Da mit diesem Monat das erste Quartal der Allgemeinen Zeitung zu Ende geht, so bitten wir die Fortsetzung möglichst bald bei den betreffenden Postämtern zu bestellen, damit nicht für die zu spät sich Meldenden unvollständige Exemplare geboten werden müssen. Die auswärtigen Abonnenten belieben sich mit ihren Bestellungen an die zunächst gelegenen Postämter und Zeitungsexpeditionen zu wenden, in den österreichischen Staaten an die dortigen k. k. Postämter, in Frankreich, Spanien und Portugal an Hrn. A. G. Alexandre in Straßburg, Rue brûlée 5; in England an die HH. Williams and Norgate, 16 Henrietta = Street, Covent - Garden, Hermann Ch. Panzer, General = Zeitungs = Agentur, 93 London Wall, A. Siegle, 110 Leadenhall Street E. C. in London; oder Hrn. A. Duensing, Foreign Bookseller, Librarian and Newsagent, 13 Meards Court, Soho W. (übernimmt auch Bestellungen für Jndien, China, Japan u. Amerika) in London; für Nordamerika bei dem königl. preußischen Postamte Köln oder bei HH. Westermann u. Comp. in New = York; für das Königreich Jtalien bei HH. Gebrüdern Bocca, H. Löscher in Turin, Florenz und Rom, H. F. Münster in Verona und Venedig, Giusto Ebhardt in Venedig, A. Detken und Rocholl in Neapel, Valentiner und Mues, U. Hoepli in Mailand und Jos. Spithoever in Rom; für Griechenland, Türkei und die Levante ec. beim k. k. Postamt in Triest. Feldpost = Abonnements wollen direct bei uns bestellt werden; alle übrigen directen Bestellungen werden ohne weiteren Aufschlag, als den für die tägliche Frankatur, ausgeführt.
Augsburg, März 1871. Expedition der Allgem. Zeitung.
Preis der einzelnen Nummer mit Beilage 6 kr. oder 2 Ngr. für ganz Deutschland.
Zur Friedensfeier.
Auf der Rückkehr aus dem Felde.
Deutsches Reich. Karlsruhe: Bevollmächtigte zum Bundesrath. Eisenbahnen. Berlin: Die fünf Milliarden in Bausch und Bogen. Köln: Erzbischöfliche Androhung der Suspension. Dresden: Die Rückkehr des Kronprinzen. Straßburg: Die angebliche Annexion eines Theils des Elsaßes an die bayerische Pfalz. Die Handelsfrage. Rückkehr der französischen Gefangenen und deutscher Truppen.
Oesterreichisch = ungarische Monarchie. Wien: Graf Hohen - wart über das Verbot der Friedensfeier. Kaiser und Kaiserin. Die Recrutenbewilligung. Diplomatisches. Salzburg: Beabsichtigte Friedensfeier.
Großbritannien. Aus dem Unterhaus. Eine Schrift über den deut - schen Krieg.
Frankreich. Diplomatische Ernennungen. Ein Programm = Artikel. Die Kanonen der Nationalgarde. Der Maire von Bagneux. Die Artillerieschule. Francs = Tireurs. Der Aufstand in Algier.
Jtalien. Florenz: Der Entwurf einer neuen Armee = Organisation.
Rumänien. Bukarest: Bedrohliche Lage.
Jndustrie, Handel und Verkehr.
Neueste Posten. Bern: Bundesrevisions = Commission. Warschau: Fürst Bariatinski. Bukarest: Die Juden und ihre Beschützer. Athen: Englische Note. Konstantinopel: Neue Steuern. Washington: Die Absetzung Sumners.
Außerordentliche Beilage. Nr. 42.
* Paris, 14 März. Die „ Amtszeitung “zeigt an daß der Mini - ster des Aeußern sich am Sonnabend, begleitet von Delegirten der Eisen - bahngesellschaften, dem Director der Telegraphenverwaltung und dem Ge - neralintendanten, nach Ferrières begeben habe, um mit General v. Fa - brice betreffs der Benutzung der Eisenbahnen =, Post = und Telegraphen - linien, sowie über die Verpflegung der deutschen Truppen zu verhandeln. „ Jeder dieser Punkte ist Gegenstand einer Uebereinkunft nach welcher die Eisenbahnen den Betrieb wieder aufnehmen unter der Verpflichtung die von den deutschen Behörden verlangten Züge zu stellen. Die Post = und Telegraphenverwaltung wird uns zurückgegeben. Die Jntendantur ist mit der Verpflegung der deutschen Truppen beauftragt. Die Commandan - ten der deutschen Truppen stellen die Requisitionen ein. Noch rückständige Steuern können nicht von den deutschen Behörden eingezogen werden, sollen vielmehr von beiden Regierungen verrechnet werden. Die Civil - verwaltung sämmtlicher Departements wird französischen Behörden übertragen. Der Finanzminister und eine Commission des Ministers des Aeußern hat sich gestern nach Rouen begeben um mit dem Civil - commissär, welcher von General v. Fabrice bezeichnet ist, das nähere dieser Uebereinkunft festzusetzen. Der Wortlaut derselben wird alsdann in der „ Amtszeitung “veröffentlicht werden. “-- Das amtliche Blatt sagt weiter - hin: „ Die Bespannung welche gestern nach Montmartre geschickt worden ist, hat die Kanonen noch nicht zurückgeschafft, die Nationalgarde hat ihre Meinung geändert und sich dahin entschieden: jedem Bataillone die Kanonen welche ihm gehörten gegen Quittung zurückzugeben. “
* Bordeaux, 15 März. Thiers, Simon und Lavertujon sind nach Paris abgereist. Fast alle Beamten der Regierung haben Bordeaux verlassen.
* Frankfurt a. M., 14 März. Abend = Effectensocietät: 1882er Amerikaner 96 1 / 2; 1885er --; Silberrente --; 1860er L. --; 1864er L. --; Creditactien 247; Lombarden169 1 / 4; Staatsbahn376 3 / 4; Galizier 240; Elisabeth --; 3proc. span. ausl. Schuld29 13 / 16. Tendenz: matt.
* London, 14 März. Schlußcurse: 3proc. Consols91 13 / 16; 1882er Amerikaner91 7 / 8; Türken 42 5 / 8.
⁑ Liverpool, 14 März. Baumwollenbericht. Tagesumfatz 12,000 B., zur Ausfuhr verkauft 2000 B. Stimmung fest. Orleans7 7 / 16, Middling7 3 / 16, fair Dhollerah5 7 / 8 -- 6, middl. fair Dhollerah5 1 / 8, good middl. Dhollerah4 1 / 2, fair Bengal5 3 / 8, fair Oomra6 1 / 4, good fair Oomra6 5 / 8, Pernam7 5 / 8, Smyrne 7, Egyptian7 3 / 4. Tagesimport 50 000 B. amerikanische.
* Paris, 14 März. Eröffnungscurse. Rente 51.20; Jtaliener 54.05.
⁑ Amsterdam, 14 März. Börse. Wechsel auf London 11.84 G.; 3proc. Spanier29 13 / 16; 1882er Amerikaner96 3 / 8; 5proc. Papierrente〈…〉〈…〉 7 / 8}; 5proc Silber - rente 53 3 / 8; 5proc. Türken40 3 / 16 (? ); 5proc. Russen v. 185576 3 / 8.
⁑ Amsterdam, 14 März. Productenbörse. Roggen per März 211 fl., per Mai 215 fl., per October 218 fl. -- Octobersamen 82.
* New = York, 14 März. Goldagio111 3 / 8; Wechsel in Gold109 7 / 8; 1882er Bonds112 1 / 2; 1885er112 1 / 8; 1904er 109; Baumwolle14 7 / 8; Petro - leum in Philadelphia 24.
pl. Aus Württemberg, im März. Je mehr das was wir in diesen Tagen feiern einzig in unserer Geschichte dasteht, desto mehr gilt es sich die wahre Bedeutung davon deutlich zu machen, und nicht in der mächtigen Erregung des Augenblicks sie zu verkennen. Noch niemals in der tausend - jährigen Geschichte unseres Volkes haben wir so wie jetzt eine wirklich nationale Einheit und Macht gehabt. Was einst in den Anfängen, im neunten und zehnten Jahrhundert, die Stämme unseres Volkes zusammen - hielt, das war das neue und gemeinsame Gefühl christlicher Gesittung gegenüber den wilden heidnischen Feinden (Slaven, Ungarn, Normannen) die sie umgaben. Und ebenso war das was unserem Kaiserthum seinen Ursprung gab und Jahrhunderte hindurch unser Volk dafür begeisterte, der Gedanke einer allgemein christlichen und der kirchlichen Einheit ent - sprechenden Ordnung. Denn als ein menschlich einigendes und bildendes Centrum ist unser Volk in die Mitte Europa's und der übrigen Volksgei - ster gesetzt, und ein weltbürgerliches Volk sind wir darum so lange Zeit im Unterschied von allen andern geblieben, das den religiösen und allge - mein geistigen Jnteressen lange genug sein nationales zum Opfer gebracht hat. Jst nun aber auch dieses Ziel, das von Anfang uns Deutschen gegenüber allen andern Völkern gesetzt war, jetzt schon erreicht? Oder gibt uns nicht unmittelbar schon der jetzige Augenblick die Antwort wie ganz anders es damit noch steht, jetzt wo wir rings um uns nur erst der Eifersucht und dem feindlichen Mißtrauen begegnen, und zum Beginn un - seres neuen Reichs den Anstoß gegeben haben zur furchtbarsten allgemeinen Bewaffnung?
Allein daß wir das jetzt hinter uns haben was Jahrhunderte lang uns der nationalen Einheit und Würde beraubte, das ist uns doch eine Bürgschaft daß endlich die Reifezeit unserer Geschichte im Anbruch ist, daß auch jener innerste geistige Kern zum Durchbruche strebt der durch Voll - endung und Wiedergeburt des ganzen Rechtsbewußtseins und Bürger - thums auch dem eigenen Volksdasein erst seine letzte menschliche Weihe1262gibt, und der die naturgemäße Bedingung alles Erwerbs, die Arbeit für einen wesentlichen Zweck der Gemeinschaft, in gegliederter rechtlicher Be - rufsarbeit und Berufsgenossenschaft erst zur gesicherten Verwirklichung bringt, für die Nationen wie für den einzelnen Bürger -- während jetzt der bloße Erwerbs = und Nationalgeist nach unzähligen Seiten hin durch zweckwidrigste Ueberhäufung in einzelnen Arbeitszweigen, durch unge - nügenden und von der Zeit überholten Charakter der eignen Erwerbsform, durch die sich selbst überlassene Unkenntniß des wahren Marktbedarfs und der allgemeinen wie der örtlichen Productionsverhältnisse jenes natürliche Gesetz immer wieder zu nichte macht, und anstatt seiner organischen Ord - nung die spröde und selbstische Entzweiung der Jnteressen setzt.
Wie kein anderes Volk der Erde, macht die deutsche Geschichte jenen Kreislauf alles Lebens durch welcher aus der Höhe = und Glanzzeit der Sonne durch winterlichen Niedergang und Erstarrung hindurch zu erneu - tem Aufsteigen und neuer Blüthe hinführt. Damals, als noch die Sonne römisch = kirchlicher Einheit hoch im Mittag stand und in Römerzug und Pilgerfahrt unser Volk über die Berge zog, da war die erste glänzende Jugendzeit unseres Volkes, wo es neben die eine christlich = kirchliche Ord - nung ihr gleich allgemeines weltliches Abbild, die des Kaiserthums, zu setzen bestrebt war. Doch als diese Sonne des Südens verblich, als aus der bunten und sinnenfälligen Aeußerlichkeit dieser alten Kirche der reli - giöse Ernst und die Jnnerlichkeit deutschen Wesens immer mehr sich zurück - zog und tiefer in das eigene Jnnere einkehrte, und als gleichzeitig die nüchterne Thätigkeit des bürgerlichen Lebens in allen Theilen begann, da starb auch jene äußere Einheit immer mehr ab, die bis dahin unser Volk zusammengehalten, und mit den einbrechenden religiösen Kämpfen und Stürmen brach die lange Winterzeit unseres Volkes herein, die endlich in dreißigjährigem Rasen seinen Stamm vollends entlaubt hat. Aber tief aus dem Kerne christlich = menschlicher Bildungs = und Geistesarbeit, in wel - chen jetzt die innerste Kraft unseres Volkes sich zurückgezogen hatte, erhob sich von neuem die schaffende Macht, die belebend nach außen drang, die im prophetischen Aufschwung unserer Dichtung, unserer Kunst und Wissen - schaft zuerst und dann im mächtigen Aufstreben des nationalen Geistes sich gezeigt hat.
Doch umgekehrt gegen früher, und zum erstenmal in unserer Ge - schichte, muß jetzt über diesem äußeren Kämpfen und Streben die letzte und höchste Bestimmung unseres Volks noch zurückstehen. Einem glän - zenden kantigen Krystall gleich hat unsere Nation jetzt unter der preu - ßischen Führung sich gegen außen zusammengefaßt. Aber der Leben wir - kende und lebendig quellende Mittelpunkt, der organisch beseelend nach außen dringen und in immer weiterem Kreise die Welt um sich her zu ge - gliederter und friedlicher Berufsgemeinschaft umschaffen soll, er ist jetzt unter der starren nationalen Rinde, unter dem verständig äußerlichen und empiristischen Streben der Zeit, noch zurückgedrängt. Und doch wird mit seinem Erwachen erst das sich erfüllen was einst im Jugendtraum un - seres Kaiserthums unserem Volke vorgeschwebt hat, wird mit ihm erst neugeboren aus der unerschöpflichen Kraft deutschen Geistes und in frei menschlicher und bürgerlicher Form jene Einheit und jenes Gemeinbewußt - sein wieder erstehen das einst als unfreie kirchliche Macht in der Höhe - zeit des Mittelalters die Völker zusammenhielt, und das unserer vom Streite der Meinungen und der nationalen Jnteressen zersplitterten Zeit längst entschwunden ist.
Das Gericht über die einseitig nationale Entwicklung der Volksgei - ster (wie sie seit den Endzeiten des Mittelalters sich immer stärker ausge - bildet hat), das ist es was in diesen großen Tagen begonnen hat. Denn was anderes hat Frankreichs Sturz jetzt herbeigeführt als daß es immer tiefer in die gleißende und verführende Aeußerlichkeit seiner nationalen Geistesrichtung und Bildungsform versunken war? Wie könnten wir Deutschen, die wir das Werkzeug dieses Gerichtes gewesen sind, glauben daß wir jetzt mit unserem eigenen nationalen Ziele schon das Letzte erreicht haben? Wie sollten wir nicht uns erinnern daß auch im Alterthum schon die letzte Steigerung nationalen Geistes (in der römischen Weltmacht) nur der Vor - läufer einer neuen und universellen Ordnung war? Und wie sollten wir nicht im Jnnersten fühlen daß auch diese schneidige Rüstung des Na - tionalstaats, in der wir jetzt allen andern Völkern vorangehen, nur der Vorbote eines ganz Andern und Größeren ist, daß hinter dieser Gegen - wart erst das Ewige und echt Deutsche liegt, das kommende und bleibende Friedens = und Berufsreich deutscher Nation?
H. St. Gratien, 10 März, Abends. Jch schreibe Jhnen diese Zeilen von St. Gratien, am Ufer des Sees von Enghien. Das Haupt - quartier der III. Armee hat heute Morgens halb 9 Uhr Versailles ver - lassen, nachdem das große Hauptquartier schon am Tage der Revue von Villiers, 7 März, zugleich mit dem Kaiser dort aufgebrochen war. Seitdem 19 Sept. hatten wir in der Residenz Ludwigs XIV gelegen, 131 Tage der Belagerung von Paris bis zur Convention des 28 Jan., 40 Tage des Waffenstillstandes, der Präliminarien und des Friedens - zustandes bis zum heutigen Datum. Ueber Sèvres, an St. Cloud vor - bei, noch einmal am Fuße des Mont Valérien entlang, zogen wir, Neuilly und Argenteuil passirend, hieher. Auf allen Straßen begegneten uns entlassene Mobilgarden von Paris, die in ihre Heimath zurückkehren, zum Theil in phantastischem Costüm, in welchem sich schon halb das Civil mit dem Militär vermischt. Meistens den Wanderstab in der Hand, gehen sie ruhig ihre Straße; wenn die deutschen Truppen vorüberkommen, bleiben sie stehen, lassen dieselben vorüberziehen und schauen ihnen sinnend nach, ohne irgendeine unziemliche Bemerkung, während die Civilbevölkerung beim Vorübermarsch der Truppen nicht selten durch übermüthige Scherze den deutschen Gleichmuth auf die Probe stellt. Der Stab der III. Armee, dessen Führung in Abwesenheit des Kronprinzen dem Generallieutenant v. Blumenthal obliegt, bewohnt, für den einen Tag den wir in St. Gra - tien verweilen, das Schloß der Prinzessin Mathilde. Da die Räumlich - keiten nicht ausreichen, sind viele der Officiere in einzelnen umliegenden Villen und in den höchst bescheidenen Häusern des Dorfes untergebracht. Die Begleiter der Colonnen welche uns den Proviant und die Fourrage für die Pferde nachfahren, biwakiren, wie mitten im Kriege, an mächtigen Wachtfeuern auf dem Platze vor der Kirche, inmitten des Dorfes. Jch hatte mit einem Hauptmann und einem Feldjägerlieutenant in einem prächtigen Landhaus am See, das Hrn. Charles Quertier, dem Generalsecretär Crémieux 'während der Zeit der Delegation von Bordeaux, gehört, Quartier genommen. Da der See einige hundert Schritte vom Dorfe St. Gratien entfernt ist, beschlossen wir mit den Ordonnanzen für unsere Bedienung eine Colonne zu bilden und für uns selbst Menage zu machen. Zwar ist es lange her daß wir das Lagerleben in seiner eigentlichen Form, wo jeder auf seine praktische Umsicht angewiesen ist, durchgemacht haben, allein man kehrt rasch zu den alten Gewohnheiten zurück. Einige wohlweislich mitgenommene Vor - räthe wurden den Burschen zur Bereitung der Abendmahlzeit in die Küche geliefert; es war die nicht ungewöhnliche Erbswurst und das noch gewöhn - lichere Hammelfleisch. Jn dem großen Speisesaale des Hrn. Quertier, wo leicht eine Gesellschaft von 40 Personen Raum finden würde, wurde be - reits der Tisch für uns hergerichtet, und einige Weine zur Würze der fru - galen Speisen sollten eben entkorkt werden, als plötzlich die Officiere welche gerade zum Fourieren an der Reihe waren, den Befehl bekamen sofort drei Meilen weiter nach Vert = Galant zu reiten, und hier für das Obercom - mando auf morgen die Quartiere zu bestellen. So hat auch das Leben des heimziehenden Kriegers seine unerwarteten Zwischenfälle. Unsere Wirthschaft wurde schonungslos auseinandergerissen, und da ich meinem Pferde nicht zumuthen wollte diesen Abend noch die weite Strecke zurück - zulegen, blieb ich allein in den unbewohnten Räumen dieses verwunschenen Schlosses. An Glanz fehlte es freilich nicht, desto mehr an Behaglichkeit im deutschen Sinne. Prachtvolle Velour = Tapeten, kostbare Vasen, glän - zende Gemälde, werthvolle Boulemöbel, ein Bett mit bronzenem Gestell, aber auch nicht eine Spur von Linnenzeug, kein Kopfkissen, keine Decke; „ denn “-- so erzählt die einzige Jnsassin des Hauses, eine alte Wirthschaf - terin -- „ dieß alles ist von französischen Marodeuren gestohlen worden. Jch bin nicht einmal im Stand Jhnen ein Handtuch zu geben. “
Versailles hatte nach dem Abrücken des großen Hauptquartieres allen Glanz verloren. Bei unserer Rückkehr von der großen Parade bei Vil - liers erkannten wir die sonst während der Zeit des Feldlagers so lebhafte Stadt kaum wieder. Der überwiegend preußische Charakter den sie an sich getragen war abgestreift, und sie war wieder französisch geworden; auch sah man auf den Straßen zuletzt schon einige französische Soldaten. Die Präfectur hatte, sogleich nachdem der Kaiser sie verlassen, ihr goldenes Gitter und ihre sämmtlichen Pforten geschlossen, nur noch die beiden preu - ßischen Schilderhäuser standen leer vor dem Hauptportal. Als wir am nächsten Tage, zu einigen Aufzeichnungen über die Oertlichkeiten die der Schauplatz so hochwichtiger Berathungen und welthistorischer Staatsacte gewesen sind, noch einmal Einlaß begehrten, zögerte der Thürwärter an der Avenue de Paris, nicht aus Ungefälligkeit, sondern weil, wie er uns mittheilte, die Arbeiter bereits in den Zimmern seien, um einige Verände - rungen an der Decoration vorzunehmen. Als er auf mein Zureden den - noch nachgab, fand ich in den Gartenzimmern des Parterreraumes die von Flügeladjutanten des Kaisers bewohnt waren, Delegirte aus Bordeaux, die hier mit Baumeistern der Stadt Versailles und Beamten des Schlosses wegen der Jnstallation der National = Versammlung, die demnächst im Theater Ludwigs XIV tagen wird, verhandelten. Jch erfuhr daß der Chef der französischen Executivgewalt, Hr. Thiers, des Kaisers Nachfolger in den Gemächern der Präfectur sein wird. Als Kaiser Wilhelm im December 1870 die Reichstagsdeputation in feierlicher Audienz empfieng,1263wurde nicht die geringste Veränderung in den Gesellschaftsräumen des französischen Präfectenhauses vorgenommen; alles überhaupt blieb, in den 5 Monaten welche der oberste Feldherr der deutschen Heere hier Hof hielt, beim alten. Jetzt wird dem nicht so sein. Jn dem Festsaale befinden sich als Ornament in der reichen Stuckbekleidung des Plafonds an den vier Ecken mächtige Kaiseradler mit ausgebreiteten Flügeln. Hr. Thiers läßt sie entfernen, denn die Republik nimmt Anstoß an diesen Attributen der alten Kaiserglorie.
Der Grundton in den Empfindungen mit denen die Bürger von Versailles den letzten deutschen Mann abziehen sehen, ist der daß die deutsche Occupation für sie ein überaus lucratives Geschäft war. Magazine die sonst kaum 8000 Francs das Jahr einnahmen, verdienten in den 6 Mo - naten des Kriegslagers mindestens das vierfache; von einigen Gasthofs - besitzern und Restaurateuren weiß die ganze Stadt daß sie durch die Preußen und ihre Bundesgenossen reich geworden sind. Jn den letzten Tagen, wo jeder seine Einkäufe machte, um Erinnerungen mit nach Deutsch - land zu nehmen, konnten die Besitzer der Geschäftslocale nicht rasch genug nach Paris gehen, von wo sie alles mögliche an Kunst = und Luxusgegen - ständen herbeischafften. Man hört nicht daß die Pariser den Verkauf ver - weigert hätten. Die Versailler aber werden die erlangten Vortheile mit Ruhe genießen können, denn sollte hier ein Strafgericht an denen vollzogen werden, die mit den Preußen in Verbindung traten, so müßte die ganze Bürgerschaft sich unter einander zerfleischen; jeder wollte verdienen, und jeder wußte zu verdienen.
Während der Stunden in denen der Kaiser die Württemberger, die Sachsen und einen Theil der Bayern auf der Ebene vor Villiers Revue passiren ließ, wurden die auf dem linken Seine = Ufer gelegenen Südforts von den Deutschen geräumt. Bei der Wiederbesetzung des Forts Jssy durch die Franzosen ereigneten sich einige charakteristische Scenen. Um 10 Uhr Vormittags sollte die Uebergabe erfolgen. Die preußischen Truppen, welche die Besatzung bildeten, ein Bataillon des 87. (1. hess. ) Regimentes, standen Punkt 10 Uhr marschbereit auf ihrem Posten, an der Spitze der Batail - lonscommandant Major v. Basse und Hauptmann Müller von der 5. Compagnie, welcher die mündlichen Verhandlungen mit den Franzosen zu übernehmen hatte. Gleichwohl war zur festgesetzten Stunde vor Jssy noch nichts zu sehen als ein Pariser Fiaker, der am Eingang hielt -- in ihm sitzend eine -- Dame, die allerhand Utensilien zur häuslichen Einrichtung mitbrachte. Eine halbe Stunde später kamen 5 oder 6 Feldgendarmen, und in einiger Entfernung sah man einen französischen Stabsofficier mit mehreren Begleitern. Die Officiere die zum Empfange der Franzosen vor dem Fort standen, forderten den einen der Gendarmen auf den französischen Officieren mitzutheilen daß alles zum Abmarsch der Deutschen bereit sei. Der französische Officier wandte sein Pferd und ritt bis vor das Fort, be - sann sich dann aber anders und wartete bis um 11 Uhr die Truppen aus Paris herbeikamen. Jetzt erst hielt der Stab der neuen Besatzung seinen Einzug. Beim Act der Uebergabe wurden die französischen Officiere auf - merksam auf einige neue Batteriebauten, welche die Unsrigen hier zum Schutze der Casematten vor diesen, in der Kehle des Festungswerkes, aufge - worfen hatten. Diese Erdarbeiten waren natürlich, da es an Muße zu ihrer Vollendung nicht gefehlt, im höchsten Maße kunstgerecht; sie hatten den Zweck den Eingang des Forts gegen einen Angriff zu vertheidigen. Bei ihrem Anblick sagte einer der französischen Genieofficiere in spöttischem Tone: „ Es scheint mir als ob die Preußen sich gut zu decken wissen. “ „ Gewiß, “antwortete ihm Hauptmann Müller, „ auch wir haben nur eine Haut zu verkaufen, und sollen wir sie verkaufen, so setzen wir eine Ehre darein daß es um möglichst hohen Preis geschehe. “ Der kleine Zwischen - fall that übrigens dem zuvorkommenden Benehmen der Preußen keinen Abbruch. Sie bestiegen ihre Pferde und verabschiedeten sich in der höflich - sten Form. Kaum waren sie einige Schritte geritten, so rief ihnen einer der Franzosen im Uebermuth nach: „ Peut~être à revoir, Messieurs. “ Hauptmann Müller warf sein Pferd auf die Seite und antwortete mit Ruhe: „ Messieurs, nous en serons ravis. “
Karlsruhe, 13 März. Neben den als Mitgliedern des deutschen Bundesraths fungirenden Chefs des großh. Staatsministeriums und des Ministeriums des Auswärtigen ist noch der Vorstand des Finanzministe - riums, Präsident Ellstätter, zum Bevollmächtigten beim Bundesrath des Deutschen Reichs ernannt worden. Gleichzeitig wurde für den Fall der Verhinderung dieses Bevollmächtigten Ministerialrath W. Eisenlohr zu dessen Stellvertreter ernannt. -- Die Verfügungen welche seinerzeit wegen des Kriegsausbruchs den Vollzug des außerordentlichen Budgets sistirt und namentlich auch die Eisenbahn = Bauarbeiten auf das gebotene Maß eingeschränkt haben, sind durch das großh. Staatsministerium wiederum außer Wirksamkeit gesetzt worden. (K. Z.)
† * Berlin, 13 März. Allerdings soll mit den im Vertrag vom 26 Febr. ausbedungenen 5 Milliarden Fr. oder 1333.3 Millionen Thlrn. Kriegscontribution den Franzosen eine fühlbare Strafe für den muthwillig begonnenen und frevelhaft fortgesetzten Krieg auferlegt werden. Sie sollen an der Abzahlung dieser Summe, wofür ihnen eine Frist von drei Jahren gegeben ist, wirklich zu tragen haben, und werden sich unterdeß ein deut - sches Occupationsheer als mahnenden Gast gefallen lassen, da der Vor - schlag des Hrn. Crémieux, die ganze Summe durch eine freiwillige Anleihe alsbald aufzubringen, sich der nicht übertriebenen Opferlust und der Er - schöpsung des Landes gegenüber doch als unausführbar erweisen möchte. Das hochmüthige, nach kaum erlangtem Frieden schon wieder von Rache sprechende, Frankreich muß fühlen daß die mißlungene Promenade nach Berlin, das vergebliche Massenaufgebot Gambetta's doch zu kostspielige Unternehmungen waren, als daß sie so bald wiederholt werden dürften. Wenn wir jedoch die ungeheuren Unkosten überschlagen welche der eben beendigte Krieg Deutschland verursachte, so möchte nach ihrem Abzug kein so bedeutender Ueberschuß verbleiben, um den Festungsbauten, für welche Frankreich 1814 ausdrücklich, aber viel zu schonend, in Anspruch genom - men wurde, und welche an unserer neuen Gränze unerläßlich sein werden, eine wesentliche Hülfe zu bieten. Der genau genommen kaum vierzehn - tägige Krieg von 1866 kostete Preußen an rein militärischen Ausgaben, wie die noch wenig Landwehr in Anspruch nehmende Mobilmachung, die Vergütung für Militärleistungen der Kreise, für Telegraphenleitung nach dem Kriegsschauplatz, 132 Millionen Thaler. Wie ungleich umfassender war die vorjährige Mobilmachung ganz Deutschlands mit ihrem fortwäh - renden Nachschub an Reserven und Landwehr. Der französische Krieg hat vierzehnmal so lange gedauert als der böhmische. Außer der Million Krieger war für den Eisenbahn =, Post = und Telegraphen = Dienst auf fran - zösischem Boden so viel Personal aufgewendet, daß der heimische Verkehr darum beträchtlich beschränkt werden mußte. Die Ausrüstung war un - gleich umfassender, die Entfernung des Kriegsschauplatzes viel größer, und die Transporte an Mannschaften, Pferden, Geschützen, Wagen, Munition und Proviant waren ungleich umfangreicher und kostspieliger. Jm böhmi - schen Feldzug gab es keine Festungen zu belagern; gegenwärtig sind ihrer 26 eingenommen worden. Die Belagerung Straßburgs allein hat 2 Millio - nen Thaler gekostet. 193,000 Geschosse aller Art, 50pfündige, 25pfün - dige Bomben, Shrapnels, Langgeschosse sind dort zur Verwendung ge - kommen, und die gewöhnliche Feldgranate kostet4 2 / 3 Thaler, die schwerere 10 und 20 Thaler. Bedeutende Kosten haben die Vorkehrungen für Ver - wundete und Kranke verursacht. Den Aerzten und Wärtern mußten mög - lichst günstige Bedingungen für ihren schweren Beruf gestellt werden. La - zarethe waren in Frankreich und Deutschland zu errichten und zu unter - halten. Für den Rücktransport der Leidenden wurden zum Theil ganz neue Sanitätszüge gebaut. Wir haben 90,000 Verwundete gehabt. Viel hat die freiwillige Pflege für sie gethan; aber meist mußte der Staat auch in den Privathospitälern so zu sagen die Stammkosten tragen. Nicht we - niger als 374,000 Franzosen, darunter 11,160 Officiere, sind als Kriegs - gefangene nach Deutschland befördert worden. Auch unter ihnen gab es viele Verwundete und Kranke, die nicht vernachlässigt werden durften. Häufig mußten erst Baulichkeiten hergestellt werden um die Menschen - menge unter Dach zu bringen. Jhre Beköstigung und Kleidung stieg im Verlaufe der Zeit zu hohen Summen auf. Die untersten Officiersgrade bekamen monatlich 12 Thlr. ausgezahlt, und Graf Chaudordy hat nicht unterlassen hervorzuheben daß gefangene deutsche Officiere in Frankreich mehr erhielten; allein die Franzosen konnten diesen Aufwand bei der ge - ringen Anzahl ihrer Gefangenen leicht tragen. Während unsere Reserve - und Landwehr = Männer im Felde standen, mußte für ihre Frauen und Kinder gesorgt werden. Viel geschah durch Privatwohlthätigkeit; allein der Staat mußte die gesetzlichen Monatsgaben verabreichen. Von 15,000 Todten haben ziemlich viele Wittwen und Waisen hinterlassen, die zu ver - sorgen sind. Die Wittwe des Landwehrmannes erhält 50 Thlr. jährlicher Pension, für jedes Kind 30 Thlr. bis zum 15. Lebensjahr. Officiers - wittwen erhalten 200 bis 400 Thlr., jedes Kind 40 und 50 Thlr. Er - werbsunfähige Mannschaften erhalten ihre Pension. Dem invaliden Lieutenant stehen 240 Thlr. zu; verlor er ein Glied, erhält er 420, ver - lor er zwei Glieder 620 Thlr., und das steigt in den höchsten Graden bis zu 2400, 2600 und 2800 Thlrn. Da diese Männer, übrigens gesund, meist in den besten Jahren stehen, so wird die Pension eine geraume Zeit an sie bezahlt werden müssen. Dazu kommt daß in Straßburg und, wenn wir nicht irren, in andern bei Deutschland bleibenden Festungen von den diesseitigen Behörden Anmeldungen des durch die Beschießung erlittenen Privatschadens angenommen wurden, woraus eine Anwartschaft auf Er - satz erwuchs. Ebenso machen sich Tausende der aus Frankreich vertriebe - nen Deutschen Hoffnung auf Entschädigung. Es wird sich zeigen ob ihnen genügt werden kann. Hr. Thiers hatte, da die Friedensunterhandlungen1264einmal in Gang gekommen waren, allen Grund dieselben rasch zum Schluß zu bringen, und Graf Bismarck keinen sich zögernd und völlig unnach - giebig zu beweisen. So ist Frankreich von der ursprünglichen Forderung eine ganze Milliarde Fr. erlassen worden, und von den zu entrichtenden 5 Milliarden wird schließlich die repartirte Staatsschuld der abgetretenen Gebietstheile abgezogen werden. Alles in Bausch und Bogen. Wäre es zu einer specificirten Abrechnung gekommen, so hätte es bei den ursprüng - lich geforderten 6 Milliarden Fr. wahrscheinlich vollauf verbleiben müssen.
▽ Köln, 13 März. Nachdem die Angelegenheit mit den Bon - ner Professoren der Theologie, Hilgers, Langen und Reusch, so lange ge - ruht, konnte es den Anschein gewinnen als ob der hiesige Erzbischof mit seinen unberechtigten Gewaltmaßregeln gegen diese Herren doch nicht bis zum Aeußersten schreiten werde. Allein trotz der „ schmachvollen Gefan - genschaft “in welcher sich der heiligste Vater befinden soll, muß wohl, wie nach München, so auch hier nach Köln, von Rom aus, außer einigen Ab - laßbriefen und dergleichen Liebesgaben jüngst die strengste Ordre einge - laufen sein gegen die renitenten Professoren rücksichtslos vorzugehen. Jedenfalls sind, wie ich Jhnen aus zuverlässiger Quelle mittheilen kann, vor einigen Tagen an die obengenannten Herren seitens des Hrn. Erz - bischofs gleichlautende Schreiben eingelaufen, in welchen denselben ange - kündigt wird daß, wofern sie nicht bis zum 1 April stch unterworfen hät - ten, ipso facto die Suspension über sie verhängt sein würde. Jch glaube hinzusetzen zu dürfen daß die Herren auch darauf vollständig gefaßt sind.
Dresden, 13 März. Am gestrigen Sonntag ist Se. kgl. Hoheit unser Kronprinz, nach fast achtmonatlicher Abwesenheit und ruhmreichster Theilnahme an den Kämpfen und Siegen der deutschen Heere in Frankreich als Führer der Sachsen und als Höchstcommandirender der Maas Armee, aus dem Felde zum erstenmal in die Residenz zurückgekehrt. Von einem officiellen Empfange durch die Behörden und die Garnison war abgesehen worden; einen um so wärmeren wahrhaft herzlichen Empfang hat die gesammte Bevölkerung der Residenz Sr. königl. Hoheit fast ohne alle äußere Anre - gung aus eigenem freien Antriebe bereitet. Auf dem Perron des festlich decorirten und mit einer Ehrenpforte gezierten Leipziger Bahnhofes waren zur Begrüßung die HH. Staatsminister Dr. Frhr. v. Falkenstein, Frhr. v. Friesen, Dr. Schneider, v. Nostitz = Wallwitz und der Vorstand des Kriegs - ministeriums Generalmajor v. Brandenstein, sowie die am hiesigen Hof accreditirten HH. Gesandten anwesend; ferner der Stadtcommandant Generallieutenant v. Hausen mit den HH. Generalen a. D. und dem Officiercorps, mehrere hier lebende Generale und zahlreiche höhere Officiere der k. preußischen Armee, Hr. Kreisdirector v. Könneritz und die Spitzen der übrigen königl. Behörden, der Stadtrath und die Stadtverordneten in corpore, Vertreter hiesiger Corporationen und eine Deputation der Stadt Chemnitz. Jn der Ankunftshalle des Bahnhofes hatte ein Kreis zahlreicher Damen der höchsten und höhern Stände, die größtentheils während des Krieges als Mitglieder des Albertvereins im Maxpalais für die Verwun - deten thätig gewesen, sich eingefunden, und vor dem Bahnhof, umgeben von einem zahllosen Publicum und einer großen Anzahl Equipagen, der Militärverein, die Turner = Feuerwehr ec. Aufstellung genommen. Die Ankunft erfolgte kurz vor 1 Uhr. Se. Maj. der König, welcher mit der Frau Prinzessin Georg dem Kronprinzen bis Riesa entgegengefahren war, verließ mit J. k. Hoh. den Zug noch vor der Einfahrt in den Perron, und begab sich ohne weitern Aufenthalt über die neue Brücke nach dem könig - lichen Schlosse. Bei der Einfahrt in den Bahnhof wurde der Kronprinz von der „ Dresdner Liedertafel “mit dem Gesange des Liedes „ Hörst du das mächtige Klingen “(von Marschner) und von den gesammten Anwesen - den mit einem donnernden Hoch empfangen. Nachdem Se. k. H. den Wagen verlassen, und die Frau Kronprinzessin zur Seite, auf dem Perron erschien, richtete Hr. Oberbürgermeister Pfotenhauer eine Ansprache an denselben, deren Schlußworte lauteten: „ Hoch lebe der deutsche Feldherr Albert der Siegreiche und seine tapfern Heerschaaren; Se. königliche Hoheit Kronprinz Albert von Sachsen Hoch! “ Als der Jubel, mit welchem die Versammlung in dieses Hoch einstimmte, geendet, ergriff Se. k. Hoh. der Kronprinz das Wort, um seinen Dank für diese Huldigung auszusprechen: die Gefühle welche ihn bei diesem Empfang an dieser Stelle bewegten, ver - möge er nicht in Worte zu fassen; er halte es aber auch nicht für nöthig diesel - ben noch besonders auszusprechen, da er überzeugt sei daß er auch ohne weitere Worte verstanden werde. Man erweise ihm aber heute zu viel Ehre; diese gebühre vielmehr der bewundernswerthen Tapferkeit, Hingebung und Aus - dauer unserer wackern Armee. Er habe seine Sachsen gekannt; man brauche eben nur voranzugehen, und könne dann sicher sein daß sie alle nach - folgten. (Beifall. ) Auch der Opferfreudigkeit der Sachsen in der Heimath gedachte Se. königliche Hoheit dabei in der anerkennendsten Weise. -- Se. k. Hoh. trat sodann in die Ankunftshalle, wo ihm von den daselbst an - wesenden Damen so reiche Spenden von Lorbeerkränzen, Bouquets ec. dar - gebracht wurden, daß der kronprinzliche Wagen später sie kaum zu fassen vermochte. Sichtlich erfreut, geruhte der Kronprinz -- dessen gesundes und munteres Aussehen allgemeine Freude erregte -- in diesem Raume sich mit vielen der Anwesenden in huldvollster Weise einige Zeit zu unterhal - ten, und bestieg sodann -- beim Erscheinen vor dem Bahnhof von den dort harrenden Tausenden mit stürmischen Hochrufen begrüßt -- unter den Klängen der aufgestellten Musikchöre mit J. k. H. der Frau Kronprinzessineinen zweispännigen offenen Hofwagen, um sich nach der Altstadt und zwar zunächst in das k. Residenzschloß zu J. M. der Königin zu begeben. Der Zug vom Bahnhofe nach dem k. Schlosse war für die Bevölkerung Dresdens ein Festzug im vollsten Sinne des Worts. Ununterbrochene Hochrufe begleiteten denselben. Noch lange umwogte die Menge das kgl. Schloß, und durchzog sodann die festlich beflaggten und geschmückten Haupt - straßen der Stadt, in denen Abends zahlreiche Häuser glänzend beleuchtet waren, wie denn auch zu Ehren des Tages die großartige Jllumination des Altstädter Rathhauses wiederholt wurde. Kein Mißton hat die schöne Feier getrübt. -- Wir knüpfen hieran noch die Mittheilung daß Se. k. H. der Kronprinz noch im Laufe dieser Woche (wahrscheinlich am Donnerstag) zur Armee nach Frankreich zurückkehren und seinen Sitz in Compiègne nehmen wird. Wie wir vernehmen, wird J. k. H. die Frau Kronprinzessin denselben dorthin begleiten. (Dr. J.)
sym2 Straßburg, 13 März. Es ist begreiflich daß die Meldungen verschiedener Blätter, und namentlich die eines officiellen Organs, in Bezug auf Annexion eines Theils des Elsaßes an die bayerische Pfalz großes Aufsehen bei uns erregt haben. Der Widerruf derselben hat den festen Glauben nicht erschüttert daß, wenn auch keine definitive Abmachung, doch wenigstens ganz ernste Unterhandlungen über diese wichtige Frage statt - gefunden haben. Jn letzter Jnstanz wird übrigens der Reichstag entscheiden. Sollten Bayern Zugeständnisse gemacht werden, so wird doch hoffentlich die sich hie und da laut werdende Befürchtung von „ Zerstückelung “des Elsaßes eine ungegründete sein. Bei unsern provisorischen Zuständen, wo Besorgnisse und Hoffnungen flüchtig mit einander abwechseln, sind offi - cielle beruhigende Erklärungen sehr nothwendig. Was unsere industriellen Beziehungen zu Frankreich betrifft, so hofft man daß in der nächsten Zeit noch Differentialzölle zu Gunsten des Elsaßes bewilligt werden. Daß die deutsche Centralregierung unsere Jnteressen wahren und wo möglich uns unmittelbar in den Zollverein aufnehmen werde, das wünscht man und steht auch wahrscheinlich zu erwarten. -- Seit einigen Tagen wimmelt unsere Stadt von zurückkehrenden französischen Gefangenen. Andererseits kommen jetzt auch allmählich deutsche Truppen aus dem Jnnern und werden hier und in der Umgegend einquartiert. Der regelmäßige Eisenbahn = und Postverkehr leidet dadurch zuweilen.
* Wien, 14 März. Die Antwort welche Graf Hohenwart auf die Jnterpellation wegen des Verbots der deutschen Siegesfeierlichkeiten in der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses ertheilte, lauter wörtlich: „ Jn der Sitzung des hohen Abgeordnetenhauses vom 7 d. M. haben die HH. Fux und Consorten aus Anlaß des Verbots einer öffentlichen deut - schen Siegesfeier das Gesammtministerium interpellirt und drei Fragen an dasselbe gestellt. Die erste Frage lautet: „ Beruht die Untersagung der Siegesfeier auf einer speciellen Anordnung des hohen Gesammtministe - riums oder des betreffenden Ministers? “ Auf diese Frage theile ich mit daß diese Untersagung von mir im Einverständniß mit dem Gesammt - ministerium für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder ausgieng. Die zweite Frage lautet: „ Auf welche gesetzliche Bestimmung gründet sich diese Untersagung? “ Auf diese Frage bemerke ich daß diese Untersagung auf die allgemeine Verpflichtung der politischen und Sicher - heitsbehörde, für Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung zu sorgen, auf die dießfalls bestehenden Polizeivorschriften, speciell auch noch auf das Ge - setz vom 15 Nov. 1867 über das Versammlungsrecht §. 3 Alinea 3 sich gründet, wonach öffentliche Aufzüge der Genehmigung der Behörden be - dürfen. Jm vorliegenden Fall mußte sich die Regierung um so mehr auf - gefordert sehen von diesem Untersagungsrecht Gebrauch zu machen, als sich die öffentliche Meinung nicht nur in der Presse, sondern auch in der Be - völkerung bereits sehr entschieden gegen eine solche öffentliche Feier ausge - sprochen hatte, Gegendemonstrationen nicht nur zu besorgen, sondern be - reits angekündigt waren, ihr endlich genügende und nichts weniger als einla - dende Erfahrungen vorlagen wohin derlei nationale Kundgebungen in unse - rem von so verschiedenen Volksstämmen bewohnten Staate führen. Uebrigens hat es die Regierung bereits als eine ihrer vorzüglichsten Aufgaben er - klärt das österreichische Bewußtsein in der Bevölkerung möglichst zu kräf - tigen und zu beleben, sie wird daher mit allen ihr gesetzlich zustehenden Mitteln jedem Versuch entgegentreten die öffentliche Meinung künstlich in eine diesem Grundgedanken entgegengesetzte Richtung zu leiten. (Bravo! rechts. ) Die dritte Frage lautet: „ Wie wird die Untersagung der deut - schen Siegesfeier in Einklang gebracht mit den in der bewußten Note der österreichischen Reichskanzlei zu Gunsten der deutschen Sache ausgespro - chenen Sympathien und Wünschen? “ Jn Beantwortung dieser Frage hebe ich vor allem hervor daß die Deutung welche die HH. Jnterpellanten der Depesche vom 26 Dec. v. J. geben eine ganz unrichtige ist. Jch habe mich dießfalls mit dem Hrn. Minister des Aeußern ins Einvernehmen gesetzt, und erwiedere hierauf daß die Neutralität welche von der k. und k. Regie - rung während des Kriegs zwischen Frankreich und Preußen beobachtet wurde, nur dann inneren Werth behaupten und auf eine volle Würdigung der rückhaltlosen Loyalität Anspruch erheben darf wenn ihr eine gewisse Stetigkeit auch über die Dauer des Kriegs hinaus verliehen wird. Jn diesem Sinne stand die Depesche vom 26 Dec. v. J., an deren Grundsätzen festzuhalten man vollkommen entschlossen ist, weder im Widerspruch noch1265im Zusammenhang mit der von Oesterreich eingehaltenen Neutralitäts - politik, sondern gab dem Gedanken Ausdruck: das Selbstbestimmungs - recht Deutschlands bezüglich seiner Neugestaltung anzuerkennen und mit dem deutschen Kaiserreich die besten und freundschaftlichsten Beziehungen anzubahnen und zu befestigen. Diese Beziehungen können die gewissen - haften Pflichten der staatlichen Jndividualität beider Theile nicht nur nicht stören, sie heischen sie sogar, und was insbesondere Oesterreich = Ungarn anbelangt, so fordern sie die zarteste und sorgfältigste Auffassung des Nationalitätenprincips, eine Auffassung die allein im Stande sein kann dem Streite zu wehren und Einigung an die Stelle des politischen Wider - spruches zu setzen. Nach dieser Zurückführung der Depesche vom 26 Dec. v. Js. auf ihre wahre Bedeutung bemerke ich: daß sich die Regierung, als sie das Verbot erließ, lediglich von der Pflicht der Fürforge für die Ord - nung und den Frieden im Jnnern der diesseitigen Reichshälfte leiten ließ, daß sie daher durchaus die Befürchtung der HH. Jnterpellanten, daß diese Untersagung Zweifel in die Aufrichtigkeit der österreichischen Ver - sicherungen erregen könnte, nicht theilen kann, vielmehr der vollen Ueber - zeugung ist daß die Regierung des Deutschen Reichs einen weit höheren Werth der Freundschaft eines Staates beilegen dürfte der sich selbst zu achten und die Ordnung im Jnnern aufrecht zu halten weiß, als den Sympathien einer Regierung die sich selbst den fernsten Aufgaben gegen - über zu schwach erweisen wird. “
sym13 Wien, 14 März. Der Kaiser und die Kaiserin gehen morgen nach Ungarn. -- Man mag gegen das Ministerium Hohenwart was immer einzuwenden haben, aber man wird nicht läugnen können daß die Verfassungspartei ihm gegenüber wieder vollständig kopflos vorgeht. Es han - delt sich gegenwärtig um die Recrutenbewilligung. Die Ziffer der jährlichen Stellung wird von den Delegationen festgesetzt, und sie ist für die nächsten zehn Jahre von diesen unabänderlich bemessen; Reichsrath und ungarischer Landtag haben nur die Vertheilung der Recrutenzahl auf die einzelnen Provinzen zu überwachen. Dieser klaren Sachlage gegenüber hat der be - treffende Reichsrathsausschuß dießmal 1400 Recruten weniger zu be - willigen beschlossen; die Regierung aber macht ihm unbedingt das Recht streitig auch nur einen einzigen Mann weniger einzustellen, weil jede Weniger = Einstellung eine Verletzung des Pactes mit Ungarn in sich schließe. Das ist der Conflict. Man beschuldigt die Regierung diesen Conflict zu wollen um eine Handhabe für die Auflösung des Reichsraths zu haben. Angenommen, aber nicht zugegeben, daß dem so sei, so sollte man denken die allergewöhnlichste Klugheit hätte dem Reichsrath anrathen müssen der Regierung diese Handhabe nicht dort zu bieten wo sie mit der klarsten Ge - setzesbestimmung sich zu waffnen vermag, und noch dazu auf einem Gebiet auf welchem der Großstaat erfahrungsmäßig am empfindlichsten ist.
** Wien, 14 März. Graf Szécsen, welcher dieser Tage von London zurückkehrt, soll als Botschafter (die Verhandlungen behufs Erhebung der beiderseitigen Vertretungen zu Botschaften sind im Zuge) nach Berlin aus - ersehen sein an Stelle des Grafen Wimpffen, welcher eine anderweitige Verwendung wünscht und möglicherweise den St. Petersburger Posten erhält. Es ist nämlich trotz der Abläugnung der „ W. Abendpost “noch immer die Rede davon daß Graf Chotek Statthalter von Böhmen wird. -- Fürst Metternich hat neue Accreditive erhalten auf besondern Wunsch des Hrn. Thiers.
- d - Salzburg, 15 März. Die Stadt Salzburg steht nicht nur nicht zurück hinter anderen deutsch = österreichischen Städten an Kundgebung von Theilnahme und Mitfreude an den deutschen Errungenschaften, son - dern die Gemeindevertretung selbst stellte sich an die Spitze, um der Frie - densfeier das Gepräge der allgemeinen Antheilnahme der ganzen Bevölke - rung zu verleihen. Salzburg ist von allen Kronländern Oesterreichs das einzige welches bis zu den Kriegen des ersten Napoleon durch eine tausend - jährige Geschichte dem deutschen Reich unmittelbar angehörte, dem alten bayerischen Jnnkreise einverleibt, in seinem Verbande einst reiche Land - schaften und freundliche Städte zählend, wie Laufen, Tittmoning, Mühl - dorf, deren Söhne nun im bayerischen Heer auch mitgeblutet haben für die Wiedergeburt Deutschlands. Kann es da wundernehmen wenn die Lan - deshauptstadt Salzburg unter den Städten Deutsch = Oesterreichs das leb - hafteste Jnteresse hat an den Geschicken der deutschen Stammesgenossen? Leider hat das Ministerium auch in Salzburg die Abhaltung einer öffent - lichen Friedens = Feier untersagt, wogegen der Gemeinderath übrigens eine motivirte Vorstellung einzureichen beschloß; umsomehr möge es ge - stattet sein in der Presse die deutschfreundlichen Sympathien Salzburgs zu bezeugen, die sich in der Begeisterung offenbarten mit welcher die Vereine ihre Mitwirkung bei der vorbereiteten Festfeier zusagten.
London, 13 März.
Jn der Sitzung des Unterhauses vom 10 d. fragte zunächst Hr. Birley: ob die Regierung beabsichtige eine Vorlage einzu - bringen durch welche der Verkauf und Export von Waffen für Krieg - führende untersagt werde. Der Premier erwiederte: daß die Regierunggegenwärtig keinerlei Absicht habe eine neue Vorlage einzubringen oder Amendirung bestehender Gesetze über den Export von Waffen und Muni - tion nach kriegführenden Staaten vorzuschlagen, und daß keine weitere Correspondenz zwischen J. M. Regierung und den Vertretern auswärtiger Mächte über diesen Gegenstand verliege, die nicht bereits auf den Tisch des Hauses gelegt worden wäre. -- Mit Beziehung auf den bevorstehenden Einzug der preußischen Truppen in Berlin erkundigte sich Hr. W. Lowther ob nicht General (damals Oberst) Walker im Jahre 1866 bei dem Einzuge der Truppen nach Beendigung des Krieges mit Oesterreich zugegen gewesen sei, und ob der General hinsichtlich seines Verfahrens Jnstructionen erhal - ten werde. Lord Enfield, der Unterstaatssecretär im Ausw. Amte, bemerkte hierauf: General Walker sei allerdings im Jahre 1866 bei dem Einzug in Berlin zugegen gewesen. Von den übrigen Anfragen war nur diejenige des früheren Unterstaatssecretärs im auswärtigen Amte, Otway, von Jnteresse. Derselbe wünschte Aufklärung darüber ob auf Veranlassung des französischen Botschafters am 25 Lord A. Loftus in Berlin den Auftrag: die guten Dienste der englischen Regierung anzubieten, in einer Depesche erhalten habe, welche unmöglich vor dem 27 in seinen Händen sein konnte, während der Waffenstillstand am 26 ablief. Warum ferner die Jnstructionen jener Depesche nicht in einer chiffrirten Depesche am 24 telegraphisch an Lord A. Loftus übermittelt worden seien; ob sodann Hr. Odo Russell, dem am 24 telegraphisch die eben erwähnte Depesche in Versailles zur Kennt - niß gebracht wurde, instruirt worden sei dem Grafen Bismarck die guten Dienste der britischen Regierung anzubieten, und welche Antwort auf dieses Anerbieten ertheilt worden sei. Darauf ertheilte Lord Enfield folgende Antwort: J. M. Regierung wurde erst am 24 ult. mit den Wünschen der französischen Regierung bekannt gemacht. Die an demselben Tag an Lord A. Loftus gerichtete Depesche wurde dem Grafen Vernstorff mit dem Ersuchen mitgetheilt den Jnhalt derselben unverzüglich an den Grafen Bismarck zu telegraphiren. J. M. Regierung hat Grund zu glauben daß Graf Bismarck das Anerbieten ihrer guten Dienste am 25 Morgens erhielt, in - dessen ist eine amtliche Antwort auf ihre Depesche noch nicht eingelaufen. Jn der Abschrift wurde dieselbe Depesche auch an Herrn Odo Russell telegraphirt, damit er über die von der Regierung gethanen Schritte im klaren sein möge. Dieses Telegramm kam jedoch erst um 11 Uhr Abends am 25 an seine Adresse. J. M. Regierung war der Ansicht daß sie den besten und sichersten Weg wähle ihre Ansichten zur Kenntniß des deutschen Kanzlers zu bringen, indem sie sich an den Grafen Bernstorff wende. Es ist kaum nöthig zu bemerken daß es viel umständlicher gewesen wäre erst an Lord Loftus zu telegraphiren, damit dieser den Hrn. v. Thile ersuchen möge an den Grafen Bismarck zu telegraphiren. “ Mit diesem Bescheide war der Fragesteller nicht zufrieden, sondern er bemerkte aber - mals: „ Der edle Lord hat nicht die Frage beantwortet auf welche ich am meisten Gewicht lege, nämlich: ob Hr. Odo Russell, dem die erwähnte De - pesche abschriftlich zutelegraphirt wurde, als er bei dem Grafen Bismarck in Versailles war, auch die Jnstruction erhielt ihm die guten Dienste von J. M. Regierung anzubieten. “ Lord Enfield: „ Das Telegramm welches an Hrn. Odo Russell am Abend des 24 ergieng, enthielt den wesentlichen Jnhalt der an Lord A. Loftus gesandten Depesche, und es wurde Hrn. Odo Russell anheimgestellt nach seinem eigenen Ermessen in dieser Angelegenheit zu handeln. “ Hr. Otway: „ Dann wurden ihm aber keine Jnstructionen zugesandt? “ Lord Enfield: „ Nein, allerdings nicht. “-- Jm weiteren Ver - laufe der Sitzung ward eine Jnterpellation in Betreff eines Gesandten des Fürsten Kassa von Abessinien, der auf seinem Wege hieher mit Ge - schenken für die Königin in Alexandria drei Monate hingehalten wurde, und dann den Rath erhielt wieder ruhig heimzukehren, von dem Unter - staatssecretär im indischen Amte mit dem Bemerken erwiedert: die Regie - rung bedaure den Vorfall, allein das indische Amt habe kein Geld für die Reisekosten dieses Gesandten gehabt, und das Schatzamt sei nicht geneigt gewesen etwas dafür herzugeben. Uebrigens solle ein passender Dankbrief mit Geschenken an den Fürsten Kassa übermittelt werden.
Eine beachtenswerthe Flugschrift „ über den französisch = preußischen Krieg, “geschrieben im Januar 1871, in London bei William Ridgeway erschienen, hat einen englischen Officier zum Verfasser, Grantley F. Berkeley, der sie „ dem kaiserlichen Kronprinzen von Deutschland “gewidmet hat. Es ist eine einfache, offenbar von innigster Ueberzeugung eingegebene Schrift, die sich, ohne feindselig gegen Frankreich aufzutreten, für die volle Gerechtigkeit der deutschen Sache und die ebenso tapfere als humane Kriegführung ausspricht. Zugleich rügt sie mit Schärfe das Verhalten der englischen Correspondenten, welche in französischem Sinne die deutsche Tüchtigkeit und Wahrhaftigkeit schmähen, dagegen die Lügenberichte eines Gambetta verbreiten. Der Ver - fasser warnt vor denen welche sich die Mühe geben England in unfreund - liche Stimmung gegen Deutschland zu versetzen. „ Jch stehe, sagt er, ganz auf der Seite der Deutschen, worin mich die hohe und erhabene Bescheiden - heit derselben, sowie die falsche Lüge und der Wortbruch der republicanischen Partei bestärken, doch wünsche ich von Herzen daß die wahren Feinde des schönen Frankreichs, die Gambetta = Clique, gestürzt werden. Möge England von den Lehren Nutzen ziehen welche der jetzige große Krieg bietet, den die Franzosen gesucht haben, und der vom König von Preußen -- jetzt glücklicher - weise deutscher Kaiser -- so tapfer durchgefochten worden ist. Vom Anfange der Herausforderung bis zur Niederlage des Kaisers der Franzosen, bei den außerordentlichen Siegen welche von den verbündeten Heeren errungen worden sind, ist mir keine Thatsache bekannt welche mir in Bezug auf das1266Verhalten der Sieger ein Bedauern einflößt. Ueberall ist ihr Betragen fürstlich, human, tapfer gewesen; sie haben vor der Welt den Beweis ge - liefert welche vergeblichen Bemühungen eine nicht disciplinirte Masse macht, die von eigennützigen Menschen geleitet wird, welche nur ihre eigenen Jn - teressen im Auge behalten, nicht das Wohl der bürgerlichen Gesellschaft. “
Oberst Fielding von den Coldstream Garden, der englische Militär - commissär bei der französischen Armee, welcher vor einigen Wochen nach England berufen worden war um beim auswärtigen Amt Aufschlüsse über gewisse Punkte abzugeben, ist nunmehr nach Frankreich zurückgekehrt, um das noch fehlende Material für seinen officiellen Bericht zu sammeln.
Obwohl in Abrede gestellt worden ist -- schreibt der „ Globe “-- daß die Uebertragung des Suez = Canals an englische Capitalisten wahr - scheinlich sei, haben wir doch Grund zu der Annahme daß demnachst Un - terhandlungen zu diesem Zwecke beginnen werden. Der Herzog v. Su - therland, Lord Stafford, Hr. Pender und einige andere Herren haben während ihrer Anwesenheit im Lande dem Vicekönig einen Besuch in Kairo gemacht, und die Officiere der Yacht des Herzog v. Sutherland ha - ben während der Durchfahrt durch den Canal Vermessungen angestellt.
Kaiser Napoleon ist noch nicht in Chiselhurst eingetroffen, und wie verlautet, wird er vor Donnerstag keinesfalls erwartet.
Mit Hrn. Lewis Doxat ist wohl der Nestor der europäischen Jour - nalistik gestorben. Jm Anfang dieses Jahrhunderts war er Redacteur des „ Morning Chronicle, “darauf 50 Jahre lang Redacteur des „ Ob - server. “ Er starb vor wenigen Tagen 98 Jahre alt.
Paris, 9 März.
Die „ Amtszeitung “meldet daß der Chef der executiven Gewalt den bisherigen Gesandten Frankreichs in Athen, Hrn. Baude, den General Caill é, den Abg. de Goulard und endlich Hrn. Declerc, welcher ebenfalls den Rang eines Gesandten besitzt, zu Bevollmächtigten für die in Brüssel zu eröffnenden Friedensunterhandlungen ernannt, und daß der Minister des Aeußern diese Wahlen dem deutschen Reichskanzler mit der Bitte mit - getheilt hat auch seinerseits die deutschen Bevollmächtigten zu ernennen, und in möglichster Kürze den Tag der Eröffnung der Unterhandlungen zu bestimmen.
Das amtliche Blatt veröffentlicht folgenden telegraphisch erwähnten Artikel: „ Jn dem Augenblick da die Eröffnung der Unterhandlungen be - vorsteht welche uns zu dem Abschluß eines definitiven Friedensvertrags führen sollen, muß ein jeder von uns sich von dem Ernst unserer traurigen Lage und von der capitalen Wichtigkeit der peinlichen Pflichten durchdrin - gen die sie uns auferlegt. Wir schreiten durch eine der härtesten Prüfungen welche über eine Nation verhängt werden können. Wir können uns nur durch gesunden Sinn und durch den festen Willen retten mit den Schwach - heiten und Chimären ein Ende zu machen. Nachdem Frankreich thörichter - weise zu Gunsten einer in sich selbst vernarrten Regierung abgedankt hatte, erkannte es zu spät daß es an einen Abgrund geführt worden ist; nun es in denselben hineingestürzt, muß es nur in sich selbst die Kraft suchen sich wieder herauszuziehen. Auch hat es sich vor allen Dingen als Republik constituirt, weil die Republik allein, d. h. die Regierung aller durch alle und für alle, die Gemüther vereinigen und zu den nöthigen Opfern vorbe - reiten kann. Es wäre also ein Verbrechen gegen das Land sie durch Jntri - guen oder Gewaltthätigkeiten anzugreifen, welche den Sieg einer monarchi - schen oder dictatorischen Minderheit zum Zweck hätten. Es wäre kein ge - ringeres Verbrechen Zwiespalt zu säen, Unruhen zu stiften, Aufregungen zum Vortheil einiger Ehrgeizigen herbeizuführen. Wir leben in einer Stunde da der größte Patriotismus darin besteht sich der gesellschaftlichen Disciplin zu unterwerfen und den Gesetzen zu gehorchen. Wer sich ein Spiel daraus macht die letzteren zu überschreiten wird ein Feind des Staats, und verdient alle Ahndungen der öffentlichen Meinung und der Gerichte. Wer dagegen die Aufrechterhaltung der Republik und die Wie - derkehr des Wohlstands will, der will schon damit auch die regelmäßige Arbeit, die Ordnung in der Straße, den Gehorsam gegen die rechtmäßigen Führer, die Achtung vor dem Recht eines jeden. Mißachtung der Gesetze dagegen zu predigen und zu üben, die Presse durch Beschimpfungen und Verleumdungen zu entehren, geheime Regierungen an Stelle der recht - mäßigen Autoritäten zu setzen, heißt das Werk eines schlechten Bürgers verrichten, heißt die Republik zerstören und den Despotismus zurückführen. Ja, noch schlimmer, es heißt den Abzug des Fremden verzögern, und uns vielleicht einer noch vollständigern und schrecklichern Occupation aussetzen. Lernen wir in der That unsere Lage ohne Selbsttäuschung ins Auge fassen. Wir sind besiegt worden. Fast die Hälfte unseres Landes stand in der Ge - walt einer Million Deutscher, sie haben uns die erdrückende Last einer Entschädigung von 5 Milliarden auferlegt, sie werden ihr Pfand nicht aus den Händen lassen solange sie nicht bezahlt sind. Nun können wir aber Hülfsquellen nur im Credit finden, und Credit wiederum nur durch Spar - samkeit, Mäßigung und gute Aufführung erhalten. Wir haben keine Mi - nute zu verlieren um uns wieder an die Arbeit zu machen, welche unser einziges Heil ist, und in diesem entscheidenden Augenblick hätten wir die klägliche Thorheit uns bürgerlichen Zerwürfnissen zu überlassen! Wir könnten dulden daß einige Menschen, die nicht einmal sagen können was sie wollen, die Stadt durch verbrecherische Anschläge beunruhigten! Wir appelliren an die Vernunft unserer Mitbürger, und sind gewiß daß siesolche Anschläge unmöglich machen werden. Unsere Unterhändler werden ernste, schwierige, traurige Fragen zu erörtern haben. Mit welcher Auto - rität werden sie das thun können wenn unsere Gegner immer wieder ihren alten Einwand erheben: ihr seid keine Regierung; man beschimpft euch, man verweigert euch den Gehorsam, man hält euch im Schach; ihr könnt keine ernstliche Garantie für euren Bestand bieten. Wenn unsere Unter - händler, während sie zur Conferenz zusammentreten, wieder Aufstände zu befürchten haben, so werden sie scheitern, wie am 31 Oct., da die Emeute vom Stadthause den Feind bestimmte uns den Waffenstillstand zu verwei - gern welcher uns hätte retten können. Heute wiederum bedürfen wir un - sere ganze Kraft um gegen einen geschickten und siegreichen Gegner zu kämpfen; diese Kraft werden wir hauptsächlich in dem Urtheil der Welt schöpfen, welches uns nur dann günstig sein wird wenn wir es durch unsere Einigkeit, unsere Mäßigung, unsere Würde im Unglück zu gewinnen wis - sen. Niemals hatte ein Volk ein directeres Jnteresse die wahren Bürger - tugenden zu üben. Weil wir es vergaßen, darum leiden wir jetzt, und an der Größe des auf uns lastenden Unglücks sollten wir erkennen wie absolut nothwendig es ist die Lehre zu beherzigen, und in der Würdigung und Achtung unserer Pflicht eine Zukunft zu suchen. Die Regierung setzt ihre Ehre darein die Republik zu gründen. Sie wird dieselbe energisch verthei - digen, mit dem festen Vorhaben ihr zur Grundlage den Credit zu geben, ohne welchen der öffentliche Wohlstand nicht wieder aufleben kann, die Aufrechthaltung der Ordnung und die Ausführung der Gesetze, welche ihr allein gestatten werden eine Aera der Wiederherstellung und des Friedens einzuleiten. “
Nach dem „ J. des Débats “gehören die Kanonen deren sich einige Nationalgarden am Tage vor dem Einzuge der Preußen in Paris bemächtigt haben, zu jenen, welche während der Belagerung von der Privatindustrie mit Hülfe von Fonds die theils vom Staat, theils von öffentlichen Sammlungen herrührten, gefertigt worden sind. Dieses Material wurde für die Nationalgarde bestimmt, welche ein Effectiv von 350,000 Mann bildet und auf 875 Geschütze Anspruch hat. Was von diesem Material fertig war, wurde daher allmählich an die Nationalgarde abgeliefert und in der Avenue Wagram vereinigt. Jn diesem verschlossenen und von der Legion der Nationalgarde bewachten Depot mußten am 28 Februar vor - handen sein: 7 = Pfünder in Erz oder in Kupfer 170, deßgl. gebohrte 12, deßgl. von verschiedenen Kalibern 10, 15pfündige Mörser 50, Berghau - bitzen 3 -- zusammen 245. Dazu treten dann noch Artillerievorräthe, Schmieden, Laffetten, Munitionswagen u. s. w., deren Zahl noch nicht in dem rechten Verhältnisse zu der der Geschütze stand, aber doch schon für die vollständige Ausrüstung von 20 Batterien genügte. Jm ganzen sollte das Material für die Artillerie der Nationalgarde bestehen aus 400 Geschützen, wovon 256, dann 202 Mitrailleusen, wovon 80 fertig sind; ferner aus 50 Mörsern, 3 Berghaubitzen und aus Geschirr im Werthe von 700,000 Frcs. -- das Ganze auf 14 bis 15 Millionen geschätzt. „ Dazu ist zur Steuer der Wahrheit noch zu bemerken daß die Nationalgarde unter ihrer Verant - wortlichkeit nur das in der Avenue Wagram vereinigte Material ohne Munitionen und sonstiges Zugehör hatte. Nun gestehen wir allerdings nicht errathen zu können was aus diesem Depot von den Nationalgarden entführt, und nach Montmartre, Montrouge, auf die Place des Vosges oder anderswohin gebracht worden ist. So viel ist aber gewiß daß, wenn die entführten Geschütze noch einige Zeit in den Händen ihrer jetzigen Jn - haber bleiben, dieser bedeutende Theil des Materials auf das schwerste ge - fährdet ist, und daß die Herren von den Faubourgs einen argen Verlust unserem unglücklichen Frankreich zufügen, welches nicht reich genug ist um ihren Ruhm zu bezahlen. “
Als Beweis was für Schandthaten nach dem Abzug der Deutschen diesen zur Last gelegt werden, kann die Bekanntmachung dienen welche der Maire von Bagneux am 12 d. erlassen hat. Jn derselben wird mitgetheilt daß in seiner Commune eine ungeheure Masse von Möbeln, welche die Deutschen gestohlen hätten, wegen Mangels an Transportmitteln zurück - gelassen worden sei, und er ladet die Einwohner ein das ihrige zu reclamiren.
Die französische Artillerieschule welche sich bisher in Metz befand wird nach Bourges verlegt, wo bekanntlich die französischen Kanonen - gießereien sind.
Aus Epernay, 6 März, wird dem „ Frkf. J. “mitgetheilt daß es gelungen ist wenigstens einen Theil der Francs = Tireurs, deren Handstreich kürzlich gemeldet wurde, gefangen zu nehmen. Unter den Gefangenen, fünf an der Zahl, befand sich auch der Anführer des Corps. Ein Mann der sich vertheidigen wollte wurde sofort erschossen. Das Geld soll jedoch nicht wieder erlangt sein. Jrrthümlich war gesagt daß 20er Jäger zur Verfolgung ausgerückt seien. Es mußte heißen 20er Landwehr.
Die algierischen Blätter berichten näheres über die am 1 März in der Stadt Algier vorgefallenen Unruhen. Die Excesse begannen um 4 Uhr Nachmittags. Mehrere tausend Eingeborne plünderten zahlreiche Kaufläden, insbesondere solche welche Juden gehörten, und suchten sich einiger öffentlichen Gebäude zu bemächtigen. Namentlich die Straße Bab Axon und der Theaterplatz waren der Schauplatz vieler Gewaltthätig - keiten aller Art. Unmittelbar nach dem Beginn der Unruhen wurde Ge - neralmarsch geschlagen. Die Truppen sammelten sich rasch beim Stadthaus und begaben sich von da in kleineren Abtheilungen nach allen bedrohten1267Punkten. Viele Verhaftungen fanden statt. Gefeuert wurde jedoch nur an einzelnen Stellen, und zwar ohne Commando. Um 7 Uhr war die Ruhe in der unteren Stadt wiederhergestellt, aber die Läden blieben noch geschlossen. Die Zahl der Todten und Verwundeten, welche ziemlich be - deutend ist, läßt sich noch nicht genau bestimmen. Wie es scheint, lag dieser Ruhestörung ein seit längerer Zeit vorbereiteter Aufstandsversuch der Ein - geborenen gegen die französische Herrschaft zu Grunde.
Die Verhaftungen in Algier in Folge der Unruhen betrugen schon am 1 März Abends mehr als 250; in einem andern Bericht vom 2 März waren bereits über 500 genannt, lauter Araber. Verwundete waren, so viel aus den vorliegenden Berichten hervorgeht, ziemlich viele, in einer einzigen Ambulanz allein 20. Die Haupturheber waren die Barrani, d. h. die nicht in Algier ansässige bewegliche Araber = Bevölkerung, die sich in den arabischen Kaffeehäusern Fonduks, u. s. w. umhertreibt; der Aus - bruch des Kampfes erfolgte bei einem Streite der jüdischen Tirailleurs mit Barranis in der Rue d'Jsly; der Muselman fand die Bewaffnung der Juden schon an sich anstößig und wollte sich von ihnen nichts gefallen lassen. Nach den Unruhen hat die Behörde das Bataillon der jüdischen Tirailleurs auf - gelöst, um den Rechtgläubigen keine weitere Gelegenheit zum Fanatismus zu geben.
sym7 Florenz, 11 März. Der General Menabrea hat im Namen der Commission des Senats einen langen Bericht erstattet über die Vor - schläge bezüglich der Reorganisation der Armee. Der Bericht beginnt mit der ebenso unentbehrlichen als banalen Phrase: daß das „ furchtbare Drama “des deutsch = französischen Kriegs die Völker mehr denn je überzeugt habe daß es nicht genüge fortzuschreiten in Wissenschaft, Kunst und Gesittung, sondern daß die Staaten vor allem gegen die traurigen Möglichkeiten eines Kriegs gesichert sein müssen, „ in welchem nicht allein Hab und Gut, sondern auch Unabhängigkeit und Nationalität noch immer verschwinden können wie in den Zeiten der Vergangenheit, da die brutale Gewalt das einzige Gesetz in der Welt war. “ Darauf folgt die übliche Belobung der preußischen Armee = Organisation, deren Nachahmung in Jtalien jedoch nicht völlig möglich sei. Die Grundlage der preußischen Einrichtung bestehe in dem territorialen Charakter der Armeecorps, Divisionen und Regimenter, während die einzelnen tactischen Körper des italienischen Heers sich unter - schiedslos aus Elementen aller Provinzen des Staats zusammensetzten. Dieses letztere System müsse auch fernerhin beibehalten werden, schon darum weil es zur Unification des Landes mächtig beigetragen habe. Hieraus geht offenbar hervor daß dem General Menabrea (und wie er denken über diesen Punkt so ziemlich alle italienischen Politiker) die Unification Jtaliens noch nicht so fertig erscheint als wünschenswerth wäre; denn sonst würde er nicht die Beibehaltung der gegenwärtigen der Unification förderlichen Art der Zusammensetzung der Armeetheile für nöthig erachten. Die italienischen Politiker haben sicher ganz Recht. Doch dürfte es vielleicht nicht schaden wenn die Publicisten der „ Opinione “und der „ Perseveranza, “welche in den letzten Monaten ihren Lesern so oft erzählt haben daß, wäh - rend die italienische Einheit auf dem Wege der Freiheit, vermöge der frei - willigen Zustimmung der Bevölkerung, zu Stande gekommen sei, die deut - sche Einheit durch Gewalt und Eroberung, durch Blut und Eisen geschaf - fen werde -- es würde, meine ich, nicht schaden wenn diese über die deut - sche Politik der rohen Gewalt jammerden Publicisten einmal die Frage untersuchen wollten: wie es kommt daß man nicht wagen darf in dem durch freie Plebiscite geeinigten Jtalien eine Zusammensetzung der Armee aus territorialen Truppenkörpern herzustellen, wie sie in dem durch Blut und Eisen zusammengeschweißten Deutschland besteht, ohne irgendeine Gefahr für die Einheit und Sicherheit des Reichs? Daß Preußen in jeder ein - zelnen der kaum annectirten Provinzen deren eigenes Armeecorps belassen, daß es hannoverische und schleswig = holsteinische Regimenter dem Feind entgegenführen darf, während das seit zehn Jahren geeinigte Jtalien noch heute nicht wagen kann ein Regiment bloß aus Neapolitanern oder bloß aus Romagnolen zu bilden, geschweige denn solchen Regimentern den Schutz der öffentlichen Sicherheit in der heimathlichen Provinz anzuver - trauen, das scheint mir eine Thatsache welche der weisen Betrachtung libera - ler, mit der nährenden Milch der Plebiscite großgezogener Publicisten wohl würdig wäre. Der Entwurf des Kriegsministers Ricotti für die Re - organisation der italienischen Armee sieht also ab von der territorialen Grundlage der preußischen Heereseinrichtung. Aber er führt auch nicht das preußische System der allgemeinen Wehrpflicht ein, oder doch nur in derart verdünnter Form, daß man, würde es einem nicht ausdrücklich ge - sagt, nicht merkte daß noch etwas davon da sei. Wie bisher, so sollen auch fortan die Dienstpflichtigen durch das Loos in zwei Kategorien unter - schieden werden; es soll zwar nicht mehr möglich sein sich durch Loskauf völlig vom Militärdienst zu befreien, wohl aber sich aus der ersten in die zweite Kategorie versetzen zu lassen. Die Dienstzeit der ersten Kategorie soll zwölf Jahre betragen (bisher elf), darunter drei bis vier Jahre unter den Waffen; das gilt für Jnfanterie, Genie und Artillerie. Die Dienst -zeit der Cavallerie wird zehn Jahre betragen, wovon fünf unter den Waf - fen. Die Leute der zweiten Kategorie werden nur einmal auf fünf Mo - nate einberufen, um den ersten militärischen Unterricht zu erhalten; ihre Dienstzeit soll fortan neun Jahre dauern (statt fünf), für die ersten drei Jahre gehören sie dem activen Heer an, welchem sie indessen nur im Kriegs - fall einverleibt werden. Jn Friedenszeiten setzt sich das active Heer aus drei bis vier Classen der ersten Kategorie zusammen in einer Gesammt - stärke von 184,500 Mann. Jn Kriegszeiten erhöht es sich, die Reserve inbegriffen, auf 420,000 Mann. Neben dem activen Heer sollen Bezirks - milizen gebildet werden, welche im Gegensatz zu dem für jenes beibehalte - nen nicht provinciellen Charakter sich aus provinciellen Elementen zusam - mensetzen; und zwar sollen diese Milizen bestehen zum Theil aus Solda - ten der letzten drei Jahresclassen der ersten Kategorie, zum andern Theil aus den Dienstpflichtigen der letzten sechs Jahresclassen der zweiten Kate - gorie. Die Gesammtstärke der Bezirksmilizen soll 330,000 Mann betra - gen, so daß also Jtalien für den Kriegsfall über 750,000 Mann verfügte.
♋ Bukarest, 9 März. Die staatliche Existenz Rumäniens er - scheint aufs neue in bedenklicher Weise gefährdet. Dieselbe wird zwar im Augenblick weder durch einen auswärtigen Krieg noch durch eine Revolu - tion bedroht; aber sie muß an den finanziellen Zuständen zu Grunde gehen. Schon in zahlreichen Berichten habe ich von der Finanznoth ge - sprochen, und hervorgehoben daß Rumänien einer finanziellen Katastrophe nur durch eine rasch bewilligte und ins Werk gesetzte Anleihe entgehen könne. Aber trotz allen Drängens sowohl von Seite des früheren als des gegenwärtigen Ministeriums wurde das Anleihegesetz von der Kam - mer stets auf die lange Bank geschoben, und ist bis heute nicht zum Be - schluß erhoben. Natürlich ist mit jedem Tage die Finanznoth größer ge - worden, während die Schwierigkeit eine Anleihe zu machen sich für Ru - mänien seit dem deutsch = französischen Friedensschluß sehr gesteigert hat, da in Folge der großen Kriegsentschädigung das Geld auf den europäischen Märkten selten geworden ist. Die Bewegung der Staatsmaschine wäre bereits ins Stocken gerathen wenn die „ Banque de Roumanie “(ein Consor - tium englischer und französischer Capitalisten) der Regierung nicht kürzlich 1 1 / 2 Millionen Fr. gegen hohe Zinsen geliehen hätte, wofür die Raten - briefe der verkauften, aber erst mit einer oder der zweiten Rate bezahlten Staatsgüter verpfändet wurden. Trotzdem hat ein großer Theil der Be - amten und Pensionisten schon seit 3 bis 6 Monaten nicht mehr ihre Ge - halte oder Pensionen bekommen. Was die Schwierigkeit eine rumänische Anleihe zu bewerkstelligen erhöht, sind die Streitigkeiten mit Strousberg und die Nichtzahlung des Januar = Coupons für die rumänischen Eisen - bahn = Obligationen. Diese Händel werden seit gestern in der Kammer verhandelt. Der Antrag der Commission lautet ungefähr dahin: alles was in Eisenbahnsachen geschehen ist, möge die Kammer nicht anerkennen. Sie möge die Ernennung des Hrn. Hambron zum rumänischen Eisenbahn - Commissarius für verfassungswidrig erklären, die Ausfertigung der Obli - gationen für concessionswidrig, ebenso die Ausgabe der Obligationen und die Verausgabung des erhöhten Geldes. Ferner möge sie erklären daß auch der Nachfolger Hambrons, Hr. Steege, seine Vollmachten über - schritten habe. Endlich möge die Kammer erklären daß der rumänische Staat gar keine directe Verbindlichkeit den Besitzern der Eisenbahn = Obli - gationen gegenüber habe. Der Sinn des Commissionsberichts ist unge - fähr der: daß die Rumänen sich von deutschem Gelde, deutschen Unter - nehmern und Jngenieuren Eisenbahnen bauen lassen und dieselben hin - terher nicht bezahlen sollen. Sollte die Kammer sich die Ansichten des Commissionsberichts aneignen, so würde dieß der großen Menge der Be - völkerung allerdings sehr gefallen und die Eisenbahn = Obligationen wür - den ganz werthlos werden -- wenn nicht Deutschland und die übrigen europäischen Staaten, deren Unterthanen die Obligationen zufolge der Garantie Rumäniens gekauft haben, auch ein Wort mitsprechen wollten. Daraus werden sich natürlich schlimme Verwickelungen ergeben; aber das allerschlimmste ist daß das schon sehr geschwächte Vertrauen des europäi - schen Capitals in rumänische Zustände ganz verloren gehen und daß es der Regierung unmöglich wird die ihr so nothwendige Anleihe zu machen. Kann die Regierung aber keine Anleihe machen, so kann sie ihre Beamten nicht zahlen, sie kann ihre Wechsel (die Staatsbons) nicht einlösen, und sie kann auch die Zinsen für die Anleihe Oppenheim und die Anleihe Stern nicht zahlen; ebensowenig die garantirten Zinsen für die Czernowitz = Jassyer Eisenbahn. Damit hört nicht allein der letzte Rest von Gesetzlichkeit im Land auf, sondern es werden wiederum zahlreiche Unterthanen der garan - tirenden Mächte geschädigt, welchen letzteren nichts weiter übrig bleibt als der rumänischen Wirthschaft ein Ende zu machen.
Verkehrsbeschränkung. Auf der Route Augsburg werden in den näch - sten Tagen Verkehrsbeschränkungen eintreten, in Folge des Transports der fran -1268zösischen Gefangenen, welche zu ihrer Heimkehr meist den Weg über Lindau, Kon - stanz, Basel nehmen.
Berlin, 13 März. Die Börse war im gestrigen Privatverkehr belebt, die Cursbewegung steigend, besonders für Franzosen, Westbahn und Rumänier. Auch heute war die Haltung gut, namentlich im Anfang, und Franzosen, Lombarden, Credit waren ziemlich belebt. Das Hauptgeschäft aber, welches eine Zeitlang die ganze Thätigkeit der Börse absorbirte, fand in den heut an den Markt gebrachten Actien der „ Deutschen Unionsbank “statt, welche acht Tage nach Erscheinen mit 104 1 / 4 bis 3 / 4 lebhaft gehandelt wurden. Realisationen drückten später etwas auf die Curse, doch befestigten sie sich bald wieder; Galizier, Nordwestbahn, Westbahn waren belebt. Eisenbahnen fest bei im ganzen gutem Verkehr; Bergisch märkische wurden ziemlich viel gehandelt. Von Banken waren preußische Central Boden - credit belebt. Jnländische und deutsche Fonds waren fest, besonders Bundes - Anleihe; Oldenburger37 3 / 8 Geld; inländische Prioritäten fest, 5procentige belebt; österreichische zum Theil höher in ziemlich gutem Verkehr; russische〈…〉〈…〉 matter, ameri - kanische sehr belebt und steigend, namentlich Chicago, Oregon, Nockford und Kansas, Eutiner 99 bez u. G. Von russischen Fonds waren nur 1870er, 1871er Eng - lische, letztere zu82 5 / 8, wozu sie bezahlt blieben, und alte Prämien = Anleihe belebt.
Einer von dem Minister des Junern veröffentlichten Nachweisung über den Geschäftsbetrieb und die Resultate der Sparcassen in den preußischen Staa - ten zufolge existirten im Jahr 1869 458 städtische und 350 Kreis = Sparcassen. Ende 1868 betrugen die Einlagen 143,555,412 Thlr., im Jahr 1869 betrug der Zuwachs an Einlagen 53,319,844 Thlr., an Zinsen 3,782,938 Thlr., die Summe der zurückgezogenen Einlagen betrug dagegen 43,600,328 Thlr., so daß das Jahr 1869 mit einer Einlagesumme von 157,057,896 Thlr. abschloß, welche sich auf 1,358,392 Sparcassenbücher vertheilte. Der Bestand des Separat = oder Spar - fonds der Cassen bezifferte sich Ende 1869 auf 2,163,811 Thlr., der des Reserve - fonds auf 9,112,221 Thlr. Von der Gesammtsumme waren 160,742,850 Thlr. zinstragend angelegt.
Frankfurt a. M., 14 März. Württ. 5proc. Oblig. 99 7 / 8 bez. ; 4 1 / 2 proc. 94 1 / 2 bez. ; 4proc. 86 3 / 4 G.; 3 1 / 2 proc. 84 1 / 2 G.; bad. 5proc. Obl. 99 7 / 8 bez. ; 4 1 / 2 proc. 94 1 / 2 bez. ; 4proc. 88 bez. ; 3 1 / 2 proc. 83 1 / 2 G.; pfälz. Max = B. 112 1 / 4 bez. ; 4proc. hess. Ludwigs = B. 141 G.; bad. 35fl. = L. 60 bez. ; kurh. 40Thlr. = L.64 1 / 2 P.; nass. 25fl. = L.37 1 / 2 G.; gr. hess. 50fl = L.169 1 / 2 P.; 25fl. = L. 49 P.; Ansbach - Gunzenh. 7fl = L.12 1 / 8 G.; Pistolen fl 9 44 -- 46; doppelte fl. 9.45 -- 47; preuß. Friedrichsd'or fl. 9 58 -- 59; holl. 10fl. = St. fl 9.54 -- 56; Ducaten fl. 5 36 -- 38; Ducaten al marco fl. 5 37 -- 39; Napoleonsd'or fl. 926 1 / 2 -- 27 1 / 2; engl. Sover. fl. 11.55 -- 57. (Cursbl. d. Ver. Frkf. Ztgen.)
Französisches Wechselmoratorium in Bezug auf Elsaß = Lothrin - gen. Besondere Schwierigkeiten entstehen auch für Elsaß = Lothringen. Die „ Straßb. Ztg. “bemerkt in Betreff der abermaligen Verlängerung des Moratoriums: Die Regelung der hiesigen Wechselverhältnisse bietet in jedem Fall große Schwierig - keiten, namentlich wenn man voraussetzt daß die Wechsel sämmtlich in einer kurzen Frist präsentirt, resp. protestirt werden sollen. Vor einigen Tagen fand hier eine Versammlung der Huissiers zur Berathung dieses wichtigen Gegenstandes statt, und es ergab sich nach dem Ueberschlage kundiger Geschäftsleute daß die Zahl der eventuell zu präsentirenden Wechsel für Straßburg etwa 20,000 beträgt, von denen sich 12,000 im Portefeuille der Bank befinden. Wenn für den größeren Theil dieser〈…〉〈…〉 Wechsel Protest zu erheben ist, so würden die Huissiers für dieses Geschäft wenigstens einen Monat bedürfen. Die Einhaltung der gewöhnlichen Frist ist also thatsächlich unmöglich, und es zeigt sich in diesem Fall daß die Ver - hältnisse mächtiger werden können als die Gesetze. Die Spannung hinsichtlich der〈…〉〈…〉 Art wie eine Milderung oder Beseitigung dieser Schwierigkeiten herbeigeführt werden könne, ist in den betheiligten Kreisen sehr groß.
** Triest, 12 März. (Zum Umbau des Triester Bahnhofs. ) Am 16 l. M. soll bei der hiesigen Statthalterei unter dem Vorsitz ihres neuen Chefs, des Frhrn. v. Pretis, das von der Südbahn = Direction für diesen Umbau ausgearbeitete neue Project vor der speciell hiezu eingesetzten gemischten Commission zur Verhand - lung kommen. Nicht bloß Triest, sondern die gesammte Monarchie muß lebhaft wünschen daß diese Commissionsverhandlung ein erfolgreicheres Ergebniß liefere als jene ähnliche frühere Verhandlung, die zu einem gleichen Zweck und ebenfalls im Beisein und unter Mitwirkung des Frhrn. v. Pretis bereits im Jahr 1865 in Triest stattfand, aber leider den doch mit jedem Tage dringender sich heraus - stellenden radicalen Umbau des bekanntlich ebenso fehlerhaft angelegten als räumlich ungenügenden jetzigen Triester Bahnhofs abermals durch volle 6 Jahre, zum schweren Nachtheil unseres dadurch in seiner Entwicklung wesentlich gehemmten überseeischen Ein =, Aus = und Durchfuhrhandels, und zwar hauptsächlich deßhalb unerledigt gelassen hat, weil man sowohl im Jahr 1865 als auch später, bis in die neueste Zeit, an der maßgebenden Stelle unsers Handelsamts nicht zu der fachmännisch doch so klar am Tage liegenden Erkenntniß gelangen konnte daß eine vollständig entsprechende Reform des fraglichen, in jeder Beziehung mangelhaften, Bahnhofs schlechterdings nicht durchführbar ist ohne Erfüllung der hiezu unerläßlichen Vorbedingung, näm - lich der gänzlichen und gleichförmigen Erniederung bis zur Fahrstraße nach Prosecco und Miramar, und bis auf das Niveau des Stadtpflasters -- sowohl des ge - sammten schon beim ursprünglichen Bau des Bahnhofs fehlerhaft 24 Fuß über dem vorerwähnten Nivean angelegten obern Betriebsplatteau's als auch aller auf letzterem hergestellten Hochbauten -- und weil nebstbei noch an jener maßgeben - den Stelle die ebenso irrthümliche als deren ersprießliche Einwirkung auf die Süd - bahngesellschaft in dieser Sache hemmende Ansicht vorwaltete, daß der Umbau dieses Bahnhofs, trotzdem daß letzterer den wichtigsten Knotenpunkt des maritimen Han delsverkehrs Oesterreichs bildet, dennoch bloß als eine innere Verwaltungsangelegenheit (! ) der Südbbahngesellschaft betrachtet werden müsse, und demzufolge auch die endgültige Entscheidung nicht bloß über die secundären, sondern auch über alle Hauptmodalitäten dieses Umbaues ausschlaggebend in die rechtliche und sachliche Competenz jener Gesellschaft und nicht in die der Staatsregierung falle, welche demnach deßfalls bloß Wünsche und Rathschläge aussprechen, aber keine unbedingt zu befolgenden Befehle ertheilen könne (!). Wir wollen indessen hoffen daß über diese beiden vitalen Punkte der Reformfrage des Triester Bahnhofs nunmehr aller - seits klarere und richtigere Anschauungen zum Durchbruch gekommen seien, und daß durch die schwierige und vollständig entsprechende Ausführung dieser〈…〉〈…〉 Reform wenigstens für die Zukunft das bisher Versäumte wieder gutgemacht werde.
§ Paris, 10 März. Das Geschäft schien im Anfang einen Anlauf zum Bessern nehmen zu wollen; eine Kaufordre von 45.000 Fr. Rente hob die 3pro - centige auf 51.10; doch trat bald die〈…〉〈…〉 alte Geschäftslosigkeit wieder ein. Nur Jtaliener hoben sich durch Deckungskäufe auf 53.90, und Autrichiens in Folge auswärtiger Kaufordres auf 785. Die übrigen Curse waren ziemlich stationär: Foncier 945, Lombarden 352, Nord 950, Cr é dit mobilier 141. Belustigende Sensation machte ein Börsenbesucher welcher zum Schutz seiner Person eine Karte auf seinen Hut geheftet hatte mit der Jnschrift: Autrichien.
Bern, 13 März. Die Bundesrevisionscommission hat beschlossen daß die Frage wegen Abschaffung der päpstlichen Nuntiatur vom Bundes - rathe geprüft werden soll. Die Ehe wird als bürgerlicher Vertrag erklärt und unter den Bundesschutz, sowie unter die Bundesgesetzgebung gestellt. (T. N.)
Warschau, 8 März. Der Feldmarschall Fürst Bariatinski weilt noch immer in dem fünf Meilen von hier entfernten Skierniewice. Diese Stadt ist, seit der Zeit daß der Feldmarschall seinen Aufenthalt in ihr ge - nommen hat, der Mittelpunkt einer regen politischen Thätigkeit geworden, deren Ziel aber für alle Uneingeweihten in tiefes Geheimniß gehüllt ist. Fast täglich kommen und gehen dort Generale, Diplomaten und andere hochgestellte Staatsbeamte, und niemand weiß was in den langen Con - ferenzen verhandelt wird. Seit mehreren Tagen weilt dort auch der be - kannte Wortführer der Panslavistenpartei, General Fadejew. Fürst Bariatinski ist dabei mit ausgedehnten Machtvollkommenheiten ausge - rüstet, und steht in unmittelbarem Verkehr mit St. Petersburg und den Behörden des Königreichs Polen. (Osts. Ztg.)
Bukarest, 9 März. Der nordamerikanische Consul hat dem Fürsten in feierlicher Audienz ein Schreiben Grants überreicht, und erklärt: er, der Consul, werde im Namen der Republik die israelitischen Jnteressen ener - gisch vertreten. (Wand.)
Athen, 14 März. Der englische Gesandte Erskine hat eine Note Granville's überreicht, worin das englische Cabinet auf der Forderung einer vollständigen Revision des Marathon = Processes beharrt und theilweise Zugeständnisse verwirft. Kumunduros erklärte: er könne nur die Landes - gesetze befragen, diese gebieten die Aufrechterhaltung der Verweigerung der Revision. Die Haltung des Königs ist unentschieden. (Presse.)
Konstantinopel, 11 März. Die Steuer für eine Oka Tabak ist um 20 Piaster und für jeden Hammel um 1 Piaster erhöht worden. Hie - durch gewinnt der Staatsschatz jährlich eine höhere Einnahme von einer Million Pf. St. (T. N.)
Washington, 11 März. Jn der heutigen Sitzung des Senats ist der Antrag: Hrn. Sumner von seinem Posten als Vorsitzender des Comit é's für auswärtige Angelegenheiten zu entheben, mit 33 gegen 9 Stimmen angenommen worden. An seiner Stelle wurde Hr. Simon Cameron bestätigt. Die republicanischen Journale halten die Absetzung des Hrn. Sumner für unverständig und darauf angelegt die Parteien noch weiter zu trennen, indem Hr. Sumner und seine Freunde der Regierung eine entschlossene Opposition machen würden. (T. N.)
* London, 14 März. Jm Unterhaus ersucht Gladstone dem Amendement Buxton nicht Folge zu geben. Das Amendement lautet: „ Es sei wünschenswerth daß die Regierung die europäischen Mächte und Amerika auffordere für den Landkrieg Bestimmungen zu vereinbaren welche mit den von den Mächten 1856 für den Seekrieg angenommenen überein - stimmen. “ Gladstone erwiedert: „ Die Verhältnisse, in denen sich gegen - wärtig zwei Großmächte befinden die im Begriffe stehen die Friedens - bedingungen festzustellen, gestatten der Regierung nicht diese Frage zu discutiren. “ Buxton zieht hierauf sein Amendement zurück.
Jm Wiener Brief der gestrigen Beilage Z. 2 lese man: des Londoner Conferenz = Actes und Z. 3 Acte public.
So eben sind erschienen und durch jede Buchhandlung und Postanstalt im Deutschen Bunde zu beziehen:(2308)
Nr. 1. März-April. Preis 15 Sgr. Bearbeitet im Coursbureau des Bundes-General-Post-Amts. (Inserate jeder Art werden darin aufgenommen, Tarif siehe am Schluss.)
enthaltend die Eisenbahnverbindungen in Deutschland und der österreichisch-ungarischen Monarchie. Bearbeitet im Coursbureau des Bundes-General-Post-Amts in Berlin. (Inserate jeder Art werden darin aufgenommen, Tarif siehe am Schluss.)
Aus der Türkei -- Die Heerschau in Villiers. -- Deutsches Reich. Berlin: Die Gebiets = Entschädigung an Bayern. Die rheinischen Städte und der Kaiser. Prinz Wilhelm von Baden. Fürst Ypsilanti. Fürst Lynar. Ein verwundeter Officier. Stichwahlen. Konstanz: Deutschen - haß in der Schweiz. -- Oesterreichisch = ungarische Monarchie. Wien: Zuspitzung des Conflicts zwischen Regierung und Reichsrath. Die Recrutenfrage. Graf Andrassy. Ried: Verbot der Friedensfeier. -- Verschiedenes. -- Jndustrie, Handel und Verkehr.
sym30 Pera, 3 März. Das Comit é welches seit länger als 12 Mo - naten unter dem Vorsitze Kiamil Pascha's daran arbeitet die Grundlage für ein wahrheitgetreues Budget herzurichten, ist endlich so weit fertig ge - worden daß eine Publication zu erwarten steht. Als Endresultat wird man, wie es heißt, ein Deficit von2 1 / 2 Millionen Pf. St., d. h. 18 Mill. Thalern, eingestehen, statt 5 Mill. Pf. St., wie man noch in der vorigen Woche versicherte. Wie man diesen anfänglichen ungünstigen Belauf bis auf die Hälfte reducirt hat, weiß niemand zu sagen. Da während der letzten 6 Jahre das gewöhnliche Deficit sich auf 3 Millionen belief, in der Zwischenzeit jedoch weder der kaiserliche noch der Staats = Haushalt einge - schränkt worden, dafür aber die für die Staatsschuld fälligen Zinsen sich bedeutend vermehrt haben, so müßten ganz neue Einnahmequellen zum Vorschein gekommen sein; es scheint als ob das Comit é die letztere Even - tualität annehmen wolle, denn es rechnet auf einen bedeutend höheren Er - trag der Zehnten und empfiehlt eine Erhöhung der Tabaksteuer. Nichts - destoweniger glauben wir kaum daß das Gesammteinkommen mehr als 16 Millionen betragen werde, von denen die Staatsschuld 7999 Mil - lionen, Heer und Flotte 4 Millionen, Civilliste 2 Mill., Eisenbahngarantie 2 Millionen absorbiren, so daß für die übrige Staatsverwaltung nur 1 Million übrig bliebe. Das Comit é hat übrigens in allen Zweigen nam - hafte Einschränkungen empfohlen. Die öffentlichen Arbeiten und Wege - bauten, die nun doch einmal die Zukunft des Reichs sichern sollen, sind beispielshaber von 7 Mill. Piaster auf 2 Millionen vermindert, wobei die Commission vielleicht nicht unrecht hat. Da weder für 7 noch für 2 Mill. etwas geschehen wird, so ist es entschieden besser für das Staatswohl daß nur 2 Millionen in den Taschen der Betreffenden verschwinden, als 7 Mil - lionen. Uebrigens handelt es sich bei dieser ganzen Budgetaufstellung nur darum dem europäischen Publicum Sand in die Augen zu streuen und bei den Geldmännern für das projectirte 12 Millionen = Anlehen die Wege zu ebnen.
Was den Zwischenfall der ägyptisch = spanischen Differenz anlangt, so hatte der Großwessier bis vor wenigen Tagen weder von dem Vorhanden - sein noch den Ursachen Kenntniß des Conflicts; er verlangte daher sofort vom Vicekönig Aufklärung über das Vorgefallene, und befahl ihm einst - weilen seinerseits in dieser Angelegenheit nicht weiter vorzugehen. Aali Pascha scheint diese Gelegenheit benutzen zu wollen um den europäischen Vertretern zu bedeuten daß bei Conflicten mit den ägyptischen Behörden nicht Kairo, sondern die Pforte das zuständige Forum sei. Daß der spa - nische Consul bei seinem Auftreten die juridische Form so weit mißachtet, unterliegt keinem Zweifel. Der Streit ist natürlich, wie es bei allen Pro - cessen in Aegypten der Fall ist, höchst verächtlicher Natur. Aus Anlaß einer Baumwollreinigungsmaschine hatten ägyptische Beamte sich einer Willkür schuldig gemacht, und diesen Anlaß benutzte der in Rede stehende spanische Unterthan, um mit Hülfe des Consulats eine exorbitante Ent - schädigung zu verlangen, in diesem Fall 105,000 Pf. St., während der reelle Verlust vielleicht nur 40 -- 50 Pf. St. beträgt. Die besten Geschäfte dieser Art machte seinerzeit Frankreich nicht nur mit Aegypten, sondern vorzugsweise mit Tunis; da nun Frankreich augenblicklich seine civilisa - torische Thätigkeit einstellen muß, so scheint es als ob jetzt Jtalien und Spanien hierin fortfahren wollen.
Mit Griechenland findet wieder ein Notenwechsel in Sachen der thessalischen Räuber statt. Jn einem an die Schutzmächte gerichteten Rundschreiben beklagt sich die Pforte über den geringen Eifer Griechen - lands diese Landplage zu unterdrücken, und zählt weitläufig die Erfolge ihrer Truppen in Thessalien auf, welche nur deßhalb ohne Erfolg seien weil bei den griechischen Truppen kein Entgegenkommen sei. Die „ Turquie “empfiehlt den Griechen bei dieser Gelegenheit wieder einmal ernsthaft an Reformen zu denken, und sich an der Pforte ein Beispiel zu nehmen --quis tulerit Gracchos etc. Darin hat sie freilich Recht, wenn sie sich dagegen verwahrt daß die Takos und Arvanitakis türkische Subjecte seien, es sind jedenfalls echte Vollbluthellenen, welche „ durch die türkische Knech - tung zu Thieren geworden sind. “ Hr. Christopulos, Minister des Aeußern in Athen, hat auf dieses Actenstück in einem langen Memorandum geant - wortet, und erklärt daß die Straflosigkeit mit der diese griechischen Banden ihr Wesen treiben, nur der mangelhaften Abgränzung der beiden Staaten zuzuschreiben sei. Man brauche an Griechenland nur ein genügend großes Stück von Thessalien abzutreten, so würden die griechischen Truppen auch wirksamer gegen die Räuber operiren können.
Jn der rumänischen Frage läßt die Pforte officiös versichern daß sie keine Truppen an der Donau zusammenziehen werde, was ja leicht als eine Drohung ausgelegt werden könnte, sondern bei Schumla nur ein Uebungslager für 25 -- 30,000 Mann errichtet habe, welche für alle Even - tualitäten in den Donaufürstenthümern ausreichend seien. Jm übrigen bereitet sich die Pforte mit aller Energie auf die Ereignisse welche in näch - ster Zukunft nicht ausbleiben können; sowohl im Norden als in Syrien, Arabien und im Osten bereiten sich Dinge vor die zu einer Katastrophe führen müssen. Jn den Werkstätten von Topchane, Zeitunburnu und den süßen Wassern wird Tag und Nacht gearbeitet, die Torpedo = Fabrik, welche ein ehemaliger amerikanischer Secessionistenofficier leitet, rastet nicht, und die in Europa bestellten Mitrailleusen treffen allwöchentlich ein.
Ueber die Expedition nach Südarabien hat die „ Turquie “schon zwei - mal Siegesnachrichten veröffentlicht, die aber aus der Luft gegriffen wa - ren; in Wahrheit hat die Action noch gar nicht begonnen. Anstatt sich an der Art und Weise wie England seine abessinische Expedition ausrüstete ein Beispiel zu nehmen, hat die Pforte die Truppen über Hals und Kopf abgeschickt ohne ihnen die nöthige Munition mitzugeben. Man sendet jetzt die Munition nach; sobald diese in Jemen angelangt ist, werden inzwischen die Lebensmittel ausgehen, und die Pforte muß alsdann diese nachschicken. Ganz in derselben Weise ist es bisher allen Wüstenexpeditionen gegangen welche die Pforte von Damaskus, Aleppo und Bagdad ausgesandt hat; schließlich kehren die Truppen, nachdem sie durch Entbehrungen aller Art decimirt worden, ohne Resultat in ihre alten Standquartiere zurück. Schon jetzt spricht man in Stambul nicht mehr von dem mit so vielen Eifer unternommenen Kriegszug.
Die Frage des bulgarischen Exarchats hatte vor wenigen Wochen den griechischen Patriarchen veranlaßt in feierlicher Audienz vom Großwessier die Ermächtigung zur Zusammenberufung eines Concils zu verlangen, um die Frage endgültig zu entscheiden. Der Großwessier erwiederte ihm daß es jedenfalls zweckmäßiger wäre wenn das Patriarchat die von der ge - mischten Commission gemachten Vorschläge, vielleicht mit einigen Aende - rungen, annehme. Der Patriarch seinerseits erklärte daß er im Falle der Ablehnung eines Concils seine Entlassung einreichen müsse. Jnzwischen hat das hiesige bulgarische Comit é aus allen Städten und Gemeinden eine Delegirtenversammlung vereinigt, um über die Ordnung des neuen Exar - chats zu berathen und einen Exarchen zu wählen. Einige macedonische Ge - meinden, welche auch dem bulgarischen Exarchat beizutreten wünschten, wurden durch Gewaltmaßregeln von Seiten der türkischen Behörden an der Erwählung von Delegirten verhindert. Schon während der ersten Sitzungen erhoben sich ernste Differenzen im Schooße der Versammlung, von der einige Mitglieder Msg. Hilarion, andere einen gewissen Panaretus zum Exarchen erwählen möchten. Auch über die Zulassung der macedoni - schen Gemeinden brachen ernste Zwiste aus. Vor wenigen Tagen hat schließlich die Pforte die Versammlung aufgelöst, und die bulgarische Kir - chenfrage ist wieder in ein endloses Provisorium eingetreten.
Die orientalisch = katholischen Armenier haben am 26 Februar sich in dem Erzbischof Vargardjian einen Patriarchen erwählt, nachdem sie den Msg. Hassun für entsetzt erklärt hatten, und diese Wahl dem Großwessier vorgelegt zur Bestätigung, welche nicht ausbleiben wird. Daud Pascha, der eine Versöhnung der secedirenden Armenier mit den Hassunisten versuchen sollte, ist in seinen Bemühungen vollständig gescheitert.
Ueber die große Heerschau welche der Kaiser über die bayerischen, sächsischen und württembergischen Truppen vor Paris abgehalten hat, wird der „ Kr. Ztg. “aus Villiers vom 7 März berichtet: „ Auf denselben Feldern welche in den letzten Tagen des Novembers und in den ersten des Decembers v. J. Zeuge der blutigen Kämpfe gewesen, in denen der vor - letzte nach Osten gerichtete Ausfall der Pariser Garnison von den an der1278Marne stehenden Truppen zurückgeschlagen wurde, fand heute vor Sr. Maj. dem Kaiser und König eine Heerschau über die kgl. bayerischen, sächsischen und württembergischen Truppen, im ganzen 45,000 Mann, statt. Die Eile mit welcher die Nationalversammlung in Bordeaux die unabänder - liche Grundlage der Friedenspräliminarien genehmigte, hatte verhindert daß auch die auf der Ostseite stehenden Belagerungstruppen Paris betreten konnten, und da der Kaiser mit dem heutigen Tage die Rückreise nach Deutschland antritt, so wollte er einen Theil der Cantonnements = Quartiere derselben auf der Fahrt von Versailles nach Ferrières nicht passiren, ohne den heldenmüthigen Führern der Bayern, Sachsen und Württemberger und diesen selbst seinen Dank auszusprechen. Es wurden daher das 1. königl. dayerische Armeecorps (v. d. Tann), das 12. (kgl. sächsische) Bundesarmee - corps und die württembergische Felddivision, zwischen Champigny und Brie jur Marne zusammengezogen, soweit der nothwendig in den Cantonne - ments und in den Forts fortdauernde Dienst es gestattete, weil gerade während dieser großen Parade auf der Ostseite die französische Besetzung der Forts auf der Südseite, also auf dem linken Seine = Ufer, stattfand, die Deutschen aus denselben abrückten, und die Franzosen sie wieder in Besitz nahmen. Es waren daher auch auf dem Wege welchen Se. Maj. der Kaiser und König von Versailles hierher nahm, in der Nähe der Forts durch Dra - goner = Vedetten und im Bois de Vincennes durch Piquets kgl. bayerischen Truppen Vorsichtsmaßregeln getroffen worden. Die Fahrt gieng unmittel - bar an den Forts Vitry und Charenton, sowie an deren Verbindungen, theilweise sogar auf dem Glacis derselben vorüber, so daß sowohl hier als durch die engen Straßen von Sceaux, Plessis = Piquet, Charenton und Join - ville wohl Vorsicht geboten war. Früh halb 9 Uhr hatte Se. Maj. der Kaiser Versailles verlassen, nachdem die großen Gepäcktrains des Haupt - quartiers schon früher abgerückt waren. Jn der Avenue de Paris vor dem Gitter des Präfecturgebäudes hatten sich die Soldaten der Garnison im Ordonnanzanzug versammelt, die Officiercorps im Hofe, um den kaiserl. Feldherrn zum Abschied noch einmal zu sehen, und hatten das Glück mit Worten des Dankes und der Anerkennung entlassen zu werden. Der Kaiser betonte aber besonders daß im Gefühl des Sieges und der Genugthuung, mit denen die Truppen Versailles verlassen könnten, der Dank des Vater - lands und all seiner Kinder für die Gefallenen und Verwundeten, welche nicht mit der Armee in die Heimath zurückkehrten, nicht und nie vergessen werden möge. Die Soldaten hatten sich unterdessen von der Präfectur bis zur Barrière Buc durch die ganze Rue des Chantiers ausgebreitet und vertheilt, und riefen ihrem Kaiser, an dessen Seite im Wagen der dienst - thuende Adjutant Oberstlieutenant Graf Waldersee saß, als Lebewohl ihr Hurrah nach. Die Fahrt gieng, nicht wie auf der Reise vom Schlosse Fer - ri ères nach Versailles am 5 October, über die beiden Villeneuves -- St. Georges und le Roi -- sondern über Villacoublay, wo bayerische Artillerie - Gespanne eben mit dem Abfahren der Geschütze, Fahrzeuge und Munitions - vorräthe des dort parkirten Belagerungstrains beschäftigt waren, über Plessis = Piquet und durch die zahllosen Faschinen = und Schanzkorbvorräthe des großen Hauptingenieurdepots, durch Sceaux, L'Hay und Villejuif bis Vitry, also über das Terrain auf welchem die Belagerten ihre offen - siven Vertheidigungsarbeiten mit großem Geschick vorgetrieben hatten. Während der fünfmonatlichen Einschließung hatten Deutsche dasselbe nicht betreten können, und man muß jetzt, nachdem die sämmtlichen Werke von uns besetzt waren, anerkennen daß der belagerte Jngenieur hier höchst tüch - tiges geleistet. Jn dem Bereich des 2. bayerischen und des 6. preußischen Armeecorps hatten sich in allen Cantonnements die Soldaten im Ordon - nanzanzug versammelt, garnirten die Straßen und begleiteten den Wagen des Kaisers mit ihren Hurrahs. Am Eingang der Cantonnementsorte er - warteten die Divisions =, Brigade = und Regimentscommandeure mit ihren Stäben Se. kais. Majestät, so daß die Fahrt einer fortdauernden Truppen - Jnspection glich. Bei Alfort wurde die Seine auf einer noch wohl erhal - tenen und dann die Marne auf einer Nothbrücke überschritten. Jn Join - ville stieg der Kaiser mit seiner nächsten militärischen Begleitung in der Mairie ab, um ein Frühstück einzunehmen und fuhr dann bei Champigny vorüber nach Villiers, über einen bedeutenden Theil des Schlachtfeldes, dessen endliche Behauptung so viele und schwere Opfer gekostet. Manche lange Gräberreihe auf den Feldern und neben der Chaussee, sowie im Park und neben dem Kirchhofe von Villiers, zeugte von den schweren Kämpfen hier, und ließen den Stolz und die Siegesfreude derjenigen doppelt gerechtfertigt erscheinen welche schon auf dem weiteren Paradefeld der Begrüßung ihres kaiserl. Kriegsherrn harrten. Jm Park von Villiers standen die Reitpferde des kaiserl. Marstalls, und Se. Maj. stieg hier zu Pferd. Zur Hochebene hinauf, wo die Truppen aufgestellt waren, führte als Wegbezeichnung eine Reihe von Flaggen in den deutschen Farben, und eine eben solche in kolossaler Dimension an einem Mastbaume -- unmittel - bar vor dem nördlichen Ende des Dorfes Villiers -- galt als Sammel - punkt, von wo aus der Kaiser den Vorbeimarsch sehen wollte. Die Württemberger auf dem rechten Flügel der langen Aufstellungslinie sah der Kaiser zuerst. Der Höchstcommandirende der Maas = Armee, Se. k. Hoh. der Kronprinz von Sachsen, überreichte den Stärkerapport der drei in Pa - ra〈…〉〈…〉 de stehenden Corps, welcher mit mehr als 45,000 Mann abschloß. Jn den Cantonnements und zur Uebergabe der Forts hatten genügende Mann - schaften zurückbleiben müssen, weil die wirkliche Stärkezahl sonst gegen 80,000 Mann betragen haben würde. Zuerst war die Stabswache des Kronprinzen von Sachsen, ein Zug des preußischen Regiments der Gardesdu Corps aufgestellt, dann folgte ein Zug der k. württembergischen Feld - jäger, welche die Feldgendarmerie der württembergischen Division formiren. Die Feldjäger waren für diese Parade, und zum erstenmal in diesem Feld - zuge, mit den kleidsamen Bärenmützen ausgerüstet, welche diesem württem - bergischen Elitecorps ein so martialisches Aussehen geben. Dann folgte im ersten Treffen die erste Brigade mit dem 1. und 7. Jnfanterieregiment, sowie dem 2. Jägerbataillon; die 2. Brigade mit dem 2. und 5. Jnfant. - Regiment und dem 3. Jägerbataillon; die 3. Brigade mit dem 3. und 9. Jnfanterieregiment und dem 1. Jägerbataillon, alle Bataillone in rechts abmarschirten Colonnen aufgeschlossen. Jm 2. Treffen standen 3 Reiter - regimenter, 4 Batterien, das Pioniercorps, der Train und die Sanitäts - Detachements, zusammen mit 305 Officieren, 1079 Unterofficieren, 9674 Mann, 1917 Pferden und 24 Geschützen. Als der Kaiser das erste Treffen vom rechten zum linken Flügel herabgeritten war, machte dasselbe Kehrt, um zusehen zu können wie das zweite Treffen besichtigt wurde. Eine neue Form für große Parade = Aufstellungen, welche sowohl auf die Betheiligten als auf die Zuschauer eine sehr gute Wirkung macht. Generallieutenant v. Obernitz, welcher die württembergische Felddivision commandirt, erfreute sich der besonderen Anerkennung und Zufriedenheit des Kaisers. Oestlich von den Württembergern stand das 1. bayerische Armeecorps (v. d. Tann) mit der 1. Jnf. = Division (Generalmajor Dietl), 1. Jnf. = Brigade (Oberst Täuffenbach), Jnf. = Leib = Reg., 1. Jnf. = Reg., 2. und 9. Jägerbataillon und 2. Jnf. = Brigade (Generalmajor Orff) mit dem 2. und 11. Jnf. = Reg., 4. Jägerbataillon und 1 Feld = Genie = Compagnie; die 2. bayerische Jnfanterie - Division (Gen. = Lieut. Maillinger) hatte die 3. Jnf. = Brig. mit dem 3. Jnf. - Regiment und 7. Jägerbataillon, die 4. mit dem 10. und 13. Jnf. = Reg. und der 4. Sanitätscompagnie, während im 2. Treffen die Cavallerie unter dem Generalmajor Tausch mit den beiden Cürassierregimentern 1 und 2 und den beiden Chevaulegersregimentern 3 und 4, sowie die Artillerie mit 3 Divisionen stand; zusammen 368 Officiere, 15,007 Unterofficiere und Gemeine, 2083 Pferde und 36 Geschütze. Hinter den Bayern am Rande eines Gebüsches stand das 12. (kgl. sächsische) Armeecorps; zuerst und im ersten Treffen die 23. Jnf. = Division mit der 45. Brigade, die beiden Leib - Grenadierregimenter Nr. 100 und 101; mit der 46. Brigade die Jnfan - terieregimenter Nr. 102 und 103, sowie das Schützen = oder Füsilier = Reg. Nr. 108; die 24. Jnf. = Division mit der 47. Jnf. = Brigade, also den Jnf. - Regimentern Nr. 104 -- 105, die 48. Brigade mit den Jnfant. = Regimentern Nr. 106 und 107, sowie mit dem Jägerbataillon Nr. 13, eine Pionier - Compagnie, Sanitätsdetaschement und Trainzug. Die Cavallerie wurde von den beiden Reiterregimentern 1 und 2, und Artillerie von zwei Fuß - abtheilungen repräsentirt, zusammen mit 589 Officieren, 1751 Unteroffi - cieren, 844 Spielleuten, 15,314 Mann, 1534 Pferden und 36 Geschützen. Bei der großen Ausdehnung des Aufstellungsfeldes und der Zahl der Truppen dauerte die Parade mit dem Vorbeimarsch, welcher in derselben Ordnung stattfand, über zwei Stunden. Se. Maj. der Kaiser fuhr von hier über Malnoue nach Ferrières, wo das Nachtlager genommen wer - den soll. “
(--) Berlin, 12 März. Die officiöse „ Straßburger Ztg. “hat die Jhnen vom Oberrhein zugegangene Mittheilung über die Abtretung des Kreises Weißenburg an Bayern in Zweifel gezogen. Trotzdem werden die Angaben Jhres oberrheinischen Correspondenten sich wohl als richtig er - weisen. Daß eine solche Abtretung wirklich ins Auge gefaßt sei, meldete ich schon im October v. J., und alle die Gründe welche die „ Straßb. Ztg. “gegen die „ innere Wahrscheinlichkeit “einer derartigen Abmachung ins Feld führt, beweisen absolut gar nichts. Wenn die „ Straßb. Ztg. “nicht abzusehen vermag daß für die Reichsgewalt genügende Motive für eine solche Wiederabtretung vorliegen, so ist nur daran zu erinnern daß der Herzog von Coburg und der Großherzog von Oldenburg für ihre minder werthvolle Bundesgenossenschaft im Jahre 1866 verhältnißmäßig sehr viel glänzender belohnt wurden: jener durch die Abtretung einer prächtigen Waldung, dieser durch ein Geschenk von 1 Mill. Thlr. und durch die Ab - tretung der Grafschaft Ahrensboek. Fehlt es also in dieser Beziehung nicht an Präcedenzfällen, so erscheint es doppelt gerechtfertigt diese Gelegen - heit nicht vorübergehen zu lassen ohne Bayern für den Gebietsverlust zu entschädigen der ihm 1866 von Preußen zugefügt wurde, zumal damals eine gleiche Schädigung keiner der übrigen Gegner erfahren hat, weder Hessen, noch Baden, noch Sachsen, noch auch Württemberg und noch selbst Oesterreich. -- Die rheinischen Städte werden am Mittwoch (15) dem Kaiser in Saarbrücken durch Deputationen die Glückwunsch = Adresse nebst dem Lorbeerkranze überreichen lassen. -- Der in den Reichstag gewählte Prinz Wilhelm von Baden hat bereits im Hôtel Royal eine Wohnung gemiethet, wo auch der griechische Gesandte Fürst Ypsilanti mit seiner Fa - milie einen mehrmonatlichen Aufenthalt nehmen wird. -- Gestern ist der Legationssecretär Fürst Lynar aus Versailles hier angekommen. -- Unter den in den letzten Tagen hier eingetroffenen verwundeten Officieren be - findet sich auch der Lieutenant Haas vom 3. Artillerieregiment, der bei Le Mans von einem Shrapnelschuß schrecklich zugerichtet wurde. Derselbe1279brachte ihm nicht weniger als 32 Wunden bei, wozu noch zwei leichtere kommen, die er am Tage zuvor erhalten hatte. Nichtsdestoweniger schmei - cheln sich die Aerzte mit der Hoffnung ihn wiederherzustellen. -- Jn Elber - feld hat der Legationssecretär v. Kusserow den Socialdemokraten Schwei - tzer bei der Stichwahl mit einer Mehrheit von mehr als 1000 Stimmen geschlagen. Die Betheiligung an dieser Wahl war eine ungewöhnlich leb - hafte. Es wurden über 18,000 Wahlzettel abgegeben. Ermöglicht ward der Sieg des nationalliberalen Candidaten durch ein Compromiß zwi - schen den Conservativen und Liberalen. Trägt Dr. Schleiden bei der engern Wahl in Altona gleichfalls über seinen social = demokratischen Geg - ner den Sieg davon, so wird die social = demokratische Partei im Reichstage nur über zwei Stimmen verfügen.
↑ Constanz, Anfangs März. Wie in allen deutschen Städten ist auch in unserer südlichen Gränzstadt des neuen Deutschen Reichs die Friedens - feier auf die würdigste Weise begangen worden. Leider hat sie Anlaß gegeben zu einem Vorfall in der benachbarten Schweiz welcher in weiteren Kreisen be - kannt zu werden verdient. Trotz des nun von aller Welt freudig begrüßten Friedens hat sich in der benachbarten Schweiz der -- wir können es nicht anders nennen -- Deutschenhaß noch nie während des ganzen Kriegs in solcher Weise kundgegeben wie gerade jetzt nach Eintritt des Friedens. Wir wollen den täglich in den Wirthshäusern zu hörenden Schimpfereien gemeinster Art über die Deutschen keinen Werth beilegen und hierüber gern schweigen, aber der nachstehende Vorfall, der in unserer Stadt mit Recht allgemeine Entrüstung erregt hat, soll nicht verschwiegen, sondern in wei - teren Kreisen bekannt werden. An dem hiesigen Friedensfesttage beab - sichtigten nämlich die in dem benachbarten schweizerischen Orte Kreuzlingen wohnenden Deutschen, und vereint mit ihnen eine Anzahl Schweizer, durch Beflaggung ihrer Häuser in deutschen und schweizerischen Farben ihrer Freude über den Frieden Ausdruck zu geben. Schon aus Anlaß der Be - flaggung der Häuser am Tage des Eintreffens der Nachricht von den Frie - denspräliminarien hatten aber öffentliche Beschimpfungen und Drohungen stattgefunden, und auch in der wenige Tage vorher abgehaltenen Kreis - vereins = Versammlung wurde der Antrag gestellt, und zum Beschluß er - hoben, mit allen Mitteln gegen die Beflaggung zu protestiren. Nicht minder wurde in den benachbarten Orten auf das gehässigste agitirt, und den Be - treffenden selbst mit Fenstereinwerfen, Herabreißen und Herabschießen der Fahnen, ja sogar mit Herabbrennen derselben gedroht. Mit Rücksicht auf diese Vorgänge erschien die bereits mündlich ertheilte Erlaubniß des Statt - halteramtes als ungenügend, und wurde deßhalb, da man sich in Ausübung seiner Rechte nicht behindern lassen wollte und sich auch nicht einschüchtern ließ, das Statthalteramt ersucht, um die zu öffentlichem Scandal aufge - hetzte Masse zu unterrichten und zu warnen, die ertheilte Erlaubniß zur Beflaggung in der „ Thurgauer Zeitung “zu veröffentlichen. Dieß geschah auch von genannter Behörde, und, wie wir gern anerkennen, in ebenso tactvoller als entschiedener Weise. Trotzdem sollte aber am Festtag selbst die Rohheit zum Ausbruch kommen. Eine wilde Horde brachte nämlich jedem der Betheiligten Abends, während dieselben sich hier in Constanz beim Festbankett befanden, unter Vorantragen einer eidgenössischen Fahne und einer Windlaterne, eine Katzenmusik; dabei wurden vor jedem Hause Spottgedichte vorgetragen, auch scheute man sich nicht selbst in der Nähe von Scheunen Feuerwerke abzubrennen. Aehnlicher Scandal geschah auch Tags darauf vor dem Hause des allgemein hochgeachteten reformirten Geistlichen, weil er in der Sonntagspredigt seinen Abscheu vor diesem Treiben ausgesprochen hatte. Angesichts solcher Vorgänge muß man sich doch fragen: wie es möglich ist daß in einem Freistaat so wenig Sinn für die Rechte anderer bestehen kann, und wie die gutgesinnten Schweizer die gleich uns ihre Entrüstung aussprechen, sich von solcher Partei terrorisiren lassen können. Von unserm Standpunkt aus aber möchte man besonders noch die Frage stellen: ob es dem Deutschen in der Schweiz verboten wer - den könne an deutschen Nationalfesttagen seine Flagge auszuhängen, und ob er, wenn er solches thut, nicht besseren Schutz zu beanspruchen hat, oder ob etwa gar seine Nationalfarben beschimpft werden dürfen? Die Deut - schen in anderen neutralen Staaten, wie z. B. in den Vereinigten Staa - ten von Nordamerika, feierten selbst die Siege dieses Krieges ungestört durch öffentliche Kundgebungen; in der Schweiz wäre dieß ein großes Wagstück gewesen. Unseres Wissens feiern auch die Schweizer aller Orten im Ausland, wo sich eine größere Zahl von ihnen befindet, ihre National - festtage, und es ist uns nicht bekannt daß je irgendwo im weiten deutschen Reich dagegen ein Hinderniß in den Weg gelegt worden wäre. Rohe und aufhetzende Ergüsse gegen das neue deutsche Reich und seinen Kaiser sind schon seit längerem in sehr vielen schweizerischen Zeitungen zu lesen, tre - ten nun aber noch solche Vorgänge hinzu wie der hier mitgetheilte, so könnte man fast zu der Meinung kommen: es wäre nun an der Zeit we - gen der seit mehr als einem halben Jahr von einer großen Zahl der schwei - zerischen Bevölkerung sich zeigenden Gehässigkeiten Klage bei dem deut -schen Gesandten in Bern zu führen, damit endlich einmal den Deutschen Achtung und Recht verschafft werde.
△ Wien, 13 März. Wenn zwei Staaten den Krieg mit einander wollen, und dieser einmal unvermeidlich geworden ist, dann findet sich der Conflict der zum eigentlichen Kriegsfall führt in der Regel von selbst. Dasselbe gilt von den Parteien im Staat, oder von Regierung und Par - lament. Es wäre verlorene Mühe die feindselige Stellung welche das Ab - geordnetenhaus und die Regierung nun einmal einander gegenüber ein - nehmen zu vertuschen. Man darf sich also nicht darüber wundern daß der Kriegsfall nicht erst lange gesucht zu werden braucht. Wahrscheinlich wird die Recrutenfrage zu dem unvermeidlichen Conflict führen, und die Regierung vor die Alternative stellen: das Haus aufzulösen oder selbst zu gehen. Selbstverständlich werden die 2000 Mann -- um welche ärmliche Differenz es sich zwischen dem Cabinet und dem Abgeordnetenhause bei dem Recrutencontingent handelt -- bloß den äußern Anlaß zu dem Zu - sammenstoße bilden. Wir hätten freilich, schon um der Empfindlichkeit willen die man in gewissen Kreisen gerade in Militärfragen an den Tag legt, es lieber gesehen wenn ein anderer Anlaß für den Conflict gewählt würde. Gerade auf jene Empfindlichkeit scheint aber das Ministerium zu speculiren, und hieraus die Hoffnung zu schöpfen daß der Monarch unter solchen Umständen, wenn er die Wahl zwischen Parlament und Cabinet hat, sich für letzteres entscheiden und den Reichsrath fallen lassen werde, wodurch gleichzeitig die Verhandlungen mit den Tschechen -- die bekannt - lich die Beseitigung des Reichsraths *) vor allem andern verlangen -- in ein für die Bestrebungen des Ministeriums Hohenwart günstigeres Fahr - wasser gebracht werden könnten. Das wäre alles recht schön, wenn nicht ein Zwischenfall eingetreten wäre, der möglicherweise dem Grafen Beust wie der Verfassungspartei zu gute kommen und alle jene Plane kreuzen könnte. Die hiesigen Vorgänge haben nämlich die Ungarn aufgescheucht. Da der Ausgleich und das Jnstitut der Delegationen auf der Jntegrität der Verfassung in beiden Reichshälften beruht, ist es natürlich daß man sich angesichts der hiesigen ministeriellen Bestrebungen in Pest nicht be - haglich fühlt, und Graf Andrassy ist nun hieher gekommen theils um sich zu orientiren, theils um bereits Stellung zu nehmen; denn es handelt sich zunächst darum Bürgschaften für den verfassungsmäßigen Zusammentritt der Delegationen und die verfassungsmäßige Erledigung des Budgets zu erlangen, die nur möglich ist wenn auch in der diesseitigen Reichshälfte der Verfassung kein Abbruch geschieht. Den Ungarn kann es nicht gleichgültig sein wenn der hier eingetretene Zersetzungsproceß und seine Folge, die Schwächung der Monarchie, weitere Fortschritte machen. **) Und wenn nicht alle Anzeichen trügen, ist Graf Andrassy mit der ihm eigenen Energie entschlossen seinen ganzen Einfluß, der bekanntlich ein großer ist, aufzu - bieten um den übeln Verlauf der Dinge nicht weiter gedeihen zu lassen als er leider schon gediehen ist. Das Erscheinen Andrassy's bedeutet in der That einen Hoffnungsschimmer.
* Ried, 12 März. Der liberale Bezirksverein in Ried hat in Folge des behördlichen Verbots der Abhaltung von öffentlichen Siegesfeiern in seiner Vereinsversammlung am 11 März, welche von mehr als 200 Mit - gliedern besucht war, nachfolgende Resolution mit großen Beifall ange - nommen: „ Der liberale Bezirksverein in Ried bedauert auf das tiefste das behördliche Verbot, durch welches ihm unmöglich gemacht wurde sei - nen Sympathien für die deutschen Siege und für das glänzend vollbrachte Friedens = und Einigungswerk Deutschlands einen würdevollen Ausdruck zu geben. Angesichts dieser Verfügung verzichtet er bei dem Mangel an gesetzlichen Mitteln zu einem erfolgreichen Widerstande, lediglich der Ge - walt weichend, auf die Abhaltung einer öffentlichen Feier. “ Es ist diese Resolution ein Beweis wie wenig behördliche Verbote im Stande sind die so warmen Sympathien mit welchen die Deutsch = Oesterreicher das ge - einigte Deutschland begrüßen abzuschwächen, sie können wohl die Abhaltung von öffentlichen Siegesfeiern hindern, weil sie die Gewalt für sich haben, nie aber werden sie die lebhaften Gefühle, und die rege Theilnahme an allem was in dem nun politisch geeinigten Deutschland sich vollzieht, un - terdrücken können.
s. Augsburg. Das 25. Concert unseres Oratorien = Vereins (8 März) hatte einen sehr befriedigenden, ja glänzenden Erfolg. Gewährt es uns schon eine Genugthuung auf die bisherige Thätigkeit des Vereins zurückzu -*) Zwischen dem Reichsrath in abstracto und diesem Reichsrath ist denn doch ein Unterschied, der nicht so obenhin verwischt werden darf. D. R.**) Die HH Magyaren lassen sich natürlich die Gelegenheit ein Wörtchen in eis - leithanische Angelegenheiten dreinzureden nicht entschlüpfen; mit der „ Ver - fassungstreue “oder etwa platonischer Liebe zum Deutschthum hat aber ihre Einmischung gewiß nichts gemeinD. R.1280blicken -- nur unter schweren Kämpfen und nach Ueberwindung zahlloser Wi - derwärtigkeiten konnte er bis hieher gelangen, vermochte er allmählich zu ge - deihen und zu erstarken -- so freut es uns doppelt hier constatiren zu können daß die Aufführung mit der er das erste Viertelhundert seiner Concerte schloß, eine so wohl gelungene und beifällig aufgenommene war. Der Oratorien - Verein muß uns alle Gattungen und Zweige der Musik, so weit dieselbe dem Kunstgebiet angehören, repräsentiren. Er führt nicht nur Oratorien und an - dere große Gesangswerke auf, er pflegt auch die selbständige Jnstrumentalmusik, den Sologesang, das Concertspiel und die Kammermusik. Sein Repertoire ist also ein sehr reichhaltiges und mannichfaltiges. Während er die Aufführung zweier großen Oratorien (Messias und Passionsmusik) für den laufenden Monat noch vorbereitet, gab er in der letzten Woche ein Kammerconcert, das eine Reihe köstlicher Werke in trefflicher Ausführung brachte. Zunächst müssen wir rüh - mend der Leistungen der HH. Venzl, Lehner, Hieber und Werner, Mitglieder der kgl. Hofcapelle zu München, unserm Publicum stets hoch willkommene Gäste, gedenken, welche Quartette von Mendelssohn Op. 44 Nr. 1 und Haydn Op 64 Nr. 1 und einen Quartettsatz (C-moll) von Schubert in meister = und muster - hafter Wiedergabe vorführten. Wenn das Mendelssohn'sche Werk mit Aus - nahme des zweiten und dritten Satzes etwas spröde und trocken sich darstellte, so entzückte dagegen die mit unvergänglichem Zauber erfüllte Composition Vater Haydns alle Hörer; aber auch Schuberts reizvolle Schöpfung, die wie eine hoch - poetische duftige Märchenerzählung an den Hörer herantritt, gewann sich die allgemeinste Sympathie. Wie schade daß dieses herrliche Quartett ein Torso blieb! Mit den Jnstrumentalleistungen wetteiferten die gesanglichen, die in zwei ebenso reichen und interessanten als entzückenden schönen Werken von S. Schumann -- Spanisches Liederspiel Op. 74 und Spanische Liebeslieder Op. 138 -- bestanden. Diese fesselnden, charakteristischen, mit südlicher Farben - pracht und glühender Empfindung ausgestatteten Tondichtungen fanden eine höchst gelungene und entsprechende Ausführung. Die vier Gesangstimmen wie das Clavieraccompagnement waren vorzüglich besetzt. Frl. M. v. Stieber sang ihre nicht gerade dankbare Partie mit seltenem Ausdruck und dramati - schem Feuer; Frl. Preyß die theils lieblichen und reizenden, theils leiden - schaftlichen Duette mit hinreißender Gluth. Der Tenor Hr. Huber, dessen schöne Stimme sich dem Ensemble trefflich vermählte, mußte eines seiner an - sprechendsten Lieder wiederholen, und auch Hr. Hasselbeck (Baß) bewährte sich als ein vorzüglicher Gesangskünstler, der mit seelenvollem Ton die wunderbare Romanze: „ fluthenreicher Ebro “und mit keckem sicheren Vortrag den originel - len ebenfalls da capo begehrten „ Contrebandiste “sang. Wie die Einzelge - sänge und Duette gelangen auch die Quartettsätze tadellos; auch hier mußte das pikante: „ Mögen alle bösen Zungen “wiederholt werden. Hr. Denzer (Pianoforte) löste seine sehr schwierige Aufgabe in gewohnter trefflicher Weise.
*) Zwischen dem Reichsrath in abstracto und diesem Reichsrath ist denn doch ein Unterschied, der nicht so obenhin verwischt werden darf. D. R.
**) Die HH Magyaren lassen sich natürlich die Gelegenheit ein Wörtchen in eis - leithanische Angelegenheiten dreinzureden nicht entschlüpfen; mit der „ Ver - fassungstreue “oder etwa platonischer Liebe zum Deutschthum hat aber ihre Einmischung gewiß nichts gemeinD. R.
Stuttgart, 12 März. Jn dem P. Kolb'schen Privatspital da - hier, welches vom 27 Aug. 1870 bis zum 1 März 1871, also gerade ein hal - bes Jahr lang, bestand, und der ärztlichen Leitung des Obermedicinalraths Dr. v. Hölder unterstellt war, wurden in dieser Zeit 67 meist schwer verwundete Soldaten aufgenommen und verpflegt. Aus Norddeutschland waren 46, aus Süddeutschland 21 dieser Verwundeten, und im Durchschnitt blieb der Mann 50 1 / 2 Tage in Verpflegung. 11 dieser Verwundeten sind ihren Wunden er - legen; genesen sind 48, und 8 derselben sind evacuirt. Wie sehr diese patrio - tische Leistung eines Privatmanns unserer Stadt und dem Lande zur Ehre ge - reicht, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden. Jhre Maj. die Königin be - suchte das Kolb'sche Privatspital häufig, erkundigte sich eingehend nach dem Befinden der Patienten, und spendete denselben leibliche wie geistige Erfrischun - gen aller Art. Auch S. H. der Prinz Hermann zu Sachsen = Weimar und der norddeutsche Gesandte Frhr. v. Rosenberg waren häufige Besucher des Spi - tals. Nicht minder verdankt dasselbe vielen hiesigen Einwohnern Spenden an Eßwaren, Getränken, Cigarren und allerhand Bequemlichkeiten.
Hamburg, 9 März. Der hieher zurückgekehrte geachtete Steuermann R. eines genommenen norddeutschen Schiffes berichtet über die ihm und seinen Gefährten widerfahrene Behandlung wie folgt: „ Jn Calais war unser Em - pfang, wie uns anfangs dünkte, schon recht schlecht; aber wir sollten eines andern belehrt werden als wir ins Jnnere kamen. Jn den Städten durch welche wir, theils mit Handschellen geschlossen, marschirten, giengen uns ge - wöhnlich ein Tambour und ein Pfeifer voraus, ob um die Aufmerksamkeit auf uns zu lenken, sei dahingestellt -- genug, unter dem sich rasch ansammelnden Volke war es nicht allein der Pöbel der uns verhöhnte, nein, selbst gut geklei - dete Personen, vornehmlich die Damen, hielten es nicht unter ihrer Würde uns mit Koth zu bewerfen. Jn einer kleinen Stadt schleuderte sogar eine junge Dame, im Augenblick keine andere Waffe zur Hand habend, meinem Neben - mann mit einem haßsprühenden „ Chien prussien! “ihren Sonnenschirm ins Gesicht, während man aus den Fenstern den ärgsten Unrath auf uns herab - warf. Jn Le Mans stellte sich ein langer pomadisirter Jüngling von etwa 18 Jahren vor mich hin, hielt mir die beringte Faust unter die Nase, und spie mir mit einem mit schrecklicher Verzerrung ausgesprochenen „ Vous Bismarck! “ins Gesicht, so daß es meiner ganzen Selbstüberwindung und der kräftigsten Zurückhaltung von Seiten meiner Mitgefangenen bedurfte um mich zu verhin - dern den Menschen niederzuschlagen; freilich wäre das unser aller Tod gewesen, aber es war wirklich zu viel. Jn Angers wurde uns jedoch das möglichste ge - boten: nicht allein Unrath, nein, Steine, Töpfe, faule Eier, alles hagelte auf uns nieder, so daß ein junger Officier der sich mit in dem Transport befand eine schwere Wunde am Kopfe davontrug, und so mit vom Blut überströmtem Gesicht durch die Stadt mußte. Einem meiner Mitgefangenen, dem es gestattet worden an einem Springbrunnen sich eine Flasche mit Wasser zu füllen umden brennenden Durst zu stillen, wurde dieß von zwei Pfaffen und einigen barmherzigen Schwestern mit Fußtritten und Schmähungen verweigert, und das Wasser in dem Bassin eiligst aufgerührt um ungenießbar gemacht zu werden. Nachts gieng's dann in die Gefängnisse. Endlich auf Belle Jsle angekommen, erhielten wir täglich zweimal, um halb 12 Uhr und um 4 Uhr, eine Art Suppe mit einigen Kohlblättern und pro Mann 1 / 4 Pfund Kartoffeln, d. h. dieß sollten wir haben; gewöhnlich war in der Suppe gar nichts zu sehen. Hiezu erhielten wir täglich einen Sou (eine sehr große Verminderung der 100 Franken für Officiere u. s. w. welche Gambetta dem Hrn. Bundeskanzler gegenüber geltend machte), für welchen wir uns dann selbst Kaffee halten mußten; außerdem war es uns gestattet uns von unseren Ersparnissen Tabak zu kaufen, was alle zehn Tage eine kleine Düte von etwa 1 Loth abwarf. Als Entschädigung mußten dann die Matrosen Steine klopfen. Wir logirten alle in einem großen Raum, schliefen auf Pritschen und hatten nur eine wollene Decke zum Zudecken, was in der mitunter strengen Kälte unsere Lage auch in dieser Hinsicht sehr schwer machte, namentlich da der Koth in unseren Gefängnissen schuhhoch lag. Als die Erlösungsstunde endlich schlug, war der Jubel natürlich ohne Gränzen, und wir kamen, nachdem wir1 1 / 2 Tage per Eisenbahn langsam gefahren, bei unse - ren Vorposten an, wo wir mit der größten Freude begrüßt und sehr warm em - pfangen wurden. “ (K. Z.)
sym3 Bremen, 11 März. (Votanisch = Zoologischer Garten. ) Friede und Reichsfrühling vereint fangen schon an ihre Blüthen zu treiben. Jn einer außerordentlichen, auch von Damen besuchten, Versammlung des Ge - werbe - und Jndustrievereins traten gestern Abend der Botaniker Prof. Buchenau und der Landschaftsgärtner Benque mit der Jdee eines botanisch = zoologischen Gartens hervor, der sich an den Bürgerpark anlehnen und in seiner Art vor - läufig einzig dastehen würde. Er hätte sich nämlich nicht allein aus Köln und Frankfurt a. M. das Palmenhaus, aus Berlin und Hamburg das Aquarium, aus Breslau die geognostischen Profile anzueignen, sondern soll durchweg pflan - zen - und thiergeographisch angelegt werden; letzteres freilich nur hinsichtlich der allein aufzunehmenden Classe der Vögel. Es wurde wohl nicht mit Unrecht behauptet daß Vögel der anmuthig = sauberste Bestandtheil der zoologischen Gär - ten, und zur Staffage eines landschaftlich = schönen botanischen Gartens vorzugs - weise geeignet seien. Man will dann der Geographie gemäß im Westen Ame - rika von Süd nach Nord mit den charakteristischen Pflanzenformen sich erstrecken lassen, in der Mitte Europa einschließlich Nordafrika's, im Osten Asien. Die Vögel werden thunlichst in ihre heimischen Umgebungen gerückt, ihre Unter - bringung aber dem Styl der übrigen Anordnung angepaßt werden. Eine der - artige Anlage kann nicht leicht irgendwo wichtiger sein als hier in der flachen Niederung der Strom = Marsch, wo eine gewaltig sich ausdehnende Stadt ihren Bewohnern alle Natur immer mehr aus dem Gesichte schiebt, ist aber auch be - sonders gut zu entwickeln in dem feuchten Seeklima, das die hiesige Gegend milder macht als Hannover, Kassel und München sind. Sie würde nach Prof. Buchenau's Angabe mit 35,000 Thlrn. füglich zu beginnen sein, und man hofft diese Summe aus verschiedenen dafür anzubohrenden Quellen öffentlicher Frei - gebigkeit, trotz der Nachwehen des Krieges, bald flüssig zu machen.
* Hamburg. Das Postdampfschiff „ Westfalia “(von der Linie der Ham - burg = Amerikanischen Paketfahrt = Actiengesellschaft), welches am 24 Febr. von Hamburg abgieng, ist in New = York angekommen.
& Mailand, 12 März. Börsen = und Handelswochenbericht. Jm ganzen genommen waren in der verflossenen Woche die Geschäfte beschränkt mit unbedentenden Schwankungen in den Cursen. Die Baisse auf die Rente hat sich erhalten, sie berührte den mindesten Curs von 57 und den höchsten von 57 20 sowohl prompt als Ende. Lombardische Banken gewannen weitere 25 Fr. Viele unter den Gründern dieser Bank, im Verein mit Bankiers Mailands sowohl als andern nationalen und des Auslandes, sind gesonnen eine Constructionsbank zu errichten die auf den Bau von wichtigen Eisenbahnen afpiriren würde. Gold und insbesondere Wechsel fest. Schlußcurse: Rente 56.85 prompt,56 7 / 8 Ende, Nationalanlehen 1866 83.60, Tabaksactien 676, deren Obligat. 470 1 / 2, Merionale 326, deren Obligat180 3 / 4, bezügl. Bons 418, Nationalbanken 2360, Lombard. Banken 596, Kirchengüter 77 30, Lomb. = venet. Anlehen 185091 1 / 2 5proc. Stadt - anlehen 186082 1 / 2, 20Fr. = Stück 21.10. Disconto nicht sehr gespannt, natürlich für Bankfirmen. Fremde Devisen: Frankreich, Sicht,104 5 / 8, weniger 6 Proc., London 3 M. 26.38, mehr 3 Proc., Frankfurt a. M. 220 und3 1 / 2 Proc., Wien 208 3 / 4 und 5 Proc., Belgien und Schweiz, Sicht,104 3 / 4, mehr4 1 / 2 Proc. -- Seide: Die Erschlaffung der Geschäfte im Seidenartikel hat auch in der abgelaufenen Woche und in noch fühlbarerer Weise angehalten. Die Befürchtung einer Geld - krisis in Frankreich und, wenn man so will, die Furcht auch vor inneren Compli - cationen in jenem heimgesuchten Lande haben den Käufern des hiesigen Marktes eine größere Vorsicht eingeflößt als jene die in den letzten Februartagen ange - wandt wurde. Nichtsdestoweniger wollen sich die Eigner zu Zugeständnissen ver - stehen, und dieß war vielleicht die Hauptursache der beschränkten Geschäfte. Es ist wohl wahr daß sowohl die französischen, insoweit dieß nach dem vom Land erlittenen moralischen und materiellen Schaden möglich ist, als die schweizerischen und rheinischen Fabriken mit vollen Händen arbeiten, ohne bei Zeiten den Be - stellungen von Stoffen, insbesondere für Amerika, genügen zu können; bei alle dem muß man jedoch nicht vergessen daß, so viel auch die Fabriken verfertigen, immer noch starke Remanenzen verbleiben werden. Die Nachfrage begünstigte insbesondere Tramen jeder Kategorie von den höchstfeinen zu Fr. 105 bis zu den gangbarsten von Fr. 70 -- 75, während in Rohfeide, wegen der zu hoch gehaltenen Preise, sehr geringe Geschäfte stattgefanden haben. Beschränkt war auch die Rachfrage nach Organsini, weil die Schweizermärkte gut damit versehen und Lyon die fran ösisch verarbeitete Seide der italienischen vorzieht, daher sich die Preise dieses Artikels schwach stationär in den Gränzen der vorwöchigen erhielten. Sehr gesucht Strazze, Strust und Gallettame, jedoch zu den früheren Preisen.
Institut für Deutsche Sprache, MannheimNote: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription Peter FankhauserNote: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format. CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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