PRIMS Full-text transcription (HTML)
0401
Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Donnerstag
Nr. 51.
20 Februar 1840.

Spanien.

Die Versuche einiger Unzufriedenen, den Bürgerkrieg in den baskischen Provinzen zu erneuern, sind zwar durch die dortige Bevölkerung selbst unterdrückt worden, haben jedoch hier um so größere Aufmerksamkeit erregt, da sogleich die Partei der Revolution aus jenen beklagenswerthen Ereignissen eine Waffe gegen die Regierung zu schmieden sucht. Die Eraltirten machen es dieser zum Vorwurf, daß sie den Vertrag von Vergara erfüllt, und den dürftigen, verwaisten Familien der Carlisten Unterstützung zukommen läßt. Die Carlistischen Officiere, welche sich in Folge des Vertrags von Vergara unterworfen haben, beklagen sich dagegen, daß man sie zurücksetze, und nicht einmal für ihren Unterhalt sorge. Bei der großen Finanzverlegenheit, in der sich die Regierung befindet, hält es allerdings schwer, die Anforderungen dieser Unzufriedenen zu erledigen, um so mehr, da selbst die Truppen, welche seit Jahren ihr Blut für den Thron der Königin vergießen, nicht selten dem bittersten Mangel ausgesetzt sind. Indessen hat der französische Botschafter in Verbindung mit dem englischen Geschäftsträger der Regierung die dringende Nothwendigkeit vorgestellt, den Carlistischen Officieren, welche die Waffen niedergelegt haben, keinen Anlaß zu begründeten Klagen zu geben, und so hat denn der Kriegsminister vorgestern eine Verfügung getroffen, welche jenen Hülfsbedürftigen die Aussicht auf eine Verbessernng ihrer Lage eröffnet. Alle Generale, Officiere und übrigen Militär - oder Civilbeamten, die in den Vertrag von Vergara einbegriffen sind, werden nämlich aufgefordert, die Ausfertigungen der ihnen von dem Prätendenten ertheilten Aemter, Würden, Titel oder Ehrenzeichen an die Militär - oder Civilbehörden einzusenden, damit diese Documente mit den von dem Generallieutenant Grafen v. Casa Maroto , vorgelegten Listen verglichen, und den betreffenden Personen die neuen, ihnen kraft des Vertrags von Vergara zukommenden Ausfertigungen ertheilt werden können. Durch diese Anordnung wird natürlich das Schicksal mancher Er-Carlisten von dem Willen des Generals Maroto abhängig gemacht. Die Commissäre der Provinz Biscaya, welche beauftragt sind, die Vorschläge der Regierung wegen der Modification der Fueros entgegenzunehmen, sind hier angekommen; sie haben jedoch keine Vollmacht, über irgend einen Punkt abzuschließen. Hr. Mendizabal hat nicht die hinreichende Stimmenzahl erhalten, um als Deputirter für Madrid in den nächsten Congreß einzutreten; er ist nur Ersatzmann, und scheint auch nicht in einer andern Provinz gewählt worden zu seyn. Madrid wird vertreten von den Deputirten Cantero, Olozaga, Arguelles, Calatrava, D. Joaquin Maria Lopez, D. Juan Bautista Osca und Caballero. Zu Senatoren sind vorgeschlagen, der General Evaristo San Miguel, Hr. Ferrer und D. Alexandro Lopez. Die HH. Martinez de la Rosa und Isturiz sind in mehreren Provinzen gewählt worden. Am 30 v. M. stand in und bei Cañete eine Carlistische Division von 2000 Mann Infanterie und 500 Mann Cavallerie. Dieses Corps soll von dort aus eine Bewegung nach Carboneras und Reillo gemacht haben. Die Truppen der Königin standen in geringerer Anzahl in Tietar und Titaguas. Es heißt, der General Balboa, welcher die Carlistischen Banden in der Mancha und Toledo ausgerottet hat, sey zum Generalcommandanten der Provinz Cuenca ernannt worden.

Die Gaceta von heute enthält folrendes Decret J. M. der Königin-Regentin: In Betracht des ausgezeichneten Dienstes, welchen der Generallieutenant D. Rafael Maroto der gerechten Sache der Nation und des constitutionellen Throns geleistet hat, und in dem Wunsche, ihm die Anerkennung, welche sein Betragen bei mir gefunden hat, zu erkennen zu geben, ertheile ich ihm, nach Anhörung des Ministerrathes, die Stelle eines Beisitzers des höchsten Kriegs - und Marinegerichtshofes, die durch das Absterben des Marechal de Camp D. Antonio Rosello erledigt worden ist. Der Generalcommandant von Biscaya berichtet unterm 3, daß die Bande, welche sich vor einigen Tagen unter Anführung des D. Antonio Leguina gebildet hatte, nur noch aus 13 Mann bestand und von den Einwohnern des Landes selbst verfolgt wurde. 18 Mitglieder jener Bande, sämmtlich Officiere der aufgelösten Carlistischen Armee, waren gefangen genommen, die übrigen haben sich in das Thal von Mena geflüchtet, wo sie Anhang zu finden hofften. Der frühere Carlistische General D. Simon la Torre erbot sich, selbst gegen den Rebellen Leguina, der früherhin unmittelbar unter ihm befehligt hatte, auszuziehen, allein der Generalcommandant von Biscaya lehnte dieses Anerbieten als unnöthig ab. Wenn französische Blätter gemeldet haben, die englischen Marinetruppen hätten auf Verlangen der spanischen Regierung Passages geräumt, so kann ich dieß dahin berichtigen, daß das0402 spanische Cabinet bis jetzt kein solches Verlangen an das englische Ministerium gerichtet hat, und daß nur diejenigen großbritannischen Truppen, deren Dienstzeit abgelaufen ist, in Passages eingeschifft worden sind. Bis zur Entscheidung der Verwicklungen, welche die Lösung der orientalischen Frage herbeiführt, und deren Wirkungen dem eingeweihten Beobachter auch hier nicht entgehen können, dürfte die Aufmerksamkeit des Londoner Cabinets noch mehr als früherhin auf die Häfen der Halbinsel gerichtet seyn. Mit einem gestern hier eingetroffenen Courier hat die englische Gesandtschaft Depeschen von Hrn. Aston erhalten, in denen er die Hoffnung ausdrückt, noch vor Ablauf dieses Monats hier eintreffen zu können. Um dem Hrn. Mendizabal den Eintritt in den Congreß zu eröffnen, wird Hr. Olozaga seine Ernennung zum Deputirten für Madrid ausschlagen, und dagegen für Sevilla, wo er ebenfalls gewählt wurde, eintreten. Die Exaltirten richten alle ihre Bemühungen dahin, den Herzog de la Victoria mit den Ministern und der moderirten Partei zu überwerfen, und doch haben ihm gerade jetzt die Minister den größten Beweis ihres Vertrauens gegeben, indem sie ihm den Oberbefehl über die Armee von Catalonien übertrugen. Denn dadurch ist er in der That Generalissimus geworden, da nunmehr sämmtliche Armeen unter seinem Befehl stehen. Die wiederholten Vorstellungen der Minister scheinen ihn endlich veranlaßt zu haben, eine Division unter den Befehlen des Generals Hoyos von Aragonien nach der Provinz Cuenca zu entsenden, um dem Unwesen der dortigen Carlisten ein Ende zu machen. Uebrigens wird Espartero demnächst auch in Aragonien seine Linien verändern. Seine Operationsbasis erstreckte sich bisher von Mas de las Matas, auf welchen Punkt sich der linke Flügel stützt, bis el Pobo, woran sich der rechte lehnt. Von beiden Punkten aus hatte er seine Verbindungen mit Saragossa über Alcorisa und mit Teruel; aber die angegebene Linie ist durch das Castell von Aliaga, welches die Carlisten besetzt halten, unterbrochen. Dieses wird Espartero nunmehr unverzüglich zu nehmen suchen, und da der Rücken der bezeichneten Linie so lange nicht gesichert ist, als die Bergveste Segura in den Händen der Carlisten bleibt, so soll zu gleicher Zeit auch dieser Punkt förmlich belagert werden. Drei Divisionen sind zu dieser Unternehmung bestimmt, und schweres Geschütz ist bereits von Saragossa abgegangen. Wie es scheint, hatte der berüchtigte Aviraneta, dessen dortige Verhaftung ich Ihnen neulich meldete, von der Regierung den Auftrag erhalten, sich nach Frankreich zu begeben, um die dort befindlichen Carlisten, mit denen er früherhin Verbindungen unterhielt, zu beobachten, und zur Rückkehr nach Spanien aufzumuntern. Espartero, dem dieser Auftrag unbekannt geblieben war, ließ ihn als verdächtig in Saragossa verhaften. Dort verweilt er noch, ohne daß weiter gegen ihn eingeschritten wäre. J. M. die Königin Isabelle II ist von ihrer Unpäßlichkeit vollkommen hergestellt, und hat ihre täglichen Spazierfahrten wieder begonnen. Für die Befriedigung der Tanzlust der schönen Welt von Madrid ist in diesem Winter gesorgt, indem jeden Sonntag abwechselnd der französische Botschafter und der Graf Toreno glänzende Bälle geben.

Großbritannien.

Der Windsor Expreß berichtet pflichtgetreu über den Fortgang der königlichen Flitterwochen in Windsorschloß. Man sieht das glückliche hohe Paar täglich im Schloßgarten lustwandeln oder in einem Pony-Phaëthon im Park spazieren fahren. Die Herzogin von Kent und der Herzog nebst dem Erbprinzen von Sachsen-Coburg speisten am 11 bei der Königin-Wittwe im Malborough-House, und folgten gestern einer Einladung nach Windsor. Die Einwohner von Kensington, das die hohen Herrschaften auf ihrer Hinfahrt passirten, hatten einen Triumphbogen errichtet, von dem Thurm der alten Kirche wehte der Union Jack, Glockenspiele klangen, und die ganze Bevölkerung stand Vivat rufend in festlichen Kleidern am Wege. Die Provincialblätter sind mit Beschreibungen der Festlichkeiten angefüllt, die am 10 Febr. in allen Theilen des Reichs stattfanden. Der Hofmaler Hr. Hayter hat von Ihrer Maj. den Befehl erhalten, die Trauungsscene zu malen; zu diesem Zweck hatte er die Ehre, derselben in der Capelle beizuwohnen. Da die Engländer gewohnt sind, bei Menschen und Dingen zu fragen, was sie werth sind, so gibt der Courier die Notiz, die goldenen Gefäße, die bei der Cerimonie auf dem Communiontisch aufgestellt waren, seyen zu 10,000, das Service aber aus dem Windsorschloß, das bei dem großen Banket im St. James gebraucht wurde, zu 500,000 Pf. St. geschätzt worden. Die M. Post gibt nachträglich eine diplomatische Beschreibung der drei Hochzeithäubchen (wedding bonnets) Ihrer Maj. In die Nationalhymne God save the Queen, die in ihrer glücklichen Elasticität bereits drei bis vier Generationen des brittischen Königshauses überdauert hat, ist mit kleiner Abänderung einer Strophe der Name des Prinzen Albert aufgenommen worden; wenigstens hat man in den Zeitungen diese Abänderung vorgeschlagen.

Die Unterhaussitzung vom 12 Febr. war kurz und unerheblich. Eine von Sir E. Knatchbull (Tory) eingebrachte Bill zur Verbesserung der Zehntenablösungsacte für England in einigen Nebenpunkten wurde, vom Ministerium unterstützt, mit 77 gegen 21 Stimmen zum zweitenmal gelesen.

Im Anfang der Unterhaussitzung vom 13 Febr. fragte Hr. Parker den Handelsminister, ob der Handelsvertrag zwischen Frankreich und England bereits abgeschlossen sey, und wenn dieß der Fall, wann die Regierung die Bestimmungen desselben dem Hause werde mittheilen können. Hr. Labouchère lehnte es ab, in Erörterungen darüber einzugehen, da der Abschluß des Vertrags noch nicht erfolgt sey. Unterhandlungen mit der französischen Regierung, die den Zweck hätten, die Interessen beider Länder unter billigen und ehrenhaften Bedingungen zu fördern, seyen annoch im Gang; sobald der Vertrag abgeschlossen seyn werde, solle dessen Vorlegung im Parlament ungesäumt erfolgen.

Zu den letzten englischen Nachrichten aus Alexandria und Konstantinopel (bis zum 17 Jan.) bemerkte das M. Chronicle in diesen Tagen Folgendes: Kiamil Pascha ist von Alexandria mit einer entschiedenen Verwerfung aller Bedingungen, die hinter dem vollständigen Besitze Syriens zurückblieben, nach Konstantinopel zurückgekehrt, und eine unmittelbare Uebereinkunft zwischen dem englischen und dem russischen Gesandten soll die Folge davon gewesen seyn. Ohne Zweifel wird dieß die Folge seyn. Frankreich hat offenbar nicht die Macht, wenn es auch den Willen hätte, Mehemed Ali ohne Anwendung von Zwangsmaaßregeln zur Nachgiebigkeit zu bringen. Es müssen also jedenfalls solche Maaßregeln angewandt werden. Mehemed Ali rüstet sich zum Widerstande; unser Alexandrinischer Correspondent spricht von nicht weniger als 100,000 Mann arabischer Truppen. Aber selbst mehrere hunderttausend Araber, wenn sie vorhanden wären, können Europa keine Gesetze dictiren. Und auch Mehemed Ali wird dabei nicht beharren, sobald er Europa ernstlich zu Zwangsmaaßregeln entschlossen findet. Nach unserer Correspondenz aus Alexandria scheint es, als wenn Mehemed erwarte, daß eine österreichische, nicht eine russische0403 Armee gegen ihn werde gesandt werden. Wir hoffen jedoch, daß es gar keiner Armee bedürfen wird. Die Hülfsquellen Mehemeds, wie unser Correspondent sie schildert, sehen zwar sehr furchtbar aus, d. h. auf dem Papier; aber wir glauben nicht, daß er hartnäckig bleiben wird, da er wenigstens drei der Großmächte nunmehr entschlossen findet, sich ihm zu widersetzen. Mehemed Ali's Generalchirurg, Clot Bey, hat die Feder ergriffen, um im Siecle die politische Suprematie seines Herrn zu vertheidigen, und er thut dieß mit Mäßigung und Redlichkeit. Er führt die bewundernswerthe Ordnung an, welche Mehemed in Aegypten begründet hat, und die Anarchie, die seiner Regierung hervorging. Aber Niemand will ja Mehemed aus Aegypten vertreiben oder ihn dort zu beschränken suchen. Bonaparte that für Frankreich und besonders für Italien Aehnliches wie das, was Mehemed, nach Clot Bey's Darstellung, für Aegypten und Syrien gethan. Ist das aber ein Grund, die Wiederherstellung des Napoleon'schen Kaiserreichs zu wünschen? Napoleon und Mehemed waren beide bewunderungswürdig in ihren militärischen und polizeilichen Anordnungen; aber es gibt noch andere Dinge von Wichtigkeit, als Polizei-Angelegenheiten. Die Erwiederungen des Courrier français und des Commerce auf den Artikel des M. Chronicle, worin dieses die Fortdauer der englisch-französischen Allianz als unmöglich darstellte, wenn Frankreich sich nicht aufrichtiger und fester in seinem Benehmen gegen England zeige, veranlaßten letzteres Blatt neuerdings zu folgender Replik: Das Commerce erklärt unsere Vorwürfe für leider nur zu gegründet und sagt, der Mangel an Aufrichtigkeit habe die Allianz von Anfang an nichtig gemacht, und dieser Theil unserer Klagen sey ebenso logisch als wahr. Weiter sucht jedoch dieses Blatt zu beweisen, daß wir Engländer kein Recht hätten, uns in der Levante oder in Amerika über Frankreich zu beschweren. Der Courrier français wünscht in einem Artikel über denselben Gegenstand, wir möchten zwischen Frankreich und seiner Regierung unterscheiden. Als letztere in den spanischen Angelegenheiten England im Stich gelassen, habe die Pariser Presse dagegen protestirt. Allerdings that sie das, und auch Hr. Thiers protestirte. Aber die Majorität der Deputirtenkammer unterstützte die Politik, welche den Quadrupeltractat null und nichtig machte, und wir müssen doch die Majorität der Deputirtenkammer als die Vertreterin der Nation betrachten. Die Majorität der Deputirtenkammer, die damals so überaus furchtsam war, und lieber die östlichen Mächte nicht beleidigen, als in herzlicher Uebereinstimmung mit England handeln wollte, ist jetzt in Bezug auf die orientalische Frage eben so feindlich gegen England gesinnt und eben so enthusiastisch und entschlossen in Betreff der Gründung eines afrikanischen Reichs. Unter solchen Umständen können wir uns nicht mit den leeren Sympathien einer Minorität innerhalb oder außerhalb der Presse begnügen, während die französische Regierung und die französische Kammer geradezu feindlich gegen uns auftreten. Wir schreiben nicht, um durch Erheuchelung einer Freundschaft oder Uebertünchung einer Allianz, die hohl und trügerisch ist, diesen oder jenen Effect hervorzubringen. Unsere Pflicht und unser Zweck sind, unsere Landsleute auf die Gesinnungen der herrschenden Parteien in Frankreich aufmerksam zu machen, damit, wenn diese feindselig sind, das englische Volk sich auf Feindseligkeiten gefaßt halte und nicht durch ein eitles Vertrauen sich einschläfern lasse. Es scheint uns, als wenn der Strom der ministeriellen und parlamentarischen Gedanken in Frankreich darauf hinginge, die Stärke der französischen Seemacht in nicht sehr ferner Zeit gegen die englische zu erproben. Da wir dieß wahrnehmen, so müssen wir es aussprechen, und obgleich wir sehen, daß freisinnige und aufgeklärte Publicisten und Staatsmänner in Frankreich diese Tendenz läugnen, so sehen wir doch auch, daß eben dieselben Männer, indem sie sich gegen den Strom zu stemmen suchen, genöthigt sind, mit demselben zu schwimmen, und den kriegerischen Absichten und Anmaßungen ihrer Landsleute zu schmeicheln. Wir sehen dieß Alles mit Kummer, aber durch Unterdrückung von Thatsachen macht man diese nicht besser. Wir ziehen es vor, die Dinge bei ihrem wahren Namen zu nennen, mögen sie auch noch so unangenehm seyn, denn wenn die Freundschaft zwischen beiden Ländern wieder hergestellt werden kann, so ist dieß nur durch vollkommene Aufrichtigkeit von beiden Seiten möglich.

(Standard.) Die Angabe einiger Zeitungen, daß Baron v. Brunnow im Anfang nächster Woche nach St. Petersburg abreisen werde, ist ganz grundlos. Se. Excellenz wird durch diplomatische Geschäfte noch längere Zeit in London zurückgehalten werden.

(M. Post.) Baron Gervay und Graf Spangen sind mit wichtigen Depeschen für die österreichische Gesandtschaft aus[Wien] in London angekommen.

Frankreich.

In der Sitzung der Deputirtenkammer am 15 Febr. verlas Hr. Amilhau den Commissionsbericht über den Gesetzesentwurf, die Dotation des Herzogs von Nemours betreffend. Er legte umständlich die verschiedenen Arten dar, worunter die Majorität und die Minorität der Commission die Frage erwogen hatte. Sodann ging er in umständliche Beleuchtungen über die Einkünfte und Ausgaben der Privatdomäne der Krone ein, und setzte hinzu, daß die Civilliste nicht zur Dotation der Prinzen beitragen könne, indem sie ganz für den König und den Glanz des Thrones bestimmt sey. In Betreff der Ziffer der Dotation glaubt die Commission, daß die Summe von 500,000 Fr. für einen Sohn des Königs, der eines Tags berufen seyn könne, den Thron von Frankreich zu besteigen, nicht zu groß sey. Er trug auf Annahme des Entwurfs der Regierung an. Die Commission hat geglaubt, den Witthumsgehalt der Prinzessin von 300,000 Fr. auf 200,000 reduciren zu müssen. Schließlich dringt der Bericht auf die Nothwendigkeit, den Prinzen der französischen Königsfamilie das Mittel einer glanzvollen Repräsentation an die Hand zu geben. (Murren, Unterbrechung.) Hr. Delacroix verlangt Mittheilung der Documente an die Kammer, worauf die Commission ihre Ansicht stütze. Hr. Passy meint, diese Mittheilung und der Druck derselben sey deßwegen nicht wohl möglich, weil man dadurch die Rechtlichkeit der Commission bezweifeln würde. (Murren.) Hr. L'Herbette suchte letztere Ansicht zu widerlegen, und verlangte Mittheilung der Documente, von denen er vermuthe, daß sie nicht hinreichend erläuternd seyen. Es entspann sich eine Erörterung zwischen dem Minister und Hrn. L'Herbette. Der Präsident erinnert die Kammer an den Grund der Frage, und läßt über den Druck der Documente abstimmen, der nicht angenommen wird. (Geräusch.) Die Kammer erklärt, die Discussion am Donnerstag vornehmen zu wollen. Hierauf folgten noch einige Petitionserörterungen.

Alle Bureaux der Deputirtenkammer haben sich zu Gunsten der beantragten Pension für die Wittwe des Obristen Combes entschieden. Das Journal des Débats erinnert bei diesem Anlaß, daß auch das Andenken eines andern ausgezeichneten Armeeofficiers, der sich vor Constantine die Todeswunde geholt, in Frankreich nicht vergessen worden sey. Die Regierung hat für den General Perregaux, der auf der Ueberfahrt von Bona nach Toulon starb, ein Monument errichten lassen, welches unter0404 Begleitung eines Officiers vom Genie nach Cagliari demnächst eingeschifft und über dem dortigen Grab des jung gestorbenen Generals errichtet wird.

Auf den vor einigen Tagen mitgetheilten Artikel der Presse, worin unter Anderm gesagt worden: Der Repräsentant Rußlands, Hr. v. Medem, habe auf Befehl seiner Regierung dem Marschall Soult erklärt, die russische Regierung fordere die Veröffentlichung der Papiere, die man angeblich bei Hrn. Karl Durand gefunden, antwortet das Journal des Débats Folgendes: Wir glaubten, die Regierung werde sich beeilen auf diese Note, die um so anstößiger ist, als sie, wie die Presse sagt, ihr mitgetheilt worden, und demnach nicht als ein gewöhnlicher Journalartikel betrachtet werden kann, zu antworten. Seit zwei Tagen aber ist der Moniteur erschienen, ohne auch nur ein Wort auf jenen Artikel zu sagen. Wir dürfen daher wohl jetzt unser Erstaunen und Bedauern über das Stillschweigen des Ministeriums ausdrücken. Es wird in diesem Artikel gesagt, Hr. v. Medem habe von seiner Regierung Befehl erhalten, dem Marschall Soult zu erklären, die russische Regierung fordere die Veröffentlichung der Papiere, die man bei Hrn. Durand gefunden zu haben behauptet. Es wird ferner darin gesagt: es sey ein Skandal gewesen, daß die Gerüchte von einer mehr oder minder großen Theilnahme Rußlands an so erbärmlichen Umtrieben was sehr auffallend sey von Personen geglaubt worden, die bei der hohen Stellung, die sie bekleiden, am ersten hätten einsehen sollen, wie wenig begründet jene Gerüchte gewesen. Wir glauben zu wissen, daß Hr. v. Medem in der That bei dem Marschall Soult eine Audienz gehabt hat; aber der Geschäftsträger Rußlands führte in der Unterredung durchaus nicht den hochfahrenden, aufreizenden Ton, wie in jener mitgetheilten Note der Presse gesagt wird. Wir glauben ferner zu wissen, daß Hr. v. Medem im Namen seiner Regierung betheuerte, daß Rußland den geheimen Umtrieben, von denen die Rede war, völlig fremd sey. Also nicht Hr. v. Medem, dessen Tact, seinen Verstand und versöhnliche Gesinnung Jedermann kennt, hat die Note mitgetheilt, auf welche wir antworten; denn milde und versöhnlich im Salon und innerhalb der vier Wände sprechen, dagegen eine rauhe und drohende Sprache in Noten führen, die dem Publicum mitgetheilt werden, damit man dem Parteigeist einen Vorwand gibt, über die Erniedrigung und Schwäche der Regierung sein Geschrei zu erheben, dieß wäre ein Benehmen, das wohl vielleicht die Politik billigen könnte, aber gewiß kein loyales Benehmen. Die russische Regierung fordert, sagt die Note der Presse, daß man die bei Hrn. Durand gefundenen Papiere bekannt mache; dieß heißt so viel als: die russische Regierung will, daß das französische Ministerium in eine Untersuchung sich mische, die bloß vor der Justiz und durch die Justiz geführt worden. Einem Russen ist es erlaubt, die französischen Gesetze nicht zu kennen, aber der Marschall Soult mußte jedenfalls antworten, daß die bei Durand gefundenen Papiere, selbst wenn sie der russischen Loyalität einen Fleck anhängen würden, der gerichtlichen Untersuchung angehören, und daß Niemand in Frankreich in einen Proceß sich einmischen und die Papiere dieses Processes unterdrücken oder veröffentlichen kann. Das Siegel, welches das Gericht darauf gelegt, ist unverletzlich. In Rußland kann die Hand eines Kaisers dieses geheiligte Siegel aufheben oder zerreißen, in Frankreich darf dieß nicht geschehen. Diese Forderung stellen ist eine Kühnheit, welche aus zwei Gründen nicht statthaben konnte; erstlich weil Hr. v. Medem eine solche Keckheit sich nicht herausnehmen, und besonders weil der Marschall dieselbe nicht dulden durfte. Die russische Regierung klagt aber über Aeußerungen, die gethan und über Gerüchte, die geglaubt worden. Ja, man sprach von Briefen, die von einer kaiserlichen Hand geschrieben worden; man sprach von Geld, das von Rußland gegeben worden; man erzählte davon im Publicum und überall. Vielleicht hat man sich getäuscht; vielleicht hat man übertrieben. Der Marschall Soult mußte wissen, was man im Publicum hierüber wußte und sprach, nichts weiter, und er erfuhr es, wie das Publicum, ohne darüber genauer berichtet zu seyn als das Publicum. Die Justiz allein wußte, was an der Sache war, und die Justiz hat sich ausgesprochen, nicht über die Schuld Rußlands, gegen welches keine Anklage erhoben war, sondern über die Schuld des Hrn. Durand, und der Spruch der Justiz lautete dahin, daß keine Beweise vorlägen, Hrn. Durand gerichtlich zu verfolgen, was also so viel sagen will, als, Hr. Durand könne nicht vor die Gerichte gezogen werden wegen einer Verschwörung mit Einheimischen oder Ausländern. Hat Hr. v. Medem eine Note hinsichtlich dieser Sache eingereicht, so mußte der Marschall in seiner Antwort sich begnügen, ihm den Entscheid des Gerichts in dieser Angelegenheit zu übersenden, und dabei zu bemerken, daß man sich nicht erklären könne, warum Rußland wolle, daß man es aus dem Proceß ziehe, während es doch nicht in den Proceß mit verwickelt war und es sich durchaus nur von Hrn. Durand, nicht vom Kaiser Nikolaus handelte. Gewiß ist es traurig, wenn einer, über den andern üble Nachrede hält; aber dieß geschieht auch in St. Petersburg. Von Zeit zu Zeit lesen wir in deutschen und französischen Blättern bald Aeußerungen über Frankreich und die französische Regierung, bald eben so alberne, als boshafte Gerüchte, die gegen uns von Personen gläubig aufgenommen werden, deren hohe Stellung um den Ausdruck der mitgetheilten Note zu gebrauchen sie vor dem Glauben an dergleichen wenig begründete Nachrichten bewahren sollte. Man liest sogar in jenen Blättern mehr oder minder anmuthige Scherze über uns, und das Charivari wird in St. Petersburg nicht nur zugelassen, sondern man versucht auch, es nachzuahmen. All' dieß ist im gewöhnlichen Gang der menschlichen Dinge, und wenn die Seine über die Newa und die Newa über die Seine sich Bemerkungen erlaubt, so geschieht dieß schon seit langer Zeit, ohne daß es bis jetzt zu einer diplomatischen Erklärung Anlaß gegeben. Was geht aus all' dem hervor? Daß Rußland nach seinem eigenen Geständniß in Frankreich und in Deutschland Journale hat, deren Berichtigungen es besoldet, aber daß es sich nie dieser Journale zu Umtrieben bedient. Hierüber war man auch vor der Unterredung des Hrn. v. Medem mit dem Marschall Soult einverstanden, und muß darüber auch nach derselben in gleicher Weise einverstanden seyn. Rußland bedient sich der Presse nur zu einem ehrenwerthen Zweck, in einer uneigennützigen Absicht, im Sinne der Ordnung und Civilisation, wir zweifeln nicht daran, und daher versichert auch der Artikel der Presse, Marschall Soult habe erwiedert, daß er die Loyalität des russischen Cabinets nie im geringsten in Zweifel gezogen. Da Hr. v. Medem dem Marschall Soult ein Attest brachte, daß Rußland sehr loyal sey, so gab ihm der Marschall dagegen ein Loyalitätscertificat. Dieß war in der Ordnung.

(Moniteur Parisien.) Wir hatten einem in den letzten Tagen von der Presse publicirten Artikel hinsichtlich der bei Hrn. Karl Durand in Beschlag genommenen Papiere keine Wichtigkeit beigelegt und nicht geglaubt über die darin angeführten Umstände Erläuterungen geben zu müssen, da wir überzeugt waren, daß diese Behauptungen sich durch ihre Unwahrscheinlichkeit von selbst widerlegten. Ein Morgenjournal welches übrigens nur sehr richtige Bemerkungen über diesen0405 Gegenstand macht, wundert sich über unser Stillschweigen. Wir sind nun zur Erklärung ermächtigt, daß der russische Geschäftsträger sich beeilt hat, zu erklären, daß die kaiserliche Legation an dem ganz unrichtigen Artikel, den die Presse publicirte und dessen Quelle dieses Journal allein angeben kann, wenn es dieß für gut findet, durchaus keinen Theil genommen hat.

Die Presse antwortet hierauf: Der Moniteur Parisien hat Unrecht, zu behaupten, daß unser Artikel ganz unrichtig war; wir sind hierdurch genöthigt zu erklären, daß, mit Ausnahme eines Worts, welches vielleicht versetzt worden, unsere Erzählung vollkommen richtig war; eben so genau wahr ist es auch, daß bei dem französischen Cabinet hinsichtlich des Votums des Ministers des öffentlichen Unterrichts zu Gunsten der polnischen Nationalität eine Anfrage gemacht worden, und daß das Ministerium nicht weiß, was es hierauf antworten soll. Das Stillschweigen des ministeriellen Blattes beweist nur zu klar, daß es hiemit seine Richtigkeit hat.

(Moniteur.) Wir haben bereits erklärt, daß die in der vor einigen Tagen in der Presse eingerückten Note ausgesprochenen Angaben, von denen sie behauptet, daß sie ihr mitgetheilt worden seyen, durchaus unrichtig sind. Wir sind ermächtigt, dieselbe Erklärung in Betreff der Details zu machen, die von diesem Journale über eine Mittheilung des russischen Geschäftsträgers in Bezug auf die von dem Conseilspräsidenten geführte Sprache, und auf das Votum des Ministers des öffentlichen Unterrichts aus Anlaß der Erörterung des Polen betreffenden § in der Pairskammer gegeben worden sind. Der Conseilpräsident, weit entfernt, mit der Antwort auf diese Mittheilung in Verlegenheit gewesen zu seyn, hat die von ihm auf der Tribune geführte Sprache, die auch den Grundsätzen gemäß ist, welche Frankreich bei jedem Anlaß über diese ernste Frage angerufen und vertheidigt hat, vollkommen avouirt und bestätigt. Wir überlassen es übrigens der Presse zu erklären, wie sie von dem Schritte des Hrn. v. Medem in dem Augenblick, wo derselbe stattgefunden, Kenntniß erhalten hat, und an welcher Quelle sie die Erkundigungen schöpft, nach welchen sie die Regierung eine ihrer so unwürdige Rolle spielen läßt.

In Straßburg war in den letzten Tagen eine Petition an die Deputirtenkammer gegen die Dotation des Herzogs von Nemours im Umlauf. Die Bittsteller verlangen, daß die Kammer 1) den betreffenden Gesetzesentwurf verwerfe und 2) ein Gesetz annehme, kraft dessen man künftig keinem Prinzen und keiner Prinzessin des k. Hauses weder eine Apanage, noch eine Ausstattung bewillige.

(Commerce.) Es ist eine schöne Sache um die constitutionelle Regierung; sie hat den Vortheil, daß jeder sie auf seine Weise versteht: constitutionell gesprochen ward Hr. Guizot durch das Ministerium vom 12 Mai zum Botschafter in London ernannt. Nun ist aber Hr. Guizot in offenem Kriege mit diesem Ministerium, er besucht kein einziges seiner Mitglieder, mit Ausnahme des Hrn. Duchàtel, und sagt, jedem der es hören will, daß er seine Ernennung ganz von dem König erhalten habe, und nur dem Könige gehorchen werde. Er hatte in der That auch bisher nur mit dem Könige Conferenzen und doch glaubt Hr. Guizot die constitutionelle Regierung zu verstehen.

(Commerce.) Man sagt, dem Herzog von Broglie werde die Commission übertragen werden, die künftige Gemahlin des Herzogs von Remours abzuholen und nach Frankreich zu bringen. Bei der Vermählung des Herzogs von Orleans hatte der Herzog von Choiseul diesen Auftrag erhalten, und dieß erklärt sich daraus, daß der Herzog von Choiseul Adjutant des Königs war; man sieht aber nicht ein, unter welchem Titel Hr. v. Broglie zu dieser Mission des Hofs berufen wäre.

Man ist hier über den Ausgang der orientalischen Streitsache beruhigt und überzeugt, daß sie so ausgeglichen wird, als es die Lage der Dinge, die Macht der Umstände, mit denen man zum erstenmal seit der Juliusrevolution Lanzen brechen wollte, verlangt. Man weiß bereits, daß über diese nicht schnöde fortgegangen werden soll, sondern daß jeder sie bereits in Anschlag bringt und darauf Berechnungen formulirt, mit andern Worten, daß die Mächte, welche ihren Eingebungen gemäß über den Orient urtheilen und verfügen wollten, ohne die Gefahren zu bedenken, die dadurch hervorgerufen werden könnten, einzusehen anfangen, daß man hier recht gut wußte, was man wollte und was man durfte, und wir nicht so unbekannt mit dem Auslande sind, als gewöhnlich geglaubt wird. Der König ist es wahrhaftig nicht, und er gibt hauptsächlich der Politik den Impuls, die nach außen zu wirken hat. Sein Bestreben ging darauf hin, behutsam den Knäuel abzuwickeln, den so vielerlei Mißgriffe gesponnen hatten, und er ließ sich dabei durch nichts beirren. Gerechtigkeit ist ihm auch geworden, und nichts wird jetzt mehr ohne unser Dazuthun geschehen, da wir mit England wieder auf dem alten Fuße stehen. Vielleicht werden wir jetzt noch enger mit jener Macht verbunden, als wir es waren, denn was Peel im Parlament über die englisch-französische Allianz sagte, kann für die brittischen Minister nicht verloren gehen, und wird sie erinnern, daß es eine Frage der Existenz für sie ist, mit uns in bestem Einvernehmen zu bleiben. Es ist auch unbegreiflich, wie Lord Palmerston nur einen Augenblick daran denken konnte, auf uns zu verzichten, wenn er die mißliche Stellung erwägt, welche die Whigs einhalten, die, von Tories und Radicalen gedrängt, kaum ein anderes Hülfsmittel haben, um ihr Daseyn zu fristen, als die auswärtigen Verhältnisse auszubeuten, denn nach innen sind sie abgenützt. Lord Palmerston weiß dieß wohl, und dennoch wollte er es auf sich nehmen, eine andere Bahn zu betreten als die ist, die er bis jetzt verfolgt, und zwar zu seinem und seiner Collegen Besten verfolgt hatte. Er wollte es mit Rußland versuchen und uns den Rücken drehen. Er hat aber bald einsehen müssen, daß dieß verlorne Mühe ist, und daß von dem Tage an, wo wir uns von England trennen, das Reich der Whigs ein Ende hat, weil alsdann überall Ungewißheit und Unsicherheit herrschen würde, eben so ungewiß wie es in England aussieht, und jeder ohne Compaß zu steuern hätte. Freilich glaubte der edle Lord dem Uebel abzuhelfen, wenn er Rußland geködert zu haben, sich rühmen, und den gefürchteten Radicalen zurufen könnte, Rußland habe sich in seinen Willen gefügt, um ihren Angriffen zu entgehen und einen breiteren Sitz nach innen zu nehmen, was ihm Dauer verspreche und Zeit lasse, sich aus dem Chaos zu winden, in das er sich versetzt sah. Freilich sollte er insofern russischerseits Vorschub erhalten, denn man will wissen, daß die Zuvorkommenheit der russischen Regierung gegen Lord Palmerston hauptsächlich dadurch motivirt war, damit dieser nicht zu sehr von den Radicalen zu leiden habe, die ihn schonungslos behandelt haben würden, wenn er es gewagt hätte, Stipulationen einzugehen, wie sie anfänglich von Brunnow zu London proponirt worden sind; allein ungeachtet dessen hat der gute und gesunde Sinn, welcher die Mehrzahl der englischen Minister belebt, auf die Freundschaftsbezeugungen verzichten müssen, die ihm von Norden werden sollten. Palmerston war gehalten, schnell einzulenken, um nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten. Dieß wird ihm nun0406 schlecht in St. Petersburg angerechnet werden, wo man ihn mit Recht der Doppelsinnigkeit beschuldigen kann, während wir, wo nicht mit Lord Palmerston, doch mit dem brittischen Cabinet nur enger verbunden werden. Hiernach kann einstweilen der Erfolg berechnet werden, den die versuchten Conferenzen in London gehabt haben ein Erfolg, der den Frieden nur mehr befestigen wird.

Die so eben eingetroffenen Dampfboote, Cocyte und Chimère, bringen uns Nachrichten aus Algier bis zum 8 Febr. Abd-El-Kader soll in Person vor Belida eingetroffen seyn, und dem Bey von Miliana neue Truppen, die er aus den arabischen Stämmen gezogen, zugeführt haben. Die Belagerung von Belida hat wieder begonnen. Die Artillerie des Emirs warf gegen dreißig Haubitzen in die Stadt, welche einige Verheerungen anrichteten. Die Araber formirten auch einige Batterien gegen die Mauern; aber Obrist Changarnier nahm die vom Feind occupirte Position ein, und bemächtigte sich, wie man sagt, einer Kanone. Der Marschall Valée läßt alle verfügbaren Truppen nach Duera und Buffarik aufbrechen, und wird, sobald die Witterung wieder günstig geworden, an der Spitze einer Colonne von 4 bis 5000 Mann gegen den Feind marschiren. Die ganze Cavallerie ist nach Duera auf dem Wege; eben dahin sind auch die Tirailleurs von Vincennes aufgebrochen, ein neugebildetes Corps vortrefflicher Schützen. Der Marschall will sich mit eigenen Augen überzeugen, welchen Erfolg das erste Zusammentreffen dieser Schützen mit dem Feind haben wird. Ein aus Oran eingetroffenes Kauffahrteischiff meldet, daß in dieser Provinz sehr ernste Gefechte vorgefallen sind, und daß der Obrist des 2ten Regiments der Chasseurs d'Afrique getödtet worden ist. Es fehlen noch die näheren Details hierüber.

Mit dem heute eingetroffenen Dampfboot aus der Levante sind uns folgende Nachrichten aus Vurla vom 30 Jan. zugekommen: Alle Vorgänge schreibt man uns deuten auf neue Verwickelungen der orientalischen Frage hin. Einerseits erfahren wir, daß der Pascha von Aegypten seine Armee in Syrien bereit hält, um beim ersten Signal gegen Konstantinopel zu marschiren; andrerseits hat auch der Admiral Stopford, im Augenblick, als er mit den Linienschiffen Prinzessin Charlotte und Benbow nach Malta zu segeln im Begriffe war, durch das Dampfboot Gorgone Befehl erhalten, sein Escadre vollzählig in der Bay von Vurla zurückzuhalten. Obige Linienschiffe kehrten demnach wieder auf ihren Ankerplatz zurück, und nach Malta ging der Befehl an die Linienschiffe Asia, Ganges und Bellerophon ab, baldigst wieder nach Vurla unter Segel zu gehen. Die Linienschiffe Rodney und Vanguard werden nach England segeln, aber unverzüglich durch zwei andere Linienschiffe im mittelländischen Meer ersetzt werden. Auch dem Admiral Lalande ist mit dem letzten Dampfboot gemeldet worden, daß die Linienschiffe, welche nach Toulon segelten, um sich dort zu verproviantiren, nach der Levante zurückkehren sollen; überdieß sollen auch drei Linienschiffe der Reserveescadre in Toulon die Escadre Lalande verstärken, so daß dieselbe im künftigen Frühjahr 12 Linienschiffe zählen wird. Admiral Stopford wird auf dem Dampfboot Rhadamanthus in den nächsten Tagen nach Malta abreisen; während seiner Abwesenheit übernimmt ein Contre-Admiral das Commando der brittischen Flotte. Zwischen den französischen und englischen Admiralen herrscht fortwährend die gleiche Kälte.

Belgien.

Das Commerce belge enthält die etwas wunderliche und nicht sehr glaubliche Nachricht, daß der Zweck, weßhalb sich Hr. Ouvrard in Madrid aufhalte, darin bestehe, den Ankauf der Philippinen für Rechnung Belgiens zu bewerkstelligen.

Schweiz.

Der Kanton Luzern scheint auch einem Umschwunge seiner Politik entgegen zu gehen. Es hat das für die Schweiz um so größere Bedeutung, als Luzern ein vorörtlicher Stand ist. Seit langem wurde die wahre eidgenössische Stellung Luzerns von den dortigen Führern weder eingesehen noch gewahrt. Die dortigen Radicalen träumten von viel zu weit reichenden Planen, als daß sie die nahe Wirklichkeit hätten scharf ins Auge fassen können. Luzern ist historisch der katholische Vorort der Schweiz. An ihn schloßen sich früher die katholische Stände vorzugsweise an, in ihm Schutz suchend für ihre confessionellen Interessen, und hinwieder durch ihren Zusammenhang ihm Ansehen und Einfluß verschaffend. Statt diese durch Geschichte und Bedürfnisse angewiesene Stellung festzuhalten, entfremdeten sich die Luzernischen Führer die katholischen Stände, erzeugten sie bei der katholischen Bevölkerung Mißtrauen, lehnten sich selber auch in confessionellen Dingen an die reformirten und paritätischen Stände. So kam es, daß die katholischen Bergkantone sich lieber noch an das reformirte, aber billigere Zürich hielten, als an den katholischen Vorort, mit dem sie früher so eng verbunden gewesen waren. Auch von einer andern Seite war die Luzernische Politik völlig verkehrt. Von jeher rivalisirten in der Schweiz Zürich und Bern. Der alte Wettstreit der Städte ist auf die Kantone übergegangen. Um diese Stände vornehmlich gruppiren sich die übrigen. Das Bewußtseyn einer gewissen materiellen und geistigen Ueberlegenheit wird da gehoben durch die vorörtliche Stellung beider. Da ist es nun offenbar wieder Luzerns Aufgabe, dazwischen zu treten, die Gegensätze zu vermitteln und auszugleichen, und durch seine Unterstützung und Zustimmung da, wo entweder Zürich oder Bern das Gerechte oder Billige oder Heilsame will, den Ausschlag zu geben. Gewiß eine dieses Standes würdige für die Eidgenossenschaft bedeutungsvolle Aufgabe. Aber wer zu viel an eine einheitliche Schweiz dachte, die nicht ist, dem entging die kantonale und föderale Stellung Luzerns, die vorhanden ist. Der eine Fehler rächt sich bereits. Die eigene katholische Bevölkerung des Kantons Luzern steht der Regierung sehr gespannt gegenüber. Die berorstehende Verfassungsrevision wird wahrscheinlich benutzt werden, um große Personalveränderungen in den leitenden Behörden durchzusetzen. Die Regierung wird genöthigt werden, in Zukunft den Glauben des Volkes besser zu beachten. In einem gut geschriebenen Büchlein hat ihr der dortige Staatsschreiber Siegwart Müller den Untergang der irreligiös-radicalen Herrschaft angekündigt. Auf der Landschaft wächst der Anhang und Einfluß des Großrathes Leu fortwährend. Die Gesinnung der entschiedenen Volksmehrheit ist auf dieser Seite. Nicht daß sie nicht herrschend werde, steht zu besorgen, wohl aber, daß hinterher durch den Umschwung Uebertreibungen der entgegengesetzten Farbe aufkommen. Uebertreibungen, welche in Zürich glücklich vermieden wurden. Die Stadt Luzern, statt mit der Landschaft getreulich und auf gleichem Boden zusammen zu wirken, ist zwar den Radicalen auch nicht hold, aber steift sich auf unhaltbare Privilegien in der Repräsentation, und geräth so in Opposition zu der Landschaft. Beide sind arm an gebildeten tüchtigen Geschäftsmännern. Die wenigen, welche sich finden, halten eher zu der radicalen Partei. Die Furcht und der Abscheu vor den Radicalen treibt die Massen den Jesuiten in die offenen Arme. Hier kann einzig noch ein rasches entschiedenes Hinzutreten theils der Stadt, theils aller Gemäßigten, nicht völlig dem radicalen Geiste anheim Gefallenen zu der Bewegung vor Abwegen wahren, welche in der Zukunft neue Stürme veranlassen müßten.

0407

Seit einigen Monaten war in Genf ein starkes Umtreiben, um Unterschriften zu einer Petition zu verschaffen, wodurch die Einführung der Jury verlangt werden sollte. Wie vor kurzem im Waadtland, so ging es auch in Genf. Es kamen ungefähr achthundertundfünfzig Unterschriften zusammen, nicht ohne Mühe und Umtriebe. Die Wiedereinführung des Geschwornengerichts ward überdieß mit Beredsamkeit im Großrath von mehreren Männern empfohlen, deren Namen guten Klang im Lande haben. Dagegen sprach unter andern Sismondi unter Anführung gewichtiger Gründe, warum diese Anstalt für den winzigen Staat nicht passe und da nur Nachtheile haben könne. Als Sismondi im October 1838 in demselben Großrath entschieden für das rechtliche Begehren Frankreichs wegen Austreibung Louis Bonaparte's aus der Schweiz gesprochen hatte, wurde er schon von den Bewegungsmännern streng beurtheilt, und von der aufgeregten Menge schief angesehen. Ein weniger edler, fester und unabhängiger Public-Character hätte sich dieß zur Warnung dienen lassen, nicht so Sismondi. Mit derselben Wärme und Klarheit sprach er am 10 d. gegen das Geschwornengericht und ließ es sich nicht anfechten, daß ihn einer seiner Collegen in der Hitze der Discussion der apostasie politique beschuldigte. Nein! Sismondi ist kein Apostat, aber durch längeres Nachdenken und Beobachten hat er in dem Strengen und Schneidenden seiner frühern Ideen nachgelassen, und hat die Gefahr zu weit getriebener, unkluger Freiheit eingesehen, und in diesem Sinn spricht er sich jetzt aus. Mit 133 Stimmen gegen 55 wurde die Wiedereinführung der Jury verworfen.

Deutschland.

Mit dem gestrigen Abend erschien im großer Maskenball der von den Künstlern unserer Hauptstadt veranstaltete Maskenzug. Wie das Ganze im Gedanken und in der Ausführung, in der Anordnung, in den Vorzeichnungen der Costumes, und überhaupt in der Leitung und Führung von den Künstlern ausging, so gesellten sich auch Personen anderer Stände dazu, daher denn auch der Zug aus etwa 600 Individuen bestand. Die Absicht der Maskerade war, wie das darüber verfaßte Programm sich ausdrückt, ein charakteristisches und mannichfaltiges Bild aus der ersten Hälfte des 16ten Jahrhunderts vorzuführen, mit besonderer Beziehung auf die Sage, nach welcher Kaiser Maximilian I während einer Anwesenheit in Nürnberg Albrecht Dürern durch Verleihung eines Wappens ausgezeichnet, und Nürnberg zu Ehren des Kaisers verschiedene Festlichkeiten veranstaltet haben solle. Von diesem Standpunkte aus entfaltete sich die Maskerade in drei Abtheilungen: einem Aufzuge der Bürger und der Zünfte, dem Zuge des Kaisers selbst, und einem Mummenschanz zur Belustigung des Kaisers. Der Zug trat um 8 Uhr im großen Hoftheater ein, hielt dort die Umzüge und bewegte sich durch den Foyer der königlichen Loge, durch die Corridors der königlichen Residenz und die Arkaden des Hofgartens in das Odeon, wo im Costume der Maskerade dem Kaiser ein prachtvolles Banket bereitet (unter andern ward ein Fisch aus dem Wallersee von 82 Pfund aufgetragen) und der ganze Jubel mit einem Balle (7 Uhr Morgens) geschlossen wurde. An der Spitze des Umzuges im Theater war der Zug der Zünfte und unter diesen zuerst: Hans Sachs mit den Meistersängern, welche Gedichte vertheilten, sodann um unter den andern Abtheilungen Einige zu nennen, bei den Gelb - und Rothgießern: Peter Vischer mit seinen Söhnen, unter den Ornamentschneidern: Veit Stoß, unter den Malern: Albrecht Dürer, Michael Wohlgemuth, Adam Kraft etc. Bürgermeister, Patricier und Rathsherren, Bürger und Bürgerfrauen beschlossen diesen Zug. Ihm folgte der Kaiser und sein Gefolge; voraus eine Abtheilung Lanzknechte, dann Edelknaben mit den Wappenschilden von Burgund, Holland, Flandern und Oesterreich, Herolde, Falkoniere und Jäger etc. und nach dem Kaiser: Kunz von Rosen, sein lustiger Rath, Ritter und Rittersfrauen, Kriegsobristen und Feldhauptleute, Räthe des Kaisers und Gelehrte, endlich eine zweite Abtheilung Lanzknechte. Jetzt eröffnete sich der dritte Zug, welchen Peter v. Altenhans, der Mummereimeister, auf einem Esel reitend, anführte: Venus und Amoretten, von Gefangenen auf einem Wagen gezogen, sodann der Bacchuszug, der Zug der Diana, immer mit einer Ueberfülle von Attributen und Gefolge, und die Göttinnen und Genien auf phantastisch geputzten Wagen, dann zuletzt der Bergkönig mit Gnomen und Kobolden und einem Säckelmeister, welcher eigens geprägte Münzen unter die Zuschauer auswarf. Die Costumes waren mit einem Reichthum und einer Treue und hinwiederum mit einer künstlerischen Freiheit ohne Ziererei und Schauflitter ausgeführt, daß in der That bei denselben aller Eindruck einer Mummerei verschwand; Figuren gingen vorüber, wie wenn plötzlich die Holzschnitte Hans Scheuffelins und Haus Burgkmaiers aus dem Theuerdank, aus dem Weiß-Kunig oder oder aus dem Triumphzug Maximilians sich in Bewegung gesetzt, und Männer und Frauen lebendig aus den Blättern jener Meister hervorgetreten wären. Mit welcher Treue ist Peter Vischer aus seiner Nische des Sebaldi-Grabes erstanden und freundlich grüßend an uns vorübergewandelt! Vorzugsweise stellte der Zug der Zünfte, der Ritter und Patricier und der Lanzknechte in den mannichfaltigsten Abstufungen jene reiche und schöne Männertracht zur Schau, welche die eigenthümliche germanische Kleidung bildet, und rein hervorgegangen ist aus der deutschen Sitte und dem Reichthume des Mittelalters, und aus einer Art romantisch-ritterlichen Wesens, welches vom 13ten Jahrhunderte an das lombardische und deutsche Städteleben bezeichnet, und so bezeichnet, daß noch heutzutage jeder Frack und wenn ihn Paris noch so elegant nach der letzten Mode sendet in einem gothischen Dome fad und ekelhaft erscheint. Aus der Sorgfalt der Einzelnmasken ging auch die großartige imposante Wirkung hervor, welche über dem Ganzen den Zuschauer ergriff, und wahrlich, der Zug mit seinen Fahnen und Insignien, den seltsamen Waffen, Wappenschilden, Lanzen und den Gefäßen und Arbeiten der Zünfte, dann mit seinen vielfachen Trompetenmärschen, mit dem Zwischenspiele des großen Ballorchesters und den Festliedern der Abtheilungen etc. gewährte einen Anblick, welcher der Richtung unsers Jahrhunderts ganz fremd geworden ist, und mag seit jenen abenteuerlichen Maskeraden, welche Leonardo da Vinci zu Mailand und Florenz am Ende des 15 Jahrhunderts aufgeführt hat, wohl nur sehr selten gesehen worden seyn. Die Aufgabe erschien jedem Zuschauer gelöst im vollen Sinne des Wortes: es ist dieser Maskenzug nämlich eine Denkfeier des deutschen Künstlerlebens der bezeichneten Jahrhunderte, und zugleich ein Spiel, wie die Jahreszeit es gebietet; aber nur von Künstlern können solche Spiele ausgehen, und hier ist der Punkt, wo ohne alle Beziehung und Anmaßung München sein Prärogativ, dessen es sich gegenwärtig rühmt, geltend macht, und wo es sich wie von selbst versteht, wenn wir erzählen, wie der ganze Maskenzug vor seinem Auszuge zum Bankette dem Schöpfer der Mediceischen Gegenwart ein Dreimalhoch rief, welches in tausend Stimmen der Zuschauer sich jubelnd wiederholte. Es war dieß ein großartiger, erhebender Moment; die Liebe des Volks zu seinem König zeigte sich in ihrer ganzen Stärke, und ein so lauter und anhaltender Jubel ward seit Jahren nicht vernommen. Bei dem Bankette im Odeon fehlten Lieder und Toaste in keiner Richtung. Man erzählt,0408 daß der Kaiser auf das Gedeihen deutscher Kunst und Art getrunken habe; da dürfte denn Kunz von der Rosen, des Kaisers lustiger Rath, etwa folgende Worte gesprochen haben: Ja wohl, auf deutsche Kunst und Art, aber da drüben und daneben machen die Wälschen und Fremden ein schielendes Gesicht und meinen, als hätten wir Deutschen nur Sinn für Bücherstaub, und als pflegten wir nur trübsinnig Abgötterei mit unserer Vergangenheit und wären nicht im Stande mit Humor, mit Geist und Scherz unsere Art und Kunst zu treiben. Darum erlaubt mir meinen Freyhartsspruch:

Tüchtig und toll, je wie sich's ziemt und wahrt,
Tüchtig und toll, das ist deutsche Kunst und Art

Durch ein Decret Sr. Durchlaucht des Herzogs von Rassau vom 8 d. sind die Stände dieses Landes auf den 24 einberufen.

Die herrliche Besitzung in Bingen, welche unter dem Namen die Burg Klopp bekannt und berühmt ist, wurde kürzlich von Hrn. Notar Faber dahier, dem sie gehört, an einen russischen Grafen, dermalen in Mannheim (Graf v. Mengden), für 22,000 fl. veräußert. Derselbe ist nunmehr gestern mit einem bekannten Architekten hier angekommen, um Vorkehrungen zum Bau einer neuen Burg in byzantinischem Styl auf seiner Besitzung zu treffen, und man denkt, daß mit dem Unternehmen noch in diesem Jahre begonnen wird. Leute, welche den Plan des Baues gesehen haben, versichern, daß das Werk eine Zierde am Rheinstrome werden müsse, ein scheinbar aus dem Mittelalter in die neue Zeit hervorragendes Prachtgebäude; und da die Localität die schönste ist, die auf weit und breit existirt, namentlich durch die unaussprechlich reizende Aussicht, so dürfte diese Besitzung bald ein vorzüglicher Magnet der Rheinreisenden werden. Der Käufer hat im Sinn, durch Anlagen aller Art hier ein kleines Paradies zu schaffen, und Bingen wird dereinst dadurch einen großen Zufluß an Fremden erhalten.

Der Magistrat hat sich in einem ausführlich motivirten Bericht an die k. Landdrostei geradezu geweigert, der Auflage der beiden (bereits unterm 12 d. M. mitgetheilten) Rescripte vom 27 Jan. und 4 Febr. nachzukommen, d. h. sowohl allen Geschäftsverkehr mit Rumann abzubrechen, als auch den noch in dessen Wohnung befindlichen städtischen Posten einzuziehen. Wie es indeß vorauszusehen war, haben alle Gründe nichts geholfen; man hat die frühern Befehle wiederholt, und den Mangel an Gehorsam mit einer Geldstrafe von 50 Thlrn. verpönt. (Die Berichte des Magistrats, so wie das darauf erfolgte Landdrostei-Rescript folgen morgen.)

Schweden.

Der Antrag Graf Ankarswärds fiel im Ritterhaus nach 14stündiger Berathung durch. (Das Nähere morgen.)

Aegypten.

Die Quarantäne, die, wie ich Ihnen das letztemal schrieb, abgeschafft war, ist seit fünf Tagen wieder eingesetzt. Man hat sich den Spaß gemacht, auf das täglich erscheinende Gesundheits-Bulletin zwei Pestfälle zu setzen, worauf die Regierung die Quarantäne unter ihrer Aufsicht wieder einsetzte. Dagegen sträubt sich nun das Corps der Consuln, die unter ihrer Direction in der Quarantäne alle möglichen Mißbräuche einschleichen ließ, und hat erklärt, daß wenn ihnen nicht die Direction übertragen würde, sie die Quarantäne nicht anerkennten, woraus demnach folgen würde, daß es besser sey, es wüthe die Pest in Aegypten, und raffe Alles hinweg, als den H H. Consuln die Mittel zu benehmen, ihre Protégés und Favoriten zu begünstigen, und für sich selbst, wie es oft geschehen, bei den Quarantänemaaßregeln Ausnahmen zu statuiren. Zudem ist es auffallend, wie die Consuln dazu kommen, sich in die nnern Angelegenheiten eines Landes zu mischen, wohin sie nur geschickt wurden, um sich um dessen äußere Angelegenheiten zu bekümmern, aber nicht Prätentionen auf Directionen von Administrationen zu machen. Der Pascha räumte die Quarantäne nur auf vieles Ersuchen den Consuln ein, und übergab ihnen, da seine Regierung nichts davon verstand, die Direction; seitdem es aber die Regierung erlernt hat, wird es ihr wohl erlaubt seyn, sich selbst an die Spitze derselben zu stellen, und es ist offenbar lächerlich, wenn nun die Consulate die Quarantäne nicht anerkennen wollen. Sie wollen dem Gouvernement verbieten, die aus Pest-Gegenden kommenden Schiffe in Contumaz zu setzen. Würde eine solche Albernheit durchgehen, so wird sich die Pest zuerst bei den Consulaten introduciren, denn diese communiciren zuerst mit den Schiffen, und es könnte sich das unerhörte Unglück ereignen, daß wir eines Tages erführen, wie unsere hochverehrten Consuln in einer Nacht sämmtlich an der Pest gestorben wären, und die europäische Bevölkerung ohne ihren gebenedeiten Schutz in den Händen der Türken zurück ließ.

0401

Die Sternschnuppenströmungen.

Der Courrier français gibt in seinem Bericht über die Sitzungen der Akademie der Wissenschaften vom 6 und 13 Januar Nachricht von einer schriftlichen Mittheilung, welche die französische Akademie von Professor Ermann in Berlin über Sternschnuppen erhalten habe. Der Professor, sagt dieses Journal, erklärt die periodische Erscheinung derselben durch die Annahme, daß nach Planetenart um die Sonne, in einer mit der Erde fast gleichen Entfernung, ein Strom von Sternschnuppen kreise, der einen großen, stätigen, ganz aus Boliden bestehenden Ring bilde. Dieser kreisende Ring sey auf die Ekliptik geneigt, so daß er mit letzterer nach Art anderer Planeten Knoten habe. Da er aber von der Sonne fast so weit wie unsere Erde entfernt sey, so gehe daraus hervor, daß wenn die letztere sich in den Knoten des Schwarms der Meteore befinde, sie in deren Wolke eindringe, und daß nun daraus die ungewöhnliche Erscheinung des 13 Novembers oder des 10 Augusts entspringe. Hr. Ermann findet, ohne Zweifel nach der Berechnung der jährlichen Bewegung der zwei Körper, daß der meteorische Ring sich jährlich zwischen die Erde und die Sonne in zwei Zeitpunkten stelle, die dem Anfang des Februars und dem Anfang des Mai's entsprechen. Es gibt sonach alsdann eine Art von Sonnenfinsterniß durch die Meteore. Dieß sind die Hauptangaben der Hypothese des Hrn. Ermann, der sich der Hoffnung hingibt, Beweise für ein ganz eingebildetes System zu finden. Zum Beweise, daß die Sonne solche meteorische Verfinsterungen im Februar und Mai erfahre, hat sich Hr. Ermann in den alten Chroniken des Mittelalters umgesehen und darin gefunden, daß in diesen Perioden des Jahres die Sonne fast ganz verschwunden sey, daß die Fledermäuse aufgeflogen seyen und man Lichter habe anzünden müssen. Er führt mehrere solche Stellen aus deutschen Chroniken vom dreizehnten Jahrhundert an. Dieß sind aber seltsame Stützen für eine physikalische Hypothese. Endlich wandte sich Hr. Ermann von diesen Mönchscompilationen an den Thermometer. Er glaubte durch Einsicht in die vollständigsten Temperaturtabellen, die man gegenwärtig besitzt, beweisen zu können, daß in der That gegen den 7 Febr. eine jährliche Conjunction der Asteroiden und der Sonne stattfinde, woraus sich ein allgemeines Sinken der Temperatur auf unserm ganzen Erdball ergebe. Er glaubt, daß die meteorologischen Register zu demselben Zeitpunkt ein Stillhalten in dem Fortschritt der den Frühling verkündenden Wärme, das einer Auslöschung der Sonnenstrahlen entspreche, bezeugen. Ebenso soll ein allgemeines Fallen der Erdtemperatur gegen den 11 Mai stattfinden, das den Sonnenverfinsterungen durch die Sternschnuppen vom 13 November entspräche. Alles dieß bedürfte größere Beweise und eine etwas klarere Darstellung. In jedem Fall zeigt sich in den von Hrn. Ermann vorgelegten Entwicklungen große Einbildungskraft, viel Wissenschaft und Scharfsinn.

Die bekannten Erscheinungen von Sternschnuppenströmungen, welche nun seit einer Reihe von Jahren regelmäßig im November (um den 13) und im August (um den 10) beobachtet worden sind, und für deren Erscheinung um die nämlichen Monatstage auch in frühern Jahren sich geschichtliche Belege auffinden ließen, gewinnen noch weiteres Interesse durch Nachweisung eines nicht weniger merkwürdigen Einflusses dieser Himmelskörper auf unsere Erde, als ihr regelmäßiges Erscheinen selbst merkwürdig ist eines Einflusses, durch welchen nicht nur mehrere bis jetzt unerklärte Temperaturerscheinungen (wovon die eine in die kaum verflossenen Februartage fällt) eine sehr einfache und naturgemäße Erklärung, sondern auch die hierauf bezüglichen Volkstraditionen eine merkwürdige Bestätigung finden; woraus denn sogleich der Schluß folgen dürfte, daß die diesen und ähnlichen Traditionen zu Grunde liegenden Beobachtungen der frühern Zeiten nicht so unrichtig, und die Volksstimme selbst in ihren Wetterregeln nicht so unwichtig sey, als man gewöhnlich glaubt. Es ließ sich unter Voraussetzung der Möglichkeit und wegen der regelmäßigen Wiederkehr jener Sternschnuppen, selbst der Wahrscheinlichkeit, daß dieselben keine im Raume des Sonnensystems vereinzelten Anhäufungen einer kosmischen, d. h. im Weltraum zerstreuten, sich bewegenden, Materie, sondern ein zusammenhängender, die Sonne ringförmig umgebender und sich in der Richtung des Rings um sie bewegender Strom solcher Massen sey, vermuthen, daß dieselben ein halbes Jahr später, wo die Erde auf ihrer Bahn sich diesem ringförmigen Strome aufs neue nähern würde, irgend auffallende Erscheinungen zur Folge haben würden, so daß die nächsten Tage vom 7 Febr. und vom 10 Mai an hiefür bedeutungsvoll werden würden. Nun ist eine nicht nur im Volksglauben seit den frühesten Zeiten fortlebende, sondern durch die zahlreichsten, fast jedes Jahr wiederkehrenden Beobachtungen bestätigte Thatsache die Wärme-Abnahme in den Tagen vom 10 bis 14 Mai, und eine eben solche Wärme-Abnahme, wenn gleich wegen der ohnedieß winterlichen Jahreszeit im Februar minder auffallend, als die verhängnißvollen Frühlingsfröste um die Tage des Servaz und Pankraz, zeigt sich auffallend bestätigt durch Prüfung der Temperatur dieser Tage, welche die in den meteorologischen Journalen verschiedener Orte und Zeiten niedergelegten Beobachtungen und Berechnungen der Mitteltemperaturen an die Hand geben. Hieraus erhält nun die oben angeführte Vermuthung von einer wiederholten Annäherung der Erde um diese beiden Zeiten (Februar und Mai) gegen die Sternschnuppenströmung eine merkwürdige Bestätigung, und zwar in der Art, daß, indem die Erde hier an derjenigen Stelle ihrer Bahn anlangt, wo letztere von der Sternschnuppenströmung durchschnitten wird, die Sternschnuppenanhäufung nun zwischen der Erde und der Sonne in gerader Linie sich befindet (gerade wie der Mond bei einer Sonnenfinsterniß), und somit nothwendig den Einfluß der Sonnenstrahlen auf Erwärmung der Erde (so wie auf Erleuchtung derselben, wenn gleich ohne Minderung der letztern ohne Lichtmeßinstrumente minder bemerkbar ausfällt), nach Maaßgabe der Dichtigkeit der Sternschnuppenströmung schwächen muß. Diesem steht noch zur Seite, daß in alten Chroniken mehrere Fälle aufgezählt sind, wo in den Tagen des Februars und des Mai's auffallende, durch die Bevölkung nicht hervorgebrachte Verdunkelungen des Sonnenlichts und im Jahr 1106 im Februar bei Tag eine Menge Sternschnuppen bemerkt worden sind. Wir geben hier noch eine Tafel der hiesigen Temperaturbeobachtungen in den letzten Februartagen, woraus hervorgeht, daß die seit dem Anfang dieses Monats bemerkliche constante Zunahme der Temperatur, sowohl des täglichen Mittels, als auch des täglichen Maximums und Minimums, vom 7 an eine auffallende und durchaus gleichförmige Störung oder Verringerung erlitten hat. Eine ausführliche Darstellung dieser interessanten Hypothese mit ihren astronomischen, meteorologischen und historischen Belegen von A. Ermann gibt Schuhmacher in seinen astronomischen Nachrichten von diesem Jahre0402 Nro. 390, auf welche wir diejenigen verweisen, welche sich näher mit derselben bekannt zu machen wünschen.

P. P.

〈…〉〈…〉

(Schwäb. M.)

Großbritannien.

Zu den höchsten National-Ehrenbezeugungen in England gehört eine vom Parlament votirte öffentliche Danksagung für irgend ein Verdienst um das Vaterland in sago oder toga. Eine solche Danksagung ward in den letzten Tagen dem indobrittischen Heer und dessen Anführern für den glücklich vollendeten Feldzug gegen Afghanistan von beiden Häusern votirt. Folgendes ist ein Auszug aus den betreffenden Debatten des Hauses der Gemeinen am 6 Febr. Sir John Cam Hobhouse, Präsident des Controlamtes der indischen Angelegenheiten, bemerkte, diese Praxis habe von jeher gegolten, schon von dem Tag an, wo der Dank des Parlaments für Lord Clive, den Gründer des indobrittischen Reichs, den Gegnern seiner Politik abgenöthigt worden sey. Der Marquis v. Cornwallis erhielt im J. 1792, der Marquis Richard Colley v. Wellesley (der ältere Bruder Wellingtons, dem indeß ebenfalls für seine militärischen Verdienste in Indien vom Parlament gedankt wurde) 1799 und wieder 1804, der Graf von Minto 1814, der Marquis v. Hastings 1817 und 1819 als Generalstatthalter die Danksagung dieses Hauses. Dieselbe beschränkte sich jedoch in den erwähnten Fällen auf die ausgeführten Militäroperationen; Politik und Ursprung der betreffenden Kriege wurden beflissentlich außer Betracht gelassen. An diese Vorgänge bin ich im gegenwärtigen Falle mich um so mehr zu halten gesonnen, als die Politik, welcher gemäß der jetzige Generalgouverneur den Feldzug gegen Afghanistan unternahm, die Politik der Regierung war. Diese Politik, wenn sie angegriffen wird, ist die Regierung zu vertheidigen bereit; aber gegen die tapfern Männer, die jene Kriegsthaten vollbracht, würde es eine Unbilligkeit seyn, Betrachtungen mit in meine Motion herein zu ziehen, die zu einer Meinungsdifferenz führen könnten. Der Minister gab nun einen Abriß des Feldzugs in Mittelasien in Gegenden, wo seit den Tagen Alexanders von Macedonien die Fahne eines civilisirten Volks nicht mehr gesehen worden war wies darauf hin, wie mächtig die Resultate dieses Feldzugs zur Befestigung der indobrittischen Macht beitragen würden, und schloß mit Beantragung folgenden Resolutionen: der Dank dieses Hauses werde gezollt dem sehr ehrenw. George Graf v. Auckland, Ritter Großkreuz des höchst ehrenwerthen Bath-Ordens, Generalstatthalter der brittischen Besitzungen in Ostindien, für die Umsicht und Gewandtheit, womit die Hülfsquellen des indobrittischen Reichs neuerlich unter seiner Leitung auf Kriegsoperation westwärts vom Indus verwendet wurden. Das Haus dankt dem Generallieutenant Lord Keane, Ritter Großkreuz des sehr edlen militärischen Bath-Ordens, für seine verdienstvolle Führung des Oberbefehls über die westlich vom Indus verwendeten Truppen, und namentlich für die Energie, womit er den Sturm auf die Stadt und Festung Ghisni entwarf und leitete, welche glänzende Waffenthat den Ruhm der brittischen Armee wesentlich vermehrt und zum schnellen Gelingen des ganzen Unternehmens mächtig beigetragen hat. Das Haus dankt dem Generalmajor Sir Willoughby Cotton, Ritter Großkreuz des sehr edlen militärischen Bath-Ordens, und den verschiedenen Officieren des Heers, sowohl Europäern als Eingebornen, für ihr gutes Verhalten und ihre tapfern Anstrengungen in diesem Feldzug. Das Haus zollt endlich vollen Beifall und Anerkennung der Mannszucht und Ausdauer, die von den Unterofficieren und Soldaten, sowohl europäischen wie eingebornen, auf einem langen und mühseligen Marsch durch ein unbetretenes Land bewiesen worden, und lobt und anerkennt ihren unerschrockenen Muth bei dem Sturm und der Einnahme von Ghisni. Diese Resolutionen seyen durch den Sprecher des Hauses an den Generalgouverneur von Indien zu übermachen, und von Sr. Lordschaft gefälligst der Armee mitzutheilen. Sir R. Peel stimmte in das Lob der Truppen mit Wärme ein, bemerkte aber dazu: der Herr Baronet (Hobhouse) hat mich der Nothwendigkeit überhoben, meine Meinung über die politische Seite dieses Feldzugs zu sagen. Wenn ich indeß von ihm anführen höre, daß eine einzige 8000 Mann starke Division 10,000 Kamele mitführte, und daß die ganze Armee nicht weniger als 27,000 Pack-Kamele und einen Lagertroß von 30,000 Menschen mitschleppte, so finde ich das selbst für den Orient etwas zu stark und die Ausgabe für die Finanzlage Indiens zu groß. In dieser Hinsicht möchte ich erst eine detaillirte Rechnung sehen, ehe ich loben kann. (Hört, hört!) Sir Robert bezweifelte dann, ob es passend sey, in ein Dankesvotum an Militärs für militärische Operationen auch eine Civilperson den Generalgouverneur mit einzuschließen; denn wenn dieß bei Lord Wellesley geschehen, so müsse man bedenken, daß dieser zugleich Militär gewesen und an dem damaligen Kriege thätigen Antheil genommen. Er wolle dem Lord Auckland sein Verdienst um die Vorbereitung der Expedition und um die Heerpflege nicht bestreiten; mit den Kriegsoperationen selbst aber habe das eigentlich nichts zu thun. Der Kriegsminister Hr. Macaulay (früher bekanntlich längere Zeit als Oberrichter in Calcutta angestellt) beklagte, daß Sir R. Peel solche Häkeleien mache, an die ein edler Herzog im andern Haus, der Besieger Massena's, Soults und Napoleons, nicht gedacht habe. Nicht bloß der Generalstatthalter Lord Wellesley habe für glückliche Kriegsoperationen den Dank des Parlaments votirt erhalten, sondern auch Graf Minto dieser eine reine Civilperson nach der Einnahme von Java. Hierauf verbreitete sich der Minister über die Wichtigkeit der Resultate des letzten Feldzugs, welche insofern doppelt wichtig und daher auch in financieller Hinsicht nicht zu thener erkauft seyen, als sie dazu gedient, der indischen Bevölkerung, welche allerwärts schwierig und zum Aufstand bereit gewesen, einen heilsamen Schrecken vor der brittischen Macht einzuflößen. Dieses glückliche Ergebniß aber habe England großentheils dem Lord Auckland zu danken. Nach einiger weitern Discussion in welcher der torystische Obrist und frühere Kriegsminister Sir H. Hardinge (ein verdienter Militär, der im Peninsularkrieg einen Arm verloren) dem indobrittischen Heere warme Lobsprüche spendete, und selbst Hr. Hume die Meinung äußerte, der Feldzug könne in Betracht der Kosten, die er erspart habe, nicht zu theuer gefunden werden, wurden die dankenden Resolutionen ohne Abstimmung votirt.

Frankreich.

Daß das sogenannte Repräsentativsystem seit der Juliusrevolution eine klägliche Richtung hier in Frankreich0403 nimmt, wird von Allen empfunden. Die bornirten Legitimisten schreiben dieses dem Charakter aller öffentlichen Verhandlungen zu und vergöttern, im System des Journals la France, die Knute; die aufgeklärteren Legitimisten meinen, mit der Legitimität der Dynastie verbunden könne allein das Repräsentativsystem seine Früchte tragen, dadurch daß das aristokratische Element in demselben auftauche. Die Opposition der Linken meint, es werde diesem System aufgeholfen werden können durch Adjunction der Capacitäten, d. h. der gesammten Masse aller Advocaten, Mediciner und Schriftsteller, ob diese den festgesetzten Census bezahlen oder nicht, gleichviel; zugleich wollen sie auch das Ueberhandnehmen der Functionärs in den Kammern beschränken. Die Republicaner der laxen Observanz endlich wollen die Volkssouveränetät durch die Nationalgarde, und die der stricten Observanz durch die Gesammtmasse der Handwerker in das Repräsentativsystem festsetzen. Das Juste Milieu endlich fände das heute bestehende System vollkommen, wenn es nur nicht zu oft in Frage gesetzt werden würde. Was die Nation im Großen und Ganzen betrifft, so offenbart sie durch ihre Gleichgültigkeit gegen das Bestehende die Kraftlosigkeit dieses Systems in der heutigen Praxis, deren Grund näher zu beleuchten seyn möchte.

1) ist es gewiß, daß von oben herab ein System des Amortissements auf alle Geister und Gemüther in allen nur möglichen Rücksichten entwickelt worden. So wenig Respect die Franzosen in ihrem stets rastlosen Witze gegen Alles, was Regierung ist, äußern, so ist es doch gewiß, daß sie vor allen andern Nationen einer entschiedenen Herrschaft bedürftig sind, und wenn auch ihre Meinungen je mehr und mehr republicanisch seyn oder werden sollten, so ist es doch ihr Charakter auf das allerbestimmteste nicht; sie setzen die ganze Freiheit in die Gleichheit, und dadurch schon bahnen sie aller möglichen Autokratie monarchischer, ministerieller oder auch jakobinischer Gewalten die Wege; sie dulden keine selbstständige Independenz, kein Vergrößern und Wichtigwerden des Individuums; sie wollen ein Niveau in der Familie, im Ansehen, in allen möglichen Dingen, und die einzige Aristokratie, welche sie dulden, ist die schlechteste von allen, die des Geldes, eben weil diese auf den Erwerb gebaut ist. In solcher Gemüthslage, bei den irren Meinungen der Franzosen, welche in den verschiedenartigsten Gesinnungen sich durchkreuzen, war es Pflicht der Regierung ihre Herrschaft auf Moderation zu gründen; aber für ächte Moderation gehört Größe, und statt aller Größe hatte man nur Pfiffigkeit. Dieses seit zehn Jahren befolgte System der Moderation hatte also zur Folge: Verflachung des politischen Geistes der Kammern, Versandung der Wahlcollegien, Mittelmäßigkeit nach den Principien des Egoismus. In dieser Hinsicht, weil sie nichts erhoben, nichts gebildet und nirgends eine Tendenz angewiesen hat, ist die Regierung seit zehn Jahren strafbar; die von ihr schon gefühlte Strafe aber besteht darin, daß die Nation eben so gleichgültig und wo möglich noch gleichgültiger ist gegen die Regierung als gegen das bestehende Repräsentativsystem und dieselbe des Amortissements desselben beschuldigt.

2) Aber so gewiß es ist, daß die Regierung amortirt hat, eben so gewiß ist es, daß die Kammern durch eigene Schuld sich haben amortiren lassen, und zwar durch vollkommenen Abgang aller politischen Männer und Gesinnungen in denselben. Seit zehn Jahren dreht sich Alles um drei Personen, nachdem der kräftige Perrier todt, der schwächliche Laffitte in allerlei Inconsequenzen und Halbheiten untergegangen ist; diese drei Personen sind: Guizot, Thiers, Odilon-Barrot. Guizot, ein systematischer Historiker, ohne Originalität des Kopfes und Gefühls, aber schnell andern nach begreifend, gewandt sich Fremdes aneignend, in Eigenes verwandelnd, scharfkantig diese Ideen ausmessend, arbeitend, voll Methode und Vernunft, aber ohne innern Drang, Leben, Wärme, ein Kopf, der gern hoch empor hätte streben mögen, dem auch viele Talente nicht abgingen, der aber der aufgeblasenen stolzen Eitelkeit seines Charakters erlegen ist; eine allerhöchste Person kennt dessen Maaß. Thiers, rühriger, gewandter, witziger, aber weniger bedeutend als Guizot, mit oberflächlichem Wissen von allen möglichen Dingen übertüncht, ohne irgend etwas gründlich zu besitzen; weniger gehalten als Guizot, aber muthiger und mit Anlage zum Charakter; gegen ihn empfindet eine allerhöchste Person eine noch größere Antipathie als gegen Guizot, aber weiß auch im Grunde, was dieselbe von der Festigkeit des Mannes zu halten. Wären Thiers und Guizot einverstanden gewesen, sie hätten ein langes Ministerium nach Analogie des Ministeriums Villèle-Corbière bilden können; aber Guizot wollte kein Corbière seyn, und Thiers konnte kein Villèle werden. Ihre Uneinigkeiten hat eine allerhöchste Person benutzt, um sie einer durch den andern zu discreditiren und sie zu Capitulationen auf die Länge zu bringen. Endlich Odilon-Barrot ist gar kein politischer Kopf, sondern ein beredter Entwickler allgemeiner Theorien.

3) Schlüßlich ist die große Mattigkeit der Wahlcollegien zu berücksichtigen, die ohne Gesammtgeist nur bedacht sind, Deputirte zu ernennen, welche nur ihre Geschäftsleute sind, derweil dieselben Deputirten beschäftigt sind, durch Beförderung der Interessen ihrer Wähler unter ihnen sich eine Clientel zu sichern; dieß ist freilich das Hauptgebrechen .....

Schweden.

Für Schweden bricht jetzt eine ganz neue Zeit an, ob aber die Zukunft trüb oder heiter werden wird, hängt noch sehr von Umständen ab. So viel ist gewiß, der bisherige Zustand war ziemlich unerträglich geworden, freilich, wie es gewöhnlich geht, ohne daß man auf einzelne die Schuld werfen könnte, ja vielleicht muß man, um gerecht zu seyn, in die Zeit Gustav Adolfs zurückgehen, d. h. in jene Zeit, wo Schweden mit Einem Mal anfing eine europäische Rolle zu spielen, und unter den ersten Mächten zu figuriren. Dazu reichten weder die Menschenzahl noch die Geldkräfte Schwedens aus, und wir sehen es deßhalb in den letzten anderthalb Jahrhunderten zwischen großer Macht und gänzlicher Erschöpfung schwanken; mächtig war es, so oft ein Gustav Adolf oder Karl XII siegreich seine Heere führte, aber der Anstrengung folgte jedesmal eine Schwäche, bis endlich Schweden in den kläglichen Zustand versank, den der König in der Thronrede, seinem Schwanengesang, so klar schildert, wo er von dem Unglücksjahre 1809 sprach. Seit jener Unglückszeit ist allerdings vieles geschehen, was auch vom schwedischen Volke dankbar erkannt wird, aber die Last einer, ich möchte sagen, zu vornehmen Regierung, die sich aus der Zeit herschrieb, wo Schweden eine der ersten Mächte war, konnte Karl Johann dem Volke nicht abnehmen. Ob er diese Last in ihrem gehörigen Umfang erkannte oder nicht, darauf kommt es hier nicht an, genug seine Kraft reichte nicht hin, die altherkömmlichen Regierungs - oder Verwaltungsansichten zu brechen, und diese Verwaltung verknöcherte immer mehr, und in gleichem Verhältniß siechte die Thätigkeit des Volks. Schweden wurde immer ärmer, wenn auch durch einen geordneten Staatshaushalt die Finanzen sich allmählich günstiger gestalteten, und das Volk konnte am Ende die Lasten nicht mehr tragen. So wuchs die Opposition namentlich im Bauern - und Bürgerstande, und trotz aller Gegenbemühungen von Seite des Beamtenstandes und eines Theils der höhern Priesterschaft, ist sie jetzt, nach kaum eröffnetem0404 Reichstag, völlig Sieger. Kein Mensch läugnet dieß mehr, und die Regierungsblätter haben völlig die Segel gestrichen. Als ein Beweis, bis zu welchem Grade dieß der Fall ist, führe ich Ihnen eine Stelle aus der Minerva vom 1 Febr. an. In der ersten Woche nach Eröffnung des Reichstags hat die Opposition ein solches Uebergewicht errungen, wie die Regierung seit Einführung der neuen Staatseinrichtungen noch auf keinem Reichstag besaß. Der Bürger - und Bauernstand stehen ganz und gar zu ihrer Verfügung, und sind, jeder für sich, so wohl disciplinirt unter bekannten Chefs, daß in diesem Augenblick jeder isolirte Versuch zum Widerstand so gut wie undenkbar ist, oder wenigstens im ersten Augenblick unterdrückt werden würde. Die Deputirten beider Stände beim Ausschuß werden, dieß ist voraus zu sehen, in allen wichtigen Fragen einhellig stimmen, so daß es von den Mitgliedern der andern Stände nur einer oder der andern einzelnen Stimme bedarf, um den Ausgang aller Votirungen im Ausschuß vorher zu bestimmen. Zum Ueberfluß kommt nun noch dazu, daß es den mit den beiden Ständen gleichgesinnten Mitgliedern des Priesterstandes gelang, durch einen Zufall, den wir nicht näher beschreiben wollen, die Wahl dieses Standes zu den wichtigsten Ausschüssen zu beherrschen, so wie es auch unfehlbar ist, daß selbst der Adel Wortführer und Mitglieder von gleicher Farbe in den Ausschuß sendet. Die Opposition ist demnach zu dieser Stunde im Besitz einer Macht, daß sie alles thun kann, was sie will. War nun die Benennung Opposition richtig, so folgt nothwendig, daß die Opposition in diesem Augenblick aufhört Opposition zu seyn. Die letzte Bemerkung, wenn die Benennung Opposition richtig ist, deutet klar das Sachverhältniß an, die Opposition ist nicht etwa wie in England eine compacte, nach einerlei Ansichten handelnde Masse, sondern eine gar mannigfach zusammengesetzte Partei, und die entschiedene Niederlage, welche die Regierung im Reichstag erlitten hat, beweist vorerst nichts anders, als daß von nun an eine andere Bahn als bisher eingeschlagen werden müsse. Darum war auch das Anerbieten des Rücktritts, welches die Minister dem König wirklich machten, nur ein Aufbrausen des Unmuths über die Niederlage, von dem man bald zurückkam, obwohl man auf Seite der Opposition nicht wenig in Verlegenheit wäre, wenn sie augenblicklich die Zügel der Regierung übernehmen sollte. Was geschehen soll, und wie sich die nächste Zukunft gestalten wird, das wissen wohl die wenigsten, und nur das ist zu fürchten, daß die Beamtenpartei die Schwächen der Opposition zu sehr ausbeuten möchte, denn man darf nicht vergessen, daß hinter der Opposition dießmal neun Zehntheile der Nation stehen, und daß man mit Leuten, wie Hans Jansson, offen und ehrlich verfahren muß, wenn man sie gewinnen will. Es ist in den untergeordneten Regionen viel böses Blut, die einen schwärmen von Republik, worüber man nur die Achseln zucken kann, andere werfen mit liberalen Pinseln und Troßbuben um sich, allein Graf Ankerswärd und Hans Jansson habe die Saite berührt, wo wahre Zufriedenheit des Volks zu erreichen, und der Streit aus dem theoretischen Gebiete der Verfassungsfragen zu entfernen ist. Ankarswärd hat bekanntlich eine Verminderung der Staatsausgaben um eine Million vorgeschlagen: ich will kein Urtheil über die Thunlichkeit einer solchen Einschränkung aussprechen, und der Vorschlag mag einstweilen nur als ein Zeichen gelten, wo geholfen werden muß. Das bezeichnendste in dieser Beziehung ist die Adresse, welche Hans Jansson auf die königliche Thronrede beantragt hat; er erkennt darin die Bemühungen des Königs vollkommen an, bemerkt aber dann: Am letzten Reichstage mußten die Reichsstände mehrere Bewilligungsvorschläge der Regierung Sr. Maj. verweigern oder beschränken, da die Steuerzahlenden ohne ihren gänzlichen Ruin die erforderlichen Summen nicht aufbringen können. Daß diese Verhältnisse noch fortdauern, dieß beweisen die bekannten Umstände und die wachsende Anzahl Armer an vielen Orten des Reichs, mit nur wenigen und vereinzelten Ausnahmen. Die Nothwendigkeit fordert demnach eine schnelle Linderung in den Abgaben, die auf dem ackerbautreibenden Stande lasten, und wir ersehen deßhalb mit Freude und Dankbarkeit aus der Rede Sr. Maj., daß es Ihre gnädige Absicht ist, in dieser Hinsicht den Wünschen des Volks entgegen zu kommen. Daß Steuern bis zu einem hohen Belauf eingetrieben werden können, ist ein unrichtiger Maaßstab für die allgemeine Wohlfahrt, denn von vielen wird dazu der letzte Heller hergegeben, und der Ueberschuß, der der Staatscasse über die festgesetzten Anschläge zufließt, bildet deßhalb eine Ersparniß, die natürlicherweise den Steuerzahlenden wieder erstattet werden sollte. Die Reichsstände müssen also suchen, das Staatseinkommen so zu ordnen, daß ein solches Mißverhältniß, wenigstens für die Einzelnen, sich nicht wieder ergebe. Im Zusammenhang damit muß erwähnt werden, daß schon am letzten Reichstag ein wesentlicher Beschluß zur Milderung des Drucks in der Art und Weise die Steuern zu erheben gefaßt wurde, aus Gründen, worüber König und Stände eins waren, nämlich daß bei der Umwandlung in Geld ein Mittelpreis nach zehnjährigem Marktpreis angenommen werden solle. Dieß ist gleichfalls seitdem nicht ins Werk gesetzt worden, obgleich die Veränderung mit dem Jahr 1837 seinen Anfang nehmen sollte. Mit Bekümmerniß finden wir, daß ein so wichtiger Beschluß, der in Uebereinstimmung zwischen beiden Staatsgewalten gefaßt wurde, seitdem unberücksichtigt blieb. Wir sind überzeugt, daß Se. Majestät in dem Ausdruck dieser Bekümmerniß einen Beweis für den aufrichtigen Wunsch der Stände finden wird, in einem solchen Fall zu erklären, daß der Sorgfalt Se. Majestät für das Glück Ihrer Unterthanen von den verantwortlichen Rathgebern oder Beamten hinsichtlich ihres Eifers, ihrer Geschicklichkeit und Thätigkeit, selbst in einer Sache, welche mit dem Lebensunterhalt der großen Mehrzahl aufs engste verknüpft ist, nicht entsprochen wurde. Diese Adresse und Antwort auf die Thronrede ward mit allgemeinem Beifall aufgenommen, und es steht nur noch dahin, ob die Sache an den Staats - oder an den Constistutionsausschuß kommen soll, in welch letzterm Falle diese Addresse zur Anklageacte gegen die bisherigen Minister wird.

Der Vorschlag Ankarswärds und die von Hans Jansson vorgeschlagene Adresse haben sichtlich Einen Zweck, nämlich die Aufmerksamkeit auf die wirklichen Leiden und Beschwerden des Volkes hinzulenken. Greift man in dieser Beziehung werkthätig und erfolgreich ein, so kann man den entsponnenen Kampf leicht für den Staat, wenn auch mit mancher Beschwerde für die Einzelnen, die von den Einschränkungen betroffen werden, vorüberführen, läßt man aber andere theoretische Fragen sich einmischen, läßt man die Annimosität unter den verschiedenen Ständen zum Ausbruch kommen, oder will man gar dieser sich bedienen, um den Sieg der Opposition wieder nichtig zu machen, dann steht wahrscheinlich Schweden am Vorabend einer merkwürdigen Zeit.

Ostindien.

(Beschluß.) Nach den Reglements von 1833 für die nordwestlichen Provinzen oder, wie sie jetzt heißen, für die Präsidentschaft von Agra, sind die Finanzbeamten beauftragt, durch Kataster und Lagerbücher die Markungen der Gemeinden zu bestimmen, den Landbesitz der Gemeinden und Familien anzuerkennen und mit ihnen in öffentlicher0405 Versammlung über eine 30jährige Landsteuer übereinzukommen, welche sie entweder individuell oder durch einen von ihnen aufzustellenden Delegaten abzuliefern hätten. Die Basis dieser Landsteuer ist der 10jährige Durchschnitt der unter den alten Reglements wirklich bezahlten Steuer, und das Princip ihrer Umlage ist der verhältnißmäßige Ertrag des Landes an Getreide, so daß nicht mehr, wie bisher, künstliche und reiche Culturen, wie Zucker, Baumwolle, Indigo, Opium u. s. w. höher angelegt sind, als Getreide. Die wüst liegenden Ländereien werden den Gemeinden oder Familien, welche Ansprüche darauf haben, oder an deren Güter sie stoßen, lagerbüchlich zugeschrieben, und der Staat verzichtet auf alle Erhöhung der Steuer während der Periode von 30 Jahren, wie sehr auch die Culturen in Umfang oder Werth zunehmen mögen. Diese Reglements sind die Anwendung der von General Briggs aufgestellten Grundsätze, nur hatte er die Festsetzung der Steuer für immer verlangt, während die Compagnie sie nur für 30 Jahre zugesteht; allein diese Periode ist hinreichend, um einen Sporn zur Verbesserung der Cultur zu geben, und wahrscheinlich wird diese provisorische Steuer definitiv bleiben, wie es bei dem Zemindarsystem gewesen ist, das ursprünglich nur auf zehn Jahre angenommen war. Dennoch wäre besser gewesen, durch absolutes Verzichten auf alle künftige Steuererhöhung eine völlige Sicherheit zu geben, um so mehr, als die hauptsächlichsten Arbeiten, welche der Besitzer zu unternehmen hat, um wüste Ländereien zu bebauen, in kostbaren Bewässerungsanstalten bestehen, welche außerordentliche Anstrengungen und Auslagen erfordern. Einige Districtsbeamte haben die Steuer nur auf zwanzig Jahre fixirt, was man nicht hätte dulden sollen. Die Arbeiten, welche dieses Steuerreglement erforderte, waren überaus beträchtlich. Das erste war, daß man jeden District durch europäische Officiere vermessen ließ, die Karten mit dem (in jeder indischen Commune bestehenden) Kataster verglich und die einzelnen Güter darein eintrug, wobei die Rechte der verschiedenen Classen von Besitzern und Hintersassen festgesetzt werden mußten. Dieß hatte nur geringe Schwierigkeit, so weit es sich von wirklich bearbeitetem Land handelte, wo die Dorfversammlung alle nöthige Kenntniß und Tradition besaß, so daß sogleich in jedem streitigen Fall Zeugen auftreten konnten. Die Schwierigkeit lag in der Bestimmung der Gränzen der Markungen, da diese bei abnehmender Cultur mehr oder weniger wüst lagen, obgleich sie guten Theils aus Ländereien von großem Werth bestanden. Dieß wurde provisorisch von dem eingebornen Steuerbeamten, Tahsildar, mit Hülfe der Bürgermeister u. s. w. festgesetzt; dabei fielen große Bestechungen vor, welche die Dörfer lebhaft beschäftigten, bis nach einigen Monaten der europäische Steuerbeamte (Collector) kam und eine öffentliche Versammlung hielt, zu der er die naheliegenden Dörfer einlud, und hier die Steuerfixation vornahm. Bei dieser wurden zuerst die Klagen gehört, die Zeugen traten aus der Mitte der Zuschauer vor und erklärten sich über jeden Fall, die angesehensten Häupter der alten Familien wurden zugezogen und die Fälle einzeln entschieden, im Allgemeinen zur größten Zufriedenheit. Der Steuercontract wurde hierauf mit den Dörfern oder Familien gemacht, und meistens ohne die geringste Schwierigkeit. Denn selbst da, wo sich die Dörfer zu hoch angelegt fanden, bestanden sie selten auf Reductionen, indem sie in der legalen und steuerfreien Urbarmachung der wüsten Ländereien, und in der Gewißheit, daß künftig jede Verbesserung in der Cultur ihnen ausschließlich zu Gute kommen sollte, einen Vortheil sahen, der alles Andere weit aufwog. In den wenigen Fällen, wo über einen Besitz oder eine Markung unrecht entschieden worden wäre, blieb ihnen der Weg des Recurses an die Gerichte offen. Diese Operationen nahmen in den meisten Districten vier bis fünf Jahre weg, und sind zum Theil noch nicht vollendet.

Die Regierung hat einen Theil der Berichte der Collectoren, deren Operationen vollendet sind, drucken lassen, und man sieht mit Vergnügen daraus, mit welcher Sorgfalt und Schonung darin verfahren worden ist. Sie geben zugleich eine Masse statistischer Details von großem Interesse, die aber viel zu ausführlich sind, als daß ich versuchen könnte, sie zu condensiren. Doch will ich aus dem neuesten, der vor mir liegt, einige Auszüge geben, da er einen Begriff von den Wirkungen dieser Operationen geben kann; er ist von Thomason, Collector von Azimgurk. Dieser District besteht aus 5541 Dörfern, mit einer Bevölkerung von 780,000 Seelen, wovon 554,104 mit Ackerbau beschäftigt sind, und deren Landtaxe 1,306,642 Rupien (130,000 Pf. St.) beträgt. Der District enthält 1,375,579 englische Morgen Landes, wovon 629,234 bearbeitet sind, 278,036 fruchtbar, aber unbearbeitet, und 450,399 in Wäldern, Sümpfen oder steinigem Boden bestehen. Der District liefert gegenwärtig nicht genug Getreide für seine Bevölkerung, ist aber einer der fruchtbarsten von Indien in Zucker, Opium und Indigo, besonders das für Zucker taugliche Land trägt im Allgemeinen dem Besitzer 14-15 Rupien per Morgen Pachtzins ein, und in einigen Theilen bis auf 40 Rupien. Die Masse des fabricirten Zuckers beläuft sich auf 400,000 Centner, welche früher großentheils nach Mirzapur zum Verführen nach Centralindien verkauft wurden, aber seit der Abschaffung der Zölle auf dem Ganges und der Herabsetzung des Zolls in England großentheils den Ganges herab nach Calcutta zur Ausfuhr geschickt werden; diesen Weg nahmen im Jahr 1837 mehr als 170,000 Centner. Der Preis des Zuckers ist etwa 12 Rupien per Centner an Ort und Stelle, aber die Cultur gibt bei diesem Preis einen so hohen Profit, daß sie sich unter dem neuen Steuersystem, das die nöthigen Wasserleitungen anzulegen erlaubt, schnell über einen Theil des jetzt wüsten Landes ausdehnen muß. Die gegenwärtige Ausfuhr des Districts beträgt an Baumwolle und Seidenwaaren 100,000 Pf. St., an Indigo 27,000, an Opium 50,000 und an Zucker 230,000 Pf. St. Die Production von Opium beläuft sich auf 1700 Centner; sie wird jetzt vielleicht sinken, aber ohne Schaden für die Bevölkerung, denn sie beschäftigt fast ausschließend die Kaste der Keore, eine Classe von Gärtnern, deren Intelligenz und sorgfältige Cultur den Zuckerplantagen sehr zu Gute kommen würde, sobald die Regierung aufhörte, Vorschüsse für das Opium zu geben.

Der Erfolg des neuen Steuersystems in dem District ist bis jetzt vollkommen gewesen; seit drei Jahren sind nicht nur die Steuern vollständig, zum Theil im voraus und ohne Schwierigkeit bezahlt worden, sondern die Rückstände der letzten zwölf Jahre sind von den Dörfern größtentheils abgezahlt. Das große Bedürfniß von Indien ist die Vermehrung und Verbesserung seiner Ausfuhrartikel, und daß diese durch die ungeheure Masse gegenwärtig wüst liegenden Landes, welche in den obern Provinzen jetzt den Dörfern steuerfrei überliefert worden ist, unberechenbar zunehmen muß, kann Niemand zweifelhaft seyn, der den zerstörenden Einfluß des jährlichen oder dreijährigen Steuersatzes beobachtet hat. Wenn die Finanzverwaltung dieser Provinzen nur wenige Jahre in dem gegenwärtigen Geist fortgeführt wird, so werden die Resultate der Art seyn, daß man dasselbe System nicht nur auf die unglücklichen Provinzen von Madras, die gegenwärtig unter dem Ryotwarsystem verwaltet werden, sondern selbst auf Bengalen und sein Zemindarsystem wird ausdehnen müssen. Denn es0406 ist zwar unmöglich, das, was von Lord Cornwallis geschehen ist, direct und durch eine allgemeine Maaßregel aufzuheben; allein nichts hindert in den Zemindarien, welche durch Nichtbezahlung der Steuer an den Staat zurückfallen, die Municipalverfassung wieder aufleben zu lassen. Denn es ist ein großer Irrthum zu glauben, daß sie verschwunden ist, obgleich sie gegenwärtig durch eine künstliche Schichte von Interessen, welche durch die Reglements von Lord Cornwallis, und noch mehr durch officielle Redensarten, welche die Basis der Verhältnisse des Landbesitzes betreffen, verdeckt ist. Die Hindus hingen an ihren Municipalrechten mit der äußersten Hartnäckigkeit; sie haben jede politische Krisis und jede fremde Herrschaft überlebt, und werden die unreifen Versuche, welche die europäische Gesetzgebung gemacht hat, ehe sie den wahren Zustand der Dinge kannte, auch überleben. Aber dazu gehört vor Allem, daß das Wiederaufleben des alten Systems, das in diesem Augenblick in den obern Provinzen versucht wird, gelinge, und darum sind die günstigen Nachrichten von dorther von so großer Wichtigkeit.

Die königlichen Freistädte auf dem ungarischen Landtage.

(Beschluß.) Der ungenannte Verfasser fährt jedoch weiter fort und sagt: In den Städten genießt kaum der hundertste Bürger das Recht der Wahl und des Einflusses auf die öffentlichen Angelegenheiten. So wie vor uns (den Comitatsdeputirten) die Vertreter der städtischen Magistrate und Gemeinden stehen und Vergrößerung ihres Einflusses verlangen, so stehen vor ihnen die Bürger, eine unendliche Zahl von Bittstellern, und erwarten geduldiger als sie die Erfüllung ihrer gerechten Ansprüche; die Magistrate 6 bis 12 an der Zahl, oligarchisch organisirt, lassen den Bürgern keinen, der Wahlbürgerschaft (nach der Größe der Stadt 40, 60, 120) nur geringen Einfluß. Magistrate und Wahlbürger sind lebenslänglich, letztere ergänzen sich durch Wahlen selbst und die Landtagsdeputirten werden nur aus diesen Körperschaften, nicht aus der Masse aller Bürger gewählt. Würde dieser Uebelstand gehoben und die Demokratie des Bürgers der Aristokratie des Adels wirklich entgegengesetzt, dann könnte (meint jener Verfasser) kein Unparteiischer ihre Ansprüche, wenn nur in etwas gemäßigterer Form, mißbilligen. Wie ganz anders sind die Wahlen der Comitate, in welche jeder Adelige einfließt.

Ehe Referent sich in die Erörterung dieser Ansichten einläßt, sey es ihm erlaubt auf den Widerspruch aufmerksam zu machen, in welchen der Verfasser mit den Prämissen gefallen ist. Oben hat er behauptet, die Städte als dem demokratischen Principe huldigend widerstreben ihrer Natur nach den Ansichten eines aristokratischen Landes, und dieß eben sey die Ursache, warum sie sich nie mit der Nation verschmolzen, nie größeren Einfluß auf Verwaltung und Gesetzgebung erhalten konnten. Hier behauptet er, wenn alle Bürger mehr Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten und Wahlen bekämen, wenn sich die Städte mehr demokratisirten, d. i. wenn die Demokratie der Bürger der Aristokratie des Adels wirklich entgegengesetzt würde, könnte kein Unparteiischer ihre Ansprüche mißbilligen. Dieß erinnert auch unwillkürlich an die Worte der Fabel: du du trübst mir das Wasser!

Allein wir wollen sehen, wie es mit der Sache selbst steht. Jedermann, der nur einigermaßen die innere Verwaltung kennt, weiß, daß der Einfluß der Wahlbürgerschaft auf öffentliche Angelegenheiten nicht nur nicht gering, sondern sehr bedeutend, mit Ausnahme beinahe allein des Juridischen, fast auf alle Zweige derselben sich erstreckt. In ihren Bereich gehört das Steuer - und Armenwesen, die Aufsicht und Mitwirkung über alle Waisenangelegenheiten und öffentlichen Anstalten, über die Cassen, über die allgemeinen Rechte der Stadt, über die ganze Verwaltung der städtischen Wirthschaft, Revision der Rechnungen aller städtischen Beamten, Instruction der Landtagsablegaten u. s. w. Die Wahlbürgerschaft wählt frei die Magistratsräthe und alle drei Jahre die Oberbeamten, als Stadtrichter, Bürgermeister, Stadthauptmann und Vormund, übt somit selbst auf die Richter und Polizeibeamten einen, wenn auch nicht unmittelbaren, doch mittelbaren Einfluß aus, da wohl Niemand behaupten wird, der Richter oder Polizeibeamte (Stadthauptmann) sey völlig und ganz unabhängig, welcher alle drei Jahre der Restauration unterliegt. Wollte der liberal seyn wollende Verfasser sich umsehen, wie es in dieser Hinsicht in andern Ländern, Sachsen, Preußen etc. gehalten wird, er dürfte wohl für die Magistrate und Obrigkeiten eher eine mehr unabhängige Stellung, eine Stärkung als Schwächung ihrer Wirksamkeit zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe wünschen müssen. Selbst die Behauptung steht nicht, daß die Landtagsdeputirten lediglich nur aus den Körperschaften der Magistrate und Erwählten-Gemeinde genommen werden müssen; denn wenn es auch wahr ist, daß dieß in der Regel so geschieht, so ist darüber doch kein ausschließliches Gesetz vorhanden, und hätte sich der Verfasser auch nur unter den auf dem jetzigen Landtage befindlichen städtischen Ablegaten umsehen wollen, so würde er gefunden haben, daß von drei Städten solche Deputirte zugegen sind, welche nicht einmal in den Städten, die sie vertreten, wohnen, und noch dazu aus dem Adelstande genommen sind.

Damit jedoch soll nicht gemeint seyn, daß nicht einige Ausdehnung des Wahlrechts sowohl, als eine nähere Bestimmung des Wählbarkeitsrechts wünschenswerth wäre; in dieser Hinsicht haben sich die Städte selbst oft ausgesprochen, namentlich darüber, daß die Wahl der Repräsentanten der Bürgerschaft (Stadtverordneten) durch alle Bürger geschehe, jedoch auf eine Art, welche weder die öffentliche Ruhe gefährde, noch die friedlichen Bürger von ihren nützlichen Beschäftigungen zu sehr abziehe.

Schließlich berührt der Verfasser noch zwei Umstände, 1) daß es vielleicht billig wäre, die Ansprüche der Städte zu gewähren, wenn sie in gemäßigterer Form vorgebracht würden; 2) daß die Städte nur betrachten möchten, wie die Wahlen in den Comitaten ganz anders seyen. Was das 1ste betrifft, scheint es kaum begreiflich, wie man mehr Mäßigung verlangen könne, als daß man ihnen lasse, was das Gesetz schon gegeben, daß man ihren Rechtszustand nicht factisch störe; können die Städte weniger verlangen, als daß auf dem Reichstage das Interesse der Gewerbe, der Industrie und des Handels wenigstens gleiche Vertretung, gleichen Schutz genieße, wie jenes des adeligen Besitzers? ist es unmäßig, wenn die Städte das aussprechen, was der weise Leopold II in seinen königlichen Propositionen 1790 selbst den Ständen vorgelegt? eine Coordination des so ungeregelt gewordenen Landtags eine Coordinirung auf der Basis des Gleichgewichts der Stande. Haben die Städte je mehr als dieses verlangt? haben sie dadurch das aristokratische Princip gefährdet? jenes Princip, welches, wenn auch zwischen dem dritten und vierten Stand das gesetzliche Gleichgewicht besteht, dennoch auf dem ungarischen Reichstage durch den ersten und zweiten Stand pradominirend, immer überwiegend bleiben wird. Und was das 2te anbelangt, glaubt Referent, der Verfasser hätte besser gethan, über die Wahlen der Comitate, wie sie bei Restaurationen sowohl, als bei Absendung der Landtagsdeputirten geschehen, weislich zu schweigen, da gerade dieß der wundeste Fleck ist, an welchem die Comitatsinstitutionen leiden. Der Verfasser möge sich nur erinnern, wie so manche Wahl in den Comitaten geschehen, welche Unordnungen dabei vorgefallen? was sie kosten? und wer nur sonst billig ist, wird auch einsichtsvoll eine Parallele zu ziehen wissen zwischen den 60, 100 freien, unabhängigen, gebildeten Wählern der Städte, welche durch geheimes und ruhiges Scrutinium abstimmen, und den tumultuarischen Auftritten des oft so armen und ungebildeten Rural-Adels, der durch drei bis vier Parteiführer und alle Mittel der Verführung zur öffentlichen Stimmgabe oft in einem Zustande gebracht wird, welcher jede Aeußerung eines verständigen und freien Willens unmöglich macht. Solches Glück der Wahlen wird er selbst den Städten nicht bereiten wollen? horum Semper ego optarim pauperrimus esse bonorum. Das jetzige Wahlsystem der Städte mag einige Verbesserungen bedürfen (das der Comitate bedarf derselben gewiß mehrere und wichtigere), allein so lange darüber nicht gesetzliche Verfügungen eintreten, können sie ihrer Diätalrechte nicht verlustig werden; dieses Wahl - und Vertretungssystem besteht seit Jahrhunderten, mit ihm sind die Städte in die Zahl der Reichsstände eingerückt, mit Sitz und Stimme begabt worden.

0407

Nach dieser kurzen Auseinandersetzung der historischen und diplomatischen Unrichtigkeiten der v. Pulßky'schen Rede, so wie des darauf gefußten Raisonnements, möge der unparteiische Leser nun beurtheilen, was er auch von jener in der Beilage Nr. 298 den 25 October 1839 Ungrische Zustände Constitution des Landtags, enthaltenen Behauptung zu halten habe, daß die Stimme eines Comitats die Einheit sey, nach welcher Alles gemessen wird.

Auf dem ungarischen Landtage bestehen nach dem Wortlaute der Fundamental-Gesetze vier Stände, der Prälaten, Magnaten, des Adels und der Städte. Von einer Comitatsstimme ist nirgends die Rede, und kann auch nach dem Geiste der Constitution nicht seyn. Die Benennung Comitats-Deputirte, ist nur ein Sprachgebrauch, denn die sogenannten Comitats-Deputirten gehören weder dem 1ten, noch dem 2ten, noch dem 4ten, sondern lediglich dem 3ten Stande an, aus dessen Mitte sie genommen, und gewählt sind; die übrigen drei Stände können sie nicht vertreten, denn diese sind selbst zugegen; sie können aber auch nicht die Classe der Bauern ihres Comitats vertreten, denn diese haben kein Repräsentationsrecht, und dürfen auch keinen Deputirten wählen. Würden die Bauern wählen können, schwerlich würden sie ihre Stimmen immer denen geben, oder gegeben haben, die aus den Comitaten auf den Landtag gekommen sind. Die sogenannten Comitats-Deputirten können nicht einmal behaupten, daß sie aus dem Rechte des patriarchalischen Patronats, welches vielleicht einmal bestanden, natürliche Vertreter des Bauernstandes wären, denn der Adel besitzt nur den geringsten Theil der Unterthanen, die großen Grundherren sind die Krone, der hohe Clerus, die Magnaten, mit 7 Achtel des ganzen Landes. Viel natürlicher, und auch viel wahrer können die Städte sich als berufene Vertheidiger der contribuirenden Bauernclasse ansehen, denn sie tragen mit ihnen gleiche Lasten, und haben ein gemeinsames Interesse. Dieß gilt noch mehr von jenen in Ungarn so zahlreichen und so wichtigen, ächt nationalen Marktflecken und privilegirten, bischöflichen und Landstädten, worunter viele, obgleich sie keine königl. Freistädte, daher nicht inarticulirt sind, und auf dem Landtage keine Stimme haben, doch ihres Wohlstandes, ihrer Bevölkerung, ihrer Bildung wegen wohl verdienten, unter selbe aufgenommen zu werden, und zwar um so mehr, da nach Fingerzeig des Decrets Sigismundi von 1405 und des ofterwähnten 1 § 1608 viele von denselben seit den ältesten Zeiten, auch wirklich zum Landtag berufen, an der Gesetzgebung Theil nahmen.

Allein auch die Natur der Sache selbst, und die ununterbrochene Diätal-Praxis (bis auf die neueste seit 1825 von allen Seiten in so große Anomalien ausartende Zeit) erheischet, daß die Stimmen nicht nach den Comitaten, wohl aber nach der ausgesprochenen Ueberzeugung der einzelnen Deputirten gezählt werden. So ist es in allen constitutionellen Ländern, und wie könnten mehrere Deputirte einer Jurisdiction, z. B. die 24 der Stadt London, die der 49 ungarischen Städte, die 2 eines und des nämlichen Comitats immer gleicher Meinung seyn? Wenn sie sich elidiren, geht die Stimme verloren. Seit 1608 bis 1680 schickten Comitate und Städte je nach Umständen 2, 3, 4 auch 5 Deputirte, bald mehr bald weniger, seit 1681 ist die Zahl regulirt: jedes Comitat, jede Stadt schickt in der Regel 2 Deputirte, und zu was hätten in eben diesem Jahre diejenigen Comitats - und Stadtdeputirten, welche mehr, als diese Zahl ausweiset, geschickt wurden, abtreten müssen, wenn jedes Comitat, jede Stadt nur ein Votum gehabt hätte? So sind auf dem jetzigen Reichstage 101 Deputirte des dritten, 70 des vierten Standes. Alle Beispiele, die oben aus den früheren Zeiten angeführt worden, bewiesen, daß die Stimmen einzeln gegeben wurden. Der 1495. 25. Art. sagt klar, daß bei verschiedenen Meinungen der oberste königliche Thürhüter die Stimmen einzeln zählen soll. Der 1 § 1608 sagt klar: nuncii Comitatuum (nicht Comitatus), nuncii Civitatum (nicht Civitates) haben ihre Stimmen, (vota. in der vielfachen Zahl) unter den übrigen Ständen; aus Rücksicht dieser einzelnen Stimmen hat der 17. Art. 1687 der Vermehrung der inarticulirenden Städte einen Damm setzen wollen. Alle Gesetze athmen diesen Geist, wie kann man also sagen, die Stimme eines Comitats sey die Einheit, nach der Alles gemessen wird?

Ob übrigens die städtischen Deputirten, so wie sie jetzt sind, ihrer Bestimmung als Vertreter der Industrie und des Handels zu entsprechen geeignet seyen, dürfen sie freilich selbst nicht entscheiden; aber das wird wenigstens Niemand in Zweifel ziehen, daß die vereinten zwei Corporationen, Magistrat und Wahlbürgerschaft, allerdings im Stande seyen, ihr und überhaupt das städtische Interesse wahrzunehmen, und denselben angemessene Instructionen zu ertheilen. Glorreich und segenbringend für das Land wird allerdings der Landtag seyn, welcher, indem er auch den Städten ihr Recht widerfahren läßt, und durch ihr Aufleben und ihre Vermehrung der Nation eine große und neue Kraft zuführt, die jetzigen Anomalien der Gesetzgebung zu beseitigen und das Glück und die Wiedergeburt unseres theueren Vaterlandes durch weise Institutionen zu begründen, berufen seyn wird. Möge des Verfassers Wunsch und Hoffnung, daß dieß schon der nächste sey, in Erfüllung gehen!

[441-43]

Bekanntmachung.

Alle diejenigen, welche aus was immer für einem Titel Ansprüche auf den Rücklaß des am 31 Januar d. J. verlebten k. bayer. Geh. Raths etc. Joseph v. Utzschneider machen wollen, werden hiemit aufgefordert, binnen neunzig Tagen a dato solche um so gewisser hierorts anzumelden, als sonst bei Auseinandersetzung dessen Verlassenschaftssache hierauf keine Rücksicht genommen werden würde.

Den 4 Februar 1840.

Königliches Kreis - und Stadtgericht München.

Graf v. Lerchenfeld, Dir.

[438-40]

Bekanntmachung.

Johann Fleischmann, Bauernsohn von Feldkirchen, marschirte im Jahre 1812 als Soldat des vormaligen 5ten Linien-Infanterie-Regiments, als dieses Regiment von Nürnberg ausrückte, mit nach Rußland, und hat seit dieser Zeit über sein Leben und Aufenthalt keine Nachricht mehr in seine Heimath gelangen lassen.

Derselbe wird daher aufgefordert, sich innerhalb drei Monaten bei dem unterfertigten Gerichte zu melden, und sein in 1100 fl. bestehendes Vermögen in Empfang zu nehmen, widrigenfalls solches nach Verlauf dieser Zeit an seine nächsten Verwandten gegen Caution ausgeantwortet wird.

Mallersdorf, den 3 Februar 1840.

Königliches Landgericht Pfaffenberg.

Yberle, Landrichter.

[3519-21]

Edictal-Ladung.

Johann Stephan Link von Werberg, außerehelicher Sohn der Katharina Hüfner von dort, welcher im Jahre 1812 nach Rußland als Soldat zog, hat seit dieser Zeit keine Nachricht mehr von sich gegeben.

Es ergeht daher an diesen Johann Stephan Link oder dessen Leibeserben die Aufforderung, binnen 1 Monat, vom Tage der Veröffentlichung dieses an, sich bei dem unterfertigten Gerichte um so gewisser persönlich oder durch gehörig Bevollmächtigte zu melden, als sonst dessen Vermögen ohne alle Cautionsleitung den nächsten anwesenden Erben erb - und eigenthümlich zuerkannt und ausgeantwortet werden wird.

Brückenau, den 24 August 1839

Königlich bayer. Landgericht Brückenau.

Fr. Chr. Hundt.

[156.59]

Edictal-Ladung.

Nachdem 1) Christiane Wilhelmine Büttner in Nossen, daß ihr Ehemann, der im Jahre 1814 bei dem Platzcommandanten v. Gößnitz in Nossen als Dolmetscher in Dienst gestandene, aus Straßburg gebürtige Fleischhauergeselle Johann Büttner sie im Jahre 1819 verlassen, unter der Versicherung, daß ihr von dessen Aufenthalt, Leben und Tod einige Nachricht nicht zugekommen sey, angebracht und auf Trennung der mit demselben geschlossenen Ehe angetragen hat, auch 2) in dem vom königl. Appellationsgericht allhier auf die von Christianen Marien Kirchbach in Roßwein gegen ihren abwesenden Ehemann, den Tuchmachermeister Karl Gottlieb Kirchbach, erhobene Ehedesertionsklage am 28 August d. J. anberaumt gewesenen ersten Edictaltermine der Beklagte nicht erschienen ist, so werden hierdurch ernannte Ehemänner, Büttner und Kirchbach, peremtorisch geladen, daß sie den 18 März 1840, des Vormittags 10 Uhr, im hiesigen königlichen Appellationsgericht persönlich erscheinen, Büttner mit seiner Ehefrau die Güte pflege, dafern jedoch eine Aussöhnung nicht zu Stande kommt, sich auf die erhobene Klage einlasse, Kirchbach aber erhebliche Behinderungen, weßhalb er im obberegten ersten Termine nicht erschienen ist, anzeige und sodann beide Beklagte der Bekanntmachung eines Erkenntnisses sich gewärtigen, indem sie außerdem, daß bei ihrem Außenbleiben ermeldetes Erkenntniß Mittags 12 Uhr für bekannt gemacht werde erachtet werden, zu gewarten haben, und rücksichtlich auf der Klägerin Suchen ferner in der Sache geschehen wird, was Recht ist.

Leipzig, am 31 December 1839.

Königl. sächs. Appellationsgericht.

Dr. Beck.

Hincker.

[405-7]

Gant-Erkenntniß.

Gegen Joh. Bapt. Teufel, Handelsmann zu Meßkirch, wurde Gant erkannt, und Tagfahrt zum Richtigstellungs - und Vorzugs-Verfahren auf Dienstag den 10 März l. J., früh 8 Uhr, angeordnet. Es werden daher alle diejenigen, welche aus was immer für einem Grunde Ansprüche an die Masse machen wollen, aufgefordert,0408 solche in dieser Tagfahrt, bei Vermeidung des Ausschlusses von der Gant, persönlich oder durch gehörig Bevollmächtigte schriftlich oder mündlich anzumelden, und zugleich die etwaigen Vorzugs - und Unterpfandsrechte unter gleichzeitiger Vorlage der Beweisurkunden oder Antretung des Beweises mit andern Beweismitteln zu bezeichnen.

Auch werden in der Tagfahrt ein Massepfleger und ein Gläubiger-Ausschuß ernannt, Bora - und Nachlaß-Vergleiche versucht, und es sollen hinsichtlich dieser Ernennung und eines etwaigen Vergleiches die Nichterscheinenden als der Mehrheit der Erschienenen beitretend angesehen werden.

Meßkirch, am 30 Januar 1840.

Großh. bad. Bezirksamt.

Meßmer.

[504-6]

Schwetzingen.

Vorladung.

Georg Peter Gieser und Leonhard Gieser von Oftersheim haben sich im Jahre 1819, in der Absicht nach Nordamerika auszuwandern, von ihrer Heimath entfernt, und ließen seither keine Nachricht von sich hieher gelangen. Dieselben werden nun aufgefordert, sich binnen sechs Monaten, von heute an, zum Antritt und zur Empfangnahme der ihnen durch den Tod ihrer Mutter, Jakob Giesers Wittwe, Katharina Astor in Oftersheim, anerfallenen, circa 100 fl. für jeden betragenden Erbschaft zu melden, widrigenfalls diese lediglich denjenigen zugetheilt werden würde, welchen sie zukäme, wenn die Vorgeladenen zur Zeit des Erbanfalls gar nicht mehr am Leben gewesen wären.

Schwetzingen, den 10 Februar 1840.

Großherzoglich badisches Amtsrevisorat.

Bucherer.

[488-95]

BREVET DE 5 ANS, MEDAILLE D'HONNEUR.

EN TOUS LIEUX, SAISIE DES CONTREFAÇNS ET APPLICATION DE L'AMENDE ET DES PEINES VOULUES PAR LA LOI.

En Crino-zéphyr, noir ou blanc. Elles se font de deux manières: l'une forte et résistante pour les robes de soirées en velours, brocard etc; l'autre trèslégère pour celles de bal. Ces deux sortes, complément de la toilette, font maintenant partie des trousseaux et corbeilles de mariage; elles forment tournure, soutiennent les robes, et par leur fléxi ble élasticité elles se prêtent aux plus légers mouvemens des multiples ondulations de leurs draperies; en outre elles sont indéformables à l'u sage et peuvent se laver comme le linge.

Les prix, suivant la finesse et le choix des crins, sont de 35, 45, 55 et 80 fr. ; les noires coû tent 5 fr. de plus. Les frais d'expédition et d'Emballage sont en plus.

[figure]

On insérera dans la lettre de demande un fil pour marquer la longueur et le tour de taille.

S'ADRESSER à Munich à Mr. Gustav Schulze, Négociant.

[282-85]

Bekanntmachung.

Bei der am 1 Julius 1834 eingeführten neuen Ordnung für das hiesige Kaufhaus fanden sich bei Aufnahme der Inventur folgende Gegenstände vor, deren Eigenthümer bisher nicht ermittelt werden konnten:〈…〉〈…〉

Es werden nun hiemit alle diejenigen, welche an diese Gegenstände irgend welche Ansprüche zu machen haben, aufgefordert, dieselben binnen drei Monaten vom Tage der Bekanntmachung an bei der Direction des hiesigen Kaufhauses geltend zu machen, widrigenfalls die Gegenstände der Direction des Kaufhauses als herrenloses Gut zur beliebigen Verfügung überlassen würden. Zürich, den 13 Januar 1840.

Im Namen des Bezirksgerichtes, der Gerichtsschreiber Dr. Schauberg.

About this transcription

TextAllgemeine Zeitung
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Deutsches TextarchivNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2016-06-28T11:37:15Z Matthias BoenigNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2016-06-28T11:37:15Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; augsburgerallgemeine

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