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Allgemeine Zeitung.

Nr. 47. Augsburg, Donnerstag, 16 Februar 1871.

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Uebersicht.

Der Krieg und die deutsche Marine.

Der Krieg.

Deutsches Reich. München: Audienzen. Eine ministerlose Zukunft. Die Candidaturen für den deutschen Reichstag. Mandatsablehnungen. Spende für Militärfamilien. Preßproceß. Spitalzüge. Stuttgart: Die Reichsrathswahlen. Die Ulm = Heidenheimer Eisenbahn. Berlin: Fortdauer der Rüstungen. Sterblichkeit unter den Gefangenen. Still - stand der Jndustrie. Wahlbewegung.

Oesterreichisch = ungarische Monarchie. Wien: Officiöse Dementis. Zum Programm des neuen Ministeriums. Ein Erlaß an die Landeschefs. Erzherzogin Marie Annunziata. Die Stellung des Grafen Beust. Die Veränderungen im ungarischen Ministerium. Oesterreich und Rom. Pest: Der Ministerwechsel in Ungarn und in Cisleithanien.

Schweiz. Bern: Truppen = Entlassung. Officielle Angabe über die An - zahl der internirten Franzosen. Die 15 Millionen = Anleihe. Jesuiten - Umtriebe. Eine Eisenbahncommission.

Frankreich. Aus dem Elsaß: Presse und käufliche Stellen.

Jtalien. Florenz: Die Lage in Nizza. Verlegenheit der italienischen Regierung. Rom: Zur städtischen Verwaltung. Lamarmora. Der Papst. Eröffnung des Carnevals.

Verschiedenes.

Jndustrie, Handel und Verkehr.

Neueste Posten. Agram: Neuwahlen für den Landtag. Madrid: Aus den Antillen. Konstantinopel: Die armenischen Dissenter. Der neue diplomatische Agent für Rumänien. Die Fregatte Armo - rique. Ueberschwemmung in Smyrna.

Außerordentliche Beilage. Nr. 26.

Telegraphische Berichte.

× München, 15 Febr. Die Correspondenz Hoffmann meldet daß durch königl. Entschließung der Landtag bis zum 18 Febr. verlän - gert ist.

* Karlsruhe, 15 Febr. Die Karlsruher Zeitung bringt folgen - des Telegramm des Etappencommando's in Mülhausen an das badische Kriegsministerium: Belfort hat einen Waffenstillstand abge - schlossen und will capituliren.

* Berlin, 15 Febr. Das Generalvostamt verfügt daß von jetzt ab auch verschlossene gewöhnliche Briefe nach Paris befördert werden dürfen. Die Taxe ist dieselbe wie vor Ausbruch des Kriegs. Die Ver - sendung recommandirter Briefe ist nicht zulässig.

* London, 14 Febr. Jm Unterhaus erwiederte Enfield, Unterstaatssecretär des Auswärtigen, auf eine Jnterpellation von Smith: Graf Bismarck werde versprochenermaßen die Eigenthümer der versenkten Seine = Schiffe nach erledigter Feststellung der Thatsachen entschädigen. -- Jm Oberhaus erwiederte Granville, von Lord Cairns interpellirt: die amerikanisch = englische Commission werde sämmtliche schwebenden Streit - fragen erörtern, damit ein Schlußvertrag zuwege komme; die Veröffent - lichung ihrer Jnstructionen sei vorerst unstatthaft. Wiederum von Lord Cairns interpellirt, bestätigte Granville die Aussage Gladstone's: daß Palmerston und Clarendon der Neutralisirung des Schwarzen Meeres nur geringe Bedeutung beimaßen, und daß beide, seit die Pforte eine gewaltige Flotte besaß, eine Modificirung des Vertrags vorhersahen. Weitere Aus - lassungen betreffs der Conferenz verweigerte Granville.

* Lille, 14 Febr. Der Propagateur de Lille zieht bei Besprechung der Pariser Wahlen den Schluß: daß es in Zukunst nöthig sein werde daß die Nationalversammlung nicht mehr in Paris tage, damit Sicherheit gegen Wiederholung des 4 September erlangt werde.

Nizza, 15 Febr. Zehntausend Mann sind hier eingetroffen. Alle Verhafteten sind auf einer Panzerfregatte nach Toulon gebracht wor - den. Die Verkäufer des Blattes Voix de Nice wurden verhaftet, das Blatt selbst unterdrückt, 5 Redactionsmitglieder eingesperrt. Ein Präfec - turanschlag verhängt den Kriegszustand. Der Aufstand der Jtaliener ist vollständig niedergeworfen. Zwei Panzerfregatten kreuzen vor der Stadt.

(*) Brüssel, 14 Febr. Wie in diplomatischen Kreisen verlautet, ist das vom englischen Cabinet gestellte Ansuchen um Mittheilung der von deutscher Seite in Aussicht genommenen Friedensbedingungen für Frank - reich deutscherseits unter Bezugnahme auf frühere diplomatische Aeuße - rungen in dieser Angelegenheit ablehnend beantwortet worden.

* Brüssel, 14 Febr. Das Echo meldet: Algier und die an - gränzenden Districte sind durch Decret vom 1 Februar in Belagerungs - stand erklärt.

* Brüssel, 15 Febr. Die hier eingetroffene Correspondance Havas vom 10 d. meldet: Der ehemalige Präsident Schneider ist in Paris eingetroffen. Dem Pariser Blatt Le Soir zufolge soll General Chanzy die Fortsetzung des Krieges für absolut unmöglich erklärt habn. Die Anzahl der ausgefertigten Geleitscheine beläuft sich auf 140,000.

* London, 14 Febr. Schlußcurse: Consols92 1 / 16; 1882er Amerikaner 91 1 / 4; Türken42 1 / 8; Lombarden --; Jtaliener --.

Liverpool, 14 Febr. Baumwollenbericht. Tagesumsatz 12,000 B., zur Ausfuhr verkauft 2000 B. Stimmung: unverändert. Orleans7 15 / 16. Die Preise der übrigen Sorten unverändert. Tagesimport 34,000 B., davon indische 1000 B., amerikanische 29,000 Ballen.

Der Krieg und die deutsche Marine.

sym3 Die neue Reichsverfassung ist, was auch ihre Mängel sein mögen, glücklicherweise doch in so weit einheitlich und geschlossen ausgefallen, daß kein Theil von Deutschland an den Lasten und Ehren der gemeinschaftlichen Vaterlandsvertheidigung minder betheiligt als ein anderer erscheint. Man darf daher in einem innerhalb Bayerns erscheinenden Blatte von der deut - schen Kriegsmarine reden ohne sich ausschließlich oder vornehmlich an die nichtbayerischen Leser zu wenden. Es kann vielmehr mit der erfreulichen Hoffnung geschehen dieser Reichsangelegenheit ein frisches Jnteresse aus Gegenden und Kreisen zu gewinnen denen sie bisher verfassungsmäßig so - wohl als thatsächlich ferner stand.

Bis vor kurzem drohten die Ergebnisse und Eindrücke des gegenwärti - gen Kriegs für die Entwicklung unserer Flotte verhängnißvoll zu werden. Während das Heer so große Dinge that, leistete sie gar nichts positives Sie hielt bloß den Feind mit ab sich unsern Küsten und Häfen allzu zärt - lich zu nahen -- eine Aufgabe für welche die Natur indessen schon mehr gethan hat als menschlicher Kunst zu thun übrig bleibt. Die blokirenden feindlichen Panzergeschwader zu verjagen oder auch nur ernstlich zu stören, schien sie nicht im Stande. Den französischen Seehandel zu beunruhigen hatte eine ebenso weise und voraussichtige wie menschlich hochherzige Politik untersagt; aber geraume Zeit geschah auch nicht einmal etwas um die höchst schwunghaft betriebene Waffen = und Proviant = Zufuhr der französi - schen Hafenplätze zu hemmen.

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Die Ueberlegenheit der feindlichen Flotte, einer Flotte ersten Rangs, über die unsrige, welche erst auf dem Wege war eine Flotte zweiten Rangs zu werden, und sich ein höheres Ziel bisher überhaupt niemals gesteckt hat, erklärt einiges, jedoch bei weitem nicht alles. Ein unglücklicher Zufall war es natürlich daß in dem stärksten unserer Panzerschiffe, dem König Wilhelm, ein Cylinder brach, und so seine Schnelligkeit von 14 auf 9 Seemeilen herabgesetzt wurde, gerade als der Krieg ausbrach; wodurch das einzige jedem französischen Panzerschiff einzeln gewachsene oder überlegene Schiff, das wir besaßen, für die Dauer des Kriegs zur Unthätigkeit verur - theilt ward. Das gleiche widerfuhr dem einen der beiden Panzerschiffe zweiten Kalibers, dem Prinz Friedrich Karl, später mit der Schraube, und er liegt noch gegenwärtig zu Wilhelmshafen im Dock. Dieses Dock dagegen, welches so wichtig werden sollte, hätte wohl etwas früher fertig werden können. Und besser vorbereitet auf den Krieg hätte die Holzflotte im allgemeinen sein sollen, jene schnellen Kriegsdampfer deren einer schon -- wie die schönen Erfolge der Augusta zeigen -- dem Waffenschmuggel sein Spiel gar sehr hätte verderben können, wenn er rechtzeitig halb unter Dampf, halb unter Segel, zum Kreuzen in den Atlantischen Ocean hinaus - gegangen wäre. Als Capitän Weikhmanns Glück diese Bahn zum Ruhm geöffnet hatte, traf die Waffenstillstandsnachricht das nachgesandte, nun endlich ausgerüstete Geschwader noch östlich vom Sunde. Es war aber doch nichts so ganz neues daß die wesentliche Wirksamkeit kleiner Marinen gegen große oft in einzelnen schnellen und gutgeführten Schiffen liegt. Während des amerikanischen Bürgerkriegs hatten die Alabama und die Shenandoah der Secessionisten diese Lehre eindringlich genug gepredigt.

Ob für diese Vernachlässigung eines wichtigen Theils der nationalen Wehrkraft einzelne Personen haftbar zu machen sein mögen, oder nicht, ist ziemlich einerlei. Gewiß erscheint daß sie aus keinem andern Grunde mit der wundervollen Vorbereitung und Fertigkeit der Armee so scharf contra - stirt als weil in Berlin für die Flotte von jeher weniger Geld, Aufmerk - samkeit und Geisteskraft verfügbar gewesen. Das preußische Heer steht auf einer hundert = oder zweihundertjährigen Tradition; das hat seine Be - deutung, auch wenn heute kein Handgriff mehr so geschieht und kein Buch - stabe in den Reglements mehr so lautet wie zu des großen Kurfürsten oder selbst zu Friedrichs des Großen Zeit. Die Flotte dagegen zählt erst etwa zwei Jahrzehnte. Jhrer Jdee nach ist sie eine revolutionäre Schö - pfung. Als der regierende Monarch seine militärischen Studien machte, galt eine Flotte für der Natur des preußischen Staats zuwider; und als sie dann doch aus dem spröden Boden hervorbrach, ein unglaublich zartes Pflänzchen, konnten selbst so entschiedene Fortschrittsmänner wie Varnha - gen (s. die Tagebücher 13. und 14. Band) nicht genug über ihre Anma - ßung herrvorzukommen den Kopf schütteln. Daher mag man auch zweifeln ob es den schwachen Keim anfänglich nicht mehr beschützt als verkümmern zu lassen gedient hat daß General v. Roon, einer der beschäftigtsten und angestrengtesten Kriegsminister aller Zeiten, das Marineministerium noch mitübernahm. Aber freilich mußte unter allen Umständen einmal der Punkt erreicht werden wo der vorher erwünschte und förderliche Schutz in den Nachtheil mangelnder Hingebung, Aufmerksamkeit und Sachkenntniß umschlug. Auch aus andern Gründen als militärischen ist es im Laufe dieses wechselreichen Krieges beklagt worden daß, während der Kriegsmini - ster wie billig dem großen Hauptquartier in den Krieg folgte, der Marine - minister nicht zur beständigen Observation und Action auf seinem wei - ten Feld in Deutschland bleiben konnte; allein es scheint daß sich das gleiche Bedauern aus einer Vergleichung des Fertigkeitsstandes der Armee und der Flotte beim Kriegsausbruch ebenfalls ergibt. Auf Hrn. v. Roons unsterbliche Verdienste fällt damit kein Schatten. Es entsteht nur der ge - rechte Wunsch daß wenigstens für die Zukunft nicht zweier ganzer Männer höchste Leistung von einem möge verlangt und erwartet werden.

Soweit die vorhandenen Kräfte jetzt reichen, läßt man es in der Ma - rine so wenig als im Heerwesen noch während des Kriegs an eifriger Fortentwicklung fehlen. Eine Commission von Capitänen ist vor kurzem niedergesetzt worden, um zu prüfen wie sich die Anstalten zum Schutze der Nordseeküsten bewährt haben, und danach neue erweiterte Vorschläge für diesen Theil des allgemeinen Küstenschutzes zu machen. Jhre Vorschläge gehen, wie man hört, im allgemeinen dahin: neben den Maßregeln zur Sperre der Strommündungen für jede derselben (d. h. Elbe, Weser und Jahde, die Emsmündung bleibt als zur Hälfte niederländisch einstweilen außer Betracht) ein halbes Duzend Torpedo = Boote aufzustellen, welche sich einem doch etwa durchbrechenden Feinde nach Art der alten Brander an die Ferse zu hängen hätten; ferner ein Duzend Panzerschiffe von der Mo - nitor = Sorte zum Angriff auf blokirende Geschwader, nicht zur Lieferung von Schlachten in entlegenen Gewässern zu bauen, und endlich schnelle Holzdampfer in genügender Zahl zur Beunruhigung blokirender feind - licher Flotten, Abschneidung ihrer Zufuhren, Verhinderung des Waf - fenschmuggels u. dgl. bereit zu halten. Von diesen Maßregeln ist die erste,einfachste und zugleich dringlichste, durch Bestellungen in Spandau und Bremen bereits in der Ausführung begriffen. Die andern warten wohl auf die völlige Herstellung des Friedens.

Wenn die Reichsregierung alsdann an die Nationalvertretung ihre Forderungen stellt, so mag es der Entwicklung der Marine zu statten kom - men daß sie doch nicht völlig unwirksam im Kriege geblieben ist, auch ab - gesehen von ihrer mehr passiven Leistung für die Sicherheit der Häfen und Küsten. Noch durchschlagender aber wird es ihr hoffentlich frommen daß nun ganz Deutschlands Kräfte und Triebe an ihre Ausbildung ge - setzt werden können, da sie schon häufig erfahren hat daß, wenn der Sinn für ihren Werth im Binnenlande nur erst einmal wach geworden ist, der dort ausbrechende feurige Enthusiasmus die gelassene, auf Gewohnheit be - ruhende und durch Gewohnheit abgestumpfte Sympathie des Küstenan - wohners weit übertrifft.

Der Krieg. Die Belagerung von Belfort.

Petit Croix, 11 Febr. Es dürfte vielleicht nicht ohne Jn - teresse sein etwas näheres von der Action zu erfahren die, unberührt durch den Waffenstillstand der im größten Theile Frankreichs abgeschlossen, ihren Fortgang nimmt, wir meinen die Belagerung von Belfort.

Schon bei Beginn dieses Feldzugs waren aller Augen auf die Be - lagerung einer großen Festung, auf die Straßburgs, gerichtet, und man war entzückt als diese alte Veste der deutschen Kunst nicht länger wider - stehen konnte. Man hielt die Action gegen Straßburg für ein Meisterstück des Artilleristen und des Jngenieurs, und hielt sie für die schwierigste Un - ternehmung die man sich denken konnte. Und doch war die Belage - rung von Straßburg ein Kinderspiel gegen die von Belfort! Eine Festung, nach den alten Grundsätzen gebaut, in der Ebene gelegen, ohne besondere casemattirte Räume, dagegen mit einer zahlreichen Bevölkerung versehen, wie lange kann diese im Stande sein bei einer engen Cernirung dem auf der Höhe der Zeit besindlichen Geschütz unserer Armee Widerstand zu leisten? Jch dächte nach dem Falle von Paris müsse man hierüber alle Jllusionen schwinden lassen!

Wie ganz anders sind die Verhältnisse aber bei Belfort gestaltet! Als Mittelpunkt der Befestigung kann man den Rocher oder das Château von Belfort betrachten, ein Gebilde wie es wohl selten die Laune der so mannichfach schaffenden Natur hervorgebracht hat: ein riesiger Felsen, der auf der der Stadt zugekehrten Seite steil abfällt, und dem auf der entgegen - gesetzten etwas flachern durch etagenförmiges Mauerwerk die Kunst das gegeben woran es die Natur fehlen ließ. Jmponirt diese Citadelle schon durch ihre Form, so gewinnt sie durch ihre Lage zu den übrigen Befesti - gungswerken noch mehr an Bedeutung. Von Norden und Westen her gegen Belfort vorgehend erblickt man wohl die Rückseite dieses Felsen - kolosses, allein wenn auch alles andere weggedacht wäre, so ist doch eine ge - deckte Annäherung der vielen Wasseradern halber unmöglich. Von Süden und Osten aus ist das Schloß erst zu sehen wenn man sich demselben schon sehr genähert hat. Daß dieß nicht zu früh geschehe, dafür sorgen la Justice und la Miotte, auf stolzer Bergeshöhe gelegen, jedes für sich eine gewaltige Festung: zu allem Ueberflusse haben die Franzosen noch die beiden provisorischen Werke Haute und Basse Perche angelegt, welche dem Angriffe sehr wesentliche Hindernisse bereiteten.

Die Stadt selbst ist klein und nur von Westen und Norden her ge - fährdet, während das Château und die Höhen daneben sie gegen Süden und Osten decken. Außer ihrer günstigen Lage schützen sie die Kanonen von Miotte, Barres und verschiedenen Werken die zwischen Barres und Miotte angelegt sind. Ein verschanztes Lager zwischen den Vorwerken und der Stadt würde dem Gros eines tüchtigen Heers einen sichern Aufenthalt ge - währen, während seine Vortruppen, in den Dörfern um Belfort vertheilt, diese unter Beihülfe der Kanonen der Festung gegen jeden nicht mit allzu großer Uebermacht anrückenden Feind vertheidigen könnten. Rechnet man zu dem bereits Gesagten noch die Schwierigkeiten die ein felsiger Boden Angriffsarbeiten entgegensetzt, so kann man sich ungefähr eine Vorstellung machen von dieser durch Natur und Kunst zu einem Platz ersten Ranges gemachten Festung! Es ist für das Auge eines Jngenieurs oder eines Artilleristen wirklich ein Genuß diese mit aller Kunst und allem Fleiß angelegten Werke zu betrachten, die von einem verständigen Commandanten zudem ganz vorzüglich armirt sind. Allerdings gesellt sich zu dem Gefühle der Befriedigung über die Anlage auch -- für uns wenigstens -- der Aerger sich sagen zu müssen daß wir diesen Werken verhältnißmäßig noch sehr wenig gethan haben.

Letzteres hat außer der unendlich günstigen Lage des Platzes noch einen weitern Grund. Wenn man die ungeheuern Mittel sah welche man auf die Belagerung von Straßburg verwendete, so kann man sich eines be - dauerlichen mitleidigen Kopfschüttelns nicht erwehren wenn man einen Blick783auf die hier zu Gebote stehenden wirft. Es sieht beinahe wie Hohn aus wenn man die wenigen Geschütze betrachtet, deren Mündungen, wie bei einem com - petenteren Richter protestirend, gen Himmel schauen, um auf die riesigen Distancen ihre Geschosse in die so hoch über ihnen liegenden Werke zu schleudern. Geschieht das, dann blitzt es hie und da in den dunklen Linien auf, und eines der riesigen Geschosse fährt wie zürnend in die überall ein - gesehenen Angriffsbatterien. Der hohe Wartthurm auf la Miotte gibt der Besatzung die Möglichkeit alles was um sie herum vorgeht genau zu be - obachten, und kaum erhebt sich eine weiße Dampfwolke in irgendeiner Bat - terie, so hört man auch schon den warnenden Ruf einer Trompete vom Thurme herab, welche die Bedienung aufmerksam macht daß ein Schuß kommt.

Dieser Wartthurm ist überhaupt der Aerger der Artilleristen. Auf die großen Entfernungen konnte man ihm nichts anhaben, und von welcher Seite man auch kommen mag, ein treuer eifriger Wächter steht er vor einem, jede Bewegung genau beobachtend. Wird dann eine seiner Seiten von einem sich durchstehlenden Sonnenstrahl hell beleuchtet, so sieht es fast aus als wie wenn sich der graue verwitterte Geselle lustig machte über die tief unten herumkrabbelnde Sippe, die wie der Maulwurf in dem Boden wühlt um ihre Bewegungen zu verbergen! Seitdem aber unsere Batterien immer näher und näher herankommen, kann auch er sich nicht verhehlen daß auf der Welt niemand unantastbar ist und das Recht hat die andern zu belachen, wenigstens müssen ihn einige in seine Seiten ge - schleuderten 24Pfünder = Granaten davon zu überzeugen versucht haben.

Bei Beginn der Operationen gegen Belfort handelte es sich natürlich darum einen Cernirungskreis um dasselbe zu bilden, der ihm alle Hülfe von außen entziehen und es lediglich auf seine eigenen Kräfte beschränken sollte. Doch war dieß nicht etwa eine leichte Aufgabe, denn die umliegen - den Ortschaften waren alle besetzt, und können, wie jetzt der Augenschein lehrt, sehr wirksam von der Festung bestrichen werden. Unsere wackere Jn - fanterie aber warf den Feind nach und nach aus allen Positionen, und nunmehr sind es nur noch zwei Orte welche von unserer Seite nicht besetzt sind, Vetrigne und Offemont, die gleichsam als neutral betrachtet werden, denn auch der Feind hat keine eigentliche Besatzung darin, sondern schickt nur hie und da eine Feldwache hinein. Beide Orte liegen dicht unter La Miotte, so daß sie von uns nicht gehalten werden könnten. Alle die Kämpfe um die Ortschaften schwächten die Jnfanterie der Besatzung, aber es ist dieser Abbruch, sowie das zahlreiche Ueberlaufen beinahe als eine Säuberung der belagerten Streitkräfte zu betrachten; denn die Jnfanterie - besatzung ist jedenfalls die Schwäche der Festung, welche Behauptung wohl hinlänglich ihren Beweis darin findet daß sie es nicht wagte einen kräftigen Ausfall zu machen zu der Zeit als Bourbaki's Armee nur wenige Kilometer von der Festung entfernt war, und die Kräfte unserer numerisch so schwachen Truppen so sehr in Anspruch nahm. Genug hievon; ist auch mancher brave deutsche Soldat dabei gefallen oder kampfuntauglich gewor - den, die Ueberlegenheit war auf unserer Seite.

Anders sieht es mit dem artilleristischen Angriff aus. Jm kleinen begonnen, konnte er zu keinem Resultat führen, um so weniger als die Besatzungsartillerie ganz das Gegentheil der Besatzungsinfan - terie ist -- eine gut geschulte Kerntruppe. Die wenigen Batterien mit welchen man -- verwöhnt durch Straßburg, Schlettstadt und Breisach -- den Angriff im Westen begann, waren natürlich nicht im Stande das Feuer der wohlarmirten Werke zum Schweigen zu bringen, wohl aber zogen sie dasselbe so sehr auf sich, daß wir manchen empfindlichen Verlust zu be - klagen haben.

Die Besatzungsartillerie schießt vorzüglich, und wenn sie ein Vorwurf trifft, so ist es der daß sie mit ihrer Munition etwas zu verschwenderisch umgieng, ohne gerade viel zu erreichen. Das Zusammenschießen von Dör - fern genügt nicht allein den Feind daraus zu vertreiben; unsere wackern Leute zogen von Haus zu Haus wenn das Feuer zu lästig wurde, verlassen wurde aber deßhalb kein Dorf. Nach und nach langten Verstärkungen vor Belfort an, es trafen noch württembergische und bayerische Batterien ein, so daß Artillerie aus Preußen, Bayern, Württemberg und Baden vereint den Feind zu bekämpfen suchte.

Das war wahrlich keine leichte Aufgabe! Man rückte nach und nach mit dem Angriffe gegen Osten. Die große Tragweite und das präcise Schießen der französischen schweren Festungsgeschütze machte die Anlegung von Batterien in größerer Nähe unmöglich. Die ersten Batterien wurden auf ungeheure Distanzen angelegt, und man versuchte von hier aus Justice und Miotte und das Château niederzuhalten, die Percher Schanzen aber zu bekämpfen. Dieß gelang in so weit daß die schweren Geschütze zum Schweigen gebracht wurden, und nur noch Feldgeschütze unserm Feuer antworteten. Man hielt es an der Zeit aus den mittlerweile vorgetrie - benen Angriffsarbeiten vorzubrechen und einen Sturm zu wagen, der aber fehlschlug. Das ganze Unternehmen war verrathen, man schlug im Platzeschon viel früher Allarm, und unsere in den tiefen Graben hinabgesprun - gene Jnfanterie wurde mit Rollbomben und Handgranaten derart über - schüttet und von überlegenen Kräften umzingelt, daß nur ein Weg übrig blieb: sich zu ergeben, da die steilen Grabenböschungen jeden andern ver - sperrten.

Nach dieser etwas schmerzlichen Lection gieng man mit dem regel - mäßigen Angriff *) vor, und es gelang die beiden Schanzen zu nehmen. Dieß war kaum geschehen, so richtete der Feind ein so fürchterliches Feuer dahin wie ich es nie gehört habe. Es fielen etwa 80 Schüsse in der Minute. Unsere Jnfanterie konnte sich nur mit Mühe in den Werken be - haupten, und der Batteriebau war unermeßlich schwierig. Auch hier haben wir manchen wackern Cameraden zu beklagen!

Die Erstürmung der Perchen ist jedoch ein bedeutender Schritt vor - wärts. Während die Angriffsarbeiten gegen diese Schanzen vorgetrieben wurden, erbaute die bayerische Artillerie in nächster Nähe drei 24Pfünder Batterien, die der Feind offenbar für Jnfanterie = Emplacements hielt, sonst hätte er wohl ein lebhafteres Feuer darauf gerichtet. Hiemit sind wir der Festung näher auf den Leib gerückt, und es ist wohl nicht zu viel gesagt wenn ich behaupte: daß der Angriff jetzt in ein Stadium getreten das wenigstens Aussicht auf Erfolg verspricht -- auf Erfolg, jedoch nicht in der kürzesten Zeit, sondern erst nach Ueberwindung zahlloser Schwierig - keiten! (S. dagegen das Karlsruher Telegramm. D. R.)

Brauche ich nach dem Gesagten wohl noch einige Worte an jene zu richten die, durch die Erfolge der deutschen Waffen verwöhnt, immer und immer die größten Errungenschaften in rascher Reihenfolge herbeiwün - schen? Jst dieß erforderlich, so mögen sie mir glauben daß die Anstren - gungen unserer Truppen unmenschliche genannt zu werden verdienen. Das bergige Terrain, die durch den Transport der schweren Lasten ausgefahre - nen Wege, der durch die strenge Kälte und die Felsen fast unbearbeitbare Boden, der jetzt durch das Thauwetter grundlose Schmutz in den Tran - scheen, das alles sind Factoren die eine Reibung erzeugen von welcher man sich nur einen Begriff machen kann wenn man mit eigenen Augen beobach - tet hat, und zu deren Ueberwindung eine moralische wie physische Kraft gehört die mit Necht unser Staunen erregt! Nur eine übermenschliche Ge - duld und Ausdauer kann uns auf normalem Wege die Festung überlie - fern; anders wäre es wenn Mangel an Lebensmitteln oder sonstige unvor - hergesehene Ereignisse die Capitulation herbeiführten.

Gestatten Sie mir deßhalb zum Schluß in der Allg. Zeitung die Bitte auszusprechen daß unsere Landsleute ein Aeußerstes leisten möchten um unsere arg mitgenommenen Truppen, die bei dem fürchterlichen Schmutz bald nicht mehr wissen was sie anziehen sollen, nach Thunlichkeit zu unterstützen.

Ein Besuch in Asnières.

sym3 Versailles, 11 Febr. Da ich bis jetzt die Erlaubniß zu einem, allerdings noch gefahrvollen, Besuch in Paris unter keinem plausiblen Vor - wande zu erlangen wußte, entschloß ich mich gestern, um der Hauptstadt etwas näher zu sein, mit einem Proviantzuge nach Asnières hinauf zu fahren, wo am diesseitigen Ende der Eisenbahnbrücke unsere deutschen Vorposten stehen, während auf der andern Seite der Brücke die französischen Vorposten auf - gestellt sind. Die Bahn führt am rechten Seine = Ufer über Ville d'Avray, St. Cloud, Suresnes, Puteaux und Courbevoie nach Asnières, von wo sie, den Fluß überschreitend, durch Clichy und die Vorstadt Les Batignolles bis zum Bahnhofe der Rue St. Lazare hinunter läuft. Jm Vorbeifahren sah ich in Courbevoie das leere Postament auf welchem unlängst noch die alte Napoleonsstatue im grauen Rock und dreieckigen Hute gestanden, welche der Neffe von der Höhe der Vendômesäule herabnehmen und durch ein Standbild im Kaisermantel und mit einem Lorbeerkranz ersetzen ließ. Man hat die weltbekannte Statue, welche mit dem Gesichte dem Triumph - bogen an der Avenue de la Grande = Armée zugekehrt stand, neuerdings von ihrem Postament in Courbevoie entfernt und sie nach Paris in Sicherheit gebracht. Die hübschen Landhäuser in Asnières, welche meistens nur zur Sommerszeit bewohnt sind, waren jetzt großentheils verlassen, aber mit wenigen Ausnahmen in wohlerhaltenem Zustande, da die Stadt unter dem Schutze der Kanonen der Umwallungsmauer von Paris gegen feind - liche Angriffe gesichert war. Es ist daher schwer begreiflich weßhalb die Franzosen die Pfeiler sämmtlicher drei Steinbrücken die hier über die Seine führen an beiden Ufern gesprengt haben. Auch die Eisenbahnbrücke war unterminirt; doch ist sie glücklicherweise nicht zerstört worden. Mit eben so un - nützem Vandalismus haben die Franzosen den herrlichen Park von As - ni ères, in welchem die berühmten Sommerbälle stattfanden, und sämmt - liche Alleebäume am Bahnhofe gefällt. Auch die aus den Geheimnissen von Paris bekannte Jle des Ravageurs, welche der Rendezvousplatz der Canotiers und mit dichtem Gebüsch überdeckt war, ist völlig abgeholzt,*) Das Zeichen einer gewiß energischen Vertheidigung wenn provisorische An - lagen offene Laufgräben erfordern.784und nur die kahlen Stümpfe ragen noch einige Zoll hoch über der Erde empor.

*) Das Zeichen einer gewiß energischen Vertheidigung wenn provisorische An - lagen offene Laufgräben erfordern.

Der Bahnzug hielt auf der Brücke an und konnte ungehindert passi - ren, nachdem die zehn oder zwölf Passagiere welche gleich mir im Gepäck - wagen Aufnahme gefunden, ihre Geleitscheine vorgezeigt hatten. Jch selber verließ den Wagen mit meinem Reisegefährten, dem Corresponden - ten der Kölnischen Zeitung, Dr. Arthur Levysohn, welcher bis zu seiner gewaltsamen Austreibung am 19 Juli vorigen Jahrs in Asnières ge - wohnt, und sich kaum drei Monate vor Ausbruch des Krieges in einem großen Hause der Rue du Chemin Vert völlig neu eingerichtet hatte. Seine junge Frau, die erst kürzlich vom Wochenbett aufgestanden, war mit ihrem Kind einstweilen in Asnières zurückgeblieben -- hatte doch damals nie - mand geglaubt daß über Frauen und Kinder gleichfalls das Loos der Aus - treibung verhängt werden würde. Nach dem famosen Siege von Saar - brücken ertheilte ihr der Maire den Befehl zur Feier des glorreichen Er - eignisses eine französische Fahne auszuhängen und die Fenster ihres Hau - ses festlich zu illuminiren. Da sie sich als Deutsche weigerte diesen Befehl zu erfüllen, wurden ihr von den Einwohnern von Asnières allabendlich Katzenmusiken gebracht, und nach Verlauf von acht Tagen wurde sie zu einer so beschleunigten Abreise gezwungen, daß man ihr nicht einmal ge - stattete aus ihrer Wohnung einige Werthsachen und Kleidungsstücke mit - zunehmen. Ein befreundeter Schweizer versuchte nach ihrer Abreise an - fangs die Wohnung gegen die Wuth des Pöbels zu schützen, der alles zer - trümmernd in dieselbe eindrang; aber er vermochte sich nur mit Lebens - gefahr vor der fanatisirten Bande zu retten. Dr. Levysohn hatte ge - ringe Hoffnung noch einen Rest seines Besitzthums vorzufinden; aber der Anblick des verwüsteten Hauses übertraf selbst unsere schlimmsten Befürchtungen. Weder in dem freundlichen Musiksaale, noch in dem Speisesaale, im Wohn = und Empfangszimmer fanden wir, außer zwei zerstampften Strohstühlen und den Fragmenten eines Gartentisches, eine Spur von Mobiliar mehr vor. Ein kostbarer Erard'scher Flügel, die großen Oelbilder an den Wänden, die nach künstlerischen Zeichnungen ge - schnitzten Stühle, die schweren Damastgardinen, alles war von räuberischen Händen fortgeschleppt. Sogar die Kaminroste waren gewaltsam zertrüm - mert und die eisernen Splitter in den Garten hinab geschleudert. Jn den oberen Etagen das gleiche Bild der Zerstörung! Bettgestelle und Bettzeug, Schränke, Stühle, Wäsche und Silbergeräth waren aus den Zimmern ver - schwunden; nur das Bruchstück eines Waschtisches, aus welchem die Mar - morplatte herausgebrochen, war in den leeren Räumen zu erblicken. Die ganze Bibliothek war verschwunden; von einem herrlichen Porcellan = Ser - vice fanden wir in der Küche einzig die Reste einer zertrümmerten Schale, im Weinkeller nur noch geleerte Flaschen; in einem Zimmer einen Haufen zerrissener und verbrannter Kleidungsstücke; im Garten ein zertretener Kanarienvogelkäfig und Hunderte grüner Correspondenz = Couverts der Kölnischen Zeitung umhergestreut! Der Platzcommandant, Hr. Major v. d. Lochau vom dritten preußischen Garderegiment zu Fuß, welcher uns aufs liebenswürdigste empfieng, war so freundlich durch seinen Adjutanten, Hrn. Premierlieutenant v. Cramm, eine Besichtigung des Hauses vor - nehmen zu lassen, und den völlig verwüsteten und ausgeplünderten Zustand desselben amtlich zu bescheinigen. Während wir uns mit dem feingebil - deten zuvorkommenden Herrn unterhielten, hatten wir Gelegenheit seine Geduld und Urbanität gegenüber der Ungeschliffenheit und Aufdringlich - keit der Franzosen, welche ihn mit allen erdenklichen Anliegen behelligten, zu bewundern. Kaum einer der nicht erst aufgefordert werden mußte die Thür hinter sich zu schließen und die Mütze im wohlgeheizten Zimmer vom Kopfe zu nehmen. Die meisten waren Pariser, welche sich erkundigen wollten wie sie in die Hauptstadt zurück gelangen könnten. Es wurde ihnen stets der Bescheid ertheilt daß sie entweder eines Regierungspasses vom General Trochu oder eines Geleitscheines von dem in St. Germain stationirten französischen Commissär bedürften, und daß in beiden Fällen der Geleitschein von dem preußischen General v. Kessel in der Allée de Courbevoie zu Asnières abzustempeln sei. Trotz dieser deutlichen Erklä - rung waren die schwatzhaften Leute meistens nicht zum Fortgehen zu be - wegen ehe man ihnen die Thür öffnete. Der Maire von Asnières hatte sich anfangs sehr renitent gezeigt. Er behauptete daß weder Wein noch sonstige Lebensmittel in dem Orte vorhanden seien; sobald er jedoch die Drohung vernahm daß man solchen Falls in den Häusern selbst nachsuchen werde, versprach er alles Verlangte zu liefern, und hielt auch Wort.

Als wir Abends den Bahnhof erreichten, ward uns die unangenehme Nachricht daß vor heute Morgens kein Zug mehr nach Versailles gehe. Durch die Freundlichkeit einiger Gardesoldaten, die uns eines ihrer Betten für die Nacht abtraten, fanden wir noch ein Unterkommen in einem ver - lassenen hübsch möblirten Hause. Sogar ein elegantes Pianino war dort zurück geblieben, und wir sangen mit unseren neuen Cameraden bis tief in die Nacht hinein deutsche Lieder, die ein Soldat mit großem Geschick aufdem Claviere begleitete. Eine französische Bäckersfamilie, die im Nachbar - hause wohnte, lud uns ein ihr Abendessen zu theilen. Die guten Leute tischten auf was sie irgend noch besaßen: eine schmackhafte Bouillon, ein Stück Rindfleisch, Sardinen, Wurst, Früchte und trefflichen Rothwein. Der Mann hatte in der berittenen Nationalgarde gedient und alle Leiden der Belagerung in Paris mit durchgemacht. Sein Pferd, das er sich für 2000 Francs angeschafft, war ihm abrequirirt und nur mit 840 Francs bezahlt worden. Er hatte das Fleisch von Pferden, Maulthieren, Eseln, Hunden, Katzen und Elephanten verspeist -- am erträglichsten fand er das Esels = und Hundefleisch, dessen zarten Geschmack er rühmte. Jm Anfange der Belagerung hatte er die großen Spiegelscheiben seines Ladens und des dahinterliegenden Eßzimmers nach Paris geschafft, um sie vor Zertrümme - rung zu schützen. Jn Folge dessen saßen wir zähneklappernd bei Tische, während der Wind durch die offenen Fensterhöhlen heulte und die flackernde Lampe jeden Augenblick zu erlöschen drohte.

Heute Morgens kehrte ich mit einem Personenzuge, deren fortan bis auf weiteres täglich zwei zwischen Paris und Versailles fahren, hieher zu - rück. Der Personenverkehr ist jedoch sehr beschränkt worden, da man in Erfahrung gebracht daß viele französische Officiere in Civilkleidung Paris verlassen um sich nach dem Süden durchzuschleichen. Bei der Ankunft in Versailles wurde jeder Ankömmling aufs genaueste examinirt, um seine Jdentität festzustellen, und mancher konnte erst den Bahnhof verlassen nachdem er von dem anwesenden französischen Commissär oder von herbei gerufenen Bekannten recognoscirt worden war.

*

Aus den Hauptquartieren in Versailles vom 8 Febr. wird dem St. - Anz. berichtet: Es läßt sich schon jetzt übersehen daß der Zug von der Pro - vinz nach Paris hinein ein bei weitem geringerer ist als umgekehrt. So viele Jnteressen, namentlich pecuniärer Natur, die Leute aus den nächstgelegenen Districten an Paris fesseln, von wo sie ihre Renten beziehen, so fürchtet man doch die große Stadt, deren Gesundheitszustand sich nur allmählich in Folge des Ravitaillement bessern wird. Die Zahl der Kranken in den Hospitälern ist eine wahrhaft erschreckende: so befinden sich z. B. in der großen Krankenanstalt unterhalb Bicêtre nicht weniger als 1200 Personen die an den Pocken krank liegen. Durch den Johanniter Grafen Maltzan ist schon vor einigen Tagen mit der internationalen Gesellschaft in Paris verhandelt worden. Man hat die deutschen Verwundeten die sich in Paris befanden diesseits übernommen. Die Pariser Regierung hat ferner ein - gewilligt daß zum Transport verwundeter deutscher Krieger, die nach Lagny evacuirt werden sollen, die Pariser Gürtelbahn benutzt werden darf. -- 9 Febr. Der Prinz Friedrich Karl hat sich gestern Morgen über Orleans ins Hauptquartier Tours zurückbegeben. Der Prinz nahm am letzten Tag seiner Anwesenheit das Mahl bei Sr. Maj. ein, und verweilte den Abend über beim Kronprinzen in der Villa Les Ombrages. Die Fügung hat gewollt daß dieselben Truppentheile des 5. preußischen Armeecorps die im Verein mit den Bayern die kriegerischen Operationen der 3. Armee bei Weißenburg so glücklich begannen, auch das letzte Gefecht, das vor Paris stattfand, bestehen mußten. Das 5. Corps war während des ganzen Kriegs dem Oberbefehl des Kronprinzen unterstellt gewesen, es nahm an dem Vor - postendienst auf der Westfront von Paris in hervorragender Weise theil, indem es gerade die vom Mont Valérien am meisten gefährdeten Stellen, zwischen Sèvres und Rocquencourt, inne hatte. Das Commando des 5. Corps lag in Versailles, der Stab der 9. Division ebendaselbst, der der 10. im Schlosse Beauregard,2 1 / 2 Kilometer von Versailles, auf der Straße zwischen Rocquencourt und St. Cloud.

Wie die Pariser Presse mittheilt, ist eine Commission in Ver - sailles damit beauftragt die nicht vorhergesehenen oder nicht angedeute - ten Details der Convention vom 28 Januar zu regeln. Diese Commission, welche seit dem 9 d. functionirt, ist aus sechs Mitgliedern gebildet, je drei für Frankreich und für Deutschland. Die drei Franzosen sind: de Ring, vom Ministerium des Aeußern, der Cabinetschef des Polizeipräfecten und ein Oberst des Generalstabs vom Kriegsministerium. Die drei deutschen Commissäre sind den entsprechenden administrativen Stellungen ent - nommen.

* Der Präfect von Lyon, Challemel Lacour, hat seine Entlassung eingereicht, und ist durch Valentin, den ehemaligen Präfecten von Straß - burg, ersetzt worden. Jn einer Sitzung des Stadtraths vom 7 erstatteten die HH. Hénon, Barodet und Vallier Bericht über ihre Sendung nach Bordeaux, um den Krieg bis aufs äußerste zu verlangen, doch verlautet nichts über den Jnhalt desselben. Am nämlichen Tage wurden den drei Legionen des Elsaßes und Lothringens die Fahnen verliehen, dieselben sind von den Damen der Departements Ober = und Niederrhein und Mosel gefertigt worden. Die in Lyon anwesenden Elsäßer und Lothringer mach - ten dabei eine Demonstration, indem sie eine Fahne mit der Jnschrift Elsaß und Lothringen bleiben französisch vor sich hertrugen. Als die Fahne der 2. Legion durch den Unterpräfecten Heinrich von Mülhausen mit dem Bemerken überreicht wurde daß sie von den Damen Colmars ge - arbeitet sei, leisteten die Officiere mit lauter Stimme einen Eid diese Fahne nach Colmar zurückzutragen. Wie zahlreich diese Legionen sind, ist nicht gesagt, doch scheinen auch andere den Elsäßern mehr oder minder verwandte785Elemente diesen Truppen beigefügt zu sein: so sind der 3. Legion die Frei - schützen von Constantine einverleibt.

Deutsches Reich.

* München, 14 Febr. Se. Maj. der König hat im Laufe des heutigen Nachmittags zahlreiche Audienzen ertheilt. -- Wie mehrere Blätter mittheilen, werden die Minister Graf Bray und Frhr. v. Pranckh wieder nach Versailles gehen, sobald Aussicht auf das Zustandekommen von Friedensunterhandlungen geboten ist. Da gleichzeitig die drei Mi - nister v. Lutz, v. Schlör und v. Pfretschner im deutschen Bundesrath zu Berlin beschäftigt sind, bliebe also in diesem Fall nur der einzige Mini - ster des Jnnern, Hr. v. Braun, in München und in thatsächlicher Aus - übung seiner Functionen. -- Allmählich treten die hauptsächlichsten Candidaturen für die Reichstagswahl bestimmter hervor. Die Münchener Candidaturen verzeichnet unsere sym5 Correspondenz. Das auch in der A. Z. Nr. 41 Beil. erwähnte Programm der liberalen Partei fand in einer gestern abgehaltenen größeren Parteiversammlung entschiedene Billigung. Ueber die Wahlbestrebungen in Mittelfranken bringt der Fränk. Kurier einen Be - richt. Danach ist für Nürnberg von einer Versammlung dortiger Ver - trauensmänner Karl Crämer als Candidat aufgestellt worden. Jm Wahl - bezirk Rothenburg wünscht ein Theil der fortschrittlichen Wähler Dr. M. Barth, ein anderer den Bürgermeister Grieninger von Uffenheim zum Vertreter. Jm Wahlbezirk Eichstätt = Weißenburg dürfte der entgegen - stehenden katholisch = patriotischen Bestrebungen wegen der Kampf kein leichter sein. Ober = Staatsanwalt Hohenadel hat die Candidatur abge - lehnt; ein großer Theil der liberalen Wähler hat sich für Staats - anwalt Wülfert in München entschieden. Jm Wahlkreis Erlangen - Fürth spalten sich die Sympathien noch zwischen Prof. Marquardsen von Erlangen und Advocat Frankenburger von Nürnberg. Jm Wahl - kreis Dinkelsbühl = Gunzenhausen lenken sich die Stimmen der Fort - schrittspartei ungetheilt dem Rechtsanwalt Erhard, dem Vertreter des Bezirks im Zollparlament, zu. Jn Ansbach = Schwabach scheint man noch keine Wahl getroffen zu haben, ein großer Theil der Wähler möchte Prof. Marquardsen gewinnen. Es verdient Erwähnung daß mehrere, namentlich patriotische, Candidaten, wie z. B. Advocat Freytag, der für Amberg ausersehen war, sowie Frhr. v. Ow für Landshut, Dr. Jörg für Neumarkt in der Oberpfalz, kategorisch jede Candidatur für die bevorstehenden Reichstagswahlen abge - lehnt haben. Jn gleicher Weise hat, der Augsburger Abendztg. zu - folge, der gegenwärtige Kammerpräsident Dr. Weis die Erklärung abgegeben unter keinen Umständen eine Wahl für den Reichstag an - nehmen zu wollen. Dem genannten Blatte wird versichert daß Hr. Dr. Weis, wie schon früher verlautet hatte, wirklich zum Präsidenten des Appellgerichts in Zweibrücken ernannt worden, aber diesen Posten nicht eher antreten werde als bis er durch den Schluß des Land - tags von den Geschäften des Präsidiums befreit sei. Auch Abg. Behrmühler (liberal), welcher von vielen Seiten für den Wahlkreis Rosenheim als Candidat für den Reichstag in Aussicht genommen war, hat sich entschie - den dahin erklärt daß er eine auf ihn fallende Wahl nicht annehmen werde. -- Se. Maj. der König hat von dem ihm zur Verfügung stehen - den Gewinn = Antheile der München = Aachener = Mobiliar = Feuerversicherungs - Gesellschaft einen Beitrag von 3000 Gulden dem Staatsministerium des Jnnern zur Vertheilung an hülfsbedürftige Familien verheiratheter bayerischer Reservisten und Landwehrmänner überwiesen. -- Das Fürther Tagblatt ist jüngst, wegen eines Jnserats in welchem zu einer Wahlver - sammlung der social = demokratischen Arbeiterpartei eingeladen war, mit Be - schlag belegt worden. Von Seiten des Fürther Bezirksgerichts ist nun gegen die Redaction des Blattes, sowie gegen den Unterzeichner jenes Jn - serats, Hrn. Löwenstein, strafrechtliche Untersuchung auf Grund des Art. 118 des Strafgesetzbuches eingeleitet worden.

sym5 Munchen, 14 Febr. Dem für die bevorstehenden Wahlen zum Reichstage für den Wahlbezirk München I von liberaler Seite als Candidaten aufgestellten Abg. Frhrn. v. Stauffenberg ist jetzt von der Cen - trumsfraction der patriotischen Partei der Abg. Radspieler als Gegen - candidat gegenüber gestellt. Für München II stellt die liberale Partei den Abg. Stadtrichter Kastner auf, während sich die Centrumsfraction über einen Gegencandidaten erst noch schlüssig machen will. -- Bei eini - gen Spitalzügen die von hier nach Frankreich abgiengen, sollen, nach Mit - theilungen die kürzlich der Volksbote brachte, sehr bedenkliche Unregel - mäßigkeiten u. s. w. vorgekommen sein, und es hat sich, wie wir verneh - men, das k. Kriegsministerium veranlaßt gesehen eine Untersuchung in dieser Beziehung einleiten zu lassen, deren Ergebniß selbstverständlich ab - zuwarten ist.

sym22 Stuttgart, 14 Febr. Die Bewegung durch die Reichstags - wahlen ist nunmehr im vollen Gang. Jn Stuttgart selbst verspüren wir zwar wenig davon, da hier eine Gegencandidatur gegen den nationalen Bewerber nicht ernstlich aufgestellt worden ist. Der nationale Candidat Kaufmann Gustav Müller hatte zur Zeit der Zollparlamentswahl, wo er gleichfalls als Bewerber auftrat, den Fabricanten Commercienrath Knosp gegen sich, einen sehr beliebten Geschäftsmann von großem Ruf, welcherauch die Mehrzahl der Stimmen auf sich vereinigte. Dießmal hat Hr. Knosp eine Candidatur abgelehnt; ebenfalls Commercienrath v. Hallberger, von dem gleichfalls die Rede war. Ein Wahlkampf besteht also nicht, so wenig als im zweiten Wahlkreise, wo Professor Reyscher zu Canstatt, und im dritten, wo Staatsrath Goppelt (Märzminister der Finanzen) zu Heil - bronn aufgestellt wurde. Jm vierten Wahlkreise, der aus den Oberamts - bezirken Böblingen, Leonberg, Maulbronn und Vaihingen gebildet ist, ist von den Nationalen Dr. Otto Elben aufgestellt. Staatsminister Frhr. v. Neurath, der im Wahlkreise begütert ist und ins Zollparlament gewählt war, hat öffentlich erklärt eine Wahl nicht annehmen zu können. Ob Staatsminister Frhr. v. Varnbüler, der gleichfalls im Bezirk begütert ist und von dem gesprochen wurde, als Wahlbewerber auftritt, ist zur Zeit noch unbekannt. Jm fünften Wahlbezirk ist der Director der großen Ma - schinenfabrik zu Eßlingen Emil v. Keßler als Candidat aufgestellt; früher wurde auch Oberstaatsanwalt Lenz genannt. Jm sechsten Wahlkreise, Neutlingen, Rottenburg, Tübingen, hat der frühere Kriegsminister Frhr. v. Wagner zu Frommenhausen bis jetzt keinen Gegner. Dagegen hat der siebente Wahlkreis (Calw, Herrenberg, Nagold, Neuenbürg) zwei Candi - daten. Von nationaler Seite bewirbt sich Commercienrath Chevalier in Stuttgart, die Großdeutschen und die Volkspartei werden auf den k. nie - derländischen Generalconsul Emil v. Georgii, Theilhaber des Bankhauses Dörtenbach und Comp., stimmen, welcher namentlich im Oberamtsbezirk Calw großen Anhang hat. Jm achten Wahlkreise (Freudenstadt, Horb, Oberndorf, Sulz) werden nicht weniger als vier Candidaten genannt. Eine Versammlung in Sulz hat sich auf Oberstudienrath Frisch geeinigt, den Rector der hiesigen Realanstalt, welcher den Bezirk schon 1848 und 1849 in Frankfurt a. M. vertreten hatte. Außerdem sind noch vorgeschlagen: Staatsminister v. Linden und Frhr. Hans v. Ow d. Jung. auf Wachen - dorf, beide im Bezirk begütert, und endlich Oberamtsrichter Wirth. Jm neunten Wahlkreis (Balingen, Rottweil, Spaichingen, Tuttlingen) sind drei Candidaten genannt: seitens der Nationalen der frühere Kriegs - minister Frhr. v. Wiederhold, seitens der Großdeutschen und Klerikalen Graf Cajetan v. Bissingen = Nippenburg, diese beiden im Bezirk als Ritter - gutsbesitzer, und Pfarrer Dr. Ruckgaber in Wurmlingen. Jm 10., 11., 12., 14. und 15. sind bis jetzt nur je ein Bewerber genannt, und zwar seitens der Nationalen Dr. Hölder und Obertribunalrath v. Weber in Stuttgart, der Fürst v. Hohenlohe = Langenburg, Prof. Römer in Tübingen und Stadtschultheiß Schmid in Munderkingen. Jm 13. (Aalen, Ell - wangen, Gaildorf, Neresheim) stehen dem Großdeutschen Moriz Mohl die beiden Nationalen Kreisgerichtsrath Streich in Ellwangen und Frhr. Georg v. Wöllwarth, im 16. (Biberach, Leutkirch, Waldsee, Wangen) dem Groß - deutschen Rechtsanwalt Dr. Probst in Stuttgart der Fürst v. Waldburg - Zeil und Rechtsanwalt Schnitzer gegenüber. Jm 17. Wahlkreis ist bis jetzt nur Staatsminister Frhr. v. Linden genannt. -- Mit den Vorarbeiten der wichtigen Bahnstrecke Heidenheim = Ulm (deren voller Ausbau zur Zeit noch, und bis 1875, durch Staatsvertrag mit Bayern von der Zustimmung des letzteren Staats abhängig ist) soll in nächster Zeit begonnen werden, da nun ein Theil des auf der untern Jagstbahn (Strecke Jagstfeld = Oster - bucken) verwendeten Baupersonals entbehrlich und beschäftigungslos ge - worden ist. Es soll den Sitz in Giengen a. d. Brenz erhalten. Zunächst dürfte es sich nur um Terrainaufnahmen zwischen Heidenheim und Sont - heim a. d. Brenz handeln.

(--) Berlin, 13 Febr. Trotz der Zuversicht mit der man im Hauptquartier dem baldigen Zustandekommen des Friedens entgegensieht, dauern die Beförderungen an Ersatzmannschaften und Armeematerial nach dem Kriegsschauplatz ununterbrochen fort, und werden die Aushebungen in einem Umfange betrieben als ob wir noch lange nicht mit dem Kriege zu Ende wären. Auch sind in einzelnen Provinzen, namentlich in Schle - sien, die sistirt gewesenen Barackenbauten seit einigen Tagen wieder auf - genommen. Jm Publicum erregen diese Thatsachen vielfach eine gewisse Beunruhigung, die man jedoch in unseren politischen Kreisen durchaus nicht theilt. Allem Anschein nach haben auch jene Anordnungen nur die Bedeutung von Vorsichtsmaßregeln. -- Unter den französischen Kriegs - gefangenen ist die Sterblichkeit eine ganz enorme, und je weiter nach Nor - den hinauf nimmt sie an Ausdehnung zu -- ein neuer Beweis wie wenig die zarte Natur der Franzosen dem rauhen Klima unseres Nordens zu wi - derstehen vermag. -- Jn der allgemeinen Wahlbewegung haben sich die Conservativen bis jetzt äußerlich am lässigsten, die Katholiken dagegen am regsamsten gezeigt. Dem Programm der letzteren hat sich jetzt auch der frühere preußische Gesandte in Madrid, Graf Galen, angeschlossen, der sich auf Grund dieses politisch = religiösen Glaubensbekenntnisses im Wahl - kreis Brilon = Lippstadt um ein Mandat bewirbt. Denselben Wahlkreis vertrat der Graf im verfassungberathenden Reichstag. Seitdem hatte er eine Wiederwahl abgelehnt, die er jedoch heut 'unter veränderten Ver - hältnissen wünscht, da es sich jetzt um die Befestigung des glorreich neu786erstandenen deutschen Reichs auf der Grundlage des Rechts und der Frei - heit in kirchlicher wie in politischer Beziehung handle.

Oesterreichisch = ungartsche Monarchie.

* Wien, 14 Febr. Die officiöse W. Abendpost veranstaltet eine Auswahl von Aeußerungen der Provincialpresse welche dem neuen Mini - sterium mehr oder weniger günstig lauten. Wie uns geschrieben wird, hat die eigentliche Redaction des officiösen Blattes an diesem Florilegium kei - nen Antheil genommen. Außerdem bringt die W. Abendpost ein Mit - getheilt, worin die in der Allg. Ztg. Nr. 42 gebrachten Enthüllungen über die Entstehungsgeschichte des Ministeriums Hohenwart als willkür - liche Erfindungen charakterisirt werden. Bezüglich der Angabe unseres Gewährmannes daß der gegenwärtige Handelsminister Dr. Schäffle die bekannten (gegen den Reichskanzler Grafen Beust gerichteten) diffamiren - den Artikel des Oekonomist geschrieben habe, erklärt die W. Abendp. auf das bestimmteste daß der Handelsminister jede Beziehung zur Autor - schaft der betreffenden Artikel mit seinem Ehrenwort abgelehnt habe. Es kommt der Redaction der Allg. Ztg. begreiflicherweise nicht bei ein so bestimmtes und augenscheinlich autorisirtes Dementi anzuzweifeln. Unsere Quelle mag in diesem Punkt einer irrthümlichen Muthmaßung zu kategorischen Ausdruck gegeben haben; im übrigen aber müssen wir, durch vielfältige Er - fahrungen gegen officiöse Abläugnungen mißtrauisch gemacht, es unserem als zuverlässig erprobten Bürgen überlassen ob er sich selbst zu dementiren innere Nöthigung empfindet. -- Wie man dem Pester Lloyd schreibt, soll Graf Hohenwart gegenüber dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses sich geäußert haben wie wünschenswerth es sei daß das Parlament seine Ar - beiten möglichst beschleunige und so rasch als denkbar mit dem Budget zu Ende komme. Es handle sich dabei in vorderster Reihe um die Delega - tionen, die bereits im Mai d. J. zusammentreten sollen um rechtzeitig mit dem gemeinsamen Budget für 1872 zu Stande zu kommen. Dieser Termin -- fügte der Minister hinzu -- gehöre mit zu den von der Regierung auf - gestellten Principien, und bilde einen der Punkte des Regierungsprogramms das vom Kaiser die Genehmigung erhalten. -- Das Abendblatt der amt - lichen Grazer Ztg. veröffentlicht ein Circular des Ministerpräsidenten Grafen Hohenwart an die Landeschefs. Dasselbe betont die Fernhaltung von dem Parteigetriebe, eine wahrhaft freisinnige Politik, die strenge Durchführung der Gesetze und die Wahrung der Gesetzes = Autorität. -- Auf den 19 war schon seit längerer Zeit eine Versammlung der Verfassungs - partei nach Linz anberaumt gewesen. Wegen des am 20 Febr. erfolgenden Zusammentritts des Reichsraths und vorher nothwendiger Clubbesprechun - gen ist dieser Parteitgag nunmehr auf den 26 d. M. nach Wien verlegt worden. -- Die Erzherzogin Marie Annunziata ist an einem Lungenlei - den so schwer erkrankt, daß das amtliche Bulletin ernsten Befürchtun - gen Raum gibt. Die Kräfte seien in Folge intensiven Fiebers mehr und mehr im Sinken.

sym13 Wten, 14 Febr. Die Stellung des Leiters der auswärtigen Politik erscheint für den Augenblick wohl als eine unerquickliche, aber nicht als bedroht; das könnte sie erst dann werden wenn sich ergeben sollte -- wofür bis jetzt alle Anhaltspunkte fehlen -- daß die Wendung der Dinge im Jnnern auch die Kreise der auswärtigen Politik zu stören berechnet sei. Daß freilich diese Wendung im Jnnern größere Kreise zu ziehen beginnt, wird weiter durch die Ernennung Tóths in Ungarn zum Minister des Jnnern, Paulers zum Cultus = und Unterrichtsminister und Pejacsevichs zum croatisch = slavonischen Minister bestätigt; denn obgleich nur drei neue Mitglieder des Cabinets, nicht ein neues Cabinet geschaffen worden, leidet es doch keinen Zweifel daß dieselben ein Pfahl im Fleische der Deak - Partei sind, und daß sie die bisher nur langsam vorschreitende Zerbröcke - lung dieser Partei und der aus ihr hervorgegangenen Regierung wesent - lich beschleunigen werden und vielleicht sollen. -- Eine Aeußerung aus Florenz, welche der Besorgniß Raum gegeben daß der Cabinetswechsel in Oesterreich eine Aenderung in der Stellung der Monarchie zur römischen Frage in sich schließen möchte, ist dem Vernehmen nach sofort mit der be - stimmten Erklärung beantwortet worden: daß Graf Trauttmansdorff keine anderen Jnstructionen erhalten habe, und erhalten werde, als durch den in den Depeschen des Rothbuchs genau bezeichneten Standpunkt bedingt erscheinen.

B. Pest, 12 Febr. Die Ministerernennungen welche das heutige ungarische Amtsblatt veröffentlicht, entsprechen vollkommen dem System das sich Andrássy gebildet hat, und das er folgerichtig durchzuführen bestrebt ist, so oft ein Ministerportefeuille vergeben werden soll, dem System nämlich nur von ihm abhängige, politisch wenig bedeutende Männer in das Mini - sterium aufzunehmen, wie schon merkwürdigerweise die Vorschläge an den Monarchen zur Besetzung der Ministerposten durchaus nicht im Minister - rath, wie man wohl glauben sollte, berathen werden, sondern einfach durch den Ministerpräsidenten erfolgen. Graf Pejacsevich, zum Minister für Croatien ernannt, ist ein liebenswürdiger Cavalier, dem Hause Andrássy höchst befreundet, bis jetzt aber mehr auf dem Felde des Sport als dem der Politik heimisch. Hr. v. Tóth, der bis jetzt Unterstaatssecretär im Mi - nisterium, des Jnnern gewesen, tritt nunmehr an die Spitze dieses Mini - steriums das er seit der Erkrankung des Ministers Rajner ohnedieß eigent -lich geleitet hat. Seine rasche Laufbahn verdankt er einzig und allein dem Grafen Andrássy, im Abgeordnetenhause steht er an der Spitze der ministe - riellen Partei, der Mameluken, wie er denn überhaupt Parteimann im strengsten Sinn des Wortes ist, so daß ihm die Existenz der Linken allein schon ein Verbrechen scheint. Tóth besitzt viel parlamentarische Beredsam - keit, einen gewissen nüchternen Verstand mit lebhaftem Sinn für das prak - tische Geschäft. Das Municipalgesetz stammte aus seiner Feder, nur hätte er dem Comitat noch etwas weniger Autonomie gewähren mögen. Er ist der Ansicht, die er einmal im Parlament ausgesprochen, daß der Centra - lismus für die Regierung sehr bequem sei. Wie von Tóth wird Graf An - dr ássy auch von dem neuernannten Cultus = und Unterrichtsminister Hrn. Pauler keine Opposition in der hohen Politik zu gewärtigen haben. Ein tüchtiger, etwas trockener akademischer Lehrer wie er ist, mit einer Kathe - derberedsamkeit die lebhaft an jene Hasners erinnert, hält man nicht viel von der Energie und Unabhängigkeit Paulers gegenüber dem hohen Kle - rus. Pauler scheint uns entschieden klerikal gefärbt zu sein; er wußte die Pester Universität bis heut 'in den Banden der alten Bestimmungen aus der Concordatszeit zu erhalten, und was er in dem Katholikencongreß gesprochen, war gerade auch nicht im Sinne der liberalen Laienwelt. Diese klerikale Färbung scheint jedoch eben den Grafen Andrássy zur Wahl Paulers bestimmt zu haben, gilt es doch in dem gegenwärtigen Augen - blick, wo die Klerikalen wieder vordrängen, auch mit diesem Lager Füh - lung zu behalten. Jedenfalls wird der katholische Klerus mit der Ernen - nung Paulers einverstanden sein, weniger die liberale öffentliche Mei - nung, noch weniger die Protestanten. Für Eötvös einen würdigen Nach - folger zu finden war eben nicht leicht, aber etwas mehr hätte sich Graf An - dr ássy schon anstrengen dürfen. Nun besitzt das ungarische Ministerium nur noch zwei unabhängige Mitglieder, Horváth und Gorove; die übri - gen sind bereits sämmtlich Geschöpfe Andrássy 's und ihm ergeben. Auf diese Art gelangen wir bald zu einem Ministerium aus einem Guß, d. h. zu einer Regierung wo Andrássy allein noch Minister, der Rest aber zu Bureauchefs, die man artigerweise Minister nennt, herabgesunken sein wird. Mit Bezug auf das Land scheint es uns etwas gefährlich das ganze System auf einen Mann und einen Kopf zu concentriren. Mit dem Sturz dieses einen fällt dann auch das ganze System. -- Die Vorgänge jenseits der Leitha werden natürlich hier viel besprochen, im ganzen ziem - lich objectiv. Ungarn wird auch in seiner Objectivität verharren solange drüben nichts gegen Ungarn geplant wird. Ungarn in den Kreis ihrer politischen Reconstructionen einzubeziehen mögen sich jedoch die Herren drüben wohl hüten, es könnte hier ein Sturm losbrechen stärker als jener letzte, dessen Erinnerung aus dem Gedächtniß mancher Planmacher in Wien bereits verschwunden zu sein scheint.

Schweiz.

Bern, 13 Febr. Jn seiner heutigen Sitzung beschloß der Bundesrath auf Antrag des Militärdepartements den General Herzog zur Entlassung der aufgebotenen eidgenössischen Truppen bis auf zwei Brigaden, welche unter das Commando des Obersten Meier von Bern gestellt sind, zu ermächtigen. Da es sich augenblicklich nur noch um die Handhabung des Polizeidienstes an der Westgränze von St. Cergues bis Genf handelt, sind zwei Brigaden vollständig ausreichend. Die Entlassung des großen Stabes ist dem Ermessen des Generals Herzog anheimgestellt. -- Endlich hat man über die Zahl der internirten Mannschaften der Ostarmee be - stimmte Angaben. Die vom eidgenössischen Militärdepartement entworfene Liste der Jnternirten zeigt -- vertheilt auf die Kantone -- folgende Zahlen: Officiere: Zürich 392, St. Gallen 150, Luzern 539, Baden 364, Jnter - laken 290, Freiburg 53, im ganzen 1788. Mannschaften: Zürich 8857, Bern 21,328, Luzern 5086, Uri 383, Schwyz 911, Obwalden 350, Nied - walden 359, Glarus 607, Zug 640, Freiburg 4426, Solothurn 2263, Baselstadt 1309, Baselland 1412, Schaffhausen 1057, Appenzell A. Rh. 1191, St. Gallen 5692, Graubünden 1025, Aargau 6392, Thurgau 3200, Waadt 10,000, Wallis 1060, Neuenburg 1092, Genf 1149, im ganzen 79,789 -- also zusammen 81,577 Mann. Demnach ist die bei dem Conventionsabschluß am 1 Febr. angenommene An - zahl von ungefähr 84,000 Mann schließlich doch noch fast erreicht worden. Gewiß keine geringe Last! Trotz den großen Schwierigkeiten welche die Jn - ternirung namentlich zur jetzigen Jahreszeit machen mußte, ist dieselbe jedoch in bester Ordnung vor sich gegangen, was der Umsichtigkeit und der organisatorischen Fähigkeit der eidgenössischen Militärverwaltung, an deren Spitze Bundesrath Welti steht, alle Ehre macht. Ein auf der Kanzlei dieses Departements eingerichtetes Auskunftsbureau, das mit Vermittlung der Correspondenz der Jnternirten beauftragt ist, wird noch eine Liste der - selben mit ihrem Namen, Geburtsorten ec. ausarbeiten. -- Von der 15 Mil - lionen = Anleihe sind bis heute 7 Millionen gedeckt worden. -- Aus dem Kanton Wallis berichtet man dem Bundesrath über neue Umtriebe der Jesuiten. Jn Fully sollen sie eine Mission abhalten. Die dortige Regie -787rung ist zur Berichterstattung aufgefordert worden. -- Heute hat der Bun - desrath eine Commission, bestehend aus Landammann Heer, Nationalrath Stämpfli, Jngenieur Koller, Director Stoll und Director Grandjean, für Berathung eines vom eidgenössischen Departement des Jnnern ausgearbei - teten Gesetzentwurfs über den Betrieb und Vau von Eisenbahnen ein - gesetzt. Bekanntlich hat die Bundesversammlung die Vorlage eines solchen Gesetzes beantragt.

Frankreich.

#. / Aus dem Elsaß, 14 Febr. Unsere Presse müht sich sichtlich ab einen localeren Charakter zu gewinnen. Die von den Ereignissen un - berührt gebliebenen Blätter sind noch ebenso abgeschmackt und leer wie früher; die von den deutschen Behörden beeinflußten werden von den Ein - heimischen, die ja allein über die vorübergehenden und örtlichen Jnteressen zu berichten vermögen, nur selten einer Correspondenz gewürdigt. Doch ist im ganzen ein Fortschritt bemerkbar, und namentlich der Straßburger Zeitung, dem officiösen Organ, ist es gelungen die Rubrik Locales, unter der sie anfangs nur von Diebstählen, Betrunkenen und Selbstmor - den zu berichten hatte, jetzt regelmäßig mit kleinen Mittheilungen aus Mülhausen, Zabern, Weißenburg u. s. w. auszufüllen. Cine Angelegen - heit die sie neulich angeregt hat, ist auch für weitere Kreise von Jnteresse. Von der früher in Frankreich allgemeinen Käuflichkeit der Aemter ist ein Rest noch in Geltung, die Käuflichkeit der Stellen der Notare, Anwälte, Gerichtschreiber und Gerichtsvollzieher. Der Mißbrauch wurde im Jahr 1816 neu sanctionirt, als die französische Regierung zur Bezahlung der von den deutschen Mächten geforderten Contribution Geld brauchte, zu diesem Zweck die Cautionen der genannten und einiger weiteren Katego - rien erhöhte, und ihnen die Verkäuflichkeit ihrer Plätze als Aequivalent gewährte. Der Gesammtwerth dieser Stellen in dem an Deutschland ab - zutretenden Gebiete wird auf fünf Millionen Franken veranschlagt -- eine Summe die erklärlich macht wenn die Elsäßer der Entscheidung, ob bei der zu erwartenden Abschaffung der Käuflichkeit den jetzigen Besitzern Entschädigung geleistet werde, mit Spannung entgegensehen. Von einer Pflicht zur Abfin - dung seitens Deutschlands kann wohl nicht die Rede sein, da in Deutschland die Ernennung der Beamten als ein unveräußerliches Souveränetätsrecht an - gesehen wird, und die deutsche Regierung das Veräußerungsrecht der der - maligen Stellenbesitzer als gültig nicht anerkennen kann. Zweifelhafter liegt die Zweckmäßigkeitsfrage. Die Bedrohten haben die Stellen alle in gutem Glauben gekauft, dafür ihr Vermögen ganz oder größtentheils hin - gegeben, und bilden eine zahlreiche und einflußreiche Classe, die man nicht gern zum Feinde hat. Daneben kann aber nicht übersehen werden daß ge - rade die Classe der Anwälte, Notare u. s. w. es ist welche der deutschen Verwaltung bisher die consequenteste Opposition gemacht hat, und voraus - sichtlich unter allen Umständen auch fernerhin machen wird. Wenn die Gerichtssprache deutsch wird, werden diese Herren, die der deutschen Sprache nur unvollkommen mächtig sind, von vielen Clienten ihren aus dem Reich herüberkommenden Concurrenten bald nachgesetzt, und dadurch in ihrem von der Mehrzahl der Gebildeten gehegten Zorn über Deutschland noch bestärkt werden. Die fähigsten Oppositionsmitglieder stellt der Juristen - stand überall und in Frankreich vorab. Es könnte der Fall eintreten daß die Entschädigungsgelder zur politischen Agitation verwendet werden, und die Abfindung käme dann darauf hinaus daß, um einer antideutschen kleinen Classe eine Wohlthat zu erweisen, den uns geneigten Bauern und überhaupt der Masse der Bevölkerung, die den Mißstand lange genug ge - tragen hat, in Form von Steuern das dazu nöthige Geld abgenommen werden müßte. Solche Erwägungen könnten es rechtfertigen wenn ein - fach der Rechtsstandpunkt festgehalten, und den Betheiligten überlassen würde ihre Entschädigungsansprüche bei der französischen Regierung anzu - bringen oder in das französisch bleibende Gebiet überzusiedeln.

Jtalien.

sym7 Florenz, 12. Febr. Die Zeitungen, zumal die radicalen, bringen Telegramme aus Nizza, wonach der Conflict zwischen der italienisch ge - sinnten Bürgerschaft und den französischen Behörden bereits zu Blutver - gießen geführt hat. Letztere hatten das secessionistische Blatt Jl Diritto, worin die in meinem Briefe vom 7 d. erwähnte Adresse der Nizzarden an Garibaldi erschienen war, unterdrückt, und dadurch kam es zum Losbruch. Die Nachrichten über den Ausfall der nizzardischen Wahlen lauten wider - sprechend. Die ersten Telegramme berichteten daß die vier Candidaten der Secessionisten, darunter Garibaldi, gewählt worden, und daß der fran - zösische Candidat Dufraisse durchgefallen sei. Heute aber ist ein anderes Telegramm angelangt, wonach neben drei Namen der secessionistischen Liste, worunter Garibaldi, auch Dufraisse gesiegt hätte. Jedenfalls werden wir in der nächsten Zeit viel von Nizza hören. Garibaldi, der in das Verblei - ben seiner Vaterstadt unter französischer Herrschaft sich wohl geschickt hätte wenn diese Herrschaft nur den Namen der Republik trug, dürfte plötzlich wieder ein eifriger Nizzarder Localpatriot werden, wenn die Dinge inFrankreich die Richtung der Wiederherstellung der Monarchie einschlagen sollten. Und das scheint ja in der That der Fall zu sein, wofern man nach den bis jetzt bekannt gewordenen Wahlergebnissen urtheilen darf. Auch müssen die paar tausend rothbehemdeten Jtaliener nicht vergessen werden welche noch in Frankreich stehen, und denen es leicht einfallen könnte, sich für die Enttäuschungen die sie als Frankreichs Verbündete haben schlucken müssen, durch die Vefreiung Nizza's vom französischen Joch entschädigen zu wollen. Die italienische Regierung befindet sich in sehr ungemüthlicher Stimmung. Sie möchte gern wie der Vogel Strauß den Kopf unter die Flügel stecken, um nur von dieser dummen nizzardischen Geschichte nichts zu sehen. Es ist aber auch eine Schmach und Schande: haben diese Niz - zarden vor kaum zehn Jahren ihre heißen Wünsche für die Vereinigung mit Frankreich kund gegeben, kund gegeben in untrüglichem Plebiscit, und nun kommen sie plötzlich und behaupten sie wollten nicht zu Frankreich gehören, sie seien Jtaliener. Und das eben in dem Augenblick da Hr. Bonghi (in dem schon erwähnten Aufsatz über den Bismarckismo ) nachweist daß die Ab - tretung Nizza's an Frankreich die edelste Bethätigung gewesen sei jenes neuen von den lateinischen Nationen geschaffenen Rechtes friedlicher An - nexionen und aus der Tiefe des Volksgewissens hervorgehender Plebiscite -- eines Rechtes welches die alles Gerechtigkeitssinnes baren Germanen nicht durch freiwillige Abtretung des linken Rheinufers haben anerkennen wollen.

= = Rom, 11 Febr. Prinz Humbert ist als Befehlshaber des hier und in den Provinzen garnisonirenden ersten Armeecorps so thätig wie der k. Commissarius Gadda als Civilgouverneur. Dieser hat in einem Aufrufe die Römer um ein vertrauensvolles Entgegenkommen und ein - müthiges Zusammenwirken für denselben Zweck ersucht, dann werde alles gut gehen. Lamarmora's Abgang wird von keiner Partei bedauert -- oleum et operam perdidit -- er will künftig seine Zeit militärischen Stu - dien widmen, besonders einer Geschichte der Taktik, vor allem aber einen ausführlichen Bericht über die Schlacht bei Custoza beendigen, da seine damalige Vefehlsführung nun schon seit fünf Jahren der Gegenstand bitterer Kritik gewesen ist. Die Klerikalen haben er und seine Räthe am wenigsten befriedigt; der Osservatore Romano vom 9 Febr. betheuert: Die piemontesischen Proconsuln schädigten Rom in allen seinen Jnter - essen und immer mit dem erlogenen Namen von Freiheit auf den Lippen; sie haben mehr geschadet als die Barbaren, die es in den vergangenen Jahrhunderten einnahmen und ausplünderten. Auch die Perseveranza kann nicht begreifen wie die Vertreter der Regierung in Rom so viele Menschen von der Liebe zu der neuen Verfassung in so kurzer Frist abwendig machen konn - ten. Der neueste Fehlgriff Sella's ist die an die Vertreter des Municipiums gerichtete Forderung von 3,300,000 Lire als jährliche Consumtionssteuer. Eine nach Florenz gesandte Deputation, bei welcher sich der jüdische Kaufmann Alatri befand, hat mit ihren Gegenvorstellungen nichts ausgerichtet, denn dort braucht man Geld, viel Geld. -- Kaum hatte der Papst das Decret vom 3 d. M. über die Verlegung der Hauptstadt hierher in der officiellen Zeitung gelesen, als er die um ihn waren entließ. Es scheint er wollte sich in der Einsamkeit gegen seine Gewohnheit ganz dem Schmerze überlassen. Am nächstfolgenden Tage war er bei Tische so schweigsam daß es auffiel, nur kurze Bemerkungen fielen von seinem Munde, denen man anmerkte daß die Seele Fassung suchte. Als das von Monsignor Charvaz ihm ver - machte Dintenfaß, dessen Pius VI sich während seiner Gefangenschaft in Valence bediente, neulich überbracht wurde, erinnerte er an das Diptychon desselben Papstes, dessen Anblick ihn 1848 zu der Reise nach Gaëta be - stimmte. Pius IX würde zweifelsohne auch jetzt noch die Stadt verlassen, wenn er in seinem Siechthum hoffen könnte einige hundert Meilen auf der Eisenbahn und eine Strecke Meeres ohne Gefahr zurückzulegen. -- Jch hatte gehofft heute am Eröffnungstag Jhren Lesern eine glänzende Carnevals - scene vorzuführen, denn die dazu gemachten Vorbereitungen waren außer - ordentliche. Lange vorher war die Parole des Tags gegeben: il primo carnevale di Roma libera, ein Fasching des freigewordenen Roms; solche Schlagworte verfehlten hier nie ihre Wirkung. Gestern strahlte die Stadt im goldenen Sonnenschein, warum sollte man gleiches nicht auch heute erwarten? Allein schon vor Tagesanbruch öffneten sich wasserschwere Wolken, es regnete ohne aufzuhören, die Freude war für heute vereitelt. Die Klerikalen reiben sich die Hände und lachen dazu wie Kinder. Ein Nachtrag des Quästors verbietet das Tragen der Gesichtsmasken in den Straßen während der Nacht.

Verschiedenes.

München, 14 Febr. Se. Maj. der König hat bereits mehrfach Veranlassung genommen der opferwilligen Theilnahme welche in allen Kreisen der Bevölkerung zu Gunsten der im Felde stehenden deutschen Krieger sich kund - gegeben hat, den huldvollen Ausdruck allerhöchster Anerkennung zuzuwenden. Neuerdings wurde dieselbe der Frau Gräfin v. Bernstorff zutheil, welche für die in den Festungen und auf den Jnseln der Westküste Frankreichs internirten788bayerischen Kriegsgefangenen in aufopfernder erfolgreicher Thätigkeit Erleichte - rung in jeglicher Weise verschaffte. Das bezügliche königl. Handschreiben lautet: An Frau Gräfin v. Bernstorff, Gemahlin des Gesandten des Norddeutschen Bundes in London. Frau Gräfin v. Bernstorff! Von mehreren Seiten er - halte Jch Berichte über die höchst erfolgreiche Wirksamkeit welche Sie zu Gun - sten der in Kriegsgefangenschaft gerathenen bayerischen Soldaten entwickeln. Diese edelmüthige Theilnahme an dem Loose jener Unglücklichen hat Mich tief gerührt, und es gereicht Mir zur lebhaften Freude Jhnen für die werkthätige Kundgabe Jhrer Sympathien Meinen und des Landes wärmsten Dank ent - gegenzubringen. Noch späte Jahrhunderte werden mit Bewunderung nicht nur auf die heldenmüthige Tapferkeit der deutschen Heere, sondern ebenso sehr auf die hochherzige Opferwilligkeit der deutschen Frauen zurückblicken. Jch verbleibe unter der Versicherung besonderen Wohlwollens -- München, 7 Febr. 1871 -- Jhr sehr geneigter (gez. ) Ludwig.

* München, 11 Febr. Der Privatdocent an der hiesigen Universität Dr. Eichler, in den weitesten Kreisen als Herausgeber der von Martius begrün - deten Flora Brasiliensis bekannt, in welcher er verschiedene Monographien ge - schrieben, hat einen ehrenvollen Ruf als Professor der Botanik an die tech - nische Hochschule (nicht an die Universität, wie es in der Südd. Pr. hieß), mit der Verpflichtung zu gewissen Vorlesungen an der Universität, sowie als Director des botanischen Gartens in Graz erhalten und angenommen; er wird schon im nächsten Semester seine Lehrthätigkeit daselbst antreten.

München, 8 Febr. Die in Bayern internirten französischen Kriegsgefangenen (nunmehr nahezu 36,000 Mann mit mehr als 500 Offi - cieren) sind auf folgende 24 Depots vertheilt: Jngolstadt, Germersheim, Ulm, Würzburg, Wülzburg, Passau, Augsburg, Lechfeld, Burghausen, Dillingen, Eichstädt, Freising, Landshut, München, Neuburg, Regensburg, Straubing, Ansbach, Bayreuth, Zweibrücken, Bamberg, Nürnberg, Amberg, Roggenburg. Die meisten Officiere befinden sich in Würzburg, Bayreuth und Neuburg, und jedes dieser drei Depots enthält deren über 100; die größte Anzahl der Mann - schaft, über 9000, ist in Jngolstadt internirt, dann folgen die Depots auf dem Lechfeld und in München, wovon ersteres über 4000, letzteres 3375 Mann zählt. (A. Abdztg.)

München, 14 Febr. Seit einigen Tagen befindet sich, nach der Augsb. Abdztg., ein von der französischen Regierung abgesandter Professor der Univer - sität Lyon hier, der beauftragt ist in Bayern alle Orte in welchen franzö - sische Kriegsgefangene internirt sind zu bereisen, sich von den Verhält - nissen seiner Landsleute zu unterrichten, und, wo nöthig, diese mit Geld oder Kleidungsstücken zu unterstützen. Der Delegirte, welcher vom bayerischen Kriegs - ministerium auf das entgegenkommendste und bereitwilligste aufgenommen wurde, hat schon einen größeren Theil der bayerischen Jnternirungsorte besucht, und spricht sich sehr lobend und anerkennend über die den Gefangenen zutheil ge - wordene und zutheil werdende Unterkunft, Behandlung und Verpflegung aus; mit Geldmitteln reichlich versehen, hat er mit mehreren Geschäftsleuten Ver - träge zur Lieferung von Beschuhung und Kleidung abgeschlossen. Lebhaft be - dauert er daß das unbotmäßige Benehmen einzelner Gefangenen Veranlassung gab einige standgerichtliche Urtheile fällen und vollziehen lassen zu müssen.

* Jn mehreren Blättern sind Mittheilungen über die Verluste der nord - deutschen Armee im gegenwärtigen Kriege gemacht worden, welche nur an - nähernd richtig sind. Die bisher veröffentlichten 193 Listen umfassen nach der C. St. die 12 norddeutschen Armeecorps nach der Friedensformation und die badische Division, und constatiren an Todten: 2 Generale, 72 Stabsoffi - ciere, 791 Hauptleute und Lieutenants; 240 Feldwebel, Vicefeldwebel, Wacht - meister, Vicewachtmeister, Stabstrompeter, Fähnriche, 1275 Sergeanten, Unter - officiere, Trompeter, Hautboisten, Oberjäger, 11,567 Gefreite, Spielleute und Gemeine, 1 Geistlichen und 16 Aerzte ec., Summa 865 Officiere und 13,099 Mann (nicht 977 Officiere und 12,865 Mann). -- An Verwundeten 14 Generale, 192 Stabsofficiere, 2674 Subalternofficiere, 997 Feldwebel ec., 5681 Unter - officiere ec., 57,832 Gefreite ec., 2 Geistliche, 1 Roßarzt, 1 Büchsenmacher, 107 Aerzte ec., 16 Krankenträger, Summa 2880 Officiere und 64,637 Mann (nicht 3050 Officiere und 61,426 Mann). An Vermißten: 46 Officiere, 281 Unterofficiere, 6 Fähnriche, 12 Feldwebel, 5 Vicefeldwebel, 1 Wachtmei - ster, 1 Reg. = Tambour, 1 Bataillons = Tambour, 17 Aerzte, 37 Lazarethgehülfen, 32 Kranken = resp. Verbandzeugsträger, 2 Roßärzte, 1 Zahlmeister, 7041 Ge - freite ec. Summa 46 Officiere und 7437 Mann (nicht 65 Officiere und 9768 Mann). Der Gesammtabgang stellt sich demnach auf 3791 Officiere und 85173 Mann (nicht 4092 Officiere und 84,069 Mann). Unter den 193 Listen befinden sich mehrere welche Berichtigungen enthalten. Leute die ursprünglich als todt aufgeführt waren sind nur verwundet; Leute die man vermißt hatte haben sich in den Lazarethen vorgefunden, oder sind zum Regi - ment, resp. zum Ersatzbataillon, zurückgekehrt. Diese Kategorien von Berichti - gungen sind in obigen Berechnungen berücksichtigt.

* So eben erscheint in der beliebten Würzburger Volksausgabe eine Sammlung der deutschen Reichsgesetze, welche sich insbesondere durch große Vollständigkeit und billigen Preis auszeichnet. Das erste uns vorliegende Heft umfaßt die Reichsverfassung nebst der königl. Declaration und den sehr zweckmäßig den betreffenden Artikeln in Anmerkungen beigegebenen Sonder - bestimmungen für Bayern, Württemberg, Baden und Hessen. -- Das zweite Heft enthält das Wahlgesetz für den deutschen Reichstag, nebst dem Reglement zur Ausführung desselben. -- Jn gleicher Ausgabe ist auch das neueste Gesetz über die Jntercessionen erschienen.

* Hr. Gerhard Rohlfs theilt uns mit daß das in diesen Tagen bei Kühtmann in Bremen verlegte und von ihm verfaßte Werk über Cyrenaica, welches Sr. Maj. dem Kaiser von Deutschland gewidmet ist, keineswegs Be - ziehung hat zu den von Salingr é in Cyrenaica aufgenommenen Photographien. Rohlfs steht in keiner Beziehung zum Verleger dieser Photographien, und sein Reisewerk wird besonders zu dem von Kühtmann festgesetzten Preise verkauft. Rohlfs wurde veranlaßt zu dieser Veröffentlichung, weil in Riga sein Werk zusammen mit den Photographien zu 54 Rubeln ausgeboten wurde.

Jndustrie, Handel und Verkehr.

Berlin, 13 Febr. Die Börse hatte im gestrigen Privatverkehr bei im ganzen herrschender Festigkeit nur geringes Leben entwickelt; auch heute war das Geschäft geringfügig, und die Curse der fremden Speculationspapiere blieben gegen Sonnabend wenig verändert. Jtaliener, Türken, Amerikaner sind etwas besser und ziemlich belebt, Rumänen steigend in sehr starkem Verkehr. Eisenbahnen fest, aber wenig belebt, ebenso Banken; Bankactien zum Theil etwas höher. Die anhaltische Landesbank gibt, wie heute telegraphisch gemeldet wurde, 9 Procent Dividende. Jnländische Fonds waren behauptet, von deutschen die Bundesanleihe und Schatzanweifungen etwas höher, beide mäßig belebt. Von Ruffen waren englische etwas höher gefragt, besonders 1870er lebhaft. Prämien = Anleihen ver - nachlässigt, Bodencredit höher und sehr belebt. Jnländische Prioritäten fest; ein Theil der 5 = und3 1 / 2 procentigen gut zu lassen, österreichische unverändert matt, Ostbahn und Nordostbahn, sowie im allgemeinen die neueren in großen Posten offerirt, russische sehr fest, amerikanische steigend. Jn ungarischen Loosen wurde etwas zu〈…〉〈…〉 gehandelt. -- Die Subscription auf die Oldenburger Anleihe ergab heut am ersten Tage schon eine so rege Betheiligung aus allen Kreise, daß man eine starke Ueberzeichnung erwartet.

* Paris, 10 Febr. Die heutige Amtszeitung der französischen Republik publicirt ein Decret durch welches vom 13 März an die alte Frist für Wechsel - proteste und Recurshandlungen wieder hergestellt wird. Jn demselben heißt es: Die Frist in welcher alle Proteste und Recurshandlungen, laut den oben angeführten Decreten (Gesetz v. 13 Aug. 1870. Decreie v. 10 Sept., 11 Oct., 10 Nov., 12 Dec 1870, 12 und 27 Jan. 1871) gemacht werden sollen, ist auf einen Monat, vom 13 Febr. an, verlängert worden. Die Zinsen werden vom Verfalltag an gerech - net. Die andern Verfügungen des Gesetzes vom 13 Aug. 1870 sind nicht ab - geschafft. Dieses Decret ist auf Algier anzuwenden. Alle diesen Bestimmungen in andern Decreten widersprechenden Anordnungen sind und bleiben nichtig.

Rumänische Eisenbahn = Obligationen. Dem Bresl. Handelsblatt schreibt man aus Breslau, 10 Febr.: Auf unsere erneute Aufforderung sind be - reits aus Breslau und der Provinz Schlesien von mehreren hundert Jnteressenten Anmeldungen in der Höhe von mehr als 1 Million Thalern rumänischer Eisenbahn - Obligationen eingegangen, welche Summe sich bei dem allseitigen Einverständniß mit dem Vorgehen des hier gebildeten Comit é 's noch bedeutend erhöhen würde. Wir ersuchen jedoch alle Besitzer welche sich noch nicht gemeldet haben ihren Beitritt keinesfalls zu verzögern, da von der Höhe der zu vertretenden Summe ein günstiger Erfolg bei unserer Regierung abhängig sein dürfte. Wir schätzen das in Breslau und Schlesien im Besitze des Privatpublicums befindliche Capital von rumänischen Eisenbahn Obligationen auf etwa 20 Millionen Thaler, so daß es bei entsprechend zahlreicher Vertretung leicht gelingen dürfte unserm Reichskanzler Grafen v. Bismarck die Gewichtigkeit der bedrohten Vermögensobjecte aller durch den Krieg schon schwer genug geprüften Jnteressenten klar zu legen. Wir sind hingegen der Ansicht daß es die rumänischen HH. Actionäre in Deutschland sich selber zuzuschreiben haben wenn sie zu Schaden kommen; an rechtzeitigen Warnungen vor ausländischen Specula - tionspapieren hat es nie gefehlt. Wer in der Lotterie spielt, darf sich nicht bekla - gen wenn ihm das große Loos nicht in den Schooß fällt.

Neueste Posten.

Agram, 11 Febr. Die Ausschreibung der Neuwahlen für den croatischen Landtag wird nach dem Amtsantritte des Ban Bedekovic er - folgen. (T. N.)

Madrid, 12 Febr. Aus Habana wird telegraphirt: Der Com - mandant der französischen Schiffsdivision in den Antillen hat von den Behörden die Erlaubniß verlangt den während des Waffenstillstandes aus - laufenden deutschen Kriegsschiffen zur Ueberwachung derselben folgen zu dürfen. (T. N.)

Konstantinopel, 8 Febr. Die Pforte hat in Sachen der arme - nischen Katholiken Daud Pascha beauftragt einen Versuch zur Versöhnung zwischen den Dissenters die sich von Rom abgewandt haben und dem päpst - lichen Stuhl, bezw. dem Vertreter des letzteren, Msgr. Hassun, zu Stande zu bringen. Diese religiösen Zwistigkeiten haben noch in neuester Zeit wieder zu mehrfachen Thätlichkeiten geführt. Da die Dissenters von Msgr. Hassun absolut nichts wissen und ihn nicht einmal als Patriarchen von Cilicien anerkennen wollen, wird auch dieser Vermittlungsversuch wahr - scheinlich erfolglos bleiben. -- Der neue politische Agent für Rumänien, Hr. Balatschano, ist in der Hauptstadt angekommen und hat dem Groß - vezier seine Creditive überreicht. -- Die Vertretung des Norddeutschen Bundes in Konstantinopel hat bei der türkischen Regierung Beschwerde dar - über geführt daß der französischen Fregatte Armorique zu wiederholten - malen gestattet wurde sich in Smyrna mit dem nöthigen Proviant und Brennstoff zu versehen. Die Hafenbehörde wurde angewiesen die Gesetze der Neutralität streng einzuhalten, und in Folge dessen dürfte die Armo - rique nicht mehr zur Einnahme von Kohlen in Smyrna zugelassen werden. -- Die smyrniotischen Blätter bringen Details über die Ueberschwemmung von welcher die Stadt und Umgebung am 29 Jänner heimgesucht wurden. Vier Stadtviertel waren besonders schwer getroffen; mehrere Personen er - tranken. (Oest. Bl.)

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TextAllgemeine Zeitung
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Institut für Deutsche Sprache, MannheimNote: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription Peter FankhauserNote: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format. CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationAllgemeine Zeitung Nr. 47 . Augsburg (Bayern)1871.

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