PRIMS Full-text transcription (HTML)
Allgemeine Zeitung.
Nr. 72.
Augsburg, Montag, 13 März 1871. Verlag der J. G. Cotta 'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen.

Montags erscheint nur ein Blatt.

Uebersicht.

Zur moralischen Rückeroberung des Elsaßes. -- Das Französische im neuen deutschen Reich. (I. Schluß.)

Neueste Posten. München: Ordensverleihung. Audienzen. Trauergottesdienst. Das Cultusministerium. Wilhelmshöhe: Protest des Exkaisers. Bern: Die Rückkehr der internirten Franzosen. Störung des deutschen Friedensfestes in Zürich. Aufhebung der Vieh - sperre. Ueberbrückung des Rheins. Kriegsgericht. Zürich: Franzosen - Putsch gegen eine deutsche Friedensfeier. London: Aus dem Unter - haus. Bordeaux: Aus der Nationalversammlung. Rom: Graf Tauffkirchen. -- Verschiedenes. -- Jndustrie, Handel und Verkehr.

Telegraphische Berichte.

* Berlin, 11 März. Die Nordd. Allg. Ztg. erfährt: Die Auf - stellung der Armee während der nächsten Occupationsphase ist derart ge - ordnet, daß von der untern Seine, wo die erste Armee verbleibt, sich die übrigen Armeen ununterbrochen aneinanderschließen bis Dijon hin, wo die Linie durch die Südarmee geschlossen wird. Das zur Südarmee ge - hörige vierzehnte Armeecorps wird nächstens aufgelöst, und dafür das fünfte Armeecorps der Südarmee beigegeben. Das Centrum der Auf - stellung bilden die Maasarmee, die dritte Armee, woran sich etwa beim Einfluß der Aube in die Seine die zweite Armee anschließt. Es ist bereits Befehl ertheilt die Landwehren sowohl aus dem Corpsverband als aus den Garnisonen unverzüglich in die Heimath zu entlassen. Die den an Deutschland abgetretenen Landestheilen angehörenden Kriegsgefangenen, welche im bisherigen Jnternirungsort zu verbleiben wün - schen, werden sofort in Freiheit gesetzt; diejenigen welche sich in die Hei - math begeben wollen, sollen so behandelt werden wie auf Revers entlassene Officiere. Diejenigen die in französischen Kriegsdiensten verbleiben wollen, werden wie andere Kriegsgefangene lediglich nach Maßgabe des Friedens - vertrags behandelt.

(*) Berlin, 11 März. Dem Vernehmen nach ist die Demobili - sirung der Garnisonsbataillone und interimistischen Besatzungstruppen, sowie die Desarmirung der Festungen und Küstenbefestigungen bereits an - geordnet. Es heißt: nach Durchführung der Demobilisirung der gesamm - ten Armee werde beabsichtigt die ältesten Jahrgänge der Landwehr zum Landsturm überzuführen.

(*) Roubaix, 11 März. Die Arbeitseinstellung hat zugenommen. Jm Arbeiterviertel finden Zusammenrottungen statt. Der Generalprocu - rator ist angekommen. Mehrere Personen sind gerichtlich verurtheilt wor - den. Man befürchtet Unruhen.

Weitere Telegramme siehe fünfte Seite.

Zur moralischen Rückeroberung des Elsaßes.

Straßburg, 4 März. Von der moralischen Rückeroberung des Elsaßes ist jetzt in der deutschen Presse so vielfach die Rede, daß es vielleicht von Jnteresse sein dürfte über diesen sehr wichtigen Gegenstand eine Stimme aus dem Elsaß selbst zu vernehmen. Vorausschicken müssen wir hiebei daß wir zu denjenigen Elsäßern gehören die sich von Herzen darüber freuen daß Elsaß nun wiederum zu seiner ursprünglichen Stam - mesart zurückkehrt und seinen deutschen Charakter wieder gewinnen soll, welchen es sich durch eine mehr denn zweihundertjährige französische Herr - schaft hindurch großentheils zu wahren gewußt hat. Diese Erklärung möge uns zugleich zur Entschuldigung dienen wenn wir in folgendem vielleicht manches werden sagen müssen was Fernstehenden auffallend oder zu scharf erscheinen möchte. Jmmerhin wird jeder billig Denkende zu - geben müssen daß in elsäßischen Angelegenheiten es allererst den Elsäßern zusteht mitzureden und mitzuurtheilen.

Moralische Eroberungen sind, wie jedermann weiß, nicht immer so leicht wie materielle Eroberungen. Nun hat Deutschland sieben Monate eines furchtbaren Kriegs bedurft um Frankreich zwei Provinzen abzuringen deren Einwohner in großer Mehrzahl nicht das geringste Gefallen dar - an haben von Deutschland annectirt zu werden. Wer wollte untersolchen Umständen sich einbilden: es könnten, wie das Land, so auch die Herzen von Elsaß = Lothringen binnen einigen Monaten oder nur innerhalb eines oder zweier Jahre erobert werden? Geht doch jede moralische Er - oberung langsam von statten, und sie will, wenn sie anders gedeihlich und von Dauer sein soll, mit großer Schonung in Angriff genommen werden. Ein Venetien möchte und soll auch hoffentlich Deutschland an Elsaß = Loth - ringen nicht haben; darum gilt es auch jetzt den Weg nicht zu verfehlen und die richtigen Maßregeln zu treffen.

Wenn wir nun zuvörderst von den materiellen Jnteressen reden, die ja leider bei der Masse eines Volkes immer in erster Linie stehen, so müssen wir sagen daß dieselben für unser Land sehr berücksichtigt zu werden scheinen. Deutsche Zeitungen haben schon vielfach unsern Bauern die Vortheile an - gepriesen die ihnen durch das deutsche Steuerwesen, durch die künftige Selbstverwaltung der Gemeindegüter, durch freigewählte Municipalitäten u. s. w. zufließen werden. Daß auch auf unsern Handel und die so bedeu - tende Jndustrie des Elsaßes beim Friedensschluß gebührende Rücksicht ge - nommen werden wird, dürfen wir ebenfalls, nach allem was bisher ver - lautete, zuversichtlich hoffen. Bauern und Jndustrielle mögen sich also wohlberechtigten guten Hoffnungen hingeben, und sie werden es um so lieber thun als wir bisher, obschon unser Land nicht bloß besetzt, sondern bereits in der Reorganisation begriffen ist, in materieller Beziehung gar sehr wenig geschont wurden. Hatten wir doch, zufolge officiöser Nachrich - ten aus Versailles, bis vor acht Tagen geglaubt wir würden ohne Kriegs - steuern zu zahlen an Deutschland übergehen, da fiel uns plötzlich wie ein Blitz aus heiterm Himmel die Kopfsteuer von 25 Francs zu! Welch schlim - men Eindruck diese Maßregel auf unsere ganze Bevölkerung machte läßt sich leicht errathen, und wir würden darüber uns sehr beklagen, wenn nicht heute erst aus dem Hauptquartier die Nachricht eingetroffen wäre daß fortan keinerlei Contributionen mehr bei uns sollen erhoben werden, was natürlich die Aufhebung auch dieser Kopfsteuer bedeutet. Daß aber Elsaß - Lothringen bisher nicht geschont worden, das bezeugte neulich selbst ein Corre - spondent der Allg. Z., der offen erklärte: Wir haben eben bisher noch nichts gethan um den Elsäßern zu zeigen daß uns an ihnen etwas gelegen sei. Wie viel materiellen Gewinn unser Land durch seinen Uebergang an Deutschland davon tragen wird, darüber wird uns die nächste Zukunft belehren.

Fassen wir nun weiter den moralischen und socialen Charakter unsres Volkslebens ins Auge, und fragen wir: Wie soll auf diesem Gebiete die moralische Rückeroberung zu Stande kommen? Vorschläge genug die hierüber bis jetzt zu Tage gefördert worden, wären hier des längern zu erörtern; wir wollen uns jedoch für heut auf einige Bemerkungen beschrän - ken. Und zwar müssen wir vor allen Dingen aussprechen wie schmerzlich es uns berührt hat zu sehen daß manche deutsche Blätter den moralischen und socialen Charakter der Elsäßer so tief herabgesetzt haben. Dieß konnte nur geschehen entweder aus Unkenntniß -- aber dann hätte man sich erst eines bessern belehren sollen -- oder aus besonderer Absicht; man habe es nämlich, wie etliche meinen, darauf abgesehen überall recht viele Schä - den und Mäkel herauszufinden, um dem gegenüber die Vorzüge des deut - schen Charakters und des deutschen Volkslebens um so höher zu erheben; aber solches Verfahren würde weder von politischer Klugheit zeugen, noch wäre es ein moralisch zu rechtfertigendes. Es ist eben keine leichte Sache einen nationalen Charakter zu kennen und zu beurtheilen, dazu gehört eine lange vieljährige Erfahrung, welche wohl die allerwenigsten derjenigen be - sitzen die jetzt kurzweg über unsern Charakter und unsere Verhältnisse aburtheilen.

Vergesse man doch ja nicht daß Elsaß und Lothringen, obschon seit zwei Jahrhunderten unter französischem Einfluß stehend, es dennoch ver - mocht haben sehr vieles von ihrem deutschen Charakter zu wahren. Spräche dieß nicht etwa zu ihren Gunsten? Läge darin nicht ein Beweis von Energie, von Charakterstolz, von großer Lebensfähigkeit? Trotz der vielen verderblichen Einflüsse, trotz der immer mehr rein französisch werdenden1218höhern Bildung, trotz Handel und Jndustrie, welche, seit 20 Jahren beson - ders, eine immer stetigere und tiefergehende Verbindung mit dem inneren Frankreich bewerkstelligten -- trotz alldem sind die Elsäßer dennoch Elsäßer geblieben, und bei Unzähligen unter ihnen ist noch ein, wenn auch schlum - merndes oder etwas verschüttetes, elsäßisches Nationalbewußtsein vorhan - den. Jedoch das immer zunehmende Aufdrängen des französischen Ele - ments, die Beamten und die Jndustrie einerseits, die Volksschule andrer - seits, drohten dasselbe mehr und mehr zu verwischen, und vielleicht wäre es ihnen gelungen es innerhalb 50 oder 60 Jahren vollständig zu vernichten.

Da nun Frankreich durch eine höhere Fügung von diesem seinem Werk der Umbildung des Elsaßes so unversehens vertrieben worden ist, sollte man von deutscher Seite eben dasselbe Verfahren aufnehmen wollen um ebenso schnell, oder schneller noch als die französische Administration ge - than, uns nun ein deutsches Gepräge zu geben? Eine moralische Rück - eroberung nach französischem Schnitt und Muster hatten wir uns bisher von Seiten Deutschlands nicht als möglich gedacht, wollen auch heute noch nicht an eine derartige glauben, trotz mancher höchst romanisch (aber gar nicht romantisch) aussehenden Reorganisationsplane, die bereits in der deutschen Presse auftauchen. Da einige dieser Vorschläge von solchen aus - gehen die sich, allem Anschein nach, das Studium unsers Volks zu ihrer Aufgabe gesetzt haben, und als Resultat ihrer Arbeit nun diese Organisa - tionsplane vorlegen, so achten wir es für unsere Pflicht im Jnteresse des Elsaßes ebenso wie Deutschlands einen dieser Vorschläge, der wohl mit zu den bedeutendsten gehört, etwas näher zu beleuchten. Die Leser der Allg. Ztg. haben ihn erst dieser Tage unter Augen gehabt: wir meinen näm - lich die eben erschienenen Aufsätze Die Uebergangszeit für Elsaß = Loth - ringen. Von Franz v. Löher, dessen Urtheil uns in mancher Beziehung recht erfreut hat, mit dessen Schlußfolgerungen wir aber nicht überein - stimmen können.

Jm Anfang seiner Arbeit gesteht Hr. v. Löher gerne zu daß das Her - ausreißen aus dem französischen Staatskörper schmerzhaft für uns El - säßer sein müsse, da wir ja nicht erst seit Jahrzehnten, sondern seit Jahr - hunderten an denselben herangewachsen sind. Welche Mittel empfiehlt er nun, nicht bloß um dieses schmerzhafte Herausreißen zu bewerkstelligen, sondern auch um uns -- worauf es natürlich eine verständige Regierung vor allem absehen muß -- für Deutschland wieder zu gewinnen? Jm großen und ganzen sind es eben die französischen (wo nicht schlimmeren) Maßregeln welche der geehrte Verfasser anräth: Verdrängung des localen und nationalen Elementes und Geistes, um dieselben durch deutsche zu er - setzen. Er bedenkt nicht hinreichend daß in der Tiefe dieses Volkes, das er doch zu studieren sich bemüht hat, ein nationaler Charakter und Volks - geist vorliegt, der nur geweckt, angefacht und neu belebt werden will um wieder zu erstarken, der aber nicht durch Aufdrängung eines ihm noch zu remden Geistes erdrückt werden darf. Oder meint man vielleicht es gebe keinen elsäßischen Geist, keinen elsäßischen Volkscharakter mehr? Wären wir solche Bastarde geworden die bereits alles Eigenthümliche, alles Selb - ständige verloren haben? Daß dem nicht so sei, weiß Hr. v. Löher selbst am besten, denn er sagt ganz richtig: Die Deutschen im Elsaß haben einst hochherzig im Reformationsringen, tapfer für die französische Revolu - tion mitgestritten; sie werden auch tüchtige und gescheidte Kämpfer für die neuen Aufgaben der deutschen Nation ins Feld stellen.

An den beiden großen Kämpfen der neuern Zeit, an der Reformation und an der Revolution von 1789, haben die Elsäßer einen redlichen, ehren - haften Antheil genommen, und das ist es gerade was ihnen ihr protestanti - sches, ihr demokratisches Gepräge gegeben hat. Frankreich hat dieß wohl gewußt, zu Zeiten auch hochgeschätzt, und Deutschland sollte es nie verges - sen. Man sollte sich jenseit des Rheins wohl überzeugen daß wir unsern Charakter, unsern eigenthümlichen Geist haben und behalten werden; daß von jenen edlen Errungenschaften der Revolution von 1789 sehr vieles in unser Denken und Leben übergegangen ist was uns nimmermehr kann entrissen werden. Es will uns sogar bedünken Deutschland sollte sich hierüber freuen, diese unsere Eigenthümlichkeit schützen und pflegen und vielleicht sogar etwas daran lernen. Weiß doch jedermann daß ge - rade dieses Bestehenlassen der Eigenthümlichkeiten, dieser unverwüst - liche Particularismus, zum großen Theil bisher Deutschlands Kraft und Vorzug gewesen ist; wir unsrerseits gestehen auch gerne daß die zu hoffende Wahrung dieser unserer Eigenthümlichkeit uns die Rückkehr zur ursprünglichen Heimath um so leichter und um so wünschenswerther ge - macht hat. Konnte bisher ein westfälischer Preuße sagen: Jch bin erst Westfale, dann Preuße; warum sollten auch wir fortan nicht mit Recht sagen können: Jch bin erst Elsäßer, dann Deutscher?

Vieles haben deutsche Beobachter an uns schon herausgesehen; eines aber scheinen sie immer zu übersehen oder doch gleich wieder zu vergessen daß nämlich ein Volk welch es seit zweihundert oder doch seit hundert Jahren mit französischem Geist getränkt worden, nicht so leichtweg kann ger - manisirt werden; daß man es nicht mit deutschem Wesen überschütten, noch es, wie Hr. v. Löher anräth, gleichsam kopfüber in ein reinigendes und stärkendes Bad stürzen darf. Daß im deutschen Geist und Leben für uns viel reinigendes und stärkendes liege, ist unsere tiefste Ueberzeugung; aber mit Sturzbad = Experimenten möge man uns gütigst verschonen. Wir waren eben daran in einem solchen Bad, dem französischen, zu ertrinken -- sollen wir nun zur Erholung im deutschen ersäuft werden? Kann man etwa einen Volkscharakter umschaffen wie man Eisen umgießt? Nein, Elsaß ist, wie gesagt, ein ursprünglich protestantisches und seinem Charakter nach demokratisches Volk. Bei dieser seiner Eigenthümlichkeit möge man das - selbe belassen, ihm nach Kräften wieder dazu verhelfen, und man wird da - mit uns und Deutschland größere Dienste leisten als wenn man uns nun o hoch den Glanz und die Macht des wiedererstandenen deutschen Reichs anpreist. Von den Elsäßern darf man, wie uns scheint, nicht verlangen daß sie gerade jetzt für ein Kaiserreich sich sehr begeistern. Wohl wissen wir daß das deutsche Reich eine ganz andere, solidere Grundlage hat als die Reiche die wir schon in diesem Jahrhundert haben zusammenbrechen sehen, und wir wünschen demselben von Herzen viel Heil und Gedeihen Deutschland wird aber wohl begreifen daß die Masse der Elsäßer zu dieser Stunde noch nicht den dermaligen deutschen Reichsenthusiasmus zu thei - len vermöge. Wissen wir doch daß auch das deutsche Reich zukünftig zwei mächtige Feinde zu bekämpfen haben wird, nämlich die Socialrevolution einerseits und andrerseits den Ultramontanismus, welche beide für den Augenblick durch den Kriegslärm etwas niedergehalten sind, aber ihre Ar - beit in der Stille fortsetzen, und bei gelegener Zeit ihr drohendes Haupt er - heben werden. Daß also das deutsche Reich als solches die Elsäßer nicht im voraus bezaubere oder blende, möge man ihnen für den Augenblick zu gut halten. Will aber Deutschland die Elsäßer zu treuen Gliedern des Reichs heranbilden, so möge es jetzt besonders sich schonend beweisen in Betreff unserer Rechte, unserer Jnteressen, alles dessen überhaupt was man unsere Eigenthümlichkeiten nennt.

Diese gebührende und berechtigte Schonung scheint uns nun Hr. v. Löher nicht zu beobachten wenn er z. B. folgendes schreibt: Nicht bloß für Normalschulen in welchen Schullehrer erst heranzubilden sondern auch für die Besetzung zahlloser Volksschulen in den Städten und auf dem Lande muß man tüchtige Lehrer aus Deutschland heranziehen, und dabei keine Summen sparen. Ohne alle Schonung sind die Schulmeister abzusetzen welche sich von der frühern Regierung brauchen ließen die Kinder um ihre Muttersprache zu bringen. Hierauf antworten wir einfach: daß in solchem Fall nicht bloß zahllose Lehrer, sondern alle ohne Ausnahme, von Mülhausen bis Weißenburg, abzusetzen wären; ihnen allen wäre ihre Entlassung zu geben, aus dem einfachen Grunde weil sie früher ihrer Re - gierung unterthan und, sich unter die gegebenen Verhältnisse fügend, die - jenige Sprache lehrten welche sie von Gott und Rechtswegen -- mit saurer Arbeit und oft mit schwerem Herzen -- zu lehren verpflichtet waren. Und das wäre nun ihr Lohn! Der geneigte Leser möge urtheilen.

Ferner meint Hr. v. Löher: Eine Herbeiziehung vieler deutschen Professoren für Universität, Gymnasien, polytechnische und andere höhere und mittlere Lehranstalten wird sich nicht vermeiden lassen .... Auch mit der Anstellung deutscher Beamten sollte in keinem Zweige der Verwal - tung gespart werden. Je mehr da sind, desto stärker ist ihr Zusammen - halt .... Die Niederlassung von industriellen Guts = und Hofbesitzern, großen und kleinen Gewerbsleuten, aller die aus Deutschland kommen werden, finde möglichste Begünstigung .... Wissenschaftlich gebildete Aerzte und Apotheker werden vieler Orten eine Wohlthat sein .... Ent - werfen wir uns demnach ein Bild des zukünftigen Standes der Dinge im Elsaß. Das Beamtenpersonal wäre deutsch; die Professoren in hohen und mittlern Schulen der Mehrzahl nach deutsch; die Schullehrer zahllos -- wo nicht sämmtliche -- deutsch; Aerzte und Apotheker, Jndustrielle und Gutsbesitzer möglichst viele eingewandert. Lasse man nun noch ge - schehen was neulich von anderer Seite vorgeschlagen wurde, daß auch die Notare, Anwälte u. s. w., deren Stellen bisher käuflich gewesen, zur Aus - wanderung gedrängt würden, so wäre gewiß die Umgestaltung der Dinge eine vollständige. Von eigentlichen Elsäßern aber blieben im Lande nur noch die Bauern, und von einer Uebergangszeit für Elsaß = Lothringen brauchte überhaupt nicht mehr geredet zu werden. Wir bitten haher in - ständig: man gebe uns des Guten nicht zu viel. Allzu viel ist ungesund, und könnte möglicherweise recht schlimme Folgen haben.

Daß die obersten Stellen unseres ganzen staatlichen Organismus und insbesondere der weit ausgedehnte Beamtendienst fast ausschließlich von deutschen Kräften besetzt werden müssen, versteht sich ja von selbst; daß auch im höhern, mittlern und niedern Unterricht deutsche Lehrer vorzügliche Dienste zu leisten berufen sind, ist wiederum offenbar; auch in Handel und Jndustrie werden die nicht ausbleibenden Lücken von Deutschland her1219wieder besetzt werden -- dieß alles geben wir gern zu, und wünschen es auch. Aber eine Masseneinwanderung von Lehrern oder andrerseits eine Vertreibung von Notaren, Anwälten oder überhaupt irgendwelcher elsä - ßischer Angestellten, wo dieß nicht absolut und für den Augenblick dringend nöthig ist, wäre gewiß eine höchst unkluge Maßregel, die auch sicherlich ihres Zweckes verfehlen würde. Statt die Elsäßer zur Auswanderung zu drängen, sollte man, däucht uns, darauf bedacht sein dieselben im Lande zu halten um auf sie einzuwirken, und somit ein rechtes elsäßisches Volk heranzubilden. Leicht mag man viele, besonders in der ersten Zeit der Umgestaltung, zur Auswanderung drängen; doch erwarte man hievon keine großen Segnungen. Es werden ja von selbst alle eigentlichen Franzosen abgehen oder wegziehen müssen; zwänge man aber auch Elsäßer zum Abzug ins innere Frankreich, so würden gewiß sehr viele derselben ihre Familien, Freunde und Verwandten hinterlassen, die nicht wegziehen können oder nicht wollen, die aber jedenfalls einen langjährigen Groll in ihrem Herzen be - wahren würden über die an den Jhrigen geschehene Vergewaltigung. Die einfache politische Klugheit scheint uns somit ein ganz anderes Verfahren an die Hand zu geben als dasjenige welches man bisher vielfach zu beab - sichtigen scheint.

Welches Urtheil vom moralischen Standpunkt aus über vergewalti - gende Maßregeln zu fällen wäre, und gefällt werden würde, wollen wir für heute dahingestellt sein lassen. Wir leben immer noch der Ueberzeu - gung daß, in Betreff der moralischen Rückeroberung des Elsaßes, Deutsch - land auch die moralischen Mittel obenan stellen und eine ebenso verständige als wohlthuende allmähliche Umwandlung des Elsaßes herbeiführen wird. Wenn Hr. v. Löher seinen Aufsatz schließt mit den Worten: Das deutsche Reich steigt wieder empor in alter Macht und Herrlichkeit, und es sollte nicht zwei seiner edelsten Glieder mit tausend Banden wieder an sich reißen auf immerdar? so erlauben wir uns an diesem Satz nur einige Worte zu ändern, und schließen unsrerseits mit der Frage: Sollte das wieder erstan - dene deutsche Reich es nicht vermögen zwei seiner edelsten Glieder für sich zu gewinnen auf immerdar? Wir hoffen zuversichtlich daß Deutschland dieß thun könne, und auch thun werde.

Das Französische im neuen Deutschen Reich. I. (Schluß.)

H. S. Unter den am östlichen Wasgen = Abhang gesprochenen französischen Mundarten haben wir nur über eine, die des Steinthals, franz. Ban de la Roche, ausführliche, freilich nun fast ein Jahrhundert alte Mittheilung. Sie rührt von dem bekannten Elsäßer Gelehrten Jeremias Jakob Oberlin (1735 -- 1806) her, dessen wohl noch bekannterer Bruder Johann Friedrich im Steinthal Pfarrer war und sich um die Civilisation desselben sehr ver - dient machte. Der Essai sur le patois lorrain des environs du comté du Ban de la Roche (Straßburg 1775) ist dem Göttinger Schlözer ge - widmet, auf dessen Veranlassung er veröffentlicht wurde: Vous jugiez, qu'il seroit avantageux que l'on fît des recherches ultérieures sur le Patois en général, et sur celui de ces contrées en particulier, et que pour cet effet on imprimât en attendant ce petit essai. Mit derselben Genugthuung mit welcher wir diese deutsche Anregung französi - scher Dialektstudien constatiren, lesen wir die Verse am Schlusse der Wid - mung, die uns freilich aus dem Mund eines zu annectirenden Elsäßers oder Lothringers noch willkommener klingen würden:Vos a trop bi-n è vote aise;On n'a mi dchî nos, Biai Sire, ne vos depiaise,Asi bi-n, qu'on a dchî vos.

Das heißt wörtlich:Vous êtes trop bien à votre aise;On n'est pas (mica) chez nous, Beau (Mon) sieur, ne vous déplaise,Aussi bien, qu'on est chez vous.

Von demselben Oberlin erschien 1791 zu Straßburg: Observations concernant le patois et les mœurs des gens de la campagne.

Die Mundart von Lapoutroie (Weißthal) soll sehr sowohl vom Loth - ringischen überhaupt als auch gerade vom Steinthalischen abweichen, und nach französischem Urtheil am meisten an das alte Keltisch erinnern.

Wir gedenken im Vorbeigehen der lexikographischen Arbeiten die sich auf andere Lothringer Mundarten beziehen, nämlich der von Cordier für das Departement der Meuse und der von Richard für das Departement der Vosges, und auch speciell für den Ort Dommartin bei Remiremont.

Das Franc = Comtois nähert sich, indem es die Gränzen des Elsaßes überschreitet, dem Lothringischen sehr an, ja eine uns vorliegende Sprach - probe aus der Altkircher Gegend (sic! ) zeigt sogar mehr charakteristische Merkmale der letzteren. Es fehlt uns, um ein sicheres Urtheil zu fällen, an Stoff; Fallots Untersuchungen über die Patois der Franche = Comt é, Lothringens und des Elsaßes (Montbéliard 1828) würden wohl Aufklä - rung geben.

Es ist also das Lothringische welches über Mosel und Wasgen her - über seine Zweige in das neue Deutsche Reich streckt. Die Repräsentanten desselben, das Metzische und das Steinthalische, locken den Linguisten durch manche besondere Reize an, und zwar dieses noch weit mehr als jenes, da es den Endpunkt eines längeren Radius bezeichnet. Denn daß es im Ge - birge versteckt und gegen den Westwind geschützt liegt, das getraue ich mir nicht in Anschlag zu bringen. Würde doch ein Franzose der auf einer Reise von Metz nach dem Steinthal den zunehmenden Barbarismus stü - dierte, in Lunéville aus den Klängen des Patois so ziemlich richtig die Halbwegsentfernung vom Steinthal heraushören. Wir können uns hier auf eine Charakteristik beider Mundarten weder in ihrem Verhältniß zu einander noch zur Schriftsprache einlassen; eine solche Charakteristik ist ein schwieriges Ding, sie ist, dem Namen zum Trotz, nicht in wenige Worte zu - sammenzufassen und, was das schlimmste, sie ist, da sie sich fast ausschließlich innerhalb der Lautlehre zu halten hat, für den nicht völlig Eingeweihten trocken und langweilig. Doch wollen wir wenigstens dem deutschen Chauvin zu seiner Freude mittheilen daß, welche Einwendungen auch immer die französischen Reichsbrüder gegen das neue Regiment erheben mögen, eine ihnen abgeschnitten bleibt, nämlich die: es sei ihnen unmöglich deutsches h und ch auszusprechen. Wer rah on für raison, dom 'h alle (Magd) für demoiselle, ch pâle für épaule, lai ch i für laisser sagt, der ist des Rechtes -- ledig die Rauhheit der anderen Sprache unter die Gründe na - tionaler Antipathie einzureihen. Solche antiromanische Aspirationen kennzeichnen den größten Theil der Westgränze des Französischen, und es scheint fast, als ob nicht nur in den Gemüthern, sondern auch in der Sprache die Hoch, Hussahs, Hallohs, Haidiridohs (s. Scheffel) unserer Vorfahren, die also fast Sprachpioniere gewesen wären, einigen Eindruck hinterlassen hätten.

Jn der Conjugation haben die communistischen Jdeen der Franzosen eine merkwürdige, ich weiß nicht, soll ich sagen Verwirrung oder Verein - fachung bewirkt. Zunächst werden die Personen verwechselt, zwar nicht das Mein und Dein -- aber was eigentlich gerade so schlimm ist -- das Mein und Unser: durch ganz Frankreich sagt das Volk j'avons für nous avons (selten kommt j'avons für j'ai vor). Dann, und dieß ist wenigstens im Norden allgemein gäng und gäbe, wird der Besitzstand der Personen ver - wechselt oder vielmehr Gemeingut: durch alle drei Personen des Plural heißt es z. B. dje, vos, il -- aimine (nous aimions, vous aimiez, ils aimaient). Das stolze Gebäude der lateinischen Conjugation, welches, trotz Stützen und Klammern, als da sind Personalpronomina und Hülfs - zeitwörter, mehr und mehr verfallen ist, bietet hier nicht einmal den An - blick einer malerischen Ruine dar; der praktische Geist ist wie mit einem Hobel darüber hingefahren, und nur selten wird das Auge für den Verlust antiker Säulencapitelle und Giebelschmucks durch einen mittelalterlichen Kragstein oder Dachrinnenausguß, wie que dje finisseusse (finisse) oder que j 'euïecince (eussions), einigermaßen entschädigt. Aber da wir hier Linguistik noch ein wenig im Sinne des preußischen Landwehrmannes Kutschke treiben, so haben wir vor allen Dingen nach heimischen Wörtern umherzuhorchen. Jn bedeutender Anzahl begegnen uns solche im Steinthal. So tritt uns verschiedenes Geflügel und Gewürm unter deutschen Namen entgegen: chtork, Storch, ch patz, Spatz, chnidre, ch nadrelle, Eidechse* )Umgekehrt hat der Straßburger aus franz. lézard, ganz als ob dieß la zard wäre, Jungfer Sara gemacht. D. E. (heißt diese in irgendeiner Mundart Schneider, Schneiderlein? ), chnôque, Schnake, hoèrnat, Horniß, roupe, Raupe, voueindel, Wanze (im älteren Hochdeutsch auch Wentel aus ursprünglichem wantlus, Wandlaus, woher die Romanen von Enneberg und Abtei in Tirol ihr antlus haben). Dann eine ganze Reihe von andern Substantiven, meist concreter Bedeutung: bouoch a, Buche, buôbe, Bube, ch litte, Schlitten, ch nitses, Schnitze, ch tande de beurre, Butterstand, ch uèbe, Schwefel, h auoue, Haue, hoffe, Hof, keubli, Kübler, quoetches, Zwetschen (mundartl. Quetschen), uouermeute, Wermuth, vouâle, Wahl. Viele Zeitwörter: cheltè, schel - ten, s' ch uttlè, sich schütteln, erfârè, erfahren, færbè, färben, grodè, ge - rathen, kiélè, kühlen. Wenig Adjectiva: kiatte, glatt, vouonderli, wun - derlich. Sogar eine untrennbare Präposition in f'rcontè, sich ver -- zählen, welches ein merkwürdiger Fall internationaler Wortehe ist. Jn Luneville neben aïe auch ïo, ja. Manche Wörter die Deutschen und Franzosen ge - meinsam sind tragen deutsche Uniform; so crappe, Krippe (crèche), Chtrosebourgue, Straßburg (Strasbourg), Ch uitze, Schweizer (Suisse), oryelles, Orgel (orgues). Und wie heimeln uns nicht an Baerbele, Bärbel, Haïrie, Heiri, Ouali, Uli, Yéry, Joerg! Setzte sich diese thal - aufwärts gerichtete Wanderung deutscher Wörter unablässig fort, so würden die Steinthaler schließlich in die gleiche Lage kommen wie ein gewisser Völkerstamm Südamerika's im vorigen Jahrhundert.

Derselbe entdeckte nämlich eines Tags daß alle Wörter deren er sich bediente spanisch seien, und ihm von der alten Sprache weiter nichts als1220die Grammatik geblieben sei, daß er also rufen konnte: Alles verloren, nur die Ehre nicht. Aber deßhalb darf man nicht zu voreilig diese frem - den Elemente im Patois als die siegreichen Spitzen des feindlichen Heeres betrachten; könnten sie nicht auch abgeschnittene und gefangene Heeres - massen, nicht auch Deserteure bedeuten? Annectiren sie oder werden sie annectirt? Die Frage ist gerade ebenso schwierig zu beantworten als die: ob die Deutschen in Paris den Parisern, oder diese jenen mehr zu verdan - ken haben. Jmmerhin steht das eine fest: wo zwei Sprachen bei sonst gleichen Bedingungen um ein Terrain ringen, wird diejenige den Sieg davon tragen welche am meisten aus dem Wortschatze der andern annimmt; die sprödere, heiklere unterliegen. Jene hat den Nachtheil übel zugerichtet zu sein, den Vortheil den Platz zu behaupten. Es kommt also auch hier, wie beim Maccaroni = Wettessen, auf den guten Magen an. -- Spärlicher und weniger leicht erkennbar ist der deutsche Beisatz im Metzischen z. B.: ch loné, schlagen, ch pékeur, Spieker (Schiffsnagel), couesse, Zwetsche, handlé, kehren, honque, Hengst, houre, ro ch a, Rock (vgl. franz. rochet, Chorrock). Die Wörter germanischen Ursprungs gehören nämlich hier schon meist derselben Kategorie an wie die in den Mundarten des innern Frankreichs, d. h. ihre Matrikel ist eine sehr alte. Die Mundarten stehen hierin noch auf der Stufe des Altfranzösischen, das an solchen Wörtern viel reicher ist als die neufranzösische Schriftsprache, obwohl auch so der Akademie der Schmerz nicht erspart geblieben ist fast auf jedem Blatt ihres Wörterbuchs Spuren barbarischer Jnvasionen verzeichnen zu müssen.

Hr. Edélestand du Méril, um nichts mit den Deutschen zu thun zu haben, scheut die weite Fahrt nach Jsland nicht um von dort allen barbari - schen Wortvorrath der romanischen Sprachen herzuholen; doch dünkt es uns er habe zu viel mitgebracht, denn sollte erst der Jsländer den Jtalie - ner das andare (andra) und den Franzosen die courtoisie (kurteisi) gelehrt haben? Freilich erschien seine Histoire de la poésie scandinave zu einer Zeit in welcher man schon stark nach dem deutschen Rhein schielte und ein gelinder Wahnsinn alle guten Franzosen befieng, womit indessen keineswegs gesagt sein soll daß dieser Wahnsinn bei ihm ein vorübergehen - der gewesen sei. Uebrigens dürfte auch neuerdings, während der Feld - züge von 1814 und 1815 und nachher, manches deutsche Wort tiefer nach Frankreich hineinverschlagen worden sein; wenn man z. B. in der Cham - pagne das Wort chelm hört, so ist daran vielleicht eine Scene à la Kur - märker und Picarde schuld. -- Jn Steinthal merkt man noch an manchem anderen die deutsche Nachbarschaft. So sind z. B. den deutschen Wörtern Katze, Arbeit, Predigt, Luft zu Liebe chat, travail, prêche, air zum weiblichen Geschlecht übergetreten. Bekannt ist de romanische Unbestän - digkeit des Adjectivs, das seinem Substantiv bald voraneilt, bald hinter ihm herhinkt. Der Deutsche sieht auf Zucht und Ordnung; er stellt es immer vor. Die Steinthaler haben manche Neuerung im deutschen Sinne gemacht; sie sagen z. B.: d'aigres - dchottes für des choux aigres, - vaidge djas für coq sauvage. Die Malmedyer, nun schon geraume Zeit Preußen, haben es noch weiter gebracht: l'cras vai für le veau gras ist ihnen mundgerecht worden; doch möchten wir warnen einen direc - ten landräthlichen Einfluß vorauszusetzen.

Die Geschichte der französischen Sprachgemeinden am östlichen Ab - hange der Wasgen ist noch nicht aufgehellt. Man berufe sich nicht auf deutsche Ortsnamen, mit denen es sich verhalten kann wie mit manchen in Graubünden, Tirol und Friaul. Zu Rothau und Waldersbach im Steinthal erscheint das Romanische als altansässig; und wenn die Rothauer die Waldersbacher grobiches nennen (was von diesen durch h abla, d. i. hableurs, erwiedert wird), so deutet dieß nicht etwa auf die grob = germanische Abkunft der letzteren, sondern bezieht sich darauf daß bei ihnen der Ge - brauch des Lautes tch in höchster Blüthe steht, der zu Roth au unbekannt ist; grobiches wird gesagt für grobitches, Dickschnäbler. Auch lasse man sich, wenn man die sonst treffliche Kiepert'sche Karte der Gränzländer vor sich hat, nicht durch die gelbe Farbe beirren, welche früher deutsches, seither größtentheils französisch gewordenes Sprachgebiet bezeichnet. Viel wahr - scheinlicher ist es uns daß hier das Germanische das Romanische zurück - gedrängt habe, als daß es von ihm zurückgedrängt worden sei. Aber es ist noch ein anderer Fall denkbar: es ist weder germanisirt noch romanisirt worden; jede Gemeinde ist bei ihrer ursprünglichen Sprache verblieben, und die Gemischtheit des Sprachgebiets ist nicht so zu erklären, daß Gränz - festungen durch Eroberung aus der einen Hand in die andere übergegan - gen sind, als vielmehr so daß die Demarcationslinie von der einen oder von beiden Seiten durch Colonisation überschritten ist. So besteht Sainte - Marie = aux = Mines (Leberthal) aus zwei Kirchspielen, einem lothringischen und einem elsäßischen, die eine Brücke über den kleinen Fluß verbindet. Jenes ist katholisch und französisch, dieses protestantisch und deutsch, und sogar in Sitte und Kleidung verräth sich die verschiedene Abstammung. Wenigstens bestand dieser Gegensatz vor nicht zu langer Zeit noch in sei - ner ganzen Schroffheit; seitdem mag er sich vielfach verwischt haben. Dain diesem Orte sogar manche Häuser zu einem Theil dieser und zum andern jener Provinz angehören, so sagt man scherzend: man macht das Brod im Elsaß, und man backt es in Lothringen, oder die Frau schlafe im Elsaß und der Mann in Lothringen.

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× München, 11 März. Se. Maj. der König hat am 9 d. den Staatsminister des Aeußern, Grafen Bray, empfangen und dessen Bericht über seine Thätigkeit in Versailles entgegengenommen, dann gestern mit dem Staatsminister des Jnnern v. Braun conferirt. -- Jn allen Kirchen der Stadt fand heute feierlicher Trauergottesdienst für die gefallenen Krie - ger statt. Die Theilnahme des Publicums an der kirchlichen Feier war eine allgemeine, und die Kirchen waren sämmtlich überfüllt. Dem Gottes - dienst in der Frauenkirche, wo der Erzbischof das Seelenamt celebrirte, wohnte der König mit dem großen Cortége bei, ferner die Prinzen des königlichen und des herzoglichen Hauses, die Beamten, Officiere und Ab - theilungen aller hier garnisonirenden Regimenter, die Professoren der Universität und die Mitglieder beider Gemeindecollegien. Von den beiden Frauenthürmen wehen zwei riesige Trauerflaggen. -- Nach dem vom Kriegsministerium bezüglich der Abrüstung des Heeres getroffenen Anord - nungen werden die in Bayern stehenden Landwehrbataillone sofort auf den Bereitschaftsstand zurückgeführt (447 Mann mit 3 Officieren); die Er - satzbataillone und die Ersatzcompagnien der Jägerbataillone dagegen wer - den vorerst auf einen Stand von 100 Gefreiten und Gemeinen gesetzt. Da wo die Mannschaften zum Bewachungsdienst der Kriegsgefangenen verwendet sind, tritt die Reduction nach Maßgabe der Evacuation der Gefangenendepots ein. Die Trainpferde der in Bayern stehenden Land - wehrbataillone, sowie die Pferde zweiter und dritter Classe der Ersatzab - theilungen der Cavallerie, Artillerie und des Genieregiments werden dem sofortigen Verkaufe unterstellt.

* München, 11 März. Se. Maj. der König hat dem Kriegs - minister Frhrn. v. Pranckh das Großkreuz des Militär = Verdienst = Ordens verliehen.

sym19 München, 11 März. Das in der Beilage zur Allg. Ztg. mitgetheilte und auch in andern Blättern reproducirte Gerücht über be - vorstehenden Rücktritt des Hrn. v. Lutz vom Cultusministerium ist gänzlich aus der Luft gegriffen, da uns aus bester Quelle und mit aller Bestimmt - heit mitgetheilt wird: ein derartiger Rücktritt werde weder von Hrn. v. Lutz persönlich noch sonst an maßgebendem Orte beabsichtigt.

Wilhelmshöhe, 8 März. Die Situation veröffentlicht die Pro - testation welche der Kaiser Napoleon an den Präsidenten der Nationalver - sammlung von hier aus gerichtet hat; sie lautet: An den Präsidenten der Nationalversammlung in Bordeaux. Hr. Präsident! Jn dem Augenblick wo alle Franzosen, tief betrübt über die Bedingungen des Friedens, nur an die Leiden des Vaterlandes dachten, hat die Nationalversammlung die Absetzung meiner Dynastie ausgesprochen, und behauptet daß ich allein verantwortlich sei für das öffentliche Unglück. Jch protestire gegen diese ungerechte und ungesetzliche Erklärung. Ungerecht, denn als der Krieg erklärt ward, hatte das Nationalgefühl, überreizt durch Ursachen die von meinem Willen unabhängig waren, eine allgemeine und unwiderstehliche Ueberstürzung (entraînement) hervorgebracht. Un - gesetzlich, denn die Versammlung, zu dem einzigen Zweck erwählt um Frieden zu machen, hat ihre Vollmachten überschritten, indem sie Fragen entschied welche über ihrer Competenz waren; wäre sie selbst eine consti - tuirende Versammlung, so wäre sie doch nicht im Stand ihren Willen dem der Nation zu substituiren. Das Beispiel der Vergangenheit ist da um es zu beweisen. Die Feindseligkeit der Constituante ist 1848 an der Wahl des 10 Decembers gescheitert, und 1851 hat das Volk durch mehr als sieben Millionen Stimmen mir gegen die gesetzgebende Versammlung Recht gegeben. Die politische Leidenschaft kann nicht das Recht überwiegen, und das französische öffentliche Recht für die Gründung jeder legitimen Regierung ist das Plebiscit. Außerhalb von diesem besteht nur Usurpation für die einen, Unterdrückung für die andern. Auch bin ich bereit mich vor dem freien Ausdrucke des nationalen Willens zu beugen, aber nur vor diesem. Jn Gegenwart schmerzlicher Ereignisse, welche allen Entsagung und Selbst - verläugnung auferlegen, hätte ich gern Schweigen gewahrt, aber die Er - klärung der Versammlung zwingt mich im Namen der beleidigten Wahr - heit und der verkannten Rechte der Nation zu protestiren. Empfangen Sie, Hr. Präsident, die Versicherung meiner Hochachtung. Wilhelms - höhe, 6 März 1871. Napoleon. (K. Z.)

Bern, 10 März. Wie man von officieller Seite vernimmt, ist die Rückkehr der internirten Franzosen nun auch über Pontarlier durch den noch von den Deutschen besetzt gehaltenen Landestheil mittelst einer vom eidgenössischen Oberstlieutenant v. Sinner und dem Commando der deut - schen Südarmee abgeschlossenen Convention geregelt worden. Dieß und die Wiederherstellung des Eisenbahnverkehrs von Genf über Culoz haben den Bundesrath bestimmt die Heimbeförderung der Mannschaften der ehe - maligen Armee Bourbaki's nicht länger zu verzögern, sondern ihren Be -1221ginn auf nächsten Montag (13 März) anzuberaumen. Gewissen Andeu - tungen zufolge scheint es als ob die französische Regierung die Verzöge - rung der Rückkehr der Jnternirten auf noch längere Zeit gewünscht hätte; im Jnteresse des eigenen Landes und der eigenen Bevölkerung hat der Bundesrath auf ein solches Ansinnen jedoch unmöglich eintreten können. -- Nach einem dem Bundesrath heute aus Zürich zugegangen Bericht ist es dort anläßlich einer von den Deutschen veranstalteten Friedensfeier zu einer blutigen Schlägerei mit französischen Officieren gekommen. Daß der Vorfall sehr ernster Natur ist, dafür sprechen die vom Bundesrath zur Aufrechthaltung der Ordnung, namentlich gegenüber den Jnternirten, ge - troffenen militärischen Maßnahmen. -- Der Bundesrath hat die wegen der Rinderpest gegen Oesterreich und Liechtenstein angeordneten Verkehrs - beschränkungen aufgehoben. -- Laut Bericht aus Wien hat das k. k. Handelsministerium die Ueberbrückung des Rheins durch die Lauterach - St. Margarethen = Flügelbahn in der diesseitig gewünschten senkrechten Rich - tung auf den Stromstrich, sowie die Herstellung einer definitiven Brücke hiefür genehmigt, und den Concessionären der Vorarlberger Bahnen die nöthige Baubewilligung ertheilt. -- Aus Neuenburg meldet man daß der Francs = Tireurs = Hauptmann Huot nebst mehreren seiner Leute demnächst vor ein schweizerisches Kriegsgericht gestellt werden wird. Bekanntlich hatte derselbe nach dem Abschluß der Convention, betreffend den Uebertritt der Ostarmee auf Schweizergebiet, am Col des Roches bei Locle eine Abtheilung Preußen angegriffen, und diesen einen Mann getödtet und zwei verwundet. Art. 4 des eidgenössischen Militärstrafgesetzes bestimmt für diesen Fall 6 Monate bis 5 Jahre Gefängniß.

sym28 Zürich, 10 März. Die auf gestern angesetzt gewesene, dem ersten Theil nach im Saal der Tonhalle auch ausgeführte Feier der hiesigen Deutschen für den Frieden und die errungene Einheit Deutschlands ist auf brutale Weise durch internirte Franzosen und deren Anhang gestört worden. Französische Officiere und andere drangen durch eine eingeschlagene Thüre auf das Orchester = Podium mit gezogenem Säbel, mit dem sie ein - hieben. Aber die deutsche Jugend, die auch an diesem Platz fest stand, bewaffnete sich alsbald mit zerschlagenen Stühlen, und trieb die Jnvasion nicht bloß zurück, sondern zerschlug auch den frechsten dieser Eindringlinge auf dieses deutsche Gebiet derart, daß er noch in der Nacht gestorben sein soll. Die Stadt ist in fieberhafter Erregung. Morgen näheres!

London, 10 März. Auf Anfrage Birley's erwiedert Gladstone: die Regierung beabsichtige keine Abänderung des Gesetzes über die Waffen - ausfuhr. Auf Lowthers Anfrage erwiedert Enfield: Walker habe an dem Berliner Triumpheinzug 1866 allerdings theilgenommen, aber als Privat - zuschauer; jetzt habe er die Weisung erhalten sofort nach der Abreise des deutschen Kronprinzen aus Frankreich heimzukehren. Auf Otway's An - frage erwiedert Enfield: die brittische Regierung habe ihre Vermittlung durch Odo Russell anbieten lassen, die Antwort des Grafen Bismarck sei noch nicht eingetroffen.

Bordeaux, 9 März. Nationalversammlung. Der Präsident ver - liest ein Schreiben Victor Hugo's, in welchem derselbe erklärt daß er sein Mandat niederlege, nachdem die Versammlung sich gestern geweigert habe ihn anzuhören, wie sie sich vor drei Wochen geweigert habe Garibaldi an - zuhören. Louis Blanc gibt den Gefühlen des tiefen Schmerzes Ausdruck welche die Freunde Hugo's bei dieser Nachricht empfinden. Beule erstattete in der heutigen Sitzung im Namen der Commission für den Gesetzentwurf wegen Verlegung des Sitzes der Nationalversammlung Bericht: der Chef der Executive, heißt es in diesem Berichte, dringe bei der Kammer auf Lösung der obigen Frage; fünf Städte seien vorgeschlagen, darunter Versailles, Fon - tainebleau und Orleans. Jn der Commission haben sich trotz des Wunsches der Regierung 10 Stimmen von 15 gegen Versailles ausgesprochen, da es der Frage der Annäherung nach Paris hin präjudicire. Für Orleans sprachen sich mehr Stimmen aus, doch erhielt schließlich Fontainebleau die Stimmenmehrheit, weil es sich durch seine Lage zu einer raschen Beförde - rung der Geschäfte eigne, und zugleich die Ruhe der Sitzungen der Natio - nalversammlung sichere; diese werde jedoch Bordeaux nicht eher verlassen als wenn es feststehe daß alle Arbeiten zur Einleitung der Nationalver - sammlung beendet und alle Bedingungen einer heilsamen Ordnung ge - sichert seien. Mornay legte ein Amendement vor, wornach die National - versammlung nicht eher Bordeaux verlassen solle als bis der Feind das Land geräumt habe. Der Berichterstatter der Commission bemerkte hiegegen: diesem Amendement sei bereits ein Genüge geschehen, und liest hierauf den Gesetzentwurf vor: Art. 1. Der Sitz der Nationalversammlung wird nach Fontainebleau verlegt. Art. 2. Die Nationalversammlung wird Bordeaux erst verlassen wenn durch Berichte bestätigt ist daß der Feind das Land verlassen hat, und die Jnstallirungsarbeiten beendet sind. (T. N.)

Aus Rom, 2 März, wird der Köln. Volksztg. geschrieben: Gestern überreichte Graf Tauffkirchen, der seitherige Gesandte Bayerns, in feier - licher Audienz dem hl. Vater einen eigenhändigen Brief des Kaisers Wil - helm, der ihn zum ordentlichen Gesandten Deutschlands am päpstlichen Hof ernannte.

Verschiedenes.

sym29 München, 10 März. Bezüglich der in der Sitzung des obersten Gerichtshofs vom 4 d. zur Verhandlung gelangten Nichtigkeitsbeschwerde des Fürsten Leopold v. Löwenstein die Anerkennung seiner Ehe betr., wurde heute das Erkenntniß publicirt. Die Nichtigkeitsbeschwerde ward als unbegegründet verworfen, sohin das Erkenntniß des Appellationsgerichts für Unterfranken bestätigt, und die Ehe des Fürsten als eine ebenbürtige nicht anerkannt. -- Die dießmalige in der ersten Woche des Mai im Glaspalast stattfindende, von unserm Gartenbauverein veranstaltete Blumenaus - stellung wird eine erhöhte Bedeutung dadurch erlangen daß alle deutschen Gartenbauvereine zur Betheiligung eingeladen, und in Verbindung mit den Frauenvereinen zum Vesten der Hinterbliebenen der gefallenen bayerischen Krie - ger eine Verloosung veranstaltet werden wird.

Jndustrie, Handel und Verkehr.

München, 11 März. Schranne. Neue Zufuhr 9519 Sch.; Gesammt - bestand heutiger Schranne 10,760 Sch. Hievon wurden 7441 Sch. verkauft und 3319 Sch. eingestellt. Mittelpreise: Weizen 23 fl. 17 kr., Korn 15 fl. 13 kr., Gerste 14 fl. 17 kr., Haber 9 fl. 54 kr. Gegen den Mittelpreis voriger Schranne mehr: Gerste 13 kr., Haber 24 kr. ; minder: Weizen 35 kr., Korn 27 kr. Gesammt - umsatz seit letzter Schranne an Frucht 11,337 Sch., an Geld 176,520 fl. (C. H.)

* Landshut, 10 März. Gesammtstand der Schranne 4894 Sch., Verkauf 3932 Sch., Rest 962 Sch. Mittelpreise: Weizen fl. 21.12, gefallen um 1 fl. 3 kr. ; Korn fl. 14.54, gefallen um 12 kr. ; Gerste fl. 12.45, gestiegen um 36 kr. ; Haber fl. 9.31, gefallen um 14 kr.

Hamburg, 10 März (Köln = Mindener 3 1 / 2 proc. Prämien Antheil - scheine. ) Bei der heute vorgenommenen Ziehung wurden folgende Serien gezogen: 16, 1002 und 3878. Bei der darauf folgenden Prämienziehung fielen auf folgende Nummern höhere Gewinne: auf Nr. 50,086 60,000 Thlr.; auf Nr. 752 10,000 Thlr.; auf Nr. 193,877 5000 Thlr.; auf Nr. 50,080 und 193,886 je 2000 Thlr.; auf Nr. 50,060 und 50,099 je 1000 Thlr.; auf Nr. 50,067 500 Thlr.; auf Nr. 751, 754, 768, 775, 776, 782, 784, 787, 794, 795, 796, 797, 50,055, 50,057, 50,072, 50,079, 50,081, 50,083, 50,093, 50,094, 50,095, 193,853, 193,856, 193,857, 193,865, 193,869, 193,874, 193,876, 193,880, 193,882, 193,884 und 193,889 je 200 Thlr. Die übrigen Nummern der gezogenen 3 Serien erhalten je 110 Thlr.

Prämien = Anleihe der Stadt Neapel. Ziehung am 1 März. Haupt - preise: Nr. 3839 25,000 Fr., Nr 109631 1000 Fr., Nr. 46948, 94076 und 147133 je 400 Fr. u. s. w.

Telegraphische Berichte.

* Wien, 11 März. Fürst Metternich hat in Bordeaux bereits seine neuen Creditive überreicht und kommt zu einem vierzehntägigen Erholungs - Urlaub hierher. Hr. v. Banneville ist als französischer Botschafter hier an - gemeldet, und hat den Posten angenommen.

(*) Wien, 12 März. Nach einer zuverlässigen Mittheilung der Presse resumirt sich das Ergebniß der Londoner Conferenz in Wieder - herstellung des status quo ante von 1854.

(*) Bern, 11 März. Aus Zürich wird gemeldet: Die Bewegung ist in stetem Wachsen. Die dortige Regierung befürchtet weitere Unord - nungen. Der Bundesrath hat die Occupation beschlossen, und sofort vier Jnfanteriebataillone und zwei Batterien, befehligt vom Obersten Eduard Salis, dahin abgesandt. Ein eidgenössischer Commissär begibt sich sofort nach Zürich.

(*) London, 11 März. Die City = Artikel der heutigen Morgen - blätter sprechen die Ansicht aus: die Zeichnungen der neuen russischen An - leihe würden, trotz der politischen Demonstrationen, hier sehr bedeutend sein.

Berlin, 11 März. Productenmarkt. Roggen lauf. Monat 53; per Februar = März53 1 / 4, per April = Mai53 3 / 4, per Mai = Juni54 1 / 2, Tendenz: --. Weizen lauf. M. 77, per April = Mai77 1 / 4. Tendenz: flau. -- Rüböl lauf. M. 28 15 / 24, per April = Mai28 7 / 8. Tendenz: --. Spiritus: loco eff. 17 Thlr. 10 Sgr, per Februar = März 17 Thlr. 16 Sgr., per April = Mai 17 Thlr. 20 Sgr., per Mai = Juni 17 Thlr. 22 Sgr. Tendenz: matter.

Köln, 11 März. Productenmarkt. Weizen eff. hiesiger8 1 / 2 Thlr., fremder8 1 / 6 Thlr., per März 8 Thlr., per April 8 Thlr. 7 1 / 2 Sgr., per Mai 8 Thlr. 9 Sgr. per Juni 8 Thlr. 10 Sgr. Tendenz: flau. -- Roggen eff. 6 2 / 3 Thlr., per März 6 Thlr. 6 1 / 2 Sgr., per Mai 6 Thlr. 8 1 / 2 Sgr., per Juni 6 Thlr. 9 1 / 2 Sgr. Tendenz: flau. -- Rüböl eff. 15 8 / 10 Thlr., per Mai15 6 / 10 Thlr., per Oct. 15 Thlr. Tendenz: behauptet. -- Leinöl per 100 Pfd. 12 1 / 4 Thlr. Regen - wetter.

Wien, 12 März. Geschäfte an der Getreidebörse fortwährend matt und stockend. Sämmtliche Getreidesorten, überwiegend angeboten, erlitten Preisreduc - tionen. Weizen unverkäuflich, Korn unbegehrt, um 5 kr. billiger, Gerste preis - haltend. Mais ruhig, matter. Hafer Absatz. Mehl ungefragt. Preise nominell.

Amsterdam, 11 März. Börse. Wechsel auf London --; 3proc. Spanier29 11 / 16; 1882er Amerikaner96 1 / 16; 5proc. Papierrente45 9 / 16; 5proc Silber - rente 53 5 / 16; 5proc. Türken41 1 / 8; 5proc. Russen v. 185576 1 / 2. Tendenz: matt.

Amsterdam, 11 März. Waarenmarkt. 29 März Zucker Auction, 44,000〈…〉〈…〉 Krapjangs. März = Roggen 214.

* New = York, 10 März. Goldagio111 1 / 8; Wechsel in Gold109 3 / 4; 1882er Bonds112 1 / 2; 1885er112 1 / 8; 1904er109 1 / 4; Baumwolle14 7 / 8; Petro - leum in Philadelphia 24 1 / 4.

1222

PROSPECTUS. Kaiserlich Russisches Staats-Anlehen. Emission von Zwölf Millionen Pfd. Sterl. Nominal = Capital in 5procent. consolidirten Obligationen vom Jahre 1871.

Seine Majestät der Kaiser von Rußland haben durch Ukas vom {17 Februar-1 März} 1871 die kaiserliche Staatsregierung zur Gründung und Emission dieser 5procentigen Obligationen ermächtigt, zum Zwecke der Verstärkung des Eisenbahnfonds für die Vollendung und den Ausbau der Staats = Eisenbahnen, wie auch zur künftigen Ent - wicklung des Eisenbahn = Netzes des Kaiserthums in Gemäßheit der den nachbenannten Eisenbahn = Gesellschaften, nämlich: Moskau = Brest, Riga = Bolderad, Poti = Tiflis und Tambow = Saratow = Odessa, ertheilten Concessionen.

Die Bankhäuser N. M. Rothschild & Söhne in London und Gebrüder v. Rothschild in Paris sind von der kaiserl. russischen Staatsregierung zur Negociation des Verkaufs der besagten Obligationen ermächtigt.

Die Obligationen lauten auf den Jnhaber in Stücken von Pfd. Sterl. 50, Pfd. St. 100, Pfd. St. 500 und Pfd. St. 1000; eine jede derselben ist mit halbjährigen Zinsabschnitten versehen, fällig am 1 September und 1 März neuen Styls in jedem Jahre, und bei den Bankhäusern

N. M. Rothschild & Söhne zu London, in Pfund Sterling,) Gebrüder v. Rothschild zu Paris,) zu den TagescursenM. A. v. Rothschild & Söhne zu Frankfurt a. M.) der Wechsel aufund den später zu bezeichnenden Bankhäusern zu Berlin und Amsterdam,) London. in St. Petersburg bei der Staatsbank)

zahlbar gestellt.

Die Heimzahlung der Obligationen erfolgt al pari während 81 Jahren durch einen Tilgungsfonds, mittelst jährlicher Verloosungen. Die erste Verloosung findet am 1 März 1873 statt, die Rückzahlung 6 Monate nachher.

Der Emissionspreis ist81 1 / 2 Procent (Pfd. St. 81 1 / 2 für jede Pfd. St. 100 Capital) zahlbar wie folgt:

5 Procent bei der Anmeldung,15 Zutheilung,15am 15 April 1871,15am 2 Juni 1871,15am 25 Juli 1871,16 1 / 2 am 3 October 1871. ----------81 1 / 2 Procent.

Der Coupon für die erste Zinsrate, fällig am 1 September 1871, wird dem Jnterimschein selbst bei - gefügt sein.

Wer nicht die sämmtlichen Terminzahlungen leistet, wird aller schon bezahlten Raten verlustig.

Die Unterzeichner können die noch zu entrichtenden Ratenzahlungen an jedem der ausgeschriebenen Einzah - lungstermine mit Abzug von 4 Procent per Annum Disconto anticipiren.

Bei den Anmeldungen (welche in der hier unten angegebenen Form eingereicht werden müssen) für Obli - gationen dieses Anlehens ist eine Caution von 5 Procent des Nominalbetrages der Anmeldungssumme zu hinter - legen. Erfordert die Zutheilung nicht den ganzen Betrag des Depositums, so wird der Ueberschuß zurückgegeben; wäre das Depositum unzureichend für die erste Einzahlung auf den zugetheilten Betrag, so ist das Fehlende unver - züglich nachzuzahlen.

1223

Ueber die Einzahlungen werden Jnterim = Certificate ausgestellt welche nach erfolgter letzten Einzahlung gegen die definitiven Obligationen umgetauscht werden sobald die kaiserliche Regierung die letzteren zu Handen gestellt hat.

Die Unterzeichnung wird gleichzeitig in London, Frankfurt a. M., Berlin und Brüssel eröffnet.

Das unterzeichnete Bankhaus beehrt sich demzufolge anzuzeigen daß in seinem Bureau die Anmeldungen bis zum Dienstag den 14 März c., Nachmittags 5 Uhr, entgegengenommen werden -- doch behält sich dasselbe vor die Subscription auf dieses Anlehen auch schon vor Ablauf dieses Zeitraums zu schließen.

Frankfurt a. M., im März 1871.

M. A. v. Rothschild & Söhne.

Subscriptions-Anmeldung.

Auf Grund des vorstehenden Prospectus subscrib ............... d ........... Unterzeichnete .............................. *)

von den bei dem Bankhause M. A. v. Rothschild & Söhne in Frankfurt a. M. aufgelegten 5procentigen consolidir - ten Obligationen von 1871 des kaiserlich russischen Staats-Anlehens von Zwölf Millionen Pfund Sterling den Nominal = Betrag von

L. Sterling

und verpflichte ....... sich demgemäß zu deren Abnahme oder zu der Abnahme desjenigen geringeren Betrages welcher ............... von Seiten des Bankhauses M. A. v. Rothschild & Söhne auf Grund ................ Anmeldung zugetheilt werden wird.

------------------------------, denMärz 1871.

*) Name und Wohnort deutlich zu schreiben. (2211 -- 12)

2

Kgl. priv. Actien = Gesellschaft der bayer. Ostbahnen. IX. Außerordentliche General-Versammlung.

Die HH. Actionäre der bayerischen Ostbahnen werden in Gemäßheit des §. 16 der Gesellschafts = Satzungen zu einer im Bahnhofgebäude zu Münche abzuhaltenden

außerordentlichen General = Versammlung auf Donnerstag den 20 April 1871, Vormittags 10 Uhr,

eingeladen.

Den Gegenstand der Berathung bildet: Die Erbauung einer Zweigbahn von Tirschenreuth nach Wiesau.

Diejenigen HH. Actionäre welche an dieser Versammlung theilzunehmen beabsichtigen, haben sich nach § 15 der Satzungen bis zehn Tage vor dem Statt - finden derselben, also vom Tage gegenwärtiger Bekanntmachung an bis 10 April 1871 einschließlich, im Bureau der Gesellschafts = Direction über ihren Actien - besitz entweder durch Vorzeigung ihrer Actien oder durch ein -- die Namen derselben enthaltendes -- notarielles oder amtliches Zeugniß auszuweisen, wogegen sie eine Eintrittskarte erhalten, welche die Zahl der Stimmen ausdrücke zu denen sie nach §. 14 der Satzungen berechtigt sind.

Anmeldungen zur Versammlung welche erst nach dem 10 April 1871 erfolgen, können nicht mehr berücksich igt werden.

Zugleich wird darauf aufmerksam gemacht daß die Beschlußfassung über den oben bezeichneten Berathungsgegenstand gemäß §. 18 der Satzungen nur dann stattfinden kann, wenn in der General = Versammlung wenigstens die Hälfte der Actien vertreten ist; ferner daß, wenn diese Zahl nicht vertreten erscheint, der Gegen - stand in der vier Wochen später stattfindenden ordentlichen General = Versammlung zur Beschlußfassung gebracht werden wird.

Note: [1830 -- 31]

Königl. Kunstgewerbschule in Nürnberg. Sommersemester 1870 / 71.

Der Beginn des Sommersemesters findet am Samstag den 1 April und die Aufnahme neuer Schüler am Donnerstag den 30 und Freitag den 31 März statt.

Lehrgegenstände: Zeichnen und Maken nach dem lebenden Modelle, Zeichnen nach der Antike und nach ornamentalen Modellen. Anfertigen von Werkzeichnungen für gewerbliche Zwecke. Dessinszeichnen.

Modelliren nach dem lebenden Modelle, der Antike und nach ornamentalen Entwürfen, Architektur, Holzschnitzkunst, Erzgießerei, Formen und Ciseliren.

Vorlesungen über Perspective und Schattenconstruction, dann Anatomie; ferner über Kunstgeschichte mit Rücksicht auf Architektur und das Kunstgewerbe.

Der neu eintretende Schüler muß das 15. Lebensjahr zurückgelegt haben und außerdem Proben seiner Fertigkeit im Zeichnen nach Vorlagen zur Einsicht mittbringen.

Das Schulgeld beträgt für Jnländer für je ein Semester 5 fl. mit 24 kr. Jnscriptionsgebühr, für Ausländer das Doppelte.

Lehrplan und Statuten der Anstalt werden auf Verlangen gratis verabfolgt.

Das Directorium der kgl. Kunstgewerbschule.

Dr. v. Kreling. [2199 -- 2201]

Carolinen-Intistut, Frankenthal, Rheinpfalz.

Diese seit vielen Jahren bestehende, von Zöglingen des In - und Auslandes besuchte An - talt bezweckt bei gründlich-wissenschaftlicher Ausbildung die Wirkung religiöser, häuslicher und vaterländischer Gesinnung. Pensionsbetrag einschliesslich der Wäsche vierteljährlich fl. 105 = = Thlr. 60. Clavier-Unterricht wird besonders vergütet. Zeugnisse von Seiten der Regierung über Leistungsfähigkeit dieser Anstalt, nebst Prospectus, stehen zu Diensten. Der Sommercurs beginnt am 18 April. Briefliche Anfragen zu richten an

Fräulein Luise Braun,(2072 -- 83) Vorsteherin der Carolinenschule.

Für einen nahen Angehörigen,

dem ich meine in einer freundlichen Gegend be - legene große ländliche Besitzung eigenthümlich zu übergeben beabsichtige, suche ich

eine Lebensgefährtin

aus guter Familie, mit einem disponiblen Ver - mögen von 200,000 Thlrn. Mein naher Ange - höriger ist ein an Körper und Geist frischer, ge - sunder, junger Mann, er begleitet augenblicklich eine ehrenvolle Stellung. Jch ersuche Eltern oder Vormünder von jungen Damen sich im Vertrauen und unter Zusicherung der strengsten Discretion zu einer Besprechung mit mir unter der Chiffre P. 969 Annoncen = Expedition Rudolf Mosse in Frankfurt a. M. an mich zu wenden. Jch bin in dieser Angelegenheit von der besten Absicht beseelt, würde nur nach vorhergehender Prüfung der Ver - hältnisse, Besichtigung meiner Besitzung und gegen - seitiger Einverständigung eine Annäherung meines Angehörigen in der Familie der jungen Damen wünschen und müßte es dann den jungen Leuten überlassen bleiben, zu prüfen ob sie zu einer glück - lichen Ehe für einander = passen. (1148) [2183-85]

Ein junger thätiger Kaufmann der über wenig - stens zehntausend Gulden frei verfügen kann, und dem gute Empfehlungen zur Seite stehen, wird für den Detailverkauf eines längst bestehen - den renommirtesten Fabrikgeschäftes entweder in eine große Stadt oder in einen größeren Bade - ort Süddeutschlands gesucht. Franco = Offerte unter der Chiffre L. E. 582 befördert die Annon - cen = Expedition von Haasenstein u. Bogler in Frankfurt a. M. (1868 -- 23)

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TextAllgemeine Zeitung
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Institut für Deutsche Sprache, MannheimNote: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription Peter FankhauserNote: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format. CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationAllgemeine Zeitung Nr. 72 . Augsburg (Bayern)1871.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; mkhz1

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Editorial principles

Die Transkription erfolgte manuell im Double-Keying-Verfahren. Die Annotation folgt den formulierten Richtlinien.Besonderheiten der Transkription: Bogensignaturen: nicht übernommen.Druckfehler: ignoriert.fremdsprachliches Material: nur Fremdskripte gekennzeichnet.Kolumnentitel: nicht übernommen.Kustoden: nicht übernommen.langes s (?): in Frakturschrift als s transkribiert, in Antiquaschrift beibehalten.rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert.Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert.Vollständigkeit: vollständig erfasst.Zeichensetzung: DTABf-getreu.

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  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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