PRIMS Full-text transcription (HTML)
Allgemeine Zeitung.
Nr. 69.
Augsburg, Freitag, 10 März 1871. Verlag der J. G. Cotta 'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen.

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Uebersicht.

Die bayerische Gebietsvergrößerung.

Deutsches Reich. München: Rückkehr des Prinzen Luitpold. Demobilisirung. Deutsches Vergleichsverfahren. Stuttgart: Wahlen. Karlsruhe: Prinz Wilhelm. Berlin: Bundeseinnahmen. Ehren - bürgerrecht für Bismarck und Moltke. Ein nationales Gedenkfest. Tagesneuigkeiten. Graf Bismarck. Friedensverhandlungen. Handels - vertrag mit Frankreich. Rückkehr der Kriegsgefangenen. Musikdirector Wilhelm. Denkmal für E. M. Arndt. Mennoniten. Reichstagswahlen. Aus Hohenzollern und Coburg: Reichstagswahlen.

Oesterreichisch = ungarische Monarchie. Wien: Die Regierung. Löwe . Cisleithanische und österreichische Reichspolitik. Oesterreich und Rußland. Das Tiroler Landesvertheidigungsgesetz.

Schweiz. Bern: Die Heimbeförderung der Jnternirten. Centralisation des schweizerischen Militärwesens.

Großbritannien. Louis Napoleon und seine Resignation. Die Armeereform im Unterhaus. Das Oberhaus über den Verfall Eng - lands. Cabinetsverschiebung.

Frankreich. Aus der Nationalversammlung. Kriegsgericht in Lyon. Tours: Die Abstimmung in Bordeaux. Bordeaux: Jn und außer der Versammlung.

Jtalien. Florenz: Die Garantien für den Papst. Die Conventionen mit Oesterreich. Die italienischen Blätter über den Friedensschluß. Der Handel mit Tunis. Die Kammer. Friedensfeier. Rom: Die Abreise des Hrn. v. Arnim.

Rußland und Polen. Umbau der russischen Festungen.

Verschiedenes.

Neueste Posten. London: Englands Haltung bei den Friedens - präliminarien. Lille: Tagsbefehl. St. Petersburg: Freundschafts - bezeigungen zwischen Kaiser Wilhelm und dem Czaren.

Außerordentliche Beilage. Nr. 38.

Telegraphische Berichte.

* Berlin, 9 März. Graf Bismarck ist heute um halb 8 Uhr Mor - gens auf dem Anhalter Bahnhof im besten Wohlsein eingetroffen, wo er von seiner Gemahlin, seiner Tochter und mehreren hochgestellten Beamten empfangen wurde.

* Paris, 8 März, Mittags. Die Lage von Belleville und Mont - martre ist unverändert; in den übrigen Stadttheilen herrschte Ruhe.

(*) Paris, 7 März. Jules Favre und Simon behalten vorläufig ihre Portefeuilles; Ferry hat seine Entlassung gegeben. -- Morgen nimmt die Bank von Frankreich die Veröffentlichung ihrer Wochenausweise wieder auf. -- Rochefort klagt in seinem Mot d'Ordre die Regierung an daß sie die Nationalgarde unter dem Vorwand entwaffnet habe sie reorganisiren zu wollen. -- General Aurelles bereitet die Entlassung der vorhandenen Bataillone vor, und befahl Ablieferung der Waffen in kürzester Frist bei strengster Strafe.

* Bordeaux, 8 März. Ein großer Theil des Personals des aus - wärtigen Amtes ist heute nach Paris zurückgekehrt. Die Gesandten der fremden Mächte gehen am Sonnabend nach Paris. Die Nordarmee wurde aufgelöst, die Linientruppen des 20. Armeecorps werden nach Afrika geschickt, die Mobilgarden und die mobilisirten Nationalgarden in die Heimath entlassen.

* Marseille, 7 März. Die Regierung beginnt mit Ersparungs - maßregeln. Jn Toulon werden der größte Theil des Mittelmeergeschwa - ders und sämmtliche Kanonenboote abgerüstet, nur drei Panzerschiffe undzwei Avisodampfer verbleiben unter dem Befehl des Admirals Jurien de la Gravière.

Wien, 8 März. Die Südbahn weist eine Mehreinnahme von 204,256 fl. auf. -- Der Verwaltungsrath der Unionsbank beschloß heute 20 fl. Superdividende auszubezahlen. -- Getreidebörse flau, Geschäftslosigkeit, wenig Angebote, keine Nehmer. Weizenpreise wie am letzten Samstag. Korn matter, ohne Begehr. Gerste geschäftslos. Mais prompt gut verkäuflich. Hafer Angebot vorherrschend. Mehl unverändert.

* London, 8 März. Waarenmarkt. Zinn gedrückt. Rohzucker stetig, raffinirter niedriger, Tendenz fallend. Reis und Kaffee ruhig.

* London, 8 März. Schlußeurse: 3proc. Consols91 9 / 16; 1882er Amerikaner 92; Türken 42 5 / 16.

(*) London, 8 März. Die neue 5proc. russische Anleihe bei Roth - schild im Betrage von 12 Mill. Pf. St. wird zum Curse von81 1 / 2 emittirt. Die Verzinsung beginnt am 1 August. Eingezahlt werden bei der Zeichnung 5 Procent, bei der Zuertheilung 15 Proc, am 25 April 15 Proc., am 3 Juni 15 Proc, am 25 Juli 15 Proc. und am 3 Oct. 16 1 / 2 Proc.

Liverpool, 8 März. Baumwollenmarkt. Tagesumsatz 12,000 B., zur Ausfuhr verkauft 3000. Stimmung matt. Orleans7 5 / 16, Middling7 1 / 16, fair Dhollerah5 7 / 8 -- 6, middl. fair Dhollerah5 1 / 8, good middl. Dhollerah4 1 / 2, fair Bengal5 3 / 8, fair Oomra6 1 / 4, good fair Oomra6 5 / 8, Pernam7 5 / 8, Smyrne 7, Egyptian7 3 / 4. Tagesimport 27 000 B., davon indische keine, amerikanische 18,000 B.

Antwerpen, 8 März. Petroleummarkt. loco 49; per März46 1 / 4; per April 45 3 / 4.

Amsterdam, 8 März. Börse. Wechsel auf London --; 3proc. Spanier29 3 / 4; 1882er Amerikaner96 9 / 16; 5proc. Papierrente 46; 5proc. Silber - rente 53 3 / 4; 5proc. Türken41 1 / 8; 5proc. Russen v. 185576 7 / 8.

Amsterdam, 8 März. Productenbörse. Roggen: St. Petersburger 215 fl., Galatzer 223 fl, Taganroger 220 fl.; Roggen per März 213 fl., per Mai 217 fl., per October 222 fl. -- Repssamen per October 83 fl. -- 1000 Picols Java = Zucker Nr. 10 / 14 zum Novemberwerth.

New = York, 7 März. Per Kabel. Gold, Schlußcurs111 1 / 8; Wechsel per London109 3 / 4; 1882er Bonds112 5 / 8; 1885er Bonds112 3 / 8; Erie = Actien 21 1 / 4; Jllinois133 1 / 2; Baumwolle24 1 / 2; Petroleum --. Baumwolle gedrückt.

Die bayerische Gebietsvergrößerung.

l. Vom Oberrhein, 7 März. Die Abtretung des Kreises Weißenburg an Bayern, welche Jhr Münchener Telegramm vom 28 v. M. (Beil. Nr. 60) gemeldet hat, findet ihre volle Bestätigung in den officiösen Mittheilungen über den Abschluß der Friedenspräliminarien und die hie - bei zwischen dem Bundeskanzler und den Vertretern der süddeutschen Staa - ten vereinbarten Abmachungen; bereits ist die Zustimmung der kgl. würt - tembergischen und der großh. badischen Staatsregierung zur Ausscheidung Weißenburgs aus dem unmittelbar verbleibenden Reichsland Elsaß = Lo - thringen erfolgt, und die vom deutschen Bundesrath dem Reichstag zu erstattende Vorlage über die staatsrechtliche Organisation des Reichs - landes wird sich auf das nach Abtretung Weißenburgs verbleibende Terri - torium von 250 Q. = Meilen und 1,580,000 Seelen beschränken.

Die Einverleibung Weißenburgs in den bayerischen Staatsverband unterliegt sonach nur noch der Genehmigung der gesetzgebenden Factoren des Königreichs Bayern, welche sicher im Erwerbe dieses früher theil - weise pfalz = zweibrücken'schen Gebiets einen mehr als ausreichenden Ersatz für die im Berliner Frieden (1866) erfolgte Abtretung der ohnehin in - mitten preußischen Gebiets gelegenen und weniger wohlhabenden Rhön - bezirke Gersfeld = Orb (10 Q. = Meil. mit 36,000 Seelen) erblicken, und in dem seitens des deutschen Kaisers hiefür angebotenen Surrogat ein schätz - bares Unterpfand der treuen Waffenbrüderschaft dankbarst annehmen wer -1158den. * )Wir verweisen in dieser Beziehung auf unsern gestrigen Leitartikel. D. R.Das bayerische Heer erhält also für seinen ruhmvollen Antheil an dem Siegeslaufe nach Paris das Kampffeld von Weißenburg als Erinne - rung an die dort zuerst erfochtenen Erfolge!

Der Verzicht des deutschen Reichs auf Weißenburg zu Gunsten des Königreichs Bayern enthält nun keine Theilung der Provinz Elsaß = Lo - thringen zwischen den Königreichen Preußen und Bayern, keine Zerreißung des Reichslandes gleich einer Siegesbeute zwischen den Eroberern, sondern lediglich die Rückgängigmachung der für Bayern ungünstigen Bestimmun - gen des 1866er Friedensschlusses, einen Ausgleich für den damals erlitte - nen Territorialverlust; wenn unter den 1866 Preußen gegenüber gestan - denen deutschen Staaten jetzt nur Bayern einen kleinen Antheil an Elsaß - Lothringen erhält, Württemberg, Baden, Sachsen ec. aber leer ausgehen, so findet diese Thatsache ihre volle Erklärung in dem Umstande daß die übrigen Staaten 1866 keinen Territorialverlust erlitten und überhaupt damals eine mildere Behandlung als Bayern gefunden haben; zur Aus - gleichung dieses sonst immer noch eine unangenehme Nachwirkung auf die Aussöhnung zurücklassenden Mißverhältnisses mußte daher vor allem das Königreich Bayern mit einer den Schmerz des Gebietsverlustes dämpfen - den Landesvermehrung bedacht werden.

Wo anders hätte das Königreich Bayern einen Länderzuwachs erhal - ten können als gerade an der Südgränze der Pfalz? ** )Wir sehen hiebei von der Erwerbung der sächsischen Enclaven Ostheim und Königsberg (mit 6000 Seelen) im Herzen Frankens vorerst noch ab, weil wohl noch das Königreich Preußen die Herzogthümer Sachsen = Coburg und Sachsen = Weimar durch Austauschungen bei Suhl, Gefäll und Ziegenrück ec. zur Abtretung der fränkischen Enclaven bestimmen, und sich selbst etwa durch die zwischen Saargemünd und Saarlouis in Rheinpreußen vorspringende Landzunge des Cantons Forbach hiegegen schadlos halten könnte. D. E.

Als 1815 die Lauterlinie zur Gränze zwischen Elsaß und der Pfalz genommen wurde, mußten die wirthschaftlich und rechtsgeschichtlich zusam - menhängenden Bezirke des vormals fürstbischöflich Speyer'schen Oberamts Lauterburg, der zum Bisthum Speier gehörenden Propstei Weißenburg, des Deutschordensamts Riedselz, der pfalz = zweibrücken'schen Kellerei Klee - burg ec. mitunter in äußerst verkehrstörender Weise getrennt und zum un - verkennbaren Nachtheil der Gränzbevölkerung*** )Die Stadtmarkung Weißenburg wurde getheilt, vom Hofgute St. German die Südhälfte dem Elsaß, die Nordhälfte der pfälzischen Gemeinde Bobenthal einverleibt, so daß der Hofgutsbesitzer für beide Hälften eigene Feldhüter baye - rischer, bezw. französischer Nationalität aufstellen mußte, und in der Einfuhr seiner Ernte über die Gränze belästigt war. D. E. auseinandergerissen wer - den; leider war es der deutschen Diplomatie bei dem Pariser Friedens - schlusse vom 20 Nov. 1815 nicht gelungen die Südgränze der Pfalz weiter südlich zu verlegen, so daß vom Departement Nieder = Rhein bloß die vier Cantone Bergzabern, Candel, Dahn und Landau mit 84 Gemeinden und 66,662 Seelen an die Pfalz zurückgegeben wurden.

Pfalz = Bayern blieb -- abgesehen vom Steinthal (Ban de-la-Roche) und von den im Ober = Rhein verlornen Aemtern Bergheim und Kaisers - berg -- damals unentschädigt für folgende Gebietsverluste im Nieder - Rhein: Amt Bischweiler mit 11,480 Seelen, Am Kleeburg mit 4153 Seelen, Amt Selz mit 5014 Seelen; Obergericht Lohr = Wingen mit 3570 Seelen, Oberger. Weinburg mit 738 Seelen, Oberger. Hambach = Volks - berg mit 2521 Seelen, Oberger. Bettweiler = Dörstel mit 1363 Seelen, Oberger. Hangweiler mit 625 Seelen, Oberger. Zillingen mit 995 See - len, Oberger. Behrlingen = Pfalzweiler mit 2606 Seelen. Zusammen 33,065 Seelen.

Mit Rücksicht auf diese vormals bayerischen Gebietstheile und zur Ausgleichung der 1866er Einbuße erhält nunmehr das Königreich Bayern die Cantone Weißenburg mit 14,052 Seelen und 3 Q. = M., Lauterburg mit 7769 Seelen und 1 Q. = M., Selz 14,645 Seelen und 3 Q. = M., Sulz unterm Wald mit 16,130 Seelen und2 1 / 4 Q. = M., im ganzen 52,597 Seelen und9 1 / 4 Q. = M. Der Confession nach vertheilt sich die Bevölkerung in 33,908 Katholiken, 26,316 Protestanten und 2372 Jsraeliten.

Die gedachten vier Cantone bildeten seit der neuen Verwaltungsorga - nisation (mit dem künftig an den elsäßischen Kreis Hagenau zurückfallen - den Cantone Wörth) einen eigenen Kreis und zwei Friedensgerichte (Weißenburg = Selz und Lauterburg = Selz). An der Spitze des Kreises steht als Kreisdirector ein bayerischer Verwaltungsbeamter; dessen Secretäre und Cantonalpolizeicommissäre sind gleichfalls Bayern; der Sicherheitsdienst wird durch bayerische Gendarmerie besorgt; auch im Steuer =, Telegraphen =, Post = und Eisenbahndienste sind dort ziemlich viele Bayern angestellt.

Die Einfügung des (Kreises) Bezirksamtes Weißenburg in den pfäl - zischen Kreisverband kann, da die beiderseitige Gesetzgebung im Civilrechte, im Proceßrecht, zumeist auch im Gemeinderecht ec. übereinstimmt, da fer - ner an Stelle der elsäßischen Armen = und der Heilanstalt in Hördt und Stephansfelden die pfälzische Armenanstalt Frankenthal und die Jrren - anstalt Klingenmünster tritt, nur wenige Schwierigkeiten hervorrufen. DerVerlust welchen Weißenburg durch die bereits von der deutschen Regie - rung im Elsaß beschlossen gewesene Einziehung des Tribunals, des Ge - richtsgefängnisses, des Gränzcommissariats ec. erleidet, wird durch die Errichtung eines Rentamtes, einer Oberförsterei, eines den Bahnbetrieb bis Hagenau übernehmenden Eisenbahnamtes, einer Baubehörde ec. und durch eine bayerische Garnison ausgeglichen werden; vielleicht gelingt es der Verwaltung der vereinigten Pfälzer Bahnen den schon seit den 1850er Jahren angeregten und vom Conseil géneral des Niederrheins gutgeheiße - nen Bahnbau Hagenau = Selz = Lauterburg = Wörth = Germersheim zur Aus - führung zu bringen, da die betheiligten meist wohlhabenden Gemeinden bereits beträchtliche Zuschüsse hiefür bewilligt haben.

Dieß wären -- im kurzen angedeutet -- die für den künftig bayerischen Bezirk Weißenburg bevorstehenden wichtigern Aenderungen; übrigens bedarf vorerst die bayerisch = elsäßische Gränze wegen einzelner Unregelmäßigkeiten noch einer genauern Feststellung; die bay erischen Gränzgemeinden Bein - heim, Kesseldorf, Niederbetschdorf, Oberbetschdorf und Surburg bilden im Sauerbachthal eine ziemlich gerade Gränzlinie; von Surburg bis Lem - bach wird sodann aber der Höhenzug zwischen den Thälern des Selzbaches und des Sauerbaches, und von Lembach bis Obersteinbach der in der Rich - tung von Ost nach West laufende Höhenzug die Gränzlinie bilden.

Was den als Gegenstand der Abtretung in Bayern weiter bezeichnet gewesenen Landstrich zwischen Hagenau, Niederbronn, Bitsch und Wol - münster anlangt, so scheinen allerdings in mehr als privativer Weise über den Uebergang der Bahn Hagenau = Bitsch und der von dort über Hornbach nach Zweibrücken zu bauenden Anschlußlinie in den Betrieb der Pfälzer Bahnen Erhebungen gepflogen worden zu sein, und ist der bayerische Staat als Besitzer der Kohlengruben bei St. Jngbert an dem Bau letzterer An - schlußlinie lebhaft betheiligt; nachdem jedoch dieser Bahnbau durch einen seitens der deutschen Regierung im Elsaß anzuerkennenden frühern Ver - trag zwischen Bayern und Frankreich gesichert ist, so erscheinen die Jn - teressen Bayerns hiedurch vollständig befriedigt. Es beschränkt sich daher der bayerische Gebietszuwachs auf die oben bezeichneten vier Cantone, deren Bevölkerung, wie dieß auch die schwache Betheiligung bei der Wahl vom 8. v. M. zur französischen Nationalversammlung und die Nichtwahl Gambetta's bewiesen hat, eine im ganzen nur deutschfreundliche und ent - gegenkommende Gesinnung zeigt.

Eine die Jnteressen des Landes würdigende Regierung, welche die freiere Gemeinde = Ordnung, das Jnstitut der Districtsräthe, die geringere Steuerveranschlagung ec. als Morgengabe der Vermählung mit in den neuen Staatsbund einbringt, wird kaum länger als ein Jahrzehnt brau - chen um die neu erworbenen Landestheile mit Deutschland, Bayern und dem pfälzischen Kreisverbande so innig zu verschmelzen, wie dieß rücksicht - lich der 1815 zurückerhaltenen Cantone Bergzabern, Kandel, Dahn und Landau im vollsten Maße gelungen ist, so daß dort kaum noch die leiseste Erinnerung an die vormals französische Herrschaft fortlebt.

Deutsches Reich.

sym5 München, 8 März. Der k. FZM. Prinz Luitpold ist aus dem Feldzuge diesen Abend im besten Wohlsein hier eingetroffen. -- Die Reservi - sten der Jnfanterie welche sich in den Ersatzbataillonen im Dienste befinden, sind in den nächsten Tagen in Urlaub zu entlassen -- die erste Maßnahme der Demobilisirung der Armee in Bayern. -- Jn Betreff des von der preußischen Regierung dem Bundesrathe des Deutschen Reiches vorgelegten Entwurfs des Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Gemeinschuldverfahrens hat das Staatsministerium des Handels, und ebenso der bleibende Ausschuß des deutschen Handelstages, ein Gutachten von der Handels = und Gewerbe - Kammer von Oberbayern verlangt. Die Kammer hat hierüber gestern be - rathen und dem Gesetzentwurfe freudig zugestimmt. Zwar gieng die Kam - mer von der Voraussetzung aus daß die seit 1 Juli v. J. eingeführte bayerische Proceßordnung, soweit sich bis jetzt ein Urtheil abgeben läßt, Vorzüge besitzt welche ein solches Vergleichsverfahren als entbehrlich er - scheinen lassen; sie glaubte aber dessenungeachtet der Schaffung eines allge - meinen deutschen Gesetzes nichts in den Weg legen zu sollen, zumal ja auch die bayerischen Staatsangehörigen welche bei nichtbayerischen Fallimenten betheiligt sind, die Vortheile eines solchen Vergleichsverfahrens genießen werden. Die Kammer schloß sich deßhalb dem Entwurfe mit den Modifi - cationen an welche vom Ausschusse des deutschen Handelstages und vom Aeltesten = Collegium in Berlin vorgeschlagen wurden. Schließlich stimmte dieselbe noch dem Wunsche bei: daß in jenen Orten wo Handelsgerichte be - stehen die Handelsrichter mit der Leitung des Vergleichsverfahrens, even - tuell mit dem kaufmännischen Concursverfahren, betraut werden sollen. -- Ein Antrag der Oberpfälzer Handels = und Gewerbe = Kammer auf Gestat - tung eines zollfreien Verkehrs mit Paketen mit Oesterreich wurde aufs wärmste unterstützt.

1159

* Stuttgart, 8 März. Heute liegen die sämmtlichen Wahlergebnisse vor: in zwei Kreisen, 8. und 9., muß eine engere Wahl, je zwischen den bei - den Höchsten in der Stimmenzahl, stattfinden. 1. Kreis. Stuttgart, Stadt und Amt: Wahlberechtigte 20,886, G. Müller, Kaufmann (national) mit 11,166 St. gewählt. Der Socialist J. Schneider erhielt 491 St. 2. Kreis. Ludwigsburg, Canstatt, Waiblingen, Marbach: Wahlberechtigte 22,156, Prof. Reyscher (nat. ) 10,150 St. 3. Kreis. Heilbronn, Neckarsulm, Besig - heim, Brackenheim: Wähler 22,384, Staatsrath Goppelt (nat. ) 9554, R. A. Tafel 2252. 4. Kreis. Böblingen, Leonberg, Maulbronn, Vaihingen: Wähler 19,873, gewählt Dr. Otto Elben in Stuttgart (nat.) mit 9091 St. 5. Kreis. Eßlingen, Nürtingen, Kirchheim, Urach: Director Keßler (nat. ) 12,479 St. 6. Kreis. Reutlingen, Tübingen, Rottenburg: gewählt Staats - minister v. Wagner (nat.) mit 7772 St., Dr. Ammermüller 1993. 7. Kreis. Calw, Neuenbürg, Nagold, Herrenberg: von 9757 St. hat Commercienrath Chevalier in Stuttgart (nat. ) 9531. 8. Kreis. Freudenstadt, Horb, Sulz, Oberndorf: es stimmten zusammen ab 10,071, abs. Mehrheit wäre 5035, Oberstudienrath Frisch (nat. ) 4751, Staatsminister v. Linden 2851, Ober - amtsrichter Wirth (nat. ) 2458. Engere Wahl am 17 März. 9. Kreis. Rottweil, Spaichingen, Tuttlingen, Balingen: Dr. F. Notter in Stuttgart (nat. ) 4729, Schönfärber Schwarz in Ebingen (demokr. ) 3841, Rector Ruck - gaber (gemäßigt klerikal) 3113. Engere Wahl zwischen den beiden ersteren. 10. Kreis. Göppingen, Gmünd, Schorndorf, Welzheim: von 21,672 Wahlberechtigten haben abgestimmt 10,262; hievon erhielt R. A. Hölder (nat. ) 10,196. 11. Kreis. Hall, Backnang, Oehringen, Weinsberg: Stimmberechtigte 21,710, abgestimmt haben 9600. Gewählt Präsident Weber (nat.) mit 9491 St. 12. Kreis. Mergentheim, Künzelsau, Crailsheim, Gerabronn: von fast 22,000 Stimmberechtigten haben wirk - lich abgestimmt 13,346. Auf den Fürsten Hermann v. Hohenlohe = Langen - burg (nat. ) 8894, Posthalter Retter (demokr. ) 4447. 13. Kreis. Aalen, Ellwangen, Gaildorf, Neresheim: Gesammtwählerzahl 19,888, ab - gegebene Stimmen 11,965. Kreisgerichtsrath Streich (nat. gemäßigt klerikal) gewählt mit 6981 Stimmen. Moriz Mohl 4919 Stimmen. 14. Kreis. Ulm, Heidenheim, Geislingen: Prof. Römer (nat.) gewählt mit 9162 St., Abstimmende im ganzen 9392, Stimmberechtigte 22,239. 15. Kreis. Ehingen, Münsingen, Blaubeuren, Laupheim: Stadtschultheiß Schmid von Munderkingen (nat.) gewählt mit 8684 Stimmen. Erbgraf v. Rechberg (kler. ) erhielt 5210 St. 16. Kreis. Biberach, Waldsee, Leut - kirch, Wangen: Fürst von Waldburg = Zeil (freiconserv. ) mit 9894 St., R. A. Neher (kler. = demokr. ) 2189. 17. Kreis. Ravensburg, Tettnang, Saulgau, Riedlingen: gültige Stimmen 12,136, R. A. Probst (kler. ) ge - wählt mit 7131, Stadtschultheiß Khuen in Ravensburg (nat. ) 5001. Nach ungefährer Zählung wurden abgegeben im ganzen 190,047 Stimmen. Davon abgezogen die 21,754 Stimmen der noch unentschiedenen Kreise 8 und 9 bleiben 168,293. Von diesen fielen auf die Candidaten der natio - nalen Partei 116,201 Stimmen, auf die beiden Halb = Nationalen Streich und Fürst Zeil 16,618, auf den Großdeutschen Probst 7131 St.

Karlsruhe, 7 März. Prinz Wilhelm ist gestern Nachmittags 1 Uhr 20 Min. mittelst der Bahn zu den Truppen nach Frankreich zurück - gekehrt. Es wird dieß seine Theilnahme am Reichstage nicht verhindern, weil die Truppen jedenfalls noch vor dem Zusammentritt des Reichs - tags zurückkehren werden. Das in Dôle liegende Leibgrenadierregi - ment hatte, wie man von dort schreibt, bereits auf den 5 Marschbefehl. Bis nach dem Einzuge der Truppen wird auch die hiesige Friedensfeier und Beleuchtung verschoben bleiben. Daß der Kaiser hier, wahrscheinlich in Begleitung des Kronprinzen, bei seiner Rückreise aus Frankreich ver - weilen wird, scheint festzustehen. Man vermuthet am 13 oder 14 März. (B. Landesztg.)

Berlin, 7 März. Es hat sich in erfreulicher Weise, der K. Z. zu - folge, eine Vermehrung der Bundeseinnahmen im Jahr 1870 herausge - stellt. Dieselben erreichen aus den Zöllen und Steuern die Summe von 53 Mill. Thlrn., und sind auch bei der Post in der Weise gestiegen wie man dieß ungefähr voraus berechnet hatte. (Ueber eine dem Bundesrath zuge - gangene, einen Nachtrag zum Bundeshaushalt für 1871 enthaltende, Vorlage berichten wir in der nächsten Nummer d. Bl. D. R.) -- Der Magistrat beab - sichtigt die Magistrate sämmtlicher Städte von 20,000 Einwohnern und darüber aufzufordern gemeinschaftlich Bismarck und Moltke das Ehren - bürgerrecht zu verleihen. Eine dießfällige Vorlage wird der Stadtver - ordnetenversammlung heute noch zugehen und am Donnerstag zur Be - rathung gelangen. Der Magistrat fordert die Vorschußbewilligung von 50,000 Thalern zur Herstellung der Urkunden. -- Eine Petition an den Kaiser, welche dem Gedanken eines alljährlichen allgemeinen deutschen Volks = und Kirchenfestes Ausdruck geben soll, circulirt gegenwärtig unter einer Anzahl von Vertrauensmännern, um demnächst der wei - teren Unterzeichnung anheim gegeben zu werden. -- Jn Köln starb am 5 d. M. am Herzschlag der Geh. Justizrath und Advocat - An - walt Ferdinand Esser, Präsident des Central = Dombauvereins, im Alter von 68 Jahren. -- Der Polizeilieutenant Hoppe, der bekanntlich in französische Kriegsgefangenschaft gerathen war und mehrere Monate in derselben schmachtete, ist gestern nach Berlin zurückgekehrt. -- Der Umzug aller Ab - theilungen des Generalstabs der Armee aus dem alten Dienstgebäude, Behrenstraße 66, in das neue Generalstabsgebäude wird Mitte dieses Mo - nats beginnen. -- Gestern Abend brachte auf der Anhalter Bahn einCommando von 2 Officieren und 20 Mann einen Transport von etwa 70 Centnern Gold und Silber aus Frankreich hierher. Dasselbe ist ein Theil der Pariser Contribution.

(--) Berlin, 7 März. Graf Bismarck wird noch vor Ablauf dieser Woche mit den Legationsräthen v. Hatzfeldt, v. Keudell, Graf Bismarck - Bohlen und Lothar Bucher hieher zurückkehren. -- Als preußischer Bevoll - mächtigter bei den in nächster Woche zu Brüssel beginnenden Friedens - verhandlungen wird daher wahrscheinlich unser bisheriger Gesandter in Rom, Hr. Harry v. Arnim, wirken, den man auch als den künftigen Ver - treter Preußens bei der französischen Regierung bezeichnet. -- Von dem Versuche die französische Regierung für die Erneuerung des Handelsver - trags empfänglich zu machen, wird man vorderhand wohl abstehen, nach - dem Hr. Thiers schon in Versailles keinen Zweifel darüber hat bestehen lassen daß er entschlossen ist seinen schutzzöllnerischen Neigungen jetzt die Zügel schießen zu lassen. -- Von den französischen Kriegsgefangenen sind viele Bemittelte bereits auf ihre eigenen Kosten in die Heimath zurück - gekehrt. Die Zurückbeförderung der übrigen Gefangenen auf Staatskosten beginnt erst morgen, und in Folge dessen werden die regelmäßigen Bahn - züge auf den rheinischen und den anhaltischen Linien bis zum 20 d. eine Beschränkung erleiden. -- Vorgestern brachte uns die Potsdamer Bahn einen starken Transport Verwundeter aus der Gegend von Paris, die gestern nach Schwedt weiter geschafft wurden, und gestern Abends einen bedeutenden Beutetransport. Die am Sonnabend aus französischer Kriegs - gefangenschaft heimgekehrten 180 deutschen Schiffer giengen am folgenden Morgen nach Danzig weiter. Sie waren mit 220 Berufsgenossen und 500 deutschen Soldaten auf der Jnsel Belle Jsle an der Küste der Bretagne internirt, wo sie eine sehr harte Behandlung erfuhren. Von Seiten der hiesigen Bürgerschaft werden jetzt ebenfalls Vorbereitungen für eine fest - liche Bewirthung der heimkehrenden Truppen getroffen, wozu verschiedene Bezirksvorsteher den ersten Anstoß gegeben haben. -- Sehr schmerzlich hat hier die Nachricht berührt daß mitten in dem allgemeinen Friedensjubel der Componist der Wacht am Rhein, Musikdirector Wilhelm, in Schmal - kalden vom Schlage getroffen wurde und fast hoffnungslos darnieder - liegen soll. Den Manen eines andern Volksmanns, E. M. Arndt, will ein Comit é in der Hardenbergstraße, welche sich hinter dem zoologischen Garten hinzieht und Berlin mit der Residenz der Königin = Wittwe, Charlotten - burg, verbindet, eine Statue in Cementguß errichten. -- Den Mennoniten Westpreußens haben die betreffenden Minister auf eine dießfällige Eingabe eröffnet daß der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Regelung der Ver - hältnisse der Mennoniten in der Vorbereitung begriffen sei, und daß vor Feststellung desselben den Betheiligten Gelegenheit zur Aeußerung dar - über gegeben werden solle. -- Mit dem Versuche die von den Liberalen aufgestellten Reichstagscandidaten durch Namen aus dem Sattel zu heben deren Träger sich auf den Schlachtfeldern mit Ruhm bedeckt haben, sind die Conservativen und Ministeriellen überall gescheitert. Hier hatte man an dieser unglücklichen Jdee festgehalten ohne die Betheiligten vorher auch nur zu befragen, und in Königsberg war die Candidatur des Generals v. Manteuffel sogar aufrecht erhalten worden, obschon dieser erklärt hatte daß er die Annahme eines Mandats mit seiner militärischen Stellung für unverträglich halte, weil er leicht in die unangenehme Lage kommen könne der Regierung Opposition machen zu müssen, zumal da er ein Gegner der Politik des Grafen Bismarck sei. Die Volkspartei hatte dort den eben aus Lötzen entlassenen Kaufmann Herbig aufgestellt, die Partei der National - Liberalen den Hrn. v. Forkenbeck, nachdem die Fortschrittspartei den ihr von jener angebotenen Compromißcandidaten v. Saucken = Tarputschen ab - gelehnt hatte, der doch bisher Mitglied der Fortschrittspartei war. Ge - wählt wurde in Königsberg bekanntlich der Stadtverordnetenvorsteher Dickert, Candidat der Fortschrittspartei. Der aus Wiesbaden hieher über - gesiedelte Anwalt Braun ist in nicht weniger als fünf Wahlbezirken als Candidat aufgetreten, und nach den bis jetzt vorliegenden Nachrichten in zweien durchgefallen. Dasselbe Schicksal erlitten: in Altona der von den Socialdemokraten geschlagene mehrjährige Vertreter dieses Bezirks, Dr. Schleiden, im dritten Erfurter Bezirk der Prof. Gneist, welchen der conser - vative Candidat Landrath v. Hagke besiegte, und im siebenten Düssel - dorfer Wahlbezirke der bisherige Vertreter Prof. Aegidi, welcher dem von den Katholiken aufgestellten Frhrn. v. Lo ë das Feld räumen mußte. Der erste Stettiner Wahlkreis Anclam = Demmin hatte, solange in Preußen parlamentarische Zustände bestehen, stets liberal gewählt, und zwar immer den jetzt erkrankten Grafen Schwerin. Jetzt hat dort ein Conservativer gesiegt, nachdem Graf Schwerin aus Gesundheitsrücksichten ganz vom poli - tischen Schauplatz abgetreten ist. Jn Danzig muß eine engere Wahl zwi - schen dem nationalliberalen Candidaten Lesse und dem Arbeitercandidaten Dr. Hirsch stattfinden, und in Namslau = Brieg eine solche zwischen dem Na - tionalliberalen Allnoch und dem Conservativen Grafen Pfeil. Letzterer war1160von der Geistlichkeit unterstützt um den bisherigen freiconservativen Ver - treter Blankenburg zu stürzen. Jn Bromberg siegte der von den Katholiken und Polen aufgestellte Candidat über den Candidaten der Nationallibe - ralen mit schwacher Mehrheit, und im vierten Oppelner Bezirk der Herzog v. Ujest über den Candidaten der katholischen Verfassungspartei Ministe - rialdirector Krätzig.

sym20 Aus Hohenzollern, 8 März. Die Wahl zum ersten deut - schen Reichstag fand unter mäßiger Betheiligung statt, es und wurde der bisherige Vertreter Hohenzollerns, Kreisgerichtsdirector Evelt in Hechingen, gewählt. Stets entschiedener Anhänger der deutsch = nationalen Politik, ge - hörte er im Reichstag sowohl als im preußischen Abgeordnetenhause der früheren altliberalen Partei an, welche einst mit dem rechten Flügel der Nationalliberalen stimmte. Als in der letzten Sitzungsperiode des preußischen Abgeordnetenhauses eine besondere Fractionsbildung der früheren Altliberalen nicht stattfand, blieb er Wilder. Jm demnächst zusammentretenden deutschen Reichstag dürfte Evelt sich einer entschieden national und zugleich gemäßigt liberal gesinnten Mittelpartei anschließen; aber keinenfalls, obgleich er guter Katholik ist, der sogenannten katholischen Partei des Centrums oder der Verfassungspartei.

r. Coburg, 7 März. Die liberale Partei hat bei der am 3 März vorgenommenen Wahl eines Abgeordneten zum deutschen Reichstage wie - der einen glänzenden Sieg errungen. Die Betheiligung an dem Wahlacte war allerdings keine besonders lebhafte zu nennen, von 9180 zur Wahl berechtigten Bürgern waren im ganzen Herzogthum nur 3960 zur Wahl - urne geschritten, aber 3825 Stimmen haben sich auf den Candidaten der Liberalen, Hofrath Moriz Briegleb hier, vereinigt, dessen Wahl dadurch gesichert ist. Durch Briegleb, der mit voller Aufrichtigkeit in den neu geordneten Staat eintritt, und in seiner Bewerbungsrede um ein Mandat im deutschen Parlament es für die erste Aufgabe des Reichstags bezeichnet hat: die neugewonnene Einheit zu schützen, die Centralgewalt zu stärken, die staatsbürgerliche Freiheit zu entwickeln, erhält die liberale Partei eine tüchtige und parlamentarisch geschulte Kraft. Derselbe war früher ein vielbeschäftigter Rechtsanwalt in hiesiger Stadt, und ist später in die Privatdienste des Prinz = Gemahls von England und seines Oheims, des Königs Leopold I der Belgier, getreten. Jm Jahr 1848 war er Mitglied des Fünfziger Ausschusses, Abgeordneter für das Herzogthum Coburg in der verfassunggebenden Nationalversammlung zu Frankfurt a. M., und hatte dort einen Platz unter den dreißig Männern welche mit der Ab - fassung des Entwurfs der deutschen Reichsverfassung betraut wurden. Brieglebs Gegencandidat, der Auserkorene des hiesigen Arbeitervereins und der Volkspartei, Fabricant und Gasdirector Geith, hat im ganzen Lande nur 97 Stimmen erhalten.

Oesterreichisch = ungarische Monarchie.

sym13 Wien, 8 März. Gewiß haben die Angriffe gegen das Mini - sterium an intensiver Stärke nicht verloren, nachdem namentlich das Ver - bot einer öffentlichen Feier der deutschen Siege erlassen worden -- ein Verbot welches allerdings von einzelnen Behörden in blindem Amtseifer auch auf jede Feier in privaten Kreisen angewendet wurde -- aber man kann doch im ganzen und großen bereits die Bemerkung machen daß jetzt mehr und mehr eine hypothetische Form des Angriffs gewählt wird: wenn das Cabinet dieses oder jenes thut. Jch will nicht behaupten daß dem eine besondere Mäßigung oder gar ein erwachendes Vertrauen zu Grunde liege; es ist vielmehr eine Taktik kluger Vorsicht gegenüber der allmählich auf - merksamer werdenden Polizei und Staatsanwaltschaft. Aber auch die ge - botene Selbstbeherrschung könnte ihre Früchte tragen, insofern einerseits das Publicum empfänglicher würde für Versicherungen des Ministeriums die nicht sofort durch angehängte Ausstreuungen jeder Glaubwürdigkeit entkleidet werden, und in so fern andererseits es der Regierung nicht er - schwert würde diejenige Ruhe und Leidenschaftslosigkeit zu bewahren welche allein ihr ein endliches Gelingen sichern kann. -- Ludwig Löwe, unser großer mimischer Künstler, ist gestern Abends gestorben, bei vollem Be - wußtsein, aber erst nach langem Kampfe seiner Riesennatur. Auch er stammte aus dem Reich, aus Rinteln in Kurhessen. Vor sechs Wochen begieng er seinen 75. Geburtstag.

Wien, 8 März. Dem Verbote der öffentlichen Siegesfeste der deutschen Bevölkerung eine politische Bedeutung nach außen beizumessen, wie es in einigen Organen und indirect auch in einer gestern im Reichs - rath eingebrachten Jnterpellation geschieht, ist geradezu abgeschmackt. Jm auswärtigen Amte hat man, wie ich höre, um diese rein polizeiliche -- an - geblich im Jnteresse des Neutralitätsprincips erfolgte -- Maßregel gar nicht gewußt. Es wird übrigens immer schwerer zu vertuschen daß dem cisleithanischen Ministerium die gegenwärtige auswärtige Politik -- besser gesagt deren gegenwärtiger Leiter -- nicht zu Gesichte steht, der es um der guten Beziehungen zu Deutschland willen nicht entsprechen kann wenn die Deutschen in Oesterreich selbst hintangesetzt werden. Auch was dieBeziehungen zu Rußland anbelangt, scheint man auf dem Judenplatz an - ders zu denken als auf dem Ballplatz, und während man dem Grafen Hohenwart den Wunsch zutraut Oesterreich heute lieber als morgen mit Rußland eine Allianz schließen zu sehen, steht beim Grafen Beust das Streben nach einem festen Zusammenstehen Oesterreichs und Deutschlands im Vordergrund seiner Politik, deren friedfertiger Charakter die Erhaltung guter Beziehungen auch zu Rußland keineswegs ausschließt. -- Bekannt - lich hat der Recrutenausschuß des Abgeordnetenhauses die Entdeckung gemacht daß das abgetretene Ministerium das von dem Tiroler Landtage beschlossene, ohnehin mit dem Wehrgesetz in Widerspruch gerathene, Landes - vertheidigungsgesetz eigenmächtig abgeändert habe. Die neue Regierung lehnt nun, wie mir von unterrichteter Seite versichert wird, die Verant - wortung für diese Unzukömmlichkeit, welche sie nicht in Abrede stellt, die aber einem untergeordneten Beamten zu Last fallen soll, ab, und erklärt sich bereit durch neuerliche Correctur den ursprünglichen Text wiederherzu - stellen, doch wird der Hinweis nicht unterlassen daß diese Angelegenheit nicht den Reichsrath, sondern den Tiroler Landtag angehe.

Schweiz.

Bern, 7 März. Die Jhnen bereits bekannte Verzögerung der Rückkehr der Mannschaften der Bourbaki'schen Armee, welche morgen be - ginnen und bis zum 18 d. beendigt sein sollte, ist für die Schweiz gewiß höchst unangenehm; indessen konnten die Bundesbehörden nicht umhin den von dem französischen Kriegsministerium hiefür vorgebrachten Grün - den, wie Störung des Eisenbahnbetriebs bei Verrières und auf der Linie Lyon = Paris, und Unmöglichkeit die für so viele Leute nothwendigen Le - bensmittel in Savoyen in so kurzer Zeit aufzubringen, Rechnung zu tra - gen, immerhin unter der Bedingung daß man französischerseits mit der Beseitigung aller dieser Schwierigkeiten sich beeile, und unter dem aus - drücklichen Vorbehalt vollständig freier Hand hinsichtlich der Richtung der Jnternirtentransporte von Genf aus, falls die französische Bahnverwal - tung nicht in der Lage sein sollte sie sofort abzunehmen. Was die Linie über Pontarlier anbelangt, so hat die deutsche Militärbehörde die Zusicherung ertheilt dem Transport der Jnternirten auf derselben kein Hinderniß in den Weg legen zu wollen; eine nähere Verständigung hierüber liegt jedoch zur Stunde noch nicht vor. Die Transporte selbst werden ein jeder un - gefähr 1000 Mann stark sein, und sollen mit Sonderzügen über Verrières täglich dreimal und über Genf täglich viermal befördert werden, ohne daß der sonstige Bahnverkehr auf diesen Linien eine Störung erleidet. Die Jnternirten in den Kantonen Freiburg, Wallis und Waadt werden ohne Benutzung der Eisenbahn, mit Ausnahme der Ligne d'Jtalie, nach Sa - voyen evacuirt. Jnternirte wie Bedeckungsmannschaften erhalten für den Marschtag eine Mundportion, und erstere bis zum Augenblick ihrer Ueber - gabe, welche an den Gränzstationen durch eidgenössische an französische Stabsofficiere bewerkstelligt wird, ihren seitherigen täglichen Sold. Nach - zügler der Bourbaki'schen Armee, unter denen leider viele Blatternkranke sind, treffen übrigens noch immer in den Gränzorten des Jura ein, so daß sich der Bundesrath genöthigt sah die Kantone Bern, Solothurn und Ba - selland neuerdings zur strengsten Handhabung der Gränzpolizei aufzufor - dern. -- Die augenblicklich für Vorberathung der Bundesverfassungs = Re - vision in Bern tagende Commission hat Centralisirung des Militärwesens beschlossen, soweit es Organisation, Jnstruction, Bewaffnung und persön - liche Ausrüstung betrifft. Den Kantonen fällt die Tragung der Kosten für die Kleidung zu. Dieser letztere Beschluß ist dem Stichentscheid des Präsidenten der Commission, Hrn. Nationalraths Philippin aus Neuen - burg, zu verdanken.

Großbritannien.

London, 7 März. Jn Camden = House, Chiselhurst, sind alle Vorbereitungen zum Empfang des Ex = Kaisers der Franzosen getroffen. Wie es heißt, wird er sein Gefolge auf vier Personen beschränken ehe er das Festland verläßt, um zum drittenmal in England ein Asyl zu suchen. Das Haus in welchem er mit seiner Gattin und seinem kränklichen Sohne zu wohnen gedenkt würde auch zu klein sein zum Hofhalten. Daß diese weise Beschränkung seines Haushaltes jedoch mit seiner angeblichen Ar - muth im Zusammenhang stehe brauchen wir deßhalb nicht anzunehmen. Die sehr positiven Gerüchte von den ungeheuren Summen die er, in richti - ger Würdigung des Unbestandes aller irdischen Dinge, bei Zeiten geborgen haben soll, sind ebenso positiv von bonapartischer Seite her geläugnet wor - den, und der hiesige Moniteur der Staatsstreichbande La Situation wird nicht müde die Armuth des Kaisers als rührende Thatsache zu behan - deln, und als das Ergebniß einer beispiellosen patriotischen Uneigennützig - keit und Aufopferung der öffentlichen Meinung zur Bewunderung zu em - pfehlen. Uneigennützigkeit war überhaupt die Stärke der Gesellschafts - retter vom 2 December 1851. Trotzdem gilt die rührende Armuth für eine romme Mythe. Nur so viel ist gewiß daß die bedeutenden Summen von denen das Gerücht meldete, nicht auf den Namen Napoleons III im Deposit -1161buche der Bank von England eingeschrieben stehen; aber die Namen Fleury, Persigny und Herzog von Alba stehen wohl einem prompten Bezug der Rente und einer rechtzeitigen Uebertragung der Consols nicht im Wege. Einstwei - len paßt die freiwillige oder unfreiwillige Armuth ganz zu der Rolle die sich der Exkaiser für den ersten Act seines Exils erkoren hat. Der Observer erhält aus vertrauenswürdiger Quelle die Mittheilung: daß Louis Napoleon nicht daran denkt den ihm gebührenden Kaiserthron durch thätiges Eingreifen in die französische Politik zu beanspruchen. Aber er hält sich für den Dienst der französischen Nation bereit, und wann immer er gerufen wird, so will er dem Willen des Volkes Gehorsam leisten. Er nimmt also die Attitude der abwartenden Resignation an. Man muß gestehen daß es die einzige ist welche ihm noch übrig bleibt. Daß er je zu einer neuen Gesellschafts - rettung berufen werden sollte, wollen wir im Jnteresse der weltgeschicht - lichen Entwicklung und zur Ehre der französischen Nation für unmöglich halten. Einstweilen wenigstens braucht er nicht ernsthaft in die politische Berechnung gezogen zu werden. Man meldet aus Chiselhurst daß die Ex - Kaiserin auf ihren täglichen Spaziergängen nicht die geringste Beachtung mehr findet, während sie früher auf Schritt und Tritt von vornehmen aus allen Gegenden des Reiches herbeieilenden Neugierigen bewundert und belästigt wurde. So tief sind diese Mächtigen gesunken, daß selbst das englische Flunkeythum ihre Spur verloren hat. Wohl ist die Weltgeschichte das Weltgericht! -- Die gestrigen Debatten in beiden Parlamentshäusern waren freilich nur Parteimanöver, zur gegenseitigen Vervollständigung und Unterstützung bestimmt; aber sie geben doch vieles zu bedenken, und erscheinen dem unparteiischen Beobachter als bedeutungsvolle Zeichen der Zeit. Jm Unterhause gab die auf der Tagesordnung stehende zweite Lesung der Armeereformbill das Zeichen zu der lang erwarteten und vielfach vor - bereiteten Debatte. Drei verschiedene, aber in ihrer Feindseligkeit gegen die Regierungsvorlage zusammentreffende, Amendements sind im Felde. Der Oberst Lindsay handelt als Vertreter der Militär = Aristokratie, welche durch die Cardwell'sche Bill ihre Privilegien in wesentlichen Punkten ver - letzt sieht, indem er verlangt daß das System des Officiersstellenkaufes beibehalten werde, da die nothwendigen Ausgaben für die Landesverthei - digung und die anderen Anforderungen an den Staatsschatz gegenwärtig den Aufwand von 8 oder 10 Millionen Pf. St., welchen die Abschaffung nöthig machen würde, nicht gestatten. Lord Elcho, der aus früherer Zeit bekannte Adullamit, welcher sich viel mit der Soldatenspielerei der Freiwilligencorps beschäftigt und durch seinen Eifer für die jährlichen Schützenfeste sich den Beinamen des Wellington von Wimbledon erwor - ben hat, kleidet seine Opposition in allgemeinere und verfänglichere Worte indem er das Haus auffordert zu erklären: daß der Regierungsplan, ob - gleich er der Nation neue und permanente Lasten auflege, nicht im Stande sei das militärische System auf eine gesunde ökonomische und dauernde Grund - lage zu stellen. Beide Amendements laufen nicht nur auf dasselbe hinaus, sondern sie sind auch darauf berechnet durch Betonung des Ausgabenpunktes die Stimmen der unabhängigen Liberalen zu fangen. Diese sind gegen jede Armeereformdie eine Erhöhung des Budgets bedingt, und haben in diesem Sinn ein eigenes Amendement durch Hrn. Mundella einbringen lassen, um ihre Zu - stimmung zur Aufhebung des Stellenkaufes zu erklären, aber zugleich ihre Ueberzeugung auszusprechen daß die Armee wirksam reformirt werden könnte ohne die Budgetsumme des vergangenen Jahres zu überschreiten. Die Debatte, welche vertagt wurde, beschränkte sich gestern auf den von Oberst Lindsay vertheidigten Stellenkauf, also auf einen verlorenen Posten; aber sie wird am nächsten Donnerstag lebendiger und interessanter werden. -- Die Toryopposition hält es offenbar für möglich die Armeereformbill von allem liberalen Beiwerk zu säubern, oder die ganze Vorlage mit dem dafür verantwortlichen Ministerium zu beseitigen, und ruft zu diesem Zwecke die auswärtige Politik zu Hülfe. Jm Oberhause lenkte der Marquis v. Sa - lisbury die Aufmerksamkeit des Hauses auf die Vertragspflichten, welche England übernommen, und auf die militärischen Ressourcen die es besitze, um sie zu erfüllen. Der Mittelpunkt seiner Rede war jedoch die in diesen Räumen gewiß noch nie unternommene Beweisführung daß sich England in vollem Verfall befinde, und die ihm vom Moniteur de Versailles zu - erkannte rôle d'effacement mit beklagenswerther Naturwahrheit spiele. Es gebe nur noch drei Großmächte: Preußen, Rußland und Amerika, welche England verachteten, und ihre Verachtung unzweideutig zu erkennen gegeben haben. Preußen habe eben einen Vertrag geschlossen ohne die geringste Rück - sicht auf unsere Meinung zu nehmen; Rußland habe einen Vertrag zerrissen den England in glücklicheren Zeiten ihm aufgenöthigt, und Amerika habe offi - ciell empfangen und gefeiert die fenischen Verurtheilten die wir als Verbrecher ausgestoßen. England habe die Jntegrität von Portugal, Griechenland Türkei, Belgien und Schweden garantirt, aber es befinde sich physisch und moralisch außer Stande im Falle der Noth seine Garantien zu er - füllen, denn es habe sein Ansehen und seine Macht verloren. Man denke sich: die décadence des englischen Reiches als Gegenstand einer ernsthaftenDebatte im Hause der Lords und den Vertreter der Regierung, Lord Gran - ville, wie er alles aufbietet um Jhre Lordschaften mit der Versicherung zu trösten daß England gar nicht so tief gefallen sei als es den Anschein habe, daß es auch nicht so allgemein verachtet werde, und daß das effacement ein Mißverständniß gewesen das den Grafen Bismarck zur Einführung einer strengen Censur veranlaßt habe! Es muß weit gekommen sein wenn solche Debatten im brittischen Senat stattfinden können. -- Jm Unter - haus erregte Hr. Disraeli nicht geringe Sensation, indem er ankündigte daß er heute Hrn. Gladstone fragen werde: ob Jhrer Majestät Regierung wisse daß im vergangenen Jahr ein auf den deutsch = französischen Krieg bezüglicher Vertrag zwischen Rußland und Preußen geschlossen worden sei. Er selbst hat also etwas läuten gehört, und scheint um so schmerz - licher berührt zu sein, als eine Allianz zwischen England und Rußland schon lange den Anfang und das Ende seiner politischen Weisheit bildet. -- Eine neue Verschiebung des wankenden Cabinets ist durch den lange vor - ausgesehenen Rücktritt des ersten Lords der Admiralität, Hrn. Childers, nöthig geworden. Hr. Göschen wird Marineminister, während Hr. Stans - feld das Ministerium der Armenpflege übernimmt. Beide sind ohne Zweifel tüchtige Administratoren, und würden in anderen Verwaltungszweigen ganz an ihrem Platze sein. Hr. Stansfeld bestand seine administrativen Lehrjahre im Marineministerium; daher wird er zum Präsidenten der Armenpflegcommission gemacht. Hr. Göschen, der feingebildete Cityman, hat wohl kaum je ein Kriegsschiff gesehen, gewiß ist es daß er ohne alle Erfahrung in der Marineverwaltung ist; daher wird er als erster Lord an die Spitze der Admiralität gestellt!

Frankreich.

* Zu dem Bericht über die Sitzung der Nationalversammlung vom 3 d. ist folgendes nachzutragen. Henri Martin: Jch bitte die Versamm - lung sich in der Trauer über das Elsaß durch einen einstimmigen Beschluß des Schmerzes und Bedauerns im Namen von ganz Frankreich zu einigen (ja, ja!). Gestatten Sie mir jetzt auf das Schreiben zurückzukommen durch welches die Abgeordneten des Elsaßes einen Entschluß kundgethan haben auf welchen sie verzichten zu sehen wir so glücklich sein werden. Jndem sie anzeigten daß sie nicht mehr im Schooße der Versammlung sitzen würden, haben sie nicht verzichtet auf das Mandat das sie von französischen Bürgern welche die Gewalt heute von uns trennt erhalten haben. Jch beantrage daß Sie constatiren daß sie noch immer die Deputirten nicht nur dieser ihrer Mitbürger, sondern von ganz Frankreich sind, da ja die durch diesen oder jenen Theil von Frankreich gewählten Abgeordneten nicht nur die Gruppe französischer Bürger welche sie gewählt hat, sondern die französische Nation in ihrer Gesammtheit vertreten. Diese Wahrheit heute zu constatiren ist wichtig, und ich beschwöre Sie dieselbe mit mir zu con - statiren. (Sehr gut, sehr gut!)

Die Sitzung vom 4. wurde um halb 3 Uhr Nachmittags eröffnet. Nach Verlesung des Protokolls beantragt Hr. Martin den von ihm vorgeschlage - nen Dank gegen das Schweizer Volk auch auf die englische und die belgische Bevölkerung auszudehnen, und schlägt folgende Fassung vor: Die Na - tionalversammlung Namens ganz Frankreichs gibt ihrer Dankbarkeit ge - gen die Bevölkerungen der Schweiz, Belgiens und Englands Ausdruck. (Nein! nein! ) Einige verlangen die Ueberweisung des Antrags an die Commission. Der Präsident verliest: Clément Laurier (Freund Gam - betta 's) an den Hrn. Präsidenten der Nationalversammlung. Hr. Präsi - dent! Aus eingezogenen Erkundigungen ergibt sich daß die im Departe - ment Var und im Lager von Ollioules ausgebrochenen Unruhen die Vernichtung einer Anzahl von Stimmzetteln zur Folge gehabt ha - ben. Angesichts der schwachen Mehrheit die ich für mich habe, glaube ich meine Entlassung geben zu sollen. Jch behalte mir die Ehre vor mich vor dem allgemeinen Stimmrecht zu stellen. Jch gebe Jhnen, Hr. Präsident, den Ausdruck meiner Hochachtung. Clémenceau. Jm Namen der Mitglieder des Positivisten = Clubs in Paris ... Zahlreiche Stimmen: Was ist das? Clémenceau: Die Mitglieder des Positi - visten = Clubs verlangen daß Corsica nicht mehr Theil nehme an der französi - schen Republik. Baze (Quästor) beantragt die Petition mit Rücksicht auf die Eigenschaft der Gesuchsteller zurückzuweisen. Der Antragsteller verlangt die Ueberweisung an den Petitionsausschuß; eine Stimme ruft: Tages - ordnung. Millière will die Petition an den Ausschuß verwiesen und ordnungsmäßig behandelt haben. Für mich ist es klar daß, wenn es sich um eine Petition des Jockey = Club handelte, dieselbe durch die Kammer zu - gelassen würde. Die Linke: Ja, ja. Präsident: Die Versammlung muß wissen unter welcher Form ihr die Petition präsentirt wird. Sie trägt drei Unterschriften im Namen des Club Positiviste. Die Geschäfts - ordnung besagt daß die Petitionen geschrieben und unterzeichnet sein müssen, sie können auf den Tisch des Hauses niedergelegt werden, und nicht aber angenommen werden, wenn sie von einer Versammlung ausgehen die auf der öffentlichen Straße abgehalten worden. Tolain (Pariser Arbeiter, von der internationalen Arbeiter = Gesellschaft): Es ist unglaub - lich daß die Versammlung sich so lange bei einem so kindischen Zwischen - fall aufhält. (Lärm. Die Tagesordnung! ) Baze will sprechen. Man versteht ihn nicht. Der Marquis de Castellane verlangt daß alle Prä - fecten welche von der Delegation von Bordeaux ernannt worden sind ab -1162gesetzt werden. Der Minister des Jnnern Picard erklärt daß die Ver - waltung bei der Ersetzung der Präfecten keineswegs alle in Betracht ziehen werde welche diese ernannt habe. Die Regierung sei bereit die Jnstruc - tionen der Versammlung zu befolgen, aber nur in den Fragen wo es gut sei dieß zu thun. Debelcastel stellt den Antrag demzufolge den Loth - ringern und Elsäßern welche Franzosen bleiben wollen, 100,000 Hektaren Land in Algerien zur Verfügung gestellt werden. Der Antrag wird an die Commission parlamentarischer Jnitiative verwiesen. Cochery (Ka - tholik) trägt seinen Bericht über die Frage betreffs der Nichtwählbarkeit der Präfecten vor. Dieser Bericht ist sehr hart für die Minister der Dele - gation in Bordeaux und für Hrn. Ranc, Director der allgemeinen Polizei. Dieser hatte die Veröffentlichung des durch die Pariser Regierung er - lassenen Wahldecrets verboten. Als die Pariser Decrete auf diese Schwie - rigkeiten in ihrer Ausführung stießen, veröffentlichte die Pariser Amts - zeitung eine Note, welche behauptete: die Regierung hat zu Bordeaux das auf den Waffenstillstand und das auf die Wahl der Präfecten bezügliche Decret ausführen lassen .. (Bewegung), aber erst Tags darauf kam in Paris ein Abgesandter von Jules Simon an der diese Nachricht bestätigen konnte. Es wird sodann ein neues Decret der Delegation veröffentlicht, zu gleicher Zeit reisen Pelletan und Em. Arago nach Bordeaux, um es aus - führen zu lassen. Zu Vierzon begegnen sie Crémieux, der nach Paris gieng um die Regierung zur Ansicht der Delegation in Bordeaux zu be - wegen. Er reist jedoch mit seinen Collegen zurück, und nun erst hört jeder Widerstand gegen das Pariser Decret auf als Arago das Ministerium des Jnnern übernommen hatte. Man veröffentlicht das Decret welches die Ausschließung der Präfecten im Namen der Wahlfreiheit ausspricht. Dieses neue Decret ist gezeichnet: Garnier Pagès und Consorten. (Lärm. ) Das letzte Decret der Regierung ist erlassen am 4 und veröffentlicht am 6 in Bordeaux, dasselbe erklärt alle ihm entgegenstehenden Verfügungen für ungültig. Der Berichterstatter schlägt vor daß die Nichtwählbarkeit eines Präfecten aufzuhören habe wenn er acht Tage vor den Wahlen seine Ent - lassung nehme. Als Gründe für die Nichtwählbarkeit der Präfecten an sich führt er an daß sich der Präfect leicht seines Einflusses und seiner Macht bedienen könne um seine Wahl durchzubringen, es verlange also gerade das Princip der Wahlfreiheit die Ausschließung der Präfecten. Langlois (Paris) protestirt energisch gegen den Ton des Berichts und die Angriffe gegen Gambetta welche in demselben enthalten sind. Ein anderer Deputirter verlangt über die Wahlfrage zu sprechen, und benutzt dieß dazu um zu verlangen daß die Mitglieder der Delegation von Bor - deaux in Anklagestand versetzt werden. (Ausrufe, Sturm. ) Jules Simon: Jch wurde in dem Bericht des Hrn. Cochery erwähnt. Wenn ich über meine Mission in Bordeaux zu berichten hätte, so würde ich es nicht in den Aus - drücken gethan haben wie der Berichterstatter. Was den Antrag anbelangt welcher so eben gestellt wurde, so bitte ich die Versammlung alle Maßregeln zu ergreifen um den Frieden im Lande herzustellen und heftige Proposi - tionen zu beseitigen. Präsident bemerkt daß man ihn in Betreff des Antrags über die Versetzung der Delegation in Anklagestand getäuscht habe; er habe nur das Wort ertheilt um über die Wahlen zu sprechen. Die Sitzung wird alsdann aufgehoben. Nächste Sitzung am Montag. -- Vormittags war folgende Depesche im Bureau der Versammlung ein - gelangt: Paris, 4 März, 1 Uhr Nachts. Senden Sie mir sofort eine Division wenn Sie dieselbe zur Hand haben. Man bespricht laut den Aufstand in den Vierteln von Belleville, Montmartre und la Villette. General Vinoy.

Am nächsten Dienstag kommt vor dem Kriegsgericht in Lyon der Proceß wegen der Pöbelhinrichtung des Commandanten der Nationalgarde Arnaud endlich zur Verhandlung; 14 Republicaner sind wegen Auf - reizung zum Bürgerkriege, drei wegen Belobung einer durch das Gesetz als Verbrechen qualificirten Handlung, einer noch wegen Verwundung eines Agenten bei Ausübung seines Amtes, deßgleichen eine Frau wegen Belei - digung gegen einen Agenten, ferner eilf wegen Ermordung Arnauds, acht - zehn als Mitschuldige bei dem Morde, endlich noch einer wegen Beleidigung eines Agenten angeklagt; fünf Betheiligte sind flüchtig. Ueber dreihun - dert Zeugen sind geladen. Die Verhandlungen werden, wie man ver - muthet, sehr langwierig werden.

sym19 Tours, 3 März. Wer die Franzosen vor wenigen Tagen gesehen hätte, wo sie wegen des Friedens zwischen Fürchten und Hoffen schwebten, und wer sie gestern beobachtete, nachdem die Depesche aus Bordeaux ange - kommen war daß die Präliminarien durch die Nationalversammlung ge - nehmigt seien! Wie demüthig, wie still, wie geduckt waren sie damals! Zitternd vor Erwartung sahen sie jeder Nachricht aus Versailles entgegen; die Schwierigkeiten welche sich im Schooße der Verhandelnden erhoben hatten, die Gefahr welche einen Tag lang den Wiederausbruch des Krieges befürchten ließ, hatten sich ihnen gleichsam instinctmäßig mitgetheilt; die Angst malte sich auf allen Zügen. Friede, Friede um jeden Preis! war da das Losungswort -- um Elsaß, Lothringen, um Milliarden, um alles was die Deutschen fordern -- nur Friede! Und wie hier in Tours, wo ich das zu beachten Gelegenheit hatte, so auch in Bordeaux, wie ich aus dem Privatbrief eines Deputirten entnommen. Dort war die Verwirrung, die Entmuthigung aufs höchste gestiegen als Thiers nicht zu der angesetzten Stunde ankam. Was war geschehen? Alles glaubte, fürchtete man; nurden wahren Sachverhalt nahm man nicht an: daß die verzögerte Ankunft des Bevollmächtigten durch eine Unregelmäßigkeit der Bahn herbeigeführt worden war. Jch habe einige Details darüber. Der Sonderzug welcher die HH. Thiers, Picard und die Commission der Fünfzehn von Paris nach Bordeaux zurückbringen sollte, war am Dienstag dem 28 Februar 5 Uhr 5 Minuten auf dem Bahnhof in Poitiers angekommen. Jm Augenblick wo der Zug einfuhr erhielt der Bahnhofschef eine Depesche, die ihm an - kündigte daß die zwei Stränge in Vivonne verfahren seien, und zwar in Folge des Zusammenstoßes und der Entgleisung zweier Güterzüge; um die Circulation wiederherzustellen bedürfe es wohl einiger Stunden. Dieser Unfall nöthigte den Chef der Executivgewalt und die ihn begleiten - den Mitglieder der Nationalversammlung in Poitiers länger zu bleiben als nach der Wichtigkeit der Tragweite, die sich gerade in diesem Augen - blick an ihre Reise knüpfte, zu wünschen gewesen wäre. Um halb 9 Uhr Morgens war die Bahn vollständig frei; der Zug nach Bordeaux gieng ab, und kam dort gegen halb 2 Uhr an. Hr. Thiers schien außerordentlich ermüdet, aber er hielt sich durch seine ungewöhnliche Lebhaftigkeit aufrecht. Das Ergebniß der Versammlung ist bekannt. Wie groß sind aber nun die Franzosen wieder! Wie stolz heben sie das Haupt, wie prächtig klap - pern wieder die Phrasen! Wie furchtbar sind die Bedingungen! Nun sind sie die Sieger, und fragen uns, die Besiegten, in stolzem Tone: wann wir denn endlich unsere Sachen packen und wie lange wir denn ihre Groß - muth noch mißbrauchen wollen? Zum Belege dafür einige Stimmen aus den angesehensten Blättern der Touraine -- nur Blätter die wegen ihrer ruhigen gemäßigten Haltung sehr geschätzt sind. Wir kennen jetzt die Tragweite der Opfer welche wir bringen, die Summe der Schmerzen welche wir über uns ergehen lassen müssen, um diesem Ver - nichtungskrieg, der unser unglückliches Land erschöpft hat, ein Ende zu machen; wir haben hier nicht nöthig die grausamen Anforderungen zu denen man uns verurtheilt hat eines weitern auseinander zu setzen. Die Klage wäre von Seite Frankreichs wie ein Appell an das Mitleid, und das verbietet uns die Würde und der Glaube an die Gerechtigkeit, und jene Ausgleichungen welche die Zukunft bringt. Wenn es sich nur darum gehandelt hätte mit Geld das Ende eines thörichter Weise begonnenen Kampfes zu erkaufen, eines Kampfes welchen die Entmuthigung, die Demoralisation zu einem ungleichen gemacht haben, so würden wir nich - einen Augenblick gezögert haben, wir würden ungeachtet unseres Elends und unseres Unglücks die geforderten Milliarden hingegeben haben, aber Frankreich könnte nur mit tief zerrissenem Herzen daran denken daß man ihm ein Stück von sich selbst entreißen wird, indem man das Elsaß, diese edle und muthige Bevölkerung, von ihm trennt, das Land wel - ches ihm durch unlösbare Bande gehört, durch eine Vereinigung welche mehr als ein Jahrhundert umfaßt, und einen Patriotismus der durch die Gemeinsamkeit des Ruhmes wie des Unglücks gekittet worden ist. Wenn diese Trennung, deren bloßer Gedanke uns das Herz bricht, für alle Zukunft eine Quelle tiefsten Schmerzes sein wird, so wird sie für diejenigen welche die Unklugheit begangen haben sie uns auf - zuerlegen die Gefahr der Zukunft sein. Jndem man uns aufreizt, gibt man unbesonnener Weise unserm nationalen Ehrgeiz ein bestimmtes Ziel, gleich - sam eine bestimmte Jdee, an deren Verwirklichung sowohl alle unsere Wil - lenskräfte als unsere Anstrengungen unverrückt festhalten werden, die un - sere Kräfte verdoppeln wird, indem sie ganz strict den Punkt bezeichnet gegen welchen sie sich richten müssen. Preußen wird es bereuen wenn es von dem Rausche des Augenblickes zurückgekommen sein wird. Europa wird einst sehen was es gethan hat, indem es durch einen unverzeihlichen Egoismus und eine feige Verzagtheit unbegreiflicher Weise dazu die Hand geliehen hat. Aber lassen wir das, die Zeit wird ihr Werk vollbringen, und allen ihre Lehren und ihre Züchtigungen zutheil werden lassen. Geben wir uns ganz dem Schmerz der Gegenwart hin, aber denken wir auch an die Zukunft, stärken wir den Glauben welcher den Muth gibt, und die Hoffnung welche die Kräfte verdoppelt. Ein anderer Artikel schließt mit den Worten: Suchen wir von den harten Lehren welche die Ereignisse uns geben Nutzen zu ziehen; haben wir den Muth uns zu sagen daß, wenn wir auch schwer getroffen, wir nicht ohne Schuld waren. Erheben wir uns von unserem moralischen Verfall welcher die erste Ursache unseres natio - nalen war. Machen wir Front gegen den Luxus, gegen diese Verderb - niß, welche uns so viel Unheil zugefügt hat. Regeneriren wir uns durch die Arbeit, durch ehrenhafte Grundsätze im öffentlichen wie im Pri - vatleben, durch Einfachheit und Strenge der Sitten, und wir werden uns stärker, größer als jemals finden, und dann wird die Stunde der Wieder - auferstehung, aber auch der Vergeltung, für uns schlagen. Einen Schritt scheinen die Franzosen zu ihrer Regeneration thun zu wollen allerdings einen sehr wichtigen, der das Uebel an der Wurzel anfaßt: sie wollen sich von Paris emancipiren, sie wollen namentlich die bedeutendsten wissenschaft - lichen Anstalten, wie die Ecole normale, die polytechnische Schule, von1163Paris hinweg verlegt haben, aber auch die gesetzgebende Versammlung soll nicht mehr ihren Sitz in Paris haben, überhaupt keine Repräsentantenver - sammlung. Die Petition daß die Assemblée Nationale nicht nach Paris verlegt werden soll, hat bereits von den Deputirten 300 Unterschriften er - halten. Denn nur so können wir dem Einfluß eines Haufens Unzufrie - dener, der sich anmaßt Frankreich beherrschen zu wollen, uns entziehen, sagte mir jüngst eine wichtige politische Persönlichkeit, wir sind der Herrschaft von Paris satt, diese Stadt ist zu verdorben als daß sie das ganze Frank - reich beeinflussen sollte, die Provinz steht jetzt fest zusammen um die Supre - matie der Stadt Paris zu brechen, wir wollen aus der Revolution heraus - kommen.

Bordeaux, 2 März. Die Kammermehrheit, um im Jnteresse ihrer politischen Laufbahn und Zukunft ihr Votum zu beschönigen und ihre Verantwortlichkeit zu fälschen, ließ sich auf der Tribüne durch keinen einzigen Redner vertreten, dessen Aufgabe es gewesen wäre dem Votum der Friedenspräliminarien das Siegel einer rechtschaffenen aufrichtigen Zustimmung beizudrücken. Die Reden für die Fortsetzung des Kriegs waren ein reines Parteimanöver; denn die Evidenz der militärischen Anar - chie und Unmacht, wie sie von Thiers dargestellt wurde, beherrschte alle Ueberzeugungen. Sämmtliche Reden ohne Ausnahme bezweckten die Prä - liminarien als einen unsittlichen Mißbrauch der Gewalt, den Vertrag als einen Gewaltact hinzustellen, für welchen keine sittliche Sanction denkbar sei, und dessen Gültigkeit den Zeitpunkt nicht überdauern könne wo Frank - reich sich wieder in der Lage befinde jenen Mißbrauch der Gewalt nicht erdulden zu müssen. So sprach Hr. Vacherot, welcher im Namen einer Gruppe von Republicanern den Frieden empfahl; so sprach auch Hr. Buffet, welcher anmeldete daß die Abgeordneten der Vogesen für den Krieg nicht stimmen können, für den Frieden nicht stimmen wollen; so sprach Hr. Keller, welcher der Mehrheit den Vertrag als eine von ihr beabsichtigte Lüge ins Gesicht schleuderte; so sprachen E. Quinet und Louis Blanc, die Geschicht - schreiber; so sprach Victor Hugo für Paris; so sprach endlich auch Thiers, indem er für die Annahme ausschließlich militärische Zwangsgründe und weiter die zu bewahrenden Hülfsquellen einer nahen Zukunft anführte. Die Mehrheit schloß sich jenen Auslassungen und jener Auffassung durch ihren Beifall, durch Ausrufungen und Unterbrechungen, durch ihr berech - netes Schweigen an. Da man das Votum jedes sittlichen Werthes ent - kleidet, die eigene Unterschrift discreditirt zu haben meinte, bestand auch der Gegensatz zwischen denen welche für den Frieden ihre Stimmen ein - setzten, und denen welche dagegen stimmten, kaum mehr. So blieb die Zahl der letzteren unter hundert, wenn man die Elsäßer und Lothringer abzieht. Die Mehrheit erleichterte sich ihre Verantwortlichkeit indem sie Revanche auf die Rückseite der Stimmzettel schrieb, und neben ihre Unter - schriften den stillen Gewissensvorbehalt einer Ungültigkeitserklärung setzte. Sie demonstrirte diesen Hintergedanken vollends als sie die Abge - ordneten des Elsaßes und des Mosel = Departements auch nach der Annahme der Präliminarien zurückhalten wollte. Die Gruppe der unversöhnlichen Elsäßer ist ihres baldigen Wiedereintritts in die Kammer sicher, da sie ihrer Erwählung bei den vielfachen Ergänzungswahlen sicher ist. Gemein - schaftliche Sache machen mit ihr die Generale Chanzy, Loisel und Billot, welche für die Fortsetzung des Kriegs gestimmt haben. Der General Loisel, dem die Vertheidigung von Havre anvertraut wurde, ist der Camerad des Generals Faidherbe, welcher sein Abgeordnetenmandat gröblich an die Nationalversammlung zurückgeschickt hat. -- Einen andern Fehler begieng gestern die Mehrheit indem sie einer revolutionären Aufwallung nicht zu widerstehen vermochte. So müssen wir die stürmische Einstimmigkeit be - zeichnen womit der Mann von Sedan verurtheilt und sammt seiner Familie aus der Geschichte Frankreichs gestrichen wurde. Und diese Hinrichtung war bloß eine in die Debatte eingeflochtene Episode, welche kaum eine Stunde beanspruchte! Jm Vergleich mit diesem parlamentarischen Act der Volksjustiz ist die Abdankungskomödie von Fontainebleau fast ein Trauerspiel! Der schöne Zorn des Hrn. Thiers und die Frechheit der Cor - sen haben die Empörung der Mehrheit veranlaßt, welche heute schon be - greift daß dergleichen Auftritte die monarchischen Restaurationsaussichten nicht begünstigen. Ueberdieß hat Hr. Picard die Beamten des Ministe - riums des Jnnern bereits nach Paris zurückgeschickt, und Thiers sagte mehreren Abgeordneten: daß gewisse Finanzfragen nur auf dem Pariser Geldmarkte behandelt werden können. Man ist entschlossen Rente wohlfeil zu geben. Englische und holländische Häuser bewerben sich darum; die Zahlung der 500 Millionen, der ersten zwei Milliarden wird mit einer er - staunlichen Raschheit erfolgen. Auch wird berechnet daß -- zu günstigen Bedingungen -- die Masse der französischen Capitalisten die schwindelhafte Unterzeichnung früherer Emissionen dießmal aus Patriotismus wieder - holen wird.

Jtalien.

sym7 Florenz, 7 März. Der Papst mag von den Garantien nichts missen welche ihm die italienische Regierung gewähren will. Die altelateinische Weisheit meinte: Beneficia non obtruduntur. Aber so denkt nicht die moderne italienische Politik, welche es vielmehr gar gescheidt fin - det den Papst gegen dessen eigenes Verlangen mit Prärogativen und Jmmunitäten auszustatten, wie sie kein anderer moderner Staat mit sei - nem öffentlichen Recht und seiner Sicherheit vereinbar fände. Der größere Theil der italienischen Politiker, welche dem Garantiegesetz ihre Genehmi - gung ertheilen, sieht nur die Gefahren einer Einmischung des Auslandes zu Gunsten des Papstes. Jn ihren Augen hat das Gesetz den Zweck dem Ausland jeden Vorwand zu einer Jntervention zu benehmen; über diesem Zweck übersieht man die Bedenklichkeit des Mittels, beachtet man nicht daß, um das Ausland zu entwaffnen, man den Papst unverwundbar macht. Die vom Ausland drohende Gefahr, weil sie die Gestalt von so und so viel Mann Soldaten, von so und so viel Kanonen und Mitrailleu - sen trägt, wird gefürchtet. Das Uebel welches ein den Gesetzen des Lan - des nicht unterworfener Papst thun kann wird gering geschätzt; denn es läßt sich nicht zählen wie eine Armee, nicht tasten wie eine Batterie. Wenn nur die Franzosen und Oesterreicher, die Belgier und die Bayern uns in Ruhe und Frieden lassen, mit dem Papste wollen wir schon fertig werden, denken diese politischen Leute, und meinen wunder wie pfiffig zu sein wenn sie mehr Respect haben vor dem kleinsten katholischen Staat jenseits der Berge als vor der geistigen Macht des Feindes im eigenen Lande. -- Die Kammer hat gestern die Berathung des Gesetzentwurfs begonnen welcher den mit Oesterreich abgeschlossenen finanziellen Conventionen die parlamenta - rische Genehmigung ertheilt. Ein Oppositionsredner warf der Regierung vor bei den mit Oesterreich gepflogenen Verhandlungen das finanzielle Jnteresse des Staats politischen Erwägungen geopfert zu haben. Der Minister Vis - conti gab die Sache zu, nur, meinte er, verdiene die Regierung keinen Tadel, wenn sie ein möglichst gutes Verhältniß zu Oesterreich herzustellen suche. -- Die Declamationen der italienischen Blätter über die Grausamkeit der Frank - reich auferlegten Friedensbedingungen sind bemerkenswerth kurz, und mei - stentheils auch sehr zahm ausgefallen. Nur die Perseveranza hat die Ge - legenheit nicht vorübergehen lassen mögen nochmals darauf hinzuweisen auf wie viel edlere Weise die italienische Einheit zu Stande gekommen ist als die deutsche. Wir haben aus unserer Einigung keine Speculation ge - macht, ruft sie mit stolzer Genugthuung aus. Jm übrigen entdeckt jetzt Tag für Tag ein anderes italienisches Blatt daß es nicht angemessen sei auf Deutschland zu schmähen, und selbst die Perseveranza glaubt das Geständniß machen zu sollen daß die deutsche Sache innerhalb der ver - schiedenen italienischen Parteien mehr Freunde gefunden habe als Frank - reich. Auch erhebt das Mailänder Blatt nicht länger den Anspruch daß seine abfälligen Urtheile über Deutschland unparteiische Richtersprüche ge - wesen seien, sondern es gibt endlich zu daß es gesprochen habe aus Vor - liebe für Frankreich, und nach seiner Ansicht von den Jnteressen Jtaliens. -- Die Opinione überraschte vorgestern ihre Leser durch die Nachricht daß Jtalien nahe daran sei den Bey von Tunis mit Krieg zu überziehen. Nachdem der von dem Bey an das florentinische Cabinet abgesandte Un - terhändler, der General Hussein, erklärt hatte: daß er sich nicht ermächtigt halte die für die Beilegung des ausgebrochenen Conflicts von der italieni - schen Regierung gestellten Bedingungen anzunehmen, gewährte ihm Hr. Visconti = Venosta eine Frist von acht Tagen zur Einholung der Jnstruc - tionen seines Souveräns. Diese Frist, so belehrte uns das ministerielle Organ vom 5 d., läuft heut Abends ab, und, versicherte es, falls nicht eine annehmende Antwort eintrifft, wird einem Theil des italienischen Ge - schwaders Befehl gegeben werden nach Tunis abzusegeln. Wie man sieht, die Sache war ernsthaft. Man muß nur beklagen daß der Ursprung des Streits völlig im Dunkeln geblieben ist, und daß kein Unbefangener sich ein Urtheil zu bilden vermocht hat ob das Unrecht der tunisischen Re - gierung auch wirklich so über allen Zweifel erhaben und über alle Maßen groß ist wie es zahlreiche von Tunis aus an die italienischen Zeitungen geschickte Correspondenzen darstellen. Diese Correspondenzen be - haupten mit bemerkenswerther Einstimmigkeit daß die tunisischen Behörden den italienischen landwirthschaftlichen Unternehmungen, trotz des Vertrags welcher die legale Existenz dieser letzteren festgestellt habe, Störungen und Hindernisse aller Art bereiteten. Welcher Art diese Störungen und Hinder - nisse sind, darüber haben die Correspondenzen nur ungenügendes Licht ver - breitet, und vollends haben sie vergessen den Umfang des den italienischen Unternehmern bereiteten Schadens nachzuweisen. Und doch hat die ita - lienische Nation wohl das Recht darüber aufgeklärt zu werden ob sie we - gen eines Schadens von 1000 oder 100,000 oder einiger Millionen Lire gegen den Bey von Tunis Krieg führen soll. Leute welche einige Erfah - rung haben bezüglich solcher Conflicte zwischen europäischer Gerechtigkeit und orientalischer Willkür, wagen die Hypothese aufzustellen daß jene land - wirthschaftlichen Unternehmungen italienischer Culturträger vielleicht nicht sowohl den Zweck haben afrikanische Wüsten in fruchtbare Gelände umzu - schaffen, als vielmehr sich durch muselmanischen Despotismus stören und1164beeinträchtigen zu lassen, und dann zu Gunsten der christlichen Cultur hohe Entschädigungen zu fordern. (Laut telegraphischer Nachricht ist die Sache beigelegt. ) -- Unvermögend Gesetze zu schaffen, hat die Kammer in diesen Tagen sich damit begnügen müssen zur strafrechtlichen Verfolgung von fünf -- sage fünf -- ihrer Mitglieder die verfassungsmäßige Einwilligung zu ertheilen. Außerdem hat sie eine Sitzung der Besprechung der von allen Seiten für nothwendig und dringlich erachteten Armeereform gewidmet. -- Die hier lebenden Deutschen beabsichtigen eine Friedensfeier zu ver - anstalten.

Rom. Ueber die Gründe welche die Aufsehen erregende Abreise des Grafen Arnim von Rom herbeigeführt hatten, will der hiesige Correspon - dent der Daily News folgendes wissen: Graf Arnim, der sich während seines langen Aufenhaltes in Rom mehr als einmal der klerikalen Partei sehr zugethan bewiesen hatte, wurde von dieser sehr hoch geschätzt und aus - gezeichnet, da sie offenbar große Dinge von Preußen erwartete. Aber un - mittelbar nach dem Eintreffen der piemontesischen Prinzen und dem Besuche welchen Graf Arnim ihnen abstattete, war es mit der Freundschaft zu Ende. Der Erzbischof von Posen wurde angewiesen vom König Wilhelm die Ab - berufung seines römischen Gesandten zu verlangen, und die bevorstehende Abreise dieses Diplomaten wurde in den klerikalen Kreisen bereits ange - kündigt und besprochen, ehe er selber etwas davon wußte. Antonelli und seine Freunde sind jetzt vor Vergnügen ganz berauscht, sie glauben einen großen Sieg errungen zu haben; in Wirklichkeit aber haben sie nur die Anerkennung der Occupation Roms von Seiten Preußens beschleunigt. Graf Arnim wird erst einen definitiven Nachfolger erhalten wenn die Hauptstadt Jtaliens definitiv nach Rom verlegt worden ist, und zwar in der Person des jeweiligen preußischen Diplomaten welcher das Berliner Cabinet am Hofe Victor Emmanuels vertritt. Wenn Cardinal Antonelli übrigens Bischöfe und Monsignori nach allen Höfen zu schicken gedenkt, deren Vertreter den italienischen Prinzen Besuch gemacht haben, dann hat er viel zu thun. Erst am 27 Febr., mitten in der Fastenzeit, war der größere Theil des diplomatischen Corps der Einladung der Prinzessin Margherita gefolgt, und trug als Zeichen der Höflichkeit für die Prinzen den Stern vom h. Mauritius und h. Lazarus.

Rußland und Polen.

Der deutsch = französische Krieg hat auch der russischen Militärbehörde die Ueberzeugung von der völligen Unzulänglichkeit des bestehenden Festungsfortificationssystems aufgedrängt, und im Kriegsministerium wer - den bereits Berathungen darüber gehalten in welcher Weise und in wel - chem Umfang der als nothwendig erkannte Umbau der russischen Festun - gen zur Ausführung zu bringen sei. So viel verlautet, soll das neuere auf detaschirte Forts basirte Fortificationssystem zunächst bei den strate - gisch wichtigeren Gränzfestungen in Anwendung gebracht, und mit ihrem Umbau schon in nächster Zeit begonnen werden. Als diejenigen Festun - gen welche zuerst mit detaschirten Forts versehen werden sollen, werden Litthauisch = Brest, Demblin und Modlin bezeichnet. Bei diesen drei Festun - gen sind in den letzten Jahren sehr umfassende und kostspielige Fortifica - tionsbauten ausgeführt worden, die sich jetzt als unnöthig und überflüssig erwiesen haben. Die schon beim Ausbruch des deutsch = französischen Krie - ges in Rußland begonnenen kriegerischen Vorbereitungen werden mit unge - schwächtem Eifer fortgesetzt. Neuerdings ist vom Kriegsministerium der Befehl zur Bildung der vierten Bataillone ertheilt worden und hat die Aus - führung dieses Befehls bereits bei allen Regimentern -- auch im Königreich Polen -- begonnen. Die Abtheilungen für den Feldeisenbahn = und Telegraphendienst, sowie die Krankenträger = Compagnien sind schon organisirt. Die Mannschaften werden fleißig in ihren Dienstverrichtungen geübt und den Krankenträgern sogar Anweisungen zur Anlegung des ersten Verbandes, zur Stillung des Blutes und zur Wiederbelebung von Ohn - mächtigen gegeben. (Osts. = Ztg.)

Verschiedenes.

sym22 Stuttgart, 8 März. Der Glanzpunkt der gestrigen Friedens - festfeier war, nächst dem wirklich gelungenen geschmackvollen Festzug und der allgemein mit größter Anerkennung hervorgehobenen Festrede des Hrn. Oberbürgermeisters v. Sick, die Festvorstellung im königlichen Hof - theater, welche nach Beendigung des Gala = Dîners bei Hofe stattfand. Die officielle Welt erschien auch hierbei wieder, wie am Tage zuvor, in großer Uni - form, und JJ. MM. der König und die Königin wurden bei ihrem Eintritt in die große mittlere Hofloge mit den herzlichsten und lebhaftesten Zurufen em - pfangen, auch am Schlusse der Vorstellung, als das Heil dir ertönte und die ganze Versammlung sich abermals ehrerbietig erhob, in derselben Weise ge - feiert, wie überhaupt das ganze Fest das Gepräge einer in bester Harmoniezwischen Fürst und Volk vollzogenen Familienfeier trug. Die Vorstellung be - gann mit einer mit Schwung und Präcision vom Orchester unter Aberts Leitung ausgeführten Ouverture. Hierauf folgte das Festspiel Das Eiserne Kreuz von Ernst Wichert, an welches sich eine gelungene Skizze von Otto Girndt, Unter der Linde von Steinheim am Main, anschloß, worin angesichts des Mains die moralische Ueberbrückung desselben und die deutsche Einigkeit durch drei verwundete Krieger, einen preußischen Jnfanteristen, einen bayerischen Cürassier und einen württembergischen Jäger, sowie durch eine hessische Bäuerin, welche sie alle drei bewirthet, in schlichter herzlicher Weise illustrirt wird. Die gediegenste Pièce, von höherem poetischen Werth, ist unstreitig Aus dem Kriege zurück, dramatisches Gedicht von Karl Heigel, und zu den interessantesten Gruppirun - gen und Tableaux gab das zum Schlusse aufgeführte Festspiel Kaiser Rothbarts Erwachen die Gelegenheit, worin zuerst im Kyffhäuser Barbarossa mit seinen Rittern, seinem Zwerg und seinem Sänger Heinrich von Ofterdingen erschien, der, als er von letzterem die neue Wendung der Dinge in Deutschland vernom - men, und vom Zwerge gehört hatte daß die Raben nicht mehr um den Berg flie - gen, sondern den Adlern gewichen sind, aufwacht und zur Oberwelt zurückkehrt, worauf sich das Gewölbe im Hintergrund aufthut und zwei Berge erkennbar werden, der Hohenstaufen und der Hohenzollern, zwischen denen im Mittel - grund eine riesige deutsche Eiche sich erhebt, unter deren Schatten sich Barbarossa nun niederläßt, und an welcher die Genien der deutschen Einigkeit, des Sieges und des Friedens aufgestellt und alle deutschen Stämme und Stände malerisch gruppirt sind. Hieran nehmen sämmtliche Mitglieder der Oper sowie die an diesem Abend im Schauspiele Mitwirkenden theil, und die ersteren tragen den von Abert sehr wirksam componirten Deutschlands Triumphgesang vor, nachdem schon früher ein von Stark componirtes Deutsches Friedenslied vom Singchor vorgetragen worden war. Massenhaft strömten gestern und heute Fremde nach Stuttgart herein, und wenn -- was der Himmel verhüten wolle -- der drohende Regen keine Störung verursacht, so wird heute Abends der Schluß dieser vier Festtage, die Beleuchtung von Stuttgart, eine wahrhaft prachtvolle und feenhafte werden. -- So eben ist Prinz Wilhelm aus dem kaiserl. Haupt - quartier hier eingetroffen.

Neueste Posten.

London, 8 März. Ueber die Haltung Englands bei der Feststel - lung der Friedenspräliminarien liegen nähere Mittheilungen in der diplo - matischen Correspondenz zwischen Granville und Lyons vor, woraus fol - gendes hervorzuheben ist. Am 24 Febr. traf der neue französische Bot - schafter, Herzog v. Broglie, in London ein. Er besuchte sofort Granville, beklagte die kalte und gleichgültige Haltung Englands, und ersuchte Gran - ville im deutschen Hauptquartier Schritte zu thun zur Verlängerung des Waffenstillstandes und zur Verminderung der Kriegskosten, welche ursprüng - lich auf sechs Milliarden bemessen waren. Granville begab sich mit Broglie zur Königin, und hatte dann eine Berathung mit seinen Collegen. Bezüg - lich des Waffenstillstandes lehnte Granville ab; aber hinsichtlich der Ver - minderung der Kriegskosten sandte er noch am 24 Febr. ein Telegramm nach Versailles, worin er die Unmöglichkeit der Zahlung von sechs Mil - liarden ausführte, sowie seine guten Dienste anbot. Russell erhielt das Telegramm erst am 25 Febr., Abends um 11 Uhr, wo die Präliminarien bereits abgeschlossen waren. Jndessen war die entsprechende Mittheilung aus London seitens des Grafen Bernstorff dem Grafen Bismarck bereits am 25 Febr. Morgens zugegangen. (T. N.)

Lille, 7 März. General Faidherbe hat bei Gelegenheit der Ent - lassung des 23. Corps folgenden Tagsbefehl erlassen: Nationalgarden des Nordens, entlassen auf Befehl der Regierung, ich kann euch nicht auflösen ohne euch Lebewohl zu sagen. Jhr habt schwere durch die Ver - theidigung des Landes auferlegte Pflichten erfüllt. Jhr kehrt an euren Herd mit der Genugthuung der erfüllten Pflicht und geehrt von euren Landsleuten zurück. Jch habe oft eure Leiden beklagt, eure Hingebung bewundert, ich habe begriffen daß ihr das Element einer Elite = Armee seid, deren militärische Reorganisation stattfinden wird. Die öffentliche Meinung wird diejenigen strafen welche sich der patriotischen Pflicht ent - zogen haben, und wird sie an der Stirn mit einem ewigen Mal zeichnen. Jch danke den Officieren und den Soldaten für ihre Mitwirkung und ihren Muth. (T. N.)

St. Petersburg, 7 März. Der Kaiser Alexander ist vom Kaiser Wilhelm zum Chef des preußischen Garde = Grenadier = Regiments ernannt. Seinerseits hat Kaiser Alexander den Deutschen Kaiser zum Chef des alt - berühmten russischen Dragoner = Regiments der Kriegsorden (früher Cürassier = Regiment) und den Kronprinzen = Feldmarschall zum Chef des rus - sischen Leibgarde = Grenadier = Regiments König Friedrich Wilhelm III von Preußen ernannt. (T. N.)

Billiger Verkauf einer prachtvollen Besitzung in der Schweiz (Kanton Thurgau, in Uttweil, am Bodensee).

Durch Ortsveränderung, meines Berufes halber, bin ich gezwungen meine an der Poststraße von Romanshorn nach Constanz, zugleich an der in diesem Sommer zu eröffnenden Eisenbahn und am Bahnhof gelegene, in der Nähe einer Dampfschiffstation, mit Aussicht auf den Bodensee, befindliche Besitzung zu verkaufen. Dieselbe besteht aus einem 2 Stock hohen Wohnhaus, Villa ähnlich gebaut, mit großem und hohem gewölbten Keller, 10 Zimmern und einem Salon, wovon 5 Zimmer heizbar und mit Doppelfenstern versehen sind, Waschhaus, einer Scheune und Stallung, alles für sich, in einem parkähnlichen Garten, mit hohen Pappeln umgeben. Neben dem Hause 2 Juchart Reben, ganz in der Nähe ein Juchart Acker mit herrlichem Obstwuchs und eine 2 Juchart große Wiese, 7 Juchart Wald und Holzland, sowie ein Holzrecht. Das Haus eignet sich, seiner Lage und des außergewöhnlichen Kellers wegen, zu jedem Geschäftsbetrieb, es eignet sich aber auch der schönen Aussicht wegen als Herrschaftssitz für Rentier u. dgl., und wird auf Verlangen mit dem Garten allein oder mit wenigen Gütern abgegeben.

Das neue Mobiliar und ein Fortepiano ist im Ganzen oder einzeln billigst mit zu übernehmen. Genauester Kaufpreis für das Ganze Frcs. 45,000.

Anzahlung nach Uebereinkommen, Antritt beliebig.

Näheres beim Besitzer H. Dessort in Uttweil und unter gleicher Adresse in Wien, Babenberger = Straße Nr. 9. Note: [9095]

Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nr. 69.
Freitag, 10 März 1871. Verlag der J. G. Cotta 'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen.

Correspondenzen sind an die Redaction, Jnserate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adressiren. ANZEIGEN werden von der Expedition aufgenommen und der Raum einer dreigespaltenen Colonelzeile berechnet: im Hauptblatt mit 12 kr., in der Beilage, welcher das Montagsblatt gleich geachtet wird, mit 9 kr. ; ausserdem ist zu Ermöglichung der Selbstausrechnung des Insertionspreises durch den Tit. Auftraggeber und der Anhersendung des Betrags in Papiergeld und Briefmarken eine wortweise Berechnung eingeführt, bei welcher eine Anzeige (Aufschrift, Firma etc. durch fette Lettern ausgezeichnet) um baar und franco 4 kr. südd. (auch 7 Nkr. ö. W., 1 1 / 4 Ngr., 15 Cent) für jedes Wort oder Zahl in der Beilage Aufnahme findet: bezüglich der Collectivanzeige vid am Schluss der Beilage.

Uebersicht.

Sienesische Erinnerungen an Kaiser Friedrich III und Eleonore von Por - tugal. -- Der Einzug der Deutschen in Paris. -- Vom Münchener Hoftheater.

Neueste Posten. München: Trauergottesdienst. Verkauf von Mili - tärpferden. Kriegsgefangene. Prinz Luitpold. Die Lazarethe in Ver - sailles. Dementi. Die bayerischen Landwehrbataillone. Das Jsar = Thor. Zum Empfang der heimkehrenden Truppen. Frankfurt: Graf Bis - marck. Wien: Rumänische Verfassungsänderungen. Oesterreichische und preußische Botschaften in Berlin und Wien.

Telegraphische Berichte.

* Dresden, 9 März. Das Dresd. Journal meldet: Der Kron - prinz von Sachsen wird auf der Rückreise nächsten Sonnabend Mittags in Leipzig und Sonntag Mittags in Dresden eintreffen.

* Bordeaux, 8 März. Nationalversammlung. Tolain bean - tragt die Aufhebung der die Associationsfreiheit beschränkenden Gesetze. Thiers beantwortet die gestrige Rede Germains über den Stand der Finanzen, erklärt die durch den Krieg veranlaßten Ausgaben außerhalb Paris übersteigen 1100 Mill. Francs. Es folgten Wahlprüfungen. Das Bureau für Prüfung der Wahlen schlägt bei Algier vor die Wahl Gari - baldi 's für ungültig zu erklären, da derselbe die für die Gültigkeit der Wahl erforderliche französische Nationalität nicht besitzt. Victor Hugo bekämpft den Antrag des Bureau's: niemand in Europa habe Frankreich beigestan - den außer Garibaldi. Garibaldi sei der einzige von den Generalen die für Frankreich kämpften, welcher unbesiegt sei. (Große Bewegung. ) Hugo will sein Mandat niederlegen, ein Deputirter der Rechten ver - langt vor der Erklärung der Gültigkeit der Wahl Garibaldi's eine Unter - suchung über die Thatsachen anzustellen die das Unglück Frankreichs her - beiführten. Der Präsident befragt Victor Hugo: ob er seine Austritts - erklärung aufrecht halte? Hugo bejaht die Frage und verläßt den Saal. Ein Deputirter besteigt die Tribüne und erinnert an das Versprechen Du - crots: Paris nur todt oder siegreich wieder zu betreten, während derselbe den von ihm Befehligten die Sorge übertragen habe ihn zu vertheidigen. Redner erinnert an die Depesche Gambetta's, in welcher derselbe Garibaldi Un - thätigkeit vorwarf. Es sei nöthig zu wissen ob Garibaldi gekommen sei um für Frankreich zu kämpfen oder für die allgemeine Republik. Lefl ô bezeugt die Tapferkeit Ducrots. Langlois richtet im Jnteresse des Vater - lands einen energischen Appell zur Einigkeit an die Parteien, er wirft den Deputirten ein Uebermaß der politischen Leidenschaft vor. Die Frage über Gültigkeit der Wahl Garibaldi's wird an das Bureau überwiesen, sodann wird neuerdings die Entscheidung zur Berathung vorgelegt werden. Hier - auf findet die Berathung über Gültigkeit der Wahl der Präfecten statt.

* Bordeaux, 9 März. Seitens der betreffenden Commission ist nach längerer Debatte Fontainebleau als Sitz der Nationalversammlung angenommen worden. Man versichert Thiers werde sich dieser Wahl an - schließen. Bei der demnächstigen Discussion des Antrags in der National - versammlung wird die Einbringung eines Amendements zu Gunsten Ver - sailles 'erwartet, unterzeichnet von vielen Deputirten.

Weitere Telegramme siehe fünfte Seite.

Sienesische Erinnerungen an Kaiser Friedrich III und Eleonore von Portugal.

sym23 Monumentale Erinnerungen an deutsche Kaiser sind, wie ich vor beinahe vier Jahren in diesen Blättern aus Anlaß einer florentinischen Jnschrift aus König Wilhelms von Holland Tagen bemerkte, in Mittel - italien sehr selten. Siena bewahrt solche, freilich aus einer Zeit wo das Kaiserthum tief gesunken war an Glanz und Bedeutung. Vorerst die Jn - schrift der vor Porta Camollia stehenden Säule, welche die Stelle bezeich - net wo König, nachmals Kaiser Friedrich III (IV) am 24 Febr. 1452 mit seiner siebzehnjährigen Braut Eleonore von Portugal zusammentraf. Jn Keyßlers Reisen ist die Jnschrift abgedruckt; in neueren Werken, so über die Geschichte des Kaisers wie über Enea Silvio Piccolomini, der diesem die anmuthige Braut zuführte, suche ich sie vergebens. So möge sie hier stehen, wie vor kurzem Luciano Banchi, Director des Staats -archivs zu Siena, in seiner für die Kenntniß der politischen und mercan - tilen Zustände der Küstenstriche interessanten Monographie: I porti della Maremma Senese, im Florentiner Archivio storico italiano 1870 sie mitgetheilt hat. Die auf dem die Spitze der Säule einnehmenden Stein eingegrabenen Worte lauten, wie folgt:

Cæsarem Fridericum III. Imp. et Lyonoram sponsam Portugal 'Regis filiam hoc se primum Salutavisse loco laetisque Inter se consultasse au - spiciis marmoreum posterisindicat monumentum A. D. MCCCCLI. VII. Kl. Martias.

Auf der Gegenseite des Steins sieht man das habsburgische und das por - tugiesische Wappen. Daß Siena eine andere Erinnerung an das Kaiser - paar besitzt ist bekannt. Jn der Reihe der Ereignisse aus dem vielbeweg - ten Leben Papst Pius 'II im Chorbüchergemache (Libreria) des Doms findet sich auch die Darstellung der Zusammenkunft der kaiserlichen Braut - leute, mit der Unterschrift: Aeneas Federico III. imp. Leonoram spon - sam exhibet et puelle laudes ac regum Lusitanorum complectitur. Die Localität ist treu auf dem Bilde dargestellt, welches dadurch ein besonderes Jnteresse gewonnen hat daß man den Entwurf dem jungen Raffael zu - schreibt -- eine Ansicht welche durch neuere Forschungen nicht bestätigt worden ist, und sich auch schwerlich auf die von Rumohr u. a. besprochene Zeichnung und deren ohne Zweifel falsch gedeutete Jnschrift zu stützen vermag. Wie es in den Tagen an welche diese Monumente erinnern mit dem Reich und seiner Autorität in Jtalien stand, zeigt hinlänglich der Umstand daß der König und künftige Kaiser sich zu seiner beabsichtig - ten Romfahrt am 31 Oct. 1447 von der Stadt Siena einen -- Geleits - brief ausstellen ließ, der im Wiener Staatsarchiv liegt und von Chmel in seinen Materialien herausgegeben worden ist.

Der Mann welcher vor allen andern Friedrichs III Beziehungen zu Jtalien vermittelte, Enea Silvio, hat dessen Aufenthalt in Siena, und die Rolle die er selbst dabei gespielt, in seiner Geschichte des Kaisers ausführ - lich geschildert; Ferdinand Gregorovius hat neuerdings im siebenten Bande der Geschichte Roms im Mittelalter diese und andere Schilderungen zu einer ansprechenden Darstellung benutzt. Das Bildniß Eleonorens, wie man es in der Ambraser Sammlung sieht, in reichem Gewande, die Krone auf dem Haupte, in der Rechten einen Lilienstengel haltend, die Linke auf ein Buch gelegt -- ein Bildniß das zu dem in derselben Sammlung be - findlichen ihres Gemahls einen starken Contrast bildet -- rechtfertigt das Lob ihrer Schönheit.

Die portugiesische Königstochter hatte im Hafen von Talamone an der Maremmenküste landen sollen, und die Republik Siena hatte für den Empfang daselbst die ansehnliche Summe von 500 Goldgulden ausgesetzt, überdieß 300 für die Herrichtung der Localitäten: pro reficiendo do - mos in Talamone ut in illis imperatrix valeat receptari. (Auch ein Beweis daß in Jtalien der Kaisertitel nicht mehr streng an die Krönung gebunden war, lange bevor Eleonorens Sohn Maximilian ihn officiell an - nahm. ) Wie lange Enea Silvio u. a. auf die Braut warteten, welche, von Stürmen umhergeworfen, endlich in dem damals noch völlig unbedeuten - den Livorno landete, ist bekannt. Wer heute an diesem lautlosen Strande steht und ringsumher Verödung und Verfall erblickt, versetzt sich nicht ohne Mühe in die Tage als hier zum Empfang einer künftigen Kaiserin Vor - bereitungen getroffen wurden. Denn Talamone, nordwestlich von dem inselartigen Vorgebirge des Monte Argentaro gelegen, in antiquarischen Träumen argonautischen, in der That etruskischen Ursprungs, in den Gal - lierkriegen und denen des Cajus Marius genannt, im Mittelalter Siena's bedeutendster Hafen, ist ein armes Fischerdorf von kaum 150 Einwohnern, welche mit der Malaria dieses Strandes kämpfen, während Sand und Seegras die Bucht so ausgefüllt haben, daß nur die kleinsten Fahrzeuge anlegen können wo einst eine Römerflotte, ein großes Heer landete. Sumpfende Wasser ziehen sich zur See hinan, wo ein verfallendes Castell liegt und der Blick über die Wogen und nach dem gewaltigen scharfabge - schnittenen Vorgebirge schweift, an dessen Küste das gesunde und gewerb - reiche Porto Sto. Stefano den Handel von Talamone an sich gezogen hat. Gegenwärtig führt die Maremmenbahn, welche zur Cultur und zum Ge -1166deihen einer so lange vernachlässigten und verkommenen, unter Großherzog Leopold II zu neuem Leben wieder erwachten Provinz mächtig beiträgt, in geringer Entfernung von Porto Talamone vorüber, bevor sie die Station Orbetello erreicht, welches der Hauptort des südlichsten Theils des toscani - schen Küstenstrichs ist und am wenigsten von der Fieberluft leidet.

Der Einzug der Deutschen in Paris.

sym3 Versailles, 2 März. * )Verspätet eingetroffen. D. R.Die Nachricht daß der Einzug der deut - schen Truppen definitiv auf Mittwoch den 1 März festgesetzt worden sei, bewog mich am Abend des 27 Februars nach Paris zurückzukehren. Jch wünschte den Eindruck dieser Nachricht auf die Bevölkerung der Hauptstadt in nächster Nähe zu beobachten, und in der That fand ich die Physiognomie von Paris seit meinem letzten Besuch auffallend genug verändert. Jch hatte die Stadt am Morgen des 24 Febr., am Jahrestage der Revolution von 1848, verlassen -- seitdem war die Aufregung von Tag zu Tag ge - stiegen. Die Wallfahrten zu der Juli = Säule auf dem Bastille = Platz hat - ten, durch den Umstand daß eine Menge von mehreren hunderttausend Soldaten sich müßiggängerisch und fast ohne alle Disciplin auf den Gassen umhertrieb, eine unerhörte Ausdehnung gewonnen; die ohnehin aufge - regten Gemüther wurden durch die Jmprovisationen der Volksredner und durch die maßlose Sprache der revolutionären Blätter noch mehr erhitzt, und es war am Sonntag schon zu beklagenswerthen Ausschreitungen ge - kommen, die das schlimmste von der entzügelten Wuth des Pöbels befürch - ten ließen. Bei helllichtem Tage, am Sonntag Nachmittags gegen 2 Uhr, als viele Tausende von Soldaten und Civilisten auf dem Bastille = Platz versammelt waren, hatte man einen ehemaligen Polizei = Agenten Pietri's mit unmenschlicher Bestialität auf ein Brett gebunden und in der Seine ersäuft, ohne daß sich eine Hand geregt hätte diese scheußliche Unthat zu verhindern. Am Abend desselben Tages verbreitete sich das Gerücht daß die deutschen Soldaten nach Ablauf des Waffenstillstandes während der Nacht in Paris einrücken würden. Ohne daß Befehl dazu ertheilt worden wäre, wurde in mehreren Quartieren von Paris der Generalmarsch ge - schlagen; Tausende von Soldaten bewaffneten sich und stürmten über die Elyseischen Felder nach Neuilly hinaus, um mit der Wuth der Verzweiflung den Eintritt der feindlichen Armee zu verhindern. Nur mit Mühe gelang es dem vernünftigen Zureden einiger höheren Officiere die verblendeten Thoren zur Rückkehr in ihre Quartiere zu bewegen, indem sie ihnen die Proclamation der Regierung mittheilten, welche inzwischen an den Straßen - ecken angeschlagen worden war, und welche den Einzug der Deutschen erst auf Mittwoch Morgens ankündigte. Die Blätter thaten ihr mögliches, unter Hinweisung auf die verhängnißvollen Folgen welche jeder Angriff auf die siegreichen deutschen Truppen haben müßte, zur Ruhe und Mäßi - gung zu ermahnen. Selbst der Rappel, welcher die aufreizendste Sprache führte, rieth doch von jedem weiteren Widerstand abzustehen, obschon seine Ermahnungsworte nicht eben darauf berechnet waren eine beruhigende Wirkung zu üben. Er schrieb: Als man gestern plötzlich erfuhr daß die Preußen einrücken würden, gab es Tausende von Bürgern die von einem wilden Schmerzgefühl ergriffen wurden. Ohne Befehl stürzten sie aus eigenem Antrieb mit unwiderstehlicher Gewalt zu ihren Gewehren und Patronen, und rannten nach der Seite hin wo sie den Feind zu finden glaubten. Der General Vinoy erklärt sie in seiner Proclamation für schuldig; wir wünschten daß der General Vinoy und diejenigen welche mit ihm während der Belagerung regiert haben eben so schuldig wie diese Bürger gewesen wären. Sie hätten uns nicht zu dem herzverzehrenden Frieden verurtheilt für welchen die royalistische Mehrheit heute stimmen wird. Was uns betrifft, so beglückwünschen und ehren wir die edeln Bür - ger, deren erste Regung es war lieber sterben als diese neue Schmach er - dulden zu wollen. Aber sie werden bedenken daß sie nicht allein sterben, daß sie schließlich nichts erreichen würden als Frauen und Kinder hin - schlachten zu lassen, und daß es gegenüber diesem abscheulichen Mißbrauche der Gewalt eine ebenso stolze Haltung wie einen nutzlosen Widerstand gibt: die Verachtung. Nicht Preußen hat Paris besiegt, sondern der Hunger! Die Preußen sehen darin die Gelegenheit zu einem triumphalen Einzuge für sie -- die Geschichte weiß was sie von ihrem Triumphe sagen wird. Wir befürchten nicht daß irgendjemand die verruchte Neugier haben könnte sie in ihrer Gloire sehen zu wollen; wir sind gewiß daß alles leer und öde um sie her sein, und daß man die Quartiere welche sie besetzen unter Quarantaine stellen wird. Wir wünschten noch mehr. Wir möchten daß die ganze Stadt Trauer anlegte, und daß alle Häuser ihre Thüren und Läden schlössen, daß sich in keiner einzigen Straße ein Mensch blicken ließe, daß alles Leben aufhörte, daß Paris ein Kirchhof wäre!

Die meisten Blätter ertheilten ähnliche Rathschläge, welche am Diens - tag noch einen eindringlichern Charakter annahmen. Am verständigsten schrieb der Temps; er betonte nachdrücklich den Umstand daß man vonvornherein Unrecht gehabt habe nach der Capitulation von Paris der Be - völkerung den Glauben beizubringen daß der Sieger die überwundene Stadt nicht betreten werde, und als eine neue, ganz besondere Schmach darzustellen was die natürliche Folge der Ueberlieferung der Forts und der Entwaffnung der kriegsgesangenen Truppen sei. Jn der That schien sich am Dienstag die Aufregung der Pariser einigermaßen zu beschwichtigen. Jch besuchte Vormittags den Bastille = Platz. Die Juli = Säule war nicht bloß am Fuße, sondern auch überall an ihrem schlanken Schaft und auf der Balustrade ihres Capitells mit gelben Jmmortellenkränzen, Tricolo - ren und Trauerflören überdeckt; dem Genius der Freiheit, welcher droben auf der höchsten Spitze schwebt, hatte man eine blutrothe Fahne in die Hand gegeben. Fortwährend noch zogen neue Compagnien der Mobilgarde heran, die unter Musikbegleitung ihren Umzug auf dem gitterumschlossenen Posta - ment hielten und ihre Kränze an der Säule aufhängten. Die neue von Thiers, Favre und Picard unterzeichnete Proclamation hatte eine beson - ders günstige Wirkung geübt, und die Gruppen auf den Straßen waren ungleich kleiner und ruhiger als am vergangenen Tage.

Am Mittwochmorgen verließ ich früh meine Wohnung, um den einrückenden Truppen möglichst weit entgegenzugehen. Der Anblick der Stadt an diesem denkwürdigen Tage war ein höchst seltsamer und bizar - rer. Man denke sich zum ersten Paris, das neugierige, geschwätzige, ohne Zeitungen! Alle Journale hatten ihr Erscheinen für die Zeit der Anwe - senheit unserer Truppen sistirt -- solange die deutschen Barbaren die hei - lige Stadt der Civilisation durch ihre Gegenwart besudeln -- lautete mit geringer Variation die stelzenhafte Phrase in den meisten Blättern. So - dann hatten in der That alle Häuser, nicht bloß in dem Quartier der Ely - seischen Felder und den angränzenden Stadttheilen, sondern in sämmtlichen zwanzig Arrondissements von Paris vom Keller bis zum Giebel ihre höl - zernen Läden geschlossen. Kein Magazin, keine Schenkbude, keine Speise - wirthschaft war geöffnet -- fermé à cause de deuil public -- war auf den angehefteten Papierzetteln zu lesen. Die Omnibusse fuhren zwar, aber nicht nach den von unsern Truppen besetzten Quartieren, die, so zu sagen, hermetisch abgesperrt waren. Einzelne, aber nicht eben viele, Häu - ser trugen schwarze Trauerfahnen. Die Straßen waren nicht viel men - schenleerer als sonst; Nachmittags und Abends wogte sogar auf denselben eine unzählbare Menge. Bewaffnete Nationalgarden patrouillirten in kleinen Detaschements und geringen Zwischenräumen überall auf und ab um die Ruhe aufrecht zu erhalten. An der Gränze des Concordienplatzes und längs der ganzen Linie welche das Quartier der deutschen Truppen umschloß, hielten bewaffnete Nationalgarden Wache, hie und da hinter Barricaden, die aus zusammengeschobenen Laffetten und Munitionskarren gebildet waren. Jn Belleville, dem entlegensten westlichen Viertel, hatte man während der Nacht sogar reelle Barricaden gebaut. Auch hinter dem Triumphbogen auf den Champs Elysées fanden sich auf der Seite nach Neuilly zu noch einzelne halb weggeräumte Barricaden, die in der Sonn - tagsnacht aufgethürmt worden waren. Die ehernen Säulen = Adler vor dem neuen Opernhause, denen man nach dem 4 Sept. in vandalischer Zer - trümmerungswuth die Köpfe abgeschlagen, waren mit Leinwandlappen um - hüllt. Das Modell zum Uhrich = Denkmal, welches Tags zuvor noch vor der fahnen = und kränzegeschmückten Statue Straßburgs auf dem Concor - dienplatze stand, hatte man über Nacht entfernt, und das Gesicht dieses und aller übrigen Standbilder französischer Städte mit schwarzen Tuch - schleiern umwunden, so daß die Figuren den Anblick coketter Venetianerin - nen gewährten, die sich zur Carnevalszeit mit Flormasken vermummen. Unsere Soldaten lachten über diese Faschingskomödie und ließen die Tuch - schleier ruhig sitzen. Wenn die französischen Städte sich schämen und uns nicht offen ins Antlitz zu blicken wagen, so ist das ihre eigene Sache, scherzten sie. Die Nationalgarden verwehrten zwar keinem Civilisten den Durchgang durch ihre Linien, aber sie baten dieselben eindringlich nicht das preußische Quartier zu betreten, und sie warfen mir ingrimmige Blicke zu als ich ihnen antwortete daß dieß meine eigene Sache sei, und geradenwegs auf den Triumphbogen zuschritt. Um diese Zeit, gegen 10 Uhr Vormittags, waren erst vereinzelte preußische Soldaten auf den Elysei - schen Feldern angelangt. Hie und da ritten vier Dragoner oder Husaren bis an das verschlossene Gitter des Tuileriengartens hinab, und kleine De - taschements von Jägern oder Liniensoldaten stellten sich in der Nähe des Triumphbogens auf, dessen Sculpturen noch vom Bombardement her mit dichtem Bretterwerk verkleidet waren. Jch sah an manchen Häusern dieses Stadttheils englische, amerikanische, belgische, schweizerische und selbst tür - kische Fahnen ausgehängt. Ein Haus in der Rotunde des Triumphbo - gens trug eine schwarz = roth = goldene Fahne, welche die besondere Wuth der Franzosen erregte, deren Zahl mit jeder Stunde zunahm. Wir müssen zur Ehre der Pariser Bevölkerung bekennen daß der bessere, gebildetere Theil derselben wirklich seine Schaulust bezwungen, und sich von dem deutschen Quartier völlig fern gehalten hatte. Man erblickte nur ganz vereinzelte1167gut gekleidete Herren und Damen unter der Volksmasse auf den Elysei - schen Feldern; alles übrige war Gesindel aus den Vorstädten, Blousen - männer mit versoffenen, gemeinen, rohen und wilden Physiogno - mien oder junge Gamins von zwölf bis siebenzehn Jahren, die zu Tausenden herbeigeströmt waren, und deren Ungeduld von Stunde zu Stunde wuchs als die erwarteten Truppen noch immer nicht einzogen. Man wußte nicht daß Kaiser Wilhelm Mittags von 11 bis 12 Uhr auf der großen Rennbahn von Longchamp am Seine = Ufer eine glänzende Pa - rade der Einzugstruppen abnahm; sonst hätte dieses seltene militärische Schauspiel unzweifelhaft die harrenden Volksmassen dorthin statt nach dem Triumphbogen gelockt. Als der Kaiser, die Pontonbrücke bei Sèvres passirend, durch den Ostsaum des Gehölzes von Boulogne nach Longchamp hinaufkam, defilirte zuerst der Kronprinz mit seiner Suite an ihm vorüber; dann umritt Se. Majestät nebst Gefolge die ganze Stellung der Einzugstrup - pen, und ließ dieselben im Parademarsch an sich vorbei defiliren. Zuerst kam das 11. preußische Armeecorps, dann das 2. bayerische Corps und zuletzt das 6. preußische Armeecorps. Mit der musterhaftesten Ordnung wurden auch die Feldgeschütze in schnurgerader Linie vorübergeführt, und dem Kaiser traten die Thränen in die Augen als er so manches der tapfern Regimenter mit zerschossenen Fahnen, und aufs schrecklichste durch die zahlreichen Schlach - ten decimirt, festen Schrittes und mit jauchzendem Hurrah vorbeischwenken sah. Die Truppen marschirten auf verschiedenen Wegen, theils über die Avenue de la grande Armée, theils über Auteuil und Passy nach dem Triumphbogen und dem Concordienplatz hinauf. Die harrende Volks - menge war inzwischen immer aufgeregter und unruhiger geworden; sie um - drängte die zuerst angelangten preußischen Truppen mit unverschämter, belästigender Neugier, und rief ihnen höhnische Spottrufe zu. Die Bayern wurden von den Gamins mit Zischen und Pfeifen empfangen, als sie unter Abspielung des bekannten Pariser Einzugsmarsches von 1815 heran kamen und theils vor dem Jndustriepalaste von 1855, theils auf dem Concordien - Platz Posto faßten. Fast gleichzeitig erschien das 38. preußische Jnfan - terieregiment, welchem bald die 22er und 88er folgten. Der Pariser Pöbel, welcher anfangs eine ziemlich drohende Haltung angenommen, begann sich allmählich zu beruhigen. Ohne die außerordentliche Milde und Mäßigung der deutschen Truppen wäre es zweifelsohne zu blutigen Conflicten gekom - men. Besonders die wenigen deutschen Civilisten, zum Theil in Paris ansässige Leute, welche sich mit den Soldaten unterhielten, waren den bru - talsten Beschimpfungen ausgesetzt. Einer meiner Pariser Freunde, der mit einigen preußischen Jnfanteristen gesprochen und sie ermahnt hatte den aufgeregten Volksmassen gegenüber möglichst glimpflich und nachsich - tig zu verfahren, wäre von der wüthenden Menge fast als preußischer Spion zerrissen worden, und an mehreren Stellen mußten die Soldaten erst vor den Augen des Pöbels scharf laden und einen Scheinangriff mit dem Bajonnett machen, um das freche Gesindel in die Flucht zu jagen. Voilà un Prussien! rief man auch mir von allen Seiten zu, und ich sah mich auf Schritt und Tritt von finster blickenden Gestalten begleitet, die mir den Rückweg zu versperren drohten. Jeden Augenblick trat ein Blousen - mann an mich heran, um auf die Deutschen zu schimpfen und meine An - sichten und Gesinnungen zu erforschen. Sehen Sie doch diese schmächtigen Puppen, rief ein französischer Arbeiter mir zu, der sich zu mir auf eine Bank setzte, als ein Trupp schlesischer Jnfanteristen sich neben dem Triumph - bogen aufstellte. Sehen die Kerls nicht aus als wären sie von Holz und Watte gemacht? Der eine hat ein Gesicht wie ein Kalmuck. Was für kalte, todte Physiognomien! Kein Nerve, keine Leidenschaft! Wären wir nicht überall so schmählich verrathen worden, so hätten wir mit diesen Drahtpuppen bald fertig werden müssen. Glauben Sie nicht auch daß wir in sechs Monaten mit Erfolg unsere Revanche nehmen werden? Jch er - laubte mir einen bescheidenen Zweifel auszusprechen. Eh bien, sagen wir sechs Jahre, fuhr der Mann geschwätzig fort, mais ça suffira! Jn diesem Augenblick schwärmten die Schlesier aus, um den rings von der Volksmasse versperrten Weg für die Truppen zu säubern. Wie ein Rudel Wild stoben die Gaffer auseinander, und die Soldaten, welche die kleine Bewegung mit bewundernswerther Behendigkeit ausgeführt hatten, kehrten lachend auf ihre Posten zurück. Sagristi! sagte der Blousen - mann, sich hinters Ohr kratzend, hätte ich doch nie geglaubt daß diese hölzernen Maschinen so hübsch springen und mit solchem Elan avanciren könnten! Wie es scheint, sitzt doch Feuer darin, und sie lachen als ob ihnen die Geschichte Spaß machte, und als ob sie ganz und gar keine Furcht hätten. Sie können doch nicht wissen ob wir wirklich ohne Waffen sind, setzte er, näher heran rückend, hinzu und ließ mich einen Revolver er - blicken den er in seiner Hosentasche trug. Nehmen Sie sich in Acht, flüsterte ich ihm zu; Sie wissen daß es der französischen Bevölkerung strengstens verboten ist in dem von den Deutschen besetzten Quartier Waffen zu tragen, und jeder Widerstand würde für jetzt doch nutzlos sein. Ja, ja, murmelte der Mann als gerade die Sonne mit heitersten Strah -len aus dem trüben Gewölke brach, alles verräth uns, selbst der lieb Gott! Hätte er nicht den verwünschten Preußen ein Donnerwetter und strömende Regengüsse auf den Pelz schicken sollen? Und nun gönnt er ihnen gar den herrlichsten Sonnenschein!

Es hieß plötzlich daß in den übrigen Stadttheilen Unruhen ausge - brochen seien. Um mich von der Wahrheit oder Unwahrheit des Gerüchtes zu überzeugen, gieng ich auf allerlei Umwegen, da ich mich von Spähern umringt sah, nach der Madeleine und den inneren Boulevards zurück. Mobilgarden mit schwarz umflorten Fahnen durchzogen die Straßen, die Marseillaise wurde gesungen, aufgeregte Gruppen standen auf dem Platze des Château d'Eau, auf dem Platze vor dem großen Louvre = Hôtel und an anderen Orten; aber die Ruhe war nirgends ernstlich gestört worden. Nur machte der Pöbel, wie in der ersten Zeit der Belagerung, wieder Jagd auf preußische Spione. Jeder welcher das Unglück hatte blondes Haar und helle Augen zu besitzen galt für einen verkleideten preußischen Officiere und war in Gefahr mißhandelt zu werden. Beim Pantheon hatte man so eben vier Personen verhaftet die man für bayerische Officiere in Civil hielt. A l'eau, à l'eau! schrie die wüthende Volksmasse und machte Anstalt die Unglücklichen nach der Seine zu schleppen. Aber sie reden ja geläufig französisch, bemerkte ein ältlicher Herr. Das will nichts sagen, schrie man zurück, diese preußischen Spione sprechen alle gut französisch, sonst würde man sie leichter erkannt haben und wir wären nicht immer verrathen worden. Man entschloß sich endlich die Verhafteten auf die Präfectur zu bringen, und es stellte sich heraus daß sie sammt und sonders gute Franzosen waren.

Jch hielt es bei dieser kindischen Spionenjagd nicht für gerathen noch - mals durch die ganze Stadt in das preußische Quartier zurückzukehren, sondern zog es vor bei einem deutschen Freunde zu übernachten. Heute Morgens hatte Paris schon so ziemlich wieder seine gewöhnliche Physiogno - mie angenommen; die Zeitungen, mit Ausnahme des Moniteur Officiel, waren zwar noch nicht wieder erschienen, aber die meisten Läden begannen sich schon zu öffnen, und in dem deutschen Revier fand ich überall die Cafés und Weinstuben von preußischen und bayerischen Soldaten erfüllt, welche den Schenkwirthen einen guten Gewinn brachten. Der Kaiser durchfuhr so eben das ganze Bois de Boulogne, und der Kronprinz begab sich auf die Champs Elysées zu den in Paris lagernden Truppen, welche, nachdem der Friede geschlossen worden, zum Theil morgen, zum Theil übermorgen in der Frühe die Hauptstadt räumen werden, um den Rückweg in die Heimath anzutreten. Das große Hauptquartier Sr. Maj. des Kaisers und das kronprinzliche Hauptquartier werden, dem Vernehmen nach, nur noch bis Sonntag oder Montag in Versailles bleiben, und überall trifft man schon Anstalten zur Abreise.

Vom Münchener Hoftheater.

e München, 6 März. Das neue Jahr hat uns an dramatischen Novitäten bis jetzt das dreiactige Lustspiel von Benedix: Reden muß man, Paul Heyse's Volksschauspiel: Die Franzosenbraut, Dr. J. Wer - thers Drama: Mazarin, und die kleine Skizze von Otto Girndt: Unter der Linde von Steinheim am Main gebracht, von denen zwar kein einzi - ges wirklich durchgeschlagen, die aber doch im einzelnen viel des Jnteressan - ten und Beachtenswerthen bieten. Ueber das neue Product des unver - wüstlichen Nestors unserer Lustspiel = Literatur können wir uns kurz fassen; der einst so reich und voll sprudelnde Quell seiner Muse ist längst versiegt, und wenn sich auch immer noch in seinen neueren und neuesten Werken hie und da eine merkwürdige Jugendfrische bekundet, hin und wieder ein feiner Zug der Charakteristik uns angenehm überrascht -- im Großen und Ganzen sind und bleiben doch die in ihnen verwandten Motive und Figuren nur schwache Copien aus früheren besseren Stücken des Autors. Dazu kommt im Reden muß man noch eine ermüdende Breite, sowie ein theils gar zu biederer, theils allzu kindlicher Ton, der das Jnteresse schon während des ersten Acts bedeutend schwächt, und wären die darin auftretenden Per - sonen nicht gar zu blöder Natur und sprächen wie vernünftige Leute, da wo es nöthig ist, so würde mit diesem ersten Act überhaupt schon das ganze Stück vollständig zu Ende sein. Die einzigen wirklich frisch empfundenen und anmuthig durchgeführten Figuren sind die beiden jugendlichen Ge - stalten Wolfgangs und Armgarts, zwei Backfische männlichen und weib - lichen Geschlechts, die in Frl. Ramlo und Frl. Hofmann (vom hiesigen Volkstheater) ganz vorzügliche Vertreterinnen fanden. Die Scene in welcher letztere auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Weg ihr Herz ent - deckt, ist denn auch die beste und wirksamste des ganzen Stückes. Ebenso gelungen, wenn auch keineswegs neu in der Erfindung, ist die Charakteri - stik des weiberfeindlichen Dr. Söderland. Dank dem trefflichen Spiel aller Mitwirkenden übrigens errang das Lustspiel trotz seiner bedeutenden Mängel eine ziemlich beifällige Aufnahme.

Das letztere läßt sich auch von Heyse's Volksschauspiel: Die Fran -1168zosenbraut, sagen, wenngleich es ziemlich hinter den Erwartungen zurück - blieb die man von demselben gehegt. Der äußere Grund dieser seiner ge - ringen Bühnenwirksamkeit liegt wohl vor allem in der überwältigenden Größe unserer gegenwärtigen geschichtlichen Epoche, die, wie sie die große Zeit der Freiheitskriege überhaupt in den Schatten stellt, so auch und in noch höherem Maße das Jnteresse abstumpft für Stoffe aus derselben, wenn diese sich in so engen und bescheidenen Gränzen bewegen wie es hier der Fall ist. Der innere Grund ist in dem allzu Episodenhaften der ganzen Composition wie nicht minder der handelnd eingreifenden Personen zu suchen, und wenn sich das gerade im Colberg so glänzend bekundete Ta - lent Heyse's volle lebenswahre Menschen mit wenigen scharfen Strichen hinzustellen auch hier keineswegs verläugnet, so sind es doch nur wenige und nicht eben die bedeutendsten Figuren des Stückes die ihm in dieser Weise gelungen sind. Auch sind öfter, so in der Hauptscene des dritten Acts, etwas possenhafte Motive in den Ernst der Lage hineingebracht, die den Eindruck abschwächen, und außerdem schwankt das Stück im vierten und fünften Act bedenklich zwischen einem Schau = und Trauerspiel in der Mitte, nimmt mehrmals einen scheinbaren Anlauf zur höchsten Tragik, zu einem erschütternden Abschluß, und verläuft endlich doch in ganz harmloser und gemüthlicher Weise. Ein recht getreues Spiegelbild des damaligen übermüthigen und frechen Franzosenthums liefert der Graf Sangallo, der Chef der geheimen Polizei in Berlin; was die Titelheldin selbst betrifft, die von Frau Dahn = Hausmann mit allem Aufgebot ihrer künstlerischen Mittel trefflich verkörpert wurde, so ist der Conflict in welchen sie die Liebe zu einem französischen General einerseits mit ihrem hyperfanatischen Bruder, andrerseits mit dem französischen Polizeichef bringt, der sie als Werkzeug seiner intriganten Plane benutzen will, von vornherein ein wahrer und interessanter; aber die Figur verliert im Verlaufe des Stückes theils durch Jnconsequenzen ihres Charakters, theils durch ein allzu wenig motivirtes äußeres Handeln. Die Diction dagegen ist -- die Volksscenen abgerechnet -- eine edle und gedankenvolle, und der erste, zweite und vierte Act enthalten auch dramatische Partien von bedeutender Schönheit.

Entschieden interessant und geistvoll, besonders in der ersten größeren Hälfte, ist das auf reichem Quellenstudium beruhende und mit Bühnen - technik verfaßte Drama Mazarin von Dr. J. Werther (artist. Director des Mannheimer Hoftheaters). Der darin behandelte Conflict ist derselbe wie in Jul. Grosse's höchst interessantem historischen Roman Maria Man - cini. Der ehrgeizige Cardinal opfert seine mit aller Kunst in Scene ge - setzte Lieblingsidee, Maria an den jungen Ludwig XIV zu verheirathen, und so durch sie die Zügel der Regierung für immer in den Händen zu behalten, in demselben Moment auf wo er mit Schrecken gewahrt daß er sich in seiner Nichte kein gefügiges Werkzeug seiner Plane, sondern seine erbittertste Feindin herangezogen, welche den König vor allem der Bevormun - dung Mazarins zu entreißen und dessen unseligen Einfluß zu vernichten entschlossen ist. Jn der Reihenfolge sowie im ganzen Bau der Scenen ist das Stück, besonders im zweiten und dritten Act, augenscheinlich durch Grosse's Roman bedeutend beeinflußt, und diese beiden Acte sind denn auch am packendsten und bühnenwirksamsten. Jn der Lösung des Con - flictes dagegen weichen beide weit von einander ab, und hier müssen wir Grosse entschieden den Vorzug geben. Bei ihm entsagt Maria aus Gründen der Hochherzigkeit, so sehr auch allen Jntriguen zum Trotz der König auf der Verbindung besteht, und findet in den Armen ihres Jugendgespielen Colonna vollen Ersatz für das preisgegebene Glück; Werther dagegen hat den Knoten einfach durchhauen, und jedem irgendwie psychologisch noch in - teressanten Austrag für immer einen Riegel vorgeschoben durch die sehr kühne Wendung daß sich Maria plötzlich als die längst todtgeglaubte Frucht der heimlichen Ehe Mazarins mit der Königin Anna, also als Ludwigs Stiefschwester, entpuppt. Auch der fünfte Act bedarf durchaus der Umarbeitung -- der Tod Mazarins ist durch nichts motivirt, und seine allzu starken Anwandlungen von Reue und Buße passen wenig zu seinem früheren Charakter; überhaupt sind manche Längen, schon in der Exposi - tion, zu beseitigen und mehrere Episoden = Figuren ganz zu streichen. Gelingt dieß dem Dichter, so würde sich das Stück mit seiner geschickten Mache, sei - ner zwar nicht tiefen aber ansprechenden Charakteristik und seiner gemesse - nen und verständigen Sprache, der nur etwas poetischer Schwung zu wünschen wäre, wohl auf dem Repertoire einbürgern können.

Das kleine Festspiel von Girndt: Unter der Linde von Steinheim am Main, ist zwar nicht ohne einen leisen Anflug von Humor, aber doch viel zu sehr mit den allergewöhnlichsten patriotischen Phrasen und ermü - denden Schlachtenbeschreibungen versetzt. Das beste darin ist noch die Figur der hessischen Bäuerin, welche dem biedern Preußen am Schlusse Herz und Hand schenkt, und von Frau Dahn = Hausmann allerliebst gespielt wurde. Ueber Kleist's Hermannschlacht ist in diesen Blättern schon ausführlich geurtheilt worden; ob sich dieselbe aber dauernd auf der Bühne halten wird, möchten wir doch sehr bezweifeln, zumal die aus Kleists erbittertemGrimm gegen die Fremdherrschaft erwachsene Figur des Hermann ehre einem Gambetta als einem wirklich deutschen Helden ähnlich sieht, und ebenso wie Thusnelda in manchen Scenen geradezu widerwärtig berührt. Eine wirkliche Bereicherung des Repertoire's dagegen ist Molière 's noch immer zutreffendes Lustspiel Die gelehrten Frauen, das in der gelungenen Uebersetzung von Baudissin und einer zweckmäßigen Bühneneinrichtung hier zum erstenmal mit bedeutendem Beifall in Scene gieng. Neu ein - studiert erschienen ferner im Schauspiel Laube's Essex, in der Oper Ro - bert der Teufel, und im Ballet Corally's Gisella und Fenzls Panto - mime Der Kobold, letztere mit einer Reihe von Akrobatenkunststückchen, die eigentlich nicht auf die weltbedeutenden Bretter, am wenigsten die einer Hofbühne gehören. Doch mag der Faschingsdienstag die Vorführung derselben, sowie der trivialen Posse Kotzebue's Der Wirrwarr, entschul - digen. Jnteressante Genüsse endlich boten Racine's Athalia, Lortzings Undine, Schuberts Häuslicher Krieg, Wagners Lohengrin (in prachtvoller Ausstattung), Halevy's Jüdin, Die weiße Dame, in welcher Hr. Nachbaur nach langer Krankheit zum erstenmal wieder durch seine schöne Stimme das Publicum entzückte, und die Aufführung der von Robert Schumann componirten Scenen aus Goethe's Faust, unter de - nen besonders die des zweiten Theils große Wirkung erzielten.

Neueste Posten.

sym5 München, 9 März. JJ. MM. der König und die Königin - Mutter haben mit den k. Prinzen und Prinzessinnen und dem gesammten Hofstaate, dem Officiercorps ec. diesen Nachmittag der Trauerfeier, der Vigil für den seligen König Max II in der Hofkirche zu St. Cajetan bei - gewohnt und werden ebenso morgen Vormittag den Exequien beiwohnen. -- Die Oekonomiecommission des Depots des ersten Cuirassierregiments dahier beginnt bereits nächsten Samstag mit der Versteigerung überzähli - ger Reitpferde. -- Gestern Nachts sind per Eisenbahn 613 aus französi - scher Kriegsgefangenschaft zurückgekehrte bayerische Soldaten hier ein - getroffen; sie waren in Pau internirt und brauchten von dort per Eisen - bahn volle 10 Tage bis München.

: München, 9 März. Se. Maj. der König hat gestern Nachts 10 Uhr dem Prinzen Luitpold, welcher am Bahnhof von seiner Familie und J. Maj. der Königin = Mutter begrüßt und in seinem Palast aufs fest - lichste empfangen wurde, einen Willkommbesuch gemacht und dortselbst gegen eine Stunde verweilt. -- Der Delegirte des Landeshülfsvereins, Ludw. v. Niethammer, hat am vorigen Dienstag Versailles verlassen, nach - dem die dortigen Lazarethe aufgelöst worden sind. -- Die verschiedenen Gerüchte über Personalveränderungen, wie sie nach in = und ausländischen Blättern in den höchsten Regierungskreisen vor sich gehen sollen, entbehren jedes thatsächlichen Anhaltspunktes.

× München, 9 März. Die im Etappendienst gestandenen Land - wehrbataillone sind zur Rückkehr nach Bayern beordert, und ebenso sind die Einleitungen zum Rücktransport der combinirten Landwehrbataillone Nr. 3, 5, 7, 13, 15, 27 und 29 bereits getroffen. -- Der kürzlich vom Magistrat mit 17 gegen 10 Stimmen gefaßte Beschluß das Jsarthor ab - zubrechen, rief gestern im Collegium der Gemeindebevollmächtigten eine lebhafte Debatte hervor, in deren Verlauf nur einige wenige Stimmen sich zur Vertheidigung des Magistratsbeschlusses erhoben, während die große Mehrzahl der Redner denselben einer herben Kritik unterstellte, einige ihn sogar geradezu als übereilt und ohne gehörige Prüfung gefaßt bezeichneten. Einstimmig sprach sich schließlich das Colle - gium dahin aus daß in Anbetracht der vorgekommenen Verkehrs - störungen und Unglücksfälle allerdings zugleich mit der Regulirung des Thals eine zweckmäßige Ordnung der Verkehrswege am Jsarthor wün - schenswerth sei, daß aber, bevor zu diesem Behufe weitere Schritte ge - schehen, erst von der k. Akademie der bildenden Künste ein Gutachten über den Kunstwerth und den Zustand der an dem Thore angebrachten Bilder, über die Möglichkeit und die Kosten ihrer Restaurirung und ferneren Er - haltung eingeholt werden möge. -- Eine gemeinsame Commission der Ge - meindecollegien Münchens wird zusammentreten und ein Gutachten dar - über abgeben ob und welche Feierlichkeiten beim Einzug der Truppen zu veranstalten seien.

* * Frankfurt, 8 März. Heute Abend bald nach 6 Uhr lief der festlich geschmückte Expreßzug der den Reichskanzler Grafen Bismarck von Mainz brachte, auf dem Main = Neckar = Bahnhof ein, woselbst u. a. der Polizeipräsident v. Madai, der Stadtcommandant General v. Meyerfeld, der Oberbürgermeister Dr. Mumm und der Delegirte des Johanniter - ordens Graf Solms sich eingefunden hatten. Sobald die dichtgedrängte Menge des Reichskanzlers, der die Uniform seines Regiments trug, ansichtig wurde, brach sie in ein lautes Hoch aus. Derselbe verließ bald seinen Wagen und unterhielt sich etwa 10 Minuten lang mit den ihm bekannten Herren. Als der Zug im Begriff stand auf der Ver - bindungsbahn nach dem Hanauer Bahnhof abzufahren und dieß zu einem1169neuen Hoch Veranlassung gab, trat der Graf an das Wagenfenster und sprach mit vernehmlicher Stimme: Meine Herren, hier in der alten Krönungs - stadt lassen Sie uns noch ein Hoch ausbringen und zwar auf den deutschen Kaiser! worauf sofort die Menge jubelnd einfiel. Auf dem Hanauer Bahnhof, wo der Expreßzug mit dem gewöhnlichen, halb 8 Uhr abgehenden Berliner Schnellzug vereinigt wurde, ereignete sich der komische Zwischenfall daß ein Bürger, wie es schien ein früherer Hauswirth des Gefeierten, ihm eine Göttinger Wurst in den Wagen reichte, worauf der Graf triumphirend sich zu seiner Begleitung wandte: Sehen Sie, wie ich hier beschenkt werde. Auch hier wiederholtes Hochrufen, bis der Zug sich in Bewegung setzte.

sym13 Wien, 8 März, Abends. Man begegnet in einer Reihe von Blättern der Meldung, die Vertreter Preußens und Rußlands in Konstan - tinopel seien der Pforte die Ueberzeugung beizubringen angewiesen und bemüht daß die Aufrechthaltung der Herrschaft des Fürsten Karl in Ru - mänien nicht anders möglich sei, als wenn er zu weitgehenden Verfassungs - änderungen ermächtigt werde. Jch glaube mit aller Sicherheit behaupten zu dürfen daß das österreichische Cabinet von solchen Schritten nicht die mindeste Kenntniß hat, und also noch viel weniger irgendwie daran be - theiligt ist. -- Gutem Vernehmen nach sind die Verhandlungen zwischen Wien und Berlin behufs Erhebung der bisherigen beiderseitigen Gesandt - schaften zum Range von Botschaften in vollem Zuge.

Jndustrie, Handel und Verkehr.

Augsburg, 9 März. Bayer. Staatspapiere: 5proc. halbj. Oblig. -- |; 4proc. Oblig. 89 3 / 4 G.; 4proc. halbj. Oblig. 89 3 / 4 G.; 4 1 / 2 proc. Obl. 96 1 / 4 G. |; 4 1 / 2 proc. halbj. Obl. 96 1 / 4 G.; 3 1 / 2 proc. Obl. 83 G.; 5proc. Anl. v. 1870 100 G.; 4proc. Grundr. = Ablös. = Obl. 90 G.; 4proc. Präm. = L. à 100 Thlr. 108 1 / 2 P. -- Jndustrielle Papiere: Bayer. Ostbahn 126 G., 2. Emis. --, mit 15 Proc. Einz. 110 1 / 2 G.; Bankactien 870 G.; 4proc. Bankoblig. 99 3 / 8 G.; 4proc. Pfand - briefe 92 G.; Augsburger 7fl. = L.6 1 / 3 P.; Augsburger Kammgarn = Spinnerei 107 G.; Mech. Spinn u. Weberei Augsburg 200 P.; Baumw. = Spinn. Stadtbach Augsburg 200 P.; Haunstetter Weberei 150 P.; Baumw. = Spinnerei u. Weberei Bamberg 85 P.; Gas = Jndustrie = Actien Augsburg82 1 / 2 G.; Gasbeleucht. = Gesellschaft Augsburg 180 G.; Maschinenfabrik Augsburg 98 P.; Seilerwaarenfabrik Füßen 136 G.

Berlin, 7 März. Die Börse entwickelte heut auf internationalem Gebiete größere Festigkeit und mehr Lebhaftigkeit, besonders in Franzosen, Credit und Lombarden, obwohl letztere nicht gerade steigend. Eisenbahnen waren wenig belebt und etwas matten, Banken fest, im ganzen auch nicht unbelebt; Darmstädter in regerem Verkehr. Preußische und deutsche Fonds fest bei mäßigem Geschäft; Köln Mindener Prämien = Antheilsscheine96 3 / 8; Oldenburger37 1 / 2 bezahlt. Von russischen waren Schatzobligationen zu wesentlich höheren Preisen und Bodencredit sehr belebt, englische etwas fester, Prämienanleihen auf schlechte St. Petersturger Curse ausgeboten. Ungarische Loose 51 Brief. Jnländische Prioritäten fest und belebt; 5proc. Hamburger, die heut an die Börse gebracht wurden, giengen zu 98 1 / 4 um; österreichische matt, russische behauptet, amerikanische sehr fest, Alabama, Kansas, Oregon steigend. Wechsel ziemlich belebt, aber mehrfach niedriger, Paris um 7 / 12.

Frankfurt a. M., 8 März. Württ. 5proc. Oblig99 7 / 8 G.; 4 1 / 2 proc. 95 bez. ; 4proc. 87 1 / 4 G.; 3 1 / 2 proc. 84 G.; bad. 5proc. Obl. 99 3 / 4 bez. ; 4 1 / 2 proc. 94 1 / 2 bez. ; 4proc. 88 1 / 2 bez. ; 3 1 / 2 proc. 83 1 / 4 G.; pf. Max = B. 110 7 / 8 bez. ; 4proc. hess. Ludw. = B. 142 bez. ; bad. 35fl = L.59 5 / 8 bez. ; kurh. 40Thlr. = L.64 1 / 2 G.; nass. 25fl. = L.38 1 / 2 P; großh hess. 50fl = L. 170 P; 25fl. = L. L. 49 P.; Ansbach - Gunzenh. 7fl = L. 12 G.; Pistolen fl 9 45 -- 47; doppelte fl. 9.46 -- 48; preuß. Friedrichsd'or fl 958 1 / 2 -- 59 1 / 2; holl. 10fl. = St. fl. 9.54 -- 56; Ducaten fl. 5 36 -- 38; Ducaten al marco fl. 5 37 -- 39; Napoleonsd'or fl. 9.27 -- 28; engl. Sover. fl. 11.53 -- 57. (Cursbl. d. Ver. Frkf. Ztgen.)

Auf den rheinischen Bahnen werden vom 8 d. M. ab auf einige Zeit wegen der Gefangenen = Transporte Beschränkungen der regelmäßigen Bahnzüge eintreten, was etwa 10 bis 12 Tage dauern wird.

Vom Zollverein. Von dem Centralbureau des Zollvereins ist eine Ueber - sicht des Waareneingangs und der erhobenen Eingangszölle in sämmtliche Staaten des Zollvereins während des Jahres 1869 zusammengestellt und den Vereinsregie - rungen zugesendet worden. Nach derselben sind von den angeführten vorzüglichsten Fabricationsgegenständen an Eingangssteuer erhoben worden: von baumwollenem Garn 578,096 Thlr., und überhaupt von baumwollenen Fabricaten 1,143,790 Thlr., von Eisenfabricaten, als geschmiedetem Eisen, Eisenbahnschienen, Stahl, Draht, Blech, fa ç onnirtem Eisen, Eisengußwaaren ec. 673,820 Thlr.; von Maschinen aus Metall oder Holz, oder beiden Bestandthelien zugleich 181,143 Thlr., an Leinen - garnen, Leinenwaaren, Zwirn und allen übrigen Artikeln welche aus Flachs oder Hanf bereitet werden 353,094 Thlr.; vom Branntwein 393,984 Thlr.; von den Fabricaten welche aus Seide verfertigt werden 366,270 Thlr.; von wollenem Garne und wollenen Waaren, als Tuch, Fußteppichen ec. 1,529,135 Thlr. Die übrigen eingesührten Fabricate haben nur verhältnißmäig geringe Summen er - geben. Der eigentliche Zollertrag liegt in den Eingangssteuern welche die Luxus - artikel zu zahlen haben.

* Bremen, 5 März. Das Postdampfschiff des Nordd. Lloyd Hannover, hat heute die erste dießjährige Reise nach New = Orleans über Southampton und Habana mit 232 Passagieren und 250 Tonnen Ladung angetreten.

* New = York, 5 März. Das Postdampfschiff des Nordd. Lloyd Rhein, welches am 18 Febr. von Bremen und am 21 Febr. von Southampton ab - gegangen war, ist heute hier angekommen.

Telegraphische Berichte.

* London, 9 März. Eine Depesche der Times aus Paris meldet daß dort ein Aufstand des 10. Bataillons der Mobilgarde des Seine - Departements stattgefunden hat. Derselbe hatte jedoch keine ernstlichen Folgen, und wurde rasch unterdrückt.

* Paris, 7 März. Der Temps berichtet über die Versammlung der Maires. Es wurde die Ansicht ausgesprochen daß die National - garden die noch zurückgehaltenen Kanonen baldigst abliefern sollen. Die Bevölkerung fühle, die Lage könne nur durch Eintracht und Achtung der Gesetze verbessert werden. Picard bestätigt: die Regie - rung beabsichtige das allmähliche Aufhören der bisherigen Unter - stützung der Nationalgarden, er betont die republicanische Gesinnung der Regierung und weist auf die Nothwendigkeit der Aufrechthaltung der Ordnung hin. Die Blätter fordern zur Einheit und zum Aufhören der Demonstrationen auf. Der Tagsbefehl des Generals Aurelles de Pala - dine macht den besten Eindruck. Der Post = und Telegraphendienst ist vollkommen wiederhergestellt wie vor der Belagerung. Die Verabschiedung der Mobilgarde des Seine = Departements ist heute erfolgt.

Diese Depeschen aus dem Hauptblatt hier wiederholt.

* Berlin, 9 März. Schlußcurse: Bayer. 5proc. Anl. v. 187099 3 / 4; bayer. 4 1 / 2 proc. Anl. --; 4proc. Präm. = Anl. 107 3 / 4; bad. Präm. = Anl. 108 1 / 4; 4 1 / 2 proc. preuß. Anl. 94 3 / 4; 1882er Amerikaner97 1 / 2; österr. Silberrente55 3 / 4; Papierrente 48; österr. L. v. 186077 3 / 4; v. 186466 3 / 4; Creditactien140 1 / 2; Lombarden95 3 / 8; österr. = franz. Staatsbahn211 3 / 8; Prior. 280; Galizier101 3 / 4; Türken41 3 / 4; Schatzanweisungen100 1 / 8; Köln = Mindener Loose 96. Wechsel: Augsburg 56.22; Frankfurt a. M. 56.24; London 6.23 1 / 4; belgische Plätze80 5 / 16; Wien81 3 / 8. Tendenz: fest, lebhaft.

Berlin, 9 März. Schlußcurse: Creditactien140 5 / 8; Staatsbahnactien 211 3 / 8; Lombarden95 3 / 8; Galizier101 3 / 4; 1882er Amerikaner97 1 / 2; Bundes - Anleihe 100 1 / 4; Rumänier 44; South = Missouri69 1 / 8; Rockford58 1 / 2; Peninsular 61 7 / 8. Tendenz: ziemlich fest.

Berlin, 9 März. 〈…〉〈…〉Productenmarkt. Roggen lauf. Monat53 7 / 8; per April = Mai54 1 / 4, per Mai = Juni54 7 / 8, per Juni = Juli55 5 / 8. Tendenz: fest. -- Weizen lauf. M. 78, per April = Mai78 1 / 2. Tendenz: fest. -- Rüböl lauf. M. 28 3 / 4, per Sept. = Oct. 28 23 / 24. Tendenz: fest. --〈…〉〈…〉 Spirirus: loco eff. 17 Thlr. 6 Sgr., lauf. M. 17 Thlr. 17 Sgr., per April = Mai 17 Thlr. 22 Sgr., per Mai = Juni 17 Thlr. 24 Sgr. Tendenz: fest.

Köln, 9 März. Productenmarkt. Weizen eff. hiesiger8 2 / 3 Thlr., fremder8 1 / 6 Thlr., per April 7 Thlr. 29 1 / 2 Sgr., per Mai 8 Thlr. 7 1 / 2 Sgr., per Juni 8 Thlr. 10 Sgr., per Juli 8 Thlr. 11 Sgr. Tendenz: niedriger. -- Roggen eff. 6 2 / 3 Thlr., per April 6 Thlr. 7 Sgr., per Mai 6 Thlr. 9 Sgr., per Juni 6 Thlr. 10 1 / 2 Sgr. Tendenz: niedriger. -- Rüböl eff. 15 9 / 10 Thlr., per Mai15 6 / 10 Thlr., per Oct. 15 Thlr. Tendenz: fest. -- Leinöl per 100 Pfd. 12 1 / 4 Thlr. Wetter: schön.

* Frankfurt a. M., 9 März. Eröffnungscurse. Oesterr. Creditactien 245 3 / 4; Staatsbahn370 1 / 4; 1860er L. --; 1882er Amerikaner96 7 / 8; Lom - barden 166 3 / 4; Galizier 237. Fest.

* Frankfurt a. M., 9 März. Schlußcurce: Bayer. 5proc. Anl. v. 1870 99 45 / 46; bayer. 4 1 / 2 proc. Anl. 96 1 / 2; 4proc. bayer. Präm. = Anl. 107 1 / 2; 4 1 / 2 proc. bayer. Ostbahn 128; neue Emission111 1 / 4; mit 15 Procent Einz. 111 3 / 8; 4proc. Alsenzbahn92 1 / 4; 4proc. bad. Prämien = Anl. 108; 1882er Amerikaner96 3 / 4; österr. Silberrente55 5 / 8; Papierrente47 7 / 8; 1860er L.77 7 / 8; 1864er L.117 1 / 2; Bankactien 694; Creditactien246 1 / 4; Lombarden 167; österr. = franz. Staatsbahn 369 3 / 4; Köln = Mindener Loose96 1 / 2; Galizier --; Elisabeth209 1 / 2; Franz = Joseph - Bahn 77 3 / 8; Rudolfsbahn72 3 / 8; Ungarn. Ostbahn67 3 / 4; 3proc. Span. 29 7 / 8; Napoleons 9 27. Wechsel: London119 5 / 8; Paris94 3 / 8; Wien95 1 / 2 Tendenz: fest.

* Frankfurt a. M., 9 März. Nachbörse. Creditactien246 1 / 4; Staats - bahn 370; 1860er L. --; 1882er Amerikaner96 11 / 16; Lombarden --: Silber - rente --; Galizier 237; Elisabeth --; Spanier --. Still. Officiell schlossen junge volle Ostbahn 112 1 / 4

* Frankfurt a. M., 9 März. Abend = Effectensocietät: 1882er Amerikaner 96 5 / 8; 1885er --; Silberrente --; 1860er L. --; 1864er L. --; Credit - actien 245; Lombarden165 1 / 4; Staatsbahn368 1 / 4; Galizier --; 3proc. span. ausl. Schuld --. Tendenz: matt.

* Frankfurt a. M., 9 März. Die neue russische fundirte 5proc. Anleihe im Betrag von 12 Mill. Pf. St. wird vom 9 bis 14 März zur Sub - scription aufgelegt, die bei Vollzeichnung schon früher geschlossen werden kann. Zeichnungen nehmen die Rothschild'schen Häuser in London und Frankfurt a. M., Lambert in Brüssel und Bleichröder in Berlin an. Der Emissionspreis ist81 1 / 2. Die erste Ziehung al pari findet am 1 März 1873 statt.

* Wien, 9 März. Schlußcurse: Silberrente 68.10; Papierrente 58.45; 1860er L. 95 70; 1864er L. 122.40; Bankactien 725; Creditactien 258.30; Lombarden 175 50; Staatsbahn 388; Anglo = Austrian 224.20; Franco = Austrian 102.80; Galizier 249; Franz = Joseph 191.50; Prior. 94.60; Rudolf 161.50; Prior. 89.30; Elisabeth 221; Napoleons 9.89 1 / 2. Wechsel: Augsburg 103.35; Frankfurt 103.70; London 124 20. Tendenz: matter.

* Wien, 9 März. Abend = Privatverkehr: Creditactien 258.60; 1860er L. 95.70; 1864er L. 122 40; Staatsbahn 388.50; Lombarden 175. 80 ; Napoleons 9.89; Papierrente 58.45;〈…〉〈…〉 Franco = Austrian 103; Auglo = Austrian 225; Galizier 256 Fest.

London, 9 März. Börse: 3proc. Consols91 5 / 8; 5proc. Türken42 1 / 4; 1882er Amerikaner 92; 5proc. Jtaliener53 5 / 8; Lombarden14 1 / 4; 3proc. Spanier 29 3 / 4. Neue russische Anleihe unbeliebt.

Liverpool, 9 März. Baumwollenbericht. Tagesumsatz 12,000 B. Tagesimport 14,000 B. Stimmung: stetiger.

〈…〉〈…〉 Antwerpen, 9 März. Petroleummarlt. loco50 1 / 2; per März50 1 / 2; per April 52.

New = York, 9 März. Per Kabel. Gold, Schlußcurs111 1 / 8; Wechsel per London109 3 / 4; 1882er Bonds112 1 / 2; 1885er Bonds111 1 / 8; Eric = Actien 21 3 / 4; Jllinois133 1 / 2; Baumwolle14 3 / 4; Petroleum 25.

* New = York, 9 März. Goldagio111 1 / 8; Wechsel in Gold109 3 / 4; 1882er Bonds112 1 / 2; 1885er112 1 / 2; 1904er109 1 / 4; Baumwolle14 3 / 4; Petro - leum in Philadelphia 24 1 / 4.

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TextAllgemeine Zeitung
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Institut für Deutsche Sprache, MannheimNote: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription Peter FankhauserNote: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format. CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationAllgemeine Zeitung Nr. 69 . Augsburg (Bayern)1871.

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LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; mkhz1

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Die Transkription erfolgte manuell im Double-Keying-Verfahren. Die Annotation folgt den formulierten Richtlinien.Besonderheiten der Transkription: Bogensignaturen: nicht übernommen.Druckfehler: ignoriert.fremdsprachliches Material: nur Fremdskripte gekennzeichnet.Kolumnentitel: nicht übernommen.Kustoden: nicht übernommen.langes s (?): in Frakturschrift als s transkribiert, in Antiquaschrift beibehalten.rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert.Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert.Vollständigkeit: vollständig erfasst.Zeichensetzung: DTABf-getreu.

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