PRIMS Full-text transcription (HTML)
Allgemeine Zeitung.
Nr. 62.
Augsburg, Freitag, 3 März 1871. Verlag der J. G. Cotta 'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen.

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Uebersicht.

Der Friede.

Das zweite bayerische Armeecorps vor Paris.

Prinzen im Wahlkampfe.

Deutsches Reich. München: Auswechslung der bayerischen Kriegs - gefangenen. Friedensfeier. Zu den Reichstagswahlen. Preßprocesse. Das mittelfränkische Appellgericht. Hr. v. Arnim. Eiserne Kreuze. Berlin: Militärconvention mit Braunschweig. Hr. v. Mühler und die Kunstakademie. Ein neues Stück von Bauernfeld. Feldpolizeiliches. Eindruck der Friedensnachricht. Die Friedenspräliminarien. Angebliche Einmischungsbemühungen Englands. Graf Wimpffen.

Oesterreichtsch = ungartsche Monarchie. Wien: Fürstenthum Rumänien. Graz: Universitätsbau.

Schweiz. Bern: Bundesrevision.

Großbritannien. Die Friedensbedingungen und die Kriegsentschädi - gung. England und der Papst.

Frankreich. Gehalte. Lecesne. Polizei = Agenten. Die finanzielle Lage. Aus dem deutschen Hauptquartier. Garibaldi. Paris: Hr. Thiers. Der Einzug. Bordeaux: Die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Kriegs.

Verschiedenes.

Jndustrie, Handel und Verkehr.

Außerordentliche Beilage. Nr. 35.

Telegraphische Berichte.

* Bordeaux, 1 März, Nachts. Die National - versammlung hat die Friedenspräliminarien mit 546 gegen 107 Stimmen angenommen.

* Berlin, 2 März. (Officiell. ) Versailles, 1 März. Der Kaiser an die Kaiserin: So eben kehre ich von Longchamps zurück, wo ich die Truppen des 6., 11. und 1. bayerischen Corps, 30,000 Mann, inspicirte, die zuerst Paris besetzen. Die Truppen sahen vortrefflich aus. Die Avant - garde ist um 8 Uhr eingerückt ohne alle und jede Störung.

(*) Paris, 1 März, Morgens. Ein Tagsbefehl des Admirals Chaillie befiehlt den unter seinem Commando stehenden Marinesoldaten und Matrosen jede Berührung mit dem Feinde zu vermeiden und sich ruhig zu verhalten. Ueber die Vorgänge in der Nacht vom 26 zum 27 Febr. ist Untersuchung eingeleitet. Der Director des Gefängnisses Ste. Pélagie ist seines Amtes entsetzt.

(*) Bordeaux, 28 Febr., Nachmittags. Gambetta schlägt vor daß die Abtheilungen morgen um 1 Uhr zusammentreten sollen, damit die Deputirten Zeit haben die Friedensbedingungen näher durchzugehen. Thiers bemerkt hierauf: er werde die Copien des Präliminarfriedens für die Bureaux in zwei Stunden herstellen lassen. Schölcher wünscht daß die Bureaux morgen um 9 Uhr zusammentreten. Thiers bemerkt: Wir wollen daß Sie mit allem so bekannt sein sollen wie wir, die als Opfer einer Situation dastehen die wir nicht schufen, für die wir aber einstehen müssen. Wir bitten Sie aufs dringlichste keinen Augenblick Zeit zu ver - lieren. Wenn unserer Bitte entsprochen wird, können wir vielleicht der Hauptstadt einen großen Schmerz ersparen. Jch habe meine Verantwort -lichkeit eingesetzt, meine Collegen thaten dasselbe; es ist nothwendig daß auch Sie Jhre Verantwortlichkeit einsetzen. Hier gibt's keine Enthaltung. Jeder von uns muß seinen Theil an der Verantwortung übernehmen. Thiers wünscht daß die Abtheilungen noch heute Abends zusammentreten, und daß die nächste Sitzung morgen Mittag stattfinde. Die Versammlung beschließt in Gemäßheit des Thiers'schen Wunsches. Die heutige Sitzung war sehr stark besucht; nur wenige Deputirte fehlten. Louis Blanc, Victor Hugo waren anwesend. Die Verlesung der Friedensbedingungen wurde mit tiefstem Stillschweigen entgegengenommen. Um das Sitzungsgebäude dieselben militärischen Vorbereitungen wie bisher. Die Stadt vollkommen ruhig.

Vorstehende Depeschen aus einem Extrablatt hier wiederholt.

* Bordeaux, 1 März. Die Sitzung der Nationalversammlung be - gann um 1 Uhr Nachmittags, zwei Mitglieder protestirten gegen jede Ge - bietsabtretung. Hierauf erklärte der Berichterstatter der Friedenscommis - sion, Lefranc: daß die Commissionsbeschlüsse einstimmig gefaßt worden. Es sei Gebot des Patriotismus für die Friedenspräliminarien, wie sie sind, zu stim - men. Alles was die Sachlage gestattete sei geschehen. Die Ehre Frankreichs sei gerettet. Redner begründet die Annahme der Präliminarien. Die Ablehnung derselben würde die Besetzung von Paris, die Ueberfluthung Frankreichs durch den Feind zur Folge haben. Lefranc fordert die Versammlung auf sich nicht der Verzweiflung zu überlassen, er bittet schließlich niemand möge sich der Abstimmung enthalten. Edgard Quinet protestirt energisch gegen die Annahme der Präliminarien, welche die Gegenwart und Zukunft Frankreichs vernichten würden. Bamberger beschwört die Versammlung die Friedensbedingungen nochmals zu prüfen. Die Sitzung dauert fort. Man glaubt, die Sitzung werde heute nicht geschlossen, ohne daß über die Präliminarien abgestimmt worden. Ein Extrazug steht fortwährend bereit um das Abstimmungsprotokoll sofort nach Paris zu bringen.

* Versailles, 1 März. (Telegraphische Nachricht an den Kriegs - minister. ) Heute Vormittags 11 Uhr hielt der Kaiser auf der Rennbahn zu Longchamps am Bois de Boulogne eine Parade über die zum ersten Einmarsch in Paris bestimmten Abtheilungen aller Waffen des 6. und 11. preußischen und des 2. bayerischen Armeecorps ab. Nach dem Vorbei - marsch rückten die Truppen in der Stärke von 30,000 Mann in Paris ein. Sie bezogen in den Champs Elysées, im Trocadero und in den daran grän - zenden Stadttheilen Quartiere. Der vom schönsten Wetter begünstigte Einzug in die Hauptstadt wurde durch keinen Zwischenfall gestört.

Weitere Telegramme siehe letzte Seite.

Der Friede.

* Es ist ein süßes und ernstes, ein fröhliches und doch heiliges Wort das wir heut aussprechen dürfen, das wir aussprechen müssen noch ehe die Urkunde welche seinen Namen trägt gezeichnet und besiegelt ist, noch ehe wir ihren vollen Jnhalt wissen, und ehe wir mit dem Gedanken umspannen können was alles im Kreise jenes Wortes sich zusammenfaßt. Das Gefühl überflügelt den Gedanken, und man überwindet die gewohnte Scheu die Empfindung walten zu lassen wo sonst nur dem berechnenden Verstande das Wort gegönnt ist. Vielleicht aber drücken wir gerade mit diesem Ge -1042ständniß am sichersten aus was heute die Herzen von Millionen erfüllt. Fast sieben Monate lang haben unerhörte Ereignisse die Geister der Men - schen im Jnnersten aufgewühlt, und gerne wird sich jeder einen Augenblick der Ruhe gönnen in dem vielleicht trivialen, aber sehr wohlthätigen Ge - danken daß das große Drama zu Ende ist.

Die Menschennatur ist nicht darauf angelegt große Erschütterungen auf lange Dauer zu ertragen, und wo immer solche gewaltet haben, da hat noch stets die Ueberschreitung eines gewissen Zeitmaßes zu sittlicher Verwilderung, zu geistiger Verdunkelung und schwerem socialem Unheil geführt. Schon darum geziemt uns Dankbarkeit für ein Ereigniß welches zwar später eintrat als viele sich geträumt hatten, und doch frühe genug um der Welt die letzte Steigerung eines Vernichtungskampfes zu ersparen.

Die Friedensnachricht wurde so lang 'und sehnlich erwartet, daß sie jetzt, wo sie da ist, uns fast wieder zur Ueberraschung wird. Und doch kann sie kaum eine solche sein. Der Gang dieses Krieges hat sich vom ersten bis zum letzten Tag in solch eherner, fast wissenschaftlich exactem Consequenz bewegt, daß der endliche Friede gleichsam nur noch als die Summe der gegebenen Posten erscheint welche über dem Striche stehen, als das Facit eines langgestreckten Kettenschlusses, in welchem das erste und das letzte Glied ihre Vereinigung finden. Consequenz war auf beiden Seiten, jede in ihrer Art. Die Franzosen hatten einen leichtsinnigen Krieg begonnen, und gedachten ihn nach Sedan mit einem leichtsinnigen Frieden abzuthun. Die Deutschen haben vom Tage der Kriegserklärung an sich gesagt daß es sich für sie um eine furchtbar ernste Sache handle, haben demgemäß mit furchtbarem Ernst von Walstatt zu Walstatt ihre Heersäulen gerückt, und sagen sich heute mit gutem Fug daß es auch um den Frieden nach solchem Kampf eine furchtbar ernste Sache sei.

Diese Grundverschiedenheit der Auffassung machte sich noch in den letzten Stunden geltend. Wir beide wollten den Frieden; der Deutsche aber will und verlangt von den Führern des Volkes einen ernsten, vollen, einen sichern und dauernden Frieden; die Franzosen -- sie haben es sogar von amtlicher Stätte hinausgerufen -- hoffen einen Frieden mit Re - vanche, einen Scheinfrieden. Aber wir wollen diesen unvorsichtig aus - gesprochenen Vorbehalt noch auf die Rechnung der kriegerisch erregten Leidenschaft schreiben, wir wollen zuversichtlich hoffen daß mit der allversöhnenden Zeit auch der ruhigere und gesundere Pulsschlag wie - der in die heißen Adern unserer Nachbarn einkehren werde, und mit ihm die Erkenntniß daß ein Friede mit Revanche das allergrößte Unglück wäre mit dem sie die sattsam lange Reihe ihrer schweren Unglücksfälle abschließen könnten. Schon in der an Würfelspiel und Gladiatorenthum erinnernden Färbung des Wortes Revanche liegt eine Mißkenntniß des Thatbestandes und eine so rohe Auffassung der Aufgabenwelche die Zukunft fordert, daß sogar unsere neutralen Freunde nur mit Bedauern und Schrecken auf diese Zukunft schauen dürften. Sache unserer bisherigen Gegner ist es jenes böse Wort ungesprochen zu machen, und zu wollen und zu halten was wir in Deutschland fest und redlich wollen -- einen guten, ehrlichen, langdauernden Frieden.

Das zweite bayerische Armeecorps vor Paris. Von Brix Förster.

* Die Schlacht von Paris ist geschlagen! 132 Tage und Nächte dauerte der Kampf; geführt mit allen modernen Mitteln des Kriegs, mit Lauf und Kolben, mit Spaten und Schaufel, mit dem kleinsten und größ - ten Geschützkaliber; er begann unter den letzten warmen Sommer - Son - nenstrahlen und endete mit dem ersten Frühlingswehen; inmitten liegen all die Schauer in welche ein winterlicher Himmel europäische Erde zu um - hüllen vermag.

Sie sind in der Heimath gewohnt über jedes größere Greigniß in die - sem Feldzug einen Bericht zu erhalten; erlauben Sie daher mir Jhnen ein Bild dieser 132tägigen Schlacht, insoweit das II. bayerische Armee - corps daran betheiligt war, zu entwerfen; es liegt mir daran alle Einzel - heiten, von denen Sie genugsam in Briefen und Zeitungen erfahren, in einen Brennpunkt zusammenzufassen, damit diejenigen Factoren welche zur Bezwingung der Riesenveste* )Jm Rayon der bayerischen Aufstellung. in Thätigkeit gesetzt wurden in helles Licht treten, damit vor allem der Jnfanterie, die unter Commando des Generals der Jnfanterie Ritters v. Hartmann gestanden, die gebührende Anerkennung, der wärmste Dank des Vaterlands gesichert bleibe. Denn -- sofort sei es ausgesprochen -- erheischte der Sieg von Sedan die lebendigste Thätigkeit und Harmonie aller Waffengattungen und Chargen und Bran - chen, so muß der Lorbeerkranz für den Sieg über Paris der deutschen Jn - fanterie zuerkannt werden.

Dieß liegt in der Natur der Sache. Nachdem einmal von Seiten des großen Hauptquartiers die Form des Rings bestimmt war welcher die Zwei -millionenstadt umklammern sollte, nachdem einmal die Canäle gegraben und gefüllt waren welche die nothwendige Verpflegung der deutschen Ar - mee zuführen, nachdem die Art gegenseitiger Unterstützung bei etwaigen größern Ausfällen festgestellt, nachdem jedes Corps die Vertheidigung seiner Linie geregelt, so war dem Kampffelde, der Kampfweise, ein auf Wochen, ja Monate unabänderliches Gepräge gegeben, und nur die Jnfan - terie dem Wechsel der Beschießung und der Ausfälle, dem Wechsel von Tag und Nacht, von Sonnenschein, Regen und Kälte ausgesetzt. Verstand sie es nicht den Strapazen zum Trotz auszuhalten und den stets veränder - ten Verhältnissen sich anzupassen, so wurde aus dem eisernen Ring ein bleierner und schließlich ein papierner, der leicht von einigen tausend Chasse - pot = Bajonnetten durchstoßen werden konnte.

Dem II. bayerischen Armeecorps war die Aufgabe zugefallen die Straßen von Paris nach Chartres über Chevreuse und jene nach Orleans festzuhalten und alles zwischenliegende Terrain hermetisch abzuschlie - ßen. Die erstere wird durch die Schanze von Châtillon, die letztere durch die von Villejuif beherrscht. Am 20 Sept. waren beide von bayerischen Truppen besetzt. Die Lage und Nähe des allmählich stärker armirten Forts von Bicêtre zur Schanze von Villejuif bedingte leider, aber ganz unweigerlich, daß diese von dem VI. Corps, welches sie von den Bayern nach einigen Tagen übernommen, aufgegeben werden mußte. Hätte sie gehal - ten werden sollen, so hätte der Artilleriekampf mit den Festungsgeschützen nicht nur von Bicêtre, sondern auch von Montrouge sofort begonnen wer - den müssen, was sich von selbst verbot, da wir noch keinen Belagerungs - park besaßen. Sehr empfindlich blieb immer der Verlust von Villejuif; auf dieses basirt unternahmen die Franzosen ihre heftigen Ausfälle gegen das Corps Tümpling, von Villejuif wurden die von uns besetzten Orte Bourg la Reine, Bagneux, Sceaux, ja selbst Antony, das Ruhequartier der 7. Brigade, fortwährend beschossen, von Villejuif allein aus konnten die Vorgänge auf dem Plateau von Moulin de la Tour beobachtet, und sofort durch den Telegraphen den Commandanten von Jssy und Vanves zur weitern Verfügung mitgetheilt werden.

Wie wir in den Besitz der Schanze von Châtillon gekommen ist be - kannt. Unbestritten ist der Ruhm welchen die Jnfanterie der 3. Division durch die Festhaltung dieser selbst und des umliegenden Plateau's sich erwor - ben. Wohl ist diese und ein guter Theil des anliegenden Terrains den Blicken der Franzosen durch ein Wäldchen, ringsum am Abhang, entzo - gen gewesen, und dominirte die Forts um 85 Meter; aber die Geschosse von Jssy und Vanves wurden in einer Entfernung von nur 2500 -- 3000 Schritten hier herauf fortwährend geschleudert, und für Montrouge war es ein leichtes bei 5000 Schritten Entfernung mitzuwirken. Fortwährend hatten sich die Vorposten mit den französischen Plänklern herumzuschießen, und stets war die ganze hier postirte Brigade auf dem Sprung den etwa plötzlich heranstürmenden Pariser Bataillonen sich entgegenzuwerfen.

Hier gab es keine Unterkunft in Scheunen oder Villen für die Reser - ven, geschweige denn für die Feldwachen oder Pikets, das vielbeschossene Plessis = Piquet etwa ausgenommen; hier oben tobten Wind und Wetter am heftigsten, hier war der Schmutz vom schwersten Kaliber, und hier ver - doppelte der Boreas die eisige Kälte der hellen Wintermorgen.

Aber das Plateau mußte gehalten werden, das war unerschütterlicher Grundsatz beim Armeecorps = Commando von Anfang an, und die Zeit, d. h. die verbesserte Armirung von Jssy und Vanves, belehrte uns dessen gründlichst. Denn nicht nur die Beschießung der Südfront und von Pa - ris war durch den Besitz der Schanze um vieles erleichtert und ermöglicht, sondern vor allem eine dichte, unerschütterliche Cernirung gerade im Rayon des II. bayerischen Armeecorps.

Die geometrische Länge der bayerischen Cernirungslinie vom Walde von Meudon bis in das Bièvre = Thal betrug etwa 9000 Schritte; dieß gibt, bei der durchschnittlichen Stärke der III. und IV. Jnfanteriedivision von 21,400 Mann, 2,3 Mann auf den Schritt Frontbreite, eine nach den ge - wöhnlichen taktischen Vorstellungen sehr dünne Vertheidigungslinie.

Wären nun aber die Franzosen im Besitz der Schanze von Moulin de la Tour geblieben, so hätten sie diese natürlich mit allen möglichen Kalibern armirt; sie hätten das ganze Plateau bestrichen; unsere Vor - posten hätten sorgfältig in Schützengräben zwischen Plessis = Piquet und dem Eingang vom Meudoner Wald untergebracht werden, Châtillon, Bagneux, Sceaux hätten vollständig geräumt, die Communication auf der Versailler Straße in das Bièvre = Thal verlegt werden müssen, und die erste Vertheidigungslinie wäre für das II. bayerische Corps etwa der südlichste Theil des Waldes von Meudon bei Port Verrières, Ma - labry und Antony bis Pont Antony geworden, von 11,000 Schritten Länge; also der Schritt Frontbreite nicht einmal mit 2 Mann besetzt; Das V. (später das XI. ) Corps mußte sich dann ebenfalls verlängern, und auch das VI. würde durch das Aufgeben von L'Hay in Mitleidenschaft ge - zogen worden sein. Die Vertheidigung dieser Linie hätte große Schwie -1043rigkeiten verursacht, da sie weniger Orte besitzt, also weniger feste Positio - nen, und zudem überließ sie alle Vortheile der Offensive den Franzosen.

Die Cernirung von Paris wird stets als ein Meisterwerk deutscher Kriegführung gelten; vor allem daß man mit so geringen Kräften und Mitteln diese durchzuführen vermochte. Jch glaube aber daß wir dicht an die Gränze des Möglichen gerückt waren, daß eine Erweiterung des Rin - ges nur um weniges dem Ganzen wesentlichen Schaden, jedenfalls viel mehr blutige, erschöpfende Kämpfe verursacht hätte.

Die Schanze von Châtillon, redoute de Châtillon (oder die Bayern - schanze, wie sie deutscherseits officiell genannt wurde) und die Straße von Orleans waren die Angelpunkte der bayerischen Aufstellung vor Paris; die sie verbindende Linie gieng vom Meudoner Wald um das Plateau über Châtillon nach Bagneux und Bourg la Reine bis in den Thalgrund der Bièvre. Hievon war der 3. Jnfanteriedivision die Vertheidigung des Plateau's, der 8. Brigade jene von Châtillon und Bagneux, der 7. endlich die von Bourg la Reine überwiesen.

Es war dieß die erste Vertheidigungslinie, bestehend aus Feldwachen und Replis, von der 3. Division anfangs mit 6, von der 8. Brigade mit 3 (später mit 4), von der 7. mit 2 Bataillonen besetzt. Die Reserven stan - den in Bièvre, Sceaux (und Châtenay) und in Antony. Außerdem waren im Beginn des Octobers das 1. bayerische, später das 2. preußische Corps und schließlich eine Gardelandwehrdivision in Longjumeau und Um - gebung zur Unterstützung aufgestellt.

Die zweite und letzte Vertheidigungslinie, die um keinen Preis auf - gegeben werden durfte, zog sich von Plessis = Piquet längs der Höhe von Sceaux gegen den Park des Herzogs von Treviso bei Bourg la Reine hin.

Die bayerische Aufstellung hat nur ein einziges mal einem starken französischen Anprall zu widerstehen gehabt, es war dieß am 13 October. Rechtzeitig griffen die ersten Reserven ein, und wir hielten siegreich unsere vordersten Linien.

Obwohl damals noch, namentlich in Bagneux und Bourg la Reine, von einem eigentlichen Einnisten nicht die Rede sein konnte, so waren doch die Anordnungen im allgemeinen so richtig und wirksam getroffen, daß die ganze Affaire, wie auf Befehl, sich abspielte, und nichts unvorhergesehenes uns zu unserem Nachtheil überraschte. Worauf alles ankam, das war die bejahende Antwort der Frage: wird die Jnfanterie in den Schützengräben und hinter Häusern und Mauern das einem Angriff sicher vorausgehende Granatfeuer aushalten? Fürwahr, es gehört eine gute wankellose Truppe dazu die in solchen Stunden nicht murrt, im Gegentheil bereit ist auf den ersten Wink aus ihren Deckungen heraus dem Feind im freien Feld ent - gegenzutreten. Bei dieser Kaltblütigkeit und Ruhe war die Hauptschwie - rigkeit der Vertheidigung überwunden, und was später an Laufgräben, bombensicheren Unterständen ec. etwa noch gearbeitet wurde, diente viel - mehr dazu uns vor unnöthigen Verlusten zu wahren, als überhaupt unsere Positionen zu verstärken. Denn wozu wären schließlich alle diese Keller - löcher, all diese mit Mist und Schutt erbauten Hütten (mit Ausnahme der Unterstände auf der Bayernschanze) nützlich gewesen, wenn bei der kolos - salen Beschießung am 28, 29 und 30 Nov. die 74 = Pfünder wirklich da ge - troffen hätten wo wir verborgen waren? Schutz gegen Granatsplitter ward gegeben; im übrigen stand die Jnfanterie zum guten Theil den Schiffsgeschossen gegenüber auf freiem Plan.

Das Glück war uns im höchsten Grade günstig; während jener furcht - baren Beschießungsnächte verlor die 3. und 4. Division, also während eines Feuers von mindestens 24 Stunden, 22 Mann. Es wurde viel, es wurde nothwendiges gearbeitet, und die Genietruppen verdienen im höchsten Grade den Dank der Jnfanterie. Aber man denke nur nicht daß unsere in den bombensicheren Unterständen kauernden Pikets, Feldwachen und Replis, bei dem Wechsel der Witterung, welche hartgefrorne Erde plötzlich er - weichte u. s. w., sammt und sonders und jederzeit in völliger Sicherheit sich befanden.

Wer nicht mit Nerven wie Drath auf Vorposten zog, den packte gar bald das Fieber.

Jede der drei Vorpostenaufstellungen der 7. und 8. Brigade und der 3. Division hat ihre eigene Geschichte.

Bei allen tritt gleichzeitig eine Veränderung mit dem 13 October ein -- eine Erscheinung die, so viel ich erfahren, nach jedem größeren Ausfall und selbst auch bei kleineren Ueberraschungen, auf der ganzen Cernirungs - linie sich zeigte.

Die Franzosen trafen auf einen unserer schwachen Punkte, aber stets nur das erstemal, wie recognoscirend; kamen sie dann das zweitemal mit ernsthafteren Absichten, so waren wir vollständig gerüstet und zum Em - pfang bereit.

Die 7. Jnfanteriebrigade hatte, nachdem sie in Folge eines Uberfalles vor dem 13. ihre Vedettenlinie etwas zurückgezogen, Bourg la Reine aus - schließlich zum Kampfe sich ausersehen.

Nachdem man bei der 4. Division das einheitliche Vorpostencom - mando über Châtillon, Bagneux und Bourg la Reine seit dem 13 als zu umständlich aufgehoben, commandirte in letzterem Ort unausgesetzt Oberst Heeg und leitete alle Anstalten der Vertheidigung. Diese waren haupt - sächlich in die Gartenmauern verlegt mit ganz vorzüglichem Schußfelde, dem Einblick von Montrouge und Bicêtre entzogen; zum kleineren Theil erstreckte sie sich in tiefen Laufgräben hinunter bis in den Wiesgrund der Bièvre.

Wenn ich Jhnen nun sage daß vor den ersten Häusern von Bourg la Reine, in denen die Pikets und Feldwachen steckten, in einer Entfernung von 1100 Schritten drei französische Batterien, in einer Entfernung von 2600 Schritten die Schanze Villejuif gelegen und daß alle diese Feuerschlünde fast tagtäglich während dreier Monate in diesen Häuserkessel hineindonner - ten, so werden Sie diese Stellung für unhaltbar erklären, und doch wurde sie niemals verlassen, aus dem einfachen Grunde weil diese Soldaten der Gefahr allein nicht weichen wollten; die Verluste selbst betragen während der ganzen Dauer (den Ausfall am 13 abgerechnet) nur etwa 90 Mann.

Der größte Theil der Geschosse fiel in den südlichen Theil des Ortes, was sehr bemerkenswerth ist, da bei Bagneux das umgekehrte Verhältniß stattgefunden. Erwähnt muß hier noch werden daß, um einen Verbin - dungsgraben quer über die Straße von Orleans herzustellen, die Genie - truppen der 4. Division diese Arbeit angesichts der nur 1000 Schritte ent - fernten 18 französischen Geschütze trefflich und ohne Verlust in einer Nacht vollendeten.

(Schluß folgt.)

Prinzen im Wahlkampfe. Eine Principienfrage.

* München, 1 März. Jst es passend einen Prinzen zum Reichs - tag zu wählen? So fragt man jetzt, und wundert sich wohl gar daß ein Prinz als Wahlcandidat aufgestellt werden könne. Jn zwanzig Jahren wird man sich vermuthlich wundern daß man sich heutzutage darüber ge - wundert hat. Es ist noch nicht lange her, da fragte man auch: ob ein Minister zum Abgeordneten unserer Landtage dürfe gewählt werden, und heute sehen wir's als selbstverständlich an, ja als erwünscht, daß ab und zu ein Minister in der Kammer sitze.

Der alte Arndt unterschrieb im Jahr 1849 die Urkunde der deutschen Reichsverfassung folgendergestalt: E. M. Arndt, Reichstagsmann. An - dere setzten andere Titel hinter ihre Namen, ihm, einem Fürsten unter den deutschen Volksmännern, war der Reichstagsmann der stolzeste Titel. Es bezeugt den politischen Fortschritt der Zeit daß gegenwärtig auch Prin - zen ihren Stolz darein setzen Reichstagsmänner zu werden. So groß ist das Ansehen des parlamentarischen Lebens geworden, so stark wirkt der Zauber des neuen Reichs. Man soll sich dessen freuen.

Wir schätzen den Mann nicht zunächst nach dem was er repräsentirt, sondern nach dem was er thut. Ein Prinz kann vielerlei löbliches thun; nnter allen Künsten soll ihm aber die Staatskunst am nächsten liegen Denn im Staate gründet nicht bloß die Stellung des constitutionellen Fürsten, sondern auch seines Hauses. Für einen Prinzen aber gibt es selten einen Boden unmittelbaren politischen Wirkens außer dem parla - mentarischen. Als Mitglieder der ersten Kammer im Einzelstaat sind unsere Prinzen bereits geborne Volksvertreter; sie können dort die kleine Schule machen; dem gewählten Volksvertreter des Reichstags eröffnet sich die große Schule. Warum soll einem Prinzen dieses organische Vor - schreiten verwehrt sein: vom erblichen Volksvertreter zum gewählten, vom Landtag zum Reichstag?

Setzen wir einen concreten Fall: Wie heilsam könnte es beispiels - weise einem bayerischen Prinzen werden im deutschen Parlament zu tagen! Er nähme ohne Zweifel manche neue Anschauung vom Reiche, von Preu - ßen, vom öffentlichen Leben der Nation aus Berlin mit nach Hause. Wer hochgestellt ist, der soll den weitesten Horizont haben, darum darf man ihm auch nicht wehren daß er ihn gewinne. Nicht bloß das Zusammenwirken der deutschen Heervölker im Felde, auch das Zusammenleben so vieler fürstlichen Personen im Hauptquartier wurde mit Recht als ein Versöh - nungszeichen des deutschen Stammeshaders begrüßt. Der Reichstag ist auch ein Hauptquartier, ein minder vornehmes zwar als das kriegerische; allein um so ehrenvoller ist es wenn auch ein Prinz der glanzloseren Be - rufung in dieses Hauptquartier des friedlichen Volkes folgt.

Aber -- sagt man -- der Reichstag setzt eine Wahl voraus, und beim Wahlkampfe geht es nicht höfisch zu, oft nicht einmal höflich. Ein Prinz kann unterliegen, und da leidet der Respect vor der Person, ja vor dem ganzen fürstlichen Hause. Wenn eine alte Hofdame derlei Ansichten hegt dann ist das begreiflich, aber im Munde von Volksmännern nimmt sich ein solcher Einwand doch höchst seltsam aus. Respect muß man zunächst haben vor löblicher That und, wenn sie mißlingt, vor dem mannhaften1044Entschluß dazu. Darf ein Prinz sich nirgends einer öffentlichen Niederlage oder auch nur einer boshaften Kritik aussetzen, dann darf er auch kein Buch schreiben, denn er könnte -- ohne alle Verletzung des Preßgesetzes -- bitterbös recensirt werden; er darf kein Regiment commandiren, denn wenn er geschlagen wird, sagt ihm die Zeitung auch keine Artigkeiten; ja er darf nicht einmal Kunst und Wissenschaft fördern, denn wie er's da auch anfängt, macht er's doch niemals der Gegenpartei oder den Vernachlässig - ten recht, und sie werden den öffentlichen Tadel nicht sparen. So bliebe denn in unserer kritischen und redefreien Zeit einem Prinzen zuletzt nichts weiter übrig als lediglich um des Respects willen öffentlich gar nichts zu thun. Er wäre der Privatier wie er sein soll -- käme aber dann leider wieder in die Gefahr aus lauter Würde alle Würde zu verlieren.

Es ist ein echt moderner gesunder Gedanke daß sich mit der höchsten socialen Stellung auch das Ringen nach höchster Arbeit, nach persönlicher Theilnahme am öffentlichen Leben verbinden soll. Für den Zauber einer bloß passiven Repräsentation, für jene fürstliche oder höfische Würde welche dadurch gewahrt wird daß man den hochgestellten Mann in Baumwolle wickelt und vor jedem Luftzuge des öffentlichen Urtheils behütet, haben wir heutzutage kein Verständniß mehr. Sie gehört ins achtzehnte Jahr - hundert.

Nun gibt es Leute welche dieß alles zwar zugestehen, und also die Candidatur eines Prinzen von dessen subjectivem Standpunkte nicht bloß unbedenklich, sondern sogar sehr achtungswerth finden. Sie bringen aber den sachlichen Einwand daß die Wahlfreiheit mittelbar gefährdet werde durch einen solchen Candidaten. Jch erwiedere darauf: ein Gegencandidat welcher zurücktritt bloß darum weil ihm ein Prinz gegenübersteht, der thut ganz recht, denn er war von vornherein gar kein echter Candidat. Und andererseits würde ein Prinz der seinem Gegner die Mitbewerbung nachtrüge auch nicht der echte Candidat gewesen sein. Aber könnte nicht von den Behörden ein Druck zu Gunsten der prinzlichen Candidatur geübt werden? Ganz gewiß; so gut wie die Behörden derlei Druck auch zu Gunsten eines Bauern oder Advocaten oder Beamten geübt haben. Nur mit dem Unterschiede daß die Pression weit häkeliger und bedenklicher wird wenn es sich um einen Prinzen handelt. Denn war sie verwerflich, dann schädigten die Behörden dießmal nicht bloß die Wahlfreiheit, sondern auch das Ansehen des fürstlichen Hauses. Sie werden sich also wohl drei - mal besinnen. Uebrigens beruht es auf ganz veralteter Auffassung die Candidatur eines Prinzen schlechthin als officiell zu bezeichnen. Zwischen der Politik eines Prinzen und der des jeweiligen Ministe - riums kann heutzutag eine große Kluft liegen, ja die locale Bureau - kratie welche officielle Wahleinflüsse nach ihrem Sinn übt, steht oft selber wieder in lauter und leiser Opposition zu ihrem eigenen Minister. Was ist denn da zuletzt officiell? Denkt man aber bei officiell an jene rein subjective Wirkung in welcher äußere Autorität das Gemüth naiver unselbständiger Menschen befängt, dann ist die Macht der fest geschlossenen Parteigruppen der Bureaukratie, des Klerus und vollends gar eines großen Jndustrie - herrn der tausend Wählern Brod gibt, weit officieller als die eines Prin - zen. Denn sie steht dem naiven Volke so viel greifbarer vor Augen. Mög - licherweise kann allerdings die überlieferte Pietät für das fürstliche Haus den Ausschlag für einen Prinzen geben. Nun gut. Dann wäre diese Pietät eben noch ein Charakterzug im Volksgeiste, und die Volksvertre - tung soll nicht bloß ein Spiegel der augenblicklich herrschenden Parteien sie soll ebenso gut und mehr noch ein getreues Abbild der verschiedenen Charakterzüge des Volkes sein, gleichviel ob dieselben den tonangebenden Parteien schmecken. Uebrigens hat ein Prinz insofern den schwierigsten Stand im Wahlkampfe, als er gar manche drastische Mittel der persön - lichen Bewerbung nicht wohl anwenden kann, die andern zu sicherem Er - folg verhelfen.

Die beste Gewähr der Wahlfreiheit ruht im directen Verfahren mit geheimer Stimmgebung, und seit wir dieß errungen haben, darf man wagen sogar einen deutschen Prinzen zum deutschen Reichstag zu wählen.

Nicht im Jnteresse einer Persönlichkeit schrieb ich diese Zeilen, und für die eben geschäftige Agitation kämen sie ohnedieß zu spät, ja sie kom - men absichtlich zu spät. Jch schrieb sie als Freund der Freiheit -- einer Freiheit die nicht auf die Herrschaft irgendwelcher liberalen Partei = Doctrin zielt, sondern auf gleiches Maß und gleiche Wage, auf gleiche Pflicht und gleiches Recht für jedermann; und als Freund des Volkes, des ganzen Volkes welches möglichst mannichfaltig in allen seinen Gliedern beim Reichstage vertreten sein soll. Es gibt Leute denen das Volk da anfängt wo die Beamten oder die Geistlichen aufhören, oder gar auch wo der Besitz und die Bildung aufhört. Das Volk umfaßt alle, und selbst das Haus des Fürsten, als des ersten Staatsbürgers, gehört mit zum Volke.

W. H. R.

Deutsches Reich.

* München, 2 März. Wie vom Kriegsschauplatz gemeldet wird, sind gestern die in Le Puy internirt gewesenen bayerischen Kriegsgefangenen von dort über Bourges abgegangen um an den deutschen Vorposten aus - gewechselt zu werden. -- Jm Gegensatz zu München, welches erst bei der Rückkehr der bayerischen Truppen ein außerordentliches Festgewand an - legen will, hat der Magistrat Nürnberg beschlossen den Friedensschluß fest - lich zu begehen, und zwar durch Gesang, Geläute mit den Glocken aller Thürme, Aufführung patriotischer Schauspiele im Theater, Jllumination und Fackelzug. Man ist mit andern deutschen Städten in Verbindung ge - treten, damit dieser Tag in ganz Deutschland ein allgemeiner Festtag werde. -- Die Wahlen für den ersten Reichstag des wieder erstandenen Deutschen Reichs stehen unmittelbar bevor. Wir beeilen uns daher noch einige De - tails über die Wahlbewegung und Einschlägiges nachzutragen. Den libe - ralen Candidaten für die Residenzstadt München, Frhr. v. Stauffenberg und Stadtrichter Kastner, ist von der fortschrittlichen Parteipresse der Boden so vortrefflich vorbereitet worden, daß an ihrem Siege kaum gezweifelt wird. Für Schwaben sind die Auserkorenen der liberalen Partei: Bürgermeister Fischer (Augsburg), Regierungspräsident v. Hörmann (Kaufbeuren und Dillingen), Advocat Dr. Völk (Jmmenstadt), Appellrath Behringer (Jller - tissen) gegen seinen Amtsgenossen Appellrath Grabner, Buchhändler Rohmer (Donauwörth). Für Nürnberg steht die Candidatur und wohl auch die Wahl des Landtagsabgeordneten Karl Crämer seitens der Liberalen fest. Die dortige Volkspartei wird sich an der Reichstags - wahl aus Opportunitätsgründen nicht betheiligen, dagegen werden dem Vernehmen nach die Socialdemokraten für einen eigenen Candidaten an die Urne treten. Jm Wahlkreise Ansbach haben zwei Fractionen der libe - ralen Wähler sich gebildet und noch nicht über einen gemeinsamen Candi - daten geeinigt. Das Gros der Fortschrittspartei möchte Dr. Völk von Augsburg auch in diesem Wahlkreise durchbringen, während ein anderer Theil der Wahlberechtigten am Fürsten Hohenlohe festhält. Es hat sich dabei ein eigenthümliches Seitenstück zu dem kürzlich in diesen Blättern erörterten Thema Prinzen als Volksvertreter herausgestellt, in sofern ein Wahlaufruf der Völk'schen Fraction die Alternative: Fürst und Volksmann aufwarf. Die Verfasser dieses Aufrufes lassen alle Vortreff - lichkeiten des Fürsten, seine staatsmännische Begabung, seinen Liberalis - mus, seine persönliche Liebenswürdigkeit, sowie alle seine Verdienste gelten, nur -- ziehen sie ihm den Volksmann vor. Doch steht dem Fürsten noch ein Mandat -- für den oberfränkischen Wahlkreis Forchheim = Ebermannstadt -- in Aussicht. Hinsichtlich der neulich schon erwähnten Candidatur des Prof. Dr. Marquardsen für Erlangen = Fürth möge beiläufig erwähnt werden daß derselbe auch von seiner Vaterstadt Schleswig ein Mandat angetragen erhal - ten, jedoch abgelehnt hat, wie das Erl. Tagbl. mittheilt. Die Liberalen Unterfrankens werden für folgende Candidaten einstehen: Prof. Dr. Gerstner (Würzburg), Kaufmann Fischer von Marktbreit (Kitzingen), Re - gierungspräsident v. Hörmann in Augsburg (Schweinfurt), Regierungs - präsident Graf Luxburg (Neustadt a. d. S.) und Prof. Dr. Edel (Aschaffen - burg). Das Capitelvicariat Würzburg hat an den Curatklerus der Diö - cese folgende Mahnung erlassen: Die Wahlen für den deutschen Reichs - tag stehen demnächst bevor. Es handelt sich hiebei nicht nur um die wichtigsten für das staatliche Wohl des ganzen sowie unseres speciellen Vaterlands entscheidenden Berathungen und Beschlüsse, sondern auch die heiligsten und theuersten Jnteressen unserer Kirche werden vor - aussichtlich in den Kreis der Beschlußfassung gezogen werden, und eine kräftige Vertretung derselben durch glaubenstreue, katholische Männer ist geboten. Wir hegen auch in diesem Anlaß das gegründetste Vertrauen auf die Einsicht und den discreten Eifer unseres Diöcesanklerus, daß der - selbe nach der ihm in der bürgerlichen Gesellschaft sowohl als in der Kirche angewiesenen Stellung sich bei den fraglichen Wahlen pflichtgemäß bethei - ligen werde. Die Wähler im Fränkischen Wald haben in einem von vielen Tausenden unterzeichneten Wahlaufrufe den Bergwerksbesitzer Richard v. Swaine zu Stockheim als Reichstags = Candidaten aufgestellt, und letzterer hat die Candidatur angenommen. Für Bayreuth ist Landtagsabgeordneter Pfarrer Kraußold von Redwitz aufgestellt, und hält, der einmal gegebenen Zusage treu, an seiner Bewerbung fest, obwohl er auf einstimmigen Beschluß der beiden Gemeindecollegien seines Sprengels, in Berücksichtigung der dortigen kirchlichen Verhältnisse, gebeten wurde ein Mandat zum Reichs - tag nicht anzunehmen. Aus der Pfalz liegen uns nur spärliche Notizen vor, doch enthält die Pfälzer Volksztg. eine Erklärung des von der de - mokratischen Nuance der liberalen Partei als Candidat aufgestellten Be - zirksrichters Croissant zu Frankenthal, worin derselbe sagt: er könne aus persönlichen Beziehungen zu Hrn. Golsen als dessen Gegencandidat nicht auftreten, im übrigen theile er vollständig die Principien der geeinigten freiheitlichen Partei, und habe nichts dagegen wenn diejenigen freiheitlich gesinnten Wähler welche Hrn. Golsen ihre Stimmen ohnehin nicht geben wür - den, ihn -- Hrn. Croissant -- als ihren Candidaten für den Reichstag betrach - ten. -- Der Nürnb. Anz. ist, unter der Anschuldigung in mehreren Num - mern des Vergehens der Nichtbeachtung von Sicherheitsvorschriften in Kriegszeiten und der Beleidigung des kgl. Stadtcommissariats Nürnberg sich schuldig gemacht zu haben, zur Aburtheilung vor das nächste Schwur - gericht verwiesen worden. Wegen des nämlichen erstern Delicts haben, wie wir bei dieser Gelegenheit bemerken, auch die Allg. Ztg. und die Augsb. 1045Postztg. nächster Tage vor dem Schwurgericht für Schwaben sich zu ver - antworten. -- Der Nbg. Korr. versichert auf Grund zuverlässiger Jn - formation daß die Verlegung des mittelfränkischen Appellgerichts von Eichstädt nach Nürnberg schon am 1 Aug. d. J. vollendete Thatsache sein werde.

: München, 1 März. Hr. v. Arnim, dessen Gesandtschaftsposten in Rom wohl auf längere Zeit der Graf Tauffkirchen versieht, setzte nach kurzem Aufenthalt seine Reise nach Versailles von hier gestern wieder fort. -- Kaufmann Georg Müller und stud. theol. Hermann Blaul aus Speyer, welche sich als Mitglieder der in Frankreich äußerst thätig gewesenen Richt - hofen 'schen Colonne auszeichneten, haben das Eiserne Kreuz II. Classe erhalten.

Berlin, 28 Febr. Die Militärconvention welche mit Braunschweig abgeschlossen, ist analog derjenigen welche zwischen Oldenburg, den thüringi - schen Staaten und Preußen besteht. Das braunschweigische Contingent geht in die Verwaltung Preußens über, die Officiere erhalten den Charak - ter als preußische Officiere, werden wie diese versetzt und befördert. -- Auf die bekannte Entgegnung der Berliner Akademie an den Cultusmini - ster, in welcher die Akademie in entschiedener Form ihr Recht wahrte und Zurücknahme der eigenmächtigen Eingriffe des Cultusministeriums forderte, ist nunmehr von Seiten des Cultusministers eine Antwort erfolgt, und zwar eine doppelte. Jn dem ersten Schreiben fordert Hr. v. Mühler ihm denjenigen namhaft zu machen welcher den Brief der Akademie in die Zei - tungen gebracht; in dem zweiten Schreiben verbietet er der Akademie diese Angelegenheit weiter zu besprechen. Man darf wohl erwarten daß die Akademie auch diese beiden Actenstücke der Oeffentlichkeit übergeben wird. -- Am letzten Mittwoch Abends las Bauernfeld im Salon des Hrn. v. Dingel - stedt im Kreise einiger geladenen Damen und Herren sein neuestes Stück vor. Dasselbe soll den Zuhörern sehr gefallen haben. Der Autor hatte dem Kinde noch keinen Namen gegeben, die Gesellschaft taufte es: Ausgleich. -- Die Feldpolizei der deutschen Armee hat aus Versailles die Nachricht her - gesandt daß dort einem deutschen Armeelieferanten 63 Stück französischer Bankbillets à 1000 Fr. gestohlen worden sind.

(--) Berlin, 28 Febr. Der gestrige Tag hat in der That die Be - sorgnisse zerstreut in welche die lange Ungewißheit der Lage einen nicht geringen Theil unserer Bevölkerung versetzt hatte. Um die Mittagsstunde bedeckten sich die Anschlagssäulen mit riesigen Placaten, durch welche das Polizeipräsidium der Bevölkerung das Friedenstelegramm des Kaisers an seine Gemahlin mittheilte. Diese rothberänderten Placate waren auf den Ecken mit Adlern geschmückt die ihre Schwingen weit ausbreiteten, und in der Mitte mit einem ovalgeformten Lorbeerkranze. Gleich darauf wurden auch an derselben Stelle die wesentlichsten Punkte der Friedensprälimina - rien verkündigt. Allmählich ward es in den Straßen lebendiger, während von den Dächern zahlreicher Häuser Flaggen herabwehten, theils in den deutschen, theils in preußischen Farben. Jm ganzen jedoch zeigte die Be - völkerung eine fast befremdend ruhige Stimmung. Wie der Flaggen = und Fahnenschmuck der Häuser, so war auch am Abend die Beleuchtung eine sehr sporadische; dagegen erhielt das Leben und Treiben in den Straßen mit dem Eintritt der Dunkelheit einen stellenweise wüsten Anstrich. Am bun - testen gieng es, wie immer bei solchen Gelegenheiten, unter den Linden in der Nähe des kaiserlichen Palais her. Dort wogte es bis in die tiefe Nacht auf und ab, und das Rufen nach der Kaiserin, die auch mehreremal auf dem Balcon erschien, wollte gar kein Ende nehmen. Selbstverständlich fehlte es auch nicht an grobem Unfug, der von jenen Burschen verübt wurde welche in hundertköpfigen Banden unter Vorantragung schmutziger Fahnen und kreischendem Gesange durch die Straßen strömten, und in jugend - lichem Uebermuth mit allem was ihnen in den Wurf kam ihr schnödes Spiel trieben. Besonders arg war der Lärm auch in der Umgebung des Rathhauses, welches die Massen erleuchtet wähnten, und dann, als sie sich ge - täuscht sahen, nicht eher wieder verlassen wollten als bis illuminirt worden. Hiezu wird es jedoch erst am Tage der Rückkehr des Kaisers kommen, welchen der Oberbürgermeister und der Vorsteher der Stadtverordneten im Namen der Stadt am Bahnhof empfangen und welchem die städtischen Be - hörden später in corpore eine Glückwunschadresse überreichen werden. Was die Friedenspräliminarien anlangt, so billigt der urtheilsfähige Theil unserer Bevölkerung vollkommen diese Abmachung, welche den Charakter weiser Mäßigung nicht verläugnet, gleichwohl aber Frankreich auf viele Jahre hin die Möglichkeit benimmt eine Politik der Wiedervergeltung in Scene zu setzen. Für das Aufgeben Belforts, auf dessen Erwerbung und Festhaltung man vom politischen wie vom strategischen Standpunkt aus großen Werth gelegt hatte, tröstet man sich jetzt mit der Erwägung daß dort durchaus französischer Geist und französische Sprache herrschen, und daß sich in der Errichtung eines befestigten Lagers bei Altkirch genügender Ersatz werde finden lassen. Die auf 5 Milliarden herabgesetzte Kriegskosten - Entschädigung schließt zugleich den Ersatz für den Schaden in sich welcher der deutschen Handelsmarine aus der Aufbringung von Schiffen und denausgewiesenen Deutschen aus ihrer brutalen Vertreibung erwachsen ist. Dagegen werden hiebei die schon geleisteten Contributionen nicht in An - rechnung gebracht. Von einer Schleifung der Pariser Festungswerke, welche die Kreuzztg. wiederholt in Correspondenzen und Leitartikeln befürwortet hatte, ist in den Stipulationen keine Rede. Auch wird in gutunterrichteten Kreisen die Angabe der Köln. Ztg. bestritten daß der Abschluß der Frie - denspräliminarien durch die Einmischungsgelüste Englands verzögert worden sei, welche sich bei diesen Verhandlungen gar nicht bemerkbar ge - macht hätten. -- Vorgestern ist der österreichische Gesandte, Graf Wimpffen, nach Wien abgereist, angeblich in Privatangelegenheiten. Es ist indeß kaum anzunehmen daß Graf Wimpffen so unmittelbar vor der Rückkehr des Kaisers und des Bundeskanzlers seinen Posten verlassen haben sollte um bloß Privatsachen zu erledigen. Hier legt man denn auch seiner Reise, die übrigens nur von kurzer Dauer sein wird, einen entschieden politischen Charakter bei.

Oesterreichisch = ungarische Monarchie.

sym13 Wien, 1 März. Bekanntlich hat die rumänische Regierung schon vor längerer Zeit die Umwandlung des in der Convention vom 19 Aug. 1858 festgestellten Titels Vereinigte Fürstenthümer der Moldau und Walachei auch für die internationalen Beziehungen in den bei Acten der inneren Verwaltung und im nichtdiplomatischen Verkehr allge - mein üblichen Titel Fürstenthum Rumänien angeregt, und die günstige Erledigung dieses speciell von Oesterreich unterstützten Wunsches wurde nur durch den die Pforte herausfordernden Zwischenfall hinausgeschoben daß die rumänische Regierung Münzen prägen ließ welche, entgegen der bestimmten Clausel der mit der Pforte ausgetauschten Erklärungen, kein Zeichen der Oberherrlichkeit der Pforte trugen. Die Angelegenheit ist dem Vernehmen nach jetzt beglichen, und es werden die zur Conferenz in London versammelten Bevollmächtigten der Pariser Vertragsmächte ein Protokoll unterzeichnen welches, gegen Erneuerung der in den gedachten Erklärungen bezüglich der Ausübung des Münzrechts begründeten Ver - pflichtung, den Art. 1 der Convention von 1858 abändert und die Donau - fürstenthümer officiell als Fürstenthum Rumänien in das europäische Recht einführt.

# Graz, 27 Febr. Die Regierung hatte schon vor längerer Zeit den Entschluß gefaßt in Graz ein neues Universitätsgebäude zu errichten, was um so dringender war als die jetzige Localität schon lange nicht mehr den an sie gestellten Anforderungen genügt; 1,200,000 fl. waren für das Gebäude in Anschlag gebracht. Nun ist aber zwischen der Gemeinde und der Regierung ein Streit über den Platz ausgebrochen auf welchem die Universität zu stehen kommen soll. Die von der Regierung gewählte Stelle sagte der Gemeinde nicht zu, weil der Neubau, würde er hier errichtet, einen großen Theil des erst neu geschaffenen Stadtparks beeinträchtigte; die Regierung aber wollte wieder auf die von der Gemeinde in Vor - schlag gebrachten Plätze nicht eingehen. Der Streit hatte einen so ge - reizten Charakter angenommen, daß die Regierung schon erklärte sie werde gar kein neues Gebäude herstellen; ja noch mehr, sie werde die Grazer Universität nach Salzburg verlegen, wenn man auf ihren Plan nicht ein - gehe. Schon wurden die schlimmsten Befürchtungen rege, als endlich doch noch in letzter Stunde ein Compromiß erzielt wurde. Gestern fanden näm - lich Conferenzen zwischen dem Gemeinderath und einem vom Unterrichts - ministerium delegirten Sectionsrathe statt, und man einigte sich dahin die Universität zwar auf dem von der Regierung vorgeschlagenen Platz, aber so anzulegen daß nur ein ganz unbedeutender Theil des Stadtparks ge - opfert werden muß. Der Bau wird schon im Frühjahre begonnen und in italienischem Renaissancestyl mit weitläufigen Höfen und Arcaden auf - geführt werden.

Schweiz.

Bern, 27 Febr. Jm Ständerathssaal versammelte sich heute die vom Nationalrath zur Vorberathung der Bundesverfassungsrevision auf - gestellte Commission. Die Commission hatte sich zu Ende vorigen Jahrs in vier Sectionen getheilt. Da nun nur die staatswirthschaftliche Com - mission ihre Anträge motivirt hatte, wurde auf den Antrag von Dr. Escher die politische Commission, die Militärcommission und die Rechtscommission eingeladen ihre Anträge ebenfalls zu motiviren, und soll diese Motivirung auf den Antrag Stämpfli's gedruckt ausgetheilt worden sein. Nationalraths - präsident Anderwerth beantragte mit Art. 1 der Verfassung die Berathung zu beginnen, wo dann bei jedem Paragraphen die betreffende Section ihre Einwendungen machen könne. Die Berichterstatter der letzten drei Sec - tionen erklärten hierauf daß sie sämmtlich willens seien Bericht zu erstatten, und keineswegs ihre Anträge unmotivirt vorzulegen gesonnen gewesen seien, sich aber zur Vereinfachung auf mündliche Berichterstattung beschränken zu können glaubten. Für die Militärsection berichteten die Obersten Sche - rer aus Zürich und Stehlin von Basel. Wir entnehmen diesem Bericht vorderhand nur daß die Mehrheit dieser Section vor einer gänzlichen Centralisation des Militärwesens aus politischen Gründen abrathet, in -1048das glorreichste Volk der Welt zu gelten. Diesem Eigendünkel, diesem Bedürfniß müßte man es allein zuschreiben wenn wirklich die Furie des Krieges noch einmal zu toben anfienge. Man kann sich nicht an den Ge - danken gewöhnen einen gewissen Theil, wenn auch nur den geringsten des Territoriums abzutreten. Man betrachtet dieß als eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, und doch hätten die Franzosen sich keineswegs gescheut als Sieger gleiches von Deutschland zu verlangen für das es sich nur um eine Zurückforderung handelt. Man versichert mir auch aus sehr glaubwürdiger Quelle daß die militärischen Vorbereitungen auch schon wieder so weit gediehen sind, um die glücklichere Fortsetzung des Kriegs nicht unmöglich erscheinen zu lassen. Man würde sich auf einer fortwährenden Defensive halten und, wenn es sein müßte, den Feind das ganze Land, so zu sagen, besetzen lassen. Mit einiger Ausdauer muß man auf diese Weise, so spricht man in competen - ten Kreisen, endlich dazu gelangen die deutschen Armeen zu ermüden und zu erschlaffen, bis die Zeit kommen würde wo man mit besseren Chancen die Hand zum Frieden bieten könnte. Man würde auch bei Erneuerung des Kriegs eine ganz andere Taktik verfolgen als bisher. Man wirft sich selbst vor in zu delicater Weise mit den eigenen Dörfern und kleinen Ort - schaften umgegangen zu sein. Von nun an würde man sich nicht mehr scheuen alles vor und hinter sich niederzubrennen, um den Deutschen die Möglichkeit einer zu leichten Unterkunft während des Vordringens im Feindeslande zu rauben. Ein Umstand der auch nicht viel gutes in Be - treff der gegenwärtigen Verhandlungen verspricht, so meint man hier, ist der daß tägliche Nachrichten große Concentrationen der deutschen Truppen an allen äußersten Punkten der Demarcationslinien bestätigen. Man be - merkt mit großem Jnteresse einen langen Artikel der Pall = Mall = Gazette in London über die militärische Lage Frankreichs, im Fall einer Fort - setzung des Kriegs. Die Spannung ist sehr groß; man erwartet bis läng - stens heut Abends Nachrichten von Versailles, da schon morgen Mitter - nacht der Waffenstillstandstermin zu Ende geht, und daher die National - versammlung nicht einmal die Zeit hätte über die Bedingungen zu ver - handeln. Rochefort ist nicht nach Paris gereist, und somit hatte ich also recht in meinem letzten Schreiben zu behaupten daß das gemeinte Ziel dieser Reise wohl ein unwahrscheinliches sei. Eine hohe Persönlichkeit versichert mir daß man alle Entlassungen oder Versendungen weit vom Schauplatze des Kriegs, im Administrationspersonal bis auf weiteres sus - pendirt hat, und daß der Status quo streng beibehalten wird.

Verschiedenes.

* Berlin, 27 Febr. Das Central = Comit é der deutschen Vereine zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger hat folgenden Aufruf erlassen: An die Wähler zum ersten deutschen Reichstage! Jn wenigen Tagen werdet ihr berufen sein die Vertreter des neu erstandenen Deutschen Reichs zu wählen! Noch bluten unzählige Wunden der tapferen Krieger welche dieses Reich begrün - den halfen! Noch bedürfen wir auf Monate erheblicher Mittel um die Pflege der Verwundeten und Kranken aus dem Riesenkampfe Deutschlands fortzusetzen. Wir wenden uns daher heut an euch, ihr Wähler des Deutschen Kaiser - reichs, mit der vertrauensvollen Bitte daß ihr, ein jeder nach seinen Kräften, am Wahltage derer gedenken möget welche Gesundheit und Leben für das Vater - land eingesetzt haben. Jn allen Wahllocalen Deutschlands werden Sammel - büchsen ausgestellt sein in welchen ihr euren Dankespfennig niederlegen könnt.

Berlin, 28 Febr. Von deutschen Katholiken ist in Rom am 2 d. dem Papst folgende Adresse überreicht worden: Heiligster Vater! Wir nahen uns, um Ew. Heiligkeit die Verehrung unserer ehrfurchtsvollsten Liebe, unserer Anhänglichkeit und Treue darzubringen. Ein Schrei des Unwillens und der Mißbilligung gieng durch alle Länder Deutschlands als sich durch seine Diöcesen die unglaubliche Nachricht von der kirchenschänderischen Beraubung verbreitete. Wir als Repräsentanten der Diöcesen Deutschlands haben uns heut um Ew. Heiligkeit versammelt, um hier Zeugniß von diesen einmüthigen Gefühlen der deutschen Katholiken abzulegen, und die Versicherung zu geben daß sie mit der ganzen Kraft ihrer Seele das verabscheuungswürdige Attentat der italienischen Regierung verwerfen. Wir sind vollständig überzeugt, heilig - ster Vater, daß Euch das Patrimonium des heiligen Petrus nothwendig ist, um die Gewalt der Schlüssel welche Euch der Herr anvertraut hat mit Freiheit und zu größerm Nutzen der Kirche ausüben zu können. Wir versprechen Euch, heiligster Vater, daß wir alles was in unsern Kräften steht anwenden werden damit ... (hier unterdrückt der Osservatore Romano die auf die Zerstörung der gegenwärtigen Ordnung der Dinge in Jtalien gerichteten Aussprüche). Heiligster Vater! Wir glauben keine eitlen Worte auszusprechen, wenn wir zu den Füßen Ew. Heiligkeit den ehrerbietigsten Ausdruck der Gefühle der deut - schen Katholiken niederlegen. Ein Blick auf die allgemeine Bewegung welche sich der Söhne der katholischen Kirche in unserm Vaterland bemächtigt hat, wird Ew. Heil. zum Beweis dienen daß unsern Worten die Thaten entsprechen werden, und wir sind getröstet daß wir in einer Weise Ew. Heiligkeit in gegenwärtiger Bedräng - niß zu Hülfe kommen können. Jndem wir in aller Demuth zu den Füßen Ew. Heiligkeit den väterlichen Segen erflehen, halten wir uns beglückt zu sein und zu bleiben mit der zärtlichsten Liebe und der kindlichsten Ehrfurcht Ew. Heilig - keit demüthigste und gehorsamste Söhne und Diener. Unter den Unterschrif - ten finden sich u. a. die Namen zweier Grafen v. Stolberg = Stolberg (Franz Joseph und Cajus), der Grafen Schaesberg (im Osservatore steht falsch Schaes -leurs), Waldburg = Zeil, Waldersdorff, Harslereiche, Schönburg, Anton Harbu - val et Chamar é, des Grafen Lusy Henckel, der Barone v. Darth und Wam - boldt, des Bischofs v. Limburg u. a.

Pariser Luftschifffahrts = Statistik. Während der Belagerung von Paris hat die Administration der Post 54 Luftballons mit etwa 2,500,000 Briefen in einem Gewicht von 10,000 Kilogramm abgehen lassen. Dieß waren der Neptun am 23 Sept., Citt à di Firenze am 25 Sept., Etats = Unis am 29 Sept., Céleste am 30 Sept. (mit Postkarten), Armand = Barbès am 7 Oct. (mit Gambetta und den ersten Brieftauben), Washington am 12 Oct., Louis Blanc am selben Tage, Godefroy = Cavaignac am 14 Oct. (mit Kératry), Guillaume Tell am 14 Oct. (mit Ranc), Jules Favre und Jean Bart am 16 Oct., Victor Hugo am 18 Oct., Lafayette am 19 Oct., Garibaldi am 22 Oct., Montgolfier am 25 Oct., Vauban am 27 Oct. (bei Verdun innerhalb der preußischen Linien niedergefallen, wobei die Aëronauten sich flüchteten), Colonel = Charras am 29 Oct., Fulton am 2 Nov, Ferdinand Flocon am 4 Nov., Galilei am 4 Nov. (von den Deutschen weggenommen), Ville de Châteaudun am 6 Nov., Gironde am 8 Nov., Daguerre am 12 Nov., General Uhrich am 18 Nov., Archimedes am 21 Nov. (in den Niederlanden gelandet), Ville d' Or - l éans am 24 Nov. (in Norwegen gelandet), Jacquard am 28 Nov., Jules Favre II am 30 Nov. (soll ins Meer gefallen sein), Franklin am 5 Dec., Denis - Papin am 7 Dec., General Renault am 11 Dec., Ville de Paris am 15 Dec. (Aëronaut de la Marne, im Herzogthum Nassau niedergekommen und von den Deutschen genommen), Parmentier und Gutenberg am 17 Dec., Davy am 18 Dec., General Chanzy am 20 Dec., Lavoisier am 22 Dec., Délivrance am 23 Dec., Tourville am 27 Dec., Bayard am 29 Dec., Armée de la Loire am 31 Dec., Newton am 4 Jan., Duquesne am 9 Jan., Gambetta am 10 Jan., Kepler am 11 Jan., General Faidherbe am 13 Jan., Vaucanson am 15 Jan., Poste de Paris am 18 Jan., General Bourbaki am 20 Jan., General Daumesnil am 22 Jan., Torricelli am 24 Jan., Richard Wallace am 27 Jan., General Cambronne am 28 Jan. Hievon stiegen 26 an der Station der Orleansbahn, 16 an der Station der Nordbahn, 3 an der Ostbahn, 3 auf dem Montmartre, 2 im Tuileriengarten, 2 am Boulevard Jtalien, 1 in Vaugirard, 1 in Villette auf. Außerdem stiegen Georges Sand am 7 Oct., Libert é mit Wilfrid de Fonvielle am 17 Oct., Egalit é am 25 Nov., Le Volta am 1 Dec. mit dem Gelehrten Janssen und la Bataille am 30 Nov. auf.

Industrie, Handel und Verkehr

Frankfurt a. M., 1 März. Württ. 5proc. Oblig. 99 7 / 16 bez; 4 1 / 2 proc 93 3 / 8 G.; 4proc. 86 1 / 4 G.; 3 1 / 2 proc. 83 G.; bad. 5proc. Obl. 99 1 / 2 bez. ; 4 1 / 2 - proc. 93 1 / 8 bez. ; 4proc. 87 1 / 2 G.; 3 1 / 2 proc. 84 1 / 4 G.; pfälz. Max = B. 109 1 / 4 bez; 4proc. hess. Ludw. = B. 140 G.; bad. 35fl. = L. 61 bez. ; kurh. 40Thlr. = L.64 5 / 8 G.; nass. 25fl. = L.38 1 / 2 P.; großh. hess. 50fl. = L.170 1 / 4 P.; 25fl. = L. --; Ausbach - Gunz. 7fl. = L. 12 P.; Pistolen fl. 9.43 -- 45; doppelte fl. 9.44 -- 46; preuß. Friedrichsd'or fl. 9.57 1 / 2 -- 58 1 / 2; holl. 10fl. = Stück fl. 9.54 -- 58; Ducaten fl. 5. 35 -- 37; Ducaten al marco fl. 5.36 -- 38; Napoleonsd'or fl. 9.25 -- 26; engl. Sover. fl. 11.53 -- 57. (Cursbl. d. Ver. Frkf. Ztgn.)

Bank von Frankreich. Die Straßb. Ztg. enthält folgende Bekannt - machung: Succursale der Banque de France. Der Discont für Wechsel wird mit dem heutigen Tag auf 4 Procent festgestellt. Ausgenommen bleiben die ver - fallenen Wechsel im Portefeuille der Bank, welche bis zur Einlösung mit 6 Proc. vom Tage der geschehenen Präsentation verzinst werden müssen. Es bleibt ge - stattet die Einlösung dieser verfallenen Wechsel durch Zahlung von 10 Proc. ihres Betrages in Baar und von 90 Proc. durch Discontirung bankmäßiger Wechsel zu bewirken. Für diese Discontirung gilt der Discont von 4 Proc. Für Avan - cen auf Werthe ist der Zinsfuß auf4 1 / 2 Proc. festgesetzt. Straßburg, 20 Febr. 1871. Der Commissär der Liquidation der Succursale. v. Sybel.

Telegraphische Berichte.

(*) Darmstadt, 1 März. Neueren Bestimmungen zufolge ist der Zusammentritt des ersten deutschen Reichstags vom 16 auf den 20 März verschoben.

Vorstehende Depesche aus einem Extrablatt hier wiederholt.

* Wien, 1 März. Getreidebörse. Geschäfts = und tendenzlos. Weizen Samstagspreise. Korn matter und unbeachtet. Gerste unverändert fest. Mais behauptet. Hafer flau. Mehl fortgesetzte Vernachlässigung. -- Ziehung der 1864er Loose: 330, 700, 1092, 2168, 2896, 3261, 3003, 3755, 3261.

London, 1 März. Börse: 3proc. Consols 91.09; 5proc. Türken41 1 / 2; 1882er Amerikaner91 3 / 8; 5proc. Jtaliener53 7 / 8; Lombarden14 1 / 2; 3proc. Spanier 29 15 / 16. Tendenz: schlecht.

Liverpool, 1 März. Baumwollenmarkt. Tagesumsatz 8000 B., zur Ausfuhr verkauft 1500 Ballen. Stimmung flau. Orleans7 3 / 4, Middling 7 1 / 2, fair Dhollerah6 1 / 8, middl. fair Dhollerah5 3 / 4, good middl. Dhollerah 5 1 / 8, fair Bengal5 1 / 2, fair Oomra6 1 / 4, good fair Oomra6 15 / 16, Pernam7 7 / 8, Smyrne 7, Egyptian 8. Tagesimport fehlt.

Amsterdam, 1 März. Börse. Wechsel auf London --; 3proc. Spanier29 7 / 8; 1882er Amerikaner96 1 / 8; 5proc. Papierrente46 3 / 8; 5proc. Silberrente53 11 / 16; 5proc. Türken40 5 / 8; 5proc. Russen von 185576 1 / 2.

Amsterdam, 1 März. Productenbörse. Buntpolnischer Weizen 415 fl., St. Petersburger Roggen 214 fl., Galatzer 220 fl. Roggen per März 211 fl., per Mai 217 fl., per October 223 fl. -- Repssamen per April 91 fl, per October 85 fl. -- Rüböl loco48 3 / 4. per Mai46 3 / 8., per October46 1 / 4. -- 438 Packen Java = Kaffee zu festeren Preisen verkauft.

New = York, 28 Febr. Per Kabel. Gold, Schlußcurs110 7 / 8; Wechsel per London109 1 / 2; 1882er Bonds112 1 / 4; 1885er Bonds 112; Erie = Actien 22 1 / 4; Jllinois133 1 / 2; Baumwolle15 1 / 8; Petroleum24 5 / 8. Mehl 705.

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TextAllgemeine Zeitung
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Institut für Deutsche Sprache, MannheimNote: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription Peter FankhauserNote: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format. CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationAllgemeine Zeitung Nr. 62 . Augsburg (Bayern)1871.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; mkhz1

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Die Transkription erfolgte manuell im Double-Keying-Verfahren. Die Annotation folgt den formulierten Richtlinien.Besonderheiten der Transkription: Bogensignaturen: nicht übernommen.Druckfehler: ignoriert.fremdsprachliches Material: nur Fremdskripte gekennzeichnet.Kolumnentitel: nicht übernommen.Kustoden: nicht übernommen.langes s (?): in Frakturschrift als s transkribiert, in Antiquaschrift beibehalten.rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert.Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert.Vollständigkeit: vollständig erfasst.Zeichensetzung: DTABf-getreu.

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