PRIMS Full-text transcription (HTML)
1073
Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Donnerstag
Nr. 135.
14 Mai 1840.

Portugal.

Vor einigen Tagen hatte man bei dem Fort de S. Juliao, welches an dem Eingange des Hafens liegt, den sonderbaren Anblick einer Menge großer Fische, die nach der schnell zurückgetretenen Ebbe des Meers auf einer seichten Stelle der Küste, dicht an den Mauern der Festung, beinahe auf dem Trocknen, lagen, und sich durch heftige Bewegungen wieder zu dem tieferen Meere hinzuarbeiten suchten. Die Soldaten der Garnison bewaffneten sich mit Aexten und Stricken und bemächtigten sich 16 dieser Fische, die 12 bis 16 Fuß Länge hatten. Unter den Gefangenen waren 15 weibliche Fische, wovon jeder ein lebendiges Junge von sechs Fuß Länge in sich verbarg. In dem Berichte des Commandanten der Festung an den Minister werden diese Fische, ohne weitere Beschreibung, Roazes Corvineiros genannt, wahrscheinlich Delphine, deren es so viele und von außerordentlicher Größe an der portugiesischen Küste gibt. Marquis de Saldanha ist zum ersten Adjutanten des Königs ernannt, worüber der Kriegsminister Graf Bomfim nicht wenig eifersüchtig seyn soll, besonders weil er jetzt nur um so mehr dessen Einfluß in Militärsachen fürchten zu müssen glaubt. Bomfim möchte gerne Alles in Allem seyn, und kann dem Saldanha nie verzeihen, daß er ihn auf Campo da Peira im Jahr 1837 besiegte, ein Sieg, den Bomfim in den folgenden Tagen verrätherischerweise vernichtete, was auch Saldanha nicht so leicht vergessen wird. Indessen Saldanha ist ein Ritter im ächten Sinn und verachtet kleinliche Rache. Nicht so sein ehemaliger Adjutant, Ximenes, der ihn in allen Schlachten begleitete. Dieser ließ vor einigen Tagen seinen Stock auf öffentlicher Straße einen der vielen Zeitungsschreiber fühlen, weil derselbe den Saldanha eben wegen jener Ernennung geschmäht hatte, daß dadurch dem Staatsschatze eine neue ungesetzliche Ausgabe auferlegt sey, da in dem Budget nur die Gehalte für vier Adjutanten des Königs bewilligt wären. Würde die neue Ausgabe dem Staatsschatze zur Last fallen, so hätte man Recht darüber zu klagen; dieß ist aber keineswegs der Fall, indem der König seinen ersten Adjutanten ganz und gar aus seiner Tasche bezahlt, (täglich 4800 Reis 7 Thlr. dasselbe was auch die Kammerherren der Königin erhalten). Die durch den Tod des Marquis de Valenca erledigte Kammerherrnstelle bei der Königin ist dem Grafen Linhares zu Theil geworden, einem sehr rechtlichen und gebildeten Mann, der auch einmal, aber nur wenige Monate, Marineminister nach dem Rücktritt des Ministeriums Passos war.

Spanien.

Ein Brief aus Bayonne von gestern bestätigt die Ihnen mitgetheilten Daten vollkommen. Die königliche Armee von Navarra, heißt es darin unter Anderm, ist nicht mehr. Von den dreißig Mann, aus welchen dieselbe bestand, fiel 1 auf dem Kampfplatz, 7 andere wurden gefangen und erschossen, 2 haben sich freiwillig gestellt, 1, der Pfarrer Segarra von Lecumberri, fiel in die Hände seiner Verfolger, und 18 waren glücklich genug, die Gränze zu erreichen. Summa 29. Man kann daher ohne Uebertreibung sagen, daß die Armee des Prätendenten vollständig zerstreut worden, da dieselbe buchstäblich nur noch einen Mann zählt, und zwar den Kriegscommissär Monjelos, der verwundet und verfolgt in diesem Augenblick Frankreich zu gewinnen sucht. Alle von den Carlisten seit acht Tagen zahllos verbreiteten Gerüchte waren eitel Trug und Lüge. Allerdings mögen noch hie und da, in Navarra wie in den baskischen Provinzen, Einzelne, die durch aufgefangene Briefe schwer compromittirt sind, und in den ersten Tagen der Bewegung aus ihren Wohnorten verschwanden, umherirren, oder sich verborgen halten; bei der Wachsamkeit der Behörden und der Stimmung der Einwohner können sie aber durchaus kein Gegenstand neuer Besorgnisse ihr Loos kann vielmehr nur Flucht oder Tod seyn. In einer unterm 3 d. erlassenen Proclamation dankt der Vicekönig von Navarra der Bevölkerung aller Classen für ihre einmüthige und energische Erhebung gegen die letzten Versuche der Ruhestörer. Alles, was das Volk jener Gegenden will, ist seine Fueros und Ruhe. Der Tag von Peracamps scheint (auch abgesehen von den allen spanischen Kriegsberichten eigenthümlichen Uebertreibungen) einer der heißesten gewesen zu seyn; 120 verwundete Carlistische Officiere und Soldaten lagen den 28 in Berga, andere wurden noch erwartet. Einer von mehreren Seiten gegebenen Nachricht zufolge fanden den Tag darauf (26 April) noch 400 Mann, und unter ihnen Vidal und der Sohn des Borges, in einem verschanzten Gebäude, wohin sie sich gerettet, den Tod. Was nicht den Bajonnetten der Stürmenden erlag, kam in den Flammen um. Als Grund der Erbitterung der Constitutionellen gibt man die frühere Ermordung einer halben Compagnie Gefangener1074 vom Regimente Albuera durch die Carlisten an. Seit der Ankunft des Hauptquartiers in Monroyo hatte die Desertion unter den Insurgenten so überhand genommen, daß die Bataillone von Mora und Tortosa völlig aufgelöst sind. Das von O'Donnell am 29 April gegen Alcala de la Selva begonnene Feuer hatte schon denselben Abend die Vertheidigungswerke größtentheils zerstört, was den Fall des Platzes in ein oder zwei Tagen erwarten ließ.

Großbritannien.

Seit vielen Jahren, sagt das M. Chronicle, hat kein Ereigniß in der Hauptstadt größeres Aufsehen und größere Bestürzung erregt, als der tragische Tod Lord William Russells, Bruders des verstorbenen und also Oheims des gegenwärtigen Herzogs v. Bedford, so wie auch Oheims von Lord John Russell. Als sich das Gerücht des Ereignisses am 6 Mai Morgens in Westend verbreitete, hieß es zuerst, Lord John Russell selbst sey der Ermordete. Diese Angabe widerlegte sich zwar bald, und man erfuhr, wer der eigentliche Gegenstand des Verbrechens sey; indessen dauerte es noch bis Abend, bis zu der um 6 Uhr Abends vorgenommenen Todtenschau, ehe das Publicum seine Neugier über die näheren Umstände des Vorfalls befriedigen konnte. Die geschworne Todtenschau - und Morduntersuchungsbehörde bestand aus 14 dem Hause des Ermordeten (Nr. 14 Norfolk-Street, Park Lane) benachbarten Einwohnern des St. Georger Kirchspiels, Hanoversquare, unter Vorstand des Kronanwalts für Westminster (Mr. Higgs); und aus den von dieser Geschwornenbehörde vorgenommenen und in Times und M. Chronicle abgedruckten Untersuchungsfragen und - Antworten stellen wir hier die bis jetzt bekannt gewordene Geschichte des Mordes kurz zusammen. Lord William hatte in seinem Hause nur drei Dienstboten, eine Köchin, ein Hausmädchen und einen Kammerdiener; letzterer, ein französischer Schweizer, mit Namen François Benjamin Courvoisier, war erst seit fünf Wochen in Dienst, besaß jedoch schon die volle Zufriedenheit und das Zutrauen seines Herrn. Am Abend vor dem Morde hatte er zum Besuch einen gewissen Heinrich Carr, mit dem er früher zusammen im Dienst gestanden, der ihn aber schon um halb 7 Uhr verließ. Lord William selbst war, nach eingenommener Mahlzeit, allein auf seinem Zimmer; die Köchin und Hausmagd gingen nach 10 Uhr zu Bett; Courvoisier blieb allein auf, abwartend, daß sein Herr zum Auskleiden klingle. Dieß geschah kurz vor 12 Uhr; Courvoisier entkleidete ihn, entfernte sich, und kam dann noch einmal das Bett zu wärmen, worauf er ihn sich niederlegen sah. Um halb 7 Uhr steht die Hausmagd auf, und als sie die Zimmer ihrer Herrschaft betritt, findet sie Papiere und Kleider überall umher gestreut, und hier, wie auch darauf in der Küche, Tische und Schränke erbrochen, das Silber entwandt und noch Stücke davon auf dem Boden. Sie ruft zuerst die Köchin, und dann, auf deren Geheiß, den Kammerdiener, den sie, bis auf seinen Rock, schon angekleidet findet. Um Gottes willen, was ist mit Lord William geschehen? frägt sie ihn. Er antwortet: Nichts, um das ich weiß. Sie tritt hinter ihm in des Lords Schlafzimmer, und erblickt Bett und Boden voll Blut, und den Herrn ermordet. Sie läuft gleich wieder hinaus, sagt es der Köchin und dem Kellner des Hauses gegenüber, und dieser ruft die Polizei. Mit letztrer in die Zimmer des Herrn wieder eintretend, findet sie Courvoisier im Eßzimmer, nicht im mindesten bestürzt (so nach ihrer ersten Aussage; nach ihrer zweiten dagegen, in großer Bestürzung, nach Aussage des Polizei-Inspectors fanden sie Courvoisier in einer Stube neben der Küche.) Der Polizei-Inspector läßt sogleich einen Arzt rufen. Der Leichnam, den man nun genau betrachtet, zeigt eine tiefe Wunde durch die ganze Breite der Gurgel, und überdieß den rechten Daumen durchschnitten. Dieß, so wie die Natur der Wunde und das Nichtvorhandenseyn irgend einer Waffe beweisen unwiderleglich, daß der Mord kein Selbstmord gewesen seyn kann. Von den Ringen und andern Kostbarkeiten im Zimmer sind nur einzelne Stücke entwendet. Der Kammerdiener, an den der Polizei-Inspector jetzt einige Fragen richtet, wirft sich in einen Stuhl und ruft: Das ist ein entsetzlicher Schlag, ich werde meine Stelle und meinen guten Ruf verlieren. Spuren eines gewaltsamen Einbruchs zeigen sich nur an dem Hinterthor des Hauses, nämlich die Riegel aufgesprengt, an den Thürpfosten einige Scharten, die von einem stumpfen Werkzeug herzurühren scheinen, doch ohne daß man sehen kann, ob sie von außen oder innen hineingebracht; im Hof hinter der Thür und an den Hofmauern durchaus kein weiteres Zeichen. Doch stehen hier mehrere Stallungen und Geschirrkammern, wo sich leicht Jemand längere Zeit verborgen halten konnte. Courvoisier behauptet, das hintere wie auch das vordere Thor am vergangenen Abend auf gewohnte Weise geschlossen zu haben. Sehr verdächtig aber ist es, daß ein Meißel, den man unter seinen Sachen findet, sowohl in die Scharten an der Thür als auch in mehrere Scharten der aufgebrochenen Schubladen und Schränke hineinzupassen scheint. Außerdem fand man auch bei ihm eine Fünfpfundbanknote, deßhalb bemerkenswerth, weil, nach C. 's eigener Aussage, Lord William vergangene Nacht eine Fünf - und Zehnpfundbanknote unter sein Kopfkissen legte, die jetzt beide verschwunden sind. Uebrigens behauptet Courvoisier, dessen Betragen durchgängig große Ruhe und Besonnenheit verrath, sich des Meißels schon seit 2-3 Jahren zum Arbeiten in Holz bedient zu haben. Von seinen übrigen Angaben hat er sich nur in einer widersprochen, nämlich in der Antwort auf die Frage, durch welches Thor er hinausgegangen sey, als er, der Aussage der Köchin gemäß, ihr Abends noch ein Pint Bier geholt habe: er sagte erst durch das Vorderthor ; dann aber durch das Hinterthor. In den Aussagen des Heinrich Carr, ehemaligen Kutschers, der Courvoisier besucht, hat man nichts Verdächtiges gefunden. Eben so wenig hat sich der zuerst gehegte Verdacht gegen Lord Williams frühern durch Courvoisier ersetzten Bedienten bestätigt gefunden. Auffallend ist eine Aeußerung der Dienstboten im Hause gegenüber: sie hätten gestern Abend etwas bemerkt, was ihnen sehr verdächtig vorgekommen wäre; doch wollen sie jetzt, um niemanden falscher Beschuldigungen auszusetzen, sich über diese ihre Aeußerung nicht näher erklären. Die Untersuchungsbehörde hat hinsichtlich des Mordes ihr Verdict absichtlicher Mord gegen eine Person (oder mehrere nicht bekannte Personen) ausgesprochen, und die Dienstboten im Hause stehen einstweilen in besondern Zimmern unter polizeilicher Aufsicht. Courvoisier, auf den sich, nach dem Gang der Untersuchung, die allgemeinste Aufmerksamkeit gerichtet hat, ist ein hübscher junger Mann von 25 Jahren, mit schwarzen Haaren und Augen und einem klugen, aber etwas niedergeschlagenen Blicke.

Haus der Lords, Sitzung vom 7 Mai. Lord Melbourne berichtet nachträglich auf die von Lord Strangford gethane Frage wegen französischen Sklavenhandels an der Westküste Afrika's (Sitzung vom 4 Mai), daß allerdings auf dem Colonialamt Nachrichten eingegangen seyen von der Einschiffung 500 zum Kriegsdienst in Cayenne bestimmter Neger in Pacao (auf dem Senegal), und daß deßhalb sein edler Freund, der Staatssecretär des Colonialwesens, den englischen Gesandten in Paris beauftragt habe, Erkundigungen einzuziehen und die nöthigen Schritte zu thun.

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Haus der Gemeinen, Sitzung vom 7 Mai. Die Versammlung wenig besucht und durch nichts bemerkenswerth, als durch Einreichung einer großen Menge Bittschriften, darunter 70 von O'Connell gegen Lord Stanley's irische Wählerbill; eine einzige dieser Bittschriften, aus Leinster, hervorgegangen aus einem großen Meeting vom 29 April, enthält 100,000 Unterschriften.

Die vorgestern erwähnte Rede Lord John Russells bei Vorbringung der Bill über Wahlverbesserung in England lautet in kurzem Auszuge wie folgt: Das Wahlregistrirungsverfahren, das die Regierung vorschlägt, hat keineswegs den Zweck, das Stimmrecht auf eine Menge neuer, vielleicht nicht ganz würdiger Wähler auszudehnen, sondern beabsichtigt nur, einmal, jenes Recht denjenigen Bürgern, die es bereits gesetzmäßig besitzen, vollkommen zu sichern und in seiner Ausübung möglichst zu erleichtern, und zweitens, auch allen vernünftigen Ansprüchen englischer Unterthanen an jenes Recht einen deutlichen und bequemen Weg der Prüfung und Anerkennung darzubieten. Denn gewiß muß man, im Sinne des öffentlichen Wohls, wünschen, daß ein jeder solcher Anspruch nicht wie ein Versuch zur Störung des gemeinen Nutzens, sondern vielmehr wie ein Versuch zur Beförderung desselben angesehen und behandelt werde. Nach diesen Grundsätzen bring 'ich zwei neue Gesetze in Vorschlag, eines über die Ernennung eines permanenten aus 15 Anwälten (barristers) bestehenden Untersuchungsgerichtshofs für Wahlrecht und Wahlansprüche, und eins über die genauere Bestimmung des bei den Wählern erforderlichen Steuernbetrags. Was die erste Bill, den Vorschlag zur Ernennung eines neuen Wahlgerichtshofes, betrifft, so soll diese Ernennung den vielen Unbequemlichkeiten und Plackereien ein Ende machen, denen die Wähler durch das jetzige Untersuchungsverfahren ausgesetzt sind. Denn indem die jetzt jährlich neuerwählten 174 Anwälte theils unter sich, theils auch mit ihren Vorgängern in keiner ordentlichen Uebereinstimmung stehen, sieht sich der Wähler genöthigt, sein Wahlrecht nicht nur alle Jahr wieder von neuem, sondern auch oft in demselben Jahr vor verschiedenen Anwälten von neuem zu beweisen, und gibt, bei großer Entfernung seiner Grundbesitze von einander, oft lieber sein an einen solchen entfernten Grundbesitz geknüpftes Wahlrecht ganz auf, als daß er, zur wiederholten Darthuung desselben, sich erst noch einer langen kostspieligen Reise unterziehe. Ja, es ist vorgekommen, daß Gegner des entfernten Wählenden, auf dessen Reisescheu rechnend, eine Menge von Scheingründen gegen das ihm zustehende Wahlrecht erhoben, die sie, wenn er nun dennoch eintraf, augenblicklich wieder zurücknahmen. Der permanente Untersuchungsgerichtshof, den ich, um solchen Uebeln abzuhelfen, nun also vorschlage, würde aus einer kleinen fixen Anzahl, ungefähr aus 15, Untersuchungsanwälten bestehen, von denen, zur Entscheidung streitiger Fälle, 12 jeder einen ihm bestimmten Bezirk bereisen, 3 ein stehendes Appellationsgericht bilden sollten. Als Grund für neue Untersuchung bei einmal zuerkanntem Rechte dürften nur förmlich eingereichte Einsprüche oder entschiedene Veränderungen in des Wählers äußerer Lage angesehen werden; der Ausspruch des einzelnen Anwalts müßte bei factischen Fragen entscheidend seyn, und nur bei gesetzbetreffenden Fragen den Appell zulassen. Uebrigens muß dann jedenfalls von diesem ersten Appellationsgerichte noch ein zweiter Appell an das Haus selbst stattfinden dürfen. Hinsichtlich der Ernennung jener fünfzehn Registrirungsanwälte, meine ich, daß selbige zunächst von den Richtern, die bis jetzt auch die 174 Anwälte ernannten, ausgehen müsse, und zwar so, daß jeder der 15 Richter drei Candidaten vorschlüge; von diesen 45 Candidaten aber solle dann der Sprecher des Hauses die fünfzehn wirklichen Anwälte auswählen. Meine zweite Bill enthält nur wenige und auch diese schon meistens aus frühern Bills bekannte Bestimmungen, hinsichtlich des Schätzens gewisser das Stimmrecht bedingenden Leistungen, nämlich folgende: 1) in Wahlorten (boroughs) sollen von den erforderlichen 10 Pf. wenigstens 5 Pf. in Hauseigenthum bestehen; 2) in Grafschaften sollen vereinte Besitzer eines hinreichenden Eigenthums jeder so stimmen dürfen als sie in Boroughs thun; 3) das Bezahlthaben einer directen oder Armensteuer soll nicht nothwendig seyn, wenn sie nicht wenigstens sechs Monate vor der Wahl fällig war; 4) Niemand soll seine Stimme in einer Wahl deßhalb verlieren, weil er seit der letzten Wahl seinen Aufenthalt geändert hat. (Letztere Bill nennt die Times eine Wiederholung der früheren von den Radicalen unternommenen Versuche alles ihnen in der Reformbill noch Unbequeme nach und nach abzuschaffen.) Wir haben schon berichtet, daß das Haus die Einbringung beider Bills gestattete.

Frankreich.

Der König der Belgier ist am 7 Mai wieder nach Brüssel zurückgereist.

Die Armee hat einen empfindlichen Verlust durch den Tod des Generallieutenants Vicomte Rogniat erlitten. Er war Präsident des Comité's des Geniewesens, Mitglied der Pairskammer, der Akademie der Wissenschaften u. s. w. Er starb am 8 Mai nach einer kurzen Krankheit in seinem 64sten Jahre. Noch vor wenigen Tagen hatte er aus Anlaß des Gesetzes, die Einführung der Percussionsflinten betreffend, in der Pairskammer eine wichtige Rede gehalten.

Alle Blätter legen Bedeutung auf die Sprache, mit welcher dießmal der Vertreter des Erzbisthums von Paris, Abbé Affre, dem König bei seinem Namensfeste begrüßte: Ihre Sorgfalt für die Interessen der Religion (sagte er zu dem Monarchen) hat Ihnen unsern und den Dank aller französischen Katholiken erworben. Wir fühlen uns glücklich, Ihnen die Versicherung darbringen zu können, daß zu keiner Zeit der Clerus besser erkannt hat, von welcher Art seine Hingebung für jenes vielgeliebte Frankreich seyn müsse, das uns nie unempfindlich finden wird für seinen Ruhm, seine Wohlfahrt und alle Wechselfälle seiner guten und seiner bösen Geschicke. Um ihm mit Eifer und mit Liebe zu dienen, wünschen wir nicht das, was andere Wohlthaten nennen, wir aber als schwere Gefahr bringend fürchten. Die Reichthümer der Geistlichkeit und ihre politischen Einflüsse, welche hervorragende Tugend so oft zum Glück der Gesellschaft, zum doppelten Ruhme der Kirche und des Staates anwandten, trugen eben so häufig dazu bei, ein Amt zu lähmen, das, wenn es mit Erfolg geübt werden soll, die größte Selbstverläugnung erheischt. Jene Selbstverläugnung wird uns eine theure Pflicht seyn, wenn sie uns dazu hilft, den dreifachen Beruf, den wir von unserm göttlichen Meister erhielten, zu erfüllen: den Armen zu trösten, Herz und Geist der Jugend zu bilden, und in Aller Gemüth jenen Frieden, jenes christliche Wohlwollen zu prägen, wodurch politische Erschütterungen gestillt oder verhütet werden. Einzig im Interesse einer so heiligen Aufgabe trachten wir nach der zur Erfüllung derselben nöthigen evangelischen Freiheit. Mögen diese Gefühle, deren volle Aufrichtigkeit Gott kennt, sich immer klarer zu Tag stellen! Mögen sie uns dazu dienen, den edelsten Ehrgeiz, der unsere Herzen bewegen kann, zu befriedigen, nämlich ein Band zu seyn, das um so stärker, je uneigennütziger es ist, zwischen allen Mitgliedern einer Gesellschaft, in welcher wir nur Freunde und Brüder erblicken! 1076 Der König antwortete im Wesentlichen: Ich empfange mit besonderm Vergnügen den Ausdruck der Gefühle, deren Versicherung Sie mir im Namen des Clerus darbringen. Sie wissen, was ich für ihn gethan habe, um ihm den freien und friedlichen Genuß aller seiner Rechte zu verbürgen, indem Ich die Religion mit jener Ehrfurcht, jenem Beistande, und, wenn ich mich des Worts bedienen darf, mit jenem Schutze umgab, der eine Pflicht ist, die ich mit eben so viel Eifer als Glück erfülle. Mit Freude erblicke Ich den Cultus wieder in die Sicherheit und den Glanz, die ihn umgeben müssen, versetzt. Möge Ihr heiliges Amt, von allen es so lange belästigenden Hemmnissen befreit, allen Herzen die Grundsätze der Moral und die Tröstungen der Religion bringen!

Aus der Rede des Conseilpräsidenten in der Deputirtenkammersitzung vom 8 Mai tragen wir noch Einiges nach. Hr. Thiers trat zugleich als Anwalt des Rübenzuckers, wie der Colonien gegen die übereifrigen Gegner dieser Interessen auf. Er wünscht wo möglich das Gleichgewicht zwischen den beiden Industrien zu erhalten, der gedrückten Lage der Colonien aufzuhelfen, aber nicht durch Verbot der einheimischen Zuckerfabrication. Hr. Thiers hob zuerst die Wichtigkeit des Colonialhandels hervor. Der Werth der Ein - und Ausfuhr belief sich in Frankreich im J. 1838 auf 1323 Millionen (629 Millionen Einfuhr, 694 Mill. Ausfuhr); in dieser Ziffer figurirt der Colonialhandel mit 95 Millionen. Dieser Handel beschäftigt gegen 10,000 Matrosen, aus denen Frankreich im Fall eines Seekriegs den enschiedensten Vortheil ziehen könnte. Aus diesen großen Vortheilen, fuhr Hr. Thiers fort, welche der Colonialhandel Frankreich gewährt, darf man aber keineswegs folgern, daß man die einheimische Industrie zu Gunsten der Colonien zerstören müsse. Man hat gegen die Runkelrübe unter Anderm eingewendet, daß ihre Cultur nur 30,000 Hektaren Landes bedecke, was im Vergleich mit den 52 Millionen Hektaren, aus denen der Boden Frankreichs besteht, ein so unbedeutender Platz in der Agricultur sey, daß es sich der Mühe nicht lohne, sich damit zu beschäftigen. Dieß ist aber ein Irrthum. Von allen Culturzweigen bedeckt das Getreide in Frankreich am meisten Boden; es nimmt 13 Mill. Hektaren Landes ein. Durchwandern Sie aber Frankreich, so werden Sie sich überzeugen, daß die ärmsten Gegenden, da wo es sogar an Vieh fehlt, jene Gegenden sind, welche nichts als Getreide erzeugen. Die reichsten Departements dagegen sind jene, welche industrielle Culturzweige besitzen; durch sie verschwinden die brachliegenden Grundstücke. Nicht nach dem Raum, den sie bedecken, darf man demnach die Wichtigkeit der verschiedenen Culturzweige bemessen. Eine andere Rücksicht für die Runkelrübe bildet auch die rasche Zunahme der Zuckerconsumtion seit der Entstehung jener Cultur. Im Jahr 1820 belief sich die Zuckerconsumtion nur auf 44 Millionen Kilogramm; im Jahr 1839 betrug sie 120 Millionen; sie hat sich sonach innerhalb weniger als zwanzig Jahren beinahe verdreifacht. In den ersten vier Jahren dieser Periode betrug die Zunahme 13 Millionen, in den darauf folgenden vier Jahren 14 Millionen, dann 18 Mill. und endlich 29 Mill.; die Consumtion war sonach im Fortschreiten, und es wäre nicht unmöglich, daß sie sich binnen 20 Jahren abermals verdreifachen und auf 360 Kilogr. steigen würde. Ich bin überzeugt, daß die Runkelrübe eine große Zukunft hat, und daß sie, wenn sie einmal in reine Agriculturdepartements verpflanzt seyn wird, den Zucker weit billiger als jetzt liefern dürfte. Zur Unterdrückung eines für unsere Agricultur so nützlichen Products werde ich nimmermehr die Hand bieten. Ich glaube, daß dasselbe um so kostbarer ist, als in Frankreich auf dem Grundbesitz vielleicht unter allen Ländern der Welt die meisten Steuern haften, und unsere Pflicht uns gebietet, denselben möglichst zu erleichtern. Hr. Berryer folgte dem Conseilpräsidenten und hielt eine warme Rede zu Gunsten der Colonien und namentlich des französischen Seehandels, dem man endlich einmal die Meere Indiens und den Golf von Mexico öffnen müsse. Die Colonien verdienten Berücksichtigung, nicht allein, weil sie die Hälfte der auf weite Fahrten gehenden französischen Kauffahrteifahrer beschäftigten, sondern auch weil sie von den französischen Fabriken für 65 Millionen Waaren bezögen, also fast ein Zehntheil der Gesammtausfuhr. Hr. Berryer ist für die Unterdrückung der Rübenzuckerfabrication gegen Entschädigung. Er glaubt, dieß sey selbst im Interesse der Fabricanten. Denn wenn man die Steuer auf den Rübenzucker auf 25 Franken erhöhe, würde gleich eine Anzahl Fabriken zur Einstellung ihrer Arbeit genöthigt seyn; die Krise der Fabricanten würde in der Folge zunehmen, wenn die Colonien durch ein verbessertes Verfahren wohlfeilern Zucker lieferten, und am Ende würden alle Fabriken eingehen. Mit einer Erhöhung der Abgabe verdamme man demnach die einheimische Industrie nur zu einem langsamen Tode, ohne Vortheil für ihre Rivalin. Das Verbot des Rübenzuckers scheint Hrn. Berryer das einfachste und sicherste Mittel, dem Seehandel und den Colonien wieder aufzuhelfen. Die Entschädigung für die Fabricanten, meint er, würde bald durch die Zunahme der Zolleinkünfte gedeckt. Hr. Dupin war der letzte Redner dieser Sitzung. Er sprach gegen das Amendement des Hrn. Lacave-Laplagne. Das Verbot der Rübenzuckerindustrie wäre, sagte er, ein Mißbrauch der Gewalt, der Vorschlag sey nicht französisch. (Lärmen.) Nachdem man Fabricanten für die Fortschritte ihrer Industrie mit der Ehrenlegion decorirt habe, wäre es unwürdig, sie zu zwingen, dieselbe Industrie, nicht auf dem Altar des Vaterlandes, sondern auf einer Casse voll Thaler zu ofern. Die Deputirten, welche schon vor der Rede des Hrn. Dupin große Ungeduld verrathen hatten, verließen ihre Plätze haufenweise, noch ehe er geendigt hatte. Die Sitzung mußte deßhalb aufgehoben werden.

*In der Sitzung der Deputirtenkammer vom 9 Mai legte der Präsident des Conseils einen Gesetzesentwurf vor, welcher einen Credit von 540,000 Fr. für außerordentliche Ausgaben der französischen Agenten in Montevideo verlangt. Die Kammer verwies den Entwurf an die betreffende Commission. Die Berathung über den Zucker wurde dann wieder aufgenommen. Hr. Duchatel, unter den vorigen Cabinetten Minister des Innern und des Handels, hielt eine Rede zu Gunsten des Amendements des Hrn. Lacave Laplagne. Er bemühte sich besonders einige Punkte der Rede des Hrn. Thiers vom vorhergehenden Tage zu bekämpfen. Die Zuckerfrage, meinte er, sey eine Frage für sich, und habe keinen Bezug auf den Schutz, den Frankreich andern Industriezweigen angedeihen lasse. Die Agricultur habe keineswegs ein so großes Interesse, die Fortsetzung der Rübenzuckerindustrie zu wünschen, wie Hr. Thiers behauptet; endlich sey auch das Interesse der Consumenten, welche doch die Masse der Gesellschaft bildeten, für das Amendement. Hrn. Martin (du Nord) gelang es, trotz der Ungeduld der Deputirten, welche den Schluß der Debatte verlangten, sich noch einiges Gehör zu verschaffen. Er wünscht nur das Verbot der Einfuhr des ausländischen Zuckers, und glaubt dadurch das Bestehen der beiden Industrien neben einander sichern zu können. Hr. v. Lamartine suchte auch noch zum Wort zu kommen. Er verwünschte das System der Regierung, die immer nur vertage und zaudere, ohne einen festen Entschluß zu fassen. Uebrigens drückte Hr. v. Lamartine selbst keine bestimmte Meinung aus. Er schien sich zu dem vorliegenden1077 Amendement zu neigen, verlangte aber eine Modification. Der Berichterstatter, General Bugeaud, erklärte, die Commission sey durch die glänzende Rede des Conseilpräsidenten befriedigt, da diese dem einheimischen Zucker Hoffnungen gewähre. Uebrigens wünscht er, das Cabinet möge sich noch zu größern Zugeständnissen für den einheimischen Zucker verstehen. Endlich kam es unter dem ungeduldigen Geschrei der Kammer zur Abstimmung. Das Amendement des Hrn. Lacave Laplagne wurde mit großer Majorität verworfen. Das gleiche Schicksal hatte ein Amendement des Hrn. Billaudel, der eine starke Herabsetzung der Colonialzuckerzölle in Vorschlag brachte. Die Post ging ab, ehe weitere Beschlüsse gefaßt waren.

(Commerce.) Man hat uns noch nicht gesagt, daß die Asche Napoleons von England zurückgefordert worden sey, und doch spricht man schon in gewissen Cirkeln von der Abholung. Man wolle, wird beigefügt, dieser späten Genugthuung eine große Feierlichkeit ertheilen, und es heißt, ein Prinz der k. Familie werde das mit der Abholung der glorreichen Ueberreste beauftragte Linienschiff befehligen.

Die Pocken herrschen gegenwärtig in Paris sehr heftig. Die Maires haben bekannt gemacht, daß die Kinder nicht nur unentgeltlich geimpft werden, sondern auch jedes 3 Fr. Belohnung erhalten solle.

Ministerielle französische Blätter enthalten Folgendes über die Lage der ausgewanderten Polen: Wir haben über die Lage der ausgewanderten Polen in Frankreich officielle Berichte eingezogen, welche das höchste Interesse darbieten. Seit dem Zeitpunkt der Auswanderung bis zum 1 Jan. 1840 waren in Frankreich 4972 Polen eingetreten. Von dieser Zahl hat der Tod 674 weggerafft, wovon 476 an der Schwindsucht, 107 durch Selbstmord und 89 an verschiedenen Krankheiten gestorben sind. Die Emigration zählt demnach nur noch 4292 Mitglieder, welche auf folgende Weise unter die französische Gesellschaft vertheilt sind: Studirende der Medicin, der Pharmaceutik, des Rechts, der landwirthschaftlichen und Forstschulen, der schönen Künste 700; verschiedene Gewerbtreibende, in Fabriken angestellt 2000; in Frankreich Verheirathete 447; Greise, Frauen und Kinder, die ihre Güter behalten haben 153. Die letzte Rubrik, nämlich die Greise, Frauen und Kinder oder die Emigranten, welche die Trümmer ihres Vermögens gerettet haben, ausgenommen, gibt es unter 4298 Polen 3147, die beschäftigt sind, und die das Beispiel der löblichsten Thätigkeit geben. Wenn die Zahl der arbeitenden Polen erfreulich ist, so kann man nur mit tiefer Wehmuth die Zahl der Sterblichkeit und besonders die Todesart betrachten, wenn man bedenkt, daß die Schwindsucht, welche so grausam die Reihen der emigrirten Polen gelichtet, keine andere Ursache hat, als den Kummer der Verbannung. Es scheint uns demnach, daß wenn dieses an sich so beredte Verzeichniß, das uns jedes weitern Commentars überhebt, dem Kaiser von Rußland zu Gesicht käme, es unmöglich wäre, daß nicht ein menschliches Gefühl in seinem Herzen sich regen, und er sich, wie der König der Franzosen und der Kaiser von Oesterreich, bewogen fühlen sollte, ebenfalls eine Amnestie zu proclamiren. Es wäre dieß eine um so zweckmäßigere und vernünftig politischere Handlung, da sie einer großen Anzahl Personen die Thore Polens eröffnen würde, die sich in unserm Lande immer von den politischen Unruhen entfernt gehalten, und sich der Ordnung und Arbeit beflissen haben; sie wäre um so hochherziger, da sie sich auf Greise, Frauen und Kinder erstrecken würde, und auch auf viele Unglückliche, deren Sehnsucht nach dem fernen Vaterlande vielleicht bald die letzten Tage untergraben haben wird.

Die Todtenfeier des 5 Mai ist dieses Jahr mit besonderer Andacht begangen worden. Das ganze Gitter, welches die Vendome-Säule einschließt, jeder einzelne eiserne Stab dieses Gitters war mit einem Todtenkranz behängt, ohne von den unzähligen andern zu reden, die das Fußgestell, die Vorderseite der Säule und die Adler schmückten, ohne der Schaar von Blumentöpfen zu gedenken, die der Wächter vor dem Eingange des Monuments in Reih und Glied gestellt hatte. Ich kann nicht beschreiben, welche Rührung dieser unerwartete Anblick ich hatte nicht an die Bedeutung des Tages gedacht in mir hervorgebracht hat. Unstreitig ist die Masse der Bevölkerung, wie wir alle, nicht Napoleonisch gesinnt; ein neuer Versuch, Frankreich unter die Herrschaft der Bonapart'schen Familie, unter die Herrschaft der Ideen ihres großen Hauptes zurückzuführen, würde eben so sehr fehlschlagen als der erste, der vor vier Jahren in Straßburg stattgehabt hat. Dieß ist unsere feste Ueberzeugung, in der uns jeder Tag des öffentlichen und politischen Lebens in Frankreich mehr bestärkt. Aber es liegt in jener schnell verschwundenen Größe, die an das Höchste im Alterthum erinnert und es vielleicht übertrifft, etwas so Achtunggebietendes und für die Nation, der übrigen Welt gegenüber, so Glorreiches, es hat sich schon jetzt in die Erinnerung an jene außerordentliche Zeit so viel Sage und geheimnißvolle Poesie verwebt, daß vor dem Namen, der ihr Stern und Führer war, jedes andere Gefühl als das der ehrfurchtsvollen Bewunderung, vor seinem großartigen Untergang jede andere Empfindung als die der Pietät verstummt. Wann endlich wird diesem stolzen Denkmale seine wahre Bedeutung verliehen werden? Wann wird es, wie die Juliussäule den Kämpfern von 1830, der Asche des großen Todten zur geschichtlichen Ruhestätte dienen? Seine Werke leben überall, jeder Schritt in seiner ehemaligen Hauptstadt erinnert uns an seinen Namen, die Nation ist stolz auf seine Institutionen und Gesetze, nur seine Gebeine sind vom vaterländischen Boden verbannt, und was seine Feinde in angstvoller Rache über ihn verhängt, genehmigt Frankreich stillschweigend, indem es nicht mit allem Nachdruck und unaufhörlich verlangt, daß die Reste des Kaisers nach dem Vendomeplatz verbracht werden, wo sodann das eherne Denkmal von der ihr inwohnenden Seele belebt als moderne Memnonssäule in jedem Augenblick von Gefahr und patriotischem Kampfe dem Lande seine Größe und seine Pflichten ins Gedächtniß rufen möge.

Der Mangel eines energischen Willens seit dem Tode Casimir Periers hatte zur Folge, daß die um die oberste Gewalt buhlenden Männer seit langem kein anderes Schauspiel dargeboten hatten, als das einer inextricabeln Cabale Thiers, Guizot, Molé mit ihren Doubluren. Regieren war seit dem Tode Periers nichts als Cabaliren. Einer suchte dem andern die Gewalt vor dem Munde wegzuschnappen. Guizot fing das Ding allzufein an, er glaubte von oben herab, durch den Thron siegen zu können; aber da gewann ihm Molé den Vorsprung ab, und so verband sich Guizot mit Thiers in der Coalition. Thiers, welcher den Instinct des Landes auf das vollkommenste besitzt, und die seltene Gabe hat seine Fehler zu verbessern, stellte sich halb und halb zwischen Regierung und Opposition, und ging, um mit heutiger Sprache zu reden, als Mann der Situation aus derselben hervor. Heute nimmt er die stärkste Stellung seit dem Abgange Casimir Periers ein. Seine Absicht ist offenbar zu laviren, bis er sich besser befestigt hat; eben das fürchten diejenigen seiner Vorgänger, welche von ihm aus dem Felde geschlagen worden sind, und deßwegen sind sie bemüht, ihn als ein Organ der Linken oder der puren Revolution hinzustellen. Die Linke ist1078 aber nichts anders als ein matter Ueberrest früherer Oppositionen, mit denen Thiers dem Anschein nach zu capituliren hat; er will selbstständig seyn, und sich durch seine Persönlichkeit, und nicht durch das linke Centrum (welches aber Nichts ist) zwischen Rechte und Linke neuen Schlags durchdrängen. Wird es ihm gelingen? Wenn es ihm gelingt, was hat er im Kopf und Herzen, was wird er machen? Das ist die Frage. Gelingen wird es ihm allerdings, wenn ihn nicht etwa ganz unvorhergesehene Ereignisse zu denen nicht die mindeste Wahrscheinlichkeit vorliegt überrumpeln sollten. Wenn es ihm aber gelingt, was dann? Daß Hr. Thiers ein Mann von Geist, Witz und Ressourcen ist, das weiß Jeder. Seine politischen Gegner sehen in ihm einen Retz oder auch einen Calonne; die ihn am höchsten stehen, machen ihn zu einer Art Talleyrand; die ihn hassen, wandeln ihn um in einen Cardinal Dubois; er selbst möchte gerne eine Mischung abgeben von Mazarin und Richelieu, die Feinheit des einen, die Kraft des andern verbindend. Aber das sind Alles Einbildungen seiner Freunde, seiner Feinde oder seiner selbst. Seine Beredsamkeit strömt nicht aus voller Quelle wie die des Berryer; ist nicht edel und gedankenvoll, auch nicht so vag und unbestimmt wie die des Lamartine; ist nicht methodisch geordnet, gedrängt classificirt wie die des Guizot; sie hat weder Feuer noch Schwung, noch ist sie scharf markirt in Bestimmungen; sie ist aber voltairisch plan, licht, etwas breit, aber gescheidt, manchmal überraschend, conversationsartig, oft nicht ohne Schwung; nimmer großartig und bedeutend, zeigt sie doch einen umsichtigen, beweglichen, lebendigen Kopf voller Comprehension. Sollten diese Talente wahre Plane und in sich geschlossene Ansichten über In - und Ausland verdecken? oder ist es nur ein geistreiches Spiel mit Gedanken, Einsichten, sogar Ideen? Das Klügste ist eine vollkommene Skepsis, die übrigens schon unter seinen gemäßigtern Gegnern der Kammer um sich greifend, ihm erlaubt, sich ein Terrain zu präpariren, wo er denn endlich das der Welt versprochene Schauspiel der Entwickelung einer höhern Geisteskraft geben kann, wenn er sie wirklich besitzt.

Das Dampfboot Chimère ist mit Nachrichten aus Algier vom 2 Mai eingetroffen. Die Armee ist in drei Colonnen nach Miliana aufgebrochen. Die erste Colonne unter dem Commando des Herzogs von Orleans folgte der Richtung der Atlaskette, die zweite unter dem Marschall Valée zog mitten durch die Ebene Metidscha, die dritte, bei welcher der berühmte Obrist Lamoricière sich befindet, marschirte an dem Südrand des Sahel hinab. Vor dem Aufbruch der Armee von Belida hat der Marschall Valée folgenden Tagsbefehl bekannt gemacht: Soldaten! Der Feldzug von 1840 beginnt. Er wird ruhmvoll enden, wie alle früheren. Euer Muth und eure Anstrengungen werden Frankreich die Stämme unterwerfen, die sich noch weigern, seine Souveränetät anzuerkennen, und ihr werdet den verwegenen Häuptling züchtigen, welcher die Verträge gebrochen hat, die seine Macht begründeten. Soldaten! Der Thronerbe wollte von neuem Theil nehmen an euren Arbeiten und Gefahren. Ihr werdet euch würdig zeigen, unter den Augen der beiden Söhne eures Königs zu fechten, und wie in Constantine, wie bei den Eisenpforten, wie in so vielen andern Gefechten werden eure Fahnen siegreich wehen im Thale des Schelif! Die Armee stieß auf den Feind nahe bei dem Kubbar-el-Rummiah. Der Kampf war heiß. Man spricht von 800 getödteten Feinden, was wohl übertrieben ist. Der Herzog von Aumale griff an der Spitze der Cavallerie wie ein Löwe an. Das Wetter ist sehr günstig, die Hitze aber bereits ziemlich groß. Alles läßt einen günstigen Ausgang des Feldzugs hoffen.

Belgien.

Die Repräsentanten haben das Amnestiegesetz mit dem von der Centralsection vorgeschlagenen Zusatze insofern es nöthig angenommen; der Zweifel über den Sinn des 20sten Artikels des Friedensvertrags besteht also nach wie vor, und die Majorität vom 14 März, die gegen die abgetretenen Minister behauptet, er sey nicht auf Belgien anwendbar, nur ein besonderes Amnestiegesetz hätte den Vandersmissen freisprechen können, hat den früher errungenen Vortheil hiemit verloren; denn ist einmal zugegeben, daß die Frage zweifelhaft sey, so handelten die früheren Minister ganz dem in solchen Fällen geltenden Grundsatz gemäß, und es entsprach auch ganz der Würde der Regierung und der königlichen Prärogative, den fraglichen Artikel zu Gunsten Vandersmissens zu deuten. Das abgetretene Cabinet steht also im Wesentlichen gerechtfertigt. Das Amnestiegesetz war das erste Gesetz, welches das Ministerium in die Kammer gebracht; es verdankte dazu derselben parlamentarischen Krisis, die das neue Cabinet hervorgerufen, seine Entstehung. Die Abstimmung über dasselbe mußte somit der Probestein der Stellung der neuen Minister in der Kammer werden. Diese haben aber nicht den Muth gehabt, eine Probe zu bestehen; der Majorität, welcher sie ihre Portefeuilles verdanken, hat es ebenfalls an Muth gebrochen, ihre frühere Ansicht zu behaupten, und so haben beide sich ein Amendement gefallen lassen, das die Lorbeeren vom 14 März welken macht. Unter solchen Umständen können weder Kammer noch Ministerium in der Achtung gewinnen. Die an sich schon unbedeutende Majorität vom 14 März (43 gegen 38) hat nun vollends ihre Bedeutung verloren, und dennoch hat man zu Gunsten dieser Majorität ein Recht aufgegeben, welches das abgetretene Ministerium für die Krone vindicirte, das Recht nämlich der Interpretation diplomatischer Verträge in ihren, die königliche Prärogative so ganz besonders berührenden Bestimmungen über Amnestie und Niederschlagung politischer Proceduren. Zugleich hat ein königlicher Beschluß einen früheren Beschluß, der einen großmüthigen Begnadigungsact enthielt, mit der Erklärung widerrufen müssen, letzterer habe auf einem Irrthum beruht. Kann man gleich den Männern, welche die Hauptposten in dem neuen Cabinet bekleiden, weder Talent noch Charakter absprechen, so ist doch die Macht der Umstände stärker; sie tragen die Gebrechen ihres Ursprungs an sich. Wie können Minister sich versprechen, die Regierung stärker zu begründen, wenn sie ihre Hauptstütze gerade bei denen suchen müssen, deren Geschäft seit dem Anfang der neuen Ordnung es gewesen ist, die Centralgewalt so viel wie möglich zu schwächen? Schmeichelt sich das neue Cabinet, diesen Liberalismus zu bekehren, und einer gouvernementalen Disciplin zu unterwerfen, so tragen dagegen die liberalen Blätter Sorge dafür, hiegegen einmal über das andere zu protestiren, und erklären, wie dieses das Journal de Liege in dürren Worten ausspricht: nur weil die Minister zu der Hoffnung berechtigt, daß sie ihre Grundsätze im Sinne des Liberalismus geändert, sey es ihnen möglich geworden, Minister zu werden; fände man sich in dieser Hoffnung getäuscht, so würde man sie gleich aufgeben, und zur alten Opposition zurückkehren.

Niederlande.

Die zweite Kammer der Generalstaaten hielt gestern wieder Sitzung, in welcher die Centralabtheilung ihren Bericht über die Budgets erstatten sollte, was aber unterblieb, da der Bericht bereits gedruckt war und also gleich zur Kenntnißnahme der Kammermitglieder gebracht werden konnte. Der Secretär verlas indessen doch die Schlußstellen1079 des Berichts über die Ausgaben, was Hr. Beelaerts van Blokland für eine Verspottung der Kammer erklärte, da diese Schlußstellen schon vor einigen Tagen von allen Zeitungen mitgetheilt worden seyen. Darauf entstand eine kurze Debatte über den Tag, an welchem die Discussion über die Budgets beginnen solle; es wurde beschlossen, diesen Tag erst dann zu bestimmen, wenn die Gesetzesentwürfe bezüglich des Amortisationssyndikats vorgelegt worden. Briefe aus Maestricht melden, daß in der Nacht vom 4 auf den 5 d. daselbst eine neu erbaute große Tuchfabrik abgebrannt sey. Nur wenig entfernt vom Brandplatz steht ein ganz angefülltes Pulvermagazin, und nur die ungeheuersten Anstrengungen der Artillerietruppen retteten die Stadt vor großem Unglück, denn das Pulvermagazin wurde von einem Feuerregen bedeckt.

Deutschland.

Wie bis jetzt bestimmt ist, wird nächsten Sonntag den 17 Mai, wenige Stunden nach der Abreise Sr. Maj. des Königs, auch Ihre Maj. die Königin mit der jüngern königl. Familie die Stadt verlassen, und sich nach Würzburg verfügen. Der Monarch begibt sich, wie man vernimmt, über Landshut, wo Se. Maj. die Trausnitz besucht, nach Stauf zur Besichtigung der Walhalla und soll in Regensburg übernachten, des andern Tags aber den Festungsbau zu Ingolstadt in Augenschein nehmen. In Würzburg treffen beide Majestäten zusammen und setzen vereint die Reise nach Aschaffenburg fort. Der Director des Apellationsgerichts für Ober-Bayern, Allweyer, ist zum ersten Director dieses Gerichtshofs vorgerückt. Der Appellationsrath in Aschaffenburg, Pappius, ist zum Oberappellationsrath befördert, und an seine Stelle der bisherige Assessor in Bamberg, v. Dobeneck, Appellationsrath in Aschaffenburg geworden. In der letzten Ziehung der bayerischen Zahlenlotterie wurden sehr namhafte Summen gewonnen. Die merkwürdige Veranlassung dazu gab eine neue Steinzeichnung, die an den Kunstladen ausgestellt war, eine Volksscene vorstellend, wie nämlich eine Masse Menschen vor einem Lotteriecomptoir versammelt steht, wo eben die gezogenen Nummern veröffentlicht werden. Der Zufall wollte nun, daß die drei Nummern, die auf dem Bilde zu sehen sind, des Abends wirklich herauskamen.

In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer wurde die Berathung über die Beschädigungen fremder Sachen fortgesetzt. Der §. 523, welcher die Beschädigungen aus Muthwillen mit der Hälfte der Strafe boshafter Beschädigungen bedroht, wurde, da der Geh. Rath Duttlinger eine andere Fassung vorschlug, an die Commission zurückgewiesen. Die übrigen Bestimmungen §§. 524 bis 529 wurden mit unbedeutenden Aenderungen angenommen. Der Tit. XLII handelt von der Herabwürdigung der Religion und der Störung des Gottesdienstes. Nach §. 530 wird derjenige, welcher Religionslehren oder Gegenstände der religiösen Verehrung einer im Staat aufgenommenen oder geduldeten Religionsgesellschaft durch Aeußerungen oder Handlungen, welche eine Lästerung oder den Ausdruck der Verachtung enthalten, herabwürdigt, wenn dadurch öffentliches Aergerniß gegeben wird, mit Gefängniß oder Arbeitshaus bis zu 1 Jahr bestraft. Im Regierungsentwurf hieß es: welche eine Lästerung oder den Ausdruck von Spott oder Verachtung enthalten. Kunzer trug darauf an, den Regierungsentwurf in dieser Beziehung wieder herzustellen, was von den Regierungscommissären Jolli und Duttlinger, so wie von den Abg. Welcker und Christ unterstützt wurde, weil Angriffe mittelst Spotts am tiefsten verletzen, während Sander und Rotteck, welche den Commissionsantrag vertheidigten, in jenem Ausdruck eine zu große Beschränkung des Reformirens und der Redefreiheit in Religionssachen erblickten. Der Ausdruck Spott wurde aufgenommen. v. Rotteck betrachtete das vorliegende Verbrechen allein als eine Beleidigung gegen die Religionsgenossen, welche dadurch, daß man ihre Lehren und Gegenstände ihrer Verehrung verächtlich behandle, selbst beschimpft werden. Uebrigens verlangte er eben deßwegen, daß die Absicht, zu beleidigen, in den Artikel aufgenommen werde. Geh. Rath Duttlinger stellte außer der Beleidigung der Religionsgenossen noch andere Gesichtspunkte auf, von welchen aus die Gotteslästerung strafbar erscheine. Sie erschüttere die Religion, als den Grundpfeiler der Staatsordnung, und sey also für diese selbst gefährlich, sie errege großes Aergerniß und Beunruhigung in den Gemüthern der Gläubigen. Christ fügte bei, sie raube dem Menschen das, was am meisten seine Glückseligkeit begründe, nämlich seinen Glauben, also ein weit größeres Gut als das Eigenthum. Duttlinger gab übrigens zu, daß, um den Reformator nicht zu bedrohen, und überhaupt die Gewissensfreiheit, die Freiheit der Rede und Lehre zu schützen, eine böse Absicht, nämlich die Absicht, Religionslehren oder Gegenstände religiöser Verehrung durch Lästerung, Spott oder Verachtung herabzuwürdigen, hier nöthig sey, wornach er eine Redactionsveränderung vorschlug, die angenom wurde. Der Tit. XLIII von dem Hochverrath führt als hochverrätherische Zwecke auf: 1) den Großherzog von der Regierung zu entfernen, oder ihm die Regierung unmöglich zu machen; 2) das Großherzogthum oder einen Theil desselben einem fremden Staat zu unterwerfen; 3) oder die Staatsverfassung abzuändern oder zu unterdrücken. Als die Mittel, um einen dieser Zwecke durchzuführen, d. i. als die hochverrätherischen Mittel werden aufgeführt: 1) persönlicher Angriff auf den Großherzog; 2) Veranlassung des Einfalls einer auswärtigen Macht; 3) Aufruhr im Innern; 4) Mißbrauch einer anvertrauten öffentlichen Gewalt. Wer nun durch eines dieser Mittel einen der genannten hochverrätherischen Zwecke durchzuführen unternimmt, wird als Hochverräther bestraft. Die ordentliche Strafe ist die Todesstrafe, welche auch denjenigen trifft, der sich (ohne Rücksicht auf den Zweck) mit dem Vorsatz der Tödtung eines Angriffs gegen den Großherzog schuldig macht. Ist das Mittel zum Hochverrath ein Aufruhr im Innern, so wird die Strafe nach §. 537 auf lebenslängliches oder zeitliches Zuchthaus nicht unter 10 Jahre herabgesetzt, wenn der zum Ausbruch gekommene Aufruhr unterdrückt wurde, ehe noch die Aufrührer dabei eine Tödtung oder ein anderes schweres Verbrechen verübt haben; und es trifft überhaupt nur die Anstifter und diejenigen, welche in Folge einer vorausgegangenen Verschwörung am Aufruhr Theil genommen haben, die volle Strafe, wogegen für diejenigen, welche am Aufruhr Theil nehmen, ohne vorher an der Verschwörung Theil genommen zu haben, im §. 537 a. nur Zuchthausstrafe gedroht wird. Alle diese Bestimmungen wurden nach kurzen Erörterungen angenommen.

Es hat noch keineswegs den Anschein, als werde zu Pfingsten die beabsichtigte Schließung unsers dermaligen Landtags eintreten können. Noch sind das Preßgesetz, welches demnächst zur Berathung kommt, ein Gesetzentwurf über das Armenwesen und ein anderer über die Comunalgarden als Hauptsachen zurück, welche der Berathung der Stände unterliegen sollen. Selbst wenn die vermuthete Zurücknahme des Preßgesetzes eintreten würde, dürfte dennoch die Dauer der Ständeversammlung die Mitte des Junius überschreiten. Auf der Leipzig-Dresdener Eisenbahn haben sich in diesen1080 Tagen zwei Unfälle ereignet. Einmal gerieth die Locomotive eines von Leipzig kommenden Güterzugs von den Schienen, und stürzte mit einigen Güterwagen von dem Damme hinunter, wobei von den Führern des Transports einige schwer verwundet worden sind. Sodann ist ein Wagen mit Gütern, man sagt durch beigepackte, verheimlichte Streichzündhölzer, in Brand gerathen, und dadurch ein namhafter Schaden erwachsen, welchen natürlich der Verlader jenes gefährlichen Artikels wird tragen müssen. Gestern Abend fand in Gegenwart der Minister, vieler Kammermitglieder und anderer ausgezeichneten Personen die feierliche Einweihung der neuen Synagoge statt, bei welcher Gelegenheit Dr. Frankel einen zum Glauben, zur Einigkeit, Liebe und Treue anregenden, beredten Vortrag hielt.

Nach der Hannover'schen Zeitung brach in Bergen an der Dumme im Hannover'schen den 2 Mai eine Feuersbrunst aus, welche in einigen Stunden drei Viertel des Fleckens in Asche legte und 150 Familien ihres Obdaches und ihrer Habe beraubte. Da die meisten Häuser mit Stroh gedeckt waren, auch die große Dürre das Umsichgreifen des Feuers sehr begünstigte, und der Wind sich mehreremale umsetzte, so war der Untergang des Orts unvermeidlich. Unter den abgebrannten Gebäuden beklagt man besonders die im vorigen Jahr erst vollendete schöne, für 14,000 Thlr. erbaute Kirche.

Es scheint jetzt Ernst mit der Heranziehung der noch unvertretenen Corporationen zur Abgeordnetenwahl zu werden. Auch an die Residenz dürfte binnen kurzem eine neue Aufforderung deßhalb gerichtet werden. Die Zahl der Mitglieder beider Kammern ist noch immer zwischen vierzig und fünfzig. Stubbe für den Diepholzischen Bauernstand ist eingetreten; Canzleirath Wedemeier für die Diepholzischen Flecken hat abgelehnt; Stüve ist für den Bentheimischen Bauernstand wieder gewählt; der jüngere Lang soll die Wahl für Uelzen abgelehnt haben. Ob Dr. Schaumann die Wahl für Göttingen annehmen werde, wußte man noch nicht. (Kass. A. Z.)

Von Seite der Eisenbahn-Comité's in Hannover ist an die Hamburg-Bergedorfer Direction eine Aufforderung ergangen, sich mit ihr über die Fortsetzung dieser Bahn auf dem südlichen Elbeufer in Verbindung zu setzen. Das hiesige Comité hat hierein gewilligt, und man ist übereingekommen, daß Unterhandlungen dieserhalb auf einem Congreß zu Celle stattfinden sollen, wohin sich auch Deputirte von Bremen und Braunschweig begeben werden, damit man sich über ein System, welches das Interesse sämmtlicher Städte vereinigen soll, besprechen kann.

Preußen.

Die Bulletins über das Befinden des Ministers v. Altenstein, die außer dem geheimen Medicinalrath Professor Casper auch der geheime Medicinalrath Professor Schönlein unterzeichnet, lauten zwar an manchen Tagen etwas beruhigender, doch scheint eine begründete Hoffnung auf Wiederherstellung des Kranken kaum mehr vorhanden zu seyn. Hier in der Hauptstadt erhebt sich auch in diesem Jahr ein neues Haus nach dem andern, ohne daß dadurch der Miethswerth der Wohnungen fällt, und schon spricht man davon, daß wieder ein neues Stadtviertel auf derjenigen Seite des Thiergartens, die an der Spree liegt, erbaut werden soll. Zahlreiche Baulustige sollen nur noch auf die dazu erforderliche Erlaubniß des Königs warten, um hier Grundstücke zu erwerben und sie mit Häusern zu bedecken. Wir haben jetzt die Aussicht, den Componisten des Paulus, Felix Mendelssohn-Bartholdy, hier, an dem Wohnorte seiner Familie, zu behalten, da es heißt, daß ihm die Anstellung eines Capellmeisters im königl. Orchester angeboten sey. Die Generalintendanz der königl. Bühnen war so aufmerksam gegen ihn, bei einem mit Hrn. Adam hier anwesenden französischen Operntextdichter ein Libretto zu bestellen, das Hr. Mendelssohn componiren wird. Merkwürdig genug, daß von allen deutschen Musenalmanachspoeten und wir haben in diesem fruchtbaren Jahr sogar zwei solcher Almanache kein einziger einen Operntext soll schreiben können! Der Ausfall, den kürzlich der Herausgeber einer dieser Almanache, Hr. Arnold Ruge, in den Hallischen Jahrbüchern gegen den andern Almanach und namentlich gegen den Choragen desselben, Friedrich Rückert, sich gestattete, wird hier von allen Freunden der deutschen Muse um so mehr mißbilligt, als dadurch scheinbar ein neuer Beweis von der Mißgunst des kritischen Nordens gegen den poetischen Süden unseres Vaterlandes geliefert wird.

1073

Die geschichtliche Bedeutung des Ministeriums Thiers.

Das erste Jahrzehnt der Aera, die von der Juliusrevolution ihren Namen empfing, nähert sich rasch dem Ende. Im Verhältniß dieser steigenden Entfernung lösen sich allgemach auch die Massen dieser Bewegung selbst schärfer und freier von dem Hintergrunde der Geschichte ab, und dem historischen Bewußtseyn wird ein erschöpfendes Urtheil über ihren eigensten Charakter möglich. Die Revolution des Julius war ihrem nächsten Grunde nach eine abgedrungene Nothwehr der herrschenden Mittelclassen gegen die Uebergriffe des alten Regime gewesen; als solche schien sie in dem gewonnenen Sieg die nothwendige Schranke ihrer Wirkungen finden zu müssen. Allein der Lauf der bewegenden Kräfte in der Geschichte, einmal in Anstoß gebracht, läßt sich nicht mit Bestimmtheit berechnen: der Kanonendonner des Julius schlug gewaltig an alle Gräber der Vergangenheit und die drohenden Schatten von 1791 huschten wieder gespenstisch über die Bühne. Propheten standen auf im Volk, Verführte oder Verführer; ihre Angriffe richteten sich kühn gegen das ewig Positive der Gesellschaft: Staatsgewalt, Eigenthum, Ehe. Noch gefahrvoller als diese dogmatischen Verirrungen drohte der wilde desperate Geist der Arbeiterclassen, der ohne sittliche und religiöse Bindung mit geballter Faust und gierigem Auge eine neue Theilung der materiellen Lebensgüter verlangte. Man sah entsetzt in den Abgrund des Proletariats wie in einen brodelnden Lavakessel, wo die gebundenen Elementargeister der Gesellschaft schäumend durcheinander wirbelten, und an die Luft, ans Tageslicht zu steigen strebten, um Frankreich mit ihren Eruptionen zu überfluthen. Der Instinct der gemeinschaftlichen Gefahr schloß die Mittelclassen und die Dynastie Orleans aufs engste aneinander; als erschöpfender Ausdruck dieses Bündnisses erscheint Casimir Perrier, ein Mann voll Fassung und Verstand, als Geist nicht eben hoch über den Gesichtskreis seiner Kaste hinausreichend, selbstsüchtig, geldstolz, klug, welterfahren, streng wie ein Nobile des alten Venedigs ein Mann des raschen Entschlusses, des decidirten Handelns und, wie ihn die Lage brauchte, ein ganzer Charakter. Zugleich trat Talleyrand, der Mephistopheles der Revolution, soufflirend hinter den Thronsessel seines königlichen Freundes, und während Perrier die Revolution nach innen bändigte, gelang es jener ergrauten Klugheit, die ihre Hand bei allen Krisen des Jahrhunderts im Spiele gehabt, dem vereinzelten Juliusfrankreich durch die englische Allianz einen mächtigen Rückhalt im Staatensystem Europa's zu vermitteln. Die Republik, niedergeworfen in den Straßen von Paris, griff in verzweifelter Unmacht vom massenhaften Aufruhr zum einzelnen Meuchelmord; der Emeute folgte das Attentat. So sprang die Nothwendigkeit einer starken Executivgewalt, die Angemessenheit des Königthums an sich als einer socialen Idee, als der organischen Vollendung des Bürgerstaats auch dem Kurzsichtigsten ins Auge; die Mehrheit der Kammer ward entschieden monarchisch. Die gemeinsame Noth hielt Alles enger zusammen, und eine Zeitlang gingen die Staatsgewalten in trefflicher Harmonie ihren Weg, so lange Perrier als unbestrittener Chef die Mehrheit mit seiner imponirenden Charakterkraft zusammenhielt und beherrschte. Allein schon bald nach seinem Tode blätterte sich der compacte Kern auseinander, der Kampf der Unterfeldherren um den Ring des todten Alexander begann, die Mehrheit blieb in ihrer Gesinnung entschieden königlich, aber sie zersplitterte sich in mannichfaltige Fractionen. Jedes Talent von höherem Rang erschuf sich eine eigene Fahne, ein eigenes Programm, ein eigenes kampflustiges Gefolge. Aber all diese Unterabtheilungen waren nur Coterien, keine Parteien; ein ächtes unterschiedenes historisches Leben pulsirte nirgends in ihnen, kein großes Interesse des Volks, kein wahrhaftes Bedürfniß der Zeit kam an ihnen zur Spiegelung; sie erschienen eben nur als Ausdruck überreizter Ehrsucht, eines krankhaften Durstes der Einzelnen nach Macht und Ansehen. Wie nun ein erlauchter Verstand eben hiedurch Herr und Meister des Terrains geworden, wie es ihm gelungen, die gespreizten Persönlichkeiten puppenähnlich gegeneinander in Harnisch zu jagen, eine durch die andere aufzureiben und sie so zuletzt in ihrer baren Nichtigkeit vor dem Publicum wie Fische im Netze zappeln zu lassen diese reiche Aehrenlese komischer Züge muß der Feder eines späteren Lucian überlassen werden. Ministerien folgten auf Ministerien, Programme auf Programme; aber das System des persönlichen Gedankens blieb, wie auf einen unverrückbaren Schwerpunkt gegründet, dasselbe. Hatte man in den ernsten Krisen der Gesellschaft die Nothwendigkeit erkannt, das Königthum mit den eigenen Leibern zu decken, so gewöhnte man sich jetzt bei dem muthwilligen Bankerott aller öffentlichen Charaktere leicht an den andern Gedanken, auf die Persönlichkeit des Herrschers selbst als eine Instanz von höherer politischer Einsicht in allen Verwicklungen zu sehen. Die Macht des Königthums als Institution wuchs nicht, aber der Einfluß des Königs als Person wurde entscheidend.

So gelangten die Dinge thatsächlich ziemlich auf den Standpunkt wie vor der Juliusrevolution zurück, aber das Königthum selbst, indem es von seiner hohen uninteressirten Stellung in den Staub der Arena hinabtrat, stellte eben dadurch seine Existenz wie ein Problem vor die Parteien hin. Da war es Thiers zuerst, der, das Zweideutige und Gefährliche dieser Lage erkennend, aus der unterwürfigen Dienstbeflissenheit in ein energisches Behaupten seiner staatsmännischen Persönlichkeit hinübertrat, und eines Morgens sagte er spitz und keck: Schach! That er das etwa in einem Interesse selbstsüchtig schlauer Berechnung? erwog er vielleicht, daß es ihm, forthandelnd wie bisher, ergehen würde wie Pasquier und Decazes, den augendienerischen Invaliden der Restauration, oder handelte er wirklich unter dem Einfluß einer aufrichtigen Neigung für die wesentlichen Institutionen seines Landes? Wo sich persönliche und gegenständliche Rücksichten so innig vermischen, ist die Antwort mißlich; wahrscheinlich haben beide zusammengewirkt, denn die historischen Menschen werden zu den bestimmten Resultaten ihres Lebens nicht weniger durch persönliche Motive, wie durch den allgemeinen Geist der Epoche getrieben. Wie dem auch sey, das ist klar schon jetzt, daß der Kampf mit Thiers 'Rückzug eine andere Wendung und Färbung nahm, daß sich die Streitfrage der innern Politik erst von nun an in der vollen nackten Entschiedenheit ihrer Gegensätze entgliederte. Wie hat man freilich damals Thiers verspottet und todtgesagt! wie hat man den Gefallenen auch in Ihrer Zeitung mit wohlfeilen Epigrammen überschüttet! wie hat man die Anmaßung des kleinen Plebejers komisch gefunden, der es wagte, die Wege einer erlauchten Intelligenz mit seiner eigenen zwerghaften Persönlichkeit kreuzen zu wollen! Solchen Spott haben die Einsichtigeren, die in der Bewegung unserer Tage noch etwas mehr sehen als persönliche Schauspielereien, nie getheilt; sie haben von Anfang an gewußt, daß der Kampf der Personen1074 nur leicht den unendlich ernstern Conflict der Grundsätze verhülle. Sie haben auch nach der persönlichen Seite hin gar bald erkannt, daß Frankreich für den Augenblick keinen zweiten habe wie den Plebejer Thiers, daß er eben der Ausdruck der Epoche sey und daß seine Stellung an der Spitze der Opposition seiner Stellung an der Spitze der Gewalt an Bedeutung nichts nachgeben werde, weil er eben der Opposition erst brachte, was ihr fehlte: Disciplin, einen Feldherrn, einen Schlachtplan. Und sehen Sie nun, wie fein, wie leicht, wie bewußt er seine neue Stellung aufnimmt! Statt die Gewalt als solche zu compromittiren, statt sich mit plumper Ungeduld in eine maßlose Opposition zu stürzen, wartet er zu, schont, was zu schonen ist, läßt die Dinge sich gewähren und verwickeln; er hat das Auge des Moments, er weiß, die Zeit ist noch nicht gekommen. Der Conseilpräsident des 22 Februars wird anscheinend wieder, was er war: ein einfacher Bürger Frankreichs; aber das Auge seines Landes folgt diesem mächtigen Talent in die selbstgewählte Verbannung. Unter dem schönen Himmel Italiens, zu Florenz, wo der erste Meister moderner Geschichtschreibung, Macchiavelli, gelebt und geschrieben, beschäftigt sich der resignirte Reisende mit Darstellung florentinischer und französischer Geschichten. Man muß gestehen, in diesem Exil und seiner Muße liegt ein gewisser Zug von äußerer Würde, der an die classischen Staatsmänner des Alterthums, an die Weise, wie Fox und Canning die Ferien ihres politischen Lebens auszufüllen pflegten, erinnert.

Mittlerweile verwickeln sich die Dinge in Frankreich immer ernster. Graf Molé, ein Staatsmann der Napoleon'schen Schule, ein mittelmäßiger Geist mit attischen Formen, klug, gewandt, gemäßigt, vor allen Dingen durchaus resignirt, keinen andern Willen zu haben, als den seines königlichen Herrn, wird Conseilpräsident und Minister des Auswärtigen; Graf Montalivet, bisheriger Intendant der Civilliste, Minister des Innern. Ein böses Omen die Nation betrachtet das ganze Ministerium weit mehr als eine Intendanz des Königs, denn als ein Ministerium im parlamentarischen Sinne. Der persönliche Gedanke erreicht in diesem Cabinet seinen reinsten Ausdruck, seine ungemischteste Vertretung; in demselben Augenblick tritt aber auch nach ewigen Gesetzen der dialektische Gegensatz in sein Recht, der Keim der Krisis ist gelegt, die Reaction natürlich, nothwendig, nahe. Dieß Ministerium ist verurtheilt bei der Geburt; es ist gerichtet, nicht durch seine Thaten, sondern durch seine Namen. Selbst die Amnestie, diese große Versöhnungsmaaßregel, die in der Hand einer volksthümlichen Verwaltung eine Waffe von unberechenbarer Bedeutung hätte werden mögen, geht im Ganzen spurlos an der Gleichgültigkeit der öffentlichen Meinung vorüber. Das Parlament grollt, die Presse erhebt sich mit einer seit den Septembergesetzen unerhörten Kühnheit. Da ist es Thiers, der plötzlich als der ordnende Geist der Bewegung hervortritt, der den zerfahrenen Elementen der Opposition erst Halt, Verbindung und Nachdruck gibt, der die alten Eifersuchten beschwört, die alten Feindschaften versöhnt, und eines Tages, zum Erstaunen der Welt, mit Guizot im rechten, mit Odilon Barrot im linken Arm auf dem Schlachtfeld erscheint. Die Bewegung wird nach und nach eine allgemeine; was in der Kammer, was im Lande nicht vollends zum Ballast gehört, was ein Talent, einen Charakter, ein Individuum, kurz eine höhere Bedeutung als die der Null hinter der Ziffer in Anspruch nimmt, eilt sich ihr anzuschließen. Nur die äußersten Enden der Rechten und Linken sondern sich beobachtend ab, weil sie eben an der ganzen Gegenwart nur ein rein negatives schadenfrohes Interesse nehmen. Gegenüber jenem gewaltigen Triumvirat hat der Hof nur den gewandten Diensteifer der Grafen Molé und Montalivet in die Wagschale zu legen, von höheren Talenten nur Hrn. v. Lamartine, dem ein gewisses trübes Pathos der Ideen nicht abgesprochen werden kann, geradezu aber aller staatsmännische Takt und Verstand, um bindend oder trennend, wie es kommt, in die Gestaltung des Moments einzugreifen. Ein Kampf, heißer und hartnäckiger als das Jahrzehent einen seit den Debatten über die englische Reformbill gesehen, entspinnt sich; wie der Sieg zu schwanken scheint, spricht Thiers das letzte scharfe entscheidende Wort, und die kühne Offenherzigkeit seiner Revelationen gibt dem bisherigen Regime den letzten Stoß. Das Ministerium fällt, es appellirt ans Land, es verliert den Proceß noch einmal, und diese Verurtheilung in letzter Instanz ist um so feierlicher, weil es selbst den tückischen Geist der Wahlurne heraufbeschworen und bearbeitet hat. Ein Ministerium Thiers erscheint unvermeidlich. Da treibt jene seltsame Ironie, die so charakteristisch durch viele Blätter der französischen Geschichte neuester Zeit geht, noch einmal ihr wunderliches Spiel. Das Ministerium vom 12 Mai ist in der That ein Ministerium der Coalition, man nimmt die Dinge, die Ideen an, aber man nimmt sie nicht an in denjenigen Personen, in denen diese Dinge, diese Ideen zum lebendigsten Bewußtseyn, zum reifsten Ausspruch gekommen sind. Der 12 Mai ist eine Halbheit, eine Verlegenheit von Anfang an, die Perfidie seines Ursprungs wird sich an ihm rächen. In der That, was würde man sagen, wenn gegenwärtig in England eine Toryverwaltung gebildet werden sollte, und man darin die Namen Peel, Stanley, Graham, Lyndhurst durch Inferioritäten derselben Partei ersetzt fände? Man würde sagen, daß einem solchen Ministerium seine eigentliche Seele, seine rechte Lebenskraft gebreche, daß es verurtheilt sey, sich von höheren Intelligenzen ins Schlepptau nehmen zu lassen, statt die Lage selbstständig zu erfüllen und zu beherrschen.

Sieht man nun zunächst auf die Personen, so dürfte es freilich schwer halten, einen durchgreifenden Unterschied zwischen der Zusammensetzung des Ministeriums Thiers und des unmittelbar vorhergehenden Cabinets zu finden. Oder ist die Doctrine der HH. v. Jaubert und Remusat etwa weniger rein, als die des Grafen Duchatel gewesen? Theilen nicht Vivien und Dufaure alle Antecedentien ihres parlamentarischen Lebens? Und was ie edeln Pairs an der Spitze des Cultusministeriums betrifft, sind nicht Villemain und Cousin seit Jahren ihre Wege in der Pairskammer gemeinschaftlich gegangen? Nicht in diesen Specialitäten, aber in den Männern, denen beide Ministerien ihren Namen, ihre Taufe verdanken, liegt der charakteristische Unterschied, die geschichtliche Bedeutung derselben. Nicht darum hatten Kammer und Land das persönliche Regime verworfen, damit ein Soult einem Molé folge und das alte Spiel mit veränderter Rollenbesetzung von neuem beginne; der Gedanke des Parlaments war ein parlamentarisches Ministerium gewesen. Die Krone umging diesen Gedanken, und er wurde nur um so unvermeidlicher; sie acceptirte ihn erst, als er nicht mehr abgelehnt werden konnte. Daher ist die Bildung des Ministeriums Thiers ein Sieg des Parlaments über die Krone, der Abschluß einer alten, der Anfang einer neuen Epoche. Mit seiner eigenthümlichen Schärfe bezeichnete Ihr Pariser Correspondent

vor einigen Wochen in zwei Worten die Lage: es habe sich, sagte er, in diesem Kampfe wesentlich gegolten um ein freistehendes Königthum oder um eine eigentliche Parlamentsregierung; im ersten Fall seyen die Kammern nur die Formen der königlichen Regierung, etwa wie anderwärts ein Staatsrath; nur daß es natürlich in Handhabung dieser Formen einer größern Regierungsfeinheit, eines gewissen Lavirens und Diplomatisirens bedürfe, daß man suchen müsse, die Abgeordneten1075 durch Gunst und Gnade zu gewinnen, um so eine ministerielle oder richtiger königliche Mehrheit zu vermitteln; im andern Fall aber sey die Souveränetät wirklich und wesentlich zwischen Kammer und Krone getheilt, so daß das Königthum das immanente und dauernde, die Kammer das flüssige und mobile Moment der Souveränetät bedeute. Die letztere Auffassung ist in England seit Jahrhunderten Praxis; für Frankreich aber hat man ihre rechtliche Zulässigkeit, wie ihre thatsächliche Angemessenheit auch in deutschen Blättern die letzten Jahre her vielfach bestritten.

Gestatten Sie mir die Frage einen Augenblick von einem andern Standpunkt aus zu beleuchten. Wenn das Axiom der Volkssouveränetät, das die Juliusrevolution an die Spitze des politischen Codex schrieb, nicht etwa ein bloßer Redactionsirrthum, sondern wirklich der leitende Grundsatz alles öffentlichen Lebens in Frankreich ist, so kann es vernünftigerweise keinem Bedenken unterliegen, daß der bestimmende Wille der Gesetzgebung bei dem Wahlkörper als der eigentlichen Landsgemeinde (populus, nicht plebs), und folgeweise bei dem Parlament beruhen. Insofern aber der Staat die Formen seines Daseyns aus der Gliederung der Gesellschaft entnimmt, ja eben nichts ist, als die objective Vernunft und der sittliche Geist der Gesellschaft, so ist es klar, daß diese Form auch genau denjenigen Verhältnissen des französischen Lebens, in denen eine wirkliche und wahrhaftige Macht ist, entspreche. Man wirft uns ein, daß Frankreich auf diesem Wege zur Demokratie gelange, und gerade das ist die Täuschung. Frankreich braucht eine Demokratie nicht erst zu werden, es ist schon eine durch und durch, weit mehr als England oder irgend ein anderes constitutionelles Land Europa's, das einzige Norwegen ausgenommen. In keinem Lande ist das Mittelalter so vollständig erloschen, wie in Frankreich; in keinem andern Lande haben sich die Factoren, die das Leben der alteuropäischen Gesellschaft gestalteten, so von Grund aus zu Tode gelebt. Diese Nation kennt ein Königthum, aber keine Monarchie in der ursprünglichen Bedeutung des Worts, einen Adel (auch diesen gesetzlich nicht einmal mehr), aber keine Aristokratie, einen Clerus, aber keine Hierarchie mit politischem Einfluß im alten Sinne. Hier ist classischer Boden moderner Gesellschaft; die Gliederung dieser Gesellschaft aber spricht sich in andern Momenten aus: Geist, Bildung, Reichthum, Industrie. Geist, Bildung, Reichthum, Industrie alle diese Momente sind nicht ständisch oder dinglich, sondern individuell und persönlich, und eben deßhalb demokratisch. Einer Gesetzgebung gegenüber, welche die Rechte des Einzelnen in der Familie und unter gewissen objectiven Voraussetzungen auch im Staate gleichstellt, die den Güterverkehr, durch ihr Erbrecht und ihr System von der Freiheit und Veräußerlichkeit des Grundeigenthums, im weitesten Umfange flüssig zu machen gewußt hat, die keine Privilegien, keine Ausnahmen kennt, und alle ständischen Uns chiede aufgehen läßt in dem einen Begriff staatsbürgerlicher Isopolitie, einem Volke gegenüber, das durch die Schule der Revolution gegangen keinen Glauben an die Personen mehr hat, aber einen desto entschiedenern in die Wahrheit und Allmacht der öffentlichen Meinung sagen Sie selbst, welche Wahrscheinlichkeiten des Erfolgs hätte hier das Königthum für sein Bestreben, absolut zu seyn in constitutionellen Formen? Welche moralische Macht könnte es für seine Zwecke in den Gemüthern aufbieten, welche organische in den Gesetzen? Die Demokratie der Mittelclassen hat sich zu läutern und zu geistigen, zu binden und zu organisiren; sie zu zerstören ist unmöglich. An diesem Grundirrthum ist die Restauration zu Grabe gegangen. Man kann den modernfranzösischen Staat nicht mit den neuen Formen im alten Sinne regieren, man kann den Geist nicht durch den Buchstaben escamotiren. Betrachten Sie die Dinge von diesem Standpunkt aus, so kann man der Krone, obgleich das Ministerium Thiers ohne Zweifel ein Sieg des Parlaments über dieselbe ist, zu dieser Niederlage nur Glück wünschen. Wie die Sachen jenseits des Rheins stehen, hat das Königthum keine andere Gewähr seiner Zukunft, als sich rein auf den Kreis seiner verfassungsmäßigen Befugnisse zurückzuziehen, um eben hiedurch in der flüssigen Bewegung der Parteien und Interessen als ein Stätiges und Unverletzbares zu erscheinen. Der großen Persönlichkeit ist auch von diesem Standpunkt aus eine große Wirkung in die Geschichte hinein nicht benommen, allerdings aber jene Machtvollkommenheit, in deren Besitz Ludwig der Vierzehnte sagen konnte: der Staat und ich, wir sind Eins! Sie erinnern sich wohl des Worts, das der Constitutionnel eines Morgens, nach der Erhebung des Ministeriums Thiers, sagte: dieses Ministerium sey das Ministerium Martignac des Julius ein ominöses Wort, es erschöpft die Lage.

Schweiz.

Die Landsgemeinden in den demokratischen Kantonen sind nun alle abgehalten und durchgehends ruhig vorüber gegangen. Die wichtigste war wohl dießmal die von Appenzell Außer-Rhoden, welche alle Anträge zu Gesetzes - und Verfassungsänderungen, die von ihren Behörden ausgearbeitet waren, meistens mit großem Mehr verworfen hat. Der Vorschlag, die Trennung der Gewalten durchzuführen und insbesondere ein eigenes Obergericht zu bestellen, der schon wiederholt und dießmal sorgfältiger als früher gemacht worden war, blieb in der Minderheit. Ebenso der Entwurf eines Schulgesetzes und der Entwurf eines Assecuranzgesetzes. Nichts Neues war die Tendenz der Volksmehrheit, die gegen alle Veränderung mißtrauisch geworden ist. Die Trennung der Gewalten erscheint ihr zu kostlich und umständlich für den kleinen Staatshaushalt, das Schulgesetz genirt sie in der individuellen Freiheit, das Assecuranzgesetz erschreckt durch die Gefahr großer Ausgaben. Und doch ist dieses Völklein das rührigste und beweglichste in den Demokratien der deutschen Schweiz. In Unterwalden nid dem Wald zeigte das souveräne Volk auch seinen eigenen Willen ganz gegen sonstige Gewohnheit im Gegensatz gegen die Rathschläge seiner Vorgesetzten, indem es mehrere Wahlen zu höhern Staatsämtern an Männer verlieh, die nicht von den Herren, sondern von einem Bauer aus dem Ring empfohlen worden waren. In Schwyz ruht der Hörner - und Klauenstreit, und Landammann Abyberg wurde dießmal wieder als Gesandter auf die Tagsatzung bezeichnet. Er wird da wunderliche Betrachtungen anstellen können über das gleiche Recht der Eidgenossenschaft, wenn er erwägt, wie er zur Strafe dafür, daß er aus Auftrag seiner Regierung mit Gewalt die Gemeinde Küßnacht besetzt hatte, aus der Liste der eidgenössischen Obern gestrichen und sammt dem innern Lande Schwyz tüchtig gebrandschatzt wurde, während der eidgenössische Oberst Luvini seine eigene Regierung ebenfalls mit Gewalt und mit geworbenen Schaaren verjagte und vermuthlich in seiner Obersten-Ehre unangetastet ebenfalls auf der Tagsatzung als Gesandter sitzen und der gewaltsame Landfriedensbruch im Wallis wahrscheinlich als fait accompli verehrt wird.

Die brasilische Werbung scheint keinen Anklang zu finden, nicht weil nicht mehr vielleicht als vor wenig Jahren noch Auswanderungs - und Kriegslust sich in hinreichendem Maaße in der Schweiz beisammen findet, sondern weil die Vortheile viel zu klein und die Gewähr für treue Erfüllung viel zu gering1076 ist. Das angebotene Land für die gedienten Soldaten ist so unbedeutend, daß Niemand daran denken kann, daraus sich selbst geschweige denn noch eine Familie zu ernähren. Käme ein Colonisationsproject im Großen zur Sprache, so würde ein solches große Theilnahme finden, wie denn überhaupt Europa an Uebervölkerung leidet und ein nicht geringer Theil derselben sehnsüchtige Blicke nach einer neuen Heimath wendet. Damit aber ein solches Project zu Stande käme, müßte eine solide europäische Macht dasselbe nähren und schützen.

Unsere Hochschule hat durch die Berufung des Anatomen Henle aus Berlin, welcher den Ruf angenommen, eine Acquisition gemacht, zu der man uns von allen Seiten her Glück wünscht. In kurzem soll nun auch Schönleins Stelle wieder besetzt werden; und wenn wir auch hier keine Hoffnung haben können, einen Gelehrten von solchem Rang und Namen zu gewinnen, so sind doch auch hier die Aussichten recht erfreulich. Der große Spitalbau naht bald seiner Vollendung, das Absonderungshaus ist bereits bezogen.

Algier.

Die Werbungsversuche des Obersten Dell-Hoste für Brasilien haben keinen Fortgang. Alle Zeitungen, selbst die Allgemeine Schweizer Zeitung, sonst dem fremden Dienste hold, sind dagegen, und die größern Kantone haben das Gesuch abgelehnt, unter Bezugnahme auf ihre Verfassungen, die keine neuen Capitulationen gestatten (z. B. Verfassung für die Republik Bern §. 28: Es soll in Zukunft keine Militärcapitulation mit einem fremden Staate geschlossen werden ). Dennoch würde der Oberst wohl einen Kanton gefunden haben, der die Werbung gestattete, Officiere und Mannschaft würden ihm in hinreichender Zahl zu Gebot stehen, wenn er sich über gehörige Vollmachten und Geldmittel hätte ausweisen können. Allein daran scheint es eben zu fehlen, und kein Geld, keine Schweizer. Leute, welche zum brasilischen Dienst bereit sind, haben keine höheren Zwecke als den Sold im Auge. Officiere namentlich, denen es darum zu thun ist, den Krieg zu lernen, gehen lieber zu den Franzosen nach Algier. Von solchen gelangen denn Nachrichten und Urtheile hieher, welche keineswegs mit den Klagen zusammenstimmen, die in französischen und deutschen Correspondenzen so häufig gegen die politische und militärische Verwaltung des Marschalls Valée laut werden. Sie schildern ihn zwar als einen finstern und harten Mann, glauben aber, daß er mit Feldherrntalent und mit Energie einen Plan verfolge, der allein geeignet sey, Abd-El-Kaders Herrschaft niederzuwerfen und Algerien dauernd für Frankreich zu gewinnen. Sie lassen sich nicht irre machen durch Colonisten, wenn sie klagen, daß der Marschall zur Rettung ihrer Fermen nicht ins Feld gezogen, noch durch Militärs, wenn sie tadeln, daß der Feldherr nicht alle disponibeln Kräfte an den Punkt entsendet, wo gerade für den Augenblick Gefahr ist nach Oran. Ein solches, durch eigene Anschauung gewonnenes Urtheil ist im 1sten Heft 1840 der helvetischen Militärzeitschrift niedergelegt, zugleich mit der Skizze eines Operationsplans, dessen Grundzüge eine Erwähnung in doppelter Hinsicht verdienen: einmal zur Berichtigung schiefer Urtheile über den Marschall-Gouverneur, und dann, weil der Verlauf des begonnenen Feldzugs wahrscheinlich zeigen wird, daß der Verfasser des im Anfang Februars geschriebenen Aufsatzes richtig gesehen hat. Jene Grundzüge sind nun in Kürze folgende: Abd-El-Kader ist nicht der Mann, und die Eingebornen Algeriens sind, bei der Verschiedenheit der Stämme nicht das Volk, von denen, im Falle Frankreich sich zurückzöge, eine Staatenbildung zu erwarten wäre. Die französische Besetzung Afrika's hat eine weltgeschichtliche Aufgabe: die Verbindung und wechselseitige Erfrischung europäischen und orientalischen Geistes auf diesem Punkte zu lösen. Ein Zurückdrängen der Eingebornen in das Innere wäre darum unzweckmäßig; außerdem aber barbarisch, und auch nachtheilig, weil es die feindlichen Kräfte concentriren würde. In der Umgebung einiger Küstenplätze mag dafür gesorgt werden, daß die europäische Einwanderung überwiege, um hier für den Fall eines allgemeinen Kriegs eine festere Stütze zu haben; im Uebrigen lasse man die Eingebornen wo sie sind. Um sie an Frankreich zu gewöhnen, bedarf es einer angemessenen Behandlungsweise und eines dauernden Schutzes durch bleibende Besitzungen im Innern. Fehlen diese, so wagen die Stämme nicht, es mit Abd-El-Kader zu verderben.

Marschall Valée ist der Erste, der in der Organisirung der Provinz Constantine den rechten Weg eingeschlagen hat, nachdem er bei der Erstürmung bewiesen hatte, daß er im rechten Augenblick das Aeußerste zu wagen nicht ansteht. Ungestört in Sitten und Religionsübung, geschützt in ihrem Handel, leben die Einwohner in den beiden Städten Constantine und Bona, jede mit ihrem Bezirke von vier Stunden, in sechs Chalifaten, jeder Stamm unter seinem Kaid, jedes Duar unter seinem Scheik. Die angeseheneren Einwohner erblicken in Frankreichs Herrschaft die Garantie einer bessern Zukunft, und mehrere derselben schicken ihre Söhne in das arabische Institut nach Paris. Zugleich werden von dort aus weitgehende Verbindungen unterhalten, welche nunmehr durch die Besetzung von Biskara eine bedeutendere Ausdehnung erlangen. Die Biskeris handeln weit ins Innere; das Gouvernement schützt die Karawanen ohne besondere Abgaben. In Algier mehrt sich die Zahl der Biskeris und der Benimesaben. Für die Ansiedelungen um Algier hat das Gouvernement viel gethan. Das Haupthinderniß ihres Aufschwungs war bisher die Nähe des Abd-El-Kader'schen Gebiets, acht bis sechzehn Stunden von der Stadt, welches den Räubern sichere Zuflucht gewährte. In der Provinz Oran sind die Franzosen am schwächsten, und fast nur auf einige Küstenpunkte beschränkt.

Die militärische Aufgabe ist: 1) den Emir zu schlagen und 2) durch Anlegung zweckmäßiger militärischer Linien, wodurch große Landstrecken seinem Einfluß entzogen werden, ihn zu hindern, sich nach der Niederlage wieder aufzurichten. Bedenkt man nun: daß der Sieg gegen die Beduinen im freien Felde leicht, aber nur von geringer Wirkungssphäre ist; daß 7 bis 8000 Franzosen hinreichen, 12 bis 20,000 Arabern, der größten Zahl, die Abd-El-Kader zusammenbringen kann, die Spitze zu bieten; daß jede bedeutende Unternehmung die Provinz, von der sie ausgeht, gegen größere Invasionen schützt: so ergibt sich, daß die Theilung der Kraft durch die Umstände geboten wird. Es könnte demnach aus jeder Provinz eine active Division von 7 bis 8000 Mann hervorbrechen. Die westliche und mittlere würden sich vorerst mehr defensiv verhalten, und von beiden Enden zugleich mit Herstellung einer militärischen Linie beschäftigen, die Mostaganem zum rechten, Belida zum linken Flügelpunkt und über Miliana ziehend, dem Laufe des Schelif entlang alle sechs bis sieben Stunden einen befestigten Punkt erhielte. Die hiezu erforderlichen würden den Emir im Westen festhalten, und ihm kaum gestatten, seine Hauptkraft zu einem Einfall in die Provinz Algier, noch weniger in Constantine zu verwenden. Die östliche Division würde unterdessen, wenn nicht unmittelbar aus der Provinz Constantine, doch aus dem östlichen Theile von Algier, etwa von Fonduk nach Hamza vorgehen, dort einige Tausend Reiter1077 aus Constantine an sich ziehen, die Gränzen dieser Provinz in den Rücken nehmen und gegen Westen offensiv vorrücken, langsam, um mit den verschiedenen Stämmen, namentlich mit den vielen, dem Emir feindseligen Elementen in Titteri Verbindungen anzuknüpfen, und wo möglich die Benimesaben zu veranlassen, kräftiger gegen den Emir aufzutreten. Wäre die östliche Division auf der Höhe der mittleren angekommen, so würde diese an der offensiven Bewegung gegen Westen theilnehmen. Den Schluß würde ein Schlag der drei Divisionen gegen Maskara und Tekedemt bilden, wo der Emir einem entscheidenden Kampf, dessen Erfolg nicht zweifelhaft ist, nicht mehr ausweichen könnte. Die gegenwärtig in Afrika befindlichen französischen Streitkräfte genügen für diese Operationen, deren System sich als eine Umgehung vom linken Flügel aus darstellt. Die nothwendige Bedingung einer gehörigen Stütze hinter dem vorgeschobenen Flügel ist in der Provinz Constantine seit dem Frieden an der Tafna geschaffen worden, und es geht daraus hervor, daß das Gouvernement in der Förderung der afrikanischen Sache die Zeit nicht verloren hat.

So der Ideengang in dem Aufsatze der helvetischen Militärzeitschrift. Die Ereignisse des Sommers werden zeigen, in wie weit es dem Verfasser gelungen ist, den Plan des Marschalls zu durchschauen.

Franz Liszt.

Wenn Mars ruht, durchzieht Apoll die Länder mit seinem Saitenspiel; wo jener schreckte, verwundete, zerstörte, heilt und belebt der Gott der Künste entzückt und veredelt er die Herzen der Menschen. Wohl sind auch seine Triumphe nicht frei von Thränen, aber es sind Freudenthränen. Auch vor ihm beugen sich die Besiegten, doch nur überwältigt von edlen Empfindungen. Gleichwie aber das Leben der Kunst-Heroen entschieden ein schöneres ist als das der Schlachtengewinner, so will uns bedünken, ihre Unsterblichkeit sey nicht minder eine edlere und segensreichere, also mindestens eine eben so verdiente. Schon die Alten, in deren Mythen der Gott der Töne nicht eben eine schlechtere Rolle spielt, als der Gott der Schlachten, scheinen dieser Ansicht gewesen zu seyn. Wir aber holen so weit aus, um ein artiges Gleichniß des genialen George Sand zu rechtfertigen, der von Franz Liszt gesagt haben soll: Der Napoleon des Fortepiano sey von seinen transalpinischen und transrhenanischen Triumphen nach Paris zurückgekehrt, um neue Feldzüge gegen England und Rußland zu meditiren. In der That, Paris oder doch die musikalisch-litterarisch-fashionable Welt von Paris war in großer Bewegung bei der Nachricht von der endlichen Rückkehr des längst Ersehnten. Man verkündigte ein neues Aufleben der schon halb eingeschlafenen musikalischen Saison. Man brannte vor Begierde, nach selbsteigenem Gehör zu beurtheilen, ob Liszt wirklich während seiner dreijährigen Wanderzeit in Italien, Deutschland und Ungarn sein unnachahmliches Spiel noch weiter ausgebildet habe.

Allgemein war daher das Bedauern, als man vernahm, er werde, ohne hier Concerte zu geben, nach kurzer Rast seine Reise nach England fortsetzen. Um so größer war aber auch die Freude, als die Nachricht erscholl, der König der Pianisten so nennt ihn Hector Berlioz im Journal des Débats dieweil es ihm für dießmal unmöglich, Paris seine Aufwartung zu machen, werde sich die Ehre geben, die Kunsthauptstadt der Welt bei sich zu empfangen und ihr ein musikalisches Fest zu bereiten, ganz nach der Weise der andern Könige nämlich mit freiem Eintritt. Nun müssen Sie wissen, daß, nicht zu gedenken der Unzahl der musikalischen, litterarischen und fashionablen Notabilitäten von Paris, und ohne insbesondere die Legion der vornehmen Dilettanten auf dem Fortepiano in Berechnung zu bringen, an die fünfzehnhundert Pianisten von Profession in Paris leben, von denen natürlich ein großer Theil um Eintrittskarten sich bewarb und sie auch erhielt. Sollten sie doch nach so langer Abwesenheit ihren König wieder sehen und die neuen Provinzen kennen lernen, die er im Reiche der Kunst erobert; handelte es sich doch um den Ruf und Werth des vollkommensten aller Instrumente, ihres Abgotts, des Piano's selbst, das in nie geahnter Vollkommenheit erscheinen sollte.

Dieses Concert war eine matinée musicale, und ward in den eleganten Sälen Erards gegeben. Schon mehrere Stunden vor dem Anfang war Alles so gedrängt voll, daß die fashionablesten Damen, die später kamen, stehen mußten. Als endlich Liszt sich setzte, warf ich einen Blick rings umher: die Gesellschaft war, lange bevor ein Ton erklang, wörtlich ganz Ohr. Man sah deutlich wie die Zuhörer sich zum voraus anstrengten, ihr Gehörorgan weit und weiter aufzuthun, um es in den Stand zu setzen, alle Töne, die erklingen sollten, selbst die feinsten, einzuschlürfen. Der Zweifel über die Neuheit des Spiels war bald verschwunden: donnernder Beifall erst der Enthusiasten, dann der Ruhigen, dann der Phlegmatiker und Kritiker Ausruf des Entzückens allgemeiner Jubel allgemeine Begeisterung die elegantesten Damen steigen auf die Bänke, um Liszt und das Zauberspiel seiner Finger zu sehen das ist unerhört! das ist kein Piano, so wenig als Paganini's Violine eine Geige ein Orchester von hundert Instrumenten, dazwischen Solos von Flöten, Violinen und allen Instrumenten welche Engelsstimmen! wie aus fernen Welten herüber, und in der Nähe Sturmesbrausen und Donnerrollen und Wellengetöse, und dazwischen das herrliche Glockengeläute vom Kirchthurm und der fromme Orgelton welcher Ausdruck in diesen Schubert'schen Liederu, so hat sie noch kein Sänger vorgetragen welche Melancholie, welcher Reiz in dieser Phantasie, welche hinreißende Leidenschaft hundert Amorettentöne umschwärmen das majestätisch sich entrollende Thema; man weiß nicht woher sie kommen, diese wunderbaren Verzierungen; dabei schwärmt der Baß in tausend Phantasien; man erräth nicht, wie das zugeht doch! zwei Finger spielen Pianissimo, drei Forte, die andere Hand Mezzo-Forte das ist unerhört! Ich gebe Ihnen hier Aeußerungen, wie ich sie während der Pausen von Musikern gehört. Die Maler sprachen von Colorit, Perspective, gesättigtem Ton; die Bildhauer von plastischem Hervortreten, die Architekten von Symmetrie, jonischen und dorischen Säulen und gothischen Verzierungen; die Dichter von poetischen Ideen und Bildern. Was mich aber am meisten in Erstaunen setzte, das war ich selbst. Ich begriff mich gar nicht mehr, daß ich das Alles so begreifen konnte, als hätte ich es selbst gesagt, ja ich überredete mich sogar, ich würde es gesagt haben, hätten es die Andern nicht vor mir gesagt. Während ich sonst oft in den Concerten in die Unart verfalle, meinen Ohren Urlaub zu geben und meine Augen zu promeniren, war es mir jetzt, als wäre mir der musikalische Staar gestochen; ich konnte die ganze Zeit dasitzen und nichts thun als Liszt'sche Töne schlürfen und sie mir auf diese oder jene Weise verbildlichen; ja weiß der Himmel, es träumte mir dabei, ich werde noch in meinen alten Tagen meine musikalische Erziehung machen und Musikberichte schreiben. Das vermag ein Genie. Nachher sagte mir ein bedeutender Künstler, man wisse nicht, solle man mehr über die unerhörte Keckheit des Spiels, oder über die vollendete Sicherheit, mit welcher es ausgeführt werde, oder über die Resultate erstaunen. Die Mechanik, der tiefe Ausdruck, die Feinheit der Nuancen Alles sey Vollendung. Sein Spiel à livre ouvert sey wirklich erschreckend. Er habe ihm einige sehr schwere Compositionen vorgelegt, die, noch voller Fehler, eben vom Stechen gekommen, und Liszt habe sie nicht nur beim ersten Anblick im schnellsten Tempo abgespielt, sondern auch zugleich alle Fehler berichtigt.

Wenn man Liszt mit Paganini vergleicht, so muß man nicht vergessen, auf die Unterschiede zwischen beiden aufmerksam zu machen. Liszt ist nicht bloß Clavierspieler, er ist auch ausgezeichneter Componist; nicht Musiker allein, auch vielseitig gebildeter Litterat, glücklicher Dichter, gewandter und geistreicher Stylist und höchst unterrichteter und angenehmer Gesellschafter und Weltmann; vor Allem aber ein tüchtiger, wohlwollender und guter Mensch, eine durch und durch edle Natur. Allerdings gibt es Leute, die der Meinung sind, seine Compositionen ständen weit hinter seiner Execution zurück; in dieser Beziehung seyen keine großen Fortschritte mehr von ihm zu erwarten. Sehr competente Tonrichter erklären dagegen diese Ansicht für unstichhaltig; es sey unbillig, sagen sie, von einem jungen Manne von 28 Jahren, der bisher seine Hauptkräfte auf die Execution verwendet, zu verlangen, er solle jetzt schon in der Composition in gleichem Grade excelliren, oder ihm die Zukunft als Componist abzusprechen. Ein Mann von solchem Geist und solchen gelehrten Mitteln habe sicherlich auch in dieser Beziehung eine bedeutende Zukunft. Vorläufig werden Liszt's Pélérinages d'un artiste, wovon der erste Band bereits bei Haslinger in Wien gedruckt ist, und demnächst ausgegeben werden soll, das musikalische Publicum in den Stand setzen, über diese verschiedenen Ansichten ein Urtheil zu fällen. In1078 den Pélérinages beabsichtigt Liszt die Eindrücke, welche die Natureigenthümlichkeiten der verschiedenen von ihm bereisten Länder auf ihn gemacht haben, in Tönen auszusprechen. Sie sollen sechs Bände stark werden. Der erste heißt: Suisse, und enthält: Impressions au bord du lac de Genève, vallée d'Obermann etc., die folgenden werden Italien, Deutschland, Ungarn, Frankreich, England und Rußland in ähnlicher Art aufnehmen. Auch sollen die von ihm hier gespielten neuen Etuden und sein Galop chromatique, nach dem Urtheil der ersten Tonrichter Frankreichs, von überraschender Originalität seyn.

Auch bei Liszt bewährt sich die Beobachtung, daß dem wahren Genie Neid, Intrigue, Geldgeiz, falsche Ehrsucht, Hochmuth und Egoismus fast immer fremd sind. Mit einer Fülle von Witz und Laune begabt, macht er von diesen Waffen nie andern Gebrauch, als zur geselligen Erheiterung und Unterhaltung, ausgenommen etwa wo es Verkehrtheit oder Niedrigkeit der Gesinnung zu strafen gilt. Auszeichnung und Achtungsbezeugung nimmt er mit einer Einfachheit, Anspruchlosigkeit und Herzlichkeit hin, die ihm alle Herzen gewinnt. Brüderlich gesinnt gegen Kunstgenossen nimmt er sich junger Virtuosen mit väterlicher Sorgfalt an, und öfters sieht man Knaben von ausgezeichneten Musiktalenten in seiner Gesellschaft. Selbst Wunderkind, sagte er mir im Scherz vor einigen Tagen, muß ich mich wohl dieser Wunderknaben etwas annehmen. Zwar werden sie, setzte er lächelnd hinzu, uns nach Jahren über den Kopf wachsen; was thut's! sie werden um so nachsichtiger seyn gegen uns Alte, wenn wir ihnen dazu verhelfen, uns in Ruhestand zu setzen. Ich weiß wie wohl es thut, in der Jugend berathen zu werden. Mit welcher Generosität Liszt überall musikalische Anstalten und Unternehmungen, insbesondere das Zustandekommen des Beethoven'schen Denkmals befördert, ist in Deutschland zu bekannt, als daß ich darüber Worte zu machen brauchte. Ich bemerke nur in dieser Beziehung, daß er den Ertrag der nächsten Saison von Paris dazu bestimmt hat, das in der Beethoven'schen Subscription noch herrschende Deficit (20 bis 30,000 Franken) zu decken eine Thatsache, die Bände spricht.

Liszt begnügt sich indessen nicht damit, das Andenken großer Todten zu ehren, auch dem Verdienst der Lebenden ist seine Theilnahme geweiht. Stephan Heller, ein deutscher Pianist und Componist, dessen Compositionen in einer ausführlichen Kritik von Berlioz (Feuilleton des Journal des Debats vom 26 April) als geist - und melodiereich, als voll von Originalität und Grazie, mit Einem Wort als meisterhaft gerühmt werden, scheint sich seiner besondern Freundschaft zu erfreuen. Mit allen Deutschen und besonders mit den Sachsen spricht er von Robert Schumann als von einem Compositions-Genie, das nur in eine große Hauptstadt verpflanzt werden durfte, um europäischen Ruf zu erlangen.

Gestern nun ist Franz Liszt nach London abgereist, wo er zwar schon früher dreimal gewesen, aber als Knabe von 10-13 Jahren. Als Mann betritt er zum erste mal den brittischen Boden. Er gedenkt die drei Königreiche zu bereisen und bis zum November wieder in Paris zurück zu seyn. Nach einem Aufenthalt von etlichen Monaten unter uns will er dann, hauptsächlich durch vielfaches Zureden der kunstsinnigen Gräfin d'Obrescoff bestimmt, eine Reise nach Rußland unternehmen. Später wird er sich in Venedig ankaufen, und von dort aus jedes Jahr auf einige Monate nach andern europäischen Ländern Kunst-Ausflüge machen. Mögen seine schönsten Wünsche in Erfüllung gehen. Er ist ein Liebling der Götter und der Menschen und verdient ihre Gunst.

[1823]

Denkmal der vierhundertjährigen Gedenkfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst.

Das Fest der Buchdruckerkunst, das Fest unserer Civilisation, soll nicht bloß ein eintägiger Jubel, sondern der Anfangstag dauernder wohlthätiger Stiftungen seyn, woran nicht bloß die Kunstverwandten, sondern jeder Gebildete Theil nehmen soll.

Es sind in dieser Hinsicht der Wünsche mancherlei laut geworden; die meisten begegnen sich in dem Vorschlage: der Verbreitung nützlicher Bücher durch Gründung von öffentlichen Büchersammlungen für Volksschulen, den Bürger - und Gewerbsstand und den Landmann; und wir sehen denselben jetzt zur Ausführung kommen, indem unser deutscher Verein zur Verbreitung nützlicher Volksschriften hierauf seine besondere Thätigkeit gewandt und kürzlich eine Aufforderung erlassen hat, worin zugleich Mittel und Wege angegeben sind, durch welche und auf denen diese nützlichen Institute auch an dem kleinsten Orte und selbst da, wo es an Mitteln hierzu noch gänzlich mangelt, ins Leben gerufen werden können. Zunächst überläßt der Verein, wo es darauf ankommt, einen Fonds zur Anschaffung von Büchern zu bilden, die selbst verlegten Volksschriften zu so niedrigen, die Herstellungskosten kaum übersteigenden Preisen, daß aus ihrem Wiederverkauf sich ein sehr ansehnlicher Gewinn ergibt. Für die eingehenden Beiträge und wer möchte nicht gern ein so schönes Werk mit Freuden unterstützen, mit an Aller Wohlfahrt bauen werden nützliche Bücher jeder Art entweder zur Verbreitung und zur Gründung von Schul - und Volksbibliotheken an den Wohnort dessen, der den Beitrag gezahlt hat, oder wenn die Verwendung dem Verein überlassen worden ist, an solche Orte gesendet, wo ihre Begründung besonders dringend gewünscht wird, ohne daß die Mittel hierzu vorhanden sind. Der Verein fordert die befähigsten Schriftsteller auf, ihm ihre deßfallsigen Werke zur Verbreitung zu übertragen und erwirbt die besten ältern Volksschriften in Massen, um sie den neuzubegründenden Bibliotheken zu den möglich wohlfeilsten Preisen überlassen zu können. Alle Büchersendungen erfolgen durch die jedem zunächstgelegene Buchhandlung von Leipzig aus. Auch erhält man durch dieselben den Plan zu diesem Unternehmen, dem ein Verzeichniß von Volksschriften beigegeben1079 ist, ganz umsonst; in Kürze folgt das Verzeichniß aller der Personen, welche das Unternehmen unterstützen. Möchte man darin Keines Namen vermissen, den Gemeinsinn beseelt und der sich dankbar der eigenen Bildung erfreut. Wer für die Jugend gute Schulen wünscht, wird für die Erwachsenen auch Verbreitung guter Bücher wünschen müssen; beides sind wohlfeilere Bildungsmittel, als die mittelst mancher Opfer erst zu erlangende eigene Erfahrung und Beobachtung, sagt der wackere Rentamtmann Preusker.

K-r.

[1811]

Bekanntmachung.

Durch verfassungsmäßige Wahl ist an die Stelle des durch den Tod aus dem Directorium geschiedenen Hrn. Dr. Wilhelm Wiesand auf Zethau Hr. Advocat Wilhelm Einert hier als Directorial-Mitglied, und behufs der Wiederbesetzung der dadurch erledigten Stelle eines stellvertretenden Mitgliedes im Gesellschaftsausschusse Hr. Ludwig August Neubert hier, Besitzer der Hof - und Adler-Apotheke, hiezu ernannt worden. Leipzig, am 27 April 1840.

Das Directorium der Lebensversicherungs-Gesellschaft.

[1531-33]

Häuser-Verkauf.

Auf creditorschaftliches Andringen wird 1) das Haus Nr. 2 in der Ludwigstraße, mit ebener Erde vier Stock hoch, nebst Anbau, Hofraum und laufendem Wasser, worauf 20,000 fl. Ewiggeld und 35,846 fl. 12 kr. Hypotheken ruhen, welches mit 29,300 fl. der Brandassecuranz einverleibt, und auf 38,000 fl. bewerthet ist; 2) das Haus Nr. 38 in der Briennerstraße, mit ebener Erde vier Stock hoch, gut gemauerten Kellern, dann zwei gemauerten Hintergebäuden (Stallung und Remisen), einem Garten, in welchem englische Anlagen und einige Sommersaletchen sich befinden, Hofraum und laufendem Wasser, worauf 35,000 fl. Ewiggeld und 31,500 fl. Hypotheken ruhen, welches mit 50,000 fl. der Brandassecuranz einverleibt, und auf 60,000 fl. bewerthet ist, der öffentlichen Versteigerung auf Dienstag den 2 Junius l. J., Vormittags 9-12 Uhr, im Gerichtslocale Commissionszimmer Nr. 2 anmit untergestellt.

Kaufsliebhaber werden hiezu mit dem Bemerken vorgeladen, daß nur vorbehaltlich der creditorschaftlichen Genehmigung der Zuschlag des einen oder andern Hauses an den Meistbietenden erfolgen kann.

München, den 22 April 1840.

Königl. Kreis - und Stadtgericht München.

Graf v. Lerchenfeld, Dir.

Hutter.

[1562-64]

Aufforderung.

Christian Albrecht Karl Ludwig von der Tann, welcher als großherzoglich Hessen-Darmstädt'scher Fähndrich den russischen Feldzug mitgemacht hat, seitdem aber vermißt wird, und keine Kunde von seinem Leben gegeben hat, oder dessen allenfallsige Leibeserben werden aufgefordert, sich innerhalb drei Monaten, längstens bis zum 1 August dieses Jahres, dahier zur Empfangnahme des ersterem gebührenden Vermögens mit den seit seiner Entfernung angefallenen Zinsen zu melden, widrigenfalls derselbe für todt erklärt und sein Vermögen den legitimirten Intestaterben ohne Caution überlassen werden würde.

Decret. Schweinfurt, 21 April 1840.

Königl. Kreis - und Stadtgericht.

Seuffert.

Stolle.

[1617-18]

Wiblingen.

Joseph Nuber von Mietingen, geboren den 22 März 1776, ist schon seit 48 Jahren verschollen. Da die Intestat-Erben um die Ausfolge seines in öffentlicher Verwaltung stehenden Vermögens von 2114 fl. gegen Caution gebeten haben, so werden hiemit Joseph Nuber oder dessen etwaige Leibeserben aufgefordert, sich binnen 45 Tagen vor der unterzeichneten Gerichtsstelle zu melden, widrigenfalls das Vermögen an die nächsten Seitenverwandten gegen einfache Caution ausgefolgt werden würde.

Den 24 April 1840.

Das königl. würtemb. Oberamtsgericht.

v. Zwerger.

[1534-36]

Aufforderung.

Konrad Scherer von Zeutern hat hier vorgetragen: Auf mehrere meiner Liegenschaften in der Gemarkung Zeutern ist eine Forderung des Hofraths Lippert von Bruchsal mit 73 fl. eingetragen, welche mein Vater Johann Adam Scherer und dessen Ehefrau Katharina, geb. Wipf, am 18 Februar 1800 von diesem angeliehen haben sollen.

Die zum Unterpfand gegebenen Liegenschaften, nämlich: 20 Ruthen Weinberg im Gurlisberg einerseits selbst, andererseits Sebastian Klaus, Tax 25 fl. 1 Vrtl. 20 Rth. im Schweisenberg einerseits Rain andererseits Salome Dafferner, Tax 35 fl. 1 Vrtl. im Sommersberg einerseits Rain andererseits Adam Löbel, Tax 65 fl. 1 Vrtl. im Schlösselberg einerseits Johannes Kneller andererseits Aufstößer, Tax 21 fl., habe ich unterdessen von meinen verstorbenen Eltern ererbt, und sie sind auf meinen Namen im Grund - u. Gewährbuch übertragen.

Auch der Darleiher Hofrath Lippert ist schon vor mehreren Jahren gestorben, und es ist mir unbekannt, wer dessen Erben sind.

Da nun die Pfandurkunde sich nicht auffinden läßt und das Forderungsrecht jedenfalls dadurch verjährt ist, daß es über 30 Jahre nicht geltend gemacht wurde, so bitte ich in Bezug auf L. R. S. 2159 u. 60 und §. 773 d. P. O. die unbekannten Rechtsnachfolger des Darleihers öffentlich vorzuladen und nach gepflogener Verhandlung oder nach fruchtlosem Ablauf der in der Vorladung anberaumten Frist zu Recht zu erkennen, der oben benannte Eintrag im Unterpfandsbuche der Gemeinde Zeutern sey zu streichen.

In Folge dieses Antrags werden die unbekannten Erben des obengenannten Unterpfandsgläubigers aufgefordert, ihre Ansprüche auf obige ihrem Erblasser verpfändete Liegenschaften innerhalb zwei Monaten dahier geltend zu machen, widrigenfalls nach dem Antrag des Konrad Scherer der Strich des Eintrags im Pfandbuche verfügt werden wird.

Bruchsal, den 8 April 1840.

Großh. badisches Oberamt Bruchsal.

Stempf.

[1779-81]

Herzoglich Nassauische Domanial-Weinversteigerung.

Von den in den herzoglichen Domanialkellern aus der 1839r Ernte gelagerten Weinen sollen öffentlich versteigert werden: I. Zu Eltville, Montag den 25 Mai l. J., Vormittags 9 Uhr, 16 Stück Zinswein 24 Stück Zehntwein.

8 Stück Rauenthaler Bergrecht.

II. Zu Oestrich, Montag den 25 Mai l. J., Nachmittags 3 Uhr, 12 Stück Zinswein.

31 Stück Zehntwein.

III. Zu Rüdesheim, Dienstag den 26 Mai l. J., Vormittags 9 Uhr, 12 Stück Zinswein.

24 Stück Zehntwein.

2 Stück und 4 Zulast

eigenes Wachsthum.

5 Ohm rothen AßmannshauserZehntwein.

16 Ohm rothen Aßmannshauser eigenes Wachsthum.

IV. Zu Lorch, Mittwoch den 27 Mai l. J., Vormittags 10 Uhr, 14 Stück Zehntwein.

V. Zu Caub, Freitag den 29 Mai l. J., Vormittags 10 Uhr, 1 1 / 2 Stück Zinswein.

10 1 / 2 Stück Zehntwein.

VI. Zu Oberlahnstein, Montag den 1 Junius l. J., Vormittags 10 Uhr, 2 Stück Zinswein.

20 Stück Zehntwein.

Die Proben werden an dem Tage vor der Versteigerung und unmittelbar vor dem Versteigerungsacte an den Fässern gereicht.

Wiesbaden, den 4 Mai 1840.

Herzogl. Nassauische General-Domänendirection.

Frhr. v. Bock.

vdt. Schmitt.

[1723]

Lichtbilder.

Für Künstler, Naturforscher und Freunde der Natur.

Photogenisches Papier von A. Schober, zur Verfertigung von Lichtbildern ohne oder mit Camera obscura und anwendbar zu Fixirung der durch das Sonnenmikroskop hervorgebrachten Bilder; nebst genauer Anweisung zu Anwendung dieses Papiers, um Lichtbilder auf verschiedene Weise und in fünferlei verschiedenen Farben zu erzeugen.

1 Mappe von 10 Blättern und einem Probeblatt mit mehreren Bildern. Preis 3 fl. rhn. oder 1 Rthlr. 20 gGr.

1 Mappe von 20 Blättern und 2 Probeblättern mit Bildern 5 fl. 24 kr. rhn. oder 3 Rthlr. 4 gGr.

1 Duzend Mappen mit je 10 Blättern und 1 Probeblatt 30 fl. rhn. oder 17 Rthlr. 16 gGr.

1 Duzend Mappen mit je 20 Blättern und 2 Probeblättern 55 fl. rhn. oder 32 Rthlr.

Ulm, 1840.

Commission der Stettin'schen Buchhandlung, und durch alle Kunst - und Buchhandlungen zu beziehen.

1080

[1551]

Neue wichtige Werke aus dem Gebiete der Naturwissenschaften und Erdkunde, welche erschienen und zu haben sind bei Friedrich Fleischer in Leipzig.

Germar, Dr. E. F., Zeitschrift für die Entomologie. 1r und 2r Bd.

Mit Kupf. gr. 8.

5 Thlr.

Schoenherr, C. J., Genera et species Curculionidum cum synonymia hujus familiae. V Tomi in 10 partes. 8 maj. 26 Thlr. 16 gr.

Martius, C. F. P. de et St. Endlicher, Flora Brasiliensis, seu enumeratio plantarum in Brasilia hactenus delectarum, quae cura Musei caes. reg. palat. Vindobonensis propriis communibusque botan. stud. descript. et methodo naturalis digestas. Cum Tab. col. et nigr. Roy. -Fol.

Martius, C. F. Ph. de, Genera et species Palmarum, quas in itinere per Brasiliam annis 1817-1820 suscepto, collegit, descripsit et iconibus illustravit. Fascic. I-VII. Imper. -Folio illum. 278 Thlr.

Dieselben mit schwarzen Tafeln 142 Thlr.

Siebold, Ph. F. v., Nippon. Archiv zur Beschreibung von Japan und dessen Nebenländern. Erstes bis achtes Heft. Folio. illuminirt 112 Thlr.

Dieselben in Quart und schwarz 68 Thlr.

Fauna Japonica sive descriptio animalium, quae in itinere per Japoniam, annis 1823-1830 collegit, notis, observationibus et adumbrationibus illustravit. 7 Fasc. Fol.

46 Thlr. 16 gr.

Sternberg, Graf Caspar, Versuch einer geognostisch-botanischen Darstellung der Flora der Vorwelt. 8 Hefte mit illum. Kupf. Folio. 60 Thlr.

Dasselbe Werk mit französischem Text 60 Thlr.

Sturm, Jac., Deutschlands Flora in Abbildungen nach der Natur mit Beschreibungen.

I. Abth. 80 Hefte, II. Abth. 31 Hefte, III. Abth. 18 Hefte, jedes Heft 16 gr. 86 Thlr.

Deutschlands Fauna in Abbild. nach der Natur mit Beschreibungen.

II. Abth. Vögel 3 Hefte, III. Abth. Amphibien 6 Hefte, V. Abth. Insecten 14 Hefte, VI. Abth. Würmer 8 Hefte.

Dieses bis jetzt davon Erschienene kostet 48 Thlr. 16 gr.

Auch sind nachstehende zwei Prachtwerke um die beigesetzten ermäßigten Preise jetzt wieder zu haben: Spix, J. B. de, Cephalogenesis, sive capitis ossei structura, formatio, et significatio per omnes animalium classes etc. etc. Cum Tab. XVIII. Fol. imp. Monachii 1825.

20 Thlr.

Bojanus, L. H., Anatome testudinis Europaeae. 2 Fasciculi. Cum tab. aen. Vilnae 1819-1821.

32 Thlr.

Mit Absicht ist bei allen Werken, obschon nur die letzten Lieferungen neu erschienen sind, der Preis des vollständigen Werkes angegeben. Die Preise einzelner Lieferungen sind leicht durch jede Buchhandlung zu erfahren.

1080

[1525-27]

Molken-Curanstalt in Meran in Tyrol.

Es wird hiemit zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß die Molken-Curanstalt in Meran mit Mitte April wieder eröffnet wird. Für die Vorzüglichkeit der Molken sowohl aus Kuh - als aus Ziegenmilch bürgen die Gebirgskräuter, woraus Kühe und Ziegen ihre Nahrung erhalten; für fleißige und entsprechende Bereitung der Molken ist alle Vorsorge getroffen. Wie wohlthätig das milde Klima und die äußerst gesunde Luft der reizenden Gegend von Meran auf die Heilung der Kranken und Stärkung der Schwachen wirkt, ist schon lange notorisch. Wer die Molken gebrauchen will, wolle sich gefälligst an den Gefertigten wenden. Meran, am 12 April 1840.

Aloys Wenter, Tabak - und Stempelverleger.

1080

[1769]

Baderöffnung im Heinrichsbad bei Herisau.

Mit dem 24 d. Monats wird dieses Bad wieder eröffnet, und es ist von dieser Zeit an den Sommer über alle Tage früh Morgens frische Alpen-Ziegen-Molken, wie auch Eselin -, Ziegen - und Kuhmilch, erstere auf Bestellung hin zu erhalten; außer den gewöhnlichen Bädern sind auch Molkenbäder zu haben; für Schwindsüchtige sind ebenfalls wohl eingerichtete Kuhstallzimmer besorgt. Dieser Curort ist seiner vorzüglich angenehmen Lage und Einrichtung wegen zu gut bekannt, als daß er noch ferner empfohlen werden müßte.

Der Unterzeichnete, als nunmehriger Besitzer, wird sich alle Mühe geben, die resp. Gäste, die ihn mit ihrem Zutrauen beehren, auf das beste zu bedienen.

Heinrichsbad, den 1 Mai 1840.

Karl Nägeli.

1080

[1708]

In Karl Gerolds Buchhandlung in Wien ist so eben erschienen, und daselbst so wie in allen Buchhandlungen Deutschlands zu haben: Der Orient in seinem gegenwärtigen Zustande mit Rückblicken auf die Vergangenheit, dargestellt in einer Reise über Konstantinopel, Kleinasien, Syrien und Palästina.

12. Wien 1840. In Umschlag broschirt.

Preis: 1 Rthlr. sächs.

Der Orient hat in der neuesten Zeit wieder ein solches Interesse erlangt, daß ein compendiöses Werk, wie obiges, welches in einfacher, angenehmer Darstellung eine vollständige Kenntniß der wichtigsten jetzt bestehenden Verhältnisse desselben in geographisch-historischer und topographischer Hinsicht zu gewähren verspricht, der Lesewelt nicht anders als höchst willkommen seyn kann. Unsere Reisebeschreibung umfaßt die auf dem Titel genannten Länder in der Weise, daß alle von dem Reisenden berührten Gegenden und Orte mit genauer Berücksichtigung dessen, was sie Wichtiges und Merkwürdiges enthalten, auf eine lehrreiche und anziehende Art besprochen, und nach ihrem gegenwärtigen Zustande dargestellt werden. Wir glauben daher das Werkchen allen Gebildeten als eine zugleich belehrende und unterhaltende Lecture bestens empfehlen zu können.

Eben daselbst ist erschienen und zu haben: Pittoreske Donaufahrt von Ulm bis Konstantinopel.

Eine romantisch-malerische Schilderung der merkwürdigsten Ortschaften, Schlösser, Burgen, der schönsten Gegenden und Fernsichten an der Donau, wie auch der gefährlichsten Stellen dieses Flusses, nebst einer Uebersicht der Dampfschifffahrt auf demselben. Ein Handbuch für Donaureisende. Mit 1 Stromkarte. 12. Wien 1838. geh. 20 gr.

1080

[1509-11]

Dienstgesuch.

Ein verehelichter, jedoch kinderloser Mann von 37 Jahren, welcher als Patrimonialgerichtshalter II. Classe geprüft ist, 6 Jahre als Oberschreiber in einem königl. Rentamte diente, als Forstmann sowohl theoretisch als praktisch gebildet ist, und früher Eleve auf einem königl. Staatsgute war und jetzt selbst Oekonomiebesitzer ist, wünscht als Patrimonialgerichtshalter und Rentenverwalter eine Anstellung und würde auch die Aufsicht über Oekonomie und Forste übernehmen.

Im Besitz von Privatvermögen, ist derselbe im Stand, jede verlangt werdende Caution zu leisten und verzichtet auch deßwegen auf einen Wittwengehalt für seine Frau. Die besten Zeugnisse über seine Dienstleistungen und Moralität, so wie deßfallsige Berufung auf anerkannte Auctoritäten stehen ihm zur Seite.

Anfragen mit C. S. bezeichnet besorgt die Expedition dieser Zeitung.

1080

[1604-6]

Gesuch.

Man wünscht einen Provisions-Reisenden, welcher das Würtembergische und die Schweiz bereist.

Sich durch frankirte Briefe an das Inserate - und Zeitungs-Bureau von Hr. G. A. Alexander in Straßburg zu wenden.

About this transcription

TextAllgemeine Zeitung
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Deutsches TextarchivNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2016-06-28T11:37:15Z Matthias BoenigNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2016-06-28T11:37:15Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationAllgemeine Zeitung Nr. 135. 14. Mai 1840 . Augsburg1840.

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Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften DWB 1996/32

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LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; augsburgerallgemeine

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