PRIMS Full-text transcription (HTML)
Deutscher Novellenschatz.
[Band 12]
BerlinGlobus Verlag G. m. b. H. [1910]

Inhalt:

Kurt von Koppigen.

A. Bitzius (s. über ihn Bd. VII, S. 8 unserer Sammlung) hat außer den Schilderungen seiner ländlichen Umgebung eine Anzahl romantischer Erzählungen geschrieben, welche jedoch im Ganzen nicht eben glücklich sind, bis auf eine, die freilich nur mit Unrecht dieser Klasse beigezählt wird, da sie vielmehr zwischen seinen romantischen und seinen Dorfgeschichten höchst eigenthümlich mitten inne steht und eine tote die andere der beiden Gattungen übertreffen dürfte. Denn obgleich Kurt von Koppigen im Mittelalter spielt und sogar mit legendenartigen Wunderbegebenheiten schließt, so ist diese Geschichte dennoch nichts weniger als romantisch, sie ist im Gegentheil realistisch durch und durch. Gotthelf zeichnet das dreizehnte Jahrhundert von der ländlichen Seite im Gegensatze zu der höfischen, die zwar nicht allen Edelsitzen auf dem Lande fehlte, aber dem ganzen Deutschland jenes Jahrhunderts doch nur so flüchtig und zerbrechlich erglänzte, wie der Regenbogen im Wasserfall. Er stellt uns auf den Boden, auf welchem ein Herzog von Urslingen, am Kaiserhofe in den höchsten Würden, sich von feinen ländlichen Standesgenossen als simpler Freiherr behandeln lassen mußte; aus den Boden, auf welchem ein Schenk von Winterstetten, der unter Friedrich II. Reichsschenke, Statthalter in Schwaben und Erzieher des Königs Heinrich gewesen, völlig verarmt zu Fuß mit seinem Knechte von einem Herrn zum andern betteln ging. Wie mit einer Art Intuition schildert er jene Zustände, in welchen das mittelalterliche Leben Deutschlands nach seiner wahren Gestalt erscheint; Zustände, welche, als das Reich Schiffbruch litt und mit ihm die entlehnte, in der Blüthe schon vom Wurme benagte Bildung versank, mit einer nur deßhalb nicht überraschenden Plötzlichkeit hervorbrachen, weil sie schon vorher, schwach niedergehalten, das eigentliche Wesen der Gesellschaft ausgemacht hatten. Sieht man jedoch näher zu, so wird man gewahr, daß er sich eines einfachen Kunstmittels bedient und eben damit den rechten Punkt trifft, indem er nämlich frischweg mit einem Griff in die nächste Nähe seine Bauern in die alten Eisenkleider steckt und sie in diesen als vollkommene Repräsentanten des wilden Adels jener zuchtloseren Zeiten hanthieren läßt. Durch diese Verwerthung eines lebendig angeschauten Materials erlangt er ohne sonderliches Studium des historischen Details eine Lebenswahrheit, mit welcher seine Dichtung sich nicht unwürdig neben die aus dem Mittelalter selbst stammende berühmte Erzählung vom Meier Helmbrecht stellen darf, die freilich einen unnachahmlichen Reichthum von Einzelzügen bietet und auch weiterhin ein vollständigeres Zeitbild entfaltet, indem sie uns den festen Stand des freien Bauern gegenüber dem adeligen Räuber kennen lehrt. Hierin steht Gotthelf zurück, aber was er giebt, ist ganz und voll gegriffen, und seine Gestalten wetteifern an Fleisch und Blut mit den lebendigen Gestalten jener alten Erzählung. Dies ist um so bewundernswerther, als er, wie gesagt, sich wenig mit dem alten Costüm zu schaffen macht. Ja, selbst der Ton des Erzählers, obwohl markig, wie von Gotthelf zu erwarten, ist nichts weniger als alterthümlich. Und nicht bloß dieses: sogar an jenen Seitensprüngen und Seitenhieben, mit welchen er bei jeder Gelegenheit die Gegenwart zu bedienen gewohnt ist, fehlt es auch bei diesem so ungelegenen Anlasse nicht; so daß man sich freilich mehr als einmal versucht fühlen könnte, die störenden modernen Auswüchse wegzuschneiden. Allein wir hielten uns in diesem wie in ähn­lichen Fällen zu einem eigenmächtigen Verfahren nicht berechtigt; und nur eine einzige Stelle von nicht ganz einem Dutzend Worten (S. 104 des Originaldrucks), die uns geradezu unmöglich schien, glaubten wir mit gutem Gewissen auslassen zu dürfen. Ein Bedenken anderer Art möchte Manchem der schon oben berührte Schluß erregen, der mit seinen Wundererscheinungen, die sich nicht als bloße Vision geben wollen, allerdings hart and die äußerliche Grenze der Novelle greift. Indessen ist es denn doch dem Gemälde aus einer Zeit so blühender Sagenbildung nicht eben ungemäß, eine große psychologische Wendung in dass Gewand dieser Zeit zu neiden, die eine innere Umkehr und Umwandlung ohne das sichtbare Hereintragen einer höheren Zeit für ein Unding angesehen hätte; und was man auch an Einzelheiten der Erzählung aussetzen mag, dem Ganzen wird Niemand den Ebenwerth der besten geist - und charactervollsten Holzschnitzereien, wie sie aus den Händen der Meister jener lebenskräftigen Zunft hervorgegangen sind, streitig machen.

Die Gestalt der Erde geht vorüber, gleich bleibt sich das Menschenherz für und für. Es wechseln über dem Schooße der Erde die Jahreszeiten, aber es wandelt sich nicht der Schooß der Erde. Lieblich ist's im weichen, warmen Frühlingswehen, aber wer des Eises gewohnt ist, sehnt nach des Nordpols eisigen Winden sich. Wer gewohnt ist an milde Sitten, an ein weichlich Leben, den schaudert vor der Rauhheit vergangener Zeiten; wer in jenen Zeiten gelebt, den würde, in unsere Zeit versetzt, der Ekel tödten, gleich dem Fische des Meeres das süße Wasser. So hat Gott es geordnet, der Mensch wird es nicht ändern. Aber Gott will auch, daß der Mensch betrachte die vergangenen Zeiten; nicht als Eintagsfliege ohne Zukunft hat Gott den Menschen geschaffen, und wer die ihm geordnete Zukunft genießen will, muß sich dazu stärken an der Vergangenheit. Wie jede Jahreszeit ihre Vorzüge hat und ihre Einflüsse, so jede Zeit im Weltenlauf. Aus den vergangenen Zeiten soll der Mensch das Gute nehmen und damit bessern sich und seine Zeit, mit dem Schlimmen jener Zeiten soll er Frieden und Genügen bringen ins alte Herz, welches von Natur weder Frieden noch Genügen hat, welches alle Tage geführt werden muß an den Born der Zufriedenheit, aus welchem die Freude an Gottes Ordnung quillt und der Dank für jede gute Gabe, die kommt aus der gesegneten Hand, welche sich öffnet zur geeigneten Zeit und speiset und tränket Alles, was da lebt, auf geeignete Weise.

Vor 600 Jahren war es anders als jetzt im Schweizerlande. Da war es wild nicht bloß in den Bergen, sondern auch im ebenen Lande; gering war der Anbau, gering dessen Ertrag, desto größer war der Wald, desto zahlreicher die Gewässer, von denen man oft nicht wußte, sollte man See oder Sumpf, Bach oder Fluß sie heißen. Viel Wild war in den Wäldern, mächtige Fische in den Gewässern; wer Herr sei im Lande, der Mensch oder das Thier, schien nicht entschieden, denn eben so oft, als der Mensch des Thieres Lager zerstörte, zerstörte das Wild des Menschen Anbau. Düstere Thürme waren zerstreut durchs Land, sie ragten aus den schwarzen Tannen heraus und über sie empor, wie greise Helden aus niederem Volke. Breit wie eine Henne über ihren Küchlein lag hie und da ein Kloster im Thale ruhig und gutmüthig; höher schienen die Bäume, grüner das Gras in seiner Nähe. Heitere Gehöfte, wie sie jetzt blitzen mit ihren hellen Fenstern Stunden weit über das Land herein, sah man wenige oder keine in niedrigerm Lande; mehr in Wald und Sumpf, als im Hause, lebte damals der Mensch. Darum wandte man auch wenig Sorgfalt auf des Hauses Ausstattung oder gar Verzierung. Bäuerinnen wohnten schlechter, als heute Bettlerinnen; wenn Edelfrauen es gehabt hätten in ihren kahlen, kalten Schlößchen, wie heutzutage Bäuerinnen auf ihren reichen Gehöften, sie wären von Königinnen beneidet worden. Damals ging es einfach zu: Gold und Silber war wenig im Schweizerlande; die Dienstmägde von jetzt haben vielleicht mehr Seide am Leibe, als damals zu finden gewesen wäre im ganzen Lande.

Im schönen weiten Aarthale, nicht weit davon, wo es von der wilden Emme fast rechtwinklig durchschnitten wird, da, wo jetzt das reiche Dorf Koppigen steht im Bernbiet, stand damals, wo jetzt noch auf dem Hügel, der Bühl genannt, Spuren zu sehen sind, ein kleines Schlößchen. Von Koppigen hießen die Edeln, welchen es gehörte. Die Gegend war nicht im Glanze, wie jetzt; gar mancher Kraft war noch keine Schranke gezogen, zerstörend konnte sie walten nach Belieben; keine Dämme faßten die Emme ein und hinderten sie, ihr Bett zu verlassen, rechts und links lustwandelnd durch die Fluren. Ihr beliebtester Spaziergang war rechts bei Kirchberg vorbei über die weiten Felder gegen Koppigen hin, den großen Sümpfen und kleinen Seen zu, welche noch jetzt zwischen Koppigen und der Aare liegen. Spärlich bewohnt war diese Gegend, und sehr arm waren die Bewohner, arm wie die Edeln im Schlößchen.

Dieses arme Schlößchen war nebst der Emme auch eine Ursache von der Armuth der Gegend. Es glich einem alten offenen Schaden, welcher die gesunden Säfte eines Körpers verzehrt, dem Wirbel im Strome, der Alles an sich reißt, was in seinen Bereich kommt. Wir sind gar weit von der Ungerechtigkeit entfernt, dieses Schlößchen einem Krebsschaden zu vergleichen, eben weil es ein Schlößchen war. Wir wissen zu wohl, daß in jenen Zeiten viele Schlösser der süßen Quelle glichen, welche die Umgegend befruchtet, den müden Wanderer erquickt, der Magnet ist, welcher die Anwohner zieht, nicht um sie zu verzehren, sondern um sie zu laben. Klöster und Schlösser waren sehr oft in jener Zeit, was jetzt noch die Oasen sind in den afrikanischen Wüsten. Aber in Koppigen war es anders: die Herren von Koppigen waren ein angesehenes Geschlecht, aber seit Jahren waren sie um so ärmer geworden, je vornehmer sie sich dünkten. Schöne, stattliche Männer waren die Herren von Koppigen. Schon damals fiel es den Menschen bei, sich durch Heirathen zu heben und ihre persönlichen Vorzüge so gleichsam als Einsatz in dem verwegenen Spiel geltend zu machen. So heiratheten die stattlichen Männer in vornehme Familien, erhielten zur Mitgift hohen Stolz, vornehme Angewöhnungen und Verwandte, welche sie gebrauchten, wenn es ihnen commod war, hinterher dann thaten, als hätten sie sie nicht gebraucht. Es giebt keine gefährlichere Stellung auf Gottes Erde, als den Kopf gen Himmel zu strecken, während man Nichts unter den Füßen hat. Hochmuth zieht die Hoffart nach, hinterher kommt die Armuth; wo diese drei in einem Menschen oder einem Geschlechte hausen, da ist ein gefährlich Dabeisein, ehedem wie jetzt. Hoffart und Hochmuth schämen sich begreiflich der Armuth, greifen zu allen Mitteln, um wenn auch nicht reich zu werden, so doch die Armuth zu verdecken. Je nach Stand und Zeit wird List und Gewalt versucht, doch zumeist umsonst; während man Andere arm macht, wird man selbst alle Tage ärmer, hochmüthiger und verachteter. Die Schwierigkeit, reich zu werden, wird zur Unmöglichkeit, in Schmach und Noth geht der Mensch oder die Familie unter. Dies ist die Geschichte von tausend und abermal tausend Familien oder Menschen. Auf diesen Wegen wandelten eben auch die Herren von Koppigen.

Im wilden Leben war die Familie zusammengeschmolzen; zur Zeit, in welcher unsere Geschichte beginnt, lebten im Schlößchen nur noch Mutter und Sohn, jung war der Vater erschlagen worden, als er eine Heerde Kühe rauben wollte. Grimhilde hieß die Frau von Koppigen, und nie paßten Name und Person besser zusammen, als bei ihr. Sie war eine Gräfin gewesen aus vornehmem Hause und hatte den Herrn von Koppigen geheirathet, weil sie nicht fromm genug war für ein Kloster und den Grundsatz hatte: wenn sie keinen reichen Mann kriegen könne, so nehme sie einen armen denn einer sei jedenfalls besser als gar keiner. Als sie diesen Grundsatz ins Werk setzte, war sie zu sehr vernünftigen Jahren gekommen. Der wilde Koppiger auf seinem magern Rosse, der sich an ihr Haus zu klammern suchte, wie ein in den Strom Gefallener an einen Weidenzweig, fand erst Gnade in ihren Augen, als alle Hoffnung aus was Besseres durchaus verschwunden war. Von je böser als schön, hatte sie jetzt borstige, gerade herausstehende Haare um den Mund wie sie bei den Katzen üblich sind. Sie war lang und hager, hatte schwarze, stechende Augen, eine krumme Nase, hatte eine Stimme, welche tönte wie Peitschenhiebe, und wenn sie ging, machte sie Schritte, als wolle sie über den Schloßgraben springen. Sie besaß von ihrer alten Herrlichkeit nichts mehr als den Hochmuth, desto greller trug sie ihn zur Schau; ihren Zorn, deß sie nichts Anderes hatte, ließ sie an Allem aus, was in den Bereich ihrer langen Arme kam; sie war fürchterlich unbarmherzig. Zu ihrem Schlößlein gehörte ein kleines Gebiet, auf welchem eigene Leute wohnten, aber spärlich, wie auf magerem Ackerlein dünn die Halme stehen. Es hat eine eigenthümliche Bewandtniß mit Land und Leuten; beide wollen weich gepflegt, freigebig genährt sein, dann gedeihen sie üppig, dann ist ihr Ertrag ein reicher; unter einer harten Hand verkümmern sie, je mehr man von ihnen begehrt, desto weniger geben sie: der ausgesogene Acker giebt keine Ernte, ausgesogene Leute zahlen keine Steuern, und wenn der Acker keine Ernte giebt, geht der Zehenten von selbsten ein. Der Ertrag steht also im umgekehrten Verhältniß mit dem Bedarf; je nöthiger Einer wird, desto weniger wird ihm; der ärmste Bauer, welcher das Geld am nöthigsten hätte, hat zumeist den magersten Hof, der nichts abträgt. Es liegt hierin eine große staatswirthschaftliche Lehre, welche beachtet werden sollte; aber es ist noch immer so, daß den Unmündigen offenbar wird, was den Weisen der Welt verborgen bleibt. Je nöthiger die Herren von Koppigen wurden, desto mehr sogen sie ihre Leute aus; wenn sie selbst nichts mehr hatten, nahmen sie das Erste Beste, was sie fanden. So geschah es, daß Pferde und Kühe Raritäten wurden im Koppiger Gebiete. Wenn nun aber der Bauer kein Vieh mehr hat, was helfen ihm da Aecker, und wenn der Bauer seine Aecker nicht mehr baut, was helfen dann dem Junker Zehenten und Bodenzinse. So hatten die Herren von Koppigen gewirthschaftet, unter Frau Grimhilde ward es nicht besser. Wie gesagt, hatte Frau Grimhilde nichts mitgebracht, als großen Hochmuth und etwas Weniges an Schmuck und Kleidern. Sie rechnete viel auf ihre Familie, trieb einstweilen Hoffart so viel und so lange sie konnte, schonte Nichts, hätte gerne den großen Grafen von Buchegg, Burgdorf und Andern es gleichgethan. Als ihr Mann vom wilden Küher erschlagen worden, erfuhr sie, wie viel Rechnungen einer vornehmen Tochter, welche arm geheirathet, welche sie auf ihre Familie macht, werth sind. Man ist glücklich, sie vergessen zu können, braucht alle Mittel, ihr die Erinnerungen an ihre Familie zu vertreiben. So ward Koppigen durch Frau Grimhilde ärmer, als es je gewesen war, ihre Kostbarkeiten waren dahin, Zufluß von außen kam ihr nicht; Hunger litt sie freilich nicht: Wald und Wasser waren bevölkerter als jetzt. Schon damals belebte die Forelle die klaren Bäche, und größer und mächtiger als jetzt. Der Lachs stieg zur Laichzeit die Bäche herauf, hellen Kies suchend für seine Nachkommenschaft; der schwerfällige Karpfe, der glatte Aal und manche andere gemeinere Fischart lebten in dem Gewässer. Das Wildschwein fand sich häufiger als jetzt der Hase; in Rudeln strich das Reh durch den Wald, weidete auf den Fluren; stolze Hirsche brachen durch die Büsche, schwammen durch die Flüsse, verschwanden, wenn Hunde an sie setzten, in des Jura's dunklen Klüften. An Wild und Fischen hatte also Frau Grimhilde nicht Mangel, auch das Holz, sie zu kochen, brauchte sie nicht zu sparen. Auch war sie nicht gezwungen, selbst zu fischen und zu jagen, das that Jörg, der Knecht, der einzige dienstbare Geist, welcher ihr übrig geblieben war. Früher war er Geselle des Ritters gewesen, seither Alles in Allem geworden: Burgvogt, Jägermeister, Fischverwalter, Erzieher, Waffenmeister, und wenn sie eine Kuh hatten, so war er es, der sie fütterte und molk. In Kurt, dem Junker, wuchs ihm ein immer tüchtigerer Gehülfe zu. Kurt war ein Kind der freien Luft, gutmüthig von Natur, aber nichts als Jäger und Fischer fast von der Mutter Brust weg; was er mit List und Gewalt erbeuten konnte, war sein, Beute zu machen, so viel möglich, ward ihm zur Religion, eine andere hatte er nicht. Von Schreiben und Rechnen wußte er nichts, es waren damals noch keine Schulmeister in Koppigen. Kurt war Jürgens Freude, dagegen der Gegenstand von der Mutter Schelten; zerfallen mit der ganzen Welt, goß sie die Galle darüber über die nächste Umgebung aus, wie üblich. Wie einem armen Weibe Erdäpfelsuppe lästig wird, wenn es dreimal im Tage Erdäpfelsuppe essen soll, so hatte es Frau Grimhilde mit Fischen und Wildpret. Der arme Junker Kurt mochte seiner Mutter bringen, was er wollte, den fettesten Rehbock, den schönsten Salm, die Mutter schalt ihn aus. Der leibeigene Junge konnte seiner Mutter das Gleiche bringen, trotz allen adeligen Rechten, denn wo keine Gewalt mehr ist, da hören auch alle Rechte auf. Kurt hätte Lust gehabt, gegen seine Mutter sich zu empören, aber das war eine gewaltige Frau: erst beugte er sich ihrem Arm, später ihrem Geiste, sie regierte ihn wie ein Bärenführer seine Bären: sie knurren wohl und tanzen doch. Dagegen ward Jürg sein Freund. Derselbe liebte ihn als den Sohn seines Herrn, behandelte ihn mit dem Respect eines Knechtes und unterrichtete Kurt in Allem, was er liebte, und stärkte ihn täglich im Glauben, daß erlaubt sei Alles, wozu man gelangen könne mit List oder Gewalt. Dieser Unterricht bewährte sich als sehr naturgemäß; Kurt faßte ihn mit der größten Leichtigkeit und übte sich darin mit der größten Freudigkeit. Es entwickelte sich in ihm ein gewaltiger Körperbau, er wagte sich täglich an gefährlichere Thiere, dem Wildschwein ward sein Spieß gefährlich, dem Bären ging er nicht mehr aus dem Wege, aber freundliche Worte erbeutete er deßwegen von seiner Mutter nicht. Eines Tages hatte man in Koppigen eine seltene Erscheinung: ein Hausirer stand unterm Thore und bot seine Waare feil, Schmucksachen für hohe und niedere Weiber. Frau Grimhilde besah sich die Herrlichkeiten mit funkelnden Augen, und als sie sich endlich von ihnen losreißen mußte, weil sie kein Geld hatte, schossen ihre Augen tödtliche Blitze. Als der Hausirer die leeren Hände und die glühenden Augen sah, machte er, daß er fortkam, dachte, da sei er zum letzten Male gewesen. Er hatte Recht, doch nicht so, wie er es meinte, denn nicht lange ging's, kam Kurt mit dem ganzen Kram des Hausirers wieder zum Thore herein. Er hatte der Mutter Gier gesehen und gedacht, wenn je, so sei jetzt die Gelegenheit, ihr Freude zu machen und gute Worte abzugewinnen, und im nächsten Busche erschoß er mit der Armbrust den Hausirer. Er hatte Recht gehabt, die Mutter hatte Freude, lobte ihn, es war ihr, als breche ein junger Tag für sie an, an welchem sich verwirklichen würden ihre bereits verblichenen Träume von Glanz und Reichthum. Für sie waren die Tage des geselligen Verkehrs, wo man sich gerne schmückt, gerne prangt mit seiner Leibesgestalt, vorüber, und die Tage waren Frau Grimhilden gekommen, wo der Mensch gerne das Sammeln beginnt in immer ängstlicherer Hast, als ob er Leib und Seele vom Tode freikaufen könnte. Sie verschloß daher die neuen Schätze in alte Truhen, welche seit undenklichen Zeiten leer gestanden; ermunterte zum entschiedenen Fortschritt auf der begonnenen Laufbahn. Jürg war damit vollkommen einverstanden; auch ihm war durch Kurt's unerwartete Heldenthat ein Licht aufgegangen, ein neues Leben mit seinen alten Knochen zu beginnen, hoffte auch er. Die allergrößte Freude hatte jedoch Kurt selbst; hatte er es doch einmal der Mutter recht gemacht, hatte er doch jetzt den Anfang gemacht, mächtig und reich zu werden! Von Gewissensbissen war begreiflich keine Rede, List und Gewalt üben, war ja sein Gottesdienst. Die Ausführung hatte jedoch ihre Schwierigkeit: die Gegend um Koppigen war arm und öde, doch liefen zwei Straßen nicht ferne dabei vorbei. Die eine, etwa eine Stunde entfernt, führte von Burgdorf ins Aargau; die andere, viel näher noch bei Koppigen, von Burgdorf auf Solothurn. Diese Straßen waren nicht unbesucht, manch reicher Fang ließ darauf sich thun, aber das Ding war gefährlich. Den Grafen im Lande war an der Sicherheit der Straßen viel gelegen, sie hatten den Nutzen davon, und wenn auf denselben geraubt werden mußte, wollten sie es selbst thun; nun ist's kitzelig, Mächtigen ins Handwerk zu greifen. Wäre es bekannt geworden, der junge Koppigen mache die Straßen unsicher, sein Leben wäre verfallen gewesen, sein Schlößlein geschleift worden, und seine Mutter hätte zusehen können, wo sie einen ruhigen Platz zum Sterben finde. Kurt hatte auch kein schnelles Roß, um zu erscheinen und zu verschwinden wie ein Blitz; er mußte wie ein gemeiner Räuber zu Fuß sich versuchen. Das that denn auch der wilde Junge mit Lust und Geschick; anfangs begleitete ihn wohl der alte Jürg, half ihm aus oder führte die Verfolger auf falsche Fährte; aber allmählich ward ihm dieses Leben zu Fuße beschwerlich. Frau Grimhilde entbehrte ihn nicht gerne, dem raschen Kurt war der Alte oft zu langsam, daß er je länger je lieber allein ging. Er wäre ein schöner Jägerjunge gewesen, an welchem selbst Diana, die heidnische Göttin der Jagd, Freude gehabt, wenn sie noch gelebt hätte, wenn er manierlich geschoren und gewaschen gewesen wäre; aber absichtlich geschwärzt und von Natur behaart, glich er eher einem Waldteufel als einem Menschen. So strich er mehr als halbwild Tage, Wochen herum bis er Beute fand zum Heimbringen. Er trieb sich zwischen Solothurn und Büren, zwischen Solothurn und dem Aargau, zwischen dem Aargau und Burgdorf herum, kannte alle Wildwege durch Wald und Sumpf, aber spärlich war doch seine Beute; das Beste durfte er nie fassen, weil nach dem Werthe der Waare dieselbe bewacht und beschirmt war. Er wagte sich wohl an Zwei, sprang, wenn der Erste vom Bolzen der Armbrust fiel, auf den Zweiten mit der Keule ein; aber zu Solchem fand die Gelegenheit sich selten, und oft bei der größten Gefahr war die Beute am kleinsten. Damals war gar viel herrenloses Gesindel im Lande, das unstät lebte und so gut als möglich vom Raube. Mit solchem mußte Kurt bekannt werden; er wurde es Zuerst mit dem Speer in der Hand, als ein halbes Dutzend wilder Gesellen aus einem Busche sprangen, um mit ihm eine von ihm erlegte Beute zu theilen. Aber wie Gleiches und Gleiches sich gerne gesellt, wurde bald der Friede vermittelt und gute Bekanntschaft gemacht. Das Leben in der neuen Genossenschaft machte Kurt glücklich, gefiel ihm unendlich; nun hatte er Zeugen seiner Heldenthaten, die hoch zu rühmen wußten, was er vollbrachte, und gar sehr vervielfältigten sich die Gelegenheiten zu denselben, da mit Mehreren mehr zu unternehmen war und weit in der Runde ihnen Alles verkundschaftet wurde. Dann ward in Klüften und Wäldern reich getafelt, mit wilden Dirnen ein wildes Spiel getrieben und, war man dessen satt, mit den Männern um die Beute gewürfelt. Das war ein ander Leben im weiten Wald bei lustigen Dirnen, als im engen Schlößlein zu Koppigen bei der keifenden Mutter; darum sah man ihn auch immer seltener im engen Schlößlein. Diesem hätte Frau Grimhilde eben so viel nicht nachgefragt, aber Kurt kam auch immer mit leereren Händen; das war, was ihr Kurt's Leben mißfallen ließ. Er wurde in der Theilung betrogen und verlor am Ende noch in dem gedoppelten Spiele das Wenige, was ihm zugefallen war; darum hatte sie ihn nicht zum gemeinen Räuber gerathen lassen, wo sie nichts hatte davon und Kurt auch nichts, als die einförmige Aussicht auf einen simplen Galgen. Auch Jürg, dem Knecht, war dieses Leben nicht recht, so hatte er es doch nicht gemeint, als er anfänglich dazu die Hand bot; er war einer der Knechte, welche am Hause hängen fast eben so sehr als am Herrn, welche Alles dran setzen, des Hauses Glanz zu mehren, seinen Verfall zu wenden. Im Räuberleben sah er nichts Unrechtes; aber da hatte es der Vater doch anders getrieben, als der Sohn, nicht als ein Buschschleicher, sondern auf ritterliche Weise zu Roß mit Schwert und Lanze, und er, Jörge, hintendrein, nicht viel geringer anzusehen als der Ritter selbst. Daß das Schloß zu Koppigen nichts Besseres werden solle als eine gemeine Räuberhöhle, in die und aus welcher man leise zu Fuß schlich, wie die Maus aus ihrem Loche, so hatte er es sich nicht gedacht, das wollte nicht in seinen alten Kopf. Frau Grimhilde schalt, Jörg bat; aber nun hatte Kurt seinen Kopf und keinen Glauben zu Mutter und Knecht. Das neue Leben in der wilden Gesellschaft gefiel ihm allzu wohl, ein lustigeres hatte er nicht erlebt, was fragte er der Zukunft nach, da er so lustig lebte, was fragte er Koppigen nach, da es so lustig war im weiten grünen Walde! Je mehr man ihn mit solchem Gerede plagte, desto weniger kam er heim, es ging ehedem accurat wie heute.

Es kam der Herbst und mit ihm ein Markt zu Solothurn. Dort wohnte von je ein lustiges Volk, welches sein wahres Leben mehr außerhalb des Hauses als im Hause selbst hatte, lieber Gast war, als Gäste hatte, darum, wer lustig leben wollte, im lustigen Solothurn zahlreich an den Märkten sich fand, wo man die weiten Herbergen voll Lustbarkeit und Solothurner fand. Begreiflich waren für Kurt und seine Freunde solche Tage, was Schweinemetzgen für Krähen ist im Winter. Von Weitem her kommen die schwarzen Vögel geflogen, sobald ein Schwein zu seufzen und zu schreien beginnt; von Weitem sperren sie die Schnäbel auf nach Schweinefleisch und Blut. Mit den Männern kommen die Dirnen gezogen, die jungen als Lockvögel, die alten als Spürhunde, durch den Markt streifen sie, wie die Schwalben fliegen durch die Luft nach Beute. Da findet sich viel Gesindel zusammen, wie von allen Winden zusammengetragen, und kennt sich von Weitem. Da giebt es viele Concurrenz, findet sich alte Liebe, entsteht neuer Haß; was man des Tags gemeinsam erbeutet, zerstört man des Nachts im wilden Streite. Kurt war auch dort, verließ aber bald die Stadt. Bestmöglichst hatte er sich unkenntlich gemacht, doch sah er bekannte Augen, welchen er ebenfalls bekannt vorzukommen schien. Zudem ärgerte ihn das fremde Gesindel aus dem Buchsgau herauf und von den Ufern der Ergolz her. Dasselbe war vertraut mit seinen Bekannten, behandelte ihn aber gröblich und schnöde. Kurt hatte noch nicht die Weise der Erfahrenen, welche sich alsbald und unmittelbar Respect zu verschaffen wissen. Ihm schien, seine alten Freunde thäten nicht das Gehörige, ihm zum Respect zu verhelfen. Zudem schienen ihm ihre Dirnen dem Bangah, so hießen die von der Ergolz her ihr jeweiliges Haupt, überflüssige Aufmerksamkeit zu erweisen. Es war ein Bursche von schlüpfrigem Ansehen mit weitem Maul und schlechten Gliedern. Kurt hätte ihn gerne zwischen seine Finger genommen; denn ihn plagte Eifersucht von allen Sorten, aber Solothurn war zu nahe bei Koppigen, sein Incognito durfte er nicht gefährden. Mißmuthig marschirte er nach Subigen, wo sie zwischen Wald und Sumpf eine sichere Stätte hatten, wohin nach der Abrede zunächst die Beute des Marktes geschleppt werden sollte. Groll in wildem Gemüthe kommt gar gewaltig in Gährung in der Einsamkeit, rumpelt und poltert dumpf wie eine Gewitterwolke am fernen Horizont, bis er endlich loskracht und Feuer speit. Nach und nach fanden sich einzelne Glieder ihrer Bande ein; da Kurt mürrisch that, thaten sie ebenfalls nicht höflich mit ihm. Dies hielt Kurt für absichtliche Verhöhnung, für eine allgemeine Verschwörung gegen sich. Als es dunkel ward, schlüpften Dirnen herbei, hinter ihnen her der Bangah und hinter dem Bangah eine ansehnliche Portion Wein, um welche er des Pfaffen Köchin zu Kriegstetten erleichtert hatte. Nun kam Feuer ins Pulverfaß. Wegen Kurt's Unliebenswürdigkeit und anfechtigem Wesen, und weil am Ende Gleiches und Gleiches zusammenhält, die Niederen nicht ungern die Gelegenheit ergreifen, sich zusammenzuthun gegen einen Höheren, wenn auch nur für Augenblicke, waren Alle gegen ihn, erst mit Worten, dann handgreiflich, bis Kurt das Bewußtsein schwand. Als er wieder zu sich selbst kam, war es Tag, einsam um ihn, er wußte lange nicht, war er auf Erden oder des Teufels. Ganz natürlich schienen ihm Busch und Bäume, aber Kopf und Glieder brannten ihm, mit dem Feuer, mit welchem nach dem Glauben, welchen Kurt oft verlacht, der Teufel die ihm Zugefallenen brennen soll. Curios dünkte ihm, daß er einsam sei. Wär's die Hölle, dachte er, müßten Viele da sein, der Bangah namentlich, ein viel gräulicherer Sünder als er. Da kam es ihm endlich, daß er noch im Subiger Walde sei, aber zum Tode matt, und daß Wunden ihn brannten, als wäre höllisches Feuer betritt. Nach und nach kam ihm das Gedächtniß wieder; neu loderte in ihm der Zorn auf, ein Glück war's, daß er an Niemand ihn auslassen konnte, aber für immer schwur er der alten Gesellschaft ab, schwur ihr Rache nach seinen Kräften. Der Durst trieb ihn auf, mühsam schleppte er sich zu einem der vielen Bäche, stärkte sich und wusch sich rein. Er mußte heim, doch nicht gern kam er mit leeren Händen, und daß man seinen Antheil an der Beute ihm nicht hatte liegen lassen, versteht sich. Kurt knurrte wohl gegen die Mutter, aber innerlich hatte er doch großen Respect vor ihr. Wenn die Mutter ein räs resolut Weib ist, ihre Zunge zu handhaben weiß in Hohn und Zorn wie einen zweischneidenden Dolch, so hat ein Sohn, wie stark und wild er auch wird, Furcht und Bangen vor der Mutter. Es ist seltsam und doch so, daß man die Gewalt über die Söhne viel öfter bei den Müttern als bei den Vätern findet. Es war Herbst, die Fastnachtszeit des Wildes im Walde, denn da schüttelt ihnen die milde Hand, welche sich aufthut jeglicher Creatur, wahre Herrenfressen von der mächtigen Eiche und der rothbelaubten Buche, die ein Aussehen hat, wie ein alter Ritter, der sein Antlitz täglich von früh bis spät mit Rheinwein feucht erhalten hat. Auch that sich das Wild gütlich in Laub und Gras. Zahlreich, fast wie Heuschrecken, flatterten die wilden Tauben in den reichbehängten Aesten, und kühn und trotzig führten die alten Schweine die jungen spazieren unter die wohlbekannten großgeästeten Bäume. So wild Kurt war, so leise konnte er gleiten durch der Wälder Schatten, wenn er Etwas beschleichen wollte. Ein altes Schwein that mit einem Rudel Jungen unter einer großen Buche sich gütlich. Kurths Speer warf ein Thier nieder, über dem Geräusch erschrak der Haufe, rannte weiter, die Alte mit. Daß ein Junges fehle, merkte sie nicht. Kurt war von je nicht gewohnt, nach Grenzsteinen sich umzusehen, in seiner gegenwärtigen Stimmung that er es vollends nicht; daß er in des Herrn von Halten Gebiet war und zunächst seinem Schlößlein, achtete er nicht. Der Herr von Halten war ein ehrbarer Mann, aber so eine Art von Nachthaube, wie man heutzutage sagen würde: er dachte nicht viel, that nicht viel, und trank desto mehr und so gut wie er es haben konnte, doch war er leider auch bloß so gleichsam vornehm, aber nicht reich. Seine zahlreichste Habe waren neun Töchterlein, die um so vornehmer thaten, je ärmer sie wurden, und um so spröder sich geberdeten, je lieber sie einen Mann gehabt. Sie waren nicht so arm wie die von Koppigen, sie hatten noch Pferde und Kühe, sie spotteten daher grimmig über die von Koppigen, und doch wäre unter allen Neunen vielleicht nicht Eine zu finden gewesen, welche es verschmäht hätte, Frau von Koppigen zu werden; daß es keine ward, lag bloß daran, daß Kurt nicht von ferne daran dachte, eine Frau zu nehmen. Sie waren auch im Walde, lasen ebenfalls Buchnüsse zusammen, um Oel zu pressen zu ihren Lämplein, welche sie brennen mußten zur Winterszeit in ihrem dunklen Schlößlein, das noch heutzutage zu sehen ist. In diese hinein lief Kurt unversehens mit dem jungen Schweine auf der Achsel. Es ging den Fräuleins fast wie dem alten Schweine und seinen Jungen. sie wollten davonlaufen, als sie den Burschen erblickten, so wild und wüst anzusehen. Aber alsbald sahen sie, daß es Kurt ging wie ihnen, daß er lieber einige hundert Schritte weiter wäre als mitten unter ihnen. Denn so viel hatte er doch von einem Ritterssohn, daß er sich schämte, unter den benachbarten Fräuleins zu erscheinen in solchem Aufzug wie ein Räuber und als Wilddieb. Trotzig und stumm ging er vorüber, sie aber höhnten hinter ihm her, manch bitteres Wort kam bis zu seinem Ohr, klebte sich an seine Seele, einer Klette gleich, welche man nichtw ieder los werden kann. Es juckte ihm die Hand, den Speer unter die Fräuleins zu werfen, wie früher unter die Schweine, doch hatte er so viel Verstand, dem Gelüste zu wehren, denn so viel Macht hatte der Herr von Halten noch, daß er einen solchen Frevel blutig und mit der Zerstörung von Koppigen hätte rächen können. Aber jetzt kam ihm, was Jörg und die Mutter ihm längst gesagt hatten: es war, als hätte man ihm ganz andere Augen eingesetzt. Er begriff, wie nichtsnutzig ein Bursche sei, der von Gesindel und von einem Bangah sich mußte schlagen, von Weibern höhnen lassen, was ein Leben sei in solcher Schmach, und wie weit es führe, wenn man zur Noth als Beute vieler Tage ein junges Schwein nach Hause bringe? Und als er nun heim kam, die Mutter ihn schalt, Jürg ärgerlich und traurig sich von ihm wandte, da ward Kurt gar elend im Gemüthe, fast wäre ihm das Weinen ge - kommen, er verdrückte es wohl, aber da saß es innerlich. Wie finstere Wolken am Himmel jagen und streiten, bis endlich ein Gewitter sich geballt hat und losbricht, so stürmten seine Gedanken durch die Seele, bis der Entschluß sich festgestellt, ein anderes Leben zu versuchen, ein ritterliches, so weit es ihm möglich, um auf dieser Bahn wieder zu Geld und Ehren zu kommen. Als er einmal recht wußte, was er wollte, theilte er es Jürgen mit. Der hatte große Freude, zog die Schleußen seines Gedächtnisses auf und erzählte Tage lang von alten Heldenthaten, von Ehren und Reichthümern, von Schlössern und Turnieren, von Kriegslisten und Fräuleins. Was Kurt des Tags gehört, träumte er des Nachts und erwachte am Morgen mit heißem Verlangen, auszuführen, was er geträumt. Mit großem Eifer schleppten sie aus allen Winkeln altes Rüstzeug zusammen, feilten und nagelten, bis sie so gleichsam eine neue Rüstung hatten, Putzten einen verrosteten Schuld neu auf und schlissen ein altes Schwert. Wenn Kurt zur Uebung diese Rüstung getragen hatte, den Tag über mit dem Schwerte Aeste von den Bäumen gehauen und Jürg mit einer Axt tapfer auf den Schild gehämmert hatte, so hatte Kurt des Nachts um so wildere Träume, fuhr als ein großer Kriegsheld in der Welt herum, baute ein großes Schloß und im Schloß ein, tiefes schauerliches Verließ, in das Verließ warf er alle neun Fräulein von Halten und fütterte sie ihr Lebenlang mit alten Buchnüssen und schwarzen Eicheln. Das waren so kurzweilige Mittel, einen langen Winter zu verkürzen, daß mancher laichende Lachs mit dem Leben wieder zur Aar und von da weiter kam, statt in Koppigen verspeis't zu werden, mancher Eber die nächsten Eicheln noch erlebte und Wölfe ungestraft brüllten in der Nähe. Endlich dämmerte der Frühling, die günstige Zeit, dem Glück entgegenzureiten, nahte. Der Junker war fertig genagelt und gefeilt, sogar ziemlich eingehauen, nur Eins fehlte, um auszureiten, und welches in der That für Jemand, der ausreiten will, von ziemlicher Bedeutung ist, ein Pferd nämlich. Vor alten Zeiten waren Pferde in Koppigen gewesen, aber längst den Weg alles Fleisches gegangen, andere zu kaufen hatte man kein Geld, sie zu stehlen war die Gefahr größer als bis dahin das Bedürfniß. Jetzt war das Bedürfniß da, und wenn Kurt gleich mit dem Raub weiter ritt in die weite Welt hinaus, die Gefahr nicht groß. Jetzt war Noth am Mann, jetzt mußte eins gestohlen werden, ohne Roß konnte begreiflich der Junker nicht ausreiten, die Welt zu erobern. Guter Rath war theuer. Denn zum Pferdestehlen war die Zeit gar zu ungünstig. Bekanntlich stiehlt man Pferde am Leichtesten von der Weide; aus wohlverwahrten Ställen aber in aller Stille einen Hengst zu bringen von bekannten Stuten weg und mit unbekannten Händen, ist ein vermessenes Stücklein. Gern hätte Jürg für seinen Zögling einen rechten Staatshengst gehabt, einen Aus - bund mit Brüllen, Schlagen und Beißen, aber solche Hengste sind eben schwer zu stehlen, noch schwerer zu reiten, und in diesem war leider Kurt kein Ausbund. Lange spionirte Jürg im Lande herum nach etwas Dienlichem für einen armen Junker, stöberte endlich einen Klosterhengst auf, welchem bei einem Klostermaier das Gnadenbrod gegeben wurde, der es sicher zu haben glaubte, dort sein Leben in Ruhe verbringen zu können. Es ist aber halt Alles ungewiß in der Welt, wie sicher man sich auch gestellt glaubt. In einer dunklen stürmischen Nacht verschwand der Hengst aus des Meiers Stall, der Meier ließ sich nie ausreden, daß nicht der Teufel den Hengst geholt. Ohne Brüllen und Beißen hätte der sich nicht abführen lassen von menschlichen Händen, behauptete der Meier. Der Meier dachte nicht an seinen Klosterschlaf, der so dick war wie der Vorhang vor dem Allerheiligsten im Tempel zu Jerusalem und sieben Mal dicker als der Schlaf des Holofernes, der bekanntlich auch erst merkte, was Trumpf war, als Judith ihm den Kopf bereits vom Halse gestohlen hatte. Nun war Kurt's Abreise unvermeidlich. Der alte Hengst brüllte gar gewaltiglich, als man ihn in Koppigen installiren wollte, erregte dadurch Aussehen ringsum. Unter den Erlenstöcken hervor schossen die Wasserhühner, streckten neugierig ihre Hälse über das Wasser empor, die Enten flogen auf mit schwerem Flügelschlag und schossen einem entfernten Wasser zu. Die Rehe sprangen auf und horchten mit zitternden Beinchen, was die ungewohnten Töne zu bedeuten hätten, das wilde Schwein grunzte zornig, daß in seinem Revier ein neues Schwein ihn störe. Zwei alte Jagdhunde aber sprangen auf, heulten gar herzinniglich und wedelten aufs Zärtlichste mit ihren kurzen Schwänzen über die heimeligen, so lange nicht gehörten Töne, welche sie an die Herrlichkeit vergangener Tage erinnerten. Doch nicht bloß Hühner und Rehe kamen in Verlegenheit und in Zorn das wilde Schwein, denn zorniger als das Schwein ward die alte Grimhilde und verlegener als Reh und Huhn Jürg und Kurt. Zornig ward Grimhilde, als sie sah, daß es Ernst war mit Kurt's Einfall in die Welt. Sie hatte es wie viele Eltern, sie betrachtete die Kräfte, welche sie genährt und erzogen, als ihr Eigenthum, über welches sie allein verfügen, allein es nutzen konnte. Wenn Kurt fortging, wie sollte sie es machen können? Mit ihm entwich aus dem Hause die rüstige Kraft, was sollte sie beginnen allein mit dem alten Jürgen? Der schaffte ihr kaum genug Nahrung; geschweige, daß er ihr Beiträge lieferte für ihre Truhen, wie sie sich deren von Kurt zu erfreuen gehabt. Früher, als Kurt's Fahrt bloß so ein Gedanke, oder, wie man im gemeinen Leben zu sagen Pflegt, eine Idee war, fand sie dieselbe beides prächtig und zeitmäßig; jetzt, da sie in Wirklichkeit treten, verkörpert werden, ihre Selbstsucht Opfer bringen sollte, empörte sich der kurze Sinn, welcher gerne beim Alten wohnt, welcher alle Tage das Gewohnte haben will. Da schrie sie, als ob man sie am Messer hätte. Es ging halt nicht anders, als es oft geht, daß, was von Weitem prächtig, ist in der Nähe häßlich, daß herrliche Ideen und Theorien in der Ausführung abscheulich werden oder auch wiederum nur abscheulich scheinen. So belferte Grimhilde gar bitterlich, und doch war nicht dieses Belfern der Hauptgrund der Verlegenheit der beiden Andern. Man war dessen gewohnt, Jürg sagte, sie hätte es immer so gemacht und doch Niemanden jemals Plätzen damit abgesprengt. Aber es ging ihnen, wie der Grimhilde, sie erfuhren, daß einen Gedanken fassen und denselben ausführen zwei ganz verschiedene Dinge sind. Wohin sollte Kurt reiten und zu wem? Sie fühlten jetzt, was eine Menge Eltern nicht denken, sondern erst fühlen, wenn sie ihre Kinder in die Welt schicken wollen, den Mangel an ehrbarer gewichtiger Bekanntschaft nämlich. Commode wäre es gewesen, wenn er so geradezu auf einen Edelsitz hätte reiten und sagen können: bon jour mit einander! ich bin der Kurt von Koppigen, Vater und Mutter lassen grüßen und sagen, es wäre ihnen anständig, wenn ihr mich eine Weile behieltet und mir in der Welt forthülfet; ich bin ein tüchtig Stück Mensch, gereuen wird es euch nicht. Aber das konnte leider Kurt nicht, seine Name war keine Empfehlung, sein Vater gestorben, seine Mutter aller Bekanntschaft abgestorben, weil eben Alle diesen Namen lieber gar nicht mehr hörten. Sie konnten also keinen Hafen ins Auge fassen, in welchem Kurt zu landen hätte, sie hatten bloß die Wahl zwischen den vier Weltgegenden; die sind weit; aber eben das war's, was sie in Verlegenheit setzte. Damals war es eine schöne Zeit für junge und alte Freibolde oder Freischärler, wie man sie jetzt nennen würde, für Leute, welche im Recht des Stärkeren ihr Heil suchten und ein Leben auf Kosten Anderer.

Einst war kein König in Israel, Jeder that, was ihm wohlgefiel, so steht's geschrieben; ungefähr so war es damals in Deutschland. Kein Kaiser war da, welcher Ordnung hielt; Jeder lebte, so lange es ging, auf eigene Faust.

Kaiser Friedrich war ein hochgesinnter Mann und gewaltiger Held gewesen, aber über seiner Zeit und seinen Kräften lag, was er wollte. Den Papst wollte er unter dem Kaiser, die Kirche unter dem Reiche haben, wollte über alle Fürstenkronen die kaiserliche setzen und in des Kaisers Hand die Kräfte sämmtlicher Fürsten Deutschlands vereinigen. Mit Kühnheit und Kraft rang er nach diesem Ziele. Aber wie ein edles Pferd durch Wespen und Hornissen zu Tode gehetzt werden kann, so kann der größte Held kleineren Feinden erliegen, wenn sie ihn unablässig hetzen, nimmer zur Ruhe kommen lassen. Für solche Feinde sorgten die Päpste, wandelten sogar in solche des Kaisers Söhne um, brannten in Deutschland das Feuer des Aufruhrs an, wenn der Kaiser in Italien war; eilte derselbe nach Deutschland, so stand alsbald Italien in Flammen. Nach dem Höchsten strebte Friedrich, und erreichte Weniges, kaum einen ruhigen Tod, kaum ein geweihtes Grab. Nach seinem Tode ging es wild und frei zu in Deutschland, d. h. es ging drunter und drüber, überall Streit und Fehde, Keiner mächtig genug, die losgelassenen Kräfte zu binden und Frieden zu machen. Wem das Schicksal wollte, wer das Fischen im Trüben verstand, dem konnte leicht ein prächtiger Fang gelingen. Im Westen dagegen war mehr Zucht und Ordnung, war ein geregeltes Leben. Die Städte übten ihre Macht, Ordnung war das Element ihres Gedeihens. In Bern's Bärenklauen zu kommen, war nicht gerathen. Freiburg sorgte ebenfalls für Sicherheit nach seinen Kräften, und des Landes große Grafen mußten einigermaßen auf Ordnung halten um der Städte willen. Nach langem Bedenken calculirte daher Jürg, der Weg nach Osten, dem freien Deutschland zu, möchte am sichersten und schnellsten zu Geld und Ehren führen; das Land hinunter sollte Kurt also reiten, sobald vorüber war die Fastenzeit sammt dem Osterfeste. Nicht daß sie sich um die Fasten kümmerten, sie aßen das ganze Jahr durch, was sie hatten, und zwar ohne Dispens, ebensowenig um Ostern. Sie bedurften keinen Erlöser, da sie keine andere Sünde kannten, als einen Fang sich entgehen zu lassen, den sie hätten machen sollen; da sie geschickte Leute waren, so begingen sie diese Sünde selten, und geschah es einmal, so machten sie dieselbe alsbald durch verdoppelte Anstrengung wieder gut. Ostern bezeichnete ihnen bloß den Frühlingsanfang. Schon glaubte Frau Grimhilde, der Plan sei aufgegeben, und ärgerte sich bitterlich über den Hengst, der sie gefährde und nichts nütze.

Ein schöner Aprilmorgen war es, als Kurt eine doppelte Portion Hafermuß, zu welchem der Hafer nicht auf ihren Feldern gewachsen war, verzehrte, ein gewaltig Stück Fleisch verschlang; denn er wußte nicht, wann er wieder zum Essen kam; Jürg sattelte ihm den Hengst, es war der Tag des Aufbruches. Als er gegessen hatte, im Nothfalle für einige Tage, kündete er der Mutter seine Abfahrt an. Potz blind blau, wie loderte die Frau, spie Feuer und Flammen und sagte, wer Meister sei im Schlößchen. Kurt der Gewaltige schlotterte und wäre daheim geblieben, aber Jürg war nicht auf den Kopf gefallen, er sagte, sein erschlagener Herr wolle es, daß Kurt fortreite, er sehe ihn täglich im Stalle. Wenn die Frau es verhindere, so müsse sie sich gefaßt machen, was geschehe, er für sich wolle keine Schuld haben, aber wenn er was zu rathen hätte, so solle Kurt machen, daß er fort komme; Frau Grimhilde war nun nicht die, welche von ihrem Willen alsbald abstand, welche zugab, sie fürchte sich vor irgend einem Mann, sei es ein Lebendiger oder ein Todter. Indessen brauchte sie nicht Gewalt, schlug die Thore nicht zu, ließ Kurt ungefährdet ziehen. Als sie ihn so stolz zu Rosse sah, sah, wie seine mächtige Gestalt fast das Thor füllte, da kamen plötzlich mütterliche Gefühle über sie, wenn er nicht wiederkommen würde, dachte sie, und heiß schoß es ihr in die Augen. Unglücklicherweise hüpfte ein alter Rabe ihr um die Füße, der ward zum Sündenbock, erhielt einen Fußtritt, der ihn lähmte; denn wenn eine Grimhilde weich wird, so folgt alsbald der Zorn, und herhalten muß, wer zuerst in Schußweite kommt.

Als hoch zu Roß der große Kurt durchs enge Thörchen ritt, schwellte Stolz seine breite Brust, stolz sah Jürg ihm nach, stolz fast wie ein Schneider, wenn er an einem Löwen des Tages die Arbeit seiner Hände bewundert. Was werden sie draußen dazu sagen, wie wird die Welt sich wundern und nach dem Meister fragen! Accurat das Gleiche dachte auch Jürg. Verwundert schauten die Bewohner der verfallenen Hütten ihrem aufgeputzten Junker nach, wie wilde Katzen schlüpften nackte Kinder durch die Gebüsche, um zu erkundigen, was das zu bedeuten hätte und wohin er wolle. Bei Kurt blieb der Stolz nicht lange das vorherrschende Gefühl. Sicher und wohlgemuth schritt er über die Erde, strich durch die Wälder, dürftig bedeckt, die Keule auf der Achsel, Bogen und Speer in der Hand. Aber unheimlich ward es ihm auf dem alten Klosterhengst, die Lanze am Bügel, und unwohl in der steifen, starren eisernen Rüstung. Wild und scheu ritt er langsam und mühsam das Land hinab und studirte im Schweiße seines Angesichts an der Lösung der Frage: was um sein Glück in der Welt zu machen zweckdienlicher sei, den Ersten, welcher ihm begegne, zu spießen, oder demüthig ihn um Dienst zu bitten. Anfänger sind oft pedantisch und handeln gern nach vorgefaßten Grundsätzen, also entweder oder: entweder spießen oder entweder bitten. Erfahrene ziehen Umstände und Gelegenheit zu Rathe. Das Auftreten in der großen Welt hat immer seine Schwierigkeiten, wie keck sich Einer auch geberden mag in gewohnter engerer Umgebung. Gegenwärtig weiß man jungen Leuten die Sache ungemein zu erleichtern, man schickt sie ein Jahr ins Welschland, oder thut sie ein halbes Jahr in eine Schreibstube, muntert sie zu einem Schnauz auf und giebt ihnen einen Hakenstock in die Hand, Stiefel an die Füße, dann kommt die Keckheit von selbst und im Ueberfluß, wie Schilf im Sumpfe. Das Land von Koppigen bis Seeberg war ihm so bekannt wie das Koppiger Schlößchen. Wenn er es früher durchstreifte, erwartete er nichts Besonderes als einen fetten Rehbock oder gar einen Hirsch, aber jetzt, hoch zu Roß, abenteuerlich aufgeputzt, erwartete er auch absonderliche Abenteuer, etwas ganz Neues. Mit der größten Spannung rückte er Schritt vor Schritt vor, in weiter Ferne glaubte er die seltsamsten Töne zu hören, Töne, wie sie noch kein Mensch gehört, in der Nähe aber war Alles accurat wie sonst, Wald und Wild und Wasser und sonst nichts. Endlich erblickte er durch Buchen die Burg von Seeberg, wo ein armer Junker haus'te mit einer halbwilden Familie. Er stellte die Lanze hoch, riß am Hengst herum, machte sich gewaltig im Sattel, hoffte von oben her angeblasen und eingeladen zu werden als unbekannter Ritter und sich dann zu zeigen als der ihnen wohlbekannte wilde Koppiger Junker. Aber still blieb es oben, wahrscheinlich war der Junker weder neugierig noch hatte er überflüssigen Proviant, vielleicht auch hatte sein Weib Kopfweh oder Zahnweh oder war sonst nicht in gastlicher Stimmung. Er mußte fürbaß und war ärgerlich. Als er bald darauf das Schlößlein des Edelknechts von Denz sah, dachte er an Jürgens väterlichen Rath, nicht blöde zu sein, sondern kühn zu klopfen ans erste beste Thor, ehe der Hunger ihm über den Kopf wachse. Dessen hatte es zwar noch keine Gefahr, so weit von heim war er nicht, aber wußte er, was zwischen hier und dem nächsten Thore ihm begegnen konnte und wann er wieder zum Essen kam? Der Hengst mußte ähnliche Gedanken wie sein Reiter haben, er hob höher seine alten Beine, stieß ein fröhliches Gewieher aus, was dem Junker das Hörnen vor verschlossenem Thore ersparte, denn als er zu selbigem kam, war es offen, im Hofe der Burgherr bereit zu freundlichem Empfang. Der Edelknecht von Denz gehörte freilich zum niedrigsten Adel, aber er hatte Etwas, welches schon damals nicht unangenehm war, er hatte bedeutende Güter und drei schöne Töchter. Er war ein munterer lustiger Mann, früher ein wackerer Haudegen, jetzt ein tapferer Trinker. Er brauchte die Sorgen sich nicht über das Haupt wachsen zu lassen, hatte Freude, wenn Jemand kam und mit ihm trank; kam Niemand, so trank er alleine oder suchte wackere Zecher auf, gleichviel, fand er sie in Burgen oder Klöstern. Von Kurt hatte er Allerlei munkeln gehört, denn wenn schon nicht Alles an die Sonne kommt, so geschieht doch wenig unter der Sonne, von dem man nicht Wind hat. Als er nun auch Kurt's Schild, das Koppiger Zeichen, erkannte, wußte er, wen er vor sich hatte, und als er ihn so seltsam ausstaffirt auf seinem steifen Hengste sah und in Verlegenheit, wie und auf welcher Seile er herunter sollte, da lachte er gar herzlich. Kurt wußte nicht, wie er es nehmen solle, und ob etwa der Fall eingetreten sei, nach dem Spieß zu greifen und mit dem Spießen den Anfang zu machen. Kurt war ein gewaltiger Bengel und hübscher als häßlich, wenn er gesäubert gewesen und angezogen wie bräuchlich. Aber struppicht sah er aus dem alten Zeug heraus, wußte nicht, was mit seinen Gliedern machen, er glich eher einem jungen Waldthier, als einem ehrbaren Menschen. Der alte Herr ließ Kurt nicht zur Lanze kommen, sondern ihm vom Pferde helfen, und führte ihn freundlich zur Halle. Eine Halle von damals war bekanntlich kein Salon von heute, indessen sah die von Denz doch anders aus als die von Koppigen. Alles was Kurt darin sah, kam ihm überschwänglich üppig und reich vor. Wein wie hier hatte er noch keinen getrunken, von wegen der Herr von Denz pflanzte ihn nicht selbst an der ersten besten Halde, sondern ließ ihn sich kommen vom Rheine her, vom Seman her, kurz allenthalben her, wo er was Gutes wußte und die Wege fahrbar waren. In den Speisen war mehr Gewürz, als Frau Grimhilde in einem Jahre verbrauchte; die drei Töchter dagegen waren Mädchen accurat wie man sie noch frisch im Gebirge und im Lande findet; dieweil wohl alle Moden wechseln, Mieder bald kurz, bald lang, die größten Narrheiten bald hinten, bald vorn gesehen werden, die menschliche Natur dagegen die gleiche bleibt trotz allen Constitutionen und Schulmeistern. Kurt gefiel ihnen und doch saß ihnen der Spott in allen Zügen, sie schossen sich Blicke, sie kicherten, sie lachten ihn aus fast offenbar, kurz sie trieben es, wie noch heutzutage junge Mädchen es treiben, welche durch keine ernste Zucht in Schranken gehalten werden. Zu einer solchen nun war der gute Herr nicht geschickt, die Mutter ihnen frühe gestorben, sie hatte mit ihrem Mann treuherzig gezecht, bis sie die Zeche mit dem Leben bezahlen mußte.

Kurt mußte Bericht geben, so gut er konnte, denn das Kichern von Mädchen ist einem jungen Redner nicht förderlich, von der Ursache seiner Erscheinung und seinem Vorhaben. Der alte Herr schüttelte bei seiner besseren Erfahrung den Kopf und sagte: Du guter Junge meinst, das Glück sei gleich einer Wildsau, du brauchest nichts als mit dem Speer zu werfen, so stecke es daran. Er bot ihm an, einige Zeit bei ihm zu bleiben, unterdessen wolle er ihm einen tüchtigen Waffenmeister suchen, der ihn zurüste zu einem tüchtigen Kämpfer.

Der junge Herr nahm begreiflich solche Reden schief, das Kichern der Mädchen noch schiefer; der schöne Wein, den er trank, als wäre er Schattenseite an der Glarner Seite gewachsen, da, wo Schiefern und Schabzieger geboren werden, machte ihn am allerschiefsten, denn er machte eine Postur wie ein Schiff, welches nur auf Eine Seite geladen hat, und dazu brauste ihm ein Muth durch die Adern, daß er mit seiner Lanze auf den Riesen Goliath losgefahren wäre. Er war also nicht zu halten, sondern pressirte fort und dachte bei sich, wenn er 'mal zurückkehre als vornehmer Ritter, so wolle er es den Mädchen eintreiben, daß sie seiner gedenken sollten. Er hatte also bereits zwei Mädchenrudel auf dem Kerbholz zur einstigen Abrechnung. So ging es sicher schon manchem jungen ungeleckten Junker, und sicher mancher kriegte mehr als ein Dutzend auf das Kerbholz, ehe er standesgemäß geleckt war. Der Junker von Denz hintersinnete sich deßwegen nicht, er war nicht von denen Einer, welche meinen, sie müßten Alles erzwingen, sondern von denen Einer, welche sich gleichmüthig drein schicken, wenn Andere was erzwingen. Er dachte bloß, er hätte Ursache Gott zu danken, daß er nicht des Junkers Nase sei, die werde was zu leiden haben in der Welt draußen, und wenn er sie' mal halb heimbringe, so habe er von großem Glück zu sagen. Das setzte aber noch was ab, ehe Kurt, der Schiefe, auf seinem Hengste saß und denselben zum Thore hinaus hatte. Dem Hengst hatte es hier gefallen; wahrscheinlich meinte er, für seine alten Beine sei die Tagereise hinlänglich groß gewesen, er drehte sich immer wieder dem Stalle zu, statt dem Thore, und lautes Lachen vom Thurme her begleitete jedesmal des Hengstes sinniges Streben. Kurt ward immer zorniger, der Hengst immer eigensinniger; der Ausgang des Kampfes wäre bei Kurt's Ungeübtheit nicht zweifelhaft gewesen, aber der alte Herr fühlte Erbarmen, Knechte bugsirten Roß und Reiter zum Thore hinaus und machten es zu. Da begriff endlich der Hengst, woran er war, und zottelte mißmuthig weiter St. Urban zu, welches der Herr von Denz ihm zur Nachtherberge angerathen hatte. St. Urban war ein junges Kloster, aber bereits ein reiches; reich war es begabt worden, lag in der körn -, wild - und fischreichsten Gegend der Schweiz, noch jetzt wachsen um dasselbe herum die schönsten Edelkrebse von der Welt.

Das Kloster war zwei gute Stunden von Denz, der Weg führte durch Wald und Sumpf, hie und da glitzerte ein kleiner See durch das junge Laub. Der Herr von Denz war der Mönche guter Freund, jagte und tafelte oft mit ihnen und nicht zu ihrem Schaden, er hatte eine offene Hand, war kein Schmarotzer und gehörte nicht zu den Strauchdieben, welche das Brandschatzen von Wittwen, Waisen, Klöstern für eine Ehre halten und davon leben. Fast hätte Kurt diesen Nachmittag ein Abenteuer erlebt: eine wilde Jagd stob an ihm vorüber mit Hollah und Hussasah; wahrscheinlich war es der Herr von Aarwangen mit seinen Gesellen. Die letzten im Zuge, Stallbuben vermuthlich, spotteten im Vorbeifliegen des unbehülflichen, schwerfälligen Reiters, waren aber längst entschwunden, als Kurt die Lanze eingelegt, den Hengst in mühseligen Trab gesetzt hatte, überflüssige Bewegung schien derselbe nicht zu lieben; um so mehr wunderte sich Kurt, als er bald darauf den Kopf auswarf, die Nase hoch in die Lüfte hielt, in fröhliches Gewieher ausbrach und einen stattlichen Galopp anschlug. Der alte Bursche hatte das Kloster gewittert und geberdete sich fast wie ein Hund, welcher in ferner Haft gehalten, sich losgerissen hat und die Nähe seines Herrn wittert. Die Mönche empfingen Kurt gastlich, warteten gut ihm auf mit Speise, Trank und Rath; sie riethen ihm, gen Zürich sich zu wenden, die Stadt liege mit ihren Nachbarn in beständiger Fehde, auf beiden Seiten sei Hülse willkommen, Sold und Beute reich. Die guten Aussichten machten Kurt früh munter, hellgemuth und wohlgenährt wollte er zu Pferde weiter. Der Hengst aber war anderer Meinung, wollte nicht vom Flecke, thate wie wüthend mit Bocken, Beißen, Schlagen; er zeigte viel Gesinnung, weder mit Liebe noch mit Gewalt brachte man ihm eine andere Meinung bei, er hatte seinen Beruf erkannt, er begriff, wo er hin gehöre, da wollte er bleiben lebendig oder todt. Voll Zorn und ohne Rath stand Kurt da; die Knechte lachten, sie riethen auf den wahren Grund und hatten ihre Freude dran. Die Mönche waren gute und verständige Menschen, sie begriffen, daß Kurt nicht den gleichen Beruf zum Kloster hatte wie der Hengst, und es denn doch ein grober Zwang gewesen wäre, wenn man ihm denselben aufgedrungen hätte; sie schenkten ihm einen tüchtigen Klepper, damit er in die Welt hinaus seinem Berufe nachreiten könne. Der Klepper paßte auch besser zu Kurt als der steife Hengst; er war Stall und Kloster satt, trug rasch und gern den Junker ins Freie, und der Junker fand sich alle Tage besser im Sattel zurecht, fand aber keine Abenteuer und leer den Weg. Hie und da stießen ihm Gestalten auf, welche ihm verdächtige Blicke zuwarfen oder scheu huschten über den Weg; er begriff gleich, was sie trieben, ihn gelüstete oft vom Klepper zu springen und mit ihnen zu laufen. Das war doch ganz ein ander Leben im grünen Walde, auf keinen Weg beschränkt, durch kein Gesetz gebunden, ein freies Leben zu führen, als so umher zu traben, hie und da vor einer Burg zu harren, lange umsonst, bis endlich ein graues Gesicht den Bescheid brachte, der Ritter sei nicht zue Hause und in seiner Abwesenheit öffne sich die Burg nicht, so am Hungertuche nagen oder vorlieb nehmen zu müssen, was Landleute aus gutem Willen gaben, ungefähr wie heutzutage die gemeinsten Bettler. So ritt er mehrere Tage am gleichen Stück, welches man jetzt in einem Tage durchreiten kann. Damals waren noch keine obrigkeitlichen Wegknechte und keine obrigkeitlichen Ingenieure, von denen die Letztern immer für neue Straßen sorgen, die Erstern zuweilen für die alten, und wenn man auch politische Parteien hatte, so war es doch noch keiner in Sinn gekommen, die Vaterlandsliebe in der Straßenliebe zu verkörpern und im Glanze derselben in aller Stille sich zu mästen. So war Kurt gezogen, bis an einem heißen Mittage er in einer Herberge hörte, selben Abend noch werde er zu Zürich am Thore sein, ohne daß er scharf zu reiten brauche. Das machte ihm denn doch bange; seit er in der Welt war, fühlte er, daß das Präsentiren eben nicht seine starke Seite sei; er sann vor der Herberge, wo er über Mittag eingeritten, ernstlich über die Rede nach, welche er zu Zürich am Thore halten wolle, denn er hatte gehört, sein Glück dort hänge hauptsächlich von seiner Rede ab. Reden sei dort die gangbarste Münze.

Ungewohnte Arbeit macht durstig; der Krug mit Züricher Rebensaft wurde Kurt mehr als einmal gefüllt, über dem letzten schlief er ein; wahrscheinlich in der Hoffnung, da er die rechte Rede nicht ersinnene konnte, eine zu träumen, eine Kunst, welche wirklich im Stande wäre, manchem Rednertalent beträchtlich auf die Beine zu helfen. Er träumte wirklich, aber leider keine Rede, er hatte aber auch keine nöthig; er träumte von einem großen schwarzen Eber, er sah ihn durch die Büsche brechen, er streckte ihm den Speer entgegen, der Speer glitt ab, Kurt glitt aus, mit seinen Hauern hieb der Eber Kurt in die Seite; er fuhr auf und vor ihm hielt auf hohem Rosse ein stolzer Ritter, der ihn mit der Lanze etwas unsanft geweckt hatte. Kurt verstand sonst nicht Spaß und hätte ein solch Wecken sich gern verbeten, aber er war zu verblüfft dazu und gab knurrigen Bescheid auf die gestellten Fragen. Als der Ritter vernommen, wer der große Bursche sei, und was er da wolle, was Kurt auch ohne Rückhalt sagte, lud der Ritter ihn ein, mit ihm zu reiten, wo er ein besseres Leben und reichere Beute fände, denn er sei der Freiherr von Regensperg. Gerade der war Zürich's mächtigster und kühnster Feind.

Solchen Reichthum und prächtigen Haushalt hatte Kurt nie gesehen, wie er ihn in Regensperg fand. Da war des Herrn von Denz Wohnsitz Bettlerwerk dagegen, ein solch bewegtes Leben hatte er sich kaum geträumt: Jagden, Fehden, Besuche wechselten jeden Tag, und wenn irgendwie eine ruhige Beschäftigung vorgenommen wurde, so war es eine in der Halle hinter dem Humpen, wobei es oft laut genug herging. Soe lustig und wild bewegt hier das Leben war, hatte Kurt doch ein böses Sein. Mehr in der Wildniß als unter Menschen hatte er gelebt, war wild und scheu oder mißtrauisch wie ein Gemsbock aus den Walliser Bergen. Solche Gemsböcke wissen ihre Hörner zu brauchen; wehe dem Jäger, der sie reizt, nicht tobtet, ihnen nicht ausweichen kann. Der Freiherr hatte Kurt's Tüchtigkeit theilweise erkannt und bald ganz erprobt; wie selten Einer, verband er Kraft und Schlauheit, in seinem Bereiche nämlich: er konnte durch den Wald huschen fast wie ein Indianer, aber auch einrennen wie ein Urochse. Er brauchte ihn oft als Kundschafter, hatte ihn gerne in seinem Begleit. Das wäre schön gewesen, aber es dünkte Kurt doch, dabei komme er zu Nichts, oder vielleicht erst, wenn er graue Haare hätte. Die Ungeduld unserer Jungen, welche ihren Dienst gerne als Feldherren anfangen, oder wenigstens als Brigadiers, war auch beim Junker von Koppigen, kam eben aus Mangel an Bildung. Daneben lebte er wie Hund und Katze mit dem jüngeren Theile der Dienerschaft des Freiherrn; um die Gunst des Herrn beneideten sie ihn, und weil er Necken nicht vertrug, neckten sie ihn beständig, wie es üblich und bräuchlich ist bis Dato. Es ist, als ob die Welt den Teufel im Leibe habe, was wahrscheinlich auch sein wird: was Einer nicht mag, das muß er haben, wenn Einer nicht kann Pfeifen hören, so wird ihm gepfiffen, und wenn Einer nicht Spaß versteht, so wird ihm dessen desto mehr aufge-e tischt. Nun war es freilich nicht ungefährlich, mit Kurt zu sehr zu spielen; er hatte Tatzen wie ein junger Löwe, und schlug alsbald drein wie ein junger Löwe. Aber bald wußte man sich zu sichern, ließ sich nicht in seine Nähe, bald hetzte man die Gefolge von Gästen an ihn, welche dann mit ihm sich lustig machten; bald schlug ihm ein Alter auf die Tatzen, wenn er die Krallen zu tief einschlagen wollte. So kam er fast immer zu kurz, wie man zu sagen pflegt, und gewann nichts als Zorn und Beulen. Bis einer sich eingefügt hat in der Welt, kostet es ihn viel und gewinnen thut er nichts, und Mancher wird sein Lebtag nie eingefügt. Lehrgeld muß bezahlt werden in der Welt, so lange die Welt besteht, und wenn auch alle Zölle aufgehoben werden; Lehrgeld entweder beim Antritt der Lehrzeit, oder nach Verlauf derselben; je früher man es zahlt, desto wohlfeiler kommt man weg.

Wäre dieses nicht gewesen, so hätte es Kurt vielleicht doch nach und nach zu Regensperg gefallen. Das war ein prächtig Leben mit Jagen und Reiten, Essen und Trinken und kämpfen nach Belieben; da erst lernte Kurt fest sitzen auf dem Roß und jegliche Kampfesweise mit jeglicher Waffe. Rasch ward er bei seiner großen Kraft und mitgebrachten Behendigkeit einer der Besten im Waffenspiel, aber dadurch nicht besserer Laune, und seine Verträglichkeit nahm nicht zu. Eines Tages hatte der Freiherr ihn mit noch Einem ausgesandt, sich auf die Lauer zu legen und einen Zug der Züricher auszukundschaften. Hans von Melligen hieß Der Andere, war Kurt's Nebenbuhler in Allem bis ans Verhältniß zu den Andern. Hans war beliebt, hatte Einfluß, von ihm aus gingen die meisten Neckereien, welche Kurt erdulden mußte. Kurt haßte ihn daher bitterlich, konnte ihm aber wenig anhaben, da Hans neben der eigenen Waffenfertigkeit noch im Schutze der Andern stand. Keiner von Beiden kam nach Regensperg zurück; man glaubte sie aufgefangen von den Zürichern, später fand man Hans erschlagen, Kurt blieb verschwunden, was aus ihm geworden, vernahm man in Regensperg nimmer. Hans hatte Kurt geneckt mit spöttischen Worten; Kurt, im Wortgefecht unbehülflich, hatte mit dem Schwerte geantwortet und Hans erschlagen. Begreiflich konnte Kurt nicht nach Regensperg zurück, sondern ritt wild und zornig ins Weite, traf auf einen Reiter, warf diesen ohne Complimente über den Haufen. Dieser, welchem Ähnliches schon öfter begegnet sein und der in der Welt so viel erfahren haben mochte, dass er blutigen Streit lieber vermied als suchte, versuchte keinen Widerstand, gab auch nicht zornige Worte, sondern setzte sich an des Weges Rand, lud Kurt ein, sich neben ihn ins Gras zu setzen und Bescheid zu tun aus einer großen Flasche, welche er am Sattel hängen hatte. Der Reiter, welcher seinen Fall so kaltblütig nahm, hatte ein altes verwittertes Gesicht, in welchem trotz seiner Wildheit ein Zug von Gutmüthigkeit nicht zu ver - kennen war. Er gehörte zu den Gesellen, welche ihr Leben lang einem guten Schicke nachziehen und ihn nie machen, weil sie jedem Genusse sich hingeben; sie sind Knechte des Augenblicks, werden daher nie Herren ihres Lebens, erreichen nie das vorgesetzte Ziel. Er hatte in der halben Welt herumgefochten, aber nichts davongebracht als Wunden und manchmal eine volle Flasche, aus welcher er soeben Kurt zutrank. Kurt hatte anfangs gute Lust, ihm diese Gastlichkeit mit einem guten Lanzenstoß zu vergelten, weil er in seinem mißtrauischen Wesen diesen heitern Gleichmuth für Spott hielt, that aber endlich doch Bescheid, setzte sich neben den Alten, aber mit lockerm Dolche, er hoffte Rath zu finden, den er eben nicht hatte.

Die Flasche war noch nicht zu Ende, als Kurt bereits Vertrauen gefaßt, dem Alten erzählt hatte, wo er gewesen, was er gethan, und wie er jetzt nicht wisse, wo aus? Der Alte war auf den Herrendienst, wo man sein Blut vergieße, während die Herren die Beute machen, nicht gut zu sprechen; er suchte begreiflich die Ursache seiner Lage und seiner Unzufriedenheit, wie andere Gelehrte auch, nicht bei sich, sondern anderswo und bei Andern. Er hatte den Glauben gefaßt, selbstständig komme er am weitesten, aber ein tüchtiger Gehülfe hätte ihm gefehlt, das Glück hatte ihm einen zugeführt. Als er Kurt vorschlug, selbst die Herren zu spielen und Krieg zu führen auf eigene Faust, fand er bei demselben Anklang und Beifall. Kurt war das Beugen unter einen Herrn, die Fessel eines fremden Willens, äußerst peinlich gewesen; seine alte Freiheit kam ihm vor, wie Adam und Eva das Paradies vorgekommen sein mag, wenn sie auf dem verfluchten Acker schwitzten. Er erzählte seinem Gefährten Uli von Gütsch, was er früher getrieben, wie er gewandt sei im Handwerk und viel erbeutet, obgleich er es nur ganz gemein und zu Fuße getrieben; jetzt, wie sie es treiben wollten, auf ritterliche Art so gleichsam, werde die Beute noch viel reicher sein, meinte Kurt. Uli von Gütsch schüttelte den Kopf und war nicht so hoffnungsvoll. Allweg sei es das Beste, was sie vornehmen könnten, aber ganz richtig sei das Ding nicht und viel gefährlicher, als ganz gemeine Räuberei, meinte er. Die adeligen Herren, sagte er, hätten es mit dem Wegelagern wie mit der Jagd: beide seien erlaubt, aber in ihrem Revier ihnen allein und niemanden Anderm, und wenn sie in ihrem Revier über Jagd oder Raub ergriffen, den hingen sie an den ersten Baum oder schmiedeten ihn fest auf einen Hirsch. Man müsse klug und vorsichtig sein, sagte er, und nie verzweifeln, auch wenn man die Schlinge schon am Halse habe, er rede aus Erfahrung; gehe aber endlich einmal die Schlinge zu im Ernste, so geschehe, was doch einmal geschehen müsse, ob endlich einen Tag früher oder einen Tag später. Man sieht, Uli von Gütsch hatte viel Gesinnung, und nicht blos viel, sondern auch die wahre für dieses Handwerk. Uli von Gütsch hatte aber nicht bloß viel Gesinnung, sondern auch viele Kenntnisse; die sind allezeit was werth, wenn man sie recht zu gebrauchen weiß. Uli von Gütsch kannte nämlich Stege und Wege weit um in der Runde, kannte Schluchten und Höhlen, kannte die Zeichen der meisten Herren, hatte nicht unbedeutende Bekanntschaften unter dem niedrigsten Volke. Im Gebiete der Reuß, von Luzern weg bis sie in die Aare läuft, oder weiter hinauf der Wigger zu, trieben sie ihr Handwerk, doch immer so, daß sie es an Fremden ausübten, oder, wenn an Einheimischen, doch an Herrschaften, denen sie sich überlegen glaubten; des niedern Volkes schonten sie sorgfältig, ja sie brachten manch Stück Geld in arme Hütten, theilten mit Hungrigen gute Bissen, daher wandte sich ihnen die Theilnahme zu und die Lust, welche immer im Niedrigen entsteht, wenn der Höhere gefährdet wird. Dagegen suchten sie verdächtig zu machen die Herren und trieben ihre Streiche bald in des Einen, bald in des Andern Namen. Nun ist wohl nichts unangenehmer, als wenn man von solchen Stücklein nichts haben soll als den bösen Namen; wer nicht muß, läßt solches sich nicht in Frieden gefallen. Anfänglich jedoch griff jeder der Herren nach dem Unrechten, den Herren wurden die Haare zusammengeknüpft; diese wußten, wie viel Jedem zu trauen war, darum nahm Einer den Andern in Verdacht, lauerte ihm auf und trieb es ihm ein. Indessen verständigten sie sich schneller, als es Kurt und Uli lieb war. Der Letztere meinte, erfahren in der Welt, sie sollten sich einen Patron auf der Welt gewinnen, wie Fromme nach einem solchen in dem Himmel trachteten. Das sei eine leichte Sache, meinte er, er wüßte Keinen, der gegen einen Theil der Beute sie in seinem Gebiete nicht sicher ließe, wenn sie ihm Namen und Gebiet ruhig ließen. Aber Kurt wollte das nicht, er wollte frei sein und thun, was ihm beliebte; selb war von je ein gefährlich Handwerk; länger als üblich konnten sie es treiben, weil sie in den Hütten natürliche Verbündete hatten. Das machte sie sicher, sie verließen den Schauplatz ihrer Thaten nicht, wie Klugheit sonst gerathen hätte. In dieser Gegend hatte der Freiherr von Eschenbach große Güter, war ein großer Herr und selten daheim, wie heutzutage auch die kleinen Herren zu thun pflegen; er lebte hier und dort bei großen Herren, deren Freund und Rath er war. Der weilte unerwartet einige Zeit im Aargau, vernahm, was auch unter seinem Wappen getrieben worden, und bot nun große Jagd, wie man hie und da auf Wölfe und Wildschweine anstellt, auf in aller Stille, um die fremden Schnapphähne zu fangen. Kurt und Uli hatten eben im Gebiete des Eschenbach einen Züricher Metzger überritten, waren mit seinem Gelde thalauswärts geritten und saßen in armseliger Hütte eines Freundes, harrten des Essens und zählten die Beute, als ein junges Mägdlein geschlichen kam und sagte, der Eschenbach biete seine Leute auf, sende Boten aus an seine Freunde, jagen wolle er auf die unbekannten Räuber, bis er sie hätte; wissen wolle er, wer sie seien. Sie hielten Kriegsrath, glaubten die Gegend um das Städtchen Zofingen am sichersten, indem man dort am wenigsten sie suche. Sie hatten dort sich nicht versündigt, die Bürger waren handliche Leute, selbst die Bürgerinnen sehr kriegerisch, liebten beiderseits Speise und Trank, und wer ihnen irgendwie in der Sonne stand, lief Gefahr, um seinen Schatten zu kommen. Alsbald machten sie sich auf, zogen fürbaß und hofften, namentlich in den Klüften, Sümpfen, Wäldern, welche zwischen Zofingen und St. Urban lagen, sichere Ruhe zu finden. Zu Fuße gehend, die Pferde, um sie auf den schlechten Pfaden zu schonen, hinter sich, waren sie ihrem Ziele nahe gekommen, bogen bei Tagesanbruch um eine Waldecke, als plötzlich ihre Pferde hellauf wieherten und es lebendig ward im Gebüsche. Es waren die Zofinger, welche von der Jagd gehört und gerne wissen wollten, wie sie gemeint sei, was dabei herauskomme, dabei Spectakel liebten und ihren Weibern gerne was Neues erzählten. Was Neues, das wußten die Zofinger damals schon, ist bei Weibern, was ein Blitzableiter bei Gewittern. Sie hatten ein Zunftessen gehabt, waren bei einander gewesen, daher ihr Aufbruch so rasch, daß sie auf dem Anstand lagen, fast ehe die Jagd begonnen. Flinke Gesellen hatten Den alten Uli von Gütsch niedergeworfen, ehe er aufs Pferd kam; er ward gebunden und im Triumph gegen Zofingen geschleppt als was Neues, so alt er auch war. Er aber verlor seinen heitern Muth nicht, er hatte Gesinnung, wie er redete, so war es ihm auch, er hielt eben dafür, daß nicht jede Schlinge zugehe, welche man bereits am Halse habe (wahrscheinlich hatte er sich lange um Luzern herum aufgehalten, wo es eben heutzutage noch so geht, mit der Schlinge das Ding so zweifelhaft ist), und gehe sie einmal zu, so werde es so haben sein müssen. Er reizte nicht, aber antwortete heiter auf die zornigen Vorwürfe, entwaffnete dadurch die Zornigen, und ehe man mit ihm in Zofingen Spectakel machte, hatten Alle, wenn er ihnen auch nicht lieb geworden, Erbarmen mit ihm, und er wurde nicht gehangen, wenigstens in Zofingen nicht. Kurt, rascher und hinter Hans, der den Wegweiser machte, war im Sattel, ehe Zofinger Hände, welche nicht mehr gerne lassen, was sie einmal in den Fingern haben, ihn faßten, und stob instinktmäßig, ohne an Hans von Gütsch zu denken, von dannen. Es kam ihm wohl, daß er nicht auf einem alten Klosterhengst saß und reiten konnte; sein freiherrlicher Gaul ließ die bürgerlichen Verfolger bald hinter sich, war über Hergiswol hinaus im Umsehen. So konnte Kurt, da kein Hufschlag mehr hinter ihm hörbar war, das Thier wieder zu Athem kommen lassen, wahrend er selbst seine Gedanken sammelte. Uli von Gütsch hatte ihm oft erzählt von seinem besten Freunde, der ein Mordkerl gewesen, und jetzt Einsiedler oder Waldbruder sei. Lahm gehauen, habe er den blöden Leib mit einer frommen Kutte bedeckt; lebe jetzt von seiner Schlauheit und der Menschen Dummheit, wie früher von seiner Kraft und Anderer Schwäche. Er hatte ihm oft erzählt, welche lustige Tage er bei dem Waldbruder verlebt habe in dessen düsterer Hütte, welche in der Nähe von Willisau lag; wie derselbe Schabernack getrieben mit den Menschen, ihren Aberglauben ausgebeutet, und gerade bei denen am meisten, welche keinen zu haben glaubten und sich für Weise hielten. Diesen Waldbruder aufzusuchen, beschloß Kurt, bei ihm konnte er entweder sich bergen oder guten Rath finden, wo Schutz und Schirm für ihn sei.

Wer aufgewachsen ist in Feld und Wald, findet sich ungefragt und ungeführt leichter zurecht, als ein schönes, zartes Stadtkind mit einem Plane in der Hand und hundert Anweisungen in der Tasche. Kurt ritt durch Schluchten und Thäler, fand sich immer besser zurecht: sah endlich vor sich des Waldbruders Klause oder Höhle, sie war, wie die meisten, Beides. Vor derselben saß der Einsiedler, neben ihm eine Frau; sie legte ihm von einem mächtigen Schinken vor, er aber trank ihr zu aus einem ansehnlichen Kruge, in welchem schwerlich Wasser war. Vertieft in ihre Arbeit, hörten sie Kurts Nahen nicht, bis Fliehen oder Verbergen unmöglich war. Die Frau merkte Kurt zuerst. Jesus Maria! schrie sie, sprang auf und ward kreideweiß. Der Waldbruder war nicht so erschrockener Natur, Geistesgegenwart besaß er selbst für Leute seines Schlages in beträchtlichem Maaße; gelassen sah er über seinen Krug weg, und sein geübtes Auge erkannte alsbald des Fremdlings Natur. Frau Gertrude, sagte er, seid nur ruhig und sitzet wieder ab; euer Herr, der Pfarrer von Zell, hat euch nicht zu einem Sündenwerk ausgesandt, darob ihr Furcht haben müsset, sondern einen Kranken und durch langes Fasten Matten zu stärken. Esset und trinket nur ruhig, auf frommen Wegen seid ihr müde geworden; Stärkung bedürft auch ihr zum Heimgänge. Du aber, Junge, wandte er sich nun zu Kurt, gieb Bericht, was du willst und wer dich gesandt! Für wessen Seele soll ich beten, wen gesund machen, ein krankes Kalb oder einen lahmen Hund? Uli von Gütsch läßt Euch grüßen, er ist's, der mich hergewiesen hat, antwortete Kurt. Diese Antwort gab des Waldbruders Kaltblütigkeit einen Stoß, denn diese Art von Bekanntschaften brachte er doch nicht gerne zur Kenntniß von des Pfarrers Köchin; er stellte das Fragen ein, hieß Kurt sein Roß abzäumen, sich hersetzen und Theil nehmen an ihren Stärkungen. Wahrscheinlich rechnete der Waldbruder darauf, die Köchin werde alsbald vor dem Burschen mit dem verwilderten Angesichte die Flucht nehmen, allein er verrechnete sich, er kannte die Schnapphähne besser als die Köchinnen; es schien ordentlich, als werde die Köchin breiter auf ihrem Sitze, als lasse sie sich recht wohlig auseinander, spitzte erst das vierzigjährige Mäulchen, that zimpferlich, machte dann Witze, neigte sich zur Traulichkeit; kurz, that accurat wie eine heutige Köchin, welche im entschiedenen Fortschritte begriffen ist. Der Waldbruder brauchte all seine Kunst, die Beiden auseinander zu halten, und da sie immer größeres Gefallen an einander zu finden schienen, suchte er die Köchin zum Aufbruch zu stimmen. Es lasse sich zu einem Wetter an, sagte er; wer heute noch weiter wolle, dem wäre Eile zu rathen. Wenn er nach Zell wolle, sagte die Köchin zu Kurt, so wolle sie ihm den Weg zeigen. Es kam ihr wahrscheinlich sehr angenehm vor, mit Kurt spazieren zu gehen. Kurt hätte wider das Spazierengehen und die Köchin so weit nichts gehabt, aber den Weg nach Zell begehrte er einstweilen nicht kennen zu lernen; derselbe führte durch das offene Land, und von dort konnte man schnurstracks auch nach Zofingen. Er nahm daher das Anerbieten der Köchin kühl auf, sagte kurz (denn wenn er auch eingehauen war, so war er doch nicht gehobelt), nach Zell begehre er nicht, das Wetter fürchte er nicht; einstweilen sei ihm wohl da. Die Antwort machte die Köchin ebenfalls kühl. Nichts für ungut für das Anerbieten, Jeder macht's wie ihm beliebt, sagte sie, grüßte kalt den Waldbruder, accurat wie eine beleidigte Schönheit es thut, welche sich hintangesetzt glaubt und es einzutreiben gedenkt, und ging ab. Dem Waldbruder machte diese Mißstimmung offenbar keinen Kummer, er schien der Mittel zur Versöhnung sicher zu sein; er wandte sich rasch zu Kurt und fragte nach seines Freundes Bestellung. Kurt erzählte und fragte um Rath. Diese Frage schien dem Waldbruder ungleich bedenklicher als der Köchin Stimmung; nachdem er genau gefragt, wo sie überfallen, ob er gesehen worden und wie weit verfolgt, sagte er endlich: Mußt weiter reiten, hier bist du nicht sicher; die Herren werden das Aeußerste aufbieten, auch dich zu fangen, denn Jeder will den Verdacht von sich abwälzen, als sei er euer Hehler und Bundesgenosse. Ich hörte von euerm Treiben, glaubte, es treibe dies unter der Hand einer der Herren auf seine Rechnung; dachte nicht daran, daß Uli von Gütsch, der alte Fuchs, so was Tolles unternehme und sämmtlichen Herrschaften ins Handwerk Pfusche, wo sämmtliche nichts eifriger thun werden, als es ihm legen. Ein Glück für ihn ist, daß er in der Zofinger Hände gefallen, die treiben viel, doch nicht Straßenraub, haben also nicht Ursache zum Brotneid, und Uli wird sich aus ihrer Schlinge schwatzen, vielleicht gar in ihren Dienst hinein. Um so rachsüchtiger werden sie dich verfolgen, vor ihrem Zorne vermag ich dich nicht zu schützen; vor einem Heiligen, wie ich, haben die Herren keinen Respect, ihr Interesse ist ihr Gott; vor den Bauern wärest du sicher hier, bei ihnen findet sich der wahre Glaube noch. Und doch heile ich den Herren ihr Vieh umsonst, bereite ihnen manchen Trank umsonst, aber da ist keine Dankbarkeit; wären die Bauern nicht, ich müßte verhungern. Aber eben daß die Bauern es so gut mit mir meinen, bringt die Pfaffen gegen mich auf, aus Brotneid predigen sie gegen mich, daß die Wände krachen, heißen mich einen Wolf im Schafpelze, einen unsaubern Heiligen, und hetzen die Herren gegen mich. Ach Gott! wenn sie erst Alles wüßten, was ich kriege und wer es bringt, die würden noch ganz anders predigen; und je ärger sie predigen, desto mehr läuft das Volk mir zu, desto williger bringt es mir seine Gaben. Aber eben deßwegen muß ich mich desto mehr hüten, daß die Pfaffen nichts Bestimmtes an mich bringen können und vor die Herren, bei welchen weder Glaube noch Dankbarkeit ist; hätten sie einmal eine sichere Handhabe, dann gute Nacht, Waldbruder! , trink, und höre, wo Sicherheit ist für dich; reite, so viel du kannst, den Bach hinauf, sonst an dessen Ufern, dann da, wo er aus der Erde bricht, rechts über den Berg, so kommst du in ein langes Thal, dieses reitest du hinauf; zu oberst, wo es sich zu schließen scheint, die Berge ihre Füße zusammenstrecken ins Thal wie ein Rudel Mädchen ihre Füße in eine Badewanne, da steht ein Kirchlein und über demselben eine starke Burg; wenn du dich sputest, bist du dort, ehe die Sonne untergeht. In der Burg wohnt der beste Ritter im Lande, ein Mann für dich, des Tages zu Roß, des Nachts, wenn Ruhe ist und kein Streich ob Handen, ein tapferer Zecher; er hat ein gutes Herz, aber Federlesens macht er nicht, sondern was ihm wohlgefällt. Macht Einer ihn böse, so zertritt er ihn, gelüstet ihn was, so greift er zu; wer ihn ruhig läßt und nichts hat, welches ihm wohlgefällt, den läßt er auch ruhig, und wer ihm es treffen kann, oder gar Hülfe ihm leistet, der hat bei ihm das beste Leben und sonst, was er will. Barthli von Luthernau, du hast schon von ihm gehört, ist Land ab Land auf gefürchteter als der Teufel, an ihn wagt sich Niemand, und wo er erscheint, da werden alle Herzen steif vor Angst: die Welt hat es ihm schlecht gemacht, jetzt treibt er ihr es ein. Er war nicht reich, doch seine starke Burg und reichen Vettern, welche keine Kinder hatten, berechtigten ihn lustig zu leben, als wäre er schon reich und sollte es nicht erst werden. Er borgte von den Vettern, dachte begreiflich nicht ans Wiedergeben, das wäre ja dumm gewesen und eine unnöthige Mühe, da ja einmal Alles sein war; er suchte im Gegentheil die Schuld täglich größer zu machen. Die Vettern wurden zäher, wollten Vetter Barthli nicht immer begreifen, ihre Hände nicht mehr öffnen nach seinem Belieben. Aber Barthli achtete sich wenig, dachte auch, mit solch alten Knaben mache man nicht viel Federlesens, ritt bei ihnen ein mit vielen Leuten, siedelte sich da an als wär's für die Ewigkeit, bis sie froh waren, ihre Truhen zu öffnen und ihm zu geben, was er begehrte. Die Vettern waren griesgrämliche Leute, konnten keinen Spaß verstehen, fingen an, den Vetter zu hassen, sich immer schlechter gegen ihn zu benehmen, gegen den leiblichen Vetter. Dieser züchtigte sie, wie recht und billig, immer schärfer ihrer schlechten Gesinnung wegen; da kam, statt daß sie sich gebessert und den Vetter zu versöhnen gesucht, der Teufel vollends über sie, sie vergabeten all ihre Habe, Land, Leute, Gülten zu Bau und Aufschwung des Klosters St. Urban. Das war schlecht, daher begreiflich Ritter Barthli gar nicht recht; er bot Himmel und Hölle auf gegen diese Vergabung, aber Niemand wollte ihm zu seinem Recht verhelfen: geschrieben sei geschrieben, hieß es überall. Da hob er seine Faust auf, drohte von Luzern bis St. Urban das Land zu verheeren; aber man spottete ihn aus und forderte zu Allem noch die alten Schulden ein. Darüber ist er wüthend mit Recht, will nun selbst Schulden eintreiben und nehmen, was ihm gehört, wie billig, und fehdet nun das Kloster, welches von niederträchtigen Herren, die den Barthli hassen wegen seiner Mannheit, begünstigt wird, ohne Unterlaß. In den nächsten Tagen versucht er wieder was, wozu er tüchtige Leute braucht; du wirst ihm willkommen sein, sage nur, Jost im Tobel habe dich gesandt. Kurt war durch sein Handwerk mißtrauisch, es fiel ihm auf, daß Jost im Tobel, der erst noch so bitter über die Herren gesprochen, ihn jetzt zu einem Herren senden wollte, er sagte: Warum soll ich das Thal aufreiten, um zu einem der Herren zu kommen? ich erspare mir Mühe, wenn ich sie hier erwarte. Du jagst auf falscher Fährte, sagte der Wald - bruder; es ist nicht ein Herr wie der andere Herr und nicht ein Pfaff wie der andere Pfaff; wie in allen Regeln Ausnahmen sind, so sind auch in allen Ständen Solche, welche nicht auf der gleichen Saite geigen, nicht zu den Andern zu gehören scheinen, und um deßwillen bitterlich angefeindet werden von den Andern. So ist der von Luthern rundum von allen Edeln gehaßt, wie alle Pfaffen rundum mich hassen, von wegen wir leben beide auf eigene Faust, und was die Hauptsache ist, wir leben beide Wohl dabei, besser als die Andern, welche nach dem allgemeinen Brauch leben Einer wie der Andere, wie eine Gans der andern nachwatschelt, wie die erste vorwatschelt. Sieh ', darum sind ich und der von Luthern Freunde, weil wir auf der gleichen Fährte jagen; Jeder macht was er kann, lebt so gut als möglich nach dieser Regel und fragt den Andern nichts nach; begreifst? Kurt begriff, hatte aber doch gegen den neuen Herrendienst viel einzuwenden. Er sei ihm nicht entlaufen, um ihn von Dornen wieder anzufangen, sagte er. Jost setzte ihm auseinander, wie zwischen allen Dingen ein Unterschied sei; so sei ein Unterschied zwischen Kurt, welcher zum Freiherrn gekommen, und dem Kurt, welcher zu Barthli von Luthernau komme: der erste Kurt sei ein blöder Junge gewesen, der zweite Kurt ein derber Kerl mit Haar ums Maul. Der Freiherr sei halt ein Herr gewesen mit Dienern und einem vornehmen Haushalt, Barthli sei ein Mann, habe Gesellen und einen Haus - halt, wo es sich ein Jeder so bequem mache als er könne, und zwischen Kamerad und Knecht sei eben ein großer Unterschied. Als der Waldbruder glaubte, Kurt habe seine Vorlesung hinlänglich begriffen, trieb er Kurt fort; es sei hohe Zeit, sagte er; rasch müsse er machen, daß er fortkomme, sei er einmal über dem Berg, könne er langsam weiter. Dort treffe er ein Haus, richte er seinen Gruß aus, kriege er, was er begehre.

Kurt zögerte, bis es ihn selbst dünkte, er wittere in der Weite Roß und Reiter. Sobald derselbe fort war, kreuzte sich der Waldbruder, räumte alles Verdächtige weg, zog Weiden z'weg zum Flechten und sang ein geistlich Lied, d. h. eins mit geistlicher Weise, aber sehr ungeistlichen Worten. Nicht lange saß er so, hörte man schon einzelne Hörnerstöße, hörte zerstreute Reiter zusammensprengen, dann geraden Wegs die Schlucht herauf, dem Waldbruder zustürmen. Der saß da wie der heilige Feierabend, als ob ihn die ganze Welt nichts anginge; sang und flocht, daß es herzbrechend war und als ob er sein Lebtag nichts Anderes gethan hätte. Die Reiter hatten offenbar nicht großen Respect vor ihm, der Waldbruder indessen den sichern Takt, laß er sein Verzücktsein und Redestehen so gut zu mischen wußte, daß er Nichts verrieth, weder sich noch Kurt, und doch jeder Gewaltthätigkeit entging. Es blieb bei Drohungen und unehrerbietigen Titeln, Beides störte den Waldbruder nicht am Korben; Drohungen thaten nicht weh und auf Titel hielt er nichts, er war gar nicht ehrsüchtig. Sie suchten und fanden Nichts, sie thaten wie Hunde, welche einen Hasen im Versatz verloren, welche kein Jäger immer aufs Neue den Ring schlagen läßt; sie kriegten Langeweile, setzten endlich ab Einer nach dem Andern, und wenn Einer anfängt, geht es nicht lange, bis der Letzte abzieht.

Unbelästigt ritt Kurt über den Berg bis zu dem Hause, welches ihm Jost empfohlen hatte, oder dem er so gleichsam empfohlen worden war. Es war vor mehr als sechshundert Jahren, als Dieses Kurt begegnete, aber curios ist es, er geberdete sich damals schon accurat wie Dato ein sogenannt gebildeter, vielleicht vornehmer, selbst fürstlicher Europäer, der vom Vicekönig von Aegypten, oder irgend etwelchem Machthaber, oder sonst irgend welcher potenzirten Person Empfehlungen hat in Aegypten oder Italien. Man kann lesen in ihren Reiseberichten, wie sie den Leuten in die Häuser fallen, wie Heuschrecken übers Land, die Leute aus dem Schlafe pochen und poltern wie Janitscharen mit einem Firman des Sultans, sich es bequem im Hause machen, daß die Besitzer kaum mehr Platz darin haben, Speisen und Getränke auf die unanständigste Weise beschnüffeln, ehe sie solche genießen, wie verwöhnte Hunde ein Stück Brot, und dann hinterher dem erstaunten Europa erzählen, nach was der Wein gerochen, und ob das Fleisch zäh gewesen oder nicht zäh. Daß es Kurt so machte, soll uns nicht wundern, er machte nicht Anspruch, ein Gentleman zu sein, und war nicht im Welschland gewesen, sondern umgekehrt im Züribiet. Er stellte sein Roß an den besten Platz im Stalle, setzte sich auf die beste Stelle am Herde und ließ sich tractiren, und die Leute ließen es sich gefallen und thaten das Möglichste, accurat wie man es noch heutzutage mit den modernen Reisenden macht, welche, nach allerneuesten Berichten, im Morgenlande als die eilfte Plage angesehen werden. Die guten Leute fürchteten Ungelegenheit, sie kannten Jost's Verbindungen, wußten auch nicht, wie weit Kurt noch kommen und es erzählen könnte (von Drucken war bekanntlich damals noch nicht die Rede), wenn sie ihm nicht das Beste aus Keller und Küche gegeben, der Wein nach was gerochen, das Fleisch zäh gewesen. Kurt hatte alle Ursache zufrieden zu sein; wohl gepflegt ritt er endlich weiter, und Abend ward's, als er vor sich das Kirchlein von Luthern sah und über demselben die alte graue Burg.

Es war ein wildes Bergthal, doch sah man an den Thalwänden gute Gehöfte; rar waren die Kühe nicht im Thale, Barthli stahl keine aus dem Thale, aber manche außerhalb demselben gestohlene Kuh lief darin herum. Die Burg stand offen, der Ritter von Luthern fürchtete keinen Ueberfall, es wohnte kein Mensch im Thale, der, wenn er was Verdächtiges bemerkt, es dem Ritter nicht alsbald gemeldet hätte, denn sie hatten Alle Antheil an seinem Raube, und wenn seine Hand schon hart war, so wohnte es sich doch sicher unter derselben. Wild sah es im Hofe aus; aus einer offenen Thüre flog eben ein Knecht heraus, wie der Stein von der Schleuder, kroch dann weiter winselnd und heulend. Fluchend kam ein gewaltiger Mann nach und hätte wahrscheinlich noch nachgebessert und vollends zerschlagen, was der Knecht noch Ganzes an sich hatte, wenn ihm nicht Kurt's fremde Erscheinung in die Augen gefallen wäre. Es war der Ritter in eigener Person, der mit selbsteigener Hand einem Knechte, der Pferde mit Fußtritten mißhandelte, Verstand gegen die Thiere einbläute. Der Ritter von Luthernau war ein Mann wie eine Eiche, schon hatte es ihm auf den Schädel geschneit, aber heiß rann doch das Blut unter der weißen Decke und heißer am Abend als am Morgen, wie es übrigens noch heutzutage bei vielen Edeln und Unedeln der Fall sein soll. Fast war's, als wollte er den Rest seines Zornes an Kurt auslasten; barsch fuhr er ihn an, was er da wolle? Doch Kurt war nicht erschrockener Natur, er bringe einen Gruß von Jost im Tobel, sagte er. Das Losungswort zog, ein heller Schein flog über des Ritters dunkeles Gesicht, er führte Kurt in die Halle, wo auf dem Tische Essen und Trinken die Fülle stand, und zwar den ganzen Tag. Wer Etwas mochte oder sonst nichts zu thun hatte, setzte sich an den Tisch, besondere Eßstunde war keine. Er hatte, wie es schien, durch Kurt eine Botschaft erwartet, auch das Begehren um Dienst war ihm nicht unangenehm, jedoch vergaß er besondere Vorsicht nicht. Schon damals war es Sitte, Jemanden, an den man offen nicht kommen konnte, einen falschen Freund in den Busen zu schieben, der dann mit Verrath vollbringt, was Gewalt nicht vermochte. Indessen Kurt bestand gut im Examen und gewann des Ritters Vertrauen. Derselbe kannte Uli von Gütsch wohl und war dessen Freund gewesen, war auch ein Feind Derer, die des Ritters Feinde waren. Zudem hatte derselbe Kurt's Vater wohl gekannt und mit ihm manchen Streich verübt. Als Kurt sich als des Vertrauens würdig ausgewiesen, vernahm er, daß morgen schon ein Auszug vorbereitet sei, des Klosters Gebiet zu plündern und zu verbrennen, was brennen wollte. Barthli hatte Lust, das Kloster selbst zu zerstören, indessen war es zur selben Zeit etwas bedenklich, Hand an geweihte Mauern zu legen, das Ding konnte schwere Folgen haben. Früh ward es lebendig in der Burg zu Luthern. Die Leute schienen aus dem Boden heraus zu wachsen, waren in Wetter und Krieg 'gehärtet und gestählt und gar heiteren Muthes, sie hofften auf reiche Beute. Das Wort Beute hat seinen schönen Klang behalten bis auf den heutigen Tag, nur mit dem Unterschied, daß das moderne Bewußtsein sich des Raubens und Stehlens schämt, es indessen doch thut und je mehr je lieber, hinterdrein es dann ableugnet, gedruckt und ungedruckt mit moderner Unverschämtheit. Der Ritter wäre gerne durch Wald und Berg gebrochen nach Etlswyl, Huttwyl, Rohrbach u. s. w. das reiche Thal hinab, welches die Langeten bewässert. Aber dort wohnten viele Edle, Freunde des neuen Klosters, absonderlich auch die Edlen von Madiswyl. Alle hätte er aufgejagt, ans seine Fährte gezogen, und viele Hunde sind bekanntlich des Hasen Tod. Er zog daher östlich, das Thal abwärts, Großdietwyl und Altbüren zu. Mancher Freund gesellte sich zu ihm auf dem Wege, und als er seine angeschwollene Schaar übersah, drängte es ihn, an St. Urban selbst sich zu versuchen, mit einem kühnen Streich all dem Ding ein Ende Zu machen. Er wußte, daß einer seiner Vettern dort sich aufhielt: konnte er den als Geisel in seine Hände bekommen, so hatte er von den Folgen des Ueberfalls nicht viel zu fürchten. Er hielt, zog Kunde ein, aber sie gefiel ihm nicht; er vernahm, daß viele Edle mit Gefolge im Kloster sich aufhielten, daß noch mehr erwartet würden, ein Ueberfall also nicht räthlich sei. Er bog links ins waldige Gebirge, durch dasselbe konnte er unbemerkt bis gegen die reichen Langenthaler Höfe ziehen, dieselben Plündern und auf der dortigen Straße vielleicht einen reichen Fang thun, Einen schnappen, der nach dem Kloster wollte.

In Langenthal ruhte die ländliche Arbeit, das Vieh war eingetrieben, das Gesinde heimgekehrt, die Mutter kochte, die Töchter kämmten ihre Haare, was von jeher in Langenthal stark getrieben wurde, nicht allein wegen der Hoffart, sondern wegen der Kurzweit. Ob dem Kämmen glitt die Zeit vorüber, ganz gleich wie durch die Finger die Haare, und je glatter die Haare glitten, desto rascher lief ihnen auch die Zeit vorüber. Die Nacht dämmerte herauf, leise nahte sich im Schatten der Nacht der Schlaf den Augen der Menschen, machte aber heute nicht gute Geschäfte. Es wollte ihm Niemand warten, es war eine ungewohnte seltsame Unruhe auf der Straße, auf der berühmten Kastenstraße, welche schon zu der Römer Zeiten den Osten Helvetiens mit dem Westen verbunden haben soll. Ein große Weinfuhr für das Kloster war am selben Abend durch den Ort gekommen; zur selben Zeit war eine Weinfuhre ein Ereigniß, selbst in Langenthal, wo sonst von Zeit zu Zeit etwas Merkwürdiges vorkam. Wahrscheinlich waren aber damals noch seltener als die Weinsuhren die Weinreifenden, welche der Sage nach gegenwärtig vor Langenthal sich oft aufstauchen, wie in Paris die Menschenmasse vor dem Theater, wenn die Rachel spielt, die Eingänge zu klein sind, die Menge derer, welche hinein wollen, zu groß ist. Weder das Straßenpflaster, noch die Straßenbeleuchtung, für welche in jüngster Zeit ein löblicher Gemeinderath eine selten gewordene Prämie erhalten hat, waren damals in Langenthal zu der Vollkommenheit gekommen, in welcher man sie jetzt findet. Zwei Weinwagen blieben stecken, an dem einen brach die Hintere Achse, am andern die Deichsel, mit aller Mühe konnte min sie nicht flott machen, sie mußten in Langenthal zurückgelassen werden. Nun lebte damals in Langenthal eine große Familie, zu welcher fast die ganze Einwohnerschaft gehörte, die wahrscheinlich ausgestorben sein wird, Namens Durstig, sie hatte die Eigenthümlichkeit, daß sie den Wein mehr liebte als das Wasser. Zwei Weinwagen auf offener Straße eine ganze Nacht durch war ein nie erlebtes Ereigniß. Da Langenthal zum Kloster gehörte, die Wagen auf des Klosters Grund und Boden standen, so war die Bedeckung mit den andern Wagen nach dem Kloster gezogen, nur die Fuhrleute blieben bei den Wagen zurück, blieben aber nicht alleine. Von allen Seiten trappete es heran, Jeder wollte die merkwürdigen Wagen sehen, und wer sie einmal ansah, dem ging es wie der Eva im Paradies. Als sie den Apfel einmal recht angesehen, konnte sie auch nicht mehr davon los, bis sie drein gebissen. Man stand um die Wagen her, rieth über die Größe der Fässer, die Güte des Weines, und je mehr man rieth, desto zahlreicher ward die Familie Durstig um die Wagen herum. Gut wäre es doch, sagte endlich Einer, wenn Einige die Nacht über bei den Wagen wachen würden, die Uebrigen könnten nach Hause gehen. Er werde meinen, sagte eine Frau, er sei alleine klug, und Niemand merke, warum sie nach Hause sollten; Einem recht, dem Andern billig: wenn er über den Wein wolle, so wolle sie auch daran; übrigens sei versuchen erlaubt, wenn die Herren da wären, sie schlügen selbst eins der Fässer auf; man könne es ja auch machen, wie die Fuhrleute, mit Wasser wieder zufüllen, so merke ja Niemand etwas. Ist man einmal mit dem Rathe so weit, so ist die Ausführung auch nicht mehr fern; man bohrte vorsichtig an, und vorsichtig ließ man anfangs nur wenig heraus, damit der Abgang oder das Wasser im Weine nicht gemerkt werde. So wie man bohrte, war Alles nach Trinkgeschirren davon gestoben, und jetzt stob Alles heran wie Tauben auf einen Hanfacker, den soeben der Säemann verlassen. Das Gedränge um die Wagen wurde groß, Jeder wollte seinen Theil, und hatte er ihn, so wollte er noch einen. Die Weiber zeichneten sich durch gewaltiges Schlucken aus; hatte ein Weib einmal ein Geschirr am Maul, so war es, als ob sie zusammenwüchsen, und von einander brachte sie keine irdische Macht mehr, so lange ein Tropfen von einem ins andere rann. Ein Loch in einem Faß genügte nicht mehr, ein zweites entstand, man wußte nicht wie, und befriedigte noch lange nicht das immer wachsende Bedürfniß der immer größer werdenden Familie Durstig. Die Unmöglichkeit, die Sache zu vertuschen, ward immer klarer, ward auch begriffen und rasch der Entschluß gefaßt, den sämmtlichen Wein sich zuzueignen, Wagen und Fässer bei Seite zu bringen, und dann zu sagen, der wilde Barthli sei gekommen und hätte sie geholt. Um die Lüge glaubwürdiger zu machen, könne man ein altes Scheuerlein anzünden, Lärm machen und Botschaft ins Kloster senden, so ward gerathen. Ein altes Sprüchwort sagt: Der Teufel ist ein Schelm, und wenn man vom Wolfe spricht, so ist er weit oder nah. Kaum hatte man die Ausführung jenes Rathes begonnen, so hörte man Lärm von der Bergseite her, und kaum hatten die Köpfe dorthin sich gedreht, erhob sich wildes Geschrei von der andern Seite. Pferde hörte man sprengen, in vollem Lauf brauste eine Schaar die Straße herauf, voran auf schwarzem Roß ein Ritter, schwarz gerüstet. Der Barthli! der Barthli! fuhr wie Ein Schrei aus Aller Mund, und erschrocken, wie wenn unter leichtsinniger trunkener Menge der grausame Teufel plötzlich erscheint, stob wie Spreu im Winde die Menge auseinander, es bebten Aller Glieder, und vergangen war Allen der Durst; an Widerstand dachte Niemand, selbst für gehörige Flucht fehlte den Meisten der Verstand, sie liefen, wie bei einem Brande das Vieh ins Feuer, dem Feinde blind in die Hände. Der Ritter von Luthern wußte seine Dispositionen zu machen, so gut als heutzutage in ähnlichen Fällen ein Husarengeneral. Wie das Wetter von allen Seiten zugleich war er über den Ort gekommen, mit seinen Rossen dem Menschenknäuel zugesprengt, den er zu so ungewohnter Zeit auf der Straße sah; es konnten Feinde sein, zu seinem Empfang gerüstet. Erst als derselbe auseinanderstob, wie ein Haufen dürrer Blätter, in welche der Wind weht, sah er die beladenen Wagen, erkannte er den unerwarteten, aber um so willkommeneren Fund. Barthli wird den Livius kaum gelesen haben, wußte darum nicht, wie es dem Hannibal in Capua ging, erlaubte seiner Bande, während man aus allen Gehöften das Vieh zusammentrieb, das Werthvollste zur Hand nahm, kurz eine tüchtige Plünderung kündig betrieb, zu trinken nach Belieben, was sie denn auch that, und zwar eifrig, und je eifriger sie dieses Geschäft betrieb, desto mehr beliebte es ihr.

Die Hauptfuhre war in St. Urban glücklich angekommen und mit großen Freuden empfangen worden. Die glückliche Ankunft war ein Ereigniß im Kloster; wenn sie schon nicht empfangen wurde mit großem Gepränge, wie eine kostbare Reliquie, so war doch die Freude um so inniger, und besonders bei den vielen Edlen, welche wirklich ins Kloster eingeritten waren. Wer das Fest nicht kannte, welchem ihr Eintritt galt, hätte geglaubt, wie ein Bauer seine Freunde zu einem Wurstmahl ladet, so hätten die Klosterherren ihre Freunde geladen, den Wein zu begrüßen und zu kosten. So war es nun nicht, aber deßwegen war die Freude nicht weniger herzlich, das Kosten nicht weniger gründlich. Während diese Proben gemacht wurden, war dem Abt Bericht erstattet worden, und namentlich, daß zwei Fuder in Langenthal zurückgeblieben seien. Der Abt war ein sehr kluger Mann, kannte seine Leute und namentlich die Familie Durstig in Langen - thal, er wußte, daß 'diese, wenn sie Wein in der Nähe hatten, nicht mehr wußten, was sie thaten, wie auch eine Koppel Jagdhunde, welche einen Hasen in die Nase kriegen, blindlings ins Gebüsch sich stürzen. Darum sandte der Abt zwei seiner besten Leute nach Langenthal, Wache und Ordnung zu halten. Diese, nur ihren Austrag im Auge, geriethen im Walde gegen Langenthal hin unter des Ritters Bonde, wurden aber nicht erkannt; der Eine schlich sich sogleich zurück, Barthli's Nähe zu melden, während der Andere das Weitere zu erspähen suchte. Der Abt machte auf den ersten Bericht nicht unnöthigen Lärm, sondern ließ bloß in aller Stille rüsten, was bei solcher Lage üblich ist, und spähen ums Kloster herum, ob etwa ein Ueberfall bereitet werde. Bald brachte der zweite Bote die Nachricht, es gelte Langenthal, so eben breche der wilde Ritter dort ein, und werde sich wohl säumen bei der unerwarteten Beute. Die Herren und Brüder waren eben in der allerlustigsten Laune, noch nicht schwerfällig, sondern in dem Tempo, wo man gerne etwas Tolles treibt oder Händel sucht. Diesmal behielt der Abt den Bericht nicht für sich, sondern theilte ihn den Herren mit, und wie eine Flamme in eine Tonne voll Branntwein fiel die Nachricht unter sie. In wildem Jubel fuhr Alles auf und ohne Rath war Alles einig, dem Barthli über den Hals zu kommen so schnell als möglich. Manch Klosterbruder gesellte sich den Herren bei, fuhr kundiger in eine Rüstung als aus der Klosterkutte, und als er in der Rüstung war, glich er dem besten Ritter, und als er zu Roß war, hätte keine Seele ihn für einen Mönch gehalten. Er war wahrscheinlich auch länger Ritter gewesen als Mönch. Müde der Welt hatte er Ruhe gesucht im Kloster, hatte begraben geglaubt den alten Menschen, und siehe, da erwachte er wieder bei der ersten Gelegenheit mit der alten Lust. Selten mag wohl eine lustigere, muthigere Schaar, so eben recht in der Stimmung zu einem wilden Strauße, aus einer Klosterpforte geritten sein. An Zahl waren sie dem Barthli weit überlegen, an Kunde und Kraft standen Mehrere ihm nicht nach, und als sie Langenthal sich näherten, hatte der Instinkt des Handwerkes Stille gebracht in die wilden Haufen, sogar die Pferde schienen leiser aufzutreten, um so unerwarteter über den Feind zu kommen.

Unterdessen ging es lustig und laut zu in Langenthal, und ungestört in die Nähe zu kommen, war eben keine Kunst. Des Ritters Leute schienen den Langenthalern verwandt und wirklich auch von der Familie Durstig zu sein, sie klebten an den Fässern, wie Wespen an den Trauben, je mehr sie tranken, desto besser dünkte sie der Wein. Dem Ritter schien es Zeit aufzubrechen, aber seinen Leuten nicht, und diese waren gar seltsam zusammengewürfelt, gar lose die Bande, welche sie an den Ritter knüpften. Ihm schien die Sache nicht geheuer, er setzte sich zu Roß, mehr und mehr schien ihm, als höre er verdächtiges Getrappel; er mahnte, aber umsonst, er hieb ein Faß auseinander, und erweckte mehr Wuth als Gehorsam. Da brauste es wieder die Straße herauf, es kam eine gewaltige Schaar in wildem Rosseslauf. Das begriffen Einige, warfen sich mit Kurt und dem Ritter dem Feinde entgegen; der Ritter von Luthernau sah aber alsbald, daß die Macht zu groß sei, ein Hinhalten, bis die Trunkenen besonnen geworden, die Beute in Sicherheit sei, unmöglich, er wich aus dem Streite, welcher ihm zu unbedeutend war, um Leben oder Freiheit in ihm zu wagen, die Andern folgten ihm bis auf Kurt. Kurt, vom Weine aufgeregt, in den Jahren, wo man gerne in das, was man thut, die Seele legt, sah der Andern Rückzug nicht, stritt, als ob es ginge ums Himmelreich, fesselte den Streit mit seiner gewaltigen Leibeskraft. Die Feinde fochten anfangs nicht mit dem gleichen Ernste, den Tod suchten sie nicht bei solchen Sträußen; wo wenig zu gewinnen war, ging man damals mit Manier mit einander um, fing gern lebendig Roß und Mann, oder rettete Roß und Leben. Indessen ward das Ding einem riesigen Klosterbruder endlich langweilig; er ritt Kurt an, fing dessen Schwerthieb mit wohlbeschlagener Keule auf, schmetterte sie dann gleich einem Blitzstrahl auf dessen Helm, daß er splitterte wie Glas, das Haupt sich beugte, die Glieder erschlafften, der ganze Körper bewußtlos zur Erde sank.

Dieser Schlag endete den Kampf, wie oft ein gewaltiger Donnerschlag der Schluß eines Gewitters ist. Die Verfolgung der Fliehenden dauerte noch fort, doch nicht lange, in der dunklen Nacht nützte sie nicht viel und war gefährlich. Der Ritter von Luthernau entkam glücklich, die Hitzigsten wendeten um und fanden die Behaglicheren um die Fässer geschaart und bemüht, zu retten, was zu retten war, d. h. vor Allem zum eigenen Genuß; ob dann noch Etwas für das Kloster übrig blieb, überließen sie der Vorsehung. Als die Langenthaler den Ausgang merkten, fanden sie sich auch wieder ein, vor Allem war die Familie Durstig zahlreich auf dem Platze, rühmte sich ihrer Heldenthaten und wie sie dem Barthli heiß gemacht und wie sie ihm noch heißer gemacht hätten, wenn die Herren nicht selbst gekommen wären, so daß es wirklich ein himmelschreiendes Unglück für Langenthal schien für ewige Zeiten, daß die Herren gekommen und die Heldenthaten der Einwohner, welche sie im Sinne gehabt, nun im Sacke blieben. Im Glück ist man nicht mißgünstig, man tröstete die guten Leute mit vollen Bechern und ein lustiger Morgen ging über den Ort auf, denn da war Mancher, der zwei Sonnen am Himmel sah, Viele noch dazu Mond und Sterne; die Glücklichsten merkten noch, daß er voll Geigen war, konnten kein Bein mehr feststellen, sondern liefen wie Sonne, Mond und Sterne rund um.

Als endlich der Wein nicht mehr laufen wollte, kamen Einigen die Gedanken wieder, sie mahnten zum Ausbruch; man suchte die Pferde, suchte überhaupt zusammen, was herum am Boden lag, fand so auch Kurt. Die Rüstung gefiel; an den Leib, der drinnen stak, dachte man nicht, glaubte ihn todt. Als man die Rüstung nahm, fand man noch Leben im Leibe, wußte nur nicht, was mit ihm machen; die Einen wollten ihn liegen lassen, Andere ihn mitnehmen, noch Andere ihn todtschlagen; da kam ein dicker Herr, der munter zu Roß und im Streit gewesen war, doch noch muntrer beim Faß, jetzt waren ihm die Beine etwas schwach, die Augen hell dabei, er schien des Zustandes nicht ungewohnt; derselbe erkannte Kurt nach einigem Besehen, hatte Mitleid mit ihm, befahl zweien seiner Leute, ihn aufzunehmen und heim nach Denz zu bringen. Es war der Alte von Denz, der dieses befahl; wahrscheinlich dachte er, in Denz sei er näher seiner Mutter, es möge gehen, wie es wolle; dachte vielleicht, wenn er genese, habe er an ihm einen tapfern Gefährten beim Becher; dachte vielleicht auch gar nichts, sondern gehorchte einfach einem guten Triebe. Den Knechten, welche ihn heim geleiten sollten, war dies nicht genehm. Es ist allweg etwas ganz Anderes, einen Verwundeten geleiten, als lustig zechen in einem Kloster. Knechte eines schlechten Herrn hätten in der ersten halben Stunde ihn lebendig in einen der tiefen Teiche geworfen, welche an der Straße lagen, und hätten hinterdrein dem Herrn etwas vorgelogen, ent - weder er sei ihnen gestohlen worden, oder davon gelaufen; sie thaten das nicht, aber wenn er gestorben, wäre es ihnen sicher sehr recht gewesen; sie behandelten ihn nicht eben zart, sparten Stöße nicht, und wenn die Pferde traben wollten, so konnten sie. Sie wählten den längeren Weg über Herzogenbuchsee, um dort im Kloster Einkehr zu halten, ein tüchtig Frühstück einzunehmen, damit sie die Reise bis Denz, welches keine halbe Stunde von Herzogenbuchsee entfernt war, auszuhalten vermöchten. So ward es Mittag, ehe sie nach Denz kamen, und Kurt war noch immer bewußtlos. Nach sicheren Nachrichten sollen schon damals Fräuleins zuweilen der Langeweile unterworfen gewesen sein. Sie verstanden freilich damals das Spinnen und Weben, vielleicht sogar das Nähen, sahen zu Milch und Eiern, zu Küche und Keller, was heutzutage nicht mehr Mode ist, zerlegten die Leute, welche ihnen vor die Augen kamen, welches dagegen in der Mode geblieben (es würde ein sehr curios Werk geben, wenn Jemand zusammenstellen wollte, was aus der Mode gekommen, was Mode geblieben, und was neue Mode scheint, aber eigentlich eine uralte ist, nur mit einem neuen Mäntelchen); trotzdem hatten schon damals Fräuleins Langeweile und sahen nach etwas Neuem aus, besonders wenn der Vater nicht zu Hause war. Freilich das muß man sagen, sie hatten damals den Eugen Sue nicht, die Sand nicht, den Storch nicht, und wenn sie dieselben schon gehabt, hätte es Mancher wenig geholfen, weil sie im Lesen keine Hexe war. Indessen, Mädchen sind eben wunderlich, sie thun, als fehle ihnen etwas, und fragt man sie darnach, so wollen oder können sie es Einem nicht sagen. Die Fräulein von Denz machten von der Regel keine Ausnahme, es waren gute Kinder mit schönen Wangen und weiten Herzen, in welchen viel leerer Platz war, daher wahrscheinlich es ihnen so oft öde war ums Herz. So saßen sie auf ihrem Söller, sahen nach etwas Neuem aus, als die zwei Knechte mit Kurt langsam ihrem Schlößlein Zuritten; sie schrieen laut auf im Wahne, die Knechte brächten den Vater, liefen ihm entgegen, voran Agnes, die jüngste, ein Mädchen wie Milch und Blut, aber scheu wie ein Reh; sie stürzte auf den vermeintlichen Vater zu, umschlang ihn, wollte drücken ihr Haupt auf sein Haupt, aber ach, o, da war da war das Haupt nicht ein altes, graues, sondern ein ganz junges; daß Agnes einen Gix ausließ, wird man begreiflich finden, daß Knechte und Schwestern lachten, ebenfalls. Nun hatte glücklicher Weise das junge Haupt die Augen zu, wußte nicht, was mit ihm geschah, vor ihm brauchte sich also Agnes nicht zu schämen, vor den Andern fürchtete sie sich nicht, sie war wohl scheu wie ein Reh, konnte aber auch trotzig sein einer jungen Katze gleich; sie floh daher nicht, sondern als der erste Schreck vorüber war, nahm sie sich Kurt's mit besonderer Sorgfalt an.

Für drei Mädchen, welche das ganze Jahr kaum Jemand anders sahen als ihren alten Vater, einige säbelbeinige Knechte, dicke Mönche von Herzogenbuchsee, den Junker von Seeberg und seine rauhen Töchter, todte Hirsche und Wildschweine, war das Bringen eines ohnmächtigen Junkers ein Ereigniß. Geschniegelt und geschleckt war Kurt nicht, aber die Mädchen wußten auch nicht, was das war. Kurt war zum mächtigen Burschen herangereift, den man fast für einen Mann nehmen konnte; er hatte im Gesicht das Wilde und Trotzige, welches Jünglingen wohl ansteht und welches Mädchen mehr anzieht als der Magnet das Eisen, welches sie dagegen am Manne so schlecht leiden mögen und welches sich bei demselben allerdings verlieren und in ruhiges Selbstbewußtsein übergehen muß, wenn es dem Manne fürder wohl stehen soll. Das Wilde und Trotzige steht nämlich dem gereiften Manne grundschlecht, weil es von einer Gemüthsbeschaffenheit zeugt, welche schlechte Früchte tragen, irgendwie ausarten wird.

Wenn drei schöne rasche Mädchen einen Jüngling pflegen, so muß es schlecht mit ihm stehen, wenn er sich nicht erholt und gesünder wird, als er je war, wenn nämlich nicht eine andere Krankheit über ihn kommt. Im ersten Augenblick, als er die Augen aufschlug, da entfuhr allen Dreien ein halber Gix und fast wären sie davon geflohen wie Rehe, wenn ein Jäger das Feld betritt, auf welchem sie weiden. Indessen Rehe und Hasen machen wohl eine rasche Wendung, aber ehe sie wirklich davon lausen, thun sie noch einen Blick rückwärts, fassen die Gefahr ins Auge, ob es eigentlich eine sei oder keine. Gar oft nun drehen sie sich wieder um und bleiben, weil sie merken, daß das Ding nicht halb so gefährlich sei. Ungefähr so machten es auch die Fräulein von Denz; aber Kurt hatte so gar nichts Gefährliches, lag so matt und hülfsbedürftig da, daß sie sich nicht bloß umwandten, sondern leise näher traten und am Ende ganz zahm wurden, besonders die beiden älteren. Kurt war ein Jäger so rechter Art, der um der Jagd, und nicht bloß eines Bratens oder einer Haut willen jagt. So ein rechter Jäger stellt lieber mit Lebensgefahr über Zinken und Zacken einer flüchtigen Gemse nach, als daß er eine fette Sau bequem im Lager abfängt. Nun, mit dem wirklichen Jagen auf den Beinen hatte es einstweilen noch gute Weile, denn der klösterliche Schlag war so gepfeffert und gesalzen gewesen, daß Kurt das Laufen einstweilen bleiben ließ, bloß seine Augen konnte er nachsenden, wem er wollte.

Der alte Herr war nach dem Kloster zurückgeritten, that wegen Kurt seiner Andacht begreiflich keinen Abbruch; lebte er, so wußte er ihn daheim wohl versorgt; lebte er nicht mehr, so wäre es ja dumm gewesen, seinetwegen religiöse Pflichten zu beschränken. Als endlich Allem ein Genüge gethan war, dem Leibe und der Seele, ritt der Junker von Denz mit den Andern nach Hause; der Letzte, der aus dem Thore ritt, war er nicht, aber fast gar. Man muß sich jedoch nicht täuschen und glauben, wie Ungeweihte es oft thun, als ob solche Zusammenkünfte bloß stattfänden, um zu schlemmen und zu prassen unter religiösem Scheine; zumeist geht dabei noch etwas Anderes vor, einem Zwecke wird nachgestrebt, freilich oft so, daß die Mehrzahl weder Zweck noch Streben merkt, aber willfährig die Hand bietet, den Zweck zu erreichen. Den Herrn von Denz freute es wirklich, als er Kurt lebendig antraf und nicht todt, und zwar mit raschen Beinen auf dem Wege der Besserung; nun hatte er Jemand, zu dem er sich setzen, dem er erzählen konnte nach Herzenslust, und der mit ihm trank, so lange er wollte. Daß Kurt ihn selten hörte, daß seine Augen immer spazieren gingen und der ganze Kurt mit ihnen, und wohin sie gingen, das merkte der alte Herr nicht, er gehörte zu den schlechten Schulmeistern, welche Wohlleben am Reden und sich nicht darum kümmern, höre Jemand oder Niemand ordentlich zu. Desto besser merkten die Sachlage die älteren Schwestern; sie hätten ihn alle gerne gehabt, wie es oft geht, wenn die Gelegenheiten rar sind und der Wille gut wäre. Kunigunde, die mittlere, war ein gutes Fräulein, sie hätte zwei Männer genommen, wenn es hätte sein müssen, wenn sie aber auch keinen bekam, hintersinnete sie sich deßwegen doch nicht; sie dachte, Alles erzwingen könne man nicht, und fütterte die Hunde desto besser. Anders war es mit Brigitte, der Aeltesten. Dem Portrait, welches Moses von Laban's Tochter, der Lea, gemacht, glich sie nicht ganz; war ein handfest Mädchen, noch nicht im Schwabenalter, doch über Zwanzig hinaus, verstand das Regieren Wohl, nach ihrer Pfeife mußte Alles tanzen, so daß sie glauben mußte, es müsse einem Manne wohl gehen und derselbe glücklich werden sonder Maaß, wenn er unter ihre Zucht und Regiment käme. Daneben hatte sie aristokratische Grundsätze und meinte, wie Laban, daß der erste Mann der Aeltesten gebühre von Rechtswegen, so gut als dem ältesten Sohn des Königs der Thron des Königs. Brigitte glaubte sich also zur sichern Hoffnung berechtigt, und sah mit allerhöchstem Zorne, wie Kurt's Augen an der Agnes hängen blieben, wie tote Fliegen im Honig, und wie die scheue Agnes das wohl merkte, nach und nach zahmer wurde, wenn sie in Kurt's Nähe saß, fast nicht wegzubringen war, und hatte starken Verdacht, daß, wenn Brigitte und Kunigunde nicht zugegen waren, sie noch näher rückte, weit näher als nöthig war; das empörteste, sie fand Kurt's Betragen schändlich, die Familienehre in Gefahr, ihren Ruf auf dem Spiele, zu dulden war das nimmermehr. Es ist sehr curios, wie verschieden man eine Sache ansehen kann, je nachdem sie uns oder Jemand anders angeht; hätte Kurt seine Augen an ihr hängen lassen und gerne gehabt, wenn sie neben ihm saß, je näher, desto lieber, Brigitte hätte dieses nicht bloß prächtig, sondern sogar edel gesunden; denn war Kurt nicht eigentlich von Gott und Rechtswegen schuldig, die zu lieben, welche ihn geheilt, den Kopf ihm wieder zurecht gesetzt? jetzt da es Agnes anging, fand sie gerade das Gegentheil, Kurt's Betragen schlecht und schändlich. Sie trat zum Vater, als er einmal allein beim Becher saß, machte ein Gesicht wie ein Hofmarschall, der seinem König eine Verschwörung gegen dessen Leben eröffnen will, that den Mund auf, sagte dem Vater, Kurt stelle Agnes nach, und Agnes laufe nicht davon, und erwartete nun, der Sitte werde auffahren wie ein Pulverthurm, in den der Blitz geschlagen; aber sie täuschte sich, der Alte blieb sitzen, schmunzelte, trank mit großem Behagen Schluck um Schluck; Brigitte, im Wahn, der Vater habe sie nicht recht verstanden, malte ihm noch einmal die Greuelthat vor mit gerungenen Händen und zehnmal ärger als vorher, und der Alte trank Schluck um Schluck den zweiten Becher leer und zehnmal behaglicher als den ersten. Der alte Herr besaß eine gutmüthige Natur, solche sind schwer zu hetzen, sie haben für das Meiste nicht bloß Einen, sondern zwei Entschuldigungsgründe. Sein Lebtag hatte er nie gemeint, daß man jungen Leuten das Lieben verbieten, oder wenn es einmal angegangen, es ausblasen könne wie eine Lampe, jetzt im Alter war er nicht dümmer geworden; aber er fühlte sein Alter, kannte seine wilde Zeit, wußte, tote nothwendig tüchtige Männer seinen Mädchen seien, wenn sie bei ihrer Sache bleiben sollten; Kurt war ihm gar nicht der Unrechte, sein Geschlecht war gut, sein Arm stark, und wenn er auch arm war, so hatte dies nicht viel zu bedeuten, da er stark und tapfer war; schwach und feig war damals, was jetzt Armsein bedeutet. Es freute also den alten Herrn, daß Hoffnung sich zeigte zur Erfüllung seines Wunsches. Er dachte, wenn einmal eine seiner Töchter an Mann gebracht sei, werde es den andern auch nicht fehlen. Schwestern bilden ein Art von Zauberring, das Brechen des Ringes ist das Schwerste, ist einmal das erste Stück heraus, bricht sich der Rest leicht in gesonderte Stücke; das überschlug der Junker von Denz behaglich in seinem Gemüthe, und wie man frisch gepflanzte Pflanzen begießt und einschlemmt, damit sie gehörig wurzeln und anwachsen, so goß auch er über die neuen jungen Gedanken Becher um Becher. Brigitte redete sich heiser, brannte wie ein Schmelzofen und schloß endlich statt des Amens: Und jetzt, Vater, willst du ihn in den Thurm werfen oder aus dem Thore jagen wie einen räudigen Hund? Einstweilen keins von beiden, sagte der alte Herr kaltblütig, oder hättest du ihn etwa gerne selbst? setzte er mit väterlicher Schalkhaftigkeit hinzu. Aber potz Blitz, das wäre dem alten Herrn fast übel bekommen: Brigitte fuhr weg wie eine angezündete Rakete, fuhr in die Kreuz und in die Quere und wenig fehlte, sie wäre dem alten Papa ins Gesicht gefahren; himmelschreiend jammerte sie: wenn die Mutter im Grabe wüßte, wie er gegen seine Kinder wäre, sie kehrte sich nicht bloß um im Grabe, sondern sie käme aus dem Grabe und drehte ihm den Hals um! Brigge, sagte der Alte, thue nicht so, daß Kurt dich nicht mag, bin ich nicht schuld. Weißt du einen Andern, der dich mag, so bring 'mir ihn, ihr sollt meinen Segen haben, lieber heute schon als morgen. Aber jetzt war's, als ob die Brigitte selbst ein Pulverthurm sei, in welchen der Blitz geschlagen, sie fuhr auf, zur Thüre hinaus, schrie und drohte, sie wolle auch zur Welt hinaus, wolle nicht mehr in der Welt sein, wo solche Väter lebten, wie sie einen hätte. Indessen, ob das Wasser zu naß war, die Bäume zu hoch, der Thurm zu schwindlicht, oder ihre Füße ihr den Dienst versagten, ist unbekannt geblieben, aber kurz, Brigitte lief nicht zur Welt hinaus, lief bloß dem Kurt nach, wollte sehen, wie weit oder nahe Agnes bei ihm saß. Der alte Herr lief ihr nicht nach, blieb gemüthlich sitzen und dachte über das Ding des Weiteren. Es schien überhaupt eine Zeit gewesen zu sein, welche dem Denken günstig war, so wie es wiederum Zeiten giebt, wo Niemand, selbst die nicht, welche sich am weisesten dünken, zu denken scheinen der Nase lang. Selbst Kurt dachte damals. Da war er nun wieder, nach mehr als zweijährigem Herumtreiben, nicht ganz zwei Stunden weit von seinem verfallenen Neste und ohne Ruhm und ohne Beute; der alte Hengst war in St. Urban, den jungen hatte der Kukuk zu Langenthal geholt; der Helm war zerschlagen, der Kopf beinahe mit; sollte er barhaupt und zu Fuß, einem Mönche gleich, heimkehren, sollte er sehen, wie Jürg verächtlich die Achseln zucke, den Kopf schüttele und aushalten der Mutter Hohn und Schelten? Oder sollte er dem alten Hengste nach, Mönch werden zu St. Urban? Gelehrt brauchte er nicht zu sein, eines guten Lebens war er sicher, brauchte fürder weder dem Glücke nachzujagen oder gar ihm nachzudenken. Beides war ihm sehr zuwider, er mochte denken, wie er wollte, so mochte er Beides nicht. Ein Drittes fiel ihm nicht ein, das Heirathen vollends nicht. Der alte Herr merkte, daß Kurt in großer Verlegenheit war und guten Rath nicht fand; er hatte Kurt gesagt, er sei kein Gefangener, hatte ihn gefragt, ob es ihn nicht Wunder nähme, was die Mutter mache? Kurt hatte Etwas gemunkelt, er wußte kaum was, und mit der Agnes munkelte er auch nur so, machte gar nicht ab Breit, den Handel nicht richtig. Da saßen sie einmal an einem schönen Abend, wo die Sonne nur noch so flimmerte durchs grüne Buchenlaub, auf dem Söller, tranken feinen Wein aus dem Markgrafenland, welchem der alte Herr besonders liebte; Gleich und Gleich gesellt sich gerne, der Wein hatte zwar nicht viel Geist, aber er war so gutmüthig; sie schauten über das Land an den blauen Berg hinüber, schauten die alte Burg Pipin's, deren Reste noch heute Zeugniß geben, wie klug und sinnig die Alten die Bauplätze wählten, wie schön sie bauten; schauten weiter hinab, wo die Aar gegen Basel hin durch die Bechburg bewacht wird, so wie auch den Weg durchs Gau hinab; sie schauten tiefsinnig hinüber und dachten nichts, tranken viel, redeten wenig; geraucht hätten sie wahrscheinlich, wenn man darum gewußt hätte. Was hast du jetzt im Sinne? fragte Plötzlich der Herr von Denz; Kurt war es, als schlüge ihm Jemand mit dem Holzschlägel auf den Kopf und sagte: was lieber, Geld oder Blut? Nichts sagte endlich Kurt, dieweil er viel Zeit gebrauchte, um zu sich selbst zu kommen. Hast kein Verlangen nach der Mutter? fragte der Herr von Denz; vielleicht ist sie gestorben, habe lange nichts von ihr gehört, solltest gehen und sehen. Kannst begreiflich wieder kommen, bist mir nicht erleidet, und vor die Thüre stelle ich dich nicht. Heimgehen wäre mir ganz recht, sagte Kurt, aber was soll ich heimbringen, habe ja nicht mehr, was ich mitgenommen, käme ja heim wie ein geschundener Bär. Hättest du also wieder ein ganzes Fell, reiche Beute, oder gar eine schöne Frau, sammt großem Brautschatz, so wäre dir das Heimkehren recht? fragte der Alte. Da machte Kurt Glotzaugen und sagte endlich dumm: Das wäre was, aber eine Solche wüßte er nicht zu stehlen, geschweige sonst zu kriegen. Weißt dann kein Mädchen, welches du möchtest, und welches dich möchte, und welches allfällig zu einer reichen Frau zu machen wäre? Da machte Kurt noch größere Glotzaugen, sah damit den Alten ganz dumm an, bis ihm plötzlich ein Licht aufging. Es siel ihm nämlich ein, der Alte könnte Agnes meinen, wenn er Die heirathe, so sei sie eine Frau, reich könne sie der Alte machen, und Besseres könnte ihm nicht zu Theil werden auf der Welt. Ja wohl, sagte er, es fiele ihm so was bei, aber er wüßte nicht, was der Junker von Denz dazu sagen würde. Wirst die Brigitte meinen, wie ich merke, schmunzelte der Alte; die sollst du haben sammt vielem Segen und etwas Gut. Da machte Kurt schreckliche Glotzaugen, sah ganz dumm drein, endlich sagte er: eben die meine er nicht, möge sie nicht, weder reich noch arm. Das sei ihm leid, sagte der alte Herr, er hätte ihm gerne geholfen, und Brigitte wäre Eine gewesen für die alte Grimhilde. Einstweilen möchte er eine Frau für sich und nicht für die Mutter, sagte Kurt, da wäre ihm die Agnes die Rechte, eine Andere möge er nicht. Da lachte der Herr und sagte: Bist nicht so dumm, als man glauben sollte, wenn ich das Auslesen hätte, wäre es mir auch so; für mich habe ich nichts dawider, hat man Mädchen, sind Töchtermänner ein nothwendiges Uebel. Die Hauptsache ist aber, was das Mädchen meint; zwingen thue ich es nicht; will es dich nicht, mußt du doch mit der Brigitte dir zu helfen suchen; der wäre es recht, denke ich, und sie ist die Aelteste. Das sieht man, sagte Kurt; aber ich denke, mit Agnes sei ich doch schneller richtig, sie sieht mich nicht so böse an, wie die Andere, und giebt mir gute Worte, besonders wenn es Niemand hört. Da lachte der Alte und meinte, es habe sich schon Mancher mit den Mädchen getäuscht, und gerade Die hätte ihn am liebsten genommen, welche ihm zehn Nägel spitziger als Katzenkrallen eingeschlagen; er solle die Agnes holen, sie werde nicht weit sein, sie könne es am besten selbst sagen, wie sie es meine. Kurt ging, doch etwas langsam, es machte ihm auf einmal bange, der Alte könnte Recht haben; den Anschein gewann es immer mehr, lange fand er das Mädchen, welches vernmuthlich seine Ohren nicht zu weit weg gehabt haben mochte, nicht; als er endlich als kundiger Jäger die Spur fand, floh es, er holte es nicht ein, verlor es wieder aus dem Gesichte. Als er endlich keuchend zum alten Herrn zurückkehrte, saß das flüchtige Reh neben demselben und geberdete sich, als ließe es sich nur mit der größten Gewalt halten. Die kleine Hexe hatte ihre Rolle nicht studirt, sie aber trefflich gespielt, was immer die Hauptsache ist; war geflohen mit Windeseile, hatte sich fangen lassen auf ganz natürliche Weise, denn ewig fliehen, was hätte das genützt? Sie konnte sich des Lachens kaum enthalten, als Kurt im Schweiße seines Angesichts daher polterte, that dabei um so nöthlicher, des Vaters Händen sich zu entwinden. Kurt, der auf solches Spiel sich schlecht verstand, ward es angst, er glaubte, dem Mädchen sei es Ernst, der Vater habe Recht, es begehre ihn nicht. Er dachte, die Mädchen hätten es vielleicht mit ihren Herzen, wie mit ihren Röcken; es haben nämlich fast alle Mädchen, auch die ärmsten, zwei Röcke, einen zum Hausbrauch und einen zum Staate; so hätten sie viel - leicht auch zwei Herzen, eins zum Lieben und eins zum Heirathen, dachte er. Es thun wirklich auch einige so, als möchten sie den Mann nicht zum Schatz, den Schatz nicht zum Manne, sind curiose Dinger, die Mädchen nämlich. Er stand da verblüfft und kein Wort kam ihm in den Mund, wie in großer Hitze kein Wasser in so manchen Brunnen. Der alte Junker mußte endlich reden und that es kurz: Sieh, sagte er, der da will dich zum Weibe, magst du ihn zum Manne? Das mache wie du willst, rief Agnes, riß sich los und war verschwunden. Kurt wollte ihr nach; ist nicht nöthig, sagte der Vater: der Handel ist auf mich gestellt und also richtig. Aber vor Der nimm dich in Acht, das ist eine Blitzhexe, in der mehr steckt als man denkt. Jetzt kannst gehen und es dem Mädchen sagen, wenn du es findest, wie ich entschieden. Man sagt, diesmal hätte Kurt schneller das Mädchen gesunden, ohne Schweiß und Keuchen den Auftrag ausrichten können. Die abgemachte Sache, das fait accompli, ward also bald eine bekannte. Kunigunde nahm es kaltblütig, sie sagte zu Agnes bloß, zu wenig Jahren sei viel Verstand nöthig, den wünsche sie ihnen beiderseitig von ganzem Herzen. Zu Brigitten, die ihr in einer wahren Sündfluth entgegenschwamm und zwar unter Blitz und Donner, sagte sie: Thue nicht so, aus der Haut zu fahren wäre dumm, ist man einmal' raus, kommt man nicht wieder hinein, und die Welt ist ja so groß und der Männer sind so viele. Aber in solchen Gemüthszuständen hilft bekanntlich Trost wenig, und um so weniger, je verünftiger er ist. Brigitte fuhr umher wie ein brüllender Löwe, der Etwas sucht zum Verschlingen; sie schlug die Hunde, trat Katzen auf die Schwänze, schmiß Mägden das Habermuß ins Gesicht und wartete den andern mit Worten auf, an denen ein Haifisch erstickt wäre, welche Fischart doch bekanntlich einen sehr, radicalen Schlund hat. Der Vater wollte trösten und sagte: sobald die Agnes aus dem Hause sei, wolle er ausreiten und reiten, bis er Einen finde, der auf den Kopf geschlagen oder gefallen sei; den lasse er heimbringen und den müsse sie haben trotz Hölle und Welt, sie solle darauf zählen; aber der Trost zog nicht, er roch nach Spott, schüttete Oel ins Feuer. Da sah denn der Junker, daß es ein einziges Mittel gebe, die ganz erwildete Brigitte einigermaßen zu stillen und Ruhe zu bringen ins Haus, nämlich die beiden Glücklichen aus dem Hause zu schaffen so schnell als möglich. Weitläufige Geschichten gab es damals nicht, wenn Jemand heirathen wollte; an drei Sonntagen hintereinander mußte man sich noch nicht aufbieten lassen; Schneiderinnen und Näherinnen waren damals noch nicht so hageldicht wie Nesseln an den Zäunen, man ließ nicht alle drei Tage die Röcke ändern, und mit Weißzeug plagte man sich wenig, geschweige, daß man die Hemden brobirt hätte hinten und vornen und die Nachthäubchen garnirt mit Brüsseler Spitzen. Die befreundeten Mönche in Herzogenbuchsee segneten die Beiden ein, sobald der Junker wollte, und aus den gefüllten Schränken nahm man einen Rock von Großmutter oder Urgroßmutter, welcher am Besten paßte, steckte die Agnes hinein, hing ihr einiges Goldzeug um, und die Braut war fix und fertig geschmückt und schrecklich glücklich in solchem Glanze. Ja damals ging es noch einfach zu! Ein Einziges war dem Junker dabei nicht recht; eine Hochzeit ohne Hochzeitsfest, eine Hochzeit so gleichsam unter der Hand, bei welcher man den Jubel nicht zehn Stunden in der Runde hörte, nicht eine Stunde in der Runde alle Wege mit Glücklichen besäet fand, welche in seligen Traumen ihr Räuschchen verschliefen und der Stunde der Auferstehung harrten, wo in die Beine wieder Kraft kam, den Leib zu tragen, eine so stille Hochzeit war unerhört, erschien ihm fast wie gottloser Gräuel; aber was sollte er mit der Brigitte anfangen, die herumfuhr wie eine eingeschlossene Hornisse an den Fenstern; wäre es ein stiller Jammer gewesen, verbunden mit etwelchem Seufzen und Stöhnen, mit welchem sie behaftet gewesen, so hätte sich das Ding Wohl machen lassen; in einem Hinterstübchen hätte sie ihr Weh verbergen können, aber Brigitte hatte kein stilles Weh und ließ sich nicht einschließen; sie wäre unter den Gästen herumgefahren wie eine wüthende Katze, welcher man feurigen Schwamm unter den Schwanz gebunden. Bei einer splendiden Hochzeitsfeier hätte auch die Ueberraschung der Frau Grimhilde, auf welche der alte Junker sich sehr freute, gefährdet werden können. Die Koppiger Leute waren zu hungrig, als daß sie nicht den Hochzeitsduft in die Nase bekommen und nach Denz gezogen worden wären, hätten also ihren jungen Herrn erkennen müssen. Er verzichtete also, wenn auch ungern, auf ein großes Fest und begnügte sich mit einigen Mönchen von Herzogenbuchsee und einem wackern Schluck. Gleich am andern Morgen sollte der Zug nach Koppigen losgehen, mit möglichst großem Gefolge, eine stattliche Mitgift bei sich führend. Kurt hatte sich dieses anfangs ganz prächtig vorgestellt und sich sehr darauf gefreut, in Koppigen einzuziehen wie ein Fürst, mit einer schönen Frau, großem Reichthum, mit Kühen und Pferden, in strahlender Rüstung, reich geschmückt, wie der freigebige Schwiegervater den stattlichen Tochtermann selbst herausgeputzt hatte zur eigenen Ehre und Freude.

Kurt hatte sich vorgestellt, für wen man ihn wohl nehmen möchte und was für Augen man endlich machen werde, wenn man in der fürstlichen Gestalt den Kurt erkenne, der vor zwei Jahren auf einem steifen Hengste und in der alten Rüstung mit den tiefen Rostgruben und den losen Bändern ausgeritten! Nun aber, als es wirklich auf Koppigen losgehen sollte, fiel es ihm ein, wie es wohl in Koppigen aussehen möge, und was Frau und Schwiegervater für Augen machen und dazu sagen werden? Es wurde ihm ganz blöde, wenn er so recht daran dachte. Was sollte er machen? Sollte er einen Boten senden, sich ankündigen lassen, oder selbst voranreiten, um Anstalten zum gehörigen Empfang zu treffen? Aber womit Anstalten treffen, wenn Niemand da ist, der sie macht, nichts da ist, womit man sie machen kann? Zudem wäre ihm auch die Freude der Ueberraschung verdorben, und er hatte sich das so schön gedacht, wie Jürg unter dem Thore stände, wackelnd mit grauem Haupte, die Mutter erst lange, lange Zähne mache, endlich die Hände über dem Kopfe zusammenschlage, wie Jung und Alt aus jeder Hütte stürzen würde, die Herrlichkeiten zu bewundern: ihn voran auf stolzem Roß, hintendrein den reichen Troß. Darauf freute er sich, während es ihm bitterlich grauete, ihre grenzenlose Armuth fremden Augen und der Diener Spott preiszugeben. Er hatte sich freilich nicht reicher gemacht, als er wirklich war, nicht von Gütern gefaselt, welche näher dem Monde als Koppigen lagen, wie es bis auf diesen Tag getrieben wird mit der gleichen Schamlosigkeit, und mit der gleichen Leichtgläubigkeit geglaubt. Aber so die rechte Vorstellung von ihrer Dürftigkeit hatte er ihnen doch nicht beigeracht, sie war ihm selbst nicht so eigentlich anschaulich; hatte er doch, so lange er daheim war, keinen Begriff gehabt, wie arm sie seien, ihm fehlte die rechte Vergleichung. Erst als er in die Welt kam und andere Burgen sah, erlebte, was dort tägliches Bedürfniß war, erst da merkte er, wie ihnen fast Alles fehlte und wie arm sie seien. Sein Schwiegervater sah diese innere Plage wohl und begriff sie; er kannte Koppigen besser als Kurt sich es dachte, ja als Kurt selbst. Frau Grimhilde war eine zornige Person, aber zorniger wallte ihr adelig Blut doch nie durch die Adern, als wenn ihr enges Gebiet durch fremde Jagd entweiht ward. Da sie nun Niemanden hatte, welcher ihr die Frevler fing, um auf einen Hirsch sie zu schmieden oder mit schwerem Gelde zu büßen, so brauchte sie, was sie hatte, die Zunge, schimpfte, so laut und lästerlich sie konnte, die Jäger aus. Diese, wenn es thunlich war, ritten so nahe sie konnten am Schlößchen vorbei und ergötzten sich an Frau Grimhildens Schelten, ungefähr wie noch heutzutage die liebe Schuljugend irgend einen bissigen Haushund, oder wunderlichen Junggesellen, oder bösen weiblichen Drachen haben muß, um sie zu necken und an ihrem Gekläffe sich zu ergötzen. Der lustige Junker, wenn auch kein Schuljunge mehr, war doch mehr als einmal bei solchen Streichen gewesen, hatte mit geübtem Auge das Elend sich angesehen, hatte noch viel von halbnackten Jungen vernommen, welche hungrig den Jägern nachstrichen und Brosamen schnappten, mit den Hunden sich darum stritten. Also die Armuth störte ihn nicht, aber so viel Bosheit hatte er im Leibe, daß er den Tochtermann nicht nur nicht tröstete, sondern sich sehr auf sein Gesicht und seine Verlegenheit freute. Früh Morgens ward aufgebrochen, und nachdem man vier Stunden lang mit Wald und Sumpf gerungen, kam man endlich auf einen Hügel und hatte Koppigen vor Augen. Das Schlößchen, obgleich von der Sonne beschienen, sah doch so grau, altersschwach, zusammengeschrumpft aus, daß Kurt, dem ein anderer Maßstab in die Seele gewachsen war, nicht bloß Andern, sondern sich selbst gerne eingeredet hätte, das sei das alte Koppigen nicht, welches er verlassen; wenn sie sich nicht verirrt, so hätten böse Geister das frühere weggenommen und dieses verwitterte Krähennest an dessen Stelle gesetzt. Der Herr von Denz dagegen war wie mit Quecksilber ausgestopft; wer was blasen konnte, mußte blasen aus Leibeskräften, er hetzte und schlug die Hunde, daß sie heulten, als käme die wilde Jagd gestoben; es war ein Hollenlärm, wie Frau Grimhilde noch keinen gehört hatte. Der wildeste Zorn fuhr ihr in den magern Leib über diese wilde, vermessene Jagd auf ihrem Gebiete. Ihre ganze Leibwache rief sie zusammen: den grimmigen Jürg, der sich geberdete, als versuche er seinen Kopf in den rechten Schwung zu bringen, um ihn als Bombe in den Feind zu schleudern; ihre ganze Meute, bestehend aus zwei Hunden, von denen der eine blind war, der andere zahnlos; ein Junge, den sie ins Schlößchen genommen, Jürg zum Beistand, fehlte, wahrscheinlich war er um was Eßbares aus, woran man eben im Schlößchen bitterlich Mangel litt. Obgleich die tapferste Mannschaft fehlte, die anwesende ziemlich an Gebrechlichkeit litt, beschloß Grimhilde doch in gräflichem Zorne, diesmal Ernst zu zeigen, wenn man sich näher wagen sollte. Kühn stellte sie die gesammelte Macht unter das offene Thor, und als mit Hollah! Hussah! und wildem Rüdengeheul der Zug näher kam, griff der grimmige Jürg nach einer Armbrust zum eisernen Gruße; aber leider konnten seine Hände sie nicht mehr spannen, und in Hast fand er den Haken nicht. Da brannte Frau Grimhilde ihre Kartätschen los, ganze Ladungen Schimpfwörter, doch umsonst. Unaufhaltsam, in immer lustigerem Geschmetter und Geheule, zog der Zug heran, bis endlich Grimhilde inne ward, das sei keine Jagd, sondern was Anderes, aber was, das begriff sie natürlich nicht, dachte aber daran, wie Frauen wie Grimhilde gerne was Arges denken, man wolle sie höhnen und spottweise zum Imbiß bei ihr einreiten, um sich an ihrer Armuth und Verlegenheit zu ergötzen. Sie blieb im Thore stehen, während sie Jürg befahl, die Thorflügel loszumachen und zum Schließen bereit; aber sie hatte vergessen, daß der eine Flügel aus den Angeln gefallen und anderwärts verwendet worden war, der andere dagegen längst weder Schloß noch Riegel hatte. Dennoch blieb sie trotzig stehen; der alte Jürg zerrte aufs Stau an der Armbrust, matt bellten die Hunde. Da ritt der alte Herr dem Zuge voraus, und als Frau Grimhilde ihn erkannte, lud sie ihre Kanonen mit doppelter Ladung und überschüttete den Junker mit Lästerungen, daß die Engel im Himmel die Ohren zuhielten, denn sie haßte den Denz wegen manchem Schabernack absonderlich. Was aber sollten hinter ihm die Saumrosse, die Karren, der Troß? Sie faßte das nicht. Der lustige alte Junker begann nun eine seltsame Anrede; die Chronik hat sie nicht aufbewahrt, wir wissen nicht, enthielt sie was von einem verloren gegangenen und wieder gefundenen Kreuzfahrer, oder einem verschlagenen und heimfahrenden Mohrenritter. Je mehr der Junker redete, desto weiter deckten sich die Zähne der alten Dame ab, so wie alte Klippen ihre Zacken dem Schiffer erst dann in ihrer Gefährlichkeit sichtbar machen, wenn er sein Schifflein über sie hintreibt. Unterdessen brauchte Jürg statt des Maules seine Augen, musterte den seltsamen Zug, stieß endlich einen Fluch aus und trabte zu dem großen Ritter, welcher hinter dem alten Herrn und neben einem schönen Frauenbild zu Pferde saß; hinter Jürg her wackelten die beiden alten Hunde, schwenkten zärtlich hin und her ihre haarlosen Schwänze. Vor dem Reiter beugte sich Jürg in alterthümlichem Respekte, alle Kräfte boten die Hunde auf, am wilden Rosse emporzustehen, jedoch vergeblich. Das sah Frau Grimhilde, erkannte Kurt, und ihrer Kanone einen Ruck gebend, fragte sie, ob er ein Narr geworden, oder sonst was? Kurt sprang vom Rosse, grüßte die Mutter, wie es sich ziemte, sagte, er bringe heim seine Beute aus der Welt, seine Frau und sonst noch was. Ein neues Leben solle nun in der Burg erstehen, wie sie sich in der Jugend gewöhnt, solle sie es im Alter haben. Wenn es nur das sei, sagte Frau Grimhilde, so hätte er besser gethan, selbst voranzureiten und zu klopfen ans eigene Thor, statt erst dummen Lärm zu machen und hinterdrein einen solchen Narren zu senden. Anständig sei es vom Sohne nicht, die eigene Mutter entweder erschrecken oder zum Besten halten zu helfen. Indessen trat sie doch unter dem Thore weg; ins Höfchen hinein konnte der Zug reiten. Das Höfchen war enge, faßte sie kaum, war hoch mit Gras bewachsen, denn da war nicht bloß Niemand, der es ausriß, sondern leider sogar kein Geschöpf mehr, das Gras fraß, als zuweilen einer der alten Hunde, wenn es ihm gar zu wunderlich ward im Bauche. Außer Gras war nichts im Hofe, so wie sich in alten Küchenschäften, wo man nichts zum Kochen hat, auch nichts als Schimmel findet. Die Koppiger Bewohner hatten keine Ahnung, woher Kurt die schöne Frau bringe; im Eifer des Geredes hatte Kurt den Namen zu nennen vergessen, war überhaupt des Vorstellens nicht gewohnt. Jürg dachte an eine weiße Prinzessin aus dem Mohrenlande, träumte sich die Rosse begabt mit Gold und Edelsteinen und hintendrein einen Mohrenkönig, der ganze Schiffe voll derlei Zeug nachsende. Grimhilde dachte nicht ganz so weit, aber doch an was sehr Reiches und Vornehmes, nahm ihre gräfliche Haltung wieder zur Hand und führte ihre Gäste in des öden Schlößleins Halle.

Voran wie ungezogene Kinder stürzten des Herrn von Denz ungezogene Hunde, und ganz finster ward es im Gemache; es war, als ob unzählige Vögel aufgestoben wären vor der Hunde Gebell, und doch hörte man kein Flattern, und auf einmal erscholl ein schreckliches Gepolter und alsbald ein noch viel schrecklicheres Geheul, eine viel größere Dunkelheit, es schien ein verzaubertes Gemach. Es war es aber nicht, es ging Alles ganz natürlich zu. Seit Kurt fort war und die Hunde alt, hatte die Jagd auf Hochwild abgenommen, mit niederm Wilde mußten sie sich befassen, mit Vogeln allzumal, welche man in Netzen und Letschen fangen kann und ausnehmen aus den Nestern. Der Kürze halber schüttete man die Federn auf Haufen in die Halle, bis man sie anderwärts gebrauchte; diese wurden von den Hunden aufgestöbert, gejagt, der Tisch, d. h. der Thorflügel, welcher im Hofe fehlte und hier aus schwachen Beinen stand, umgerannt, die Hunde erschreckt, getroffen, die Federn wilder durcheinander gewirbelt, so daß eine Weile man nicht wußte, wo man war und was das Alles zu bedeuten hatte. Verdutzt schwiegen die Hunde, allgemach setzte sich der Nebel und die Vögel auch, der seltsame Tisch ward wieder aufgerichtet, die Diener brachten die mitgebrachten eßbaren Dinge, denn dafür hatte der alte Herr, der in Solchem äußerst klug und vorsichtig war, vortrefflich gesorgt, eben so an gutem Getränke es nicht fehlen lassen. Die alte Dame ließ die Diener mit aller Grandezza gewähren, als ob es sie nichts angehe, als ob es sich von selbst verstehe, daß von niedern Wesen für sie gesorgt würde ohne ihr Zuthun. Agnes allein machte ganz curiose Augen, so arg hatte sie sich das Nest denn doch nicht vorgestellt, so entblößt von Allem kein Schlößlein, so einem Drachen ähnlich kein altes Weib. Kurt war Agnes ins Herz gewachsen, aber wenn sie Koppigen gesehen hätte, ehe Kurt ihr Mann geworden, wer weiß, wer weiß, ob sie nicht den Kurt aus dem Herzen gerissen hätte, wie man böse Zähne aus dem Munde reißt. Endlich als das Getümmel schwieg und Ruhe war, fragte Grimhilde ihren Sohn, woher er seine Frau bringe, und aus welchem Geschlechte sie sei? Da trat der dicke Junker vor und sprach mit Salbung und großem Anstande: Aus dem erlauchten Geschlechte derer von Denz ist sie, und meine Tochter, von Denz kommt sie, will hier bleiben und Eure Schwiegertochter sein, Frau Grimhilde. So sind wir Beide unerwartet nahe Verwandte geworden, ich hoffe, es freut Euch wie mich, und gute Freunde werden wir werden, Eins dem Andern aushelfen, Ihr mir mit Eurer Tapferkeit, ich Euch mit Speise und Trank und was Ihr sonst etwa nöthig haben mögt.

Potz himmelblau, was kriegte die Alte für ein Gesicht während der Rede ihres neuen Verwandten! Sie hatte schon manch wüstes Gesicht gemacht, aber so eins doch wirklich noch nie. Die Haare ums Maul rollten sich und zischten, als wären sie dem Feuer zu nahe gekommen, die Zähne deckten sich ab, wie man eine Batterie demaskirt, und schienen sich vorzustrecken zu einem Anlaufe, die Augen spitzten sich zu, schienen zu Kugeln zu werden, dem Junker von Denz ins Gesicht fahren zu wollen. Das ganze Gesicht glich einer Bombe ehe sie zerplatzt; und wie die Bombe platzt, wenn sie lange genug gezischt hat um das Zündloch herum, so platzte es endlich auch, als der Junker schwieg, aus Grimhildens Gesicht, und zwar grimmiglich. Blitz, Donner, Hagel, Sturm sprühten aus dem Gesichte, und zwar stromweise, tote bei einem Feuerwerke, und Alles durcheinander, und bald fuhren die Ströme über Kurt her, der in zwei Jahren zwei Stunden weit gekommen und nichts heimgebracht, als so Eine und von Dem da, der nur ein Edelknecht 'sei, und daneben auch nichts werth und zu nichts tauglich, als alte Weiber zu plagen und mit Mönchen zu sausen, und seinen Töchtern, welche er Mönchen nicht geben könne, gerne abkäme zu rechter Zeit, und von diesen Töchtern habe er gerade die mitgebracht, welche ihm der Alte am liebsten angehängt, weil sie zu Nichts tauge, ihn am meisten plage; die könne aber auch gleich wieder marschiren, woher sie gekommen. Kurz, die Alte blitzte und donnerte, und zwar mit ganz andern Worten noch, daß es später Allen schien, das Fleisch sei verpfeffert, der Wein habe einen Schwefelgeruch, und in der Halle führen die Blitze fort und fort hin und her. Der Herr von Denz, durstig durch den langen Ritt, an Grimhildens Feuer gewöhnt, blieb kaltblütig, complimentirte die Dame an die zerbrechliche Tafel, legte vor und langte zu. Grimhildens Leib folgte unwillkürlich den Nöthigungen des alten Herrn, während die Seele fortwährend Feuer und Flamme sprühte. Jürg ward endlich die Mittelsperson; dieser freute sich gar sehr über den jungen Herrn, dessen Aeußeres seine Erwartungen übertraf, und Denz oder nicht Denz, wenn nur wieder was ins Haus kam und ein besseres Leben anfing. Was hätte sein Herr von eines Grafen Tochter gehabt? Am Ende kann man weder abbeißen von einem Titel, noch mit demselben die Löcher im Gewände flicken. Als dem alten Knaben nicht bloß Kuttlerugger, sondern wieder wirklicher guter Wein durch die Glieder floß, da schien die alte Kraft wieder zu glimmen, die Beine standen fest, der Kopf ebenfalls; er fragte und ließ sich seines Herrn Schicksale erzählen und kümmerte sich um seiner ungnädigen Herrin Gepülver nicht, er war es eben auch gewohnt. Wie am Ende jedes Feuer ausgeht, der allergrößte Munitionskasten einen Boden hat, so hat man auch noch von keinem Weibe gehört, das nicht endlich einmal absetzen mußte, wie gut es das Schimpfen und Schelten auch konnte. So ist es hier auf der Welt, im Leben; drüben in der Ewigkeit da mag es wohl sein, dass es Weiber gibt, welche in alle Ewigkeit tschäbern, schnädern, pülvern, aufbegehren, schimpfen und schelten müssen, daß ihre Zunge ganz feurig wird, aus ihrem Munde ein Rauch fährt, wie aus dem Kamin eines Bäckers, wenn er seinen Backofen mit grünem Holze heizt. So ging es auch Grimhilde, die Luft zum Reden ging ihr endlich aus, zudem nahm es sie Wunder, was Kurt erlebt, oder ob er wirklich nicht weiter als bis Denz gekommen, und überdies wurden durch Speise und Trank, die ihr durch den Mund in den Leib glitten, ihre Empfindungen sanfter und ihre Gefühle gemäßigter. Ist ja doch auch, freilich durchaus nicht zusammengezählt, kein Hund auf der Welt zu finden, wie bissig und hungrig er sein mag, der nach einem guten Fraße nicht ein gewisses Behagen spürt und menschenfreundlicher wird. So zog Grimhilde nach und nach die Zähne ein, und wenn sie sich schon nicht mit der Heirath des Sohnes versöhnte, so wurden ihre Ein - und Vorwürfe doch ganz sanft und milde. Heirathen hatte er nicht gebraucht, dafür hätte man ihn nicht fortgesandt, und dann nur so Eine! Hätte er was gewonnen, hätte er heimkommen sollen damit, sie hätte ihm dann schon eine Frau suchen wollen, und zwar eine ganz andere. Wo man nichts zu essen, nichts sich zu kleiden habe, und kaum trocknen Raum für eine Person, was man da mit einer Schwiegertochter anfangen solle und noch dazu mit einer nur von Denz? sie frage. Aber dumm sei er sein Lebtag gewesen und dumm werde er bleiben! Lautlos war die junge Frau geblieben, aber daß in ihr Viel vorging, wird man begreifen. Freilich war damals nicht so zimpferlich wie jetzt, dachte nicht alsbald an Krämpfe, aber geschaudert hatte Agnes doch, als sie die grenzenlose Armuth sah, von welcher sie sich wirklich keinen Begriff gemacht hatte; keine Hütte war ihr noch vorgekommen, in welcher man nichts, so gar nichts sah, nichts als eine Schwieger, welche des Teufels Großmutter zum Schweigen gebracht hatte. Wenn eine Schwiegertochter in ihrem neuen Wohnsitz gar nichts findet, als ein solch keifend Hausstück, so muß es ihr knapp ums Herz werden, keine rosenrothe Zukunft wird vor ihren Augen stehen, und hat sie Ideale gehabt, so werden dieselben nicht bloß zerrinnen, sondern zerplatzen. Ihr Vater theilte ihre Empfindungen nicht, er nahm die Alte und die Armuth von der lustigen Seite, ergötzte sich ob beiden, und je greller die Armuth hervortrat, desto mehr hatte auch seine Gutmüthigkeit Raum, zu helfen und zu spenden. Indessen, wer weiß, wenn er hatte dableiben müssen, nicht die Aussicht gehabt hätte, Abends von dannen zu reiten, ob ihm Alles so lustig vorgekommen, das Lachen nicht vergangen wäre.

Man lacht im Vorbeireiten über gar Manches; muß man dabei bleiben, findet man, daß dasselbe keine lächerliche Nase hat, sondern eine ganz andere. Der Schwiegervater hatte bereits an Geräthen, Gewändern, Vorräthen ein Ansehnliches mitgebracht, womit man die alte Höhle etwas wohnlicher machen konnte; aber er sah wohl, daß da viel mehr noch nöthig sei, und namentlich Bauleute, wenn die Menschen trocken wohnen und mit Sicherheit wieder etwas Vierbeiniges in den Ställen untergebracht werden sollte. Indessen tröstete er sich darüber leicht; dem Allem sei abzuhelfen, dachte er Kurt hatte den schwersten Augenblick überstanden, es war leichter gegangen, als er sich gedacht; doch belästigte noch Etwas sein Gemüth, und zwar sehr. Wer etwa meint, es seien die Schauer, welche über Agnes 'Seele fuhren, die er gesehen und mitempfinde, der würde sich sehr irren, die sah Kurt nicht. Kurt hatte ein herrliches Auge: den Aal sah er im Schlamm, das Rebhuhn im Grase, die Schnepfe im dürren Laub, das Wildschwein im Dickicht, aber in den Herzen der Menschen sah er hell nichts, und so wenig als er lesen konnte in einem Buche, eben so wenig konnte er die Gedanken der Menschen lesen, welche über die Gesichter der Menschen flogen, noch viel weniger die, welche bloß vorsichtig aus den Augen gucken, oder tückisch lauern in den Winkeln des Mundes; da war allenthalben unleserliche Schrift für ihn, und wenn man ihm Brillen aufgesetzt hätte, er hätte nichts gesehen. Es giebt halt gar verschiedene Augen, aber wirklich commod ist's, wenn man deren hat, welche sehen, was auf den Gesichtern vorgeht und im Grase, und was sitzt in des Herzens Grund und in des Teiches Schlamm; sie sind aber leider nicht zu kaufen, diese Augen, sie sind eine Gottesgabe.

Neben Kurt zu beiden Seiten saßen die alten treuen Hunde, die Gespielen seiner Jugend, freuten sich des Wiedersehens, wedelten ihrem Herrn den Willkomm zu nach Vermögen, ließen dann den Kopf sinken tief zwischen die Vorderbeine hinab, schlossen die Augen, thaten als studirten sie Wichtiges, Entdeckungen im Gebiete der Mechanik oder Chemie, Reden vor einer Kammer oder Combinationen in den Finanzen. Nach geraumer Weile ermannten sie sich, hoben den Kopf, als hätten sie das Gesuchte entdeckt, leckten dann einfach ihrem Herrn die Hand, setzten ihre Studien wieder fort. Was machen mit solchen alten Studenten, wie jagen mit diesen alten Thieren, die kaum mit dem alten Jürg Schritt halten konnten? Das lag Kurt im Gemüthe, und für das war nicht gesorgt. Hunde waren wohl da, aber nicht für ihn, wie Kurt wohl wußte; daß dieses ihn sehr plagen mußte, wird Jeder fassen, der weiß, was jagen ist, und tute es einem Jäger im Gemüthe ist, der alle Hunde hat. Der alte Herr hatte in diesem Fache bessere Augen als Kurt, er merkte alsbald, wo diesen der Schuh drücke; er hatte die Bosheit, diese alten Studenten zu preisen, ihre vergangenen Thaten zu rühmen, und was das für ein Jagen gewesen sein müsse mit ihnen, denn bessere Thiere seien ihm nicht vorgekommen.

Ach, wie da dem Kurt das Herz aufging, und was er da dem Schwiegervater für Stücklein erzählte, welche er mit diesen Hunden vollbracht, und wie er nirgends solche Hunde angetroffen. Aber jetzt, sagte er und ward dabei förmlich gerührt, aber jetzt, was soll ich mit ihnen? Der eine thut jede Viertelstunde einen Schritt, unterdessen giebt der andere einen Laut von sich, dann erholen sich beide und thun so wieder einen Schritt und geben wieder einen Laut, und so soll ich jagen künftig! Kurt zeigte offenbare Spuren oratorischen Talentes, nach dem alten Sprichwort: Es ist das Herz, welches beredt macht. Da jage mit den jungen! sagte der alte Herr. Mußt nicht meinen, man könne immer die gleichen Hunde brauchen! Ja, wenn ich junge hätte, sagte Kurt. Das war die Spitze der Armuth, welche dem Herrn von Denz wirklich nicht mehr lächerlich vorkam, sondern ins Herz ging, denn das hätte er nicht gedacht, daß es ein Schlößchen in der Welt gebe, in welchem bloß zwei Hunde seien, beide mit haarlosen Schwänzen, von denen der eine in einer Viertelstunde einen Schritt thue, während der andere die gleiche Zeit brauche, einen Laut von sich zu lassen. Diese Armuth trieb ihn zum Aufbruch früher als er vielleicht sonst daran gedacht, denn ein solcher Mangel war unerträglich, dem mußte abgeholfen werden alsbald.

Der Tochter war es doch schwer ums Herz, als der Vater Abschied nahm und fortritt und sie allein blieb im öden Haus und mit der bösen Schwieger. Indessen an sentimentale Betrachtungen war Agnes nicht gewöhnt, sondern hatte im innersten Kerne ihres Wesens eine bedeutende Kraft, welche sich in das Nothwendige ergießt, die Sachen nimmt, wie sie sind, sie zu benutzen und zu gestalten sucht auf das Beste. Sie packte ihre Sachen aus, ordnete sie so gut als möglich und mit geschickter Hand, welcher man es ansah, daß sie selbst angreifen konnte, und ehe der Tag zu Ende war, hatte Koppigen ein um viel besseres Aussehen erhalten, einem Bettler gleich, den man gehörig wäscht und reine Kleider ihm anzieht. Der Vater hielt aber auch Wort; am andern Morgen schon kamen Hunde, und zwar treffliche, hintendrein und nach und nach das Andere. Kurt liebte seine junge Frau sehr, aber seine Pflicht erforderte begreiflich, daß er nicht fortfuhr, neben ihr zu sitzen; er mußte den Hausvater machen, für das Nothwendige sorgen, d. h. er mußte jagen mit den neuen Hunden.

O, es ist schön, wenn Pflicht und Lust übereinstimmen, und stimmen sie nicht überein, so hat man ein einfaches Mittel sie zu vereinen: man macht aus der Pflicht einen Mantel und hängt ihn der Lust um, und zwar um und um, so daß gar kein Zipfel davon hervorguckt, dann wandelt man in der Pflicht und thut, was die Lust gelüstet. Da geht's gar lustig zu, und öfter so als die Welt glaubt. Es war aber auch Kurt fast nicht zu verargen: erstlich war er ein Naturkind, und die Natur treibt ihre Kinder der Lust nach; die Cultur ist's, welche den Naturkindern ein Mäntelchen umhängt, und da Kurt zwei Jahre in der Welt gewesen war, so kam er eben zu einem Fetzen Cultur, aus welchem man diese Mäntelchen macht. Und wer einmal außerhalb der Kuhweide war, der wird von zwei Mächten getrieben: er will wiedersehen, er will sich wieder zeigen. Kurt wollte wiedersehen sein ganzes Jagdrevier, jeden Anstand, auf welchem er in der Dämmerung zu lauern pflegte, jedes Dickicht, in welchem er eine Sau gesehen, jede Wiese, über welche das Wild strich, jede Quelle, an welcher Reh und Hirsch sich fanden, die alten Weidenstöcke, wo die größten Forellen standen, die Plätze, wo die Lachse laichten, die Strömungen, wo die Raubfische in Netzen zu fangen waren, jede besondere Art zu ihrer besondern Zeit. Er mußte beobachten, ob das Wild die gleichen Gänge ging, oder beim Wechsel des Holzes die Bahnen geändert, andere Richtungen genommen. Das Wild ist freiherrlich, macht sich seine Wege nach seiner Bequemlichkeit, nachdem das Holz aufwächst oder abgehauen wird, je nachdem das Unterholz sich ändert oder rundum die Cultur, denn es ist eben auch sehr empfänglich für die Cultur. Es ändert seine Wege ohne obrigkeitliche Bewilligung, denn es braucht zur Instandstellung seiner Wege auch keine obrigkeitlichen Wegeknechte. Wie ein alter Student seine alten Lieder, so liebt ein alter Jäger seine alten Gänge, und Jeder hat seine besonderen Stellen, wo ihm das Herz besonders schlägt und in die Augen ein besonderes Leben kommt. Aber auch zeigen, wieder zeigen will man sich, besonders wenn man glaubt, es sei eine merkliche Veränderung an einem vorgegangen. Kurt ritt an Halten gerne vorüber und sah auf die Fräuleins herab mit souverainer Verachtung, weidete sich am Aerger, den sie haben müßten bei seinem Anblicke, wenn sie denken müßten, wie sie ihn ausgespottet, und wie er sie jetzt verhöhnen könnte. Er ritt gerne nach Solothurn, labte sich an dem dortigen Gerede und wie man laut sich wunderte, wie Der jetzt einem Grafen gleich geworden an Männlichkeit und Anstand, den man früher ganz anders gesehen. Je öfter er sich also zeigte, um zu zeigen, wer er jetzt sei, desto mehr schien es ihm, er erfülle eine Pflicht, die Pflicht, seinen und seines Geschlechtes Ruf herzustellen und wieder zu Ehren zu bringen.

Während auf diese Weise Kurt seiner Pflicht nachritt, lagen die beiden Damen zu Hause ihren Pflichten ob Jede wollte treu sein, und Jede war eifrig, aber Jede auf ihre Weise. Sie bildeten gleichsam zwei Kammern: Frau Grimhilde die Pairskammer, Frau Agnes die Kammer der Gemeinen. Frau Grimhilde war eine geborene Gräfin, das öde Häuschen war das ihre sammt Grund und Boden. Frau Agnes war die Jüngere, bloß eines Edelknechts Tochter, hatte aber die Finanzen, und was ins Haus gebracht wurde, das schickte ihr Vater. Begreiflich nahm Frau Grimhilde das Hausrecht in Anspruch, die angestammte Würde, betrachtete die Sohnsfrau als einen Eindringling, die froh sein sollte, wenn man sie aus Gnaden duldete, nicht todtschlüge, behandelte sie als eine Magd und forderte dafür noch Dankbarkeit, weil sie doch dabei das Leben behielt. Frau Agnes dagegen war der Meinung, sie sei wohl aus Gottes Gnaden hier, aber nicht aus Frau Grimhildens Gnade. Kurt sei froh gewesen, sie zu erhalten, und Frau Grimhilde sollte froh sein, leben zu können aus ihrer Sache. Sie wolle Niemanden was vorrücken, aber leben als eine Bettlerin und doch von ihrer Sache, das wolle sie nicht; sie meinte, sie könnte befehlen, wo sie ihre Sache abgestellt wissen wolle, was die Bauleute bauen, was die Knechte thun sollten, wo man mit ihren Rossen Pflügen und von welchem Samen man säen solle; meinte auch, sie verstände das, und zwar besser als eine alte Frau, welche seit zwanzig Jahren keinen Pflug im Felde gehabt. Indessen, wenn Frau Grimhilde auch keinen Pflug im Felde gehabt, so führte sie doch eine Sprache ins Feld, welche durch Leib und Seele ging, und was sie befahl, das wußte sie durchzusetzen gleich einem alten türkischen Sultan. Man kann sich daher das Leben vorstellen, welches die Beiden mit einander führten, und die süße Zärtlichkeit, welche zwischen ihnen herrschte. Das Zweikammersystem ist nur dann gut, wenn ein gutes Zünglein an der Wage ist und eine starke Hand die Wage hält. Diese Hand hätte eigentlich Kurt ins Feld führen sollen, er sollte des Hauses König sein, das Gleichgewicht herstellen und alle Kräfte einigen unter seinen Willen. Aber Kurt hatte eben ein eigenes Fach ergriffen, war zu sehr mit den auswärtigen Angelegenheiten behaftet, um das Ganze gehörig zu über - wachen. Zudem hatte er Furcht vor seiner Mutter, eigentlich hatte er sich nie von Ferne gegen sie aufgelehnt, geschweige daß er ans Emancipiren gedacht hätte. Es ist übrigens sehr merkwürdig, wie so oft ein altes Weib, dessen Glieder nur noch zusammengeleimt scheinen, eine unumschränkte Gewalt über baumstarke Söhne übt, und wie die Söhne sich derselben nicht entziehen dürfen, wie gerne sie sich auch entziehen möchten. War Kurt einmal zur Seltenheit zu Hause, wenn eine Hündin Junge werfen wollte, oder ein Pferd lahm geworden, und kam Agnes zu einem vertrauten Worte mit ihm, so klagte, weinte sie jämmerlich, machte alle Manövers, welche eine Frau unter solchen Umständen macht, redete von Fortlaufen, wenn er seiner Mutter nicht den Marsch mache, oder schmollte, redete nicht nur nichts mit ihm, sondern ließ sich höchstens von hinten sehen. Das brachte Kurt in Verlegenheit und that im weh, denn er war von Natur gutmüthig; er suchte seine Frau zu trösten, aber seine Beredsamkeit in diesem Fache war wirklich nicht groß. Er wußte ihr wenig Anderes zu sagen, als er begreife nicht, was sie eigentlich immer zu klagen hatte, es hätte ihr doch noch Niemand was gethan, und was sie wolle, habe sie oder könne es nehmen. Es sei freilich wahr, seine Mutter rede viel, besonders in den langen Tagen; aber sie müsse es machen wie er, er lasse den Waldi, der Niemanden beiße, auch bellen so lange und so viel er wolle; er wußte nicht, warum seine Mutter nicht das gleiche Recht haben sollte, ihre Stimme zu gebrauchen. Ein andermal sagte er: Mußt dich dulden, mußt warten lernen; sieh, wir Jäger müssen auch lauern, oft ganze Nächte umsonst, dir aber wird's nicht fehlen. Die Mutter ist alt und stirbt gewiß, und ist sie einmal todt, vergeht ihr Reden und Regieren von selbst, dann bist du Meister, kannst schalten und walten, wie es dir gefällt. Solcher Trost schlägt bei einem klagenden, erzürnten Weibe nie gut an, sondern gießt Oel ins Feuer; zornige Weiber sind durchweg radicale Neu-Hegelianer, wollen keine Anweisung auf die Zukunft, sondern ein Handeln in der Gegenwart. Zudem schien im letzteren Troste Spott zu liegen, denn was er in Aussicht stellte, hatte einstweilen keine Wahrscheinlichkeit. Frau Grimhilde nahm sichtbarlich zu, zwar nicht an Gnade und Weisheit bei Gott und bei den Menschen, sondern am Fleische, verjüngte sich; seit sie wieder mit Jemanden Tage lang schelten und keifen konnte, stärkte sie sich an Lunge, Leber, Herz, schien ein Fisch zu sein, der vom Trocknen wieder ins Wasser gekommen. Freilich mochte Speise und Trank, das behagliche Sein überhaupt auch etwas an ihrer Zunahme beitragen, was sie indessen nie eingestanden hatte, denn sie schimpfte von der Morgen - bis zur Abenddämmerung an einem Faden über das jetzige Leben, welches sie keinem Hunde gönnen möchte, und rühmte, wie froh und glücklich sie früher gelebt. Wenn dann zu solchen Reden die beiden Hunde bedenklich ihre grauen Häupter schüttelten, so bezog das Frau Grimbilde auf sich, bedachte nicht, daß die guten Hunde den ganzen Tag wackelten mit ihren Häuptern, und bedauerlich war es anzusehen, wie die alte Frau die alten Hunde mit der Peitsche züchtigte, daß sie laut heulend aus der Halle wackelten. Der alte Herr von Denz sandte viel nach Koppigen, aber wer es in Empfang nahm und damit handtierte, das kümmerte ihn nicht, und was ihm Agnes klagen wollte, wies er die Tochter an den Mann und sagte, er mische sich nicht gerne in fremde Hauswesen, er habe daheim einstweilen an der Brigitte genug; übrigens solle sie es machen wie er, damit komme sie am besten fort; die Sache nicht gemüthlich nehmen, denken, es sei eine Krankheit, und gute Miene zum bösen Spiele machen, thun, als habe sie weder Augen noch Ohren, dabei brauchen, was ihr wohlthue, nicht mehr machen, als sie möge, ein besseres Leben gebe es ja nicht auf der Welt. Dieser väterliche Balsam war eben auch nicht heilsam für eine junge Frau, ihr wundes Herz wollte nicht heilen, und es würden wohl wenig junge Weiber auf der Welt zu finden gewesen sein, welche in den ersten Jahren der Ehe eine solche Schwiegermutter und solchen Trost dazu zu verwinden im Stande gewesen wären.

Die Weiber sind nicht alle gleichen Schlages, fast möchte man glauben, sie seien nicht von gleicher Materie; in einem Verhältniß, wie Agnes war, werden die einen gemüthlich zerrieben, in Thränen aufgelös't bald zu Staub und Asche, andere werden darin gehärtet wie Stahl und Eisen im Feuer, noch andere geläutert und verklärt dem Golde gleich. Zu welcher Sorte Agnes gehöre, wußte man lange nicht; sie würde für den kundigsten Fachmann schwer zu sortiren gewesen sein; sie war jung ins Leben getreten, ihr Gesicht, zart wie Milch und Blut, schien weich und schnell durchfurcht von Thränen, und eine Weile ging's, bis der innere feste Kern sich zeigte, den das Leben nicht zerreibt, sondern härtet und polirt. In dem Maaße, als ihr Wesen fester ward, versiegten die Thränen, in gleichem Maaße wurde ihr Wille bestimmter, und was sie wollte, wußte sie zu sagen. Es war beinahe, als nehme Frau Grimhilde die Gestaltung ihrer Schwiegertochter mit Behagen wahr, ungefähr wie ein Metzger, der mit Freuden Sohlen an seinen Stiefeln bemerkt, welche sich nicht sobald ablaufen, oder der Gleiche einen guten Stahl am Gürtel, der sich, er mag mit seinen Messern daran herumfahren, wie er will, nicht alsobald abwetzen läßt. Eine, welche der Frau Schwiegermama förmlich die Stange hielt, ward natürlich Agnes nie, dazu fehlte ihr das Bösartige, Giftige, welches in Grimhilde hervorstach. Agnes war gemüthlich, barmherzig, konnte lieben, konnte geben, wozu Grimhilde nie fähig gewesen war; aber je mehr Agnes sich härtete, desto stärker gab es Feuer. Daß es nicht angenehm ist, die Finger zwischen Stahl und Stein zu haben, ist jedem Kinde bekannt, aber noch etwas ganz Anderes ist's, zwischen Mutter und Frau zu stehen, wenn diese Feuer geben; nun hatte Kurt gewissermaßen ein weiches Gemüth; wenn er ein Gesicht machte, daß eine siebenhundertjährige Eiche ein zartes Aussehen dagegen hatte, so war es eben nur, um darunter etwas Zartes zu verbergen, daß es Niemand merke; wäre er ein rechter Holzbock gewesen, wie man zu sagen pflegt, so hätte das Weibergezänk ihn so wenig berührt, als das Mühlrad im Schlafe den Müller stört, kaltblütig hätte er sie tschädern lassen nach Belieben. Nun aber, weil er eben kein Klotz war, Plagte ihn der ewige Krieg; es war ihm Nichts peinlicher, als wenn er bald der Einen, bald der Andern Recht geben sollte, Keine mit ihm zufrieden war, weil er sie nicht unbedingt im Recht fand; die Mutter ihn ausschimpfte, das Weib mit ihm schmollte. Die geistige Kraft, welche bei solcher Sachlage Ordnung schafft, hatte er nicht, er machte sich daher aus dem Staube, nahm die Flucht, d. h. er war je länger, je weniger daheim, sein Haus war seine Marterkammer. Das ist aber ein böses Mittel, das Fliehen, es hilft gar nichts, und am Ende gehen dabei Mann und Haus zu Grunde, und trotzdem wird dieses Mittel so oft angewandt. Es war Kurt leid und bange, wenn er einmal einen Tag daheim sein sollte, sein Schlößchen kam ihm so eng und unheimlich vor, daß ihm der Wald im wildesten Schneesturme ein viel anmuthigerer Aufenthalt war. Doch hatte Koppigen ein anderes Aussehen gewonnen, die Thorflügel waren eingehängt ordentliche Tische, wo man sie haben mußte, eine ziemliche Wirthschaft, ein anständiger Haushalt war wieder da, Vieh brüllte in den Ställen, bebaute Aecker gab es wieder, der Keller war nicht ganz leer, auch Speise für den morgigen Tag fand sich gewöhnlich vor, die Edelfrauen mußten nicht mehr mit eigenen Händen den Fischen das Genick eindrücken, die wilden Vögel rupfen und den Braten am Spieße drehen. Es war ein ordentlich wohnlich Haus geworden, und doch war Niemanden wohl darin, denn es sind nicht die Räume, welche ein Haus wohnlich und heimelig machen, der Hausgeist ist es, der dieses macht. Das war eben auch Ursache, warum der Herr von Denz nur selten einsprach, wenn er auch Etwas im Keller fand, die Hunde nicht mehr die Tische umwarfen n. d eine ägyptische Finsterniß anrichteten in der Halle; er mochte das immerwährende Klagen auch nicht leiden, er glaubte auf der Welt zu sein, um lustige Tage zu verbringen, so viele er konnte, deren waren keine mehr in Koppigen zu finden. Selbst Kurt machte ihm ein grob Gesicht und gab ihm kein freundliches Wort; Kurt betrachtete nämlich sein Schicksal als ein unglückliches und den Schwiegervater als den Stifter desselben, denn die Menschen haben zuweilen sehr seltsame Ansichten; sein Schlößchen kam ihm alle Tage kleiner vor, seine Heirath alle Tage dümmer, er glaubte seine Bestimmung verfehlt zu haben, und daran war eben der Alte die alleinige Ursache; Kurt glaubte sich eben berufen zu hohen Dingen; wenn er in der Welt geblieben wäre, weiß Gott, was er schon wäre; hätte ihn nur der Alte in Langenthal liegen lassen, so wäre er dort zu sich selbst gekommen, hätte das verfluchte Nest zu Denz nie gesehen; hätte ihn nur noch dort der Alte ziehen lassen, statt ihm eine Tochter anzuhängen, so wäre noch nichts versäumt gewesen, und weiß Gott, an welchem Hofe er jetzt wäre als Graf oder Freiherr. So calculirte Kurt; er hätte noch jetzt gehen können, noch jetzt war daran nichts versäumt, aber es hieß ihn Niemand gehen, zeigte ihm Niemand den Weg, und das mußte bei Kurt sein; zu welchen hohen Dingen er sich auch bestimmt glaubte, zu Einem war er doch nicht bestimmt, sich nämlich selbst zu bestimmen, die bestimmende Kraft mußte außer ihm liegen. Er litt, wie man heutzutage sagen würde, grausam an Zerrissenheit; was er hatte, war ihm nicht recht, und was ihm recht gewesen wäre, das hatte er nicht, er dachte an hohe Dinge, und that desto niedrigere. So fuhr er herum jagend, fischend, streitend, trinkend unter allerlei Volk, machte Bekanntschaften aller Art, vertrieb sich bei ihnen die Zeit, je nach ihrer Weise, ob sie recht, schön, edel sei, oder das Gegentheil, das kümmerte ihn nicht. Er speculirte auf den Tod des Schwähers; hätte er einmal dessen Güter, stecke er die beiden Schwägerinnen in ein Kloster, wolle dann zeigen, wer er sei, und sich aufblasen im Lande, so calculirte er; Speculationen auf Schwägerinnen gerathen jedoch nicht immer, denn diese haben manchmal eigene Gedanken und spekuliren ganz anders als der Herr Schwager; als einmal die Agnes aus dem Hause war und man sah, wie freigebig der Alte Kurt auf die Beine half, so gefiel dies Andern auch, und in der Runde gab es so viele hungrige Junker, als es hungrige Fledermäuse im Frühjahre giebt. Ein Junker von Inkwyl fasste die Kunigunde, einer von Riediwyl nahm, was übrig blieb, die Brigitte setzte sich dafür so gleichsam zur Schadloshaltung ins Nest und blieb zu Denz. Wie das Kurt gefiel, und daß es seine Zerrissenheit nicht heilte, kann man sich denken, aber er konnte es nicht ändern, er konnte bloß Zerrissener werden, sein Loos immer unerträglicher finden, und je unerträglicher er sein Loos fand, desto unerträglicher ward er selbst. Da starb der Herr von Denz und zwar gerne, denn seit er einen Tochtermann im Hause hatte, hatten seine Tage an Lustigkeit nicht zugenommen. Jetzt stürzten sich Alle auf das Erbe, Jeder hätte am Ganzen zu wenig gehabt, man kann sich denken, wie ihm der dritte Theil des Ganzen vorkam. Wo viel zu wenig ist, entsteht desto mehr Streit; jetzt verficht man solchen Streit mit Advocaten, damals mit Schwert und Faust, beides kommt in Beziehung auf Gewinn auf eins heraus, der Unterschied ist bloß der, daß, was man ehemals mehr an Blut vergoß, jetzt desto mehr Galle überläuft, und man ist noch wohler dabei, wenn man etwas Blut verliert, als wenn man Zuviel Galle ins Blut bekommt. Die Herren Schwäger rauften sich also mörderlich; Kurt und der von Inkwyl hielten begreiflich zusammen, wollten den von Riedtwyl übers Nest hinauswerfen. Dieser ließ sich helfen durch den Herrn von Wangen, hatte Hülfe von seinen Brüdern, klopfte die Schwäger tapfer aus und machte Miene, selbst an ihre Schlösser hin zu wollen; sie suchten daher auch Hülfe, der von Flumenthal ward ihr Spießgeselle und Einer von Alchenstorf; der Streit zog sich in die Länge; ans Leben kam man einander nicht, schädigte einander desto mehr, stahl, verdarb einander so viel man konnte, ward darob allseitig arm; das Erbe ging darauf, nichts hatte man davon, als eben viel Haß, und dadurch verbitterte Gemüther, denen nirgends wohl war als im Streit und wüstem Leben, Gemüther, welche für häusliches Glück gerade so empfänglich waren, als ein Gotteslästerer für Gottes Wort, und denen in ihren Häusern so wohl war als einem durstigen Saufbruder in einer Kirche. Die Herren Schwäger hatten es fast wie die Hühner, welche sich erst die Federn ausrupfen, gerupft aber gute Freunde werden. Als an Keinem von ihnen mehr etwas Besonderes zu rupfen war, wurden sie Bundesgenossen und kehrten ihre Schnäbel gegen Andere. Wie Spieler, je mehr sie verlieren, desto mehr wagen, das Verlorene wieder zu gewinnen, so wurden sie immer rücksichtsloser, wagten immer Wilderes, aber das Glück wollte ihnen nicht. Kurt besonders hatte eine unglückliche Hand, nicht bloß, daß er immer am Wenigsten erbeutete, wenn er auch am Stärksten zuschlug, sondern auf ihn fiel immer der erste Verdacht, ihm wurde der größte Theil des Frevels zugeschoben; er hatte von Jugend auf einen anrüchigen Namen, und wo Etwas gethan wird, dessen Urheber nicht offenkundig werden, schiebt man es ganz gelassen aus die Rechnung Dessen, der bereits die größte und gröbste Rechnung hat. Es ist die menschliche Gesellschaft ein absonderliches Gebilde, eigentlich ein organisches Ganze. Wie ein lebenskräftiger Körper Krankheitsstoff absondert und ausstößt, langsam freilich oft, gerade so macht es die menschliche Gesellschaft unwillkürlich: sie schiebt das Faulende mehr und mehr hinaus, bis sie es endlich draußen hat und über Bord werfen kann. Besitzt ein Körper diese Kraft nicht mehr, vermag er den Krankheitsstoff nicht mehr zu verarbeiten, ihn zu entbinden, vermag das Gesunde sich nicht mehr Platz zu schaffen, da erkrankt dieser Leib mehr und mehr, das Gesunde wird vom Kranken verzehrt, der Zustand wird rettungslos, die Fäulniß erhält die Oberhand, lös't bald das ganze Gebilde auf. Der höchste Grad der Corruption oder Verderbnis tritt ein, wenn dieser Zustand der Fäulniß als Gesundheit angesehen und ausgegeben, durch die Gesetzgebung legitim gemacht, sanctionirt, von Obrigkeitswegen allem Gesunden der Krieg gemacht und unter dem Scheine des Rechts durch Schufte am Gerichte alles Gesunde zum Tode verurtheilt, aus dem Leben ausgestoßen wird. Als Kurt lebte, war es eine wüste, wilde Zeit, indessen hatte die Gesundheit die Oberhand. Kurt ward mehr und mehr hinausgestoßen aus allen Kreisen, wo Recht und Ehrbarkeit Etwas galten, kam daher immer mehr in das wüste, wirre Treiben hinein, an dessen Ende der Schlund ist, dem Alles verfällt, was ausgestoßen wird aus den gesunden Lebenskreisen. Als Kurt geheirathet hatte, heimgekehrt war als ritterlicher Junker, standen ihm die Burgen des hohen Adels offen, er ward dort nicht ungern gesehen seines einfachen tüchtigen Wesens wegen: jetzt hütete er sich, eine zu betreten, er fürchtete die Bekanntschaft mit den tiefen Löchern in den Thürmen. Er trieb sich mit seinen Spießgesellen in verdächtigen Herbergen herum, zuweilen zog Einer dem Andern nach auf seine Burg, wenn man wußte, daß dort Vorrath war, und oft waren sie Alle verschwunden, als wie von der Erde verwischt, und Tage lang hätte kein Mensch sagen können, ob sie noch lebten, geschweige wo sie lebten.

Ein solches Leben befördert begreiflich weder häusliches Glück noch häuslichen Wohlstand. Frau Grimhilde und Frau Agnes verstanden das Haushalten, doch mit dem Unterschiede, daß Frau Grimhilde bloß festhielt, was sie zwischen ihre fünf Finger bekam, während Frau Agnes zu schaffen, zu pflanzen, zu produciren wußte, würde man heutigen Tages sagen. Aber Halten und Schaffen half all nichts bei dem Treiben von Kurt; er machte wohl Raub und Beute, aber je mehr er raubte, desto ärmer ward er zu Hause, im Raube schien ein verzehrender Fluch zu liegen. Wie den Pferden das Ungeziefer folgt, das Blut ihnen absaugt, sie ihm nicht entrinnen mögen, wie rasch sie auch laufen, bei jedem neuen Walde zu den alten Bremsen, welche die Pferde mitgetragen, nachgezogen immer neue Schaaren sich gesellen, so ging es auch unsern adeligen Strauchdieben. Sie trieben ihr Handwerk wohl auf eigene Faust und für eigene Rechnung; aber wie den großen Raubthieren kleinere folgen, so waren sie umschlichen von gemeinem Diebsgesindel. Dasselbe stellte sich wohl dem Hunde gleich, der die vom Herrn benagten Knochen auffängt und für abgefallene Brosamen dankbar ist. Wenn sie schon für geleistete Dienste, namentlich für ihr Kundschaften, welches jedenfalls im Handwerk eine bedeutende Stelle einnimmt, wie man bei einer Meute Hunde durchaus einen oder zwei gute Ausstecher haben muß, wenn man ordentlich jagen will keinen besonderen Lohn forderten, keinen bestimmten Antheil an der Beute, so thaten sie sich dabei doch am gütlichsten, kriegten den besten Theil der Beute und, was die Hauptsache ist, behielten ihn auch. Es waren vor Allem die Dirnen, welche um die adeligen Herren schwärmten, welchen der schönste Theil zufiel, denn an die Weiber daheim dachten die Herren schon damals oft nicht; es war das Verschleppen des geraubten Gutes, das Handeln und Schachern damit, welches einen andern Theil in ihre Hände brachte; den letzten Drittheil endlich erhielten sie ebenfalls, denn dieser wurde in ihren Herbergen verspielt, verschlemmt, verpraßt, und wenn Alles verthan war, machten es die Herren, wie es der Löwe macht, wenn er hungrig ist und das letzte Thier gefressen: er geht aufs Neue auf Raub aus, legt am geeigneten Orte sich auf die Lauer. Kurths Handwerk trug also dem Hause nichts ein, aber er verschleppte auch noch aus dem Hause, was ihm dienlich war. Die besten Männer waren in seinen Lumpenfehden ihm erschlagen worden, Roß und Vieh dahingegangen, das Land wieder schlechter bearbeitet worden, und immer schlechter, je mehr Menschen und Vieh fehlten. Das neu auftauchende Elend brach Jürg sein altes Herz. Gegen Rauben und Morden hatte er durchaus nichts gehabt, im Gegentheil, es von Herzen gern gesehen, wenn durch dasselbe des Hauses Glanz und Macht gehoben worden wäre. Nun, da das Gegentheil stattfand, jede Aussicht auf Besserung verschwunden war, da der junge Herr kein Ohr mehr für ihn hatte, weil er sich ihm entwachsen glaubte und ihn für kindisch hielt, neigte er sein Haupt und wollte sterben. Darüber aber ward Frau Grimhilde gar grimmig böse, denn sie behauptete, dies sei baare Bosheit, er thue das nur der schlechten Frau, d. h. der Agnes zu Gefallen.

Der alte Jürg war nämlich der Einzige, welcher aus angestammter Gewohnheit Grimhilde für die alte Rittersfrau hielt, ihr Achtung und Gehorsam zeigte. Das junge Geschlecht kannte sie bloß als die alte grimmige, aber arme Frau, hatte sich daher Agnes angeschlossen, welche nicht böse war und wenn sie schon nicht viel helfen konnte, doch den Willen zeigte, zu helfen, wenn sie es hätte, und dieser Wille wird oft wie die Hülfe selbst geschätzt. Starb Jürg, war Grimhilde verlassen, stand allein; es war also sich nicht zu verwundern, daß sie dem alten Jürg sein Sterben so übel nahm. Jürg entschuldigte sich bestmöglichst, sagte, er wollte wohl selbst gerne länger leben, aber daran machen könne er nichts, müsse sich fügen, wenn der Tod komme. Er sei ein Tropf, sagte Frau Grimhilde, braute ihm Tränke, welche so herrlich rochen, daß Tage lang weder Krähe noch Spatz sich auf dem Dache sehen ließen, brachte sie Jürg, und trinken sollte sie der, und wenn er's thue, werde er sehen, was der Tod zu befehlen hätte. Der Alte gehorchte, wollte trinken, aber schon die Nase brachte er kaum zum Topf, es schüttelte ihn, als wenn er das kalte Fieber hätte; als er endlich den Mund daran hinzwängte, die Lippen an den Tops hing, fuhr er zurück, es drehte ihn um und um, es war, als ob man einen Handschuh umkehre. Da sehe er, sagte dann Frau Grimhilde, wie ihr Zeug angreife; in drei Tagen wäre er gesund, wenn er ihr zu Gefallen einmal einen Topf voll austrinken wollte. Wenn dann Jürg be - theuerte, er brächte keinen Tropfen mehr über die Lippen, er fühle schon beim Riechen, wie seine Seele im Leibe herumfahre und ein Loch suche, um daraus zu fahren, wie die Tauben, wenn ein Habicht oder Marder in den Taubenschlag kommt, so sagte Frau Grimhilde: Wenn du das nicht willst, so mußt was Besseres haben, und braute noch etwas viel Verfluchteres, daß man hätte glauben sollen, sie wäre den Hexen, welche in Schottlands Haiden Tränke kochten, zu Gevatter gestanden, oder hätte ihnen ein Kochbuch hinterlassen. Sie braute dann, daß die Fische aus dem Schloßgräblein sprangen und gerne Fürio und Mordio geschrieen hätten, wenn sie einen Laut hätten von sich geben können, daß Frau Agnes mit den Kindern Reißaus nahm, hinterdrein die Mäuse und die Ratten und selbst die Kröten in den Kellern mannshoch an den Mauern hinaufsprangen. Sie selbst lebte wohl an solchen Gerüchen, von wegen ihre Nase war mit Sohlleder gefüttert; etwas Feineres drang nicht durch, während so Etwas, von dem eine hundertjährige Kröte sagte, was Verfluchteres sei ihr noch nie vor die Nase gekommen und doch sei viel davor gewesen, ihr vorkam wie Rosenöl oder Jasmin. Der arme Jürg konnte sich nicht davonmachen, die Beine trugen ihn nicht mehr, und seine Nase ertrug Grimhildens Lebenstrank ebenfalls nicht. Ein gehorsamer Knecht, streckte er wohl die Hand nach dem Topfe aus, aber dann streckte er auch alle Glieder und todt war er.

Diese Bosheit, gerade jetzt zu sterben, wo er, wenn er einen einzigen Schluck hätte trinken wollen, lebenslang gesund geworden wäre, machte auf Grimhilde den tiefsten Eindruck. So weit, sagte Grimhilde, habe Agnes es getrieben, daß sie ihr den letzten Menschen, welchen sie gehabt, aufgewiesen und verführt, denn wenn sie nicht gewesen wäre, er hätte getrunken und liefe jetzt herum wie ein Zwanzigjähriger. Jetzt begehre sie auch nicht länger dabei zu sein, sie begehre nur noch Eins zu erleben: daß es nämlich der schlechten Frau gehe wie dem Jürg, daß sie ans Sterben käme, daß sie beide Hände nach solchem Tranke ausstrecke, mit Heulen und Zähneklappern einen wünsche, um einen bitte, dann wolle sie einen brauen, einen noch viel kräftigern, daß das Laub im Walde sich entfärbe darob, dann wolle sie mit dem unter die Thüre kommen; da werde die junge Wüste (das Mensch, würde der moderne Ausdruck der Cultursüßigen sein) erst die eine Hand darnach ausstrecken, dann die andere auch, nach den Händen die Zunge, dann Alles, was sie strecken könne, da unter der Thüre wolle sie stehen bleiben, keinen Schritt thun, nicht vor - nicht rückwärts, bis endlich Alles gestreckt sei, wie sie es ihr schon lange gegönnt; dann wolle sie sich gerne auch legen und strecken, einmal werde es doch sein müssen, sei es gescheidt oder nicht, Einem recht oder nicht. So begehrte die alte Frau, gewesene Gräfin, auf, nahm sich durchaus nicht in Acht, wer es höre, selbst vor dem nicht, dessen Ohr offen ist über allen Menschenkindern, der die Haare zählt auf dem Haupte des Menschen, sie festigt oder ausfallen läßt nach seinem Belieben. Aber wie sie meinte, ging es nicht; ehe ihr Wunsch in Erfüllung gegangen, ward sie zu den Vätern versammelt, welche ihre liebe Noth mit ihr gehabt haben werden. Der Zorn, daß Jürg ihr zum Trotze gestorben, Agnes ihr zum Trotze nicht sterbe, untergrub ihr felsenhartes Gebein, bis es zusammenbrach, fast möchte man sagen auseinanderfiel.

Kurt nahm dies kaltblütig, wie er überhaupt an Allem, was im Hause vorging, gar kein Interesse hatte, weder am Tode der Mutter, noch an der Geburt eines Kindes; es war, als ob ihn dieses Alles nichts anginge. Es nahm ihn bloß ein Fund in Anspruch, welchen man bei Grimhildens Tode machte: eine Menge vergilbter, zusammengehäufter Dinge sonder Zahl und Namen; Sachen aus Kurt's früherem Räuberleben, Sachen aus ihrer Jugend, Sachen, welche sie der Agnes abhanden gebracht; kurz, es mahnte ihre Hinterlassenschaft auffallend an das Nest eines alten Raben, der in einem öden, unbesuchten Thurme gehaus't. Was etwas werth war, verschleppte Kurt, dem Haushalt kam es nicht zu Nutz; den Frieden zwischen den Eheleuten förderte der Alten Tod nicht und störte ihn weiter nicht. Kurt hatte Gewohnheiten angenommen, welche über seine Natur gingen, und Agnes nahm es wie es war, und gewöhnte sich Tag um Tag mehr, ihr Leben so zu ordnen, daß es ohne Kurt bestehen, wenn auch arm, so doch daß die Kinder darin fortkommen konnten.

Kurt hatte besonders mit beiden Schwägern und dem Junker zu Flumenthal und dem Junker von Landshut das Handwerk getrieben. Der Junker von Landshut hatte sein Schloß nicht da, wo das gegenwärtige Landshut steht, sondern auf dem linken Emmenufer, der Hammerschmiede von Gerlafingen gegenüber. Die Stelle, wo die Burg stand, welche ungefähr hundert Jahre später in einer Fehde mit Solothurn von den Bernern verwüstet wurde, sieht man noch in dichtem Walde in dem sogenannten Altisberg. Da, wo das heutige Landshut steht, jetzt ein stattliches Landhaus, aber in der alterthümlichen Form eines Schlößleins, umgeben von einem wasserreichen Burggraben, sah man nichts als einen öden Felsen in bebuschtem Sumpfe. Er sah fast aus wie ein alter Wartthurm, von welchem aus man eine weite Ebene, wie man in der westlichen Schweiz sie selten sieht, überlugen konnte. Diese Ebene war theilweise bebaut, ein bedeutender Theil mit Wald bewachsen, von großen Bächen durchzogen, zu beiden Seiten der Emme viel Sumpf, von welchem das sogenannte Fraubrunnenmoos noch jetzt ein stattlicher Rest ist. Hinter diesem Felsen nördlich, muthmaßlich wo jetzt ein Sägewerk surrt und zischt, in Sumpf und Busch versteckt wie eine braune Schnepfe in braunem Laube, die selten ein Auge sieht, bis sie aufflattert dicht vor den Füßen, fand sich eine niedere, aber umfangreiche Hütte oder Haus, wie man lieber will. Niemand hätte da eine menschliche Wohnung gesucht, und ungesucht auf sie zulaufen, war ein halbes Wunder, denn ein Zugang zu derselben hatte seinen Anfang im Bette der Emme, und den andern Zugang bildete ein Bach, welchen man eine lange Strecke hinauf durchwaten oder reiten mußte, ehe man zum Hause kam. Wer am Tage auf dieselbe gelaufen wäre, hatte kaum etwas Verdächtiges an ihr gesehen, und wenn ihm ihre Größe aufgefallen wäre, so war diese leicht dadurch zu erklären, daß mehrere Fischer in den äußerst fischreichen Wassern diesen trocknen Fleck sich auserlesen und darauf eine gemeinsame Wohnung sich erbaut. Im anderthalb Stunden entfernten Solothurn, in den vielen Klöstern darum herum, im Kloster Fraubrunnen war reicher Absatz für Fischer. Hätte Jemand nachsehen wollen, ob es wirklich so sei, dem wäre es sehr schwer geworden, vielleicht unmöglich geblieben: die einzige Thüre der Hütte war immer fest verschlossen, und sehr oft hätte er stundenlang dran klopfen können, es hätte sie ihm Niemand geöffnet; im günstigsten Falle wäre sie endlich nach langem Warten aufgegangen, und froh wäre er sicherlich gewesen, er hätte nie geklopft. Wenn er scharfsichtig gewesen, so hätte er leicht wahrgenommen das Eigenthümliche, Unnennbare in jeglichem Gegenstände, welches sagt, da sei es nicht geheuer, er wäre plötzlich umgekehrt, aber zu spät schon, wenn sein Aeußeres irgend welche Beute versprochen hätte; ehe er sich versehen, wäre er niedergeschlagen gewesen oder in einen Bach geworfen und darin ertrankt. Wer aber das Glück oder vielmehr das Unglück gehabt hätte, wirklich hineinzukommen, hätte eine Bevölkerung gefunden, welche weder dem Umfang noch dem innern Raume entsprochen hätte, nämlich drei einzige Personen. Die Hauptperson war ein Mann, welcher groß gewesen wäre, hatte er nicht ein lahmes oder krummes Knie gehabt, so daß er nicht bloß stark hinkte, sondern gebeugt war, mehr als er dem Alter nach hätte sein sollen. Sein Haar, welches sehr schwarz gewesen, war noch nicht weiß, sondern bloß gespregelt, weiß und schwarz, seine Haut im Gesicht war fast schwarz, ob von Natur, oder weil sie nie gewaschen ward, blieb schwer zu ergründen; wahrscheinlich griff Beides in einander. Das Vorderhaupt war kahl, stark gebogen, die Nase ebenfalls, ja das ganze Gesicht, selbst das Kinn schien zurückgekrümmt; unter der Nase stach der Mund hervor, seltsam bissig anzuschauen. Er redete zwar sehr viel, wenn er dazukam, doch ging es ihm schwerfällig von Handen, als ob es am Räderwerk fehle; nicht so war es beim Essen; der Mund war offenbar mehr zum Beißen als zum Reden eingerichtet. Es war eine Gestalt, zum Räuber geboren, eine von denen, in deren Nähe es Einem unheimlich wird, man unwillkürlich vom Gefühl beschlichen wird, man sei in der Nähe eines gefährlichen Thieres; ob es eine Schlange sei oder ein Tiger, weiß man nicht, aber ängstlich sieht man nach allen Seiten, von welcher es kommen wolle, und wenn nirgends was sich rührt, so bleibt das Auge haften auf dem Menschen, welcher da sitzt, als wenn dieser Mensch das Gebüsch wäre, aus welchem das wilde Thier brechen müsse. Die zweite Person stellte eine Frau vor mit sieben Kröpfen rings um den Hals, schwammigem Gesicht, plumper Gestalt, Schweinsaugen im Gesichte, eine viereckige Nase darunter, und darunter ein Maul weit geschlitzt und tief, fast hätte man ein einspännig Fuhrwerk darin wenden können. In solch widerwärtigen, viereckigen, schwammigen, weiblichen Gestalten mit Schweinsaugen wohnt gewöhnlich eine grausame, erbarmungslose Seele. Die dritte Person war schlank und hoch, gelblichblaß das Gesicht, Augen darin, von denen man selten recht wußte, wollten sie Feuer sprühen oder Thränen weinen, einen fest geschlossenen Mund unter einer geraden Nase. In der ganzen Person war etwas Fremdartiges, als ob sie als eine Art Meteorstein durch den Rauchfang herabgefahren wäre, und doch war es die Tochter des obenbeschriebenen Ehepaares, welche mit ihren Eltern hier häufte und Fische verkaufte in Solothurn, wo man etwas Gutes von jeher liebte, besonders wenn es nicht viel kostete, und noch mehr liebte, wenn es gar nichts kostete. Wenn irgend ein Platz in der lieben Eidgenossenschaft (welche damals freilich noch keine war) zu einer Diebsherberge oder einem Lauerloche geeignet war, so mußte es dieser sein. Er hatte nichts Auffallendes und war doch schwer zu finden, und Unbekannte nahten nie unbemerkt und wunderselten ungestraft. Dagegen konnten die Befreundeten, mit Steg und Weg Bekannten entfliehen unbemerkt, wie sie nur wollten, aus dem weitläufigen Hause in Sumpf und Busch, gebaut mit Ausgängen, welche kein uneingeweihtes Auge sah, welche auf Wege führten, die jähen Tod brachten Jedem, der mit ihnen nicht sehr genau bekannt war. Diese Stelle war ungefähr der Stelle gleich zu achten, aus welcher eine große Kreuzspinne sitzt, um gehörig alle Fliegen zu belauern und abzufangen, welche ihrem Neste sich nahen und hängen bleiben darin. Hier konnte man Kundschaft erwarten über Alles, was von Bern nach Solothurn, von Solothurn nach Burgdorf, was den Gau hinabging und hinauf nach Biel und Büren. War die That vollbracht, stäubten die Gesellen aus einander wie Spreu, in welche der Wind fährt; die Verfolger wurden irre, die Spuren verloren sich. Geschah es wohl zur Seltenheit, daß hart auf den Fersen die Verfolger blieben, so sprang der Verfolgte vom Rosse, ließ frei es laufen, Roß und Reiter fanden bekannte Fährten durch Sumpf und Busch und am Ende ihre Herberge; die Verfolger versanken im Moor, verwickelten sich in die Büsche, in die für Pferde so schrecklichen Brombeersträuche, und schätzten sich glücklich, wenn sie mit heiler Haut und ganzen Gliedern einen Ausweg fanden. Der Ort war zehn Mal sicherer, als irgend eins ihrer Schlößlein; es war eine wahre Freistätte für die adeligen Räuber vor Allem; dann aber auch für das bessere Lumpengesindel, d. h. die hübscheren Dirnen, die schlauesten Gaudiebe, die wildesten Räuber.

Sami, der Alte, der Herbergvater, gab sich mit den auswärtigen Angelegenheiten wenig mehr ab; er that, als sei er der Junker unterthänigster Knecht, hätschelte sie, schmeichelte ihnen, dagegen war er des Lumpengesindels Freund nach dem Sprüchwort: Gleich und Gleich gesellt sich gern. Wenn aber einer der Junker ihm Nichts mehr eingebracht hätte, oder gar lästig gewesen, so hätte Sami ihn sich ohne Bedenken alsbald vom Halse geschafft, freilich auf seine Weise, d. h. durch andere Hände. Laut der Naturgeschichte fressen die bedeutenderen Thiere der gleichen Sorte sich sonst nicht, höchstens ein Schwein seine Ferkel und ein Kater die Kinder seiner Liebsten. Nun gehören die Menschen alle zu der gleichen Thiersorte, seien sie schwarz oder weiß, so gut als Schimmel und Rappen Pferde von der gleichen Sorte sind, trotz der verschiedenen Farbe. Nun scheinen die Menschen durch die verschiedenen Stände in eben so viel verschiedene Thiersorten sich zu gliedern, von denen die eine die andere auszubeuten oder zu verzehren sucht. So steht der Arme gegen den Reichen, und umgekehrt, der Vornehme gegen den Gemeinen, und umgekehrt, die Herrschenden zu den Dienenden, und wiederum umgekehrt. Und wenn schon namentlich ein Niederer einem Höheren sehr nahe steht, so gleichsam an seiner Brust zu liegen scheint, so werden doch bei gegebenen Fällen unter Zehn Acht den Höheren verrathen, ihn mit Fußtritten regaliren, 'an ihre Sorte sich wieder anschließen; ähnlich treibt es aber auch die höhere Sorte mit den unteren Sorten und opfert Stück um Stück derselben, besonders wenn das Standesinteresse mit ins Spiel kommt. Gelingt es auch Einem aus den Unteren, an die Höheren sich anzukleben, dort festzuhalten, daß er ihres Gleichen scheint und als solcher wirklich auch behandelt wird, so wird es ihm doch nie vergessen, woher er gekommen; fort und fort muß er merken, daß man es ihm nicht vergessen, und bei der ersten Gelegenheit stößt man ihn wieder hinunter. Wird der Mensch ein Christ, so gestalten die Verhältnisse freilich sich anders, aber das Christenthum war in dieser Hütte ein unbekanntes Ding. Desto mehr andere Dinge barg diese Hütte; was Alles? wußten nur die beiden Alten, Vieles kannten des Wirths Genossen von der niederen Sorte, das Wenigste die junkerlichen Räuber. Es war eine sehr geistreiche Einrichtung; man konnte da erscheinen und verschwinden, sein und nicht sein, accurat wie in einem Zauberschlosse. Mit näherer Beschreibung desselben wollen wir uns jedoch nicht abgeben, sondern es der Einbildungskraft der geistreichen Leser überlassen, sich dasselbe selbst aus - zudenken. Weit und groß war die Küche, welche zugleich das Salon - oder Gesellschaftszimmer vorstellte; in der Mitte derselben, wie noch jetzt in uralten Häusern, war der Herd, auf welchem das Feuer selten erlosch, und eben so selten war es, daß über demselben an eisernem Haken nicht ein Kessel hing, in welchem in saftiger, kräftiger Brühe Fleisch weichgekocht ward. Die Brühe war um so kräftiger und saftiger, da der Kessel nie ganz geleert wurde. Drohte das Fleisch zu weich zu werden, so zog man entweder das Holz unter dem Kessel weg und ließ bloß die Kohlen liegen, oder man drehte ihn durch eine Vorrichtung bei Seite; durch diese Vorrichtung waren die Bewohner der Hütte vor der Ungeduld ihrer Gäste geschützt, die groß und grob war. Wer kam, hatte nicht auf das Essen zu warten, nahm etwas Langes und Spitziges zur Hand, gabelte damit ein währschaft Stück auf und steckte es an. Mit Geschmack und Geruch nahm man es begreiflich so genau nicht, wenn es nur gegen den Hunger gut war und das Herz vor dem Hinunterfallen schützte. Die Räuber waren eben keine Diplomaten, die nehmen es genauer, die warten gerne sieben Stunden, leiden gerne höllischen Hunger, wenn sie dann nur etwas Feines und Gutes kriegen, von wegen Diplomaten haben Geduld, haben sie aber auch nöthig. Für vorräthigen Wein mußte ebenfalls gesorgt sein; diesen tranken sie gerne so gut als möglich, hatten aber auch Kehlen, daß, wenn nicht besserer zu haben war, sie solchen tranken unbeschadet, den sie nicht in die Schuhe hätten schütten dürfen, weil es alsbald Löcher gegeben hätte. Zu solcher Lauge kam es indessen selten; der Alte hatte eine Quelle, aus welcher bessere Sorten flössen. In einem besonderen Verhältniß stand er mit einem Pater Kellermeister in einem Kloster zu Solothurn. In diesem Kloster man die allerbesten und schönsten Fische, so daß man auf einen Tauschhandel hätte schließen können. Wir glauben allerdings, es sei so was gewesen, aber nicht eigentlich zwischen Wein und Fischen, sondern Sami, der Fischer, verbarg dem Kellermeister Sünden, und der Kellermeister vergab Sami Sünden, leisteten sich gegenseitig große Dienste, waren sich treu unverbrüchlich, von wegen Einer hatte den Andern in der Hand. Wenn Sami auch kein Christ war, wie vorhin gesagt wurde, so hatte er doch großen Respect vor dem Teufel, zu dem wollte er lieber nicht. Er hatte einen großen und starken Glauben, aber nicht zu Gott, sondern an Zaubertränke und Zaubersprüche, und gerade wie er an derselben Macht und Kraft glaubte, glaubte er auch an den Pater Kellermeister, daß er den Teufel so gleichsam im Gütterli (Fläschchen) habe und Macht, ihn darin zu behalten oder ihn loszulassen, und zwar auf wen er wolle, so gleichsam wie man einen Hund von dem Stricke läßt und ihn Jemanden an die Beine hetzt. Hinter dem Herde nun, gegen den Hintergrund des Raumes hin, stand ein großer Steintisch, man hätte ihn fast für einen Altar nehmen können; es war eigentlich auch einer, aber er trug die Opfer eines bösen Gottes. Hier wurden die Würfel geschüttelt und geworfen; was man gewonnen mit dem Einsätze seines Lebens, das ward hier auf die Würfel gesetzt, ward verloren, gewonnen, dann an Dirnen, welche sich immer einfanden nach einem Raube, so wie Bienen, welche sicherlich am Morgen dahin fliegen, wo Honigthau gefallen ist während der Nacht verschleudert oder verschachert, um Nichts an das Gesindel, welches ihnen immer nachzog, wie der Schweif dem Kometen. Schließlich erhob sich nicht selten ein wilder Streit, es setzte Wunden, und feucht von Blut ward die Küche. Die wildesten der Leidenschaften braus'ten hier, ungehemmt durch Sitte und Scham, wild durch einander. Leidenschaften kennen weder Vater noch Mutter, machen keinen Unterschied zwischen Freund und Feind, sie kennen den eigenen Herrn nicht, drehen gerade ihm am liebsten den Hals um. Leidenschaften sind eben Geister des Abgrundes; heraufbeschworen aus dem Abgrunde, gelöst aus ihren Banden, treiben sie Zerstörung rund um sich, zerstören das Haus, in welchem sie wohnen, den Körper, welcher sie beherberget, richten den eigenen Herrn zu Grunde, die Seele, welche sie heraufbeschworen aus den Tiefen; kehren erst wieder zurück in den Abgrund, wenn ihr Werk vollbracht ist, zerstören die Stätte, wo sie weilten, zerstören Leib und Seele dem, der sie herbergete. In diesem wilden, wüsten, höllischen Treiben war Kurt der Beste, ward aber immer zum Besten gehalten, er war der, welcher das Meiste that, das Wenigste davonbrachte, der Riese, den die Zwerge narrten.

War Kurt der Sturmbock gewesen beim Raube, hatte er die Püffe, welche Allen galten, allein aufgefangen, so übervortheilten ihn seine Freunde auch bei der Theilung. War das vollbracht, so trat man zum steinernen Altare, trieb das trügerische Würfelspiel, schwemmte es tapfer ein aus mächtigen Bechern. Der Junker von Flumenthal handhabte die Würfel künstlerisch, so daß sie ihm zu Diensten stehen mußten, sie mochten wollen oder nicht. Der saubere Schwager von Inkwyl stand mit ihm im Bunde, half die Zedern theilen, welche den Andern ausgerupft wurden. Blieb Kurt zuletzt noch Etwas übrig außer dem Rausche, den er sich angetrunken, so borgte es ihm der Landshuter ab. Der war der Lüderlichste unter Allen, wenn Grade unter ihnen stattfanden, hatte Weib und einen Haufen Kinder daheim, und in jedem Walde eine andere Dirne. Bei ihm zu Landshut war die Armuth noch viel größer, als bei Kurt, und oft der Hunger im Hause; Wald und Wasser waren nicht so reich als in Koppigen, und des Landshuters Frau war keine Agnes, fand den Rath nicht in sich, und wenn Jemand ihr einen gab, so wußte sie nicht, was damit machen, das ist fatal. Am meisten betrog Kurt der alte Sami und dessen Weib; sie kauften ihm die Beute ab, nicht um das halbe Geld, versteht sich, und immer wohlfeiler als allen Andern. Dafür aber waren sie auch gegen ihn ganz besonders unterthänig, krochen um ihn herum, wie Hunde um ihres Herren Füße; daraus schloß Kürt, wie noch viele andere Junker bis auf den heutigen Tag, auf ihre Gutmeinenheit und Ergebenheit, traute ihnen unbedingt. Wenn Kurt einmal hätte hören können, was hinter seinem Rucken über ihn gesprochen wurde, er wäre vielleicht andern Sinnes geworden, vielleicht auch nicht, denn Vorurtheile, die einmal fest gefaßt sind, sind zäher Natur, weichen sehr oft den unmittelbaren Eindrücken auf alle fünf Sinne nicht; aber Kurt hatte einen viel zu schweren Tritt, um je unbemerkt in die Nähe und hinter ein solches Gespräch zu kommen. So war Kurt ringsum verrathen und gerade von Denen, welche er für seine Freunde hielt, und Die, welche es im Grunde ihres Herzens allein gut mit ihm meinte, die floh er fast wie die Pest, sah sie oft mehrere Wochen lang nicht; so geht es ebenfalls noch oft in der Welt. Frau Agnes hatte es um Nichts besser, doch war sie eben nicht Eine von Denen, welche dem Unglück sich feig ergeben und bei der ersten Noth die Waffen strecken, sondern sie zog Hosen an und kämpfte im eigentlichen Sinne ritterlich. Ihren wenigen Leuten, welche sie besaß, war sie lieb, sie half wo sie konnte, und wenn Jemand krank war, schmeckten ihm die Tränke viel besser, als die der alten Grimhilde; sie hatte auch gute Worte im Vorrath, welche um so besser wirkten, je ungewohnter sie waren, denn Frau Grimhilde hatte deren nie besessen. Daher stand man ihr auch bei nach Vermögen, so daß ihre Küche nie leer war, die Hände nie fehlten, wenn sie Etwas brauchte, welches in ihrer Leute Bereich war. Es ging also noch bei ihr ohne eigentliches Hungerleiden, in manchem Burgstall oder Schlößchen ging es zur selben Zeit viel elender zu; es war eben keine Zucht im Lande, dieweil kein rechter Kaiser war und Jeder that, was ihm wohlgefiel. Solche Zuchtlosigkeit führt gar manchen Mann ins Unglück und bringt Noth und Elend in die Häuser, über die Familien, und bis hinein ins dritte und vierte Geschlecht reichen die Strafen, welche auf solche Unzucht folgen. Vor Allem drückte Agnes Eins: sie konnte Niemandem Alles klagen, was sie drückte. Mit ihren Schwestern war sie verfeindet, mit Ebenbürtigen stand sie nicht in Verbindung, und bei Untergebenen mochte sie mit Herzensergießungen sich nicht abgeben. Sie vermißte endlich recht sehr ihre Schwiegermutter, dieselbe hatte mit ihrem Keifen den Dienst geleistet, welchen der Wind den großen Wassern leistet, da er sie lebendig erhält durch die Bewegung, in welche er sie bringt, und ließ sie 'mal mit Keifen nach, so konnte sie mit ihr reden, konnte ihr klagen, konnte sie fragen; sie stellte doch noch Jemanden vor, der Antheil an ihr nahm und mit dem sie von des Hauses Nutzen und Schaden reden konnte. Wenn Weiber über Etwas reden können, ist's immer ein großer Trost für sie, es wird ihnen am das Herz, als sei die Sache schon halb gemacht.

Der Winter war wieder gekommen über das Land herb und streng. Der Winter war für Frau Agnes keine schlimme Zeit. Das Holz brauchte sie nicht zu kaufen für achtzehn Thaler das Klafter, und in solchen Wintern war um Koppigen herum bei den warmen Quellen, welche nie einfroren, Wild genug, und zwar Hornvieh und Federvieh, über deren größere Nützlichkeit jüngst im Kanton Bern sich ein sehr spitziger Krieg erhoben hat. Für damalige adelige Strauchreiter war es eine schlimme Zeit, eine Art von Fastenzeit. Im Winter, und bei den damaligen heillosen Verbindungsmitteln, stockte der Verkehr. Fuhren waren nicht auf den Straßen, Wanderer selten und noch seltener solche, bei denen etwas zu erjagen war. Im Winter zudem sind Fährten sicherer zu verfolgen, wenn Jemand Lust zur Jagd hat, Wildschweinen und räuberischen Junkern ist's möglich aufs Fell zu kommen. Die Herren lebten also sehr knapp und mißmuthige Gesichter machten sie in ihrem Räuberschloß. Im Kessel war zwar immer Fleisch und eine dicke Brühe darum, der Wein war auch noch nicht ausgegangen, aber zu verdienen war nichts, es waren eben schlechte Zeiten, wie man zu sagen pflegt. Märkte gab es nicht, sie mußten sich an Meierhöfe machen oder Klosterhäuser, aber dabei setzten sie sich der größten Gefahr aus, denn wenn das Volk gegen sie in Harnisch kam, so waren sie alsbald verrathen und ausgekundschaftet. So kam Weihnacht heran, aber in dichten Nebel gehüllt, wie sie üblich sind in wasserreichen Gegenden. Die Sonne scheint erloschen, nur noch ein Funke derselben scheint zu kleben am Ende des Dochts. Was man Tag nennt, ist Dämmerung, der Nebel ist so dicht, daß man glaubt, ihn nicht bloß mit Löffeln schöpfen, sondern mit Messern schneiden zu können. In der Hütte sah es aus wie üblich. Das Feuer brannte, auf demselben saß der Kessel, neben demselben die Alte und machte ein böses Gesicht. Die Herren waren gegenwärtig nicht einträgliche Gäste, forderten viel und brachten wenig. Sie hatte, wie gesagt, von Natur eins, welches bereits böse genug gewesen wäre, sie machte es aber jetzt mit Absicht viel böser noch und ließ es so recht leuchten im Scheine des Feuers einer ihr gegenüber sitzenden Figur. Diese schien lang zu sein, streckte magere Beine aus, hatte ein schmal Gesicht, einen spitzen Bart, eine hohe Stirne, weil sie bis in die Mitte des Kopfes, wo keine Haare mehr waren, zu gehen schien: das ganze Gesicht hatte etwas Spitzbübisches, doch sah man an der Kleidung und den Sporen an seinen Füßen, daß er nicht zum ganz gemeinen Lumpengesindel gehöre, sondern zum herrschaftlichen: es war der Flumenthaler Junker, der schäbigste von Allen, der seine Beute zu machen wußte und zu Neste trug. Er plünderte die Andern, ließ sich aber durch Samt und seine Gesellen nicht plündern. Er war der Dirne erster Liebhaber gewesen, hatte sie aber nie durch Geschenke verderbt, darum war ihre erste Liebe nicht bloß erkaltet, sondern in Haß übergegangen. Ueberdies saß er am meisten in der Hütte, das Beste aus dem Kessel, trank Wein für Drei, ließ es sich behagen am warmen Feuer, während die Andern nach einem Stück Wild trachteten oder nach einer Beute schnappten, draußen in hartem Froste und unter Preisgebung ihres Leibes. Ihren Haß zeigte ihm die Dirne auch unverhohlen, höhnte bitter sein Nichtsthun, sein Zehren von Anderer Beute, sprach offen von seinen Betrügereien und übrigen Schlechtigkeiten, aber das kümmerte ihn nichts, er behandelte die Dirne, wie man einen Hund behandelt, welchem die Zähne ausgebrochen sind. Heiter war also die Gesellschaft in der Hütte eben nicht, und langsam schien die Zeit zu schleichen, und immer öfter sah die Dirne nach, ob Niemand kommen wolle. Der erste, welcher die Gesellschaft vermehrte, war der alte Sami. Bart und Haare starrten voll weißen Reifes, und noch weiter als sonst bog sich die Nase vor aus dem gekrümmten Gesichte. Er war dem Fischfang obgelegen, brachte einen schweren Lachs oder Salm, wie man sie in dieser Gegend nennt, heim, den er mit dem Ger geworfen, und prächtige Forellen, welche er in eigenthümlichen Netzen, die man Wartlef nennt, in der Nähe ihrer Laichgruben gefangen hatte. Obschon die Beute gut war, war doch seine Laune schlecht, denn das Fischen in dieser Jahreszeit war eine kalte Sache und Sami nicht mehr in den Jahren, in denen man sich aus der Kälte nichts macht. Ueberdem mochte er denken, bei der schmalen Beute und den vielen und hungrigen Gästen trügen ihm die Fische eben nicht sonderlich viel ein. Mürrisch that er dem Flumenthaler, der ihm seinen Becher reichte, Bescheid: er wolle nehmen, während noch da sei, der Wein werde hier, wenn es nicht anders komme, bald eine rare Sache sein, setzte er hinzu.

Der Flumenthaler ließ sich durch diese Bemerkung weder in seinem Trinken noch in seinem Behagen stören, doch ward ihm nachgerade die Zeit auch lang, da keiner der Spießgesellen kommen wollte, und die Nacht in der Hütte die draußen einbrechende Abenddämmerung verkündete. Unheimlicher noch ward es drinnen, giftiger flogen die Worte hin und her. Es schien ein verlorner Tag werden zu sollen, der nichts brachte als aus den Herzen herauf auf die Zunge den allerbittersten Bodensatz. Endlich wieherte draußen ein Roß; vorsichtig öffnete der Alte. Draußen stand Kurt weiß von Schnee, und quer über das Roß schien nackt und todt ein Mensch zu hängen. Da ward der Alte noch giftiger und fragte, ob sie nichts mehr zu fangen wüßten als Leichen, und ob sie fürohin mit Menschenfleisch ihren Hunger stillen müßten? Da ließ Kurt den vermeintlichen Leichnam vom Pferde rutschen 'dem Alten vor die Füße purzeln, daß der, obgleich sonst nicht erschrockener Natur, weit in die Hütte zurückfuhr. Der Flumenthaler kam herbei, und da fand es sich, daß es kein Mensch, sondern ein abgestochenes großes, zahmes Schwein war. Nun gab es Spaß, und einige Sonnenblicke fuhren über die Gesichter. Kurt erzählte, wie der Landshuter, der Inkwyler und er hungrig umhergeritten seien, ohne Etwas aufzustechen. Schon seien sie räthig geworden, beim Pfaffen zu Kriegsstetten einzusprechen und ihm mit guter Manier zu Ader zu lassen. Da er zwar sehr herrschsüchtig sei und gewaltthätig, jedoch seine bedenklich schwachen Seiten hätte, hätten sie gedacht, sie könnten dies probiren ohne große Gefahr. Schon hatten sie ihr Vorhaben ins Werk gesetzt, als ihnen der reiche Müller von Subigen in die Hände fuhr, er wollte mit zwei schweren Müllerschweinen und viel Mehl von allen Sorten nach Solothurn. Wohl war der Pfaff von Subigen sein ordinärer Beichtiger. Aber so ein Müller von Subigen hatte so viel Gelegenheit zu extraordinären Sünden, daß er alle Jahre um Weihnachten in die Stadt fuhr und dort bei den Kapuzinern gründlichen Ablaß suchte. Er wollte seiner Sache sicher sein und sie nicht so ungefähr haben, denn, sagte er, schlechter würde sich im Fegefeuer Niemand ausnehmen, als ein weißer Müller, denn bis er schwarz gebrannt Ware, wie die Andern von Natur seien, müßte er Höllenqualen leiden. Dem Dinge wollte er also zuvorkommen, und sorgte freigebig dafür. Sie warfen ihn also nieder, was ein schwer Stück Arbeit war, fanden bei ihm noch einen schweren Beutel, in welchem Geld war, machten sich damit fort, verscharrten im Walde, was sie nicht auf ihren Pferden fortschleppen konnten, und suchten auf verschiedenen Wegen ihre Herberge, wo also Kurt der Erste war; die Andern kamen jedoch bald nach. Nun, es war also der Tag nicht eitel gewesen, sondern Etwas zum Theilen da, was alsbald zur Hand genommen, doch nicht ohne Zank vollbracht ward.

Manch hartes Wort mußte der Flumenthaler hören über seine Faulenzerei am warmen Feuer, schuldig blieb er die Gegenrede nicht, sondern warf ihnen vor, daß sie die Abrede nicht gehalten, er sie an dem bestimmten Orte nicht gefunden, nicht in der Irre habe umherreiten wollen, sich zum Besten halten lassen u. s. w. In Zorn hinein redeten sie sich, im Zorn aßen sie, was unterdessen bereitet war, im Zorn traten sie an den Tisch zum Spiel. Da verging der Zorn erst nicht, sondern ward alle Augenblicke heißer, denn beim Spiele ging es wie üblich, dem Flumenthaler zu Gunsten fielen fort und fort die Würfel. Bald war der größte Theil der baaren Beute sein, und je zorniger Kurt ward, desto höhnischer grinzte der Flumenthaler ihn an; sein spitzer Bart schien boshaft geradeaus zu stehen und in zwei Halsten gesondert Rübchen zu schaben. Da fuhr Kurt der Zorn ins Haupt wie eine Feuerflamme durch ein Strohdach, er faßte den steinernen Krug, der neben ihm stand, und warf ihn nach des Flumenthaler's spöttischem Gesichte. Diesem hätte sein Lebtag kein Zahn mehr weh gethan, wenn der Krug sein Ziel erreicht, aber mit Kurt so gut bekannt, als mit seinen Würfeln, war er auf seiner Hut, beugte aus und stieß mit dem Dolche nach dem auf ihn einstürzenden Kurt, aber traf ihn eben auch nicht. Ein plötzlicher Stoß von der Seite her ließ ihn taumeln weit durch die Hütte hin, daß er Mühe hatte, auf den Beinen zu bleiben. Die Dirne hatte das gethan, sie sah den Streit voraus und rüstete sich, dafür zu sorgen, daß der Vortheil nicht auf des Flumenthaler's Seite sei, wie es bei seiner Tücke und Kurts Ungestüm schon mehr als ein Mal der Fall gewesen war. Kurt, einmal ihm Zorne ein wüthender Löwe, wollte ihn fassen mit seinen gewaltigen Händen, hätte ihn erwürgt damit. Da warfen sich die Andern dazwischen, wollten Mitteln wahrscheinlich. Aber Niemand stiftet leichter Streit, als halbtrunkene Vermittler. Schwerter wurden blank, Hiebe wurden gewechselt, gebrüllt ward von allen Seiten, mit einem Feuerbrand fuhr die Dirne unter die Streitenden, dem Flumenthaler nach dem Gesichte, der hielt den Dolch entgegen, Blut floß, Leben wären entflohen, denn die Vermittler waren die zornigsten Streiter geworden. Der Alte fuhr mit einem langen Ger daher, als er das Blut seiner Tochter sah. Da krachte es über ihnen, und mitten unter sie hinein stürzte plötzlich ein dunkler Körper. Wohl, da fuhren sie auseinander, wie Funken aus glühendem Eisen fahren, von der Schmiede schwerem Hammer getroffen, oder wie schwatzende Weiber auseinander fahren würden, wenn mitten unter sie eine Bombe fiele. Das hereingeplatzte Wesen war wie zu einem Klumpen gerollt am Boden, accurat wie es der Teufel machen soll, wenn er wie vom Himmel herab unter die Leute fällt und sich Den ausersieht, mit welchem er davon fahren will.

Es war auch Keiner unter ihnen, der ihn nicht für den Teufel gehalten hätte. Das Plötzliche ist es, was heraussprengt das Eigenthümliche in den Tiefen der Seelen, und dies ist bei den Ruchlosesten und scheinbar Ungläubigsten zumeist der dickste Aberglaube. Sami, dein Dach mußt neu machen, es hält ja keine Krähe mehr, geschweige einen Menschen, so sprach endlich das dunkle Wesen mit kläglicher Stimme und rieb sich die Beine. Da erhob sich ein lautes Gelächter rings aus allen Ecken der Hütte, wohin die Erschrockenen sich geflüchtet, sie erkannten die Stimme des vermeintlichen Teufels, sie gehörte Xaveri, dem Erzschelm. Lachend und spottend umringten sie den gefallenen Teufel, und Lachen und Spotten wollte nicht enden, bis Xaveri endlich zornig ward und sagte: Es sei ihm leid, daß er hier lauter Narren finde, er wolle weisere Leute suchen, um ihnen die Nachricht, welche er habe, mitzutheilen. Potz Kukuk, wie rasch verstummte das Gelächter, näher drängte sich Jeder das Wichtige zu vernehmen, und Wein und Zorn und Angst, Alles war verschwunden, und nur der Raubinstinkt streckte die Fühlfäden aller fünf Sinne aus, als wie die fünf Finger, um die wichtige Nachricht zu hören. Heute war ich in Solothurn, sprach Xaveri, um einigen Fräuleins, welche gerne Männer hätten, zu weissagen, ob sie welche bekämen, und was für welche? Das wäre ein gut Geschäft, sie geben, was sie haben, wenn man ihnen sagt, sie kriegten Einen, haben aber leider nicht eben viel zu geben. Hatte dann bei einem Domherrn viel zu thun, er hat Hühneraugen, die Köchin Hühner, diese Hühner mußte ich das Legen lehren, welches sie bisher nicht konnten, trotz Hafer und Grütze, welche an ihnen nicht gespart wurden. Die Köchin war sehr beschäftigt, ich wußte lange nicht warum, vernahm endlich, es würde diesen Abend ein Zug von geistlichen Herren und einigen reichen Familien von Solothurn nach Fraubrunnen aufbrechen, um dort die Weihnacht würdig zu feiern, den Dienst der Kirche zu versehen und die verwandten Schwestern, Fräuleins aus den vornehmen Geschlechtern, zu besuchen. Da wäre Beute, dachte ich, das Beste, was Jeder hat, zieht er an, und mit leeren Händen geht Keiner. Ich forschte nach dem Geleite und vernahm, daß es nur aus einigen Klosterknechten bestehen solle, mehr zum Dienste, als zum Schutze, denn an Gefahr auf dem kurzen Wege in befreundetem Lande denkt Niemand. Da mache ich mich auf die Beine, renne her, es euch anzusagen zu rechter Zeit, klopfe, pfeife draußen, Niemand hört mich, drinnen ist höllischer Lärm und Geschrei. Da krieche ich aufs Dach, will runter sehen und rufen, aber wie ich oben bin, bricht es ein; glücklicher Weise bin ich nicht in den Kessel gefallen zum andern Fleisch; geschunden bin ich wohl, doch lieber geschunden als gesotten. Aber jetzt thut Eile Noth, wenn ihr was wagen wollt.

Wie die Katze vor dem Mauseloch, hatten die Bewohner der Hütte die Ohren gespitzt bei diesem Bericht. Zorn und Rausch waren verflogen, wie abgejagten Hunden die Müdigkeit, wenn eine frische Fährte ihnen unerwartet vor die Nase kommt. Verwandelt wie durch ein Zauberwort war auf einmal das Leben in der Hütte. Die Weibsbilder mußten in den sogenannten Stall, der eigentlich mehr ein Loch war als ein Stall; keinem vernünftigen Menschen wäre eingefallen, dort Pferde zu suchen, aber eben das wollte man, als man ihn einrichtete. Die Männer aber setzten sich ums Feuer, suchten neue Stärkung im Kessel und hielten Rath in aller Besonnenheit. Man sah, es war nicht die erste derartige Berathung, sie war rasch und kurz; alsbald war der Nagel auf den Kopf getroffen; zu Deputirten in erster oder zweiter Kammer, oder gar zu schweizerischen Tagsatzungsgesandten hätten sie durchaus nicht getaugt. Es wäre, beiläufig gesagt, sehr wünschenswerth, man würde, um den Werth einer Rede zu bestimmen, vom bisherigen Längenmaße ab - gehen und wieder die Schwere zum Schätzungsmittel nehmen, mit Centnern wägen, statt mit Klaftern messen. Der fürchterliche Nebel, in welchem man am Hellen Tage nicht drei Schritte vor sich sah, machte die Nacht undurchdringlich, war eine bessere Deckung als Wald oder Berg. So konnten sie zum Ueberfall eine freie Stelle wählen, wo sie im Fall der Noth nach allen Seiten auseinanderstäuben und ihren Schlupfwinkeln zureiten konnten auf ihnen Allen bekannten Wegen durch Emme, Busch und Sumpf, denn zwischen ihrer Hütte und der Straße von Solothurn nach Fraubrunnen floß die Emme, welche in dieser Jahreszeit leicht zu durchreiten war, wenn man die Gelegenheit kannte, aber halsbrechend, besonders in Nacht und Nebel, für Unbekannte. Die passendste Stelle zum Ueberfall schien ihnen unterhalb Bätterkinden zu sein, im ebenen Lande, auf freier Haide, wo man einen Ueberfall am wenigsten erwartete, der Zug dann doch am leichtesten von allen Seiten zu fassen war und ringsum der Weg zu Flucht oder Rückzug offen.

Der beste Rath war rasch und einstimmig an genommen. Diese Strauchritter, welche sich kurz zuvor ans Leben wollten, machten sich nicht muthwillig Opposition, nur um sich selbst geltend zu machen; was dem Zweck am besten diente, das entschied. Waren halt weder Advocaten noch sonstige Schreiber. So einstimmig waren die Pferde nicht; allen, das des Flumenthaler's ausgenommen, welches geschont war und Ruhe gehabt, war der nächtliche Ritt zuwider, sie sträubten sich gegen neues Satteln und Zäumen, die Junker mußten selbst dazu sehen und ihre selbsteigene Autorität gebrauchen. Dieser unterzogen sich denn auch die Thiere, wenn auch mißmuthig, ließen sich aus dem Loche ziehen, wenn auch langsam, als ob sie bei jedem Beine, welches sie heben sollten, erst überdächten, ob sie eigentlich wollten, oder ob sie nicht wollten.

Solothurn, die uralte Stadt, war von je hoch berühmt wegen vielen Dingen, berühmt wegen Fabrication von Schwefelholz und Vogelkräzen, wegen Gottseligkeit und Frömmigkeit, wegen Fastenspeisen und Lustigkeit, wegen Treuherzigkeit und Behaglichkeit. Essen that man, was man hatte, und je besser, desto lieber, trinken ebenso, und wenn man im Zweifel stand, ob man hinreichend habe für sich, begehrte man keinen fremden Gast; die Erfahrung hatte sie zu der Erkenntniß gebracht, daß bloß Selbstessen fett mache. Man fastete dort nie länger, als man mußte; hatte man selbst nichts, suchte man was anderwärts, am liebsten was Gutes; Fasttage liebte man mehr als Arbeitstage, und bei hinreichenden Schnecken zu dienlichem Sauerkraut, ellenlangen Forellen, tellergroßen Fröschen und Krebsen wie alte Katzen hätte man sich eine Verlängerung der Osterfasten gefallen lassen.

Fraubrunnen war ein junges Frauenkloster, lag in der Mitte zwischen Bern und Solothurn, drei Stunden von jedem Orte entfernt, gehörte nicht zum strengsten Orden; aus den vornehmsten Familien beider Städte stammten die meisten Nonnen. Das Kloster lag in einer lieblichen und reichen Gegend, noch jetzt berühmt durch Korn und Stiere, Schnepfen und Fische, Reb - und andere Hühner. Mit beiden Städten war das Kloster in steter Verbindung, in freundschaftlicher und kirchlicher, denn zu feierlichem, würdigem Gottesdienste an großen Festen, wie Weihnachten z. B., bedurfte es auswärtiger Hülfe, in sich hatte es die Mittel nicht. Doch neigte sich das Kloster mehr nach Solothurn hin, hatte mit dieser Stadt den stärkeren Verkehr.

In Solothurn war von je der südliche Sinn, welcher große Kirchlichkeit nicht bloß, sondern auch große zeitweise Zerknirschung mit heiterem Weltsinn und fleischlichen Genüssen auf wunderbare Weise zu vereinigen weiß. Diese wunderbare Mischung fand schon damals in Klöstern und namentlich in weiblichen statt. Der Kampf des Fleisches mit dem Geiste wird bestehen, so lange die Erde in ihren Angeln geht, und eben so lange wird die Vermittelung zwischen beiden gesucht, nach welcher ein inniges Sehnen ist. Die wahre Vermittelung geschieht durch Christus im Inwendigen, daß der neue Mensch aufersteht, die Zügel führt, dem alten Menschen seine angeborenen Rechte läßt, aber keine mehr. Die falsche Vermittelung hat der Teufel in die Welt gesetzt, um abzulenken von der wahren; es ist eine äußere, durch Ceremonien, äußern Dienst, zeitweise Züchtigung des Fleisches. Je größer diese Buße wird oder scheint, desto mehr wird dem Fleische zeitweise gestattet, desto kräftiger macht es seine Rechte geltend, weil es der Bezahlung sich gewiß glaubt. Diese Vermittelung hatte sich auch in manchem Kloster festgesetzt und thronte dort sichtbarlich und fiel, als in Einem Orte auf Viele zusammengedrängt, weithin in die Augen. Wahre Christen nahmen von je an dieser Vermittelung und solchen Klöstern, welche dieser Vermittelung sichtbare Repräsentanten waren, welche thaten, als entsagten sie der Welt, jedoch nur um sie desto besser und sicherer zu genießen, ihr Aergerniß.

Einem großen Theile der Welt waren damals solche Klöster willkommen; man fand dort die Vermittelung, welche der weltliche Sinn liebt und welche ein unerleuchtet Gewissen befriedigt. Wenn der Mensch zum Selbstgötzen wird, dann scheint ihm jede Vermittelung unnöthig, ja ein Majestätsverbrechen gegen seine Selbstherrlichkeit, dann haßt er alle Klöster, in welchen irgend eine Vermittelung, sei es die wahre, sei es die falsche, sichtbarlich oder gleichsam personifizirt in die Welt hineintritt, ja Steine hebt man auf gegen den hohen Vermittler selbst und will ihn steinigen mitten in dem, was seines Vaters ist. Seltsam war zur selben Zeit die Welt voll Furcht und Lust, voll Andacht und Wildheit, daher hoch beliebt die äußere Vermittelung. Wir wollen nun nicht sagen, die Berner seien der ächten Vermittelung mehr zugethan gewesen als die Solothurner, und die Welt sei weniger mächtig über sie gewesen, sondern bloß das wollen wir sagen, daß die Berner für Wünsche der Klosterfrauen weniger Sinn gehabt, der Ehrgeiz war mächtig in ihnen, und in dessen Dienste ging ihnen Anstrengung über Genuß, sie entschuldigten sich daher gar zu oft bei anderweitigen Ansprüchen mit Mangel an Zeit und wichtigen Geschäften; freilich war es selbst dazumal bloßer Vorwand, indem sie an einem bequemen Behagen viel wohler lebten, als an einem Genusse, der etwelche Bewegung erforderte. Der Berner, welcher nach dem fünfzigsten Jahre noch den Narren mit Tanzen macht, ist ein rarer Vogel und muß stark blonde Haare haben.

Wenn an andern Orten im Lande der Nebel einem Erbsmuß gleicht, so ist er in Solothurn accurat wie eine Chocoladecreme, Geruch und Geschmack ausgenommen. Ein solcher Nebel ist keiner Reise förderlich, sondern macht schwerfällig, legt sich wie Blei über jede Bewegung, lähmte sogar die Köchinnen, welche die Vorräthe bereiteten, welche die edlen Herren mitzunehmen gedachten. Es war nämlich nicht ein Ritt hungriger Ritter, welche wie Heuschrecken über ein Kloster herfallen wollten und, einmal eingebrochen, nicht abzogen, bis der letzte Bissen gegessen, der letzte Tropfen aus dem Keller getrunken war. Es waren geistliche Väter und leibliche Verwandte, welche den jungen Schwestern Geschenke aus der Welt bringen und ihnen nicht lästig fallen wollten, denn, wie gesagt, das Kloster war jung, hatte zu leben, war aber nicht reich, wurde es erst später. Als man in den dichten Nebel vor die Thüre kam und abreiten wollte, trat noch mancher ältliche Herr zurück, versah sich mit währschafteren Tüchern, doppelten Pelzen und versäumte darob sich länger, als er dachte. Ohnehin geht's, wenn Viele zusammen reisen und Alle dem Letzten warten wollen, oft eine Ewigkeit, bis endlich dieser Letzte da ist und vom Lande gestoßen werden kann.

Endlich waren die dicken Herren alle auf ihre Pferde gekugelt; die mageren saßen längst oben und thaten ungeduldig, mochten nicht erwarten, bis sie als Nebelspalter vorausreiten konnten. Einige Mütter und einige Brüder, welche Schwestern im Kloster hatten, schlossen sich an, und hinterdrein kamen einige Saumrosse und zuletzt einige Knechte, bewaffnet wie bräuchlich. An Gefahr dachte man übrigens, wie gesagt, durchaus nicht, wenn auch Alle, die geistlichen Herren nicht ausgenommen, bewaffnet waren. Wer nichts hatte, sich zu wehren, mußte darhalten vor allen Andern, so war es schon damals; freilich sagte man damals ebenfalls auch schon: Wehr 'dich nicht, es schickt sich nicht! So war es finster geworden in Solothurn, ehe man abritt. Gasbeleuchtung hatte man damals noch nicht in Solothurn, indessen war die Straßenbeleuchtung gut wie jetzt, wenn der Mond schien, und noch besser, wenn die Sonne schien; aber wenn der Nebel ist wie ein Wollhut und Nacht dazu, was helfen da Laternen, und wären es Pariser. Mit Noth fand man die Brücke über die Aar, die Aar selbst sah man nicht, hörte sie bloß rauschen. Da hielt man jenseits, die Knechte mußten die Fackeln anbrennen, die Herren stärkten sich durch einen tüchtigen Schluck bei der Herberge innerhalb dem Thore; die Damen nahmen zwei Schlücke, freilich etwas kleinere, sie vertrugen die Schlücke schon damals recht gut; begreiflich: es ist kein Boden, welcher so viel Nasses schluckt und so leicht verbrennt, wenn das Nasse fehlt, als der Kalkboden, aus welchem bekanntlich die Solothurner gewachsen sind. Es war eine merkwürdige (romantische, würde man heutzutage sagen) Fahrt: ungefähr drei Dutzend Reiter von allen Arten, mehr als ein halbes Dutzend Fackeln, rabenschwarz die Nacht, so weit die Fackeln den Nebel nicht blutroth färbten, voll weißen Reifes die sonst schwarzen Tannen, hie und da rosenroth angehaucht von blutroth gefärbtem Nebel, dazu viel Lachens und Schwatzens, hie und da ein lauter Aufschrei, wenn ein Pferd einen Satz that, ohne daß ein Mensch wußte, warum, und dann Allen einfiel, wie die Pferde gewahrten, was den Menschen verborgen bleibe. So zogen sie durch den langen wüsten Wald Hügel ab Hügel auf, waren in Lohn, ehe sie daran dachten, und ließen sich von den gastfreien Pfarrherrn, der sie erwartete und über beim Warten fast erfroren war, trefflich erquicken. Dann ging's unter manchem Stolpern den jähen Berg ab durchs sumpfige Thal hinauf in den schauerlichen Altisberg, in dem verirrte Römer schlummern sollen den Tag über und Nachts den Weg suchen nach dem schönen Lande Italien hin, ohne ihn finden zu können. Suchen und immer suchen zu müssen, ohne je finden zu können, ist schauerlich. Allen ward es unheimlich, und dichtgedrängt ritten sie; die Römer ließen sie in Ruhe, sie kamen glücklich aus dem Walde, glücklich über die Brücke des trügerischen Moosbachs, Limpach genannt, wahrscheinlich Lehmbach ursprünglich, da hier Lehm und Lehmart überall die Hauptrolle spielt in den Aeckern und in den Herzen. Im freien Lande schwand das Bangen, und rascher ging es dem sich nahenden Ziele zu; seltsam glühte der Nebel, es war, als wenn der Straße entlang derselbe zu Gestalten sich geballt, welche lautlos hielten und gleichsam Spalier bildeten, nie Soldaten an der Straße, durch welche der König zur Messe schreitet. Plötzlich fährt ein gellender Pfiff durch den Nebel, fährt Mann und Roß durch Mark und Bein, lebendig wird der Nebel, wilde Gestalten zu Fuß und zu Roß werfen sich von allen Seiten über den Zug, werfen die Reitenden von den Rossen, ehe sie sich aus den warmen Gewändern gewickelt, die Waffen blank gemacht, oder die Pferde gewendet, das Heil in der Flucht gesucht. Wenigen gelang diese, fast der ganze Zug war zusammengeworfen, ehe man ein Vater Unser hätte beten können; auf die Niedergeworfenen warfen sich die Plünderer, wälzten sich mit den Widerstandleistenden am Boden; Geschrei und Fluchen, schlagende Pferde und blutroth glimmende Fakeln, welche besonnen die Räuber brennend erhielten, es war ein wildes, gräuliches Bild. In der Mitte dieses Bildes war ein grimmiger Kampf: wild schlugen die Reiter, wild bäumten die Pferde sich, Jammergeschrei ringsum von den von wilden Husen Getretenen, Geschlagenen. Zwei wilde kampfgewohnte Junker hatten ihre Mütter geleitet, wollten ihre Schwestern besuchen; Gibeli hieß der Eine, Gäbeli der Andere. Der Anprall hatte sie nicht niedergeworfen, an Flucht dachten sie nicht, ihre Schwerter hatten sie frei bekommen, gebrauchten sie mit Macht, und mehr als eine der seltsamen Gestalten, welche aus dem Boden hervorgewachsen, aus dem Nebel geballt seinen, sank heulend zusammen. Kurt und der Landshuter ließen die Beute, warfen sich ihnen entgegen, während die Andern die Tenne fegten und in Sicherheit brachten, was sie errafft. Der Kampf war hart, die Junker waren keine Milchbärte, schienen im Feuer gehärtet, waren gut gerüstet, machten den beiden Strauchrittern heißes Blut, heiß rauchte es aus mancher Wunde in die kalte Winternacht hinein; zweifelhaft war das Ende. Da floh windschnell der Flumenthaler, der Fliehende gegen Fraubrunnen hin verfolgt hatte, vorüber, rief dem Landshuter was zu, führte im Vorüberjagen einen scharfen Hieb, traf Kurt statt einen Junker und verschwand im Nebel. Der Landshuter hob sich hoch in den Bügeln, schmetterte sein Schwert mit aller Kraft ans seines Gegners Haupt, daß dasselbe betäubt sich bog bis auf den Sattelknopf herab, sprengte dann dem Flumenthaler nach der Emme zu. Vom Flumenthaler getroffen, doch nicht schwer, war Kurt plötzlich zwei Gegnern gegenüber allein; da erfaßte ihn eine ungeheure Wuth, was in der Hütte so rasch erloschen, loderte jetzt doppelt so wild wieder auf; er hieb sich frei, stürmte den Andern nach in den Nebel hinein. Sobald die Waffen schwiegen, hörte er von Fraubrunnen her wilden Rosseslauf einer ganzen Schaar schon ganz nahe; da erst ward ihm klar des Flumenthaler's Verrath, der ihn den Feinden in die Hunde liefern wollte. Tief in seines Rosses Leib fuhren seine Sporen, und ehe sie an der Emme waren, hatte er die Andern erreicht, hieb den Flumenthaler vom Rosse, stürzte sich auf den Landshuter; aber hinter ihnen schnaubten Rosse, die Sorge für ihre Sicherheit trieb sie aus einander und über die Emme. Es waren nämlich in Fraubrunnen mehrere Edle aus der Umgegend eingeritten, um bei dem glänzenden Gottesdienste im Kloster die heilige Nacht zu feiern; auch von Bern waren Einige gekommen ihren Verwandten zu Lieb und Ehre. Als die von Solothurn immer nicht kamen, als es längst Nacht geworden war, bangte man, es möchte ihnen etwas zugestoßen sein, und die Herren wurden räthig, ihnen entgegenzureiten. Daß die Gegend unsicher sei, war zwar bekannt, aber daß die Strauchritter die Tollkühnheit haben sollten, über einen solchen Zug herzufallen, daran dachte man nicht.

Bei allzu langem Ausbleiben von Freunden entsteht ein allgemeines Bangen, und in hunderterlei Gestalten stellt sich das Unglück dar, welches ihnen, wie man glaubt, begegnet sein muß, bis sie wohlbehalten vor einem stehen, oder von Etwas betroffen, an das man eben gar nicht gedacht. In der kalten Winternacht ritten die Herren scharf, und gut war's, denn noch waren sie oberhalb Bätterkinden, als die Flüchtlinge sie ansprengten und Kunde brachten vom Ueberfall. Da spornten sie die Rosse zum schnellsten Lauf, verjagten die Räuber, und wer der Gegend in etwas kundig war, jagte dem Geräusch der Fliehenden nach; sie fingen jedoch Niemanden, denn die Räuber kannten die Gegend doch noch besser, und bei Nacht und Nebel durch Sumpf und Busch, Fluß und Wald Fliehende verfolgen, ist ein schlimmes Unternehmen, welches man aufgiebt, sobald man kann. Da die Verfolger so nahe hinter ihnen waren, ritt Kurt, um der allgemeinen Sicherheit willen, nicht auf die Hütte zu, sondern hielt sich rechts weiter hinauf. Die Rache kochte in seinem Herzen, blutig sollte sie sein, das nahm er sich vor, und noch in dieser Nacht wollte er sie vollziehen.

Die verfolgenden Feinde blieben zurück; Kurt ließ ab vom harten Jagen, und in dem Maße, als sein Hengst langsamer ging, kühlte sich sein Blut ab, kehrte die Besonnenheit zurück, rascher als vielleicht vor einigen Jahren noch. Aber es bringen allgemach die Jahre dem Menschen, der nicht ganz hirnlos ist, die Besonnenheit, welche die Kräfte wiegt und den Erfolg ermißt. Es war ja möglich, daß Hinterhalt gelegt, die Hütte gesucht, gefunden, umstellt wurde, und war das Alles nicht, was sollte er allein unter den Andern, allein, wo Alles gegen ihn, Niemand für ihn sein würde? Denn wenn schon das Gesindel, welches sich sicherlich auch einfand, ihm am besten wollte, weil es den größten Nutzen von ihm zog, so würde es doch in diesem Falle es mit der Mehrzahl gehalten haben, wie üblich damals und jetzt. Müde und wundenmatt, nahm er sich vor, heimzukehren und einen andern Tag zur Rache zu erwarten.

So ritt Kurt langsam über das Feld, auf welchem jetzt Utzenstorf so unendlich lang sich ausstreckt, ritt dem Walde zu, hinter welchem sein Schlößlein lag. Je langsamer er ritt, vor Verfolgung sicher und um das Roß zu schonen, desto schneller wirbelten ihm die Gedanken, welche ihm sonst so langsam kamen und gingen, durch den Kopf. Die Rache brütete Pläne, der Stolz des Geschlechtes stieg in ihm auf, die Scham, daß er nichts Anderes geworden als ein Räuber, dazu die Stichscheibe der Andern, regte sich; die Frage: und jetzt, was willst du? stand wie ein schwarzes Gespenst vor ihm in dem dicken, schaurigen Nebel. In seine Gedanken versunken, ließ er sein Roß nach Belieben schreiten durch Nebel und Schnee, und da auf dem weiten Felde keine besondern Merkmale standen, welche anzeigten, ob man weiter oben oder weiter unten sei, so kam er viel weiter unten an den Wald, als es sonst zu geschehen pflegte; gerade unten an dem einzigen Hügel, welcher auf dem großen Felde und am Walde liegt, der Willenrain geheißen; an demselben merkte er, wo er war. Er hielt nun aufwärts südöstlich, ritt zwischen mächtigen Eichen dem Bachtelenbrunnen zu, wollte unten an der Bürglen durch den nächsten Weg nach Koppigen. Daß es die heilige Nacht war, daran dachte er schon nicht mehr, viele Gedanken auf einmal barg er in seinem Kopfe nicht; hätte er noch daran gedacht, er hätte sicherlich den Bachtelenbrunnen und Bürglen gemieden, denn daß es dort in der heiligen Nacht nicht geheuer war, das war ihm gar wohl bekannt. Es war eine rohe, wilde Zeit, roh und wild war zumeist, was im Leben sich zeigte, daneben mochten wohl in vielen Herzen herrliche Gefühle blühen, der Friede Gottes sich wölben, ein hehrer Geist durch viele Häuser wehen, denn große Thaten sah man hie und da ins Leben treten, die einen tiefen Grund haben mußten, nur von hoher Kraft geboren waren. Roh, wie seine Zeit, war Kurt; das Zeichen des Kreuzes machte er wohl in Nothfällen, aber dessen Bedeutung kannte er kaum; an den Teufel glaubte er ebenfalls, wie wir gesehen, und aus diesen beiden Stücken allein mochte seine Religion bestanden haben. Im Walde herrschte ein schauriges unsichtbares Leben; über den Eichen schwirrte mit ihrem gräulichen Rufe die Wiggle, es rauschte in den Büschen, wilde Schweine schnauften vorüber, hungrige Wölfe heulten durch die Nacht, jagende Füchse kläfften langsam und furchtsam hier und dort. Kurt achtete nicht darauf, es waren ihm gewohnte Dinge; an irgend einen Fang dachte er nicht, er war zu abgespannt dazu. Matt und vorsichtig schritt sein Hengst durch den Wald, seit ihn die Sporen nicht mehr trieben; er hatte einen gar zu strengen Tag gehabt. Auf einmal begann er unruhig zu werden, warf hoch auf den Kopf, drängte zur Seite, schnoberte gar wunderlich in die Nacht hinein, zuckte zusammen mit dem ganzen Leibe, weckte Kurt, daß er achtsam ward, fest in den Sattel sich setzte und mit Kunst und Gewalt das Roß zusammennahm und vorwärts drängte. Anfangs glaubte Kurt ein wildes Thier in der Nähe, vor welchem das Roß scheute; aber von einem solchen war nichts zu merken, es erfolgte kein Angriff, er hörte kein verdächtiges Geräusch, und doch je weiter er in den Wald hineinkam, desto heftiger schlotterte das Roß, drängte rückwärts, bäumte sich, drehte sich rundum auf den Hinterbeinen. So Etwas hatte Kurt nie erlebt; er brachte sein Roß mit Angst und Noth hinaus bis auf den Platz, in dessen Mitte der Bachtelenbrunnen quillt, und ward dabei selbst angesteckt von des Rosses Angst und Beben. Es war ein gar vortreffliches Roß, von edlem Blute, ein vielbewährtes, das einzige Geschöpf, welches Kurt ordentlich am Herzen lag, und dem er seine Aufmerksamkeit schenkte; draußen auf dem Platze stellte es seine Beine vorwärts, stemmte sie mit aller Gewalt gegen den Boden, als ob sie wurzeln sollten in demselben, nicht Sporn, nicht Schlag, nicht Fluch brachten es mehr weiter. Es wurde Kurt nicht geheuer im Sattel, er spähte, ob nicht Etwas im Wege liege: ein grimmiger Wolf, ein todter Mensch, oder sonst ein Wesen, welches Pferde scheuen. Er spähte umsonst; blank war der Schnee, und stille war es hier, keine Eule ließ ihren Ruf ertönen, kein Wolf heulte durch die Nacht; da schien es ihm, als verdichte sich vor ihm der Nebel zur schwarzen Wand und langsam klaffe diese wieder auseinander, es wölbe sich ein ungeheures Thor, hinter demselben sei grause Finsterniß, ein unendlicher Abgrund. In dieser Finsterniß begann es zu brausen und zu toben, und näher und näher tobte es, wie aus des Berges Bauch der Bergstrom tobt. Es war, als rolle aus dem Abgrund herauf ein fürchterlicher Knäuel wirrer Töne, im Heranrollen entwirrten die Töne sich, Hundegeheul erscholl, Jagdgeschrei wüthender Jäger, des Waldes Thiere alle heulten durcheinander wie in Todesangst. Wie der Blitz durch den Himmel fährt, der Gedanke durch die Seele, vom Auge ins Herz hinab die Angst, braus'te durchs schwarze Thor auf ihn ein die wilde, die wüthende Jagd; gräßlich schrie sein Hengst auf, wandte sich in wüthendem Jagen zur Flucht. Da schien es Kurt, er schrumpfe mit seinem Rosse zu Einem Thiere zusammen, es war ihm, als sei er das Wild geworden, hinter ihm her rase die wilde, die wüthende Jagd; war er zum Schwein, war er zum Hirsch geworden, er wußte es nicht, aber jedes Haar auf seinem Felle sträubte sich, jedes Haar ward zum Auge, und jedes der tausend und tausend Augen schickte Todesangst und Höllenpein ins Herz hinein; jedes Auge sah andere Gräuel, eigene Schrecknisse, jedes füllte das Herz mit unsäglicher Angst, trieb zu schnellerem Laufe. Hinter sich her sah Kurt die schrecklichen Jäger, sah ihre Augen voll hundertjähriger Glut, Flammen aus hundertjährigen Bärten, sah sie Speere schwingen, Bogen spannen, sah hinter ihnen drein, schwarz wie die Nacht, den Herrn der Jagd. Nacht war sein Roß, sein Gesicht ein glühender Ofen, war einer schwarzen Wolke zerrissener Schooß, der Strahlengarben sprüht auf die bebende Erde. Kurt an den Fersen saßen die Hunde mit Höllengeheul und Menschengesichtern zahllos, gräßlich, und mit seinen zahllosen Augen sah er jeden Hund, jeden Zug in allen Gesichtern, und er kannte sie alle. An seinen Fersen zunächst hing sein Vater, ein schrecklicher Wolfshund mit blutigem Maule, mit diesem um die Wette schnappte nach ihm eine wüthende Dogge; der Kopf eines Krokodils saß auf ihrem Rumpfe, aber er wußte, es war sein Großvater, nebenbei jagten schäumend und zähnefletschend Großmutter und Mutter, die schreckliche Grimhilde, hinterdrein die Ahnen allzumal, die Verwandten alle in großen Schaaren, verstorbene Freunde, Bekannte mit grausem Geheul und aufgesperrtem Rachen, ein schreckliches Höllenheer. Rings in Busch und Wald sah er hundert und aber hundert Gesichter, und die Gesichter kannte er alle. Es waren die Gesichter Aller, welchen er Leid zugefügt im Leben, sie geschlagen, niedergeworfen, beraubt, erschlagen; Alle jauchzten zur wilden Jagd, riefen: Hatz, Hatz! Ho Sassa! Ho Sassa! und gellend jauchzte vor Allen und klatschte und hetzte ein mageres gelbes Gesicht, und Kurt kannte es wohl: es war das Gesicht des Hausirers, des ersten Menschen, den er meuchlerisch erschlagen. Wilder heulte dann die Meute ihm nach, gieriger stürmten die Hunde auf ihn ein, hieben in sein Fleisch die Zähne; aus Busch und Wald brachen andere Thiere, verrannten ihm den Weg, bäumten sich ihm entgegen, und er kannte auch diese Thiere: es waren Rosse, welche er mißhandelt, grausam hatte hinschmachten lassen, oder muthwillig sie verstümmelt; es waren zahllose Thiere des Waldes, denen er unnöthige Pein verursacht, dem erlaubten Tode unnöthige Marter beigefügt. Ja die Vögel des Himmels, welchen er boshaft die Nester zerstört, muthwillig sie geängstigt und gelähmt, umflatterten sein Haupt, schlugen mit den Flügeln ihm ins Gesicht, suchten ihn zu blenden; ja die Thiere der Tiefen: Fische, Frösche, Aale, Schlangen, die er schrecklich zu Tode hatte schmachten lassen, wälzten sich auf seinen Weg, drängten sich unter seine Füße, damit er gleite, falle, den Höllenhunden zur Beute werde. Immer grimmiger ward die Jagd, immer höllischer heulten die Hunde, wüthender, näher braus'ten hinter ihm her die Jäger, wilder, zorniger umdrängten ihn die Thiere von allen Sorten, und in den Büschen mehrten sich immer noch die Gesichter, riefen hitziger, jauchzender ihr Hatz und Huß, ihr Ho Sassa! Ho Sassa! in die rasende Meute.

Kurt kannte den Wald, der zur höllischen Wildbahn geworden, gar wohl, war er doch kaum eine halbe Stunde von Koppigen, und keine Ecke darin, in welcher er nicht irgend ein Jagdstücklein verübt hätte. Den Wald war er hinaufgetrieben worden auf der Utzenstörfer Seite, bald durch lichtere Waldung, bald durch das dichteste Gebüsch; war er in einer Lichtung, so bog er ins Gebüsch, im Glauben, es hemme die Jagd; aber weder Wald noch Busch hielt das wilde Heer auf, keine Hemmung war für die schrecklich luftigen Gestalten. Als er oben im Walde war, wo das Feld gegen Kirchberg hin wieder beginnt, da wandte er sich, und wie der Fuchs, hart gedrängt, seinen Bau sucht, um vor den nachjagenden Hunden sich zu sichern, so strebte Kurt instinctmäßig nach der Waldseite gegen Koppigen hin in seiner Todesangst. Immer blutiger umbraus'te ihn die wilde Jagd, in die Ohren hatten sich Mutter und Großmutter verbissen, hinten schlug der Vater seine Zähne ein, die ganze Verwandtschaft hing sich in sein Fleisch; da konnte er nicht mehr fort, er war gestellt, heranbraus'ten die schrecklichen Jäger, voran der Ritter auf dem Rosse der Nacht, mit dem Gesichte, flammend wie Höllenglut. Der Ritter stieß ihm den Speer in den Nacken, er fühlte, wie sein Leben durchschnitten war, der Knoten zerhauen, der die Seele festhielt im Leibe. Aber er starb doch nicht, Höllenschmerz flutete ihm durch Mark und Bein; Glied um Glied zischte, und wie abgebrannt durch höllisches Feuer fiel es vom Körper, schien ein eigenes Leben zu erhalten, zu einem besondern Wesen sich zu gestalten, und als die Glieder alle abgefallen waren, da traf ihn der Reiter auf dem schwarzen Rosse mit grimmigem Peitschenschlage, daß ein Wehgeheul ihm aus dem Munde fuhr. Plötzlich war er zum Hunde geworden, zum alleinigen Hunde der Jagd, zum Höllenhunde; die andern Hunde waren verschwunden oder saßen hoch zu Roß unter den Jägern. Nun brauste auf ihn Jagdgeschrei mit Hollah und Hussassa, mit Speer und Peitsche hetzten sie den einzigen Hund zur neuen wilden, wüsten Jagd; mit gräßlichem Geheule jagte er dem Gewilde nach, das vor ihm dahin stob. Es waren seine eigenen Glieder, zu seinem Weibe und Kindern hatten sie sich gestaltet, sein eigen Weib und seine Kinder waren es, die er jagte als Höllenhund mit gräßlichem Geheule; weinend und schreiend liefen, purzelten sie vor ihm her, er hinter ihnen her mit höllischem Geheule, hinter ihm her die schrecklichen Jäger, mit Peitsche und Speer ihn treibend zur schrecklichen Jagd, zum fürchterlichsten Geheule. Näher und näher kam der Hund dem Gewilde, markdurchdringender ward dessen Gewimmer, und grimmiger und glühender trieben ihren Hund die Jäger zu immer rascherem Laufe, zu immer gräßlicherem Geheule, immer wehlicher tönte des Wildes Gewimmer, immer näher kam der Hund. Zurück hinter den andern blieb das jüngste der Kinder, schrie immer wehlicher, herzdurchschneidender, je näher der grause Hund ihm kam; der Hund zögerte, hemmte den Lauf. Da, Funken sprühend, fuhren der schrecklichen Jäger glühende Peitschen ihm ins Fleisch; laut aufheulend, daß stundenweit die Menschen aus dem Schlafe fuhren, streckten seine Glieder sich zu weitem Sprunge, ein Wehschrei des Kindes durchschnitt die Lüfte bis hinauf zum Himmel. Da wandte die Mutter sich um, riß auf ihren Arm das Kind, floh den Kindern voraus in gedoppelter Eile weiter, nach ihren Kräften flohen die Kinder ihr nach. Da ward wieder das jüngste der andern das Letzte, der Zwischenraum zwischen den vordern immer größer, der Raum zwischen dem schrecklichen Verfolger immer kleiner, immer herzzerreißender des Kindes Gewimmer, immer gräßlicher des nachjagenden Vaters Höllengeheul; die glühenden Zähne im schwarzbraunen Rachen wuchsen dem Kinde nach, immer wieder hinterdrein die Jäger, zorniger sausten die Peitschen. In der Hölle Grimm und Angst schnappte er auf, nach dem Kinde fuhren seine Zähne; ein Schrei, der den Reif von den Bäumen schüttelte, das Wild aus den Lagern jagte, die Fische in den tiefsten Grund, rief der Mutter; sie warf sich zurück und auf den zweiten Arm das Kind, warf sich wieder voraus in gedoppelter Hast. Aber wieder blieb der Kinder eins hinter den andern, lauter und lauter, herzzerreißender tönte dessen Wehgeschrei, höllischer fuhren in Fleisch und Bein die Peitschen dem Hunde, je näher dessen Schnauze dem Kinde kam, schon klaffte sie dicht hinter demselben weit auseinander; ein gräßlicher Nothschrei entfuhr dem Kinde, mit glühenden Speeren stachelten die Jäger den Hund, er sprang ein auf das Kind, aber er faßte es nicht. Vor ihm stand die Mutter, welche die beiden Kinder abgeworfen, fuhr ihm mit dem Arme in den Rachen, hielt mit nackter Hand seine glühende Zunge fest. Da floß es weich, kühl und leise ihm durch die Glieder, der Brand erlosch, ein süßes Mattsein, wie dem Müden vor dem Schlafe, kam über ihn; matt schlug er die Augen auf, und es war, als stünde nicht mehr seine Agnes, sondern ein hehres Frauenbild vor ihm in himmlischer Schöne, von blondem Lockenhaar umwallt, wie von einem goldenen Mantel. Alsbald sanken ihm die Augen wieder zu, er streckte die Glieder; Nacht ward es über seine Seele, es war ihm, als stürze er in eine Kluft, stürze immer fort, aber um das Ende des Sturzes wußte er nicht mehr, sein Bewußtsein war ausgehaucht.

Wie es doch verschieden zugeht in der Welt in der gleichen Stunde! Wie feierlich geht es wohl zu in der heiligen Nacht um die mitternächtliche Stunde im hohen Münster, wenn gefeiert wird die Ankunft des Sohnes aus der Höhe auf Erden, wenn angebetet wird in der Krippe das neugeborne Kind, zu dessen Füßen gelegt werden soll die erlöste Welt sammt den Fürsten der Welt, das kleine Senfkorn, das zum weltbeschattenden Baume werden soll; wie wild ging es zu zur selben Stunde erst aus der Bätterkinder Haide, dann im Utzenstorfer Walde, als hinter Kurt her jagte die wilde Jagd, als Kurt die eigenen Kinder hetzte, verleugnete sein eigen Fleisch und Blut, von der ganzen Hölle verfolgt, gepeinigt, getrieben in Pein, Noth und Wehe, zum Fraße der eigenen Kinder! Wie freundlich und lieblich ist's, wenn im friedlichen Stübchen der Weihnachtsbaum brennt, zu mahnen, wie es licht ward ans der dunkeln Erde, mitten in dunkler Nacht, und das Kindlein erschien, das für die Kinder kam, und zu Gottes Kindern machen will alle Die, die zu Lichtes Kindern werden und an das wahre Weihnachtskindlein glauben, und die Kindlein überrascht die Hände zusammenschlagen, freudig aufjauchzen über das helle Licht und die bescherte Herrlichkeit und auf Erden sich im Himmel glauben! Wie anders ist's, wenn zur selben Stunde Kinder im Finstern sitzen und hungrig, es ihnen zu kalt ist zum Weinen und zu trocken ums Gemüth zum Beten, sie so dasitzen in Schlotter und Elend, und es Poltert zur Thüre herein oder an die Thüre, ein wilder böser Vater, oder es pocht an die Thüre und vor derselben liegt auch eine Bescherung: ein bewußtloser Vater, den man hineintragen muß als Weihnachtsbescherung mitten unter die Kinder, die im Dunkeln sitzen und in Schlotter und Elend. O, wie so anders geht es zu auf der gleichen Erde und zur selben Stunde! Verschieden gehen auch die heiligen Tage über die Erde hin: einmal leuchtet am klaren Himmel die Sonne, lieblich ist's, Erdbeeren gelüstet es zu blühen, und aufs Neue lieb wird dem Menschenkinde die mütterliche Erde; ein andermal ist verhüllt der Himmel, die Stürme brausen oder harter Frost zieht das Herz zusammen, unheimlich ist's draußen, es flieht das Menschenkind und sucht eine künstliche Heimath, ein warmes Gemach, und sehnt sich nach einer besseren Heimath, wo es so rauh nicht ist, wo solcher Wechsel nicht ist, es nicht so unheimlich ist, wo ein freundliches, mildes Wohnen ist in unveränderter Klarheit.

Der Weihnachtstag, von welchem wir reden wollen, trug einen dichten, trüben Schleier, Tag schien es nicht werden zu wollen, und als es Tag war, wollte es doch nicht Tag werden, bis wieder die Nacht kam. Auch in Frau Agnes 'Herz schien die Weihnachtssonne nicht. Es war eine tüchtige (praktische, würde man dato sagen) Frau, aber die höhere Weihe fehlte ihr doch: sie stritt mit dem Unglück, und das war recht, aber im Streite suchte sie nicht die Hülfe von oben, und wenn das Unglück stärker war, als sie, wußte sie nichts vom einzigen Troste, und das war unrecht. Es war auch Nebel in ihrem Herzen, sie dachte nicht an Weihnachten und ihre Segnungen; sie dachte an ihre Kinder und ihre Noth, an ihren Mann und ihre Verlassenheit, kämpfte mit Zorn um Rath, wie sie sich aushelfen wolle in dieser herben Zeit. Noch war es nicht Tag, als sie von ihrem Lager sich erhob, das Rad des Tagewerkes in Bewegung zu setzen. Eigenhändig schloß sie das Thor, welches doch noch ganz war, auf, um eine Magd nach frischer Milch zusenden. Es schien eingefroren das Thor; als sie mit Macht es aufstieß, fiel ein schwerer Körper ihr zu Füßen, als sie niedersah, erblickte sie Kurt bewußtlos. Sie schrie nicht hellauf, dazu hatte sie zu harte Nerven, aber ein mächtiger Schrecken ergriff sie doch, man kann es sich denken; sie glaubte ihn todt, erschlagen oder erfroren, hierher geschleppt von den Mördern, oder aus den Händen derselben hierher geflüchtet. Als sie noch Leben in ihm fand, rief sie nach Hülfe; er ward an die Wärme getragen, und in der Heilkunde nicht fremd, suchte sie nach des Zustandes Ursach. Erfroren war er nicht, zerhauen war sein Körper, Wunden fand sie, aber unbedeutende; aber ein schreckliches Fieber, welches ihn erfaßt hatte und mit seinem Leben rang, bemerkte sie. Kurt war in treuen Händen, in treueren, als er es verdiente. Frau Agnes werweisete nicht, was ihre Pflicht sei und was nicht, was sie ihm noch schuldig sei und wie wohl es ihr eigentlich ginge, wenn das Fieber Meister würde. Frau Agnes that, was sie glaubte, daß gut sei, und was ihr möglich war; aber lange wollte der Tod nicht von der ergriffenen Beute lassen, setzte von Neuem an, trieb Kurt in Fieberhitze und Angst herum, ärger noch als im Utzenstorfer Walde, daß Frau Agnes oft Hülfe nöthig hatte, den unbändigen Kranken festzuhalten auf seinem Lager. Allmählich wich der böse Geist, aber langsam, zum Bewußtsein erwachte Kurt wieder, aber unendlich schwach war er, und wenn die letzten Ereignisse, welche er erlebt zu haben glaubte, wieder vor seine Seele kamen, so kam auch das Fieber wieder und warf seine Gedanken untereinander. Doch allmählich verglomm die Glut, lichtete sich das Bewußtsein, die hellen Augenblicke wurden häufiger, länger, die Gedanken zusammenhängender, die Vergangenheit kam wieder ins Gedächtniß stückweise, aber umsonst mühte er sich, sie zusammenzuknüpfen mit der Gegenwart. Er fragte nach seinem Hengste, aber Niemand wußte etwas von ihm, nie ward wieder eine Spur von ihm gefunden; dann fragte er, wer ihn hergebracht, und mehr als hundert Mal mußte Agnes erzählen, wann, wo und wie sie ihn gefunden; aber wie er dahin gekommen, ward nie ergründet, nie begriffen. Die lange treue Pflege hatte Agnes ihrem Manne wieder näher gebracht; er lag da so weich, so matt, daß die Kinder sich ihm näherten, daß sie ihn wieder fragen durfte um sein vergangenes Thun und Treiben, fragen, wo er gewesen und was ihm zuletzt bei vollem Bewußtsein begegnet. Kurt erzählte, was er wußte, sein Herz war dem Weibe wieder offen. Dies freute Agnes sehr, und darin lag die Versöhnung, für sentimentale Zärtlichkeiten und Herzensergießungen fehlte Beiden der Verstand; dazu kam noch bei Agnes das Erbarmen mit dem armen Kurt, der erst von seinen Freunden verrathen, dann so Schreckliches hatte ausstehen müssen. Kurt war es, als sei ihm ein Brett vor den Augen gewesen und jetzt abgefallen; er sah nicht bloß das Heillose seines Lebens vollständig ein, sondern auch daß er der Narr Aller gewesen und von seinen sogenannten Freunden und Bekannten es Niemand gut mit ihm gemeint, als vielleicht die Tochter in der Hütte; seine alte Verblendung war ihm rein unbegreiflich, denn jetzt sah er Alles so klar und ganz anders. Er konnte sich das durchaus nicht anders erklären, als daß er durch Trank oder Spruch verzaubert und verhext gewesen, wie ja bis auf den heutigen Tag der Glaube an Tränke, wodurch das Innere des Menschen umgewandelt, in Liebe oder Haß entflammt werden könne, geblieben ist. Der gute Kurt wußte so wenig als viele Menschen noch heutzutage, wie wandelbar der Menschen Herz ist, wie abhängig von äußeren Eindrücken, wie leicht es umschlägt von einer Uebertreibung in die andere, heute verflucht, was gestern sein Lebensglück geschienen, wie über Nacht einem Menschen ganz andere Augen wachsen können, daß er am Morgen schwarz sieht, was am Abende ihm weiß gewesen, und roth, was er grün gesehen, wie noth es ihm daher thut, daß er Etwas habe, welches festbleibt, an dem er sich halten kann, wenn es wirbeln will im Gemüthe und draußen wechselt die Welt, wie auch der Taucher, welcher Perlen fischt auf des Meeres Grund, festgebunden bleibt und wieder sich nach oben ziehen laßt, wenn unten ihm vergehen wollen Sinn und Gedanken, um frischen Athem zu schöpfen und neue Kraft zu neuem Fischen; oder wie der Mensch einen ewig klaren Spiegel haben muß in der Welt, darin sich täglich zu beschauen, wo ihm dann offenbar wird jeglicher Wandel in seinem Gemüthe, sowohl zum Bessern als zum Schlimmern, und jedes Verhältniß im wahren Lichte. So ward es wieder traulich in Koppigen, und die alte Liebe kam wieder in Kurt und Agnes, sie wußten nicht wie. Wie gesagt, mit besondern Herzensergießungen von Gefühlen über die Vergangenheit und Vorsätzen über die Zukunft gaben weder Kurt noch Agnes sich ab, trugen einander auch gar nichts nach, sondern ließen sich von Herzen wohl sein bei einander. Kurt fühlte zum ersten Male, wie wohl es dem Menschen in seinem eigenen Hause sein könne, die rechte Behaglichkeit nur im eigenen Hause wohne; es schauderte ihn ordentlich, wenn er in seiner Schwäche daran dachte, hinaus zu müssen in die Kälte, zu jagen, zu fischen, zu streiten, und wenn es so recht stürmte und saus'te draußen, so stellte er Wohl eine kurze Betrachtung an über den Unterschied, am warmen Feuer sitzen zu können, oder draußen im Schneesturme reiten zu müssen; er fühlte zum ersten Male, wie bequem dem Manne ein verständiges, sorgliches Weib komme, und wie gut das seine eigentlich sei, und wie gut er es daheim haben könnte. Der Verstand, dies einzusehen, kam ihm erst, als ihm das Bedürfniß kam, daß Jemand zu ihm sehe, für ihn sorge in den ersten Jahren seiner Ehe wußte er davon nichts; auch trieb ihn jetzt kein Keifen und Zanken fort; den Krieg zwischen Grimhilde und Agnes hatte der Tod beendigt, und Friede war im Hause, denn Agnes war eine starke Frau, deren Obergewalt man sich willig fügte; bloß wo Schwäche ist, ist auch beständiger Aufruhr, ein ewiges Zanken um Macht oder Freiheit. Auch empfand Kurt eigentlich zum ersten Male Vaterfreuden und Vaterstolz; bei seinem unstäten Leben hatte er sich um seine Kinder weder gekümmert, noch kannte er sie, er wußte nichts von ihren Eigenschaften und Eigenthümlichkeiten, wußte also nichts von ihrer Entwickelung, hatte keine Freude zuzusehen, wie in ihnen aufging bald Dies bald Jenes, wie zur Frühlingszeit in der Natur alle Tage etwas Neues. Eben so wenig kannten die Kinder ihren Vater, sie hatten weder Freude, wenn er heimkam, noch hingen sie an ihm, wenn er daheim war; sie flohen ihn vielmehr, er war ihnen mehr der Böllimann*), mit dem ihnen gedroht war, wenn sie nicht gehorchten, als der Vater. Schweig, oder er nimmt dich! Gehorche, oder der Vater muß es wissen, wenn er heimkommt! so hieß es. Jetzt waren die Kinder seine Kurzweil, die Bücher, mit welchen er sich die Zeit vertrieb und jeden Augenblick etwas Neues lernte. Erst jetzt wurden ihm die Kinder lieb, da sah er, was an ihnen war, und jetzt hingen die Kinder am Vater, er war ihnen kein Böllimann mehr, sondern in ihrem einsamen Winterleben war er ihr Mittelpunkt, recht eigentlich ihr Glück, dessen sie sich alle Tage von ganzem Herzen freuten.

Da Kurt's Krankheit nicht rasch vorüberrauschte, langsam nur die Kräfte kamen, die Schwäche langsam wich, sein Leben außerhalb abgebrochen, Nichts ihn draußen zog, daheim es ihm so wohl war, so ward das Daheimsein ihm lieb, er schlug Wurzel im Hause, in das Leben des Hauses ward er aufgenommen, wurde ein Theil desselben, so daß des Hauses Leben auch sein Leben war. So lange Winter und Schwäche Kurt ins Haus bannten, nahm er sich der Kinder an, lehrte sie Netze stricken, Schlingen flechten, Fallen machen, unterrichtete in den kleinen Kniffen in Feld und Wald, in Sumpf und Bach, in Allem, was Jürg ihn gelehrt, was er jung meisterlich getrieben. Was das dann für eine Freude war bei den beiden ältesten Buben, pausbäckig, stämmig und doch rasch und gelenkig, ganz Schweizerschlag, mehr in sich tragend, als man ihnen äußerlich ansah wenn sie auszogen mit ihrer neuen Gelehrsamkeit und neuen Netzen und Schlingen, und welche Freude, wenn Alles sich bewährt hatte und mit reicher Beute sie wiederkehrten! Sie hatten lange gestümpert und doch gemeint, was sie können und wie viel sie vermöchten; um so mehr nun staunten sie den Vater an, der Alles unendlich besser wußte und konnte, und freuten sich kindlich auf die Tage, wo er mit ihnen ausziehen wollte, wie er verheißen hatte. Er lehrte sie Waffen machen und Waffen brauchen, und was das für ein Jubel war, wenn sie mit den selbstgemachten Armbrusten schossen, und wie sie den Vater bewunderten, der auch hier Aller Meister war. Das Alles flocht eben Aller Leben in eins zusammen mit unzerreißlichen Banden. Eine trübe Bescherung war es zu Weihnachten gewesen, als der bewußtlose Vater der Mutter auf die Füße fiel, aber ehe der Frühling kam ins Land, war diese trübe Bescherung zur reichsten geworden, die es geben konnte, zu einem wahren göttlichen Gnadengeschenke: es war der Vater, der verloren war, wiedergefunden, welcher der kräftige Mittelpunkt eines neuen, freudigen Lebens ward, ja durch welchen nun alle Kräfte belebt und geleitet wurden. Was kann aber einem Hause Herrlicheres werden, als ein solcher Mittelpunkt, der das Zerrissene bindet, das Todte belebt, Alles lenkt zum Besten und zu Aller Wohl? Agnes wurde nicht eifersüchtig auf ihres Mannes neue Stellung, es freute sie herzinniglich, daß es so war; sie sprach nicht darüber, aber sie ward alle Tage hübscher, ihre Bewegungen rascher, ihre Mienen freundlicher, kurz sie ward ganz wie jung; man sah es ihr wirklich an, sie hatte verwunden alle Bitterkeit, hatte vergessen, was dahinten war, freute sich dessen, was jetzt war, verkümmerte sich dasselbe nicht durch Zagen und Zweifeln, ob es so bleiben werde, sorgte bloß dafür, daß es nicht anders werde durch ihre Schuld.

Als endlich die Sonne höher stieg, ihre Kraft den Frost brach, den Schnee schmolz, den Schooß der Erde aufschloß, die Zugvögel durch die Wälder strichen, die aufgefrornen Wasser sich belebten, die Fische der Oberfläche sich näherten, da erst ging in Koppigen ein neues Leben an, den Kindern ein neuer Frühling auf. Kurt war so weit erstarkt, daß er an sonnigen Tagen ins Freie durfte, einige Stunden darin aushalten konnte. Was das nun für eine Freude war, wenn der Vater mit seinen Buben auszog, Theil nahm an ihrem Treiben, sie die wilden Enten fangen lehrte, das Ausspüren ihrer Nester, sie Schlingen legen lehrte den Schnepfen und den Fang der Füchse und Dachse, ihnen zeigte die besten Stellen zum nächtlichen Anstand, zur Lauer auf das Wild, welches zur Tränke wollte oder auf die Weide, sie lehrte die großen Fische stechen oder werfen mit dem Ger (Wurfspieß), oder sie sangen an großen Angeln, die man an Weiden band und über Nacht im Wasser schweben ließ! Welcher Jubel dann am Abend, wenn man reich beladen wiederkehrte, so viel Neues nun wußte, so viel Zuversicht zu der eigenen Kunst und Kraft Jedes gewonnen hatte! Kurt selbst hatte die größte Freude und besonders an der Buben Anstelligkeit und Gelehrigkeit; aus den kleinen Anfängen schloß er auf Großes in der Zukunft, nach der gewöhnlichen Weise der Väter. Wenn Kurt dann Abends zu Hause war, kam eine große Müdigkeit in seine Glieder er war oft noch matt zum Sterben dann schwanden auch aus seinem Gemüthe Freude und Heiterkeit, und das alte Leben trat ihm vor die Augen und vor Allem desselben grausiges Ende; doch nicht daß es ihn gelüstet hätte, in dasselbe wieder zurückzukehren und neu es aufzunehmen; im Gegentheil, es graute ihm mehr und mehr davor, er konnte nicht begreifen, wie er ein Leben habe führen können in lauter Streit und Zorn, ein Leben, wo man erst das Leben einsetzte, um zu rauben, dann es noch einmal einsetzte, um des Raubes wieder los zu werden. Es plagte ihn die Reue mehr und mehr, Alle kamen ihm vor, welchen er Uebels gethan, oder gar sie erschlagen, und wenn er Alles schon nicht nach dem heutigen Maßstabe maß, so hatte er doch so viel auf seiner Seele, daß es auch auf einer damaligen Waage schwer ziehen mußte. Da war dann sein Trost eben die schauerliche Nacht im Walde; er dachte, das sei nicht von ungefähr geschehen, sondern es hätte für ihn eine absonderliche Bedeutung: der Teufel habe ihn nehmen wollen, dachte er, und verdient hätte er es; nun aber sei er demselben entrissen und gerettet worden, also dem Teufel solle er nicht werden, sondern für jemanden Besseres aufbewahrt, dachte er. Aber was Kurt eigentlich gerettet, das begriff er nicht: er dachte an ein silbernes Kreuz, welches sie an selbem Morgen dem Müller abgenommen, das er zu verspielen vergessen und noch bei sich getragen hatte.

Dieser Talisman schützt bekanntlich und wirklich vor dem Teufel; wer das wahre Kreuz bei sich trägt, über den hat der Teufel keine Macht, aber das wahre Kreuz ist weder eins von Silber, noch eins von Gold, sondern es ist der Sinn, der willig und mit Dank trägt, was ihm Gott auferlegt. Mit dem Kreuze ward viel Unfug getrieben von je, doch wohl nie größerer, als jetzt von Denen, welche das Kreuz in jeder Form und wo sie es finden, verhöhnen und verspotten (ärger als ehedem die respectiven Juden Jesum am Kreuze verhöhnten), und jeglichen Kreuzesträger verhöhnen und mißhandeln, während sie jeden Missethäter und jeden Uebelthäter hoch loben und preisen. Dann dachte Kurt wieder an die Gestalt, in welcher seine Agnes zerflossen, als sein Auge ihm brach, an das wunderbare Frauenbild mit dem goldenen Lockenmantel. War das ein von Gott gesandter Engel, der seiner Pein ein Ende gemacht und ihn vor seines Schlosses Pforte getragen? In solchem Sinnen und Schauern schlief Kurt ein, erwachte am Morgen neu gestärkt und ging mit seinen Buben an irgend ein munteres Tagewerk. Der Bachtelenbrunnen unten im Walde, wo oberhalb das verfallene Bürgeln liegt, in dessen Nähe nicht gern Jemand des Tages kommt, geschweige in der Nacht, seit die sieben Brüder vom Teufel geholt worden waren, weil sie ihr schönes Schwesterlein mit armen Kindern und Weibern eben am Bachtelenbrunnen erschlagen der Bachtelenbrunnen war der beste Wildstand rund in der Gegend, aber aus erklärlicher Scheu hatte Kurt denselben bisher gemieden, ihn seinen Buben nicht gezeigt. Bei den gewaltigen Eichen, unter welchen die schöne Quelle aus der Erde quillt und gleich zum schönen Bache geworden, sanft und ruhig durch die Gebüsche fließt, sah es in Hellen Nächten aus wie im Paradiese: Thiere von allen Arten gingen zur Tränke, plätscherten im Wasser, spielten unter den Eichen. Wie schrecklich es aber dort auch sein könne, hatte Kurt erfahren in der heiligen Nacht; kalt rieselte es ihm durch die Glieder, wenn er daran dachte, darum floh er den Ort. Und doch hatte er es wiederum wie ein Kind, welches bei Märlein und dunkeln Geschichten an Leib und Seele zittert, in die finsterste Ecke sich birgt, und doch gerade zu solchen Geschichten mit unwiderstehlicher Gewalt immer wieder hingezogen wird, nicht satt sich hören kann an ihnen. Es zog Kurt nach dem Bachtelenbrunnen hin, er mußte immer denken, wie es dort sei, ob wohl Spuren zu sehen von dem schweren Thore und Pferdehufe eingedrückt im weichen Boden um den Brunnen? Und wieder schauderte ihn, wenn er unwillkürlich dem Brunnen näher kam, und er eilte weiter. Es war in Kurt eben der wunderbare Zug im Menschen, der eine wunderbare Lust empfindet an der Angst und dem Zittern, welche über den Menschen kommen, wenn er im Geiste das Nahen der Geister fühlt, das Rauschen der geheimnißvollen Geisterwelt vernimmt. Der Zug nach dem Brunnen ward endlich, wie es gewöhnlich geht, mächtiger als das Grauen davor. An einem sonnigen Frühlingstage streifte Kurt mit dreien seiner Jungen unterhalb Koppigen durch Sumpf und Feld nach Beute; er war durch seine Krankheit gezimmert worden, von üppiger Kraft strotzte sein gewaltiger Körper nicht mehr, seine Erscheinung hatte nicht mehr das rohe Uebermächtige wie ehedem, doch hätte er jetzt den Meisten besser als früher gefallen; stattlich war sein Körper noch immer, männlich sein Wesen, aus seinem Gesichte war das Wilde verschwunden, hatte einem ernsten, besonnenen Ausdrucke Platz gemacht. Desto wilder thaten die Buben; wie junge Hunde in lustigem Gampel (Gaukeln) um die Mutter, wenn sie zum ersten Male mit ihnen zu Felde geht, tanzen in weitern und engern Kreisen, so umgaukelten die Jungen den Vater, flatterten dem Wild nach oder schlichen leise ihm nahe, sprangen lustig daher mit gewonnener Beute oder suchten Pfeile wieder, welche nicht getroffen, lachten sich aus und balgten sich, thaten übermüthig oder schämten sich, je nach dem Erfolge ihrer Thaten. Gewild war beständig in ihrem Gesichtskreise. Es war nicht wie jetzt, wo man drei Tage wandern muß, ehe man ein Eichhörnchen sieht oder einen Häher, und sieben Tage, ehe man die Spuren eines Hasen findet, der vor acht Tagen da durchgelaufen. Wie man jetzt bei jedem Schritt auf Kinder und Bettler stößt, traf man damals bei jedem Schritte auf Thiere: Thiere waren auf den Bäumen, sie liefen im Felde, sie wimmelten in den Sümpfen, des großen Heerlagers des Waldes nicht zu gedenken. Der Vater schritt gedankenvoll weiter, näher und näher dem Brunnen zu, mischte sich in die kleinen Fehden der Jungen nicht, aber wenn einer einen guten Schuß gethan auf einen Reiher im Sumpf oder ein Eichhörnchen, das neugierig seine Nase hinter einem Baumstamme hervorstreckte, flog es hell über sein Gesicht, und ein gutes Wort kriegte der Junge. Noch waren die Eichen nicht belaubt, die selten sich findenden Buchen rötheten sich in den Besten, wie Mädchen in der ersten Liebe, es grünte im niedern Gebüsche, mit kläglichem Geschrei trieben eifersüchtige Häher sich in den Eichen herum, in süßem Verlangen ruggete und girrte eine zärtliche Taube von hoher Tanne her, in stiller, zarter Liebe hüpften die kleinen Vögel durch das niedere Gezweige, und schwarze Amseln toseten süß und schossen dann rasch über den Boden weg von Tannenbusch zu Tannenbusch. Je näher Kurt dem Brunnen kam, desto seltsamer ward es ihm zu Muthe; das wohllüstige Grauen strich in reichen Strömen durch ihn hin, und zögernd setzte er seinen Fuß vorwärts. Die Jungen, welche die Sage kannten und gehört, was der Vater hier erlebt, drängten sich um ihn, doch wenn eines der Gethiere ihnen zu nahe kam, hielten sie sich nicht, sondern brachen aus, und als sie von Weitem den gelben Glanz sahen, der von den schönen gelben Frühblumen, hier Bachtelen, woher auch der Brunnen den Namen trägt, andern Orts Glockenblumen genannt durch die Bäume schimmerte, jubelten sie laut auf, vergaßen, was sie wußten, stürzten sich auf das, was sie sahen, wie es oft geht in der Welt. Aber ernst rief sie der Vater zusammen, und alsbald drängten sie sich wieder um ihn her.

In stillem Frieden und Hellem Sonnenlichte lag der Platz, mit goldenen Blumen dicht besetzt, wie mit silbernen Sternen der Himmel. Wie war es so ganz anders hier, als in jener Nacht, wo hier das Thor der Hölle stand vor Kurt, wo aus demselben der Hölle grimmigste Gebilde quollen und auf Kurt einbrachen mit unerhörten Schrecknissen. So wechselt nicht bloß dieser Platz seine Gestaltung, so wechselt das Leben Gestalt und Farbe, und dieser Wechsel, der alle Tage wiederkehrt, bleibt doch wie ein Fremdes dem Menschen, an das er nie Glauben faßt; wohl ein sicheres Zeichen, wie in seiner innersten Natur der Glaube an das Ewige, Unveränderliche lebt, seine innersten Triebe nach dem Ewigen, Unveränderlichen gehen. Da liegt die Thorheit, daß er aus Sand ein festes Haus bauen will, daß er im Vergänglichen das Unveränderliche sucht. Lange stand staunend Kurt am Rande über der Quelle unter einer weitästigen uralten Eiche, welche noch ganz andern Wechsel gesehen als Kurt; auf einmal sah er mitten unter den Blumen ein Wesen sitzen, golden wie die Blumen, aber größer: die hohe Königin unter ihren niedern Dienerinnen. Es war, als ob das Wesen sein geharret, denn sobald sein Auge es erschaut, erhob es sich; es war der Engel im goldenen Mantel, welcher ihm im schrecklichsten Augenblicke entgegengetreten, den Bann gelöst, ihn gerettet hatte. Es war ein wunderherrliches Frauenbild, als es aufgerichtet vor Kurt stand, goldene Haare flossen in nie gesehener Fülle, einem goldenen Mantel gleich, um die hehre Gestalt, mild leuchtete im Angesicht, gleich freundlichen Sternen, ein blaues Augenpaar. Kurt bebte; sollten die Schrecknisse wieder beginnen? Da machte die Frauengestalt das Zeichen des Kreuzes über sich, über Kurt und seine Kinder und sagte: Ich harrte dein, wohl dir daß du kommst! Dir vertraue ich diesen Brunnen an wahre ihn mir, rein und heilig; sorge dafür, daß Ruhe um ihn sei, daß kein Blut ihn röthe, von Menschenhand vergossen, keine Waffe die Eiche treffe, an welcher du jetzt stehst, alles Wild hier sicher sei, eine sichere Freistätte hier sei vor des Menschen blutigem Sinne. Dienst du mir so, wahrst du mir diese Stätte, dann soll dein Haus gesegnet werden an dir und Kind und Kindeskindern reich vergolten, was du mir gethan. Da neigte sich Kurt und gelobte den Willen zu erfüllen so viel an ihm, und als er sich erhob, war der Engel verschwunden; Kurt hätte dies für ein Traumbild gehalten, geglaubt, eine täuschende Blendung erfahren zu haben im gelben Blumenglanze, aber seine Knaben hatten die Erscheinung auch gesehen, die Worte gehört. Jedem der Knaben war sie anders verschwunden: der eine sah sie versinken in die Blumen oder in den Brunnen, er wußte nicht bestimmt, in welches von beiden; der zweite sah sie in die Eiche gehen; der dritte sah ihr goldene Flügel wachsen, sah sie schweben zum Himmel auf. Sie sahen nie wieder sitzen am Brunnen den goldenen Engel, wie oft sie ihn auch suchen mochten, aber hold und lieblich, in unverwischtem Glanze leuchtete Jedem die holde Erscheinung im Gemüthe, so lange er lebte. Frau Agnes klagte oft, das sie das Bild nicht gesehen, und hoffte lange auf dessen Erscheinung, aber umsonst, sie sah es nie. Was Kurt versprochen, hielt er; der Platz ward ihnen zum heiligen Platz, geweiht mit hohem Kreuze. Hier wurde kein Bogen mehr gespannt, kein Speer geworfen, keine Falle gestellt, kein Netz ausgeworfen, kein Thierlein ward hier gestört im Spiel unter den Eichen, im Trinken am Bache, im Gaukeln durch das klare Gewässer. Aber Blumen sammelten im Frühjahre die Kinder, schmückten mit großen Sträußen die Häuser, und im Herbste sammelten sie auf dem Platze die Reckholderbeeren (Wachholderbeeren), Kranken zur Erquickung, Allen zur Stärkung; nirgends waren die Glockenblumen goldener, die Reckholderbeeren kräftiger als auf des goldenen Fräuleins geweihtem Platze. Aber von derselben Stunde an ging auch des Fräuleins Verheißung in Erfüllung. Kurt ward gesegnet; seine Aecker trugen wieder, kein Mißwächs ward auf ihnen gesehen, sein Vieh mehrte sich, keine Krankheit verzehrte es, seine Jagd war reich, was er unternahm, gelang, seine Dienstleute hatten Glück in allen Dingen und hingen an ihrem Herrn von nun an mit Leib und Seele. Mit seinen alten Genossen hatte Kurt für immer gebrochen. Anfangs dachte er an Rache, aber er gab sie auf, er war zu glücklich und zu besonnen, um selbst wieder sein Glück zu stören. Der Flumenthaler war todt, die andern Spießgesellen suchten Kurt einigemal auf, hätten gern wieder das alte Leben mit ihm fortgesetzt, aber er fertigte sie ab, daß sie ihn fürder in Ruhe ließen; konnten sie ihn nicht tödten, so hatten sie Ursache ihn zu schonen, denn er wußte zu viel von ihnen. Eines Morgens stand eine wilde schwarzbraune Dirne vor dem Thore und bat um Einlaß. Es war des alten Sami's Tochter; er und die Alte waren gestorben, die Dirne hatte die Hütte angezündet, Alles verbrannt, was darin war, und suchte nun Schutz bei Kurt; sie ward aufgenommen und wurde der Frau Agnes treueste Magd.

Als Kurt ein ehrbarer Haushalter wurde, welcher dem seinigen treulich vorstand, wurde er ebenfalls wieder ein geachteter Junker, den nicht bloß seine Leute liebten, sondern auf den auch noch Andere etwas hielten. Es ist curios, aber die wahre Achtung geht immer vom Hausvater aus, in den höchsten und in den niedrigsten Ständen, unter Heiden, Türken, Mohamedanern und selbst unter den Juden, wie sehr die auch am Fleische hängen. Paulus sagt nicht umsonst: Wer seinem Haushalt nicht Vorsorge thut, ist ärger als ein Heide! Auch unter den Edlen gewann Kurt seinen Platz wieder, er ward ein Mann, zu dem man Vertrauen hatte, und allenthalben war er ein gern gesehener Gast. Die Verlegenheit, wie mit Ehren in die Welt kommen, in welcher er und Jürg gewesen war, plagte ihn nicht in Beziehung auf seine Kinder: einem Ehrenmanne öffnen sich ehrliche Wege in die Welt und durch die Welt, das ist frommer Eltern Segen, der den Kindern Häuser baut. Kurt's Söhne lernten in edlen Häusern das Waffenhandwerk und übten es unter ehrenwerthen Bannern. Kurt ward Bürger zu Bern, und sein Stamm erlosch daselbst; seine Güter kamen an das verwandte Thorberger Haus, mit Thorberg ward nach der Sempacher Schlacht 1338 auch Koppigen gebrochen und seither nicht mehr aufgebaut. Als der letzte Thorberger Peter zu Ende des Jahrhunderts die berühmte Carthause zu Thorberg stiftete, schenkte er ihr auch die Güter zu Koppigen. Auf dem Hügel, wo das Schlößchen stand, das Bühl genannt, stehen jetzt stattliche Bauernhäuser: der Bauer ist's, der das Land besitzt, und zwar mit Recht; er hat nicht bloß Brief und Siegel dafür, sondern durch Fleiß und Verstand ist er des Bodens natürlicher Herr geworden, er zwingt denselben zu großem Ertrage. Der Boden, der ehedem Frau Grimhilde und Jürg nebst zwei alten Hunden dürftig nährte, erhält jetzt nicht bloß über tausend Menschen, sondern gab Manchem noch einen Reichthum, zu welchem Frau Grimhilde in ihren schönsten Träumen sich nie verstiegen hatte.

About this transcription

TextKurt von Koppigen
Author Bitzius Albert
Extent197 images; 44894 tokens; 8295 types; 280596 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Thomas WeitinNote: Herausgeber Digital Humanities Cooperation Konstanz/DarmstadtNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2017-03-15T09:57:28Z Jan MerktThomas GilliJasmin BieberKatharina HergetAnni PeterChristian ThomasBenjamin FiechterNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2017-03-15T09:57:28Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic information Kurt von Koppigen. Band 12. Bitzius AlbertGotthelf, Jeremias. 2. Globus VerlagBerlin1910. Deutscher Novellenschatz pp. 1-194.

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Bibliothek der Universität Konstanz deu 838.29/h29https://katalog.uni-konstanz.de/libero/WebopacOpenURL.cls?ACTION=DISPLAY&RSN=948187

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Novelle; ready; novellenschatz

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