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Englands Mäßigung bei Friedensschlüssen.
Das päpstliche Garantie = Gesetz. I.
Deutsches Reich. München: Wahlergebnisse. Die französischen Kriegsgefangenen. Verichtigung. Stuttgart: Der König vor Paris. Berlin: Aufnahme der Friedensnachricht. Zusammentritt des Reichs - tags. Die Rachedrohungen der Franzosen. Verluste des Gardecorps. „ La Valérie. “ Die angeblichen Einmischungsversuche Englands. Zu den Friedensverhandlungen. Nachforderung. Hr. v. Varnbüler. Zur Wahlbewegung. Bewilligung der Kosten der Friedensfeier.
Oesterreichisch = ungarische Monarchie. Wien: Officiöse An - schauung von der Stellung der Deutschen in Oesterreich. Die galizische Resolution. Die ägyptischen und tunisischen Händel. Die innere Lage. Der Stand der schwebenden Staatsschuld. Jnnsbruck: Friedensfeier. Triest: Oesterreichs Veziehungen zu Deutschland. Der neue Statt - halter. Englische Concurrenz auf der Linie nach Bombay. Pest: Das Honved = Gesetz.
Frankreich. Aufregungen. Der Einmarsch. Pasteur an die Universiät Bonn. Protest französischer Officiere. Paris: Physiognomie von Paris. Demonstrationen und Vorsichtsmaßregeln. Nizza: Memorandum der Nizzarden.
Jtalien. Rom: Die katholische Bewegung. Deutschlands Vertretung durch Bayern. Deutsche Freundschaft gesucht. Für die Jesuiten. Waldenser.
Verschiedenes.
Jndustrie, Handel und Verkehr.
Neueste Posten. Prag: Reichsrathswahlen. Ein geplanter Slaven - Congreß. Pest: Unterhaus. Lemberg: Der „ Dziennik Lwowski. “ Bischof Kuziemski. Zürich: Die Schweiz und die Friedensprälimi - narien. Bordeaux: Aus der Nationalversammlung. Madrid: Der Conflict mit Aegypten. Bukarest: Aus der Kammer. Athen: Das Budget. Notenwechsel wegen des Räuberunwesens. Blaque Bey. Der deutsche Gesandte. Anerkennung der französischen Regierung. Kon - stantinopel: Diplomatenwechsel in Persien.
* München, 4 März. (Officielles Telegramm an den Kriegsmini - ster. ) Versailles, 3 März, Abends. Der Kaiser hielt heute Vormittags 11 Uhr in Longchamps eine Parade über das Gardecorps, die Garde - Landwehr = Division, das Königs = Grenadier = Regiment, Abtheilungen der Belagerungs = Artillerie und Pioniere ab. Jn Folge der gestern ausge - tauschten Ratificationen des Friedenspräliminar = Vertrags wurde im Laufe des Vormittags Paris nach zweitägiger Occupation von unseren Truppen geräumt. Die Armeen erhielten Befehl dem Vertrag entsprechend den Marsch hinter die Seinelinie anzutreten.
× München, 4 März. Jm Wahlbezirk München II ist nach der bisher bekannten Stimmenzahl die Wahl des Stadtrichters Kastner ge - sichert, Prinz Ludwig unterlegen.
(*) Berlin, 3 März. Die Jllumination ist in allen Stadttheilen glän - zend. Kein Haus ist unbel euchtet. Besonders ragen das kaiserliche Palais, die Ministerialgebäude, das Schloß und das Rathhaus hervor. Zahllose Menschenmengen durchströmen die Straßen in musterhafter Haltung. Ueberall größte Ordnung. Um 9 Uhr durchfuhren die Kaiserin und diePrinzessinnen die Straßen, und wurden überall vom Publicum enthusia stisch begrüßt.
(*) Paris, 3 März. Die „ Amtszeitung “veröffentlicht den Wort - laut der ratificirten Präliminarien. Der Auszug der Deutschen dürfte um 4 Uhr vollzogen sein. Die Forts des linken Seine = Ufers werden den Franzosen zurückgegeben sobald die Deutschen ihr bedeutendes Kriegs - material aus denselben zurückgezogen haben. Betreffs des Erscheinens der Deutschen im Louvre war, wie das amtliche Blatt mittheilt, verein - bart worden: die Soldaten können das Louvre und die „ Jnvaliden “un - bewaffnet, von Officieren geführt, besuchen. Nach einer Vereinbarung mit General Vinoy unterblieb der Besuch der „ Jnvaliden, “das Louvre wurde kurz besucht.
* Paris, 3 März., Mittags. Die Räumung der Stadt ist beendet. Vormittags 10 Uhr passirten die letzten Soldaten den Triumphbogen. Mittags soll der deutsche Kaiser Revue über 100,000 Mann im Bois de Boulogne abhalten. Die meisten Blätter sind heute wieder erschienen. Die Behörden treffen Vorsorge daß die in Paris befindlichen mobilisirten Nationalgarden und Soldaten in die Heimath entlassen werden. Man beginnt nun auch die letzten Barricaden in den Vorstädten abzutragen.
(*) Bordeaux, 3 März. Die Regierung hat angeordnet daß die mobilisirte Nationalgarde in die Heimath entlassen wird. Diese Maßregel soll so rasch vollzogen werden wie es die Verkehrsverhältnisse gestatten. -- Die Beerdigung des Maire von Straßburg, Küß, hat heute unter großer Betheiligung stattgefunden. Viele Deputirte, Minister und Notabilitäten der Stadt wohnten der Feierlichkeit bei.
* Bordeaux, 3 März. Admiral Penhoat, Commandant der Vo - gesen = Armee, ist mit seinem Generalstab aus Mâcon in Bordeaux ein - getroffen.
* Brüssel, 3 März. Das „ Journ. de Bruxelles “meldet: Ein franzö - sischer Oberst vom Generalstabe Faidherbe's ist in Brüssel eingetroffen um über die Bedingungen der Rückkehr der in Belgien internirten französischen Soldaten zu unterhandeln. Die Rückkehr wird stattfinden sobald die bek - gische Regierung officiell von der Ratification der Friedenspräliminarien unterrichtet ist. Umfassende Vorkehrungen für den Transport werden getroffen.
(*) Madrid, 2 März. Der König hat heute den deutschen Ge - sandten Frhrn. v. Kanitz empfangen, welcher die Annahme der Kaiser - würde Namens des Königs von Preußen notificirte.
* Frankfurt a. M., 3 März. Abend = Effectensocietät: 1882er Amerikaner 97 1 / 4; 1885er96 3 / 8; Silberrente 56; 1860er L77 1 / 2; 1864er L. --; Creditactien 242 3 / 4; Lombarden 170 Staatsbahn364 3 / 4; Galizier 238; Elisabeth --; Köln Mindener Loose96 7 / 8. Tendenz: Amerikaner lebhaft, sonst still.
* Paris, 2 März. Schlußcurse: 3proc. Rente 51.90; Anleihe 52.85; 5proc. Jtal. 57. Ziemlich belebt.
* London, 3 März. Schlußcurse: Consols91 13 / 16; 1882er Amerikaner 92 1 / 4; Türken41 5 / 8; Lombarden --; Jtaliener --.
⁑ Liverpool, 2 März. Baumwollenbericht. Preise 1 / 8 niedriger als am letzten Freitag. -- Manchester ruhig, leichter käuflich.
⁑ Antwerpen, 3 März. Petroleum = Markt. Petroleum loco 50; per April 50, per Mai 51.
* New = York, 3 März. Goldagio110 3 / 4; Wechsel in Gold109 5 / 8; 1882er Bonds112 1 / 4; 1885er112 1 / 8; 1904er109 3 / 4; Baumwolle 15; Petroleum in Philadelphia 24 1 / 2.
sym8 Berlin, 1 März. Seit der Niederlage bei Sedan waren die englischen Einmischungsversuche zu Gunsten Frankreichs lebhafter als aus dem Blaubuch ersichtlich wird, und Lord Granville's Empfindlichkeit über die seiner Neugierde und seinem Vermittlungseifer widerstehende Ver - schlossenheit des deutschen Reichskanzlers begreift sich. Mit Beginn der Waffenstillstands = und Friedensverhandlungen der HH. Favre und Thiers hat sich jenes Bemühen der englischen Regierung um Abminderung der deutschen Forderungen gesteigert und Verzögerungen herbeigeführt, wenn auch weiter keine Ergebnisse. Wenn die englischen Blätter nun gegen die bekannt gewordenen Friedenspräliminarien aufbrausen, so kennen wir diese wohlfeile sittliche Entrüstung längst. Aus Friedfertigkeit findet die „ Times “die Bedingungen zu hart, weil dadurch das Verlangen der Fran - zosen nach Rache stets wach erhalten werde. Allein das Cityblatt gestatte daß dieß Deutschlands ausschließliche Sorge bleibe. Wie England nichts dagegen hatte daß wir die Rache für Sadowa allein ausfochten, so werden wir auch die Rache für die zwanzig Siege von Wörth bis Héricourt schon aushalten. Noch ehe feststand welches das Ultimatum des deutschen Haupt - quartiers sein werde, vertröstete der jetzige Präsident der Nationalver - sammlung zu Bordeaux auf die Revanche, und um so fester mußte Graf Bismarck an Straßburg und Metz festhalten, als auf französische Dank - barkeit nicht zu bauen sein möchte, selbst wenn Hr. Favre keine Handbreit Erde zu missen und nur die Auslagen für die Promenade nach Paris zu zahlen gehabt hätte.
Wo England selbst bei den Friedensschlüssen von 1814 den Franzosen Mäßigung erwiesen hat, geschah es lediglich auf fremde, namentlich deut - sche Unkosten. Schon damals war es der Herausgabe des Elsaßes und Lothringens an Deutschland entgegen. Nicht zu Gunsten Deutschlands be - reicherte es den König von Holland um Brabant und Flandern.
Aus der Geschichte der Erwerbung Jndiens erwähnen wir, um nicht weiter zurückzugreifen, nur den Sultan Tippo Saib, welcher den Britten als Eindringlingen begegnet war und, geschlagen, die Hälfte seines Reichs Maisur einbüßte. Nachdem Tippo Saib die Hülfe des französischen Direc - toriums angerufen hatte, verlor er auch den Rest von Maisur, ein Gebiet also von mehr als 3000 Quadratmeilen. Jm Frieden von Amiens ließen die Engländer sich von den Niederländern, die bekanntlich die unfrei - willigen Verbündeten der Franzosen waren, die 1100 Quadratmeilen messende Jnsel Ceylon abtreten; den Franzosen nahmen sie Jsle de France (Mauritius) und behielten es im Frieden von 1814, indem Ludwig XVIII die Jnseln Tabago und Ste. Lucie hinzufügen mußte. Von den niederlän - dischen Colonien behielt England damals Ceylon, das Capland von herr - lichen 10,000 Quadratmeilen, nebst Demerary, Essequebo und Berbice. Jm Frieden von Amiens hatte England versprochen das 1800 als eine für den Zug nach Aegypten unentbehrliche Flottenstation besetzte Malta an den Johanniterorden herauszugeben, ließ es sich aber 1814 von den Mächten für immer zusprechen.
Kopenhagen war von den Engländern, die jetzt um die Beschießung von Paris jammern, 1807 großentheils in einen Schutthaufen verwandelt worden; die dänische Flotte wurde weggenommen, und im Pariser Frieden mußte Dänemark Helgoland an England abtreten. Sollen wir etwa auch noch daran erinnern mit welcher Gewaltthätigkeit das mächtige Großbri - tannien im Jahre 1850 gegen das kleine Griechenland vorgieng, um ihm die Abtretung der Jnseln Sapienza und Elafonisi an der Südspitze des Peloponneses abzuringen, bloß wegen ihrer strategischen Wichtigkeit für die englische Admiralität? Nur durch Frankreichs und Rußlands Festigkeit wurde Lord Palmerston an der Vollendung seines völkerrechtswidrigen Plans gehindert.
Wollte Graf Bismarck nach englischem Beispiel verfahren, so durfte er sich weder mit der Herausgabe von Elsaß und Lothringen begnügen, noch sich eine Herabminderung der ursprünglichen Kriegsentschädigungs - forderung auf 5 Milliarden Fr. gefallen lassen, es sei denn daß wir die Herabsetzung der englischen Forderung für den Consul Pacifico zu 800,000 Drachmen auf die schließlich durch schiedsrichterlichen Spruch festgestellte Summe von 150 Pf. St. als mustergültig anerkennen müßten! Allein wir verehren in den Engländern weder unsere Lehrmeister noch unsere Aufseher.
sym14 Breslau, 27 Febr. Ein Ereigniß vollzieht sich gegenwärtig in Jtalien welches durch die Großartigkeit seines Zweckes und durch den merkwürdigen Versuch zur Verwirklichung dieses Zweckes das Jnteresse von ganz Europa zu erregen berechtigt ist. Die weltliche Macht wurde dem Papstthum entzogen, die geistliche Macht desselben, welche in den wesent - lichsten Punkten mit der weltlichen verknüpft war, soll in ihrer bisherigenvollen Ausdehnung fortbestehen -- fortbestehen als eine Macht welche sich, über die engeren Gränzen Jtaliens erhebend, auf die ganze katholische Christenheit erstreckt, trotzdem daß zur Stärkung dieser Macht jede weltliche Autorität fehlt.
Sollte nicht die katholische Weltkirche in viele getrennte Landeskirchen sich verwandeln, welche in Folge ihrer äußeren Getrenntheit allmählich sich auch in religiöser und ritualer Beziehung trennen müßten, so war es nothwendig das Papstthum, als die Spitze der katholischen Kirche, in seiner Souveränetät zu erhalten, in welcher es sich bisher befand, damit es, gleich - wie früher, ungehindert seine Beziehungen zu allen Ländern in denen Ka - tholiken sich befinden fortsetzen kann. Katholischen Staaten mußte es ge - fährlich erscheinen unter die geistliche Autorität eines Mannes sich zu beugen der nichts mehr ist als ein italienischer Bürger, stehend unter den italienischen Gesetzen. Jtalien aber selbst konnte weder es wagen durch sein Vorgehen einen derartigen Zustand herbeizuführen, der leicht gefähr - liche Oppositionen aus allen Theilen der Erde hätte hervorrufen können, noch mochte die Regierung dieses Landes des hohen Nutzens sich begeben der für den ganzen Staat dadurch erzielt werde daß in ihm eine Person sich aufhalte welche als eine weltbeherrschende den materiellen Vortheil, vornehmlich aber das politische Gewicht des Staates ausnehmend heben könne. Dazu kam noch die hohe Frömmigkeit des Königs Victor Emmanuel, der, gleich seinem Vater Karl Albert, trotz der Schädigungen die ihnen in den wichtigsten Momenten das Papstthum bereitet hatte, von der Ehrfurcht gegen das Oberhaupt der katholischen Kirche, gegen den heiligen Vater, nicht abließ. Was das Staatsinteresse zur Erhaltung der geistlichen Souveränetät des Papstthums anrieth, das stimmte durchaus mit den religiösen Gefühlen des Königs überein. Alle Momente für die ernsthafte Lösung der von der italienischen Regierung sich selbst gestellten Aufgabe waren vorhanden. Die Lösung aber, wie sie in dem von der Regierung dem italienischen Parlament vorgelegten Gesetzentwurf von zwanzig Artikeln versucht worden, und wie sie gegenwärtig zum größeren Theil ohne wesent - liche Modificationen sanctionirt ist, zeichnet sich weniger durch eine prin - cipielle Durchführung der Unabhängigkeit der geistlichen Macht des päpst - lichen Stuhles aus, als durch eine Formulirung welche der Praxis hohe Rechnung trägt.
Die Bürgschaften welche die geistliche Unabhängigkeit des Papstthums sichern sollen, haben eine Entwicklungsgeschichte die in ihren einzelnen Phasen interessante Momente zum Nachdenken und zur gehörigen Würdi - gung der Sachlage darbieten.
Als die italienische Regierung im September des vergangenen Jahres die Expedition nach Rom vorbereitete, schickte sie den Grafen Ponza San Mar - tino mit Vollmachten an den päpstlichen Stuhl, um sich mit diesem über die Garantien für die geistliche Unabhängigkeit des Papstthums ins Verneh - men zu setzen. Dieser Bevollmächtigte hatte weitgehende Vollmachten; das Papstthum sollte nach denselben die geistliche Oberhoheit über ganz Jtalien, durchaus unabhängig von der königlichen Regierung, ausüben. Diese Proposition konnte nur zur Voraussetzung haben entweder die völlige Unterordnung der Regierung unter das Papstthum in religiösen Sachen, oder die absolute Trennung der Kirche vom Staate. Da das erstere aber den bisherigen freiheitlichen Tendenzen der italienischen Regierung nicht entsprach, so konnte bei den Vorschlägen welche Graf San Martino dem päpst - lichen Stuhl überbrachte nur das andere von der italienischen Regierung vorausgesetzt werden. Aber der päpstliche Stuhl ließ sich auf den Vor - schlag des Grafen San Martino gar nicht ein, indem er auf seiner alten An - schauung beharrte: daß nur die weltliche Herrschaft genügende Bürgschaft für seine geistliche Autorität gewähre. Die Verhandlungen wurden ab - gebrochen, und der Einzug der italienischen Truppen in Rom fand ohne irgend eine Gewährleistung der päpstlichen Souveränetät statt.
Jetzt nach vollendeter Thatsache konnte die italienische Regierung selbständig an die Festsetzung eines päpstlichen Garantiengesetzes gehen, ohne mit dem heiligen Stuhle sich ins Einvernehmen zu setzen, da dieser jede Verhandlung über jenen Punkt ausschlug. Die Vorschläge des Grafen San Martino, welche in die eine Proposition zusammengefaßt werden können: „ Freiheit der geistlichen Functionen in ganz Jtalien, “waren entworfen, als der wichtigste Schritt, die Einnahme Roms, noch nicht geschehen; sie waren entworfen um mit dem Papst auf Grund derselben ein Compro - miß zu schließen. Unter den nach der Einnahme Roms veränderten Ver - hältnissen konnte jedoch die italienische Regierung sich nicht veranlaßt sehen diese Propositionen aufrecht zu erhalten, da sie leicht zum Schaden des jungen Jtaliens ausschlagen konnten. Es unterliegt unter den westeuro - päischen Staaten nächst Spanien wohl in keinem Staate die Menge so dem kirchlichen Einfluß wie die Bewohner Unter = Jtaliens und Siciliens. Die Freiheit der kirchlichen Beziehungen zum Volke von jeder Oberaufsicht des Staates und ihre Abhängigkeit von einem Souverän, dem Papste, welcher die freiheitliche Entwicklung Jtaliens, als die hauptsächliche Schwächung1079der kirchlichen Autorität, stets mit allen Mitteln des Priesterthums bekäm - pfen wird -- diese Momente hätten nicht gut zum Gedeihen Jtaliens aus - schlagen können. Solange die priesterlichen Agitationen nur auf Worte sich beschränken die nicht in positiver Form und direct gegen die Regie - rung gerichtet sind, so lange hätte auch Jtalien als confessionsloser Staat nicht das Recht sich in die kirchlichen Bestrebungen zu mischen, trotz - dem daß durch dieselben der Same der geistigen Verkehrtheit und des Auf - ruhrs ausgestreut wird.
Die Regierung stellte daher im October des vergangenen Jahres ein Programm auf, das nicht dem Papst ein Aequivalent für den Verlust der weltlichen Herrschaft dadurch bot daß seine geistliche Macht unbe - schränkt auf ganz Jtalien ausgedehnt wurde, sondern einzig die persönliche Souveränetät des Papstes und die damit zusammenhängenden religiösen Rechte sicher stellen, im übrigen aber die bisherigen Beziehungen der Kirche zum Staat in Jtalien fortbestehen lassen sollte. Alle die geistlichen Be - fugnisse welche der päpstliche Stuhl bisher im Kirchenstaate besaß, diese sollten allein für dieses Gebiet fortbestehen, für den übrigen Theil des Landes sollte der Papst persönliche Souveränetät und eine Unabhängig - keit in der Ausübung seiner eigenen geistlichen Functionen genießen. Jn dem Berichte des italienischen Ministeriums an den König in Bezie - hung auf die Regelung der Verhältnisse zwischen Kirche und Staat hieß es: „ der Kirche sei jene volle Freiheit zu gewähren welche in der berühm - ten Formel des Grafen Cavour das Seitenstück bildet zu der staatlichen Freiheit, und dieselbe vollendet und besiegelt. Aber wenn die Freiheit, wie sie von unseren vaterländischen Gesetzen festgestellt und geschirmt wird, den Katholiken Jtaliens zu genügen vermag, so konnte sie als eine noch zu be - dingte und beschränkte Gestalt der Freiheit erscheinen, sobald es sich um das Oberhaupt der katholischen Kirche handelt. “-- Bald darauf wurde der Gesetzentwurf über die päpstlichen Garantien in Rücksicht auf die hervorge - hobenen Grundgedanken formulirt.
Aber auch diese Form birgt Schwierigkeiten in sich, die einem so ent - wicklungsbedürftigen Staatswesen, wie Jtalien, leicht zum Nachtheile ge - reichen kann. Zwei von einander durchaus getrennte, ja feindliche Sou - veräne zu haben, das ist für einen Staat zu viel. Elemente sind dadurch geschaffen die einst den vollen Ruin des Staates herbeiführen können. Der Papst hat nach dem Garantiengesetze eine der königlichen Selbständigkeit gleichkommende Machtvollkommenheit, ja eine Autorität die in religiösem Gebiet in Beziehung auf die Stadt Rom als eine absolute bezeichnet wer - den kann. Wie nun, wenn einst der Papst gegen die Wohlfahrt des ita - lienischen Staates, gegen die Ehre des Staatsoberhaupts in Aufreizungen und in Thaten vorzugehen sich veranlaßt sieht? Das Garantiengesetz ge - währt ihm dazu reichlich die Mittel; nach diesem hat der Papst eigene Post und Telegraphie, vollste Jmmunität von der italienischen Gerichts - barkeit. Auch den Willen dazu wird der päpstliche Stuhl haben, da für ihn vaterländische Jnteressen nicht existiren und gerade der italienische Staat ihm die tiefste Wunde geschlagen hat.
Als Artikel 7 des Garantiengesetzes -- nach welchem die Behörden in die Paläste in denen der Papst wohnt, oder in denen das Conclave oder das ökumenische Concil versammelt ist, nicht eindringen können, und ihr Amt nur dann ausüben dürfen wenn sie vom Papst, vom Conclave oder vom Concil dazu berechtigt wurden -- in den Parlamentssitzungen vom 11 und 13 Februar berathen wurde, machten Abgeordnete auf die Gefahr aufmerksam die für den italienischen Staat aus diesem Artikel entstehen könnte. Nach demselben wäre die päpstliche Wohnung ein Asyl für alle die welche durch ein Verbrechen der Landesjustiz verfallen waren. Zur Motivirung dieses Artikels betonte deßhalb Visconti = Venosta, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, den eminent politischen Charakter des Gesetzes: „ der Papst dürfe hinsichtlich der Jmmunität seines Hauses nicht schlechter gestellt werden als ein auswärtiger Souverän und Gesandter. Die Wiederherstellung des Asylrechts werde nicht beabsichtigt. Wenn der Papst einem Schuldigen ein Asyl gewährte, so würde er einen Mißbrauch begehen, und die öffentliche Meinung der civilisirten Welt würde es Jta - lien leicht machen diesen Mißbrauch zu zügeln. “ Mit diesen Worten hat Minister Venosta den Werth des Garantiengesetzes völlig charakterisirt. Solange der Papst sich in den Gränzen halten wird welche die Wohlfahrt und die Souveränetät des italienischen Staates nicht gefährden, so lange wird auch das Garantiengesetz eine formelle und thatsächliche Durchfüh - rung erfahren. Hält sich dagegen der Papst nicht in den durch die Natur der Sachlage bestimmten Gränzen, dann hat das Garantiengesetz nur noch einen rein formellen Werth. Der Selbsterhaltungstrieb des Staa - tes wird ihn zur Umgehung, ja zur Verletzung der Bürgschaften nöthigen die er dem Papste, als dem Oberhaupte der katholischen Kirche, gewährt hat, und der päpstliche Stuhl hat sich dann alle die Nachtheile selbst zuzu - schreiben welche sür ihn, wie für den Katholicismus überhaupt in ganz Europa, daraus hervorgehen werden.
sym5 München, 3 März. Der Wahlbezirk München I hat 19,190 Wähler. Hievon haben heute nach vorläufiger Zusammenstellung 11,150 gewählt, wovon Frhr. v. Stauffenberg 8918 Stimmen erhielt, und sonach der Abgeordnete des Wahlkreises ist. Der Candidat der patriotischen Cen - trumsfraction, Hr. Radspieler, erhielt 1881 und der vom „ Volksboten “und vom „ Vaterland “unterstützte Candidat der demokratischen Partei, Hr. Kolb, 773 Stimmen, während 78 Stimmen sich zersplitterten. Aus dem Wahlkreis München II, zu welchem viele Landgemeinden gehören, ist diesen Abend erst das Ergebniß aus den städtischen und einigen ländlichen Bezirken bekannt geworden, und in diesen erhielten Stadtrichter Kastner 6516 und Prinz Ludwig 2642 Stimmen. Die Wahl des erstern dürfte ziemlich gesichert sein; das Gesammtergebniß des Wahlbezirks wird vor morgen Abends nicht vorliegen. -- Die in unserer Stadt internirten fran - zösischen Kriegsgefangenen, mehr als 3000, wurden in größern Abthei - lungen heute durch die Straßen unserer Stadt geführt, damit sie sich die - selbe, wie es viele wünschten, vor ihrer demnächstigen Rückkehr nach Frank - reich besehen können. Die zur Feier des Friedens festlich beflaggten Ge - bäude mögen bei den Leuten verschiedene Gefühle erweckt haben; sicher aber werden sie sich glücklich fühlen daß sie in Folge des Friedensschlusses in kürzester Zeit in ihr Vaterland zurückkehren dürfen. Jm ganzen befin - den sich in Bayern 547 Officiere und 38,900 Unterofficiere und Soldaten in Kriegsgefangenschaft.
† München, 3 März. Die Nummer 59 der „ Allg. Ztg. “vom 28 v. M. enthält über ein vom heiligen Vater an den hiesigen Hrn. Erz - bischof gerichtetes und im Pastoralblatte veröffentlichtes Schreiben einen kurzen Artikel, welcher in seinen Voraussetzungen ebenso unwahr als in den daran geknüpften Bemerkungen verletzend ist. Es ist nämlich un - wahr daß „ der Hr. Erzbischof im Januar dem Papst über die Aufnahme welche die neuen Glaubensartikel in seiner Diöcese gefunden einen Be - richt erstattet hat, “und demnach auch unwahr „ daß er dem Papst mit - getheilt hat die ganze große Gemeinde habe unbedingt den neuen Doctri - nen zugestimmt. “ Der Hr. Erzbischof hat weder im Januar noch früher einen derartigen Bericht erstattet. Hätte der Hr. Π Correspondent sich die geringe Mühe genommen, ehe er seine Auslassungen niederschrieb, die betreffende Nummer des Pastoralblattes anzusehen, so hätte er ge - funden daß es sich nur um das gewöhnliche Gratulationsschreiben han - delte, welches, wie alljährlich, so auch zum letzten Weihnachtsfest an den heil. Vater abgesendet worden, und er würde doch wohl Anstand genom - men haben seine Auslassungen den Lesern der „ Allg. Ztg. “zum besten zu geben.
Stuttgart, 3 März. Der König, welcher am 1 März in Schloß Ferrières eingetroffen ist, hat laut telegraphischer Nachricht gestern die in Malnoue, Brie, auf den Forts Nogent, Gravelle und Faisanderie, in Joinville und Villiers stationirten Truppen besucht, und ist überall mit dem größten Jubel begrüßt worden. Der König drückte in besondern Anspra - chen den Truppen seinen wärmsten Dank für die von ihnen bewiesene Ta - pferkeit und Mannszucht aus, wodurch sie sich die allgemeine Anerkennung erworben haben. Der König nahm das Frühstück bei dem General v. Ober - nitz ein, und versammelte dann eine größere Anzahl der Officiere in Schloß Ferrières um sich an der Tafel. Heute besichtigt Se. Majestät die Schlacht - felder bei Champigny und Villiers, und besucht die übrigen Truppen in ihren Stationen. Am Sonntag Nachmittags wird Se. Majestät in Stutt - gart eintreffen. (St. = Anz.)
Berlin, 2 März. Das gestern in den späten Abendstunden hier eingegangene Telegramm des Kaisers verkündete der Bevölkerung unse - rer Stadt den erfolgten ersten Einzug deutscher Truppen in Paris. Die in Folge dessen schon freudig erregte Stimmung wurde im Laufe des heu - tigen Vormittags durch das Eintreffen der Nachrichten aus Bordeaux -- die Zustimmung der französischen Nationalversammlung zu den Prälimi - nar = Bedingungen des Friedensschlusses -- zu hohem Jubel gesteigert; die Häuser aller Straßen und Stadttheile zogen den reichsten Flaggen - schmuck auf, Schulen schlossen den Unterricht, und ein zahlreiches Publi - cum bewegte sich in den Straßen, vornehmlich in der Umgebung des kö - niglichen Palais und Unter den Linden. An der Börse richtete der ge - heime Commercienrath Conrad eine Ansprache an die Anwesenden und brachte Sr. Maj. dem Kaiser und König ein dreifaches Hoch, in welches die Versammlung mit Begeisterung einstimmte. Die allgemeine Be - leuchtung der Stadt wird erst morgen Abend stattfinden. -- Während die Verkündung der in der vorgestrigen Nummer des „ Staats = Anzeigers “veröffentlichten allerhöchsten Verordnung vom 14 v. M. wegen Ver - legung des Termins für den Zusammentritt des Reichstags vom 9 auf den 16 d. M. durch das Bundesgesetzblatt vorbereitet wurde, ist dem Bundes - kanzleramt eine anderweite allerhöchste Verordnung vom 26 v. M. zuge - gangen, durch welche mit Rücksicht auf die inzwischen veränderten Umstände dieser Zusammentritt nunmehr auf den 21 März d. J. festgestellt wird. -- Die „ B. B. = Ztg. “schreibt: „ Die Drohung mit den Rachegelüsten der Fran - zosen, welche nicht bloß Pariser, sondern auch englische Blätter, wie der1080„ Standard, “uns entgegenhalten, ist nicht bedenklich. Jeder Mensch und jedes Volk sucht im Unglück nach einem Troste, an den sie sich klammern um nicht zusammenzubrechen. Eine solche Stütze wider die Last der De - müthigung und des Schmerzes ist den Franzosen der Gedanke der Wieder - vergeltung. Jm französischen Volk ist weit stärker als in jedem anderen auf der Erde der Staatsgedanke ausgebildet; er ist zum Uebermaß ausgebil - det, denn weil er fast die gesammte Kraft des Volkes absorbirt, verkümmert neben ihm der Sinn für Selbstregierung, für die Basis aller Freiheit, die Gemeinde = Autonomie. Einem solchen Volke wird mit jedem Gebietsstreifen ein Stück des Herzens losgerissen. Die Wunde wird noch lange bluten, aber sie wird heilen. Vereinzelte Menschen vermögen den Haß zu hegen und zu pflegen, wie die Mutter ihr Kind; ein ganzes Volk vermag das nicht, schon weil es durch die Erwerbsthätigkeit völlig in Anspruch genommen wird. Je mehr den Franzosen durch eine freie Staatsform die Möglichkeit geboten ist am eigenen Wohle zu arbeiten, je mehr die durch die imperialistische Wirthschaft und den Krieg hervorgerufene Verwüstung sittlicher und materieller Güter die Concentrirung der Volkskraft auf die eigenen Angelegenheiten nöthig macht, desto mehr werden die Rachebilder, hinter denen die Franzosen jetzt das eigene Elend zu bergen suchen, verblassen, verschwinden, vergessen wer - den. Bis dieß geschehen, ist Frankreich unfähig zu einem Angriffskriege wider Deutschland. Die neue deutsche Westgränze ist fast eine einzige Festungsmauer; 300,000 Mann Besatzung genügen die ganze französische Armee im Schach zu halten. Die jetzigen Machthaber Frankreichs haben stets eine Vorliebe für große stehende Heere mit langer Präsenzzeit und schwachen Reserven gezeigt; es scheint, den jüngsten Nachrichten aus Vor - deaux zufolge, als wolle man von dem so verhängnißvoll gewordenen Sy - steme nicht ablassen. Man würde also in den nächsten Krieg nicht stärker eintreten als man den jetzigen begonnen hat. Will man aber das preu - ßische Wehrsystem oder das schweizerische Milizsystem nachbilden, so braucht man, um die volle Wehrkraft des Landes zu entwickeln, wenigstens 20 Jahre. Bis dahin kann ein unberechenbarer Umschlag in der französischen Denkart und in den europäischen Staatenverhältnissen stattgefunden haben “. -- Bei den Verlusten der Armee in dem nunmehr beendigten Kriege gegen Frankreich ist, nach den bisher veröffentlichten 214 Verlustlisten, das Garde - corps mit 379 Officieren, 26 Fähnrichen und 9483 Mann an Todten und Verwundeten und 289 Mann an Vermißten, von denen allein 122 auf das Elisabeth = und 67 Mann auf das Kaiser Alexander = Grenadier = Regi - ment kommen, betheiligt. -- Unter zahlreichem Beutematerial, das heute auf der Potsdamer Bahn hier eintraf, befindet sich auch die Riesen - kanone „ La Valérie. “ Das Geschütz, dessen Gesammtgewicht 285 Centner beträgt, führte früher den Namen „ La belle Josephine, “und befand sich bei der Belagerung von Paris auf dem Mont Valérien. Der Transport erfolgte unter Leitung und Begleitung des Baumeisters der Feldeisenbahn - Abtheilung Goldkuhle. Nach der „ Kobl. Ztg. “wurde dasselbe im Jahr 1866 gegossen; die Länge beträgt14 1 / 2 Fuß, das Bodenstück hat einen Durchmesser von 3 Fuß, Kaliber11 50 / 100 Zoll; das zuckerhutförmige Ge - schoß wiegt 200 Pfund. Das Geschütz hat eine Tragweite von 9000 Schritten.
(--) Berlin, 2 März. Verschiedenen Blättern wird von hier ge - meldet daß das brittische Cabinet -- unter Berufung auf seine Freund - schaft für beide Theile -- Vorstellungen gegen unsere Friedensforderungen erhoben habe, welche jedoch selbstverständlich abgewiesen worden seien. Jn gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen ist von derartigen Einmischungs - versuchen Englands nichts bekannt. Sie erscheinen auch schwer verständ - lich, wenn man erwägt daß die brittische Regierung ja ohne alle Kenntniß von unsern Friedensbedingungen geblieben ist, und daher eigentlich gar nicht in der Lage war gegen dieselben remonstriren zu können. Aus der Beschreibung welche die „ Prov. = Corresp. “gestern von dem Verlauf der Friedensverhandlungen gemacht hat, erhellt daß Hr. Thiers sich bei seinem Widerstande gegen die Abtretung von Metz keineswegs, wie man der „ Köln. Ztg. “von hier berichtet hatte, auf die „ Einmischungsbemühungen “Englands, ja nicht einmal, wie die „ Krzztg. “insinuirte, auf die vermeint - liche Stellung Englands zu dieser Frage gestützt hat, sondern, abgesehen von seinen eigenen Auffassungen, lediglich „ auf gewisse Kundgebungen der öffentlichen Meinung in England. “ Gebrochen wurde der Widerstand nicht, wie der französische Minister Picard zur Beruhigung der Pariser angegeben hat, durch den wieder erlangten Besitz Belforts, sondern durch die feste Erklärung des Bundeskanzlers: nur von der theilweisen Besetzung der französischen Hauptstadt durch deutsche Truppen die Verlängerung der Waffenruhe abhängig machen zu können. Belfort wurde dagegen von unserer Seite aus keinem andern Grunde geopfert als um den französi - schen Unterhändlern die Preisgebung von Metz zu erleichtern. Das Com - pensations = Object welches Hr. Thiers für Metz vorgeschlagen hatte, und auf welches auch die „ Prov. = Corresp. “hindeutet, war natürlich das Groß - herzogthum Luxemburg, welches Frankreich zuvor vom König der Nieder - lande zu erwerben und dann an Deutschland abzutreten gedachte. Graf Bismarck wies diesen Vorschlag, abgesehen von dem strategischen Werth welchen der Besitz von Metz für uns hat, aus dem nahe liegenden Grund ab: daß Luxemburg für uns überhaupt nicht gut die Bedeutung einesCompensations = Objects haben kann, da dieses Ländchen schon durch seine eigenen Jnteressen gezwungen ist seine Wiedervereinigung mit Deutsch - land zu suchen. Daher erklärt es sich denn auch daß von uns die Abtretung der an das luxemburgische Gebiet stoßenden Festung Longwy nicht gefor - dert wurde. Was den Einmarsch unserer Truppen in Paris anlangt, so werden sich an demselben nicht 30,000 Mann betheiligen, wie die franzö - sischen Minister mitgetheilt haben, sondern im ganzen 60,000 Mann, jedoch in der Weise daß die zuerst eingerückten 30,000 Mann von den nachrücken - den 30,000 Mann abgelöst werden. Jn diesem Sinn ist auch das gestern Abends hier eingelaufene Telegramm zu verstehen, in welchem der Kaiser seiner Gemahlin anzeigt daß er in Longchamps die Truppen besichtigt habe welche „ zuerst Paris besetzen. “ Von einer großen Sorge hat uns das gleichzeitig eingegangene Telegramm befreit daß der Einmarsch gestern ohne Ruhestörungen irgendwelcher Art erfolgt ist, weil man bei der äußerst erregten Stimmung der Pariser Bevölkerung ziemlich allgemein einen Zusammenstoß befürchtet hatte. -- Aus Stuttgart ist vor einigen Tagen der ehemalige württembergische Ministerpräsident v. Varnbüler zum Be - such seiner Töchter hier angekommen, von denen bekanntlich die eine mit dem württembergischen Gesandten v. Spitzemberg, die andere mit dem Rittergutsbesitzer v. Below vermählt ist. -- Die in der vorigen Session vom Reichstag abgelehnte Forderung zur Deckung der Kaufgelder für das am Leipziger Platz gelegene ehemals Streichenberg'sche Haus, welches das Marine = Ministerium aufnehmen soll, wird in einem Nachtrag zum Bundes - haushalts = Etat erneuert. Die Kaufsumme ist mittlerweile, trotz dem ab - lehnenden Votum des Reichstags, vollständig berichtigt. -- Aus der Wahl - bewegung ist als Curiosum hervorzuheben daß die Fortschrittspartei in Burg die Candidatur eines Altliberalen, des Ober = Präsidenten a. D. v. Bonin, auf den Schild erhoben hat, und daß Dr. Löwe (Calbe) sich eigens dahin begeben hatte um diese Candidatur auf das wärmste zu unter - stützen. Den Schlüssel zu dieser auffallenden Erscheinung liefert die Be - merkung des Wahlcandidaten: daß der bevorstehende Reichstag eine ganz andere Gruppirung der Parteien zur Folge haben werde als der Reichstag des Norddeutschen Bundes, namentlich aber einen Zuwachs von Stimmen derjenigen Richtung welche bisher im bayerischen Landtag die Mehrheit ausgemacht hätten, und daß dieser sichern Aussicht gegenüber ein Zusam - menhalten aller liberalen Elemente doppelt dringend geboten sei. -- Unsere Stadtverordneten bewilligten gestern die Mittel für die Friedensfeier, ohne sich vorher über deren Höhe Gewißheit verschafft zu haben.
Wien, 3 März. Das „ Prager Abendblatt, “Milchschwester der hochofficiösen „ Wiener Abendpost, “äußert sich in einem Artikel über die von anderer Seite für gefährdet erklärte Stellung der Deutschen in Oester - reich folgendermaßen: „ Der Deutsche, welcher einer wahren Weltnation angehört, dessen Sprache in allen Theilen der Erde gekannt und verstanden wird, dessen Literatur zu den ersten der Welt gehört, hat es wahrlich nicht nothwendig eine gleiche Aengstlichkeit an den Tag zu legen. Ohne Neid und ohne Besorgniß darf er die fieberhaften Anstrengungen der anderen Nationalitäten sich Geltung zu verschaffen betrachten, seine Nationalität wird und kann hiedurch keinen Schaden neh - men. Jm übrigen möchten wir darauf aufmerksam machen daß ja die Deutschen in Oesterreich stets ihren Stolz darein gesetzt haben den öster - reichischen Staat gebaut und groß gemacht zu haben. Sollten also die - jenigen welche heut als Wortführer der Deutschen in Oesterreich gelten, das alles vergessen können? Sollten sie wirklich zuerst deutsch und dann erst österreichisch sein wollen? Wir glauben nicht daran. Jm weiten Ge - biete des österreichischen Kaiserstaats, im breiten Rahmen der österreichi - schen Verfassung ist Raum genug für jedes berechtigte nationale Streben. Auch der Deutsche in Oesterreich soll und kann sich als Deutscher fühlen und als Deutscher geltend machen, aber er soll und darf nicht krankhafte Auswüchse der modernen Nationalitätentheorie zum Vorwande nehmen, um selber in ähnliche Extravaganzen zu verfallen. Der Starke soll sich überhaupt den Schwachen nie zum Muster nehmen, sonst riskirt er daß man an seiner Stärke zweifelt. Ein Volk dem vierzig Millionen Stam - mesgenossen zur Seite stehen, braucht wahrlich nicht sein nationales Be - wußtsein auf Kosten des staatlichen in den Vordergrund zu schieben. “-- Jn der vorletzten Sitzung des Abgeordnetenhauses, im Verlaufe der De - batte über die Steuerbewilligung, ließ sich der Abgeordnete Grocholski dahin vernehmen: seine Partei werde in der kürzesten Zeit wieder in der Lage sein die galizische Resolution vor dem Hause zu vertreten. Dem ent - sprechend wird der „ Presse “berichtet daß diese Resolution in einer der nächsten Sitzungen seitens der Polen als Antrag eingebracht werden wird.
sym13 Wien, 3 März. Die Pforte scheint wirklich willens auf die Händel ihrer verschiedenen Satrapen, und speciell der Herrscher von Aegyp - ten und Tunis, mit dem Ausland einen entscheidenden Einfluß zu nehmen, um nicht etwa verurtheilt zu sein für die Folgen dieser Händel in einer Stellung zu fechten die sie sich nicht selbst gewählt. Nach beiden Seiten hin sind in dieser Beziehung dem Vernehmen nach sehr kategorische Erklä - rungen abgegeben worden. -- Die innere Lage ist unverändert, und wird1081es voraussichtlich bleiben bis das Cabinet mit denjenigen Vorlagen an den Reichsrath tritt welche einen bestimmteren Einblick sowohl in seine Ziele als in die Mittel zu diesen Zielen gestatten. Selbst die größeren Partei - Blätter scheinen es nachgerade für zwecklos zu halten sich fortgesetzt ins Blaue hinein zu erhitzen und ihre besten Pfeile möglicherweise gegen Wind - mühlen zu versenden. Nur die „ Neue Freie Presse “mahnt unablässig den Reichsrath sich aufzuraffen und mit Entschlossenheit die „ Schleichertaktik “des Ministeriums zu Schanden zu machen, die ihr gefährlicher erscheint als selbst die brutale Gewalt. -- Der Monatsausweis über den Stand der schwebenden Staatsschuld constatirt abermals fast genau dieselbe Summe, welche sich nur um wenige Gulden -- dießmal66 1 / 2 fl. -- unter dem ge - setzlichen Maximum von 412 Millionen bewegt. Davon entfallen auf die Salinenscheine nahezu 57 Millionen, auf die zu Staatsnoten erklärten Banknoten nahezu 2 Millionen und auf die förmlichen Staatsnoten stark 353 Millionen.
k Jnnsbruck, 3 März. Jch bin so eben Zeuge einer Friedens - feier in Jnnsbruck gewesen. Mehr als 200 Fackeln bewegten sich unter Vortritt einer aus „ Bürgerlichen “gebildeten Musikbande durch die Stadt. Etwa 50 Bergfeuer beleuchteten die nördlichen und die südlichen Abhänge. Raketen stiegen an den schneebedeckten Felsenwänden empor, und in kurzen Zwischenräumen ließen sich Hochrufe vernehmen die dem deutschen Volk und der Wiederkehr des Friedens galten. Durch Unwohlsein verhindert die Festlichkeit ins einzelne zu verfolgen, waren dieß die einzigen Eindrücke die ich am Fenster meines Gastfreundes mir aneignen konnte. Er selbst, ein Bürger von Jnnsbruck und ein sonst seinem Geschäft allein zugewandter Mann, konnte nicht umhin eine tiefere und weitertragende Bedeutung in dem Glanze dieser Fackeln zu erblicken. Und wir freuten uns ihrer: Jnnsbruck eine deutsche Stadt -- Jnnsbruck von Freude über die Siege deutscher Waffen erfüllt! Noch in der letzten Stunde hatte man, nicht so - wohl aus Rücksicht auf den engeren Staatsverband als auf das anwesende Militär, den ursprünglich gefaßten Wortlaut des Programms aus „ Sieges - feier “in „ Friedensfeier “umgeändert. Es war auch mehr die Sache der friedlichen Bürger den Frieden zu feiern als den Sieg.
Λ Triest, 27 Febr. Die Versicherung des Grafen Hohenwart daß die neue Regierung die freundschaftlichsten Beziehungen zum neuen deut - schen Reich zu pflegen gesonnen ist, hat auch bei den Deutschen hier in Triest den besten Eindruck gemacht. -- Unser neuer Statthalter Frhr. de Pretis wird schon heute hier erwartet. Er hat seine schnelle und glän - zende Laufbahn vor etwa 16 Jahren in Triest begonnen, und zwar zuerst bei der Statthalterei und dann bei der Central = Seebehörde. Eine ent - sprechendere Wahl konnte die Regierung für Triest kaum treffen, wo die commerciellen und maritimen Jnteressen in vorderster Weise stehen. Und doch hat diese Ernennung nicht in allen Kreisen befriedigt. Man wirft Hrn. de Pretis unter anderm vor kein besonderer Freund Triests zu sein, weil er sich zu einer Zeit wo die italienische Agitation hier im vollsten Schwange war sehr energisch gegen dieselbe aussprach. Der neue Statt - halter hat aber wohl Einsicht genug um das Treiben einer Partei nicht einer ganzen Stadt zur Last zu legen, von deren Wichtigkeit und Bedeu - tung für die commerciellen und maritimen Jnteressen der Monarchie er gewiß vollkommen überzeugt ist. -- Unserer directen Verbindung mit Ost - asien, welche der Lloyd mit anerkennungswürdiger Opferbereitwilligkeit ins Leben gerufen und seit mehr als einem Jahr aufrechterhalten hat, droht eine neue Gefahr. Die englische O. and P. Company, die jetzt die Be - förderung des indischen Felleisens zwischen Bombay und Brindisi bewerk - stelligen wird, will auch Triest in den Bereich ihrer Unternehmungen ziehen, um dieselben gewinnreicher zu machen. Dieß würde wohl den Lloyd in die Unmöglichkeit versetzen seine Fahrten nach Bombay fortzusetzen, die österreichische Flagge müßte auf dieser Route der englischen weichen, was ein großer Nachtheil für unsere nationalen überseeischen Unternehmungen wäre. Es ist um so mehr zu betonen daß Regierung und Reichsrath in wirksamer Weise die Anstrengungen des Lloyd berücksichtigen mögen.
B. Pest, 1 März. Eine Debatte, unscheinbar im Beginn, hat in der Folge Veranlassung zu einem viertägigen Redesturm gegeben, und eine jener frucht = und resultatlosen Verhandlungen herbeigeführt an denen das Abgeordnetenhaus des ungarischen Reichstags so reich ist. Mehr als 20 Abgeordneten wurde wieder Gelegenheit geboten alles was in den letz - ten Jahren geschehen, Ausgleich und gemeinsame Armee, Wehrsystem und auswärtige Politik, zu besprechen. Das Ministerium hatte einen Gesetz - entwurf vorgelegt in welchem es die Vermehrung der Honved = Cavallerie um 8 Schwadronen beantragte; gleich war die Linke bei der Hand, und beantragte die Schaffung einer eigenen Artillerie für die Honved = Armee. Dagegen führten nun die Redner von der Rechten an: daß die Errichtung und Erhaltung derselben große Kosten verursachen, und daß es überdieß auch schwierig sein würde technisch gebildete Officiere in hinlänglicher Zahl zu finden, sowie andrerseits daß die kurze Zeit welche der Honved jährlichunter den Waffen zubringt, nicht ausreichen würde um aus ihm einen tüchtigen Artilleristen zu bilden, und daß es daher zweckmäßiger sei die vorhandenen Waffen, Jnfanterie und Cavallerie, tüchtig auszubilden und mit allem Nöthigen zu versehen. Schließlich verstoße der Antrag der Lin - ken gegen die Ausgleichsgesetze, beziehungsweise das Wehrgesetz. Soweit hatte die Rechte vollkommen Recht, weniger jedoch wenn mehrere Redner derselben beweisen wollten daß die Honved = Armee eine Artillerie gar nicht brauche, und sich dabei auf die preußische Landwehr beriefen, die ebenfalls keine Artillerie besitze. Sie vergaßen daß die Landwehr in Preußen mit der Armee organisch verbunden ist, während die ungarische Honved = Armee von dem gemeinsamen Heer vollkommen losgetrennt wurde, eigenes Ober - commando, eigene Verwaltung, ungarische Commando = Sprache u. s. w. besitzt, so daß die Forderung der Linken sich vom militärischen Standpunkt voll - kommen rechtfertigen läßt. Denn 140,000 Mann Jnfanterie und Cavalle - rie bilden ohne Artillerie kein eigentlich kampftüchtiges, brauchbares Heer, und wenn Graf Andrassy sagt daß die gemeinsame Armee die Artillerie für die Honved hergeben werde, so muß eben der Kriegsminister dafür sor - gen, wobei dann doch noch immer der Nachtheil übrig bleibt daß der neue Heerkörper nicht vollkommen einheitlich dasteht. Die Linke überschoß, wie immer, das Ziel; nachdem sie am ersten Tage die richtigen militärischen Gründe vorgebracht, dann noch dem Ministerium vorgeworfen hatte daß es aus politischen Gründen und Rücksichten gegenüber Wien der Errich - tung der Honved = Artillerie entgegentrete -- ein Vorhalt welchem Graf Andrassy wiederholt und entschieden widersprach -- kam sie bereits am zweiten Tag auf die eigene ungarische Armee zu sprechen -- Tisza sagte: „ Wir werden dieselbe heute und morgen und so lange fordern bis wir sie erhalten “-- verlangte am dritten die Zweitheilung der gemeinsamen Armee, und motivirte dieß insbesondere mit der Lage Oesterreichs, das zer - fallen müsse und werde, wobei Graf Bela Keglevich -- der „ Unversöhn - lichen “einer -- in bester Form eine Leichenrede auf Oesterreich hielt. „ Ein Reich dessen Bürger kein Nationalgefühl haben könne nicht bestehen; Ungarn müsse sich vorsehen und sich rechtzeitig in einer eigenen Armee einen Schutzwall bilden. “ Jn einer schwunghaften Rede antwortete Andrassy darauf, und meinte: „ die Regierung wolle nicht eine Politik befolgen die dann gut sei wenn der Staat zerfällt, sondern eine solche die gut sei wenn der Staat besteht. “ Die Linke hatte also im ganzen wieder einmal den Ausgleich heftig angegriffen, und die natürliche Folge davon war daß die Parteien sich wie ehemals gegenüberstanden, und der Antrag der Linken schließlich mit 124 gegen 192 Stimmen fiel.
Aus Paris, 28 Febr., wird der „ Jndépendance “über die ausge - brochenen Unordnungen geschrieben: Die ganze letzte Nacht wurden Schüsse abgefeuert, Appell und Generalmarsch geschlagen und die Sturmglocke ge - läutet, ohne daß diesen Signalen gehorcht ward. Am meisten zu be - klagen ist das Eindringen in die Pulverkammer des 2. Secteur. Man drang mit einer Lampe ein auf die Gefahr des größten Unglücks hin, und nahm die Munition weg. Jn der Rue Legendre bei Batignolles und an einigen anderen Punkten baute man eine Barricade, welche mit den in der vorletzten Nacht erbeuteten Kanonen armirt wird. Alle diese Demonstra - tionen sind, wie behauptet wird, gegen die Preußen gerichtet, um sie zu ver - hindern die ihnen vorgezeichneten Gränzen zu überschreiten. Am Abend des 27 wurde die Caserne de la Pépinière, wo die Marinesoldaten consignirt waren, angegriffen, aber das Ganze war mehr ein Bubenstreich. Die Marinesoldaten giengen Arm in Arm mit den Eindringern, welche die Fenster erstiegen hatten, aus der Caserne und betheiligten sich an der Kund - gebung auf dem Bastilleplatz; doch beschränkte sich alles auf lärmende Pro - menaden und hatte keinen Angriffscharakter gegen das was von Re - gierung noch geblieben ist. Die rothe Fahne ist noch immer im Arme des Genius der Freiheit, aber man schenkt ihr keine Aufmerksamkeit, viele drei - farbige Fahnen umgeben sie. Es sind umfassende Vorbereitungen getroffen um zu verhindern daß Nationalgarden, wie sie behauptet, sich dem Ein - marsch der Preußen widersetzen; auf 10 Bataillone Nationalgarde glaubt die Regierung in jedem Fall rechnen zu können. Das 109. und 110. Linienregiment halten das Stadthaus besetzt. Heute früh hat sich jedoch die Aufregung bedeutend abgekühlt. Die Proclamationen der Regierung und des Generals Vinoy haben gute Wirkung gethan, auch die Presse er - mahnt einstimmig zur Ruhe, und selbst die exaltirtesten Blätter, wie der „ Cri du Peuple “von Jules Vallès und der „ Vengeur “von Felix Pyat erklären jeden Widerstand für höchst gefährlich und rathen zur Enthaltung von jeder Kundgebung. Das erstere Blatt hat, da es von den Jnternatio - nalen und der Vereinigung der Pariser Arbeitergesellschaft ausgeht, großen Einfluß auf die Menge.
Ueber den Einmarsch der deutschen Truppen in Paris liegen nur spärliche Nachrichten vor. Der erste Officier welcher Paris betrat war Lieutenant v. Bernhardy vom 14. Husarenregiment, der im Galopp, mit blankem Säbel 10 Schritte vor seinen Truppen einsprengte. Um 7 Uhr schon rückten einige Bataillone ein um Quartier zu machen. Sie besetzten den Jndustriepalast um halb 9 Uhr. Einige Abtheilungen erschienen auf1082der Place de la Concorde. Ein Cordon von französischen Truppen und von Nationalgarden sperrt den besetzten Theil ab, Patrouillen zu Pferd bewegen sich rings umher. Das Gros des Besatzungscorps befindet sich in Longchamps, und wird erst um Mittag einrücken. 15 Generale wer - den im Elysée wohnen. General Kameke commandirt das Ganze mit drei Platzcommandanten unter seinen Befehlen. Eine deutsche Militärcommis - sion wird auf alle Klagen der Einwohner hören. Die besetzten Quartiere sind fast verlassen, alle Läden, Thüren und Fenster sind geschlossen. Auch auf dem Boulevard und in der Rue Rivoli sind die Läden und Cafés geschlossen.
Der bekannte Physiolog Pasteur war bei dem Jubiläum der Uni - versität Bonn zum Ehrendoctor ernannt worden. Er hat dieser Würde jetzt entsagt, und diesen Entschluß der Facultät in einem Schreiben ange - zeigt, das die „ Zukunft “in folgendem mittheilt: Arbois (Jura), 18 Jan. 1871. Hr. Dekan! Jm Jahre 1868 hat die medicinische Facultät der Universität Bonn mir die Ehre erwiesen mich zum Ehrendoctor der Medi - cin zu ernennen, als Anerkennung meiner Arbeiten über die Gährung und deren mikroskopische Organismen. Von allen Auszeichnungen welche mir die Entdeckungen eingetragen die ich seit meinem Eintritt in die wissen - schaftliche Laufbahn vor 22 Jahren gemacht, hat mir keine, ich gestehe es, größere Befriedigung gewährt. Es war in meinen Augen die Anerkennung des Grundgedankens, dessen Wahrheit ich mehr und mehr sich bekräftigen fühlte, daß meine Untersuchungen den medicinischen Studien neue Hori - zonte geöffnet haben. Jch beeilte mich sogar das Ehrendiplom welches die Entscheidung Jhrer Facultät aussprach unter Glas und Rahmen zu setzen, und ich schmückte damit mein Arbeitscabinet. Heut 'ist mir der Anblick dieses Pergaments peinlich, und ich fühle mich verletzt meinen Namen und die Bezeichnung „ vir clarissimus, “mit dem Sie mich ehren, unter den Schutz eines Namens gestellt zu sehen der seitdem den Verwünschungen ... unter den des „ Rex Guilielmus. “ Obwohl ich mich laut zu der tiefen Achtung für Sie, und für alle die berühmten Professoren die ihren Namen unter die Entscheidung Jhrer Facultät gesetzt haben, bekenne, so gehorch' ich doch einem Rufe meines Gewissens, indem ich Sie bitte meinen Namen aus den Listen Jhrer Facultät zu streichen, und dieses Diplom zurückzunehmen zum Zeugniß der Entrüstung welche einem französischen Gelehrten die Barbarei und die Heuchelei ... Seit der Zusammenkunft von Ferrières kämpft Frankreich für die Achtung der menschlichen Würde und ... näm - lich der Lüge daß der künftige Friede Deutschlands abhängt von der Zer - stückelung Frankreichs, während für jeden vernünftigen Menschen die Er - oberung des Elsaßes und Lothringens der Anfang eines Krieges ohne Aufhören ist. Sollen wir Wehe rufen über die Bevölkerung Deutschlands oder Mitleid mit ihr empfinden, wenn sie, welche der feudalen Knechtschaft näher steht als wir, nicht einsieht daß Frankreich -- Eigenthümerin der Landschaften Elsaß und Lothringen -- nicht zugleich über die Seelen ihrer Einwohner gebietet? Savoyen wäre heute noch piemontesisch wenn durch ein freies Votum seine Bewohner nicht eingewilligt hätten Franzosen zu werden. Das ist das moderne Recht civilisirter Nationen, für dessen Ver - theidigung Frankreich eintritt. Auch hat es in keiner Epoche seiner Ge - schichte vielleicht mehr verdient die große Nation genannt zu werden, die Mutter des Fortschritts, die Leuchte der Völker. Jhr König kennt Frank - reich nicht. Er hat die Wirkungen und das vergängliche Gepräge eines ungewöhnlichen materiellen Wohlseins und einer 100jährigen politischen Unbeweglichkeit für den wahren Charakter des Landes gehalten. Es gibt Pflanzen die, nachdem sie die künstliche Pflege der menschlichen Hand und den entnervenden Einfluß der heißen Gewächshäuser erduldet haben, ihr Aussehen so ändern, daß Naturforscher von beschränktem Geiste so weit gehen ihre Namen zu ändern; aber sobald sie wieder in ihre natürliche Lage versetzt sind, kehren sie bald zu dem Typus ihrer Art zurück. So ist Frankreich in diesem Augenblick; der Volksgeist kommt wieder zum Vor - schein, und Gott weiß wie weit sein Aufraffen ihn führt. „ Betrachten Sie diese Nation an sich selbst, “hat einer ihrer würdigsten Schriftsteller gesagt, „ und Sie werden sie außerordentlicher finden als irgendein Ereigniß ihrer Geschichte. Hat es je auf der Erde eine einzige gegeben die so voller Con - traste und so extrem in jeder ihrer Handlungen war, die immer schlimmer oder besser handelte als man erwartete? Bald über dem gewöhnlichen Ni - veau der Menschheit, bald tief darunter. “ Ein Volk so unveränderlich in seinen Grundzügen, daß man es noch in Schilderungen die von ihm vor 2 = oder 3000 Jahren gemacht worden wieder erkennt, und zugleich so ver - änderlich, daß es schließlich sich selbst ein unerwartetes Schauspiel wird; ein Volk das oft über dasjenige was es gethan hat ebenso überrascht ist wie die Fremden -- ein Volk welches am meisten Stubenhocker und Ge - wohnheitsmensch unter den Völkern ist, und welches, wenn man es einmal gegen seinen Willen seinem Heim und seinen Gewohnheiten entrissen hat, bereit ist bis ans Ende der Welt zu stürmen und alles zu wagen, unge - lehrig von Natur, heut 'erklärter Feind jedes Gehorsams, morgen ohne Widerrede an einem Faden gelenkt, fähiger des Heroismus als der bürger - lichen Tugend, mehr dem Genie als dem einfachen Verstande gehorchend -- kurz die glänzendste und gefährlichste der Nationen Europa's, und am ersten geschaffen abwechselnd ein Gegenstand der Bewunderung, des Has - ses, des Mitleids, des Schreckens zu werden -- das ist das Volk welches sich vor Jhnen erhebt, „ bereit bis ans Ende der Welt zu stürmen und alles zu wagen, “weil es das Bewußtsein der Gerechtigkeit und der Heiligkeitseiner Sache hat! Genehmigen Sie ec. L. Pasteur, Mitglied des Jnstituts.
Es war vorauszusehen daß die französischen Officiere sich wenig er - baut zeigen würden von der durch Gambetta vollzogenen Ernennung zahl - reicher Journalisten u. s. w. zu höheren Militärstellen. Die in Münster internirten französischen Officiere haben einen Protest im „ Drapeau “ver - öffentlicht, dem folgende Stellen zu entnehmen sind: „ Jm Namen des Rechts protestiren wir kriegsgefangenen Officiere in Deutschland, wir, die Opfer einer militärischen Organisation, deren Schwäche nicht unser Werk gewesen ist, gegen alle Ernennungen die von einem wahnsinnigen Advo - caten mit Nichtachtung aller Gesetze und Rechte gemacht worden sind. Diese Ernennungen hatten ihren Ursprung in einem leichtverständlichen Partei = Jnteresse, sie wurden nicht von der Nothwendigkeit geboten; Frank - reich, voller Jnteresse darüber, weiß ob sie seitdem durch den Glanz der Leistungen gerechtfertigt sind. Das Gesetz von 1832, unser Palladium und unser Schutz, hat alle Fälle, in Friedens = wie in Kriegszeiten, vorher - gesehen. Alles was nicht kraft des Gesetzes angeordnet wird ist eine Verletzung unserer Rechte. Die Genossenschaft eines Detroyat, eines Lissa - garay, eines Bordone und so vieler anderer jeden Grades würden für uns nicht nur beleidigend sein, sie würden sogar in unsere Armee einen Keim des Verfalls und der Auflösung hineinpflanzen. Diese traurigen Elemente, welche, Dank dem Unglück der Zeit, allein durch das Gesetz des schimpf - lichsten Despotismus aufkommen konnten, müssen wieder mit ihm ver - schwinden. Also nach Hause mit der Familie Garibaldi! Ostfrankreich hat genug an den Plünderungen dieser Leute, ihre Verdienste kennt es nicht. Die Advocaten mögen wieder in ihre Studierstube, die Apotheker in ihre Apotheke gehen. Wenn wir nach Frankreich zurückkommen, werden wir nicht weniger heftig gegen diejenigen protestiren welche, nicht zufrieden damit die Solidarität verkannt zu haben welche sie mit ihren gefangenen Soldaten vereinigte, trotz des freiwillig gegebenen Ehrenwortes es gewagt haben wieder in Frankreich oder Afrika Dienste zu nehmen. Weg mit aller zweideutigen Falschheit. Als wir unsern Soldaten auf das fremde Gebiet folgten, haben wir bis zu dem letzten Augenblick unseren Pflichten und unserer Ehre treu bleiben wollen. Wir werden es nicht zulassen daß unsere Ehrenhaftigkeit und unser Unglück eine Staffel, willkommen für den gemeinen Ehrgeiz derjenigen gewesen ist welche uns erst verließen, und dann ihren Eid brachen. Jn diesen Gesinnungen vereinigen sich die Offi - riere welche in Münster kriegsgefangen sind. “
sym12 Paris, 28 Febr. Der gestrige Tag verlief verhältnißmäßig ruhiger als der vorhergehende. Die Straßenanschläge daß die deutschen Truppen am Mittwoch um 10 Uhr früh einrücken würden, waren allein von ziemlich lebhaften Gruppen umstanden. Außerdem machte man bittere Bemerkungen über zwei Anschläge, von denen der eine an „ die Einwohner von Paris, “unterzeichnet von Thiers, Jules Favre und Ernest Picard, der andere, ein Tagsbefehl des Generals Vinoy, an die National - garde gerichtet ist, von welcher, wie ich schon gestern mitgetheilt habe, verschiedene Regimenter (man schätzt die Zahl der Leute auf 80,000) in der Nacht vom 26 auf den 27 in der Richtung des Point du Jour und der Porte de Neuilly ausmarschirt waren, um dem Einzuge der Deutschen Ge - walt entgegenzusetzen. Man erinnerte Vinoy an seinen Schwur: entweder siegreich nach Paris zurückzukommen oder vor den Mauern von Paris sterben zu wollen, und fragte sich: was denn die gerühmte Geschicklich - keit von Thiers so viel ausgerichtet habe? Hätte man Blanqui oder sonst einen Bismarck verhaßten rothen Republicaner als Unterhändler nach Ver - sailles geschickt, so hätte derselbe kein schlimmeres Ergebniß mit zurückge - bracht! Um Maßregeln gegen die drohende Haltung gewisser Pariser Kreise zu treffen und um die Ruhe der Hauptstadt während der deutschen Besetzung aufrecht zu erhalten, hatten sich gestern sämmtliche Maires von Paris unter dem Vorsitz von E. Picard und Jules Ferry im Ministerium des Jnnern versammelt. Der Vertreter des zweiten Arrondissements, Loi - seau = Pinson, machte den Vorschlag: die Regierung solle neben die andern Anschläge einen solchen hinzufügen in welchem die Regierung feierlich erklärte daß die einzige für Frankreichs Wohl förderliche Regierungsform die Republik sei, und daß die Vertreter der Regierung das feierliche Versprechen ablegten die Republik zu schützen, und im Fall einer Be - drohung derselben von Seiten monarchischer Umtriebe sich an den Schutz der Nationalgarde zu wenden. Dieser Vorschlag wurde von den Maires einstimmig angenommen, doch ist damit noch nicht ge - sagt daß die Regierung ihn zur Ausführung bringen werde. Man leiht im Gegentheil Thiers nichts weniger als freundschaftliche Gefühle für die Nationalgarde, und sagt: daß er den ersten Vorwand ergreifen werde die - selbe zu entwaffnen. Die Maires haben jeder einzeln in Verbindung mit den Chefs der Nationalgardenbataillone für die Ruhe in ihrem Arrondisse - ment zu sorgen. Um den von den Deutschen zu besetzenden Stadttheil wird ein Cordon reitender Gendarmen gezogen werden, und Patrouillen werden die anstoßenden Straßen durchlaufen. Die Casernen der Porte Maillot sind schon geräumt worden, und die Truppen sind von dort nach dem Marsfeld übergesiedelt. Die Tuilerien und der Louvre sind militärisch1083besetzt. Die durch dieselben führenden Wege sind nicht passirbar. An der Ecke des Boulevard St. Martin und des Boulevard Sebastopol war ge - stern ein großer Menschenzudrang. Man hatte nämlich fünf in dem dort gelegenen Restaurant speisende Herren für preußische Officiere angesehen, und man wollte sie niederwerfen und den Wellen der Seine übergeben. Zwei der Herren retteten sich, doch die drei andern, welche in eine Droschke gestiegen waren, wurden gepackt, und man führte sie schon nach dem Pont de Change hin, wo sie unfehlbar ihrem Tod entgegengesehen hätten, wä - ren nicht vernünftigere Leute den Bedrohten zu Hülfe geeilt, und hätten sie auf ein Polizeibureau geführt, wo sich dann herausstellte daß es gute Franzosen waren. Groß ist die Entrüstung in Paris daß Thiers nicht gegen den Aufenthalt der Prinzen von Orleans auf französischem Boden einschreitet. Jch war gestern Abends in einer Wahlversammlung in der Cour de Miracle um zu hören welche Candidaten die öffentliche Meinung beschäftigen (in den Zeitungen verlautet nämlich nichts darüber), verließ aber die Versammlung ohne etwas darüber vernommen zu haben. Jn dem kleinen rauchigen Raum hatte sich nämlich eine entsetzlich schläfrige Gesell - schaft von National = und Mobilgarden, alten Weibern, Frauen und Kin - dern zusammengefunden, die mir die Pariser Wahlagitation unter einem ganz neuen Licht zeigten. Nachdem das Bureau gewählt war, fragte der Präsident nach der provisorischen Wahlliste, welche sich jedoch nicht vorfand. Hierauf bat der Präsident die anwesenden Redner sich zu melden. Doch gab es deren ebensowenig wie eine provisorische Wahlliste, und schon schien es mir daß sich die Gesellschaft in Frieden wieder trennen oder daß sie ihre Schlafstelle daselbst einnehmen werde, als ein Redner auftrat, der aber an - statt von den Neuwahlen für die Nationalversammlung lang und breit über den Einzug der Preußen sprach. Seine Ansicht war diejenige welche überhaupt, trotz allem Geräusch einiger wenigen Aufrührer und Ruhestö - rer, die allgemein herrschende in Paris ist, daß man sich ruhig verhalten solle. Die Kundgebungen der Pariser gegen den Einzug der Deutschen sind jetzt besprochen und beschlossen worden. Sämmtliche Zeitungen (aus - genommen das „ Journal officiel, “das aber, da seine Nachrichten immer 4 bis 5 Tage zu spät kommen, in der Zeit nichts neues melden wird) wer - den während der Besatzungszeit zu erscheinen aufhören. Sämmtliche Thea - ter und Concerte werden sich schließen, wie ebenfalls die größern Caf é's, Restaurants und Läden. Die Pariser werden so viel als möglich zu Hause bleiben, und vielleicht sogar ihre Fenster verhängen. Außerdem sollen die Börse und die Tribunale geschlossen, und soll der Wiederanfang der Gas - beleuchtung bis nach Abzug der Deutschen verschoben werden. Jn der Rue du Cherche = Midi sah ich heute schon eine Trauerfahne heraushängen, doch glaube ich daß diese Art Demonstration nicht viel Anklang in Paris finden wird.
♂ Nizza, 28 Febr. Jch bin heut in der Lage Jhnen den Haupt - inhalt des Memorandums mitzutheilen das die Comités der nizzardischen Emigranten den auswärtigen Gesandten am Florentiner Hofe überreicht haben. Nach einer Darlegung der gegenwärtigen Lage der Dinge kommt das Memorandum zu folgenden Schlüssen: Solche Zustände können nicht ohne Ende fortdauern, das Nationalgefühl der Nizzarden könne nicht im - mer gewaltsam niedergehalten werden. Die gemäßigte italienische Presse halte daran fest: das italienische Volk müsse auch den Anschein von Perfidie vermeiden, und es wäre eine Erbärmlichkeit sich das Unglück Frankreichs zu nutze zu machen, als ob die Verträge Victor Emmanuel gehindert hätten sich der Lombardei, Venetiens und Roms zu bemächtigen. Die Be - völkerung Nizza's verlange keineswegs daß die italienische Regierung mit bewaffneter Hand in die Grafschaft einfalle, aber die Regierung dürfe auch nicht vergessen unter welchen Umständen sie gezwungen gewesen einen treu ergebenen Landstrich abzutreten, wer die Ursache davon gewesen, und daß es kein Unrecht sei ein Unrecht wieder gut zu machen, vielmehr die heiligste von allen Pflichten. Das Plebiscit vom 15 April sei von allen Publicisten und Statistikern Europa's verurtheilt worden, denn es sei kein wahres Plebiscit wenn nicht alle Anschauungen sich gleichmäßig aussprechen und geltend machen dürften, wenn es an eine Formel gebunden sei welche dem Wähler keine Wahl lasse und so die Wahlfreiheit illusorisch mache. Schon 1814 habe Frankreich Nizza zu erwerben gesucht, und seine Be - mühungen seien nur an dem Einfluß des Generals Michaud, des Flügel - adjutanten des Kaisers Alexanders, gescheitert, und so sei Nizza durch den Tractat vom Jahr 1815 dem Hause Savoyen zurückgegeben worden. Die Natur habe den Varo zur Gränze zwischen Jtalien und Frank - reich gesetzt, aber die geistige Gränze zwischen Nizza und Frankreich könne keine Anziehungkraft der großen Nation beseitigen. Nizza sei Napoleon III und seinen Nachkommen abgetreten worden, wolle die Republik Frankreich, welche sich rühme das Banner der Civilisation und Freiheit zu tragen, ihren Grundsätzen nicht untreu werden, so müsse sie, nachdem sie die Plebiscite von 1852 und 1870 für ungültig erklärt, auch Nizza über sein Geschick frei bestimmen lassen. Die französische De -mokratie dürfe die öffentliche Meinung, diese Herrscherin der Welt, nicht verachten; sie müsse das von England bezüglich Joniens gegebene edle Beispiel nachahmen, das auch die Verträge von 1815 ignorirt habe. Ge - schehe dies nicht, so müsse das Volk von Nizza den Schutz und die Hülfe des civilisirten Europa anrufen. Die nizzardischen Comités geben sich dem Vertrauen hin daß der bevorstehende Congreß ihre Bitten erhöre, und im Hinblick auf die Nichtigkeit der Cession Nizza's an eine vertriebene Dynastie mittelst eines gefälschten Plebiscits den Nizzarden das Recht zurückgebe über ihre politische Zukunft zu entscheiden. So klein das Land Nizza sei, so werde es doch immerfort der Zankapfel zwischen Frankreich und Jtalien bleiben, und das müsse vermieden werden. Jede Verletzung des Dogma's der Nationalität bringe einen Rückschritt der Civilisation, des Handels und des allgemeinen Völkerverkehrs und stachle den Natio - nalhaß auf.
# Rom, 28 Febr. An dem reinen Himmel der Roma Libera zei - gen sich schon jetzt weiße Wölkchen, daß manchem bei der Aussicht in die Ferne bangt. Die freisinnigen Blätter widmeten gestern wie auf Verab - redung der Erscheinung ihre Aufmerksamkeit; alle waren darin einig: es komme von der klerikalen Reaction wider den Fortbestand der neuen Ord - nung der Dinge. Die Fortschritte der katholischen Bewegung außerhalb Jtaliens äußern selbstverständlich hier, von wo sie ausgieng und geleitet wird, eine entschiedenere Rückwirkung, je weniger man in so kurzer Zeit erwartet hatte. So kehrt Muth und Vertrauen auf die eigene Sache den Klerikalen wieder, davon geben die schnell nach einander folgenden kirch - lichen Monitorien des Cardinal = Generalvicars öffentliches Zeugniß. Wer das vorangegangene las, der tritt gewiß vor das neueste mit der Erwar - tung nun zu hören daß er über diese „ sittlich verkommende und schauder - haft regierte “Stadt das Feuer des Propheten Elias herabrufen werde. Nun aber ist auch der Gesandte des Norddeutschen Bundes Hr. v. Arnim vorgestern abgereist, in andern Zeiten etwas ziemlich gleichgültiges, das jedoch heute die Aufmerksamkeit aufs lebhafteste beschäftigt. Denn wäh - rend die verblüfften Liberalen durch die Florentiner „ Gazzetta del Popolo “wissen daß er gestern mit dem Minister des Auswärtigen, wenn auch nur flüchtig, conversirte, lassen sie seine Reise doch in Alessandria und zwar in Familienangelegenheiten endigen, während der gestrige „ Osservatore Ro - mano “die Ankunft von Depeschen J. Favre's und Bismarcks aus Ver - sailles anzeigt, welche nach der Versicherung desselben Blattes v. Arnims Berufung oder Abberufung dorthin allein veranlaßten. Jnzwischen wird die k. bayerische Gesandtschaft das geeinigte Deutschland hier diplomatisch vertreten. Nimmt man hiezu noch die kategorische Haltung der fran - zösisch redenden Prälatur in der Umgebung des Papstes mit Monsignor de Mérode voran, wie sie die specifisch = italienische oder römische Partei neuerlich sich völlig unterordnen konnten, so können die Nationallibera - len nicht mehr im Zweifel darüber sein daß man im Vatican sich eine feste Sauvegarde in Frankreich und in Deutschland zu schaffen bemüht ist. Die liberale Presse hat darauf nichts zu erwiedern als daß sie das alles voraus - gewußt, und daß die Jtaliener endlich begreifen möchten von woher ihrer selbständigen nationalen Entwicklung Gefahr droht, und von woher nicht: Gefahr von Frankreich, Gefahr von Oesterreich, Gedeihen und Größe durch den politischen und commerciellen Anschluß an Deutschland. Die neapo - litanische „ Roma “vom 22 d. M. schließt eine ausführliche Mahnung zu dem deutschen Bunde mit der weisen Lehre: chi ha tempo non aspetti tempo. Jmmer aber wird man sich in Rom mit dem Papst arrangiren müssen, und das ist eine Aufgabe wie die Quadratur des Cirkels. -- Jn den niedern Classen des Volkes ist eine Petition an die Kammern im Gange, um die Ausweisung der Jesuiten zu vereiteln. Die Förderer derselben wer - den als fromme Bornirte oder bestechliche Schelme bezeichnet, die Samm - ler von Unterschriften aber machen gute Geschäfte. -- Außer zwei, von mir früher erwähnten evangelischen Buchhandlungen für ascetische Lite - ratur (Allg. Ztg. Nr. 55 außerord. Beil. ) ist nun auch eine Filiale der Wal - denser Gemeine im Werden. Jn ihrem Saal hört man Sonntags italie - nisch predigen, und an einem andern Tag einem zahlreichen Publicum die Unterscheidungslehren der evangelischen und der katholischen Kirche aus - einandersetzen.
sym5 München, 3 März. Von Friedrich Müller bearbeitet ist dieser Tage, bei Fritsch dahier, eine detaillirte Zusammenstellung der Verluste der bayerischen Armee in dem nun glücklich beendeten Krieg erschienen. Nach derselben hatte unsere tapfere Armee, und zwar in der Zeit vom 4 Aug. 1870 bis 22 Febr. 1871, einen Gesammtverlust von 730 Officieren und 11,497 Unterofficiexen, Spielleuten und Soldaten erlitten. Hievon sind auf dem Felde der Ehre geblieben 159 Officiere und 1494 Unterofficiere und Soldaten; ver - wundet wurden 571 Officiere, 10,003 Unterofficiere und Soldaten, und es sind von ersteren bis jetzt 108, von letzteren 465 an den erhaltenen Wunden gestorben. Die meisten Verluste hatte das 2. Jnfanterieregiment: 17 Officiere und 1601084Unterofficiere und Soldaten geblieben und 46 Officiere und 882 Unterofficiere und Soldaten verwundet; dann das Jnfanterie = Leibregiment: 10 Officiere und 43 Unterofficiere und Soldaten geblieben, 46 Officiere und 793 Unteroffi - ciere und Soldaten verwundet; ferner: das 10. Jnfanterieregiment, von wel - chem 13 Officiere und 85 Unterofficiere und Soldaten geblieben sind und 38 Officiere und 621 Unterofficiere und Soldaten verwundet wurden. Am glück - lichsten war die Cavallerie. Das 6. Cheveaulegersregiment hatte gar keinen Verlust und von den 9 andern Cavallerieregimentern sind zusammen 2 Officiere und 14 Unterofficiere und Soldaten geblieben, und 3 Officiere und 62 Unterofficiere und Soldaten wurden verwundet. Nach Chargen ausgeschieden sind auf dem Felde der Ehre geblieben: 8 Majore, 37 Hauptleute, 29 Oberlieutenants, 80 Lieutenants (hievon 20 von der Landwehr) und 5 Junker, wovon 2 von der Landwehr; verwundet wurden: 1 Generallieutenant, 1 Generalmajor, 4 Obersten, 5 Oberstlieutenants, 25 Majore, 104 Hauptleute, 117 Oberlieute - nants, 284 Unterlieutenants (wovon 114 von der Landwehr) und 30 Junker, hievon 17 von der Landwehr. Die Landwehrlieutenants und Junker welche geblieben sind, oder verwundet wurden, waren der Linie zugetheilt. Jn der Zusammenstellung werden nur 3 Landwehr = Bataillone aufgeführt, von welchen 1 Unterofficier geblieben ist und 7 Unterofficiere und Soldaten verwundet wurden.
Berlin, 2 März. Börse. Die Friedensnachricht, welche von der Börse mit großer Begeisterung aufgenommen wurde, hatte die Stimmung für fremde Speculationspapiere befestigt, aber nur in Franzosen, Galiziern, Amerikanern fanden größere Umsätze statt. Für Eisenbahnen war die Kauflust mehr angeregt, die Curse höher und die schweren Hauptdevisen belebt. Banken waren fest; Dis - conto = Commandit gefragt und in gutem Verkehr. Heute hat die Generalversamm - lung der Berliner Centralstraßen = Gesellschaft die vorgeschlagene Vermehrung des Grundcapitals um 800,000 Thaler mit 304 gegen 15 Stimmen angenommen. Jnländische und deutsche Fonds sehr fest und mehrfach höher bezahlt, Bundes - anleihe, Schatzanweisungen und Köln Mindener Prämien Antheilscheine (96 3 / 8) sehr belebt. Von Russen waren Prämienanle hen ziemlich unverändert gefragt, Eisenbahnen wesentlich höher belebt, Bodencredit in sehr großem Verkehr, große Schatzobligationen gesucht. Jnländische Prioritäten giengen zu besseren Preisen in Posten um; russische waren fest, österreichische matt, amerikanische sehr fest und steigend. Wechsel fest und belebt.
Frankfurt a. M., 3 März. Württ. 5proc. Oblig. 99 5 / 8 bez; 4 1 / 2 proc 93 1 / 2 G.: 4proc. 86 1 / 4 G.; 3 1 / 2 proc. 82 1 / 2 G.; bad. 5proc. Obl. 99 5 / 8 G.; 4 1 / 2 proc. 93 3 / 8 G.; 4proc. --; 3 1 / 2 proc. 84 1 / 4 G.; pfälz. Max = B. 109 1 / 2 bez 4proc. hess. Ludw. = B. 142 G.; bad. 35fl. = L. 61 bez. ; kurh. 40Thlr. = L.64 5 / 8 G; nass. 25fl. = L.38 1 / 2 P.; großh. hess. 50fl. = L.170 1 / 4 P.; 25fl. = L. --; Ansbach - Gunz. 7fl. = L. 12 P.; Pistolen fl. 9.43 -- 45; doppelte fl. 944 46; preuß. Friedrichsd'or fl. 9.58 -- 59; holl. 10fl. = Stück fl. 9.54 -- 58; Ducaten fl 5.35 -- 37; Ducaten al marco fl. 5.36 -- 38; Napoleonsd'or fl. 925 1 / 2 -- 26 1 / 2; engl. Sover. fl. 11.53 -- 57. (Cursbl. d. Ver. Frkf. Ztgn.)
Prag, 1 März. Bei den heutigen directen Reichsrathswahlen der Großgrundbesitzer, deren Ergebniß -- 7 Verfassungstreue -- bereits be - kannt ist, sind der Feudaladel und die nationalen Großgrundbesitzer nicht erschienen. -- Der „ N. Fr. Pr. “zufolge werden sich an dem zu Pest im April abzuhaltenden Slaven = Congresse, zu welchem im März in Wien Vorbesprechungen stattfinden, die Tschechen nicht betheiligen.
Pest, 2 März. Jn der heutigen Unterhaussitzung wurde der Wahr - mann 'sche Antrag wegen der Aufsicht über die Eisenbahnen angenommen, und die Debatte über das Communicationsbudget begonnen. (T. N.)
Lemberg, 3 März. Der demokratische „ Dziennik Lwowski, “das Organ Smolka's, hat zu erscheinen aufgehört. Es wurde ihm nämlich die Caution von den Eigenthümern des Blattes gekündigt. -- Bischof Kuziemski, derzeit Bischof von Chelm in Russisch = Polen, hat auf sein Bis - thum resignirt, und kehrt nach Galizien zurück. (T. N.)
Zürich, 2 März. Wie die „ Züricher Ztg. “meldet, hat die Schweiz in Versailles einige Vorstellungen gegen die Friedenspräliminarien erhoben. Sie macht nämlich darauf aufmerksam daß durch die Vereinigung des El - saßes mit Deutschland Basel jeder directen Verbindung mit Frankreich be - raubt und dadurch einen Theil seiner Handelsvortheile verlieren werde. Der Gesandte, Dr. Kern, wurde angewiesen zu verlangen daß im Friedens - vertrage die Jnteressen der Schweiz vorbehalten werden.
Bordeaux, 1 März. Ueber die Vorgänge in der Sitzung welche der Annahme der Friedens = Präliminarien vorausgiengen, tragen wir fol -gendes nach. Edgar Quinet sprach gegen den Frieden unter den bean - tragten Bedingungen. Bamberger, Deputirter des Mosel = Departe - ments, beschwört die Nationalversammlung die Gebietsabtretung zurück - zuweisen. Seine Rede wird mit langen Beifallssalven aus allen Theilen des Hauses aufgenommen. Bamberger schließt seine Rede, indem er sagt: „ Nur ein Mann hätte einen solchen Vertrag unterzeichnen sollen, Napo - leon III, dessen Name ewig an dem Pranger der Geschichte geheftet bleiben wird. “ Diese Worte rufen eine lebhafte Aufregung hervor, und es werden sehr gereizte Bemerkungen zwischen den corsischen und andern Deputirten ausgetauscht. Conti, der frühere Cabinetschef des Kaisers, schwingt sich auf die Tribüne, sucht sich vergeblich hörbar zu machen, und spricht einige Worte mit welchen er das Kaiserreich zu rechtfertigen sucht. Die Aufregung nimmt zu. Langlois und Rochefort wollen die Tribüne besteigen, werden aber von ihren Freunden daran gehindert. V. Hugo und Bamberger verlassen auf Aufforderung des Präsidenten die Tribüne. Bethmont beantragt: den Zwischenfall durch formelle Votirung der Absetzung Napo - leon III zu schließen. Der Präsident hebt die Sitzung auf eine Viertel - stunde auf. Nachdem die Sitzung wieder aufgenommen, beantragt Targ é: die Nationalversammlung möge die durch das allgemeine Stimmrecht bereits gebilligte Absetzung Napoleons III bestätigen, indem sie ihn für alle unsere Unglücksfälle, für den Ruin, die Jnvasion und die Zerstückelung Frank - reichs verantwortlich macht. (Wiederholter, einmüthiger, enthusiastischer Beifall. ) Der corsische Deputirte Gavini versucht zu sprechen. (Große Auf - regung in der Nationalversammlung. ) Thiers besteigt die Tribüne und wird mit Beifall empfangen. Er sagt: Jch habe eine Politik der Versöh - nung und des Friedens beantragt. Alle Welt begreift die Reserve welche wir uns auferlegen. Am Tage wo sich die Vergangenheit vor dem Land aufrichtet, das sie zu vergessen wünscht, müssen wir energisch protestiren. Die Fürsten Europa's sagen daß Frankreich den Krieg gewollt habe; das ist nicht wahr. Jhr seid es, die ihr ihn gewollt habt. (Langer energischer Beifall. ) Die Wahrheit stellt sich vor euch hin; es ist eine Züchtigung für euch hier zu sein, um die Erniedrigung und Prüfung zu constatiren zu welcher eure Fehler uns verdammt haben. Sie wollen von den durch das Kaiserreich Frankreich geleisteten Diensten sprechen? Jch bitte die Nationalversamm - lung flehentlich sie anzuhören; wir erinnern uns dessen daß wir keine Con - stituante, sondern souverän sind. (Langer Beifall. ) Der Präsident bringt sodann die Resolution Targ é's zur Abstimmung. Die ganze Ver - sammlung, mit einziger Ausnahme der corsischen Deputirten, erhebt sich einmüthig und freiwillig um die Absetzung Napoleons III auszusprechen. Victor Hugo hält eine schwungvolle Rede gegen eine Gebietsabtretung. Vacherot erklärt im Namen mehrerer republicanischen Deputirten, welche für den Frieden stimmen werden: er glaube daß sie unter den gegenwärti - gen Verhältnissen Frankreich nur durch den Frieden retten können, welchen wir votiren werden indem wir gegen das Eroberungsrecht protestiren. (T. N.)
Madrid, 2 März. Der Vicekönig von Aegypten hat die bereits von Spanien acceptirte Vermittlung Englands angenommen. Der Con - flict wird als beendigt betrachtet. (T. N.)
Bukarest, 2 März. Die Budgetcommission hat ihren Bericht der Kammer vorgelegt, welche die Drucklegung desselben beschloß. Das dieß - jährige Recrutencontingent Rumäniens wurde von der Kammer mit 13,830 Mann bewilligt, ebenso die Vermehrung der Dorobanzen. (T. N.)
Athen, 25 Febr. Nach dem der Kammer vorgelegten Budget be - tragen die Einnahmen32 1 / 2, und die Ausgaben 33 Millionen Drachmen. (T. N.)
Athen, 2 März. Der Großwessier hat an die türkischen Agenten eine Circularnote gerichtet, in welcher er die hellenischen Behörden beschuldigt bei der Verfolgung der Räuber den osmanischen Behörden an der Gränze nicht die nöthige loyale Unterstützung geboten zu haben. Kumunduros antwor - tete mit einem Rundschreiben, in welchem er sagt: der Großwessier wolle mit seinen Anklagen Hellas moralisch schaden. Die Stimmung gegen die Pforte ist gereizt. Auch die Ernennung Blaque Bey's zum Gesandten in Athen hat hier mißfallen. -- Hr. v. Wagner wurde als Gesandter des deutschen Kaisers vom König empfangen. -- Die französische Regierung wurde heut officiell anerkannt. (T. N.)
Konstantinopel, 25 Febr. Der hiesige persische Gesandte wird Minister des Aeußern in Teheran und durch den persischen Gesandten in London ersetzt. (T. N.)
Todes = Anzeige. Versehen mit den heiligen Sterbsacramenten, starb heute nach kurzem Krankenlager unser unvergeßlicher Gatte und Vater
Johann Baptist Henkel, Dr. und Professor der Pharmacie an der Universität Tübingen,
im 46. Jahre seines Lebens. --
oder: gute Verdauung, starke Nerven, kräftige Lungen, reines Blut, gesunde Nieren und Leber, festes Fleisch, regelmäßige Körperfunctionen und vollkommene Freiheit von Leber =, Lungen = und Magenleiden, Verschleimung und Unterleibsbeschwerden. Diese für jedermann wichtige und verständliche Schrift wird jedem Kranken auf Verlangen gratis und frankirt eingesandt.
Römische Schulbildung. -- Ein französisches Buch über Deutschland. (Schluß. ) -- Dr. Julius Weisbach. (Nekrolog.)
Neueste Posten. München: Victoriaschießen. Armeebefehl. Die „ Correspondenz Hoffmann. “ Berlin: Stimmung. Entlassung der Kriegsgefangenen. Unterzeichnung der Friedenspräliminarien. Friedens - vertrag. Deputation aus Mülhausen. Paris: Der Einzug der Deut - schen in Paris.
* Berlin, 4 März. Schlußcurse: Bayer. 5proc. Anl. v. 187099 7 / 8; bayer. 4 1 / 2 proc. Anl. --; 4proc. Präm. = Anl. 107; bad. Präm. = Anl. 108 1 / 4; 4 1 / 2 proc. preuß. Anl. 95; 1882er Amerikaner98 1 / 8; österr. Silberrente55 7 / 8; Papierrente48 1 / 4; österr. L. v. 186077 5 / 8; v. 186466 1 / 2; Creditactien139 1 / 8; Lombarden96 5 / 8; österr. = franz. Staatsbahn208 3 / 4; Prior. --; Galizier 102; ital. Anl. --; Türken41 1 / 2; Schatzanweisungen100 1 / 8; Köln = Mindener Loose 96 3 / 4; bayerische Anleihe --. Wechsel: Augsburg 56.22; Frankfurt 56.24; London 6.23 3 / 8; belgische Plätze80 11 / 12; Wien81 1 / 4. Tendenz: Sehr fest.
⁑ Berlin, 4 März. Schlußcurse: Creditactien139 1 / 8; Staatsbahnactien 208 3 / 4; Lombarden96 5 / 8; Galizier 102; 1882er Amerikaner98 1 / 8; Bundes - Anleihe 100 1 / 2; Rumänier46 1 / 2; South = Missouri66 1 / 4; Rockford 59; Peninsular 61 3 / 4. Tendenz: fest.
⁑ Berlin, 4 März. Productenmarkt. Roggen lauf. Monat54 1 / 4 per April = Mai54 3 / 4, per Mai = Juni55 1 / 4, per Juni = Juli 56. Tendenz: --. Weizen lauf. M. 78 1 / 4, per Mai = Juni78 3 / 4. Tendenz: flau. -- Rüböl lauf. M. 28 5 / 8, per Sept. = Oct. 28 1 / 8. Tendenz: --. Spiritus: loco eff. 17 Thlr. -- Sgr., auf Monat 17 Thlr. 19 Sgr., per April = Mai 17 Thlr. 24 Sgr., per Mai = Juni 17 Thlr. 27 Sgr. Tendenz: --.
⁑ Köln. 4 März. Productenmarkt. Weizen eff. hiesiger8 3 / 4 Thlr., sremder8 1 / 4 Thlr., per April 8 Thlr. 4 Sgr., per Mai 8 Thlr. 10 1 / 2 Sgr., per Juni 8 Thlr. 12 Sgr., per Juli 8 Thlr. 14 Sgr. Tendenz: niedriger. -- Roggen eff. 6 2 / 3 Thlr., per April 6 Thlr. 8 1 / 2 Sgr., per Mai 6 Thlr. 10 1 / 2 Sgr., per Juni 6 Thlr. 12 1 / 2 Sgr. Tendenz: matter. -- Rüböl eff. 15 9 / 10 Thlr., per Mai15 13 / 10 Thlr., per Oct. 15 1 / 20 Thlr. Tendenz: matt. -- Leinöl per 100 Pfd. 12 1 / 4 Thlr. Schönes Wetter.
* Frankfurt a. M., 4 März. Eröffnungscurse. Oesterr. Creditactien 242 1 / 2; Staatsbahn365 1 / 2; 1860er L. --; 1882er Amerikaner97 3 / 16; Lom - barden 170. Tendenz: still
* Frankfurt a. M., 4 März. Schlußcurse: Bayer. 5proc. Anl. v. 1870 99 7 / 8; bayer. 4 1 / 2 proc. Anl. 95 1 / 2; 4proc. bayer. Präm. = Anl. 108 1 / 4; 4 1 / 2 proc. bayer. Ostbahn124 3 / 4; neue Emission --; mit 15 Proc. Einz. 110; 4proc. Alsenzbahn90 1 / 8; 4proc. bad. Prämien = Anl. 108 1 / 4; 1882er Amerikaner97 1 / 8; österr. Silberrente55 7 / 8; Papierrente48 3 / 8; 1860er L.77 1 / 2; 1864er L.117 1 / 2, Bankactien 693; Creditactien 243; Lombarden169 1 / 4; österr. = franz. Staatsbahn 365 1 / 4; Köln Mindener Loofe96 3 / 4; Galizier --; Elisabeth209 1 / 4; Franz = Joseph - Bahn 77; Rudolfsbahn --; Ungarn. Ostbahn68 1 / 8; 3proc. Span. 30 1 / 8; Napoleons 9.26. Wechsel: London119 1 / 2; Paris94 1 / 4; Wien95 3 / 8 Tendenz: still.
* Frankfurt a. M., 4 März. Nachbörse. Creditactien243 1 / 4; Staats - bahn 364 3 / 4; 1860er L.77 1 / 2; 1882er Amerikaner97 1 / 8; Lombarden 169; Silberrente55 7 / 8; Galizier237 1 / 4; Spanier30 1 / 16. Leblos.
* Frankfurt a. M., 4 März. Abend = Effectensocietät: 1882er Amerikaner 97 1 / 4; 1885er --; Silberrente --; 1860er L. --; 1864er L. --; Creditactien 244; Lombarden169 1 / 4 Staatsbahn365 1 / 2. Tendenz: fest, still.
* Wien, 4 März. Schlußcurse: Silberrente 68.20; Papierrente 59; 1860er L. 96; 1864er L. 123; Baukactien 725; Creditactien 255.80; Lombarden 178.20; Staatsbahn 382; Anglo = Austrian 215.50; Franco = Austrian 102.40; Galizier 249.30; Franz = Joseph 191.50; Prior. 94; Rudolf 161.50; Prior. 89; Elisabeth 219.80; Napoleons 9.91. Wechsel: Augsburg 103.45; Frankfur 103.85; London 124 30. Tendenz: lebhaft.
* Wien, 4 März. Abend = Privatverkehr: Creditactien 255.80; 1860er L. 95.90; 1864er L. 122 90; Staatsbahn 382; Lombarden 176 20; Napoleons 9.91; Papierrente 58.90; Franco = Austrian 102.50; Anglo = Austrian 215.30; Schluß matter.
⁑ London, 4 März. Börse: 3proc. Consols91 11 / 16; 5proc. Türken 42; 1882er Amerikaner92 1 / 4; 5proc. Jtaliener 54; Lombarden14 5 / 8; 3proc. Spanier 30 1 / 8. Tendenz stetig.
⁑ New = York, 3 März. Per Kabel. Gold, Schlußcurs 111; Wechsel per London109 3 / 4; 1882er Bonds112 1 / 2; 1885er Bonds112 3 / 4; Erie = Actien u. Jllinois unverändert; Baumwolle 15; Petroleum 24 5 / 8.
✡ Rom, im Febr. Als jüngst bei der Prüfung für den Eintritt in die in Rom neu errichtete technische Schule die Römer = Jünglinge die aller - einfachsten Fragen über italienische Geschichte und Geographie nicht beant - worten konnten, ja sogar diese Kinder der künftigen Hauptstadt Jtaliens in der Handhabung der italienischen Sprache eine wehmüthige Unwissen - heit zu Tage legten, warf zur Entschuldigung einer der Gefragten dem Prüfungscommissär entgegen: „ Sie müssen bedenken daß ich ein Römer bin, kein Jtaliener. “ Also immer noch das stolze cives Romanus sum, mag der cives Romanus auch zerlumpt einhergehen an Rock und Bildung auf den Trümmern seiner weltlichen und geistlichen Größe. Doch bei der Mehrzahl der Römer beginnt schon die Einsicht durchzubrechen daß es geltediesen malerisch unnützen Schutt einer nun abgethanen Zeit wegzuräumen und ein sauberes Niveau geistiger Entwicklung, wie es ihre weniger be - gabten Landsleute des Nordens durch bessere Zucht bereits erreicht haben, anzustreben.
Die italienische Regierung hat sich darum auch alsbald nach der Be - sitzergreifung Roms an diese schwierigste Arbeit gemacht, das Unter - richtswesen gründlich umzugestalten. Es wurden daher am 3 Dec. 1870 ein Lyceum, ein Gymnasium und eine technische Schule daselbst eröffnet; hiebei hat sich im ganzen die für ein des Unterrichts von Laien fast ent - wöhntes Volk immerhin bedeutende Zahl von 656 Zöglingen eingeschrie - ben. Natürlich mußte bei Aufnahme derselben in die neu errichteten An - stalten eine Revision über die Ergebnisse des bisherigen römischen Unter - richts abgehalten werden. Da die Erwartungen sehr niedrig angesetzt waren, so wurde in der Prüfung aufs mildeste zu Werk gegangen. Man hatte nicht darauf gerechnet daß die priesterliche Verwaltung des Bil - dungswesens irgendwelche Blüthen edlerer geistiger Ausbildung gehegt hätte; aber daß unter der klerikalen Pflugschar fast nur die gemeinsten Disteln der Unwissenheit, nur der Schwindelhaber unfruchtbarer Rhetorik aufgesproßt, daß auch die gewöhnlichste Aussaat der Elementarkenntnisse fehle, hatte man sich nicht vorgestellt.
Zur Jllustration dieser sogenannten Jugendbildung erlauben Sie mir einige der Prüfungsergebnisse hier hervorzuheben. Bei der Aufnahms - prüfung für das Lyceum zeigte sich daß selbst in den „ ungefährlichen “classischen Fächern, auf welche von der klerikalen Erziehung das meiste Ge - wicht gelegt worden war, die Kenntnisse ungemein tief standen. Bei den jungen Leuten welche schon fünf und sechs Jahre classische und rhetorische Studien betrieben hatten, wimmelten die Uebersetzungen ins Latei - nische von falschen Wendungen und grammatikalischen Fehlern; in der mündlichen Lateinprüfung zeigten sie eine vollkommene Unbekanntschaft mit den Grundsätzen nach denen in unserer Zeit diese Sprache gelehrt zu werden pflegt. Die Kenntniß im Griechischen beschränkte sich bei der Mehr - zahl darauf daß sie den griechischen Text -- und zwar nicht ohne Mühe -- lesen konnten; als eine hervorragende Leistung mußte man es schon betrachten wenn einer den griechischen Comparativ oder Superlativ zu bilden im Stande war. Die Kenntniß der italienischen Literatur war eine ganz klägliche. Der Literaturunterricht war, dem alten scholastischen Gebrauch folgend, kaum etwas anderes gewesen als eine Dressur im Bilden rhetori - scher Figuren. Der Schüler sollte nicht daran gewöhnt werden einen Gegenstand logisch zu zergliedern und nach vernünftiger Gedankenfolge darzustellen; nein, alles war bloß darauf gerichtet ihm die formale Ge - wandtheit beizubringen nach einer gewissen Schablone eine Anzahl flüssi - siger Phrasen ohne logische Bindung möglichst rasch aufs Papier zu brin - gen, seine Fertigkeit war nur ein unnützes Ballspielen mit Worten; wer den Ball zergliedert, dem starrt statt lebendigen Jdeengehalts die Oede der Gedankenlosigkeit und der stoffleeren Routine entgegen. Das Unter - richtssystem bestand in mechanischen Gedächtnißübungen und jahrelangem Wiederholen derselben Regeln, von denen Tag für Tag die Wände wieder - hallten, mit denen unzählbare Hefte vollgesudelt wurden. Darum ward gerade dieses sonst so anregende Studium dem Knaben zur Tortur, und damit war die Absicht erreicht dem heranreifenden Menschen das Selbst - denken auf alle Zeiten gründlich zu verleiden. Von der italienischen Lite - ratur wußten daher die jungen Leute nur einige kleinere Bruchstücke, die sie in einer Blumenlese gelernt hatten. Von einer geschichtlichen Entwick - lung dieser Literatur hatten sie keine Ahnung. Die paar Namen welche sie kannten, Dante, Monti, Segneri, Tasso, schwammen für sie in einem leeren abschnittlosen Raum; darin lagerten bei einigen zugleich auch Virgil und David.
Noch traurigere Ergebnisse traten bei der Prüfung zum Gymnasium und zum Technikum zu Tage. Hier handelt es sich um junge Leute welche bereits einige Jahre in einem Gymnasium Roms zugebracht haben, oder von den Anstalten der Provinz sich zum Eintritt in eine höhere Classe des hauptstädtischen Gymnasiums oder Technikums melden. Hier kam es vor daß Leute von 15, 16, ja 18 Jahren des Jtalienischen so wenig mäch - tig waren, daß sie nicht einmal die einzelnen Satztheile unterscheiden, nicht einmal die Zeitwörter conjugiren konnten. Die einfachsten Grundsätze über das Aussehen der Erde waren ihnen unbekannt; von Jtalien, seinen Meeren, Flüssen, Bergen, seinen größten Städten wußten sie nichts, einige vermochten nicht anzugeben was für eine Wissenschaft die Geographie sei. Andere, welche schon mehrere Jahre studiert haben wollten, erklärten die Adria für einen Berg, Sardinien für eine Stadt, Mailand für die Haupt -1086stadt Siciliens; sehr vielen war die Bevölkerungszahl Jtaliens unbekannt. Ueber die Geschichte ihres Vaterlandes war bei allen mit ganz wenigen Aus - nahmen dieselbe traurige Wissensöde gebreitet: Brutus war ihnen ein Tyrann, Dante ein französischer Dichter, Petrarca eine Dichterin; Colum - bus war nach dem einen ein Heiliger, nach dem andern gar ein Apostel gewesen.
Die Kenntnisse in der Mathematik hätten streng genommen nur bei sehr wenigen zur Aufnahme in das Technikum hingereicht. Bloß die in israelitischen Schulen Erzogenen machten hier eine ehrenvolle Ausnahme. Bei den übrigen war das einfache Zusammenzählen so ziemlich der Höhe - punkt der Leistung; nach dem Dictat fünfzifferige Zahlen, wie z. B. 50,367, zu schreiben, war ohne langes Zögern, Verbessern und Addiren den meisten unmöglich.
Es war eben das ganze bisherige System in Personen und in dem Gegenstand des Unterrichts verkehrt und unzeitgemäß. Die zwei größten Mißstände desselben lagen insbesondere in den ganz ungeeigneten Sub - jecten der Lehrenden und in dem völligen Mangel eines Elementarunter - richts. Jede Kutte war ja auch Mantel des Lehrers und Professors; jedes geistliche Jnstitut konnte sich im Augenblick in eine Erziehungsanstalt um - wandeln; jede kleine Gemeinde vermochte zu bewirken daß eine in ihrem Bann weilende geistliche Körperschaft -- man kann sich denken wie groß deren Befähigung hiezu war -- einen zum Besuch der Universität berech - tigenden, ja manche Universitätsvorlesungen ersetzenden Lehrcurs eröffnete; endlich wurden dem Laien welcher sich dem Jugendunterricht widmen wollte tausend Hindernisse von den geistlichen Monopolisten in den Weg gelegt.
Ferner fehlte im Kirchenstaate die solide Basis eines Elementarunter - richts. Nur diejenigen welche weitere Studien zu machen beabsichtigten, wurden in den anderswo von der Volksschule allgemein gelehrten Kennt - nissen unterrichtet. Und selbst bei diesen fehlte eine die Jntelligenz all - mählich vorbereitende und heranreifende Aufstufung dieser frühesren Periode des Lernens; denn sobald der Schüler nothdürftig und auf die mechanischste Weise zum Lesenkönnen gebracht war, sobald er die Feder halten konnte, gieng es an ein Lateinlernen „ daß ihm der Kopf rauchte. “ Er ward als - bald in die „ Janua Grammaticae “hineingeschoben; aus diesem Werke, dem Grausen der römischen Jugend und der Verwunderung gebildeter Schulmänner, mußte er nun Jahre lang Worte und Declinationen und Conjugationen auswendig lernen, und mit dieser unverstandenen Gelehr - samkeit Hefte über Hefte vollpfropfen, während er die Bedeutung der Worte, die Anwendung der Conjugationen und Declinationen erst viel später erfahren sollte.
Man hatte freilich andere Dinge zu thun in Rom als für das Unter - richtswesen zu sorgen, soweit es nicht Dressur im grammatikalischen und kirchlichen Katechismus war. Wozu die vielen Lehrmeister und die vielen so leicht gefahrbringenden Denkübungen! Da construirte man lieber einen obersten unfehlbaren Weltlehrmeister, dessen bald eingedrillte Sätze in allen Dingen des Geistes leicht zu handhabendes Maß gaben. Wenn nur die gläubige Menge seine Heilslehre auf den Knieen liegend hinnahm, dann durfte sie die ungezählten Tage fröhlich sein, und in Lumpen gehen und in Unwissenheit. Hoffen wir daß das neue Jtalien und seine jüngst in Rom begonnene Arbeit im Schulwesen diesem erlahmten Stamme wieder das systematisch unterdrückte Bewußtsein geistiger Selbstverantwortlichkeit zurückgebe.
K.S. Die Wintersaison begünstigt das Theater, das damals noch in Weimar unter Dingelstedts Leitung stand. Nicht nur die Gediegenheit der Stücke und das Geschick der Darsteller befriedigen Legrelle aufs höchste, sondern vor allem das respectable Bürgerthum, welches mit einer Art von ehrerbietigem Lerneifer der Vorstellung beiwohnt. Gerade hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen deutscher und französischer Sitte, denn in Paris ruht der Schwerpunkt des Theaters in der Geselligkeit und der Sensation, nicht in der sittlichen bildenden Macht der Bühne. Selbst dem Privatleben der Schauspieler theilt sich in kleinen strebsamen Städten dieses fleißige bürgerliche Gepräge mit, denn der Nimbus des Scandals ist nur ein Vorrecht der Weltstadt. Marquis Posa und Mephistopheles führen ihre Kinder an der Hand durch den Park, kein Schauspieler trägt apricosen - farbene Beinkleider auf der Promenade, keine Primadonna kutschirt im Vierspänner bekannter Fürsten.
Die Achtung welche Legrelle vor unsern Zuständen hat, obgleich ihre Kehrseite so oft die Enge ist, übertragen wir unwillkürlich auf ihn selbst; ihm ist die Literatur ein Gräuel die sich nur mit „ putrider Psychologie “beschäftigt. Auch den Werth der neueren deutschen Autoren weiß der französische Autor mit feinem Gefühl zu schätzen, und während er diebesondern Vorzüge jedes Einzelnen richtig erfaßt, lobt er den Kern der Reinheit und Tüchtigkeit als ihr gemeinsames Erbgut. Eine Poesie die nur das Laster auf die Bühne bringt, und sich dabei der Hoffnung hingibt daß durch diesen Anblick die Menschen gebessert werden, geht verfehlte Wege; denn durch das castigat ridendo ist noch niemand geändert wor - den. Sursum corda -- das ist die wahre Moral und die wahre Poesie, durch welche Deutschland die Franzosen geistig überwunden hat. Die Pietät, die aus diesen Worten Legrelle's spricht, wird in Weimar durch hundertfältige Erinnerung genährt. Bekanntlich nennt Heinrich Heine die Stadt den Wittwensitz der Musen, und knüpft daran seine frivolen Spöttereien; Legrelle aber ist edler gegen dieses Wittwenleid, wenn man es so nennen will; ihn macht die Ehrfurcht vor der Vergangenheit nicht ungerecht wider die Gegenwart. Niemals baut er das Denkmal eines gro - ßen Mannes aus den Trümmern auf in die er andere Größen zerrissen hat; niemals ist seine Bewunderung grausam; kein Marsyas wird neben den Apoll gestellt, und wo er Beifall gibt, geschieht es ohne zu nehmen, ohne jene negativen Mittel die uns ernüchtern.
Von der schönen Literatur wirft Legrelle einen Blick auf die Litera - tur des Tages, deren Mittelpunkt das Journalzimmer in Weimar ist. Als Fremder wird er dort eingeführt, und mißtrauisch schauen die ehrwür - digen Stammgäste ihn an, obwohl er leisen Schrittes hereintritt. Da liegen Gartenlaube und Kladderadatsch, „ les feuilles volantes “und Westermanns Monatshefte; neben ihnen die ganze Fluth politischer Zeit - schriften. Fast jede Nummer wird in treffender Weise charakterisirt, vom Tagblättchen bis zur „ Gazette de Croix; “auch der „ Allgemeinen Zeitung “gönnt er besondere Achtsamkeit.
Wer ein Duzend Zeitungen gelesen, hat der ist verzeihlicher Weise in der Laune zu politisiren, und daß Legrelle sich hiezu herbeiläßt, ist vielleicht der einzige Schritt den er auf seinem schönen Wege zu bereuen hat.
Wir erinnern daran daß das Werk (obwohl 1866 veröffentlicht) doch am Schlusse der fünfziger Jahre geschrieben wurde, und finden es demnach begreiflich wenn wir zunächst einem Klagelied über die deutsche Klein - staaterei begegnen. Jn keinem Punkte waren ja Frankreich und Deutsch - land gründlicher verschieden. Ueber dem Rhein gab es nur Paris, und das ganze Land war stets nur die Gallerie auf welcher die Bewohner als Zu - schauer der Hauptstadt standen, mehr oder minder von der Claque unter - mischt. Jn Deutschland aber gab es von jeder Sache sechsunddreißig Varietäten; es gab Vaterländer die ein Morgennebel zudeckt, die man nicht als einen Staat, sondern nur als eine Jdylle bezeichnen durfte. Und wenn auch die Verehrung von geistigen und wirthschaftlichen Centren ihr Gutes hatte, so hat sie doch die Gränzen ihrer Berechtigung in der Rich - tung der Zeit, so streift sie doch so nahe an das Caricaturenhafte, daß wir dem Talent gern einige Sarkasmen vergeben müssen.
„ Ah, quel luxe de géographie! “ruft der entsetzte Franzose aus, das Kind des Volkes dem Geographie von jeher eine Schwäche war!
Uns aber muß dann andrerseits auch die Frage gestattet sein: warum der Verfasser so betroffen wird wenn er die ersten Schritte zur deutschen Einheit betrachtet, warum so unmuthsvoll wenn er von den Bestrebungen unseres Volkes spricht diesen Luxus zu vermindern? Es muß uns freistehen hierin einen Mangel an Consequenz zu finden. Gern räumen wir es ein daß auch die völkerrechtlichen Persönlichkeiten, d. h. die Nationen, ihre Fehler haben, so gut wie das einzelne Jndividuum; allein wenn Frankreich uns den Größenwahnsinn und die Leidenschaft alles zu besitzen zuschreibt, dann hat es sicher unsere Fehler nach den eigenen abgemessen.
Was thun wir denn indem wir den deutschen Staat begründen, als das was Frankreich im eigenen Hause that; was geben wir preis indem wir die Kleinstaaterei beschränken, als das was Frankreich von jeher so lächerlich oder schmachvoll fand? Und wenn es dennoch will daß wir da - bei beharren, dann will es unsere Schmach, während es doch selber die Ehre als das höchste Gut eines Volkes pflegt! Man möchte meinen daß dieser Gedankengang einfach genug wäre, und dennoch begreift ihn nie - mand im geistvollen Frankreich, dennoch hat selbst Prévost Paradol, der edelste Mann den das neue Frankreich besaß, in seinem jüngsten Buche zum Krieg geblasen! Jst das nicht eine pathologische Erscheinung, ist das nicht partieller Wahnsinn? Frankreich selbst hat uns das Schwert in die Hand gezwungen, um diesem Zustand, der unerträglich wurde, ein Ende zu setzen. Wer den Gedanken nicht Folge gibt, der muß durch Thaten berichtigt werden; wer sich den Gründen verschließt, für den bleibt nur das fait accompli noch übrig. Von Frankreich ward diese Doctrin er - funden, so mag es nun an seiner eigenen Lehre lernen.
Jm übrigen rühmen wir es Legrelle gerne nach daß er selbst hier sich in würdevollen reflectiven Gränzen hält, und niemals in jenen Polterton verfällt den seine Mitbürger für Patriotismus halten. Er ist ernstlich, ja sogar sichtlich bemüht das Richtige zu finden; die vorzüglichen Eigenschaf - ten welche den Menschen und den Schriftsteller auszeichnen, verlassen auch1087den Politiker nicht; aber die Erbsünde dieses Grundgedankens kann er nicht von sich abthun. Bei der Liebe die er für Deutschland hegt, beklagt er „ diesen unseren Fehler “mehr als er ihn tadelt, ja er ist sogar mit deutscher Gewissenhaftigkeit bemüht ihn zu entschuldigen und zu motiviren. Er nennt unser nationales Bestreben une noble folie, aber diese Beschö - nigung ist keine Berichtigung, und wir begehren daß unsere Handlungen auf dem Wege der Vernunft, nicht auf dem der Narrheit interpretirt wer - den. Jn Frankreich würde vielleicht ein Buch durch einige Sätze unwill - kommener Politik sich um jeden Erfolg bringen; wir Deutschen ziehen ledig - lich diesen Mangel von der Summe des Guten ab, und alle übrigen Vor - züge bleiben dem Verfasser unverkümmert zugestanden. Ohne Zweifel ist der größte dieser Vorzüge aber die Art und Weise wie Legrelle sich über die deutsche Wissenschaft und über die deutsche Bildung im allgemeinen äußert. Den nächsten Anlaß hiezu gibt ein Besuch in Leipzig, der unser Buch mit einem werthvollen Capitel bereichert.
Jn allen Hörsälen der Universität begegnen wir dem Verfasser; die Einfachheit des Vortrages und die Gediegenheit dieses Lernens entzückte ihn, wenn er an die effectvollen Causerien der Sorbonne zurückdenkt, an denen die Feder so emsig feilte, und die nun der Mund so vornehm zu improvisiren scheint. Hier aber stehen Namen von europäischem Ruf und dennoch -- quel dédain pour la pompe!
Der deutsche Professor ist Legrelle's Jdeal. Kein Loos dünkt ihm schöner als das eines solchen Gelehrten, bei welchem die Kraft des Geistes mit den Eigenschaften des Herzens wetteifert, der sich ebenso glücklich fühlt in seinem engen Familienkreise, wie im weiten Reiche der Wissenschaft.
L'activité dans l'indépendance, das ist die Lebensweisheit dieser Männer, deren Büste man an jeder Straßenecke kaufen kann, auch ohne daß sie Minister waren. Jn der Lehrfreiheit der deutschen Hochschulen und in der Bildung des Mittelstandes wurzelt der Ruhm und „ das Ueber - gewicht das Deutschland in Europa besitzt. “ Einem Franzosen der also spricht, sehen wir gern eine politische Tirade nach; einem Pariser der für das Dasein eines deutschen Privatdocenten schwärmt, dem dieser wissen - schaftliche Heroismus mehr imponirt als jedes gallonirte Heldenthum, dem muß auch mehr vergeben werden als manchem anderen.
Möchten doch die Franzosen zur Einsicht gelangen daß selbst die Wur - zeln unserer Wehrkraft nur in diesem Grunde ruhen. Nicht 7 deutsche Streiter, aber 7 Deutsche die lesen und schreiben können, stehen einem Franzosen gegenüber. Die Wildheit ist im Kriege verbraucht seit die Hunnen und die Lanzknechte mit derselben siegten, seit Hannibal seine Turcos nach Rom führte; in unseren Zeiten ist die stärkste Waffe der Charakter, und auch im Kriege gilt das Friedenswort: Bildung ist Macht.
Minder erbaut, als von den Lehrern, ist Legrelle von dem Studenten - wesen der deutschen Universitäten. Er findet den Ton zu burschikos, und diese Gesichter, qui sont à moitié lunettes et à moitié cicatrices, allzu - sehr herausfordernd. Nicht etwa als ob er ein Feind der Freude wäre, sondern weil er mit richtigem Gefühl erkennt daß wir hier vor Formen stehen aus denen der Geist gewichen ist. Jn großen Städten ist der Nimbus der bunten Mütze ohnehin verbleicht, und eine große Zeit wird das übrige thun um seine Bedeutung zu erschöpfen.
Zur Zeit daunser Verfasser in Leipzig war, hatte die Messe ihre Zelte dort aufgeschlagen, und ein wahrhaft betäubender Lärm tönte uns aus allen Straßen entgegen. Da man nirgends geneigter ist sein Geld auszugeben als dort wo man es einnimmt, so sind alle Schaubuden und öffentlichen Locale überfüllt, deßgleichen „ les cryptes dédiées à Bacchus. “
Mehr jedoch als für solchen Lärm und für den Anblick der vielen Mil - lionäre interessirt sich Legrelle für die Verhältnisse des deutschen Bücher - marktes, die in den Tagen der Messe ans Licht treten. Mit der Freigebigkeit der Verleger ist er keineswegs zufrieden, denn diese fördern nach seiner Meinung den Schriftsteller nur insofern als das Talent durch die Noth gefördert wird. Ueberall erscheint ihm das Honorar zu niedrig und der Preis der Bücher zu hoch gegriffen, und während hiedurch der Verfasser zum Hunger gezwungen wird, sieht sich das Publicum genöthigt, seinen Wissensdurst aus jenen „ schmutzigen Pfützen zu stillen die man Leihbiblio - theken nennt. “ Welches Entsetzen befällt den vornehmen Franzosen vor die - ser ästhetischen Table d'hôte!
Jn wenigen Stunden erreichen wir Dresden, das Jdeal einer deut - schen Stadt, das Musterbild wohlthuender Proportionen. Es ist Sonntag Morgen, und die Schloßkirche öffnet ihre Thore, um die elegante Welt zur Andacht zu empfangen; allein dem Verfasser will diese Andacht nicht recht gefallen -- er nennt sie einen religiösen Dilettantismus, der in Sammet und Seide zur Kirche kommt um schöne Musik zu hören und schöne Toi - letten zu zeigen. Durch die Reichthümer