Bei W. Langewiesche in Barmen sind erschienen:
Blumenlese aus 101 deutschen Dichtern neuerer und neuester Zeit. Zum Deklamiren für die reifere Jugend in Gymnasien, Seminarien, höheren Bürgerschulen &c., so wie zum Privatgebrauch für alle Freunde deutscher Dichtkunst und Dichter. Herausgegeben von einem der 101. 24 Bogen 8., elegant gebunden mit Umschlag in Congrevedruck. 1 Thlr. Gallerie der Helden: Blücher, Washington, Schill und Hofer. Vier Lebensbeschreibungen, Deutschlands Jünglingen und Männern gewidmet von Dr. Rauschnick, Hofrath Ed. Gehe, Dr H. Döring und L. Wiese. Jn Einen Band gebundene Ausgabe mit 3 Stahlstichen. 3⅓ Thlr. P. D. Holthaus, (Schneidergesell!) Wanderungen durch Europa und das Morgenland. Dritte, verbesserte Auflage. Mit dem Bildniß des Herausgebers. Geh. ¾ Thlr. Dr. Franz Horn, Fortepiano. Kleine heitere Schriften. 3 Bände. 8. Geh. 3 Thlr. Derselbe, Mai und September. Eine Sammlung von Novellen, Skizzen, Kritiken &c. 2 Bde. 8. Geh. 2¼ Thlr. Poetisches Kleingewehrfeuer. Epigramme, Reimsprüche &c. von Teutonius Acerbus, Jan Pol, G. Puteolano, K. G. Korte und W. Jemand. Geheftet. ⅓ Thlr. Lies mich! Eine Sammlung von Novellen, Erzählungen, Dramen, Gedichten &c. Jn Verbindung mit beliebten Schriftstellern (Ferd. Freiligrath, Franz Horn, Pustkuchen &c.) herausgegeben von W. Jemand. N. A. 3 Bände in Taschenformat, elegant gebunden mit Goldschnitt. 3 Thlr.
H. Püttmann, Chatterton. 2 Bände.
1r Bd.: Leben des Dichters.
2r Bd.: Dichtungen (die ausgezeichnetesten des genialen „ Wunderknaben “Chatterton, metrisch übersetzt).
8. Geheftet. 1 ⅚ Thlr.
Dr. Karl Rosenkranz, (Professor in Königsberg), geistlich Nachspiel zur Tragödie Faust. 8. Geh. $$\frac{5}{12}$$ Thlr. Derselbe, die Naturreligion. Ein philosophisch-historischer Versuch. gr. 8. 1 ⅚ Thlr. Albert von Starschedel (in Paris), französische Schulgrammatik. 8. Geh. ½ Thlr. Deutsches Volksliederbuch. Vierte Auflage, 139 ausgewählte Volks -, Gesellschafts - und andere Lieder enthaltend. Geheftet. $$\frac{1}{12}$$ Thlr.
RIII(Göthe. )Und wer der Dichtkunst Stimme nicht vernimmt, Jst ein Barbar, er sei auch wer er sei.
Druck von P. A. Santz in Altena.
Unsere Nationalliteratur, namentlich der (im engern Sinne) poetische Theil derselben, hat gegenwärtig, sowohl in höheren Lehranstalten, als unter den, der Schule entwachsenen Gebildeten eine sehr erfreuliche Beachtung gefunden. Die Bekanntschaft mit derselben betrachtet man — und mit Recht! — als ein nothwendiges Attribut der Bildung, als eine Quelle des edelsten Genusses. Schriftsteller und Buchhändler haben sich beeilt, den in dieser Beziehung laut werdenden Bedürfnissen entgegen zu kommen: fast mit jeder Woche mehren sich die Auswahlen deutscher Gedichte, erscheinen neue Ausgaben anerkannter Dichter und Kommentare zu einzelnen oder mehreren derselben. Nur die theoretische Seite der deutschen Poesie hat, nach unserer Meinung, die volle, verdiente Berücksichtigung nochRVI nicht gefunden. Denn wenn wir auch über einzelne Zweige der Dichtkunst nicht nur mehrere ausführliche gelehrte Werke, sondern auch solche besitzen, die für ein größeres Publikum berechnet und dabei zum Theil recht zweckmäßig sind, so fehlt es uns doch an einer Schrift, die in anspruchsloser und faßlicher Weise sich über das Ganze der Poetik, über die Formen sowohl, als über die Gattungen und Arten derselben verbreitet. Wir schmeicheln uns deshalb mit der Hoffnung, durch das vorliegende Werkchen eine fühlbar gewordene Lücke auszufüllen. Jn wie weit uns das gelungen, darüber mögen sachverständige Kritiker und diejenigen entscheiden, die unsere Schrift gebrauchen! Bei der Beurtheilung, wie bei dem Gebrauch bitten wir folgende Punkte zu beachten:
1) Wir haben die Lehre von der Dichtkunst nicht als eine Theorie a priori genommen, sondern sie durchweg auf die Praxis, auf die Produktionen anerkannter deutscher Poeten zu begründen und nach diesen zu bestimmen gesucht. Namentlich ist unser Bestreben gewesen, die selbstständige nationale Entwickelung, die unsere Poesie praktisch in Hinsicht der Formen erreicht, auch in der Theorie geltend zu machen. Deshalb haben wir zwar dieRVII einmal bekannten und gebräuchlichen Namen aus der antiken (griechisch-lateinischen) Metrik beibehalten, aber nicht diese selbst ohne Weiteres auf die deutsche Dichtkunst übertragen. Daß so unsere Schrift einen haltbaren praktischen Grund gewonnen, dürfen wir um so mehr hoffen, als sich ein uns befreundeter Dichter der Mühe unterzogen hat, dieselbe mit uns fast Satz für Satz durchzugehen. Wir fühlen um so größere Verpflichtung, demselben öffentlich hiermit unseren herzlichen Dank abzustatten, da einige Paragraphen dem Wesentlichen nach ganz sein Eigenthum sind, andere auf seine Veranlassung mehr oder minder erhebliche Aenderungen oder Zusätze erfahren haben.
2) Es konnte unsere Absicht nicht sein, unsere Leser zu Dichtern machen zu wollen — die Dichter werden geboren. Allerdings würde es uns höchlich freuen, wenn hier oder da Einer, der das göttliche Pfund der Poesie schon in sich trug, durch unsere Schrift hinsichtlich der Anwendung desselben zu größerer Klarheit gelangen sollte. Zunächst aber bezweckten wir bloß, ältere und jüngere Freunde poetischer Speise für deren Genuß fähiger und empfänglicher zu machen. Um dabei möglichst vielen nützlich zu werden, suchten wir unser Buch soRVIII einzurichten, daß es sowohl unter Leitung eines Lehrers von den Schülern und den Schülerinnen höherer Lehranstalten gebraucht werden, als auch Erwachsenen zum Selbstunterricht dienen konnte. Für den Schulgebrauch aber, wie für den Selbstunterricht war es nothwendig, den Text durch Beispiele zu belegen und zu erläutern. Trotz dem trugen wir Bedenken, überall Beispiele beidrucken zu lassen. Denn hätten wir uns rücksichtlich derselben auch nur auf das Allernothwendigste beschränkt, so mußte doch das Buch um ein Bedeutendes theurer und damit sein Wirkungskreis ein sehr beschränkter werden; überdieß würden die Beispiele vom literarhistorischen Gesichtspunkte aus nur eine sehr ungenügende Auswahl abgegeben haben. Unserm Texte aber eine, auch in dieser Beziehung vollständige Gedichtsammlung beizugeben, und so die große Menge ähnlicher Bücher noch zu vermehren, dazu konnten wir uns für jetzt nicht entschließen. Wir wählten deshalb einen Mittelweg. Nur in den, über die Prosodik, die Metrik, die Versarten und den Reim handelnden Abschnitten führten wir gleich die nöthigen Beispiele an. Jn Hinsicht der Theil II. besprochenen lyrischen und epischen Dichtungsarten aber haben wir uns aufRIX die unten angegebenen*)1) Auswahl deutscher Gedichte für gelehrte Schulen, von Dr. Theodor Echtermeyer. Dritte Auflage. Halle, Buchhandlung des Waisenhauses. 1842. 2 ) Handbuch der poetischen Nationalliteratur der Deutschen von Haller bis auf die neueste Zeit. Vollständige Sammlung von Musterstücken &c. mit literarisch-ästhetischem Kommentar. Von Dr. Heinr. Kurz. 3 Theile. Zürich, Meyer und Zeller. 1840. 3 ) Fünf Bücher deutscher Lieder und Gedichte. Von Haller bis auf die neueste Zeit. Von Gustav Schwab. Zweite Auflage. Leipzig, Weidmann. 1840. 4 ) Poetischer Hausschatz des deutschen Volkes. Vollständigste Sammlung deutscher Gedichte &c. Von Dr. O. L. B. Wolff &c. Leipzig, Otto Wigand. 5) Auswahl deutscher Gedichte für höhere Schulen, von Dr. K. E. P. Wackernagel. Dritte Auflage. Berlin, Duncker und Humblot. 1838. anerkannten und weitverbreiteten Gedichtsammlungen bezogen und deshalb unserem Buche ein, auf jene Werke verweisendes Register beigefügt. Wenn wir im Allgemeinen immer nur einige, nicht alle in den einzelnen Sammlungen vorhandenen Beispiele angedeutet haben, und uns auch nicht daran störten, daß sich wohl die eine oder andere Dichtungsart nicht in jeder derselben vertreten fand; wenn wir bei der dramatischen Poesie und den in prosaischer Form erscheinenden Dichtungen sowohl auf Anführung,RX als auf Andeutung von Beispielen verzichteten: so wird es darüber hier keiner besondern Rechtfertigung bedürfen.
Was endlich den Abschnitt von den Strophen betrifft, so sind in demselben die nöthigen Beispiele dem Texte dann beigegeben, wenn sich solche nicht in mehreren der angezogenen Sammlungen fanden.
3) Die Anführung derjenigen Dichter, die sich in den einzelnen Dichtungsarten ausgezeichnet haben, soll die Literaturgeschichte nicht ersetzen, wohl aber dazu dienen, das Studium derselben zu fördern. Für den Schulunterricht, wie für den autodidaktischen Gebrauch scheint uns nämlich zur Erreichung der nöthigen Bekanntschaft mit der Nationalliteratur und deren Geschichte folgender Weg der naturgemäßeste und zweckdienlichste: a. Lesen ausgezeichneter poetischer Produkte mit bloßer Rücksicht auf das Verständniß des Gegenstandes und die Darstellung im Allgemeinen; b. Bekanntmachung mit den Formen der Dichtkunst; c. Bekanntmachung mit den Dichtungsarten, und zwar auf praktisch-theoretische Weise: erst lese man aufmerksam einige Beispiele, dann die Theorie derselben; d. erst wenn so schon eine ziemlich ausgedehnte BekanntschaftRXI mit den vorzüglichern Erzeugnissen der Literatur und den Verfassern derselben erreicht ist, erst dann nehme man die Literaturgeschichte vor. — Jst man diesen Weg gegangen, dann können die geschichtlichen Paragraphen unseres Werkes auch in mancherlei Weise zu Repitionen benutzt werden. Freilich nur für die neuere Literaturgeschichte. Wenn wir diese fast ausschließlich berücksichtigt haben, so ist es in der Ueberzeugung geschehen, daß nur sie für den größern Theil des Publikums, wie für diejenigen Lehranstalten, für die wir zunächst schrieben, Werth habe. Es ist hier nicht der Ort, die Gründe für diese Meinung darzuthun.
4) Wir wollten nicht auf Kosten der Sache originell sein. Ohne deshalb unserer Selbstständigkeit etwas zu vergeben, haben wir uns namentlich in der Lehre von den Dichtungsarten hier und da gern auf andere Werke bezogen. — Möchte das von uns Benutzte recht viele unserer Leser dazu veranlassen, sich dem Studium der angezogenen Schriften (namentlich dem von Gervinus 'Literaturgeschichte, Hoffmeister's Schiller und Schlegel's: Ueber dramatische Kunst und Literatur) hinzugeben! — Die Gefühle der HochachtungRXII und des Dankes, die wir für jene Autoren hegen, würden den lautesten Wiederhall finden: unsere Arbeit hätte die beste Frucht getragen und unserer Mühe wäre der schönste Lohn geworden!
Barmen, Ende März 1843.
Der Verfasser.
Seite 24, Zeile 22 von oben statt „ wenn wie “lies „ wenn wir “.
„ 29, „ 1 von unten statt „ Jambus “lies „ Trochäus “.
„ 30, „ 19 von oben statt „ die Zahl “lies „ die Schaar “.
„ 40, „ 6 von unten statt „ Reim o “lies „ Reim so “.
„ 60, „ 1 „ „ „ „ §. 49. “lies „ §. 42 “.
RXVA
Accentverse, 9, 34.
Akrostichon, 72.
Akt, 165.
Alcäische Verse, 27.
Alexandriner, 21, 22, 111, 127, 144.
Allegorie, 119, 122 ff. ; — anthropomorphische, 123; — metaphorische, 123; — personificirende, 123.
Allegoriendichter, 126.
Alliteration, 38, 39.
Amphibrachysche Verse, 27.
Amphibrachys, 12.
Amphimaker, 12.
Anagramm, 186.
Anakreontische Lieder, 87.
Anapäst, 12; — ische Verse, 26.
Anfangsreim, 43.
Annomination, 39.
Antibachius, 13.
Antike Versmaaße, 92.
Antispast, 13.
Arie, 99, 184.
Ariette, 184.
Arioso, 184.
Arsis, 11.
Asklepiadeische Verse, 29.
Assonanz, 36 – 39.
Auftakt, 16.
Auftritt, 165.
Aufzug, 165.
B
Bachius, 13.
Ballade, 119, 136 – 141.
Balladendichter, 141.
Beschreibendes Gedicht, 115.
Binnenreim, 43.
Buchstabenräthsel, 186.
Bucolysche Cäsur, 31.
C
Cäsur, 15; — bucolysche, 31.
Cäsuren des Hexameters, 31.
Cäsur, Fußcäsur, 15; — männliche, 16; — Verscäsur, 15; — weibliche, 16.
Cancion, 66.
Cantate, 98 – 100; — geistliche, 99; — weltliche, 99.
Cantatendichter, 100.
Catatilenen, 100.
Catatillen, 99, 100.
Cantatinen, 100.
Canzone, 65.
Carricatur, 110.
Cavatine, 184.
RXVICharade, 186.
Charakterstück (Lustspiel), 176.
Choliambus, 23.
Chor, 99.
Choreus, 12.
Choriambische Verse, 29.
Choriambus, 13.
Coda der Canzone, 65.
Conversationsstück (Lustspiel), 177.
D
Daktylische Verse, 25.
Daktylisch-spondeische Verse, 29 ff.
Daktylus, 12.
Deutsche Strophen, 58.
Dezime, 68, 69.
Dichter von Allegorien, 126; — Balladen, 141; — Cantaten, 100; — Elegien, 101, 102; — Epigrammen, 107; — Episteln, 113; — Epopöen, 146, 147; — Fabeln, 122; — Gnomen, 104; — Heroiden, 103; — Hymnen, 96; — Jdyllen, 136; — Komödien, 179; — Legenden, 129; — Lehrgedichten, 115, 116; — Liedern, 91; — Lustspielen, 179; — Mährchen, 133; — Novellen, 153; — Oden, 94; — Parabeln, 126; — Paramythien, 126; — poetischen Erzählungen, 127; — Romanen, 153, 154; — Romanzen, 141; — Sagen, 133; — Satyren, 111, 112; — Schauspielen, 181.
Dichter von Sinnsprüchen, 104; — Tragödien, 173; — Trauerspielen, 173.
Dichtkunst, 1.
Dijambus, 13.
Dimeter, 17.
Dipyrrhichius, 13.
Dispondeus, 13.
Distichon, 32, 33, 101, 104, 106.
Dithyrambendichter, 98.
Dithyrambus, 97, 98.
Doppeljambus, 13.
Doppelpyrrhichius, 14.
Doppelreim, 44.
Drama, 155 ff.
Drama im engern Sinne, 179.
Dramatische Poesie, 117, 155 bis 184.
Duett, 99. 184.
Duodram, 183.
E
Echo, 44.
Einheit der Handlung, 156.
Einheit des Orts, 158.
Einheit der Zeit, 158.
Eintheilung der Verse, 16 – 18.
Elegie, 100 – 102.
Elegiendichter, 101, 102.
Elegisches Distichon, 32, 33.
Elegisches Versmaaß, 101, 103.
Elfsilbler, 28.
Endreim, 43.
Entwickelung, 166.
Epigramm, 104 – 107.
Epigrammdichter, 107.
Epigramm, ernstes, 105; — witzig-satyrisches, 105 ff.
Epilog, 156, 166.
RXVIIEpische Poesie, 117 – 154.
Episoden, 118, 141, 142, 157.
Epistelndichter, 113.
Epistel, poetische, 112, 113.
Epitritt, 13.
Epopöe, 144.
Epos, 119, 141 – 147.
Eposdichter, 146, 147.
Epos, ernstes, 146; — idyllisches, 146; — klassisches, 144; — komisches, 146, 147; — romantisches, 145.
Erotische Lieder, 86.
Erzählung, 126; — poetische, 119, 126, 127.
Exposition, 166.
F
Fabel, 119, 120 – 122; — des Dramas, 156; — dichter, 122.
Feenmährchen, 133.
Formen, poetische, 3, 4.
Freiheitsgesänge, 87.
Fuß, 12; — cäsur, 15.
Füße der Canzone, 65.
Füße, dreitheilige, 12, 13; — viertheilige, 13; — zweitheilige, 12.
G
Gasel, 72, 73.
Gattungen der Dichtkunst oder Poesie, 77 ff. Gedichte, didaktische, 80, 114 ff. ; — dramatisch-didaktische, 81; — episch-didaktische, 80; — Lehr -, 114 – 116.
Gedichte, lyrisch-didaktische, 80.
Gelegenheitsgedichte, vaterländische, 87 ff.
Gesellschaftslieder, 86, 87.
Gleichklang, 36 – 55.
Gleichniß, 124.
Glosse, 69.
Glykonischer Vers, 28.
Gnomon, 103, 104; — dichter, 104.
H
Handlung, Einheit der, 156.
Hebung, 11.
Heldengedicht, 141; — ernstes, 144. Held des Dramas, 156; — des Epos, 142; — der Komödie, 174; — der Tragödie, 168 ff.
Hendekasyllabus, 28.
Heroide, 103.
Heroidendichter, 103.
Heroischer Vers, 29 ff.
Hexameter, 29 – 33, 111, 144; — Kleist'sche, 32.
Hiatus, 74, 75.
Homonyme, 186.
Hymne, 94 – 96.
Hymnendichter, 96.
J
Jdylle, 119, 133 – 136.
Jdyllendichter, 136.
Jntermezzo, 183.
Jntriguenstück, 176; — lustspiel, 176. Jonikus, fallender, 13; — steigender, 13.
Jambus, 12.
RXVIIIJambus, hinkender, 23.
Jamben, 19 ff. ; — einfüßige, 19; — zweifüßige, 19, 85; — dreifüßige, 19, 85; — vierfüßige, 19; — fünffüßige, 20, 101, 127, 129; — sechsfüßige, 21, 22; — siebenfüßige, 23; — achtfüßige, 23.
Jambische Verse, 19 – 23, 139.
Jambisch-anapästische Verse, 27, 139.
K
Katastrophe, 157.
Kettenreim, 43.
Kirchenlied, 86, 96.
Kleist'sche Hexameter, 32.
Knittelverse, 35.
Knoten, dramatischer, 157.
Komödie, 167, 173 ff.
Kretische Verse, 25.
Kriegslieder, 87.
Kunstpoesie, 2.
L
Legende, 119, 127 – 129; — ernste, 128; — komische, 128.
Legendendichter, 129.
Lehrgedicht, 80, 114 – 116; — Dichter des, 115, 116.
Liebeslieder, 86.
Lied, 83 – 91; — Arten desselben, 85 ff.
Lieder, anakreontische, 87; — dichter, 91; — erotische, 86; — Freiheits -, 87 ff. ; — geistliche, 85, 86; — Gesellschafts -, 86, 87; — Kirchen -, 86, 96; — Kriegs -, 87; — Liebes -, 86. Lieder, Natur -, 86, 90; — politische, 87 – 89; — religiöse, 85, 86; — Vaterlands -, 86 ff. ; — weltliche, 85 ff.
Logogryph, 186.
Lustspiel, 173 ff. ; — dichter, 179; — höheres, 175, 176; — niederes, 175, 176. Lyrische Poesie, 79, 82 – 116; — Arten, 83; — Eintheilung, 83.
M
Madrigal, 63.
Mährchen, 119, 129 – 133; — dichter, 133.
Makamen, 34.
Maschinerie des Epischen, 118, 145.
Meistersonett, 65.
Melodram, 183.
Metrik, 11 – 18.
Mittelreim, 43.
Molossus, 13.
Monodram, 183.
Monolog, 166.
Monometer, 17.
Moral der Fabel, 121.
Mythus, 130.
N
Naturlieder, 86, 90.
Naturpoesie, 2.
Nibelungenstrophe, 59.
Nibelungenvers, 22, 127, 139, 144; — älterer, 22; — neuerer, 22.
Novelle, 119, 151 ff.
RXIXNovellendichter, 153.
Novellette, 152.
O
Objektive Poesie, 2, 79.
Octave, 61 – 63, 127.
Ode, 91 – 94, 95.
Odendichter, 94.
Oper, 167, 181 – 184.
Opera buffa, 183.
Opera seria, 183,
Oper, ernste, 183; — komische, 183.
Operette, 183.
Oratorien, 99.
Ottava rime, 61 ff.
P
Päon, 13.
Palimbachius, 13.
Parabel, 119, 124, 125; — dichter, 126.
Paramythie, 119, 125, 126.
Parodie, 184.
Pasquill, 110.
Pause, logische, 15.
Pentameter, 17, 32.
Perepetie, 166.
Persische Vierzeile, 73.
Phaläkischer Vers, 28.
Pherekratischer Vers, 28.
Poesie, 1; — Zweck der, 2; — didaktische, 80, 81; — dramatische, 79, 117, 155 – 184; — dramatisch-didaktische, 81; — epische, 79, 117 – 154; — episch-didaktische, 80; — Hauptgattungen, 79; — lyrische, 79 – 116.
Poesie, lyrisch-didaktische, 80; — objektive, 2, 79; — subjektive, 2, 79.
Poetische Epistel, 112, 113.
Poetische Erzählung, 119, 126, 127; — Formen, 3, 4.
Posse, 175.
Prolog, 156, 166.
Prosa, 2.
Prosodik, 4 – 10.
Psalmen, 96.
Pyrrhichius, 12, 14.
Pythischer Vers, 29.
Q
Qualitätsverse, 9.
Quantitätsverse, 9.
Quartett, 99.
R
Räthsel, 185.
Recitativ, 99, 184.
Refrain, 59.
Reim, 36 – 55; — Anfangs -, 43; — Binnen -, 43; — Bedeutung des, 46 – 48, 54, 55; — Doppel -, 44; — echo, 44; — eigentlicher, 42 – 44; — End -, 43; — formen, 42 – 44; — gekreuzter, 45; — Gesetze der Bildung, 48; — gleitender, 41; — identischer, 42; — im Liede, 85; — Ketten -, 43; — männlicher, 41; — Mittel -, 43; — reicher, 42; — Schlag -, 45; — schwebender, 41; — Stellung des, 44 – 46; — stumpfer, 41; — umarmender, 45; — ungetrennter, 44.
RXXReime, unterbrochene, 46; — verschränkte, 45; — weibliche, 41.
Reimstrophen, deutsche, 58.
Rhapsoden, 97.
Rhapsodie, 96, 97.
Rhapsodisch, 97.
Rhythmus, 11.
Ritornell, 63, 64.
Roman, 119, 147 – 154.
Romandichter, 153, 154.
Romane, ascetische, 150; — ästhetische, 150; — ernste, 150; — historische, 150; — humoristische, 150; — komische, 150; — Künstler -, 150; — pädagogische, 150; — philosophische, 149, 150; — Räuber -, 150; — Ritter -, 150; — satyrische, 150; — Schäfer -, 150; — sentimentale, 150; — theologische, 150.
Roman, Wirkung des, 152.
Romanze, 119, 136 – 141.
Romanzendichter, 141.
Rondeau, 68.
S
Sage, 119, 130 – 33.
Sagendichter, 133.
Sapphische Verse, 33.
Satyre, 107 – 112.
Satyre, ernste, 108; — komische, 108; — dichter, 111, 112.
Scene, 165.
Schauspiel, 167, 179 ff.
Schlagreim, 45.
Schleuderer, 12.
Schön, 1.
Schweif der Canzone, 65.
Senkung, 11.
Sestine, 65, 66.
Silben, Eintheilung der, 5 ff. ; — Messung der, 5 ff. ; — räthsel, 186; — wägung, 5 ff.
Singspiel, 181, 183.
Sinnspruch, 103, 104.
Sittenlustspiel, 176; — stück, 176.
Skansion, 14.
Skazon, 23.
Sonett, 64, 111.
Sonettenkranz, 64, 65.
Spenser'sche Stanze, 63.
Spondeus, 12.
Sprache, accentuirende, 10; — quantitirende, 10. Stanze, 61 – 63, 111, 144; — regelmäßige, 62; — unregelmäßige, 62, 63; — Spenser'sche, 63.
Stimmreim, 36 – 38.
Streitgedicht, 69, 70.
Strophen, 56 – 74; — antike, 58, 60, 61; — alcäische, 61; — asklepiadeische, 60; — ausländische, 61 – 74; — deutsche, 58 – 60; — gleichmäßige, 56; — moderne, 58, 61 ff. ; — sapphische, 61; — ungleichmäßige, 56; — zweizeilige, 58; — drei -, vier -, fünf -, sechs -, siebenzeilige, 59; — acht -, neun -, zehn -, elf -, zwölf -, dreizehnzeilige, 60.
Subjektive Poesie, 2, 79.
RXXIT
Takt, 12.
Tendenz-Romane, 148 ff.
Tenzone, 69, 70.
Terzett, 99.
Terzine, 63, 127.
Tetrameter, 17.
Theater, 160 ff.
Theatralisch, 159 ff.
Theatralische Wirkung, 160 ff.
Thesis, 11.
Tragödie, 167 – 173.
Tragödie, antike, 167 ff. ; — deutsche, 167 ff. ; — griechische, 167 ff. ; — moderne, 167 ff.
Tragödiendichter, 173.
Trauerspiel, s. Tragödie.
Travestie, 184, 185.
Tribrachys, 13, 14.
Trimeter, 17.
Trinklieder, 87, 98.
Triolett, 67.
Trochäen, zweifüßige, 23; — dreifüßige, 23, 84; — vierfüßige, 23, 24, 84; — fünffüßige oder serbische, 24, 101, 129, 144; — sechssüßige, 24; — siebenfüßige, 24; — achtfüßige, 24.
Trochäisch-daktylische Verse, 27, 28, 85.
Trochäische Verse, 23 – 25, 139, 144.
Trochäisch-jambische Verse, 28, 29.
Trochäus, 12.
U
Unregelmäßige Verse, 33.
V
Vaterlandslieder, 86 ff.
Vaudeville, 183.
Vers, 14.
Versarten, 19 – 35.
Verscäsur, 15.
Verse, abgekürzte, 17; — alcäische, 27; — amphibrachische, 27; — anapästische, 26; — asklepiadeische, 29; — choriambische, 29; — daktylisch-spondeische, 29 ff. ; — Eintheilung derselben, 16 – 18; — jambisch-anapästische, 27, 85; — jambische, 19 – 23; — Knittel -, 35; — kretische, 25; — Quantitäts -, 9; — Qualitäts -, 9; — sapphische, 33; — trochäische, 23 – 25; — trochäisch-daktylische, 27, 85; — trochäisch-jambische, 28, 29; — unregelmäßige, 33 ff.
Versfuß, 12.
Versfüße, 12.
Versfüße, zweitheilige, 12; — dreitheilige, 12; — viertheilige, 13.
Versglieder, 11.
Vers, glykonischer, 28; — heroischer, 29.
Versmaaße, antike, 92.
Versmaaß, elegisches, 101, 103, 104, 106. Vers, phaläkischer, 28; — pherekratischer, 28; — pythischer, 29.
RXXIIVerse, unvollständige, 17; — überzählige, 17; — vollständige, 17.
Verwickelung, 157, 166.
Viertheilige Füße, 13.
Vierzeile, 104; — persische, 73.
Volkslieder, 90.
Volksmährchen, 132.
Volkspoesie, 2.
Vorschlag, 16.
W
Wiederholungssatz, 59.
Wohllaut der Wörter, 74, 75.
X
Xenien, 107.
Z
Zeitmessung, 9.
§. 1. Die Poesie (als Kunst) oder die Dichtkunst gehört zu den schönen Künsten. Die schönen Künste haben die Darstellung des Schönen zum Gegenstand. (Schön heißt das, was durch die Verhältnißmäßigkeit und Vollkommenheit aller Theile, und insofern es eine höhere Jdee veranschaulicht, dem gebildeten Geschmacke Genuß bereitet.) Sie unterscheiden sich von einander in den Stoffen, durch welche diese Darstellung bewirkt, vermittelt wird. Der Stoff, das Darstellungsmittel der Dichtkunst ist die Sprache. Demnach wäre die Dichtkunst die ausgebildete Anlage, das Schöne sprachlich darzustellen, oder die Fertigkeit, das Schöne mittelst der Sprache regelrecht zur Anschauung zu bringen.
Anmerkung. Das Wort Poesie bezeichnet mehrere Begriffe, nämlich: 1) wie oben, die Kunst des Dichtens; 2) die angeborne Anlage, die Naturgabe zum Dichten; 3) die Produkte dieser Naturgabe und die der Dichtkunst; 4) Momente im Leben, und Gegenstände der innern und äußern Welt, sofern sie ähnliche Eindrücke machen, wie ein gutes Gedicht. — Auch zu der eigentlichen Dichtkunst, wenn sie nicht zur bloßen Verskunst herabsinken soll, ist die erwähnte Naturgabe (die poetische Ader) nöthig. Wird aber letztere ohne die erstere, d. h. ohne Bewußtsein der Regeln der Kunst, und ohne Nachahmung anderer poetischer Produkte, angewendet, so entsteht die2 sogenannte Natur - oder Volkspoesie, in der trotz der mangelhaften Form mitunter eben so schöne Gedankenblitze sich finden, als in der vollendetsten Kunstpoesie.
§. 2. Die Poesie wendet sich mit ihren Schöpfungen vorzugsweise an die Phantasie. Sie hat an und für sich keinen andern Zweck, als den, Genuß zu bereiten. „ Während andre Mittheilungen durch die Sprache ihre Wirksamkeit auf irgend einen bestimmten Zweck, auf die Belehrung des Verstandes, auf die Lenkung des Willens durch den Verstand und die Erregung der Gefühle richten, sind ihre Schöpfungen im Gebiete innerer Anschauungen, der Phantasie, das freie, nicht von äußerer Wirklichkeit und ihren Bedürfnissen, Rücksichten und Zwecken beengte Spiel einer harmonischen Thätigkeit der geistigen Kräfte. “ (Herling, Theorie des Styls.) Jndeß lassen sich auch mit ihr bestimmte Zwecke verbinden. Die wahre Poesie soll über die Schranken, Mühen und Sorgen des gewöhnlichen Lebens erheben und die Seele in die höheren Regionen des Jdealen und Vollkommenen versetzen, nicht aber das Gemüth in hysterische Träumereien versenken, es verweichlichen und der ernsten Wirklichkeit entfremden.
Anmerkung. Jnsofern die Poesie die eignen Gefühle des Dichters oder außer ihm liegende Erscheinungen darstellt, theilt man sie ein in subjektive und objektive.
§. 3. Der Poesie steht die Prosa entgegen. Prosa heißt die Art sprachlicher Mittheilung, welche mittelst des Verstandes Wahrheiten des Lebens, oder, bei der Täuschung, den Schein derselben zur Vorstellung erheben oder bestimmte Gefühle erregen will. Die Prosa strebt nach logischem Zusammenhange,3 nach Verständlichkeit; sie will belehrend auf den Verstand, oder erregend auf den Willen und das Gefühl wirken. Darum bestimmt hauptsächlich der Jnhalt des Darzustellenden die Art der Wortfolge und der Wortbewegung. Anders bei der Poesie. Jhrem Wesen gemäß verschmäht sie die Sprache des gemeinen Lebens und erscheint in besonderen Formen, die eigenen Gesetzen unterworfen sind und poetische Formen genannt werden. Wenn poetische Produkte, wie z. B. der Roman, die Novelle, das Gewand der Prosa annehmen, wird der Ausdruck doch gewählter, die Darstellung lebendiger, bilderreicher sein, als in der Sprache des gemeinen Lebens oder in der, hauptsächlich Klarheit bezweckenden, der Wissenschaft, und man wird diese Art Prosa mit Recht durch das Prädikat poetisch von der gewöhnlichen unterscheiden können, so wie man umgekehrt gar viele Produkte, die der Form nach zur Poesie gehören, auch wohl in Bezug auf diese Form nichts zu wünschen übrig lassen, dem Wesen, dem Jnhalte nach, zur Prosa zählen muß.
§. 4. Die Kenntniß der poetischen Formen ist zur vollen Würdigung der verschiedenen Kunstdichtungen unerläßlich. Ohne klare Einsicht in die Form wird sich das Wesen der Poesie der Seele nie ganz erschließen und kann der Genuß an derselben, da häufig gar viele Schönheiten in der Form liegen, nur ein unvollkommener sein. Daher ist jedem Gebildeten, der sich mit den Meisterwerken unserer Literatur befassen, sich an ihnen erquicken will, zuvörderst nöthig, daß er sich mit der Lehre von den poetischen Formen bekannt macht. Die folgenden Blätter bieten einen Abriß derselben.
4§. 5. Die Lehre von den poetischen Formen, bald einseitig Metrik, bald eben so einseitig Prosodie, am richtigsten noch Verslehre benannt, zerfällt in folgende Abschnitte:
1) in die Lehre von der Silbenmessung, Prosodik;
2) in die Lehre von den Versgliedern, Metrik;
3) in die Lehre von den Versarten;
4) in die Lehre vom Reime, und
5) in die Lehre von den Strophen.
§. 6. Man theilt in der deutschen Verslehre die Silben in zwei Hauptklassen, nämlich in lange und kurze, richtiger: schwere und leichte Silben.
Um zu erkennen, ob eine Silbe lang oder kurz (schwer oder leicht) ist, hat man zu berücksichtigen:
1) ihre Qualität — und zwar a. bei mehrsilbigen Wörtern, ob sie eine Haupt - und Stammsilbe oder eine Nebensilbe (Vor - oder Nachsilbe) ist, b. bei einsilbigen Wörtern, ob sie eine mehr oder weniger wesentliche Bedeutung hat und zu welcher Wortart sie gehört.
Die Stammsilben sind an und für sich lang (schwer), die Nebensilben, sofern sie nicht aus selbstständigen Wörtern entstanden, kurz (leicht).
Anmerkung. Eine Ausnahme macht das Wort lebendig. Hier ist die erste Silbe die Stammsilbe, die zweite und dritte sind Nebensilben. Dennoch legt der Sprachgebrauch den Nachdruck auf die zweite Silbe, wodurch dieselbe lang und die Stammsilbe kurz wird. — Die Vorsilben ur, miß, ant, un, vor, auf, an, nach (häufig auch um &c.) sind lang. Die Nachsiilben haft, schaft, keit, heit, bar, sam, sal, thum, lein, in, niß, ung, ei, isch, icht, zig, lich, so6 wie alle aus noch jetzt gangbaren Adjektiven &c. gebildeten, haben wenigstens mehr oder minder Neigung zur Länge.
Unter den einsilbigen Wörtern sind die mehr wesentlichen an und für sich lang, z. B. alle einsilbigen Substantive, Adjective und Zahlwörter, — die weniger wesentlichen kurz, z. B. alle einsilbigen Artikel, viele einsilbige Fürwörter, Verhältniß -, Umstands - und Bindewörter, wogegen andere zu diesen Arten gehörige einsilbige Wörter lang, die meisten aber unbestimmt sind. Auch die von Hülfszeitwörtern abgeleiteten einsilbigen Wörtchen (ist, war, hat &c.) sind meist als kurz, die übrigen einsilbigen Zeitwörter dagegen als lang anzusehen.
§. 7. 2) ihre Betonung — ob sie betont (hochtonig oder tieftonig), tonlos oder mitteltonig ist. — (Tonlose oder ganz unbetonte Silben im vollen Sinne dieses Prädikats giebts natürlich nicht, da zum Aussprechen jeder Silbe ein Ton erforderlich ist: man versteht darunter nur die, auf welche verhältnißmäßig am wenigsten Nachdruck gelegt wird. ) — Bei richtiger Aussprache einzelner und nicht zusammengesetzter Wörter ist die Betonung (also der Wortaccent) fast immer der Qualität der Silben entsprechend. — Die betonten Silben sind lang, die tonlosen kurz, die mitteltonigen an und für sich unbestimmt, bald lang, bald kurz.
Beispiel: Männerfreundschaft.
Hier sind die erste und dritte Silbe betont (die erste hochtonig, die dritte tieftonig, beide auch zugleich Haupt - und Stammsilben), daher lang; die zweite Silbe ist tonlos (und Nebensilbe), daher kurz,7 die vierte endlich ist mitteltonig, deshalb an sich unbestimmt. Jn jambischen, trochäischen, überhaupt in allen deutschen und modernen Versarten wird letztere in dieser Zusammensetzung als kurz betrachtet, in dem Wort „ Genossenschaft “dagegen als lang; (in antiken Silbenmaaßen kann sie auch in „ Freundschaft “als lang genommen werden.) Denn man berücksichtigt:
§. 8. 3) auch die Verbindung einer Silbe mit andern und ihre Stellung im Verse, insofern dadurch ihre Betonung sich ändert, — mit andern Worten: den Vers -, Satz - oder Redeaccent. Nicht bloß an und für sich mitteltonige, sondern auch an und für sich vollbetonte Silben werden dadurch, daß sie mit solchen Silben, welche bei richtigem, dem Jnhalte entsprechenden Lesen des ganzen Verses und Satzes vorzugsweise betont werden, in unmittelbare Berührung kommen, zu wenig betonten und daher kurzen Silben; und umgekehrt, nicht bloß an und für sich mitteltonige, sondern auch sehr wenig betonte Silben dadurch, daß sie zwischen zwei entschieden kurzen Silben stehen, zu mehr betonten und deshalb langen Silben.
Beispiele: 1)
Uhland. 2)
Göthe. 3)
Schiller. 84)
A. W. Schlegel.
Die Silben „ klein, “„ kommt, “„ voll “sind an und für sich lang, in dieser Verbindung aber mit Recht kurz gebraucht; und die letzte Silbe in „ Härenes, “so wie in „ begeisternder, “kann, obgleich an sich kurz, hier ihrer Stellung wegen als lang durchgehen.
§. 9. Der Dichter darf indeß hierin nicht zu weit gehen. Sobald bei richtigem, dem Jnhalt entsprechenden Vortrage das geübte Gehör eine von dem Dichter als lang gebrauchte Silbe gar nicht als betont erkennen kann, oder umgekehrt, so ist der Vers mangelhaft. Solche mangelhafte Verse findet man nicht selten auch bei guten, selbst bei den besten Dichtern; so ist z. B. schon in dem oben angeführten Beispiel von Göthe die zweite Zeile nicht untadelhaft, weil bei richtigem Vortrag auf die als kurz gebrauchten Silben „ schließt “und „ hier “zu viel, und auf das als lang gebrauchte „ ist “zu wenig Ton fällt, als daß man diesen Vers dem beabsichtigten (jambischen) Silbenmaaße ganz entsprechend finden könnte. — Ferner:
Freiligrath.
Daß hier im zweiten Verse die Wörtchen „ er “und „ der “als lang gebraucht sind, ist nicht zu rechtfertigen, und nur die übrigen Vorzüge des Gedichts vermögen solchen Fehler in etwa zu verdecken, denn dem Sinne nach gelesen, fällt auf diese zwei ersten Silben durchaus kein Nachdruck, viel eher einiger auf9 das Wort „ nach, “— dann aber haben wir zwei Daktylen (siehe §. 18. 1), wo, dem gewählten Versmaaße nach, drei Trochäen (siehe §. 17. 2) stehen müßten! Ebenso ist das bekannte:
unrichtig gebaut, denn dem Sinne nach fällt auf „ Gott “wenigstens eben so viel Accent, wie auf „ schuf, “und auf „ die “viel weniger, als auf „ Gott, “wogegen — dem (trochäischen) Versmaaße nach — „ Gott “als kurz und „ die “als lang genommen worden ist! Solche Formfehler können ein Gedicht unerträglich machen, zumal wenn der Jnhalt keinen besondern Ersatz bietet, und müssen deshalb möglichst vermieden werden.
§. 10. Diejenigen Verse, in welchen jede als lang gebrauchte Silbe schon an und für sich lang und jede als kurz gebrauchte schon an und für sich kurz ist, ohne daß Stellung und Zusammenhang ihr einen andern Charakter geben, hat man wohl Quantitätsverse genannt (richtiger wäre Qualitätsverse), wogegen dann die andern, in denen häufig der ursprüngliche Charakter einer Silbe (Länge oder Kürze) durch den Vers - oder Satzaccent ins Gegentheil umgewandelt wird, Accentverse heißen.
§. 11. Eigentlich ist aber jeder deutsche Vers ein Accentvers, insofern nämlich immer der Accent, der sinngemäß auf die einzelnen Silben fällt, über den Charakter der letztern und des Verses entscheidet.
§. 12. Eine Zeitmessung im eigentlichen Sinne des Worts wird also in der deutschen Prosodie nicht10 angewendet; die zum Aussprechen einer Silbe nöthige Zeitdauer (ihre Quantität) kommt nämlich bei uns nicht in Betracht. Eine Silbe mag noch so kurz sein und noch so schnell ausgesprochen werden: wir nennen sie dennoch lang, sobald sie betont ist. Das Wort „ Heller “z. B. bestände nach der wirklichen Zeitmessung aus zwei kurzen Silben, „ Hehler “dagegen aus einer langen (gedehnten) und einer kurzen Silbe; unsere Verslehre nennt aber sowohl in „ Heller “als in „ Hehler “die erste Silbe lang (schwer), die zweite kurz (leicht). Wir messen also die Silben nicht, obgleich wir uns dieses Ausdrucks bedienen, sondern wir wägen sie, nach dem Gewicht, dem Ton, der darauf gelegt wird. Jm Altgriechischen und im Lateinischen ist dies anders: da wird die Zeitdauer (Quantität) wirklich berücksichtigt und ist von dem Accent unabhängig. Man nennt daher diese Sprachen quantitirend, die deutsche dagegen accentuirend.
§. 13. Auch die Stärke (das Gewicht, der Grad) der Betonung kommt in der Regel nur insofern in Betracht, als dadurch bestimmt wird, welche Silben des Verses als lang, welche als kurz anzusehen sind. Es braucht also in gleichartigen größern Versen auch nicht gerade der Haupt-Satzaccent immer auf dieselbe Stelle zu fallen. Bei Liedern ist das in Rücksicht auf den Gesangvortrag oft wünschenswerth, dagegen würde in andern Gedichten dadurch zu viel Eintönigkeit eintreten.
§. 14. Sowohl in der ungebundenen, prosaischen, als auch in der gebundenen Rede wechseln lange und kurze Silben mit einander ab. Dadurch kommt Bewegung, Fluß in die Sprache. Jn der gebundenen Rede erfolgt diese Bewegung beständig nach einer mehr oder weniger regelmäßigen Gliederung der Zeittheile: sie ist rhythmisch. Auch bei der Prosa kann von Rhythmus die Rede sein, aber nie in der Weise und in der Ausdehnung, wie in der gebundenen Rede. So tritt der Rhythmus als ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der gebundenen Rede auf.
§. 15. Durch die rhythmische Gliederung treten einzelne Zeittheile in stärkerem Tone heraus, als andere. Die letztern, weniger betonten (gewöhnlich tonlos genannten) Zeittheile bezeichnet man mit dem Namen Senkung, Thesis; die erstern, stärker betonten bilden die Hebung, die Arsis. Die Senkung besteht aus einer oder aus mehreren leichten Silben, die Hebung dagegen (wenigstens in den eigentlich deutschen Versen) stets nur aus einer schweren Silbe.
12§. 16. Mehrere, durch eine Hebung zur Einheit verbundene Zeittheilchen bilden einen Fuß, Versfuß oder Takt. Man theilt die Füße ein nach der Zahl ihrer Zeittheilchen oder der Zahl der Silben, welche dieselben erfüllen und unterscheidet in der Theorie gewöhnlich zwei -, drei - und viertheilige oder zwei -, drei - und viersilbige Versfüße. Wir führen die Namen derselben hier auf, wenn wir uns gleich mit der Theorie dieser Eintheilung aus den weiter unten (§. 20) entwickelten Gründen nicht einverstanden erklären können.
§. 17. Zweitheilige Versfüße.
1) Der Jambus, Schleuderer, (
) entsteht durch die Verbindung einer leichten und einer schweren Silbe.
2) Der Trochäus, Läufer, auch Choreus oder Tänzer genannt (
) wird gebildet durch die Verbindung einer schweren Silbe mit einer leichten.
3) Der Spondeus, Tritt (
) enthält zwei schwere Silben.
4) Der Pyrrhichius, Läufer (
) hat zwei leichte Silben. (Siehe §. 20.)
§. 18. Dreitheilige Füße.
1) Der Daktylus, Fingerschlag, (
) hat nach einer schweren zwei leichte Silben.
2) Der Anapäst, Gegenschlag, (
) läßt auf zwei leichte Silben eine schwere folgen.
3) Der Amphibrachys, der Umkürzte (
): eine schwere Silbe wird von zwei leichten eingeschlossen.
4) Der Amphimaker, der Umlängte, auch Kretikus genannt (
): eine leichte Silbe zwischen zwei schweren.
135) Der Bachius (
): auf zwei schwere Silben folgt eine leichte.
6) Der Palim - oder Antibachius (
) hat nach einer leichten zwei schwere Silben.
7) Der Molossus (
) besteht aus drei schweren Silben.
8) Der Tribachys, der Dreimalkurze (
) enthält drei kurze Silben.
Anmerkung. Die Benennung in Bezug auf 5 und 6 ist nicht übereinstimmend; viele nennen 5 den Antibachius und 6 den Bachius.
§. 19. Sogenannte viertheilige Füße.
1) Der Dijambus, Doppeljambus (
).
2) Der Ditrochäus, Doppeltrochäus (
).
3) Der Dispondeus, Doppelspondeus (
).
4) Der Dipyrrhichius, Doppelpyrrhichius (
).
5) Der Choriambus, Aufsprung (
).
6) Der Antispast, Gegenzug (
).
7) Der fallende Jonikus (
).
8) Der steigende Jonikus (
).
9) Der erste Epitritt (
).
10) Der zweite Epitritt (
).
11) Der dritte Epitritt (
).
12) Der vierte Epitritt (
).
13) Der erste Päon (
).
14) Der zweite Päon (
).
15) Der dritte Päon (
).
16) Der vierte Päon (
).
§. 20. Jn der Praxis der deutschen Verskunst hat man es im Grunde mit keinen andern Füßen zu14 thun, als mit dem Jambus, dem Trochäus, dem Spondeus, dem Daktylus und dem Anapäst. Wenigstens läßt jeder Vers, in welchem die Theoretiker andere Versfüße nachweisen, sich ebenso gut und in der Regel noch viel leichter so zerlegen, daß keine anderen zum Vorschein kommen, wohl aber am Schluß des Verses mitunter eine überzählige Silbe oder ein unvollständiger Fuß. Der Pyrrhichius, der Tribachys und der Doppelpyrrhichius sind überdieß schon nach der Erklärung in §. 16 keine wirklichen Versfüße, weil sie keine Hebung haben und für sich allein nicht stehen können. Jeder viersilbige Verstheil, der zwei Hebungen hat, läßt sich einfach als aus zwei Versfüßen zusammengesetzt, ansehen. Wenn man die im Deutschen vorkommenden, verschiedenen viersilbigen Wörter als Belege für die viertheiligen Versfüße aufführen will, so ist das darum verkehrt, weil Wort und Versfuß völlig zweierlei ist. (Galt doch im Griechischen sogar die Regel, daß nie ein einzelnes Wort einen einzelnen und vollständigen Versfuß ausmachen sollte!)
§. 21. Werden mehrere Versfüße so verbunden, daß sie als ein rhythmisch geschlossenes Ganzes erscheinen, so entsteht ein Vers. Die richtige Abmessung desselben nach seinen Gliedern wird Skansion genannt. — Wenn man mit den meisten Theoretikern alle in §. 17 bis §. 19 genannten Verstheile als Füße gelten läßt, was wir keineswegs gewillt sind, so lassen sich die meisten Verse auf verschiedene Weise skandiren. Erkennt man aber nur Jamben, Trochäen, Spondäen, Daktylen und Anapäste und sodann regelmäßig - und unregelmäßig-gemischte (siehe §. 38 ff.) Verse an, so15 fällt dieser verwirrende Umstand mit wenigen Ausnahmen weg. Der Ausnahmen würden noch weniger sein, wenn der Spondeus nicht wäre. Glücklicher Weise kommt bei uns dieser Fuß aber fast nur in Nachahmungen antiker Silbenmaaße als wirklicher und beabsichtigter Versfuß vor.
§. 22. Wie es in der Musik Pausen giebt, d. i. Stellen, wo der Rhythmus fortgezählt wird, ohne durch Töne erfüllt zu sein, so erscheinen auch im Versrhythmus Pausen. Jnsofern diese für die Stellen, an welchen sie sich befinden, von dem Dichter aus Rücksicht auf den Bau und den Wohlklang der Verse absichtlich angewendet werden, namentlich aber, wenn sie von den Gesetzen der betreffenden Versart vorgeschrieben sind, heißen sie Cäsuren, (Verscäsuren). — Schon dadurch, daß der Wortfuß nicht mit dem Versfuß congruirt (wie es in den Versen der Alten fast immer, in deutschen Versen doch häufig der Fall ist) und also das Wortende innerhalb eines Versfußes fällt, entsteht oft ein leiser, bei geeignetem Lesen dem Ohr in etwa vernehmbar werdender Einschnitt, den man Cäsur, Fußcäsur nennt. Weit stärker aber wird die Cäsur, wenn sie zugleich in dem betreffenden Verse eine logische Pause ausmacht, d. h. den Satzverband als solchen durch Jnterpunktion trennt. (Beispiel 1, Zeile 1, und Beispiel 3, Zeile 2.) Die logische Pause braucht jedoch nicht immer mit der Verscäsur zusammen zu fallen, sondern kann auch selbstständig für sich eintreten. (Beispiel 3, Zeile 1.) Die Verscäsur ist oft zugleich Fußcäsur (Beispiel 1 und 2), häufig aber fällt auch die Verscäsur an das Ende16 eines Fußes (Beispiel 3). Tritt die Cäsur nach einer schweren Silbe ein, so heißt sie männlich (Beispiel 1, Zeile 2, und Beispiel 3, Zeile 1, 2); erfolgt sie nach einer leichten Silbe, so nennt man sie weiblich (Beispiel 1, Zeile 1, und Beispiel 2, Zeile 1, 2).
Anmerkung. Die Cäsur bezeichnen wir durch |, die logische Pause durch
, die Verbindung beider durch
.
Beispiele: 1)
Göthe. 2)
Anast. Grün. 3)
Freiligrath.
§. 23. Die logische Verbindung stellt zuweilen an den Anfang eines Verses eine tonlose Silbe, die in rhythmischer Hinsicht entweder zu dem vorhergehenden Vers zu zählen, oder als Unregelmäßigkeit anzusehen ist. Eine solche Silbe nennt man Vorschlag, Auftakt. Meist ist der Auftakt eine verwerfliche Licenz, ein Fehler des Dichters; nur da, wo er absichtlich angewendet wird, um dem Verse einen bestimmten (malerischen) Charakter zu geben, läßt er sich rechtfertigen. Jm Grunde verändert er stets die Versart; den trochäischen Vers macht er zu einem jambischen u. s. w.
§. 24. Die Verse sind:
I. nach der Zahl ihrer Silben: zwei -, drei -, — mehrsilbig;
17II. nach der Zahl der Takte: Ein -, Zwei -, Drei -, Vier -, Fünf -, Sechstakte &c. (Monometer, Dimeter, Trimeter, Tetrameter, Pentameter, Hexameter &c.)
III. in Rücksicht ihrer Vollständigkeit:
a. vollständig; Beispiel 1, Zeile 1 – 4;
b. unvollständig — es fehlen eine oder zwei Silben am Ende. Dadurch tritt am Ende des Verses eine Schlußpause (Katalexis) ein, die eine schärfere Sonderung desselben von dem nachfolgenden herbeiführt. Beispiel 3, Zeile 2.
c. abgekürzt — es fehlt ein ganzer Fuß oder gar mehrere derselben; Beispiel 1, Zeile 5; 2, Zeile 4.
Anmerkung. Wo in strophischen Verbindungen längere Verse regelmäßig mit kürzern wechseln, kann natürlich von Abkürzung nicht die Rede sein.
d. überzählig — es ist am Schluß des Verses eine Silbe (oder ein Fuß) zu viel. Beispiel 2, Zeile 1.
Beispiele:
1.
1) Wir fassen ein Gesetz begierig an,
2) Das unsrer Leidenschaft zur Waffe dient.
3) Ein andres spricht zu mir, ein älteres,
4) Mich dir zu widersetzen, das Gebot,
5) Dem jeder Fremde heilig ist.
Göthe, Jphigenie.
2.
1) Ein lügenhaft Gewebe knüpf 'ein Fremder
2) Dem Fremden, sinnreich und der List gewohnt,
3) Zur Falle vor die Füße; zwischen uns
4) Sei Wahrheit!
Göthe, Jphigenie.
3.
Karl Beck.
18IV. nach der Beschaffenheit der Füße:
1) jambische,
2) trochäische,
3) daktylische,
4) anapästische,
5) jambisch-anapästische,
6) trochäisch-daktylische,
7) trochäisch-jambische,
8) daktylisch-spondeische und sonstige mit Spondeen gemischte,
9) unregelmäßige Verse.
Anmerkung. Eine rein spondeische Versart können wir nicht annehmen. Es lassen sich zwar mühsamer Weise auch größere Verbindungen von bloß an und für sich schweren Silben bewerkstelligen; indeß erhalten diese meist durch den Accent des Satzes entweder einen trochäischen, oder einen jambischen, oder einen trochaisch-jambisch gemischten Charakter. Und wenn wirklich beim Vortrage jede Silbe sich als betont herausstellt, so sieht das Produkt mehr etwa einer mörtellosen Zusammenstellung roher Steine, als einem rhythmischen Verse ähnlich; z. B.
Oft kauft fremd Volk deutsch Korn auf.
§. 25. Der vorherrschende Charakter der jambischen Verse ist Lebhaftigkeit. Sie bilden den leichtesten, natürlichsten Rhythmus der deutschen Sprache.
§. 26. Die einfüßigen und zweifüßigen Jamben sind selten, (Beispiel 1 und 2), auch vollständige dreifüßige kommen für sich allein nur wenig vor, (Beispiel 3), häufig aber in Verbindung mit überzähligen dreifüßigen (Beispiel 4 und 5) und vielleicht noch häufiger in Verbindung mit vierfüßigen Jamben (Beispiel 6). Der vierfüßige Jambus allein wird nicht weniger oft angewandt, (Beispiel 7, 8), seltner der vierfüßige in Verbindung mit dem fünffüßigen.
Beispiele:
1)
Göthe.
2)
Matthisson.
3)
Göthe.
4)
P. Gerhard.
5)
Claudius.
6)
Göthe.
7)
Mahlmann.
8)
Freiligrath.
§. 27. Der fünffüßige Jambus ist durch Lessing in das deutsche Drama eingeführt und wird seitdem vorherrschend in demselben gebraucht. Außerdem findet er seine Anwendung in der Stanze, im Sonett u. s. w. (siehe §. 91 ff.). Die Cäsur erhält er nach dem zweiten, in der Mitte oder am Ende des dritten oder wohl auch in der Mitte des vierten Fußes. Häufig erscheint er mit einer überzähligen Silbe am Ende.
Beispiele:
1)
Schiller.
— 21 —2)
Göthe.
Namentlich im Drama wird der Vers oft durch eine logische Pause unterbrochen.
§. 28. Der aus sechs Füßen bestehende jambische Vers kommt im Deutschen häufig und in mehreren Formen vor; nämlich:
1) als einfacher sechsfüßiger Vers. Die Cäsur schneidet den dritten oder den vierten Takt. Z. B.
Göthe.
Platen.
§. 29. 2) als Alexandriner, welcher aus sechs (oft überzähligen) Jamben besteht und nach dem dritten Fuße immer eine Cäsur hat. Nach französischen Vorbildern in die deutsche Metrik eingeführt, fand dieser Vers besonders bei den schlesischen Dichtern des siebzehnten Jahrhunderts seine Pflege (daher: Jahrhundert des Alexandriners!). Später wurde er, zumal durch Klopstock und Lessing, ganz verdrängt und verpönt. Erst in der neuesten Zeit ist er wieder in Aufnahme gekommen. Freiligrath verbindet ihn mit vier - und fünffüßigen Jamben und vermeidet so die steife Einförmigkeit, die man ihm nicht mit Unrecht zum Vorwurf macht.
Beispiele:
1)
Rückert.
212)
Rückert.
Anmerkung. Der Name „ Alexandriner “rührt nach Einigen von einem im dreizehnten Jahrhundert in Paris erschienenen Gedicht, das die Geschichte Alexanders des Großen zum Gegenstand hat, oder nach Anderen von einem der Verfasser dieses Gedichts, dem Mönch Alexander her.
§. 30. 3) als der sogenannte neuere Nibelungenvers. Derselbe unterscheidet sich dadurch vom Alexandriner, daß er nach der dritten betonten Silbe noch eine überzählige tonlose hat, auf welcher unmittelbar die Cäsur folgt. — (Mit demselben Rechte läßt sich die erwähnte überzählige Silbe in Verbindung mit dem vierten Fuß als Anapäst betrachten.) Es ist merkwürdig, welche große Verwandlung die Eine Silbe hervorbringt: dieser Nibelungenvers gehört zu den wohlklingendsten und geschmeidigsten, die es giebt.
Beispiel:
Uhland.
Anmerkung. Der ältere oder eigentliche Nibelungenvers zählt gewöhnlich ebenfalls sechs Hebungen (der letzte Vers der vierzeiligen Strophe auch häufig sieben oder acht). Die Senkungen oder tonlosen Silben wechseln jedoch ganz unregelmäßig mit den Hebungen ab, so daß dieser Vers keineswegs einen rein jambischen, sondern einen gemischten Charakter hat. Die Cäsur fällt aber auch hier regelmäßig zwischen die dritte und vierte Hebung und ist ebenfalls weiblich. Sofern, wie häufig der Fall ist, auch der neuere Nibelungenvers an verschiedenen Stellen Anapäste (mitunter auch wohl Spondeen) statt Jamben enthält, stellt er sich ebenfalls in die Klasse der gemischten Verse.
23Beispiel:
(Oft noch viel unregelmäßiger.)
§. 31. Der siebenfüßige Jambus hat, wie auch der achtfüßige, immer die Cäsur nach dem vierten Takte.
Logau.
Kopisch.
§. 32. Noch müssen wir des hinkenden Jambus, Choliambus oder Skazon genannt, gedenken. Er besteht aus fünf Jamben und einem Trochäus. Durch diese Verbindung erhält er etwas Hinkendes in seiner Bewegung. A. W. Schlegel beschreibt ihn folgendermaaßen:
§. 33. Die trochäischen Verse eignen sich zufolge ihres ruhigen Charakters im Allgemeinen mehr für ernste Gedichte.
§. 34. Zwei - und dreifüßige Trochäen hat unter andern Göthe häufig angewendet. Die besonders von den Spaniern vielgebrauchten vierfüßigen24 Trochäen eignen sich vorzüglich für Lieder und Romanzen, nicht aber für dramatische Gedichte. (Deshalb fanden Müllner und Grillparzer, welche dieselben in das deutsche Drama einführen wollten, wenig Nachahmung.)
Beispiele:
1)
Göthe.
2)
Fouqué.
3)
Platen.
§. 35. Fünffüßige Trochäen finden sich im Deutschen ziemlich häufig. Von ihrer Anwendung in den serbischen Volksliedern heißen sie serbische Trochäen.
Beispiele:
Schiller.
Serbisch, von Göthe übersetzt.
§. 36. Die sechsfüßigen Trochäen, wie auch die siebenfüßigen kommen seltener vor; achtfüßige sind in neuester Zeit häufig gebraucht worden.
Beispiele:
Platen.
25Rückert.
A. W. Schlegel.
§. 37. Hier erwähnen wir auch die sogenannten kretischen Verse, da sie unseres Dafürhaltens im Wesentlichen trochäischen Charakters sind, indem in jedem Kretikus die zweite Länge als ein unvollständiger Trochäus betrachtet werden kann. Sie kommen selten vor. Rückert hat sie mitunter in den Gaselen gebraucht; z. B.
§. 38. Verse mit bloß vollständigen Daktylen kommen nur selten vor; dagegen erscheinen oft vollständige Daktylen in Verbindung mit einem verkürzten (am Ende), den man jedoch auch als Jambus resp. als bloße Hebung ansehen kann. Man findet — namentlich in lyrischen Gedichten — ein -, zwei -, drei - und vierfüßige Verse dieser Gattung, fünf - und sechsfüßige weniger.
Beispiele:
1)
Göthe.
2)
Göthe.
3)
Matthisson.
4)
Platen.
5)
Wessenberg.
6)
Göthe.
§. 39. Ganze Gedichte von rein anapästischen Versen giebts im Deutschen bis jetzt wohl noch gar nicht. Jn manchen Gedichten gemischten Versmaaßes finden sich aber allerdings hier und da auch reine anapästische Verse.
Beispiel:
Schiller im „ Taucher. “
Anmerkung. Der Ungewohnheit wegen wird Mancher geneigt sein, in diesen und ähnlichen Versen die Anfangssilbe, wenn sie auch an sich kurz ist, als lang zu nehmen, wodurch der anapästische Charakter verloren ginge. Das wäre aber — hier wenigstens — ganz gegen die Absicht des Dichters, denn das Silbenmaaß im „ Taucher “besteht offenbar in einer regelmäßigen Abwechslung von vierfüßigen und dreifüßigen gemischten Versen. — Auf geeignete Weise gelesen, tritt der rein anapästische Charakter vollkommen hervor. Es liegt dann viel Schwung und hinreißende Kraft in dieser Versart, und dürfte daher bei geeignetem Jnhalte ihre häufigere Anwendung wünschenswerth sein, auch zu ganzen Gedichten, was freilich schwierig sein mag. Gewöhnen würde man sich bald daran.
27§. 40. Gewöhnlich treten die Anapäste in Verbindung mit Jamben auf. Entweder leitet der Jambus den Vers ein, oder er vertritt auch noch in einem andern Takte die Stelle eines Anapästs, oder es wechseln in mannichfacher Folge Jamben und Anapäste ab. Solche aus Jamben und Anapästen gemischte Verse heißen alcäische. — Wenn bloß der erste Fuß jambisch, jeder folgende anapästisch ist und der letzte eine überzählige kurze Silbe hat (wie in Beispiel 1, Zeile 1, 2), so wird der Vers auch wohl ein amphibrachischer genannt, weil er sich dann auch in amphibrachische Verstheile (
) zerlegen läßt.
Beispiele:
1)
Göthe.
2)
Schiller.
3)
Schiller.
4)
Göthe.
§. 41. Wie Jamben und Anapäste, finden sich auch häufig Trochäen und Daktylen gemischt, und zwar ebenfalls auf die mannichfaltigste Weise.
Beispiele:
1)
Rückert.
2)
Lenau.
3)
4)
§. 42. Hierher gehören auch folgende im Deutschen angewendete antike Verse:
1) Der phaläkische Vers, vorzugsweise Hendekasyllabus, Elfsilbler genannt. Er besteht aus sünf Takten; der erste derselben ist ein Trochäus, (zuweilen ein Spondeus), der zweite ein Daktylus, die drei letzten sind Trochäen.
Schema:
Beispiel:
Rückert.
2) Der pherekratische Vers: ein Daktylus steht zwischen zwei Trochäen.
Schema:
3) Der glykonische Vers.
Schema:
Beispiel zu 2 und 3:
2)
3)
Hölderlin.
§. 43. Eine Verbindung von Trochäen und Jamben läßt sich in vielen, besonders in nach antiken29 Mustern gebildeten deutschen Versen nachweisen. Wir erwähnen hier von denselben nur solche, die in keine andere unserer Rubriken besser zu passen schienen:
1) Die choriambischen Verse. Jn diesen wechseln Trochäen und Jamben gleichmäßig ab.
Beispiele:
1)
Göthe.
2)
Solger.
2) Die asklepiadeischen Verse:
a. der kleinere asklepiadeische Vers.
Schema:
Schmeichelnd herrschet das Weib über den Gatten oft.
b. der größere.
Schema:
Sel'ge Stunden erlebt nimmer der Mann, welcher dem Himmel trotzt.
§. 44. Der dem antiken nachgebildete deutsche Hexameter ist ein daktylisch-spondeischer Sechstakt. Er heißt auch heroischer Vers, da er besonders in den antiken Heldengedichten seine Anwendung fand. Pythischer Vers wird er genannt, weil bei dem delphischen Orakel die Aussprüche der Pythia von den Priestern in dieses Versmaaß gekleidet wurden.
§. 45. Reine daktylische Hexameter, in denen dann doch der letzte Daktylus unvollständig (mit andern Worten ein Jambus) ist, wurden und werden30 selten, meist nur in besonderer Rücksicht auf den Jnhalt des Verses, gebraucht. (Siehe unten Vers 9.) Dagegen werden, den antiken Mustern entsprechend, die Daktylen mit Spondeen gemischt und zwar so, daß die Spondeen jeden beliebigen Takt erfüllen können. (Siehe unten Vers 4, 5, 6, 7, 8.) Jm fünften Takte jedoch wendet man sie nur dann an, wenn besondere (malerische) Zwecke obwalten. (Siehe unten Vers 11.) Dasselbe gilt von der Ausfüllung der vier ersten Takte durch lauter Spondeen. (Siehe unten Vers 10.) Am meisten liebt man den Spondeus im sechsten Takt.
Die Eigenthümlichkeit des Hexameters hat A. W. Schlegel in folgendem Gedicht herrlich geschildert:
Der Hexameter.
1) Gleich wie sich dem, der die See durchschifft, auf offener Meerhöh
2) Rings Horizont ausdehnt, und der Ausblick nirgend umschränkt ist,
3) Daß der umwölbende Himmel die Zahl zahlloser Gestirne,
4) Bei hell athmender Luft, abspiegelt in bläulicher Tiefe:
5) So auch trägt das Gemüth der Hexameter; ruhig umfaßend
6) Nimmt er des Epos Olymp, das gewaltige Bild, in den Schooß auf
7) Kreißender Fluth, urväterlich so den Geschlechtern der Rhythmen,
8) Wie vom Okeanos quellend, dem weit hinströmenden Herrscher,
9) Alle Gewäßer auf Erden entrieselen oder entbrausen. —
10) Wie oft Seefahrt kaum vorrückt, mühvolleres Rudern
11) Fortarbeitet das Schiff, dann plötzlich der Wog 'Abgründe
12) Sturm aufwühlt, und den Kiel in den Wallungen schaukelnd dahinreißt:
13) So kann ernst bald ruhn, bald flüchtiger wieder enteilen,
14) Bald, o, wie kühn in dem Schwung! der Hexameter; immer sich selbst gleich,
15) Ob er zum Kampf des heroischen Lieds unermüdlich sich gürtet,
3116) Oder, der Weisheit voll, Lehrsprüche den Hörenden einprägt,
17) Oder geselliger Hirten Jdyllien lieblich umflüstert. —
18) Heil dir, Pfleger Homers! Ehrwürdiger Mund der Orakel!
19) Dein will ferner gedenken ich noch, und andern Gesanges.
A. W. Schlegel.
§. 46. Die Cäsuren des Hexameters sind sehr mannichfaltig. Als wesentliche Cäsuren, deren jeder richtige Hexameter mindestens eine haben muß, gelten folgende:
1) nach der ersten Länge des dritten Taktes. Vers 4 des obigen Gedichtes;
2) nach der ersten Kürze des dritten Taktes. Vers 8;
3) nach der ersten Länge des vierten Taktes. Bei den Alten und den besten Neuern tritt neben dieser Cäsur noch eine andere auf, und zwar nach der ersten Länge des zweiten Taktes. Vers 15.
Von den vielen Nebencäsuren (deren eine für die Fälle unter 2 und 3 immer wünschenswerth ist) erwähnen wir nur noch die bucolysche, die mit dem Ende des vierten Taktes eintritt und ihren Namen von der häufigen Anwendung in den bucolyschen (idyllischen) Gedichten der Alten herschreibt. Vers 17.
§. 47. Ob die Anwendung des Trochäus im Hexameter zulässig sei oder nicht, darüber herrschen verschiedene Meinungen. Für den Gebrauch desselben sprechen durch ihre Werke Göthe, Platen u. a., dagegen A. W. Schlegel, dem sich nach seinem Vorgange in der Elegie „ Rom “viele neuere Dichter angeschlossen haben. Sollen Trochäen angewandt werden, so wird immer darauf zu achten sein, daß nicht mehrere derselben auf einander folgen, und daß die lange32 Silbe des einzelnen Trochäus vollständig betont, nicht bloß mitteltonig sei.
Anmerkung. Hexameter mit einem Vorschlag, wie sie Ew. v. Kleist in seinem Gedichte „ der Frühling “angewendet (Kleist'sche Hexameter), haben keine weitere Pflege gefunden.
§. 48. Neben dem Hexameter — nie allein — erscheint oft ein anderer Vers, der Pentameter. Er unterscheidet sich vom Hexameter dadurch, daß der dritte und der sechste Takt bei ihm nur aus je einer Silbe, und zwar immer aus einer langen bestehen. Sonach wäre er auch als sechstaktig zu betrachten und die Benennung Pentameter (Fünftakt) unrichtig. Er ist gewissermaaßen eine Verdoppelung der ersten Hälfte des Hexameters (bis zur männlichen Cäsur im dritten Takt). Jn der ersten Hälfte des Pentameters, besonders im ersten Takt, kann der Daktylus durch einen Spondeus ersetzt werden, im ersten Takt auch allenfalls durch einen Trochäus. Jn der zweiten Hälfte des Verses dagegen werden — der Regel nach — die Daktylen immer beibehalten. Der Pentameter hat eine ständige Cäsur, die stets nach dem dritten Takte an den Schluß der ersten Vershälfte fällt.
Anmerkung. Man kann den Pentameter auch, seinem Namen entsprechend, so skandiren, daß sich nur fünf Füße herausstellen. Der dritte Fuß ist dann immer ein Spondeus, der durch die Cäsur durchschnitten wird. Der vierte und fünfte Fuß werden bei dieser Betrachtungsweise durch zwei Anapäste gebildet.
§. 49. Aus der Verbindung eines Hexameters mit einem Pentameter entsteht das elegische Distichon (Doppelzeile).
„ Nicht bloß zur Darstellung der sanften Traurigkeit in der eigentlichen Elegie, dem Klagelied, sondern auch33 „ „ des Gefühls des beseeligten Wunsches, ““der sanften Freude der Liebe, der Freundschaft, ferner zu Epigrammen und Sprüchen wird das elegische Distichon, am liebsten als Redestrophe, wie in A. W. Schlegel's Gedicht: „ die Elegie, “gebildet. “ (Dilschneider.)
Beispiele:
1)
Göthe.
4)
A. W. v. Schlegel.
§. 50. Sapphische Verse:
1) Der kleinere sapphische Vers besteht aus fünf Füßen; die zwei ersten sind Trochäen, der dritte ist ein Daktylus, der vierte wieder ein Trochäus und der fünfte ein Spondeus.
Beispiel:
2) Der größere sapphische Vers mag aus folgenden zwei Beispielen kennen gelernt werden:
1) Orgelton und Christengesang stimmten das Herz zur Andacht.
2) Wenn des Lieds Wohllaut sich erhebt tönt in der Brust der Nachhall.
§. 51. Bei den meisten bisher behandelten Versarten wird für die Abwechselung und Reihenfolge der tonlosen und betonten Silben ein genau bestimmtes34 Maaß festgehalten. Bei andern sahen wir, daß in dieser Beziehung dem Dichter schon ein Spielraum gelassen war, der aber immer noch seine festen Gränzen hatte. Es giebt jedoch auch Verse, bei denen der Verfasser für die Art der Silbenmischung sich gar keinem formellen Gesetze unterworfen hat. Zu welchen Gattungen die darin vorkommenden Füße gehören, ist an und für sich ganz gleichgültig, denn keine Gattung ist für diese Versart vorgeschrieben, keine ausgeschlossen, und es ist nicht einmal nöthig, daß alles sich in wirkliche Füße auflösen lasse. Gewöhnlich werden solche Verse nach einer gewissen Zahl betonter Silben, ohne alle Rücksicht auf die Zahl und Reihenfolge der tonlosen bestimmt. Man nennt sie daher auch wohl Accentverse im engern Sinne.
§. 52. Zu dieser Klasse von Versen gehören vielleicht die meisten altdeutschen und die denselben nachgebildeten Verse, z. B. der eigentliche oder ältere Nibelungenvers, den wir schon bei Gelegenheit des neuern jambischen Nibelungenverses in §. 30 besprochen haben; ferner manche englische oder den englischen nachgebildete Balladenverse, und endlich wohl die Mehrzahl der eigentlichen Volkslieder.
§. 53. Es giebt auch Verse, in denen selbst die Hebungen nicht gezählt werden, sondern bei denen das Maaß des Verses nur entweder von der logischen Abtheilung des Satzes oder von der zufälligen Stellung des Reims abhängt. Zu dieser Gattung gehören unter anderm auch die Makamen, eine Art gereimter Prosa, welche besonders durch Rückert aus Persien nach Deutschland verpflanzt wurde.
35§. 54. Von den bessern Kunstdichtern werden die unregelmäßigen Verse keineswegs immer aus Bequemlichkeit gewählt; vielmehr wird von ihnen die Freiheit, die solche Verse gestatten, häufig zu rein künstlerischen Zwecken benutzt. Dies geschieht, indem sie die Stellung der Silben in den Versen und namentlich die Zahl und Vertheilung der tonlosen Silben dem betreffenden Gedanken möglichst entsprechend zu machen suchen. Je nachdem der Gang des Gedichts (in Bezug auf den Jnhalt) mehr munter oder mehr ernst, mehr leidenschaftlich oder mehr ruhig &c. wird, häufen oder vermindern sie die Zahl der tonlosen Silben u. s. w., nehmen dabei auch auf den rhythmischen Wohlklang die erforderliche Rücksicht. Da kann es dann nicht fehlen, daß unregelmäßige Verse mitunter vor den regelmäßigsten den Vorzug verdienen.
§. 55. Gemischte Verse, bei denen die im vorigen Paragraphen dargelegten Rücksichten nicht stattfinden, die vielmehr Licenzen aller Art an sich tragen, pflegt man auch Knittelverse zu nennen. Jn naiv-komischen Gedichten sind dieselben oft von (relativ) großer Wirkung; als Versart betrachtet, nehmen sie aber die letzte, unbedeutendste Stelle ein.
Beispiel:
Kortüm, Jobsiade.
§. 56. Neben der Betonung und dem Rhythmus erscheint im deutschen Versbau als drittes (jedoch nicht nothwendiges) Element der Gleichklang. Er ist entstanden aus dem Streben, den innern Zusammenhang sprachlich verknüpfter Vorstellungen eindringlicher zu machen, oder den Eindruck der Hauptvorstellungen zu verstärken und zwar durch Einwirkung auf das Gehör. Welcher Art diese Einwirkung ist, das läßt der Name schon ahnen: es wird derselbe Klang dem Ohr mehrmals vorgeführt; die Bedeutung aber, welche dieselbe für die Poesie hat, wird sich ergeben, wenn wir die Beschaffenheit der verschiedenen Gleichklänge werden kennen gelernt haben.
§. 57. Der Gleichklang bezieht sich
A. auf einzelne Vokale. Diese Art des Gleichklangs heißt Assonanz, Stimmreim. Sie entsteht, wenn in mehrern Wörtern, namentlich in den betonten Silben, dieselben Vokale herrschen. Die Assonanz tritt entweder in einer Reihenfolge von Wörtern oder am Ende der Verszeilen auf. Jm erstern Falle ist sie besonders dann von günstiger Wirkung, wenn die assonirenden Wörter verwandte Bedeutung haben. —37 Die auf das Ende der Verszeilen gelegten Assonanzen können im Deutschen, wo die Consonanten sehr leicht das Uebergewicht erhalten, erst dadurch recht wirksam gemacht werden, daß man in einer Reihe von Versen am Schlusse eines jeden oder wenigstens jedes zweiten Verses denselben Vokal wiederkehren läßt. — Man hat auch wohl assonirende Verse dieser Art mit (im engern Sinne) reimenden Versen abwechseln lassen, wie z. B. Freiligrath in „ der Blumen Rache “(siehe §. 74, Beispiel 1). Ebenso findet man Assonanzen der ersten Art (innerhalb der Verse) in Verbindung mit dem Reim angewendet (siehe unten Beispiel 1).
„ Das Wichtigste bei der Assonanz ist und bleibt immer die Uebereinstimmung der Laute mit dem jedesmal herrschenden Gefühl, und es ist nur etwas sehr Allgemeines und zugleich Beschränktes, wenn wir bemerken, daß z. B. der Freude und Lust, wie auch dem Leid und Weh das i, dem Unbestimmten und dem Grellen, der Wehklage das e oder ä; der Bewunderung, dem Erhabenen, dem Entschlossenen das a, dem Staunen, der Trauer das o, der Furcht, dem Schrecken, dem Gräßlichen das u, dem Unklaren, dem sich Erhebenden das ö und ü, der Erschütterung, der Angst, dem Schmerz das ei, au und eu entspricht. “ (Dilschneider. ) — Die Assonanzen sind jedoch im Deutschen noch nicht besonders viel benutzt worden. Sie sagen unsrer Sprache auch nicht so zu, als den an Vokalen reicheren, sogenannten romanischen Sprachen.
Beispiele:
1)
Göthe.
2)
F. Schlegel.
3)
F. Schlegel.
4) Die Lüfte.
§. 58. Der Gleichklang kann sich ferner beziehen
Bauf einzelne Consonanten: in mehreren nicht zu weit von einander stehenden Wörtern finden sich nämlich dann am Anfange dieselben Mitlaute. Der dadurch entstehende Gleichklang, Alliteration genannt, ist der schon in der ältesten Zeit und da fast ausschließlich in der deutschen Poesie gebrauchte. Wie sehr er derselben angemessen ist, das bekundet seine häufige Anwendung in der Sprache des gemeinen Lebens. Wir führen nur einige Beispiele an: frank und frei, Haut und Haar, hoffen und harren, Kling und39 Klang, Schimpf und Schande, Stumpf und Stiel, Mann und Maus, Lust und Liebe, Wind und Wetter, Worte und Werke u. s. w. Wie sich schon aus den angeführten Beispielen ergiebt, wird die Alliteration besonders dann von Wirkung sein, wenn die alliterirenden Wörter verwandte Vorstellungen bezeichnen, (so daß der Eindruck einer Hauptvorstellung durch die Verbindung mit mehrern Nebenvorstellungen erhöht wird,) wenn sie innendeutsam, malerisch sind, und endlich wenn sie nahe bei einander stehen.
Beispiele:
1)
Schlegel.
2)
Bürger.
3)
Bürger.
4)
Rückert.
§. 59. Eine Verbindung der Assonanz und Alliteration hat in der Annomination statt. Die Annomination besteht in der Zusammenstellung solcher Wörter, die einem gleichen Stamme angehören. Sie wird da angewendet, wo eine Hauptvorstellung besonders hervorgehoben und zur lebendigsten, geistigen Anschauung gebracht werden soll.
40Beispiele:
1)
Göthe.
2)
Tieck.
§. 60. Bezieht sich der Gleichklang
C. auf ganze Silben, (mit Ausnahme der dem Hauptvokal vorhergehenden Laute,) d. h. sind nicht nur die Vokale, sondern auch die darauf folgenden Consonanten betonter Silben (und sämmtliche Laute der in denselben Wörtern etwa vorkommenden Nachsilben) von gleichem Klange, so bildet er den eigentlichen Reim. *)Anmerkung. Von diesem ist in den folgenden Paragraphen des Abschnittes ausschließlich die Rede.Daß der Reim unserer Sprache natürlich und angemessen sei, läßt sich ebenfalls schon aus dem häufigen Gebrauch desselben in der Sprache des gewöhnlichen Lebens folgern. Z. B. Heute mir, morgen dir! Heute roth, morgen todt! Schlecht und recht! Schritt und Tritt! Gehen und stehen! Wie gewonnen, so zerronnen! Borgen macht Sorgen! Eile mit Weile! Mitgegangen, mitgehangen! Jn Saus und Braus! Ehstand, Wehstand! Aufgeschoben, ist nicht aufgehoben! Gut und Blut! u. s. w.
Anmerkung. Jn der rohen Volkssprache ist sofgar die Neigung zum Reim o stark, daß sie oft ein Wort willkührlich ändert, um es mit einem andern reimend zu machen, z. B. wie der Herre, so's Gescherre (Geschirr); wie die Alten sungen, so pfiffen die Jungen; Gunst ist nicht umsunst; u. s. w.
41§. 61. Jn besonderer Rücksicht auf die Beschaffenheit der reimenden und der denselben folgenden Silben erhalten die Reime verschiedene Eintheilungen und Benennungen. Jn der bei weitem größten Zahl deutscher Gedichte hat man es in dieser Beziehung nur mit männlichen und weiblichen Reimen zu thun. Männlich oder stumpf heißt der Reim, wenn er lediglich von betonten Silben gebildet wird, — z. B. Ohr und Rohr, Glanz und Kranz, er - scheint und geweint, — weiblich, wenn auf die reimenden betonten Silben noch eine übereinstimmende tonlose folgt, z. B. geboren, verloren; glänzen, kränzen. Treten nach der betonten Reimsilbe noch zwei übereinstimmende tonlose Silben ein, so nennt man den Reim gleitend, z. B. Geborener, Ver - lorener; Bekränzende, glänzende. Der Charakter unserer Sprache erschwert die Anwendung dieses Reimes, besonders wenn er als Endreim auftreten soll; wo er aber ungezwungen sich findet, — meist nur in kürzern Versen — ist er gewöhnlich von schöner Wirkung. — Schwebend wird der Reim genannt, wenn auf die reimende volltonige Silbe noch eine mitteltonige folgt, z. B. kraftvoll, saftvoll; Bereitung, Zeitung. Der schwebende Reim wurde bisher selten absichtlich und selbstständig angewendet, gewöhnlich geht er als weiblicher Reim mit durch, obgleich er offenbar von demselben sich durch größere Kraft unterscheidet. Doppelt-gereimte Spondeen, wie „ Märzschnee, “„ Herzweh, “— „ Jagdspeer, “„ Schlachtheer, “stören noch mehr, wo sie als weibliche Reime auftreten wollen; mit Absicht als besondere Reimgattung gebraucht,42 können sie in geeigneten Fällen sehr wirksam sein; doch findet man sie höchst selten und für einfache deutsche Silbenmaaße sind sie zu schwerfällig und fremdartig. — Der sogenannte identische Reim wird durch die Wiederholuug desselben Worts (oder derselben Reimsilbe) gebildet, ist aber eben deshalb kein eigentlicher Reim und darf nicht die Stelle eines solchen in Gedichten, die wirklich gereimt sein sollen, vertreten. Jn einzelnen Fällen aber und zu besondern Zwecken, namentlich um die betreffenden Worte möglichst hervorzuheben, kann auch er seine Anwendung finden, z. B.
F. Stollberg.
Der reiche Reim entsteht, wenn dem identischen Reim (also den gleichen Wörtern) ein wirklicher Reim entweder unmittelbar folgt, oder, was häufiger ist, unmittelbar vorangeht.
Beispiel:
Platen.
§. 62. Als besondere Reimformen sind außer43 dem mit Recht am meisten gebrauchten (gewöhnlichen) Endreim zu nennen:
1) der Anfangsreim — die ersten Worte verschiedener Verse bilden den Reim.
Rückert.
2) der Binnenreim — zwischen Anfang und Ende eines und desselben Verses erscheinen Reimklänge, z. B.
Brentano.
3) der Mittelreim — die Mitte des einen reimt mit der Mitte des andern Verses, wobei, wie beim Anfangs - und Binnenreim, der Endreim nicht ausgeschlossen ist.
Beispiele:
1)
Uhland.
2)
L. Wiese.
4) der Kettenreim — das Ende eines Verses reimt mit der Mitte des folgenden, z. B.
44F. Schlegel.
5) der Doppel - (und mehrfache) Reim — zwei oder mehrere Wörter eines Verses (besonders dem Schlusse zu) reimen mit den entsprechenden des andern.
Beispiele:
1)
L. Wiese.
2)
Derselbe.
6) das Echo. Es entsteht, wenn an das Endwort eines Verses das mit demselben reimende Wort sich unmittelbar anschließt.
Beispiel:
u. s. w. L. Tieck.
§. 63. Sieht man auf die Stellung, welche die einzelnen Endreime einnehmen, so unterscheidet man:
1) ungetrennte Reime.
Schema: aabb, aaabbb u. s. w.
Göthe.
Wenn viele oder doch mehrere mit demselben Reim endenden Verse in ungetrennter Folge auftreten, so bedient man sich für dieselben auch des Ausdrucks Schlagreim.
Beispiel:
Lob des Goldes.
Rückert.
2) gekreuzte. abab.
Göthe
3) umarmende. abba.
Göthe.
4) verschränkte. abcabc oder abcbac.
Schlegel.
465) unterbrochene.
Lenau.
§. 64. Jn den ältesten poetischen Produkten unserer Sprache finden wir mehr die Alliteration, als den eigentlichen Reim angewendet. Später aber trat die erstere sehr zurück: der Reim (im engern Sinne) wurde fast allein angewendet und mit seiner Ausbildung wuchs die Bedeutung, welche man ihm beimaaß. Er galt als ein so wesentliches Erforderniß poetischer Produkte, daß nur das Poesie genannt wurde, was reimte. (Und bis auf den heutigen Tag finden sich der „ Gebildeten “viele, die da meinen, nur im Reime liege der Unterschied zwischen Poesie und Prosa: was sich reime, sei poetisch, was nicht reime, gehöre der Prosa an.) Jn der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, als namentlich durch Klopstock die antiken Versmaaße in die deutsche Metrik eingeführt, und vorherrschend gebraucht wurden, fielen manche — und unter ihnen namhafte Dichter — ins Extrem und erklärten den Reim nicht nur für ein entbehrliches, sondern sogar für ein der wahren Poesie nachtheiliges Element. Man betrachtete ihn nur als eine Spielerei, die zum Kitzel des Ohrs diene, aber für die darzustellenden poetischen Gedanken gar leicht zum spanischen Stiefel, zum Prokrustesbett werde. Unsere größten Dichter der neuern Zeit huldigen weder dem einen, noch dem andern Extrem. Jhnen ist der Reim eben so wenig ein unbedingt nöthiges, wesentliches47 Erforderniß, als ein überflüssiger oder gar schädlicher Schmuck poetischer Werke. Vielmehr halten sie ihn — natürlich den guten und an rechter Stelle angebrachten Reim! — für ein Mittel, den Eindruck des Dargestellten, namentlich der Hauptvorstellungen zu verstärken, die Einheit in der Mannichfaltigkeit der rhythmischen Bewegungen und die Harmonie der Vorstellungen durch gleichmäßige Berührung des innern und äußern Sinnes bemerkbar zu machen. Jm Reime liegt nicht die Poesie, der Reim vermag nimmer Gedanken, die an sich prosaisch sind, in poetische umzuwandeln. Aber er kann den Wohllaut und die Schönheit der Form bedeutend erhöhen, zugleich auch durch das malerische Element, was ihm meist eigen ist, das klarere Verständniß, eine lebendigere Auffassung der vom Dichter dargestellten Jdeen herbeiführen, und ihren Eindruck bleibender, fruchtbarer machen. — Wir treten gewiß auch keinem unserer gefeierten Dichter zu nahe, wenn wir noch die Behauptung beifügen, daß der Reim sogar häufig die Veranlassung zu vielen poetischen Schönheiten ist und dieselben gleichsam schaffen hilft. Natürlich! Nicht immer fließen den Dichtern die Reime so ganz von selbst zu, nicht selten müssen auch die begabtesten unter ihnen lange suchen, ehe sie einen Reim finden, der an sich tadellos ist und zugleich dem Gedankengang des Gedichts vollkommen entspricht; dadurch aber werden sie zugleich genöthigt, ihren Gegenstand von allen Seiten zu betrachten, mit ähnlichen Gegenständen zu48 vergleichen u. s. w., wobei sich denn oft ganz neue Gesichtspunkte herausstellen, neue, herrliche Bilder sich finden.