PRIMS Full-text transcription (HTML)
0809
Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Sonnabend
Nr. 102.
11 April 1840.

Großbritannien.

Die Debatten über die Korngesetzfrage kamen in der gestrigen Sitzung des Unterhauses, der dritten, in welcher dieselbe verhandelt wurde, zu einem plötzlichen resultatlosen Schlusse. Eine Reihe untergeordneter Redner sprach für und wider die Motion: dafür die HH. Brotherton, Greg und Parker; dawider die HH. G. Vernon, Ormsby Gore, Benett und Wilbraham. Die Gegner der Korngesetze bekämpften diese als ungerecht, politisch unklug und unmenschlich, als bloß darauf abzweckend, eine kleine Fraction der Bevölkerung, die monopolisirenden Grundeigenthümer, auf Kosten der Gesammtbevölkerung zu bereichern; England sey kein Agricultur -, sondern ein Manufacturstaat, und namentlich jetzt stehe es auf einem Punkte des Fortschrittes in Industrie und Handel, wo es nothwendig in beiden noch weiter gehen müsse. Jene beharrten bei der Entgegnung, die Landwirthschaft sey zu einem gleichen Zollschutze wie die verschiedenen Manufacturzweige berechtigt; der Ackerbau könne durch Urbarmachung wüstliegender Ländereien im Vereinigten Königreich Gore rechnete deren gegen 4,000,000 Acres noch sehr gehoben werden; der Begriff theures und wohlfeiles Brod sey ein relativer, denn theures Brod sey kein Uebel für Leute, die hohe Arbeitslöhne einnehmen; in jedem Betracht verwerflich sey die Tendenz, das physisch und moralisch kerngesunde brittische Landvolk in Fabrikarbeiter umzuwandeln; England dürfe hinsichtlich seines Getreidebedarfs nicht von Rußland und Preußen abhängig gemacht werden u. s. w. Alle Argumente der Schutzredner der Korngesetze faßte zuletzt Sir R. Peel in einem längern Vortrag zusammen, auf den wir zurückkommen werden. Er schloß mit den Worten: Gefahr, Verwirrung und Noth, fürcht 'ich, würden bei weitem die Vortheile überwiegen, die man sich von der gewaltsamen Aenderung des bisherigen Systems verspricht; um ein theoretisches Uebel zu heilen, soll etwas praktisch Gutes aufgeopfert werden, das kann nicht meine Meinung seyn, und darum werde ich gegen die Motion stimmen. Als Sir Robert sich niedergesetzt hatte, stellte Hr. Warburton (radicales Mitglied für Bridport) den Antrag, die Debatte auf nächsten Montag (6 April) zu vertagen. Der wegen seiner berüchtigten Rede in Canterbury vor einiger Zeit oftgenannte Tory Hr. Bradshaw schlug als Amendement die Vertagung bis Montag über acht Tage (13) vor. Der Sprecher stellte darauf einfach, ohne einen Tag zu nennen, die Frage, ob die Verhandlung vertagt werden solle, oder nicht. Dieß wurde mit 245 gegen 129 Stimmen verneint. Wäre, so erklärt das M. Chronicle diese etwas dunkle Parlamentsförmlichkeit, wäre die Motion durchgegangen, so würde der nächste Vorschlag die Vertagung der Debatte bis zum 13 April gewesen seyn, und wäre dieß angenommen worden, so wäre am 13 dann eine weitere Vertagung bis nach den Osterferien erfolgt. Am 15 April beginnen diese Ferien, und diejenigen, die auf die Vertagung bis zum 13 antrugen, wußten wohl, daß dann die Berathung wichtiger Bills aus dem Oberhause an der Tagesordnung seyn würde. Diese Umstände erwägend, trug Hr. Warburton sofort auf eine Vertagung (nicht der Debatte), sondern des Hauses an, um eine Abstimmung über die Hauptfrage zu vermeiden, da so viele Unterstützer der Villiers'schen Motion theils abwesend waren, theils noch nicht gesprochen hatten (z. B. vom Ministerium die Lords Russell und Palmerston und die HH. Baring und Macaulay noch nicht), weil sie auf eine längere Berathung rechneten. Hrn. Villiers' Motion ist hiernach zu Boden gefallen ein dropped order geworden, und die Wiedervornahme dieser Discussion ist durch die Stellung einer ganz neuen Motion bedingt. Wir können den Kniff, welchen Hr. Bradshaw auf solche Weise zu spielen versucht hat, nicht ernstlich genug tadeln, bedeuten ihm aber, daß die Debatte über eine Frage, wie die der Korngesetze, nicht durch Tücke oder Tergiversation escamotirt werden kann. Wollte man das wirksamste Mittel wählen, das Land in Harnisch zu bringen, so war es allerdings dieses Verfahren, das einer Erklärung des Parlaments gleich kommt, nicht auf Vernunftgründe hören zu wollen. Noch einmal: die Kornfrage, ihr Herren Tories! werdet ihr nicht so leichten Kaufes los. Der Ruf um Abschaffung derselben wird euch immer und immer wieder in die Ohren gällen, und wir vertrauen hinsichtlich des Ausgangs dieses Kampfes einer weisen und allmächtigen Vorsehung.

Am 3 April hielt die Königin im Buckinghampalast ein geheimes Conseil, und wohnte Nachts einem höchst prachtvollen Ball im Hause des Marquis v. Lansdowne bei. Auf heute ist ein Cabinetsrath im auswärtigen Amte angesagt.

Der Standard sagt unter der Aufschrift: Meinungszwiespalt im Cabinet: Aus einer Quelle, die wir als eine sehr glaubwürdige betrachten dürfen, vernehmen wir, daß ein ernstlicher und dem Anschein nach unversöhnlicher Zwiespalt im Cabinet über die neapolitanische Frage eingetreten ist. Im letzten0810 Cabinetsrath wurde zur Ratification ein Vertrag vorgelegt, mittelst dessen der König von Neapel sich anheischig machte, die auf der Schwefelausfuhr lastenden Restrictionen aufzuheben und außerdem die Einfuhr mehrerer brittischen Colonialwaaren, namentlich neufundländischer Pöckelfische, in seinen Staaten unter sehr vortheilhaften Bedingungen zu gestatten. Für die Ratification dieses Vertrags erklärten sich Lord Clarendon, Lord J. Russell und Hr. Labouchere; dagegen Lord Palmerston, unterstützt vom Premier, Lord Lansdowne und einem oder zwei andern Ministern. So wurde die Frage natürlich verneinend entschieden. Diese Aufopferung unseres Handelsinteresses zu Gunsten einer Caprice einiger Unfähigen ist, wie wir hören, die Folge eines persönlichen Streites über einen Etiquettepunkt zwischen dem König von Neapel und dem brittischen Gesandten am dortigen Hof. Der Gesandte ist Lord Palmerstons Bruder. Dieser weise Diplomat hat eine geringfügige Altercation als eine Nationalbeleidigung dargestellt, und sofort ist an das brittische Geschwader in Malta der Befehl ergangen, nach der Bay von Neapel zu segeln und dort eine feindliche Haltung anzunehmen. Ob sogleich eine Blokade erklärt werden soll, haben wir nicht genau erfahren. Der Zwist im Cabinet soll von der ernstlichsten Art seyn, und wird wahrscheinlich zum Rücktritt des Handelsministers (Labouchere) führen, des besten Departementschefs unter allen diesen Whigs. (Es ist zu bemerken, daß der Standard das einzige Londoner Journal ist, das dieses angeblichen Zwistes erwähnt.)

Frankreich.

In der Sitzung der Pairskammer am 6 April verlas Hr. le Comte den Commissionsbericht über den Gesetzesentwurf zur gezwungenen Expropriation in Fällen öffentlichen Nutzens. Die Commission erkennt die Nothwendigkeit an, die Förmlichkeiten der Expropriation abzukürzen, verwirft aber die dem Gesetze von 1837 widerstrebenden Artikel. Der Präsident schlägt wegen der Wichtigkeit dieses Berichts vor, die Discussion nach der über die geheimen Fonds vorzunehmen.

Der Minister des Ackerbaues und des Handels, Hr. Gouin, ward am 5 April von dem Wahlcollegium von Tours mit 329 unter 342 Stimmen wieder zum Deputirten gewählt.

(Revue de Paris.) Man darf in der Kammer auf lange und lebhafte Debatten über Algerien gefaßt seyn. Die Commission der außerordentlichen Credite für Afrika soll mit einer Mehrheit von 8 gegen 1 Stimme beschlossen haben, daß sie eine beträchtliche Reduction in der von der Regierung verlangten Summe vorschlagen werde. Diese Majorität habe sich gegen den Plan einer ausgedehnten Eroberung und einer Colonisirung im Großen erklärt. Zwei oder drei von einigen Truppen besetzte Punkte schienen ihr zur völligen Aufrechthaltung des Interesses und der Ehre Frankreichs hinreichend. Diese Ansichten werden ohne Zweifel auf energischen Widerstand im Cabinette stoßen. Man kennt über diesen wichtigen Punkt die Ansichten des Hrn. Thiers, der sich aus dieser Frage ein besonderes Studium gemacht hat, dessen Resultate er auf der Tribune vortragen dürfte. Wir halten es nicht für möglich, daß Frankreich auf seine ersten Gedanken verzichte: es kann die Mittel der Vollziehung modificiren, das Mangelhafte derselben verbessern, Geduld dem Streben nach Abenteuern zur Seite stellen, Ausdauer mit Ungestüm paaren; dem Ehrgeiz aber entsagen, ein französisches Afrika zu schaffen, dieß scheint uns ein Uebermaaß von Vorsicht, das man dem Lande nicht wohl wird einleuchtend machen können, da die Gewalt der Dinge uns antreibt, im mittelländischen Meere mächtig zu seyn. Der Besitz von Algier, das Protectorat von Aegypten, eine feste Allianz mit Spanien, dieß sind die drei Elemente unserer Stellung im mittelländischen Meere und unserer Stärke zwischen Konstantinopel, Alexandrien und Toulon. Dieß ist die Antwort und das Gegengewicht gegen die Fortschritte Rußlands und Englands und gegen ihre Hoffnungen, die noch umfassender als ihre Fortschritte sind.

(Messager.) Die Commission der Credite von Afrika hat keine definitive Entschließung gefaßt, wie man behauptet hatte. Sie hat bloß in ihrer Sitzung am 3 April mit der Mehrheit von 8 gegen 1 Stimme beschlossen, daß sie das System der Eroberung, als den Interessen des Landes widerstrebend, mißbillige. In der Sitzung am 4, die bis Abends 6 Uhr dauerte, hat sie sich, nach Bestätigung ihrer Beschlüsse vom vorigen Tage, förmlich zu Gunsten der beschränkten Besetzung ausgesprochen. Sie hat überdieß beschlossen, daß sie in einem dem Berichte beigefügten Anhangsartikel das Verlangen stellen würde, die Regierung möchte mit dem nächsten Jahr die definitive Gränze unserer Besetzung in Afrika festsetzen. Die Ziffer der Credite hat die Commission einstimmig votirt, und nicht Ein Mitglied hat auch nur die geringste Reduction verlangt.

Der Moniteur bringt folgenden Bericht des Marschalls Valée an den Kriegsminister aus Algier vom 28 März. Seit meinen letzten Mittheilungen haben sich in der Provinz Algier einige Ereignisse zugetragen, die zwar im Grund nicht bedeutend sind, über die ich aber gleichwohl der Regierung des Königs Bericht erstatten zu müssen glaube. Im Osten hat der Feind sich einigemal den Blockhäusern genähert, welche die Lager Fonduk und Uad-el-Kaddara vertheidigen. Es wurden beiderseits Flintenschüsse gewechselt. Auch unsere Patrouillen hatten mehrere Gefechte zu bestehen; eine derselben wurde unvermuthet überfallen, leistete aber den tapfersten Widerstand. Das Lager El-Arbah wurde gleichfalls beunruhigt. Mehrere Detaschements, welche Recognoscirungen vornahmen, wurden angegriffen, warfen aber den Feind jedesmal zurück. Wir verloren nur einen Mann, den tapfern Capitän Mialon vom 48sten Linienregiment, welcher an seiner Wunde gestorben. Bei Belida und Coleah hat sich der Feind seit der Expedition gegen Scherschel nicht mehr gezeigt. Die Arbeiten dauern dort fort, und täglich gehen neue Convois nach diesen Punkten ab. Ich habe Nachrichten aus Scherschel bis zum 27 März. Die Befestigungsarbeiten rückten vorwärts und der Feind hatte noch keinen ernstlichen Angriff gewagt. Die Nachrichten, welche mir aus dem Innern zugekommen, melden mir, daß Abd-El-Kader im Thale des Schetif zwischen Medeah und Miliana sich befindet. Die Hadschuten haben in Folge der Expedition gegen Scherschel die Metidscha verlassen, und scheinen entschlossen, sich jenseits der ersten Atlaskette niederzulassen. Einige Duars zaudern noch wegen der besäeten Felder; aller Wahrscheinlichkeit nach aber werden sie nicht wagen, sich aufs neue im Bereiche unserer Wohnsitze niederzulassen.

Ein Bericht des Generals Guéhéneuc an den Marschall Valée gibt über das bereits erwähnte Gefecht bei Oran, wo ein französisches Infanteriebataillon ein Carré formiren mußte, um den Angriffen der arabischen Reiterschwärme zu widerstehen, ausführliche Details, aus denen wir zur Ergänzung der Berichte unsers Correspondenten noch Einiges nachtragen. Buchamedi, der Chalifa von Tlemsan, welcher mit seinem größtentheils aus Reitern der Angad bestehenden Heer an den Ufern des Rio Salado lagerte, überfiel die Heerden der mit den Franzosen verbündeten Stämme der Duairs und Zmelas und schleppte etwa 2000 Stück Vieh mit fort. Obrist Yussuf, der das Lager von Messerghin commandirt, ließ seine Truppen sogleich0811 zu den Waffen greifen, und nahm dem Feind die Heerden wieder ab. Der Eifer trieb aber wie gewöhnlich die Verfolger zu weit, und als die Colonne Yussufs, im Ganzen aus 860 Mann aller Waffengattungen bestehend, auf der Höhe von Ten-Salmet angekommen war, kamen aus dieser Schlucht 8000 Reiter hervor. Die kleine Colonne gerieth, weit vom Lager entfernt, in eine sehr gefährliche Lage. Obrist Yussuf gab daher Befehl, ein Carré zu formiren, zu welchem alle als Plänkler zerstreuten Truppen sich vereinigen sollten. Um aber dieses Manöuvre auszuführen, mußte man die Feinde abhalten, auf die Infanterie sich zu stürzen, ehe das Viereck gebildet war. Die 4te Escadron der Spahis, unter dem Befehl des Capitäns Montebello, erhielt Befehl, auf die Araber loszugehen, und diese bis zur Formirung des Carré's zu beschäftigen. Diese 65 Tapfern und ihr Anführer, ein Sohn des Marschall Lannes, fochten eine halbe Stunde lang gegen mehr als 1000 Reiter; zuletzt war Alles im Handgemeng mit blanker Waffe. Ein Drittheil der Escadron wurde theils getödtet, theils verwundet. Inzwischen war das Viereck gebildet, welches, von vier Seiten sein Feuer auf den Feind sprühend, tapfer Stand hielt, bis gegen Abend Cavallerieverstärkungen aus Oran anlangten. Die Araber hatten das Viereck umringt, und schienen dasselbe als ihre sichere Beute zu betrachten. Die Munition fing eben an der Colonne auszugehen, als die Ankunft des Generals Parchappe sie rettete. Die Franzosen ergriffen nun wieder die Offensive und verfolgten die Reiter Buhamedis bis 3 1 / 2 Lieues über Messerghin hinaus. Der Verlust der Franzosen betrug 41 Todte und 52 Verwundete, während die Araber über 400 Mann verloren haben sollen.

Versöhnung, das ist das Thema des Ministeriums ein nicht so schweres Geschäft, als es anfangs scheinen mochte. Die Conciliation ist ein Kind der Sicherheit und Ruhe; diese wird geboren aus Abspannung der Parteien, ihrer gänzlichen Verflachung, und diese ist seit der Juliusrevolution vollendet. Die Geister sind abgeritten, durchgemüdet, sie hängen kaum noch trümmerhaft zusammen, alle große Nahrung ist ihnen benommen. Nur die Zeitungsschreiber machen hier und da noch Spectakel mit dem Parteigeist. Aber Ein ernsthaft Ding ist übrig: der Volksgeist nach unten, obwohl gedämpft, halb erstickt, niedergehalten, durch Polizei bewältigt; dort aber glimmen die Flammen, aus denen Irruptionen der Zukunft möglich werden. Der Kampf des Juste-Milieu, seiner Nuancen, der Oppositionsmänner ist leidenschaftslos, was die Gesinnungen und Interessen anbetrifft; nur die Persönlichkeiten waren im Kampf, und nur diese drohten Gefahr durch Aufruf an die Leidenschaften von unten. Das Ministerium Thiers hat also gar kein schweres Versöhnungsgeschäft. Das Schwierige ist die Administration. Welchen Impuls ihr geben? Das ganze Corpus der Administration ist unheilbar knechtisch gesinnt und mittelmäßig, ohne Einfluß auf Geist und Gesinnung des Landes. Die an der Thüre klopfenden Remplaçants entbehren aller Erfahrung, Schößlinge negirender Gesinnungen, die nur gar zu leicht in administrative Plackereien umschlagen. Lange Zeit wird dazu gehören, einen respectablen Verwaltungskörper zu organisiren, besonders da die Tendenz der Regierung ist, keine freien Gemeinden sich bilden zu lassen, keine localen Thätigkeiten und Einflüsse zu befördern. Hr. Cousin sorgt für Bildung der Schulanstalten durch Aggregirte und Concurse; aber bis jetzt fehlen fast überall die Subjecte, und lange Zeit wird noch verfließen, ehe die Schulen erstarken. Die Jugend leider ist in schlechter Modeschule groß gezogen; die HH. Michelet und Quinet, Lerminier und andere haben ihnen allerlei verworrenen Hegelianismus aus siebenter Hand, bunten Pantheismus, und ich weiß nicht was für Poesie, Philosophie, Historie, den Deutschen flüchtig und schlecht abgelernt, vorgebrockt; aus diesem Wortchaos und Gedankenwust muß die Jugend erst heraus zum Ernst und zur Tiefe, wenn sie Elemente tüchtigerer Schulbildung abgeben will.

Hr. Thiers darf weder die Conservativen, noch die Linke verletzen; er schwebt gleichsam zwischen zwei Systemen und in dieser Alternative kann er weder freie Wahlen im Personal treffen, noch einen bedeutenden Regierungsact vollführen. Sonach ist dieses Cabinet, das so thätig, so neu auftreten wollte, zur Unmacht verurtheilt, und sieht sich auf die alten Elemente verwiesen. Man darf inzwischen nicht glauben, daß dieses System nicht seine Mission habe. Vor einigen Tagen sagte ein vormaliger Minister von dem Conseilpräsidenten: Er unterliegt einem doppelten Verhängniß: der englischen Allianz und der Linken. Diese Neigung auf die Seite Englands ist eine wunde Stelle für Thiers. Die englische Allianz ist in Frankreich nicht populär, und stellt sich überall als ein Hinderniß entgegen; bei allen Fragen der Nationalehre stößt man dort auf eine Opposition gegen unsere Ansichten und unsere Interessen. So spricht man z. B. gegenwärtig mehr als jemals von einer auf die drei Punkte Oran, Algier und Bona beschränkten Besetzung Algiers. In dem Streite zwischen Neapel und England würde unsere Ehre fordern, daß wir für die Unabhängigkeit eines Königs Partei nähmen, welcher der regierenden Familie so nahe steht. Die Stellung des neuen Ministeriums ist aber in Bezug auf England von der Art, daß es nur sehr beschränkte Remonstrationen machen kann, ja vielleicht die Hand zu einem dem Völkerrecht und unsern Interessen widerstrebenden Verfahren bieten muß. Die Pairskammer wird schwierig, und hält sich zu einer großen Opposition bereit. Ich spreche hier nicht bloß von Hrn. v. Molé, sondern auch von dem Marschall Soult. Die dem Schlosse ergebenen Pairs wollen zu einem Hrn. Thiers feindseligen System zusammen halten. Es fragt sich, ob er im Stande ist, diese Schwierigkeiten zu überwinden.

In Lons le Saulnier sind Unordnungen von ziemlicher Bedeutung vorgefallen. Die Ruhestörer zogen unter dem Vorwande, daß auf dem Schlosse von Cousances, dessen Besitzer der Legitimist Hr. Vaunoir ist, Kartoffeln angehäuft worden seyen, in Masse dahin. Sie plünderten es vollständig aus. Die Magistrate traten dazwischen, aber die Autorität des Präfecten ward verachtet. Er wurde von einem zu der Zusammenrottung gehörenden Individuum am Halse gepackt, und mußte den Degen zu seiner Vertheidigung ziehen. Man glaubt übrigens, daß diese Unordnungen keine weitern traurigen Folgen nach sich gezogen haben werden.

Niederlande.

In den letzten Tagen waren die Abtheilungen der Generalstaaten mit den von der Regierung vorgeschlagenen Entwürfen zur Veränderung des Grundgesetzes beschäftigt, und wenn auch einige derselben Beifall fanden, so war dieß doch mit der Mehrzahl nicht der Fall. Die Aufhebung des zehnjährigen Budgets fand Beifall, aber man konnte sich nicht mit der Ansicht verständigen, daß die Ausgaben für zwei Jahre und die Einnahmen für unbestimmte Zeit sollten festgestellt werden. Das letzte namentlich wirft man mit der allgemeinen Anklage gegen die Regierung zusammen, daß sie in den Finanzen nicht offen zu Werke gehe; darin liegt auch wohl der Grund, weßhalb alle Abtheilungen der Kammer ohne Unterschied auf die Feststellung der Ministerverantwortlichkeit dringen, weil sonst jeder Angriff gegen die Finanzverwaltung als gegen den König selbst0812 gerichtet erscheint. Mit den financiellen Gesetzesentwürfen ist man überhaupt je länger je unzufriedener, und außer den früher schon mitgetheilten Bemerkungen bringt man auch noch den Beitrag Belgiens zur Sprache. Dieß soll für 1839 zahlen, für dieses Jahr haben aber die Niederlande die Gesammtinteressen der Schuld noch allein bestritten, und nun kommt in dem Budget weder der Beitrag Belgiens von 1839 noch der von 1840 in Rechnung, was doch 10 Mill. ausmacht, und die Nothwendigkeit einer abermaligen Anleihe von 6,700,000 fl. für das zweite Jahr beseitigen sollte. Sie sehen, man ist von einer Vereinigung weiter als je entfernt, und von der halbjährigen Frist, welche die Generalstaaten der Regierung gewährt haben, sind nun schon über drei Monate verlaufen.

Italien.

Der Courierwechsel mit Neapel und dem Norden ist jetzt sehr lebhaft. Man versichert heute, daß ein befreundeter Hof sich erboten, den Vermittler zwischen England und Neapel zu machen; so auch, daß dem Fürsten Butera die Ordre zugeschickt sey, sich unverzüglich von St. Petersburg nach London zu begeben, um dort die Verhandlungen zu leiten. Die abwechselnde Witterung der letzten Zeit wirkt sehr nachtheilig auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung; viele Personen sind leidend. Zu diesen gehört auch der würdige Staatssecretär, Cardinal Lambruschini, der schon seit mehreren Tagen krank darnieder liegt. Horaz Vernet ist auf seiner Rückreise aus dem Orient hier eingetroffen, und von seinen zahlreichen Verehrern mit großer Freude empfangen worden.

Schweiz.

Nach eben einlaufenden Briefen aus Zürich vom 8 April ist der Bürgerkrieg im Wallis beendigt und eine Verständigung eingeleitet.

Deutschland.

(Fortsetzung der Verhandlungen der zweiten Kammer über den Rechenschaftsbericht.) Dr. Albrecht bemerkte gegen die Ansicht der Abg. Schwindl und Bestelmeyer: es handle sich hier eigentlich um zwei Fragen. Die eine betreffe den Einspruch der Stände in Bezug auf die Specialität des Budgets, die andere in Bezug auf das Recht der Steuerbewilligung, respective der Zustimmung zu Verwendung der Erübrigungen. In Beziehung auf die erste Frage scheine der Ausschuß von der Ansicht ausgegangen zu seyn, daß den Ständen auf Specialdisposition des Budgets die Einwilligung zustehe; er könne diese Ansicht nicht theilen, weil er glaube, daß sie dem klaren Buchstaben des VII Titels der Verfassungsurkunde widerstrebe, wo von einer Specialisirung des Budgets und einem darauf begründeten speciellen Bewilligungsrecht der Stände bei einzelnen Positionen nirgends die Rede sey. Das hauptsächlichste Argument des Referenten für die Specialität des Budgets scheine ihm der Usus zu seyn. Allerdings sey es noch bei jedem Budgetlandtage so gehalten worden, daß die Stände Modificationen für einzelne Positionen beantragten, allein das Benehmen der Stände könne nicht hinreichen, einen Usus zu begründen, wenn es nicht von der Regierung anerkannt sey; nur bei ihrer Vereinigung könnte man von einem Usus sprechen, wenn überhaupt ein usus contra legem Platz greifen könnte. Allein jedes Finanzgesetz von 1819 bis 1837 räume, wie aus den Eingangsworten eines jeden klar zu entnehmen sey, den Ständen das Recht der Zustimmung nur in Beziehung auf die Erhebung im Allgemeinen, daher keine Zustimmung in Beziehung auf einzelne Positionen ein; eben dieß erhelle auch mehrfach aus den Landtagsabschieden, insbesondere aus dem vom Jahr 1831, wo sich die Regierung in Folge eines von den Ständen bei dem Armeebedarf gemachten Abstriches ausdrücklich verwahrt habe, daß die Stände Rechte auf einzelne Budgetpositionen ausüben wollten. Wenn auf der andern Seite auch zugegeben werden müsse, daß die Regierung sich einige Modificationen in dieser Beziehung habe gefallen lassen, so habe sie es freiwillig gethan; indem sie es gethan, habe sie den Rechtszustand gewahrt; ein allgemeiner Consens von Seite der Regierung lasse sich aber hieraus nicht folgern. Den zweiten Punkt betreffend, sey zu erinnern, daß die percipirten Steuern ins Staatsgut übergehen, sofort ihr Eigenthümer der des Staatseigenthumes sey, und daß sogar das obligatorische Recht auf Erhebung der Steuern offenbar unter das Staatsgut gehöre, was die Verfassungsurkunde Tit. III. §. 2 klar ausspreche. In Betreff der Verwendung der Steuern könne allerdings kein Zweifel seyn, daß sie für die Zwecke verwendet werden müssen, die das einschlägige Finanzgesetz ausspreche; wenn aber diese Steuern im Bedarfe nicht absorbirt würden, und sich Erübrigungen herausstellten, so blieben sie dem Angeführten gemäß zunächst Staatsgut, und zwar als aus den percipirten Steuern, welche zum beweglichen Vermögen des Staatsgutes gerechnet werden müßten, entstanden, als ein solches, worüber nach Tit. III. §. 7 der Verfassungsurkunde der Monarch nach Zeit und Umständen zweckmäßige Veränderungen und Verbesserungen vornehmen könne, wobei es sich nach dem Wortlaute dieser Bestimmung von selbst verstehe, daß die Regierung diese Erübrigungen nur zum Besten des Landes verwenden dürfe. Wohl könne man sagen, daß die Stände, insofern sie Steuern bewilligen, von der Voraussetzung auszugehen hätten, nicht zu viel zu bewilligen, denn es sey ihnen geboten, die erforderlichen Steuern zu bewilligen, und zwar für die bestimmt vorherzusehenden Ausgaben nach vorausgegangener Prüfung. Hiernach sey die Behauptung, daß sie zu viel bewilligt hätten, so viel als der Vorwurf einer Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Pflichten. Wenn man endlich noch die Frage stellen wollte, ob es nicht in der Natur der Sache gegründet sey, daß die Regierung um das, was sie erübrigt habe, in dem Budget der nächsten Finanzperiode weniger in Ausgabe stelle, so scheine ihm dieses allerdings möglich, und er glaube, daß dieß die Regierung auch thun könne, aber nicht, daß sie es thun müsse. Die Verfassungsurkunde selbst setze allerdings Erübrigungen voraus, wie hervorgehe aus der Bestimmung: daß für außerordentliche Bedürfnisse nur dann zu außerordentlichen Steuern Zuflucht genommen werden solle, wenn die bisherigen ordentlichen Steuern nicht mehr hinreichend sind. Indessen enthalte die Verfassung von einer den Ständen zustehenden Verfügung über solche Erübrigungen nichts.

Nach diesen Erörterungen trat der Abg. Regierungsrath Dr. Schwindl wiederholt auf, und äußerte: wie man sich noch in der Kindheit des Verfassungslebens befinde, gehe daraus hervor, daß die gelehrtesten Männer weder über den Wortlaut noch über den Sinn der verfassungsmäßigen Bestimmungen im Reinen seyen, so daß es Interpretationen, Deductionen gebe, die dem gewöhnlichen Manne, der mit seinem schlichten Verstande meist Alles am richtigsten aufgreife, Alles nehme, wie man es nehmen soll, andere Ideen beibringen wollen. Man stelle zwar an die Spitze, daß man dem monarchischen Principe nicht zu nahe treten solle; allein eine jede constitutionelle Monarchie sey eine gemäßigte, keine absolute, sondern eine in der Staatsverwaltung beschränkte, und wenn es auch richtig sey, daß der Monarch alle Rechte der Staatsgewalt in sich vereinige, so sey dieß doch nur unter den in der Staatsverfassung ausdrücklich vorgezeichneten Beschränkungen zu verstehen, und diese besagen, daß kein Gesetz, welches das Eigenthum der Staatsangehörigen oder ihre persönlichen Rechte betreffe, ohne Zustimmung der Stände erlassen werden dürfe; ferner, daß keine directe Steuer ohne Zustimmung der Stände erhoben werden könne, und daß die indirecten Steuern nicht verändert, nicht erhöht oder gemindert werden dürfen, ohne gleichmäßige Zustimmung der Stände. Wenn man dieses Recht den Ständen ganz einfach nehme, so gehe daraus hervor, daß, falls die indirecten Steuern oder die übrigen Einnahmen zur Bestreitung des Staatshaushaltes nicht hinreichten, den Ständen die Pflicht gegeben werde, diesen Staatsbedarf aus directen Steuern zu decken. Wenn nun die Stände die Pflicht hätten, den Staatsbedarf zu decken, falls die gewöhnlichen Einnahmen nicht hinreichen sollten, so müßten sie auch prüfen dürfen, ob dieselben wirklich nicht hinreichen; diese Prüfung könnte aber nicht geschehen, wenn kein specieller Ausweis zur Anerkennung dargelegt werden wolle; er sage zur Anerkennung, denn wenn man die summarischen Uebersichten den Ständen bloß zur Einsicht vorlege, so könne man ihnen vernünftigerweise nicht zumuthen, zu sagen, ob gerade diese Ziffer arithmetisch so abgeschlossen sey. Wenn der Staatsbedarf so hoch berechnet sey, so müssen die Stände auch so oder so viel Steuern bewilligen, und es sey daher richtiger, wenn man sage, man erkenne diese Positionen an Einnahmen und Ausgaben an, und weil man dieses thue, bewillige man diese oder jene Steuern; denn nur in diesem Sinne habe das Recht der Stände, Steuern zu bewilligen,0813 einen vernünftigen Grund, sonst wüßte er nicht, welches Recht den Ständen zustehen soll. Wenn die Stände das Budget unbedingt so annehmen müssen, wie es ihnen vorgelegt werde, so könne hieraus kein anderer Schluß gezogen werden, als daß sie auch unbedingt die Steuern votiren müssen, und in diesem Falle sey das Steuerbewilligungsrecht der Stände eine Null in der Verfassung. Da würden die Stände dahin kommen, wohin sie Hr. Dr. Albrecht geführt habe. Die Regierung würde die Einnahmen sehr niedrig ansetzen; die Stände dürften nicht sagen, daß seit vielen Jahren her ein weit höherer Betrag der Einnahme sich herausgestellt habe, die Stände müßten sie unbedingt annehmen, und das Resultat hievon wäre, daß sich eine Masse von Erübrigungen ergäbe. Würde diese Masse der Nation gehören, so könnte man dazu lächeln; wenn aber diese Erübrigungen der Regierung zur unbedingten Disposition gestellt seyn sollen, dann bekomme die Sache ein ernsteres Gesicht. In einem Jahr könnten sich bedeutende Erübrigungen ergeben, das nächste ein Jahr der Calamität, des Mangels und Deficits seyn; das Jahr mit dem guten Abschluß der Erübrigungen würde die Staatsregierung in den Säckel stecken, das andere müßten die Stände aus eigenem Säckel ergänzen. Wenn dieß in der Verfassung gelegen wäre, dann hätten die Stände so gut als aufgehört. Wenn Freihrr v. Freyberg sage, die Erübrigungen kämen aus den indirecten Abgaben, so müsse er dieses widerstreiten und entgegen behaupten, daß sie aus dem gesammten, von den Unterthanen eingehobenen Vermögen entspringen; denn die indirecten Abgaben seyen Steuern wie die directen, nur daß jene auf längere Zeit durch specielle Gesetze bestehen, und nicht wie diese alle sechs Jahre bewilligt werden. Wenn nun aus dem Gesagten der Schluß gezogen werden müsse, daß die Stände berechtigt seyen, ein specielles, präcifirtes Budget anzuerkennen oder nicht, so müsse auch der Schluß richtig seyn, daß diese Anerkennung im Finanzgesetze klar und deutlich ausgesprochen werde. Der Referent (Frhr. v. Rotenhan) habe zwar geglaubt, es liege in der Willkür der Regierung, den Ständen ein Finanzgesetz einzubringen oder nicht, allein möge man die verabschiedeten Credite, die den Ministerien gegeben werden, oder den Zusammentrag aller im Budget ertheilten Positionen ein Finanzgesetz heißen oder nicht, das sey gleichgültig, überall aber müsse die ständische Zustimmung zu dieser Steuerhebung ausgesprochen, es müsse ein Document, ein Act vorhanden seyn, worin ausdrücklich erklärt sey, die Stände haben zu dieser oder jener Steuererhebung ihre Zustimmung gegeben. Bleibe man daher bei der bisherigen Uebung. Wenn der Bedarf hergestellt, wenn das Wohl des ganzen Landes dargethan sey, würden sich deutsche Stände nie nothwendigen Positionen widersetzen, am wenigsten werde die bayerische Ständeversammlung dieß thun. Wenn von der Regierung anerkannt werde, daß der Staatshaushalt von sechs zu sechs Jahren auf gesetzlichem Wege regulirt seyn müsse, werde auch die schönste Harmonie und das Vertrauen, das man so oft in Anregung bringe, herrschen und der Staatscredit floriren, weil man dann überzeugt sey, daß das, was da ist, auch Staatsgut ist. Einen bösen Eindruck aber würde es machen, wenn man von 20 Millionen Erübrigungen höre, und nicht klar werden könnte, wer darüber zu disponiren habe, und ob es wirklich Nationalvermögen sey, von dem nur mit Zustimmung der Stände eine Verwendung gemacht werden könne. Man habe den §. 2 T. III der Verf. Urk. und den sich darauf beziehenden §. 6, so wie den §. 7 angezogen, und daraus ableiten zu müssen geglaubt, daß die Stände über die Erübrigungen keine Disposition haben; allein der §. 2 zähle, dieses sey klar, nur auf was von der Verlassenschaft des Monarchen abgesondert werden müsse, was eigentliches Staatsgut sey, und was nicht. Auf diesen §. beziehe sich der §. 7. Dieser §. jedoch handle von öffentlichen Anstalten, von Einrichtungen der Hofcapelle, habe aber mit den Erübrigungen aus dem laufenden Finanzdienste, die von sechs zu sechs Jahren übertragen werden müssen, keinen Zusammenhang; auch sey nicht einzusehen, welche Verbesserungen der Monarch mit dem baaren Gelde vornehmen wollte. Freilich könne man die Verfassungsurkunde auslegen wie die heilige Schrift; wenn diese ein Engel auslege, werde auch ein schönes Resultat hervorgehen; werde sie aber von Bösen ausgelegt, dann könne auch sie verdreht werden. Bleibe man daher bei dem bisherigen Usus. vertrete man die Rechte der Stände. Die Regierung werde so leicht nicht nachgeben, sie werde auch bei ihren Rechten verharren, das liege ja im constitutionellen Leben. Die Stände dürfen von den Rechten des Volks nichts fahren lassen, aber auch nicht unbillige Forderungen an die Regierung machen, und wenn man sie mache, so sey es ihr zu verzeihen, wenn sie streng auf dem Rechte bleibe. In Bezug auf Steuern und auf das Finanzwesen dürfen die Stände nicht scherzen. Verwahrung und selbst Nicht-Anerkennung der Rechnungen führe noch zu keinem Bruche mit der Regierung, es sey nur ein formeller Bruch, und die Regierung werde sich dann früher oder später vereinigen mit dem was als Recht erkannt werden müsse.

Nun ergriff der Abg. v. Harsdorf das Wort: Selbst ein constanter Usus (bemerkte er) könne ein klar ausgesprochenes Gesetz nicht wirkungslos machen. Er frage, wo die Verfassung ausdrücklich die Beschränkung des Monarchen enthalte, nach den Gesammtbeschlüssen beider Kammern die Einnahms - und Ausgabspositionen zu fixiren? Dieses sey nirgends der Fall. Aus dem §. 4 Tit. VII folge nur, daß die Stände berechtigt seyen, die Positionen sowohl der Einnahmen als Ausgaben nach den ihnen vorgelegten Uebersichten nach ihren Einsichten und Erfahrungen zu prüfen. Dürften die Stände die Einnahmen und Ausgaben fixiren, so würden sie ein Mitregierungsrecht in Anspruch nehmen. Seit dem Jahr 1819 haben die im Finanzgesetz enthaltenen Summen den jedesmaligen Gesammtbeschlüssen beider Kammern entsprochen, und nur im Jahr 1837 sey ein Fall gegen diesen Usus eingetreten; allein über die hiedurch scheinbar zugegangenen Nachtheile hätten die Stände zu trauern nicht Ursache, denn sowohl bei den Positionen der directen Steuern, wozu sie ohnehin das große Recht der Zustimmung haben, als bei den genauen Nachweisungen der Rechenschaftsvorlage, müßten ihnen die detaillirtesten Nachweise über die Einnahmen und Ausgaben von Seite der Regierung geschehen, weil sie sich sonst in Betreff auf das Budget behufs der Bewilligung der directen Steuern ein ideales Bild des Budgets machen würden, was wohl zum Nachtheil der Regierung ausfallen würde. Die Erübrigungen anbelangend, könne man sogar zugeben, daß sie in genere vorgeschossene Steuern seyen, aber gleichwohl verliere sich auch bei diesen nicht die Natur des Staatsgutes, und insonderheit die Natur der baaren Gelder, welche zum Staatsgute gehören, wie §. 2 Nr. 8 T. III der Verf. Urk. ausspreche, und über die dem Monarchen das Recht der zweckmäßigen Verwendung zustehe. Auch hierin liege aber für die Stände keine Gefahr, denn der zeitliche, verantwortliche königl. Finanzminister müsse bei der Rechenschaft die Zweckmäßigkeit der Verwendung, d. h. nachweisen, daß mit diesem baaren Gelde, mit diesen Erübrigungen gerade das geschehen sey, was für die Wohlfahrt des Landes vor Allem geschehen solle, und den Ständen stehe hierüber der Gegenbeweis zu. Unter diesen Umständen müsse er sich gegen den Antrag des Referenten und des Ausschusses verwahren, und wenn man sage, warum gerade diese Ansicht von einem Landstande ausgesprochen werde, da es doch Sache der Regierung sey, das ihr zustehende Recht strenge zu rechtfertigen, so erwiedere er, daß er glaube, daß das allgemeine Wohl des Landes am besten dadurch befestigt werde, wenn nur Wahrheit und Recht geübt werde. Vertrauen erwecke wieder Vertrauen Worte, welche schon vor zwei Monaten vernommen worden.

Dr. Harleß schloß sich der Ansicht an, daß allerdings in der vorliegenden Frage auf einen bestehenden Usus zu recurriren sey. Hr. v. Flembach hielt hierauf einen ausführlichen Vortrag über die vorliegende Principienfrage und führte darin die von Frhrn. v. Freyberg und Dr. Albrecht aufgestellten Sätze noch näher aus. Zur Rechtfertigung des Ausschußantrags ergriffen zum Schlusse noch die HH. Referenten Frhr. v. Rotenhan und Friedrich das Wort. (Wir werden morgen darauf zurückkommen.

(Fortsetzung folgt.)

In der heutigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten wurde die Berathung über die Verwendung der Staatseinnahmen und Ausgaben vollendet. Die Rechnungen wurden von allen anwesenden Kammermitgliedern 110 an der Zahl anerkannt, die Verwahrungen aber, welche der Ausschuß beantragt hatte (s. die Allg. Zeitung vom 9 April), gleichfalls genehmigt.

Nach dem in Baden erfolgten Ableben des Grafen Guilleminot ist von dem König der Franzosen0814 der zum außerordentlichen bevollmächtigten Gesandten bei den Vereinigten Staaten von Nordamerika ernannte Hr. v. Bacourt eigens von Paris hieher abgeordnet worden, um den von dem erstgedachten Bevollmächtigten mit der diesseitigen Regierung unterhandelten Rheingränzberichtigungsvertrag vollends zum Abschluß zu bringen. Die Unterzeichnung dieses Vertrags hat vor einigen Tagen stattgefunden, und v. Bacourt hat bei diesem Anlaß von dem Großherzog den Orden der Treue erhalten. Bekanntlich bekleidete v. Bacourt vor seiner Beförderung auf seinen dermaligen Posten während vier Jahren die Stelle eines k. französischen Ministerresidenten am großherzoglichen Hofe, und wußte sich durch sein Benehmen und seinen Charakter die allgemeine Achtung zu erwerben. Derselbe hat seine Rückreise nach Paris bereits wieder angetreten.

Die zweite Kammer kehrte heute wieder zurück zu dem Titel von der Verjährung der Strafen und der gerichtlichen Verfolgung strafbar er Handlungen (§. 170 bis 180). Martin erklärte sich gegen alle Verjährung in Bezug auf Verbrechen. Er sey nicht im Stande, seine Bedenken juristisch zu begründen, allein es widerstrebe seinem Sinne, daß ein Verbrecher nach Ablauf einer gewissen Frist ungestraft herumlaufen dürfe. v. Rotteck als Berichterstatter sprach für die Verjährung. Nach langen Jahren habe die Strafe keinen Zweck mehr, das Andenken an die Uebelthat sey erloschen, eine Sühne oder öffentliche Genugthuung also nicht mehr nöthig. Auch werde die Stellung des Angeschuldigten in Bezug auf die Unschuldsbeweise (z. B. in Bezug auf den Beweis des alibi) sehr erschwert. Gerbel und Baumgärtner schlugen vor, daß bei Verbrechen aus Eigennutz die Verjährung nicht ablaufe, so lang der Verbrecher nicht Ersatz geleistet habe, damit dem Beschädigten der Vortheil einer amtspflichtigen Erhebung seiner Ansprüche nicht entgehe. Sander und Welcker sprachen für, v. Rotteck, Christ, Trefurt und geh. R. Duttlinger aber gegen diesen Vorschlag. Der letztere wies namentlich darauf hin, daß die Gründe, welche für den Vorschlag angeführt werden, auch eine gleiche Bestimmung bei allen andern Verbrechen, wodurch Jemand beschädigt wird (z. B. bei Brandstiftungen etc.), zur Folge haben müßten. Abgelehnt. Bei Nr. 3, wornach die gerichtliche Verfolgung bei Uebertretungen, wo dieselbe nur auf Anzeige oder Anklage der Betheiligten stattfindet, in zwei Jahren verjährt, wurde auf den Vorschlag des Vicekanzlers Bekk der Zusatz beschlossen: Hat der Betheiligte erst nach Verübung der That von dieser selbst Kenntniß erhalten, so laufen die zwei Jahre erst von der Zeit der erhaltenen Kenntniß an; jedenfalls findet aber die gerichtliche Verfolgung nach Ablauf von zehn Jahren nach Verübung der That hier nicht mehr statt. Bei §. 171, wornach die Verjährung von der Vollendung des Verbrechens zu laufen anfängt, wurde die von Sander angeregte Frage, wie es bei der Entführung, beim Menschenraub, Gefangenhalten etc., wo das Verbrechen in seinen Wirkungen noch fortdauere, mit dem Anfangsziel der Verjährung zu halten sey, an die Commission zurückgewiesen. Nach §. 175 verwandelt sich eine erkannte Todesstrafe durch Ablauf von zwanzig Jahren in lebenslängliches Zuchthaus. Aschbachs Antrag, diese Wirkung schon nach zehn Jahren eintreten zu lassen, wurde abgelehnt. Nach Berathung des Titels von der Verjährung wurde wieder zum speciellen Theil und zwar zum Tit. 12 von Tödtung und Körperverletzung in Raufhändeln übergegangen. Es wurde von mehreren Rednern über das Zunehmen der Raufhändel, besonders mit dem Gebrauch von Messern, in verschiedenen Gegenden geklagt. Sander betrachtet diese Raufhändel als die Zweikämpfe der niedern Stände, weßhalb man sie, da das Duell mit Nachsicht behandelt werde, ebenfalls nicht streng behandeln dürfe. Er und in gleichem Sinne Welcker und Kunzer widersetzten sich daher der im §. 216 Nr. 5 aufgenommenen Bestimmung, daß da, wo bei Raufhändeln eine Tödtung verübt wurde, und der Urheber der tödtlichen Verletzung nicht auszumitteln sey, alle Theilnehmer, die erweislich mit dem Getödteten gerauft, oder sich thätlich an ihm vergriffen haben, als schuldig der fahrlässigen, durch Theilnahme an Raufhändeln veranlaßten Tödtung mit Arbeitshaus bestraft werden, vorbehaltlich einer geringeren Bestrafung oder gänzlichen Straflosigkeit derjenigen, in Ansehung derer Gründe vorhanden sind, welche gegen die Annahme sprechen, daß sie Urheber einer Verletzung seyen. Welcker und Sander sahen hierin eine willkürliche Präsumtion oder Halbheit gegen diejenigen, denen man nichts beweisen könne, wie wenn einer der Schulknaben einen schlimmen Streich gethan habe und der Schulmeister nun, weil er nicht wisse, wer es gethan, alle insgesammt züchtige. v. Rotteck, Christ, Bekk, Zentner und insbesondere Duttlinger vertheidigten den Entwurf, indem eine vorsätzliche strafbare That, nämlich die Thätlichkeit gegen den Getödteten erwiesen sey, und ferner vorliege, daß aus der Schlägerei, woran jeder Einzelne Theil genommen, die Tödtung hervorgegangen, wornach also in der That jedem eine culpa dolo determinata, eine durch vorsätzliche Gewaltthat verschuldete fahrlässige Tödtung zur Last liege. Der Artikel wurde angenommen.

Ohne besondere Ereignisse, still und geräuschlos ist uns der Winter vergangen; auch am Hofe wenig Festlichkeiten, da die Anregung fehlte, die unser Erbgroßherzog gegeben hätte, der, in Breslau mittlerweile die Gegenwart in heiterer Sorgsamkeit benützend, der Zukunft tüchtig entgegenarbeitet. Man kann wohl gute Hoff. .ungen auf den jungen Prinzen bauen, dem es weder an Talent, noch an achtsamen Fleiß und gutem Willen fehlt. Der Großfürst - Thronfolger von Rußland hat ihn vor kurzem in Breslau besucht. Des letztern Ankunft hier wird wohl reges Leben in die höheren Kreise bringen. Graf Beust, unser bisheriger Bundestagsgesandter, will sich zur Ruhe zurückziehen, und ist an seine Stelle von dem großherzogl. und den herzogl. sächs. Höfen der bisherige geh. Referendär v. Fritsch, Sohn unseres Ministers, gewählt worden. Hr. Chelard ist, wie Sie wissen, nun definitiv als hiesiger Capellmeister angestellt; man erwartet viel von der Wirksamkeit dieses tüchtigen Mannes, welcher vielleicht einen noch umsichtigeren Operdirigenten abgeben möchte als sein Vorgänger Hummel, der, wie unvergleichlich auch als Virtuos und Claviercomponist, doch in Bezug auf die Oper etwas zu einseitige Ansichten hatte. Es ist endlich entschieden, daß das Buchdruckerjubiläum hier mit einer kirchlichen Feier begangen werden soll; Röhr wird predigen; alle übrigen intendirten Festlichkeiten aber, namentlich Aufzüge etc., fallen weg. Dagegen wird eine besondere Aufmerksamkeit dem hiesigen Buchdruckeralbum zugewendet, zu dessen Redactoren die HH. Geheimerath v. Müller, Vicepräsident und Generalsuperintendent Röhr und Hofrath v. Schorn gewählt worden sind. Es sind recht interessante Beiträge dazu eingekommen, obwohl nicht die früher angekündigten Briefe von Anna Amalia und Lucas Cranach. Man nimmt mehr Rücksicht auf historische, besonders auf Weimar bezügliche, als auf poetische Gaben, und find 'ich das nicht so unrecht, wenn dem Album Einheit, und vielleicht auch verzeiht ihr Dichter! mehr Werth verliehen werden soll. Auch werden bezügliche Kupfer nach Zeichnungen von hiesigen Künstlern beigegeben. Der Ertrag dieses Albums wird zu einem Fonds für hiesige arme und kranke Buchdrucker bestimmt;0815 unser verehrter Großherzog soll schon eine namhafte Summe für sein Exemplar unterzeichnet haben.

Preußen.

Der russische Thronfolger, der hier seit drei Tagen verweilt, erschien heute (Sonntag) bei der Kirchenparade, und ward, seinem Aeußern nach, allgemein als stärker geworden, wenn nicht eben auch als wohler aussehend denn früher befunden. Der Prinz würde erst morgen früh seine Weiterreise antreten; da jedoch bekanntlich kein Russe am Montag abreist, so muß schon die Nacht geopfert werden, und so wird Se. kaiserl. Hoh. heute Abend zunächst nach Weimar und dann nach Darmstadt sich begeben. Unser König hat sich während der Anwesenheit seines Enkels von seinem Unwohlseyn gänzlich erholt, und seit vorgestern wird kein Bulletin mehr ausgegeben. Gestern hat Se. Maj. auch die überraschende Nachricht erhalten, daß die Kaiserin von Rußland nun doch noch in diesem Frühjahr den väterlichen Hof besuchen werde, und zwar denkt Ihre Maj. im Monat Mai nach Schloß Fischbach in Schlesien, dem reizenden Aufenthalt ihrer mütterlichen Freundin, der Prinzessin Wilhelm, zu kommen, dort einige Wochen in der gesunden Gebirgsluft zu verweilen, dann nach Berlin, und von hier endlich nach Ems zu reisen. Auch in der Umgebung des Großfürsten glaubte man, daß die zur Expedition nach Chiwa verwandten Truppen jetzt schon wieder in Orenburg angekommen seyn werden. Die ganze Expedition soll übrigens auf den Antrag des Generals Perowsky unternommen worden seyn, der über das Gelingen derselben, da er des Anschlusses der Kirgisenstämme sicher war, keinen Zweifel hegte; doch hat er allerdings so ungewöhnliche Witterungserscheinungen als Hinderniß nicht erwarten können. Glücklicherweise war sein Truppencorps nur sehr klein; die größte Stärke desselben bestand eben aus den Kirgisen, die sich ihm in der Steppe angeschlossen hatten.

Oesterreich.

Ein neapolitanischer Courier ist in verflossener Nacht hier eingetroffen, und soll wichtige Depeschen überbracht haben, die, wie man vermuthet, über den Streit handeln, der zwischen England und Neapel bezüglich des Schwefelmonopols ausgebrochen ist. Derselbe Courier ist im Laufe des Tages über Berlin nach St. Petersburg weiter gegangen. Es scheint, daß die neapolitanische Regierung sich Rath erbittet, um darnach ihr Betragen einzurichten. Es wäre sehr zu bedauern, wenn man sich nicht auf gütlichem Wege verständigte. Es ist aber kaum denkbar, daß es anders seyn könne. Ein österreichischer Courier ist aus London eingetroffen, der gleichfalls wichtige Depeschen überbracht habe, die auf den Orient sich beziehen sollen. Man glaubt, daß die orientalischen Angelegenheiten sich ihrem Ende nähern. Es wird jedoch wohl erst abgewartet werden müssen, wie das neue Ministerium in Frankreich sie wirklich aufzufassen gedenkt, denn bevor die Mächte genau unter sich einig sind, kann schwerlich die Zeit und Art bestimmt werden, wie jene Differenz völlig beseitigt werden soll.

Serbien.

Die Vorgänge in Serbien während der letzten Monate haben an der innern Selbstständigkeit dieses Landes, welche durch Milosch nicht nur factisch begründet, sondern auch von der Pforte anerkannt war, unablässig gerüttelt, und der letztern ihren verlornen Einfluß in dem Maaße wieder verschafft, daß sie diesen nun ob zum Glück oder Unglück des Landes? muß die Zukunft lehren auch auf die innern Angelegenheiten fast eben so wie in andern unmittelbar abhängigen Provinzen ausübt. Das zweifelhafte Verdienst dieser Gestalt der Dinge gebührt den sogenannten Patrioten, oder, mit andern Worten, der Opposition unter Milosch. Ich will diese Behauptung in Kürze etwas detailliren. Die Macht und das Ansehen des Fürsten Milosch, seine Strenge, die oft bis zur Härte stieg, seine Beschränkung der Primaten, welche auf Unkosten des gemeinen Mannes nach immer größern Vorrechten strebten, hatten ihm unter diesen Primaten eine Menge Gegner geschaffen, die mehr als einmal vergeblich versuchten, die von ihm gegründete Ordnung im Lande zu ändern. Dieses Ziel zu erreichen gab es, wie sie allmählich einsahen, keinen geeignetern Weg, als sich der Pforte in die Arme zu werfen. Dieser Schritt versprach in den letzten Jahren darum großen Erfolg, weil sich zufälligerweise damit das Interesse der Schutzmacht Serbiens vereinigte. Rußland mußte nämlich ebenfalls eine Aenderung wünschen, um seinen unter Milosch durch dessen intime Verhältnisse zu dem englischen Obrist Hodges sehr bedroht erachteteten Einfluß wieder zu gewinnen. Es sah ein, daß es durch eine Wiederherstellung oder Steigerung des türkischen Einflusses nur dem eigenen den Weg bahne, daher seine Agenten angewiesen wurden, die serbischen Patrioten bei der Pforte zu unterstützen. So gelang die Einführung des organischen Status und als unausbleiblich vorausgesehene Folge hievon der Sturz des Fürsten Milosch; dann die Berufung von Männern, die das ungeschmälerte Vertrauen Rußlands besaßen, an die Spitze der provisorischen Regierung, wozu unbedingt die Genehmigung der Pforte erfolgte. Als später ein Mitglied der Regentschaft, Hr. Jephrem Obrenowitsch, Bruder des Fürsten Milosch, sonst das ergebenste Organ Rußlands, mit Schrecken die nachtheiligen Folgen dieses äußern Einflusses, das Sinken der innern Selbstständigkeit Serbiens und die Fortschritte der Anarchie wahrzunehmen glaubte, und deßhalb eine gemäßigtere, diesen Uebelständen vorbeugende Bahn einzuschlagen rieth, worüber er mit seinen beiden Collegen zerfiel, fanden es diese in ihrem Interesse, die Pforte zu noch weitern Eingriffen aufzufordern. Sie besorgten nämlich, daß nach dem Regierungsantritt des jungen Fürsten Michael dieser sich vorzugsweise an seinen Oheim anschließen werde. Um dem vorzubeugen, wurden Intriguen in Konstantinopel eingeleitet; man suchte Hrn. Jephrems Treue, seine Anhänglichkeit an das Statut zu verdächtigen, und in Folge dessen wurde die Pforte veranlaßt zu befehlen, daß dem jungen Fürsten die beiden Regentschaftsmitglieder Petroniewitsch und Wucsitsch als Räthe zur Seite stehen, auf deren Rath er hören solle. Damit war der mit so großen Opfern errungenen Selbstständigkeit Serbiens aufs entschiedenste der Stab gebrochen, und dieses Land gleichsam der unmittelbaren Herrschaft der Pforte wieder unterstellt. Sie hat hienach das Recht, die Regierung Serbiens, wie in allen andern Provinzen, beliebig zu ändern. Serbien wird dadurch der Spielball jedmöglichen Einflusses bei der Pforte; der Fürst selbst erscheint als bloße Form, und der Wille der Nation, von dem selbst unter dem als Despoten und Tyrannen verschrienen Milosch alle Institutionen vorzugsweise abhängig waren, verliert jedes Ansehen, jedes Recht. Die Verlesung des großherrlichen Fermans beim Regierungsantritt des Fürsten Michael, wodurch er für volljährig erklärt, zugleich aber die Anordnung wegen der neuen fürstlichen Räthe getroffen wird, hat schon vielen Serben die Augen geöffnet; die große Mehrzahl des Senats hat sich sogleich gegen letztere offen erklärt, vorläufig zwar nur unter dem Vorgeben: das Volk wolle nicht drei, sondern nur Einen Fürsten , im Stillen aber hauptsächlich wohl um gegen den hiemit bethätigten grellen Eingriff der Pforte in0816 die innere Verwaltung des Landes Protest einzulegen. Allein die schon seit längerer Zeit im Schooße der Regentschaft und des Senats genährte Uneinigkeit und andrerseits die energischen Demonstrationen des türkischen Pascha's von Belgrad, des großherrlichen Commissärs und des russischen Consuls, haben diesem Protest den nöthigen Nachdruck entzogen, und so die großherrliche Anordnung vorerst in Kraft erhalten. Indessen ist an eine Dauer derselben bei der Abneigung des Fürsten selbst um so weniger zu denken, als der Fürst die ungetheilte Liebe des Volkes besitzt, und auf seine volle Unterstützung rechnen kann. Die nächste Nationalversammlung wird ohne Zweifel aufs kräftigste die Abschaffung dieser Räthe fordern; wird man sie dann wohl mit Gewalt aufrecht erhalten wollen? Ich glaube kaum, sondern bin der Ansicht, daß die Pforte es gerathen finden wird, selbst eine Aenderung zu treffen, und dadurch einem Eclat vorzubeugen, wodurch das kaum Errungene wieder auf das Spiel gesetzt würde. Damit ist dann aber freilich dem Uebelstand fernerer, vielleicht eben so unangenehmer Eingriffe in die innere Verwaltung für die Zukunft nicht abgeholfen.

Jonische Inseln.

Das ionische Parlament hat seine siebente Session eröffnet. Der Lord-Obercommissär hielt eine lange Rede, in welcher er die Motive auseinandersetzte, die ihn bewogen hätten, das letzte Parlament erst zu prorogiren, dann aufzulösen; er sagte, die oberste Behörde habe sein Benehmen gebilligt, welches durchaus verfassungsmäßig gewesen. Er sprach hierauf von der Annahme des Justizcodex und vom Gebrauch der griechischen Sprache in allen Acten. Endlich berührte er die jüngste Verschwörung in Griechenland. Die Versammlung, sagte er, erwartet wohl natürlich, daß ich ihr einige Auskunft über die Verschwörung gebe, welche mit Hülfe der Vorsehung in einem benachbarten Königreich, in Griechenland, entdeckt worden ist. Ich müßte aber befürchten, die griechische Regierung in Verlegenheit zu bringen, wenn ich gewisse Thatsachen enthüllen, in Erläuterungen über eine Angelegenheit eingehen würde, welche auf Befehl Sr. Maj. des Königs Otto den Gerichten übergeben ist. Ich bemerke bloß, daß die Verschwörung nicht auf Griechenland allein beschränkt gewesen, sondern daß ihr Plan war, Unruhen in den Nachbarstaaten zu erregen. Mit Bedauern muß ich auch noch beifügen, daß ionische Unterthanen in diese Verschwörung mit verwickelt sind. Ich kann die Versammlung jedoch versichern, daß ich im Einverständniß mit dem Senat alle Maaßregeln der Vorsicht ergriffen habe, welche die beunruhigende Lage der Dinge erforderte.

Syrien und Aegypten.

Die Correspondenz des Sémaphore aus Alexandria vom 22 März gibt ausführliche Details über die Ermordung des Paters Thomas, Prior des katholischen Klosters in Damaskus, und seines Dieners. Der Verdacht war, wie bereits erwähnt worden, auf die Juden gefallen, da man den Geistlichen an demselben Abend, wo er verschwunden, im jüdischen Quartier bemerkt hatte. Die angesehensten Juden wurden auf Befehl des Gouverneurs verhaftet, und durch Martern endlich zu einem Geständniß gezwungen. Pater Thomas war in das Haus des reichen Daust Arari gelockt worden. Neun Juden knebelten ihn dort, und schnitten ihm die Kehle ab, worauf sie das Blut sorgfältig in ein Gefäß laufen ließen, und den in kleine Stücke zerschnittenen Leichnam in eine tiefe Gosse warfen. Man behauptet, das Blut habe den fanatischen Juden zu einem mystisch-religiösen Gebrauch gedient, und sey unter ihr ungesäuertes Brod gemischt worden. In dem Keller eines andern reichen Juden, Namens Thora, fand man die Leiche des Dieners jenes alten Priesters gleichfalls in Stücke zerschnitten. Von neun Angeklagten haben sieben ihr Verbrechen bekannt. Um ihr Leben zu retten, verlangten sie, Moslims zu werden. Von dem bekannten abyssinischen Reisenden Ed. Combes sind Nachrichten aus Koffeir vom 12 Febr. eingetroffen. Er stand im Begriff, nach Dschidda unter Segel zu gehen. Allenthalben war er und seine drei Begleiter in Folge der Befehle Mehemed Ali's glänzend aufgenommen worden. Am 13 Dec. wurde in Dschidda der erste französische Consul installirt. Hr. Adolph Barrot ist, auf seiner Rückreise nach Manilla begriffen, am 2 März in Aden eingetroffen.

0809

Ungarn.

Wir finden in Nro. 84 der Allg. Zeitung einen Aufsatz über Ungarn, der mit dem Namen Pulszky unterzeichnet uns hoffen ließ, Aufschlüsse darin anzutreffen, die einer näheren Beachtung werth seyen. Diese haben wir zwar nicht gefunden, und die darin entwickelten Ansichten bieten wenig Belehrendes; nichtsdestoweniger wollen wir einige Betrachtungen an diesen Aufsatz anknüpfen, der, wenn er auch nicht die Argumente für sich hat, doch in Bezug auf seine Fassung zu loben ist. Wie alle Ungarn, wenn sie ihre Institutionen vertheidigen wollen, fängt auch Hr. v. Pulszky damit an, zu behaupten, Niemand von Allen, die über ungarische Zustände geschrieben, von Erschaffung der Welt bis auf den berühmten Reisenden mit der Fürstenkrone , verstehen etwas davon. In mancher Beziehung mag er Recht haben. Schreiber dieser Zeilen hat 25 Jahre in Ungarn gelebt, und maßt sich dennoch nicht an, ein genügendes Licht in das Chaos ungarischer Verhältnisse zu bringen. Was aber jeder Myops sieht und nur die Eingebornen nicht sehen wollen, sind die daraus hervorgegangenen Resultate. Ueber diese sind alle Stimmen vollkommen einig. Hr. v. Pulszky versucht durch Humor über diese hinwegzugleiten, dieser Versuch ist aber unglücklich, und er hat Unrecht, sich an einen auf diesem Felde so überlegenen Gegner zu wagen, wie der fürstliche Reisende, der ihn in diesem Kampfe mit einem Griff erdrücken würde. Dazu müßte der verehrte Deputirte wenigstens von seinem Landsmann, dem Compilator Csaplovics, gelernt haben, der in einem Aufsatz im Hirnök über die Pia desideria ihren Verfasser fragte: ob er nicht wisse, was man mit unberufenen Aerzten mache, die ihre Heilmittel aufdringen? Man zeigte ihnen die Thüre, und wenn sie nicht gehen, werfe man sie hinaus. So lange daher Hrn. v. Pulszky's Ironie, Humor und urbane Amönität in Sitte und Schrift nicht von gleicher Stärke, wie die des Hrn. v. Csaplovics ist, rathe ich ihm in meiner gutmüthigen Naivetät, seine humoristischen Bestrebungen lieber ganz fahren zu lassen, und auf dem Felde der Thatsachen stehen zu bleiben, wo ich ihm begegnen will.

Auch Hr. v. Pulszky greift beiher meine Pia desideria*)Hr. v. Pulszky verzeihe mir den lateinischen Titel aus der gravitätischen Perrückenzeit, an dem am allerwenigsten ein Ungar Aergerniß nehmen sollte. Ist es doch erst sehr kurze Zeit, daß Latein in Ungarn perruque ist. an, die überhaupt unter allen Aufsätzen über jenes Land, wenn auch nicht am gründlichsten widerlegt, doch am gründlichen angefeindet worden; ein schlagender Beweis, daß ihre Wirkung eine ungewöhnliche gewesen: diese Medicin des unberufenen Arztes hat gewirkt und wirkt immerfort; ihr Nutzen kann nicht mehr geläugnet werden, und es gilt ganz gleich, ob die Patienten sie gern oder ungern, mit oder ohne Vertrauen einnehmen. Auch Hr. v. Pulszky zieht ein saures Gesicht dazu. Von einem Manne seiner Art hätten wir gehofft, wir würden die darin angeführten Bauptungen durch ihn thatsächlich widerlegt sehen; eine solche Widerlegung ist uns indeß Hr. v. Pulszky wie unsere übrigen Gegner schuldig geblieben. C'est ainsi qu'on fait l'histoire!

Hr. v. Pulszky erzählt: einige kühne Gelehrte hätten mit Staunen an der Donau das constitutionelle Treiben eines ihnen unbekannten Volks entdeckt, und sogleich die Welt von den ehrwürdigen Institutionen Ungarns in der Weise der französischen Feuilletons in Kenntniß gesetzt. Er irrt vollkommen. Wenn sich die kühnen Gelehrten über etwas verwunderten, so war es über den Mangel an Ehrwürdigem und über das inconstitutionelle Treiben statt des gehofften constitutionellen, das sie, trotz einer tausendjährigen Praxis, vorfanden. Sie verwunderten sich, daß in einem constitutionellen Lande noch Begriffe, Gesetze und Einrichtungen vorhanden seyen, die, wenn in einem absoluten angetroffen, in heutiger Zeit die Stimme jeder Opposition, und zwar mit Recht, als den Inbegriff aller Barbarei und Willkür brandmarken würde. Nicht daß die ungarischen Liberalen ihre Stellung geändert, daß sie nie eine liberale Stellung gehabt, müßte der fürstliche Reisende beklagt haben. Was die Opposition in Ungarn liberal nennt, würde in den meisten Fällen in der ganzen übrigen Welt Absolutismus der Privilegirten, nicht Tyrannei eines Einzelnen, wohl aber Tyrannei einer Partei genannt werden.

Niemand habe (erzählt Hr. v. Pulszky) die eigentliche Bedeutung der Bewegung in Ungarn, den Kampf um die Nationalität, in welcher der Geist des Orients fortlebt, erfaßt? Keiner habe die Bestrebungen des Adels, seine Privilegien nach und nach auf alle Bewohner gleichmäßig auszudehnen, eines Blicks gewürdigt? Nicht die Ursache der Bewegung noch die Bewegung selbst, nur die Abnormitäten, nicht den Sturm, nicht das prachtvoll wogende Meer, nur den schmutzigen Schaum, der auf den Wellen schwimmt, hätten alle diese scharfsinnigen Beobachter in Ungarn erblickt? Was die Nationalität anlangt und alles, was geeignet ist, sie zu heben und zu erhalten, alles, was den ungarischen Namen glorreich machen kann in künftiger Zeit: Sprache, geschichtliche Wurzel, aus ihr hervorgehende freie, selbstständige Verfassung, hat an mir in jeder Zeit einen warmen, aufrichtigen und unumwundenen Vertheidiger in diesen Blättern gefunden. Was aber den darin fortlebenden Geist des Orients betrifft, so gestehe ich offen, daß es gerade dieser, den Begriffen einer barbarischen Völkerwanderung angehörige, mit dem Lichte christlicher und philosophischer Bildung nicht vereinbarliche, der Zeit und den Verhältnissen, in denen wir leben, nicht analoge Geist ist, den ich mit allen mir zu Gebote stehenden Kräften bekämpfe. Oder hat Hrn. v. Pulszky vielleicht nur eine humoristische Laune angewandelt, als er den Satz niederschrieb, und hat er europäischen Lesern weiß machen wollen, die Erhaltung eines solchen Geistes sey für heutige Civilisation etwas Wünschenswerthes, für die ungarische Nation Rühmliches?

Doch gehen wir weiter. Was der Adel an Privilegien den andern Ständen in Ungarn freiwillig gegeben, ist nicht viel, desto mehr, was er ihnen genommen hat. Wir haben seiner Zeit in den piis desideriis uns darüber ausgesprochen, wie wenig im Grunde den Bauern mit den ihnen gemachten Zugeständnissen gedient ist; dennoch verkennen wir das Verdienstliche der Absicht keineswegs. Wenn aber Hr. v. Pulszky erzählt, der Adel ginge damit um, nach und nach alle Bewohner des Landes an seinen Privilegien gleichmäßigen Antheil nehmen zu lassen, so ist das eine arge Rotomontade. Ein Privilegium, gleichmäßig auf Alle ausgedehnt, ist ein Privilegium gewesen. Und das wollte der ungarische Adel wirklich? Seine Privilegien aufgeben zum Heil Aller? In der That, wir hätten dem ungarischen Adel diesen Humor nicht zugetraut, zumal wenn wir bedenken, in welchem engen und ungesetzlichen Geist angemaßter Suprematie der dritte Stand den vierten vom Landtage verdrängt. Hr. v. Pulszky, ein so guter Kopf er auch0810 ist, und wenn er noch dazu alle denkbaren Sophistereien der gesammten gegenwärtigen, vergangenen und zukünftigen Advocaten seines Vaterlandes zu Hülfe nimmt, wird nie im Stande seyn, auch nur ein Jota der meisterhaften staatsrechtlichen Deduction in Nr. 49, 50 und 51 der Allgem. Zeitung umzustoßen! Nie wird er beweisen, daß die freien Städte nicht den wirklich integrirenden vierten Stand auf dem Landtage gebildet, und daß es nicht eine der unerhörtesten Willkürhandlungen des Comitatsadels gewesen sey, sie ihres gebührenden Einflusses in den Berathungen beraubt und mit einem Collectivvotum abgefertigt zu haben. Diese Partei ist überhaupt die schwächste in Hrn. v. Pulszky's Aufsatz, die entweder gar nichts widerlegt, oder Nebensachen, die für die Hauptfrage keine Bedeutung haben. Uebrigens erklärt Hr. v. Pulszky selbst auf einer ganzen Spalte, daß die Stellung der freien Städte zum Lande nicht fortbestehen könne. Darüber sind wohl nachgerade alle Stimmen einverstanden. Um was es sich aber dabei eigentlich handelt, ist: ob überhaupt die Stände hier in der Lage sind, den freien Städten eine Concession zu machen, oder ob hier nicht vielmehr eine Restitutio ad integrum geschehe eine Behauptung, welche die Opposition, die das Element der freien Städte von sich abhängig machen möchte, bestreitet, die aber jedem einleuchten muß, der auch nur einen Blick in die nicht genug zu lobende Staatsschrift in obigen Blättern der Allgemeinen Zeitung gethan hat. Es kann wohl nur Scherz seyn, und kaum ein guter, wenn Hr. v. Pulszky von der Demokratie der Städte im Verhältniß zum Adel spricht. Eine ärgere Demokratie als der unbeschuete Adel (bocskoros), d. h. neun Zehntheile des gesammten ungarischen Adels, hat es nie in der Welt gegeben, und wird es nie geben! Weil die Opposition die freien Städte zu einem eben so anarchischen und von sich abhängigen Element machen möchte, postulirt sie Bedingungen, die ihr genehm sind, als Preis der städtischen Emancipation. Auch wir finden es nöthig, daß die Städte ihre Municipalitäten reformiren, aber in einem Geiste, der sie unabhängig, nicht abhängig vom Comitatsadel macht; denn es thut der Constitution nicht noth, diesen zu vermehren, sondern das constitutionelle Gegengewicht wieder herzustellen, das durch die den Städten widerfahrene Gewaltthätigkeit verloren gegangen.

Was nun endlich die letzte Behauptung betrifft: nicht die Bewegung und ihre Ursachen, nicht der Sturm und das prachtvoll wogende Meer, nur der schmutzige Schaum der Wellen sey beachtet worden, so habe ich, so weit die Pia desideria dabei betheiligt seyn sollten, Folgendes beizubringen: nicht daß kein Sturm, daß zu viel Sturm im Lande vorhanden, wurde von mir constatirt. Auch der Grund des Sturms wurde hinlänglich nachgewiesen. Eine Gesetzgebung, die aus den bunten Flecken eines Jahrtausends zusammengesetzt ist, an der man immerfort flickt, statt sie im Geiste des Jahrhunderts zu regeneriren; eine aus ihr hervorgegangene Stagnation aller materiellen Interessen, die nicht durch das österreichische Mauthsystem, sondern durch den Mangel an gesunden staatswirthschaftlichen Ansichten auf dem Landtage hervorgebracht wird; gänzlicher Mangel an Credit, Pauperismus des Adels im Ganzen manche Ausnahmen gern zugestanden welche Uebel wieder einzig und allein der Gesetzgebung zur Last fallen; der Mangel eines hinlänglich geschützten und selbstständigen Bürgerthums; schlechte, nicht zu erlebende, chikanöse Justizformen und ein Heer brodloser Advocaten, die aus Hunger immerfort zu Processen in einem Lande treiben, wo das Recht ohnehin nie klar wird, und wo dieselben Gesetze in derselben Sache bald für, bald gegen entscheiden; die gänzlich paralysirte Stellung der Executivgewalt und ihre durchaus unzureichende Action, die mit den andern Bestandtheilen der Verfassung in keinem Gleichgewicht steht; endlich die 40 Jahre währende Passivität der Regierung, die von den Ständen erwartete, was sie selbst anzuregen und auszuführen verpflichtet gewesen wäre das sind mit wenig Worten die Gründe des Sturms, die ich in den Piis desideriis herauszustellen so naiv war, und gegen die auch noch nicht eine Stimme gewagt hat, mit irgend stichhaltigen Gegenbeweisen aufzutreten. Die billigsten Gegner haben eine absolute Verneinung des Ganzen eintreten lassen, nachdem sie fast jeden einzelnen Punkt zugeben mußten, und die Klügsten, wie Hr. v. Csaplovics, haben behauptet: in Ungarn sey es zwar eigentlich so; ein Ungar könne das auch allenfalls eingestehen; es sey aber eine Injurie, wenn man so etwas vor dem Auslande behaupte. Auf einen höheren Standpunkt hat sich die magyarische Polemik in dieser Sache nicht gestellt; daher bedauern wir, daß Hr. v. Pulszky im Grund auch nichts Besseres beizubringen wußte. Er möge uns nicht zürnen, wenn wir das prachtvoll wogende Meer trotz unserm besten Willen und der Anstrengung aller unserer Sinne nicht zu sehen vermögen, wozu vielleicht so junge Augen, wie die seinigen, besser taugen; leider aber sehen wir um so mehr schmutzigen Schaum, der auf den Wellen schwimmt. Wir zweifeln zwar nicht, daß dieser verrinnen, und die Fluth der Nation sich klären werde; indeß gewiß nicht dadurch, daß man den Geist des Orients in ihr lebendig erhält, sondern vielmehr dadurch, daß man ihn bis auf die Wurzel ausrottet. In der That dürfte es wenig Völker des Occidents geben, bei denen Begriffe von Politik, Staatsrecht, Staatswirthschaft vorherrschen, wie wir sie von Koryphäen des ungarischen Landtags ausgesprochen finden. Eines der Häupter der Opposition, der Lafayette der Versammlung, dessen Thränen über das Vaterland, wenn er sie wirklich geweint hätte, so oft er von ihnen sprach, den ganzen Landtag weggeschwemmt hätten, äußerte z. B. Folgendes: er werde der Regierung nicht einen Recruten bewilligen, bis ihm durch sie erwiesen worden, daß der Staat die Armee zu einer dem Lande ersprießlichen Eroberung, wie der Moldau, Wallachei, Bessarabiens, verwenden wolle. Ein andermal erklärte derselbe Oppositionschef: Rußland und Oesterreich könnten sich leicht einmal zusammen einverstehen, alle Getreideausfuhr aus ihren Staaten verbieten, und so den Liberalismus in England zu Grunde richten! Mit solchen orientalischen Ansichten kann man freilich kein europäisches Staatsrecht begreifen, oder darüber discutiren. Zum Glück gibt es in Ungarn eine gebildete, vernünftige, unterrichtete Minorität bei der Ständetafel, und eine eben solche Majorität unter den Magnaten, die sich occidentalen Begriffen zugewendet haben. Zu diesen zählen wir Hrn. v. Pulszky selbst, trotz seines vorliegenden Aufsatzes. Diese ausgezeichneten Männer suchen den Flor und den Ruhm des Landes auf anderm Wege. Was der gegenwärtige Landtag wirklich Gemeinnütziges gefördert, wird sich bald zeigen. Bis jetzt wissen wir nur Eine Verhandlung, die von allen Parteien, und namentlich von ihren Vorkämpfern, dem Bischof Lonovics und dem Kronhüter Graf Teleky, mit großer Einsicht, Ruhe und parlamentarischer Würde geführt wurde, und namentlich der Magnatentafel zu großer Ehre gereicht: das ist die der Religionsfrage. Ob das Wechselrecht, so gut das Elaborat auch an und für sich seyn mag, ob, sage ich, diese vereinzelte, aus dem Zusammenhange gerissene Maaßregel, ohne vorhergegangene Aenderung in den Bestimmungen des Besitzstandes, überhaupt von großem praktischen Nutzen seyn werde, bezweifle ich. In jedem Fall aber ist es ein Schritt vorwärts. *)Ueber den dabei in Frage stehenden Grundsatz der AviticitätWenn aber die0811*)denke ich im Principe ganz wie Hr. v. Pulszky, was ich in den piis desideriis des weiteren aus einander setzte. Hr. v. Pulszky behauptet, die Regierung werde dazu nicht einstimmen, und ist seiner Sache gewiß. Ich glaube das Gegentheil, ohne indeß meiner Sache irgend gewiß zu seyn; ich war nur so naiv meine Ungewißheit einzugestehen. Ueber das, was die Regierung thun werde, weiß übrigens Hr. v. Pulszky gerade so viel als ich, d. h. er weiß nichts. Opposition jede von ihr vorgebrachte Ansicht und darauf gestützten Antrag von denen nicht wenige auf keinem besseren Raisonnement basirt sind, als die eben erwähnten zwei Beispiele für eine Verbesserung hält, der die Regierung nur aus obscuren und absoluten Principien ihre Zustimmung versagt, so möge Hr. v. Pulszky uns verzeihen, wenn wir diese Meinung nicht theilen. Wer sie aber gewiß theilt, ist der National, das Journal du Commerce und andere französische Blätter von gleichem Kaliber. Ja wir rathen sogar dem kleinen Hrn. Sp. in Paris, einen Artikel über Ungarn für das Commerce zu machen; er hat da ein weites Feld, über den aufgeklärten Liberalismus der Stände und über die Tyrannei der Regierung, die das Gute um jeden Preis unterdrückt, seinen gläubigen französischen Lesern erbauliche Mährchen aufzutischen!

Schweden.

Der am 21 d. zusammengetretene Opinionsnämnd, der berufen ist, eine Art von Ostracismus über die Mitglieder des höchsten Reichsgerichts zu üben ein Institut, welches neben manchen Mängeln doch auch sein Gutes hat sprach sein Urtheil aus, das keines der Mitglieder verdammte. Die Regierung hat darin also einen Sieg davon getragen, obwohl das Astonblad spitzig bemerkt, die Herren, welche so viele Stimmen gegen sich gehabt hätten, dürften sprechen wie Pyrrhus: noch einen solchen Sieg und wir sind verloren. Da der Ausgang der Sache der Regierung günstig war, so wollen wir auch die Bemerkungen der Opposition über den Gang derselben hören, denn was man auch gegen dieses Institut anführen mag, so gilt der Spruch doch immer für einen gewichtigen Ausspruch in den allgemeinen Landesangelegenheiten. Im Ritterhause war ein hitziger Kampf über die Wahl der Personen, die den adeligen Antheil an dem Opinionsnämnd bilden sollten; die Regierung bot Allem auf, um ihre Anhänger wählen zu lassen, und das Ritterhaus war ungewöhnlich zahlreich versammelt, nämlich etwa 400 Mitglieder; die Auserkorenen der Opposition fielen sämmtlich durch, und man nimmt an, daß sie im Durchschnitt nur 140 Stimmen bekamen; die adeligen Mitglieder des Opinionsnämnd waren somit im Interesse des Hofs. Bei der dritten Abstimmung des Opinionsnämnd, wobei jeder die drei Mitglieder aufschreiben sollte, die seiner Ansicht nach ausgeschlossen zu werden verdienten, erhielt Graf Snoilsky 27 Stimmen gegen sich: die Opposition behauptet, nach dem Urtheil sachkundiger Leute annehmen zu können, daß diese 27 aus sämmtlichen 12 Mitgliedern des Bauernstandes, 10 des Bürgerstandes und 5 des Priesterstandes beständen, wonach keiner vom Adel dabei wäre. Hätte die Opposition im Ritterhause auch nur fünf ihrer Mitglieder durchgesetzt, so wurde Graf Snoilsky entfernt. Ist die Ansicht richtig, daß keiner vom Adel gegen Graf Snoilsky und überhaupt gegen die Mitglieder des höchsten Gerichts stimmte, und dieselbe hat allerdings viel für sich, so ist dieß für die Stellung des Adels in den bevorstehenden Verfassungsfragen entscheidend und ein sprechender Beweis über den Gehalt des Vierkammersystems; es kann, wie das Astonblad bemerkt, der Fraction des Ritterhauses die Augen öffnen, welche sich immer noch der Illusion hingibt, selbst auf diesem Reichstag bei einem Gegenstand, wo die allgemeine Meinung gegen die Regierung ist, die Mehrheit zu erhalten. Wenn es kaum einem Zweifel unterliegt, daß die Gesammtheit des Bauernstandes, die große Mehrzahl des Bürgerstandes, die Hälfte der Priesterschaft und ein starkes Drittel des Adels für eine Veränderung in der Verfassung sind, so lassen sich die Folgen kaum vorhersehen, wenn die Regierung, gestützt auf die Mehrheit des Ritterhauses, alle derartigen Forderungen von sich weisen will. Die Mitglieder der Ausschüsse, welche dem Adel angehören, sind seltsamer Weise fast nur der Opposition entnommen, wobei also die Regierung wie überrascht worden zu seyn scheint. Diese Ausschüsse fahren nun fort, im Namen der Opposition zu handeln, und haben kürzlich wieder einen Vorschlag der Regierung hinsichtlich der Ministerbesoldungen einen Vorschlag, woran die Regierung die Annahme der Departementalverwaltung geknüpft hatte wesentlich modificirt. Die Regierung verlangte 10,000 Rthlr. für jeden Minister, wahrscheinlich abgesehen von den Tafelgeldern. Der Staatsausschuß aber trug darauf an, die eigentliche Besoldung auf 4000 bis 4500 Rthlr. festzusetzen, und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten 8000, dem Justizminister 5000 und den übrigen Ministern 3000 Rthlr. Tafelgelder zu bewilligen. Es fragt sich nun, ob der König dieß annehmen wird, oder ob man die Nebeneinkünfte als freie Wohnung u. dgl. so feststellt, daß die Minister dabei keinen Schaden leiden. Die Aufregung und die Theilnahme an den Vorgängen auf dem Reichstag ist hier sehr groß, und das Gespräch über Politik verschlingt alles Andere, wo die Sachen aber hinaussollen, weiß Niemand zu sagen.

Türkischer Commissionsbericht über den griechischen Patriarchen.

Nachstehendes ist der vollständige Inhalt des (in unserem vorgestrigen Blatte erwähnten) Commissionsberichtes über die Angelegenheit des griechischen Patriarchen: Nachdem in Folge der von Sr. Exc. dem Hrn. Botschafter von England wider den griechischen Patriarchen wegen seines Benehmens gegen die ionischen Inseln erhobenen Klagen auf Befehl Sr. Hoh. durch das Justizconseil eine Commission ernannt worden war, um die ihm zur Last gelegten Thatsachen reiflich und gewissenhaft zu untersuchen, hatten sich die Mitglieder dieser Commission am Freitag, den 3 Silhedsche (7 Febr. d. J.), im Hotel Sr. Exc. Abdulkadir Bey's, Ehren-Kadiaskers von Rumelien, und Mufti des Justizconseils, versammelt, wohin sich auf die an ihn ergangene Einladung der Patriarch, in Begleitung des Logotheten, einiger Erzbischöfe und seines Secretärs, verfügt hatte. In dieser bloß vorbereitenden Sitzung wurde dem Patriarchen von dem Zweck dieser Zusammenberufung Kenntniß gegeben, und derselbe, ohne näher in die Sache einzugehen, benachrichtiget, daß selbe in einer nächsten Sitzung umständlicher untersucht werden solle. Demzufolge ist er am verflossenen Montag, den 20 des besagten Monats Silhedsche (24 Febr. d. J.), neuerdings aufgefordert worden, sich in die Mitte der bei Sr. Exc. Abdulkadir Bey versammelten Commission zu begeben, wohin er sich in Begleitung des Logotheten und des Secretärs des Patriarchats verfügte; er wurde in dieser Sitzung folgendermaßen angeredet: Bei unserer ersten Zusammenkunft wurden Sie in Kenntniß gesetzt, daß, nachdem Briefe und gedruckte Schriften, die zu wiederholtenmalen von Ihrer Seite an die Bewohner der ionischen Inseln gerichtet wurden, als die administrative Autorität jener Inseln verletzend betrachtet worden waren, die großbritannische Regierung Klage gegen Sie geführt hatte, diese0812 Angelegenheit vor das mit Prüfung aller wichtigen Reichsangelegenheiten beauftragte Conseil gebracht worden sey, und daß dieses Conseil für dienlich erachtet habe, uns zu erwählen, um die nähern Umstände der Ihnen zugeschriebenen Handlungen zu erheben. In Ihren Antworten haben Sie uns auseinander gesetzt, daß Ketzer auf diesen Inseln Ihrer Religion zuwiderlaufende Lehren eingeführt und in Ausübung gebracht, und da Ihr Patriarchat die erste Autorität der griechischen Kirchengemeinde ist, von Ihnen die Sanction von derlei Neuerungen begehrt hätten; daß Alles, was Sie geschrieben, nur dahin ziele, die Annahme dieser Neuerungen zu hindern; denn Sie hätten Forderungen, die gegen Ihr Religionsgesetz streiten, nicht bewilligen können. Sie sagten dazumal, daß so wie die Beschneidung vor Jesus Christus ein Religionsgesetz war, die Taufe nach Jesus Christus angeordnet worden, und daß man ohne Taufe kein Christ seyn könne. Sie haben hinzu gefügt, daß, nachdem die Erfüllung dieser Pflicht auf den ionischen Inseln vernachlässiget worden, die Rechtgläubigen dieser Inseln Ihren Beistand angerufen, und Sie vor Gott verantwortlich gemacht hätten; daß Ihr Gewissen Ihnen nicht erlaube, bei solchen Dingen, so lange Sie am Leben sind, gleichgültig zu bleiben, und daß Sie demnach sich nicht enthalten konnten, dagegen zu schreiben. Sie sagten ferner, daß Sie lieber sterben als Ihre Einwilligung dazu geben wollten, und daß Sie nach Ihrem Glauben erwählt worden seyen, um Gott und unserem Monarchen zu gehorchen. Dieß war die Antwort, welche Sie gegeben haben, und wir sagten Ihnen damals, daß das Protokoll Ihrer Auseinandersetzung und der Sitzung, so wie das an die Bewohner der ionischen Inseln gerichtete Schreiben und die gedruckte Schrift, der hohen Pforte vorgelegt werden würden, deren Befehle wir erwarteten, um uns abermals zu versammeln. In Folge dieser Befehle haben wir Sie eingeladen, heute neuerdings in der Mitte der Commission zu erscheinen. Das obgedachte Schreiben ist bereits übersetzt; die Druckschrift ist theilweise übersetzt worden, und wir werden nun Erläuterungen von Ihnen über die Punkte begehren, über die wir Aufschluß zu erhalten wünschen.

Die Commission. Zu welchem Zweck haben Sie, sich nicht darauf beschränkend, mündlich Ihre Zustimmung zu den an Sie gerichteten Forderungen zu verweigern, jenes Schreiben und jene Druckschrift bekannt machen lassen?

Der Patriarch. Wenn irgend Jemand, von welcher Religion er auch seyn mag, an die Theologen, an die Bischöfe dieser Religion über irgend einen Gegenstand eine Forderung stellt, sind diese letzteren nicht verpflichtet zu antworten?

Die Commission. Ja, das ist unstreitbar.

Der Patriarch. Wenn ein Individuum meiner Religionsgemeinde, unter welcher Regierung es auch stehen mag, mich über eine Religionsfrage zu Rathe zieht, so muß ich nach meinen Religionsgrundsätzen antworten. Muß ich nicht, da meine geistliche Autorität anerkannt ist, das regellose Benehmen jener Inselbewohner hindern? Ein Deputirter der ionischen Inseln, Namens Petrides, war mit einer an mich gerichteten Bittschrift zur englischen Botschaft gekommen; er war mir, von dem Dolmetsch der Botschaft begleitet, mit dem Ersuchen zugesendet worden, die in der Bittschrift enthaltenen Begehren zu sanctioniren. Da ich im ersten Augenblick nichts entscheiden konnte, übernahm ich die Bittschrift, um, nachdem ich sie in Erwägung gezogen, darauf zu antworten. Dem zufolge, nachdem ich und die ganze heilige Synode, die in diesem Actenstück enthaltenen Begehren geprüft hatten, wurden wir darüber sehr betrübt, und da sie schriftlich gestellt waren, mußten wir auch schriftlich darauf antworten. Unsere Antwort wurde durch obbesagte englische Botschaft überschickt; da wir es für unsere Pflicht hielten, unsere Aufmerksamkeit auf Alles, was die Religion berührt, zu richten, und da eigens ein Deputirter wegen dieser Angelegenheit gekommen war, und von der englischen Botschaft unterstützt wurde, mußten wir uns in der Antwort peremtorischer Argumente bedienen; und da die Dinge, die man von uns begehrte, unserer Religion zuwiderliefen, so wurde die Nachlässigkeit der Priester und der Erzbischöfe des Landes, welche sich dem hätten widersetzen sollen, für strafbar erklärt, und wir mußten ihnen einen strengen Verweis deßhalb geben. Wenn das Schreiben treu übersetzt ist, so werden Sie die Antwort, die wir gegeben haben, kennen.

Die Commission. Wir sind erstaunt, in der Uebersetzung dieses Schreibens zu sehen, daß die unwissenden Priester den Vorzug verdienten; welcher Vortheil ist aus ihrer Unwissenheit zu ziehen? Müssen nicht zu allen Zeiten unterrichtete Männer vorzuziehen seyn?

Der Patriarch. Wir wollen allerdings, daß die Priester und die Professoren aus unterrichteten Männern genommen werden; allein da seit vier bis fünf Jahren unsere orthodoxen Schulen, die sich auf den ionischen Inseln befanden, geschlossen worden, so sind die orthodoxen Kinder genöthigt, ihre Studien bei den protestantischen und lutherischen Geistlichen zu machen, und dann will man die orthodoxen Priester aus Leuten, die in diesen Schulen erzogen worden, wählen, wodurch am Ende die orthodoxe Lehre verfälscht wird. Uebrigens, da für die Priester die Religion und der Glaube hinlänglich sind, so ist nicht schlechterdings nothwendig, daß sie sehr ausgebreitete Kenntnisse besitzen. Unser Zweck war, daß die von Geistlichen einer fremden Religion erzogenen Leute, wie unterrichtet sie auch seyn mögen, nicht für des orthodoxen Priesterthums würdig gehalten, und daß die Priester aus tugendhaften Männern, die der orthodoxen Religion gemäß denken, gewählt werden sollen. Nachdem jene irreligiösen Priester in unsere im osmanischen Reiche bestehenden Schulen eingedrungen waren, haben wir sie mit dem Beistande seiner Hoheit daraus vertrieben.

Die Commission. In der Uebersetzung Ihres Schreibens heißt es, daß die Priester ohne Erlaubniß der Regierung ernannt werden konnten; hat die Regierung der ionischen Inseln nicht das Recht hiebei einzuschreiten? Da die kirchlichen Würden Aemter des Vertrauens sind, welche die Regierung verleiht, kraft welcher Autorität können Sie, als treuer Unterthan der hohen Pforte, sich in die politische Administration einer andern Regierung mischen und dort die Priester ernennen, ohne von ihr die Erlaubniß hiezu zu begehren? Dieß scheint uns inconsequent zu seyn.

Der Patriarch. Wenn auf den ionischen Inseln ein Bischof etwas der weltlichen Gewalt Zuwiderlaufendes thut, so kann ihn die Regierung absetzen; aber die Ernennung seines Nachfolgers kann, nach unserer Religion, nicht eher stattfinden, als nicht der Patriarch ihn einer solchen Wahl würdig erkennt und dieselbe sanctionirt. Wird der vorgeschlagene Bischof nicht für würdig gehalten, so kann sich der Patriarch weigern, ihn anzuerkennen und einen andern ernennen. Nie hat der Patriarch den Bewohnern der ionischen Inseln das Recht eingeräumt, die Bischöfe zu ernennen. Wir können selbst dann nicht unsere Sanction zu Gunsten eines Bischofs ertheilen, wenn er auch von der Regierung gewählt worden seyn sollte, sobald es uns scheint, daß er sie nicht verdiene, und die Regierung darf sich nicht einmischen, wenn ein Bischof von uns ernannt wird. Auf den ionischen Inseln könnte0813 ein von der Regierung gewählter Erzbischof von ihr ernannt und bestätigt werden; zu allen Zeiten konnte man Gewalt gegen die Priester und die Bischöfe gebrauchen, und in solchen Fällen bleibt nichts zu sagen übrig, aber was die orthodoxe Religion anlangt, so ist der Patriarch ihr Oberhaupt.

Die Commission. Durch das, was Sie hier eben sagen, räumen Sie ein, daß die Ernennung der Erzbischöfe zu den Attributen der Administrativgewalt gehört; der Unterschied ist, daß eintretenden Falls die Regierung einen Bischof absetzen, aber keinen andern ernennen kann, ohne daß Sie bezeugen, daß er dazu würdig ist. Die Absetzung eines Bischofs und das Recht einen andern zu ernennen, dürften wohl, wie die Action der Hand und die Action des Schlüssels in einem Schlosse, von einander unzertrennlich seyn.

Der Patriarch. Den Bischöfen ist die Autorität über die Priester beigelegt, und erstern, wenn sie von dem Patriarchat sanctionirt sind, steht es allein zu, diesen ihre Grade zu verleihen.

Die Commission. Wenn sich die von den Bischöfen ernannten Priester erlauben, die öffentliche Ruhe zu stören, kann die Regierung sie absetzen?

Der Patriarch. Ja, ohne Zweifel.

Die Commission. Also; obwohl zur Besetzung der Bisthümer das Zeugniß des Patriarchen nothwendig ist, so kann nichtsdestoweniger, da dieß die Administration berührt, die Ernennung nicht ohne vorgängige Erlaubniß stattfinden.

Der Patriarch. Sehr gut; so ist es.

Die Commission. Wir haben in der Uebersetzung des Schreibens einige Stellen über den öffentlichen Unterricht bemerkt. Gehören die Leitung der Schulen und die Aufsicht über die Professoren nicht zu den Attributen der Regierung?

Der Patriarch. Die Erziehung unserer Kinder kann nicht jedem Professor anvertraut werden. Die Professoren und die Priester der Orthodoxen dürfen nie mit den andern vermengt werden. Menschen, die sich in jenen Ländern befinden, bemühen sich, unsere Religion zu verfälschen. Wie soll ich mich dem nicht widersetzen? Ich habe geschrieben: Wenn man Dinge von euch begehrt, die unsern Gesetzen zuwider sind; wenn man euch einsperrt, wenn man euch schlägt, wenn man euch endlich Alle umbringt, so ziehet den Tod der Uebertretung eurer Vorschriften vor; duldet mit Ergebung die von der weltlichen Macht über euch verhängten Qualen und entfernt euch nicht von den Gesetzen unserer heiligen Religion. Dieß habe ich gesagt, und ich werde eine meiner heiligsten Pflichten erfüllen, wenn ich abermals in diesem Sinne schreibe. Der Patriarch fügte hinzu: wenn man mich über die Ernennungen nicht zu Rathe zieht, wie kann ich meine geistliche Autorität ausüben? Unsere Religion kann diesen Zustand der Dinge nicht gestatten.

Dieß gehört nicht zur Sache, haben wir ihm erwiedert; Niemand verpflichtet Sie, ihnen zu schreiben, daß sie Ihre Erlaubniß nicht begehren sollen.

Dieß waren die Erläuterungen, welche der Patriarch gegeben hat. Die Commission glaubt, indem sie dieselben zur Kenntniß der hohen Pforte bringt, einige Betrachtungen beifügen zu müssen.

In einer Frage, welche die Pflichten, die Rechte und die Vorschriften einer fremden Religion betrifft, halten wir uns für incompetent, über das Benehmen des Patriarchen in dem, was seine geistliche Autorität berührt, zu urtheilen. Da sich die hohe Pforte übrigens jederzeit zur Richtschnur genommen hat, Allen Gewissensfreiheit zu lassen, und sich keine Einmischung in dieser Hinsicht zu erlauben, so müssen wir uns, aus dem selben Grund auch enthalten, irgend eine Meinung über das Wesen der religiösen Beziehungen auszusprechen, welche zwischen dem Patriarchat von Konstantinopel und den Bewohnern der ionischen Inseln bestehen dürften. Unsere Pflicht schreibt uns bloß vor, hier gewisse Stellen des Schreibens zu bezeichnen, welches der Patriarch an die Erzbischöfe jener Inseln erlassen hat, und welches wir ganz haben übersetzen lassen, so wie einige gleichfalls übersetzte Stellen der hier gedruckten Schrift, die uns in einem Sinn abgefaßt zu seyn schienen, der ganz geeignet ist, jeder befreundeten Regierung zu mißfallen.

Erste Stelle des Schreibens. An die Stelle orthodoxer Priester werden befördert neue Priester, stolze und wankelmüthige Leute, von einem zweifelhaften Glauben, um nicht zu sagen, daß sie die Religionsübungen, die wir von unsern Vätern ererbt haben, ganz und gar verachten, da sie in übelberüchtigten Schulen und von Lehrern unterrichtet worden sind, die nicht bloß wegen ihrer Denkweise verdächtig, sondern stets Feinde unserer gesunden Lehre sind.

Zweite Stelle. Die getreuen Bischöfe müssen, um ihre göttlichen Rechte zu vertheidigen, nicht nur allein die Kämpfe und Leiden für nichts achten, sondern nöthigenfalls auch Verfolgungen, Gefängniß und Verbannung erdulden und sich auch noch größere Uebel gefallen lassen, nach dem Beispiele so vieler unserer Märtyrer, welche es vorgezogen haben, lieber die göttlichen Gebote rein zu erhalten und muthig zu vertheidigen, als menschlichem Willen zu gehorchen, indem es heißt, daß man Gott mehr als den Menschen gehorchen müsse.

Dritte Stelle. Sämmtliche aus den verdächtigen Schulen hervorgegangene neue Priester haben schlechte Lehren im Kopfe, da ihnen heterodoxe Ideen beigebracht worden sind.

Erste Stelle aus der Druckschrift. Es war der ionischen Regierung vorbehalten, in dieser bedrängnißvollen Zeit jene Eingriffe zu begehen, und unsere Kirche zum Zeugen davon zu machen. Es scheint, daß jene Regierung ihre Pflichten nicht kennend oder vergessend, und deßhalb die Gränzen, die unsere Väter aufgestellt, und welche der göttliche Bräutigam gezogen hat, überschreitend, und Religion und Kirche verspottend und angreifend, mit List und Verstellung in das constitutionelle Regime der ionischen Inseln, die Neuerungen Luthers und Calvins einführen wollte.

Zweite Stelle. Welch schöne und bewundernswürdige Unabhängigkeit! Welch glückliche Legislation, die zu Grundlage ihrer Gesetze den Umsturz alles dessen, was sich auf Kirche und Religion bezieht, nimmt, und mit Willkür und Rechtswidrigkeit alles dasjenige einführt, was den Leidenschaften, den Absichten und dem Willen der Regierenden genehm ist.

Dritte Stelle. Sie haben einen Gesetzesentwurf verfaßt, wie ihn die Interessen, die Absichten und die Launen der Regierenden verlangten.

Vierte Stelle. Alle geistliche Autorität ist in dem Senat, und folglich in dem Obercommissär concentrirt, welchen der Senat ganz nach seinen Absichten und nach seinen Interessen hinter sich herzieht.

Dieß sind die Stellen, welche uns aufgefallen sind, und die wir der hohen Pforte pflichtgemäßig vorlegen zu müssen glauben.

Die türkische Staatszeitung schließt diese Mittheilung folgendermaßen: In Folge des oben mitgetheilten kaiserlichen Rescripts, welches den griechischen Patriarchen seiner Functionen entkleidet, haben sich die Primaten jener Nation, auf die von dem Großwessier an die Synode erlassene Einladung, im0814 Patriarchalpalast versammelt, um zur Wahl seines Nachfolgers zu schreiten. Die Stimme der Nation berief den Erzbischof von Nikomedien, Mfgr. Anthymos, zu dieser Würde, dessen Ernennung unverzüglich von dem Synod der kaiserlichen Bestätigung unterzogen wurde. Nachdem Se. Hoheit sie zu sanctioniren geruht hatte, wurde der neue Patriarch eingeladen, sich zum Großwessier zu verfügen, welcher ihm die Insignien seiner Würde überreichte.

Aegypten.

Lord Palmerston scheint sich in Folge der zwischen den Cabinetten von England und Frankreich herrschenden Mißverständnisse Oesterreich zuzuneigen, dessen Botschafter in London und Konstantinopel versöhnende Ansichten aussprachen, welche der Lage der Dinge angemessener sind. Es ist zu wünschen, daß die Sache sich so verhält. Oesterreich, welches bei der orientalischen Frage weniger directe Interessen hat (?), vermag dieselbe mit all' der nothwendigen Ruhe zu lösen, und die hohe Weisheit des Nestors der Diplomaten ist eine sichere Garantie, daß die Interessen Aller, wie auch die Empfindlichkeit Einzelner, welche bei dieser Frage eine so große Rolle spielt, geschont werden. Viele hochgestellte Personen haben ihre Ansichten auf Berichte gestützt, welche häufig unrichtig waren. Sie hatten Vertrauen in jene, welche in der Stellung waren, gute Auskünfte zu erhalten, ohne jedoch deren Nachlässigkeit oder Böswilligkeit in Anschlag zu bringen. Unter diesen Berichterstattern gab es einige, die Mehemed Ali als einen gewöhnlichen Pascha der Pforte schilderten, der nur glücklicher gewesen wegen seiner Entfernung. Sie glaubten, oder stellten sich als glaubten sie, daß nach Mehemed Ali Alles wieder in den alten Zustand zurückfallen werde, daß die ihm unterworfenen Völker gegen ihn erbittert seyen, daß die Soldaten beim ersten Signal sich empören, daß Mehemed Ali endlich bei der ersten ernstlichen Drohung eines Angriffs sein Haupt beugen würde. Wenn diese Berichterstatter es auch aufrichtig meinten, so haben sie wenigstens eine große Unkenntniß der Dinge bewiesen. Mehemed Ali, der inmitten schwieriger Umstände aller Art, geheimer Intriguen und offener Kriege ergraut ist, hat einen festen und scharfsichtigen Charakter. Was man bei ihm befürchten konnte, war die Trunkenheit des Sieges, nachdem die Schlacht bei Nisib gewonnen, die osmanische Flotte in seine Hände gefallen und Sultan Mahmud gestorben war. Aber sein gemäßigtes und edles Benehmen in jenem Augenblick muß jene enttäuscht haben, welche in seine Gesinnungen und seine offenherzige Politik Zweifel setzten. Die, welche dem Gang der Ereignisse folgen, müssen auch dadurch überzeugt worden seyn, daß Mehemed Ali kein gewöhnlicher Mensch ist, und daß es auch in der Türkei Männer geben kann, welche mit Ueberlegung, Talent, Genie eine tiefe Kenntniß der Menschen und Dinge vereinigen; man darf nämlich offen gestehen, daß in unserm gelehrten und civilisirten Europa die Mehrheit der Leser einen Türken bisher kaum anders, denn als einen wilden, blutdürstigen Barbaren betrachtet hat. Diese Idee wurde nach dem Kriege in Griechenland und nach Erscheinung von Schriften der Philhellenen nur noch eingewurzelter; indessen hätte man dabei nur an die Gräuel denken dürfen, die in Europa bei den Bürgerkriegen und Revolutionen in Frankreich und Spanien vorkamen, bei denen doch nicht, wie beim ägyptisch-griechischen Kampfe, Religionshaß sich einmischte. Die ägyptischen Truppen sind, was man auch sagen mag, Mehemed Ali ergeben, und die Fellahs bewundern ihren Vicekönig, welcher ohne die mindeste Besorgniß nur mit sieben oder acht Personen seines Hauses die Provinzen bereist. Wäre er gehaßt, würde er wohl noch am Leben seyn? Ist er von Schwadronen bewacht, durchreitet er seine Städte im Galopp? Nein, Jedermann sieht ihn vielmehr täglich in den Straßen von Alexandria und dessen Umgebungen zu Pferd, im Schritt, fast allein. Allein schifft er auch durch den Hafen und geht an Bord der osmanischen Schiffe. Sein Audienzsaal ist für Jedermann offen, nur drei Schildwachen stehen an der Thüre. Wenn dieß die Lage eines von seinem Volk gehaßten, verabscheuten Herrschers ist, was soll man dann von den Garden und Wachen, welche die Souveräne in andern Ländern umgeben, denken? Die Wahrheit ist also, daß Mehemed Ali von seinen Unterthanen geliebt ist, daß er auf sie zählen kann. Die von der ägyptischen Regierung ergriffenen Vertheidigungsmaaßregeln sind noch bedeutender und umfassender, als wir anfangs gedacht. Ein vollständiges Artillerieregiment steht seit einigen Tagen mit seinen Feldbatterien bei Alexandria, weiterer Befehle gewärtig. Diesen Morgen manövrirten 1600 Officiere und Unterofficiere der Nationalgarde vor dem Palast des Vicekönigs. Fremde Officiere, welche dem Exercitium zusahen, bezeugten ihr Staunen über die Gewandtheit, mit welcher dieses Corps die Waffen zu führen versteht, welche es erst seit wenigen Tagen erhalten. Bald werden auch die gemeinen Nationalgardisten eingeübt werden. In Kairo beschäftigt man sich mit der Bildung von drei Regimentern Nationalgarde. Alle Beduinenstämme am Rande der Wüste auf der Seite Aegyptens und Syriens haben den Vicekönig versichert, daß sie beim ersten Aufruf sich in Masse zum Kampf einfinden würden. Vor der Schlacht bei Nisib belief sich die Zahl der unter den Befehlen des Vicekönigs stehenden Truppen auf 180,000 Mann, worunter 135,000 Mann reguläre Truppen aller Waffengattungen, mit Inbegriff der Marine. Trotz der Lücken, die seitdem eingerissen seyn mögen, kann man ohne Uebertreibung die Zahl der Mannschaft, welche in einem Monat unter den Waffen stehen wird, auf 250,000 Mann schätzen.

Man hat hier die Nachricht erhalten, daß Kurschid Pascha Nedschid verlassen hat, um nach Aegypten zu kommen, und daß Achmet Pascha Yemen verlassen wird, um nach dem Assir zu ziehen. Kurschid führt einen Theil der regulären Truppen (13 Regimenter) mit sich, denn der Krieg im Assir ist ein Guerrillakrieg, worin die irregulären Truppen ganz gute Dienste thun; nur die wichtigsten Stellungen sollen dort von den regulären Truppen besetzt werden.

Wir hatten Gelegenheit, mit Officieren der osmanischen Escadre zu sprechen. Sie erklärten, daß ihr Wunsch keineswegs sey, mit der osmanischen Flotte nach Konstantinopel zurückzukehren. Denn, sagten sie, man würde uns anfangs zwar recht gut empfangen, dann aber würde man den einen nach Erzerum, den andern nach Brussa, Trapezunt, Adrianopel, Salonichi etc. in Mission schicken. Man würde uns auf diese Weise zerstreuen, und in einem Monat wäre keiner mehr am Leben. So ist noch heutiges Tages die Politik des Divans, und wenn Chosrew Pascha unter der Regierung des neuen Sultans keine öffentlichen Hinrichtungen anbefohlen, so geschah dieß nur, weil Mehemed Ali solche Thaten seiner Nation und der Welt verkündet haben würde; Chosrew Pascha ist dadurch gezwungen den Heuchler zu spielen.

Es gibt also in Aegypten und in Syrien eine materielle Macht eine Macht, die bereit ist zu handeln, und die man wohl in Anschlag bringen muß. Ein großer Mann, der Beweise seiner Mäßigung gegeben, der nach dem Siege nicht mehr verlangt, als zuvor ein Mann, den man schaffen müßte, wenn er nicht bereits existirte, um dem osmanischen Reich jene wirkliche Kraft zu geben, welche das Gleichgewicht Europa's gebieterisch erheischt, ein solcher Mann wartet noch, daß man seine erworbenen Rechte anerkenne oder einer Einmischung entsage, welche jenen, zu deren Gunsten man interveniren will, nur Verderben bringt.

0815

Erklärung.

Die Redaction der Allg. Zeitung sah sich neulich veranlaßt, über einen im Pariser Commerce erschienenen Artikel sich auszusprechen, welcher der österreichischen Regierung Schuld gab, die gesammte Pariser Correspondenz der Allg. Zeitung diene ihr, theils mittel -, theils unmittelbar, zu dem von ihr seit 50 Jahren verfolgten Zweck, in Frankreich weder Frieden noch Ruhe aufkommen zu lassen, eine Politik, welche die französischen Könige in die Verbannung oder aufs Blutgerüst führe. Wir haben diese Anschuldigung, die bis zu persönlichen Denunciationen gegangen war, eine eben so infame als unsinnige genannt. Wir haben zugleich angedeutet, sie rühre von einem Manne her, der seit Jahren nicht müde geworden, der Allg. Zeitung seine Dienste anzubieten, und den sie als Sammler von Börsen - und Journalbureaux-Neuigkeiten wie deren in Paris jedes Journal ein paar hat von Zeit zu Zeit gebraucht, zuletzt aber, als er sich immer unnützer gemacht, wiederholt und definitiv verabschiedet habe. Da habe er (fügten wir bei) sich zu unserm Feind erklärt und mit Angriffen gedroht, eine Drohung, die durch den erwähnten Artikel im Commerce zur Wirklichkeit geworden. Aus Schonung verschwiegen wir den Namen dessen, der so zu handeln fähig war. Er nennt sich nun aber in der Leipziger Allg. Zeitung selbst: es ist Hr. R. O. Spazier.

Er vermag, so sehr er sich auch in entstellenden Uebertreibungen und eitlen Selbstüberschätzungen herumtreibt, das obige einfache Sachverhältniß nicht zu läugnen, gesteht vielmehr, schon seit langer Zeit habe die Redaction von seinen vielen Briefen und Raisonnements fast nichts mehr gegeben, als einige Zeilen unbedeutender Notizen. Wenn ich unter solchen Umständen (fährt der Verfasser fort) meine Correspondenz nach Augsburg nicht selbst aufgab, so geschah es nur, um so viel Erfahrungen über dieses Blatt wie möglich einzuziehen, ehe ich die auf dieselben gestützten ausführlichen Polemiken im Commerce begann. Gewiß ein aufrichtiges Selbstbekenntniß rücksichtlich der Ehre der Verfassers, so aufrichtig als das spätere Geständniß es in Bezug auf seinen Verstand ist: er habe Jahre bedurft, ehe er erkannt habe, an welchem Werke er mitgeholfen, mitgeholfen, wie man sieht auf bescheidene Weise: durch unbedeutende Notizen. Die Verlagshandlung war sehr artig, daß sie ihm dafür einige höfliche Briefe schrieb, deren sich Hr. Spazier jetzt berühmt. Die Verlagshandlung stellt die äußern Bedingungen mit den Correspondenten fest, und geht, da sie keine Kosten scheut, von dem löblichen Grundsatz aus, daß man in Engagirung von Mitarbeitern eher zu viel als zu wenig thun müsse. Die Redaction, deren sämmtlichen Mitgliedern Hr. Spazier persönlich durchaus fremd ist, richtete, außer folgenden zwei Briefen, nie eine Zeile an ihn.

Augsburg, 20 Februar 1840. Euer Wohlgeboren haben der J. G. Cotta'schen Verlagshandlung angekündigt, daß Sie von nun an der Allgemeinen Zeitung offen feindselig gegenüber stehen. Diese rückhaltlose Erklärung fordert mich zu gleicher Freimüthigkeit auf. Als Sie vor einigen Monaten der J. G. Cotta'schen Buchhandlung wieder Correspondenzen anboten, beriefen Sie sich auf bedeutsame Quellen den ..... schen Gesandten etc. wodurch es Ihnen möglich werde, uns die wichtigsten Dinge über den Orient auf schnellstem Wege zu senden. Ich rieth einen Versuch zu machen. Seit etwa drei Monaten correspondiren Sie, und während dieser langen Zeit schickten Sie uns zwei Correspondenzen über türkische Angelegenheiten, und diese zwei Briefe enthielten nichts, als was wir auf directem Wege schon acht Tage vorher gewußt hatten. Ihr Hauptversprechen also blieb auf eine Weise unerfüllt, die nicht auffallender hätte seyn können. Dagegen sandten Sie sehr viele Briefe über Pariser Tagsgerüchte. Es ist wahr, von diesen Briefen blieben viele unbenützt. Die Allgemeine Zeitung hat etwa zehn Correspondenten in Paris; einige dieser Correspondenten die eigentlich politischen sind sehr gut unterrichtet, was Sie aus dem bemerkt haben werden, was dieselben uns über (hier waren einige der interessantesten Fragen des Tages aufgeführt) schrieben. Ich frage Sie, was haben Sie über alle diese Verhältnisse uns gesagt? Legen Sie die Hand aufs Herz, haben Sie uns auch nur Eine Thatsache berichtet, die wir nicht zu gleicher Zeit in den Londoner oder Pariser Journalen gefunden hätten? Oefters freilich meldeten Sie Dinge, die als originale gelten konnten. (Hier zählte das Schreiben dem Hrn. Spazier eine kleine Auswahl der zahllosen von ihm begangenen Mißgriffe auf welche wir hier übergehen wollen, ihm aber als Beitrag zu den von ihm angekündigten Memoiren empfehlen. Dann schloß das Schreiben mit den Worten:) Sehen Sie, alle diese Dinge nahm die Allg. Zeitung nicht auf. Ich mache Ihnen Irrthümer nicht zum Vorwurf; aber es wundert mich, daß Sie, die Sie recht gut wußten, daß Sie uns nur zu häufig solche mehr als gewagte Mittheilungen machten,0816 nicht einfach in ihnen allein den Grund suchten, daß wir unsere Verbindung nicht ferner fortsetzen mochten.

Dieses Schreiben ward erst vier Wochen später auf die Post gegeben mit folgendem Begleitschreiben.

Augsburg, den 20 März 1840. Euer Wohlgeboren erhalten beifolgend einen Brief, den ich schon vor 4 Wochen für Sie bestimmt hatte, den ich aber unvollendet liegen ließ, weil die Redaction der Allg. Zeitung überhaupt solchen Hader nicht liebt. Um Ihrer eigenen Ehre willen glaubte ich, Ihre Kriegserklärung sey nur eine augenblickliche Unbesonnenheit. Neuere Vorgänge, vorzüglich der Artikel im Commerce, haben mich eines Andern belehrt. Damit Sie nun die wahren Gründe der Handlungsweise der Redaction kennen lernen, lasse ich den Briefentwurf in seiner fragmentarischen Form abgehen. Anderes bedarf es auf diesem Wege nicht. Sind doch die Behauptungen im Commerce wissentliche Lügen. Ich bedaure, daß ein Deutscher, ein Schriftsteller, sich so benehmen kann. Dr. G. Kolb.

Auf diese beiden, den Thatbestand aufs allereinfachste darstellenden Schreiben antwortete Hr. Spazier nicht anders als durch seine letzte Erklärung in der Leipziger Allg. Zeitung, in welcher er nicht Eine Klage gegen die Redaction zu artikuliren weiß, übrigens versichert, es sey dieß ein Gegenstand von der größten Wichtigkeit für das deutsche politische Publicum; wobei er bedauert, daß sein Arm nicht von Paris bis Augsburg reiche; sodann, sich selbst in seiner ganzen Größe wieder erhebend, hinzusetzt: durch mich allein wurden die Franzosen vor den Folgen ihrer letzten Demonstrationen in Betreff der Rheingränze gewarnt! Wenn diesen Hüter des Rheins zum Gegner zu haben, uns billig einige Besorgniß einflößen sollte, so tröstet uns andererseits der Umstand, daß er in der obenerwähnten Kriegserklärung in einer Nachschrift beifügte: ich erkläre mich übrigens vor wie nach bereit, meine Thätigkeit für die Allg. Zeitung wieder aufzunehmen, sobald Sie meine Tendenzen mit der Stellung Ihres Blattes vereinbar finden. Wir finden solcherlei Tendenzen leider mit unserer Stellung nicht vereinbar, und müssen sie schon unserer nachgebornen Leipziger Namensschwester überlassen, die in ihrer Jugend dergleichen besser ertragen zu können scheint. Was im Allgemeinen das Verhältniß der Redaction zu ihren Mitarbeitern und Correspondenten betrifft, so spricht für dasselbe wohl am besten der Umstand, daß sie in langen Jahren nie zu einem so widrigen Processe auf offenem Markte genöthigt war, daher sie zu Gott hofft, sich für die künftigen Jahre dasselbe versprechen zu dürfen, wie für die vergangenen.

[1176-78]

Venediger Handelsgesellschaft.

Im Sinne der Statuten werden die HH. Unterzeichner auf Actien hiermit eingeladen, die erste Einzahlung von 20 Proc. auf den Betrag jeder Actie, von heute an innerhalb drei Monaten zu leisten.

Gegen diese Einzahlung wird ein Interims-Actienschein erlassen, und die vom 1 Julius an mit 4 Proc. per Jahr darauf fallenden Zinsen werden bei der nächstfolgenden Einzahlung der P. T. Actionäre eingerechnet werden.

Zum Behufe dieser ersten Einzahlung, die in Venedig zu erfolgen hat, wird die Casse der Gesellschaft, mit Ausnahme der Festtage, vom 16 bis 30 Junius von 10 Uhr früh bis 4 Uhr Nachmittags offen stehen. Venedig, den 31 März 1840.

Die Directoren: Sp. Papadopoli. Joseph Reali.

[1123-28]

So eben ist erschienen der neunte und letzte Band von der allgemeinen Weltgeschichte von Karl v. Rotteck, Hofrath und Professor etc. etc., und ist dieses Werk (nun in der 14ten Auflage) wieder vollständig in allen Buchhandlungen des In - und Auslands für den höchst billigen Preis von 9 fl. oder 5 Thlr. zu erhalten.

Durch die vor kurzem erschienene zehnte Lieferung von dem historisch-geographischen Atlas zu den allgemeinen Geschichtswerken von K. v. Rotteck, Pölitz und Becker ist dieser Geschichts-Atlas, unserm ausgegebenen Prospectus gemäß, geschlossen, und ist derselbe in allen Buch -, Kunst - und Landkartenhandlungen des In - und Auslands für den Preis von 48 kr. oder 12 gr. die Lieferung zu erhalten. Freiburg, im März 1840.

Herder'sche Verlagshandlung.

[1254]

Bei Liebmann & Comp. in Berlin ist erschienen und durch alle soliden Buchhandlungen Deutschlands, der Schweiz und der österreichischen Kaiserstaaten zu beziehen:

Anleitung zum Gebrauche des Mikroskops für Aerzte, Naturforscher und Freunde der Natur. Nach den besten Quellen (de Fontenelle, Littrow, Weber, Meyen, Ehrenberg, E. Burdach, Joh. Müller, Valentin, v. Siebold, Gluge u. A.) bearbeitet von Dr. A. Moser in Berlin. Mit lithographirten Abbildungen. 10 3 / 4 Bogen gr. 8. in Umschlag geh, Preis 1 Rthlr., 1 fl. 48 kr. rhein. od. 1 fl. 30 kr. C. M.

Bemerkungen über die gebräuchlichsten Arzneimittel.

Von Dr. K. G. Neumann, Reg. Med. Rath in Aachen und ehem. Director der Charité in Berlin. 16 Bogen gr. 8. Velinpapier und in Umschlag geh. Preis 1 1 / 2 Rthlr., 2 fl. 42 kr. rhein. od. 2 fl. 15 kr. C. M.

About this transcription

TextAllgemeine Zeitung
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Deutsches TextarchivNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2016-06-28T11:37:15Z Matthias BoenigNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2016-06-28T11:37:15Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; augsburgerallgemeine

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Editorial principles

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;

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