſcheln und Schalthiere nur einigermaßen kennt, ſo findet man den Gedanken, daß alle Kalkerde von ihnen herkomme, nicht mehr ſo uͤbertrieben, als er auf den erſten Anblick zu ſeyn ſcheinet.

Man findet die Kalkerde auch in der Aſche der Pflanzen, und in den Knochen der Thiere, am allerhaͤufigſten aber im Mineralreiche, wo die kalartigen Berge, Floͤtze und Lager eine eigne Claſſe der Gebirge ausmachen, daß alſo die Kalkerde gewiß unter die Stoffe gehoͤrt, welche in der Natur am allgemeinſten verbreitet ſind.

Kalkſteine, Lapides calcarei, Pierres calcaires.

Diejenige Claſſe von Steinen, deren einziger und vorzuͤglichſter Beſtandtheil die Kalkerde iſt. Dieſe Steine brauſen, wenn man Scheidewaſſer darauf troͤpfelt, geben mit dem Stahle nicht Feuer, ſchneiden nicht in Glas, und zerfallen gebrannt in lebendigen Kalk. Dahin gehoͤrt die Kreide, die Bergmilch (Lac lunae), der gemeine Kalkſtein, der, wenn er farbicht und feſt genug iſt, den Namen des Marmors ſuͤhrt, der Kalkſpath, Stalaktit oder Tropfſtein u. a. m. Mit Vitriolſaͤure vermiſcht findet man die Kalkerde in den Gypsſteinen, ſ. Gyps; mit dem Phlogiſton im Stinkſteine und Leberſteine, mit Thon in den Mergelarten u. ſ. w.

Kalt, Frigidum, Froid.

Wir nennen einen Koͤrper kalt, entweder in Vergleichung mit andern, welche mehr freye, fuͤhlbare Waͤrme bey ſich haben; oder in Beziehung auf unſer Gefuͤhl, wenn er weniger freye Waͤrme hat, als der Theil unſers Koͤrpers, den er beruͤht. Im letztern Falle nemlich entzieht er unſerm Koͤrper Waͤrme, und erregt dadurch die Empfindung, die wir Kaͤlte nennen. Kalt heißt alſo: Weniger warm, als etwas anderes, oder als unſer Koͤrper, ſ. Kaͤlre.

Kaltmachende Materie

Materia frigorifica, Matiere frigorifique. Nach der Art der Scholaſtiker, die fuͤr jedes Phaͤnomen eine eigne Urſache oder Qualitaͤt annahmen,740 erklaͤrten ſonſt auch die Chymiker die Kaͤlte fuͤr Wirkung eines eignen kaltmachenden Stoffs, den ſie in den Salzen, und beſonders im Salpeter ſuchten, den man aber bey den Erklaͤrungen der Kaͤlte ſehr wohl entbehren kan, zumal da ſich ſein Daſeyn durch keine Erſahrung beweiſen laͤßt, ſ. Gefrierung, Kaͤlte. In einem andern Sinne wird der Name kaltmachender Materien denjenigen Aufloͤſungen beygelegt, welche viel Waͤrmeſtoff binden, und daher die beruͤhrenden Koͤrper erkaͤlten, wie z. B. die Miſchungen von Schnee und Salz, Schnee und Salzgeiſt rc. ſ. Kaͤlte, kuͤnſtliche. Schicklicher nennt man ſie erkaͤltende Miſchungen.

Kapſelbarometer, ſ. Barometer.

Katakuſtik, Kataphonik

Catacuſtice, Cataphonice, Catacouſtique, Cataphonique. Dieſe eben nicht oft vorkommende Namen fuͤhrt die Lehre vom zuruͤckgeworfenen Schalle, oder derjenige Theil der Akuſtik, welcher von dem Echo handelt. Das Hauptſaͤchlichſte hievon findet man bey dem Worte: Echo.

Katarakte, Cataracta, Cataracte.

Dieſes griechiſche Wort bedeutet ſeiner Ableitung nach etwas, das von oben herabſtuͤrzt. In der Naturlehre koͤmmt es in dreyerley Bedeutungen vor. Zuerſt heißt es, wie ſchon bey den Alten, ein Waſſerfall, (Cataracte d' eau) ſ. die Art. Fluͤſſe, Waſſerfaͤlle.

Dann hat Newton (Princip. L. II. Prop. 36.) mit dem Namen der Katarakte den Raum belegt, in welchem das aus einem Gefaͤße durch eine Oefnung im Boden ausfließende Waſſer, vor dem Ausfließen, enthalten iſt. Die Geſtalt dieſes Raums iſt aͤhnlich mit der Geſtalt des ausfließenden Waſſerſtrals ſelbſt, welche Gulielmini (Menſur. aqu. fluent. L. V. P. 9.) figuram cadentis nennt, und durch eine der newtoniſchen aͤhnliche Gleichung beſtimmt, daher man auch dieſer Geſtalt den Namen der Katarakte beylegt. Newton bedient ſich ſeiner Idee ſehr741 ſinnreich zu einigen hydrodynamiſchen Beſtimmungen; aber Joh. Bernoulli (Hydraul. P. II. art. 60.) und d' Alembert (Traité des fluides, art. 176 182.) haben gegen ſeine Methode ſehr erhebliche Erinnerungen gemacht.

Endlich giebt man den Namen Cataracta auch der Blindheit durch Verdunkelung der Kryſtallinſe, welche ſenſt der graue Stahr (Gutta opaca, Caligo lentis) genannt wird, ſ. Auge, Geſichtsfehler.

Katoptrik, Catoptrica ſ. Catoptrice, Catoptrique.

Dieſen Namen fuͤhrt die Lehre vom Sehen durch zuruͤckgewerfene (reflectirte) Lichtſtralen, oder von dem Lichte, das von Spiegelſlaͤchen abprallet, ſ. Zuruͤckwerfung der Lichtſtralen. Sie heißt ſonſt auch die Anakamptik, und macht einen Theil der optiſchen Wiſſenſchaften aus. Es wird in der Katoptrik zuerſt das Geſetz der Zuruͤckwerfung erklaͤrt, aus welchem ſich die Wege der Lichtſtralen, die von ebnen und krummen Flaͤchen abprallen, beſtimmen, und daher auch die Eigenſchaften der ebnen und krummen Spiegel ableiten laſſen. Dies wird auf die Verfertigung einiger Werkzeuge angewendet, welche unter andern die Abſicht haben, dem Auge Huͤlfsmittel des Sehens zu verſchaffen, und die, wenn darinn Spiegel mit Glaͤſern verbunden werden, den Namen katadioptriſcher Werkzeuge fuͤhren.

Von der Theorie der Zuruͤckwerfung des Lichts und von den Spiegeln war den Alten weit mehr, als von der Brechung, bekannt. Sie bedienten ſich nicht nur der Metallſpiegel zum gemeinen Gebrauch, ſondern ſie kannten auch die Vergroͤßerung und zuͤndende Eigenſchaft der Hohlſpiegel, ſ. die Worte: Spiegel, Brennſpiegel, Hohlſpiegel.

Die Anfangsgruͤnde der Optik und Katoptrik, welche man dem Euklides zuſchreibt, und die ſich mit in des Gregory Ausgabe der euklideiſchen Werke (Oxon. 1706. ſol. ) befinden, werden von Savile und Gregory fuͤr untergeſchoben und des Euklides unwuͤrdig erklaͤrt. Die Katoptrik enthaͤlt einige ganz falſche, oder nur halb wahre742 und nicht genug beſtimmte Saͤtze. So wird z. B. blos geſagt, der Hohlſpiegel vereinige Sonnenſtralen, welche in gleicher Entfernung von der Axe auffallen, irgendwo zwiſchen dem Mittelpunkte und dem Spiegel; und gleich darauf wird der Mittelpunkt ſelbſt fuͤr den Ort angenommen, wo die meiſten Stralen zuſammenkommen, weil von jedem Punkte der Sonne ein Stral durch ihn gezogen, vom Spiegel wieder in ihn zuruͤckgeworfen werde. Ein Geometer, wie Euklid, haͤtte wohl uͤberſehen muͤſſen, daß es dadurch im Mittelpunkte hoͤchſtens nur doppelt ſo warm werden koͤnne, als es ohne Spiegel daſelbſt iſt.

Des Ptolemaͤus Buͤcher von der Optik, welche Baco anfuͤhrt, ſind zwar verlohren; es ſcheint aber Alhazen ſehr viel daraus in ſein Werk uͤbergetragen zu haben, welches im eilften Jahrhunderte in ſieben Buͤchern aufgeſetzt, und von Friedrich Risnern (Opticae theſaurus, Baſil. 1572. fol.) herausgegeben worden iſt. In dieſem Werke findet ſich unter vielen andern katoptriſchen Saͤtzen auch eine Aufloͤſung des Problems: Auf einem Kugelſpiegel den Reflexionspunkt zu finden, wenn die Orte des Auges und des Gegenſtandes gegeben ſind. Alhazen giebt eine Aufloͤſung davon vermittelſt der Hyperbel, durch eine geometriſche Analyſis, die ihm, wenn ſie ſeine eigne Erfindung waͤre, einen hohen Rang unter den Geometern der vorigen Zeit anweiſen wuͤrde. Da man aber bey den Arabern in der hoͤhern Geometrie keine aͤhnlichen Erfindungen weiter antrifft, ſo vermuthet Montucla nicht ohne Grund, daß dieſe Solution den griechiſchen Mathematikern zugehoͤre, und aus dem Ptolemaͤus entlehnt ſey. Inzwiſchen heißt die Aufgabe ſelbſt noch bis jetzt das Problem des Alhazen. Noch im vorigen Jahrhunderte haben ſich die groͤßten Geometer mit ihr beſchaͤftiget (ſ. Huygens und Sluſius Aufloͤſungen in Philoſ. Trans. Num. 97. 98. ), und Herr Kaͤſtner (Problematis Alhazeni analy ſis trigonometrica in Nov. Comm. Gott. To. VII. ) hat eine ſchoͤne Aufloͤſung derſelben durch die trigonometriſche Analyſis gegeben.

Da das Geſetz der Zuruͤckwerfung ſehr einfach iſt, ſo ward der theoretiſche Theil der Katoptrik mit Huͤlfe der743 Geometrie bald aus demſelben entwickelt. Den Satz, daß der Brennraum des hohlen Kugelſpiegels um den vierten Theil des Durchmeſſers vom Spiegel abſteht, gab Porta (Derefractione, Neap. 1593.4. ) zuerſt an. Kepler (Paralipomena ad Vitell. Frf. 1604. 4. ) und Barrow (Lectiones opticae, Lond. 1674. 4. ) trugen die katoptriſchen Saͤtze, als geometriſche Folgen des Hauptgeſetzes der Reflexion, ſchon ziemlich vollſtaͤndig vor. Der letztere nahm uͤber den ſcheinbaren Ort der Bilder in den krummen Spiegeln einen neuen Grundſatz an, und veranlaßte dadurch die Unterſuchungen und Streitigkeiten, von welchen bey dem Worte: Bild, einiges vorkoͤmmt.

Was ſeitdem in der Katoptrik geleiſtet worden iſt, hat groͤßtentheils den praktiſchen Theil, d. i. die Verfertigung der Spiegel und ihre Anwendungen zu mancherley Abſichten betroffen. Das Meiſte hievon findet man bey den Worten: Brennſpiegel, Spiegel, Spiegelteleſkop, Mikroſkop, Polemoſkop, Anamorphoſe rc. erzaͤhlt. Man hat es beſonders in Verfertigung der Metallſpiegel zu Teleſkopen zu einer großen Vollkommenheit gebracht; die Spiegel des Herrn Herſchel uͤbertreffen in dieſer Abſicht alles, was man nur hoffen konnte, und haben uns ſchon zu ganz neuen und unerwarteten Entdeckungen am Himmel verholfen.

Eine vollſtaͤndige Anwendung der allgemeinen Arithmetik auf die Katoptrik hat Her Kaͤſtner (Vollſtaͤndiger Lehrbegrif der Optik, nach dem Engliſchen des Smith, mit Aenderungen und Zuſaͤtzen von Kaͤſtner, Altenb. 1766. 4. Analytiſche Katoptrik, S. 81 98.) geliefert.

Die Geſchichte der optiſchen Wiſſenſchaften, mithin auch der katoptriſchen Entdeckungen und Werkzeuge, haben die Herrn Prieſtley und Kluͤgel (Prieſtley Geſchichte und gegenwaͤrtiger Zuſtand der Optik, uͤberſ. mit Anm. und Zuſ. von G. S. Kluͤgel, Leipzig, 1776. gr. 4.) vortreflich bearbeitet. Verzeichniſſe von Schriften hiezu geben Wolf (Kurzer Unterricht von den vornehmſten mathematiſchen Schriften, im 4ten Buche der Anfangsgr. math. Wiſſ. Cap. 10.) und vollſtaͤndiger Herr Scheibel (Einleitung744 zur mathematiſchen Buͤcherkenntniß, 9tes Stuͤck, Breslau, 1777. 8.).

Kaufticitaͤt, Aetzbarkeit, Aetzkraft, Beizende Kraft, Vis cauſtica, corroſiva, Cauſticité.

Die ſcharfe und freſſende Eigenſchaft vieler Subſtanzen, z. B. der concentrirten mineraliſchen Saͤuren, der Laugenſalze, des lebendigen Kalks, Arſeniks, aͤtzenden Queckſilberſublimats, der Silberkryſtallen, Spießglasbutter rc., vermoͤge welcher ſie die Theile des thieriſchen Koͤrpers zerſetzen, und daher auf denſelben innerlich als Gifte, aͤußerlich als Aetzmittel wirken; uͤberhaupt aber auch an unorganiſirten Koͤrpern aufloͤſende Kraͤfte ausuͤben. Man wird ſchon aus dieſer Beſchreibung ſehen, daß die Aetzbarkeit in einer ſtarken Aufloͤſungskraft oder in einer ſehr thaͤtigen Verwandſchaft mit vielen Subſtanzen, beſtehe.

Die große Aehnlichkeit zwiſchen den Wirkungen der Aetzmittel und des Feuers, bewog die Chymiker, das Feuer fuͤr die einzige aͤtzende Subſtanz anzunehmen und die Kauſticitaͤt des Kalks, der Laugenſalze und der Saͤuren aus den Feuectheilchen herzuleiten, welche ſich in den Zwiſchenraͤumen dieſer Subſtanzen befaͤnden. Aus dieſer Theorie hat ſchon Lemery mit ungemeiner Leichtigkeit eine große Menge chymiſcher Erklaͤrungen hergeleitet. Meyer in Osnabruͤck (Chym. Verſ. zur naͤhern Kenntniß des ungeloͤſchten Kalks rc. Hannover, 1764. 8. ) aͤnderte ſie dahin ab, daß er anſtatt des reinen Feuers, vielmehr eine Miſchung deſſelben mit einer Saͤure, unter dem Namen des Kauſticums oder der fetten Saͤure fuͤr den Grund aller Aetzbarkeit annahm eine Theorie, die er mit ſorgfaͤltigen und an ſich ſehr ſchaͤtzbaren Erfahrungen zu unterſtuͤtzen ſuchte. Baume (Chymie experimentale et raiſonnée, à Paris, 1773. III. To. 8. uͤberſetzt von I. C. Gehler, Leipzig, 1775. 1776. III Th. gr. 8.) verwarf zwar das Meyeriſche Kauſticum, und nahm dafuͤr das faſt reine Feuer an, welches ſich in unendlich verſchiedenen Verbindungszuſtaͤnden mit andern Koͤrpern befinden745 koͤnne; er erklaͤrt aber hieraus die Aetzbarkeit des Kalks, der Laugenſalze, Saͤuren rc. eben ſo, wie Meyer, und ſetzt noch hinzu, daß das Feuer die einzige Urſache des Geſchmacks der Salze ſey, als welcher bloß in den Modificationen ihrer Aetzkraft beſtehe.

Indeſſen hatte D. Black in Edinburgh ſeine Verſuche uͤber die in den Kalkerden und Laugenſalzen enthaltene fixe Luft ſchon im Jahre 1756 bekannt gemacht. Dieſe Verſuche bewieſen deutlich, daß die gedachten Subſtanzen im natuͤrlichen Zuſtande mit einer Menge fixer Luft geſaͤttiget ſind, und daß ſie nur in demjenigen Grade aͤtzbar werden, in welchem man ſie durch das Feuer oder durch andere Mittel von dieſer gasartigen Materie befreyet; daß die Laugenſalze durch die Saͤttigung mit fixer Luft ihre Aetzkraft verlieren und mild werden; daß der lebendige Kalk den Laugenſalzen dieſes Gas wieder entziehet, wodurch er ſelbſt mild wird, die Salze aber die Aetzbarkeit wieder erhalten; daß endlich die Alkalien im Zuſtande der Milde oder der Saͤttigung mit Gas der Kryſtalliſirung faͤhig ſind, durch die Entziehung des Gas aber mit der Kauſticitaͤt zugleich die groͤßte Zerfließbarkeit erhalten.

Dieſe wichtige Entdeckung einer Materie, auf welche man bey den bisherigen Theorien gar nicht gerechnet hatte, und welche Feuer und Kauſticum hiebey voͤllig zuruͤckwies, mißfiel den Chymikern, die ſich mit den vorigen leichten Erklaͤrungen befriediget hatten, und veranlaßte anfaͤnglich Mißtrauen und Einwendungen gegen die von Prieſtley weiter bearbeitete Lehre von den Gasarten. Sie ward aber bald von einigen großen Chymikern in Deutſchland und Frankreich, von Iacquin, Well, Lavoiſier (Opuſcules chym. et phyſ. Paris, 1774.) mit einer Gewißheit beſtaͤtiget, die keine weitern Zweifel zuließ.

Einer der ſtaͤrkſten Gruͤnde fuͤr das alte Syſtem war dieſer, daß die Saͤuren mit rohem Kalk und milden Alkalien kaum eine merkliche Waͤrme erzeugen, da ſie hingegen mit dem lebendigen Kalke und aͤtzenden Laugenſalzen eine brennende Hitze hervorbringen. Dieſe Erhitzung hatte man ſonſt aus dem Feuer der aͤtzenden Stoffe ſo leicht erklaͤrt,746 daß es ſchwer hielt, die Erklaͤrung aufzugeben, zumal da ſich nicht gleich eine andere an ihre Stelle ſetzen ließ. Macquer bemuͤht ſich, den Mangel der Erhitzung bey den milden Subſtanzen aus dem Aufbrauſen herzuleiten, welches er als eine Kaͤlte erzeugende Ausduͤnſtung anſieht, und das bey den aͤtzenden ihres Gas ſchon beraubten Materien hinwegfaͤllt. Weit natuͤrlicher aber iſt es, nach den jetzt geltend gemachten Begriffen von Waͤrme, zu ſagen, daß die aͤtzenden Subſtanzen mehr Waͤrme zu binden vermoͤgend ſind, als die milden.

Inzwiſchen haben doch viele neuere Chymiſten zugleich mit der Theorie des D. Black noch einige Wirkung des Feuers bey der Aetzbarkeit angenommen. Macquer ſelbſt ſieht das freye Feuer als eine Bedingungsurſache hiebey an, weil es die einzige Urſache der Fluͤßigkeit iſt, ohne welche keine Aufloͤſung, alſo auch kein Aetzen und kein Geſchmack, ſtatt finden kan; ſo wie auch Niemand laͤugnen wird, daß das freye Feuer ſelbſt das lebhafteſte Aetzmittel ſey, auch die Aetzkraft und den Geſchmack anderer Subſtanzen verſtaͤrke.

Die Aetzkraft der Koͤrper nimmt deſto mehr ab, je mehr ſie geſaͤttiget, oder je genauer und ſtaͤrker ihre Theile unter ſich und mit andern verbunden werden. Ein kauſtiſches Laugenſalz, mit Luftſaͤure geſaͤttiget, hat noch immer einen großen Theil ſeiner Thaͤtigkeit uͤbrig, und verliert noch nicht die Kennzeichen der Alkalien: mit Oelen oder Fetten verbunden, mit denen es ſich genauer vereinigen kan, giebt es die Seifen, in welchen die aufloͤſende Kraft ſchon weniger merklich iſt: mit den Saͤuren, mit denen es eine ſehr innige Verbindung eingeht, giebt es Neutralſalze, z. B. den vitrioliſirten Weinſtein, welche wenig aufloͤſende Kraft und nur einen maͤßigen Salzgeſchmack haben: auf die Erden endlich aͤußert es mit Huͤlfe des Schmelzfeuers ſeine Kraft ſo vollkommen, daß ſie voͤllig erſchoͤpft wird, und das daraus entſtehende Glas nicht die geringſte Spur von Aetzbarkeit oder Geſchmack uͤbrig behaͤlt. Aus allen dieſen Produkren laͤßt ſich auch das Alkali deſto ſchwerer ſcheiden, je geringer die Aetzbarkeit geworden iſt. Eben747 ſo iſt es mit den Saͤuren; die Salpeterſaͤure z. B. verliert ihre aufloͤſende Kraft, wenn ſie auf Kalkerden gewirkt hat, ſie behaͤlt aber dieſelbe, wenn ſie Zinn zerfreſſen hat; ſie iſt nemlich mit der Kalkerde in Vereinigung getreten, vom Zinne aber abgeſondert geblieben.

Dieſen Betrachtungen zufolge haͤlt Macquer die Kauſticitaͤt fuͤr nichts anders, als fuͤr die allgemeine Kraft, mit welcher alle Theile der Materie ſich genau zu vereinigen ſtreben. Sind die Grundſtoffe eines Koͤrpers ſchon in dieſer genauen Vereinigung, wie im Kieſel rc., ſo iſt dieſe Kraft befriediget oder verwendet, und ein ſolcher Koͤrper zeigt weder Aetzbarkeit, noch Geſchmack, noch Aufloͤſungskraft. Iſt hingegen durch irgend eine Urſache dieſes Streben nach Vereinigung in den Theilen eines Koͤrpers oder einer Miſchung noch gar nicht oder nicht voͤllig befriediget, ſo beſitzen dieſelben einen Grad von Aetzbarkeit, Geſchmack und Aufloͤslichkeit, der dem uͤbriggebliebenen oder noch nicht verwendeten Vereinigungsbeſtreben angemeſſen iſt.

Dieſe ſehr einfache Erklaͤrung der Aetzbarkeit wuͤrde der Aufmerkſamkeit der Chymiker, die ſchon ſoviel von den Verwandſchaften und Aneignungen der Koͤrper unter einander wußten, nicht entgangen ſeyn, wenn ſie nicht blos auf dasjenige geſehen haͤtten, was der vom Aetzmittel angegriffene Koͤrper leidet. Sie blieben bey der Zerfreſſung der Haut, dem Schmerze, der Hitze, der Entzuͤndung ſtehen, welche alle den Wirkungen des Feuers ſo aͤhnlich ſind, ohne zu erwaͤgen, daß dabey das Aetzmittel ſelbſt ſich mit dem aufgeloͤsten Koͤrper vereiniget, dadurch ſeine Aetzbarkeit verliert, dieſelbe aber ſogleich wieder erhaͤlt, ſobald man es durch irgend ein Mittel von dieſer Vereinigung befreyet. Dieſe Umſtaͤnde zeigen, daß das Aetzen nichts weiter, als eine wechſelſeitige Aufloͤſung ſey, daher man Urſache genug hat, es eben ſo, wie jede andere Aufloͤſung, aus dem allgemeinen Vereinigungsbeſtreben oder der chymiſchen Verwandſchaft, zu erklaͤren. So wird dieſe in der Chymie hoͤchſt merkwuͤrdige Erſcheinung auf das allgemeine Phaͤnomen der Attraction zuruͤckgebracht, von dem ſich bisher noch748 keine weitere Urſache angeben laͤßt, ſ. Attraction, Verwandſchaft.

Macquer chym. Woͤrterbuch, Art. Aetzbarkeit.

Keil, Cuneus, Coin.

Der Keil iſt eine von den ſechs einfachen Maſchinen oder Potenzen der Mechanik. Er beſteht aus einem dreyeckichten Priſma ABC, Taf. XII. Fig. 86., von dem zwo Seitenflaͤchen AC und BC, die einen ſpitzigen Winkel C mit einander machen, durch eine Gewalt, die auf die dritte Seitenflaͤche AB wirkt, z. E. durch Gewichte oder Schlaͤge, zwiſchen Dinge getrieben werden, die man von einander ſondern, z. B. zwiſchen Holz, um es zu ſpalten. Man ſieht ihn insgemein als zwo ſchiefe Flaͤchen ADC und BDC an, die mit ihren Grundflaͤchen DC an einander gefuͤgt ſind, und gewoͤhnlich einander gleich und aͤhnlich genommen werden.

Die mechaniſchen Schriftſteller ſind uͤber die Theorie des Keils ſehr verſchiedener Meynung geweſen. Ariſtoteles in den mechaniſchen Fragen ſahe den Keil, wie zween entgegengeſetzte Hebel, Merſenne als einen Hebel der zweyten Art an; die Meiſten betrachteten ihn als eine Zuſammenſetzung zwoer ſchiefer Flaͤchen. Das Verhaͤltniß der Kraft zur Laſt fuͤr den Fall des Gleichgewichts geben Merſenne und Parent wie AD: DC, Descartes, Wallis, Dechales und Keill wie AB: DC, Borellus wie AD: AC, Caſati und de la Hire wie EG: GC, Varignon wie EG: GF an. Der Freyherr von Wolf folgt in den deutſchen Anfangsgruͤnden der Mechanik dem Merſenne, in den lateiniſchen dem Wallis; und s'Graveſande nimmt fuͤr die einfachen Faͤlle des Wallis, fuͤr das Holzſpalten des de la Hire Meynung an.

Georg Friedrich Baͤrmann, vormals Profeſſor der Mathematik zu Wittenberg (Diſſ. de cuneo. Wittenb. 1751. 4. ), hat die Lehre vom Keile im Allgemeinen abgehandelt, und erwieſen, daß ſich uͤberhaupt fuͤr das Gleichgewicht beym Keile die Kraft zum Widerſtande, wie ſin. ACDXſin. GEF: coſ. CEF verhalte. Iſt hiebey die Richtung EG, nach der das749 Holz zuſammenzugehen ſtrebt, ſenkrecht auf die Seite des Spalts EF, wie dies doch mehrentheils der Fall ſeyn wird, ſo wird ſin. GEF = 1, und coſ. CEF = ſin. CEG, daher ſich das angegebne Verhaͤltniß in ſin. ACD: ſin. CEG oder EG: GC verwandelt, daß alſo fuͤr dieſen Fall de la Hire's Meynung richtig iſt.

Wenn der Keil an der Seite des Spalts voͤllig anliegt, wie die Gewoͤlbſteine, welche mit den Seitenflaͤchen an einander paſſen, ſo wird GC = GE. Fuͤr dieſen Fall iſt alſo Varignons Angabe richtig; zugleich auch die des Borellus, weil ſich wegen der aͤhnlichen Dreyecke CEG und CDA, EG: GC wie AD: AC verhaͤlt.

Fuͤr alle dieſe Faͤlle verhalten ſich auch die Raͤume, durch welche Kraft und Laſt zugleich bewegt werden, umgekehrt, wie Kraft und Laſt ſelbſt, oder wie GC: EG. Denn, indem der ſpaltende Keil um den Raum GC eindringt, wird der Theil des geſpaltenen Koͤrpers, der anfaͤnglich in G war, nach E gedruͤckt, alſo um den Raum EG fortbewegt.

Iſt hingegen die Richtung, nach welcher die getrennten Koͤrper widerſtreben, wie Taf. XII. Fig. 87., nicht ſenkrecht auf die Seite, ſondern parallel mit AB, ſo verwandelt ſich das Verhaͤltniß EG: GC in AD: DC, d. i. in das von Merſenne und Parent angenommene, wobey ſich wiederum die Raͤume in dem umgekehrten Verhaͤltniſſe GC: EG befinden, weil der Keil um den Raum GC eindringen muß, wenn der Koͤrper E von G bis E fortgebracht werden ſoll.

Das von Descartes und Wallis angegebne Verhaͤltniß AB: DC kan bey einem Keile, wie hier angenommen wird, gar nicht ſtatt finden. Die Vertheidiger deſſelben haben es aus dem Satze hergeleitet, daß ſich die Raͤume umgekehrt, wie die Kraͤfte verhalten. Sie haben aber dabey die Linie EH faͤlſchlich fuͤr den Raum angenommen, durch den ſich die getrennten Theile E und H bewegt haͤtten. Freylich ſind dieſe Theile, die anfaͤnglich in G beyſammen waren, jetzt um dieſe Linie von einander entfernt;750 jeder an ſich aber iſt doch nur durch GE oder GH, d. i. nur durch die Helfte dieſer Linie gegangen. Anſtatt alſo das Verhaͤltniß der Kraͤfte, wie EH: GC zu ſetzen, ſollten ſie es vielmehr EG: GC oder wie AD: DC annehmen, und s'Graveſande (Phyſices elem. mathematica, Leid. 1742. 4maj. To. I. Tab. X.), der das falſche Verhaͤltniß durch einen Verſuch erweiſen will, hat ſich, wie Baͤrmann (§. VI. ) ſehr deutlich zeigt, in Beſtimmung der Kraft, mit welcher ſeine beyden Walzen gegen einander gezogen werden, groͤblich geirret.

Die Umſtaͤnde, welche die Theorie vorausſetzt, ſind beym wirklichen Gebrauche des Keils ſelten vorhanden. In den meiſten Faͤllen iſt die Kraft kein Druck, ſondern ein Stoß oder Schlag, deſſen Staͤrke ſich nach den Geſetzen der Statik gar nicht beurtheilen laͤßt; auch wirkt der Keil nie ohne betraͤchtliches Reiben. Dennoch laͤßt ſich bey Berechnung des Drucks der Gewoͤlber die dahin gehoͤrige Theorie mit Nutzen anwenden; wie man denn auch aus den angegebnen Verhaͤltniſſen leicht uͤberſieht, daß ein ſpitziger Keil in allen Faͤllen mehr Wirkung thut, als ein ſtumpfer.

Alle Werkzeuge mit Schneiden oder Spitzen, z. B. Meſſer, Beile, Scheeren, Degen, Nadeln rc. wirken als Keile. Sie haben wenigſtens zwo unter einem ſpitzigen Winkel gegen einander geneigte Flaͤchen. Daß dieſer Flaͤchen bisweilen mehrere ſind, wie bey den vierſeitig pyramidaliſch zugeſpitzten Naͤgeln, oder gar unendlich viele, wie bey runden kegelfoͤrmig geſpitzten Koͤrpern, aͤndert die Theorie nicht, wenn anders alle Seiten mit der Axe einerley Winkel machen.

G. F. Baermann Diſſ. de cuneo Witeb. 1751. 5.

Kaͤſtner

Anfangsgr. der Mechanik, Goͤttingen, 1780. 8. Anm. §. 105. S. 63. u. f.

Kepleriſche Regeln, kepleriſche Geſetze des Planetenlaufs, Regulae Kepleri, Loix de Kepler.

Unter dieſem Namen ſind in der Sternkunde drey von Keplern entdeckte Geſetze des Planetenlaufs bekannt, auf welche751 ſich Newtons nachherige Entdeckungen nebſt der ganzen neuern Theorie der Planeten gruͤnden.

Das erſte dieſer Geſetze iſt, daß die Planeten nicht in Kreiſen, ſondern in Ellipſen laufen, in deren einem Brennpunkte die Sonne ſteht. Kepler kam auf die Entdeckung deſſelben durch die Betrachtung der Beobachtungen, welche Tycho uͤber den Lauf des Mars angeſtellt hatte, deſſen Eccentricitaͤt unter den uͤbrigen Planeten die groͤßte iſt. Er nahm zuerſt wahr, daß man die bisher angenommene Eccentricitaͤt dieſes Planeten, ſo wie die der Erde oder der Sonne, halbiren, und den wahren Mittelpunkt der Bahn, zwiſchen den Ort der Sonne und den Punkt, aus welchem die Bewegung des Planeten gleichfoͤrmig erſcheinen wuͤrde, mitten hineinſetzen muͤſſe. Dieſe Veraͤnderung machte ſchon eine Menge Weitlaͤufrigkeiten unnoͤthig, welche man bey den eccentriſchen Kreiſen der bisherigen Syſteme hatte anbringen muͤſſen, traf aber noch nicht voͤllig mit den wahren Stellen des Mars zwiſchen der Sonnennaͤhe und Sonnenferne uͤberein. Die berechneten Stellen eilten den beobachteten im erſten Quadranten der Bahn, von der Sonnenferne an gerechnet, vor, und blieben dagegen im dritten Quadranten hinter denſelben zuruͤck; auch fanden ſich die nach der Hypotheſe berechneten Diſtanzen von der Sonne, um die Seiten herum kleiner, als die aus den Beobachtungen gefolgerten.

Dieſe Umſtaͤnde zeigten, daß die Bahn kein Kreis ſey. Kepler nahm ſie anfaͤnglich, nach ſeinen eignen Ideen uͤber die Urſachen der himmliſchen Bewegungen fuͤr ein Oval von beſonderer Art an, entwarf dafuͤr Tafeln und Gleichungen, und bat ſeine Freunde, da er ſelbſt nicht Beobachter war, dieſe mit dem Himmel zu vergleichen. Den Erfolg hievon meldet er in folgender Stelle, die zugleich ein Beyſpiel ſeiner lebhaften Einbildungskraft und dichteriſchen Schreibart giebt. At dum de motibus Martis in hunc modum triumpho, eique ut plane devi cto tabularum carceres aequationumque compedes ne cto, diverſis nuntiatur locis, futilem victoriam, ac bellum tota mole recrudeſcere; nam domi quidam ca -752 ptivus, vt contemptus, rupit omnia aequationum vin cula, carceresque tabularum effregit. Iamque parum abfuit, quin hoſtis fugitivus ſeſe cum rebellibus ſuis con jungeret, meque in deſperationem adigeret, niſi ra ptim nova rationum Phyſicarum ſubſidia, fuſis et pa lantibus veteribus, ſubmiſiſſem, et qua ſeſe captivus proripuiſſet, veſtigiis ipſius nulla mora interpoſita in haeſiſſem. Er bemerkte nemlich, daß ſein Oval an den Seiten zu ſehr abgeplattet war, und ſubſtituirte demſelben die gewoͤhnliche apolloniſche Ellipſe. Auf dieſe Bedingung, ſagt er, ergab ſich der Gefangene. Kepler machte dieſe wichtige Entdeckung, die er zugleich auf alle uͤbrigen Planetenbahnen ausdehnte, und aus phyſiſchen Gruͤnden abzuleiten verſuchte, im Jahre 1609 bekannt (Aſt < * > onomia nova〈…〉〈…〉21, ſ. Phyſica caeleſtis tradita commentariis de motibus ſtellae Martis, Pragae 1609. fol.), und ſie iſt ſeitdem durch alle Beobachtungen einhellig beſtaͤtiget worden.

Das zweyte mit dem vorigen zugleich entdeckte Geſetz iſt dieſes, daß bey dem elliptiſchen Laufe der Planeten die Sectoren oedr Flaͤchenraͤume, welche die aus der Sonne nach dem Planeten gezogne Linie durchlaͤuft, ASM, MSm Taf. I. Fig. 17. ſich wie die Zeiten verhalten, in denen ſie durchlaufen werden. Im alten Syſtem hatte man die Bewegung im eccentriſchen Kreiſe gleichfoͤrmig, alſo die Cirkelſectoren den Zeiten proportional angenommen. Schon bey der Halbirung der alten Eccentricitaͤten ſahe Kepler, daß dies nicht mehr ſtatt finden koͤnne, und daß die Bewegung in der wahren Bahn wirklich ungleichfoͤrmig ſeyn, alſo auch aus dem Mittelpunkte ungleichfoͤrmig erſcheinen muͤſſe. Gluͤcklicher Weiſe kam er auf den Gedanken, die Sectoren von dem Orte der Sonne aus gezogen der Zeit proportional anzunehmen, und den Punkt, aus dem die Bewegung gleichfoͤrmig erſcheint, in den Mittelpunkt des alten Syſtems, oder jenſeits des neuen Mittelpunkts, von der Sonne um die doppelte Eccentricitaͤt entfernt, zu ſetzen. Als er zuletzt die apolloniſche Ellipſe fuͤr die Geſtalt der Bahn erkannte,753 ward dieſer letztere Punkt der andere Brennpunkt der Ellipſe; er fand, daß aus demſelben die Bewegung zwar nicht voͤllig, aber doch beynahe gleichfoͤrmig erſchiene; daß aber die Proportionalitaͤt der Sectoren, die aus der Sonne oder dem erſten Brennpunkte gezogen wurden, mit den Zeitraͤumen, in allen Beobachtungen genau ſtatt fand. Durch dieſen Gang der Ideen ward die zwote Regel zugleich mit der erſten entdeckt.

Nach dieſen Regeln berechnete er nun ſeine Tafeln. Er nahm die ganze Flaͤche der elliptiſchen Bahn fuͤr 360° an, theilte ſie in Gedanken vom Brennpunkte aus in 360 gleiche Sectoren, welche die mittlern Anomalien von Grad zu Grad vorſtellten, und ſuchte die jedem Sector zukommenden Winkel an der Sonne, welche die wahren Anomalien gaben. Der Unterſchied zwiſchen beyden iſt die Aequation oder Gleichung der Bahn, durch welche er nach der vorhin angefuͤhrten Stelle den Planeten zu feſſeln ſuchte, ſ. den Artikel: Anomalie.

Das dritte Geſetz, daß ſich bey Koͤrpern, welche um einerley Hauptkoͤrper laufen, die Quadratzahlen der Umlaufszeiten, wie die Wuͤrfel der mittlern Entfernungen vom Hauptkoͤrper verhalten, erfand dieſer große Geometer etwas ſpaͤter, und durch eine Veranlaſſung, die er ſeinem Hange zum Wunderbaren zu danken hatte. Als ein Mann von lebhafter Phantaſie, der auch nach dem Geſchmacke der damaligen Zeit die Aſtrologie trieb, und allerhand beſondere Uebereinſtimmungen in Zahlen und Verhaͤltniſſen ſuchte, glaubte er nach Art der Pythagoraͤer eine eigne Harmonie zwiſchen den Toͤnen der Muſik, den regulaͤren Koͤrpern der Geometrie und den Entfernungen und Groͤßen der Planeten zu finden. Bey dieſen Beſchaͤftigungen fiel er darauf, die Umlaufszeiten der Planeten um die Sonne mit ihren Entfernungen von derſelben zu vergleichen. Iupiter z. B. ſteht 5 1 / 5mal weiter von der Sonne ab, als die Erde, und braucht zu ſeinem Umlaufe 11 6 / 7mal mehr Zeit. Alſo verhalten ſich die Umlaufszeiten nicht ſo, wie die Entfernungen. Aber vielleicht verhalten ſich gewiſſe Potenzen oder Wurzeln dieſer Groͤßen auf einerley754 Art. In der That iſt auch die Quadratzahl von 11 6 / 7 beynahe der Cubikzahl von 5 1 / 5 gleich. Beyde betragen ſehr wenig uͤber 140. Am 8. Maͤrz 1618 hatte Kepler dieſen Einfall zum Erſtenmale; er verglich verſchiedene Potenzen, ja ſogar die Quadrate der Umlaufszeiten und Wuͤrfel der Entfernungen einiger Planeten: aber ein Rechnungsfehler verhinderte fuͤr diesmal den Erfolg. Am 15ten May kam er wieder darauf, und fand mit einer Freude, die er ſehr lebhaft beſchreibt, die allgemeine Uebereinſtimmung, die er ſogleich oͤffentlich bekannt machte (Epitome aſtronomiae Copernicanae, Lincii, 1618. 8. Harmonicae mundi libri V. Linc. 1619. fol. p. 189.). Eben dieſes Geſetz findet auch bey dem Umlaufe der Iupiters - und Saturnsmonden um ihre Hauptplaneten ſtatt.

Dieſe drey Regeln, welche den copernikaniſchen Weltbau als wahr vorausſetzen, wurden von den Aſtronomen mit verdientem Beyfall aufgenommen und trugen viel dazu bey, das Anſehen dieſes Weltſyſtems zu befeſtigen. Welche Freude wuͤrde es fuͤr ihren vortreflichen Erfinder geweſen ſeyn, die bewundernswuͤrdigen Folgen zu kennen, welche Newton funfzig Jahre darauf aus dieſen Regeln zog, als er das Geſetz der Gravitation aus ihnen herleitete, und die Mechanik des Himmels darauf gruͤndete. Kepler hatte ſie blos aus Beobachtungen gezogen; Newton leitete aus ihnen ein noch allgemeineres Geſetz her, deſſen wirkliches Daſeyn er aus dem Mondlaufe erwies, ſ. Gravitation. Dadurch ſind ſie zu dem Range erwieſener Naturgeſetze erhoben worden. Sie fließen nemlich aus den Geſetzen der Centralbewegung und der Gravitation als nothwendige Folgen ab, wie fuͤr das erſte Geſetz aus Th. I. S. 475. dieſes Woͤrterbuchs bey I., fuͤr das zweyte aus S. 471., fuͤr das das dritte aus S. 480. bey V. im Art. Centralbewegung, erhellet.

Die Gewißheit dieſer Regeln iſt ſo feſt beſtaͤtiget, daß man ſie ohne alles Mißtrauen, ſelbſt bey neuen Beſtimmungen, zum Grunde legt, wenn andere Mittel fehlen. So wuͤrden wir z. B. nicht im Stande ſeyn, die Entfernung des neuentdeckten Planeten Uranus von der Sonne anzugeben,755 weil ſein Abſtand zu groß iſt, um eine merkliche Parallaxe zu geben. Weil man aber aus ſeiner Bewegung ſchließen kan, daß er ſeinen Umlauf in (82 5 / 12) Jahren vollende, wovon die Quadratzahl 6791 zugleich der Wuͤrfel von (18 9 / 10) iſt, ſo ſchließt man nach der dritten kepleriſchen Regel mit aller Sicherheit, daß er von der Sonne beynahe 19mal weiter, als die Erde, entfernt ſey.

Montucla Hiſt. des mathem. To. II. P. IV. L. 4. §. 1.

De la Lande aſtronom. Handb. Leipz. 1775. gr. 8.

Kieſel, Silices, Cailloux.

Diejenigen Steine, deren einzigen oder Hauptbeſtandtheil die Kieſelerde ausmacht. Sie brauſen nicht mit dem darauf getroͤpfelten Scheidewaſſer, geben mit dem Stahle Funken, ſchneiden in Glas, und widerſtehen dem Feuer ſehr ſtark. Zu dieſer Claſſe von Steinen gehoͤrt der Bergkryſtall, der Quarz, der gemeine Kieſel, Sand, Sandſtein, Hornſtein, Iaſpis, Agat, rc. Nach Bergmanns neuern Beſtimmungen macht auch die Kieſelerde, mit Thonerde und etwas Kalkerde verbunden, den vornehmſten Beſtandtheil der Edelſteine aus.

Kieſelerde, Glaserde, glasachtige, verglasliche Erde, Terra ſilicea ſ. vitreſcibilis, Terre de caillou, Terre vitrifiable.

Eine eigne von den uͤbrigen weſentlich verſchiedene Erde, welche von keiner Saͤure, außer der des Flußſpaths, aufgeloͤſet wird, mit derſelben beym Anſchießen den Bergkryſtall giebt, von den aͤtzenden fixen Laugenſalzen auf dem naſſen Wege angegriffen wird, auf dem trocknen mit ihnen Glas giebt, rein hingegen dem Feuer außerordentlich widerſtehet.

Die reine Kieſelerde iſt im Waſſer unaufloͤslich, und kan nur fein zertheilt unſichtbarer Weiſe darinn ſchweben. Sie erregt auch ganz und gar keinen Geſchmack auf der Zunge. Fuͤr ſich allein kan ſie weder durch unſer Kuͤchenfeuer, noch durch die Hitze des Brennpunkts geſchmolzen werden, und fuͤhrt alſo den Namen der verglaslichen Erde nicht ganz ſchicklich. Man hielt ſonſt die fixen Laugenſalze756 fuͤr die einzigen Aufloͤſungsmittel derſelben; neuere Entdeckungen aber haben gelehrt, daß die Flußſpathſaͤure ebenfalls zu denſelben gehoͤre, ſ. Flußſpathſaͤure. Beym Zuſammenſchmelzen der Kieſelerde mit den Laugenſalzen entſteht ein ſtarkes Aufſchwellen und Aufbrauſen, wobey eine Menge Luftſaͤure entbunden wird.

Wenn man reine kieſelartige Steine mit vier Theilen Weinſteinſalz, oder auch gutes weißes Glas mit drey Theilen deſſelben ſchmelzet, ſo erhaͤlt man eine durchſichtige, alkaliſch ſchmeckende Maſſe, welche an der Luft zerfließt, und dadurch die Kieſelfeuchtigkeit (liquor ſilicum) giebt. Das Laugenſalz laͤßt hiebey die Luftſaͤure fahren, welche ſeine Vereinigung mit der Kieſelerde hinderte, und wird das Zwiſchenmittel der Verbindung des Waſſers mit der Kieſelerde. Aus der Kieſelfeuchtigkeit ſchlaͤgt jede Saͤure die Erde wiederum nieder, und man bedient ſich dieſes Mittels, die Kieſelerde ſo rein zu erhalten, als die Natur ſie nie liefert, indem man Vitriolſaͤure im Uebermaaße zuſetzt, in welcher ſich die beygemiſchten fremden Erden aufloͤſen. Bergmann (De terra ſilicea, in Opuſc. Vol. II. ) giebt die ſpecifiſche Schwere dieſer getrockneten reinen Kieſelerde 1,975 an.

Da die Kieſelerde die Eigenſchaften, welche die Erden vornehmlich auszeichnen, als Haͤrte, Schwere, Unſchmelzbarkeit, Feuerbeſtaͤndigkeit rc. in vorzuͤglich hohem Grade beſitzt, ſo iſt ſie von einigen Chymikern, welche Elemente anzunehmen geneigt ſind, z. B. von Macquer, als die einfachſte und elementariſche Erde betrachtet worden, aus welcher die Natur erſt in der Folge durch Organiſation in thieriſchen Koͤrpern und Pflanzen, und durch andere Bearbeitungen, die uͤbrigen Erden hervorgebracht habe. Es iſt aber uͤberhaupt mißlich, von Elementen zu ſprechen, und uͤberdies kan man durch keinen Verſuch zeigen, wie ſich Kieſelerde in Thon - oder Kalkerde verwandeln koͤnne. Was man dafuͤr hat anfuͤhren wollen, daß der aus der Kieſelfeuchtigkeit bereitete Niederſchlag einen Antheil von Alaunerde gebe, das kam nach Bergmann (Phyſik. Erdbeſchr. Th. II. S. 258.) und Leonhardi (Anm. zum757 Macquer, Art. Erde, verglasliche) von der Thonerde her, die das Vitrioloͤl aus den irdenen Gefaͤßen aufgeloͤſet hatte, und fiel weg, wenn man eiſerne Gefaͤße gebrauchte.

In der Natur findet ſich dieſe Erde am reinſten im Bergkryſtall, welchen Bergmann durchs Anſchießen einer Aufloͤſung der Kieſelerde in Flußſpathſaͤure erhalten hat, ſ. Flußſpathſaͤure. Die uͤbrigen Erden, welche ſich in allen Saͤuren aufloͤſen, werden im Gegenſatz mit der Kieſelerde abſorbirende, ſaͤurebrechende, auch alkaliſche Erden genannt.

Gren ſyſtem. Handbuch der Chemie, Th. I. S. 386. u. f.

Klang, Klingen, Clangor, Son clair.

Ein Schall wird klingend oder ein Klang genannt, wenn die Schwingungen, die er den Lufttheilchen eindruͤckt, die Empfindung eines einzigen Tons oder auch mehrerer Toͤne erregen, die man aber doch deutlich unterſcheiden kan. Dem Klange wird der dumpfe Schall, oder das Geraͤuſch, Getoͤſe entgegengeſetzt, in welchem ſich gar kein Ton unterſcheiden laͤßt. Der Klang ſelbſt iſt entweder rein, wenn man nur einen Ton oder mehrere conſonirende Toͤne hoͤrt, oder unrein, wenn die zugleich gehoͤrten Toͤne diſſoniren. Da die Toͤne von der Geſchwindigkeit oder Zeitdauer der Schwingungen abhaͤngen, ſ. Schall, Ton, ſo ſind die klingenden Koͤrper von den blos ſchallenden darinn unterſchieden, daß die letztern Schwingungen von hoͤchſt verſchiedener und mannichfaltiger Geſchwindigkeit und Dauer, jene aber blos gleichzeitige oder ſolche erregen, die in Betracht ihrer Geſchwindigkeiten nur nach gewiſſen Verhaͤltniſſen von einander abgehen.

Jeder klingende Koͤrper kan verſchiedene Toͤne geben, je nachdem ſeine natuͤrliche Geſtalt von den Schwingungslinien entweder gar nicht, oder in 1, 2, 3 und mehrern Stellen durchſchnitten wird. Dieſe Stellen heißen Schwingungsknoten; ſie bleiben in Ruhe, waͤhrend die uͤbrigen Theile des klingenden Koͤrpers ſich bewegen. Saiten geben, wenn kein Schwingungsknoten entſteht, den Grundton, bey 1, 2, 3 Schwingungsknoten aber harmoniſche Toͤne, welche in der Progreſſion 2, 3, 4 fortſchreiten. An elaſtiſchen758 Staͤben und Blechſtreifen, wie auch an Ringen, Scheiben, Glocken u. dgl. ſind die Verhaͤltniſſe anders.

Die Klaͤnge der Staͤbe und Streifen hat zuerſt Daniel Bernoulli in den Commentarien der Petersburger Akademie unterſucht, Euler (Inveſtigatio motuum, quibus laminae et virgae elaſticae contremiſcunt, in Comm. Acad. Petrop. 1779. P. I. p. 103. ſeq. ingl. Methodus inveniendi curvas maximi minimive proprietate gaudentes, Additam. I. de curvis elaſticis. ) und Riccati (Delle vibrazioni ſonore dei cilindri, in den Memorie di matematica e fiſica, Verona, 1782. To. I.) haben daruͤber die genauſten Berechnungen angeſtellt. Bey Staͤben von einerley Materie verhalten ſich die Grundtoͤne, und die gleichartigen Toͤne uͤberhaupt, wie die Dicken der Staͤbe, und umgekehrt, wie die Quadrate ihrer Laͤngen. Bey den Blechſtreifen ſteht die abſolute Elaſticitaͤt im zuſammengeſetzten Verhaͤltniſſe der Steifigkeit ihrer Materie, ihrer Breite, und des Wuͤrfels ihrer Dicke. Hieraus folgt, daß ſich die Quadrate der Schwingungszeiten, wie verhalten, wenn L die Laͤnge, G das Gewicht, E die abſolute Elaſticitaͤt des Stabs bedeutet. Dies weicht von dem, was beym Worte: Elaſticitaͤt (Th. I. S. 707.) von den Saiten geſagt worden iſt, allerdings ab, und beweiſet, daß man elaſtiſche Staͤbe und Bleche nicht nach den Geſetzen der Saiten beurtheilen darf, wie doch ſelbſt Euler (Tentam. novae theor. Muſicae Cap. 1. §. 23.) gethan hat, ehe er auf Bernoulli Veranlaſſung genauere Unterſuchungen hieruͤber anſtellte.

Ueber die Klaͤnge der Ringe und Glocken haben Euler (De ſono campanarum, in Nov. Comm Petrop. To. X.) und insbeſondere uͤber die Harmonicalglocken Golovin (Act. Acad. Petrop. pro anno 1781. P. II.) Unterſuchungen angeſtellt, mit denen aber die Erfahrung nicht genug uͤbereinſtimmt. Herr D Chladni in Wittenberg (Entdeckungen uͤber die Theorie des Klanges. Leipz. 1787. 4. )759 hat dieſes Fach der Experimentalunterſuchung ſehr gluͤcklich erweitert, und uͤber die Klaͤnge elaftiſcher Ringe, Rectangelſcheiben, Glocken, runder Scheiben, Quadratſcheiben u. ſ. w. eine Menge ſchaͤtzbarer Verſuche angeſtellt. Er legte in dieſer Abſicht den klingenden Koͤrper auf eine oder mehrere Stuͤtzen, von Bindfaden, gedrehtem Papier, den Finger u. dgl. An den Orten dieſer Unterſtuͤtzung entſtehen beym Klange ſelbſt Schwingungsknoten, oder vielmehr: es laufen die feſten Linien, die beym Schwingen der uͤbrigen Theile unbewegt bleiben, durch dieſe Punkte. Er beſtreute dann den Koͤrper mit etwas Sand, und ſtrich ihn an einer Stelle des Randes mit dem Violinbogen, wodurch er jederzeit einen ſehr merklichen Klang erhielt. Der Sand ward von den ſchwingenden Theilen abgeworfen, und ſammelte ſich auf den Schwingungsknoten oder feſten Linien, welche mehrentheils regelmaͤßige Figuren bildeten. Hiedurch erhielt er ein Mittel, die verſchiedenen Klaͤnge der unterſuchten Koͤrper ſichtbar darzuſtellen, deſſen er ſich mit gutem Erfolge bedient, und 166 verſchiedene Klangfiguren in Abbildungen mitgetheilt hat.

Dieſe Verſuche widerlegen ſehr deutlich den Irrthum, den nach Carre und de la Hire (Mém. de Paris, 1709. et 1716.) ſo viele Phyſiker angenommen haben, daß beym Klange eine Erzitterung der kleinſten Theile vorgehe. Vielmehr bleiben bey jedem Klange gewiſſe feſte Stellen des Koͤrpers unbewegt, und um dieſe herum oſcilliren die uͤbrigen Theile ſo, daß die gegenuͤberliegenden allezeit nach entgegengeſetzten Seiten gehen. Bey einer Glocke oder runden Scheibe hoͤrt man den Grundton, wenn ſie ſich 45° und 135° weit von der angeſchlagnen oder geſtrichnen Stelle durch zwo feſte Linien in vier Quadranten theilt, von denen jeder fuͤr ſich oſcillirt. Außerdem aber kan ſie noch ſehr viele andere harmoniſche Toͤne geben, bey denen 3, 4 oder mehrere feſte Linien vorkommen, oder wo die natuͤrliche Geſtalt in 1, 2, 3 und mehrern concentriſchen Kreiſen, oder auch in Linien und Kreiſen zugleich durchſchnitten wird. Der einfachſte dieſer Toͤne, wobey die Scheibe durch drey feſte Linien in ſechs einzeln ſchwingende Theile eingetheilt760 wird, iſt um eine große None hoͤher, als der Grundton. Man erhaͤlt dieſen Ton, wenn man die Scheibe in der Mitte haͤlt, zugleich noch eine andere Stelle am Rande beruͤhrt, und 30° oder 90° weit davon mit dem Bogen ſtreicht u. ſ. w.

Toͤne, welche aͤhnliche Figuren geben, nennt Herr Chladni gleichartige. Bey Staͤben, Scheiben und Glocken werden ſie tiefer, wenn die Dicke geringer iſt; da hingegen bey den Saiten die duͤnnere einen hoͤhern Ton angiebt. Aus dem bloßen Gewichte der Koͤrper laͤßt ſich auf den Ton, oder auf die Hoͤhe und Tiefe des Klanges gar nicht ſchließen: bleibt aber bey Staͤben das Verhaͤltniß der Laͤnge zur Dicke, und bey Scheiben und Glocken das Verhaͤltniß des Durchmeſſers zur Dicke eben daſſelbe, ſo verhalten ſich die gleichartigen Toͤne, wie die Cubikwurzeln der Gewichte. Hieraus wird die im Artikel Akuftik angegebne Erzaͤhlung von den Haͤmmern des Pythagoras voͤllig unwahrſcheinlich.

Das Mitklingen mehrerer Toͤne mit dem Grundtone zugleich, iſt zwar, wie Euler und Bernoulli richtig gezeigt haben, moͤglich und wird in der Erfahrung haͤufig gefunden; allein es iſt keineswegs nothwendig. Es iſt alſo falſch, wenn Erxleben (Anfangsgr. der Naturl. §. 291.) behauptet, man hoͤre in jedem Klange gewiſſermaßen alle Toͤne mit, vorzuͤglich außer dem Grundtone allemal noch die Octave deſſelben, die Octave der Quinte, und die doppelte Octave der großen Tertie; ſo wie in Sulzers allgemeiner Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte unter dem Artikel Klang geſagt wird: Jeder Ton iſt ein Accord, da durch hoͤrt der Ton auf, ein bloßes Klappern zu ſeyn . Inzwiſchen ſind aus dieſem zufaͤlligen Mitklingen harmoniſcher Toͤne von Rameau (Traité de l'harmonie. à Paris, 1722. 4. ) und Iamard (Recherches ſur la theorie de la Muſique, à Paris et Rouen, 1769. 8. ) faſt alle Grundſaͤtze der Harmonie hergeleitet worden. Bey den Saiten findet ſich zwar dieſes Mitklingen mehrentheils, es ſind aber die Toͤne deſſelben keinesweges als nothwendige Beſtandtheile des Klanges anzuſehen. 761

Ueber die verſchiedenen Schwingungsarten der Saiten hat zuerſt Sauveur (Mém. de Paris, 1701.), nachher Brook Taylor (Methodus incrementorum, Lond. 1715. 4. ), Daniel Bernoulli (Mém. de Berlin 1753, 1765.), Euler (Nov. Comm. Petrop. To. IV. XV. XVII. XIX. Acta Acad. Petrop. 1779. 1780. 1781. Mém. de Berl. 1748. 1753. 1765. ), de la Grange (Miſc. Taurinenſ. To. I. II. III. ), Young (Enquiry in to the principal phaenomena of ſounds and muſical ſtrings. Dublin, 1784. 8. ) uͤber die Toͤne der Blasinſtrumente Bernoulli (Theorie des tons de l'orgue, Mém. de Paris, 1762.) und Lambert (Sur les tons des flûtes, Mém. de Berlin, 1775.) theoretiſche Unterſuchungen angeſtellt.

Herr Buſſe (Kleine Beytraͤge zur Mathematik und Phyſik. Erſter Theil, Leipz. 1786. S. 131. f.) bemerkt, daß er bey den Toͤnen reiner Blasinſtrumente nur einen einfachen Ton zu hoͤren im Stande ſey, ſo wie auch bey dem Anſchlagen der Saiten, wenn alle uͤbrigen Saiten des Inſtruments gehoͤrig gedaͤmpft ſind, die klingende Saite allenthalben gleichartig und von gleicher Dicke iſt, und die Nebenſchwingungen vermieden werden, welche etwa durch die Beruͤhrungsſtelle verurſacht werden koͤnnten.

Eben derſelbe gedenkt auch einer Erſcheinung, welche aus der Verbindung der ſchwingenden Bewegung mit einer drehenden zu entſtehen ſcheint. Der Raum, ſagt er, durch welchen die Saite ſchwingt, erſcheint uns wie eine Flaͤche, deren aͤußere krummlinigte Grenzen vorzuͤglich ſtark ins Auge fallen. Weil ſich nemlich die ſchwingende Saite laͤnger an den beyden Grenzen, als in der Mitte, aufhaͤlt, ſo hat man ungefaͤhr das Bild, als ob an den Grenzen zwo Saiten geſpannt waͤren, und die dazwiſchen fallende Flaͤche aus einem duͤnnen Spinnengewebe beſtuͤnde. Beruͤhrt man nun die Saite weit von ihrem Mittelpunk te, ſo ſcheint ſich zwiſchen den beyden Saitenbildern an den Grenzen der Flaͤche, ein drittes Saitenbild langſam hin und her zu bewegen Jenſeits der Mitte bewegt ſich das dritte Saitenbild entgegengeſetzt, und an andern762 Stellen ſcheinen ſich zwey ſolche Saitenbilder gegen einan der zu bewegen. Herr Chladni hat die Entſtehung dieſer Erſcheinung durch die Schwingungen eines duͤnnen ſtaͤhlernen Stabs, den man in einen Schraubenſtock einklemmt, und unter einem ſchiefen Winkel mit der Muͤndung des Schraubenſtocks losſchnellen laͤßt, ſehr deutlich erklaͤret.

Chladni Entdeckungen uͤber die Theorie des Klangts, 1787. 4. mit 11. Kupfertafeln.

Kleiſtiſcher Verſuch, ſ. Flaſche, geladne.

Klima, Clima, Climat.

Die alten Geographen, wie Ptolemaͤus (Geogr. L. I. c. 8.), theilten die Erdflaͤche durch Parallelkreiſe mit dem Aequator ſo, daß von jedem ſolchen Kreiſe bis zum folgenden die Dauer des laͤngſten Tages um eine halbe Stunde zunahm. Die Flaͤchenraͤume zwiſchen dieſen Kreiſen nannten ſie Klimata, welches Wort ſoviel, als: Lagen der Orte bedeutet. So gieng das erſte Klima vom Aequator, wo jede Taglaͤnge 12 St. betraͤgt, bis an den Parallelkreis, unter welchem der laͤngſte Tag 12 1 / 2 St. dauert; unſere Gegenden, deren laͤngſter Tag gegen 16 1 / 2 St. betraͤgt, fallen hiebey in das neunte Klima.

Nach dieſer Eintheilung finden vom Aequator bis an jeden Polarkreis, wo der laͤngſte Tag 24 Stunden dauert, 24 Klimata ſtatt. Innerhalb der Polarkreiſe waͤchſt der laͤngſte Tag ſo ſchnell, daß er einen Grad weiter nach dem Pole zu, ſchon einen Monat lang iſt. Einige haben daher die kalten Zonen noch in ſechs Klimata getheilt, in deren jedem, vom Anfange bis zum Ende, der laͤngſte Tag um einen Monat waͤchſt. Man findet von dieſen, jetzt nur noch zur Erklaͤrung der Alten brauchbaren Eintheilungen beym Riccioli (Geogr. reform. L. VII. c. 9.) und Varenius (Geogr. gener. Sect. VI. c. 25.) umſtaͤndlichere Nachricht.

Weit gewoͤhnlicher verſteht man anjetzt unter dem Worte Klima das einem Orte eigne Verhalten der Witterung, in Abſicht auf Waͤrme und Kaͤlte, Abwechſelungen der Jahrszeiten, Feuchtigkeit und Trockenheit der Luft, Fruchtbarkeit,763 u. ſ. w. Daß die Hauptverſchiedenheiten der Waͤrme und der Jahrszeiten von der Wirkung der Sonnenſtralen herruhren, faͤllt bey Vergleichung der Witterung in den verſchiedenen Zonen der Erdflaͤche deutlich in die Augen. Wieviel nun hiebey auf die Sonne allein ankomme, das haben Halley (Philoſ. Trans. Num. 23. art. 9.), Mairan (Mém. de Paris, ann. 1719.), Simpſon (Treatiſe of fluxions, p. 182 ſq. ), Kaͤſtner (Hamburg. Magazin, II. B. 426. S. ingl. bey Lulofs Einl. zur Kenntniß der Erdkugel. Anm. S. 97 u f.), Euler (Comm. Acad. Petrop. To. XI. ) auf mathematiſche Berechnung zu bringen geſucht.

Halley ſieht blos darauf, daß ſich die Wirkung eines ſchiefen Stoßes, wie der Sinus ſeines Winkels mit der geſtoßenen Flaͤche, verhaͤlt, ſ. Stoß. Er ſetzt daher die augenblickliche Wirkung der Sonne auf einen gewiſſen Theil der Erdflaͤche, dem Sinus der Sonnenhoͤhe h proportional. Die Totalſumme aller dieſer augenblicklichen Wirkungen waͤhrend eines ganzen Tages findet er, nach der Gewohnheit der damaligen Schriftſteller, geometriſch, durch Vergleichung mit der Flaͤche eines huffoͤrmigen Cylinderabſchnitts. Auf Rechnung gebracht, wird das Element dieſer Totalſumme (wenn dt das Element des Stundenwinkels oder Zeitbogens iſt) = ſin. h. dt, deſſen Integration (wenn der Sinus der Breite des Orts = s; der Coſinus = c; der Sinus der Abweichung der Sonne = x; der Coſinus = y geſetzt wird) fuͤr die Wirkung der Sonne bis auf die Mittagsſtunde, wo t dem halben Tagbogen gleich wird, giebt. Fuͤr Orte unter dem Aequator, wo s = 0 und c = 1, t aber = 90°, wird dieſe Formel = y, alſo die Wirkung fuͤr den ganzen Tag = 2y, welches am Tage der Nachtgleiche, wo y = 1 iſt; 2,0000 betraͤgt. Fuͤr Leipzig (die Breite = 51°20′, die groͤßte Abweichung der Sonne = 23°28′, den halben Tagbogen am laͤngſten Tage = 123°, am kuͤrzeſten = 57° geſetzt) findet ſich hieraus die Wirkung der Sonne764

Man hat aber mit Recht erinnert, daß hiebey nicht allein auf den Stoß jedes einzelnen Strales, ſondern zugleich auf die Menge der Sonnenſtralen zu ſehen ſey, welche die Erdflaͤche aufnimmt, und welche ſich ebenfalls, wie der Sinus des Einfallswinkels oder der Sonnenhoͤhe h verhaͤlt. Demnach iſt die augenblickliche Wirkung im Verhaͤltniſſe des Quadrats von ſin. h, und das Element der Summe verwandelt ſich in ſin. h dt. Die Integration dieſer Formel giebt fuͤr die taͤgliche Wirkung welcher Ausdruck ſich fuͤr Orte unter dem Aequator, wo s = 0; c = 1; t = 1 / 2π; coſ. t = 0 iſt, in 1 / 2πy, und fuͤr den Tag der Nachtgleiche, wo y = 1, in 1 / 2π = 1, 5707 verwandelt.

Fuͤr Leipzig giebt ſie die Wirkung der Sonnenwaͤrme

Dem zu Folge waͤre die Sonnenwaͤrme am laͤngſten Tage bey uns eben ſo groß, als unterm Aequator, und verhielte ſich zu der am kuͤrzeſten Tage wie 22 zu 1.

Es iſt aber hiebey noch nicht auf den verſchiedenen Abſtand der Sonne von der Erde, und auf die Schwaͤchung der Sonnenſtralen bey ihrem Durchgange durch den Luftkreis geſehen. Mairan, der alle dieſe Urſachen zuſammennimmt, findet durch einen ungefaͤhren Ueberſchlag die Wirkung der Sonnenwaͤrme am laͤngſten und kuͤrzeſten Tage fuͤr Paris, wie 66 zu 1. Da nun Amontons (Mém. de Paris, 1702.) vermittelſt ſeines Luftthermometers die wirkliche Waͤrme zu Paris am laͤngſten und kuͤrzeſten Tage nur im Verhaͤltniſſe 8: 7 gefunden hatte, ſo erklaͤrt Mairan dieſe große Abweichung ſehr gluͤcklich durch eine in der Erde bleibende Grundwaͤrme, welche ſich zu der von der Sonne im Winter erregten Waͤrme, wie 393: 1765 verhalte. Nach dieſer Hypotheſe iſt die wirkliche Waͤrme des Sommers zu der des Winters wie 393+66: 393+1, d. i. wie 459: 394 oder faſt, wie 8: 7. Mairans uͤbrige Gruͤnde fuͤr das Daſeyn dieſer Grundwaͤrme findet man bey dem Worte: Centralfeuer. Nach dieſer Hypotheſe hat Mairan (Nouvelles recherches ſur la cauſe generale du chaud en été et du froid en hiver, à Paris, 1768. 4. maj.) Tafeln fuͤr die Waͤrmen des laͤngſten und kuͤrzeſten Tages unter verſchiedenen Breiten berechnet, welche man auch beym Bergmann (Phyſik. Beſchreibung der Erdkugel, II B. §. 140. 141. ) findet.

Es verbinden ſich aber zur Beſtimmung der Waͤrme und des Klima uͤberhaupt, mit der Wirkung der Sonne noch ſehr viele andere Urſachen, z. B. die im Luftkreiſe vorgehenden Verbindungen, Zerſetzungen und Niederſchlaͤge, die Wirkung der Ausduͤnſtung der Erdflaͤche, die Mittheilung der Temperatur anderer Orte durch Winde. Daher iſt das wahre Klima eines Orts von dem berechneten Sonnen - oder geographiſchen Klima, welches doch blos von der Breite des Orts abhaͤngt, gaͤnzlich unterſchieden. Das viele Lokale hiebey macht es ſehr ſchwer, die Beobachtungen auf eine allgemeine Theorie zuruͤckzubringen.

Mayer (De variationibus thermometri accuratius definiendis in Tob. Mayeri Opp. ineditis. Gotting. 1775. 4. maj. Num. I.) thut den ſchoͤnen Vorſchlag, fuͤr die mittlern Waͤrmen der Orte Tafeln nach einer Theorie zu verfertigen, und dieſe wegen der Hoͤhe der Orte und der jaͤhrlichen und taͤglichen Abwechſelungen, durch Gleichungen, nach Art der aſtronomiſchen Rechnung, zu berichtigen. Er legt den Satz zum Grunde, daß ſich die Abnahme der mittlern Waͤrme nach dem Quadrate des Sinus der Breite richte, welcher aus der obigen Formel folgt, wenn man ſie fuͤr die Waͤrme am Tage der Nachtgleiche einrichtet, wofuͤr ſie 1 / 2πc = 1 / 2π (1 s) giebt, daß alſo die Abnahme dieſer Waͤrme gegen die ganze unterm Aequator ſtatt findende, wie s gegen 1 iſt. Setzt man nun die mittlere Waͤrme unterm Aequator = 24 reaum. Grade, die unter766 den Polen = 0, ſo findet man ſie unter der Breite s = 24 (1 s) Grade. Hieraus entſteht folgende Tabelle

BreiteReaum.GradeBreiteReaum.Grade.
  0°2450°10
  523 3 / 4558
1023 1 / 4606
1522 1 / 2654 1 / 4
2021 1 / 4702 3 / 4
2519 3 / 4751 1 / 2
3018803 / 4
3516851 / 4
401490°0
4512

Von den Angaben dieſer Tafel ſoll nun noch fuͤr jede 100 Toiſen Hoͤhe uͤber der Meeresflaͤche 1 Grad abgezogen werden, weil die beſtaͤndige Schneegrenze unter dem Aequator 2400 Toiſen hoch liegt, alſo in dieſer Hoͤhe die Waͤrme um 24 Grad vermindert wird. So koͤmmt fuͤr Goͤttingen, deſſen Hoͤhe uͤber dem Meere 70 Toiſen betraͤgt, nach einem Abzuge von (70 / 100) oder 3 / 5 Grad, die mittlere Waͤrme 9 Grade. Fuͤr die jaͤhrlichen Abwechſelungen nimmt Mayer an, das Maximum und Minimum der Waͤrme falle bey uns, wenn die Sonne 30° uͤber das Solſtitium hinaus ſey, unter dem Aequator aber ins Solſtitium ſelbſt, und die groͤſte jaͤhrliche Veraͤnderung betrage unter dem Aequator 0, in unſern Gegenden 10 Grad, unter den Polen 13 Grad. Nach dieſen Vorausſetzungen ließen ſich Tafeln fuͤr jeden Grad der mittlern Waͤrme verfertigen. Folgende fuͤr 8 Grad kan zum Beyſpiele dienen.

MonateTageMonateTage
1112111121
Jan. 1 1 / 2 2 2Jul.17 1 / 21818
Febr. 2 1 1 / 2 0 1 / 2Aug.1817 1 / 216 1 / 2
Maͤrz+ 0 1 / 21 1 / 23Sept.15 1 / 214 1 / 213
April4 1 / 26 1 / 4  8Oct.11 1 / 29 3 / 4  8
May9 3 / 411 1 / 213Nov.6 1 / 44 1 / 2  3
Jun.14 1 / 215 1 / 216 1 / 2Dec.1 1 / 2+  0 1 / 2 0 1 / 2

767

Herr Profeſſor Lichtenberg bemerkt in den Zuſaͤtzen zu den Mayeriſchen Abhandlungen, daß die nach dieſen Tafeln berechneten mittlern Waͤrmen mit den beobachteten, die der P. Cotte (Traité de meteorologie, Paris, 1774. 4. ) mittheilt, ſehr wohl uͤbereinſtimmen, ſoviel den Raum der Erdflaͤche betrift, welcher zwiſchen den Parallelen von Stockholm und dem Cap der guten Hoffnung und zwiſchen den Meridianen von Stockholm und Mexico eingeſchloſſen iſt.

Dieſen von Mayer angegebnen Weg hat Kirwan (An Eſtimate of the temperature of different latitudes, Lond. 1787. 8. Kirwans Angabe der Temperatur von den verſchiedenen Breiten rc. a.d. Engl. v. Crell, Berl. 1788. 8. ) weiter verfolgt, und bey der großen Verſchiedenheit der Localurſachen, welche auf das Klima wirken, vor allen andern eine Gegend aufgeſucht, in welcher die Localurſachen groͤßtentheils hinwegfallen (a ſtandard ſituatian). Dieſe glaubt er in dem atlantiſchen Meere zwiſchen 80° noͤrdlicher und 45° ſuͤdlicher Breite, und in der Suͤdſee zwiſchen 45° N. und 40° S. Breite zu finden. Ueber die mittlern Waͤrmen dieſes großen Theils der Erdflaͤche theilt er eine Tafel mit, die ſich von der Mayeriſchen nur darinn unterſcheidet, daß ſie auf fahrenheitiſche Grade berechnet, und die mittlere Waͤrme unter den Polen nicht auf den Eispunkt (d. i. auf 32) ſondern auf 31 Grad nach Fahrenheit geſetzt iſt.

Die jaͤhrliche Abwechſelung betreffend, nimmt er den April fuͤr denjenigen Monat an, deſſen mittlere Waͤrme mit der in der Tafel angegebnen am naͤchſten uͤbereinſtimmt, berechnet hieraus die Waͤrme fuͤr May, Iunius, Iulius und Auguſt nach dem Verhaͤltniſſe des Sinus der Sonnenhoͤhe, nimmt aber fuͤr die uͤbrigen Monate wegen des Einfluſſes der Grundwaͤrme die wahre Waͤrme fuͤr das arithmetiſche Mittel zwiſchen der berechneten und der mittlern an. Dieſe ziemlich willkuͤhrliche Beſtimmung hat, wie er verſichert, die beſte Uebereinſtimmung der Reſultate mit den Beobachtungen gegeben; er theilt daruͤber eine Tafel fuͤr alle Grade der Breite und alle Monate des Jahres mit, die aber von der Mayeriſchen ſchon ſehr weit abweicht, z. B. fuͤr 52° Breite die Waͤrme im Februar (wo ſie nach768 Mayer unter dem Eispunkte war) 43 fahrenh. Grade giebt. Die taͤgliche Veraͤnderung betreffend, ſetzt er die groͤſte Kaͤlte 1 / 2 Stunde vor Sonnenaufgang; die groͤßte Waͤrme zwiſchen 60° und 45° Breite um 2 1 / 2 Uhr, zwiſchen 45 und 35° um 2 Uhr, zwiſchen 35° und 25° um 1 1 / 2 Uhr, zwiſchen 25° und dem Aequator um 1 Uhr Nachmittags.

Es wird aber dieſe regelmaͤßige Temperatur durch mancherley Localumſtaͤnde, durch Hoͤhe, Abſtand vom Meere, Naͤhe weit ausgebreiteter Laͤnder von beſonderer Beſchaffenheit, benachbarte Seen, Berge, Waͤlder u. dgl. abgeaͤndert. Wegen der Hoͤhe iſt die mittlere Waͤrme auf jede 200 engl. Fuß um 1 / 4 1 / 2 Grad zu vermindern, um 1 / 4 wenn ſie in der Weite einer engliſchen Meile nur 6 Fuß, um 1 / 2, wenn ſie um 15 Fuß und druͤber, anſteigt. Das feſte Land iſt gewoͤhnlich im Sommer 8 bis 10 Grad waͤrmer, im Winter eben ſoviel kaͤlter, als das Meer. Dies hebt ſich zwar in Abſicht auf die mittlere Waͤrme des ganzen Jahres auf; es bleibt aber doch einige Ungleichheit uͤbrig, um deren willen fuͤr 50 Meilen Entfernung vom Meere unter der Breite von 70,1 / Grad abzuziehen, bey 10° hingegen 1 Grad hinzuzuſetzen iſt, da bey 30° die mittlere Waͤrme unveraͤndert bleibt. Laͤnder auf der Windſeite hoher Berge oder großer Waͤlder ſind waͤrmer, als die unter gleicher Breite auf der andern Seite liegen. Laͤnder, die einem Meere ſuͤdwaͤrts liegen, ſind in unſerer Halbkugel waͤrmer, als die nordwaͤrts liegenden, u. ſ. w.

Dieſe Regeln werden nun auf die Temperaturen einzelner Laͤnder und Orte angewendet, und mit den daſelbſt angeſtellten Beobachtungen verglichen. Die Reſultate hievon ſind in folgenden Saͤtzen enthalten.

1. Der Iaͤnner iſt der kaͤlteſte Monat; der waͤrmſte hingegen iſt in Breiten uͤber 48° der Iulius, in geringern Breiten der Auguſt.

2. December und Iaͤnner, auch Iunius und Iulius ſind wenig unterſchieden. Ueber 30° Breite weichen Auguſt, September, October und November mehr von einander ab, als Februar, Maͤrz, April und May. In geringern Breiten ſind die Unterſchiede nicht ſo groß. 769Im April iſt die Waͤrme der mittlern am naͤchſten. Alſo erreichen die Wirkungen ihr Maximum nicht eher, als bis die Urſachen ſchon anfangen abzunehmen, und ſie nehmen nach dieſem Maximum ſchneller ab, als ſie vor demſelben zunahmen.

3. Auf 20° vom Aequator ſind die Unterſchiede zwiſchen den waͤrmſten und kaͤlteſten Monaten gering, werden aber groͤßer, je weiter man ſich vom Aequator entfernet.

4. In den groͤßten Breiten, beſonders um 59 und 60° triſftman Sommerwaͤrme von 75 80 Graden an, und es iſt oft im Iulius waͤrmer, als unter 51° Breite.

5. Jede bewohnbare Breite hat wenigſtens zween Monate lang eine Waͤrme von 60 Graden, die zum Reifen des Getraides nothwendig iſt. In den Nordlaͤndern reifen die Gewaͤchſe wegen der langen Tage ſehr ſchnell, und wegen des ſchmelzenden Schnees iſt nicht viel Regen noͤthig.

6. Die vielen Seen und Gebirge, deren Dispoſition ſo unregelmaͤßig und zufaͤllig ſcheint, ſind von ſehr wohlthaͤtigen Folgen. Sie maͤßigen die Kaͤlte in den groͤßern, und die Hitze in den geringern Breiten. Blos aus Mangel ſolcher Seen iſt das Innere von Aſien und Afrika unbewohnbar. Ohne die Alpen, Pyrenaͤen, Apenninen rc. wuͤrden Italien, Spanien und Frankreich kein ſo mildes Klima haben. Iamaica, Domingo, Sumatra und andere Inſeln zwiſchen den Wendekreiſen werden blos durch ihre Berge erfriſcht.

7. Der Wein gedeiht um London nicht ſo, wie um Patis, obgleich der londner Winter milder iſt: denn die Waͤrme iſt vom April bis zum October in Paris groͤßer. So kan ein Klima gewiſſen Fruͤchten zutraͤglicher ſeyn, als ein anderes.

Zwiſchen den Wendekreiſen ſind die Barometerveraͤnderungen ſehr gering; die heftige Wirkung der Sonne wird durch die Laͤnge der Naͤchte und den haͤufigen Regen hinlaͤnglich gehemmet. Die Regenzeit trifft an der Nordſeite des Aequators zwiſchen dem Maͤrz und September ein, an der Suͤdſeite umgekehrt; ihr Anfang aber und ihre Dauer770 ſind ſehr verſchieden. An einigen Orten rechnet man zween Sommer und zwo Regenzeiten; letzteres ſind gewoͤhnlich die Zeiten, da die Sonne dem Scheitel nahe iſt, dagegen die angenehmſte Jahrszeit einfaͤllt, wenn ſie am weitſten, vom Scheitel abweicht. In den hoch liegenden Orten dieſes Erdſtrichs, z. B. Quito, Lima rc iſt das Klima eines der ſchoͤnſten auf der ganzen Erdflaͤche.

In den gemaͤßigten Zonen werden die Abwechſelungen ſowohl der Waͤrme, als des Barometerſtandes weit groͤßer, und die beſondere Lage der Orte hat auf das Klima weit mehr Einfluß. So iſt z. B. Sibirien wegen ſeiner hohen Lage einer aͤußerſt ſtrengen Kaͤlte ausgeſetzt; auch Aſtrakan und Quebec haben ſtrenge Winter, ob ſie gleich ſuͤdlicher liegen, als Paris. In der ſuͤdlichen Zone iſt die Kaͤlte des Winters ſtrenger, als in der noͤrdlichen, vielleicht darum, weil ſich die Sonne um 8 Tage laͤnger in den noͤrdlichen Zeichen verweilet, als in den ſuͤdlichen. An den kaͤltern Orten werden Fruͤhling und Herbſt ſehr kurz, und man findet wiederum nur zwo Jahrszeiten. Der Schnee ſchmelzt ſehr ſpaͤt, dann aber oft in 8 Tagen auf einmal, nach andern 8 Tagen iſt ſchon alles gruͤn, und in 5 bis 6 Wochen hat man ſchon reife Fruͤchte. Eben ſo ſchnell ſtellt ſich auch der Winter wiederum ein, woraus man ſieht, daß eine ſchwaͤchere Wirkung, die lang anhaͤlt, oft mehr ausrichte, als eine bald aufhoͤrende ſtaͤrkere.

Bergmann phyſik. Beſchreib. der Erdkugel, durch Roͤhl, Th. II. §. 138. u. f.

Kirwan Eſtimate of the temperatur of diff. latitudes, Lond. 1787. 8.

Kloben, Flaſche

Mouffle. Ein Gehaͤuſe, welches mehrere um ihre Axen bewegliche Rollen enthaͤlt, wie NM und OP. Taf. IX. Fig. 33. Zween ſolche Kloben machen einen Flaſchenzug aus, ſ. Flaſchenzug. Die lateiniſche Terminologie hat fuͤr den Kloben keinen beſondern Namen, wie denn auch das franzoͤſiſche Mouffle ſehr oft fuͤr den ganzen Flaſchenzug gebraucht wird. 771

Knallgold, Platzgold, Aurum fulminans, Or fulminant.

Ein Niederſchlag des Goldes aus ſeiner Aufloͤſung in Koͤnigswaſſer, vermittelſt des fluͤchtigen Laugenſalzes; oder auch, wenn das Koͤnigswaſſer mit Salmiak bereitet worden iſt, vermittelſt des fixen Laugenſalzes. Die Goldaufloͤſung wird mit etwa ſechsmal ſo viel Waſſer verduͤnnt, und das Alkali nach und nach hinzugegoſſen; das Gold ſchlaͤgt ſich in Geſtalt eines ſtrohgelben Kalks nieder, welcher vorſichrig abgeſpuͤlt und getrocknet, an Gewicht ein Fuͤnftel mehr betraͤgt, als das angewandte Gold. Dieſer Niederſchlag zerplatzt bey geringer Erhitzung, die ſchon durch bloßes Reiben entſtehen kan, mit einer gewaltigen Exploſion und einem heftigen Knalle.

Dieſe Erſcheinung, welche immer eine der ſchwerſten Aufgaben der Chymie ausgemacht hatte, war von Macquer durch einen dem Golde anhaͤngenden ammoniakaliſchen Salpeter, welcher durch Erhitzung verpuffte, erklaͤrt worden; Bergmann aber (Diſſ. de calce auri fulminante, reſp. C. A. Plomgren., Upſal. 1769. 4. ) widerlegte das Anhaͤngen eines Salpeterſalmiaks, Salpeters oder Digeſtivſalzes an dieſen Goldkalk uͤberzeugend. Seine zahlreichen Verſuche erweiſen, daß ſich das Knallgold ohne alle Salpeterſaͤure, nicht aber ohne fluͤchtiges Laugenſalz bereiten laſſe, und daß das Abknallen von der ploͤtzlichen Entzuͤndung einer ſehr verbrennlichen Materie herkomme, welche das fluͤchtige Alkali an den Goldniederſchlag anſetzet. Iacquin (Anfangsgr. der mediciniſch-prakt. Chymie, Wien, 1783. 8. S. 445.) giebt hievon folgende ſehr wahrſcheinliche Erklaͤrung. Alle Goldniederſchlaͤge, ſo wie uͤberhaupt metalliſche Kalke, enthalten eine ſehr reine dephlogiſtiſirte Luft: das fluͤchtige Laugenſalz aber eine Brennluft, die ſich, auch ohne mit dem Feuer in Beruͤhrung zu ſeyn, durch die bloße Waͤrme entzuͤndet, ſ Gas, laugenartiges. Beyde zuſammen bilden alſo eine Knall-luft, welche durch ihre ploͤtzliche Entbindung und Exploſion die heftigſten Wirkungen auszuuͤben vermoͤgend iſt.

Zum Platzen des Knallgoldes, zumal wenn man es zu772 wiederholtenmalen ausgeſuͤßt hat, iſt eine Waͤrme hinreichend, welche die Siedhitze des Waſſers nur ſehr wenig uͤbertrifft; es platzt auch in verſchloßnen Gefaͤßen eben ſowohl, als an der freyen Luft. Dieſe Umſtaͤnde machen es zu einer hoͤchſt gefaͤhrlichen Materie, deren unvorſichtige Behandlung die ſchrecklichſten Folgen haben kan. Die Schmelzung mit Schwefel oder Zuſaͤtzen von Erden, Salzen, das Kochen mit Vitrioloͤl, und die wiederholte Ausſetzung an eine Hitze, die faſt zum Abknallen hinreichend iſt, benehmen ihm ſeine Knallkraft.

Macquer chym. Woͤrterbuch, mit Leonhardi Anm. Art. Knallgold.

Ingenhouß vermiſchte Schriften, Th. I. S. 340.

Knallkuͤgelchen. Kleine hohle Glaskugeln mit etwas Waſſer, die auf gluͤhenden Kohlen, wo das Waſſer durch die Hitze in Daͤmpfe verwandelt wird, mit einem heftigen Knalle zerſpringen. Man bedient ſich ihrer, die Elaſticitaͤt der Daͤmpfe zu erweiſen.

Auch leere, an der Lampe geblaſene, Glaskugeln knallen, wenn ſie zerbrochen werden. Die innere Luft nemlich iſt durch die Hitze der Lampe aͤußerſt verduͤnnt worden. Sobald alſo die glaͤſerne Huͤlle geoͤfnet wird, dringt die aͤußere Luft mit einem Knalle ein. Hiebey werden die Glasſtuͤcken hineinwaͤrts getrieben, ſtatt daß ſie bey den zuerſt beſchriebenen im Zimmer herumgeworfen werden.

Knall-luft, ſ. Gas brennbares; Gas, dephlogiſtiſirtes; Piſtole, elektriſche.

Knallpulver, Pulvis tonans, Poudre fulminante.

Eine Miſchung von drey Theilen Salpeter, zwey Theilen trocknem Weinſteinſalz und einem Theile Schwefel, welche bey einer allmaͤhligen bis zur Entzuͤndung gehenden Erhitzung mit einem heftigen Knalle auf einmal abbrennt. Auf einem blechernen Loͤffel uͤber gelindem Kohlfeuer faͤngt es erſt an zu ſchmelzen, dann entſteht eine blaue Flamme, und ſogleich erfolgt der Schlag, welcher fuͤr das Gehoͤr aͤußerſt empfindlich iſt. Oft findet man den Loͤffel durchbohrt, und773 die Raͤnder des Loches nach außen gebogen. Bey einer ploͤtzlichen Erhitzung ſind die Wirkungen weit ſchwaͤcher, und auf gluͤhende Kohlen geworfen kniſtert das Knallpulver nur mit einem maͤßigen Geraͤuſch.

Die Erklaͤrung dieſes Phaͤnomens haͤngt offenbar mit den Erſcheinungen der Verpuffung des Salpeters zuſammen, ſ. Verpuffen. Es entwickelt ſich dabey aus dem Salpeter eine Menge dephlogiſtiſirter Luft, in welcher alle brennbare Koͤrper mit außerordentlicher Geſchwindigkeit und Heftigkeit verbrennen. Durch das allmaͤhlige Schmelzen des Knallpulvers wird das Laugenſalz mit dem Schwefel zu einer wahren Schwefelleber verbunden und daraus eine hepatifche Luft entwickelt, welche mit der dephlogiſtiſirten des Salpeters eine ſtarke Knall-luft ausmacht. Die ſich aufblaͤhende zaͤhe Materie ſchließt dieſe Luft in Blaſen ein, in welchen ſie ſich immer mehr ausdehnt, je ſtaͤrker die Erhitzung wird. Endlich entzuͤndet ſich der Schwefel durch die Hitze, die Knall-luft explodirt, zerfprengt die Blaſen mit der groͤßten Heftigkeit, und erregt ein Krachen, dergleichen man auch hoͤrt, wenn man mit Knall-luft angefuͤllte Seifenblaſen entzuͤndet.

Es ſcheint hiebey die Exploſion erſt nach einiger Zeit ſtatt zu finden, nachdem die beyden Luftarten ſchon entwickelt und vermiſcht worden ſind, dagegen bey dem Schießpulver die Entwicklung des Gas erſt im Augenblicke der Entzuͤndung ſelbſt geſchieht. Beym Knallpulver verurſacht die Einſperrung des Gas in der geſchmolzenen Materie den heftigen Knall, der beym Schießpulver, wenn es nicht eingeſchloſſen iſt, nicht ſtatt findet. Auf Kohlen geſtreut knallt das Pulver nicht, weil es ſich augenblicklich und ohne vorgaͤngige Schmelzung der ganzen Maſſe entzuͤndet.

Ingenhouß vermiſchte Schriften, Th. I. S. 335. u. f.

Knallſilber, Argentum fulminans, Argent fulminant.

Ein Niederſchlag des Silbers aus ſeiner Aufloͤſung in Salpeterſaͤure, vermittelſt des Kalkwaſſers, welcher mit reinem Waſſer abgeſuͤßt, und mit fluͤchtigem Alkali774 verbunden, ſelbſt ohne Wirkung einiger Waͤrme, durch bloße Reibung oder Beruͤhrung, mit einer heftigen Exploſion abknallt. Dieſe merkwuͤrdige Entdeckung ward in der Sitzung der pariſer Akademie der Wiſſenſchaften am 24. May 1788 von Herrn Bertholet zuerſt vorgezeiget, und dann im Iournal de Phyſique bekannt gemacht. Wenn das in Salpeterſaͤure aufgeloͤßte Silber mit Kalkwaſſer niedergeſchlagen iſt, ſo laͤßt Herr B. das Praͤcipitat drey Tage der Luft ausgeſetzt ſtehen, verduͤnnt es darauf mit aͤtzendem fluͤchtigen Alkali, und das daraus entſtehende ſchwarze Pulver getrocknet giebt das Knallſilber.

Das Abknallen erfolgt ſchon bey der Beruͤhrung mit kalten Koͤrpern. Kaum laͤßt ſich das Pulver aus dem Gefaͤße, worinn es ſeine letzte Abdampfung erhalten hat, ohne große Gefahr herausnehmen. Herr B. beruͤhrte einige wenige Grane auf Papier liegend mit einem glaͤſernen Stift, und es platzte mit großer Gewalt. Ein einziger Gran davon war hinreichend, ein Glas voͤllig zu zertruͤmmern. Ein Tropfen Waſſer, der aus der Hoͤhe herab auf das Pulver fiel, machte es knallen. Man darf daher dieſes gefaͤhrliche Praͤparat nur in aͤußerſt geringen Portionen abknallen laſſen, und muß bey der Behandlung deſſelben das Geſicht mit einer Maſke verdecken. Nach der Verkrachung iſt das Silber wieder gaͤnzlich hergeſtellt, und in ſeinem voͤlligen metalliſchen Glanze.

So neu und ſo wenig unterſucht auch dieſe Erfindung noch iſt, ſo ſtimmt ſie doch mit demjenigen, was bey dem Worte Knallgold zur Erklaͤrung des Platzens metalliſcher Niederſchlaͤge geſagt worden iſt, ſehr wohl uͤberein, und ſcheint ſogar dieſe Erklaͤrung zu beſtaͤtigen. Das Einzige, was dabey noch auffallend bleibt, iſt die von ſelbſt erfolgende Entzuͤndung der Knall-luft bey einem ſo geringen und faſt unmerklichen Grade der Waͤrme.

Crells chemiſche Annalen. Eilftes Stuͤck, 1788. S. 390 u. f.

Knoten, der Planeten-Mond-und Kometenbahnen, Nodi planetarum, lunae et cometarum, Noeuds des planètes, de la lune et des comètes. Die775 zween Punkte, in welchen die Bahnen dieſer Himmelskoͤrper die Ekliptik an der ſcheinbaren Himmelskugel durchſchneiden. Wenn die Planeten in dieſe Punkte kommen, ſtehen ſie in der Ekliptik ſelbſt, und haben folglich keine Breite. Da die Ekliptik E

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L

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Taf XII. Fig. 88. nichts anders iſt, als derjenige groͤßte Kreis, in deſſen Ebne die Erdbahn el liegt, ſo ſind die Knoten eines Planeten rc. die gemeinſchaftlichen Durchſchnittspunkte

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und

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der Planetenbahnen PQ und der Ebne der Erdbahn EL. Und da die Sonne S in beyden Ebnen zugleich, mithin in ihrem gemeinſchaftlichen Durchſchnitte

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S

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, oder in der Knotenlinie liegt, ſo muͤſſen die Knoten einer jeden Bahn, von der Sonne S aus geſehen, einander gerade gegen uͤber ſtehen.

Die Ekliptik theilt die ſcheinbare Himmelskugel in zwo gleiche Helften, deren eine uͤber ihr auf den Nordpol zu, die andere unter ihr gegen Suͤden liegt. Beym Durchgange durch den Knoten

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tritt der Planet, der von Q nach P geht, aus der untern Helfte in die obere; bey

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hingegen aus der obern in die untere. Jener wird daher der aufſteigende (aſcendens, aſcendant), dieſer der niederſteigende Knoten (deſcendens, deſcendant) genannt. Im Theile

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P

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hat der Planet eine noͤrdliche, in

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Q

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eine ſuͤdliche Breite.

Die Orte der Knoten haben, wie die Beobachtungen lehren, ſaͤmmtlich eine ruͤckgaͤngige Bewegung, die zwar in einem Zeitraume von etlichen Jahren unmerklich iſt, aber doch in laͤngere Zeit den Aſtronomen nicht hat verborgen bleiben koͤnnen. Bey der Mondbahn hingegen iſt dieſe Verruͤckung der Knoten weit merklicher; ſie betraͤgt jaͤhrlich auf 19°, ſo daß die Mondknoten in einem Zeitraume von 19 Jahren durch alle Zeichen des Thierkreiſes ruͤcken. Dieſe Bewegung der Knoten iſt eine nothwendige Folge der gegenſeitigen Anziehungen oder der Gravitation aller Weltkoͤrper gegen einander. Ein angezogner Planet nemlich, deſſen Bahn in einer andern Ebne liegt, als die Bahn des anziehenden, muß die Ebne dieſer letztern bey jedemmale etwas fruͤher durchſchneiden, als ſonſt geſchehen776 ſeyn wuͤrde, weil er ohne Unterlaß gegen dieſelbe gezogen wird; daher muͤſſen ſeine Knoten nach derjenigen Seite fortruͤcken, welche der Bewegung des anziehenden Koͤrpers entgegengeſetzt iſt. Hieraus entſteht, weil alle Planeten nach der Ordnung der Zeichen um die Sonne laufen, eine entgegengeſetzte oder ruͤckgaͤngige Bewegung aller Knoten, welche beym Monde ſo betraͤchtlich iſt, weil er durch ſeine ſtarke Gravitation gegen die Sonne, ingleichen gegen Venus und Iupiter, in ſeinem Umlaufe um die Erde ſehr geſtoͤret wird.

Die Orte und Bewegungen der Knoten gehoͤren unter die Data, welche zu Beſtimmung des Laufs von jedem Planeten bekannt ſeyn muͤſſen, ſ. Elemente der Planetenbahnen, und man wird ſie der Tabelle bey dem Artikel: Weltſyſtem beygefuͤgt finden.

Knotenlinie, Linea nodorum, Ligne des noeuds.

Die gerade Linie

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(Taf. XII. Fig. 88.) durch beyde Knoten

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und

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, ſ. Knoten. Dieſe Linie iſt der gemeinſchaftliche Durchſchnitt der Planetenbahn mit der Ebne der Erdbahn oder Ekliptik, und geht alſo durch die in beyden Ebnen befindliche Sonne S. Die Knotenlinien der Planetenbahnen veraͤndern von Zeit zu Zeit ihre Lagen gegen die Fixſterne, und drehen ſich um die Sonne der Ordnung der Zeichen entgegen, ſ. den vorhergehenden Artikel.

Kobalt, Kobold, Cobaltum, Cadmia foſſilis metallica, Cobalt.

Ein ſehr ſchwerer mineraliſcher Koͤrper, welcher eine mehr oder weniger glaͤnzende graue Farbe und ein feines Korn hat, derb und feſt iſt, und an der Luft mit einem pfirſichbluͤtfarbenen Beſchlage bedeckt wird. Er iſt das Erz eines eignen von Brandt (Act. litter. Upſal. 1735.p.33) entdeckten Halbmetalls, des Kobaltkoͤnigs, welcher in ihm hauptſaͤchlich durch Arſenik und Schwefel vererzet iſt; die meiſten Kobalte aber enthalten auch Wismuth und Silber. Ehedem nannte man alle arſenikaliſche Erze Kobalte; nach der Zeit aber iſt dieſer Name nur auf777 diejenigen eingeſchraͤnkt worden, welche das gedachte Halbmetall enthalten, das Glas blau faͤrben, und die ſympathetiſche Dinte geben. Sie heißen auch Farbenkobalte, Blaufarbenkobalte, und finden ſich vorzuͤglich in Sachſen und auf den Pyrenaͤen.

Der Kobaltkoͤnig hat eine matte, ins Graulichtblaue fallende metalliſche Farbe; er iſt hart und klingend, aber dennoch bruͤchig und ſproͤde, auf dem Bruche zeigt er ſich dicht und feinkoͤrnicht. Seine ſpecifiſche Schwere iſt zwiſchen 6,000 und 7,700. Er iſt ſehr ſchwerfluͤſſig, und erfordert zum Schmelzen eine gleiche Hitze mit dem Golde. Sein Kalk iſt ſchwarz, wird aber von beygemiſchtem Arſenik roͤthlich oder blau, und giebt, mit verglaslichen Materien in Fluß gebracht, die Smalte, ein ſchoͤnes blaues Glas, welches das einzige Blau iſt, das man bey Verglaſungen brauchen kan, und auf welches die ſaͤchſiſchen Kobalte vorzuͤglich benuͤtzt werden. Der Kobaltkoͤnig nebſt ſeinen Erzen und Kalken loͤſet ſich in den mineraliſchen Saͤuren auf; die Aufloͤſung im Koͤnigswaſſer giebt verduͤnnt Hellots ſympathetiſche Dinte, deren Schrift auf weißem Papier in der Kaͤlte unſichtbar iſt, bey gelinder Waͤrme aber gruͤn erſcheint, ſ. Farben. Mit Laugenſalzen erhaͤlt man aus dieſen Aufloͤſungen Niederſchlaͤge, welche bey der Verglaſung vortrefliche blaue Farben geben. Die aus der Aufloͤſung in Salpeterſaͤure uͤbertrifft den Ultramarin an Hoͤhe und Feuer. Der Safflor oder Zaffer iſt der Kalk des Kobaltkoͤnigs mit einem Antheile gepuͤlverter Kieſel vermiſcht.

Den haͤufigen Arſenik der Kobalterze faͤngt man beym Roͤſten derſelben in langen gekruͤmmten Rauchfaͤngen auf, und erhaͤlt auf dieſe Weiſe den meiſten kaͤuflichen Arſenik.

Macquer chym. Woͤrterbuch, mit Leonhardi Zuſ. Art. Kobalt, Kobalterze, Kobaltkoͤnig.

Kochen, ſ. Sieden.

Kochſalzſaͤure, ſ. Salzſaͤure.

Kochſalzſaure Luft, ſ. Gas, ſalzſaures. 778

Koͤnigswaſſer, Goldſcheidewaſſer, Aqua regis ſ. regia, Eau régale.

Eine Miſchung der Salpeterſaͤure mit der Salzſaͤure, welche gewiſſe Metalle aufloͤſet, die von den reinen Saͤuren gar nicht, oder doch ſchwerer, angegriffen werden. Gold und Platina werden blos vom Koͤnigswaſſer, Zinn und Spießglaskoͤnig wenigſtens beſſer und leichter, als von andern Saͤuren, aufgeloͤſet.

Zu Verfertigung dieſes Aufloͤſungsmittels werden entweder Salpetergeiſt und Salzgeiſt vermiſcht, oder es wird ein den Salzgeiſt enthaltendes Salz (Salmiak, Kochſalz rc. ) im Salpetergeiſte aufgeloͤſet, oder Salpeterſaͤure uͤber Kochſalz deſtilliret. Das durch Aufloͤſung bereitete Koͤnigswaſſer enthaͤlt zugleich ein Mittelſalz, aus der Verbindung des im Salze befindlichen Alkali mit der Salpeterſaͤure. Dies iſt ammoniakaliſcher Salpeter, wenn man Salmiak, wuͤrflichter, wenn man Kochſalz gebraucht hat. Dieſes Mittelſalz ſchadet zwar der aufloͤſenden Kraft nicht, veraͤndert aber die Natur der Niederſchlaͤge. So giebt z. B. die Goldaufloͤſung mit fixem Alkali niedergeſchlagen, nur dann Knallgold, wenn das Koͤnigswaſſer einen ammoniakaliſchen Salpeter enthalten hat, ſ. Knallgold.

Wenn die vermiſchten Saͤuren ſehr concentrirt ſind, ſo iſt das daraus bereitete Koͤnigswaſſer ungemein dampfend. Die Daͤmpfe laſſen ſich in Luftgeſtalt darſtellen, wie bey dem Worte: Gas, ſalzſaures, bemerkt worden iſt.

Das gewoͤhnlichſte Koͤnigswaſſer wird durch Aufloͤſung von vier Unzen Salmiak in 16 Unzen Salpeterſaͤure gemacht. Zur Platina geben gleiche Theile, und zum Spießglaskoͤnige vier Theile Salpetergeiſt und ein Theil Salzgeiſt das beſte Verhaͤltniß.

Macquer chym. Woͤrterbuch, Art Koͤnigswaſſer.

Koͤrper, Corpus, Corps.

Mit dieſem allgemeinen Namen belegen wir alle Gegenſtaͤnde, welche in unſere Sinne fallen, und die wir nach ihren ebenfalls in die Sinne fallenden Erſcheinungen betrachten. Das Zeugniß der779 Sinne iſt alſo der einzige Erkenntnißgrund alles deſſen, was wir von den Koͤrpern wiſſen.

Viele und große Weltweiſe haben dieſen Erkenntnißgrund fuͤr allzu ungewiß und verdaͤchtig gehalten, als daß man daraus ein wirkliches Daſeyn ſolcher Koͤrper, dergleichen uns die Erſcheinungen darſtellen, folgern koͤnnte. Sie haben ſich daher von den wahren Verhaͤltniſſen der Koͤrperwelt verſchiedene Vorſtellungen gemacht, wegen deren ich, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das Wort: Materie verweiſe. Aber alle dieſe Vorſtellungsarten, ſo verſchieden ſie ſeyn moͤgen, aͤndern nichts in der Phyſik. Man kan es ohne Bedenken einraͤumen, daß die wirkliche Welt etwas ganz anders, als die ſinnliche, ſey, und daß alle unſere Ideen von materiellen Dingen blos auf ſinnlichen Schein hinauslaufen, welcher durch Verhaͤltniſſe der Dinge gegen die Werkzeuge der Sinne, und durch Verhaͤltniſſe dieſer gegen die Seele ſelbſt, hervorgebracht wird. Es bleibt demohngeachtet in dem, was die Sinne unzaͤhlbarer Beobachter an den Koͤrpern bemerken, eine unlaͤugbare Uebereinſtimmung und Einheit; folglich giebt es einen allgemeinen ſinnlichen Schein, von welchem nur in einzelnen Faͤllen ſeltene und widernatuͤrliche Abweichungen vorkommen. Dieſer allgemeine ſinnliche Schein iſt es, nach welchem auch der vollendetſte Skeptiker bey jedem Vorfalle des praktiſchen Lebens urtheilen und handeln wird, wenn er nicht den Namen eines wahnſinnigen Thoren mehr, als den eines Philoſophen, verdienen will. Und eben dieſer Schein iſt es, auf den der Phyſiker ſeine Unterſuchung der Koͤrperwelt einſchraͤnkt. Zufrieden mit dem, was ſinnliche Erfahrung ihn und alle andere Menſchen lehrt, beſcheidet er ſich gern, daß dieſe Erfahrung nicht in das wahre Weſen der materiellen Dinge einzudringen vermoͤge, und uͤberlaͤßt es dem Metaphyſiker, ſich durch die Labyrinthe des Materialismus, Dualismus, Idealismus und ſo vieler andern Syſteme uͤber das innere Weſen der Welt, einen gluͤcklichen Weg zum Ziele zu ſuchen.

Der allgemeine ſinnliche Schein ſtellt die Koͤrper als ausgedehnte, undurchdringliche, theilbare und780 traͤge Subſtanzen dar. Wir bemerken nemlich an allen Koͤrpern neben einander liegende Theile, unter denen die innern von den aͤußern nach allen Seiten zu umringt werden: dies belegen wir mit dem Namen der koͤrperlichen Ausdehnung oder des Raums, den uns jeder Koͤrper einzunehmen ſcheinet, ſ. Ausdehnung. Dieſer Raum hat ſeine Grenzen, und giebt daher dem Koͤrper ſeine Figur; daher iſt die von Einigen erwaͤhnte Figurabilitaͤt eine bloße Folge der Ausdehnung, und keine beſondere Eigenſchaft der Koͤrper. Weil aber doch der Begriff von Ausdehnung noch zuruͤckbleibt, wenn wir uns den Koͤrper aus ſeinem Raume herausgenommen denken, ſo erhellet, daß zum Begriffe des Koͤrpers noch etwas mehr, als Ausdehnung allein, gehoͤre.

Dies iſt dasjenige, was den Raum ausfuͤllet, oder undurchdringlich macht, d. i. verurſacht, daß da, wo ein gewiſſer Koͤrper iſt, nicht zugleich noch ein anderer Koͤrper ſeyn kan, ſ. Undurchdringlichkeit. Wir nennen es Materie, materiellen Stoff, Maſſe des Koͤrpers. Die Erfahrung belehrt uns, daß die Raͤume, welche die Koͤrper einnehmen, nicht uͤberall und in allen Punkten undurchdringlich ſind; daß es Koͤrper giebt, die in gleich großen Raͤumen mehr oder weniger undurchdringliche Materie enthalten, woraus der Begriff von Dichtigkeit entſteht, ſ. Dicht. Da wir einen Koͤrper, deſſen Raum in jedem Punkte undurchdringlich waͤre, vollkommen dicht nennen wuͤrden, ſo haben einige phyſikaliſche Schriftſteller die Undurchdringlichkeit ſelbſt mit dem Namen der Dichtigkeit belegt, und daher auch die letztere als eine allgemeine Eigenſchaft der Koͤrper angefuͤhrt.

Ausdehnung und Undurchdringlichkeit werden durch Geſicht und Gefuͤhl an allen Koͤrpern, auch bey der fluͤchtigſten Beobachtung, bemerkt. Und da ſich unſere Begriffe vom Koͤrper einzig auf dergleichen Erfahrungen gruͤnden, ſo enthalten dieſelben die Ideen dieſer Eigenſchaften nothwendig, d. h. wir koͤnnen uns keinen Koͤrper anders, als mit Ausdehnung und Undurchdringlichkeit, gedenken. Man nennt daher dieſe beyden Eigenſchaften weſentliche oder781 Grundeigenſchaften der Koͤrper, weil ſie von der Vorſtellung eines Koͤrpers unzertrennlich ſind.

Die Erfahrung lehrt ferner, daß die Koͤrper theilbar oder aus Theilen zuſammengeſetzt ſind, ſ. Theilbarkeit. Wenn uns auch die Mittel fehlen, dieſe Theilung wirklich fortzuſetzen, ſo kan doch die Vorſtellungskraft noch theilen, ſo lang Ausdehnung vorhanden iſt, ſ. Atomen. Da wir aber alle Koͤrper, mit denen ſich Verſuche anſtellen laſſen, theilbar finden, ſo rechnet man auch dieſe Eigenſchaft, oder beſſer, dieſes Phaͤnomen der Koͤrper zu den allgemeinen. In ſofern jede Theilung eines Koͤrpers Kraft erfordert, oder in ſofern jeder Koͤrper ſeiner wirklichen Theilung Widerſtand entgegenſetzt, wird ihm Haͤrte zugeſchrieben, daher man auch dieſe zu den allgemeinen Phaͤnomenen der Koͤrper zu rechnen pflegt.

Endlich nehmen wir wahr, oder koͤnnen uns wenigſtens in allen Faͤllen vorſtellen, daß die Koͤrper ihren Zuſtand in Abſicht auf Ruhe und Bewegung nie ohne Urſache aͤndern. Dies nennen wir ihre Traͤgheit, die Urſachen der Aenderungen aber Kraͤfte. Viele dieſer Kraͤfte liegen offenbar außer den Koͤrpern ſelbſt; ob aber einige auch in den Koͤrpern liegen, davon belehren uns die Erſcheinungen nicht, und wir uͤberſchreiten die dem Phyſiker vorgeſchriebenen Grenzen, ſobald wir daruͤber zu entſcheiden wagen. Einige Metaphyſiker ſehen Kraft als etwas dem Koͤrper Weſentliches an, ſuchen ſelbſt in der Undurchdringlichkeit eine Kraft, oder finden gar das Weſen der Materie in einfachen, mit Kraft verſehenen Subſtanzen, ſ. Materie. Andere hingegen dehnen den Begriff der Traͤgheit ſo weit aus, daß ſie ſich das Verhalten des Koͤrpers als voͤllig leidend und unwirkſam vorſtellen, und alle Aenderungen ſeines Zuſtands als Wirkungen aͤußerer Urſachen anſehen. Beyde gehen uͤber das hinaus, was die Phaͤnomene lehren, daß nemlich jede Aenderung des Zuſtands eine Urſache vorausſetze, deren Weſen man nicht kennt, und von der man es oft unentſchieden laſſen muß, ob ſie in oder außer dem Koͤrper liegt.

Unter dieſe Urſachen, welche Bewegung hervorbringen782 und aͤndern, gehoͤrt vornehmlich die Anziehung, ſ. Artikel: Attraction, Cohaͤſion, Adhaͤſion, Gravitation, Verwandſchaft. Man wird es nach der vorhergehenden Erklaͤrung nicht widerſprechend finden, wenn ich beydes, Traͤgheit und Anziehung, zu den allgemeinen Phaͤnomenen der Koͤrper rechne.

Alle Koͤrper alſo zeigen Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Theilbarkeit, Haͤrte, Traͤgheit, Anziehung, als allgemeine Phaͤnomene, wovon die zwey erſten ſich als weſentliche Eigenſchaften betrachten laſſen. Hieruͤber iſt kein Zweifel bey den in unſere Sinne fallenden Koͤrpern. Ob aber die erſten Theile der Materie, die Atomen, noch eben dieſe Phaͤnomene zeigen wuͤrden, wenn es moͤglich waͤre, ſie abgeſondert zu betrachten, daruͤber kan die Naturlehre nicht entſcheiden. Die atomiſtiſche Phyſik (Phyſica corpuſcularis) nimmt die erſten Theile eben ſo, wie die zuſammengeſetzten Koͤrper, fuͤr ausgedehnt, undurchdringlich, hart, und traͤg an: da hingegen die Monadologie ihnen die Eigenſchaften der Materie abſpricht.

Andere Phaͤnomene der Koͤrper, z. B. Elaſticitaͤt, Sproͤdigkeit, Zaͤhigkeit, Feſtigkeit, Fluͤßigkeit, Waͤrme, Kaͤlte, Farbe, Schall, Geſchmack, Geruch rc. ſind theils bloße Zuſtaͤnde, theils Folgen von Kraͤften und Bewegungen, welche auf die Werkzeuge unſerer Sinne wirken. Sie heißen bisweilen auch abgeleitete Eigenſchaften (qualitates ſecundariae), und es wird von ihnen in beſondern Artikeln dieſes Woͤrterbuchs gehandelt.

Kohle, Carbo, Charbon.

Der Ruͤckſtand pflanzenartiger und thieriſcher (d. i. oͤlichte Theile enthaltender) Subſtanzen, nach ihrem vollkommenen Gluͤhen in verſchloßnen Gefaͤßen. Der oͤlichte Beſtandtheil nemlich wird durch die Wirkung des Feuers zerſetzt, und ſein Brennbares, welches wegen der Verſchließung und des abgeſchnittenen Zutritts der Luft nicht davon gehen kan, verbinder ſich mit dem erdichten Grundſtoffe zu einem feſten, trocknen, ſchwarzen und zerreiblichen Koͤrper. Man erhaͤlt die Kohle nie anders, als aus oͤlichten Subſtanzen, alſo nie aus Schwefel783 oder Metallen, und eine erhaltene Kohle iſt ein untruͤgliches Merkmal eines vorhanden geweſenen Oels.

Die Kohle enthaͤlt ein ſehr reines Phlogiſton, welches durch ein neues Gluͤhen mit der Vitriolſaͤure Schwefel, mit der Phoſphorſaͤure Phosphorus, mit den metalliſchen Kalken Metalle giebt, mit der Salpeterſaͤure aber verpuffet. In der freyen Luft wird die Kohle durch das Feuer zerſetzt, und verbrennt, jedoch mit ſehr ſchwacher Flamme und ohne Rauch, da hingegen die Oele ſelbſt eine ſtarke Flamme und viel Rauch geben. Ohne Zutritt der Luft veraͤndert das Feuer die Kohle gar nicht.

Das Verbrennen der Kohlen phlogiſtiſirt die Luft ungemein ſtark, daher der ſogenannte Kohlendampf erſtickend und toͤdtlich iſt. (Man ſ. Portal uͤber die mephitiſchen Daͤmpfe und vorzuͤglich den Kohlendampf; aus dem Frz. Frf. und Leipz. 1778. 8.) Freye Luft, Aufrechtſtellung des Koͤrpers, Begießung mit kaltem Waſſer, Anhalten eines ſtarken Eſſigs an die Naſe, Streichen des Unterleibes und Einoͤlaſen dephlogiſtiſirter Luft ſind die beſten Rettungsmittel der auf dieſe Art Verungluͤckten.

Die vegetabiliſche Kohle zerfaͤllt durchs Verbrennen zu Aſche, die den achten Theil ihres Gewichts betraͤgt, und aus dem fixen Gewaͤchslaugenſalze, verſchiedenen Erden und einem Antheile von Eiſen beſteht. Die thieriſche Kohle verbrennt ſchwerer, verliert nur die Helfte ihres Gewichts, wird weiß und bleibt ziemlich feſt. Man nennt ſie Knochenerde oder Knochenaſche.

Die Holzkohlen, welche fuͤr das gemeine Leben und die Chymie ſo brauchbar ſind, werden aus Scheitholze in ſtehenden oder liegenden Meilern bereitet, die man um einen Pfahl herum errichtet, anzuͤndet und mit Leimen bewirft. Durch Oefnungen dieſer Bewerfung wird das Feuer ſo regiert, daß der Meiler wohl durchbrennt, und nur der waͤſſerichte Rauch verlohren geht. Endlich wird das Feuer erſtickt, und der Meiler geoͤfnet. (ſ. l' Art du charbonnier par Mr. du Hamel du Monceau, à Paris, 1761. fol. uͤberſetzt im Schauplatz der Kuͤnſte und Handw. B. I. S. 1 44. Hallens Werkſtaͤtte, B. III. S.784 242 250.) Von den Steinkohlen wird ein eigner Artikel handeln.

Macquer chym. Woͤrterb. Art. Kohle.

Koluren, Coluri, Colures.

Dieſen Namen fuͤhren zween groͤßte Kreiſe der beweglichen Himmelskugel, welche durch die beyden Pole gehen, und mit dem Aequator rechte Winkel machen. Der eine von ihnen geht durch die beyden Punkte der Nachtgleichen, der andere durch die beyden Punkte der Sonnenwenden, daher jener Kolur der Nachtgleichen (colurus aequinoctiorum, colure des équinoxes), dieſer Kolur der Sonnenwenden (colurus ſolſtitiorum, colure des ſolſtices) heißt.

Kometen, Haarſterne, Schwanzſterne, Cometae, Stellae crinitae, comatae, caudatae, Cométes.

Sterne, die nur zu Zeiten unſern Augen ſichtbar werden, gemeiniglich nur ein blaſſes Licht zeigen, in einen Nebel eingehuͤllt ſind, und mehrentheils einen langen neblichten Schweif nach ſich ziehen, welcher allezeit von der Sonne abgekehrt iſt. Dieſer Schweif (coma, cauda) hat ihre Benennungen veranlaſſet. Sie unterſcheiden ſich von den Planeten durch eine eigne Bewegung, die, ohne dem Thierkreiſe zu folgen, nach allen moͤglichen Richtungen am Himmel, bald geſchwinder, bald langſamer, beobachtet wird. Sie werden oft ſchon durch Fernroͤhre geſehen, ehe ſie das bloße Auge wahrnimmt, und wenn ihr ſcheinbarer Lauf ſie vor der Sonne voruͤber gefuͤhrt hat, ſo werden ſie nach und nach kleiner, ſind zuletzt nur noch durch Fernroͤhre ſichtbar, und verſchwinden endlich voͤllig.

Die ungewoͤhnliche Erſcheinung, das truͤbe fuͤrchterliche Anſehen, und vornehmlich die Schweife, hatten ſonſt die Kometen zu Gegenſtaͤnden der Furcht und des Schreckens gemacht, die, wie man glaubte, den Menſchen Krieg, Peſt und anderes Ungluͤck androhten. Viele Aſtronomen hielten ſie auch fuͤr bloße Meteore oder voruͤbergehende Erſcheinungen unſers Luftkreiſes. Die neuere Sternkunde aber hat gelehrt, daß ſie beſtaͤndige zu unſerm Sonnenſyſtem785 gehoͤrige Koͤrper ſind, die ſich nach den kepleriſchen Geſetzen, jedoch in ſehr langen eccentriſchen Ellipſen, um die Sonne bewegen.

Riccioli (Almag. nov. Bonon. 1651. fol.), Lubieniczi (Theatrum cometicum. Amſt. 1667. fol. Lugd. Bat. 1681. fol.) und Hevel (Cometographia, Gedani, 1668. fol.) haben Verzeichniſſe von mehr als 400 vom 23ſten Jahrhunderte v. C. G. bis 1665 erſchienenen und in den Geſchichtsbuͤchern angemerkten Kometen geliefert, welche in der Berliner Sammlung aſtronomiſcher Tafeln (Th. I. S. 23 35.) zuſammengezogen, und bis zum Jahre 1774 fortgeſetzt ſind. Unter den 479 Numern dieſes Verzeichniſſes kommen zwar viele vor, welche ſich gewiß blos auf Meteore beziehen: von mehr als 70 erſchienenen Kometen aber hat man bereits einen Theil ihrer wahren Laufbahnen um die Sonne mit den dazu gehoͤrigen Elementen berechnet. Aus dieſen Elementen zeigt ſich, daß einige dieſer Koͤrper ſchon mehreremale erſchienen ſind. Die Kometen von 1456, 1531, 1607, 1682, 1759 ſind nur ein einziger, der ſeine Laufbahn in 76 Jahren vollendet; ſo ſcheinen auch die von 1532 und 1661 nur einer geweſen zu ſeyn, deſſen Wiedererſcheinung man im Jahre 1789 oder 1790 erwarten koͤnnte, wenn anders die Beobachtungen des Apianus von 1532 zuverlaͤßig genug ſind.

Ohne Zweifel ſind noch weit mehrere Kometen erſchienen, die man nicht wahrgenommen hat. Durch gute Fernroͤhre und genaue Aufmerkſamkeit werden viele entdeckt, die dem bloßen Auge entgehen; und Meſſier nahm ſeit 1757, zu welcher Zeit man den von 1682 wieder erwartete, und deswegen alle Aufmerkſamkeit auf dieſen Gegenſtand richrete, in 7 Jahren 7 Kometen wahr.

Obgleich die Alten, ſelbſt Ariſtoteles und Ptolemaͤus, die Kometen blos fuͤr Meteore unſers Luftkreiſes hielten, ſo iſt es doch ausgemacht, daß die Pythagoraͤer, Demokrit u. a. ihre immerwaͤhrende Bewegung in regelmaͤßigen Laufbahnen gemuthmaßet haben. Die Meynungen der Alten uͤber dieſe Koͤrper findet man beym Ariſtoteles (Meteor. I. 6.), Plinius (H. N. II. 25.), Plut -786 arch (De plac. Philoſ. III. 2.), Gellius (Noct. Att. XIV. 1). Kein Schriftſteller aber hat ſich erhabner daruͤber ausgedruͤckt, als Seneca (Quaeſt. nat. VII. 13.), deſſen Worte eines reifern Zeitalters wuͤrdig ſind. Co metas, ſagt er, ſidera eſſe cum mundo duratura, quan quam legibus nondum compertis reguntur, haec tam occulta dies extrahet, ac longioris aevi diligentia, cui admirationi erit, haec veteres neſcire potuiſſe, poſt quam demonſtraverit aliquis naturae interpres, in qui bus caeli partibus Cometae errent, quanti qualesque ſient. Dennoch blieb die Meynung von der Vergaͤnglichkeit der Kometen herrſchend, und der daraus entſtandene Mangel alter Beobachtungen ihres Laufs ſetzt uns in der Kenntniß ihrer wahren Bahnen ungemein zuruͤck.

Tycho de Brahe war der Erſte, der den ſcheinbaren Lauf des Kometen von 1577 genau beobachtete, und aus ſeiner geringen Parallaxe ſchloß, daß er viel weiter, als der Mond, von uns entfernt ſey. Er nahm die Bahn deſſelben fuͤr einen Kreis um die Sonne an (De mundi aetherei recentioribus phaenomenis, L. II. 1587.), hielt aber dabey noch immer die Kometen fuͤr bald vergaͤngliche Koͤrper. Kepler, der den Kometen von 1618 ſahe, glaubte, die Beobachtungen deſſelben auf eine geradlinigte Bahn, zwiſchen der Sonne und Erde hindurch, reduciren zu koͤnnen (Libelli tres de cometis, aſtronomicus, phyſicus, aſtrologicus. Aug. Vind. 1619. 4.). Die phyſikaliſche Erklaͤrung iſt ſeiner ganz unwuͤrdig; er nimmt die Kometen fuͤr neuentſtandene Erzeugungen an, die im Himmel, wie Fiſche im Meere, ſchwimmen, um den Raum auszufuͤllen; auch vergißt er die aſtrologiſchen Bedeutungen nicht. Indeſſen iſt ſeine Hypotheſe von der geradlinigten Bahn der Kometen, von vielen nachherigen Aſtronomen beybehalten und vorzuͤglich von Wrenn, Auzout und dem aͤltern Caſſini mit einigen geringen Abaͤnderungen auf wirkliche Berechnungen angewendet worden. Hevel kam der Wahrheit etwas naͤher. Er erkannte die Bahn fuͤr paraboliſch gegen die Sonne gekruͤmmt, nahm aber die Kometen fuͤr irdiſche Theile aus andern Planeten an, die in einem paraboliſchen787 Bogen, wie geworfene Koͤrper, im Weltraume fortgeſchleudert wuͤrden.

Im Jahre 1680 ward am 4. Nov. der große Komet, der allenthalben ſoviel Schrecken verbreitete, zuerſt von Gortfried Kirch in Coburg geſehen. Er gieng mit beſchleunigter Bewegung, welche am 30. Nov. taͤglich betrug, gerade zur Sonne; naͤherte ſich hierauf derſelben etwas langſamer, und erreichte ſie zu Anfang des Decemb. Am 22. Dec. erſchien er wieder auf der andern Seite der Sonne, durchlief taͤglich , nahm aber an Geſchwindigkeit und Groͤße ab, und verſchwand mitten im Maͤrz 1681. Er hatte die Ekliptik in zween Punkten durchſchnitten, welche 98° von einander abſtanden, und waͤhrend der Zeit faſt neun Zeichen durchlaufen. Als er von der Sonne zuruͤckkam, hatte ſein Schweif eine Laͤnge von 70°. Die Erde hatte eben damals eine ſo bequeme Stellung, daß ſeine Ruͤckkehr eben ſowohl, als ſeine Annaͤherung an die Sonne beobachtet werden konnte.

Georg Samuel Doͤrfel, Prediger zu Plauen im Voigtlande, hatte dieſen Kometen vom 22. Nov. bis zu Ende des Iaͤnners beobachtet; er bewieß (Aſtronomiſche Betrachtung des großen Cometen, welcher A. 1680 und 1681 erſchienen, von G. S. D. Plauen, 1681. 4. ) daß der angekommene und der zuruͤckgegangene Komet einer und eben derſelbe ſey, und daß ſein Lauf eine Parabel beſchrieben habe, in deren Brennpunkte die Sonne ſtehe. Dieſes iſt unſtreitig die erſte Entdeckung der wahren Geſtalt der Kometenbahnen, wenigſtens ihres ſichtbaren Theils. Man hat zwar Doͤrfeln, da er in deutſcher Sprache ſchrieb, und unter den Aſtronomen wenig bekannt war, lange Zeit dabey nicht genannt, aber Weidler, Montucla und Kaͤſtner (Nachrichten von Doͤrfeln, in den Schriften der Leipz. Geſellſch. freyer Kuͤnſte, Th. III. ) haben ſeine Verdienſte der Vergeſſenheit entriſſen.

Newton entdeckte um eben dieſe Zeit die Theorie des Kometenlaufs, und machte ſie nach einigen Jahren in ſeinen Principiis bekannt. Was bey Doͤrfeln blos Muthmaßung aus aſtronomiſchen Beobachtungen war, das war788 bey Newton nothwendige Folge aus dem allgemeinen Syſtem der Gravitation und der Centralbewegungen. Da er nicht umhin konnte, ſein Geſetz der Gravitation gegen die Sonne auch auf die Kometen auszudehnen, ſo folgte daraus, daß ihr Lauf eine Ellipſe beſchreiben, und die Sonne in einem Brennpunkte derſelben ſtehen muͤſſe. Weil wir ſie aber nur kurze Zeit ſehen, ſo mußte dies eine Ellipſe ſeyn, von der nur ein kleiner Theil in der Naͤhe der Erde und der Sonne, oder in der Naͤhe des Brennpunkts liegt, d. i. eine ſehr eccentriſche Ellipſe, wie ADPE, Taf. XII. Fig. 89., deren Mittelpunkt C vom Brennpunkte S ſehr weit abſteht, und von welcher nur der keine Theil DPE der Erde

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ſichtbar iſt. Da nun in einer ſolchen Ellipſe der Theil DPE ſehr wenig von der paraboliſchen Geſtalt abweicht, ſo war es ſehr natuͤrlich, daß Newton zu Erleichterung der Rechnung den ſichtbaren Theil der Kometenbahn als eine um die Sonne als Brennpunkt gehende Parabel betrachtete. Seine hierauf gegruͤndeten Berechnungen des Kometen von 1680 trafen mit Flamſtead's und Kirchs Beobachtungen ſo genau uͤberein, daß nicht der mindeſte Zweifel mehr zuruͤck bleiben konnte. Sehr merkwuͤrdig war hiebey die große Naͤhe, in welcher der damalige Komet bey der Sonne voruͤber gegangen war. Die kleinſte Entfernung PS betrug nur (1 / 163) der Entfernung der Erde von der Sonne; woraus Newton, freylich nach eignen Grundſaͤtzen uͤber die Waͤrme, berechnet, der Komet ſey 2000mal ſtaͤrker, als ein gluͤhendes Eiſen, erhitzt worden. Dies ſetzte, wenn er nicht ganz in Daͤmpfe aufgeloͤſet werden ſollte, eine große Dichtigkeit ſeines Kerns voraus, und half die Meynung von der Unvergaͤnglichkeit der Kometen beſtaͤtigen.

Halley (Synopſis Aſtronomiae cometicae, in Philoſ. Trans. 1705.) wandte die newtoniſche Theorie auf 24 Kometen an, von welchen ſich leidlich genaue Beobachtungen vorfanden, und brachte die berechneten Elemente ihrer Bahnen in eine Tabelle. Er hatte das Vergnuͤgen zu ſehen, daß drey derſelben faſt einerley Elemente hatten, alſo ein und eben derſelbe Komet waren, deſſen Umlaufszeit ſich789 aus dieſen Wiedererſcheinungen auf 75 76 Jahre ſetzen ließ. Halley verkuͤndigte hieraus die Wiederkunft eben dieſes Kometen auf 1759. Dieſe in ihrer Art einzige Vorherſagung iſt auch wirklich eingetroffen. Der ſeiner mannichfaltigen Kenntniſſe wegen beruͤhmte Landmann Palitzſch bey Dresden ſahe den halleyiſchen Kometen am 25. Dec. 1758 zuerſt wieder. Es hatte zwar ſein letzter Umlauf 500 Tage laͤnger gedauert, als der von 1607 bis 1682; allein die Aſtronomen zeigten ſehr deutlich, daß dieſe Verſpaͤtigung und die damit verknuͤpfte Aenderung der Elemente blos der Anziehung des Iupiters und Saturns zuzuſchreiben ſey. Die Bahn dieſes Kometen AEPDA Taf. XII. Fig. 89. hat den Punkt P um 0,58 des Halbmeſſers der Erdbahn von der Sonne entfernt, und die Linie SP richtet ſich nach

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. Ihre Ebne hat gegen die Ebne der Erdbahn eine Neigung von 18°, und ſchneidet ſich mit letzterer ſo, daß der aufſteigende Knoten aus der Sonne geſehen im 24°

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liegt. Der Lauf des Kometen geht nach der Ordnung der Buchſtaben AEPDA, und iſt alſo ruͤcklaͤufig. Soviel laͤßt ſich aus den Beobachtungen ſelbſt durch die paraboliſche Theorie finden. Dieſe Theorie aber beſtimmt nichts uͤber die Groͤße der ganzen Bahn; da die Parabel gar nicht wieder in ſich zuruͤck geht, ſo ſollte ihr zu Folge der Komet gar nicht wieder kommen, oder A ins Unendliche hinaus fallen. Wenn man aber die Umlaufszeit eines Kometen aus ſeiner mehrmaligen Erſcheinung kennt, welche fuͤr den von 1759, 28070 Tage betraͤgt, ſo findet man daraus vermittelſt der dritten kepleriſchen Regel (ſ. Kepleriſche Regeln) hievon SP = 0, 58 abgezogen, laͤßt SA = 35,56 uͤbrig, und die halbe kleine Axe CG wird aus der Theorie der Ellipſe = 4,54 gefunden. Die Bahn dieſes Kometen iſt alſo viermal ſo lang, als breit; er koͤmmt der Sonne in P, 61mal naͤher als in A, laͤuft aber auch in P 61mal geſchwinder, und ſteht in A uͤber 3 1 / 2mal weiter von der Sonne als Saturn. 790

Halley erlaubte ſich aͤhnliche Muthmaßungen uͤber die Kometen von 1532 und 1661 aus den Beobachtungen des Apianus und Hevel, ſchloß daraus eine Umlaufszeit von 129 Jahren, und ſetzte die Wiedererſcheinung auf 1790; es wird ſich alſo in den naͤchſten Jahren zeigen, ob dieſe Vorherſagung richtig ſey; woran jedoch manche Aſtronomen zweifeln, weil ſie in Apians Beobachtungen von 1532 ein Mißtrauen ſetzen, und die Elemente der Bahnen bey den Kometen der angefuͤhrten Jahre nicht uͤbereinſtimmend genug finden.

Endlich ſchrieb auch Halley dem großen Kometen von 1680 eine Periode von 575 Jahren zu, und glaubte dadurch zu finden, daß er 46 Jahre v. C. G. gleich nach dem Tode des|Iulius Caͤſar, und um die Zeit der Suͤndfluth erſchienen ſeyn muͤſſe. Er hielt dieſen Kometen fuͤr die Urſache der Suͤndfluth, welchen Gedanken Whiſton weiter ausgefuͤhrt hat, ſ. Erdkugel.

Die newtoniſche Theorie des Kometenlaufs iſt durch alle ſeitdem erſchienene Kometen beſtaͤtiget worden. Der vom Jahre 1729 gieng ſehr langſam und in großer Entfernung von der Sonne, zwiſchen den Bahnen des Mars und Iupiter durch ſein Perihelium. Der von 1744 zeigte bey ſeiner erſten Erſcheinung keinen Schweif, bekam aber einen, der ſich waͤhrend ſeiner Annaͤherung an die Sonne bis auf 40° verlaͤngerte. Als er von der Sonne zuruͤckgieng, war nur der Schweif allein ſichtbar, aber ſehr groß, und in 5 Streifen zertheilt. Der 1769 erſchienene zeigte ſich im September nach Mitternacht am groͤßten, und mit einem Schweife von 40°. Am 7 Oct. gieng er innerhalb der Merkursbahn, 8mal naͤher als die Erde, bey der Sonne voruͤber. Nach ſeiner Zuruͤckkunft von derſelben, wo er im November Abends wieder ſichtbar war, fand ihn Lambert (Beytr. zum Gebrauch der Mathem. Th. III. Num. 7.) ſehr veraͤndert, und wendet auf ihn Virgils Stelle an: quantum mutatus ab illo!

Squallentem barbam et concretos ſanguine crines Vulneraque illa gerena, quae circum plurima Solem Accepit 791

Der im Iunius 1770 gieng anfaͤnglich ſehr langſam, und zeigte keinen Schweif, darauf durchlief er in vier Tagen auf einmal einen großen Raum, und legte am 1. Jul. allein 44° zuruͤck. Er iſt derjenige, deſſen Beobachtungen ſich am ſchwerſten mit der paraboliſchen Theorie vereinigen laſſen, daher Lexell (Philoſ. Trans. for 1779. num. 8.) ſeine Bahn fuͤr eine ganz kurze Ellipſe angenommen, und die Umlaufszeit nur auf 5 1 / 2 Jahr geſetzt hat.

Wie man aus drey Beobachtungen eines Kometen die Elemente des paraboliſchen Theils ſeiner Bahn finde, zeigt Newton (Princ. L. III. prop. 41.), und nach ihm vornemlich Euler (Theoria motus pianetarum et cometarum. Berol. 1744.4.). Lambert hat einen noch leichtern Weg durch Zeichnung angegeben, und uͤber die Frage von Verbeſſerung und bequemer Einrichtung der Berechnung der Kometenbahnen hat bey der Berliner Akademie Herr Tempelhof im Jahre 1778 den Preiß erhalten. Das ſchoͤnſte und vollſtaͤndigſte Werk uͤber die Lehre von den Kometen iſt des Herrn Pingré Kometographie (Cometographie, à Paris, 1785. II. Vol. 4.).

Die bis 1774 bekannt gewordenen Elemente der Kometenbahnen hat auch Herr Bode (Erlaͤut. der Sternkunde, Th. II. S. 479.) mitgetheilt, und nach Proſperins Berechnung (De inveniendis punctis proximis parabolae et circuli circa eund. foc. deſcr. Upſal. 1773.) beygefuͤgt, wie nahe jeder der Erde hoͤchſtens kommen koͤnne. Unter 63 bekannten Kometen gehen nur 8 jenſeits der Erd - und 2 jenſeits der Marsbahn um die Sonne. Dieſes iſt wohl ein Zeichen, daß es weit mehr Kometen giebt, wir aber nur die bemerken, welche in die Nachbarſchaft der Erde kommen. Lambert (Kosmologiſche Briefe, Augſp. 1761. 8. ) traͤgt ſehr erhabne Gedanken hieruͤber vor, und uͤberſchlaͤgt die Anzahl der zu unſerm Syſtem gehoͤrigen Kometen bis an 4000. Sie durchkreuzen die Flaͤchen der Planetenbahnen nach allen moͤglichen Seiten und Richtungen, zerſtoͤren die feſten Sphaͤren des alten Weltſyſtems und die Wirbel des Descartes gaͤnzlich, geben hingegen dem copernikaniſchen und newtoniſchen Syſtem einen neuen792 Glanz, indem ſie zeigen, daß ſich die Kraft der Sonne nicht blos nach der Flaͤche der Planetenbahnen, ſondern nach allen Seiten verbreite, und der große Raum nicht ungenuͤtzt bleibe.

Ueber die phyſikaliſche Beſchaffenheit dieſer Koͤrper ſind wird noch ſehr wenig belehrt. Die Erſcheinungen zeigen mehrentheils an den Kometen Kopf und Schweif. Jener hat durch Fernroͤhre betrachtet einen dichten Kern, und um denſelben eine neblichte Atmoſphaͤre. Der Schweif iſt jederzeit von der Sonne abwaͤrts gekehrt, welches Peter Apian (oder Bienewitz aus Leißnig in Sachſen) zuerſt bemerkt hat; er folgt alſo dem Kopfe nach, wenn der Komet zur Sonne geht, und geht voran, wenn er wieder zuruͤckkoͤmmt. Indem ſich der Komet der Sonne naͤhert, ſieht man durch Fernroͤhre an der der Sonne zugekehrten Seite den Kern ſeine Rundung verlieren, und ſich gleichſam in einen Nebel aufloͤſen, welcher die Atmoſphaͤre vergroͤßert, um den Kern auf beyden Seiten herumgeht, und den Schweif verlaͤngert. Koͤmmt der Komet von der Sonnennaͤhe zuruͤck, ſo iſt er ſehr veraͤndert; man findet den Kern faſt gar nicht mehr, und alles iſt dichte Atmoſphaͤre und Schweif; der letztere ſehr verlaͤngert, wenn dies die Stellung der Erde zu ſehen erlaubt. Die ſchoͤnen Abbildungen, welche Heinſius (Beſchreibung des 1744 erſchienen Kometen. St. Petersb. 1744. 4. ), nach ſeinen Beobachtungen durch ein gutes Spiegelteleſkop, geliefert hat, zeigen dieſe Entſtehung der Atmoſphaͤre und des Schweifs durch Aufloͤſung der Materie des Kerns ganz ſichtlich. Eigentliche Phaſen zeigen zwar die Kometen nicht; der von 1744 aber ſahe doch auf der Seite am hellſten aus, von der ihn die Sonne beſchien. Der Schweif iſt allezeit leuchtend und ſo duͤnn, daß man die Fixſterne dadurch ſehen kan.

Es iſt daher nicht unwahrſcheinlich, daß dieſe Koͤrper aus einer Materie beſtehen, welche durch den Einfluß der nahen Sonne aufgeloͤſet und in Duͤnſte verwandelt wird, die in den vielen Millionen Meilen langen Schweif fortgetrieben werden, und bey der nachmaligen langen Entfernung793 von der Sonne verdichtet wieder herabfallen. Wenn auch gleich dieſe Duͤnſte, wie der Kern ſelbſt, an ſich dunkel ſind, ſo wird doch ihre dadurch gleichfoͤrmige Erleuchtung durch ihre große Feinheit begreiflich, ohne daß man eben noͤthig hat, ſie fuͤr phoſphoriſch oder elektriſch zu erklaͤren.

Newton, Halley, Whiſton, Cluver u. a. nahmen die Einwirkung der Sonne in den Kometen fuͤr Erhitzung, und die Schweife fuͤr Waſſerdaͤmpfe an; Iſaak Voſſius hingegen (De natura lucis. Amſt. 1662. 4. ) erklaͤrte die Kometen fuͤr brennend, und den Schweif fuͤr Flamme. Maitan (Traité de l'aurore boreale, à Paris, 1732. 1754. 4. ) laͤßt die Schweife aus Theilen der Sonnenatmoſphaͤre beſtehen, welche die Kometen an ſich nehmen, indem ſie ſich der Sonne naͤhern, und die der Stoß der Sonnenſtralen von derſelben abwaͤrts treibt. Ich uͤberlaſſe Jedem, hieraus zu waͤhlen, was ihm bey dieſer in der That erſtaunenswuͤrdigen Erſcheinung das Wahrſcheinlichſte daͤucht.

Man hat die Kometen zu mancherley Erklaͤrungen genuͤtzt, wovon ſich Beyſpiele bey dem Worte: Erdkugel finden. Herr Wiedeburg nimmt ſie in ſeinem Syſtem uͤber die Generation der Weltkoͤrper fuͤr ausgeſtoßne Sonnenflecken an, die anjetzt zu Planeten oder Monden vorbereitet und gebildet werden. Lamberts Gedanken daruͤber in den kosmologiſchen Briefen ſind ſehr erhaben, und ſelbſt da, wo ſeine Einbildungskraft vielleicht zu weit geht, noch immer ſchoͤn und hinreißend. Es iſt bey allen den erſtaunlichen Veraͤnderungen, die die Kometen von der Sonne leiden, gar nicht unmoͤglich, daß ſie denkenden und empfindenden, vielleicht ſehr verfeinerten Weſen zum Aufenthalte dienen koͤnnen, die auf einer ſo viel umfaſſenden Laufbahn reichlichen Anlaß finden, an der Mannichfaltigkeit der Schoͤpfung ihre Talente zu uͤben, und ſich unerſchoͤpfliche Quellen des edelſten Vergnuͤgens zu oͤffnen.

Der Aberglaube, der ſonſt die Kometen zu ſchrecklichen Vorboten des Ungluͤcks machte, iſt nicht mehr herrſchend. Dagegen hat die neue Theorie Anlaß gegeben, zu befuͤrchten, daß ein Komet der Erde durch ſeine Annaͤherung794 ſchaden, ſie aus ihrer Laufbahn verdraͤngen, ihr den Mond rauben, oder ihre Gewaͤſſer zu erſtaunlichen Hoͤhen erheben koͤnnte. Heyn (Verſuch einer Betrachtung uͤber Kometen, Suͤndfluth rc. 1742. 8. ) erklaͤrte den Untergang der Erde dadurch, daß ein Komet ſie in Gegenden treiben werde, wo ſie nicht mehr bewohnbar ſey. Ein Komet, ſo groß als die Erde und nur 13290 Meilen von ihr entfernt, koͤnnte das Meer auf 6000 Ellen hoch erheben. De la Lande (Reflexions ſur les comètes, à Paris, 1773. 4. ) berechnete dieſe Wirkungen, und zeigte zugleich, daß einige unter den berechneten Kometen ihre Knoten ziemlich nahe an der Erdbahn haben. Dieſe Schrift verbreitete in Paris eine allgemeine Furcht vor den Kometen. Man ſieht aber aus den von Proſperin berechneten geringſten Entfernungen, daß es nur 8 bekannte Kometen giebt, welche ſich der Erde mehr als (1 / 30) ihres Abſtands von der Sonne, d. i. um mehr als 400 Erddurchmeſſer naͤhern koͤnnen. Der von 1680 z. B. kan ihr hoͤchſtens bis auf 60, der von 1770 auf 96 Erddiameter nahe kommen. Herr de Sejour (Eſſai ſur les comètes, Paris, 1775. 8. ) berechnet, daß der letztere am 1. Jul. 1770 von der Erde wirklich nur um 750000 Lieuen abgeſtanden habe, und ihr naͤher, als irgend ein anderer, gekommen ſey. Dennoch hat er keine uns bekannte Aenderung verurſacht, und diejenigen Kometen, deren Schweife das fuͤrchterlichſte Anſehen hatten, waren der Sonne ſehr nah, alſo entfernt genug von der Erde. Auch Euler (De periculo a nimia appropinquatione cometae metuendo, in Nov. Comm. Petrop. To. XIX. no. 1.) hat durch genauere Berechnung dargethan, daß die Knoten dieſer acht Kometen noch viel zu entfernt ſind, um Zerruͤttungen auf der Erde zu veranlaſſen, wobey er auch des de la Lande Angabe uͤber die Hoͤhe der dadurch erregten Waſſerfluthen ſehr maͤßiget.

Montucla hiſt. des mathematiques To. II.

Kaͤſtners

Anfangsgr. der Aſtr. 3te Aufl. Goͤttingen, 1781. 8. §. 303 u. f.

Bode kurzgefaßte Erlaͤut. der Sternkunde, Th. II. S. 457. u. f.

De la Lande aſtronomiſches Handbuch, Leipz. 1775. gr. 8. S. 577. u. f. 795

Kosmiſch, Coſmicus, Coſmiqus.

Dies Wort bedeutet ſeinem Urſprung nach: was ſich auf die Welt bezieht. Man nennt den Auf - oder Untergang der Geſtirne kosmiſch, wenn er mit Anfang des Tages oder mit Sonnenaufgang geſchieht. Alsdann geht das Geſtirn gleichſam der Welt auf oder unter. So geht Sirius fuͤr Leipzig jaͤhrlich um den 8. Aug. mit der Sonne zugleich auf, und um den 17. Nov. bey Sonnenaufgang unter. Dies ſind bey uns die Tage ſeines kosmiſchen Auf - und Untergangs. Dieſe Tage fuͤr jede Zeit und jeden Ort angeben zu koͤnnen, iſt zur Erklaͤrung der alten Schriftſteller noͤthig, ſ. die Artikel: Aufgang, Akronyktiſch.

Kosmogonie, Coſmogonia, Coſmogonie.

Die Lehre von der Entſtehung und Bildung der Koͤrperwelt. Daß man fuͤr die Lehre von einem ſolchen Gegenſtande einen eignen Namen hat, iſt wohl ein ſehr großer Beweis von den kuͤhnen Anmaßungen des menſchlichen Verſtandes. Denn am Ende laͤuft alles, was wir davon mit Ueberzeugung wiſſen, auf den einzigen Satz hinaus, daß die Welt das Werk eines hoͤchſt vollkommnen, weiſen, maͤchtigen und guͤtigen Schoͤpfers ſey, der alles, was er nach ſeinen erhabnen Endzwecken des Daſeyns wuͤrdig fand, durch die ſchicklichſten Mittel hervorgebracht hat.

Wir kennen in unſern kleinen Beobachtungskreiſe nur einen hoͤchſt unbedeutenden Theil des Hervorgebrachten ſelbſt, und muͤſſen uns uͤber die Mittel der Hervorbringung und Bildung, wenn wir auch nur bey unſerer Erdkugel ſtehen bleiben, mit hoͤchſt ſchwankenden Muthmaſſungen befriedigen. Welche Vermeſſenheit iſt es, in die Bildung des unermeßlichen Ganzen blicken zu wollen!

Kosmographie, Weltbeſchreibung

Coſmographia, Coſmographie. Die Beſchreibung der Welt und ihrer Haupttheile. Sie begreift die Aſtronomie und Geographie, als zween beſondere Abſchnitte, unter ſich. Bisweilen aber wird der Name Kosmographie auch fuͤr Geographie allein gebraucht. 796

Kosmologie, Coſmologia, Coſmologie.

Die Lehre von der materiellen Welt, ihren Haupttheilen, und allgemeinen Geſetzen. Man begreift darunter, außer der Aſtronomie und Geographie, auch die allgemeine Phyſik, oder den Inbegriff der allgemeinen Naturgeſetze, uͤberhaupt alles dasjenige, was in der Koͤrperwelt beſtaͤndig und bleibend zu ſeyn ſcheint. Die abſtracte Betrachtung deſſelben macht unter dem Namen der allgemeinen Kosmologie einen Theil der Metaphyſik aus, die beſondere Anwendung auf die Erſcheinungen mit der Betrachtung der drey Naturreiche auf unſerer Erde verbunden, iſt dasjenige, was unter dem Namen der Phyſik oder Naturlehre insgemein vorgetragen wird.

Maupertuis (Eſſai de Coſmologie, in den Oeuvres de Maupertuis, à Lyon, 1768. IV. To. 8maj. To. I.) unterſucht unter dem Namen der Kosmologie die aus der Betrachtung der Natur gezognen Beweiſe fuͤr das Daſeyn eines hoͤchſten Weſens, leitet aus den Eigenſchaften deſſelben ſein allgemeines Naturgeſetz der kleinſten Witkung (ſ. Wirkung), und aus dieſem die Geſetze der Bewegung her, und beſchließt mit einem Gemaͤlde des ganzen Weltbaus. Wiedeburg (Einleitung in die phyſiſch-mathematiſche Koſmologie, Gotha, 1776. gr. 8.) giebt unter dieſem Titel einen Auszug des Gemeinnuͤtzigſten aus der allgemeinen Phyſik, Sternkunde und Erdbeſchreibung; Wuͤnſch (Kosmologiſche Unterhaltungen, Leipz. 1778 1780. III. B. 8.) theilt ſehr wohl geſchriebene und gruͤndliche Belehrungen uͤber die Himmelskoͤrper, die Erdkugel, die vornehmſten Lehren der Phyſik, und den Menſchen mit.

Kraft, Vis, Force.

Ein allgemeiner Name alles deſſen, was Bewegung hervorzubringen, zu aͤndern oder zu hindern ſtrebt. Daß dieſe Urſachen der Bewegung in der tiefſten Dunkelheit verborgen liegen, und ihr erſter Urſprung außer der Koͤrperwelt geſucht werden muͤſſe, iſt ſchon bey dem Worte: Bewegung erinnert worden. Da indeß jede Aenderung des Zuſtands einen Grund, mithin auch797 jede Entſtehung und Veraͤnderung der Bewegung eine Urſache vorausſetzt, ſo behelfen wir uns mit dem Worte: Kraft, um dadurch alle dieſe Urſachen zu bezeichnen, die wir ſo oft nennen muͤſſen, obgleich ihre Natur ein unerforſchliches Geheimniß bleibt.

Die Bewegung iſt das wichtigſte, aber auch das unerklaͤrbarſte Phaͤnomen der Koͤrperwelt, ſie mag nun durch lebende Weſen, oder durch Mittheilung, oder durch Gravitation u. dgl. hervorgebracht werden. Unter den Weltweiſen haben ſie einige als etwas der Materie weſentlich Eignes angeſehen, andere mit dem Ariſtoteles von einer erſten ſelbſt unbewegten Urſache (〈…〉〈…〉22) hergeleitet.

Malebranche, der die Gottheit mit Recht zum Urheber der Bewegung macht, findet den unmittelbaren Einfluß dieſes hoͤchſten Weſens bey jedem beſondern Wurfe, Falle und Stoße noͤthig, und macht ſo die ganze Koͤrperwelt zu einer unaufhoͤrlichen Reihe von Wundern. Die Einfuͤhrung des Wortes Kraft ſollte anfaͤnglich dazu dienen, die Bewegung deutlicher zu erklaͤren; aber man hat in dieſer Ruͤckſicht dadurch nichts weiter gewonnen, als einen Namen, der unſere Unwiſſenheit verſtecken hilft, und der wegen des dunkeln Begrifs, den er bezeichnet, ganz bequem iſt, um aus ihm noch mehr Wirkungen, als die Bewegung allein, herzuleiten.

Das Wort Kraft druͤckt im eigentlichen Verſtande das aus, was wir in uns fuͤhlen, wenn wir ruhende Koͤrper bewegen, oder bewegte aufhalten wollen. Die Empfindung, die wir alsdann haben, iſt jederzeit mit einer Veraͤnderung der Ruhe oder Bewegung des Koͤrpers, auf den wir wirken, begleitet. Wir koͤnnen uns nicht enthalten, das was in uns iſt, fuͤr die Urſache dieſer Veraͤnderung anzunehmen. Sehen wir nun aͤhnliche Veraͤnderungen ohne unſer Zuthun erfolgen, ſo ſind wir geneigt, eine aͤhnliche Urſache davon, eine Kraft, außer uns zu vermuthen. Man uͤberſieht leicht, wie undeutlich dieſe Vorſtellung iſt. Inzwiſchen giebt ſie einen bequemen Namen fuͤr die Urſache798 der Bewegung, in welchem wir nur nichts mehr, als Benennung, niemals Erklaͤrung, ſuchen duͤrfen.

So ſagen wir, daß unſere Hand Kraſt anwende, um Koͤrper zu bewegen, wir ſchreiben dem Stoße des bewegten Koͤrpers gegen andere eine Kraſt zu, und nennen die Schwere, die die Koͤrper fallen macht, die Cohaͤſion, die der Trennung der Theile widerſteht u. ſ. w., eine Kraſt.

Da wir dieſe Kraͤfte nicht anders, als aus ihren Wirkungen, kennen, ſo kan auch ihre Groͤße nicht anders, als durch die Groͤße ihrer Wirkungen, beſtimmt werden. Wir nennen alſo eine Kraft doppelt ſo groß, als die andere, wenn ſie unter eben den Umſtaͤnden eine doppelt ſo große Bewegung hervorbringt. Da nun die Groͤße der Bewegung durch das Produkt der Maſſe M in die Geſchwindigkeit C, oder durch MC ausgedruͤckt wird, ſ. Bewegung, ſo hat Descartes eben dieſes Produkt als das Maaß der Kraͤfte angegeben. Daß uͤber dieſes Kraͤftemaaß ein Streit entſtanden iſt, von welchem ich im Fortgange dieſes Artikels noch einiges anfuͤhren werde, iſt nicht zu verwundern, da man ſelbſt von dem, was hier gemeſſen werden ſoll, keine deutlichen Begriffe hat. Man muß bey der Vergleichung der Kraͤfte ſehr ſorgfaͤltig ſeyn, um nur ſolche gegen einander zu halten, welche ſich aͤhnlich ſind, und unter aͤhnlichen Umſtaͤnden wirken; daher muß man den Begriff deſſen, was man vergleichen will, beſtimmter feſtſetzen, als es durch die bloße Benennung Kraft geſchieht.

Lehrreicher, als alles, was ſich im Allgemeinen uͤber die Kraft ſagen laͤßt. ſind die beſondern Betrachtungen der Kraͤfte, welche ich hier in alphabetiſcher Ordnung beyfuͤge.

Abſolute Kraft, Vis abſoluta, Force abſolue, heißt eine ſolche, welche in einen Koͤrper unaufhoͤrlich und immer gleich ſtark wirkt, er mag ruhen, oder ſich bewegen. Eine ſolche Kraft iſt die Schwere, welche den Koͤrper, er fey in Ruhe oder Bewegung, keinen Augenblick verlaͤßt, und ihn immer mit gleicher Staͤrke fortzutreiben ſucht. Die Wirkung einer ſolchen Kraft iſt, wenn der Koͤrper durch ein Hinderniß aufgehalten wird, ein ununterbrochner Druck, wenn er aber frey iſt, eine beſchleunigte Be -799 wegung, ſ. Beſchleunigung. Der abſoluten Kraft wird die relative entgegengeſetzt.

Anziehende Kraft, ſ. Anziehung, Attraction.

Ausdehnende Kraft, Vis expanſiva, Force expanſive. So heißt die Elaſticitaͤt oder Federkraft fluͤßiger Koͤrper, welche in einen engern Raum zuſammengedruͤckt, ſich wieder auszubreiten, und das Hinderniß, das ſie einſchraͤnkt, zu bewegen ſtreben, ſ. Elaſticitaͤt.

Beſchleunigende Kraft, Vis acceleratrix, Force acceleratrice. Dieſen Namen legt man in der Dynamik der Staͤrke derjenigen Kraft bey, welche in jeden einzelnen Theil einer Maſſe wirkt. Wie ſtark ein Stein meine Hand druͤckt, lehrt mich die Empfindung; dieſer Druck iſt ohne Zweifel die Summe von allen einzelnen Drucken der Theile des Steines, da jeder dieſer Theile mit einer gewiſſen Staͤrke, die fuͤr alle einerley iſt, durch die Schwe re geſtoßen wird (Kaͤſtner hoͤhere Mechanik, I. Abſchn. Cap. III. §. 51.). Dieſe Staͤrke des Stoßes, den die Schwere auf jeden Theil ausuͤbt, iſt hier die beſchleunigende, die Summe aller Stoͤße, oder der ganze Druck des Steins die bewegende Kraft. Auf der Oberflaͤche der Sonne wuͤrde jeder Theil des Steins etwa 29mal ſtaͤrker gegen die Sonne gravitiren, als er hier gegen die Erde gravitirt, d. h. die beſchleunigende Kraft der Schwere iſt doſelbſt 29mal groͤßer, als bey uns.

Nimmt man eine beſchleunigende Kraft von beſtimmter Groͤße, z. B. die Schwere der Erdkoͤrper unter dem Aequator zur Einheit an, ſo laſſen ſich andere beſchleunigende Kraͤfte dagegen halten, in Zahlen ausdruͤcken, und ſo auch unter einander ſelbſt vergleichen. Rollt z. B. eine Kugel auf einem Brete hinab, das mit der Horizontalebne einen Winkel von 45° macht, ſo iſt, wenn man die Schwere = 1 ſetzt, die beſchleunigende Kraft, welche die rollende Bewegung hervorbringt, = 1 / 2 2; wird das Bret ſo geneigt, daß der Winkel nur 30° betraͤgt, ſo wird ſie = 1 / 2, und die beſchleunigenden Kraͤfte in beyden Faͤllen verhalten ſich, wie 2: 1. 800

Jede Kraft erzeugt, wenn ſie frey wirken kan, Bewegung wenn ſie daran gehindert wird, Streben nach Bewegung, d. i. Druck gegen das Hinderniß, ſ. Druck. Im letztern Falle faͤllt es in die Augen, daß der Druck, oder die bewegende Kraft P, dem Producte der beſchleunigenden Kraft f in die Maſſe oder Anzahl der Theile M proportional ſeyn muß, weil er deſto groͤßer iſt, je mehr Theile da ſind, und je ſtaͤrker in jeden derſelben gewirkt wird. Daher kan man, alles in den gehoͤrigen Einheiten ausgedruͤckt (wenn z. B. die Schwere = 1 geſetzt, die Maſſe aber durch das Gewicht in eben ſolchen Pfunden u. ſ. w. wie der Druck, angegeben wird,) P = Mf ſetzen. Wird in obigem Beyſpiele eine Kugel von 3 Pfund auf dem Brete mit der Hand aufgehalten, ſo iſt ihr Druck gegen die Hand bey einem Neigungswinkel von 30° = 1 / 2·3 = 1 1 / 2 Pfund. Hieraus folgt

Im erſtern Falle hingegen, in welchem f keinen Druck, ſondern wirklich Bewegung hervorbringt, iſt ohne Ruͤckſicht auf die Groͤße der Maſſe, die in einer beſtimmten Zeit erzeugte Geſchwindigkeit v ſowohl, als der in dieſer Zeit durchlaufene Raum s deſto groͤßer, je groͤßer die beſchleunigende Kraft f iſt. Ein Pfund Bley z. B. wuͤrde auf der Oberflaͤche der Sonne freygelaſſen in einer Secunde durch einen 29mal groͤßern Raum, als auf der Erdflaͤche, d. i. durch 29X15 oder 435 Fuß fallen, und dadurch eine Geſchwindigkeit erhalten, mit der es in 1 Sec. 29X30 oder 870 Fuß zuruͤcklegen koͤnnte. Nemlich die in jeden Theil wirkende Kraft beſchleunigt jeden deſto ſtaͤrker, je groͤßer ſie iſt; alle Theile aber fallen zugleich ohne Ruͤckſicht auf ihre Anzahl, daher richtet ſich die Beſchleunigung nicht nach der Maſſe, ſondern blos nach der Groͤße dieſer in die Theile wirkenden Kraft, welcher Umſtand auch den Namen der beſchleunigenden Kraft veranlaſſet hat.

Dieſen Satz, auf welchem die meiſten und wichtigſten Wahrheiten der hoͤhern Mechanik beruhen, hatte Newton801 (Princ. L. I. Def. 7. et Axiom. 2.) ohne Beweis als eine nothwendige Folge des Grundſatzes angenommen, daß ſich alle Wirkungen, wie ihre Urſachen verhalten. Er laͤßt ſich in der groͤßten Allgemeinheit, fuͤr unveraͤnderliche ſowohl, als veraͤnderliche Kraͤfte, am beſten auf folgende Art ausdruͤcken. Die Beſchleunigung oder Zunahme der Geſchwindigkeit dv, welche die Kraft f in jedem unendlich kleinen Zeittheilchen dt hervorbringt, verhaͤlt ſich, wie die Kraft f. Nun bringt die Schwere = 1 in eben dem Zeittheilchen dt die Beſchleunigung 2gdt hervor, ſ. Bewegung, gleichfoͤrmig beſchleunigte. Alſo iſt dv: 2gdt = f: 1. Hieraus folgt

Gegen dieſen als Axiom angenommenen Satz erinnerte Daniel Bernoulli (Examen principiorum Mechanicae, in Comm. Petrop. To. I. p. 127.), es ſey das Weſen und die Wirkungsart der Kraͤfte ſo wenig bekannt, daß ſich hier von der Groͤße der Urſache keine nothwendige Schlußfolge auf die Groͤße der Wirkung ziehen laſſe, und ſich vielleicht die Beſchleunigung dv eben ſowohl, wie das Quadrat oder eine andere Function von f verhalten koͤnne. Dies veranlaßte Eulern (Mechanica, L. I. §. 146 152 ingl. Theoria motus corp. ſolid. Cap. III. ), einen Beweis dieſes Satzes zu verſuchen. D'Alembert (Traité de dynamique, art. 19.) will lieber den zu erweiſenden Satz fuͤr die Definition der beſchleunigenden Kraft annehmen. Pour nous, ſagt er, ſans vouloir diſcuter, ſi ce prin cipe eſt d'une verité neceſſaire ou contingente, nous nous contenterons de le prendre pour une definition etc Nous entendrons donc par force acceleratrice ſimple ment l'élément de|la vîteſſe. Allein, da es hier eigentlich darauf ankoͤmmt, zu erweiſen, daß die Beſchleunigung dv eben dem f proportional ſey, welches man beym Drucke = P / M ſetzen kan, ſo ſteht es entweder nicht mehr frey, eine neue Definition von f zu geben, oder es koͤmmt die Nothwendigkeit eines Beweiſes immer wieder zuruͤck, ſobald802 man das ſo definirte f = P / M ſetzen will. Daher haben es die Herren Kaͤſtner (Anfangsgr. der hoͤh. Mechanik, I. Abſchn. Cap. III, §. 51 73) und Karſten (Lehrbegrif der geſammten Math. III. Theil, Mechanik, Abſchn. III. §. 47 53) fuͤr noͤthig gehalten, eigne und keine weitere Einwendungen uͤbriglaſſende Beweiſe dieſes Satzes zu geben. Uebrigens giebt Karſten der beſchleunigenden Kraft f den Namen Beſchleunigung der Kraft.

Wenn man die der Geſchwindigkeit v zugehoͤrige Hoͤhe, weche = (v / 4g) iſt (ſ. Fall der Koͤrper), u nennt, ſo wird du = (2vdv / 4g), oder wenn fuͤr dv das gleiche 2gfdt geſetzt wird, du = fvdt. Und, weil allezeit vdt = ds (ſ. Bewegung, gleichfoͤrmige),

Die Gleichungen I. und II. ſind der Grund von allem, was ſich in der hoͤhern Mechanik von Wirkungen anderer Kraͤfte, als unſerer Schwere, und beſonders veraͤnderlicher Kraͤfte, ſagen laͤßt, und ſie mit Daniel Bernoulli bloß ſuͤr zufaͤllig halten, iſt eben ſo viel, als den meiſten Lehren der hoͤhern Mechanik ihre Nothwendigkeit abfprechen.

Bewegende Kraft, Vis motrix, Force motrice. So nennt man die ganze in eine gewiſſe Maſſe wirkende Kraft, welche ſich durch das Produkt der beſchleunigenden Kraft f in die Maſſe oder Anzahl der Theile, alſo durch Mf ausdruͤcken laͤßt, und dem Drucke P gleich iſt, den ſie ausuͤbt, wenn keine Bewegung erfolgen kan. Bey ſchweren Koͤrpern iſt das Gewicht die bewegende, die Schwere die beſchleunigende Kraft. Das Gewicht eines Centners iſt 100mal groͤßer, als das Gewicht eines Pfundes; aber die Schwere, oder was auf jeden Theil wirkt, iſt bey beyden einerley. Und weil hiebey f = 1, ſo iſt P = M, oder man kan die Maſſe dem Gewichte gleich ſetzen, ſ. Maſſe.

In einer andern Bedeutung hat man das Wort: be -803 wegende Kraft fuͤr dasjenige Beſtreben genommen, mit welchem ein ruhender Koͤrper das Hinderniß, auf das er druͤckt, oder ein bewegter Koͤrper den andern, dem er begegnet, in Bewegung zu ſetzen ſucht. Man hat dafuͤr gehalten, dieſes Beſtreben ſey der Groͤße der Bewegung proportional, und werde daher eben ſo, wie dieſe, durch MC d. i. durch das Produkt der Maſſe M in die Geſchwindigkeit C ausgedruͤckt, mit welcher der Koͤrper entweder wirklich fortgeht, oder doch fortgehen wuͤrde, wenn er ſich bewegen koͤnnte. Man hat daher dieſes Produkt das Maaß der bewegenden Kraͤfte genannt.

In dieſer von Descartes und dem P. Merſenne eingefuͤhrten Redensart herrſcht einige Undeutlichkeit der Begriffe, indem unſtreitig dasjenige bewegende Kraft genannt wird, was eigentlich nur Bewegung iſt und heißen ſollte. Dennoch wuͤrde man ſie vielleicht, wie viele andere uneigentliche Ausdruͤcke, ruhig beybehalten haben, wenn nicht Herr von Leibnitz (G. G. L. Brevis demonſtratio erroris memorabilis Carteſii et aliorum etc. in Act. Ernd. Lipſ. a. 1686. menſ. Mart. p. 161 ſqq. ) auf eine andere Art, bewegende Kraͤfte zu meſſen, gefallen waͤre. Er behauptete nemlich, die Kraͤfte der Maſſen M, m, die mit den Geſchwindigkeiten C, c fortgiengen, verhielten ſich, wie MC: mc, und das Maaß der Kraͤfte ſey alſo vielmehr das Produkt der Maſſe in das Quadrat der Geſchwindigkeit. Sein Beweis iſt folgender. Eine Maſſe A von 1 Pfund falle durch eine Hoͤhe von 4 Ellen, ſo erhaͤlt ſie dadurch eine Kraft, vermoͤge welcher ſie wieder eben ſo hoch ſteigen koͤnnte. Eine andere Maſſe B von 4 Pfund falle durch eine Hoͤhe von 1 Elle; ſie erhaͤlt dadurch eine Kraft, wieder 1 Elle hoch zu ſteigen. Dieſe beyden erhaltenen Kraͤfte ſind gleich, weil 1 Pfund durch 4 Ellen zu heben, eben ſo viel Kraft erfordert wird, als 4 Pfund durch 1 Elle zu heben. Nach der carteſianiſchen Art, die Kraͤfte zu meſſen, ſollten alſo hier die Producte der Maſſen in die Geſchwindigkeiten gleich ſeyn. Aber nach den Geſetzen des Falles ſchwerer Koͤrper iſt die Geſchwindigkeit der Maſſe A, die durch 4 Ellen fiel, doppelt ſo groß, als die der Maſſe804 B, welche durch 1 Elle fiel. Folglich geben die Geſchwindigkeiten (2 und 1) in die Maſſen (1 und 4) multiplicirt, Producte (2 und 4), welche ungleich ſind. Hingegen die Hoͤhen des Falls oder die Raͤume, bis auf welche A und B wieder ſteigen koͤnnten (4 und 1), geben in die Maſſen (1 und 4) multiplicirt, gleiche Producte (4 und 4). Da nun hier die Kraͤfte gleich ſeyn muͤſſen, ſo erhellet, daß man, um ſie zu meſſen, die Maſſen nicht in die Geſchwindigkeiten, ſondern in die Hoͤhen des Falls, oder in die Quadratzahlen der Geſchwindigkeiten, multipliciren muͤſſe.

Wenn man auch uͤberhaupt den hier angenommenen Begriff von Kraft zulaͤßt, und die Abſicht, ſolche im bewegten Koͤrper ſelbſt liegende Kraͤfte zu meſſen, billiget, ſo wird doch dieſer Beweis des Herrn von Leibnitz ſchon darum zweifelhaſt, weil dabey keine Ruͤckſicht auf die Zeit genommen iſt. Die Maſſe 4 durch den Raum 1, und die Maſſe 1 durch den Raum 4 in gleicher Zeit heben, erfordert allerdings einerley Kraft: aber in dem angefuͤhrten Beyſpiele wuͤrden die beyden Maſſen nicht in gleicher, ſondern A in doppelter, B in einfacher Zeit auf die gedachten Hoͤhen ſteigen; man iſt alſo gar nicht ſo ſchlechthin berechtiget, die Kraͤfte beyder Maſſen fuͤr gleich anzunehmen. Vielmehr laͤßt ſich der ganze Beweis, wenn man die Zeit mit in Betrachtung ziehet, ſehr leicht ſo wenden, daß er das carteſianiſche Maaß der Kraͤfte beſtaͤtiget.

Herr von Leibnitz erlaͤuterte ſeine Meynung durch eine andere Schrift (Specimen dynamicum pro admirandis naturae legibus circa corporum vires etc. in Act. Erud. Lipſ. a. 1695. menſ. Apr. p. 145 ſq. ), in welcher er die Kraͤfte in todte und lebendige eintheilt. Todte Kraft nennt er diejenige, welche keine Bewegung, ſondern nur Beſtreben nach Bewegung hervorbringe (in qua nondum exiſtit motus, ſed tantum ſollicitatio ad motum); ledendige Kraft die mit wirklicher Bewegung verbundene. Die Alten, ſagt er, haͤtten bloß die todte Kraft betrachtet; ihre ſogenannte Mechanik ſey daher nur Statik geweſen. Nun ſey das Product MC in der That das Maaß der todten Kraͤfte, aus der beſondern Urſache, weil ſich beym erſten Anfange805 der Bewegung und bey der bloßen Sollicitation, die erſten Elemente der Raͤume, wie die anfaͤnglichen Geſchwindigkeiten ſelbft, oder wie die Beſtrebungen nach Geſchwindigkeit, verhalten wuͤrden. Aber beym Fortgange der Bewegung, wobey lebendige Kraft entſtehe, verhielten ſich die endlichen Raͤume nicht mehr, wie die Geſchwindigkeiten, ſondern wie deren Quadrate; mithin muͤſſe das Maaß der lebendigen Kraͤfte MC ſeyn.

Das Anſehen des Herrn von Leibnitz hat dieſen Behauptungen viele Anhaͤnger und Vertheidiger verſchaft, unter welche vorzuͤglich Daniel Bernoulli (Examen principiorum Mechanicae, in Comm. Petrop. To. I. p. 130 ſqq. ), Johann Bernoulli (Diſcours ſur le mouvement, in Opp. To. III. num. 135. ingl. De vera notione virium vivarum, in Act. Erud. Lipſ. 1735. Maj. p. 210 und Opp. To. III. num. 145.), Hermann (Phoronomia, Amſt. 1716. 4. ), Bilfinger (De viribus corpori moto inſitis, earumque menſura, in Comm. Petrop. To. I. p. 43 ſqq. ), Wolf (Principia dynamica, in Comm. Petrop. To. I. p. 217 ſqq. ), s'Graveſande (Phyſices Elem. math. L. I. c. 22. §. 460.), und Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. natur. To. I. §. 272 ſq. ), gehoͤren. Dagegen iſt die carteſianiſche Ausmeſſung durch MC von Mairan (Diſſ. ſur l'eſtimation et la méſure des forces motrices des corps, Paris, 1741.), Iurin (Principia dynamica, Philoſ. Transact. no. 476 u. 479.), Deſaguliers (Courſe of experimental philoſophy, Lond. 1745. 4. Vol. I.), Maclaurin (Account of Sir Iſaac Newton's philoſ. diſcoveries, Book II. Chapt. 2.), Heinſius (Diſſ. de viribus motricibus, praeſide Hauſen, Lipſ. 1733. 4. ) und Andern vertheidiget worden. Die Geſchichte des Streits erzaͤhlen Arnold (Diſſ. duae de viribus vivis earumque menſura. Erlang. 1754. 4. ) und noch kuͤrzer Herr Kaͤſtner (Anfangsgr. der hoͤh. Mech. III. Abſch. §. 202 u. f.).

Die Vertheidiger der leibnitziſchen Ausmeſſung haben ſich unter andern auch darauf berufen, daß Kugeln von gleicher Maſſe, wenn ſie aus gewiſſen Hoͤhen herab auf weichen Thon fallen, Gruben eindruͤcken, deren Tiefe ſich,806 wie das Quadrat der letzten Geſchwindigkeit, verhaͤlt. Sie haben hiebey die Tiefe der Loͤcher als die Groͤße der Wirkung angeſehen, die man den Kraͤften der Kugeln zuſchreiben muͤſſe, und daraus geſchloſſen, daß ſich dieſe Kraͤfte ſelbſt bey gleichen Maſſen, wie die Quadrate der Geſchwindigkeiten, verhalten. Die Gegner antworten hierauf, man muͤſſe nicht auf die Tiefen der Gruben allein, ſondern zugleich auf die Zeiten ſehen, binnen welchen dieſe Gruben eingedruͤckt wuͤrden: Leibnitzens Anhaͤnger hingegen ſchließen die Betrachtung der Zeiten gaͤnzlich aus.

Dies wird genug ſeyn, um die Lage des Streits zu uͤberſehen. Beyde Theile ſuchen die Groͤße einer angenommenen Urſache, die ſie Kraft nennen, aus der Groͤße der Wirkung zu beſtimmen. Aber der eine Theil beſtimmt ſie aus derjenigen Wirkung, welche binnen einer gewiſſen Zeit erfolgt, der andere aus der Totalſumme der ganzen erfolgenden Wirkung ohne Ruͤckſicht auf die darauf verwendete Zeit. Wenn, um die Kraͤfte zweener Menſchen zu vergleichen, der eine darauf ſieht, welcher von beyden in einer Stunde am meiſten arbeitet, der andere aber beyde mit friſchen Kraͤften anfangen laͤßt und unterſucht, welcher bis zur gaͤnzlichen Ermuͤdung das Meiſte vollbringe, ſo wird wohl jeder Unbefangene urtheilen, daß man durch die erſte Art der Probe wirklich etwas ganz anders erfahre, als durch die zweyte. Eben ſo wird durch die carteſianiſche Berechnung etwas ganz anders, als durch die leibnitziſche, ausgemeſſen. Wenn aber doch beyde Theile das Ausgemeſſene Kraft nannten, ſo nahmen ſie dieſes Wort in verſchiedener Bedeutung; und dieſer Streit, an dem ſo viele ſcharfſinnige und gelehrte Naturforſcher Theil genommen haben, war im Grunde nichts mehr, als ein bloßer Wortſtreit.

Nach Karſten (Lehrbegrif der geſammt. Math. Th. IV. Mechanik, Abſchn. XVII. §. 269.) iſt hiebey ſogar úber ein bloßes Hirngeſpinſt geſtritten worden. Man koͤnne, ſagt dieſer, dem bewegten Koͤrper gar keine Kraft beylegen, mit der er fortgehe, ſich hebe, andere ſtoße u. dgl. Alles, was er von dieſer Art thue, geſchehe vermoͤge ſeiner807 Traͤgheit, und weiter ſey in ihm nichts, was den Namen einer Kraft verdiene. Zwar rede man im gemeinen Leben ſo, die bewegte Maſſe M ſetze die ruhende N in Bewegung. Eigentlich aber liege die Urſache, warum N bewegt werde, in M und N zugleich, weil beyde undurchdringlich ſeyn. Wollte man alſo der bewegten Maſſe eine eigne Kraft beylegen, ſo muͤßte man auch der ruhenden eine ſolche zuſchreiben. Ein druͤckender oder bewegter Koͤrper druͤcke und bewege ſich nicht ſelbſt, ſondern das, was druͤcke oder ihn bewege, muͤſſe wenigſtens in Gedanken von ihm unterſchieden werden. Hoͤre dies einmal auf, ihn zu beſchleunigen, ſo behalte er zwar die letzte Geſchwindigkeit aber was ſolle nun wohl noch in ihm zuruͤckbleiben, das den Namen einer Kraft verdiene? Man habe alſo bey dieſem Maaße der Kraͤfte vergeſſen zu fragen, ob nicht das, was man meſſen wollte, vielleicht uͤberall eine Chimaͤre ſey.

So ſcharfſinnig dieſe Bemerkungen ſind, ſo ſcheinen ſie doch demjenigen, der das Kraft nennen will, was die ruhende Maſſe N, wenn ſie von der bewegten M geſtoßen wird, in Bewegung ſetzt, die Freyheit dazu nicht zu benehmen, weil doch uͤberhaupt alles, was in einem ruhenden Koͤrper Bewegung hervorbringt, Kraft heißen kan. Es iſt aber auch unlaͤugbar, daß die Bemuͤhungen, dieſe Art Kraͤfte auszumeſſen, ſehr entbehrlich ſind, da man aus den Begriffen von den eigentlich ſogenannten bewegenden Kraͤften und von der Traͤgheit, allein die ganze Mechanik herleiten kan.

Bewegende Kraͤfte der Maſchinen, Potentiae moventes, Puiſſances, Forces mouvantes. Diejenigen Kraͤfte, deren man ſich in der Ausuͤbung bedient, um die Maſchinen in Bewegung zu ſetzen. Die bisher bekannten bewegenden Kraͤfte ſind folgende.

1. Die Kraft der Menſchen. Sie iſt unter allen die brauchbarſte, und erfordert die wenigſte Veranſtaltung, weil Menſchen nach jeder ihnen gegebnen Vorſchrift, auf ſo mannichfaltige Art und nach allen verlangten Richtungen durch Heben, Tragen, Ziehen, Druͤcken, Stoßen, Treten, Drehen u. ſ. w. wirken, auch Staͤrke und Richtung808 ihrer Kraft in jedem Augenblicke nach Beduͤrfniß abaͤndern koͤnnen. Zugleich aber iſt auch die menſchliche Kraft, der Belohnung und Unterhaltung wegen, die koſtbarſte, und darf nie anders, als mit Schonung und Sparſamkeit angewendet werden. Die Alten trieben faſt alle ihre Maſchinen durch Sclaven, deren Unterhalt wenig koſtete, und deren Leben und Geſundheit ihnen oft nicht ſonderlich theuer war. Dieſe Anſtrengung und Verſchwendung der menſchlichen Kraͤfte, in der wir es ihnen weder gleich thun koͤnnen noch wollen, ſetzte ſie in Stand, bey ſehr eingeſchraͤnkten Kenntniſſen der mechaniſchen Theorie, dennoch erſtaunenswuͤrdige Unternehmungen auszufuͤhren. Bey unſern mechaniſchen Entwuͤrfen hingegen muß immer die moͤglichſte Schonung der menſchlichen Kraft eine Hauptabſicht ſeyn. An der Aufrichtung des großen Obeliſken im Circus Vaticanus zu Rom arbeiteten unter der Regierung des Caligula 20000 Menſchen (Plin. H. N. XXXVI, 9.); Dominicus Fontana bewirkte im Jahre 1586. die Errichtung eben dieſes Obeliſken auf dem St. Petersplatze durch 960 Menſchen und 80 Pferde.

Die Groͤße der menſchlichen Kraft iſt freylich in verſchiedenen Koͤrpern hoͤchſt verſchieden; doch laͤßt ſich hiebey fuͤr Menſchen, die zur koͤrperlichen Arbeit geſchickt ſind, im Durchſchnitt ein Mittel angeben. Die Muſkeln des Fußes und der Schenkel tragen, wenn man auf die Zehen tritt, das ganze Gewicht des Koͤrpers, und oft noch Laſten von 150 160 Pfund. In gewoͤhnlicher aufrechter Stellung, oder auch mit etwas eingebognen Leibe und Knieen traͤgt oft ein Menſch mehrere Centner. Durch Druͤcken in vertikaler Richtung kan er hoͤchſtens ſo viel bewirken, als das Gewicht ſeines Koͤrpers betraͤgt. Durch Zug oder Druck in horizontaler Richtung vermag er nicht mehr, als ein Gewicht von 24 25 Pfund, und wirkt mit einer Geſchwindigkeit, welche 6000 Schuh in einer Stunde betraͤgt. Man darf dagegen nicht einwenden, daß ein Mann auf einem horizontalen Boden Laſten zu ziehen oder fortzuſchieben vermag, die uͤber einen Centner wiegen. Denn er hat bey dieſem Zuge oder Drucke nicht das ganze Gewicht der809 Laſt, ſondern nur die Reibung am Boden zu uͤberwinden, welche bey einer ſchicklichen Veranſtaltung nur einem kleinen Theile der Laſt gleich iſt, ſ. Reiben. Im Schlitten auf dem Eiſe, wo ſich das Reiben ſehr vermindert, wird er noch groͤßere Laſten bewegen koͤnnen. Deſaguliers ſetzt, vielleicht mit einigem Nationalvorurtheile, die Kraft eines Englaͤnders im Verhaͤltniſſe 7: 5 groͤßer, als die eines Franzoſen oder Hollaͤnders.

2. Die Kraͤfte der Thiere. Gewoͤhnlich werden dazu die Pferde gebraucht, welche im horizontalen Zuge, im Durchſchnitte genommen, 175 Pfund, d. i. ſiebenmal mehr, als ein Menſch bewegen, und beynahe doppelt ſo geſchwind damit fortgehen koͤnnen. Zwar zieht ein Pferd auf ebnem Wege und gutem Fuhrwerke wohl 1000 Pfund; allein es hat hiebey nicht das Gewicht der 1000 Pfund zu heben, ſondern nur das Reiben an den Theilen des Fuhrwerks zu uͤberwinden, welches bey 1000 Pfund Laſt ohngefaͤhr 175 Pfund betraͤgt. Weit weniger zieht es auf berganſteigenden Wegen, wobey es einen Theil der Laſt ſelbſt zu tragen bekoͤmmt. Deſaguliers ſetzt die Kraft des Pferdes im Zuge 200 Pfund.

3. Die Kraft des Waſſers, eine der vortreflichſten und nuͤtzlichſten, welche die neuere Mechanik bey den meiſten Maſchinen an die Stelle der ſonſt gewoͤhnlichen menſchlichen Kraft geſetzt hat. Man bringt ſie ſo an, daß der Fall oder das Gewicht des Waſſers Raͤder in Umtrieb ſetzt. Die Groͤße der Kraft oder vielmehr der Wirkung koͤmmt hiebey auf Menge, Geſchwindigkeit und Richtung des Waſſers gegen die Theile des Rades an. Ein großer Vorzug dieſer Kraſt, naͤchſt ihrer anſehnlichen Staͤrke, iſt der, daß man ihre Wirkung ſehr gleichfoͤrmig erhalten kan, indem ſich das uͤberfluͤßige Waſſer ableiten, der Mangel aber durch Schuͤtzen erſetzen laͤßt, auch bey den ſogenannten Panſtermuͤhlen das Rad nach der jedesmaligen Hoͤhe des Waſſers gehangen werden kan.

4. Die Kraft des Windes, oder der in der Atmoſphaͤre bewegten Luft. Man ſetzt dem Winde etwas entgegen, das ihn mit einer großen Flaͤche auffaͤngt, und ſo810 durch ihn in Bewegung geſetzt wird, wie die Segel der Schiffe und die Fluͤgel der Windmuͤhlen. Dieſe Kraft iſt zwar unter allen die wohlfeilſte; allein ihre Staͤrke und Richtung ſind ſehr veraͤnderlich. Wegen der Richtung muͤſſen ſich die Flaͤchen, die den Wind auffangen, nach allen Gegenden kehren laſſen. Den Unbequemlichkeiten aber, die aus der veraͤnderlichen Staͤrke entſtehen, kan man nicht ſo leicht vorbeugen. Ein allzuſtarker Wind iſt den Maſchinen gefaͤhrlich; ein allzuſchwacher hingegen laͤßt ſie oft unbrauchbar.

5. Die Kraft des Feuers, oder weit richtiger: der Druck der Atmoſphaͤre auf einen durch Erkaltung und Verdichtung elaſtiſcher Daͤmpfe ploͤtzlich hervorgebrachten leeren Raum. Man iſt erſt in neuern Zeiten auf den Gebrauch dieſer ſehr vortheilhaften bewegenden Kraft gekommen, ſ. Dampfmaſchine.

6. Die Kraft der Gewichte, oder die Schwere der Koͤrper. Sie gewaͤhrt den Vortheil, daß ſich ihre Wirkung ſehr genau beſtimmen laͤßt, und immer unveraͤndert bleibt, wie denn auch die Gewichte zum Maaße aller andern druͤckenden oder ziehenden Kraͤfte dienen. Demohnerachtet ſind ſie in der praktiſchen Mechanik nicht ſehr brauchbar, weil ſie ſich immer niederwaͤrts bewegen, und daher entweder einen großen Raum zum Sinken, oder ein oͤfteres Aufziehen erfordern. Sie werden alſo nur da gebraucht, wo die bewegende Kraft ſehr langſam oder nicht weit ſinken darf, wie z. B. bey Uhren, oder zu Gegengewichten.

7. Die Kraft der Federn oder die Elaſticitaͤt feſter Koͤrper, ſ. Elaſticitaͤt. Solche elaſtiſche Koͤrper ſind z. B. Stahlfedern, Metalldrath, lange Stangen von Tannenholz u. dgl. Oft werden ſie nur gebraucht, gewiſſe Theile der Maſchinen an einander zu druͤcken, oder, wenn die Hemmung weggenommen wird, eine ploͤtzliche Bewegung durch einen kleinen Raum, wie bey den Flintenſchloͤſſern, hervorzubringen. Will man ſie zu laͤnger daurenden Bewegungen brauchen, ſo muͤſſen ſie in eine von ihrer natuͤrlichen ſehr weit abweichende Figur gebracht, z. B. zuſammengewunden werden, da ſie denn, indem ſie ſich811 ihrer natuͤrlichen Geſtalt nach und nach wieder naͤhern, gewiſſe Theile der Maſchinen ziehen und bewegen koͤnnen. Dieſe Einrichtung haben die Federn der Taſchenuhren. Sie werden in Gehaͤuſe eingeſchloſſen, nehmen daher ſehr wenig Raum ein, und ſind bey kleinen Maſchinen, wie bey Uhren, Avtomaten u. dgl. ſehr gewoͤhnlich. Im Anfange, wenn ſie noch ſtark geſpannt ſind, ziehen ſie ſtaͤrker, als in der Folge, worauf bey der Einrichtung der Maſchinen Ruͤckſicht genommen werden muß. Auch erfordern ſie von Zeit zu Zeit ein neues Aufwinden.

Ohne Zweifel liegen noch andere bisher unbekannte oder ungebrauchte Kraͤfte in der Natur, welche vielleicht die Nachwelt zur praktiſchen Mechanik wird anwenden lernen. So laſſen ſich ſchon jetzt allerley Spielwerke durch Elektricitaͤt und Magnetismus in Bewegung ſetzen. Wie wenig moͤchten wohl unſere Vorfahren erwartet haben, daß man betraͤchtliche Waſſerkuͤnſte vermittelſt der Daͤmpfe des kochenden Waſſers umtreiben werde? Eben ſo wenig koͤnnen wir vorausſehen, welche Vortheile noch die Zukunft in dem unermeßlichen Felde der Natur entdecken werde.

Man verſteht endlich unter bewegenden Kraͤften, Potenzen (Potentiae, Puiſſances, Forces mouvantes), bisweilen auch die Maſchinen ſelbſt. Beſonders iſt dies in der franzoͤſiſchen Sprache gewoͤhnlich. So hat Camus ſein Buch von der praktiſchen Mechanik Traité des forces mouvantes uͤberſchrieben, ſ. Potenzen.

Centralkraͤfte, Centrifugalkraft, Centripetalkraft, ſ. dieſe Worte an ihren gehoͤrigen Stellen.

Federkraft, ſ. Elaſticitaͤt.

Gleichfoͤrmig beſchleunigende Kraft, ſ. Unveraͤnderliche Kraft

in der Folge dieſes Artikels.

Kraft der Traͤgheit, ſ. Traͤgheit.

Kraft des Wurfs, ſ. Wurf.

Lebendige Kraft, Vis viva, Force vive. Herr von Leibnitz (Specimen dynam. pro admirandis naturae legibus etc. in Act. Erud. Lipſ. a. 1695. April. p. 145.) hat die Kraͤfte zuerſt in todte und lebendige eingetheilt, um dadurch die Anwendung des von ihm angegebnen Maaßes812 der Kraͤfte genauer zu beſtimmen, ſ. bewegende Kraft. Er nennt die lebendige Kraft eine ſolche, die mit wirklicher Bewegung verbunden iſt (vim cum motu actuali coniunctam), da hingegen die todte Kraft (ſollicitatio ad motum) nur ſtrebe, Bewegung hervorzubringen, ob ſie gleich in der That keine erzeuge. Es ſcheint hiernach, als habe er nur diejenigen Kraͤfte, welche wirkliche Bewegung hervorbringen, lebendige nennen wollen. In dieſem Sinne wird auch das Wort von den meiſten Vertheidigern des leibnitziſchen Maaßes der Kraͤfte, unter andern von Wolf genommen, der uͤberall dasjenige, was nur gerade zum Gleichgewichte hinreicht, die todte Kraft nennt, von der lebendigen aber ſagt: Vis motrix dicitur viva, ſi motum actu producit (Wolff Elem. Mechan. Cap. I. Defin. 7.). Johann Bernoulli aber geht in ſeiner Abhandlung: De vera notione virium vivarum (Act. Erud. 1735. Maj. p. 210 und Opp. To. III. num. 145.), von dieſem Begriffe einigermaßen ab. Er ſagt daſelbſt, die lebendige Kraft beſtehe nicht in actuali exercitio, ſondern nur in facultate agendi: ſie bleibe noch immer lebendige Kraft, wenn ſie auch nicht wirke, oder nichts habe, worein ſie wirken koͤnne. Sie ſey alſo etwas fuͤr ſich beſtehendes (aliquid reale et ſubſtantiale, quod per ſe ſubſiſtit, et quantum in ſe eſt, non dependet ab alio) und wuͤrde ſchicklicher Faͤhigkeit zu wirken (facultas agendi, Gallice le pouvoir) genannt werden koͤnnen.

Um die Verſchiedenheit beyder Begriffe beſſer zu uͤberſehen, ſtelle man ſich eine durch irgend eine Kraft bewegte Kugel vor. Von der Kraft, welche die Kugel in Bewegung geſetzt hat, iſt hier die Rede gar nicht, obgleich auch dieſe nach Leibnitzens Erklaͤrung und in der Sprache der Wolfiſchen Schriften eine lebendige Kraft heißen wuͤrde, weil ſie Bewegung erzeugt hat. Vielmehr wird hier der bewegten Kugel ſelbſt eine Kraft zugeſchrieben. Nach Herrn von Leibnitz ſoll dieſe nur alsdann ſtatt|finden, wenn dieſe Kugel andere Koͤrper, die ſie antrifft, wirklich in Bewegung ſetzt. Nach Bernoulli aber ſoll ſie auch alsdann in der Kugel liegen, wenn dieſe auf ihrem Wege813 nichts antrifft, das ſie in Bewegung ſetzen koͤnnte; ſie ſoll eine bloße Faͤhigkeit ſeyn, Bewegung zu erzeugen, wofern ſich dazu Gelegenheit finden ſollte.

Dieſe Kraft haͤlt nun Bernoulli fuͤr etwas ganz Eignes und Subſtantielles. Er ſchließt hieraus, daß man ihre Groͤße bloß durch die Totalſumme aller von ihr erzeugten Wirkungen zu meſſen habe, ohne auf die Zeit zu ſehen, in welcher die Wirkungen erfolgen; eben ſo, wie man, um die Capacitaͤt eines Gefaͤßes zu meſſen, bloß auf die Menge des darinn enthaltenen Waſſers zu ſehen hat, ohne die Zeit, in welcher das Waſſer eingeſuͤllt oder abgelaſſen werden kan, in Betrachtung zu ziehen, woraus freylich die Leibnitziſche Abmeſſung der Kraͤfte folgt. So vertheidigt Bernoulli dieſes Maaß der Kraͤfte mit Vorausſetzung eines Begrifs von Kraft, an den vielleicht der Erfinder ſelbſt nicht gedacht hatte, und der, wenn er auch nicht ganz unzulaͤßig iſt, doch immer ein ſehr dunkler und am Ende entbehrlicher Begrif bleibt, ſ. bewegende Kraft.

Es laſſen ſich uͤber dieſe Kraft der bewegten Koͤrper, zumal nach Bernoulli's Vorſtellung, faſt eben die Bemerkungen machen, die ich bey dem Worte: Centralkraͤfte (Th. I. S. 487. beſonders 494.) uͤber die Schwungkraft vorgetragen habe. Der bewegte Koͤrper ſetzt ſeinen Weg vermoͤge der Traͤgheit fort, und ſelbſt beym Stoße, wo er ſeine Bewegung einem andern mittheilt, laͤßt ſich aus dieſer Traͤgheit und der Undurchdringlichkeit der Materie alles erklaͤren, ſ. Stoß. Will man inzwiſchen das Vermoͤgen des Koͤrpers, ſich fortzubewegen, und andere zu ſtoßen, Kraft nennen, ſo muß man ſich nur erinnern, daß dieſe Kraft zu einer andern Claſſe von Urſachen gehoͤrt, als die Schwere, die Kraft der Menſchen und Thiere, u. ſ. f.

Johann Bernoulli leitete aus ſeinem Begriffe von lebendiger Kraft den ſo beruͤhmt gewordenen und wenigſtens in der Geſchichte der Mechanik merkwuͤrdigen Satz her: In der Koͤrperwelt wird immer einerley Summe lebendiger Kraͤfte erhalten. Man nennt dieſen Satz den Grundſatz der Erhaltung lebendiger Kraͤf -814 te (principium conſervationis virium vivarum). Bernoulli haͤlt ihn fuͤr ſo einleuchtend, daß er ſagt, wer ihn beweiſen wollte, wuͤrde ihn nur verdunkeln. Man koͤnne doch nicht laͤugnen, daß eine wirkende Urſache nie ganz oder zum Theil verlohren gehen koͤnne, ohne vorher eine dem Verluſt gemaͤße Wirkung hervorgebracht zu haben. Die lebendige Kraft eines bewegten Koͤrpers ſey etwas Abſolutes und ſo Poſitives, daß ſie in dem Koͤrper bleiben wuͤrde, wenn es auch dem Schoͤpfer gefiele, die ganze uͤbrige Koͤrperwelt zu vernichten. Wenn alſo die lebendige Kraft eines Koͤrpers bey ſeinem Stoße an einen andern vermindert werde, ſo muͤſſe dagegen die lebendige Kraft des andern um eben ſoviel zunehmen, woraus denn die beſtaͤndige Gleichheit der Totalſumme lebendiger Kraͤfte nothwendig folge.

Dieſem Grundſatze gemaͤß, und nach der Leibnitziſchen Ausmeſſung der Kraͤfte durch MC, muß alſo beym Stoße zweener Maſſen M und m, wenn ſie mit den Geſchwindigkeiten C und c an einander treffen, und nach dem Stoße die Geſchwindigkeiten V und v erhalten. ſeyn. Dies iſt auch in der That der Fall bey dem Stoße elaſtiſcher Koͤrper, ſ. Stoß. Beym Stoße harter Koͤrper hingegen, wo beyder Geſchwindigkeit nach dem Stoße gleich, oder v = V, und iſt, findet dieſes Geſetz nicht ſtatt. Johann Bernoulli nahm aus andern Gruͤnden keine vollkommen harten Koͤrper an, ſ. Stetigkeit. Ihm ſchienen alſo die Geſetze des Stoßes elaſtiſcher Koͤrper hinreichend zu Beſtaͤtigung ſeines Grundſatzes, und von dem Stoße der weichen unelaſtiſchen Maſſen ſagt er, es werde dabey ein Theil der lebendigen Kraft auf ihre Zuſammendruͤckung verwendet, der aber doch nicht verlohren gehe, ſondern im Koͤrper zuruͤckbleibe; ſo wie in einer geſpannten Feder, die aber durch ein Hinderniß zuruͤckgehalten werde, die lebendige Kraft immer bleibe, ob ſie gleich nicht thaͤtig werden koͤnne.

So wenig man nun den Grundſatz der Erhaltung lebendiger Kraͤfte in derjenigen Allgemeinheit, die ihm ſein815 Erſinder beylegt, fuͤr erwieſen oder unbezweifelt halten kan; ſo iſt doch nicht zu laͤugnen, daß man ihn in einem etwas eingeſchraͤnktern Sinne in ſehr vielen Faͤllen richtig findet. Druͤckt man ihn nemlich ſo aus:

Wenn ein Syſtem mehrerer Maſſen in Bewegung iſt, und dieſe Maſſen waͤhrend der Bewegung in einander wirken, ſo iſt die Summe der Produkte aller einzelnen Maſſen in die Quadrate ihrer erlangten Geſchwindigkeiten, in jedem Augenblicke eben ſo groß, als ſie ſeyn wuͤrde, wenn dieſe Maſſen nicht in einander gewirkr haͤtten

ſo laͤßt ſich die Wahrheit deſſelben faſt in allen Faͤllen aus andern mechaniſchen Gruͤnden erweiſen. So iſt es z. B. wahr, daß die Summe der Produkte aus den Maſſen in die Quadrate der Geſchwindigkeiten eben dieſelbe bleibt, es moͤgen die Maſſen A, B, C u. ſ. w. als mehrere einfache Pendel neben einander ſchwingen, oder ſie moͤgen als Theile eines einzigen aus ihnen zuſammengeſetzten Pendels waͤhrend der Schwungbewegung in einander wirken. Dies hat Bernoulli ſelbſt aus andern mechaniſchen Gruͤnden ſehr uͤberzeugend dargethan. Auch d'Alembert erweiſet das Geſetz der Erhaltung der Kraͤfte, in der angezeigten Einſchraͤnkung genommen, aus andern Saͤtzen der Mechanik.

Man hat dieſes Geſetz mit großem Nutzen auf viele ſchwere mechaniſche Aufgaben angewendet, die ſich dadurch oft leichter, als durch andere Methoden, haben aufloͤſen laſſen. So hat z. B. Daniel Bernoulli in ſeiner Hydrodynamik die ganze Lehre von der Bewegung fluͤßiger Koͤrper auf dieſes Geſetz gegruͤndet, und ſo viele ſeinen Vorgaͤngern zu ſchwer gebliebene Aufgaben zuerſt aufgeloͤſet. Bey dem jetzigen Zuſtande der Mechanik aber iſt es ziemlich entbehrlich, da man alles, was durch daſſelbe erfunden worden iſt, nun viel ſicherer aus andern Gruͤnden herleiten kan, welche Johann Bernoulli großentheils ſelbſt entdeckt hat.

Mittlere Kraft, ſ. zuſammengeſetzte Kraft. 816

Normalkraft, ſ. dieſes Wort an ſeiner gehoͤrigen Stelle.

Relative Kraft, Vis relativa, Force relative. Sie wird der abſoluten entgegengeſetzt, und iſt eine ſolche, welche anders in den ruhenden, anders in den verſchiedentlich bewegten Koͤrper wirkt. Ein Beyſpiel davon giebt die Wirkung der Hand, die eine Kugel fortſchiebt, und dabey immer einerley Geſchwindigkeit behaͤlt. Anfaͤnglich bringt die Hand viel Veraͤnderung im Zuſtande der Kugel hervor; ſie erzeugt Geſchwindigkeit, wo vorher keine war. Zuletzt aber nimmt die Kugel die Geſchwindigkeit der Hand ſelbſt an, und empfindet daher nichts mehr von der Nachfolge derſelben.

Retardirende Kraft, Vis retardatrix, Force retardante. So heißt eine beſchleunigende Kraft, wenn ſie nach einer der wirklichen Bewegung des Koͤrpers entgegengeſetzten Richtung wirkt, und daher die Geſchwindigkeit dieſer Bewegung vermindert. So wirkt z. B. die Schwere der Bewegung eines aufwaͤrts geworfenen Koͤrpers entgegen, macht alſo, daß die Geſchwindigkeit, mit welcher er aufſteigt, immer geringer wird und endlich ganz aufhoͤret. In dieſem Falle iſt die Schwere eine retardirende Kraft, ſ. Bewegung, gleichfoͤrmig-verminderte.

Schnellkraft, Spannkraft, ſ. Elaſticitaͤt.

Schwerkraft, ſ. Gravitation.

Tangentialkraft, ſ. dieſes Wort an der ihm zukommenden Stelle.

Todte Kraft, Vis mortua, Force morte. So nennt Herr von Leibnitz eine Kraft, welche gegen ein unuͤberwindliches Hinderniß wirkt, und alſo nur Bewegung hervorzubringen ſtrebt, ohne dieſelbe wirklich erzeugen zu koͤnnen. So ſpannt z. B. eine Kugel den Faden, an dem ſie haͤngt, oder druͤckt den Tiſch, auf dem ſie liegt, mit einer todten Kraft. Man nennt ſowohl den Druck ſelbſt todte Kraft, als auch das aus dem Drucke entſtehende Beſtreben nach Bewegung (ſollicitationem ad motum). Johann Bernoulli (De vera notione virium vivarum, §. 4.) nimmt todte Kraft und Druck fuͤr voͤllig einerley;817 an einem andern Orte (Diſcours ſur le mouvement, Chap. III. Def. 2.) giebt er folgende Erklaͤrung: La force morte eſt celle, que reçoit un corps, lorsqu'il eſt ſollicité et preſſé de ſe mouvoir.

Leibnitz ſagt, die lebendige Kraft entſtehe aus unzaͤhlig oft wiederholten Eindruͤcken der todten Kraft (ex infinitis vis mortuae impreſſionibus). Wenn nemlich das, was druͤckt, z. B. die Schwere, in jedem Augenblicke durch das Hinderniß aufgehoben wird, ſo erfolgt nur Druck; wenn aber nach weggenommenem Hinderniſſe die Maſſe wirklich bewegt wird, ſo giebt ihr die wirkende Urſache in jedem Zeittheilchen einen Druck, oder ein unendlich kleines Vermoͤgen, andere Koͤrper zu bewegen, woraus denn in endlicher Zeit eine endliche Kraft entſteht. In dieſem Sinne laͤßt ſich behaupten, die lebendige Kraft ſey in Vergleichung mit der todten, oder die Kraft des Stoßes ſey in Vergleichung mit dem Drucke unendlich groß. Es folgt hieraus, daß ſich Stoß und Druck gar nicht mit einander vergleichen laſſen, ſondern ſich wie ein Integral und ſein Element verhalten; daher man auch die Kraft des Stoßes nicht durch Gewichte ausdruͤcken kan, ſ. Stoß.

Daß man die todte Kraft durch MC, oder durch das Produkt der Maſſe in die Geſchwindigkeit, welche im erſten Anfange der Bewegung vorhanden ſeyn wuͤrde, ausmeſſen muͤſſe, daruͤber ſind beyde Parteyen, welche uͤber das Maaß der lebendigen Kraͤfte geſtritten haben, einig geweſen. Auch laͤßt ſich die Ausmeſſung anwenden, man mag unter todter Kraft diejenige bewegende Kraft, welche eine Maſſe druͤcken macht, oder den Druck ſelbſt, oder das daraus entſtehende Beſtreben nach Bewegung verſtehen.

Veraͤnderliche Kraft, Vis variabilis, Force variable. So heißt eine beſchleunigende Kraft, wenn ſie nicht in allen Stellen des Weges, durch den eine Maſſe bewegt wird, gleich ſtark bleibt. So ſind die Schwere der Erde gegen die Sonne, oder die des Monds gegen die Erde, veraͤnderliche Kraͤfte, weil ſie nicht in allen Stellen der Erdoder Mondbahn einerley bleiben. In den Faͤllen, wo eine ſolche Kraft nach einem gewiſſen Punkte gerichtet iſt, ſ. 818Centripetalkraft, richtet ſich ihre Groͤße gemeiniglich nach der Entfernung des bewegten Koͤrpers von dieſem Punkte. So verhaͤlt ſich die Schwere der Erde gegen die Sonne umgekehrt, wie das Quadrat der Entfernung beyder Weltkoͤrper, und wuͤrde viermal ſo groß ſeyn, wenn dieſe Entfernung nur halb ſo groß waͤre. Wenn in einer gewiſſen Entfernung a die Kraft ſo groß iſt, daß ſie den Koͤrper mit beſchleunigter Bewegung in der erſten Secunde durch den Raum e treiben wuͤrde, ſo iſt ſie in der Entfernung y ſo groß, daß fie ihn in eben der Zeit durch den Raum (ae / y) treibt. Will man nun die Kraft f ſelbſt ſo ausdruͤcken, daß dabey die Schwere der Erdkoͤrper, welche in der erſten Secunde durch g treibt, = 1 geſetzt wird, ſo hat man g: (ae / y) = 1: f, oder f = (ae / gy).

Alles, was die Mechanik von Bewegungen lehrt, die aus veraͤnderlichen Kraͤften entſtehen, beruht auf der Gleichung dv = 2gfdt, in welcher ſtatt f der gehoͤrige Werth deſſelben geſetzt, und die Gleichung auf eine Form gebracht werden muß, in welcher ſie ſich integriren laͤſt. Beyſpiele hievon ſind bey den Worten: Bewegung, ungleichfoͤrmig-beſchleunigte, Centralbewegung (Th. I. S. 345 ingl. S. 472. u. f.) gegeben worden.

Man nennt die veraͤnderlichen Kraͤfte auch ungleichfoͤrmig-beſchleunigende (vires inaequabiliter accelerantes).

Ungleichfoͤrmig-beſchleunigende Kraft, ſ. Veraͤnderliche Kraft.

Unveraͤnderliche Kraft, Vis conſtans, Force conſtante. Eine beſchleunigende Kraft, welche in allen Stellen des Weges, durch den eine Maſſe bewegt wird, gleich ſtark bleibt. So laͤßt ſich die Schwere der Koͤrper gegen die Erde, waͤhrend des Falles von einer geringen Hoͤhe, als eine unveraͤnderliche Kraft anſehen. Koͤmmt aber die Hoͤhe des Falles mit dem Halbmeſſer der Erde in merkliche819 Vergleichung, ſo iſt auch die Schwere waͤhrend des Falles veraͤnderlich, und in den tiefern Stellen ſtaͤrker, als in den hoͤhern. Wenn f unveraͤnderlich iſt, laͤßt ſich die Formel dv = 2gfdt an ſich integriren, und giebt v = 2gft, und (weil vdt = ds mithin 2gftdt = ds) s = gft, woraus alles ſo folgt, wie fuͤr die gleichfoͤrmig beſchleunigte Bewegung (Th. I. S. 336. 337.). Daher heißen die unveraͤnderlichen Kraͤfte auch gleichfoͤrmig beſchleunigende (uniformiter ſ. aequabiliter accelerantes).

Zuruͤckſtoßende Kraſt, ſ. Repulſion.

Zuſammengeſetzte Kraft, mittlere Kraft, Vis compoſita, Force reſultante. Diejenige Kraft, welche aus der Vereinigung zwoer oder mehrerer nach verſchiedenen Richtungen wirkender Kraͤfte entſpringt. Dieſe verſchiedenen Kraͤfte ſelbſt werden die aͤußern Kraͤfte genannt. Aus der Groͤße und Richtung der aͤußern Kraͤfte findet man die mittlere eben ſo, wie man aus der Groͤße und Richtung mehrerer zuſammenkommenden Bewegungen die zuſammengeſetzte Bewegung findet, ſ. Zuſammenſetzung der Kraͤfte.

Kryſtall, Cryſtallus, Cryſtal.

So nennt man uͤberhaupt eine jede Subſtanz, deren Theile ſo geordnet ſind, daß ſie regelmaͤßig gebildete feſte Maſſen ausmachen. Anfaͤnglich ward dieſer Name blos dem natuͤrlichen Kryſtall oder Bergkryſtall (Cryſtallus nativa ſ. montana, Cryſtal de roche) beygelegt, einem harten durchſichtigen Steine, der die Geſtalt eines ſechsſeitigen Prisma hat, auf deſſen Grundflaͤchen zwo ſechsſeitige Pyramiden aufgeſetzt ſind. Dieſer Bergkryſtall wird bisweilen ganz rein und ungefaͤrbt, bisweilen farbigt gefunden, und macht dasjenige aus, was man insgemein unaͤchte Edelſteine nennt. Er beſitzt alle Eigenſchaften der Kieſelerde, und Bergmann hat aus der Aufloͤſung dieſer Erde in Flußſpathſaͤure durchs Anſchießen kuͤnſtlichen Bergkryſtall erlangt. Dieſer Stein ward ſchon von den Alten ſehr hoch geſchaͤtzt, und zu allerley Gefaͤßen von großem Werthe verarbeitet. Wegen ſeiner Aehnlichkeit mit dem Eiſe820 (〈…〉〈…〉23, glacies) legten ſie ihm den Namen Kryſtall bey. Das Kryſtallglas, welches ihm nachahmen ſoll, ſ. Glas, erlangt doch niemals die Haͤrte des natuͤrlichen Kryſtalls.

Bey den Operationen der Chymie erhalten viele Koͤrper, wenn ſie aus dem fluͤßigen Zuſtande langſam in den feſten uͤbergehen, eine regelmaͤßige Geſtalt, welche gewiſſen Subſtanzen ſpecifiſch eigen iſt. Weil dieſe Koͤrper alsdann, beſonders wenn ſie durchſichtig ſind, Aehnlichkeit mit dem natuͤrlichen Kryſtalle haben, ſo hat man zuerſt den durchſichtigen, dann aber allen uͤberhaupt den Namen der Kryſtallen gegeben. Man ſagt alſo nicht allein von den Salzen, welche ſich aus ihren Aufloͤſungen unter beſtimmten Geſtalten niederſchlagen, daß ſie ſich kryſtalliſiren oder in Kryſtallen anſchießen, ſondern man gebraucht eben dieſe Ausdruͤcke auch von kieſichten, metalliſchen u. a. Subſtanzen, und nennt uͤberhaupt alle Mineralien, deren aͤußere Geſtalt regelmaͤßig gebildet iſt, kryſtalliſirte, ſ. Kryſtalliſation.

Kryſtall, islaͤndiſcher, Doppelſtein, Doppelſpath, Cryſtallus islandica ſ. duplicans, ſpathum duplicans, Cryſtal d' Islande. Ein durchſichtiger blaͤttriger, in rhomboidaliſchen Stuͤcken brechender Kalkſpath, welcher die merkwuͤrdige Eigenſchaft hat, die dadurch geſehenen Gegenſtaͤnde zu verdoppeln. Man findet ihn in Schweden, Island und der Schweiz. Die Stuͤcken, in welche er bricht, ſind Parallelepipeda mit rhomboidaliſchen Seitenſlaͤchen, deren ſtumpſe Winkel 101° 52′, folglich die ſpitzigen 78° 8′ betragen. Die Neigung der Seitenflaͤchen ſelbſt gegen einander iſt 105°.

Die erſten Beobachtungen uͤber die Erſcheinungen dieſes Kryſtalls ſind von Eraſmus Bartholin, Profeſſor der Geometrie und Medicin zu Kopenhagen. (Experimenta Cryſtalli Islandici, quibus mira et inſolita refractio detegitur. Hafniae, 1669. 4.). Er bemerkte, daß die Gegenſtaͤnde A und B (Taf. XII. Fig. 90.), auf welche die Grundflaͤche eines ſolchen Kryſtalls gelegt ward, bey aa und bb doppelt erſchienen; daß die beyden Bilder deſto821 weiter von einander abſtanden, je dicker der Kryſtall war, und daß ihre Entfernung am groͤßten erſchien, wenn der Gegenſtand auf der Diagonallinie NL lag, welche durch die ſpitzigen Winkel der Grundflaͤche geht. Er ſchloß aus allem, daß hiebey eine doppelte Brechung jedes Strals vorgehe, wovon die eine nach den gewoͤhnlichen Regeln nach dem Brechungsverhaͤltniſſe 5 zu 3 erfolge, die andere ungewoͤhnliche aber auf die Neigung des Strales gegen eine mit den Seiten des Kryſtalls parallele Ebne ankomme.

Huygens (Traité de la lumiere, Leid. 1690. 4. chap. 5. auch lateiniſch in Hugenii Opp. reliquis, Amſt. 1728. 4. To. I.) beſtimmte dieſe Erſcheinungen weit genauer, und bemerkte, daß ſie ſich auf die Ebne GCFH Taf. XII. Fig. 91. bezogen, welche an einer Ecke, wie C, wo drey ſtumpfe Winkel zuſammenſtoßen, durch die Linie CG, welche den Winkel ACB halbirt, und durch die Seitenlinie CF gelegt wird. Dieſe Ebne nannte er den Hauptſchnitt des Kryſtalls, und blos in ihr oder in ſolchen, die mit ihr parallel ſind, bleibt der ungewoͤhnlich gebrochne Stral mit dem einfallenden und dem gewoͤhnlich gebrochnen in einerley Ebne. Wenn er die Flaͤche AB bedeckte, und blos durch ein kleines Loch bey K einen Sonnenſtral ſenkrecht auf CG fallen ließ, ſo gieng ein Theil dieſes Strals ungebrochen in der Linie KL fort, ein anderer Theil aber ward unter einem Winkel von 40′ nach KM gebrochen, und nahm bey ſeinem Ausgange durch M die mit IK parallele Richtung MZ wieder an. Liegt alſo in L ein Gegenſtand, ſo wird von ihm in die Oefnung eines Auges bey I nicht allein der Stral LKI, ſondern auch LRI kommen, deſſen Theil LR mit MK parallel iſt; und das Auge in I wird den Gegenſtand L doppelt, einmal durch die gewoͤhnliche Brechung in L, das anderemal durch die ungewoͤhnliche in S ſehen.

Wenn der Stral NO in der Ebne des Hauptſchnitts liegt, und mit CG einen Winkel von 73°20′ macht, ſo wirft ihn die gewoͤhnliche Brechung nach OP fort, der Theil aber, auf den die ungewoͤhnliche wirkt, geht in dieſem822 Falle in gerader Linie mit NO nach Q fort, und bleibt auch beym Herausgehen in dieſer Linie.

Huygens fand, wie Bartholin, das Brechungsverhaͤltniß fuͤr die gewoͤhnliche Brechung 5: 3, fuͤr die ungewoͤhnliche aber veraͤnderlich, nach der verſchiednen Neigung des einfallenden Strals. Fuͤr das Geſetz, nach welchem ſie ſich richtet, giebt er dieſes an: wenn der ſenkrecht auf CG fallende Stral IK nach M gebrochen wird, ſo fallen die Stralen, die mit IK gleiche Winkel machen, und durch K gehen, auf der Linie HF in gleiche Entfernungen vom Punkte M, und eben ſo auch in andern Schnitten des Kryſtalls.

Endlich macht er noch folgende wichtige Bemerkung. Wenn zwo Stuͤcken Doppelſpath in einiger Entfernung von einander ſo gehalten werden, daß ihre Seitenflaͤchen parallel ſind, und der Lichtſtral durch das erſte Stuͤck in zween geſpalten iſt, ſo werden dieſe Theile im zweyten Stuͤcke nicht wieder geſpalten, ſondern der regelmaͤßig gebrochne Theil folgt blos der gewoͤhnlichen, der andere blos der ungewoͤhnlichen Brechung. Liegen die Stuͤcken ſo, daß ihre Hauptſchnitte einen rechten Winkel machen, ſo wird der im erſten Stuͤcke regelmaͤßig gebrochne Stral im zweyten Stuͤcke blos der ungewoͤhnlichen, der andere blos der gewoͤhnlichen Brechung folgen. Bey ſchiefen Lagen der Stuͤcken aber werden die Lichtſtralen beydemal geſpalten.

Uebrigens erklaͤrt Huygens dieſe ſonderbaren Erſcheinungen, ſeiner Hypotheſe vom Lichte gemaͤß, aus den wellenfoͤrmig fortgepflanzten Schwingungen oder Wirbeln der Lichtmaterie ſo, daß die ſphaͤriſchen Wirbel die gewoͤhnliche, die ſphaͤroidiſchen hingegen die unregelmaͤßige Brechung verurſachen ſollen.

Newton (Optice L. III. qu. 17. 18. ) erzaͤhlt keine eignen Verſuche, giebt aber das Geſetz der ungewoͤhnlichen Brechung auf folgende Art an. Wenn Taf. XII. Fig. 92. C der groͤßte koͤrperliche Winkel an der brechenden Flaͤche ABCD iſt, ſo faͤlle man auf die gegenuͤberſtehende Flaͤche EFGH das Loth CK, welches mit CF einen Winkel von 19° 3′ macht, ziehe KF, und nehme L ſo, daß KCL =823 40′, LCF = 12° 23′ wird. Faͤllt nun irgend ein Lichtſtral ST bey T auf, und wird nach dem regelmaͤßigen Verhaͤltniſſe 5: 3 nach V gebrochen, ſo nehme man VX mit KL parallel und gleich, und TX iſt der unregelmaͤßig gebrochne Stral.

Huygens Beobachtungen uͤber die Brechung durch mehrere Stuͤcke Doppelſpath leiten Newton auf die Muthmaßung, daß die verſchiedenen Seiten eines Lichtſtrals verſchiedene eigenthuͤmliche Eigenſchaften haben. Denn, ſagt er, waͤre das, was den Unterſchied zwiſchen gewoͤhnlicher und ungewoͤhnlicher Brechung macht, dem Lichte nicht eigenthuͤmlich (congenitum), und erhielte es dieſe Modification erſt durch die Brechung, ſo muͤßte man doch bey den nachfolgenden Brechungen allezeit neue Modificationen wahrnehmen. Es erhellet aber auch, daß es nicht zweyerley Gattungen Stralen giebt, deren eine allezeit der gewoͤhnlichen, die andere allezeit der ungewoͤhnlichen Brechung folgt, weil man den huygenianiſchen Verſuch ſo abaͤndern kan, daß die Brechungen umwechſeln. Haben alſo nicht die Stralen verſchiedene Seiten, wovon zwo entgegengeſetzte machen, daß der Stral ungewoͤhnlich gebrochen wird, wenn ſie in die Lage der Linien KL, VX kommen; da hingegen die andern Seiten immer nur die gewoͤhnliche Brechung veranlaſſen? Man iſt noch viel zu wenig mit dem Weſen des Lichts bekannt, als daß ſich hieruͤber etwas entſcheiden ließe; und es bleibt nichts uͤbrig zu ſagen, als daß wir von der Urſache der ungewoͤhnlichen Brechung noch gar nichts wiſſen.

Huygens hatte ſchon bemerkt, daß ſich eine ſolche doppelte Brechung auch im Bergkryſtalle zeige. Beccaria (Philoſ. Trans. Vol. LII. p. 489.) beſtaͤtiget dies noch mehr, behauptet es auch vom braſilianiſchen Kieſel, und zeigt ſich geneigt, die Urſache dieſer Erſcheinungen, ja ſogar aller Brechung und Zuruͤckwerfung in der Elektricitaͤt zu ſuchen.

Martin (Eſſay on Island Cryſtal) bemerkte, wie Prieſtley anfuͤhrt, an Prismen von Doppelſpath nicht blos eine doppelte, ſondern eine vielfache, oft ſechsfache Brechung. 824Durch Zuſammenſtellung zweyer Prismen konnte er dieſelbe noch mehr vervielfaͤltigen; zwey Prismen, jedes von 6facher Brechung, gaben zuſammengeſtellt 36 gefaͤrbte Sonnenbilder. Er fand auch, daß bey dieſen Brechungen das Licht in Farben zerſtreut ward, wenn gleich die beyden brechenden Flaͤchen mit einander parallel waren. Die ſchoͤnſten Erſcheinungen zeigten ſich, wenn er den Stral im verfinſterten Zimmer durch islaͤndiſche Kryſtalle oder daraus geſchliffene Prismen gehen ließ, wobey ſich die Sonnenbilder ſehr vervielfaͤltigten, ſo daß eine Verbindung eines Parallelepipedums mit einem Prisma 72 theils gefaͤrbte, theils ungefaͤrbte Bilder gab. Er geſteht, daß er dies alles nicht zu erklaͤren wiſſe, glaubt aber, daß es von irgend einer beſondern Modification des Lichts durch die Structur des Doppelſpaths herruͤhre, in welchem er auch ſehr viele feine Spalten bemerkt hat, die auf der Ebne des Hauptſchnitts ſenkrecht liegen.

Der Abbé Rochon (Recueil de mémoires ſur la mechanique et la phyſique, à Paris, 1783. 8. ) hat Prismen von islaͤndiſchem Kryſtall zu Mikrometern an Fernroͤhren (lunettes à prisme) vorgeſchlagen, und will dabey gefunden haben, daß man einen kuͤnſtlichen Doppelſtein erhaͤlt, wenn man Scheibchen Glas von verſchiedner Brechbarkeit auf einander legt, und ſolche durchs Feuer mit einander verbindet oder zuſammenſchmelzet.

Neuerlich hat Herr Silberſchlag (Ueber den islaͤndiſchen Kryſtall oder Doppelſpath, in den Beob. und Entd. aus der Naturkunde, von der Geſellſch. naturforſch. Freunde zu Berlin, VIII. B. oder nun II. B. 2. St. 1787.) die Erſcheinungen des Doppelſpaths zu erklaͤren geſucht. Er bemerkt, daß die rhomboidaliſche Figur allen kleinen Theilen dieſes Spaths zukomme, und daß der Zuſammenhang dleſer Theile nach der Richtung durch die Diagonale von einem ſpitzigen Winkel zum andern am ſtaͤrkſten ſey. Die Linie durch die verdoppelten Punkte laufe allemal mit der Diagonale aus den ſtumpfen Ecken parallel. (Nach Huygens ſehr genauen Beſtimmungen und Newtons Geſetze thut ſie das nicht; der Hauptſchnitt iſt auch keine Diagonalflaͤche,825 wie Taf. XII. Fig. 91. deutlich zeigt). Herrn S. Erklaͤrung koͤmmt darauf hinaus, daß aus einem Punkte, auf den man einen rhomboidaliſchen durchſichtigen Koͤrper ſetzt, einige Stralen auf der Oberflaͤche, andere an der Seitenflaͤche herauskommen, und wegen der verſchiedenen Brechnung beyde ins Auge gelangen koͤnnen. Daraus erklaͤren ſich nun zwar einige Erſcheinungen, die Hr. S. anfuͤhrt; allein die huygenianiſchen Beobachtungen der Brechung durch mehrere Stuͤcken und die von Martin, welche hier unberuͤhrt bleiben, enthalten wohl etwas mehr, als ſich aus den gewoͤhnlichen Gruͤnden der Dioptrik allein begreiflich machen laͤßt.

Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel, S. 398. u. f.

Kryſtalliſation, Kryſtalliſirung

Cryſtalliſatio, Cryſtalliſation. Ein natuͤrliches oder kuͤnſtliches Verfahren, wodurch gewiſſe Subſtanzen aus dem fluͤßigen Zuſtande in den feſten ſo gebracht werden, daß ſie durch die Vereinigung ihrer Theile Maſſen von regelmaͤßiger Geſtalt bilden, ſ. Kryſtallen. Einige Chymiker, z. B. de Morveau, Maret und Durande (Anfangsgr. der theoret. u. prakt. Chym. Th. I. S. 38.), haben ſogar allen Uebergaͤngen der Koͤrper aus dem fluͤßigen Zuſtande in den feſten den Namen der Kryſtalliſationen beylegen wollen. Man nennt aber dieſe lieber Erhaͤrtung, Geſtehung oder Gerinnung. Endlich belegt man mit den Namen der Kryſtalliſationen bisweilen auch die Producte dieſer Operation oder die Kryſtallen ſelbſt.

Die Theile feſter Koͤrper zeigen ein Beſtreben ſich zu vereinigen, welches in den einfachen Theilen vorzuͤglich ſtark iſt, von der Geſtalt der Theile abhaͤngt, und an den groͤßten Seitenflaͤchen dieſer Theile, die ſich mit den meiſten Punkten beruͤhren koͤnnen, am ſtaͤrkſten zu ſeyn ſcheint. Wenn alſo Theile eines Koͤrpers durch eine dazwiſchen gekommene Fluͤßigkeit getrennt ſind, und ihnen dieſe Fluͤßigkeit nach und nach entzogen wird, ſo werden ſie ſich regelmaͤßig bilden, wofern ſie Zeit und Freyheit haben, ſich mit den geſchickteſten Flaͤchen zu beruͤhren, und es werden826 daraus Maſſen von einer beſtaͤndigen und immer gleichen Geſtalt entſtehen. Geſchieht aber der Uebergang allzuſchnell, ſo vereinigen ſie ſich ohne Unterſchied mit Flaͤchen, welche der Zufall zuſammenbringt, und bilden zwar feſte Maſſen, aber ohne regelmaͤßige Geſtalt. Dies iſt die gewoͤhnliche Erklaͤrung der Kryſtalliſation, die ſich auch durch die Phaͤnomene ſelbſt beſtaͤtiget.

Das Gefrieren des Waſſers iſt eine wahre Kryſtalliſation. Im Waſſer ſind die Theile durch die Dazwiſchenkunft des freyen Waͤrmeſtoffs getrennt. Beym langſamen Gefrieren vereinigen ſie ſich zu langen Nadeln, die ſich unter Winkeln von 60° und 120° an einander legen, und Blaͤttchen oder Flocken bilden, ſ. Eis, Schnee.

Auch die Metalle, der Schwefel, das Glas rc. nehmen, wenn ſie nach der Schmelzung langſam genug erkalten, gewiſſe regelmaͤßige Geſtalten an. Den Stern des Spießglaskoͤnigs hat man lange Zeit mit Verwunderung betrachtet; man fand aber endlich ſolche kryſtalliniſche Bildungen bey allen Metallen, die man geſchmolzen aͤußerſt erhitzet, und auf das langſamſte wieder erkalten laͤßt (ſ. Bergmann, phyſ. Beſchr. der Erdkugel Th. II. S. 279.).

Eben dies geſchieht bey Subſtanzen, deren Theile durch Waſſer von einander getrennt ſind, wenn dieſes Waſſer langſam abduͤnſtet. So erklaͤrt Macquer die natuͤrliche Kryſtalliſation der Edelſteine, des Bergkryſtalls, der Spathe, Tropfſteine u. ſ. w. ja ſogar der Kieſe und metalliſchen Subſtanzen. Die meiſten Chymiſten erfordern zwar zur Kryſtalliſation eine vorgaͤngige wahre Aufloͤſung, welche bey vielen der eben genannten Subſtanzen im Waſſer nicht ſtatt findet. Bergmann aber (a. a. O.) glaubt, es koͤnne Kryſtalliſation ohne Aufloͤſung erfolgen, weil auch mancher Rauch ſich kryſtalliſire.

Bey den Edelſteinen ſoll nach Achard (Rozier Journ. de phyſ. Ianv. 1778. p. 12. und Beſtimmung der Beſtandtheile einiger Edelſteine, Berlin, 1779. 8. ) die fixe Luft zur Aufloͤſung der in ihnen befindlichen Kalk - und Thonerde beygetragen haben. Es iſt ihm gelungen, durch langſames Durchſickern eines mit Luftſaͤure impraͤgnirten Waſſers,827 worinn alkaliſche Erden aufgeloͤſet waren, durch Erde, binnen zehn Wochen kuͤnſtliche Edelſteine zu erhalten, ſo wie Bergmann aus der Aufloͤſung der Kieſelerde in Flußſpathſaͤure Bergkryſtalle erhielt. Einige franzoͤſiſchen Chymikern (Iournal de phyſ. 1780.) hat zwar Herrn Achard's Verſuch nicht gluͤcken wollen; allein de Morveau hat neuerlich (Lichtenbergs Magazin fuͤr das Neuſte aus d. Phyſ. IV. B. 2 St. S. 176.) in einer Flaſche mit impraͤgnirtem Waſſer, worinn 9 Stuͤcke Bergkryſtall und etwas Eiſen lagen, nach neun Monaten das Eiſen angegriffen und einen Kryſtall erzeugt gefunden. Bey Kalkund Gypsſpathen iſt die Aufloͤſung ein Werk der Luftſaͤure und Vitriolſaͤure. Die Kryſtalliſation der Kieſe und Metalle aber ſcheint wohl eher auf dem trocknen Wege geſchehen zu ſeyn. Man ſieht hieraus auch, daß der Schluß von Kryſtallen auf die nothwendige Gegenwart von Salzen, den man ſonſt fuͤr allgemein richtig hielt, in vielen Faͤllen Einſchraͤnkungen leide.

Unter allen Subſtanzen aber ſind die Salze am meiſten zur Kryſtalliſation geneigt, und zeigen alle Phaͤnomene derſelben am deutlichſten. Da das Waſſer weit fluͤchtiger iſt, als die Salze, ſo kan es von ihnen ſehr bequem durchs Abdampfen geſchieden werden. Hiebey bilden die zuruͤckbleibenden Salze Kryſtallen, oder ſchießen in Kryſtallen an. Ihre beſondere Verwandſchaft mit dem Waſſer aber macht, daß ſie ſelbſt in dieſem feſten Zuſtande noch einen ziemlichen Antheil Waſſer in ſich behalten, der mit ihnen ein Ganzes ausmacht, und ihr Kryſtalliſationswaſſer (aqua cryſtalliſationis) genannt wird. Dieſes Waſſer iſt zwar nicht zu dem Weſen der Salze ſelbſt, aber doch zu dem Weſen der Salzkryſtallen erforderlich. Denn, wenn man es durch einen verſtaͤrkten Grad der Hitze davon treibt, ſo verlieren die Kryſtallen ihre Durchſichtigkeit und Feſtigkeit, und zerfallen in ein zerreibliches Salz, welches aber ſonſt alle weſentliche Eigenſchaften unveraͤndert beybehaͤlt. Alaun, Glauberſalz, Sodaſalz, Eiſenvitriol, Sedativſalz enthalten an Kryſtalliſationswaſſer ohngefaͤhr die Helfte ihres Gewichts, Salpeter und Kochſalz nur ſehr828 wenig; und die Seleniten einen kaum merklichen Antheil.

Ein zweytes Mittel, das Waſſer von den Salzen, die es aufgeloͤßt haͤlt, zu trennen, iſt das Abkuͤhlen. Manche Salze loͤſen ſich im warmen Waſſer weit leichter, und haͤufiger, als im kalten, auf. Enthaͤlt nun das Waſſer bey der Siedhitze von einem ſolchen Salze mehr, als es in der Kaͤlte aufgeloͤßt halten kan, ſo ſchießt das uͤberfluͤßige Salz beym Abkuͤhlen an. Bey einem ploͤtzlichen Erkalten werden die Kryſtallen klein, unregelmaͤßig und uͤbel gebildet; durch langſames Abkuͤhlen hingegen erhaͤlt man ſie in der groͤßten und unregelmaͤßigſten Form. Hiebey geſchieht die Kryſtalliſation nicht durch Entziehung des Waſſers, ſondern durch Entziehung der Waͤrme; die Kryſtallen behalten aber auch in dieſem Falle das noͤthige Kryſtalliſationswaſſer bey ſich.

Der Salpeter laͤßt ſich am beſten durchs Abkuͤhlen kryſtalliſiren. Man raucht die Aufloͤſung nur ſo weit ab, daß ſie die Siedhitze annimmt, und laͤßt ſie dann langſam abkuͤhlen. Wenn das Erkalten aufhoͤrt, ſo gießt man die uͤbrige Salzlauge, die noch viel Salpeter enthaͤlt, von den Kryſtallen ab, raucht ſie wiederum bis zur Saͤttigung in der Siedhitze ab, und laͤßt ſie dann aufs neue erkalten u. ſ. f. Das Kochſalz hingegen, welches vom heißen Waſſer nicht in viel groͤßerer Menge, als vom kalten, aufgeloͤſet wird, erfordert die|Kryſtalliſation durchs bloße Abrauchen. Hiebey geſchieht die Bildung der Kryſtalle blos auf der Oberflaͤche, wo die Abdampfung vor ſich geht; ſie bilden ein Haͤutchen, das nach und nach zu Boden faͤllt, und einem neuen Platz macht u. ſ. w., woraus freylich kleinere Kryſtallen entſtehen. Man kan ſie dennoch groß und regelmaͤßig genug erhalten, wenn man das Abrauchen mit maͤßiger Langſamkeit fortſetzt.

Jede Art Salz hat eigenthuͤmlich geſtaltete Kryſtallen. Das Kochſalz giebt zum Theil Wuͤrfel, zum Theil vierſeitige hohle Pyramiden, die wie Muͤhlentrichter auf der Spitze ſtehen. Nach Macquer entſtehen die Pyramiden aus zuſammengefuͤgten Wuͤrſeln, nach Bergmann aber829 (phyſ. Beſchr. der Erdkugel, Th. II. S. 273. ff. ) beſtehen alle prismatiſche Salzkryſtallen aus Trichtern, die ſich mit den Spitzen um einen gemeinſchaſtlichen Mittelpunkt anſetzen, und deren ſechs z. B. einen Wuͤrfel bilden.

Der groͤßte Nutzen einer guten Kryſtalliſirung der Salze beſteht darinn, daß man ſie ſehr rein erhaͤlt, wenn man ſie durch dieſe gelaſſene Operation in ihrer eigenthuͤmlichen Geſtalt anſchießen laͤßt. So kan man z. B. Salpeter und Kochſalz, die in einer Aufloͤſung vermiſcht ſind, durch abwechſelndes Abrauchen und Abkuͤhlen von einander ſcheiden.

Einige Salze haben eine ſo große Verwandſchaft mit dem Waſſer, daß ſie ſich aͤußerſt ſchwer kryſtalliſiren; nur bis zur dicken Conſiſtenz abgeraucht, ſchießen ſie durchs Erkalten in kreuzweis uͤber einander liegenden Nadeln an. Wenn man ſie an die Luft legt, ſo ziehen ſie die Feuchtigkeit aus derſelben an ſich, und zerfließen. Dergleichen ſind das Kalkſalz, der Kalkſalpeter, der Kupferſalpeter und Eiſenſalpeter, die Blaͤttererde u. a. m.

Noch eine dritte Art, Salze zu kryſtalliſiren, iſt dieſe, daß man durch Zuſaͤtze einer neuen Subſtanz, die mit dem Waſſer in ſtarker Verwandſchaft ſteht, z. B. des Weingeiſts, den Salzen das zu ihrer Aufloͤſung noͤthige Waſſer entzieht. So kan man die Aufloͤſungen von Glauberſalz, vitrioliſirtem Weinſtein und Kochſalz durch zugegoßnen Weingeiſt ſogleich zum Anſchießen bringen. Aber die ploͤtzliche Entſtehung macht dieſe Kryſtallen klein und unregelmaͤßig. Etwas aͤhnliches geſchieht, wenn die zugeſetzte Subſtanz die Salze veraͤndert, und ihre Aufloͤslichkeit im Waſſer vermindert. So werden z. B. die aͤtzenden Laugenſalze aus dem Waſſer durch Zuſatz einer Saͤure in Form von kleinen Kryſtallen niedergeſchlagen, und die fixe Luft oder Luftſaͤure bringt eben dieſe Wirkung hervor.

Die Geſtalten der in der Natur vorkommenden Kryſtalliſationen hat Romé Delisle (Eſſai de cryſtallographie, à Paris, 1772. 8. Verſuch einer Cryſtallographie durch Romé Delisle, aus d. Franz. mit Anm. u. Zuſ. von C. E. Weigel, Greifsw. 1777. 4. ) ſehr vollſtaͤndig geſammelt830 und geometriſch betrachtet. Ueber die Entſtehung dieſer Formen giebt der Abbé Hauy (Eſſai d'une theorie ſur la ſtructure des cryſtaux, par M. l' Abbé Haüy, de l'acad. roy. des Sc. à Paris, 1783. 8. ) einige ſehr ſinnreiche Muthmaßungen an. Schon die erſten Grundtheile fuͤgen ſich in der beſtimmten eigenthuͤmlichen Geſtalt zuſammen, welche beym Anwachs immer beybehalten wird. Oft aber geſchieht der Anwachs in der Folge nach andern Geſetzen; die Grundgeſtalt dient alsdann zum Kern, an deſſen Flaͤchen ſich neue Schichten anſetzen, und Geſtalten der zweyten Art bilden. Bey nicht ſehr harten Kryſtallen ſondern ſich die Schichten nach dieſen Flaͤchen leicht ab; bey harten zeigen die Streifen doch die Richtungen, nach welchen die neuen Anſaͤtze geſchehen ſind. Es finden hiebey ſchoͤne Anwendungen der Geometrie ſtatt. So beweißt z. B. Hauy aus der Beobachtung, daß die abgeloͤßten Schichten des islaͤndiſchen Kryſtalls gleichfoͤrmig gegen die Grund - und Seitenflaͤchen geneigt ſind, daß ſich die Seite dieſes Spaths zur Diagonale durch die ſpitzigen Winkel, wie 5 zu 12 verhalte, woraus der groͤßere Winkel = 101° 32′ 13″ folgt. Eben dieſer Winkel findet ſich in dem in 12 Fuͤnfecke eingeſchloßnen Kalkſpathe u. ſ. w. Wenn man annimmt, daß die Schichten immer um zwo Reihen Grundtheile abnehmen, ſo giebt dies um einen einzigen primitiven Kern 1019 moͤgliche Kryſtalliſationsgeſtalten, unter welchen jedoch nur etwa 30 in der Natur wirklich gefunden werden.

Die Kryſtallen gehoͤren zu denjenigen geometriſchen Koͤrpern, welche man mit Herrn Kaͤſtner (Geom. neuſte Ausg. Goͤtt. 1786. S. 416.) nach bekannten Geſetzen unordentliche nennen kan. Dieſer vortrefliche Mathematiker hat die Theorie derſelben, ſelbſt mit Ruͤckſicht auf des Hauy Anwendungen in einigen Abhandlungen (De corporibus polyedris data lege irregularibus, Comment. Soc. Gott. To. VI. ad ann. 1783. 1784. und ebend. De ſectionibus ſolidorum, cryſtallorum ſtructuram illuſtrantibus) ausgearbeit. 831

Macquer chym. Woͤrterbuch, mit Hrn. Leonhardi Zuſ. Art. Kryſtalliſirung.

Lichtenberg Magazin fuͤr das Neuſte zur Phyſ. und Naturg. II. Th. 4. St. S. 21.

Kryſtallinſe, ſ. Auge.

Kuͤſſen der Elektriſirmaſchine, ſ. Reibzeug.

Kugeln zur Elektriſirmaſchine, ſ. Elektriſirmaſchine.

Kugelſpiegel, ſ. Spiegel, Hohlſpiegel.

Kupfer, Cuprum, Aes cyprium, Cuivre.

Ein im Feuer nicht beſtaͤndiges, ſehr dehnbares Metall von einer glaͤnzend rothen Farbe. Es iſt haͤrter, elaſtiſcher und klingender, als das Silber, und hat eine betraͤchtliche Zaͤhigkeit. Ein Kupferdrath von (1 / 10) Zoll Durchmeſſer traͤgt, ohne zu reißen, ein Gewicht von 299 1 / 4 Pfund.

Die gewoͤhnliche ſpecifiſche Schwere des Kupfers iſt 8,726 bis 8,843; die des japaniſchen ohngefaͤhr 9,000; des ſchwediſchen nach Bergmann (Anm. zu Scheffers chym. Vorleſ. §. 286.) bis 9,324, wenn die Schwere des Waſſers = 1 geſetzt wird.

Es iſt ſehr ſtrengfluͤßig, und erfordert zur voͤlligen Schmelzung einen Grad der Hitze, bey dem es zum Weißgluͤhen kommen kan, nach Bergmann den 1450ſten der Fahrenheitiſchen Scale. Bey dem Zutritte der Luſt giebt es im Feuer einen Rauch, der ſich an vorgehaltnes Eiſenblech, als Kupferblumen, anlegt. Wenn es gluͤhet, wird die Oberflaͤche rauh und ſchuppicht; dieſe Schuppen geben, abgeſchlagen, den Kupferhammerſchlag, eine ſchon zum Theil verkalkte metalliſche Subſtanz.

Die vereinigte Wirkung der Luft und des Waſſers veraͤndert die Oberflaͤche des Kupfers, und uͤberzieht ſie mit einem gruͤnen Roſte, dem Gruͤnſpan oder Kupferroſt.

Alle Saͤuren loͤſen das Kupfer auf, und die Aufloͤſungen erhalten eine gruͤne oder blaue Farbe. Aus der Aufloͤſung in Vitriolſaͤure, die ohne Unterſtuͤtzung durch Hitze ſchwer von ſtatten geht, erhaͤlt man ein Mittelſalz in ſchoͤnen832 blauen Kryſtallen, den blauen oder Kupfervitriol. Die Salpeterſaͤure loͤſet das Kupfer ſehr ſchnell auf, und giebt den ſchwer zu kryſtalliſirenden und hoͤchſt zerfließbaren Kupferſalpeter, der die Flamme des Weingeiſts ſchoͤn gruͤn faͤrbt. Die Aufloͤſung in concentrirter Salzſaͤure iſt dunkelgelb, wird aber gruͤn, wenn man ſie mit Waſſer verduͤnnt, daher ſie zu einer ſympathetiſchen Dinte dienen kan, ſie giebt das Kupferkochſalz in gruͤnen Kryſtallen, welche die Feuchtigkeit leicht an ſich ziehen. Auch die Pflanzenſaͤuren verbinden ſich leicht mit dem Kupfer. Die Weinſaͤure giebt damit das Spangruͤn, die Eſſigſaͤure die Kupferkryſtallen, oder den ſogenannten deſtillirten Gruͤnſpan, aus welchem man durch die Deſtillation eine aͤußerſt concentrirte Eſſigſaͤure, den Kupferſpiritus oder radicalen Eſſig erhaͤlt. Die Saͤuren ſcheiden ſich von dieſen Aufloͤſungen durch die bloße Wirkung der Waͤrme: außerdem aber auch durch Kalkerden und Laugenſalze, welche das Kupfer als ein ſchoͤnes gruͤnes Pulver niederſchlagen. Das Eiſen hingegen ſchlaͤgt aus den Kupferaufloͤſungen das Kupfer in ſeiner eigentlichen metalliſchen Geſtalt nieder, ſ. Cementwaſſer. Das Kupfer ſelbſt thut eben dieſes in Ruͤckſicht des in Saͤuren aufgeloͤßten Silbers und Queckſilbers.

Das Kupfer verbindet ſich ohne Unterſchied mit allen ſalzigen und metalliſchen Materien. Darum hat es auch von den alten Chymiſten den Namen Venus (meretrix metallorum) erhalten. Man gebraucht es haͤufig zu vielen Compoſitionen, zum Legiren, zum Meſſing, Glockenſpeiſe, Tomback, Similor, Bronze, Weißkupfer u. dgl.

Auch die Laugenſalze loͤſen es leicht auf. Das fluͤchtige Alkali nimmt davon eine ſchoͤne blaue Farbe an, die in verſtopften Flaſchen vergeht, an der Luft aber bald wieder zum Vorſchein koͤmmt. Man kan dieſe Abwechſelungen vielemale nach einander hervorbringen, wenn man die Aufloͤſung uͤber den Kupferſpaͤnen ſtehen laͤßt. Bergmann (De attract. elect. §. 32. und Anm. zu Scheffers Vorleſ. §. 140.) hat dieſes Phaͤnomen ſehr gluͤcklich daraus erklaͤrt,833 daß das Alkali mit dem metalliſchen Kupfer mehr Verwandſchaft hat, als mit dem dephlogiſtiſirten blauen Kalke. Dieſe ſchoͤne blaue Farbe giebt ein vortreſliches Mittel, die Gegenwart des Kupfers in verſchiedenen Miſchungen durch das fluͤchtige Alkali zu entdecken. Die blauen Kryſtallen, welche man aus dieſer Aufloͤſung erhaͤlt, werden an der Luft, wo das fluͤchtige Alkali davongeht, gruͤn, heißen fluͤchtiges Kupferſalz, und ſind alsdann dem natuͤrlichen Malachit aͤhnlich.

Der Schwefel iſt ſehr wirkſam gegen das Kupfer, bringt es leichter zum Schmelzen, und verſetzt es in einen erzartigen kieſichten Zuſtand. Durch Verbrennung des Schwefels verbindet ſich die Vitriolſaͤure deſſelben mit dem Kupfer und bildet Kupfervitriol.

Das Kupfer wird oft, doch aber weniger als Silber, gediegen in Geſtalt von Baͤumchen und Zweigen gefunden. Haͤufiger koͤmmt es in Geſtalt gruͤner und blauer Erden oder Steine vor, wohin das Bergblau, Berggruͤn, die Atlaserze und der Malachit gehoͤren. In den wahren Kupfererzen iſt es entweder durch Schwefel allein, wie im grauen Kupfererze oder Kupferglaſe, oder durch geſchwefeltes Eiſen mit Arſenik, wie in den Kupferkieſen, Fahlkupfererze, Kupferlaſur rc. mineraliſirt. Dieſe Kupfererze fallen in Anſehung ihrer Farben ſehr verſchieden aus, haben aber gewoͤhnlich ein guͤldiſches, ziemlich glaͤnzendes Anſehen, woran man ſie ſehr leicht erkennet, zeigen auch Regenbogenfarben und gruͤnlichgraue Flecke. Sie halten mehrentheils auch Eiſen oder eiſenſchuͤſſige Erde; das Weißerz, welches ſeine weiße Farbe vom Arſenik hat, und das Fahlerz enthalten gewoͤhnlich viel Silber, und werden nach Beſinden mit zu den Silbererzen gerechnet.

Das Kupfer wird zu mancherley Bereitungen, Werkzeugen, Beſchlaͤgen und Gefaͤßen im gemeinen Leben genuͤtzt. Sein Gebrauch zu Kuͤchengeſchirren iſt, wenn nicht die hoͤchſte Reinlichkeit gebraucht, und alles Laugenartige und Scharfe entfernt wird, allerdings gefaͤhrlich (Man ſ. Gmelin von Mineralgiften, Nuͤrnb. 1779. 8. S. 61. u. f.), und die Verzierung der Gefaͤße ſubſtituirt nichts beſſeres, wenn834 nicht das Bley dabey vermieden wird. Zu Compoſitionen wird das Kupfer, wie ſchon angefuͤhrt iſt, ſehr haͤufig gebraucht. Aus Bley, Kupfer und Spießglas wird das Metall der Schriftgießer, aus Kupfer, Nickel, Kobalt, und Zink der Packfong der Chineſer, aus Kupfer und Zinn die Maſſe der Metallſpiegel zu Teleſkopen bereitet. Aus dem mannheimer Golde, einer Vermiſchung von vier Theilen Kupfer und einem Theile Zink macht man Schnuͤre, Borten und Bronzirpulver zu unaͤchten Vergoldungen von großer Schoͤnheit. Man kan die große Verſchiedenheit der Farben und uͤberhaupt den Glanz der aus ſolchen Kupfercompoſitionen vorzuͤglich in Deutſchland bereiteten Kunſtprodukte nicht ohne Bewunderung ſehen.

Macquer chym. Woͤrterbuch, durch Leonhardi, Art. Kupfer, Kupfererze.

Kurzſichtig, ſ. Auge.

L

Ladung, elektriſche, ſ. Flaſche, geladne.

Laͤnge, der Geſtirne

Longitudo aſtrorum, Longitude des aſtres. (Taf. XII. Fig. 93.) Der Bogen der Ekliptik,

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L, welcher zwiſchen dem Anfangspunkte der Ekliptik

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, und dem Breitenkreiſe pSL eines Geſtirns S enthalten iſt, heißt dieſes Geſtirns Laͤnge. Es werden die Grade der Ekliptik vom Fruͤhlingspunkte

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aus von Abend gegen Morgen oder nach der Folge der Zeichen in einem fort gezaͤhlt, daher ein Geſtirn nahe an 360° Laͤnge haben kan.

Insgemein aber bedient man ſich, um die Laͤnge eines Geſtirns anzugeben, der Eintheilung der Ekliptik in Zeichen jedes zu 30° gerechnet, ſo daß z. B. eine Laͤnge von 250° durch 8 10°, oder weil am Ende des achten Zeichens der Schuͤtz

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anfaͤngt, ſ. Ekliptik, durch 10° i ausgedruͤckt wird.

Wenn die Laͤnge eines Sterns

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L nebſt ſeiner Breite LS, ſ. Breite, bekannt iſt, ſo wird dadurch die Stelle, die835 er am Himmel einnimmt, beſtimmt, und von allen uͤbrigen Stellen unterſchieden; denn es giebt weiter keine, der eben dieſe Laͤnge und Breite zugleich zukaͤme. Daher iſt es fuͤr die Sternkunde wichtig, die Laͤngen der Geſtirne genau zu kennen.

Die Laͤnge der Sonne

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Θ oder ihr Ort in der Ekliptik wird, wenn man ihre Abweichung ΘD durch Beobachtung gefunden hat, leicht berechnet. Es iſt alsdann im rechtwinklichten Kugeldreyecke

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ΘD, der Winkel

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oder die Schieſe der Ekliptik = 23° 28′ 8″, und die Seite ΘD bekannt. Daraus findet ſich

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Θ durch die Formel wo es zweydeutig bleibt, ob die Laͤnge uͤber oder unter 90° betrage, und ſuͤdliche oder negative Abweichungen Laͤngen uͤber 180° anzeigen, die uͤber oder unter 270° betragen koͤnnen, daher man aus andern Umſtaͤnden wiſſen muß, in welchem Quadranten ihrer Bahn die Sonne ſtehe.

Auch aus der Rectaſcenſion der Sonne

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D, ſ. Aufſteigung, gerade, findet man ihre Laͤnge durch die Formel wo die Laͤnge ſtets in einerley Quadranten mit der Rectaſcenſion faͤllt.

Endlich findet man auch in den aſtronomiſchen Kalendern, z. B. in des Herrn Bode Jahrbuͤchern, den Ort der Sonne in der Ekliptik fuͤr den Mittag jeden Tages angegeben.

Die Laͤnge der Sterne ward von den Alten vermittelſt der Zodiakalarmillen durch unmittelbare Beobachtung geſucht. Weil es aber ſehr ſchwer war, dieſe Ringe beſtaͤndig in der Stellung der Ekliptik zu erhalten, deren Lage ſich am Himmel jeden Augenblick aͤndert, ſo fiel man bald darauf, durch Aequatorialarmillen der Sterne Rectaſcenſion und Abweichung zu beobachten, und aus dieſen die Laͤngen zu berechnen. Heut zu Tage, da auch weit beſſere836 Methoden zu Beobachtung der Rectaſcenſion und weit leichtere Arten der Berechnung bekannt ſind, werden alle Laͤngen aus den beobachteten Rectaſcenſionen und Abweichungen berechnet.

Auf dieſe Art ſind die Laͤngen der meiſten Fixſterne gefunden, und in die Verzeichniſſe eingetragen worden, von welchen der Artikel: Fixſternverzeichniſſe handelt. Wegen des Vorruͤckens der Nachtgleichen nimmt die Laͤnge eines jeden Fixſterns jaͤhrlich ohngefaͤhr um 50″ zu, ſ. Vorruͤcken der Nachtgleichen. Bey den Planeten unterſcheidet man ihre heliocentriſche Laͤnge von der geocentriſchen, ſ. die Worte: Geocentriſch, Heliocentriſch.

Laͤnge, geographiſche der Orte, Longitudo locorum geographica, Longitude des lieux de la terre.

Derjenige Bogen des Erdaͤquators AD (Taf. XII. Fig. 94.), welcher zwiſchen dem Anfange des Aequators A, und dem Mittagskreiſe PLp des Orts L enthalten iſt, wird dieſes Orts geographiſche Laͤnge genannt. Dieſer Bogen wird durch Grade, Minuten rc. des Aequators ausgedruͤckt, welche von A aus immer fort gegen Morgen zu gezaͤhlt werden, daher die Laͤnge eines Orts gegen 360° betragen kann.

Da auf dem Erdaͤquator jeder Punkt mit gleichem Rechte den Anfangspunkt vorſtellen kan, ſo iſt die an ſich willkuͤhrliche Wahl des Punkts A ſehr verſchieden ausgefallen. Das gewoͤhnlichſte iſt, dieſen Punkt ſo zu legen, daß die Laͤnge der pariſer koͤniglichen Sternwarte genau = 20° wird. Wenn alſo B den Ort dieſer Sternwarte, PBCp ihren Meridian vorſtellet, und CA = 20° abendwaͤrts genommen wird, ſo giebt die Figur dieſe gewoͤhnliche Lage des Anfangspunkts A an. Der durch A ſelbſt gehende Meridian PAp heißt alsdann der erſte Mittagskreis. Von ihm handelt ein beſonderer Artikel, auf welchen ich wegen der verſchiedenen angenommenen Lagen des Punkts A verweiſe.

Die Laͤngen dienen nebſt den Breiten (ſ. Breite, geographiſche) zu Beſtimmung der wahren Stellen der Orte837 auf der Erdſlaͤche und ihrer Lagen gegen einander, worauf ſich die ganze Geographie und die Verzeichnung der Landkarten gruͤndet. Es laͤßt ſich aber die Laͤnge der Orte nicht ſo leicht, als ihre Breite, finden, und obgleich bey mehrern Nationen die groͤßten Mathematiker, Sternkundige und Seefahrer mit unermuͤdetem Fleiße an Verbeſſerung der Methoden zu Erfindung der Laͤngen gearbeitet haben, ſo ſind wir dennoch bey dieſer wichtigen Aufgabe noch immer ſehr weit zuruͤck.

Die Schwierigkeiten ruͤhren nicht, wie man etwa denken koͤnnte, von der Unbeſtimmtheit des Anfangspunkts A her. Es iſt ſehr gleichguͤltig, wohin man denſelben ſetzen will. Das ganze Problem koͤmmt nicht ſowohl darauf an, daß man die abſolute Laͤnge AD des Orts L beſtimmt; es beruht vielmehr darauf, daß man im Stande ſey, den Unterſchied der Laͤngen jeder zween Orte B und L, oder den Bogen CD des Aequators zu finden, welcher zwiſchen den Mittagskreiſen dieſer Orte PBCp und PLDp enthalten iſt, und der Unterſchied der Mittagskreiſe in Graden (differentia meridianorum in gradibus) genannt wird. Kan man dies, ſo wird man auch fuͤr jede Lage des erſten Meridians die abſoluten Laͤngen der Orte beſtimmen koͤnnen.

Da die Sonne taͤglich mit gleichfoͤrmiger Bewegung einen dem Aequator parallelen Tagkreis beſchreibt, und hiebey die Mittagskreiſe der morgenwaͤrts liegenden Orte eher erreicht, als die der abendwaͤrts gelegnen, ſo koͤmmt ſie auch in den Meridian PLDp fruͤher, als in den weſtlichern PBCp; und zwar um deſto fruͤher, je weiter beyde Meridiane aus einander liegen, oder je groͤßer der geſuchte Bogen CD iſt. In den Meridian PQp koͤmmt ſie 12 Stunden fruͤher, als in PAp. und hiebey iſt der Unterſchied der Meridiane ſelbſt der Halbkreis ACDQ = 180°; ein Zeitunterſchied von 1 Stunde giebt daher in Graden einen Unterſchied von 15°. ein Zeitunterſchied von 1 Min. giebt 15′; von 1 Sec. 15″ u. ſ. w. Waͤre z. B. die Sonne um 40 Minuten Zeit eher in PLDp als in PBCp geweſen, ſo wuͤrde der geſuchte Bogen CD = 40X15′ = 10° ſeyn. 838Auf dieſe Art giebt die Zeit, um welche der Mittag eines Orts fruͤher, als der eines andern einfaͤllt, den Unterſchied der Meridiane in Graden, und heißt daher der Unterſchied der Mittagskreiſe in Zeit (differentia meridianorum in tempore).

Um wie viel aber der Mittag eines Orts fruͤher einfaͤllt, als der Mittag des andern, um eben ſoviel wird auch jede Stunde und uͤberhaupt jede Zeitangabe am erſten Orte fruͤher, als am andern, eintreten, weil jeder Ort ſeine Zeit von ſeinem Mittage zu zaͤhlen anfaͤngt: um eben ſoviel muͤſſen alſo auch die Zeitangaben beyder Orte in jedem Augenblicke von einander abweichen. Wenn z. B. in einem und eben demſelben Augenblicke die wahre Zeit zu Leipzig 3 Uhr 50 Min., zu Paris 3 Uhr 10 Min. iſt, ſo kan dieſer Unterſchied von 40 Min. von nichts anderm herruͤhren, als davon, daß Leipzig um 40 Min. fruͤher zu zaͤhlen angefangen, oder 40 Min. eher Mittag gehabt hat, als Paris. Demnach wuͤrde fuͤr dieſe Orte der Zeitunterſchied 40 Min. und der Bogen CD = 10° ſeyn.

Es erhellet hieraus, daß das ganze Problem von der Erfindung der Laͤnge ſich auf die Frage bringen laſſe: Man kennt die Zeit eines Orts; man fragt, welche Zeit es in demſelben Augenblicke an einem andern Orte iſt? Der Unterſchied beyder Zeiten in Grade verwandelt (1 Min. fuͤr 15′ oder 4 Min. fuͤr einen Grad gerechnet), giebt den Unterſchied der Laͤngen beyder Orte. Dieſe Frage ſcheint ſehr einfach; aber die große Schwierigkeit liegt in der Ausfindung eines Merkmals, woran ſich gleichzeitige Augenblicke an entlegnen Orten der Erde erkennen laſſen.

Signale durch Bomben, Raketen, Pulverentzuͤndungen, Blendungen eines angezuͤndeten Feuers u. dgl. dienen nur auf dem feſten Lande, und fuͤr nahe Orte, die freye Ausſichten haben. So iſt in der Gegend von London der Unterſchied der Laͤngen der Sternwarte zu Greenwich und einiger andern Orte durch ſolche Mittel aufs genauſte beſtimmt worden. Zur See aber und in großen Entfernungen, wie es Whiſton und Ditton um das Jahr 1714839 vorſchlugen, ſind dieſe Mittel voͤllig unbrauchbar; man muß vielmehr am Himmel ſolche Zeichen aufſuchen, die an ſehr verſchiedenen und entfernten Orten der Erdflaͤche in gleichen Augenblicken ſichtbar ſind.

Unter die hiezu brauchbaren Himmelsbegebenheiten gehoͤren vorzuͤglich Anfang und Ende der Mondfinſterniſſe, Ein - und Austritte der Mondflecken in und aus dem Erdſchatten, Ein - und Austritte der Iupitersmonden in den Schatten ihres Hauptplaneten. Dieſe Erſcheinungen an zween Orten der Erde nach wahrer Zeit beobachtet, geben, ſobald ſie verglichen werden, den Zeitunterſchied der Meridiane. Folgendes Beyſpiel hiezu iſt aus Heinſius (Progr. de longitudine Lipſiae, 1755. 4. ) genommen. Bey der Mondfinſterniß den 8. Aug. 1748. beobachteten den Eintritt des Mondflecken Tycho in den Schatten

Uhr
Heinſius zu Leipz1116′32″
Bouguer zu Paris103628
Unterſchied404

Heinſius nimmt als ein Mittel aus mehrern Beobachtungen 40 Min. 3 Sec. an. Dies giebt den Unterſchied in Graden (4 Min. auf gerechnet) = 10° 0′ 45″; alſo die Laͤnge von Leipzig (wenn die von Paris = 20° geſetzt wird) 30° 0′ 45″.

Auch Sonnenfinſterniſſe, Bedeckungen der Fixſterne und Planeten vom Monde, Bedeckungen der Fixſterne von Planeten und Durchgaͤnge der Venus und des Merkurs vor der Sonnenſcheibe koͤnnen hiezu dienen. Dieſe Begebenheiten ſind zwar nicht jedem Orte in demſelben Augenblicke ſichtbar; ſie koͤnnen aber durch Rechnung auf diejenigen Zeiten gebracht werden, in welchen man ſie vom Mittelpunkte der Erde aus in Zeit eines jeden Orts beobachtet haben wuͤrde.

Alle dieſe Mittel aber ſind verſchiedenen Beſchwerden und Ungewißheiten unterworſen, welche man zum Theil bey dem Worte: Finſterniſſe angefuͤhrt findet. Auf dem feſten Lande, wo man die Beobachtungen Jahre lang fortſetzen840 und die bequemen Zeitpunkte dazu abwarten kan, laſſen ſich zwar alle erwaͤhnte Erſcheinungen nuͤtzen, um den Unterſchied der Laͤnge des Beobachtungsorts von andern nach und nach mit einiger Genauigkeit zu beſtimmen. Allein, wie weit man auch hierinn noch zuruͤck ſey, lehren die Verzeichniſſe, in welche man die gefundenen Laͤngen mehrerer Orte der Erde eingetragen hat. Das vollſtaͤndigſte liefert die Berliner Sammlung aſtronomiſcher Tafeln (Berlin, 1776. III. B. 8) im erſten Bande, S. 43 u. f. ſo, daß die Laͤnge von Paris = 20° geſetzt wird. Die Angaben der Laͤnge von Leipzig ſind zwiſchen 29° 44′ 22″ und 30° 3′ 15″, daß man alſo hiebey noch faſt um 19′ im Bogen, oder um 1 Min. 16 Sec. Zeit ungewiß iſt. Auf Mayers kritiſcher Karte von Deutſchland iſt die Laͤnge von Leipzig ſogar 30° 13′ angenommen.

Noch weit groͤßere Schwierigkeiten hat die Erfindung der Laͤnge zur See, Meereslaͤnge (Longitudo maris ſ. maritima, Longitude en mer), eine der wichtigſten und beruͤhmteſten Aufgaben, auf deren Aufloͤſung in Spanien, Holland, Frankreich und England betraͤchtliche Preiſe geſetzt worden ſind. In England wurden durch eine Parlamentsacte vom Jahre 1714 auf die Beſtimmung der Meereslaͤnge bis auf einen Grad 10000, bis auf 2 / 3 Grad 15000 und bis auf 1 / 2 Grad 20000 Pfund Sterling geſetzt, und zur Beurtheilung der eingereichten Vorſchlaͤge und Huͤlfsmittel beſtaͤndige Commiſſarien ernannt. Dies hat ſo viele Bemuͤhungen um dieſe Aufgabe veranlaſſet, daß es ihr faſt, wie der Quadratur des Kreiſes, ergangen iſt.

Mond - und Sonnenfinſterniſſe, Bedeckungen der Firſterne und Durchgaͤnge durch die Sonnenſcheibe ereignen ſich viel zu ſelten, als daß der Schiffer bey dem taͤglichen Beduͤrfniſſe, die Laͤnge ſeines Orts zu wiſſen, daraus einen bedeutenden Vortheil ziehen koͤnnte. Die Verfinſterungen der Iupitersmonden kommen zwar oͤfter vor; allein ſie ſetzen entweder eine gleichzeitige Beobachtung an einem andern Orte, oder ſehr richtige Tafeln voraus, aus welchen die Zeit ihrer Erſcheinung fuͤr einen beſtimmten Ort eben841 ſo genau berechnet werden kan, als ob ſie daſelbſt wirklich beobachtet worden waͤre. Die Wargentimſchen Tafeln aber laſſen fuͤr die drey letzten Monden immer noch eine Ungewißheit von einer Zeitminute uͤbrig; auch iſt Iupiter jaͤhrlich faſt zween Monate lang unter den Sonnenſtralen verborgen; und endlich macht das beſtaͤndige Schwanken der Schiffe Beobachtungen durch Fernroͤhre von einiger Groͤße faſt unmoͤglich. Der von Irwin im Jahre 1760 deswegen angegebne Schwungſtuhl ward von Maſkelyne auf ſeiner Reiſe nach Barbados unbrauchbar befunden, und eben ſo gieng es im Jahre 1766 einer vom Abbé Rochon angegebenen Vorrichtung, durch welche man im Stande ſeyn ſollte, den Iupiter ſogleich wieder in das Geſichtsfeld des Fernrohrs zu bringen, wenn ihn das Schwanken daraus verruͤckt haͤtte.

Halley ſchlug zu Anfang dieſes Jahrhunderts die Abweichung der Magnetnadel als ein Mittel vor, die Meereslaͤnge zu beſtimmen. Man kan uͤber ſeine Bemuͤhungen um dieſen Gegenſtand, zugleich aber auch uͤber die Ungewißheit, in welcher ſich die Theorie deſſelben noch bis jetzt befindet, den Artikel: Abweichung der Magnetnadel nachſehen.

Bey dieſer Schwierigkeit aſtronomiſcher Beobachtungen zur See und der Unzulaͤnglichkeit anderer Methoden hat man einen Gedanken erneuert, den ſchon Gemma Friſius um das Jahr 1530 geaͤußert hatte, die Laͤnge durch Uhren oder Zeitmeſſer zu beſtimmen. Wenn man z. B. eine voͤllig gleichfoͤrmig gehende Uhr nach londner mittlerer Zeit ſtellt, und mit ſich nimmt, ſo wird ſie aller Orten londner mittlere Zeit zeigen, aus der man die londner wahre Zeit ohne Muͤhe haben kan, ſ. Gleichung der Zeit; es wird demnach zur See nichts weiter, als eine leichte aſtronomiſche Beobachtung z. B. von Sonnenhoͤhen, Sonnenaufgang, Sternhoͤhen u. dgl. erfordert, daraus die wahre Zeit des Orts gefunden werden kan; der Unterſchied der Zeiten giebt alsdann den Unterſchied der Laͤngen. Dies war freylich bey der ehemaligen Unvollkommenheit der Uhren nicht auszufuͤhren, und ſelbſt Huygens Verſuche mit842 den erſten Pendeluhren im Jahre 1669 erfuͤllten auf der See die Erwartungen nicht; allein die Uhrmacherkunſt ſtieg bald ſo hoch, daß man ſchon vom Jahre 1726 an hoffen durfte, dem Zwecke durch Seeuhren von ſehr gleichfoͤrmigem Gange naͤher zu kommen.

Heinrich Sully, ein gebohrner Englaͤnder, der ſich in Frankreich aufhielt, verfertigte um dieſe Zeit die erſte Seeuhr, ſtarb aber zu Bourdeaux, ohne ſie pruͤfen und verbeſſern zu koͤnnen. Ihm folgte John Harriſon, ein engliſcher Zimmermann, der im Jahre 1736 eine Seeuhr zu Stande brachte, die er einen Zeithalter (Time Keeper) benannte. Dieſe ward auf einer Reiſe nach Liſſabon gepruͤft, und der Capitain Roger Wills gab ihr ein ſehr vortheilhaftes Zeugniß. Man unterſtuͤtzte hierauf den Kuͤnſtler, und gab ihm im Jahr 1749 die Cepleyſche Medaille, welche jaͤhrlich zur Belohnung der nuͤtzlichſten Erfindung vertheilt wird. Seit dieſer Zeit fuhr er unermuͤdet fort, an Verbeſſerung ſeiner Uhren zu arbeiten, und am 18 Nov. 1761. trat ſein Sohn William Harriſon mit einer neuen Seeuhr eine Reiſe nach Iamaica an. Dieſe Reiſe dauerte 81 Tage; man fand die Abweichung der Uhr im Hinweg nur 5 Sec., im Ruͤckweg 1 Min. 54 Sec., welches im Bogen nicht mehr als 29′ 45″, alſo noch nicht 1 / 2 Grad Fehler giebt. Harriſon machte daher auf den ganzen Preis Anſpruch; allein die Commiſſion verwilligte ihm nur 2500 Pfund, und ſetzte das uͤbrige auf eine zweyte Probe aus. Dieſe erfolgte 1764 auf einer Reiſe nach Barbados, wobey die Uhr binnen 6 Wochen um 54 Sec. oder nur 13′ 30″ im Bogen abwich Das Parlament gab ihm nunmehr 10000 Pfund, und verlangte richtige und eidlich beſtaͤrkte Zeichnungen und Beſchreibungen von dem Bau und Mechaniſmus des Zeithalters, die er zwar uͤberreichte, zugleich aber wegen eines entſtandnen Verdachts drey Zeithalter zur Pruͤfung auf die Sternwarte zu Greenwich liefern mußte. Maſkelyne (An account of the going of Mr. Harriſon's watch at the royal Obſervatory from May 6. 1766. to March 4. 1767. London, 1767. gr. 4.), fand nun den Gang eben deſſen, der die Reiſe nach Barbados gethan843 hatte, ſo ungleich, daß ſich Harriſon mit der erhaltenen Helfte des Preiſes begnuͤgen mußte.

Die engliſchen Uhrmacher Arnold und Kendal verfertigten 1772 Seeuhren, Letzterer nach Harriſons Art, Erſterer nach einer andern noch einfachern Einrichtung. Cook nahm drey von Arnold und eine von Kendal mit auf ſeine Reiſe gegen den Suͤdpol, und die Aſtronomen Wales und Bailly (The original aſtronomical obſervations made in the courſe of a voyage towards the South-pole, and round the world, in the years 1772 1775.) urtheilten, daß man damit die Laͤnge bis auf 1 / 5 1 / 6 Grad beſtimmen koͤnne.

In Frankreich wurden Seeuhren von Berthoud und Le Roi verſertiget, und unter der Aufſicht der Herren Pingré und de Borda auf einer Seereiſe gepruͤft. Ihr Irrthum ſoll in 6 Wochen nicht uͤber einen halben Grad betragen haben, und die Le Roiſche Uhr erhielt den Preiß, den die koͤnigliche Akademie der Wiſſenſchaften im Jahre 1773 auf dieſen Gegenſtand geſetzt hatte. Berthoud (Traité ſur les horloges marines, Paris, 1773. gr. 4.) hat die Einrichtung ſolcher Uhren ſehr umſtaͤndlich und lehrreich beſchrieben.

Neuerlich haben die engliſchen Kuͤnſtler, vorzuͤglich durch Aufmunterung und Unterſtuͤtzung des churſaͤchſiſchen Geſandten am londner Hofe, Herrn Grafens von Bruͤhl, Taſchenchronometerodertragbare Zeithalter von ganz ungemeiner Vollkommenheit zu verfertigen angefangen. Es koͤmmt hiebey auf Vermeidung des Einfluſſes der Temperatur in die Spiralfeder, und auf Bewirkung eines vollkommnen Iſochronismus ihrer Schwingungen an. Thomas Mudge hatte hieruͤber ſchon ſeit zwanzig Jahren gearbeitet, und theilte dem Herrn Grafen ein Modell eines freyen Stoßwerks (Echappement libre) mit, nach welchem derſelbe durch Ioſiah Emery ein Taſchenchronometer verfertigen ließ, und deſſen Gang aͤußerſt ſorgfaͤltig pruͤfte. Einen von Mudge ſelbſt verfertigten Zeithalter nahm der Admiral Campbell 1784 mit nach Newfoundland. Er gab nach einer Ueberfahrt von 4 Wochen die Laͤnge von St.844 John bis auͤf 6 Sec., und nach einer ziemlich ſtuͤrmiſchen Ruͤckreiſe wiederum bis auf 9 Sec. an (Three regiſtres of a pocket-chronometer and the obſervations, from which they were collected by Count de Brühl etc. London, 1785. 4.). Dieſe Genauigkeit uͤberſteigt alles, was man ſonſt zu hoffen wagte, und verſpricht ungemein viel fuͤr die Schiffahrt und Verbeſſerung der geographiſchen Ortsbeſtimmungen.

Inzwiſchen bleibt auch die beſte Uhr mancherley Zufaͤllen ausgeſetzt, und nie wird man gern Leben und Wohl der Seefahrer ganz allein einer Maſchine anvertrauen, bey welcher der geringſte unbemerkt eingeſchlichene Fehler mit der Zeit einen ſich anhaͤufenden großen Irrthum veranlaſſen kan. Zudem ſind auch die vollkommnen Seeuhren noch nicht ſo gemein; und man muß daher die aſtronomiſchen Beobachtungen noch immer als das allgemeinſte und brauchbarſte Mittel zur Beſtimmung der Meereslaͤnge anſehen.

Da die Verſinſterungen, Bedeckungen u. dgl. ſo ſelten und ſchwer zu beobachten ſind, ſo hatte ſchon Johann Werner, ein Nuͤrnberger, in ſeinen 1519 herausgekommenen Anmerkungen uͤber das erſte Buch von Ptolemaͤus Geographie vorgeſchlagen, ſich der Diſtanzen des Monds von der Sonne oder von bekannten Fixſternen zu Erfindung der Laͤngen zu bedienen. Solche Diſtanzen kan man in den meiſten Naͤchten meſſen, ſie ſind wegen der ſchnellen Bewegung des Monds, welche ſtuͤndlich faſt 1 / betraͤgt, ſehr veraͤnderlich, und ſo laͤßt ſich aus ihnen, wenn man den Mondlauf genau kennt, ein Maaß der Zeit hernehmen. Eben dieſe Vorſchlaͤge wurden von Apianus (Coſmographicus liber, Ingolſt. 1624. fol.). Kepler, Morin und Andern wiederholt; allein es fehlte damals noch zu ſehr an genauen Kenntniſſen des Mondlaufs und der Stellen der Fixſterne. Erſt durch Flamſteads und Halley's Beobachtungen auf der Sternwarte zu Greenwich, und durch Newton's Mondstheorie ward der Grund zu wichtigen Verbeſſerungen dieſer noch fehlenden Stuͤcke gelegt, und als noch Hadley im Jahre 1731 durch die vortrefliche Erfindung des Spie -845 geloctanten die aſtronomiſchen Winkel - oder Diſtanzenmeſſungen zur See ſo ſehr erleichtert hatte, ſo fehlte es zu wirklicher Ausuͤbung dieſer Methode nur noch an richtigen Mondstafeln. Dieſe lieferte endlich im Jahre 1755 (und verbeſſert 1760) der große und unermuͤdete goͤttingiſche Aſtronom Tobias Mayer. Man fand, daß ſie den Ort des Monds oft auf wenige Secunden, allemal aber auf 1′ richtig angaben, und das engliſche Parlament erkannte daher der mayeriſchen Wittwe eine Belohnung von 3000 Pfund Sterling zu.

Aus ſo genauen Tafeln laͤßt ſich finden, wie weit der Mond aus dem Mittelpunkte der Erde betrachtet, zu jeder londner Zeit, von den bekannteſten Sternen abſtehe. Wird nun zur See ein ſolcher Abſtand durch den Hadleyiſchen Octanten gemeſſen, und vermittelſt der zugleich gemeſſenen Hoͤhen des Monds und Sterns auf den Mittelpunkt der Erde reducirt, ſo giebt deſſen Vergleichung mit den Tafeln die londner Zeit, aus deren Zuſammenhaltung mit der Zeit auf dem Schiffe der Unterſchied der Laͤngen bekannt wird. Maſkelyne (The britiſh Mariner's Guide, London, 1763. 4. ), der dieſe Methode auf einer Reiſe nach St. Helena gepruͤft hat, empfiehlt ſie aufs dringendſte, und hat ſeit 1767 in dem jaͤhrlichen Nautical Almanac die Mondsabſtaͤnde von der Sonne und 7 8 Fixſternen fuͤr den greenwicher Meridian von 3 zu 3 Stunden nach Mayers Tafeln im Voraus berechnet, mitgetheilt, auch hat die Commiſſion ſchon 1766 dafuͤr geſorgt, die dabey noͤthigen Reductionen und Rechnungen durch Huͤlfstabellen zum Gebrauch der gemeinen Seeleute zu erleichtern, und in eine Art von Routinrechnung zu verwandeln.

Leadbetter, Pingr

é und Bouguer haben die Mondshoͤhen zu aͤhnlichem Gebrauche vorgeſchlagen; allein Theorie und Erfahrung geben der Diſtanzenmethode einſtimmig den Vorzug.

Briſſon Dict. raiſ. de Phyſique art. Longitude.

Bode Erlaͤut. der Sternkunde, Zweyter Theil, §. 688. u. f.

v. Zach uͤber die geographiſche Ortsbeſtimmung in Canzlers846 und Meißners Quartalſchrift fuͤr aͤlt. Litt. u. neuere Lectuͤre, Dritten Jahrgangs, 5tes u. 7tes Heft.

Lampe, elektriſche, Brennluftlampe

Lampe électrique, Lampe à air inſlammable. Eine Vorrichtung, mit deren Huͤlfe man einen Strom von brennbarer Luft durch einen elektriſchen Funken entzuͤnden, und dadurch ſehr leicht und ſicher, ohne irgend ein anderes Feuerzeug, ein Licht anbrennen kan. Da die Phyſik durch jede Anwendung zum Gebrauche des haͤuslichen Lebens eine Empfehlung mehr erlangt, ſo ſind Erfindungen dieſer Art nicht eben als bloße Spielwerke zu betrachten.

Die Entdeckung, daß ſich die brennbare Luft durch den elektriſchen Funken entzuͤnden laſſe, gab Herrn Fuͤrſtenberger, einem geſchickten Kenner der Phyſik zu Baſel, zu der erſten Erfindung einer elektriſchen Lampe Gelegenheit. Es beſteht dieſelbe, Taf. XIII. Fig. 95. aus zween glaͤſernen Gefaͤßen, wovon das untere A der brennbaren Luft zum Behaͤltniſſe dient, das obere B aber mit Waſſer gefuͤllt wird. Am untern Gefaͤße iſt bey C ein meſſingener Ring angekuͤttet. Die Haͤlſe beyder Gefaͤße ſind mit meſſingnen Kappen D und H verſehen, welche durch die Roͤhre E mit einander in Gemeinſchaft ſtehen. Durch dieſe Roͤhre geht der Hahn R, der, wenn er geoͤfnet wird, das Waſſer aus B durch eine enge Glasroͤhre f in das untere Gefaͤß A auslaufen laͤßt. An die Kappe D iſt der Seitencanal gg mit dem Hahne S angeloͤthet. So wie ſich nun das Waſſer aus B in A durch f ergießt, ſo wird die in A befindliche brennbare Luft durch gg herausgetrieben. Der Canal gg endigt ſich oben in die meſſingene Roͤhre K, welche eine enge Muͤndung hat. Eben dieſen Canal umgiebt der hoͤlzerne Teller II, auf welchem zwo hoͤlzerne Saͤulen LL ſtehen, die ſich um ihre Axe drehen laſſen. Auf der einen Saͤule liegt eine meſſingene Huͤlſe m, auf der andern eine glaͤſerne n. Durch jede dieſer Huͤlſen laſſen ſich meſſingne Staͤbchen oo ſchieben, deren innere Enden ſtumpf, die aͤußern aber in Haͤckchen umgebogen ſind, um Draͤthe oder Ketten anzuhaͤngen. An dem Staͤbchen, welches durch847 m geht, haͤngt die Kette s herab, die man mit dem Hacken r an den Canal gg anhaͤngen kan. Die Kappe D iſt durch den aufgeleimten Stanniolſtreif v mit dem Ringe C verbunden. Wenn nun das ganze Inſtrument uniſolirt auf dem Tiſche oder Boden ſteht, ſo iſt das Staͤbchen mo mit dem Erdboden verbunden, und es entſteht ein Funken zwiſchen beyden Staͤbchen, wenn man no durch einen Drath oder eine Kette mit dem Conduktor einer Maſchine, mit dem aufgehobnen Deckel eines geriebnen Elektrophers u. ſ. w. verbindet, oder auch durch irgend ein anderes Mittel einen Funken auf das angehangne Kuͤgelchen q ſchlagen laͤßt.

Um nun dieſe Lampe zu gebrauchen, ſtellt man die Staͤbchen oo ſo, daß ihre Enden etwa 1 1 / 2 Lin. weit aus einander ſtehen, und daß der zwiſchen ihnen entſtehende Funken nahe uͤber der Muͤndung der Roͤhre K hingehen muß. Man fuͤllt alsdann das obere Geſaͤß mit Waſſer, das untere mit brennbarer Luft, ſetzt beyde mit verſchloßnen Haͤhnen gehoͤrig an einander, und oͤfnet zuerſt den Hahn R, damit durch die enge Oefnung f etwas Waſſer auslaufen kan, wodurch die brennbare Luft ein wenig zuſammengedruͤckt wird. Alsdann oͤfnet man auch den Hahn S, damit dieſe Luft durch die Muͤndung der Roͤhre K ausſtroͤme. Unmittelbar darauf laͤßt man zwiſchen beyden Staͤbchen mo und no einen elektriſchen Funken entſtehen, welcher den Strom der brennbaren Luft und durch dieſen einen daran gehaltnen Wachsſtock entzuͤndet. Soll die Flamme ausloͤſchen, ſo wird zuerſt der Hahn S, und dann auch R, wiederum verſchloſſen.

Die leichteſte Art, den elektriſchen Funken zu erregen, iſt dieſe, daß man die an no haͤngende Kette mit dem Deckel eines geriebnen Elektrophors verbindet. Beruͤhrt man alsdann dieſen Deckel, und zieht ihn auf, ſo wird in eben dem Augenblicke der Funken zwiſchen mo und no entſtehen.

So iſt dieſe Erfindung des Herrn Fuͤrſtenberger von Ehrmann (Deſcription et uſage de quelques lampes à air inflammable, à Strasbourg, 1780. Beſchreibung und Gebrauch einiger elektriſchen Lampen, a. d. Frz. Strasburg,848 1780. 8. ) beſchrieben worden. Brander in Augsburg verfertigte um eben dieſe Zeit elektriſche Lampen, bey welchen die Roͤhre zwiſchen beyden Gefaͤßen durch einen auf das untere geſteckten Korkſtoͤpſel hindurch gieng. Dieſe ſind noch fruͤher, als die Fuͤrſtenbergeriſchen von Weber (Beſchreibung des Luftelektrophors, Augsburg, 1778. 8. ) bekannt gemacht worden. Brander verbeſſerte ſie in der Folge, indem er dem obern Gefaͤße eine Oefnung gab, um den Ausfluß des Waſſers durch den Druck der Luft zu befoͤrdern, den Seitencanal aber nicht an dem Zwiſchenrohre, ſondern am untern Behaͤlter ſelbſt anbrachte, wovon man die Beſchreibung beym Ehrmann (§. 9. und Fig. 2.) findet.

Die ſchicklichſte Einrichtung aber iſt dieſem Werkzeuge von Herrn de Gabriel in Strasburg gegeben worden. Sie iſt dem Heronsbrunnen aͤhnlich, und wird Taf. XIII. Fig. 96. und 97. vorgeſtellt. A, B ſind die Gefaͤße mit den meſſingenen Kappen K, L, welche in die Buͤchſe des Hahns R luftdicht eingeſchraubt werden koͤnnen. In dieſem Hahne ſind zwey Loͤcher g, h, Fig. 97., parallel und auf die Axe ſenkrecht gebohrt. Dieſe zwey Loͤcher paſſen auf zwo Roͤhren i und m, wovon die erſte an den obern Theil der Hahnenbuͤchſe angeſchraubt und mit dem Auſſatzrohre I. Fig. 96. verſehen iſt, die andere aber von dem untern Theile der Buͤchfe bis nahe an den Boden des untern Gefaͤßes herabgeht. Dieſes Gefaͤß hat einen meſſingenen Fuß C, in deſſen Mitte ſich eine Oefnung N befindet, welche, wenn die brennbare Luft dadurch in das Gefaͤß gebracht worden iſt, mit einer Lappenſchraube luftdicht verſchleſſen werden kan. Die Vorrichtung zu Erregung des elektriſchen Funkens iſt, wie bey der vorigen Lampe, und ſteht auf der meſſingenen Scheibe OO, welche in einen auf B angebrachten Reif ſchließt. Eine der beyden Saͤulen hat einen glaͤſernen Schaft v. Der an dem Ende ihres Staͤbchens befindliche Knopf w koͤmmt entweder unmittelbar, oder durch eine Kette mit dem elektriſirten Conductor der Maſchine, dem Deckel des Elektrophors oder dergl. in Verbindung. Die andere Saͤule, die nicht iſolirt iſt, leitet849 die Elektricitaͤt an die Metallſcheibe OO, welche durch eine Kette mit dem Fußboden verbunden werden kan.

D. Ingenhouß (Beſchreibung einer Brennluftlampe, in ſ. Veemiſchten Schriften, uͤberſ. und herausg. von Molitor, Wien, 1784. gr. 8. I. Th. S. 213. u. f.) hat an dieſer Lampe noch verſchiedene Verbeſſerungen angebracht. Zu leichterer Einſuͤllung der Brennluft giebt er dem Boden des untern Gefaͤßes eine trichterfoͤrmige Geſtalt. Den elektriſchen Funken zu leiten, dient eine von zwoen iſolirenden Stuͤtzen N, O, Taf. XIII. Fig. 98. gehaltene metalliſche Stange G, welche den Funken auf die Spitze des metalliſchen Hakens H uͤberfuͤhrt. So faͤhrt er durch die aus D aufſteigende Saͤule der brennbaren Luft, ſetzet ſie in Feuer und entzuͤndet den Dacht der Wachskerze I. Der Haken H iſt mit dem Erdboden durch das Gefaͤß ſelbſt, nemlich durch die metallnen Roͤhren, das Waſſer, und den meſſingnen Boden des untern Gefaͤßes verbunden. Das Loch Q dient, um das obere Gefaͤß mit Waſſer zu fuͤllen. Endlich iſt an den Hahn ſelbſt eine Scheibe angebracht, um deren Peripherie eine daran befeſtigte ſeidne Schnur herumgeht, deren Ende L an eine meſſingene Kette gebunden iſt. Dieſe Kette wird uͤber eine an der Stange G befeſtigte Rolle K gezogen, und ihr anderes wieder herabgehendes Ende traͤgt den Deckel des Elektrophors. Auf dieſe Art hebt ſich beym Umdrehen des Hahns durch das Anziehen der Schnur und Kette der Deckel von ſelbſt auf, und der Funken entſteht ſogleich, wenn der Hahn aufgedrehet iſt. Hiebey hat man alſo, um ſogleich und zu jeder Zeit Licht zu haben, nur eine Hand noͤthig; d. i. man hat nichts zu thun, als den Deckel, oder auch nur die Kette, zu beruͤhren, und dem Hahne die Wendung zu geben. Dieſe Veranſtaltung, die das ganze Werkzeug hoͤchſt einfach macht, iſt eine Erfindung des Herrn Pickel in Wuͤrzburg. Den Hahn M, Fig. 98., hat D. Ingenhouß hinzugeſetzt. Er wird verſchloſſen, wenn man die Lampe nicht braucht, damit ſich die im Rohre befindliche Brennluft nicht in die Atmoſphaͤre zerſtreue, und beym Gebrauche ſelbſt gleich das erſte, was aus der Muͤndung ausſtroͤmt, brennbare Luft ſey. 850

Herr Ehrmann (§. 11. und Fig. 4.) beſchreibt noch eine von ihm und ſeinem juͤngern Bruder ausgedachte Einrichtung dieſer Lampe. Dabey wird das mit Brennluft gefuͤllte Gefaͤß in ein anderes Gefaͤß mit Waſſer geſtellt. Wenn man den Hahn oͤfnet, ſo dringt das Waſſer durch eine im Boden des erſtern Gefaͤßes befindliche Klappe ein, und treibt die brennbare Luft durch das Aufſatzrohr hinaus. Langenbucher (Beſchreibung einer betraͤchtlich verbeſſerten Elektriſirmaſchine, Augsb. 1780. 8. S. 221. u. f.) hat dieſen Lampen ebenfalls noch einige Abaͤnderungen gegeben, und Donndorf (Lehre von der Elektricitaͤt. Erfurt, 1784. gr. 8. II. B. S. 867.) beſchreibt eine der langenbucheriſchen aͤhnliche, die er von Hrn. Prof. Stegmann aus Caſſel bekommen hatte, und deren Einrichtung ſehr einfach iſt.

Beym Gebrauche dieſer Lampen muß man mit aͤußerſter Vorſicht verhuͤten, daß ſich mit der im untern Gefaͤße eingeſchloßnen Brennluft keine gemeine Luft vermiſche, weil dadurch eine Knall-Luft entſtehen wuͤrde, welche beym Anzuͤnden Feuer fangen und das Gefaͤß mit den ungluͤcklichſten Folgen zerſchmettern koͤnnte. Man muß daher dieſes Werkzeug nie durch Unerfahrne oder wenig unterrichtete Leute behandeln laſſen, auch die Muͤndung des Auſſatzrohrs jederzeit ſehr eng machen. D. Ingenhouß glaubt inzwiſchen, daß die von ihm beſchriebne Lampe einem ſolchen Ungluͤcke wenig oder gar nicht unterworfen ſey, weil die Flamme erſtickt werden wuͤrde, ehe ſie den langen Weg von der engen Oefnung durch die ganze Roͤhre hindurch bis in das untere Behaͤltniß zuruͤcklegen koͤnnte. Die Verſuche haben ihn gelehrt, daß man eine Knall-Luft dieſer Art unter ſolchen Umſtaͤnden durch den elektriſchen Funken niemals zur Exploſion bringen koͤnne.

Er erinnert noch, daß es noͤthig ſey, das Waſſer in dem obern Gefaͤße allezeit in einer gewiſſen Hoͤhe zu erhalten, damit deſſen Fall durch die Roͤhre in das untere Behaͤltniß Gewalt genug habe, um die brennbare Luft in die Hoͤhe zu treiben, und durch die Roͤhre herauszuſtoßen. 851

Ebrmann Beſchreibung und Gebrauch einlger elektriſcher Lampen, a. d. Frz. mit einer Kupfertafel. Straßburg, 1780. 8.

Job. Ingenhouß vermiſchte Schriften phyſiſch-mediciniſchen Inhalts, uͤberſ. und herausg. v. Molitor, Wien, 1784. gr. 8. Erſter Band. S. 213. u. f.

Lampen, Lampades, Lampes.

Etwas von der Theorie der Lampen und Kerzen findet man bey dem Worte: Flamme, wo beſonders gezeigt wird, warum hiebey der Dacht nothwendig ſey. Die Erzeugung einer recht hellen und reinen Flamme haͤngt vornehmlich davon ab, daß das Oel an der Stelle, wo es brennen ſoll, ſo viel moͤglich, von allen Seiten her erhitzt und vollkommen zerſetzt werde. Die gemeinen Dachte, welche maſſive Cylinder ſind, leiſten dies nicht vollkommen, weil ſie der Luft, die zur Verbrennung nothwendig iſt, zu wenig Oberflaͤche darſtellen. Man hat daher ſchon laͤngſt bandfoͤrmige Dachte empfohlen, deren Geſtalt der Luft mehr Oberflaͤche ausſetzt, als die cylindriſche. Alſtroͤmer (Verſuche mit bandfoͤrmigen Lampendachten, welche nicht rauchen, in den neuen ſchwed. Abhdl. fuͤr das Jahr 1784. Num. 22.) fand dieſelben ſehr vortheilhaft, beſonders wenn ſie fein waren und das rechte Maaß im Ausziehen beobachtet ward. Sie rauchten gar nicht, weil der freye Zutritt der Luft die Hitze allenthalben ſo verſtaͤrkte, daß ſie die brennbare Materie ganz zu zerſetzen im Stande war. Denn der Mangel an Hitze verurſacht mehr Rauch; daher auch ausgeblaſene Lampen ſo ſtark dampfen. Die von Alſtroͤmer gebrauchten Dachte ſind von Baumwolle, und geben außer der ſchoͤnen gleichfoͤrmigen Helle auch eine ungemeine Erſparung von Brennſtoff.

Noch gluͤcklicher aber war der Gedanke des Herrn Argand aus Genf, zu den Lampen hohle cylindriſche Dachte zu gebrauchen, in deren innerer Hoͤhlung beym Brennen ein beſtaͤndiger Luftzug unterhalten wird. Dieſe Lampen wurden um das Jahr 1783 bekannt, und ihr Erfinder erhielt uͤber die Verfertigung derſelben in England ein ausſchließendes Privilegium auf 14 Jahre. Ihre wichtigſten Vorzuͤge ſind: eine große Helligkeit, Abweſenheit von852 allem Dampf, Erſparung von Oel und Leitung der ſchaͤdlichen Luft nach der Decke des Zimmers. Man uͤberſieht es bald, daß die Urſache aller dieſer Vortheile in der durch den Zutritt der Luft unterhaltenen großen Hitze und gaͤnzlichen Zerſetzung der brennenden Materie liegt. Herr de Luͤc hat ſeine Theorie der Verbrennung, (ſ. Flamme) durch dieſe Lampe ſo ſinnreich erlaͤutert, daß ich nicht umhin kan, noch etwas hievon mitzutheilen.

Nach Herrn de Luͤc wird beym Verbrennen die dephlogiſtiſirte Luft, welche hiebey immer geſchaͤftig iſt, entweder nur veraͤndert oder voͤllig zerſetzt. Im erſten Falle ſcheint ſie die zu Erzeugung der brennbaren Luft nothwendige ſchwere Subſtanz aufzunehmen; dadurch entbindet ſich das Feuer, ohne brennbare Luft zu bilden, und man findet anſtatt der dephlogiſtiſirten Luft, fixe. Im zweyten Falle aber, wenn die Hitze dazu ſtark genug iſt, zerſetzt ſich die entwickelte brennbare Luft mit der dephlogiſtiſirten voͤllig, und die Erzeugung des Feuers iſt dann ſehr groß. Wenn im brennenden Koͤrper ſelbſt eine große Hitze unterhalten wird, ſo iſt dieſelbe ein kraͤftiges Mittel zu Erzeugung neuer Waͤrme, weil dabey eine Zerſtoͤrung der dephloglſtiſirten Luft, ſtatt ihrer bloßen Verwandlung in fixe, vorgeht.

Die lebhafte Flamme ohne Rauch in der d'Argandiſchen Lampe ſcheint ein Zeichen von der gaͤnzlichen Verwandlung des Oels in brennbare Luft und von der Zerſtoͤrung dieſer Luft mit der dephlogiſtiſirten im Luftkreiſe, zu geben. Stellt man das Auge gleich hoch mit dem kreisfoͤrmigen Dachte, ſo ſieht man zwiſchen ihm und der Flamme einen voͤllig durchſichtigen Raum, durch den ſich die Gegenſtaͤnde weit beſſer, als durch eine Glasroͤhre, zeigen. Dieſer Raum nemlich wird von der reinen brennbaren Luft eingenommen, die ſich aus dem Dachte ſchnell erhebt, aber ſobald ſie die dephlogiſtiſirte Luft in und außerhalb des Dachts antriſft, ſich mit derſelben zerſetzt Dies erzeugt die ſchoͤne Flamme, deren kreisfoͤrmiger Strom mit brennbarer Luft umkraͤnzt iſt. Beyde Luftarten verwandeln ſich durch die Zerſetzung in Waſſer, welches man durch Aufſetzung853 eines Helms mit einem Schnabel aufſammeln kan, und deſſen Menge weit mehr betraͤgt, als daß man es fuͤr das vorher im Oele enthaltene Waſſer halten koͤnnte.

Das Matte der gemeinen Lichter koͤmmt daher, weil bey ihnen die dephlogiſtiſirte Luft nur in fixe verwandelt wird; denn hiedurch entſteht weniger Feuer, und die Erneuerung der Luft geſchieht, weil die fixe Luft zu ſchwer iſt, nicht ſchnell genug. Wenn aber reine brennbare Luft hervorgebracht wird, wenn durch ihre Zerſetzung mit der dephlogiſtiſirten ein heißer Waſſerdunſt an ihre Stelle tritt, ſo bringt die Entbindung deſſelben ein beſtaͤndiges ſchnelles Aufſteigen der Luft, mit der er ſich vermiſcht, hervor, und die Luft erneuert ſich um die Flamme herum, nach Verhaͤltniß dieſer Geſchwindigkeit. Der glaͤſerne Rauchfang, den Hr. d'Argand uͤber ſeinen Lampen anbringt, veranlaßt nicht nur einen Luftſtrom um die Flamme herum, ſondern beſchleunigt auch denjenigen, der im Innern des hohen Dachts bewirkt wird.

Bey den gewoͤhnlichen Lampen und Lichtern macht auch die fixe Luft, die ſich abwaͤrts ſenkt, in ſtark erleuchteten Zimmern die Luft ungeſund. Bey den d'Argandiſchen Lampen hingegen wird die ſchaͤdliche Luft immer nach der Decke des Zimmers ſteigen und durch die obern Oefnungen entweichen, indeß friſche Luft durch die untern Oefnungen eindringen kan. Durch gehoͤrig vertheilte Oefnungen wuͤrde man ſogar dieſe Wirkung noch mehr befoͤrdern koͤnnen, und alſo durch die Urſache ſelbſt, welche ſonſt die Luft verdirbt, gute Ventilatoren erhalten, daß alſo Hr. d'Argand, dieſer Theorie zufolge, durch ſeine Lampen der Geſellſchaft einen großen Dienſt erwieſen hat.

de Luͤc Neue Ideen uͤber die Meteorologie, Th. I. S. 131. u. f.

Landkarten, Mappae geographicae, Mappes geographiques.

Verzeichnungen der Erdflaͤche, oder einzelner Theile derſelben auf ebnen Flaͤchen. Die die gange Erdflaͤchen darſtellen, heißen Planiſphaͤre, Planiglobien, Univerſalkarten, (Planiſphaeria, Planiglobia, Planiglobes, Mappemondes) die von einzelnen Theilen Gene -854 ralkarten, Specialkarten, topographiſche Karten u. ſ. w.

Iſt das vorzuſtellende Land ein ſehr kleiner Theil der Kugelflaͤche, ſo wird es als eine Ebne ABCD (Taf. XIII. Fig. 99.) angeſehen, welche zween Meridianbogen AC, BD und zween Parallelkreisbogen AB, CD begrenzen. Dieſe kleinen Bogen werden als gerade Linien vorgeſtellt, und ſchließen alſo die ganze Karte, als Seiten eines Vierecks, ein. Man theilt die Seiten AC und BD in Theile, welche fuͤr Minuten eines groͤßten Kreiſes angenommen werden (in der Figur faßt jede Seite einen Grad von 51° 52° Breite), und giebt den Theilen von AB und CD die Groͤſſen, welche den Minuten der Parallelkreiſe unter den Breiten A und B zukommen, und durch die Formel

Grad d. Parallels = Grad des Merid. X coſ. Breite ausgedruͤckt werden, ſ. Parallelkreiſe. So wuͤrde hier jeder Theil von AB = 0,6293204; von CD = 0,6156615 eines Theils von AC ſeyn. Dieſe Theile werden, vom Mittel F und E aus zu beyden Seiten fortgetragen, die Minuten der Parallelkreiſe auf AB und CD angeben. In der Figur faͤllt das Mittel E auf die Laͤnge 30°, und es ſind wegen des allzugeringen Unterſchieds die Theile auf CD eben ſo groß, als auf AB angenommen. Sind nun fuͤr zween Orte die geographiſchen Laͤngen und Breiten bekannt, wie z. B.

LaͤngeBreite
fuͤr Leipzig30°0′051°19′41″
fuͤr Wittenberg301330514310,

ſo laͤßt ſich fuͤr jeden die Laͤnge auf AB und CD, die Breite auf AC und BD aufſuchen, und durch gerade Linien verbinden, deren Durchſchnittspunkte L und W die Stellen der Orte ſelbſt geben. Der Abſtand der Orte LW kan alsdann nach Theilen der Seite AC gemeſſen werden, wo (1 / 15) Grad oder vier Minuten eine geographiſche Meile geben. Iſt der Abſtand eines dritten Orts von beyden vorigen bekannt (z. B. iſt Halle von Leipzig 4 1 / 2, von Wittenberg 7 1 / 2 geogr. Meile entfernt) ſo laͤßt ſich aus den drey bekannten Seiten das Dreyeck LWH verzeichnen, und H die Stelle855 des dritten Orts finden. Die Weltgegenden liegen hiebey ſo, daß oben Mitternacht, unten Mittag, zur Linken Abend, zur Rechten Morgen faͤllt. Man kan alſo die Stelle von H auch beſtimmen, wenn man weiß, nach welcher Weltgegend, und wie weit es von L liege, oder nach welchen Weltgegenden es von L und W liege, u. ſ. w.

Dieſe Art der Verzeichnung iſt bey groͤßern Stuͤcken der Erdflaͤche, wo die Kugelgeſtalt merklicher wird, nicht mehr awvendbar. Hiebey muß man die krumme Flaͤche nach den Geſetzen der Perſpectiv auf die Ebne entwerfen. Da hiebey vielerley Stellungen des Auges und Lagen der Projectionstafel moͤglich ſind, ſo geben die geographiſchen Schriftſteller, z. B. Varenius in der Geogr. Generali, eine große Anzahl verſchiedener Projectionen an. Die beſte unter allen wird diejenige ſeyn, welche die Geſtalt der Laͤnder, die Entfernungen der Orte, und die Verhaͤltniſſe der Flaͤchenraͤume am wenigſten aͤndert, auch das, was auf der Kugel in einem groͤßten Kreiſe liegt, auf der Karte, ſoviel moͤglich, in gerade Linien oder doch in Kreisbogen bringt. Dieſe Bedingungen werden am beſten durch die ſtereographiſche Horizontalprojection erfuͤllt, welche zwar ſchon beym Prolemaͤus unter dem Namen Aſtrolabium, ingleichen beym Varenius (no. 8.) vorkoͤmmt, vornehmlich aber von dem großen Verbeſſerer der Landkarten, Joh. Matthias Haſe, Prof. zu Wittenberg, (Sciagraphia tractatus de projectionibus, Lipſ. 1717. 4. ) empfohlen, und bey einigen groͤßern Karten der homanniſchen Officin, auch von der kosmographiſchen Geſellſchaft bey den Karten des ſogenannten Geſellſchaftsatlas gebraucht worden iſt.

Man ſtellt ſich dabey das Mittel des Landes, das man verzeichnen will, als den unterſten Punkt der Erdkugel C, Taf. XIII. Fig. 100. vor, zieht dadurch einen Durchmeſſer CO, und ſetzt auf ſelbigen durch der Erde Mittelpunkt c einen groͤßten Kreis AB ſenkrecht. Dieſer iſt die Tafel; das Auge ſteht in O, ſieht in die Hoͤhlung der Kugel, und der Punkt G koͤmmt alſo auf der Karte in g zu ſtehen, wo die Geſichtslinie GO ſich mit der Ebne der Tafel856 ſchneidet. Stereographiſch heißen alle Projectionen einer Kugel, wobey das Auge in der Oberflaͤche derſelben ſteht, und weil hier der Kreis AB der wahre Horizont von C iſt, ſ. Horizont, ſo iſt daher der angefuͤhrte Name entſtanden. Der Punkt C ſelbſt wird in c vorgeſtellt, und wenn CG, des Orts G Abſtand vom Mittel, in Graden des groͤßten Kreiſes bekannt iſt, ſo wird die gerade Linie Aus dieſem Satze fließen die Regeln der Verzeichnung, welche Kaͤſtner (Theoria projectionis ſtereogr. horiz. in Diſs. mathem. et phyſ. Altenb. 1771. 4. no. XII. p. 80. Additament. in Comm. Nov. Soc. Gott. ad ann. 1769 et 1770. p. 138), Lambert (Beytr. zum Gebrauche der Math. III. Theil, S. 105.), und Katſten (Lehrbegriff der geſammt. Math. VII. Theil, Greifsw. 1775. S. 707 u. f.) umſtaͤndlicher erklaͤren. Den Namen der ſtereographiſchen Projection hat Aguilonius (Opticorum libri ſex. Antverp. 1612.) zuerſt eingefuͤhrt.

Abriſſe von Laͤndern werden ſchon in der alten Geſchichte des juͤdiſchen Volks (Joſua, Cap. 18. v. 4. 5. ) erwaͤhnt. Nach der Erzaͤhlung des Diogenes Laertius (L. II. c. 2.) und Plinius (H. N. VII. 56.) ſoll unter den Griechen zuerſt Anaximander Zeichnungen der damals bekannten Laͤnder gemacht haben. Mehrere, eie ſich damit beſchaͤftigten, fuͤhren Fabricius (Biblioth. graeca, C. IV. c. 2. u. c. 14.) und Cellarius (Notit. orbis antiqui, p. 4 et 5.) an. Bey den Roͤmern wurden den triumphirenden Feldherren Zeichnungen der eroberten Provinzen vorgetragen, und ſowohl in Rom (Varro de re ruſt. c. 12.) als auch in den Provinzen (Eumenii orat. ad pracf. Gall. in Panegyr. veter. c. 20.) befanden ſich Vorſtellungen von der Oberflaͤche der Erde. Eine Probe davon iſt die peutingeriſche Tafel, welche zu Ende des vierten Jahrhunderts n. C. G. verfertigt, im 15ten Jahrhunderte von Conrad Celtes in einem Kloſter gefunden, von dem Augſpurgiſchen Patricier Conrad Peutinger erkauft, und von Marcus Welſer (Venet. 1591. 4. ) herausgegeben ward. Sie kam in der Folge in die Buͤcherſammlung des Prinzen Eugen, und857 mit dieſer in die kaiſerliche Bibliothek, aus welcher ſie Herr von Scheyb (Tabula Peutingeriana itineraria etc. Vindob. 1753. fol.) herausgegeben hat. Sie iſt jedoch mehr ein Verzeichniß von Namen und Diſtanzen der Orte (ltinerarium), als eine eigentliche Landkarte.

Zu des Ptolemaͤus Geographie verfertigte der Alexandriner Agathodaͤmon 26 Karten, welche Europa in 10, Afrika in 4, Aſien in 12 Blaͤttern vorſtellten. Dies macht eine Strecke aus, die von Oſten nach Weſten etwa doppelt ſo groß iſt, als von Norden nach Suͤden, daher auch die Namen Laͤnge und Breite kommen. Sie begreift in der Breite 84, in der Laͤnge 124 Grad, die aber hier unrichtig bis auf 180° ausgedehnt werden. Gegen Norden geht der aͤußerſte Parallel durch den 64ſten Grad; die Zeichnung endigt ſich mit einer kleinen Inſel uͤber Britannien, Thule, und der Beyſchrift: Mare hyperboreum. Rußland und ein Theil von Polen fehlen gaͤnzlich. Die weſtliche Kuͤſte von Afrika geht bis 6 1 / 2 Grad noͤrdlicher, aber die oͤſtliche bis 12 1 / ſuͤdlicher Breite an das Vorgebirge Praſium. Aſien endigt ſich gegen Oſten mit der Kuͤſte Camboja, welche unterhalb der Linie fortgeht, ſich nach Weſten wendet, und bey dem Vorgebirge Praſium mit Afrika zuſammen haͤngt. Der am weitſten nach Suͤden und Oſten bemerkte Ort iſt Cattigara, welches mit dem heutigen Ponteamas in Indien uͤbereinzukommen ſcheint.

Aus dieſen alten Karten ſind durch allmaͤhlige Verbeſſerungen die heutigen entſtanden. Sebaſtian Muͤnſter (Coſmographia, Baſil. 1550.), Ortelius (Theatrum orbis terrarum, Antverp. 1570. fol. maj.) und Gerhard Mercator zu Loͤwen legten hiezu den erſten Grund. Des Letztern Karten gab Iodocus Hond (Atlas Gerh. Mercatoris, Amſt. 1604.) in 114 Tabellen heraus. Wilhelm Ianſſon Blaeu und deſſen Sohn Johann lieferten in ihrem aus 6 Theilen beſtehenden Atlas ſchon 616 Karten. Die Verbeſſerung der Karten iſt in der ehemaligen hondiſchen Officin, welche nach und nach an die Ianſſon Waesberge, an Moſes Pitt und Swart, und an Peter Schenk und858 Gerard Valk kam, ununterbrochen fortgeſetzt worden, ſo wie auch unter den hollaͤndiſchen Kuͤnſtlern die Viſſcher, Dankerts und de Witt angefuͤhrt zu werden verdienen. Unter Ludwig dem XIV. verfertigte Sanſon Landkarten, welche bey allen ihren Fehlern dennoch ihr Anſehen ſehr lange behauptet haben. Durch die Bemuͤhungen der Pariſer Akademie und Londner Societaͤt wurden de l'Isle in Frankreich und Moll in England in Stand geſetzt, die Landkarten nach aſtronomiſchen Beobachtungen und neuern Entdeckungen zu verbeſſern. Die meiſte Muͤhe aber hat Johann Baptiſta Homann zu Nuͤrnberg hierauf verwendet. Von ihm hatte Cellarius die Karten zur Notitia orbis antiqui ſtechen laſſen, und Huͤbner nahm die zu ſeinem Schulatlas, welche zuerſt methodiſch illuminirt wurden, aus ſeiner Officin. Durch den guten Abgang derſelben ermuntert, bediente er ſich nun der Beyhuͤlfe des Profeſſors Doppelmayr, um ſeinen Karten auch durch aſtronomiſche Berichtigungen neue Vollkommenheit zu geben. Sein Sohn und deſſen Erben haben dieſe Bemuͤhungen unermuͤdet fortgeſetzt, und ſich dabey der Beyhuͤlfe der geſchickteſten Maͤnner, z. B. Haſens, Mayers u. a. bedient. Die Mitglieder der kosmographiſchen Geſellſchaft veranſtalteten durch dieſe Officin einige vortrefliche Verbeſſerungen. Die homanniſchen Karten ſind in dem großen Atlas geſammelt, deſſen erſter Band 150 Karten, der zweyte 125 Karten von Deutſchland allein, und der Supplementband noch 77 Blaͤtter enthaͤlt, wozu noch der aſtronomiſche Atlas von Doppelmayr, der topographiſche oder Staͤdteatlas, der hiſtoriſche von Haſe, und ein Specialatlas von Schleſien gehoͤren. Der ſogenannte Geſellſchaftsatlas in 40 Karten iſt von den Mitgliedern der kosmographiſchen Geſellſchaft ganz nach der ſtereographiſchen Horizontalprojection entworfen, und der erſte Meridian durch Ferro gelegt, da ihn ſonſt die homanniſchen Karten 20° weſtwaͤrts von Paris ſetzen. Neuerlich ſind theils von der Berliner, Petersburger und ſchwediſchen Akademie, theils auch in andern Laͤndern ſo viele vortrefliche Landkarten zum Vorſchein gekommen, daß es zu weitlaͤuftig ſeyn wuͤrde,859 die Namen der Kuͤnſtler zu nennen, unter welchen jedoch in England Kitchin, in Frankreich d'Anville, Vaugondy, Buache und Bellin beſonders angefuͤhrt zu werden verdienen.

Eine Doppelmayriſche Karte: Baſis geographiae recentioris aſtronomica, enthaͤlt bloß diejenigen Orte, deren Laͤngen und Breiten damals (um 1740) aſtronomiſch beſtimmt waren. Es ſind deren nur 116, und die Welt erſcheint darauf, wie eine Wuͤſte. Tobias Mayer gab, um die Unvollkommenheit der Geographie deutlich zu machen, im Jahre 1750 eine Karte von Deutſchland (Mappa critica Germaniae) heraus, welche zeigt, wie weit die de l'isliſchen, homanniſchen und aſtronomiſchen Angaben der Stellen und Grenzen Deutſchlands von einander abweichen. Seitdem ſind zwar weit mehrere aſtronomiſche Beſtimmungen hinzugekommen; allein es fehlt noch immer ſehr viel an derjenigen Vollſtaͤndigkeit, welche fuͤr die genaue Berichtigung der Landkarten zu wuͤnſchen waͤre.

Kaͤſtner, Anfangsgr. der mathem. Geographie, im II. Th. der mathem. Anfangsgr. Goͤtt. 1781. S. 374. u. f.

Pfennigs Anleitung zur Kenntniß der mathemat. Erdbeſchreibung, Berlin und Stett. 1779. 8. S. 151. u. f.

Laterne, magiſche, ſ. Zauberlaterne.

Lava, ſ. Vulkane.

Laugenartige Luft, ſ. Gas, laugenartiges.

Laugenſalze, Alkalien, Alkaliſche Salze, Alcalia, Salia alcalina, Alkalis, Sels Alkalis.

Dieſen Namen fuͤhrt eine eigne Hauprgartung der Salze, deren allgemeine Kennzeichen dieſe ſind, daß ſie einen ſcharfen, brennenden, urinoͤſen, aber nicht ſauren Geſchmack haben, aus den Saͤuren die darinn aufgeloͤſeten Materien niederſchlagen, den Veilchenſyrup gruͤn, die gelbe Tinctur der Curcumawurzel braun, das mit Fernambukdecoct roth gefaͤrbte Papier violet, und die mit ſchwachem Eſſig geroͤthete Lakmustinktur wieder blau faͤrben. Sie vereinigen ſich mit den Saͤuren, und bilden mit denſelben die ſogenannten Neutralſalze; mit den Oelen und Fettigkeiten geben ſie die860 Seifen, mit dem Schwefel die Schwefelleber, und mit den Erden geſchmolzen, geben die feuerbeſtaͤndigen Glas.

Man theilt die Laugenſalze in feuerbeſtaͤndige, fixe (Alcalia fixa, Alkalis fixes) und ein fluͤchtiges (Alcali volatile, Alkali volatil) ein. Der feuerbeſtaͤndigen ſind zwey: 1) das vegetabiliſche oder Gewaͤchslaugenſalz (Alcali vegetabile, Alkali fixe végétal) und 2) das mineraliſche (Alcali minerale, Alkali minéral, Alkali marin). Das fluͤchtige findet ſich beſonders im Thierreiche.

Das Gewaͤchslaugenſalz wird aus der Aſche einer großen Menge von Pflanzen durchs Auslaugen erhalten. Wenn es von allen fremdartigen Theilen wohl gereiniget iſt, ſo zeigt es ſich als eben daſſelbe, aus was fuͤr Pflanzen es auch genommen ſeyn mag. Am reinſten erhaͤlt man es durch die Calcination des Weinſteins (der ſich in den Faͤſſern, worauf Wein gaͤhrt, mit der Zeit anſetzt) im ofnen Feuer in der Geſtalt eines weißen Salzes, das man durch Auslaugen, Filtriren und Abrauchen noch mehr reinigen kan. Das iſt das Weinſteinſalz (Sal tartari, Sel de tartre), deſſen Name auch uͤberhaupt jedem reinen vegetabiliſchen Alkali beygelegt wird.

Das Gewaͤchslaugenſalz laͤßt ſich in dieſem Zuſtande nicht in Kryſtallen darſtellen. Der Luft ausgeſetzt zieht es die Feuchtigkeit aus derſelben an ſich, und zerfließt in ihr zu einem Liquor, den man ſehr uneigentlich Weinſteinoel (oleum tartari per deliquium) nennt, da das fettige Gefuͤhl, das er erregt, blos von dem aufgeloͤſten Fette an der Haut herruͤhrt. Beſſer heißt er zerfloßnes Weinſteinſalz. Er enthaͤlt dreymal mehr Waſſer, als Salz. Das trockne Gewaͤchslaugenſalz ſchmelzt bey ſtarkem Feuer, und iſt dabey ein maͤchtiges Aufloͤſungsmittel aller Erden, mit denen es ſich verglaſet.

Mit den mineraliſchen Saͤuren verbindet es ſich ſehr genau, und giebt mit der Vitriolſaͤure den vitrioliſirten Weinſtein (Tartarus vitriolatus), mit der Salpeterſaͤure den Salpeter, und mit der Salzſaͤure das Digeſtivſalz des Sylvius. In Verbindung mit der Eſſigſaͤure macht es die geblaͤrterte Weinſteinerde (terra|foliata tartari)861 und mit der Weinſteinſaͤure den tartariſirten Weinſtein (tartarus tartariſatus) aus. So verbindet es ſich auch mit andern Saͤuren der Neutralſalzen, welche vegetabiliſches Flußſpathſalz, Phoſphorſalz u. ſ. f. genannt werden.

Dieſes Alkali loͤſet auch die Metalle auf, vorzuͤglich Gold, Platina, Zinn, Kupfer und Eiſen, und beſonders leicht, wenn ſie vorher in Saͤuren aufgeloͤßt ſind, und man dieſe Aufloͤſung langſam in eine alkaliſche Lauge troͤpfelt. So erhaͤlt man aus der Aufloͤſung des Eiſens eine rothgelb gefaͤrbte Stahltinctur. Auch die metalliſchen Kalke werden durchs Schmelzen von dieſem Alkali aufgeloͤſet, und mit ihm verglaſet.

Ehedem glaubten faſt alle Chymiſten, das Gewaͤchslaugenſalz ſey nicht in den Pflanzen ſelbſt vorhanden, ſondern entſtehe erſt ganz oder doch zum Theil durch ihre Verbrennung. Man hat aber dieſe Meynung voͤllig verwerfen muͤſſen, nachdem Marggraf (Chymiſche Schriften, II. Th. Berl. 1767. S. 49.) und Wiegleb (Chymiſche Verſuche uͤber die alkaliſchen Salze, Berlin und Stettin 1774. 8. ) bewieſen haben, daß man dieſes Laugenſalz aus dem Weinſtein auch ohne Feuer ziehen, und aus den Pflanzen Neutralſalze mit alkaliſchen Grundtheilen erhalten koͤnne.

Das gemeinſte und zugleich unreinſte Gewaͤchslaugenſalz wird aus der Heerdaſche erhalten, welche man in dieſer Abſicht zum Salpeterſieden und Glasbereiten braucht. Durch Verbrennung des Holzes und einiger Pflanzen in Gruben, wobey die Aſche immer wieder mit friſchem Holze vermengt und wieder ausgebrannt, dann aber ausgelaugt, und zur Trockne eingeſotten, nochmals gebrannt wird, erhaͤlt man die Pottaſche, ein ſtarkes aber mit vielem Brennbaren, Mittelſalzen, auch wohl Eiſentheilen vermiſchtes Alkali. Reiner giebt es die Verbrennung der getrockneten Weinhefen, am allerreinſtein die Verkalkung des Weinſteins, und am ſchnellſten die Verpuffung des Salpeters mit Kohlen oder Weinſtein (Alkali extemporané).

Das fixe Mineralalkali iſt dasjenige, welches dem Kochſalze oder Seeſalze zur Baſis dient. Da dieſes862 Salz weder zum Thier - noch zum Pflanzenreiche gehoͤrt, ſo ſetzt man es unter die Mineralien, und giebt deswegen ſeinem alkaliſchen Grundtheile den angefuͤhrten Namen. Man erhaͤlt dieſes Laugenſalz zwar auch aus einigen Pflanzen, die am Ufer des Meeres wachſen; allein es koͤmmt alsdann blos von dem Kochſalze her, das dieſelben bey ſich fuͤhren. Sonſt findet man dieſes Laugenſalz ſchon in freyem Zuſtande, obgleich nicht ganz rein, in Ungarn, in Marſchlaͤndern von thonichter Beſchaffenheit, in Egypten auf dem Boden einiger von der Sonnenhitze ausgetrockneter Seen, in Syrien, Perſien, Oſtindien und China, auch bey uns an Waͤnden und Mauern und in einigen Mineralwaͤſſern; am haͤufigſten mit andern Stoffen vermiſcht im Kochſalze und andern Produkten des Mineralreichs. Man haͤlt es fuͤr das Nattum der Alten.

Der Geſchmack dieſes Laugenſalzes iſt weniger brennend und ſcharf; es zieht die Feuchtigkeit weniger an ſich, und laͤßt ſich im gewoͤhnlichen Zuſtande durch Abrauchen und Abkuͤhlen ſeiner Aufloͤſung in Waſſer kryſtalliſiren. Dieſe Kryſtallen enthalten gegen 2 / 3 ihres Gewichts an Kryſtalliſationswaſſer. Sie verlieren aber daſſelbe an der Luft, und verwittern oder zerfallen in ein weißes Pulver; die noch nicht getrockneten aber zerfließen allerdings in feuchter Luft, zergehen auch in der Hitze in ihrem eignen Kryſtallenwaſſer. Wenn aber dieſes verflogen iſt, ſchmelzt das trockne Salz erſt nach dem Gluͤhen.

Mit der Vitriolſaͤure giebt es das Glauberſalz oder glauberiſche Wunderſalz (Sal mirabile Glauberi), deſſen Kryſtallen ebenfalls an der Luft zerfallen, mit der Salpeterſaͤure den wuͤrflichten Salpeter (Nitrum cubicum), ein Neutralſalz, das ſich zu Kryſtallen von ſechs rhomboidaliſchen Flaͤchen bildet, mit der Salzſaͤure das gemeine Kochſalz, mit der Weinſteinſaͤure das Seignetteſalz (Sal polychreſtum) mit dem Sedativſalze den Borax, mit den uͤbrigen Saͤuren Neutralſalze, welche die Namen der mineraliſchen fuͤhren, z. B. mineraliſches Eſſigſalz, Phoſphorſalz u. ſ. w. 863

Wenn es durch Kalk recht aͤtzend gemacht iſt, ſo giebt es mit den Oelen ſehr gute Seifen, welche aber weich bleiben, und die Conſiſtenz derer, welche durch das Gewaͤchslaugenſalz bereitet ſind, nicht erhalten.

Pott (Lithogeognoſie, Berlin, 1757. 4. ) hat das Mineralalkali fuͤr kein wahres Laugenſalz, ſondern blos fuͤr eine abſorbirende Erde halten wollen. Die Gruͤnde aber, die er dafuͤr anfuͤhrt, beweiſen nur, was Niemand laͤugnet, daß es von dem Gewaͤchslaugenſalze voͤllig unterſchieden ſey; daß es aber von den uͤbrigen abſorbirenden Erden eben ſo ſehr abweiche, geſteht Pott ſelbſt. So laͤuft die Sache am Ende auf einen Wortſtreit hinaus.

Das einzige uͤbliche Mittel, dieſes Alkali in Menge zu bereiten, iſt die Verbrennung der Seepflanzen, welche zu dem Geſchlechte des Kali oder Salzkrautes gehoͤren. Ihre an dieſem Alkali ſehr reiche Aſche iſt im Handel unter dem Namen der Soda bekannt, und ihre Aufloͤſung in Waſſer giebt das Mineralkali rein durch die Kryſtalliſirung. Sonſt kan man es auch nach Marggraf aus dem wuͤrflichten Salpeter durch Verpuffung mit Kohlengeſtiebe erhalten.

Beyde feuerbeſtaͤndige Laugenſalze haben faſt einerley chymiſche Verwandſchaften und Heilkraͤfte. Sie dienen gegen alle Arten von Saͤuren eben ſo, wie die abſorbirenden Erden. Sie duͤrfen aber nur in ſehr kleinen Doſen oder ſehr verduͤnnt gegeben werden, und werden ſo als aufloͤſende und eroͤfnende Mittel, oder als mildernde Zuſaͤtze zu den harzigen Abfuͤhrungsmitteln gebraucht. Aeußerlich ſind ſie aufloͤſend, zertheilend und beizend.

Das fluͤchtige Laugenſalz, fluͤchtige Harnſalz (Alcali volatile ſ. urinoſum) iſt eine Salzſubſtanz, welche man durch die Zerſetzung und Faͤulniß der thieriſchen und einiger vegetabiliſchen Subſtanzen gewinnt. Sie hat alle allgemeinen Eigenſchaften der Laugenſalze, ihr Geruch aber iſt ungemein durchdringend und ſtechend, ihr Geſchmack ſehr brennend und urinoͤs, und ihre Fluͤchtigkeit ſehr groß. Die Kryſtallen, in welche ſie im gewoͤhnlichen Zuſtande anſchießt, haben nur ein Achttheil ihres Gewichts Kryſtalliſationswaſſer. Waſſer, worinn fluͤchtiges Alkali aufgeloͤſet864 iſt, heißt fluͤchtig-alkaliſcher Spiritus, urinoͤſer Geiſt (Spiritus urinoſus).

Die Neutralſalze, welche das fluͤchtige Alkali mit den mineraliſchen Saͤuren giebt, heißen uͤberhaupt Ammoniakalſalze. Sie ſind: mit der Vitriolſaͤure der vitrioliſirte Salmiak, oder Glaubers geheimer Salmiak, mit der Salpeterſaͤure der Salpeterſalmiak, welcher fuͤr ſich ſelbſt bey einem gewiſſen Grade von Hitze verpuffet, mit der Salzſaͤure der gewoͤhnliche Salmiak. Alle dieſe Salze haben einen weit ſtaͤrkern und ſtechendern Geſchmack als die uͤbrigen, und ſublimiren ſich bey einem ſtarken Grade der Hitze. Mit der Eſſigſaͤure giebt das fluͤchtige Laugenſalz Minderers Geiſt, und mit dem Schwefel eine Art von fluͤchtiger Schwefelleber.

Die meiſten metalliſchen Materien, vorzuͤglich Zink und Kupfer, werden vom fluͤchtigen Alkali angegriffen. Mit dem Kupfer nimmt die Aufloͤſung eine ſehr ſchoͤne blaue Farbe an, ſ. Kupfer. Beſſer gehen die Aufloͤſungen der Metalle von ſtatten, wenn man die in Saͤuren gemachten Aufloͤſungen in ſtarken urinoͤſen Spiritus troͤpfelt, wobey anfaͤnglich ein Niederſchlag entſteht, der ſich aber bald im Spiritus aufloͤſet. Troͤpfelt man umgekehrt das Alkali in eine Metallaufloͤſung, ſo verbindet es ſich mit der Saͤure, und ſchlaͤgt das Metall nieder. Der ſonderbarſte Niederſchlag dieſer Art iſt der des Goldes, ſ. Knallgold. Mit den Oelen giebt das fluͤchtige Alkali ſeifenartige Gemiſche, dergleichen das Ecau de Luce iſt.

Man erhaͤlt das fluͤchtige Alkali durch die Deſtillation aus thieriſchen und vegetabiliſchen Materien. Es iſt aber in dieſem Zuſtande ſehr unrein, und mit vielen empyrevmatiſchen Oelen zu einer Art von Seife vermiſcht. Man verwandelt es daher durch Zuſatz einer Saͤure in ein Ammoniakalſalz, wobey es ſich genau von aller fremden Materie ſcheidet, und zieht es aus dieſem Salze vermittelſt der fixen Alkalien oder abſorbirenden Erden durch eine neue gelinde Deſtillation.

In der Arzneykunſt wird es als ein kraͤftiges die Nerven reizendes Mittel bey Ohnmachten, Schlagfluͤſſen u. dgl.865 entweder in feſter Geſtalt als Riechſalz, oder in fluͤſſiger, als Eau de Luce gebraucht. Innerlich dient es in ſchwachen Doſen als ſchweißtreibendes Mittel. Man hat es auch wider den Biß der Ottern und tollen Hunde empfohlen.

Die Laugenſalze im gewoͤhnlichen Zuſtande erregen mit den Saͤuren ein ſtarkes Aufbrauſen, wobey eine Menge Gas entbunden wird. Wenn man aber ein fixes Laugenſalz mit lebendigem Kalke und hinlaͤnglichem Waſſer kocht, oder das fluͤchtige Laugenſalz mit lebendigem Kalke mit etwas in der Vorlage vorgeſchlagnem Waſſer deſtillirt, und ihm dadurch ſein Gas entzieht, welches ſich alsdann mit dem Kalke verbindet, ſo wird der Geſchmack der entſtehenden Salzlauge vorzuͤglich brennend und faſt feurig, die Lauge brauſet nun nicht mehr mit den Saͤuren, erhitzt ſich aber deſto ſtaͤrker mit ihnen. In dieſem Zuſtande heißen die Laugenſalze aͤtzende, kauſtiſche, reine (Alcalia cauſtica, pura Bergm. ); da man ſie im gewoͤhnlichen Zuſtande milde, luftſaͤurehaltige (aërata) nennet. Dieſe Eintheilung in milde und kauſtiſche Alkalien iſt von D. Black, ſ. Kalk, Kauſticitaͤt.

Allem Anſehen nach beſitzen die Laugenſalze ihre Aetzbarkeit von Natur, und es iſt dieſelbe zugleich mit einer ſtarken Aufloͤslichkeit und Schmelzbarkeit verbunden. Nur werden alle dieſe Eigenſchaften durch die Vereinigung, welche dieſe Salze im gewoͤhnlichen Zuſtande mit der Luftſaͤure eingehen, ungemein vermindert. Dieſe Saͤure macht ſie milder, der Kryſtalliſirung faͤhiger und ſtrengfluͤßiger. Sobald ſie ihnen aber durch die Bearbeitung mit Kalk entzogen wird, kehrt ihre Aetzkraft, Zerfließbarkeit und Schmelzbarkeit in ihrer ganzen Staͤrke zuruͤck.

Die fixen Laugenſalze laſſen ſich zwar auch aͤtzend durch das Abrauchen in trockner Geſtalt darſtellen, aber nicht in Kryſtallen, obgleich das mineraliſche im milden Zuſtande kryſtalliſirungsfaͤhig iſt; auch zerfließen ſie leicht wieder an der Luft; das fluͤchtige aͤtzende aber iſt nicht einmal einer trocknen Darſtellung mehr faͤhig, und heißt in dieſem Zuſtande fluͤßiges Laugenſalz (Alcali fluor). Die Lauge des fixen aͤtzenden Alkali ſo weit eingekocht, daß ein Ey darauf866 ſchwimmt, heißt Seifenſiederlauge, Meiſterlauge (Lixivium ſaponariorum ſ. magiſtrale). Sie iſt ſo freſſend, daß ſie die Theile des thieriſchen Koͤrpers augenblicklich angreift, und giebt bis zur Trockne abgeraucht, geſchmolzen und in Formen gegoſſen, den Aetzſtein der Wundaͤrzte (lapis cauſticus). Uebrigens kan man die fixen Laugenſalze auch durch anhaltendes Calciniren aͤtzend machen, wobey ſie aber die Gefaͤße leicht angreifen.

An der freyen Luft ziehen die aͤtzenden Laugenſalze nach und nach die Luftſaͤure wieder an ſich, und verlieren ihre Aetzbarkeit. Wenn man eine mit Luftſaͤure gefuͤllte Flaſche mit ofner Muͤndung in eine aͤtzende Lauge ſtellt, ſo ſteigt die Fluͤßigkeit allmaͤhlig in die Hoͤhe, wird mild, mit Saͤuren brauſend und kryſtalliſirungsfaͤhig. Durch Saͤttigung mit Luftſaͤure laſſen ſich ſogar Kryſtallen des Gewaͤchslaugenſalzes darſtellen. Zwey Loth Weinſteinſalz in ſo wenig, als moͤglich, Waſſer aufgeloͤſet und in einer mit Luftſaͤure gefuͤllten Flaſche von 100 Cubikzoll geſchuͤttelt, ſchießen zu vierſeitigen prismatiſchen Kryſtallen an, deren Endſpitzen von zwey dachfoͤrmig zuſammengehenden Dreyecken gebildet ſind.

Macquer chym. Woͤrterbuch. Art.: Alkalien.

Gren ſyſt. Handbuch der geſammten Chemie. Th. I. §. 109 219. §. 259 266.

Leere, leerer Raum

Vacuum, Spatium vacuum, Vuide. Man druͤckt durch das Wort Raum den Begrif der koͤrperlichen Ausdehnung aus, der noch immer zuruͤckbleibt, wenn man den Koͤrper ſelbſt in Gedanken aus ſeiner Stelle hinwegnimmt. Unſere Sinne zeigen uns ſo etwas nie anders, als an Koͤrpern; wir ſehen und fuͤhlen nie Ausdehnung fuͤr ſich allein ohne andere dem Koͤrper zukommende Eigenſchaften. Es iſt aber die Frage, ob es nicht in der Natur Raͤume ohne Koͤrper geben koͤnne, und wirklich gebe. Solche Raͤume wuͤrde man alsdann leere Raͤume, Leeren nennen muͤſſen. Soviel man aus metaphyſiſchen Gruͤnden dem Daſeyn ſolcher Leeren entgegenſetzen867 kan, ſo laͤßt ſich daſſelbe doch durch ſehr ſtarke phyſiſche Gruͤnde vertheidigen.

Man muß aber hiebey nothwendig die abſolute Leere (vacuum abſolutum) von der zerſtreuten (vacuum diſſeminatum) unterſcheiden. Unter jener haben einige Naturforſcher eine ganz fuͤr ſich beſtehende, von aller Materie leere, einzige, unbegrenzte, unveraͤnderliche Ausdehnung verſtanden, deren Daſeyn vor der Koͤrperwelt vorhergegangen ſey, und in welche der Schoͤpfer die Koͤrper geſetzt habe. So wird der Begrif der Leere von Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. nat. To. I. cap. 3. De ſpatio vacuo) beſtimmt, und ſo nahm ihn unter den Alten die Epikureiſche Schule an, welche jedoch die Vereinigung der Atomen in dieſem Raume keinem Schoͤpfer, ſondern einer zufaͤlligen Ablenkung vom geraden Wege (clinamen atomorum) zuſchrieb. Gegen dieſen Begrif von abſoluter Leere moͤchte wohl das metaphyſiſche Argument unuͤberwindlich ſeyn, daß Raum und Ausdehnung uͤberhaupt nur Denkform coexiſtirender Dinge ſind, und nicht gedacht werden koͤnnen ohne Vorſtellung von Koͤrpern, welche Ausdehnung haben, und Raum einnehmen oder zwiſchen ſich laſſen.

Bey Betrachtung der wirklichen Welt, welche aus großen in unermeßlichen Abſtaͤnden entfernten, Weltkoͤrpern beſteht, koͤmmt man auf die Frage, ob ſich zwiſchen dieſen Koͤrpern außer den Grenzen ihrer Dunſtkreiſe noch etwas Koͤrperliches aufhalte, oder nicht. Waͤre der Raum zwiſchen ihnen leer von Materie, ſo koͤnnte man ihn als einen Theil jenes allgemeinen Weltraumes anſehen, der bey der Schoͤpfung unausgefuͤllt geblieben waͤre. So kaͤme ihm der Name abſolute Leere ebenfalls zu. Aber ſchon der Gedanke, daß wir die Weltkoͤrper ſehen, laͤßt es nicht zu, in dieſem Sinne eine abſolute Leere der Himmelsraͤume anzunehmen. Das Licht, welches von den Fixſternen zu uns gelangt, muß doch entweder dieſe Raͤume ſelbſt anfuͤllen, oder in ihnen eine zur Fortpflanzung geſchickte Materie antreffen.

Unter zerſtreuter Leere hingegen verſteht man Zwiſchenraͤume zwiſchen den einzelnen Theilen der Koͤrper, welche868 nichts Materielles mehr in ſich faſſen. Ob es gleich ganz gewiß iſt, daß ſich in den groͤbern Zwiſchenraͤumen der Koͤrper vielerley fremdartige Materien aufhalten, ſo laͤßt ſich doch noch fragen, ob nicht die allerfeinſten Zwiſchenraͤume von aller Materie frey ſeyn muͤſſen? Man ſieht ſich ſogar gezwungen, dies anzunehmen. Denn da die Erfahrung lehrt, daß es Koͤrper von verſchiedner Dichtigkeit giebt, oder daß in einem Koͤrper die Theile naͤher bey einander ſind, als im andern, ſo ſolgt daraus von ſelbſt der Begrif von Abſtand der Theile ohne vollkommene Beruͤhrung, d. i. von zerſtreutem leeren Raume, ohne welchen auch uͤberdies gar keine Bewegung wuͤrde ſtatt finden koͤnnen. Es ſcheint alſo keine abſolute, wohl aber eine zerſtreute Leere vorhanden zu ſeyn.

Die Epikuraͤer vertheidigten den Begrif der Leere in ſeinem ausgedehnteſten Umfange: Lucrez bringt verſchiedene Beweiſe vor, wovon ſich die meiſten auf die zerſtreute Leere beziehen (De rer. nat. L. I. v. 335. 370. 385. ): die Peripatetiker hingegen ſchrieben der Natur eine Abneigung gegen die Leere (horror ſ. fuga vacui) zu, aus der ſie, als aus einer verborgnen Qualitaͤt, verſchiedene phyſikaliſche Erklaͤrungen herleiteten.

Descartes (Princip. philoſ. P. II. §. 10 ſqq. ) laͤugnet ſchlechterdings alle Leere in der Koͤrperwelt, die er auf allen Seiten unbegrenzt, und ſo vollkommen mit Materie ausgefuͤllt annimmt, daß nirgends ein Raum weder im Ganzen noch zwiſchen den Theilen der Koͤrper, leer bleibe.

Dies iſt ſein abſolut voller Raum (Plein abſolu), der einen Hauptgrundſatz ſeines Syſtems ausmacht. Er ſieht dieſes als eine Folge des Begrifs vom Koͤrper an, den er fuͤr voͤllig einerley mit dem Begriffe von Ausdehnung haͤlt. Wenn man fragt, ſagt er, was geſchehen wuͤrde, wenn Gott alle Materie, die in einem Gefaͤße enthalten iſt, wegnaͤhme, und keine andere an ihre Stelle kommen ließe, ſo iſt die Antwort: die Waͤnde des Gefaͤßes wuͤrden da durch in Beruͤhrung kommen. Denn wenn zwiſchen zween Koͤrpern Nichts liegt, ſo muͤſſen ſie ſich beruͤhren. Es iſt offenbarer Widerſpruch, zu ſagen, es ſey ein Abſtand869 zwiſchen ihnen, und dieſer Abſtand ſey doch Nichts; denn aller Abſtand iſt eine Art der Ausdehnung, und kan alſo nicht vorhanden ſeyn ohne ausgedehnte Subſtanz. (P. II. §. 18.). Dies noͤthigt ihn nun, die verſchiedene Dichte bloß fuͤr ein Phaͤnomen auszugeben, das aus der verſchiedenen Menge der in den Zwiſchenraͤumen enthaltenen ſubtilen Materie entſpringe, alle Bewegung aber fuͤr kreisfoͤrmig, d. i. ſo zu erklaͤren, daß ein Koͤrper den zweyten, dieſer den dritten u. ſ.w. im Kreiſe fort gerechnet aus der Stelle treibe, der letzte aber an die Stelle des erſten wieder eintrete. In der That verſtatten auch ſeine loca omnia corporibus plena keine andere Moͤglichkeit, Bewegungen zu gedenken, wozu noch uͤberdies die Materie ohne Ende theilbar ſeyn und unendlich verſchiedene Geſtalten haben muß, die ohne alle Luͤcken in einander paſſen. Darauf beruhen ſeine Wirbel, und ſeine ganze der Erfahrung oft ſo ſehr widerſprechende Mechanik.

Newton hingegen, welcher die Lehre vom Widerſtande der Mittel (Princip. L. II. ) ſo vortreflich abgehandelt hat, zieht aus derſelben Folgerungen, welche dem carteſianiſchen vollen Raume geradezu widerſprechen. Alle Bewegungen muͤßten in dieſer compacten Maſſe von materiellen Theilen einen unendlichen Widerſtand finden. Descartes zwar giebt vor, der Widerſtand werde durch die Zertrennung in feine Theile vermindert, und die ſubtile Materie ſey ſo fein zertheilt, daß ſie gar nicht mehr widerſtehe. Newton hingegen zeigt (prop. 38 et 40.), daß ſelbſt die feinſte Zertheilung der Materie den Widerſtand nicht merklich aͤndere, welcher ſich immer ſehr nahe, wie die Dichtigkeit des widerſtehenden Mittels verhaͤlt; daher diejenigen Mittel, in welchen Koͤrper ohne merkliche Retardation weit fortgehen, allezeit ungemein viel duͤnner ſeyn muͤſſen, als die Koͤrper, welche in ihnen bewegt werden. Dieſen Grundſaͤtzen gemaͤß wuͤrde eine Kugel, die ſich in einem carteſianiſchen vollkommen dichten Mittel bewegte, bey aller Feinheit und Fluͤßigkeit deſſelben dennoch mehr als die Helfte ihrer Bewegung verlieren, ehe ſie noch die dreyfache Laͤnge ihres Durchmeſſers durchlaufen haͤtte. So wuͤrde es nicht870 moͤglich ſeyn, daß ein Menſch ſich von der Stelle bewegte, geſchweige denn, daß die Himmelskoͤrper, deren Lauf keine merkliche Retardation zeigt, in einem vollkommen dichten Mittel fortgehen koͤnnten.

Dieſe Gruͤnde, mit welchen Newton den vollen Raum des Descartes beſtreitet, ſollten ſeiner Meinung nach bloß das Daſeyn einer zerſtreuten Leere beweiſen, keineswegs aber eine abſolute Leere im Weltraume darthun, welche mit ſeinem Syſtem uͤber das Licht ganz unvertraͤglich iſt. Vielleicht ſind die Uebertreibungen ſeiner Schuͤler Schuld daran, daß man ihn mißverſtauden, und ſo grober Ungereimtheiten beſchuldigt hat, als kaum der gedankenloſeſte Menſch zu ſagen faͤhig ſeyn wuͤrde. Man ſ. hieruͤber das Wort Aether (Th. I. S. 85.).

Gegen Descartes Behauptungen laͤßt ſich auch noch Folgendes anfuͤhren. Wenn das erſte Element oder die ſubtile Materie ſich von den uͤbrigen Koͤrpern bloß durch die Feinheit und Geſtalt der Theile unterſcheiden ſoll, ſo muß es eben ſoviel eigenthuͤmliches Gewicht, als andere Koͤrper, beſitzen; denn die Geſtalt aͤndert nichts im Gewichte. Ein Lichtſtral muͤßte den ganzen Weltbau zerſtoͤren, wenn er ſich den ungeheuren Weg durch eine Linie bahnen ſollte, die ihm in jedem Punkte einen Widerſtand entgegenſetzte. In dem Augenblicke, da man zween Koͤrper trennt, die ſich vorher beruͤhrten, dringt andere Materie zwiſchen ſie durch Bewegung ein; Bewegung aber erſordert Zeit; alſo giebt es doch Zeitmomente, in welchen der entſtandne Raum noch nicht ganz ausgefuͤllt iſt, d. h. es iſt leerer Raum gedenkbar u. ſ. w.

Man nimmt endlich das Wort Leere oder leerer Raum, Vacuum, oft bloß fuͤr luftleeren Raum (ſpatium ab aëre vacuum). Weil die Luft bey uns auf der Erde durch ihre Elaſticitaͤt in alle Raͤume dringt, die von andern Materien leer ſind und zu denen ihr der Zugang offen ſteht, ſo laſſen ſich ſolche leere Raͤume bloß durch kuͤnſtliche Veranſtaltungen hervorbringen. Der durch die Luftpumpe erhaltene, die boyliſche oder guerickiſche Leere (Vacuum Boylianum, Guerickianum, Vuide de Boyle) iſt871 nicht einmal vollkommen luftleer, weil er bloß durch eine fortgeſetzre Verduͤnnung der atmoſphaͤriſchen Luft entſteht, welche ſich nie bis zu einer gaͤnzlichen Erſchoͤpfung derſelben fortſetzen laͤßt, ſ. Luftpumpe. Der im Barometer uͤber dem Queckſilber entſtandne Raum, die torricelliſche Leere (Vacuum Torricellianum, Vuide de Torricelli) ſoll, wenn das Barometer gut iſt, vollkommen luftleer ſeyn, ſ. Barometer. Feinere Materien, die das Glas durchdringen, koͤnnen aus dieſen Raͤumen nicht entfernt werden.

Ren. Des - Cartes Principia philoſophiae, Amſt. 1685. 4. P. II. p. 27 ſqq.

Briſſon Dict. raiſ. de phyſique. Art. Vuide.

Leicht, Leve, Léger.

Ein Koͤrper heißt leicht, wenn ſein abſolutes Gewicht gering iſt, ſ. Gewicht. Da es hiebey auf Groͤße ankoͤmmt, ſo druͤckt das Wort einen bloß relativen Begriff aus, und man kan keinen Koͤrper an ſich leicht nennen, ſondern nur ſagen, er ſey leichter, d. i. er habe weniger Gewicht, als ein anderer. An ſich oder abſolut leicht wuͤrde man Koͤrper nennen koͤnnen, deren abſolutes Gewicht = 0 oder gar negativ waͤre, d. i. die ſich nach einer der Schwere entgegengeſetzten Richtung zu bewegen ſtrebten. Wir kennen aber keinen ſolchen Koͤrper; vielmehr iſt den Erfahrungen gemaͤß alle bekannte Materie ſchwer, und wenn einige Chymiker gewiſſe Materien, z. B. Waͤrmeſtof, Licht, Phlogiſton rc. fuͤr abſolut leicht annehmen, ſo erfordert dieſe große Ausnahme von der allgemeinen Regel mehr Beweis, als bisher dafuͤr angefuͤhrt worden iſt. Denn daß ſich einige Phaͤnomene dadurch bequem erklaͤren laſſen, iſt wohl noch nicht hinreichend, einen Hauptgrundſatz der Phyſik umzuſtoßen, ſo lange noch andere Erklaͤrungen dieſer Phaͤnomene ſtatt finden.

Das relative Gewicht der Koͤrper im Waſſer oder in der Luft kan allerdings = 0 oder negativ werden, aber in dieſem Sinne wird das Wort nicht genommen, wenn man etwas an ſich oder abſolut leicht nennt. Das Gewicht des Koͤrpers iſt in ſolchen Faͤllen wohl vorhanden, es wird nur von dem umgebenden Mittel getragen. 872

Specifiſch leichter oder leichtartiger (ſpecifice levius), als ein anderer, heißt ein Koͤrper, wenn er bey gleichem Volumen dennoch weniger, als jener andere wiegt. Man ſchließt daraus, daß er in gleichem Raume weniger Maſſe, als jener enthalte, d. h. daß er duͤnner, lockrer (ratius) ſey, ſ. Dichte, Schwere, ſpecifiſche.

Leichtigkeit, Levitas, Légereté.

Geringere Groͤße des abſoluten Gewichts, alſo ebenfalls nur Ausdruck eines relativen Begrifs. Abſolute Leichtigkeit, d. i. gaͤnzlicher Mangel oder gar negative Groͤße des Gewichts laͤßt ſich bey keinem bekannten Koͤrper durch Erfahrungen darthun. Relative Leichtigkeit iſt geringere Groͤße des Gewichts, ſpecifiſche Leichtigkeit iſt geringere Groͤße deſſelben bey gleichem Volumen mit andern Koͤrpern.

Leidner Flaſche, ſ. Flaſche, geladne.

Leidner Vacuum, Kleiſtiſches Vacuum

Vacuum Leidenſe, Vuide de Leide. Eine belegte Flaſche EF, Taf. XIII. Fig. 101., aus welcher man die Luft ausziehen kan, um Erſcheinungen des elektriſchen Lichts im luftleeren Raume darzuſtellen. Dieſe Erfindung des Herrn Henly war eigentlich dazu beſtimmt, die frankliniſche Theorie der Elektricitaͤt zu erweiſen.

Die bey EF vorgeſtellte Flaſche darf bloß von außen etwa drey Zoll hoch mit Zinnfolie belegt werden; von innen vertritt der luftleere Raum die Stelle der Belegung und Verbindung mit dem Knopfe E. Der Hals der Flaſche iſt in eine meſſingene Kappe a b eingekuͤttet, die eine Oefnung mit einem Ventile hat, und von dieſer Kappe geht ein Drath mit einer ſtumpfen Spitze einige Zoll tief in die Flaſche hinein. Man zieht vermittelſt einer kleinen Handluftpumpe durch das Ventil die Luft aus der Flaſche, und ſchraubt alsdann die meſſingene Kugel E auf. Unten bey F iſt eine Schraubenmutter angekuͤttet, um die Flaſche auf ein iſolirtes Stativ ſchrauben zu koͤnnen. c und d ſind zugeſpitzte Draͤthe, die man gelegentlich in die Kugel E873 und in das Stuͤck F einſchrauben, oder auch wieder abnehmen kan.

Wenn man dieſe Flaſche luftleer auf ein iſolirendes Stativ ſchraubt, und die Spitze d gegen einen poſitiv elektriſirten Conductor bringt, ſo erſcheinen im Dunkeln bey d und g leuchtende Sterne oder Punkte, bey c aber ein ausſtroͤmender Stralenkegel. Haͤlt man c gegen den poſitiven Conductor, ſo iſt bey c ein Punkt, bey g und d aber zeigen ſich Stralenbuͤſchel. Wird hingegen d gegen einen negativen Conductor gehalten, ſo ſind die Buͤſchel bey d und g, der Punkt bey c: und wenn man c gegen den negativen Conductor bringt, ſo iſt ein Buͤſchel bey c, und die Punkte zeigen ſich bey d und g. Bey dieſen Verſuchen ſind die Buͤſchel bey g ungemein ſtark und deutlich, und fuͤllen mit ihrem Lichte den ganzen Raum der Flaſche.

Eben ſo erſcheint bey g ein Buͤſchel, wenn man nach abgenommenen Draͤthen c und d, die Flaſche beym Boden haͤlt, und die Kugel E gegen den poſitiven Leiter bringt: ein Stern hingegen, wenn man ſie bey E haͤlt, und mit dem Boden an den Leiter bringt. Auch kehren ſich dieſe Erſcheinungen um, wenn der Leiter negativ elektriſirt iſt.

Dieſe ſehr wohl ausgedachten Verſuche machen den Unterſchied des elektriſchen Lichts bey +E und E ſehr deutlich, und beweiſen, daß Spitzen, wenn ſie +E annehmen, Sterne, und wenn ſie E annehmen, Buͤfchel zeigen. Dies iſt aber noch kein directer Beweis fuͤr Franklins Hypotheſe. Es muͤßte noch erwieſen werden, daß der leuchtende Stern ſchlechterdings nichts anders, als ein Eindringen des +E anzeige; denn er kan ja eben ſowohl von dem Ausſtroͤmen eines E herruͤhren, welches vielleicht nur ein ſchwaͤcheres Licht giebt, oder ſich nicht ſo leicht und in ſo großer Menge mittheilt, als +E. Alſo laſſen ſich dieſe Verſuche auch nach der Hypotheſe von zwoen Elektricitaͤten erklaͤren, und koͤnnen daher zwiſchen ihr und der frankliniſchen nicht entſcheiden.

Cavallo vollſt. Abhdl. von der Elektricitaͤt, Leipzig, 1785. gr. 8. S. 181. 874

Adams Verſuch uͤber die Elektricitaͤt, Leipzig, 1785. gr. 8. S. 78 und 82.

Leidner Verſuch, ſ. Flaſche, geladne.

Leiter der Elektricitaͤt, Leiter, leitende Koͤrper, anelektriſche Koͤrper, Conductores electricitatis, Corpora conducentia ſ. anelectrica ſymperielectrica, Conducteurs, Corps anélectriques, Corps ſymperiélectriques.

Diejenigen Koͤrper, welche die Elektricitaͤt ohne merklichen Widerſtand durch ihre eigne Subſtanz verbreiten oder fortfuͤhren. Wenn ſolche Koͤrper nicht iſolirt ſind, ſ. Iſoliren, ſo fuͤhren ſie die Elektricitaͤt durch den Fußboden in die Erde. Wenn daher bey ihrer Reibung auch einige Elektricitaͤt erregt wird, ſo iſt dieſelbe doch nicht merklich, weil ſie ſich augenblicklich durch die ganze Subſtanz vertheilt, oder gar in die Erde uͤbergeht. Daraus darf man aber nicht ſchließen, daß in den Leitern keine urſpruͤngliche Elektricitaͤt erregt werden koͤnne, wovon die Verſuche, wenn man nur die Leiter iſolirt, das Gegentheil lehren (ſ. Hemmer ſur l'électricité des metaux, im Journal de phyſ. Juill. 1780. p. 50. Herbert Theoria phaenom. electricorum. Vindob. 1778. p. 15.). Inzwiſchen hat dieſer Umſtand Anlaß gegeben, die Leiter auch unelektriſche Koͤrper (Anelectrica) zu nennen. Symperielektriſche heiſſen ſie, weil man ſie mit fremder Elektricitaͤt verſehen kan, im Gegenſatze mit den idioelektriſchen.

Ein vollkommner Leiter wuͤrde derjenige ſeyn, der der Elektricitaͤt beym Durchgange durch ſeine Subſtanz gar keinen Widerſtand entgegenſetzte. Dergleichen giebt es nun wohl ſchwerlich; auch die beſten Leiter haben etwas von der Natur der Nichtleiter, ſo wie die beſten elektriſchen Koͤrper in einigem Grade leitend ſind.

Die Leiter nehmen die Elektricitaͤt leicht an, und behalten ſie, wenn ſie iſolirt ſind, in ſich. Daher ſind ſie ſehr brauchbar zur Mittheilung und Anhaͤufung der Elektricitaͤt. Man pflegt mit jeder Elektriſirmaſchine einen iſolirten Leiter zu verbinden, der der erſte Leiter, Hauptleiter der Maſchine (Conductor principalis, Condu -875 cteur de la machine) genannt wird, in welchem ſich die erregte Elektricitaͤt anhaͤufen kan, ſ. Elektriſirmaſchine (Th. I. S. 793.). Der Erfinder hievon iſt Gray, der zuerſt den menſchlichen Koͤrper, in der Folge aber metallne Stangen in ſeidnen Schnuͤren haͤngend, als Hauptleiter gebrauchte.

Die beſten Leiter ſind folgende:

Alle Metalle nach folgender Ordnung: Gold, Silber, Kupfer, Meſſing, Eiſen, Zinn, Queckſilber, Bley, Halbmetalle.

Erze, worunter diejenigen die beſten ſind, in welchen das metalliſche den groͤßten Theil ausmacht, und die der Natur der Metalle ſelbſt am naͤchſten kommen.

Kohlen von thieriſchen und vegetabiliſchen Subſtanzen.

Die fluͤßigen Theile thieriſcher Koͤrper.

Alle fluͤßige Koͤrper, Luft und Oele ausgenommen.

Waſſer iſt ein guter Leiter; daher alle Koͤrper leiten, wenn ſie naß ſind, auch der feuchte Erdboden ein guter Leiter iſt.

Rauch und alle Ausfluͤſſe brennender Koͤrper.

Eis, aber nur in einer Kaͤlte, welche noch nicht 13° nach Fahrenheit, oder 20° nach Reaumuͤr erreicht (Achard Mém. de Berlin, 1776.).

Schnee.

Die meiſten ſalzigen Subſtanzen, am beſten die metalliſchen Salze.

Steinartige Subſtanzen, am beſten die weichern.

Duͤnſte des heißen Waſſers.

Luftleerer Raum.

Alle Nicht - leiter werden durch Feuchtigkeit, ſehr viele, z. B. Glas, Harz, Luft, auch durch Hitze leitend. Ueberhaupt laufen die Grenzen der Leiter und Nicht-leiter ſo in einander, daß es Koͤrper giebt, die man zu beyden Claſſen rechnen kan, ſ. Halbleiter.

Oſt verwandelt ſich einerley Koͤrper, wenn er auf verſchiedene Art behandelt wird, bald in einen Leiter, bald in einen Nicht-leiter. Friſch vom Stamme gehauenes Holz iſt876 ein guter Leiter, wegen ſeiner Feuchtigkeit; gedoͤrrt wird es ein Nicht-leiter; zu Kohlen gebrannt ein Leiter; in Aſche verwandelt ein Nichtleiter.

Was die eigentliche Urſache des Unterſchieds zwiſchen Leitern und Nicht-leitern ſey, weiß man zwar nicht gewiß; es iſt aber ſehr wahrſcheinlich, daß alles auf einer Verwandſchaft der Stoffe gegen das elektriſche Fluidum, oder gegen die mehrern elektriſchen Materien beruhe. Ehedem hielt man bloß Metalle und Waſſer fuͤr leitend, und erklaͤrte bey andern Koͤrpern ihre leitende Eigenſchaft aus der Feuchtigkeit oder den metalliſchen Theilen, die ſie bey ſich fuͤhrten. Prieſtley, der die Kohlen ſehr leitend fand, vermuthete (Exp. and Obſ. on diff. Kinds of air Vol. II. Sect. 14.), das Phlogiſton ſey die Urſache des Leitens, weil Metalle und Kohlen Nicht-leiter werden, wenn man ihnen daſſelbe entzieht. Nur im Waſſer, das doch auch leitet, ſchien kein Phlogiſton zu ſeyn. Sollte man aus den neuern Verſuchen, die ich beym Worte: Waſſer anfuͤhre, folgern duͤrfen, daß das Waſſer Brennbares enthalte, ſo wuͤrde dieſe Schwierigkeit wegfallen. Herr de Luͤc (Ideen uͤber die Meteorologie Th. I. §. 278.) unterſcheidet das elektriſche fortleitende Fluidum von der bloß ſchweren elektriſchen Materie. Das fortleitende Fluidum durchdringt alle Koͤrper ohne Unterſchied, aber die elektriſche Materie verhaͤlt ſich nicht auf gleiche Art bey allen Koͤrpern. Sie ſtrebt nach den leitenden auf eine große Entfernung, haͤngt ſich aber nicht an ſie an, ſondern bewegt ſich frey um ſie herum, und wird durch ihr fortleitendes Fluidum fortgeriſſen. Sie ſtrebt hingegen nach den nicht - leitenden nur auf eine ſehr geringe Entfernung; koͤmmt ſie aber hier zur Beruͤhrung, ſo haͤngt ſie ſich an, und kan durch ihr fortleitendes Fluidum nicht fortgeriſſen werden. Dieſe Vorausſetzung iſt etwas gekuͤnſtelt, aber ihr Urheber weiß ſehr ſinnreiche Erklaͤrungen daraus herzuleiten.

Cavallo vollſt. Abhdl. v. der Elektricitaͤt, Leipz. 1785. 8. S. 13 u. f. S. 94.

Leiter, erſter, ſ. Elektriſirmaſchine, Leiter. 877

Leiter, leuchtender, Conductor lucens, Conducteur lumineux.

Ein von Herrn Henly erfundener luftleerer Hauptleiter, welcher an der Elektriſirmaſchine eben das zeigt, was das leidner Vacuum nach Art einer geladnen Flaſche darſtellt, ſ. leidner Vacuum, nemlich Erſcheinungen des elektriſchen Lichts bey +E und E.

EF, Taf. XIII. Fig. 102. iſt eine Glasroͤhre 18 Zoll lang, und 3 bis 4 Zoll im Durchmeſſer. An beyden Enden ſind meſſingne Kappen BE, FD angekuͤttet. Eine davon hat eine Spitze C, die andere einen Drath mit einer Kugel G. Aus jeder geht auch ein Drath mit einem Knopfe inwendig in die Hoͤlung der Roͤhre. Die eine Kappe FD beſteht aus zwey Stuͤcken, aus der Buͤchſe F, welche angekuͤttet iſt, und einen Deckel mit einem Ventile hat, wodurch man die Luft aus der Glasroͤhre pumpen kan, und der Haube D, welche auf die Buͤchſe aufgeſchraubt wird. Das Ganze ſteht auf zwo glaͤſernen Saͤulen im Fußbrete H.

Hat man nun die Luft aus A gezogen, die Haube D aufgeſchraubt, und das Inſtrument, als erſten Leiter, an eine Elektriſirmaſchine, mit der Spitze C gegen die Glaskugel geſtellt, ſo zeigt ſich im Dunkeln an der Spitze ein Stern, die ganze Roͤhre iſt ſchwach erleuchtet, von dem Drathe bey FD ſtroͤmen Stralenbuͤſchel, der andere Drath und Knopf bey BE iſt mit einem ſehr hellen Sterne erleuchtet.

Eben dieſe Erſcheinungen zeigen ſich in umgekehrter Ordnung, wenn man die Spitze C an das Kiſſen der Maſchine ſtellt, und es erſcheint alsdann bey C ſelbſt ein Stralenkegel.

Von dieſen ſehr angenehmen Verſuchen gilt eben das, was von denen mit dem leidnet Vacuum bey dieſem Worte geſagt worden iſt. Sie beweiſen, daß Koͤrper, die +E annehmen, Sterne, und die E annehmen, Buͤſchel zeigen. Daraus aber folgt die Wahrheit der frankliniſchen Theorie noch nicht, die ſie nach der Abſicht des Erfinders beweiſen ſollten. Cavallo rechnet ſie auch bloß zu den Verſuchen uͤber das Licht ohne Beziehung auf die Theorien.

Cavallo vollſt. Abh. v. der Elektricitaͤt. S. 164 u. f.878 an, zwo mit Fluͤgeln, zwo ohne Fluͤgel; allein in heißen Laͤndern ſollen nach den Berichten der Reiſenden weit mehrere anzutreffen ſeyn. Es ſind auch einige Arten vom Springkaͤfer (Elater), der Cikade und der Aſſel (Oniſcus) leuchtend.

Die Pholaden, eine Art von Muſcheln, welche ſich in die kalkartigen Felſen, Korallen, Schiffe u. ſ. w. einbohren, leuchten des Nachts mit einem phosphoriſchen Scheine. Dies bemerkt ſchon Plinius (H. N. IX. 6.), der dieſe Gewuͤrme Dactylos nennt, und dabey anfuͤhrt, daß ſie im Munde deſſen, der ſie ißt, leuchten, und durch ihre Feuchtigkeit Haͤnde und Kleider glaͤnzend machen. Reaumuͤr (Mém. del'Acad. des Sc. 1723.) und Beccari (Comm. Bonon. Vol. II. p. 232 ſqq. ) haben die beſten Beobachtungen uͤber dieſes Licht angeſtellt. Es hoͤrt auf, wenn das Thier in Faͤulniß geht, oder eintrocknet, kan aber durch Schuͤtteln im Waſſer oder Benetzung wieder hervorgebracht werden. Weingeiſt oder Eſſig nimmt es augenblicklich hinweg. Dieſe Pholaden machen das ganze Waſſer oder die Milch, worinn man ſie ſchuͤttelt, leuchtend. Eine einzige machte 7 Unzen Milch ſo glaͤnzend, daß man die Geſichtszuͤge der Umſtehenden erkennen konnte. Im luftleeren Raume ſchien das Leuchten aufzuhoͤren; wenn man das Thier in Honig aufbewahrte, daurete es uͤber ein Jahr. Außerdem leuchten unter den Seegewuͤrmen auch die Nereiden, Meduſen, und Seefedern (Pennatulae), die in unzaͤhlbarer Menge im Meere herumſchwimmen.

Daß faules Fleiſch leuchte, bemerkte zuerſt Fabricius ab Aquapendente (De viſione etc. Venet. 1600. fol.) am Lammfleiſche. Bartholin (De luce animal. p. 184.) beſchreibt eine zu Montpellier 1641 gemachte Beobachtung, da ein Stuͤck Fleiſch in einzelnen Punkten leuchtete, als ob es mit Diamanten uͤberſtreut waͤre. Boyle ſahe etwas aͤhnliches 1672 an einem noch eßbaren Stuͤcke Kalbfleiſch (Philoſ. Trans. no. 89.). Ganz vorzuͤglich aber bemerkt man dieſes Leuchten an faulenden Fiſchen. Hieruͤber hat Boyle (Phil. Trans. no. 31. p. 581. Ab -879

Leuchtende Koͤrper, Corpora Iucentia, Corps lumineux.

Koͤrper, die fuͤr ſich allein geſehen werden koͤnnen, oder von ſich ſelbſt Licht ausſenden. Ihnen werden die dunkeln Koͤrper entgegengeſetzt, welche blos das Licht, das ſie von andern empfangen, ins Auge zuruͤckwerfen, ſ. Dunkle Koͤrper. Schwachleuchtende Koͤrper koͤnnen aber durch ſtark leuchtende ſoviel fremdes Licht empfangen, daß ihr eignes daruͤber unmerklich wird. So ſieht man faules Holz am Taglichte nicht leuchten, ſondern nur erleuchtet.

Leuchtende Koͤrper ſind die Sonne und die Fixſterne, alle brennende oder bis zum Gluͤhen erhitzte Koͤrper, einige Inſekten und Gewuͤrme, ſo lange ſie leben, faules Fleiſch und beſonders faule Fiſche, faules Holz u. dgl. der Harnphoſphorus und andere durch die Kunſt bereitete Phosphoren. Einige Koͤrper fahren, wenn ſie eine Zeitlang erleuchtet worden ſind, auch noch im Dunkeln fort zu leuchten. Man nennt ſie lichteinſaugende Koͤrper (lucem bibentia) und zaͤhlt ſie zu den Phosphoren. Von dieſen Koͤrpern. ſo wie von den kuͤnſtlichen Phosphoren ſ. den Art. Phosphorus. Hier will ich noch etwas von einigen natuͤrlichen Phosphoren beyſuͤgen.

Unter den leuchtenden Inſekten iſt beſonders der leuchtende Iohanniswurm oder Iohanniskaͤfer (Lampyris noctiluca, Ver luiſant) bekannt, ein laͤnglicher brauner Kaͤfer mit grauem Schilde. Das Weibchen iſt ungefluͤgelt, und leuchtet am ganzen Leibe; das Maͤnnchen aber nur aus zween Punkten der letzten Bauchringe. Der Schein iſt bald ſtaͤrker, bald ſchwaͤcher, und ſcheint nach einigen von der Willkuͤhr des Thiers abzuhaͤngen. Reaumuͤr (Mém. de l'acad. des Sc. 1723.) vermuthet, das Leuchten haͤnge mit dem Begattungstriebe des Inſekts zuſammen. Nach den Verſuchen der Herren Forſter und Soͤmmering (Goͤtting. Magazin III. Jahrg. 2. St.) wird das Leuchten in dephlogiſtiſirter Luſt weit ſtaͤrker und anhaltender. Bartholin (De luce animalium. Hafn. 1669. 8. ) fuͤhrt vier Gattungen von leuchtenden Inſekten880 handl. zur Naturg. Phyſik und Oekon. aus den Phil. Trans., Leipz. 1779. gr. 4. I. Th. S. 228. u. f.) viele Verſuche angeſtellt, und gefunden, daß dieſes Licht durch Hinwegnehmung der Luft ſogleich aufgehoben oder doch betraͤchtlich vermindert wird. Boyle bediente ſich dazu der Weißfiſche (whitings). D. Beal (Philoſ. Trans. no. 13. p. 226. Abhl. aus den Phil. Tr. Th. I. S. 242.) fand eine Salzbruͤhe, worinn friſche Makrelen gekocht waren, nachdem ſie einige Tage geſtanden hatte, ſo leuchtend, daß Tropfen davon auf dem Boden und auf dem Handteller leuchteten. Die Fiſche ſelbſt leuchteten noch ſtaͤrker, aber blos auf der obern Seite. Am folgenden Tage zeigte ſich das Licht beym Umruͤhren noch ſtaͤrker, und die Fiſche leuchteten nun auf beyden Seiten. Nach zween Tagen giengen ſie ganz in Faͤulniß, und zeigten kein Licht weiter. Martin (Schwed. Abhdl. XXIII. B. S. 225.) glaubt, daß alle Seefiſche leuchten, beſonders die mit weißen Schuppen. Beſprengung mit Salz und gelinde Erwaͤrmung vermehrten das Leuchten; ſtarke Hitze und Trocknung nahmen es hinweg. Canton's Verſuche (Philoſ. Trans. Vol. LIX. p. 446 ſq. ) ſind die genauſten. Ein friſcher Weißfiſch in Seewaſſer gelegt, leuchtete nach 24 Stunden. Das Waſſer ſchien zwar dunkel, als er aber mit einem Stoͤckchen hindurchfuhr, leuchtete der Strich, und nach einigem Umruͤhren das ganze Waſſer. Nach 48 Stunden war es am hellſten, aber nach drey Tagen leuchtete es nicht mehr. Noch ſtaͤrker war das Leuchten des Seewaſſers, in welches er einen Hering gelegt hatte; in der dritten Nacht konnte man nach dem Umruͤhren die Zeit an der Uhr dabey erkennen. Es verſchwand erſt am ſiebenten Tage; ſuͤßes Waſſer mit einem eingelegten Heringe aber blieb die ganze Zeit uͤber dunkel. Salzwaſſer von gleicher Staͤrke mit dem Seewaſſer verhielt ſich, wie Seewaſſer ſelbſt; in ſehr geſalzenem aber leuchtete der Fiſch gar nicht. Der Hering hatte ſich im letztern voͤllig gut erhalten, im erſtern war er weich und faulicht geworden. Man ſieht aus allem dieſen deutlich, daß das Leuchten von der Neigung zur Faͤulniß oder von dem Anfange derſelben herkoͤmmt, welcher nach881 Pringle (Exp. on ſeptic. and antiſeptic ſubſtances) durch Seewaſſer oder ſchwachgeſalzenes Waſſer befoͤrdert wird, da hingegen ſtark geſalzenes die Faͤulniß hindert. Hieraus erklaͤrt ſich auch, wenigſtens zum Theil, das Leuchten des Meerwaſſers, ſ. Meer.

Ueber das faule Holz hat Boyle die meiſten Verſuche im October 1667 gemacht. Der Glanz deſſelben verſchwand im luftleeren Raume, jedoch nicht augenblicklich wie bey den Fiſchen, ſondern erſt nach kurzer Zeit. In verdichteter Luft bemerkte er keine Vermehrung des Leuchtens, auch fand er den Zutritt der freyen Luft nicht noͤthig; denn das Holz leuchtete auch in einer verſchloßnen Glasroͤhre. In allen Fluͤßigkeiten aber verlohr es ſeinen Glanz, ſo wie auch in ſtarker Kaͤlte, die durch erkaͤltende Miſchungen hervorgebracht war. Inzwiſchen ward es durch das Leuchten nicht abgezehrt; man konnte auch durchs Thermometer nicht den geringſten Grad von Hitze daran entdecken. Boyle macht eine umſtaͤndliche Vergleichung zwiſchen dem Lichte der gluͤhenden Kohlen und des faulen Holzes oder der Fiſche, um zu zeigen, worinn ſie uͤbereinkommen, oder von einander abgehen. Unter andern bemerkt er, daß das Zuſammenquetſchen die Kohle augenblicklich ausloͤſche, dem Holze aber nichts von ſeinem Lichte benehme.

Auch die Elektricitaͤt zeigt im Dunkeln ein Licht, das beſonders in ſehr verduͤnnter Luft, oder im Boyliſchen Vacuum ſehr lebhaft wird, ſ. Elektricitaͤt, leidnet Vacuum. Da Glas, an Queckſilber gerieben, Elektricitaͤt erhaͤlt, ſo erklaͤrt ſich hieraus das Leuchten einiger Barometer, wenn ſie im Dunkeln geſchuͤttelt werden, ingleichen der luftleeren Glasroͤhren, worinn etwas Queckſilber befindlich iſt. Dieſe Roͤhren hat Hawksbee (Philof. Trans. 1708. ingl. Phyſico-mechanical exp. Lond. 1709. 8, ) Queckſilber-phosphoren (Phoſphoros ſ. Noctilucas mercuriales) genannt; aber ihr Licht iſt, wie er ſelbſt richtig angiebt, blos eine elektriſche Erſcheinung.

Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel S. 407. u. f.

Libration, ſ. Schwanken des Monds. 882

Licht, Lux, Lumen, Lumiere.

Das, was die Koͤrper ſichtbar macht. Es iſt ſehr natuͤrlich, daß bey der Erleuchtung und bey dem Sehen, irgend etwas von dem leuchtenden Koͤrper bis zum erleuchteten, und von dem Geſehenen bis zum Auge, fortgehen muß, es mag nun dieſes eine eigne Materie, oder blos die Bewegung eines Zwiſchenmittels ſeyn. Ohne ſolche Verbindungen waͤre doch keine Einwirkung entfernter Koͤrper in einander und in unſer Auge begreiflich. Dieſes Etwas, es beſtehe worinn es wolle, nennen wir Licht, und ſo bedeutet dieſes Wort die unbekannte Urſache der Erleuchtung und des Sehens.

Gewiſſe Koͤrper ſind an ſich ſichtbar, ſ. Leuchtende Koͤrper, andere werden es erſt durch Huͤlfe der leuchtenden, und heißen alsdann erleuchtet, ſ. Dunkle Koͤrper. Man ſtellt ſich alſo vor, daß die leuchtenden das Licht urſpruͤnglich von ſich ausſenden, die erleuchteten hingegen blos dasjenige Licht, das ſie von den leuchtenden empfangen, von ihrer Oberflaͤche ins Auge zuruͤckſchicken. Wiederum verſtatren gewiſſe Koͤrper dem Lichte den Durchgang, daher man andere Koͤrper durch ſie ſehen kan, ſ. Durchſichtig; andere ſchicken das Licht zuruͤck, oder unterbrechen ſeinen Fortgang, und heißen undurchſichtige Koͤrper.

Man ſieht einen Koͤrper nicht mehr, wenn in der geraden Linie zwiſchen ihm und dem Auge ein undurchſichtiger Koͤrper ſteht. Auch erleuchtet der leuchtende Koͤrper den dunkeln nicht mehr, wenn ſich in der geraden Linie zwiſchen beyden ein undurchſichtiger Koͤrper befindet. Dies zeigt, daß ſich das Licht, was es auch ſeyn mag, in geraden Linien fortpflanze. Das Auge ſieht leuchtende und erleuchtete Koͤrper von allen Seiten her, wo nichts Undurchſichtiges im Wege ſteht. Daher muß ſich das Licht von jedem phyſiſchen Punkte eines ſichtbaren Koͤrpers nach allen Seiten zu in geraden Linien ausbreiten, ſo wie die Halbmeſſer einer Kugel vom Mittelpunkte derſelben nach allen Seiten zu ausgehen.

Dieſe geraden Linien, nach welchen ſich das Licht fortpflanzt, heißen Lichtſtralen (radii lucis, rayons de lumiere). Die Vorſtellung derſelben iſt den Erſcheinungen883 voͤllig gemaͤß, und verſchaft den großen Vortheil, daß ſich nun die Unterſuchung der Geſetze des Lichts, unabhaͤngig von allen Hypotheſen uͤber das Weſen deſſelben, auf Betrachtung gerader Linien, d. i. auf Geometrie bringen laͤßt, daher dieſe Lehren vom Lichte, unter dem Namen der optiſchen Wiſſenſchaften einen Haupttheil der angewandten Mathematik ausmachen. Man ſ. die Artikel: Optik, Dioptrik, Katoptrik, Brechung, Zuruͤckwerfung, Beugung des Lichts, Auge, Sehen, Bild, und andere, auf welche bey den hier genannten verwieſen wird.

An gegenwaͤrtiger Stelle, wo blos vom Lichte im Allgemeinen die Rede iſt, will ich nach einigen Bemerkungen uͤber Staͤrke, Geſchwindigkeit und Feinheit des Lichts, die vornehmſten Hypotheſen uͤber das Weſen dieſes wichtigen phyſikaliſchen Gegenſtands anfuͤhren. Staͤrke des Lichts.

Das Licht, welches von dem leuchtenden Punkte A, Taf. XIII. Fig. 103. auf eine Flaͤche bc faͤllt, bildet eine Stralenpyramide Abc, oder einen Stralenkegel, in welchem die Lichtſtralen bey weiterm Fortgange immer weiter aus einander fahren. Dieſelbe Menge von Licht nemlich, die bey b durch die Flaͤche bc ausgebreitet iſt, verbreitet ſich, wenn ſie bis B fortgeht, durch die groͤßere Flaͤche BC, welche ſich zu bc, wie AB: Ab, verhaͤlt. In eben dieſem Verhaͤltniſſe muß alſo die Wirkung dieſes Lichts, oder die Erleuchtung bey B ſchwaͤcher, als bey b ſeyn, d. i. die Erleuchtung nimmt in dem Verhaͤltniſſe ab, in welchem das Quadrat der Entfernung vom leuchtenden Punkte zunimmt.

Eben ſo einleuchtend iſt es, daß ſich die Staͤrke der Erleuchtung, unter uͤbrigens gleichen Umſtaͤnden, wie die Menge der leuchtenden Punkte, oder, wie die Groͤße der leuchtenden Oberflaͤche, verhalten muͤſſe. Daher erleuchten in gleicher Entfernung zwo Kerzen doppelt ſo ſtark, als eine. Geht man des Abends von einem Lichte ſo weit, daß man eine gewiſſe Schrift gerade noch leſen kan, ſo884 wird man, um ſie noch zu leſen, wenn man doppelt ſo weit davon gegangen iſt, vier Lichter, und wenn man ſich dreymal ſo weit entfernt hat, neun Lichter anzuͤnden muͤſſen.

Wenn Lichtſtralen ſchief auf eine Flaͤche fallen, ſo faßt ſie deren weniger auf, als wenn ſie ihnen ſenkrecht entgegengeſtellt wird. Hiebey verhaͤlt ſich die Menge der Stralen, oder die Staͤrke der Erleuchtung, wie der Sinus des Neigungswinkels der Flaͤche gegen das Licht. So wird ein Blatt Papier von der Sonne nur halb ſo ſtark als ſonſt erleuchtet, wenn es ihren Stralen unter einem Winkel von 30° entgegengekehrt wird.

Endlich richtet ſich auch die Erleuchtung nach dem Sinus des Winkels, den die Stralen mit der leuchtenden Flaͤche machen (anguli emanationis). So erleuchtet der Rand der Sonne eben ſo ſtark, als das Mittel, gerade ſo, als ob das Ganze nicht eine Kugel, ſondern eine platte Scheibe waͤre. Denn obgleich die Theile am Rande der Sonne mehr leuchtende Punkte enthalten, als die gleich groß ſcheinenden Theile im Mittel, ſo machen doch die Stralen, welche vom Rande zu uns kommen, einen weit ſchiefern Winkel mit der Sonnenflaͤche, als die aus der Mitte. Bouguer glaubt ſogar das Sonnenlicht gegen den Rand zu ſchwaͤcher, als um die Mitte, gefunden zu haben, und vermuthet, das ſchief ausgehende Licht werde noch mehr geſchwaͤcht, als im Verhaͤltniſſe des Sinus vom Emanationswinkel. Euler hingegen (Mém. de l'Acad. de Berlin 1750.) hat bey ſeinen Beſtimmungen der Lichtſtaͤrke den Emanationswinkel gar nicht in Betrachtung gezogen.

Auf die angefuͤhrten vier Grundſaͤtze hat Lambert (Photometria, Aug. Vind. 1760. 8. ) ſeine Meſſungen des geradlinigt fortgepflanzten Lichts gebaut, wobey er die erleuchtende Kraft des leuchtenden Koͤrpers (vis illuminans), die geſehene Helligkeit deſſelben (claritas viſa), und die Erleuchtung (illuminatio) unterſcheidet. Die vorher angefuͤhrten Saͤtze gelten blos von der letztern. Es iſt aber dabey noch auf die Schwaͤchung zu ſehen, welche das Licht in der Luft, durch die es gehet, leiden muß. Wenn die Sonne885 in ein Zimmer zwiſchen zugezognen Vorhaͤngen durchſcheinet, ſo ſieht der, der ſeitwaͤrts ſteht, einen hellen Strich, in dem glaͤnzende Sonnenſtaͤubchen ſpielen, zum Beweiſe, daß ein Theil des Lichts, welches gerade fortgehen ſollte, in der Luft aufgehalten und zur Seite gebracht wird. Daß Bouguer dieſe Schwaͤchung des Lichts geringer, als Lambert, ſetzt, iſt ſchon bey dem Worte: Durchſichtigkeit (Th. I. S. 644.) angefuͤhrt worden. Der Letztere hat ſeine Unterſuchungen hieruͤber auch auf die Erleuchtung des Luftkreiſes durch die Sonne ausgedehnt, und gefunden, daß die Helligkeit der Luft oder des Taglichts theils im Horizonte, theils in der Gegend der Sonne ſelbſt am ſtaͤrkſten iſt. Steht z. B. die Sonne 40° hoch, und wird die Helligkeit eines von der Sonne beſchienenen Theilchens außerhalb der Atmoſphaͤre = 1 geſetzt, ſo iſt die Helligkeit im Horizonte = 1 / 2; in der Gegend der Sonne = (7 / 20); im Zenith = 1 / 4.

Die geſehene Helligkeit iſt von der Erleuchtung zu unterſcheiden; bey den Planeten z. B. iſt der geſehene Glanz ſehr merklich, die Erleuchtung durch ſie aber ganz unbetraͤchtlich. Wolf vermengt beyde, wenn er in ſeiner Optik ſagt, daß entfernte Gegenſtaͤnde deswegen dunkler ſcheinen, weil das Licht umgekehrt, wie das Quadrat der Entfernung abnehme. So haben auch Kies (Mém. de Berlin, 1750. p. 218.) und Euler (ebend. p. 280.) auf dieſen Unterſchied keine Ruͤckſicht genommen. Nach Herrn Kluͤgels richtiger Bemerkung (Prieſtley's Geſch. der Optik, S. 313.) ſind hiebey noch ſcheinbare Helligkeit, die mit vom Urtheile der Seele abhaͤngt, relative geſehene Helligkeit, wobey die Ausbreitung des Bildes im Auge mit in Betrachtung koͤmmt, und abſolut wahre Helligkeit zu unterſcheiden, welche letztere ſich bey gleicher Oefnung der Pupille und gleicher Entfernung, wie die Dichte der Stralen beym Auge, verhaͤlt, bey andern Oefnungen der Pupille aber ſich im Verhaͤltniß der Groͤße dieſer Oefnungen aͤndert. Die Dichte der Stralen beym Auge aber verhaͤlt ſich wieder direct, wie die Intenſitaͤt oder erleuchtende Kraft, und verkehrt, wie das Quadrat der886 Entfernung. Daher ſind abſolut wahre Helligkeiten, wie die Intenſitaͤten des Lichts multiplicirt in die Oefnungen des Auges, und dividirt durch die Quadrate der Entfernungen. Dieſe Art der Helligkeit muß in den theoretiſchen Unterſuchungen gebraucht werden, dagegen man bey den Verſuchen die relative und ſcheinbare Helligkeit findet. Man ſieht hieraus, wie es moͤglich iſt, aus Verſuchen Schluͤſſe auf geſehene Helligkeit und Intenſitaͤt des Lichts zu machen.

Um ein Beyſpiel der Reſultate anzufuͤhren, findet Bouguer die Helligkeit der Sonne 300000mal ſtaͤrker, als die des Monds. Er fieng nemlich Sonnenlicht und Mondlicht, beydes aus einer Hoͤhe von 31° mit einem Hohlglaſe auf, das in einer Oefnung von 1 Lin. Durchmeſſer im Laden angebracht war. Das Sonnenlicht in einen Kreis von 108 Lin. Durchmeſſer ausgebreitet, ſchien gleich ſtark mit dem Scheine einer 1 1 / 3 Fuß entfernten Kerze: das Mondenlicht durch einen Kreis von 8 Lin. verbreitet, that gleiche Wirkung mit einer 50 Fuß (d. i. 37 1 / 2mal weiter) entfernten Kerze. Nun iſt die Erleuchtung von der erſten Kerze ſo vielmal ſtaͤrker, als die Erleuchtung von der zweyten, ſoviel die Quadratzahl von 37 1 / 2 betraͤgt, d. i. 1416 1 / 4 mal. Im Kreiſe von 8 Lin. war aber auch das Licht noch ſo vielmal concentrirter, als im Kreiſe von 108 Lin., ſoviel die Quadratzahl von 13 1 / 2 betraͤgt, d. i. 182 1 / 4mal. So gab der Verſuch das Sonnenlicht 182 1 / 4 X 1416 1 / 4mal oder 256289mal ſtaͤrker, als das Mondlicht. Das Mittel aus mehrern Verſuchen giebt 300000 fuͤr die mittlere Weite des Monds von der Erde. Lambert findet unter der Vorausſetzung, daß der Mond den vierten Theil des auffallenden Lichts zuruͤckwirft, oder daß ſeine Weiße = 1 / 4 iſt, die Sonne 277000mal heller, als den Mond. Dieſe Helligkeit des Monds iſt genau ſo groß, als die des Taglichts oder heitern Himmels. Sie ſcheint aber doch Hrn. L. noch zu groß angegeben zu ſeyn, indem das weißeſte Bleyweiß nur 2 / 5 der erhaltenen Stralen zuruͤckwerfe. Er traͤgt hierauf ſehr ſinnreiche Berechnungen der Helligkeit des Monds in den verſchiedenen Phaſen vor, und handelt dann von den887 Planeten, deren geſehene Helligkeit er, wenn die Weiße bey allen gleich geſetzt wird, fuͤr Saturn, Iupiter und Mars in der Oppoſition, wie 1; 22; 108; fuͤr Venus und Merkur in der Dichotomie, wie 307; 97 angiebt. Dieſe Verhaͤltnißzahlen ſind aber noch durch die Groͤße des Bildes von jedem Planeten auf der Netzhaut zu dividiren.

Dies kan wenigſtens als eine Probe deſſen dienen, was man unter Staͤrke des Lichts zu verſtehen, und bey den Unterſuchungen derſelben zu beobachten hat, von denen man noch einige hiſtoriſche und litterariſche Nachrichten bey dem Worte: Photometrie, finden wird. Geſchwindigkeit des Lichts.

Schon Galilei und nach ihm die Mitglieder der Akademie del Cimento zu Florenz hatten vergeblich verſucht, die Geſchwindigkeit des Lichts durch Fackeln zu meſſen, welche in gewiſſen Entfernungen von einander geſtellt und in einerley Augenblicke aufgedeckt werden ſollten (Muſſchenbroek Tentam. exper. acad. del Cimento, Lugd. Bat. 1731. 4. P. II. p. 183). Dieſe Verſuche mußten nothwendig mißlingen, da keine Entfernung auf der Erde groß genug iſt, zum Maaßſtabe einer ſo erſtaunenswuͤrdigen Geſchwindigkeit zu dienen.

Endlich gelangte man zu dieſer Entdeckung, ohne ſie zu ſuchen. Olof Roͤmer, ein Daͤne von angeſehener Familie, der ſich damals zu Paris aufhielt, hatte mit dem aͤltern Caſſini auf der koͤniglichen Sternwarte zwiſchen den Jahren 1670 und 1675 viele Verfinſterungen der Iupitersmonden beobachtet. Sie hatten dabey gefunden, daß der erſte Mond nicht immer zur berechneten Zeit aus dem Schatten trat, wie denn z. B. am 9 Nov. 1676 ſein Austritt um 10 Min. ſpaͤter erfolgte, als es im Auguſt geſchehen war, da die Erde dem Iupiter naͤher geſtanden hatte. So verſpaͤtigten ſich die Austritte immer mehr, je weiter ſich die Erde vom Iupiter entfernte, und die Eintritte erfolgten von Zeit zu Zeit fruͤher, je mehr ſie ſich demſelben888 wieder naͤherte. Wenn Taf. IX. Fig. 30. die Erde durch DAC gieng, und man alſo blos die Austritte bey m bemerkte, ſo wurden ſie immer ſpaͤter geſehen, ſo daß der groͤßte Unterſchied, wenn die Erde bey C war, uͤber 14 Min. betrug; dagegen erfolgten im Laufe durch CBD die Eintritte bey e immer fruͤher, je weiter die Erde gegen D heran kam. Roͤmer ſchloß hieraus, daß dieſe Ungleichheit, welche offenbar von dem Abſtande der Erde und des Iupiters abhieng, eine Folge davon ſey, daß das Licht auf ſeinem Wege zur Erde uͤber 14 Min. eher in den Stellen bey D, als in denen bey C anlange, und alſo uͤber 7 Min. Zeit brauche, um durch die Helfte der Linie CD, oder von der Sonne S bis zur Erde zu kommen. Dieſe Muthmaßung legten Caſſini und er ſchon 1675 der pariſer Akademie vor.

Descartes hatte aus den Sonnen - und Mondfinſterniſſen geſchloſſen, daß ſich das Licht augenblicklich (in inſtanti) fortpflanze, und dieſer Satz machte einen weſentlilichen Theil ſeiner Hypotheſe vom Lichte aus. Daher fand Roͤmers Behauptung bey der Akademie, welche noch ſehr carteſianiſch geſinnt war, Widerſpruch. Caſſini ſelbſt und Maraldi erklaͤrten ſich dagegen, und ſuchten die bemerkte Ungleichheit aus der Eccentricitaͤt der Bahn der Iupitersmonden herzuleiten (ſ. Weidler Hiſt. aſtr. p. 540.); Huygens und Newton aber nahmen dieſe Entdeckung mit Beyfall auf, und ſeitdem ſie Bradley im I. 1728 ſo ſchoͤn zur Erklaͤrung der Aberration benuͤtzt hat, ſ. Abirrung des Lichts, zweifelt kein Sachverſtaͤndiger mehr an ihrer vollkommenen Richtigkeit.

Das Licht pflanzt ſich alſo nicht augenblicklich, ſondern allmaͤhlig fort (propagatio ſucceſſiva) d. i. ſo, daß es zu ſeiner Bewegung einige Zeit braucht. Bradley's genauere Beſtimmungen (Philoſ. Trans. no. 485.) haben gezeigt, daß die Zeit, die es braucht, um durch DC oder den Durchmeſſer der Erdbahn zu kommen, 16 Min. 15 Sec. betrage, daher es von der Sonne bis zu uns in 8 Min. 7 1 / 2 Secunde gelangt. Dieſe Geſchwindigkeit uͤbertrifft an Groͤße alle andere, die wir kennen. Sie iſt 10313mal groͤßer als die, mit welcher die Erde um die Sonne laͤuft,889 und giebt in einer einzigen Secunde einen Weg von mehr als 40000 Meilen, welche die Geſchwindigkeit einer Kanonenkugel mehr als 1 1 / 2 Millionenmal, und die des Schalls beynahe 976000 mal uͤbertrifft. Feinheit des Lichts.

Die Lichtſtralen muͤſſen aͤußerſt fein ſeyn, ſie moͤgen nun in materiellen Ausfluͤſſen, oder in fortgepflanzten Schwingungen eines Zwiſchenmittels beſtehen. Durch die geringſte Oefnung, durch einen Nadelſtich im Kartenblatte, ſehen wir eine unzaͤhlbare Menge von Koͤrpern. Von jedem Punkte dieſer Koͤrper muͤſſen alsdann Lichtſtralen in unſer Auge kommen, und ſo muͤſſen deren eine unglaubliche Menge durch das mit der Nadel geſtochene Loch gehen, ohne einander zu ſtoͤren oder ſich zu vermiſchen.

Man hat aus dieſer aͤußerſt großen Feinheit beweiſen wollen, daß das Licht nicht in materiellen Ausfluͤſſen beſtehen koͤnne, weil ſich keine Materie von ſolcher Feinheit denken laſſe, daß unzaͤhlbare Stroͤme von ihr durch eine ſo kleine Oefnung, ohne ſich zu hindern, dringen koͤnnten. Allein man hat gar nicht noͤthig, ſich den Fortgang des Lichts, als einen ununterbrochnen Strom zu denken, obſchon in der Empfindung des Sehens keine Unterbrechung wahrgenommen wird. Herr von Segner (Progr. de raritate luminis, Gott. 1740. 4. ) folgert aus der Beobachtung einer im Kreiſe geſchwungnen gluͤhenden Kohle, welche einen ununterbrochnen leuchtenden Kreis zu bilden ſcheint, daß der Eindruck des Lichts auf die Netzhaut eine halbe Secunde daure; d'Arcy ſetzt dies ſogar auf 2 2 / 3 Secunden, ſ. Geſichtsbetruͤge. Nimmt man aber auch nur 6 Tertien an, ſo beſchreibt in dieſer Zeit das Licht einen Weg von 5 Halbmeſſern der Erde. Folglich koͤnnen die Lichtſtralen aus Theilchen beſtehen, die einander in Entfernungen von 5 Erdhalbmeſſern folgen, ohne daß die Empfindung des Lichts im Auge unterbrochen wird. Man kan dieſe Entfernung noch weit groͤßer machen, wenn man annimmt, daß nicht alle Punkte einer ſichtbaren Stelle zugleich890 Licht ausſenden, ſondern mit einander abwechſeln. Hiebey wird der Durchmeſſer jedes Theilchens, wenn es auch materiell iſt, unvergleichbar klein gegen die Entfernung zweyer auf einander folgenden, und es bleibt zwiſchen ihnen Platz genug uͤbrig, um alle Begegnung und Stoͤrung zu verhuͤten. Eben dies haben auch Melville (Edinburgh Eſſays, Vol. II. p. 17.) und Canton (Philoſ. Trans. Vol. LVIII. p. 344.) vorgetragen.

Aus dieſer großen Feinheit des Lichts erklaͤrt ſich auch, warum man bey aller ſeiner Geſchwingkeit keinen Stoß deſſelben gegen andere Koͤrper, oder vielmehr kein merkliches Moment dieſes Stoßes hat bemerken koͤnnen. Homberg (Mém. de Paris, 1708.) glaubte zwar, durch den Stoß der Sonnenſtralen im Brennpunkte leichte Koͤrper in Bewegung geſetzt, und eine Uhrfeder ſchwingend gemacht zu haben; auch findet man aͤhnliche Beobachtungen von Macquer bey dem Worte: Brennglas (Th. I. S. 448.) angefuͤhrt. Mairan (Mém. de Paris, 1747.), der ſich mit duͤ Fay hieruͤber viel Muͤhe gab, konnte nichts dergleichen finden. Hingegen fuͤhrt Prieſtley (Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel, S. 282.) einen Verſuch von Michell an, wobey ein kleines Blaͤttchen Kupfer, an einer Clavierſaite, die wie eine Magnetnadel, mit einem Achathuͤtchen auf einem Stifte im Gleichgewichte ruhte, und gegen die Bewegungen der Luft geſchuͤtzt war, durch den Stoß der Lichtſtralen im Brennpunkte eines Hohlſpiegels wirklich bewegt ward, und eine Geſchwindigkeit von 1 Zoll in einer Secunde erhielt. Prieſtley berechnet hieraus, da das ganze Inſtrument 10 Gran wog, ſo habe die Maſſe des in einer Secunde auf das Blaͤttchen gefallenen concentrirten Lichts mehr nicht, als ein Zwoͤlfhundertmilliontheilchen eines Grans betragen. Hypotheſen uͤber die Natur des Lichts.

Die Meynungen der alten Weltweiſen uͤber das Licht ſind von Herrn Kluͤgel (in den Zuſ. zu Prieſtley's Geſchichte der Optik. S. 20 u. f.) aus den Quellen geſammlet. 891Plutarch (De placitis philoſ. IV. 13. 14. ) fuͤhrt einige derſelben an. Demokrit und Epikur erklaͤrten das Sehen durch unendlich feine Bilder der Gegenſtaͤnde, die von ihnen immerfort ins Auge floͤſſen: andere, z. B. Empedokles, Hipparchus und Plato (im Timaͤus) ließen das Licht ſowohl aus den Augen, als aus den Gegenſtaͤnden ausgehen, und beyderley Ausfluͤſſe ſich unterwegs begegnen. Empedokles ſagte, daß die Abfluͤſſe auf der Oberflaͤche der Spiegel haͤngen blieben, daß aber etwas Feuriges aus dem Spiegel komme, und ſie durch die Luft fortfuͤhre. Ariſtoteles (De mente II. 7.) druͤckt ſich uͤber das Licht ſo aus, als ob er es fuͤr eine Bewegung in irgend einem Zwiſchenmittel hielte. Das Licht, ſagt er, iſt etwas Durch ſichtiges, aber nicht fuͤr ſich, ſondern durch die Farbe eines andern Dinges. Die Farbe beweget das Durch ſichtige, und dieſes, als etwas Zuſammenhaͤngendes, be weget den fuͤhlenden Sinn. Das Auge kan nicht von der Farbe unmittelbar geruͤhrt werden. Es muß ein Mittel da ſeyn Fuͤr den Schall iſt die Luft das Mittel. Das Licht iſt kein Feuer, kein Koͤrper, auch kein Ausfluß eines Koͤrpers, ſondern die Gegenwart eines ſolchen Dinges in dem Durchſichtigen. So dunkel auch dieſe Stelle iſt, ſo ſcheint ſie mir doch eher auf eine Bewegung in einem zuſammenhaͤngenden Mittel, als nach Herrn Kluͤgels Vermuthung auf eine Wirkung unkoͤrperlicher Dinge zwiſchen dem Gegenſtande und dem Auge zu gehen. Inzwiſchen haben dieſe Aeußerungen des Ariſtoteles die Scholaftiker veranlaſſet, das Licht fuͤr unkoͤrperlich, oder nicht fuͤr eine Subſtanz, ſondern fuͤr eine Qualitaͤt, zu halten, und in den Koͤrpern ſelbſt etwas zu ſuchen, was mit den Empfindungen des Auges und mit den Farben analog iſt, (quoniam nihil dat, quod non habet).

Baco (De augmentis ſcient. in Opp. Frf. 1653. fol. p. 119.) rechnet es unter die Deſiderata ſeiner Zeit, daß man das Licht blos mathematiſch betrachte, und die phyſikaliſchen Unterſuchungen uͤber die Form und den Urſprung deſſelben vernachlaͤßige. An einer andern Stelle (Opp.892 p. 198.) aͤußert er, ſichtbare und hoͤrbare Dinge kaͤmen darinn uͤberein, daß von beyden keine koͤrperlichen Subſtanzen ausfuͤhren, oder merkliche Bewegungen des umgebenden Mittels verurſacht wuͤrden, ſondern blos gewiſſe propagines ſpiritales von unbekannter Natur dabey entſtuͤnden.

Descartes (Princip. philoſ. P. III. §. 55. 63. 64. Dioptrica C. I. §. 3. 4. ſqq. ) ließ die Sonne und die leuchtenden Koͤrper aus den Theilchen ſeines erſten Elements beſtehen, und erfuͤllte den ganzen Weltraum mit den vollkommen harten Kuͤgelchen des zweyten Elements, ſ. Aether. Die Theile der leuchtenden Koͤrper ſind nach ihm in einer beſtaͤndigen Bewegung; durch dieſe werden die Kuͤgelchen des zweyten Elements geſtoßen, und da es zwiſchen denſelben keinen leeren Raum giebt, ſondern immer ein Kuͤgelchen das andere auf das genauſte beruͤhret, ſo pflanzt ſich dieſer Stoß durch alle geradlinigte Reihen dieſer Kuͤgelchen in einem Augenblicke fort. So vergleicht er die Fortpflanzung des Lichts mit der Bewegung eines Stabs, deſſen letztes Ende in eben dem Augenblicke bewegt wird, in welchem man das erſte fortſtoͤßt. Eine ſolche Bewegung oder Druck kan ſeiner Meynung nach auch vom Auge verurſachet werden, und er erklaͤrt daraus, wie Katzen und andere Thiere, deren Augen leuchten, im Finſtern ſehen koͤnnen. Dieſem Syſtem ſteht entgegen, daß ſich geradlinichte Kugelſtaͤbe von dieſer Art gar nicht denken laſſen, und daß die geringſte Bewegung dieſe Lage der Kuͤgelchen ſtoͤren muͤſte; auch daß ſich das Licht in der That nicht augenblicklich, ſondern allmaͤhlig, fortpflanzt. Wollte man kleine Raͤume zwiſchen dieſe Kugeln ſetzen, ſo wuͤrde ſich alsdann die Fortpflanzung des Lichts nicht mit den Geſetzen des Stoßes harter Koͤrper vereinigen laſſen.

Daher haben auch die ſpaͤtern Carteſianer die Haͤrte der Kuͤgelchen aufgegeben, und das Fluidum, wodurch das Licht fortgepflanzt wird, elaſtiſch angenommen. Der P. Mallebranche (Mém. de Paris, 1699. p. 32.) ſetzt an die Stelle der harten Kugeln kleine fluͤßige Wirbel, deren893 jeder den empfangenen Eindruck an den naͤchſtliegenden mittheilt. Huygens (Traité de la lumiere, Leide, 1690. 4. ) laͤßt das Licht ſo, wie den Schall, aus wellenfoͤrmig fortgepflanzten Wirbeln oder Schwingungen eines elaſtiſchen Mittels beſtehen, und nach Linien fortgehen, welche auf die Reihen der einzelnen neben einander liegenden Wirbel oder ihrer Mittelpunkte ſenkrecht ſtehen. Hieraus erweißt er das Geſetz der Brechung, und aus gewiſſen nicht kreisfoͤrmigen, ſondern elliptiſchen Lichtwellen erklaͤrt er die Erſcheinungen des Doppelſpaths, ſ. Brechung, Kryſtall, islaͤndiſcher.

Gaſſendi vertheidigte ſehr umſtaͤndlich das Syſtem des Epikur, daß das Licht koͤrperlich ſey, und die Sichtbarkeit der Gegenſtaͤnde von Theilchen herruͤhre, die immerfort von der Oberflaͤche der Dinge abſloͤſſen. Hingegen beſtritt Du Hamel (Aſtronomia phyſica, Paris, 1660. 4. ) ſowohl das carteſianiſche, als das gaſſendiſche Syſtem, und ſahe das Licht, wie die Scholaſtiker, als eine Eigenſchaft der Koͤrper an. Auch Iſaak Voſſius (De lucis natura et proprietate. Amſt. 1662. 4. ) behauptete das Unkoͤrperliche des Lichts, und ward dadurch in einen Streit mit den Carteſianern verwickelt.

So ſtand es um die Meynungen vom Lichte, als Newton ſeine zahlreichen neuen Entdeckungen uͤber daſſelbe bekannt machte. Dieſer große Naturforſcher ſchraͤnkte zwar ſeine Unterſuchungen blos auf die Erſcheinungen und Geſetze des Lichts ein; man ſieht aber doch aus ſeinen der Optik beygefuͤgten Fragen, und aus dem ganzen Gange ſeiner Unterſuchungen deutlich, daß er geneigt war, die Lichtſtralen fuͤr die Wege materieller, aus den leuchtenden Koͤrpern ausgefloßner, Theilchen zu halten, welche von andern Koͤrpern angezogen wuͤrden, u. ſ. w. Dieſe Meynung iſt nun unter dem Namen des Emanationsſyſtems bekannt geworden, und man hat ſie durch alle dagegen gemachte Einwendungen bisher noch nicht widerlegen koͤnnen. Vielmeht enthaͤlt ſie eine hoͤchſt bequeme und paſſende Vorſtellungsart fuͤr alle Erſcheinungen des Lichts und der Farben, der894 ſich in keinem andern Syſteme eine gleich leichte und einfache an die Seite ſetzen laͤßt. Sie iſt wenigſtens ein ſchoͤnes Gleichniß, das man ſehr weit ausdehnen und gar nicht entbehren kan, wenn man von allen Phaͤnomenen des Lichts auf eine gleichfoͤrmige Art Rechenſchaft geben will. Man hat aber dieſes Emanationsſyſtem vornehmlich mit folgenden, meiſtens von Euler vorgebrachten, Gruͤnden beſtritten.

Die Sonne, ſagt man, muͤßte durch das unauf hoͤrliche Ausſtroͤmen einer Materie aus allen ihren Punk ten und nach allen Seiten laͤngſt erſchoͤpft ſeyn. Euler berechnet, wenn der Verluſt der Sonne in 5000 Jahren unmerklich ſeyn ſollte, ſo muͤſſe die Dichte der Sonnenſtralen an der Erde eine Trillion mal geringer ſeyn, als die Dichte der Sonne ſelbſt, welches ihm unbegreiflich duͤnkt. Kan man aber wohl irgend einen Satz, blos einer großen Zahl halber, fuͤr unbegreiflich erklaͤren? Ueberdies ſind die Lichtſtralen auch nicht fuͤr ununterbrochne Stroͤme anzunehmen, wie etwa die Waſſerſtralen eines Springbrunnens, mit denen ſie Euler (Briefe an eine deutſche Prinz. 17 Brief. ) ſehr unbillig vergleicht. Was im Vorigen von der Feinheit des Lichts angefuͤhrt worden iſt, beweißt, daß man die Maſſe der Lichtſtralen uͤber alle Vorſtellung gering annehmen darf, und wenn der daſelbſt erwaͤhnte Verſuch von Michell richtig iſt, ſo wird nach Prieſtley's Rechnung (Geſch. der Optik. S. 283.) jeder Quadratfuß auf der Oberflaͤche der Sonne in einem Tage nur zween Gran Maſſe verlieren, wodurch der Halbmeſſer der Sonne, wenn ſie nur die Dichte des Waſſers haͤtte, in 6000 Jahren nicht mehr, als etwa um 10 Fuß kleiner werden wuͤrde. Newton ſieht es noch außerdem als moͤglich an, daß zu Erſetzung dieſes Verluſts Kometen in die Sonne fallen koͤnnen.

Man hat ferner gefragt: wo denn dieſe Menge von Licht, welche unaufhoͤrlich auf die Koͤrper faͤllt, hernach bleibe? Aber zu geſchweigen, daß der groͤßte Theil der Stralen von der Erdflaͤche wieder zuruͤck geſendet wird bringt auch das Licht in den Koͤrpern ſelbſt, in Abſicht auf Waͤrme,895 Miſchung, Entwicklung von Luftgattungen, Vegetation rc. Veraͤnderungen hervor, die kein Kenner der Phyſik und Chymie in Zweifel ziehen wird.

Es iſt unbegreiflich, ſaͤhrt man fort, daß ſich eine Materie mit ſo ungeheurer Geſchwindigkeit, wie das Licht, bewegen ſollte. Dieſer Einwurf ſagr doch nichts weiter, als daß wir dieſe aͤußerſt geſchwinde Bewegung mit keiner andern bekannten vergleichen koͤnnen. Duͤrfen wir aber wohl unſere eingeſchraͤnkten Kenntniſſe und Vorſtellungen zum Maaßſtabe des Moͤglichen machen?

Ferner muͤßte eine ſolche Menge von Materie, die den ganzen Himmelsraum einnimmt, und mit einer ſo ge waltigen Geſchwindigkeit bewegt wird, die Planeten in ihrem Laufe ſtoͤren. Euler, der hiebey Newton einer großen Inconſequenz beſchuldiget, ſ. Aether, braucht dies eigentlich, als einen Defenſivgrund fuͤr ſeine bald anzufuͤhrende Hypotheſe. Wenn die Newtonianer, ſagt er, den Himmelsraum mit Lichtſtroͤmen anfuͤllen, ſo muͤſſen ſie mir auch erlauben, ihn mit Aether anzufuͤllen, ohne ihre Argumente fuͤr die Leere der Himmelsraͤume gegen mich zu brauchen. Hierinn ſcheint er auch Recht zu haben. Die Schwierigkeit iſt eigentlich allen Syſtemen gemein, die das Licht nicht gar als eine Wirkung unkoͤrperlicher Dinge anſehen. Sie laͤßt ſich aber heben, wenn man nur die Materien duͤnn genug annimmt, wodurch der Widerſtand unmerklich klein wird. Nun iſt die große Duͤnne und Feinheit des Lichts im Emanationsſyſtem außer allem Zweifel. Man muß nur nicht Verhaͤltniſſe darum fuͤr unbegreiflich halten, weil ſie durch große Zahlen ausgedruͤckt werden, wie Euler thut, der doch ſelbſt ſeinen Aether 387 Millionenmal duͤnner, als die Luft, ſetzen muß.

Auch muͤßten dieſe unzaͤhlbaren Lichtſtralen, die ſich uͤberall nach ſo vielen Richtungen durchkreuzen, einander ſtoßen, ſich in ihren Bewegungen aufhalten, oder einer des andern Richtung aͤndern. Dies gruͤndet ſich wiederum auf die falſche Vorausſetzung, daß das Licht in ununterbrochnen Stroͤmen ausfließe. Man darf nur eine896 ganz kleine Zeit zwiſchen der Ausſendung zweyer in eben demſelben Strale ſich folgender Lichttheilchen annehmen, z. B. (1 / 150) einer Secunde, welches zur ununterbrochnen Empfindung des Lichts im Auge uͤberfluͤßig hinreichend iſt, ſo ſind die naͤchſten Theilchen bey ihrer großen Geſchwindigkeit viele tauſend Meilen hinter einander, und laſſen Platz genug fuͤr Millionen andere, welche zwiſchen ihnen hindurch gehen koͤnnen.

Endlich koͤnnten materielle Stralen die durchſichti gen Koͤrper nicht anders, als in geradlinigten Gaͤngen durchdringen. Denkt man ſich aber ſolche Gaͤnge in ei nem Koͤrper an allen Orten und nach allen Richtungen, ſo bleibt kein Ort uͤbrig, in welchen man die undurchdring liche Materie deſſelben ſtellen kan. Ein ſolcher Bau wuͤr de den durchſichtigen Koͤrpern alle Materie, oder wenig ſtens allen Zuſammenhang benehmen. Dieſen ſehr ſtarken Einwurf gegen das Emiſſionsſyſtem kan ich durch keine befriedigende Antwort heben. Newton erklaͤrt freylich die Durchſichtigkeit nicht aus der geradlinigten Anordnung der Zwiſchenraͤume, ſondern aus der gleichfoͤrmigen Dichtigkeit und Anziehung der Theile, ſ. Durchſiwtigkeit. Es bleibt doch aber immer wahr, daß materielles Licht nicht durch die undurchdringliche Matere ſelbſt gehen kan.

Vielleicht iſt das einzige, was ſich hierauf antworten laͤßt, dieſes, daß nicht uͤberall da Continuitaͤt iſt, wo wir dergleichen zu ſehen glauben, ſ. Stetigkeit. Uns ſcheint freylich ein Glaswuͤrfel rc. in allen Punkten und nach allen Richtungen durchſichtig; vielleicht aber mag er es nur in ſehr vielen ſeyn. Stellen, an denen er kein Licht durchlaͤßt, bemerken wir zwar nicht; ſie koͤnnen aber eben ſowohl vorhanden ſeyn, als die Zwiſchenraͤume, die die Waͤrme durchlaſſen, und die wir eben ſo wenig bemerken. Auch laſſen durchſichtige Koͤrper nie alles Licht durch, ſie ſchwaͤchen daſſelbe vielmehr betraͤchtlich, wie ſchon bey dem Worte: Duchſichtigkeit, angefuͤhrt worden iſt. Wie Boſ -897 cowich und Prieſtley dieſen Einwurf heben, werde ich am Ende dieſes Artikels anzeigen.

Dagegen laſſen ſich fuͤr das Emanationsſyſtem die einfachen und ungezwungnen Erklaͤrungen anfuͤhren, die man in demſelben von der Brechung, Farbenverbreitung, Zuruͤckwerfung und Beugung des Lichts geben kan, und welche ſaͤmtlich auf der Anziehung beruhen, die ſich anders nicht, als bey vorausgeſetzter Materialitaͤt des Lichts, gedenken laͤßt. Man findet dieſe Erklaͤrungen unter den Artikeln, welche den oben genannten Erſcheinungen des Lichts gewidmet ſind.

Inzwiſchen hat ſich Herr Euler (Nova theoria lucis et colorum in Opuſc. varii argum. Berol. 1746. 4. p. 169. ſeq. ) durch die erzaͤhlten Schwierigkeiten bewogen gefunden, die von Huygens vorgetragne Hypotheſe, welche das Licht dem Schalle aͤhnlich macht (und im Grunde ſchon ein Gedanke des Ariſtoteles iſt), mit einigen Verbeſſerungen zu erneuern, und beſonders auf die durch Newton ſehr erweiterte Lehre von den Farben anzuwenden. Er hat dies mit vielem Scharfſinne und mit Anwendung ſeiner großen Staͤrke in mathematiſchen Berechnungen ſo gluͤcklich ausgefuͤhrt, daß man es noch zur Zeit nicht wagen kan, zwiſchen ſeiner Theorie und dem Emanationsſyſtem voͤllig zu entſcheiden.

Euler nimmt eine hoͤchſt feine, fluͤßige und elaſtiſche Materie durch den ganzen Weltraum verbreitet, an, der er mit Huygens den Namen Aether giebt. Dieſer Aether wird durch das Zittern der leuchtenden Koͤrper eben ſo bewegt, wie die Luft durch die Schwingung der ſchallenden. Es entſtehen dadurch Schlaͤge (pulſus) auf den Aether, die ſich, wie Wellen im Waſſer, nach allen Seiten verbreiten, ſo daß die Richtungen des Fortgangs den leuchtenden Punkt, wie die Halbmeſſer der Kugel ihren Mittelpunkt, umgeben. Dieſer Schlaͤge folgen mehrere auf einander mit einer gewiſſen Geſchwindigkeit, und ihre Succeſſion in eben derſelben geraden Linie macht einen Lichtſtral aus. Einfache Lichtſtralen ſind, in denen alle Pulſus mit gleichen Zwiſchenzeiten auf einander folgen;898 zuſammengeſetzte, deren Schlaͤge durch ungleiche Zeitraͤume getrennt ſind. Die einfachen ſind wieder verſchieden, je nachdem die Succeſſion der Schlaͤge ſchneller oder langſamer iſt, und dies erregt im Auge die Empfindung der verſchiedenen einfachen Farben, ſ. Farben. Die Brechung ruͤhrt daher, weil die Wellen der Schlaͤge an der brechenden Flaͤche andere Geſchwindigkeiten erhalten, und beym ſchiefen Einfall ein Theil der Welle eher an die Flaͤche trifft, als die uͤbrigen, wodurch die Richtung der ganzen Welle geaͤndert wird, ſ. Brechung (Th. I. S. 424.). Ich habe a. a. O. ſchon erinnert, daß ich die Nothwendigkeit einer Aenderung der Richtung der ganzen Welle hiebey nicht begreife.

Hieraus werden nun verſchiedene Erſcheinungen des Lichts und der Farben erklaͤrt. Leuchtende Koͤrper ſind, deren Oberflaͤche durch ihr Zittern dem Aether beſtaͤndig Schlaͤge mittheilt; ſpiegelnde, deren Theile durch das Licht nicht ſelbſt in Bewegung geſetzt werden, ſondern die Pulſus blos unter dem Reflexionswinkel zuruͤckſenden; durchſichtige, welche die Pulſus durch ihre eigne Subſtanz fortpflanzen; undurchſichtige, deren Theile von dem Aether in Bewegung geſetzt werden, und dadurch wieder eben ſo, wie die leuchtenden, demſelben neue Schlaͤge mittheilen. Inzwiſchen kan einerley Koͤrper zu mehreren Claſſen zugleich gehoͤren.

Wie hieraus die Farben erklaͤrt werden, habe ich im Artikel: Farben (S. 150. u. f.) gezeigt, wo man aber auch (S. 152.) einige wichtige Einwendungen gegen dieſe Theorie finden wird. Die Erklaͤrung der verſchiedenen Brechbarkeit oder Farbenzerſtreuung iſt in dieſem Syſtem ſehr unvollkommen und willkuͤhrlich. Die ſuccedirenden Schlaͤge ſollen nemlich auf einander ſelbſt ſo einfließen, daß durch eine ſchnellere Succeſſion auch eine geſchwindere Fortpflanzung der ganzen Wellen bewirkt wird. Daraus fuͤhrt Euler (Nova theoria etc. §. 81. 82. ) eine Rechnung, die am Ende nichts Beſtimmtes giebt, und nur obenhin zeigt, daß die Groͤße der Brechung mit von der frequentia pulſuum899 abhaͤnge. Er nimmt willkuͤhrlich an, bey mehr Schlaͤgen ſey die Brechbarkeit geringer. Beym Worte Farben S. 150. iſt ſchon erinnert, daß er in einer ſpaͤtern Schrift gerade das Entgegengeſetzte angenommen hat. Und der Umſtand, daß ſich die Farbenzerſtreuung nicht nach der Groͤße der Brechung richtet, laͤßt ſich nach dieſer Theorie, nach der beydes von einerley Urſachen abhaͤngt, gar nicht erklaͤren, ſ. Farbenzerſtreuung (S. 175.).

Die Sichtbarkeit erleuchteter dunkler Koͤrper leitet Euler nicht, wie Newton, von dem zuruͤckgeworfenen Lichte, ſondern aus neuen im dunkeln Koͤrper erregten Schwingungen ab, deren Geſchwindigkeit oder Farbe der Spannung ſeiner Theile gemaͤß iſt. Der Mond, ſogt er, wirft nicht das Licht der Sonne zuruͤck, ſonſt wuͤrden wir nicht ihn ſelbſt, ſondern ein Sonnenbild in ihm ſehen. Auch koͤnnten wir gar keine Farben ſehen, wenn die Koͤrper das auffallende Licht zuruͤckwuͤrfen, weil die Zuruͤckwerfung blos vom Einfallswinkel abhaͤngt, und es alſo unerklaͤrbar waͤre, warum ein rother Koͤrper in allen Faͤllen blos rothe Stralen nicht nur zuruͤckwirft, ſondern auch nach allen Seiten ausſendet (Nov. theor. §. 108.). Alſo muß es der rothe Koͤrper ſelbſt ſeyn, der, durch das Licht erſchuͤttert, dem Aether Schlaͤge giebt, die der Spannung ſeiner Theile gemaͤß ſind, und die daher die Empfindung der dem Koͤrper eignen rothen Farbe erregen. Es laͤßt ſich aber die Sichtbarkeit erleuchteter Koͤrper und das Zuruͤckwerfen des farbigten Lichts nach allen Seiten gar ſehr leicht aus der Rauhigkeit der Flaͤchen erklaͤren. Nur glatte Flaͤchen zeigen Bilder, und nicht ſich ſelbſt. Rauhe reflectiren von jedem Theile das Licht nach unzaͤhlbaren Richtungen, ſ. Bild, Spiegel. Auch beweißt die Erfahrung, daß Koͤrper von einer gewiſſen Farbe, in das einfache Licht einer andern gehalten, nicht ihre gewoͤhnliche, ſondern die Farbe des auffallenden Lichts zeigen, welches dieſem Theile der euleriſchen Hypotheſe gaͤnzlich entgegen iſt.

Eine ſehr faßliche Darſtellung dieſes Syſtems uͤber das Licht findet man in Eulers Briefen (Lettres à une princeſſe900 d'Allemagne. Mietau et Leipſic, 1770. 8. To. I. Lettr. 17 31.), wo er aber oft gegen Newton hoͤchſt ungerecht iſt; ingleichen im Hamburgiſchen Magazin (B. VI. S. 156. u. f.). Er empfiehlt ſeine Hypotheſe auch deswegen, weil ſie dem allgemeinen Plane der Natur gemaͤßer ſey. Die Natur, ſagt er, hat die Ausfluͤſſe nur beym Geſchmack und Geruch gebraucht, wo es auf geringe Diſtanzen ankoͤmmt; beym Gehoͤr aber hat ſie, wegen der Fortpflanzung des Schalles in groͤßere Entfernungen, ſchon Schwingungen eines groͤbern Mittels anwenden muͤſſen; daher iſt es glaublich, daß ſie zum Behuf des Sehens, das ſich in die unermeßlichſten Weiten erſtreckt, nicht Ausfluͤſſe, ſondern Schwingungen eines feinern Mittels werde gewaͤhlt haben.

Man thut ſehr unrecht, wenn man dem euleriſchen Syſtem dasjenige entgegen ſtellt, was Newton gegen den vollen Raum des Descartes im zweyten Buche ſeiner Principien erwieſen hat, ſ. Leere. Dieſe Saͤtze gelten gegen voͤllig harte, mit der genauſten Beruͤhrung an einander ſchließende, Kugeln, zwiſchen denen noch die ſubtile Materie alle Zwiſchenraͤume mit vollkommner Dichte ausfuͤllen ſoll; aber gegen einen Aether, wie ihn Euler annimmt, der faſt 400 Millionenmal duͤnner als die Luft iſt, ſind ſie gar nicht gerichtet. Es iſt wahr, daß man im Emanationsſyſtem die Dichte des Lichts noch weit geringer annehmen, und alſo den Widerſtand, den die Himmelskoͤrper leiden muͤßten, noch mehr vermindern kan; aber dies allein macht noch keinen Grund wider das Daſeyn eines Aethers aus. Mithin beruht alles, was Euler hieruͤber vorbringt, auf einem bloßen Mißverſtaͤndniſſe, woruͤber ich mich ſchon bey dem Worte Aether erklaͤrt habe. Uebrigens geben die Erfahrungen auch keinen Grund fuͤt das Daſeyn eines Aethers an.

Deſto ſtaͤrker aber iſt der Einwurf, den man gegen alle Syſteme, die das Licht dem Schalle aͤhnlich machen, aus einem andern Satze Newtons (Princip. L. II. prop. 42.) herleiten kan. Daſelbſt beweißt dieſer vortrefliche Geometer, daß Schlaͤge oder Wellen eines elaſtiſchen Mittels,901 wenn ſie durch ein Loch in einer vorliegenden Wand gehen, ſich hinter demſelben nicht blos in einer einzigen geraden Linie fortpflanzen, ſondern nach allen Seiten zu ausbreiten. Dem zu Folge muͤßte man die Sonne im verfinſterten Zimmer, das eine Oefnung im Laden hat, nicht blos in der geraden Linie, die ſich von der Sonne durch die Oefnung ziehen laͤßt, ſondern an allen Orten ſehen, wie man den Schall, der durchs Fenſter dringt, im Zimmer an allen Orten hoͤrt, welches doch der klaren Erfahrung zuwider iſt. Euler widerlegt Newtons Satz nicht. Er weiß ſich nicht anders zu helfen, als daß er geradehin behauptet, der Schall verbreite ſich auch nicht dieſem Satze gemaͤß. Es ſey zwar wahr, daß man den Schall uͤberall im Zimmer gleich ſtark hoͤre; aber Niemand glaube doch, daß der ſchallende Koͤrper im Fenſter oder im Loche der Wand befindlich ſey, wie man doch glauben muͤßte, wenn ſich der Schall von da aus verbreitete. Bey verſtopftem Loche hoͤre man den Schall faſt eben ſo gut; alſo dringe er in gerader Linie durch die Waͤnde des Zimmers, welche hier gleichſam die Stelle durchſichtiger Koͤrper vertreten. Koͤnnte man Waͤnde anlegen, die fuͤr den Schall undurchdringlich waͤren, welches er fuͤr unmoͤglich haͤlt, ſo wuͤrde man den Schall blos in der geraden Linie hoͤren, die durch den ſchallenden Koͤrper und das Loch gienge. Dies heißt: einen theoretiſch erwieſenen Satz durch Erfahrungen beſtreiten wollen, deren Anſtellung man ſelbſt fuͤr unmoͤglich haͤlt. Inzwiſchen iſt hier die Erfahrung weder unmoͤglich, noch auf Eulers Seite. Herr Kluͤgel (Prieſtley Geſchichte der Optik, S. 262.) glaubt den Verſuch wirklich angeſtellt zu haben. Der Erfolg dabey war nicht ſo, wie Euler vermuthet; denn es war ziemlich entſchieden, daß der Schall nicht nach der geraden Linie ins Ohr kam.

Man wird mir erlauben, noch folgende Erfahrung hinzuzuſetzen. Wenn man durch ein Blaſerohr redet, ſo hoͤrt Jedermann die Worte ſo, als ob ſie am Ende des Rohrs ausgeſprochen wuͤrden. Hier verbreitet ſich doch der Schall offenbar von der Oefnung aus nach allen Seiten, ob er gleich im Rohre ſelbſt nur nach der geraden Linie fortgehen902 konnte. Ein ſolches Rohr iſt zwar kein euleriſches conclave, cujus conſtructio vires humanas prorſus ſuperat; aber dennoch widerlegt es die Vermuthung, experimentum ex voto ſucceſſurum, ſonumque in ea ſolum directione, unde venerat, ſenſum auditus eſſe excitaturum (Nova theor. §. 14.). Ich habe dies immer fuͤr ein Beyſpiel gehalten, wie oft Gedanken großer Maͤnner, wenn ſie ohne Erfahrung hingeſchrieben ſind, durch kindiſche Spielwerke widerlegt werden. Ein Licht ſieht man doch durch ein ſolches Rohr nicht anders, als wenn das Auge in der verlaͤngerten Axe des Rohrs ſteht; hier bleibt alſo eine offenbare Unaͤhnlichkeit zwiſchen den Fortpflanzungen von Schall und Licht.

Man ſieht aus dem Bisherigen, daß beyde Syſteme zwar viel erklaͤren, beyde aber auch große Schwierigkeiten gegen ſich haben. Beguelin (Nouv. mém. de l'Acad. des Sc. de Pruſſe, 1772. p. 152.) unterſucht die Mittel, zwiſchen beyden durch Erfahrungen zu entſcheiden, und findet ſie alle unzuverlaͤßig. Gegen den Vorſchlag, den er ſelbſt thut, laſſen ſich eben ſo gegruͤndete Einwendungen machen (ſ. allgemeine deutſche Bibl. 26. Band, S. 18. u. f.). Waͤre es moͤglich, auszumachen, ob das Licht im Glaſe geſchwinder oder langſamer fortgeht, als in der Luft, ſo wuͤrde das erſtere Newtons, das letztere Eulers Syſtem beguͤnſtigen: es giebt aber kein Mittel, daruͤber Erfahrungen anzuſtellen.

So wenig ſich nun hieruͤber etwas Gewiſſes ausmachen laͤßt, ſo ſcheint es mir doch, als ob eine naͤhere Bekanntſchaft mit der Chymie Jeden fuͤr das Emanationsſyſtem geneigter machen muͤßte; daher denn auch die meiſten Chymiſten nicht nur eine Lichtmaterie annehmen, ſondern auch dieſelbe zu ihren beſten Theorien, als ein weſentliches Ingrediens, gebrauchen. Dies iſt nun zwar noch lange kein Beweis fuͤr ihr wirkliches Daſeyn, weil alle dieſe Theorien doch nur hypothetiſch ſind, und einige ſich vielleicht auch mit Eulers Syſteme vereinigen ließen. Aber es giebt doch in der That Erſcheinungen, wobey das Licht Verwandſchaften903 gegen andere Stoffe zu aͤußern, und Veraͤnderungen in der Miſchung und Zerſetzung der Koͤrper hervorzubringen ſcheint, die man ſchwerlich einem bloßen Zittern des Aethers zuſchreiben kan. Das Sonnenlicht entwickelt eine ſehr reine Luft aus den Pflanzen, welche in der Nacht und im Schatten eine ſchaͤdliche Luft hervorbringen, ſ. Gas, dephlogiſtiſirtes. Eben dieſes Licht giebt den Gewaͤchſen die gruͤne Farbe. Blumenzwiebeln, die man im Dunkeln auf einem Glaſe mit Waſſer einem Lampenfeuer ausſetzt, treiben weiße Blaͤtter, die erſt am Sonnenlichte gruͤn werden. Noch mehr, dieſe gruͤne Farbe iſt reſinoͤs, und loͤſet ſich im Weingeiſte auf. Mehrere Beyſpiele von Veraͤnderungen der Farbe durch das Sonnenlicht fuͤhrt Prieſtley (Geſch. der Optik, S. 276. u. f.) aus Duͤ Hamel, Beccari u. a. an. Wie leicht Baͤnder und ſeidne Stoffe gewiſſe Farben an der Sonne verlieren, iſt bekannt; gleichwohl verlieren ſie dieſelben im Dunkeln nicht, wenn ſie gleich eben dem Grade der Waͤrme, und eben der freyen Luft ausgeſetzt ſind. Marat (Decouvertes ſur la lumiere, uͤberſ. von Weigel, Leipz. 1783. 8. ) hat Verwandſchaften des Lichts mit andern Materien ſichtbar darzuſtellen geſucht. Auch die Verbindung zwiſchen Licht und Waͤrme, der Umſtand, daß ſchwarze Koͤrper ſtaͤrker erhitzt werden, als weiße, die Erſcheinungen der Phoſphoren, der Stoß des Lichts, den einige im Brennpunkte der Hohlſpiegel wahrzunehmen geglaubt haben u. dgl. moͤgen viel dazu beygetragen haben, das Daſeyn einer Lichtmaterie den Chymikern wahrſcheinlich zu machen. Ihre Meynungen uͤber die Natur derſelben ſind dennoch hoͤchſt verſchieden. Nach Einigen ſoll ſie zuſammengeſetzt, nach Andern einfach, nach de Luͤc ſogar das einzige einfache und elementariſche Fluidum ſeyn. Um Wiederholungen zu vermeiden, will ich hieruͤber auf die Artikel: Feuer und Phlogiſton verweiſen.

Der P. Boſcowich (Philoſ. naturalis theoria redacta ad unicam legem, Vindob. 1759. 4. p. 167. ingl. Diſſ. de lumine, Vind. 1766. 4 maj.) hebt die Schwierigkeit, die ſich gegen das Emanationsſyſtem aus dem Bau904 der durchſichtigen Koͤrper herleiten laͤßt, dadurch, daß er ſich die Materie uͤberhaupt als eine Menge von phyſiſchen Punkten vorſtellt, welche mit Wirkungskreiſen des Anziehens und Zuruͤckſtoßens umgeben ſind, ſ. Materie. Wenn nun, ſagt er, ein bewegter Koͤrper genug Moment hat, um die zuruͤckſtoßenden Kraͤfte, in deren Wirkungskreis er koͤmmt, zu uͤberwinden, ſo wird er ohne Schwierigkeit durch jeden Koͤrper dringen koͤnnen; denn auf dieſe Art kreuzen ſich blos Kraͤfte, deren, wie wir ſonſt ſchon wiſſen, mehrere an einem Orte zugleich vorhanden ſeyn koͤnnen. Boscowich zeigt, wenn das Moment groß genug ſey, ſo treibe der durchgehende Koͤrper die Theile des andern gar nicht aus der Stelle; bey einer geringern Geſchwindigkeit ſetze er ſie in eine betraͤchtliche Bewegung, ohne in ſeinem Laufe ſehr unterbrochen zu werden; und bey noch geringerer Geſchwindigkeit gehe er gar nicht durch. Nach Prieſtley hat ein Englaͤnder Michell eben dieſen Gedanken ſchon fruͤher gehabt; ſo wie er uͤberhaupt den Kennern der Monadologie nicht neu ſcheinen wird. Die Kraft, womit das Licht fortgeht, wird aus der Geſchwindigkeit deſſelben, 19 Trillionenmal groͤßer als die Schwere, gefunden, wenn man den Raum, in welchem die Koͤrper auf daſſelbe zu wirken anfangen, (1 / 100) Zoll ſetzt. Ein Widerſtand, der dieſe Kraft zu uͤberwinden vermag, kan freylich leicht fuͤr abſolute Undurchdringlichkeit angeſehen werden, wenn er auch dies nicht wirklich iſt. Ich laſſe es uͤbrigens mit Herrn Kluͤgel unentſchieden, ob dieſe Berechnung auf das Licht paſſe, und ob es nicht noch weit beſſer gethan ſey, ſeine Unwiſſenheit uͤber das Weſen des Lichts demuͤthig zu geſtehen.

Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel, S. 21. 104. 259. 276. 279. u. f. 304. u. f.

Ren. Deſcartes Princip. philoſ. P. III. §. 55. ſqq.

Leonh. Euler Nova theoria lucis et locorum in Opuſc. var. arg.

Erxleben Anfangsgr. der Naturl. 4te Aufl. § 307 313.

Lichtſtral, ſ. Licht. 905

Lichtkegel, ſ. Stralenkegel.

Lichttraͤger, ſ. Phoſphoren.

Linſenglaͤſer, Glaslinſen, dioptriſche Linſen

Lentes dioptricae, Verres dioptriques. Glaͤſer von kreisfoͤrmigem Umfange, wovon eine oder beyde Flaͤchen eine kugelfoͤrmig erhabne oder hohle Kruͤmmung haben. Man ſuchte ihnen ſonſt auch andere, z. B. elliptiſche und hyperboliſche Kruͤmmungen zu geben: aber die Abſicht, die man dabey hatte, blieb unerreicht, ſ. Achromatiſche Fernroͤhre. Jetzt werden blos ſpbaͤriſche gebraucht, die man aus dazu ſchicklichen Glasſtuͤcken ſchleift.

Taf. XIII. Fig. 104. bis 109. ſtellen die verſchiedenen Arten von Linſen im Durchſchnitte vor. Fig. 104. iſt auf beyden Seiten erhaben, und heißt ein Convexconvex (Lens utrinque convexa, Verre convexo-convexe); Fig. 105. iſt auf einer Seite eben, auf der andern erhaben, ein Planconvex, (Lens plano-convexa, Verre plan-convexe); Fig. 106. auf einer Seite hohl. auf der andern erhaben, doch, daß der Halbmeſſer der erhabnen Seite kleiner iſt, als der Halbmeſſer der hohlen, heißt ein Meniſkus oder Mond (Meniſcus, Lunula, Méniſque). Dieſe drey Arten haben das gemein, daß ſie in der Mitte dicker, als gegen den Rand ſind; ſie machen zuſammen die Claſſe der erhabnen Linſen oder Convexglaͤſer (Lentes convexae, Verres convexes) aus. Nach dem verſchiedenen Gebrauche, den man von ihnen macht, heißen ſie auch Brillenglaͤſer, einfache Vergroͤßerungsglaͤſer, Loupen, Brennglaͤſer. Die beyden erſten Arten, Fig. 104 und 105 heißen von ihrer Geſtalt im eigentlichen Verſtande Linſen (Lentes, Lentilles, Verres lenticulaires).

Fig. 107. iſt auf beyden Seiten hohl, ein Concavconcav (Lens utrinque concava, Verre concavo-concave); Fig. 108. auf einer Seite hohl, auf der andern eben, ein Planconcav (Lens plano-concava, Verre plan-concave); Fig. 109. auf einer Seite hohl, auf der andern erhaben, doch daß der Halbmeſſer der hohlen Seite kleiner iſt, als der der erhabnen, heißt ein Concav-convex (Lens906 concavo-convexa, Verre concavo-convexe). Dieſe drey Arten, welche in der Mitte duͤnner, als am Rande, ſind, machen zuſammen die Claſſe der hohlen Linſen oder Hohlglaͤſer (Lentes concavae, Verres concaves) aus, und heißen bisweilen wegen des Gebrauchs, den man davon macht, Augenglaͤſer.

Bey allen dieſen Glaslinſen heißt die Linie AB, welche durch die Mittelpunkte beyder Kruͤmmungen geht, oder bey Fig. 105 und 108 durch den Mittelpunkt der Kruͤmmung ſenkrecht auf die ebne Seite geſetzt wird, die Axe der Linſe. Sie muß genau durch die Mitte der Linſe durchgehen; und man ſagt alsdann, das Glas ſey richtig centrirt.

Bey einer richtig centrirten Linſe ſind die Flaͤchen um die Mitte mit einander parallel. Iſt alſo die Dicke der Linſe nicht betraͤchtlich, ſo kan man nach Th. I. S. 433. Num. 4. beym Worte Brechung, ohne Fehler annehmen, daß jeder auf die Mitte einer Linſe fallende Stral ungebrochen durchgehe.

Man nennt bisweilen eine Glaslinſe einzollig, zweyzollig, dreyfuͤßig u. ſ. w., wenn die Durchmeſſer beyder Kruͤmmungen (oder bey Fig. 105 und 108 der Durchmeſſer der einzigen Kruͤmmung) 1 Zoll, 2 Zoll, 3 Fuß rc. betragen. Haben die beyden Kruͤmmungen verſchiedene Durchmeſſer, wie beym Convexoconvex ſehr oft, und beym Meniſkus allemal, ſo laͤßt ſich dieſe Benennung gar nicht anwenden. Es iſt alſo uͤberhaupt beſſer, ſich derſelben zu enthalten.

Die Linſenglaͤſer dienen zu ſo vielen nuͤtzlichen Werkzeugen, daß es wohl der Muͤhe lohnt, hier etwas von den Gruͤnden ihrer allgemeinen Theorie beyzubringen. Ich werde hiebey zuerſt die Brechung des Lichts durch einzelne krumme Flaͤchen, dann die durch Linſenglaͤſer mit zwo Flaͤchen betrachten, hieraus die Eigenſchaften der Linſenglaͤſer herleiten, und zuletzt zeigen, wie ſich die Gegenſtaͤnde darſtellen, die man durch ſolche Glaͤſer betrachtet. Brechung durch eine Kugelflaͤche.

Wenn PQ, Taf. XIII. Fig. 110. den Durchſchnitt einer907 Kugelflaͤche vom Halbmeſſer CA vorſtellet, ſo laͤßt ſich der Weg des Lichtſtrals BP, nach der Brechung bey P, durch Zeichnung finden. Denn das Einfallsloth iſt alsdann die aus dem Mittelpunkte der Kugel gezogne Linie CPL (ſ. Einfallsloth), und die Flaͤche des Papiers wird die Brechungsebne, in der alſo auch der gebrochne Stral fortgeht, ſ. Brechungsebne. Man darf alſo nur CPL ziehen, wodurch ſich der Einfallswinkel x giebt, deſſen Sinus aus den Tafeln bekannt wird. Iſt nun das Brechungsverhaͤltniß m: n auch bekannt, ſo erhaͤlt man daraus den Sinus des Brechungswinkels y, welcher = n / ſin. x iſt, und hieraus mittelſt der Tafeln den Winkel y ſelbſt, der an CP bey P angeſetzt, die Linie PV, oder den Weg des gebrochnen Strales giebt.

Weil doch hier die Rede nur von Glasflaͤchen iſt, in welche die Stralen aus der Luft uͤbergehen, ſo hat man m: n = 3: 2, daß alſo ſin. y = 2 / 3 ſin. x wird, wofuͤr ſich, wenn x nicht uͤber 30° betraͤgt, ohne großen Fehler y = 2 / 3x nehmen laͤßt. Dies erleichtert die Zeichnung noch mehr. Man darf nur zwiſchen den Schenkeln des Winkels CPR, welches der Vertikalwinkel von x iſt, einen Bogen mit beliebigem Halbmeſſer beſchreiben, denſelben in drey Theile theilen, und zwey Theile davon fuͤr das Maaß von y rechnen.

Auf dieſe Art kan man leicht finden, daß Stralen, welche auf die Kugelflaͤche PQ, Taf. XIII. Fig. 111. mit der Axe AC parallel auffallen, ſich bey V, wo AV = 3CA iſt, oder in einer Entfernung von drey Halbmeſſern der Kugelflaͤche vereinigen, und ſo andere Saͤtze mehr, dergleichen ſchon Kepler (Dioptr. prop. 35. ſq. ) erwieſen hat.

Weit allgemeiner aber laͤßt ſich die Brechung in Kugelflaͤchen durch folgende Rechnung beſtimmen.

Es ſey Taf. XIII. Fig. 110. QP eine Kugelflaͤche vom Halbmeſſer CA = r, durch welche der in A ſenkrecht einfallende Stral BACV ungebrochen durchgeht, und die Axe vorſtellt. Ein leuchtender Punkt B in dieſer Axe, deſſen908 Abſtand BA = b iſt, ſende auf ſie den Stral BP, welcher nach dem Brechungsverhaͤltniſſe m: n gegen PV gebrochen wird. Man fragt, wo dieſer gebrochne Stral die Axe erreiche, oder man ſucht AV.

Vorausgeſetzt, daß P ſehr nahe bey A liege, alſo die Winkel t, o, x, y, u ſehr klein ſind, verhalten ſich t, o, u umgekehrt, wie b, r, AV; auch x: y = m: n. Daher iſt

Dieſe Formel giebt fuͤr die Brechung aus Luft in Glas, wo m = 3, n = 2 iſt, AV = (3br / b 2r) = (3r / 1 2r: b) woraus ſich nun alles herleiten laͤßt, was uͤber die Brechung durch eine Kugelflaͤche gefragt werden kan. Es wird aber genug ſeyn, dies nur durch einige Beyſpiele zu erlaͤutern.

I. Sind die einfallenden Stralen, wie bey Fig 111. mit der Axe parallel, ſo iſt b oder AB unendlich groß. Daher verſchwindet 2r: b, und es wird AV = 3r oder jeder Stral vereiniget ſich mit der Axe in der Entfernung des dreyfachen Halbmeſſers.

II. Iſt BA dem Durchmeſſer der Kugel gleich, d. i. b = 2r, ſo wird b 2r = o, alſo AV unendlich groß. Die Stralen vereinigen ſich alſo gar nicht, ſondern laufen nach der Brechung mit der Axe parallel.

III. Iſt BA kleiner, als der Durchmeſſer, z. B. nur dem Halbmeſſer gleich, oder b = r, ſo wird AV = 3r oder negativ. Dies heißt: den Stralen widerfaͤhrt das, was der Vereinigung entgegengeſetzt iſt, ſie werden divergent909 oder zerſtreut. Im angenommenen Beyſpiele fahren ſie ſo aus einander, als ob ſie aus einem Punkte kaͤmen, welcher um die Weite 3r vor der Kugelflaͤche laͤge.

IV. Iſt die Kugelflaͤche QP hohl, ſo hat ihr Halbmeſſer CA eine der vorigen entgegengeſetzte Lage, iſt alſo negativ, oder r. Hiebey wird AV = (3br / b+2r), alſo auch negativ, oder die Stralen werden ſo zerſtreut, als ob ſie aus einem vor der Kugelflaͤche liegenden Punkte kaͤmen.

V. Sind die Stralen vor der Brechung ſchon convergent, ſo liegt der Punkt der Axe, gegen den ſie gerichtet find, oder B, hinter A, und BA oder b wird negativ. Dafuͤr giebt die Formel AV = ( 3br / b 2r) = (3br / b+2r). Solche Stralen bleiben bey einer erhabnen Flaͤche, wo r poſitiv iſt, allezeit convergent; bey einer hohlen, wo r negativ iſt, werden ſie parallel, wenn b = 2r und divergent, wenn b groͤßer iſt, als 2r.

VI. Fuͤr Brechung aus Glas in Luft wird das Brechungsverhaͤltniß n: m, alſo verwechſeln m und n ihre Stellen und es wird

Der negative Werth dieſer Formel zeigt, daß bey dieſer Brechung erhabne Flaͤchen die divergenten Stralen zerſtreuen. Fuͤr hohle Flaͤchen giebt ſie die Reſultate, wenn man r, fuͤr convergente Stralen, wenn man b negativ ſetzt. Um alles das in ein Beyſpiel zuſammenzufaſſen, ſetze man, Fig. 111. fielen die Stralen, die ſchon durch die Vorderflaͤche der Glaskugel Qp ſo gebrochen waren, daß ſie nach V zu giengen, an der Hinterflaͤche qp wieder aus dem Glaſe in die Luft, und man ſuche v, wo ſie ſich nach dieſer zweyten Brechung vereinigen werden. Hier iſt wegen der hohlen Flaͤche qp und des Convergirens der Stralen, ſowohl r als b negativ, und zugleich wird aV oder b =910 AV Aa = 3r 2r = r. Daher wird av = (2rr / r+3r) = 1 / 2r. Dies erweißt zugleich den Satz: Eine Glaskugel vereinigt Parallelſtralen hinter ſich in der Weire 1 / 2r, oder die Brennweite der Glaskugel iſt dem vierten Theile ihres Durchmeſſers gleich. Brechung durch Linſenglaͤſer.

Hinter der Kugelflaͤche QAP, Taf. XIII. Fig. 112., fuͤr welche alles ſo, wie bey Fig. 110. iſt, gehe der gebrochne Stral PV durch eine zweyte Kugelflaͤche QDP vom Halbmeſſer ED = ρ, aus dem Glaſe wieder in Luft uͤber, ſo wird er bey R nach dem Brechungsverhaͤltniſſe n: m gegen RF gebrochen. Der Punkt, wo er die Axe erreicht, heiße F. Man ſucht DF = φ.

Vorausgeſetzt, daß die Dicke der Linſe AD unbetraͤchtlich iſt, und, wie im vorigen, P ſehr nahe bey A liegt, verhalten ſich die Winkel o, p, v umgekehrt wie r, ρ, φ, auch iſt w: z = n: m. Daher Iſt nun QAPD eine Linſe von Glas, durch welche ein Lichtſtral aus Luft wieder in Luft uͤbergeht, ſo wird m: n = 3: 2 und man hat911

Unter den angenommenen Vorausſetzungen giebt dieſe Formel fuͤr alle Stralen, welche von dem leuchtenden Punkte zwiſchen A und P einfallen, einerley F, und ſo wird nach allen Seiten zu das Licht, welches in dem Kreiſe um A vom Halbmeſſer AP, auf die Linſe faͤllt, hinter ihr in dem Punkte F vereiniget. Dieſer Punkt F heißt daher der Vereinigungspunkt, und weil ſich in ihm der leuchtende Punkt B, Fig. 110. wieder abbildet, der Ort des Bildes; DF oder φ iſt die Vereinigungsweite, der Abſtand des Bildes vom Glaſe. Wird der Werth von φ negativ, ſo faͤllt F vor das Glas; oder die Stralen laufen hinter demſelben ſo aus einander, als ob ſie aus F herkaͤmen. Dann heißt F der Zerſtreuungspunkt, DF oder φ die Zerſtreuungsweite, und es entſteht kein Bild.

Sind die einfallenden Stralen der Axe parallel, oder iſt b unendlich groß, ſo verſchwindet 2rρ: b, und es wird DF = (2rρ / r+ρ). Dies iſt der Fall, wenn die einfallenden Stralen von der Sonne herkommen, und weil ſie alsdann in ihrem Vereinigungspunkte F brennen, ſo heißt er der Brennpunkt, und DF die Brennweite der Linſe. Man nenne dieſe Brennweite f, ſo iſt Aus dieſer Formel, welche ſchon Cavalleri gefunden haben ſoll, haben wir die Brennweiten der ſphaͤriſchen Linſenglaͤſer unter dem Artikel: Brennweite (Th. I. S. 459. 460. ) hergeleitet.

Wenn man in der mit A.) bezeichneten Formel ſowohl den Zaͤhler, als den Nenner, durch r+ρ dividiret, und was herauskoͤmmt, mit B.) vergleicht, ſo giebt der Zaͤhler, bf des Nenners erſter Theil, b des Nenn. zweyter Theil, f,912 und man erhaͤlt die ſehr bequeme Formel oder: Die Vereinigungsweite iſt gleich dem Producte des Abſtands des leuchtenden Punkts in die Brennweite, dividirt duxch den Abſtand weniger der Brennweite.

Durch die Formeln B.) und C.) laſſen ſich nun, aus den Halbmeſſern der beyden Kruͤmmungen, die Brennweiten, und aus dieſen die Vereinigungsweiten bey jeder Art von Linſenglaͤſern leicht beſtimmen. Es ſey z. B. fuͤr einen Meniſkus der Halbmeſſer der erhabnen Flaͤche 3 Zoll, der hohlen 4 Zoll (welcher letztere negativ iſt) ſo hat man aus B.) die Brennweite = (2.3.4 / 4 3) = 24 Zoll. Steht ein ſichtbarer Gegenſtand 36 Zoll weit vor dem Glaſe, ſo iſt aus C.) die Vereinigungsweite (36.24 / 36 24) = 72 Zoll, oder das Bild entwirft ſich 72 Zoll weit hinter dem Glaſe.

Wenn die Weite des Gegenſtands vom erhabnen Linſenglaſe der doppelten Brennweite gleich, oder b = 2f iſt, ſo iſt die Weite des Bildes eben ſo groß. Denn alsdann iſt φ = (2ff / 2f f) = 2f.

Beym Hohlglaſe thut man am beſten, gleich den Werth von f und φ zu ſuchen, welche unmittelbar die vor das Glas fallenden Zerſtreuungsweiten fuͤr unendlich entfernte und fuͤr naͤhere Gegenſtaͤnde geben. Iſt z. B. beym Concav concav der Halbmeſſer der einen Flaͤche 2 Zoll, der andere 6 Zoll, ſo iſt f = (2.2.6. / 2+6) = 3 Zoll. Und wenn ein Gegenſtand 6 Zoll weit von dem Glaſe ſteht, wird φ = (3.6. / 3+6) = 2 Zoll, d. i. die Stralen divergiren913 ſo, als ob ſie aus einem 2 Zoll vor dem Glaſe gelegnen Punkte ausfuͤhren. Eigenſchaften der Linſenglaͤſer.

Wenn auf eine erhabne Linſe divergirende Stralen aus einem leuchtenden Punkte fallen, ſo werden ſie nach der Brechung 1.) weniger divergirend, wenn b kleiner iſt, als f; 2.) parallel, wenn b = f; 3.) convergirend, wenn b groͤßer iſt, als f. Im letztern Falle vereinigen ſich dieſe Stralen wieder in einen Punkt, und es entſteht hinter dem Glaſe ein Bild des leuchtenden Gegenſtands.

Mit dieſem Bilde geht es ſo zu. Der Punkt A des Gegenſtands AB, Taf. XIII. Fig. 113. wirft einen Stralenkegel auf die Linſe DE, deſſen Stralen ſich in a wieder ſammeln, wo Ca = φ iſt, wenn man AC = b, und die Brennweite des Glaſes CF = f nennt. Eben ſo wirft der Punkt B einen Stralenkegel auf die Linſe, deſſen mittelſter Stral BC, weil er die Mitte der Linſe trifft, ungebrochen fortgeht. Mit dieſem vereinigen ſich alle uͤbrige Stralen des Kegels wieder bey b, und bilden hier den Punkt B des Gegenſtands ab. Alle zwiſchen A und B liegende Punkte machen ihre Bilder zwiſchen a und b, woraus alſo in ab ein umgekehrtes Bild des Gegenſtands entſteht. Die Groͤße dieſes Bildes ab verhaͤlt ſich zur Groͤße des Gegenſtands AB, wie Ca: CA oder wie φ: b. Das iſt, wenn man fuͤr φ ſeinen Werth aus C.) ſetzt, wie f: b f.

Wenn der Gegenſtand AB ſehr entfernt, oder b unendlich groß iſt, ſo wird φ = f, oder: Bilder unendlich entfernter Gegenſtaͤnde fallen in den Brennpunkt oder Brennraum. Ruͤckt der Gegenſtand naͤher, ſo ruͤckt das Bild weiter vom Brennpunkte ab. Kein Bild kan alſo dem Glaſe naͤher liegen, als der Brennpunkt. Kommt der Gegenſtand AB in die Entfernung, die der doppelten Brennweite gleich iſt, oder iſt b = 2f, ſo wird auch φ = 2f, oder ſein Bild ruͤckt in eben dieſe Entfernung hinter dem Glaſe. Alsdann iſt auch das Bild eben ſo groß, als der Gegenſtand. Ruͤckt der Gegenſtand noch naͤher an das Glas, ſo ruͤckt das Bild noch weiter ab, und wird nun914 groͤßer. Steht der Gegenſtand im Brennpunkte ſelbſt, oder iſt b = f, ſo wird φ unendlich, d. h. er macht ein unendlich großes Bild in einer unendlichen Entfernung. Alsdann ſind die aus A kommenden Stralen nach der Brechung nicht mehr convergirend, ſondern parallel. Hieraus hat man den Satz: Stralen, die aus dem Brennraume eines erhabnen Glaſes kommen, werden nach der Brechung unter einander parallel. Wenn endlich der Gegenſtand noch naͤher beym Glaſe ſteht, als der Brennpunkt, ſo entſteht gar kein Bild, weil die aus A kommenden Stralen gar noch divergirend bleiben; aber dieſe Stralen werden doch verlaͤngert vor dem Glaſe in einen Punkt α zuſammen kommen, den man als ein unſichtbares Bild von A betrachten kan. Dies zeigt auch die Formel C.), welche, wenn b < f iſt, ein negatives φ, oder eine Zerſtreuungsweite giebt, fuͤr welche φ = (bf / f b) wird.

Wenn aber auf die erhabne Linſe convergirende Stralen fallen, ſo werden ſie nach der Brechung noch mehr convergent, und ihre Vereinigungspunkte ruͤcken naͤher an die Linſe heran, als der Brennpunkt. Alsdann iſt nemlich b negativ, und es wird φ = (bf / b+f), welches allezeit kleiner, als b, auch kleiner, als f, ſeyn muß.

Die allgemeine Eigenſchaft der erhabnen Glaͤſer iſt alſo, die Lichtſtralen weniger divergent, oder mehr convergent zu machen, d. i. ſie naͤher zuſammenzulenken. Sie heißen deswegen auch Sammlungsglaͤſer, Collectivglaͤſer.

Man kan ſich die Theorie der Bilder, welche ſie machen, am bequemſten durch eine Lichtflamme erlaͤutern, wenn man dieſelbe vor das Glas ſtellt, und mit einem Papiere hinter dem Glaſe den Ort ſucht, wo ſich das umgekehrte Bild der Flamme deutlich zeigt. Geſetzt, die Brennweite des Glaſes ſey 4 Zoll. Man ſtelle ſich anfaͤnglich ſehr weit von dem Lichte, ſo wird man das Bild915 ſehr klein und ſehr wenig uͤber 4 Zoll vom Glaſe finden. Geht man allmaͤhlig naͤher, ſo muß man das Papier immer etwas weiter vom Glaſe abhalten, wenn das Bild deutlich ſeyn ſoll, auch wird das Bild immer groͤßer. Koͤmmt man dem Lichte auf 8 Zoll nahe, ſo findet man das Bild auch 8 Zoll vom Glaſe entfernt, und eben ſo groß, als die wirkliche Flamme. Ruͤckt man das Glas noch naͤher, ſo muß man das Papier wieder ruͤckwaͤrts entfernen, und das Bild vergroͤßert ſich nun ſehr ſtark, bis man endlich in der Entfernung 4 Zoll vom Lichte gar keinen Ort fuͤr das Bild mehr findet.

Wenn auf ein Hohlglas parallele Stralen fallen, ſo werden ſie ſo zerſtreut, als ob ſie aus einem naͤher vor dem Glaſe liegenden Punkte ausgegangen waͤren. Dieſer Punkt iſt alsdann der Ort eines unſichtbaren Bildes, ſein Abſtand vom Glaſe f iſt negativ, und deutet eigentlich eine Zerſtreuungsweite an, der man aber doch gewoͤhnlich auch den Namen der Brennweite giebt. Man ſ. das Wort Brennweite (Th. I. S. 460.), ingl. Zerſtreuungspunkt.

Fallen aber auf das Hohlglas Stralen aus einem leuchtenden Punkte, welche ſchon divergiren, ſo werden ſie nach der Brechung noch mehr divergiren. Dies zeigt die Formel C.), wenn man in ihr f negativ ſetzt. Sie giebt alsdann φ = (bf / b+f), d. i. eine Zerſtreuungsweite, die allemal kleiner, als bf, und als f, iſt, daß alſo das unſichtbare Bild allezeit naͤher, als der Gegenſtand ſelbſt, auch naͤher als der Brennpunkt, liegt.

Bekoͤmmt endlich ein Hohlglas convergirende Stralen, ſo ſchwaͤcht es deren Convergenz. Es wird alsdann b negativ, und φ = (bf / f b), daß alſo ſolche Stralen 1.) weniger convergirend werden, wenn b kleiner iſt, als f, 2.) parallel werden, wenn b = f, 3.) gar divergirend ausgehen, wenn b groͤßer iſt, als f. Der zweyte Fall giebt den Satz: Stralen, die nach dem Brennpunkte eines916 Hohlglaſes zu convergiren, laufen nach der Brechung mit einander parallel.

Wegen der allgemeinen Eigenſchaft, die Stralen mehr zu zerſtreuen, oder doch ihre Convergenz zu ſchwaͤchen, heißen die Hohlglaͤſer auch Zerſtreuungsglaͤſer.

Alle dieſe Saͤtze gelten nur fuͤr Linſen, deren Dicke unbetraͤchtlich iſt (alſo nicht fuͤr die Kugel) und fuͤr Stralen, welche ſehr nahe an der Mitte einfallen. Weil man aber in den dioptriſchen Werkzeugen nur dieſe mittlern Stralen einlaͤßt, ſ. Blendung, Apertur, ſo kan man die Theorie dieſer Werkzeuge auf obige Saͤtze gruͤnden. Stralen, die weit von der Axe ab einfallen, kommen freylich nicht genau nach F, und ſtoͤren daher die Deutlichkeit der Bilder, ſ. Abweichung, dioptriſche.

Descartes (Dioptr. cap. 8.) zeigt, wenn man in einer Ellipſe das Verhaͤltniß der großen Axe zur Entfernung beyder Brennpunkte, wie m: n (oder, wie 3: 2) naͤhme, ſo wuͤrden die mit der Axe parallel auf das elliptiſche Sphaͤroid fallenden Stralen genau in dem entfernten Brennpunkte vereiniget werden. Die Hyperbel hat in Abſicht auf hohle Flaͤchen eine aͤhnliche Eigenſchaft. Dadurch ließen ſich Linſen mit elliptiſchen und hyperboliſchen Flaͤchen angeben, welche alle mit der Axe parallelen Stralen in F genau vereinigten. Allein fuͤr die ſchiefen Stralen, die von Punkten außer der Axe herkommen, wuͤrde die Abweichung dabey noch groͤßer werden; und die weit betraͤchtlichere Abweichung wegen der Farbenzerſtreuung wuͤrde dabey noch immer unvermieden bleiben. Erſcheinungen der Gegenſtaͤnde durch Linſenglaͤſer.

Wenn man AB, Taf. XIII. Fig. 113. durch das Glas DE betrachtet, ſo iſt es ſoviel, als ob das Auge das Bild ab ſaͤhe. Denn, wenn auch gleich das Bild nicht da iſt, oder erſt hinter dem Auge liegt, ſo gehen doch die ins Auge kommenden Stralen alle ſo, als ob ſie vom Bilde herkaͤmen, oder daſſelbe hinter dem Auge noch entwerfen wollten. 917Ob das Bild wirklich da iſt, oder nicht, iſt ein ſehr gleichguͤltiger Umſtand.

Betrachtet man alſo einen Gegenſtand durch ein Hohlglas, ſo iſt es ſoviel, als ob man das vor dem Glaſe liegende Bild〈…〉〈…〉24 ſaͤhe. Da dieſes allezeit naͤher liegt, als AB ſelbſt, ſo iſt es kleiner, und das Auge ſieht die Sache AB durch ein Hohlglas verkleinert, aufrecht, und deutlich, wenn es uͤberhaupt in der Entfernung Oα, d. i. in einer geringen Entfernung deutlich ſieht. Daher dienen hohle Augenglaͤſer den Myopen, um entfernte Gegenſtaͤnde deutlicher zu ſehen.

Sieht man hingegen auf AB durch ein ethabnes Glas, ſo hat man vielerley Faͤlle zu unterſcheiden.

1. Liegt der Gegenſtand dem Glaſe nahe, oder iſt b < f, ſo iſt das Bild vor dem Glaſe in der Entfernung (bf / f b). Es erſcheint dem Auge aufrecht, und deutlich, wenn das. Auge in der Entfernung Oα deutlich ſieht. Auch iſt das Bild groͤßer, als der Gegenſtand, daher man in dieſem Falle Vergroͤßerung mit Deutlichkeit zugleich erhalten kan. So gebraucht man die Convexglaͤſer als Brillen und Loupen, ſ. Brillen, Mikroſkop.

2. Liegt der Gegenſtand im Brennpunkte ſelbſt, wo b = f, ſo ruͤckt das Bild in eine unendliche Entfernung. Alsdann wird es aufrecht, und von dem Presbyten deutlich geſehen. In welchem Sinne des Worts hiebey Vergroͤßerung ſtatt finde, ſ. bey dem Worte: Mikroſkop.

3. Liegt der Gegenſtand uͤber den Brennpunkt hinaus, ſo entwirft ſich hinter dem Glaſe das umgekehrte Bild ab. Hiebey ſteht das Auge entweder zwiſchen Glas und Bild, oder im Bilde ſelbſt, oder hinter dem Bilde.

a.) Zwiſchen Glas und Bild convergiren die Stralen noch, die ſich erſt im Bilde vereinigen. Steht das Auge hier, ſo ſieht es den Gegenſtand durch convergirende Stralen, d. i. undeutlich, uͤbrigens aufrecht und vergroͤßert, weil der Winkel u groͤßer, als ACB und AOB iſt.

b.) Im Orte des Bildes ſelbſt erhaͤlt das Auge nur918 Stralen aus einem einzigen Punkte des Gegenſtandes, die ſich im Orte des Auges ſammeln. Hier ſieht es alſo gar nichts, als die Farbe dieſes einzigen Punkts, die ſich wie ein Schimmer uͤber das ganze Glas verbreitet.

c.) Hinter dem Bilde endlich ſieht das Auge das umgekehrte Bild ab, und zwar deutlich, wenn es von demſelben ſo weit weg iſt, als zum deutlichen Sehen erfordert wird; groß, wenn es demſelben nahe ſteht, klein, wenn es davon entfernter iſt. Bey Glaͤſern von ſehr großen Brennweiten laͤßt ſich hiebey Vergroͤßerung mit Deutlichkeit verbinden. So konnte Tſchirnhauſen durch ſeine großen Objectivglaͤſer auf eine Meile weit die Blaͤtter der Baͤume unterſcheiden (Act. Erud. 1710. Octobr. p. 466. Wolf Elem. Dioptr. §. 385.)

Der Gebrauch der Linſenglaͤſer iſt weit aͤlter, als ihre Theorie. Erſt nachdem die Fernroͤhre erfunden waren, kamen Kepler und Cavalleri auf einige einzelne theoretiſche Saͤtze. Descartes machte zwar das Geſetz der Stralenbrechung zuerſt bekannt, verfehlte aber die Theorie der Linſenglaͤſer gaͤnzlich. Barrow (Lectiones opticae, Lond. 1674. 4. ) iſt alſo erſt derjenige, dem wir die geometriſche Entwickelung derſelben zu danken haben. Analytiſch und ſo, wie hier, auf Stralen nahe an der Axe eingeſchraͤnkt, hat ſie Halley (Philoſ. Trans. Nov. 1693. und Miſcell. Cur. Vol. I.) zuerſt vorgetragen. Ganz allgemein findet man ſie in Herrn Kaͤſtners analytiſcher Dioptrik bey Smith's vollſtaͤnd. Lehrbegrif der Optik, S. 81. u. f.

Kaͤſiner Anfangsgr. der Oioptrik, 3te Aufl. der Anfgr. der angew. Math. Goͤttingen 1780. 8. S. 345 u. f.

Erxleben Anfangsgr. der Naturlehre, §. 348. u. f.

Ende des zweyten Theils.

About this transcription

TextPhysikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre
Author Gehler Johann Samuel Traugott
Extent934 images; 275851 tokens; 26871 types; 1922905 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

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EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationPhysikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre mit kurzen Nachrichten von der Geschichte der Erfindungen und Beschreibungen der Werkzeuge begleitet in alphabetischer Ordnung Zweyter Theil von Erd bis Lin Gehler Johann Samuel Traugott. . 918 S., Bl. VIII - XIII SchwickertLeipzig1798.

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ETH Zürich ETH-Bibliothek Rar 8736http://www.e-rara.ch/zut/content/titleinfo/2557390http://www.e-rara.ch/zut/content/titleinfo/2557390http://dx.doi.org/10.3931/e-rara-8943

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