PRIMS Full-text transcription (HTML)
Deutscher Novellenschatz.
[Band 18]
BerlinGlobus Verlag G. m. b. H. [1910]

Inhalt:

Debora.

Wilhelm Müller, der bekanntlich unter den deutschen Lyrikern eine der ersten Stellen einnimmt, wurde den 7. October 1794 in Dessau geboren, studirte in Berlin Philologie, Philosophie, Geschichte und schöne Wissenschaften, trat 1813 als Freiwilliger unter die Gardejäger und machte die Treffen von Lützen, Bautzen, Kulm und Hanau mit, kehrte dann nach Berlin zu seinen Studien zurück, reiste später mit dem Freiherrn von Sack nach Rom, von welcher Stadt er eine vorzügliche Schilderung gab, und wurde nach seiner Zurückkunft von seinem Herzog Leopold Friedrich, der seinen Werth zu schätzen wußte, als Bibliothekar und Gymnasiallehrer nach Dessau berufen. Mit dem geschmackvollen Philologen, Sprachforscher und Kritiker vereinigte er den Liederdichter, dessen Liebes -, Wander -, Trink -, Postillons -, Jäger -, Müller - und Hirtenlieder fortleben werden, so lange die deutsche Zunge klingt. Seine berühmten Griechenlieder dagegen, die so zündend auf die Zeitgenossen wirkten, sind vor veränderten politischen Stimmungen in den Hintergrund getreten. Auf der Neige seines kurzen Lebens versuchte sich Müller auch in der Novelle, aber die Frist war ihm nicht gegönnt, sich zu der vollen Selbständigkeit zu entwickeln, die er auch auf diesem Gebiete zu erringen der Mann gewesen wäre. Nach einer glücklichen Erholungsreise zu den schwäbischen Dichtern, zu welchen ihn eine innere Verwandtschaft zog, starb er zu Dessau plötzlich in der Nacht auf den 1. Oktober 1827 an einem Herzschlage, wenige Wochen vor Wilhelm Hauff, mit dem er bei jenem Besuch in Stuttgart innige Freundschaft geschlossen hatte. Die jüngere der beiden Novellen, die er hinterlassen hat (die erste erschien in der Urania für 1827), weist trotz eines ungemeinen Fortschritts Elemente auf, die ihrem Dichter nicht eigen sind: zu Anfang begegnen Züge, die man kaum anders als trivial nennen kann, gewisser crasser Geschmacklosigkeiten, wie des Kirschkerns, den der alte Herr als Liebesandenken im Munde trägt, ganz zu geschweigen, und weiterhin zeigt sie sich von dem romantischen, katholisierenden Geiste der Zeit beherrscht. Allein dessenungeachtet verräth das ganze Gefüge der Erfindung eine immer bedeutender hervortretende Kraft, die den künftigen Meister ankündigt; und so glaubten wir es nicht bloß dem schönen Dichternamen, den sie vertritt, sondern der Erzählung selbst in ihren Hauptbestandteilen schuldig zu sein, sie dem Kreise auserlesener Novellen einzureihen.

Erstes Kapitel.

Das Zimmer fing an dunkel zu werden, und Arthur nahm vor dem Spiegel den Widerschein einer Laterne, welche seinem Fenster gerade gegenüber unter den Linden brannte, zu Hülfe, um seine Abendtoilette mit dem Einstecken einer goldenen Nadel in den englischen Knoten seines Halstuches zu beschließen. Dabei hatte er das Mißgeschick, das glatte Tuch ein wenig zu verknicken, und darüber ungeduldig und verdrießlich, zog er die Klingel. Aber der helle Ruf der Glocke blieb unbeantwortet, und um seinen Unwillen an irgend einem Dinge außer sich so merklich, als es jetzt geschehen konnte, auszulassen, zuckte er so lange an der Klingelschnur, bis sie zerriß. Eine abscheuliche Wirthschaft hier im Hause! brummte er vor sich hin, warf sich auf das Sopha, ließ seine Uhr repetiren und zählte fünf und drei Viertel. Die Madame ist wieder ins Theater gegangen und das Mädchen hinterdreingelaufen, und nach mir fragt keine Seele. Ich muß ausziehen, wenn das nicht bald anders wird. Es ist mir hier unter den Linden in der Nähe des Opernplatzes ohnedies zu viel Lärm, und ist es nicht eine Schande, wie theuer ich diese Rumpelkammer, die sie Chambre garnie nennen, bezahlen muß, und bei einer solchen spitalmäßigen Aufwartung!

Er trat an das Fenster und schrieb mit nachdenklicher Miene Buchstaben auf die angelaufenen Scheiben. Wagen auf Wagen rollten unten vorüber und machten das Glas unter seinen Fingerspitzen dröhnen. Was mag es denn heut 'Abend in dem großen Opernhause für kleine Spectakelkünste geben? Gewiß irgend eine recht gemeine Curiosität, weil die vornehmen Leute so hitzig darnach fahren. Ich begreife die Geheimeräthin nicht, wie eine so geistreiche Frau sich von dem neugierigen Strome kann fortreißen lassen und ein Paar Abende in der Woche daran setzen, um in dem großen Guckkasten zu gaffen und begafft zu werden. Nun, heute habe ich das nicht zu besorgen. Den Montag hält sie gewissenhaft, und ich nicht minder. Ich verspreche mir heute einen himmlischen Abend. Diese Nacht habe ich von Schlangen geträumt, und die sollen ja Ringe bedeuten. Du loses, liebes Mädchen, daß ich dich doch endlich einmal fassen kann! Du hast mir in diesem Thema ein Bändchen in die Hand gegeben, woran ich dich, wie du dich auch drehen und winden magst, so lange festhalte, bis ich dir das Losungswort meines Lebens, das Geständniß meiner Liebe, Stirn gegen Stirn, Aug' in Auge, zugerufen. Meine Glosse auf dieses Thema entzückt mich selbst; so wahr, so warm, so innig hab 'ich nie gedichtet. Ich dichtete sie ja aus deinem Herzen heraus.

Inbegriff von meinen Freuden!
Hab 'ich das verdient um dich?
Erst verschmäht, nun fliehst du mich?
Wie, du willst von hinnen scheiden?

Nein, nein, ich bleibe bei dir, meine Fanny! Seit du mir dieses Thema gegeben hast, denk 'ich nicht mehr an die Reise nach Italien und an den alten wunderlichen Marquis.

Arthur hatte diese Worte noch nicht ausgesprochen, wenn auch vielleicht zu Ende gedacht, als er draußen auf seiner Treppe leise Fußtritte, lautes Husten und starkes Aufstoßen mit einem Stocke hörte. Ecce, lupus in fabula! rief er aus. Da kommt der alte Narr mir wieder über den Hals. Es ist um toll zu werden. Aber ich will ihn einmal ablaufen lassen. Es ist nur ein Glück, daß er schon von Weitem einen so vernehmlichen Anmelder hat. Er eilte nach der Stubenthüre, um den Riegel vorzuschieben: aber ein Stuhl, über den er seinen eben ausgezogenen Schlafrock geworfen hatte, stellte sich ihm in den Weg, und so stolperte er darüber weg und fiel mit vollem Gewicht gegen seinen Flügel, von welchem er eine Wasserflasche, einen Leuchter und ein Notenpult herunterwarf. Inzwischen war der Marquis, ohne anzuklopfen, auf das donnernde Signal, überrascht und ein wenig erschrocken, in das Zimmer getreten.

Guten Abend! Guten Abend, meine Herren! grüßte er in seiner langsamen und scharf gemessenen Sprache, der man es auch in jedem richtig gewählten und gestellten Worte anhörte, daß sie mehr aus Büchern, als in lebendiger Schule erlernt war. Lassen Sie sich nicht unterbrechen von mir, meine Herren, wenn Sie haben voltigirt oder gefochten. Spielen Sie weiter. Diese Exercitien gefallen mir wohl, und als ich war jung und unter den Pagen in Versailles, da hab 'ich die gymnastischen Künste getrieben mit großem Eifer. Aber, meine Herren, damals übten sich diese Künste mit Delicatesse. Ah, mon dieu, wie machen die Polissons es jetzt da draußen vor dem Thor, in dem großen Sand! Sie laufen herum in schmutzigen Säcken und brechen sich die Hälse. Das ist, was sie heißen das Turnen.

Ich bin ganz allein, Herr Marquis, nahm Arthur das Wort, und bitte um Entschuldigung, daß ich Sie in einer finstern Stube empfangen muß. Ich wollte eben nach meinem Hute greifen, um auszugehen, als ich über diesen Stuhl stolperte

Hat nichts zu sagen, mein Herr Doctor, unterbrach ihn der Marquis. Ich will Sie nicht lange halten. Ich komme, um Sie zu fragen für das letzte Mal, ob Sie wollen reisen in meiner Begleitung und auf meine Kosten nach Italien. Denn ich muß benutzen die wenigen Tage vor der Eintretung des starken Frostes, um zu kommen heraus aus den kalten Landschaften.

Herr Marquis, entgegnete Arthur mit gemachter Verlegenheit, ich weiß in der That nicht, wie ich es verdiene

Lassen Sie das, Herr Doctor! fiel ihm der Marquis in das Wort. Sie verdienen gar nichts für Ihre Person, aber Sie wissen recht wohl, Ihr Herr Vater hat an mir verdient Großes, sehr Großes, das Gott ihm wird vergelten im Himmel. Er hat mich, als ich kam bettelarm und verwundet nach Mannheim, aufgenommen in sein eigenes Haus, er hat mich geheilt und gepflegt, er hat mich genährt und gekleidet, bis daß meine Mittel sind angekommen aus der Schweiz, von meiner emigrirten Familie. Sehen Sie, Herr Doctor, das hab 'ich nicht gekonnt abtragen an ihn selbst, darum will ich es abtragen an den Sohn.

Herr Marquis, Sie beschämen mich mit jedem wiederholten Anerbieten Ihrer Gunst. Aber Sie wissen, daß ich damit umgehe, meinen großen medicinischen Cursus zur praktischen Habilitation hier in Berlin zu machen.

Erlauben Sie, Herr Doctor, daß ich mich setz 'auf einen Moment. Ihre Treppe hat mich gemacht sehr müde, und ich muß einmal husten.

Der Marquis setzte sich auf das Sopha und hustete ein paar Minuten lang, daß die Wände zitterten. Arthur stand wie auf Kohlen, trippelte in der Stube herum und sann auf Mittel, seines Besuches so schnell als möglich ledig zu werden. Es ist Ihnen zu kalt in meiner Stube, Herr Marquis, hub er nach der Pause das Gespräch wieder an, und das reizt Sie zum Husten.

Nicht so, Herr Doctor. Ich bin gegangen zu schnell in den Wind hinein. Sie haben gesprochen von Ihrem großen praktischen Cursus. Aber nehmen Sie es nicht auf die böse Seite, wenn ich Ihnen mache das Bekenntniß, daß die Herren Professoren von der Universität mir haben gesagt, Sie machen hier viele kleine Cursus in der Stadt, in der schönen Welt, in den belles lettres, kleine Cursus, nicht praktisch, alle mit einander ideal und poetisch, und die Sie nicht werden führen zu der Habilitation. Und dieselben Herren haben mir gegeben die Versicherung, daß es wäre Ihr gutes Glück, wenn Sie würden mit Gewalt herausgerissen aus dieser berlinischen Manier zu leben. Und was die gelehrte Geheimeräthin betrifft und ihre kleine Mignon

Herr Marquis, brach hier Arthur mit wenig beschönigter Entrüstung in die Rede des Alten ein. Herr Marquis, wiederholte er und steigerte den Ton seiner Worte bis zur entschiedenen Grobheit, die Herren Professoren, die Ihnen das gesagt haben, scheinen zu vergessen, daß ich bei ihnen für medicinische und nicht für moralische Vorlesungen pränumerirt habe.

Nicht zu rasch! nicht zu rasch, mein junger Freund! beschwichtigte ihn der Marquis. Sie werden machen Ihren Cursus medicus in Salerno, und wenn Sie mir curiren meinen Husten, so sollen Sie von mir genannt werden ein Hippokrates.

Arthur, durch die kleine Zurechtweisung des Alten um so schärfer gereizt, je gerader er sich von ihr getroffen fühlte, war nicht so leicht in den Scherz überzuspielen und fuhr in seiner vorigen Stimmung fort: Suchen Sie Ihren Hippokrates unter den hochgelahrten Herren, die mich Ihnen so angelegentlich zum Begleiter nach Italien empfohlen haben.

Sagen Sie mir nichts Böses von diesen Herren, Herr Doctor. Sie meinen es gut, sehr gut mit Ihnen. Aber, mein lieber Arthur, versprechen Sie mir, daß Sie wollen nicht mehr Verse machen und mit mir reisen nach Italien. Ich bin ein alter Narr, daß ich Sie so quäle, aber ich weiß wohl, warum ich es bin, und ich will es sein. Ich habe Sie lieb, als ob Sie wären mein eigenes Kind, und ich habe Sie als ein kleines, kleines Ding getragen auf meinen Armen, und da haben Sie mir einmal beschmutzt einen neuen hellgrünen Rock, und da habe ich Ihrem seligen Vater meine Hand gereicht, daß ich wollte sorgen für Sie, wenn in der Zukunft meine schlechten Umstände sich hätten verbessert. Sehn Sie, darum will ich Ihnen wohlthun, malgré vous.

Herr Marquis, fuhr bei diesen Worten Arthur heraus, entschuldigen Sie meine Grobheit; aber ich bin zu einer Gesellschaft geladen, welcher ich die Stunde halten muß. Ich werde mir die Freiheit nehmen, Ihnen morgen Adieu zu sagen.

Hiermit nahm Arthur seinen Hut in die Hand und schickte sich an, aus der Stube zu gehen, deren Schlüssel er schon lange in der Hand geschwungen hatte. Der Marquis, ohne sich zu übereilen oder aus seiner gutmüthigen Laune zu fallen, stand vom Sopha auf und klopfte dem jungen Mann auf die Schulter. Nächsten Donnerstag reisen wir, Herr Doctor! Diese Worte, von dem Alten mit einer gewissen prophetischen Bedeutsamkeit ausgesprochen, machten den Jüngling betroffen, und er fühlte sich von ihnen nicht wie bisher unangenehm bedrängt. Er verstummte, und der Marquis fuhr fort: Und wenn Sie auch nichts wollen zu treiben haben mit meinem alten bösen Husten, ich nehme Sie doch mit mir als meinen Hippokrates, und was Sie nicht bewirken, das wird bewirken das weiche Klima und die heiße Atmosphäre. Sehn Sie, und wenn ich alsdann ohne Husten, aber mit Ihnen, zurückkomme nach Berlin, so gehe ich in die Conferenz, wo alle die großen Herren Professoren sitzen beisammen, und spreche zu ihnen: Da bin ich curirt von dem Herrn Doctor Arthur Lerchenfels! Da werden die Herren machen große Augen und kleine Nasen und werden Ihnen abstatten ihre Reverenz. Und damit, mein Lieber, haben Sie gemacht Ihren großen praktischen Cursus zu der Habilitation.

Arthur, von dem leisen Anfluge eines halb dankbaren, halb mitleidigen Wohlwollens berührt und einen Stich der Reue über sein grobes Betragen gegen den Marquis empfindend, faßte den Arm desselben, sobald er sich in Bewegung setzte, und führte ihn behutsam über den finstern Saal und die steile Treppe hinunter. Vor der Hausthüre verabschiedete er sich mit einem stummen, aber herzlichen Drucke der alten, zitternden Hand und wollte schnell nach der Richtung des brandenburger Thores entschlüpfen. Aber der Marquis, dessen Weg der entgegengesetzten Straße folgte, hielt ihn noch einen Augenblick zurück und flüsterte ihm vertraulich in das Ohr: Sagen Sie diesen Abend der Geheimeräthin und ihrer kleinen Tochter das Adieu, welches Sie mir haben zugedacht auf morgen. Sie lassen sich herumführen an der Nase und führen sich selbst herum. Liebe! Ah mon dieu, nennen Sie das nicht Liebe. Phantasie, mein Lieber, Phantasie!

Zweites Kapitel.

Arthur fand auf dem Wege nach dem Wilhelmsplatze, wo die Geheimeräthin Flügel wohnte, einige Muße, über das nachzudenken, was der Marquis ihm halb im Scherze halb im Ernste vorgehalten hatte. Die gutmüthige Art und Weise, mit welcher der alte Mann ihm, trotz seiner rücksichtslosen Grobheit, zugesprochen hatte, war nicht ohne Eindruck auf sein weiches und bewegliches Herz geblieben, und seine leicht erregbare Phantasie spielte mit dem schönen Klange des Namens Salerno behaglich fort und bildete sich daraus eine reiche Seelandschaft, belebt von singenden Fischerinnen, unter denen sich die ehrwürdige Gestalt eines alten salernitanischen Doctors langsam vorübertrug. Dazu trat auch die Erinnerung an seinen verstorbenen Vater, der ihm noch auf seinem letzten Krankenlager in demselben Sinne, wie der Marquis, wenn auch in andern Worten, das unstete und oberflächliche Wesen mit drohenden Aussichten vorgestellt hatte, welches ihn schon seit dem Anfange seiner medicinischen Studien befangen hielt, und seine guten Anlagen in der Uebung leichter Künste ohne Nutzen für sich und Andere zersplitterte. Er fühlte damals und auch jetzt, nachdem er um fünf Jahre älter geworden war, die Wahrheit dieser Vorstellungen, aber doch nur mit sehr beschränkenden Bedingungen, welche seine Eigenliebe vorgeschrieben hatte. Denn diese träumte in manchen seligen Stunden davon, daß er einmal ein großer Dichter und nebenher auch wohl noch ein geschmackvoller Gelehrter werden möchte, oder daß er es gar schon wäre, wenn die Leute außer ihm es nur anerkennen wollten. Diese Träume wurden ihm am günstigsten in dem Hause der Geheimeräthin gedeutet, und daher kam es, daß er sich dort wohler fühlte, als irgend wo.

Die ungefähr vierzigjährige Wittewe des Geheimeraths Flügel, zware nicht aus Berlin gebürtig gehörte doch zu der in dieser Stadt vorzüglich heimisch und eigenthümlich gearteten Classe von Frauen des sogenannten Mittelalters, welche es zu der höchsten Aufgabe ihres geselligen Lebens machen, jedem schönen Geiste, der nur irgend in ihren Bereich zu ziehen ist, eine Tasse Thee zu bereiten und ein Stammbuchblatt zu übergeben. Die Geheimeräthin trieb es sogar noch weiter in ihrem Antheile an den schönen Wissenschaften und freien Künsten. Sie besaß mehrere ungedruckte Gedichte gedruckter Autoren in eigenhändigen Abschriften derselben, auch einige Bücher mit geschriebenen Zueignungen und endlich ein Manuskript, welches ihr eine förmlich gedruckte Dedikation verhieß, wenn es ihr gelungen wäre einen Verleger für dasselbe zu finden. Für eine Dame dieses Charakters mußte der Doktor Lerchenfels ein unschätzbarer Hausfreund sein, und sie ließ es daher auch an keinem Mittel fehlen, ihn an ihr Haus zu fesseln. Er verschaffte ihr die neuesten Zeitschriften und Taschenbücher, hinterbrachte ihr aus seinem Briefwechsel mit namhaften Autoren anziehende Nachrichten und Bemerkungen, machte ihren Vorleser in größeren Cirkeln, führte ihr berühmte Fremde zu und war überhaupt in allen gelehrten Beziehungen der belebende und ordnende Geist ihres geselligen Lebens. Dafür wurde er aber auch wieder von der Geheimeräthin auf jede Weise ausgezeichnet und fast wie ein liebes Kind verzogen. Sein Urtheil in Sachen des Geschmacks galt ihr für ein untrügliches Orakel, seine Muse wurde von ihr angebetet, zu allen Stunden des Tages stand ihr Haus ihm offen, und die kleine Fanny, ihre witzige und naseweise Tochter, welche die Ansichten ihrer Mutter über die Schöngeisterei wie über den Vertreter derselben nicht ganz zu theilen schien, mußte sich manchen Verweis gefallen lassen, wenn sie den Doctor nicht mit der Aufmerksamkeit behandelte, welche dessen Sorge für ihre höhere Ausbildung zu verdienen schien. Ob der Geheimeräthin in diesem Bestreben, das Herz ihrer Tochter dem junger Manne geneigt zu machen, außer dem geistigen Zwecke, noch ein anderer von festerem Gehalt vor Augen schwebte, hat sich nie deutlich erwiesen. Jedoch kann es als wahrscheinlich angenommen werden, daß sie ihm die Hand ihrer Fanny nicht versagt haben würde, wenn er einmal in glänzender Equipage als Rath oder Professor zu einer Werbung vorgefahren wäre; und auch die Tochter hätte ihm dann vielleicht die Langeweile vergeben, die das Vorlesen seiner Verse ihr so oft verursacht haben mochte.

Wenn Arthur auf dem Wege nach dem Wilhelmsplatze manchen ernsten und trüben Gedanken Gehör gab, die sich ihm in der Betrachtung seines gegenwärtigen Lebens und der Pläne für seine Zukunft aufdrängten, so gewann doch bald seine lebhafte Phantasie, welche nie müde wurde, ihn mit sich selbst zu täuschen, den Sieg über die scheltende und warnende Vernunft. Er mußte sich zwar gestehen, daß ihm fast ein ganzes Jahr nach seiner Promotion ohne irgend eine Förderung seines ärztlichen Berufes verstrichen war: aber er tröstete sich darüber mit seinen Fortschritten in der Laufbahn der freien Musenkünste. Das mäßige Vermögen, welches sein Vater ihm hinterlassen hatte, war in diesem Jahre bedeutend verringert worden: aber er hoffte im nächsten auf ein großes Honorar für eine schriftstellerische Arbeit. Daß er die Gelegenheit von sich gewiesen hatte, Italien, die Heimath der schönen Kunst, auf Kosten des Marquis zu bereisen, auch dafür fand er eine Entschuldigung in den seltsamen Launen und Gewohnheiten des alten Mannes, dessen Gesellschaft ihm selbst ein Paradies unerträglich machen müßte. Endlich gerieth er auch auf eine Prüfung des schnippischen Betragens der kleinen Fanny gegen sich. Wie oft hatte sie über seine Gedichte gelacht oder gar gegähnt, wie bitter hatte sie über seine kleinmüthige Bedenklichkeit, dem Marquis nach Italien zu folgen, gespöttelt, ohne auch nur von fern ahnen zu wollen, was ihn an Berlin fesselte, wie wenig erkannte sie endlich das in ihm, wodurch er sich aus dem Schwarme der jungen Welt, die ihr mit ihm huldigte, in glänzender Eigenthümlichkeit hervorzuheben meinte!

Aber! so rief er im Alles verschlingenden Gefühle seines Triumphes aus, aber das Thema zu der Glosse! Spricht der Inhalt desselben nicht mit deutlichen Worten ihr lange verheimlichtes und hinter Spott und Laune verstecktes Gefühl gegen mich aus? Und wenn ich gar noch bedenke, in welcher Stunde und unter welchen Umständen sie mir dieses Thema niederschrieb!

Fanny hatte sich nämlich den boshaften Spaß mit ihrem poetischen Anbeter erlaubt, ihm jenes Thema in einer Stunde zu übergeben, als ihm eben in einer plötzlichen Entrüstung über ihre neckische Laune die drohende Aeußerung entschlüpft war, er wolle morgen abreisen. Arthur, viel zu gutmüthig und eitel, um die Mystification durchzusehen, hatte das Thema als eine Liebeserklärung der endlich Bezwungenen mit einer so überschwänglichen Fülle von Glut und Dampf glossirt, daß er nicht zweifelte, sie selbst werde, ergriffen von ihrer durch ihn ausgesprochenen Leidenschaft, ihm gleich nach der ersten Strophe in die Arme stürzen und ihre Aufgabe lebendig darstellen.

Von solchen übermüthigen Hoffnungen trunken gemacht, zog Arthur mit ungestümer Hast die Klingel an dem großen Hausthore, welches ihm jetzt die einzige Schranke zu bilden schien, die seine Sehnsucht von dem ihr winkenden Ziele trennte. Knarrend öffnete sich durch einen unsichtbaren Druck der schwere Thorflügel, ließ ihn eintreten und schlug hinter ihm mit lautem Getöse wieder zu. Er eilte mit beschwingten Schritten die Treppe hinauf, aber schon auf den ersten Stufen legten sich bleierne Gewichte unter seine Sohlen und über sein Herz, als das an ihm vorbeischlüpfende Kammermädchen die Worte fallen ließ: Madame werden gleich ausgehn. Heute? Heute? frug er sich selbst statt des Mädchens. Und ohne mir etwas sagen zu lassen? Weiß sie doch, wie gewissenhaft ich gerade den Montag halte, und wie keines Ministers Einladung mich bewegen könnte, mich an diesem Abend ihrem Cirkel zu entziehen! Es wird gewiß ein Irrthum von der dummen Soubrette sein.

Noch hatte er die Thüre der Geheimeräthin nicht erreicht, als diese ihm schon aus derselben entgegenlief: Mein lieber, guter Doctor, sein Sie nur gleich recht böse auf mich! Schelten Sie, so scharf Sie wollen, aber lassen Sie meine Vergeßlichkeit damit auch ein für allemal abgebüßt sein. Nichts nachtragen, nur nichts nachtragen, das müssen Sie mir versprechen. Arthur wußte nicht, was er entgegnen sollte, so tief schlug ihn dieser Empfang trotz aller feiner Freundlichkeit nieder. Stumm trat er auf die Einladung der Dame in ihr Zimmer ein und erstaunte merklich über die glänzende Toilette, in welcher er sie erblickte. Sie haben mich noch nicht in dem neuen pariser Anzuge gesehn, Herr Doctor, sprach sie ihm zu, und Sie werden glauben, ich gehe zu einem Balle. Aber setzen Sie sich; mein Tänzer wartet schon, bis ich komme. Sie sind mit Recht betroffen, und ich bin Ihnen eine Aufklärung schuldig. Die Majorin von Felbel überrascht mich heute gleich nach Tische und kündigt mir einen Besuch an, einen Besuch, und rathen Sie einmal von wem? von Casimir Delavigne. Stellen Sie sich meine Entzückung vor oder auch meinen Schreck, wenn Sie wollen. Ich konnte mich kaum fassen und nur die Frage herausbringen, wie der gefeierte Mann nach Berlin käme. Er steht vor der Thüre, sagte die Majorin dringend, und wartet nur auf Ihren Befehl. Ich lasse öffnen, und ein junger Mann von der feinsten französischen Tournure, gekleidet wie ein Bild aus dem pariser Modejournal, schreitet auf mich zu, küßt mir die Hand und redet mich an mit einem Accent, ich sage Ihnen, mit einem Accent ohne Gleichen. Aber in demselben Augenblick fängt er an laut zu lachen, und die Majorin stimmt ein. Es war ihr Sohn, der seit einigen Jahren in Paris bei unsrer Gesandtschaft gearbeitet hat und dort in Paris selbst, wegen einer ganz frappanten Aehnlichkeit, oft mit dem berühmten Delavigne verwechselt worden ist. Ein höchst interessanter junger Mann. Er hat Delavigne häufig in den Clubs der Liberalen gesprochen, mit Béranger hat er Brüderschaft getrunken Sie müssen ihn durchaus kennen lernen, lieber Doctor. So hat er mir zwei, drei Stunden hinweggeplaudert, und dann haben wir ihm versprechen müssen, diesen Abend bei der Majorin Thee zu trinken. Er hat Fanny so geschwätzig gemacht, wie ich sie seit Jahren nicht gesehn habe, und sie hat sich sogar dazu verstanden, denken Sie sich, französisch mit ihm zu conversiren. Aber nun, lieber Doctor, Ihre Hand und das Versprechen: Nichts nachgetragen! Sie wissen ja, wie ich für Delavigne portirt bin, und so ist es kein Wunder, daß auch der falsche Delavigne einen Theil meiner Bewunderung des echten in Anspruch genommen hat.

Arthur, fast von jedem Worte dieser Erzählung an den empfindlichsten Stellen seiner Eigenliebe verletzt, vermochte noch immer nicht einen Ton zu finden, welcher das ausspräche, was sein Inneres empörte. Endlich brachte er nicht ohne Beklommenheit die Frage heraus: Kann ich nicht die Ehre haben, Fräulein Fanny auf einen Augenblick zu sprechen?

Meine Tochter wird noch mit der Toilette beschäftigt sein, erwiderte die Dame ziemlich gleichgültig. Lisette, geh doch einmal hinein zu dem Fräulein, der Herr Doctor wünschen sie zu sprechen.

Bestellen Sie, die Glosse wolle ihre Aufwartung machen, rief Arthur dem Kammermädchen nach. Die Geheimeräthin, vor dem Spiegel stehend, überhörte diesen Nachtrag zu ihrem Befehl, und das steigerte wieder des Doctors Entrüstung. Das Kammermädchen kam zurück und meldete: die Madame Klosse möge morgen wiederkommen, wenn sie nicht schon heute Nacht abreise. Die Dame, ohne den Grund des komischen Mißverständnisses zu begreifen, fing an aus vollem Halse zu lachen, und der gemißhandelte Dichter, unfähig, seine innere Wuth länger zurückzuhalten, eilte so stürmisch aus dem Zimmer hinaus, daß er sein trotziges Leben Sie wohl! kaum noch auf dem Vorsaale aussprechen konnte. Eben so stürzte er die Treppe hinunter, zog den Drücker des Hausthores in die Höhe und schob sich durch den zurückgedrängten Flügel hinaus. Dieser, schnell hinter ihm zufallend und einschnappend, klemmte einen seiner Rockschöße fest, und er war gefangen. Er wollte nach der Klingel greifen, aber diese hing an der Pfoste des breiten Thores zu weit seitwärts, als daß er sie hätte erlangen können. Aengstlich blickte er in der Finsterniß um sich her, ob er nicht eines Menschen ansichtig würde, welcher ihm in dieser seltsamen Verlegenheit Hilfe leisten könnte. Aber die Straße über den Wilhelmsplatz führte nicht in den finstern Winkel hinein, welchen das Haus der Geheimeräthin einnahm, und alle Vorübergehenden waren daher zu weit von ihm entfernt, um seine Bitte zu hören, wenn er nicht ein lautes Geschrei anstimmen wollte. Je länger er aber auf Erlösung wartete, desto quälender empfand er das Lächerliche seiner Stellung, und wenn er daran dachte, daß jetzt die Geheimeräthin und Fanny heraustreten und ihn entfesseln könnten, so wollte er sich den Kopf gegen das Schloß einstoßen. Seine mit jedem Augenblicke bis zur Verzweiflung steigende Angst machte ihn so besinnungslos, daß er sich wie ein Rasender zu geberden anfing und schon im Begriffe stand, seinen Rock mit Gewalt herauszureißen und einen Schooß desselben im Stiche zu lassen, als es ihn plötzlich wie eine Eingebung durchleuchtete, daß er ja den Rock nur auszuziehen brauche, um die Klingel zu erreichen Augenblicklich schlüpfte er aus den Aermeln heraus, ließ den Rock in der Thorklemme und hatte eben die Klingel gefaßt, als der Flügel sich öffnete, sein Frack auf die Erde fiel und die beiden Damen mit ihrem Kammermädchen heraustraten. Wie ein Wüthender sprang Arthur nach seinem Rock, trat die eine Dame auf den Fuß und stürzte noch in Hemdsärmeln gegen die Mitte des Platzes fort. Hinter ihm her scholl ein gellendes Gelächter, und ein handfester Gesell, den er anlief, faßte ihn unsanft am Arme und brummte in den Bart: Nu, nu, Musjö, renn 'er man die Menschen nicht um!

Drittes Kapitel.

Wohl eine halbe Stunde trieb sich der unselige Arthur, ohne zu sich selbst kommen zu können, in den entlegensten Straßen auf und ab. Es wogte so verworren und ungestüm in seiner Brust und seinem Kopfe umher, daß er keine Empfindung und keinen Gedanken festhalten konnte, und so oft er seinen kochenden Ingrimm gegen die Geheimeräthin und ihre Tochter auszulassen anfing, so oft erhob sich auch gleich in ihm ein widersprechender Gegner, welcher ihn selbst einen anmaßenden und närrischen Menschen schalt. Nachdem er sich aber einigermaßen gesammelt und be - ruhigt hatte, wagte er sich die Frage vorzulegen: Was soll ich jetzt beginnen? Unter allen mehr oder minder übereilten Vorschlägen, die bald sein Zorn, bald seine Eitelkeit, bald sein Ehrgeiz ihm eingaben, blieb dennoch ein großer Entschluß, welcher schon mit seiner Flucht aus der Thorklemme in seinem Innern aufgegangen war, unter dem Kampfe der Meinungen unerschütterlich stehen. Er wollte das Haus der Geheimeräthin nie wieder betreten, und seine Liebe schien durch die Lächerlichkeit der letzten Scenen, welche sie eben mit ihm gespielt hatte, so beschämt, daß sie keinen Widerspruch gegen diesen Vorsatz einzulegen unternahm. Italien! Italien! dieses Losungswort riß ihn jetzt plötzlich wie ein Zauberspruch aus den Trümmern seiner niedergeschlagenen Pläne und Hoffnungen empor, und als ob unsichtbare Mächte ferne Schritte zu diesem Ziele gelenkt hätten, stand er gerade vor der Wohnung des Marquis in der Brüderstraße, als die Reise nach Italien ihn durch und durch wie ein Blitz erleuchtete. Italien! Italien! wiederholte er laut die Stimme seines Innern und trat in das Haus ein. In dem Flur stand der Diener des Marquis, ein ehemaliger Souffleur des Theaters, welcher den an ihm vorübereilenden Doctor erkannte und seiner Frage mit der Meldung zuvorkam, der Herr Marquis sei schon schlafen gegangen.

Schlafen? fragte Arthur verwundert. Es kann ja wohl kaum acht Uhr geschlagen haben.

Ein Viertel auf neun Uhr, wenn der Herr Doctor erlauben. Das ist so die Gewohnheit des Herrn Marquis, nach acht Uhr sich zur Ruhe zu begeben. Wenn er auch so früh nicht einschläft, er geht doch immer um diese Stunde in seinen Tempel, und dann darf ich keine Menschenseele anmelden.

Aber mein Besuch ist sehr wichtig, guter Freund, sehr dringend, und der Herr wird mich gewiß annehmen.

Daran zweifle ich nicht, Herr Doctor, aber ich habe die strengste Ordre, nicht einmal anzuklopfen an den Tempel, wenn der Herr Marquis sich nach acht Uhr darin eingeschlossen hat. Auf ein Wort, Herr Doctor. Der Herr hat mir heute gesagt, Sie werden nun doch mit ihm reisen. Das ist mir eine rechte Beruhigung, daß ich ihn unterwegs und in der Fremde in guten Händen weiß. Denn, sehen Sie, Herr Doctor, ich habe mich anders besonnen. Man wird auch alt und hinfällig und hat Frau und Kinder hier. Wenn der Marquis in Berlin geblieben wäre, da wollt 'ich's wohl bis an sein Ende mit ihm aushalten. Ich habe mich nun einmal so nach und nach in seinen Eigensinn und seine Wunderlichkeit gefunden, und ich denke, wir haben Alle ein Bischen davon. Und übrigens ist er Ihnen ein kreuzbraver Mann. Aber Italien, das ist mir doch zu weit, und ich hab' es dem Herrn heute gerade herausgesagt. Man will doch auch wissen, wo man sein Haupt in die Grube legen soll, und ich verschlüge mir obendrein noch einen schönen Posten, den ich da drüben bei der alten Gräfin bekommen soll. Jeder ist sich selber der Nächste.

Aber das hätt 'Er nicht so lange verschieben sollen, Konrad, dem Marquis den Dienst aufzusagen. Der alte Mann kann doch nicht ohne Diener reisen.

Warum nicht, mein Herr Doctor? Der alte Mann braucht keinen Diener, zu nichts in der Welt, sag 'ich Ihnen. Denn es kann ihm doch Keiner etwas recht machen, und so hat er Ihnen eigentlich mehr zu thun, wenn er sich aufwarten läßt, als wenn er sich selbst aufwartet. Nicht einmal die Stube kann ihm ein Mensch so ausfegen, daß er nicht mit seinem kleinen Wedel hinterher noch einmal abstäuben sollte. Wenn ich ihm des Morgens den Schuhanzieher unter den rechten Fuß schiebe, so will er den linken Schuh zuerst anziehen, und komm' ich ihm mit dem linken zuerst, so soll es der rechte sein. Noch niemals habe ich ihm auch nur einen Knopf zu Danke zuknöpfen können. Und nun vollends in seinem Tempel!

Aber, Konrad, sag 'Er mir nur, was meint Er denn mit dem Tempel, von dem Er da spricht?

Das ist das kleine Cabinet, Herr Doctor, hinten heraus, in welches kein Tageslicht hineingeschienen hat, so lange der Marquis hier wohnt, ein kleines Cabinetchen, nicht viel größer als mein Souffleurkasten im großen Opernhause, aber der Marquis nennt's nun einmal einen Tempel. Ihnen, Herr Doctor, darf ich's wohl sagen, Sie werden's ja doch über lang oder kurz einmal zu sehn bekommen, wenn Sie erst mit dem Marquis auf Reisen gehen. Sonst soll ich eigentlich, so zu sagen, nicht davon sprechen. Sehn Sie, da hat er das ganze Cabinetchen, Thüren und Fenster, von oben bis unten mit einer Art von Tapete behangen, mit so einem altmodischen Zeuge, große bunte Kerls darauf, der König David mit der Harfe und der Bundeslade und die schöne Susanne, und Gott weiß, was noch mehr für Geschichten. Dann hat er Ihnen eine Maskeradengarderobe rings herum aufgehängt, bunte gestickte Röcke und Westen von allen Farben, abgetragene Lumpen, es zöge sie bei uns kein Statist auf den Leib, zerrissene Degenscheiden, rostige Klingen, spanische Röhre, zerzaus'te Perücken, ich sage Ihnen, eine wahre Trödelbude. Aber die Hauptsache ist ein kleines Häuschen von Pappe, so wie's die Buchbinder auf dem Weihnachtsmarkt feil haben, mit Fensterchen und Thürchen, und aus dem größten Loche guckt eine Frauensperson heraus, ein Gemälde, ganz fein und niedlich. Die ganze Bescherung steht auf einem Tischchen, das heißt er den Altar, und vor dem Tischchen liegt ein großes Kissen, das ist mit Erde gestopft, ich glaube von seinen Gütern in Frankreich. Den Tag über schläft immer der alte Bologneser darauf, aber wenn des Abends die großen Lichter auf dem Altar angesteckt werden, so geht das Thier herunter, ohne daß man's ihm heißt, und macht dem Marquis Platz. Aber, Herr Doctor, daß Sie mich auch nicht verrathen! Ich habe einmal durch das Schlüsselloch geguckt, Gott verzeih 'mir's; denn wen soll auch die Neugierde nicht plagen, wenn so eine Komödie nebenan gespielt wird? Da lag der Marquis mit seinen Knieen auf dem Kissen und hatte die Hände gefaltet vor dem Häuschen, und die Thränen liefen ihm immer die Backen herunter; ich hätte nicht geglaubt, daß in dem ganzen Gerippe noch so viel Wasser wäre. Seinen Kirschkern hatte er aus dem Munde genommen und ihn mit sammt dem Goldkettchen an das Häuschen angehängt, unter dem Fenster mit dem Portrait.

Sonderbar! murmelte Arthur vor sich hin. So sollte die lächerliche Geschichte mit dem Kirschkern wirklich wahr sein. Ich habe sie immer für eine Fabel gehalten. Man ersinnt so viele wunderliche Dinge auf Kosten des Marquis.

Reine Wahrheit, Herr Doctor, fuhr der Schwätzer fort. An einem kleinen feinen Goldkettchen mit zwei Häkchen trägt er den Kirschkern im Munde, an zwei Zähnen befestigt, so lange ich ihm diene, und Gott weiß, wie viel länger schon. Was es aber mit dem Kirschkern eigentlich für eine Bewandtniß hat, das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber fürchten Sie sich deswegen nicht vor dem alten Mann. Er ist ein kreuzbraver, herzensguter Herr bei aller seiner Wunderlichkeit. Was er im Stillen für Gutes thut, das ist gar nicht zu sagen. Sein halbes Vermögen schenkt er weg an die Armuth. Und wenn er gleich für seine eigene Person lebt wie ein Hund, mit Respect zu sagen, so läßt er Unser einen doch deßwegen nicht darben. Man muß sich nur in sein Wesen zu schicken wissen, so läßt er sich um den kleinen Finger wickeln, wie ein Seidenfädchen.

Es schellte. Der Souffleur verstummte und verlor den Faden seiner Erzählung. Alle Wetter! rief er aus, das ist die Glocke des Marquis. Was mag das zu bedeuten haben? Warten Sie noch einen Augenblick, Herr Doctor; jetzt will ich Sie melden.

Mit diesen Worten eilte er hinein und brachte unverzüglich den Bescheid zurück, der Marquis wolle den Herrn Doctor sprechen. Aber lachen Sie nicht! flüsterte er dem Eintretenden nach.

Der Marquis kam ihm entgegen, einen großen silbernen Armleuchter in der einen Hand, in einem verblaßten rosenrothen Atlasrocke mit gelber Stickerei von Vögeln und Blumen, die vielleicht einmal weiß gewesen war, einen stählernen Patentdegen an der Seite, der ganze Anzug aus dem Zeitalter Ludwig des fünfzehnten. Sein Gesicht hatte einen wunderbar gespannten Ausdruck von Zerrüttung und Erhebung. Die Augen leuchteten wie in einer Verzückung, über seine blassen und tiefgefurchten Wangen schwebte eine fieberhafte Röthe, sein ganzer Körper zitterte.

Es war mir wie eine Ahnung, mein lieber Ar - thur, daß Sie müßten kommen noch heute zu mir, redete er mit sehr bewegter Stimme den Eintretenden an. Wundern Sie sich über mich, junger Mann, aber lachen Sie ja nicht in dieser Stunde. Sie werden mich bald kennen lernen, und dann werden Sie über mich weinen. Dieser rosenrothe Rock hat eine schwarze, sehr schwarze Geschichte, und wenn ich stecke darin, so bin ich mein Gespenst, das kömmt wieder und geht um an den Stätten, wo es hat geliebt und gelitten. Geben Sie mir Ihre Hand, mein lieber Arthur, und nächsten Donnerstag reisen wir nach Italien.

Mit diesen Worten entfernte sich die Erscheinung, wie sie gekommen war, und Arthur schlich in der seltsamsten Stimmung zwischen Verwunderung, Neugier und schauervoller Rührung aus dem Hause, ohne auf den Nachruf des geschwätzigen Dieners zu achten, der noch mehr für ihn auf der Zunge haben mochte.

Viertes Kapitel.

Arthur hatte eine sehr unruhige Nacht. Zwar entschlummerte er dann und wann, aber ängstliche Träume schreckten ihn gleich wieder auf, bald mit einem Sturze, bald mit einer Verwundung, bald mit einer lächerlichen Verlegenheit. Die Geheimeräthin, Fanny, Italien und der Tempel des alten Marquis waren die Gegenstände, mit denen seine Phantasie wachend und schlafend spielte und kämpfte. Er führte die Geheimräthin mit ihrer Tochter durch die Logen des Vaticans, und als seine Augen sich einmal von den hohen Kunstwerken auf seine eigene Figur herunterwendeten, bemerkte er, daß er ohne Beinkleider einherging. In Tivoli gerieth er in den Sturz der Cascatellen hinein, und auf dem Vesuv in eine Rauchsäule. Dann war maskirter Ball bei dem Papste, und der Marquis tanzte als klapperndes Gerippe in dem rosenrothen Rocke eine Menuet mit der kleinen Fanny, die sich außerordentlich verliebt geberdete. Am lebhaftesten träumte er von dem Pappenhäuschen des Tempels. Das Portrait, welches aus einem Fenster desselben herausblickte, wuchs allmälig immer größer und größer aus dem engen Gehäuse hervor und drängte sich ihm wie ein chinesisches Schattenspiel so rasch entgegen, daß es ihm den Athem versetzte, indem es in sein eigenes Gesicht überzufließen schien. Er fuhr auf und erwachte, aber das Bild schwebte noch vor seinem innern Auge, und die Züge desselben erinnerten ihn an die erste Liebe seiner Kindheit. Erste Liebe, einzige Liebe! rief er aus. Wie wunderbar steigt gerade heute das verblichene Bild des kleinen Engels, der mich lieben lehrte, so hell und frisch aus der schlummernden Tiefe meines Herzens empor! Der Mensch liebt nur einmal, wie er nur einmal ge - boren wird und nur einmal stirbt, und wenn wir dort oben zu einem neuen Dasein erwachen, dann wird auch unsre erste und einzige Liebe mit uns verklärt werden zu einer himmlischen Natur. Alles Andre, was wir später hier noch Liebe nennen, was ist es? Sinnenlust, Eitelkeit, Phantasie oder gar Sitte und Gewohnheit.

Immer wärmer und lebendiger traten die Bilder seiner ersten Liebe aus den ungetrübten Fernen seiner Erinnerung hervor und drängten sich, wie jenes Schattenspiel des Traumes, in wachsender Fülle an sein Herz. Er begegnete der Angebeteten auf dem Wege nach der Schule, und sie war das einzige Mädchen, dem er keinen guten Morgen zu wünschen wagte. Aber sein Gesicht brannte hochroth von dem Scheitel bis in die Halskrause hinein, wenn er an ihr vorüberstrich. Dann malte er die Anfangsbuchstaben ihres Namens auf die Rechentafel und zog die seinigcn darum oder darüber. Und sein übervolles Herz suchte ein andres Herz, um sich darin auszuschütten, und er wählte sich einen Knaben dazu, der oft mit seiner Geliebten spielte; denn er war ihr Nachbar. Als sie eines Tages allein beisammen waren, da zog Arthur den glücklichen Gespielen an seine Brust und fragte ihn mit zitternder Stimme: Fritz, hast du denn gar kein Mädchen lieb? Warum nicht, Arthur? antwortete der andre ganz unbefangen. Die Minna ist ja meine Braut. Die Minna! die Minna! schrie Arthur ent - zückt. Ach Gott, die Mrnna hab 'ich ja auch so erschrecklich lieb, und nun weiß ich auch, woher es kommt, daß ich dir so gut bin. Ach, Fritz, wir wollen sie beide immerfort so herzenslieb behalten! Einige Tage darauf spielten die Kinder Versteck in einem Weingarten. Minna und Arthur drückten sich in denselben Weinstock hinein, und nur ein Paar Blätter trennten ihre Lippen von den seinigen. Da küßte er das Blatt vor seinem Munde, welches ihre Wange berührt hatte, aber sie merkte es und sprach zu ihm: Arthur, brich doch das Blatt ab und küsse mich. Von der Zeit an nannten sich die beiden Kinder Braut und Bräutigam und grüßten und küßten sich alle Tage. Das grüne Blatt aber legte Arthur in seine Bibel und bewahrte es getrocknet viele Jahre als eine heilige Reliquie, bis es ihm in der Folge sammt dem Buche abhanden kam.

Von solchen sanften Erinnerungen eingewiegt, die sich in seinem Herzen hin und her schaukelten, wie ein Boot auf einem stillen Flusse, entschlummerte der Jüngling noch einmal und hatte folgenden Traum, den erst der Strahl der Morgensonne von seinem Haupte leicht hinwegnahm.

Er fuhr in einem kleinen Boote, ohne Steuer und Ruder von dem leise bewegten Strome fortgetragen, auf dem Spiegel des Rheins, dessen Wasser so klar und hell war, daß er jeden Kiesel zählen konnte, welcher in dem liefen Grunde lag, und die schimmernden Fische schlüpften dazwischen hin, wie unter einer Krystallschale. Als er sich dem Lureleifelsen näherte, erblickte er gerade unter sich in einer Grotte von Korallen die schöne Fee mit Schilf und Muscheln bekleidet. Sobald sie das Boot über sich gewahrte, tauchte sie auf und es war seine Minna. Aber sie war viel größer geworden und sah ernst und bleich aus, und ihre langen Haare, die rings um sie her wie ein Schleier Herabflossen, schienen ihm rinnnende Thränen zu sein. Bist du endlich da, mein Geliebter? redete sie ihn mit weinerlich eintöniger Stimme an, und bringst du mir das trockne Weinblatt aus deiner Bibel? Gieb es mir gleich, daß ich es mit mir hinunternehme und es wieder grün wasche. Alsdann darf ich auch wieder herauf zu dir und mit dir fahren weit hinaus in das große Meer. Dort weiß ich einen Felsenriff in der Tiefe, daran hängt der goldene Becher des alten guten Königs von Thule, meines Urgroßvaters. Er hängt zwar sehr fest und ist mit vielen Polypen und Korallen verwachsen, aber wenn ich das Blatt mit hinunterbringe, so locke ich die Sägefische damit aus dem ganzen Meere herbei und lasse mir von ihnen den Becher losbrechen. Und wenn ich den Becher nun gewonnen habe und wir Beide daraus die Tropfen trinken, die der alte König für uns darin gelassen hat, dann wird der nackte Felsen hier wieder in ein Schloß voll Pracht und Herrlichkiet verwandelt, und du ziehest ein in dasselbe und bist König über alle Herzen, die da lieben auf Erden. Und ich, mein Arthur, ich bin deine Königin. Arthur zitterte und bebte vor Angst und Schmerz; denn er hatte das Blatt verloren und wagte nicht, es zu gestehen. Aber die Lurelei hatte es aus seinen Augen schon gelesen und tauchte mit einem kläglichen Seufzen wieder in die Tiefe hinab, die alsbald trübe und finster wurde. Minna! Lurelei! rief der Schiffer. Aber nur ein dumpfes Gewühl in den Wogen gab ihm Antwort, und er stürzte sich verzweifelnd in Lust und Leid über sein Boot in den wogenden Abgrund hinunter.

Fünftes Kapitel.

Die Vorbereitung zu der nahen Abreise nahm unsern jungen Freund in den beiden folgenden Tagen theils mit eigenen Geschäften, theils mit verschiedenen Aufträgen des Marquis so ganz in Anspruch, daß er seinen Launen und Träumen weniger nachhängen konnte, als er es sonst wohl nach den Abenteuern des vorigen Tages und den Erscheinungen der letzten Nacht gethan haben würde. Vielleicht machte er sich auch viel mehr zu schaffen, als nöthig war, um seine Unternehmung dadurch in seinen eigenen Augen wich - tiger und größer zu gestalten, und um sich mit dem Drange solcher Angelegenheiten bei sich selbst darüber zu entschuldigen, daß er sich sogar seinen nächsten Freunden und Bekannten durch Visitenkarten empfahl. Mit der Geheimeräthin wurde keine Ausnahme gemacht, aber er war dennoch nicht unbefangen genug, um den Besorger der Karten nicht zu fragen, ob jene Dame oder ihre Tochter ihm seine Bestellung persönlich abgefordert hätten. Das war nicht geschehn, und Arthur flüsterte vor sich hin: desto besser.

Den letzten Abend vor der Abfahrt, welche auf den andern Morgen sehr zeitig angesetzt worden war, brachte der Doctor bei dem Marquis zu, der von dem Einpacken, wobei er, wie gewöhnlich, über seine Kräfte gearbeitet und noch mehr gemurrt und gescholten hatte, so erschöpft war, daß er sich kaum aufrecht erhalten konnte. Auch sein Husten war heftiger geworden, wahrscheinlich von der Erhitzung und dem Staube, und Arthur äußerte ihm zu wiederholten Malen seine Bedenklichkeit, ob er morgen werde reisen können.

Mein lieber Doctor, entgegnete mit heiserer Stimme der Marquis, der Mensch kann viel, sehr viel, wenn er nur will. Ich habe in meinen späten Jahren durchlaufen eine harte Schule, nachdem ich war verzogen worden in einer weichen. Sie werden sich wundern über mich, wie viel ich kann aushalten und durchsetzen in meinem Alter mit diesem delicaten Körper, und ich will Ihnen, obgleich Sie sind jung und robust, nicht zumuthen zu leben einen einzigen Monat gleich mir.

Ich bin nicht verwöhnt, Herr Marquis.

Das ist gut, Herr Doctor, aber ich bin mehr. Ich bin gewöhnt zu leben als ein Cyniker. Das Unglück hat mich gemacht zu einem großen Philosophen, zuerst aus Noth, hernachmals aus Princip. Als ich war jung, da hab 'ich gehabt mehr dienende Menschen um mich herum, als ich habe Finger an meinen Händen, ich habe geschlafen auf Seide und in Daunen, ich habe geleckt von zwanzig Schüsseln und Schalen, ich habe mich eingepuppt in Sammet und Pelz gegen die rauhe Luft, und so bin ich geworden eine schwache, kranke Creatur. Hernachmals hat unser Herr Gott auf mich gelegt eine schwere Hand, und ich bin gewesen todt. Nach dem Tode bin ich wieder aufgestanden, und da hat die strenge Noth mich erzogen als ihr Kind mit knappen und bittern Bissen und auf einem harten Kopfpolster, und sie hat mich gelehrt zu frieren und zu schwitzen, zu hungern und zu dürsten, mir zu treten die Sohlen wund und die Hände zu ringen steif. Das war eine böse Schule, so lange ich lernen mußte in ihr; aber als ich bin gewesen losgesprochen, da hab' ich mich zum ersten Male in meinem Leben gefühlt als mich selbst, als meinen eigenen Herrn und meinen eigenen Diener, und bin gewandert durch die Welt, wie der Philosoph ohne Gepäck, und hab 'doch bei mir getragen alles Meinige. Das ist ein großes Ding, Herr Doctor. Anjetzo hab' ich wieder zu verschwenden so viel, daß ich könnte leben delicat und brillant, aber, sehen Sie, die Gewohnheit macht mir zum Bedürfniß das, was das Bedürfniß mir hat gemacht zur Gewohnheit.

Ich kann mich in der That nicht genug über Ihre Natur wundern, Herr Marquis. Ein so zarter Körperbau, Ihr hohes Alter und Ihre harte Lebensweise

Das ist, was mich erhält, fiel der Marquis ein. Aber ich bin auch nicht so alt, wie ich habe das Ansehn. Wie viele Jahre geben Sie mir, Herr Doctor?

Ich habe Sie immer für einen hohen Sechziger gehalten.

Weit gefehlt, weit gefehlt, mein Herr! Ich bin noch nicht herausgegangen aus den Funfzigen, aber bald werd 'ich es nun sein. Mein Geburtstag ist nicht zu vergessen. Es ist der Tag, als die Helden Soubise und Condé schlugen bei Johannesberg den Prinzen von Braunschweig. Mein Vater wurde blessirt an diesem Tage in der rechten Schulter, und ich kam in die Welt mit einem schwarzen Maale auf derselben Stelle. Das war der dreißigste August siebenzehnhundert und zwei und sechzig. Sehn Sie, Herr Doctor, da fehlen noch einige zwanzig Monate bis auf die Sechzig. Aber das muß Sie nicht machen irre in Ihrer Schätzung. Warum haben Sie nicht gerathen siebenzig oder achtzig? Ich bin geworden alt in einem Tage und in einer Nacht zwanzig, dreißig Jahre, und ich kam nach Mannheim zu Ihrem seligen Vater, das werden jetzt sein mehr als zwanzig Jahre, da war ich schon ein Greis, wie ich bin heute.

Darin muß ich Ihnen beistimmen, Herr Marquis. So lange ich die Ehre habe, Sie zu kennen, haben Sie sich nicht im mindesten verändert, und wenn ich der Erinnerung aus meiner ersten Kindheit trauen darf, so sind Sie noch ganz Derselbe, der mich so oft auf seinen Armen geschaukelt hat, und dessen weiche seidene Röcke mit der bunten Stickerei ich so gern betastete. Dazu kömmt freilich aber auch Ihre unveränderte Tracht.

Warum sollt 'ich verändern meine Tracht, da ich mich selbst nicht habe verändert in so vielen Jahren? Ich trage in mir und auf mir mein Zeitalter und mein Vaterland, und darum bin ich zu Hause überall, in China wie in Frankreich. Denn mein Frankreich ist nicht mehr zu finden in Frankreich. Ich müßt' es auch tragen hinein mit meiner Person. Die Bourbons haben sich wieder gesetzt auf den Thron ihrer Väter, aber rings um sie herum da herrscht noch die böse neue Welt, Charte, Constitution, Légion d’honneur, Ducs de batailles, Code Napoléon. Ah, mon Dieu, est ce que c’est la France? Die Kinder der Revolution und die Creaturen des Ty - rannen haben sich getheilt in den Boden und in die Titel meiner Väter und verprassen auf unsern Schlössern die Beute, welche sie uns haben abgenommen als Sieger in dem Kampfe, den wir haben gefochten gegen die Königsmörder. Mais tais-toi, tais-toi, vieux fou! Du hast ja so viel Erde gerettet von dem Boden deiner Väter, um darauf zu betten dein Haupt im Sarge.

Der Marquis, heftig gerührt von seinen eigenen Worten, die er gegen den Doctor gerichtet hatte, als wäre dieser sein Opponent, erhob sich mit dem Schlusse seiner Rede und schritt in dem Zimmer hastig auf und ab. Arthur aber, welcher in der That zu der Partei der Freisinnigen gehörte, vielleicht mehr aus Mode, als nach innerer Ueberzeugung, hatte doch nicht den Muth, die neue Ordnung der Dinge gegen den Angriff des Alten in Schutz zu nehmen; so sehr überwältigte dessen wahres Gefühl seine angelegte Meinung.

Mein guter Doctor, wendete sich der Marquis besänftigt an den etwas betroffen scheinenden zurück, gehn Sie jetzt nach Hause und schlafen Sie aus. Morgen früh um fünf Uhr fahren wir ab. Und packen Sie nicht ein unnütze Sachen. In Rom und in Neapel gibt es auch Märkte, von denen wir können kaufen, was uns fehlt. Ich habe für meinen Leib nur eine ganz kleine Balise mitgenommen. In den großen Koffern, die Sie haben gesehen hinten auf dem Wagen, darin ist eingepackt das Theater meines Lebens, das ich muß führen immer mit mir, wie der Thespis seinen Karren. Wo wir uns niederlassen zuerst, um zu halten eine große Rast, in Rom oder in Neapel, da schlag 'ich auf meine kleine Bühne, und alsdann will ich Sie führen in meine Tragödie. Sie wird Ihnen gefallen, Herr Doctor, denn sie ist in dem wilden, grotesken Geschmack der englischen Literatur, in der Manier von dem Shakspeare, und meine Rolle ist der alte Narr, der Hanswurst, welcher lacht und weint in einem Athem. Noch eins, Herr Doctor! bringen Sie mir nicht eine Hutschachtel in den Wagen. Ich muß hängen hinein zwei Häuser mit meinen Kanarienvögeln, und zu Füßen haben wir den alten Fidelin. Schlafen Sie wohl, Herr Doctor.

Arthur empfahl sich dem Marquis mit dem Versprechen, allen Anordnungen desselben zu genügen, und ging nach Hause, nicht ohne einigen Verdruß über die seltsame Einrichtung des Reisewagens, welcher in der That das Ansehn hatte, als wäre er für den Kram eines herumziehenden Gauklers gemacht. Er ärgerte sich im Voraus über die lächerlichen Auftritte, welche ihn an den Thoren und in den Wirthshäusern erwarteten, wenn der räthselhafte Kasten die allfranzösische Maske des Marquis, die zwei elfenbeineren Häuschen der Kanarienvögel und den grauen, in einem Atlasmuffe versteckten Bologneser von sich gäbe. Er dachte darüber nach, ob sich nicht ein Mittel ausfindig machen ließe, wenigstens die alte Arche zu beseitigen. Aber der starre Eigensinn des Marquis, welcher gerade in solchen Sonderbarkeiten am wenigsten zu biegen war, mußte ihm zu bekannt sein, als daß er seinen Vorschlägen ein besonderes Vertrauen hatte schenken können, und sein ernstlich begonnenes Nachsinnen ging endlich in spaßhafte Einfälle über. Er unternahm das Aeußerste und empfahl den Wagen ohne Rücksicht auf seinen eigenen Hals dem ersten Postillon zum Zerbrechen, oder er balsamirte ihn mit Moschus ein, welcher Geruch den Marquis aus dem Himmel treiben konnte, oder er ließ gar eine Leiche hineinlegen. Wie komisch er sich aber auch diese Scenen ausmalen mochte, sie gewährten ihm doch keine Sicherheit gegen die ernstliche Besorgniß, daß der Marquis den Verlust des alten Wagens durch den Bau eines neuen in unveränderter Form ersetzen ließe.

Sechstes Kapitel.

Das Verhältniß der beiden Reisenden gestaltete sich von Meile zu Meile schwieriger, und anstatt sich näher zu kommen, je weiter sie sich von den Thoren der preußischen Hauptstadt entfernten, so wurden sie vielmehr immer fremder und gespannter gegen einan - der, je enger gemeinschaftliche Bedürfnisse, Beschäftigungen und Genüsse sie zusammenführten. Arthur, von seinen frühesten Jahren an, als einziges von mehreren Geschwistern übrig gebliebenes Kind, verzogen und gelehrt sich zu überschätzen, hatte einen hartnäckigen Sinn, wenn es darauf ankam, seine Ansichten, Grundsätze und Urtheile über Gegenstände des Lebens und der Kunst geltend zu machen, und so leicht sein Herz sich rühren ließ, eben so schwer hielt es, seinen Kopf zu bewegen. Jedoch kam es in den kleinen Händeln und Zwistigkeiten, welche er fast täglich mit dem Marquis zu bestehen hatte, niemals zu dem Aeußersten eines feindlichen Bruches. Ihre beiden Köpfe rieben und stießen sich so lange an einander, bis einer von ihnen die Herzen zur Entscheidung rief, welche dann alsbald statt der Stirnen, ihre Lippen zusammenführten. Auch bewegten sich ihre Kämpfe meistentheils um geringfügige Veranlassungen, die aber desto häufiger vorfielen und mit jeder Wiederholung peinlicher wurden, oder um allgemeine Aufgaben in dem weiten Felde der Meinungen, deren übereinstimmende Lösung nicht zu den nothwendigen Bedingungen einer friedlichen Reisegesellschaft gehörte. Aber da der Marquis und der Doctor, bei der Verschiedenheit ihres Alters und Standes, ihrer Erfahrungen und Gewohnheiten, ihrer Bildung und Sitte, fast in allen geistigen Berührungen vollkommene Gegensätze waren, so steigerte der Kampf der Meinungen, welcher sonst wohl eine Würze des geselligen Lebens zu sein pflegt, sich unter ihnen zu einer gespannten Reizbarkeit, welche den Widerspruch oft nur um des Widerspruchs willen herausforderte und den Genuß des Friedens durch lauernde Wachsamkeit auf den nahen Gegner vergällte. Arthur, dem der Marquis an gelehrter Bildung und rednerischer Fertigkeit nicht gewachsen war, ließ diesen seine Uebermacht ohne Schonung empfinden, und der Andre stützte sich mit gleichem Trotze auf seine Erfahrung und Weltkenntniß und betrachtete die junge Weisheit seines Gegners als einen leeren Dunst der modernen Philosophie. Diese haßte er aber von ganzem Herzen, als eine Amme der Revolution, und schob Alles in dieselbe hinein, was den Lehren widersprach, die er als geborener Royalist und Aristokrat schon mit der Muttermilch eingesogen hatte. Das Gold aus dem Zeitalter Ludwig's des vierzehnten galt ihm für das einzig echte und gediegene in dem Reiche des Wahren und Schönen. Arthur dagegen, der überspannteste Verehrer des neuesten Geschmacks, nannte jenes Gold gelbe Zahlpfennige und vergötterte Namen, welche dem Marquis bis auf ihren Klang fremd waren. Wie hätten zwei Gegner dieser Art sich jemals verständigen können?

Nachdem unsre Reisenden die Grenzen Italiens berührt hatten, kam zwischen ihnen ein neuer Punkt zur Sprache, welcher hitzigere Kämpfe erregte, als die bisherigen gewesen waren. Sie galten dem Katholi - cismus, welchen Arthur, ohne ihn gründlich zu kennen mehr aus dichterischer Neigung, als mit innerer Ueberzeugung, begünstigte, während der Marquis, ein Deist, der sich zu keiner kirchlichen Satzung bekannte und den öffentlichen Gottesdienst der Protestanten nur um der vernünftigen Predigten willen zuweilen besuchte, mit der leidenschaftlichsten Heftigkeit die Stiftung des heiligen Petrus bestürmte. Es lag ihm aber um so näher am Herzen, seinen jungen Begleiter in diesem Punkte zu seiner Ueberzeugung zu zwingen, da er fürchten zu müssen glaubte, dieser werde sich bald öffentlich zu der Kirche bekennen, deren Lehren und Gebräuchen er schon lange in seinem Innern huldigte. Daher ließ er auch nicht leicht eine Gelegenheit, diesen Streit anzuregen, unergriffen entschlüpfen, während er es doch sonst mit schonender Vorsicht zu vermeiden suchte, die empfindlichen Seiten seines Begleiters zu reizen.

Bologna, die erste größere Stadt des Kirchenstaates, welche ihr Weg berührte, bot dem Marquis eine besonders reiche Auswahl von heiligen Gegenständen dar, denen er seine entheiligenden Glossen anhängen zu müssen glaubte, und Arthur, dadurch in der ruhigen Betrachtung der Alterthümer und Kunstwerke gestört, gerieth allmählig in die ärgerlichste Laune.

Herr Marquis, sprach er zu dem lästigen Glossator unter dem Herabsteigen von der Wallfahrtskirche der Madonna di San Luca, ich begreife Sie in Ihrem Raisonnement durchaus nicht. Sie überbieten ja in diesem Punkte die verabscheuungswürdigen Philosophen, welche, wie Sie so oft behauptet haben, den Samen der Revolution über Ihr Vaterland ausgestreuet haben, und ein Voltaire könnte nicht profaner als Sie über die Wunder und Geheimnisse der offenbarten Religion declamiren.

Haben Sie nicht ein Sprüchwort, Herr Doctor, daß man nicht soll ausschütten das Kind mit dem Bade? entgegnete der Marquis. Wissen Sie, ich will Ihnen sagen, Sie sind ein Mann, der sich hat eingegarnet in ein neumodiges System von Religion, Philosophie und Poesie, nach welchem Sie sich einrichten in allen Ihren Raisonnements. Es ist, so zu sagen, das Exercierreglement Ihres Geistes, wenn Sie es nicht wollen nehmen auf die böse Seite. Aber ich habe alle meine Meinungen und Urtheile gewonnen in der Schule des Lebens, und ich lasse mich nicht beherrschen von irgend einer Theorie. Wenn ich auch stimme überein in der Betrachtung der katholischen Kirche mit dem bösen Voltaire, so habe ich keine Scham darüber. Aber ich habe Alles, was ich von diesen Sachen denke und sage, nicht gelernt aus dem Voltaire, das ist der wichtige Punkt, mein Herr Doctor, sondern ich habe es geschöpft aus meiner eigenen Erfahrung, und ich habe bezahlt sehr theuer diese Erfahrung.

Auch Erfahrungen können trügen, unterbrach ihn der Doctor mit Empfindlichkeit, und besonders leicht, wenn keine feste Theorie sie sichtet und erläutert.

O mein guter Arthur, seufzte der Marquis aus tiefster Brust, diese Erfahrung hat mich nicht betrogen! Sie hat sich bewährt an mir fürchterlich, sehr fürchterlich. Gott behüte Sie, so lange Sie leben, vor einer Ueberzeugung durch eine solche Erfahrung! Bei Gott, und werden Sie katholisch und ein Pfaff dazu, so will ich doch nicht wünschen, daß eine Erfahrung von der Art Sie bringe zurück zu der Vernunft. Sie sollen noch davon hören.

Mit diesen Worten drückte der Alte in krampfhafter Rührung die Hand seines Begleiters, und der Streit war abgebrochen. Aber eine ängstliche Besorgniß, von dem Jünglinge mißverstanden zu werden, hielt ihn zurück, sich weiter auszusprechen, so innig er auch das Bedürfniß zu fühlen schien, sein Herz vor irgend einem mitfühlenden Wesen ohne allen Hinterhalt aufzuschließen. Vielleicht erwartete er auch nach so manchen Andeutungen, von seinem Begleiter aufgefordert zu werden, ihm das Vertrauen einer unumwundenen Entdeckung dessen zu schenken, was er ihm bisher in einzelnen Ausbrüchen seiner Leidenschaft verwirrend vorgespiegelt hatte. Aber jener, welcher hinter der wunderlichen Außenseite des Marquis ein ähnliches Geheimniß des Innern verborgen glaubte, vermied lieber jede Veranlassung, welche die viel verheißende Aufklärung herbeiführen konnte.

Es wurde Abend, ehe die Wallfahrer das Thor der Stadt wieder erreichten, und der ungetrübte Vollmond warf große Massen von Licht und Schatten auf ihren Weg. Sie kamen über die Piazza maggiore, welche heute, an einem Sonntage, unbelebt von der lärmenden Bewegung des Marktes, die hohen Facaden ihrer Kirchen und Paläste in stolzer Ruhe den Strahlen des Mondes entgegenbreitete. Dieser warf sein volles Licht gerade auf die große Bildsäule des heiligen Petronius über dem Thore des alten Rathhauses und auf den bronzenen Neptun des Springbrunnens, dessen rauschendes Silber er mit goldenen Sternen bestreuete. Fast der ganze übrige Platz lag unter dem Schatten der ehrwürdigen Kirche seines Schutzpatrons. Arthur, von ernster Bewunderung ergriffen, blieb in der Mitte der Piazza stehen und versank in den erhabenen Anblick. Unterdessen trippelte der Marquis mit ungeduldiger Beweglichkeit rechts und links umher, und seine Neugier lockte ihn auf die Stufen vor der Kirche des heiligen Petronius, an deren Pforte eine kleine Kerze in der Hand einer weißvermummten Figur brannte.

Kommen Sie doch einmal herauf, Herr Doctor! rief er von oben herab dem träumenden Arthur zu, und dieser, der Einladung folgend, fand den Marquis, welcher das Italienische schwer verstand und noch schlechter sprach, in die mühseligste Unterhaltung mit einem barmherzigen Bruder verwickelt, welcher ihm ein Almosen abgefordert hatte.

Wozu soll dienen das Almosen, welches die weiße Maske mit der Kapuze vor dem Gesicht von mir verlangt? frug der Marquis schon in halber Entrüstung. Der Doctor erkundigte sich bei dem heiligen Bettler auf das Höflichste nach dem, was sein Gefährte zu erfahren wünschte, und erhielt die Antwort, daß er für Seelenmessen sammle.

Und welche Seele wollt Ihr singen und klingeln und räuchern in den Himmel hinein? frug der Marquis weiter, und der Dollmetscher übersetzte den Sinn der Frage in gemilderte Ausdrücke.

Die nächsten Messen, antwortete der Verhüllte, zu denen meine Brüderschaft in dem ganzen Kirchenstaate Almosen eintreibt, werden für die Seele eines jungen Schülers der Sapienza in Rom gelesen werden, eines geborenen Spaniers von einer edlen Familie aus Valencia, welcher vor kurzem gewürgt und ersäuft hinter dem Ghetto der Juden gefunden worden ist. Der arme Schüler ist ohne Beichte und letzte Oelung dahingefahren, daher bedarf seine Seele unsrer Fürbitte zu ihrer ewigen Begnadigung. Im Uebrigen war er ein frommer Jüngling, den gewiß die heiligste Absicht in jenen verrufenen Winkel geführt hatte. Er hat eine Ungläubige bekehren wollen, wie es heißt, aber die ganze Geschichte liegt noch immer im Dunkel.

Der Marquis schien von dieser Erzählung wunderbar betroffen, und Arthur, welcher jetzt eine volle Ladung gewöhnlicher Spöttereien aus dem Munde des Alten erwartete, wußte sich dessen plötzliches Verstummen nicht zu deuten.

Erzählen Sie mir mehr davon, mein Herr, sprach der Marquis nach einer langen Pause in gebrochenem Italienisch und mit ganz verändertem Tone.

Ich habe Ihnen alles mitgetheilt, was mir von der traurigen Geschichte bekannt ist, antwortete der barmherzige Bruder, und ich glaube nicht, daß Sie irgendwo mehr darüber erfahren werden. In Rom erzählt man sich zwar viele Fabeln davon, aber die gerichtliche Untersuchung hat keine derselben bestätigt.

Als der Bruder diese Worte geendigt hatte, griff der Marquis in seine Tasche und warf ein paar Goldstücke in den Todtenkopf, welchen dieser als Büchse in der Hand hielt, und Arthur, seine Verwunderung nicht länger zurückhaltend, rief triumphirend aus: Ei, ei, Herr Marquis, ist das Consequenz?

Consequenz? Consequenz? murmelte der Marquis vor sich hin. Wo ist Consequenz auf Erden, mein junger Freund? Dort oben ist Consequenz. Sehen Sie an den Mond. Er geht ewig seine Straße über uns, aber hier unten laufen durcheinander die Schatten und Lichter kreuzweis und verwirrt.

Siebentes Kapitel.

Es war zwei Tage vor dem Anfange des Carnevals, als unsere Reisenden in Rom eintrafen. Arthur hatte sich eine halbe Stunde vor der Stadt aus der letzten Anhöhe jenseits der Tiber aus dem Wagen gemacht, angeblich um die Gegend zu überschauen, vielleicht aber auch, um nicht in dem wunderlichen Aufzuge, den wir oben geschildert haben, durch die Straßen zu fahren. Denn es war noch heller Tag, als sie die Thürme und Kuppeln der ewigen Stadt aus der erhabenen Wüste ihrer gehügelten Ebene emporsteigen sahen, und die untergehende Sonne spiegelte sich zitternd in den goldenen Kugeln und Kreuzen der beiden Kirchen des Corso, als Arthur den Wagen an der Porta del Popolo wieder einholte. Hier hatte der Marquis in Abwesenheit seines Dollmetschers ein langes und mühsames Verhör zu bestehen gehabt, welches eben beendigt schien, als der Postillon den Fußgänger dicht hinter dem Wagen erblickte. Aber dieser gab ihm einen Wink, weiter zu fahren, und schritt rüstig hinter drein. Die gutmüthigen Römer, an abenteuerliche Erscheinungen aus der Fremde gewöhnt, blieben dennoch verwundert stehen, als sie das Reisegebäude des Marquis durch den Corso schwanken sahen, und Arthur hörte, wie sie unter sich sprachen: Das Carneval fängt heute schon an.

Vor dem deutschen Gasthofe des Signor Franz in der Via Condotti hielt der Wagen, und Arthur verdoppelte seine Schritte, um dem Marquis im Aussteigen behülflich zu sein. Dieser war aber ein wenig verstimmt über die Flucht seines Gefährten, die ihn an dem Thore in nicht geringe Verlegenheit gesetzt hatte, und ließ sich durchaus nicht ankommen. Auch blieb er, trotz allen Gegenvorstellungen, bei dem Wagen stehen, bis das letzte Stück ausgepackt war, wobei es, wie sich vermuthen laßt, an neugierigen Zuschauern und witzigen Bemerkungen nicht fehlen konnte.

Aus dem nahen Café greco traten mehrere deutsche Künstler mit ihren rauchenden Tassen hervor, und einer unter ihnen, ein junger Landschaftsmaler aus Berlin, welcher den Marquis von dorther dem Rufe nach kannte, nahm das Wort und erzählte, was er von dem Wundermanne in der fabelsüchtigen Stadt gehört hatte. Dies ist der wunderlichste Kauz aller wunderlichen Kauze, die jemals das römische Pflaster betreten haben, fing er an. Ein emigrirter französischer Marquis, welcher in ganz Berlin nur der Marquis mit dem Kirschkern hieß. Er trägt nämlich beständig einen Kirschkern im Munde, den seine Geliebte ihm einmal auf den Kopf gespieen hat. Der alte Filz hat über zehntausend Thaler jährliche Leibrenten zu verzehren und lebt wie ein Arrestant von Wasser und Brot; und davon hat er einen Keichhusten bekommen, den man eine Viertelmeile weit hören kann. Er zählt die Bohnen zu seinem Kaffee, und da er jedesmal sieben und eine halbe zu einer Tasse braucht, so halbirt er die Bohnen. Er legt sich um acht Uhr zu Bette, um Holz und Licht zu sparen, und ich wette darauf, er ist nur deßwegen nach Rom gereis't, weil er erfahren hat, daß es sich hier wohlfeil leben läßt. Und nun seht einmal die Equipage und den Anzug!

Der wäre prächtig als Maske für das Carneval zu copiren, bemerkte ein Andrer.

Das ist ein guter Einfall zu rechter Zeit, sprach der Berliner. Ich übernehm 'es, seinen Doppelgänger im Corso vorzustellen. Der weiße Rockelor ist leicht anzufertigen aus meinen Fenstergardinen; den hellgrünen Atlasrock find' ich im Kramladen, und statt der Stickerei heft 'ich mir bemaltes Papier und Knistergold auf. Laßt mich nur machen. Ihr sollt einen königlichen Spaß davon haben, das versprech' ich euch. Seine spitzige Physiognomie ist so leicht nachzumachen, wie die Nase Friedrich's des Großen oder Kaiser Maximilian's Unterlippe. Die Mütze wird noch das schwierigste Stück fein. Der Schirm geht ja wohl bis über die Nase herunter und hat ein Paar gläserne Fenster für die Augen? Das Modell muß ich mir doch ein wenig aufzeichnen.

Der lustige Maler holte sein kleines Zeichenbuch aus der Tasche und fing an, den Kopf des Marquis mit wenigen kecken Strichen so wunderlich ähnlich zu skizziren, daß das laute Gelächter der Umstehenden, die seiner Arbeit zusahen, ihn nöthigte, sich in das Kaffeehaus zurückzuziehen.

Der Marquis hustete und zankte unterdessen in dem Gasthofe mit den Hausknechten und Kellnern, von denen Einer den Muff des Bolognesers nicht sanft genug niedergelegt hatte, ein Andrer ihn mit dem Speisezettel verfolgte, der dritte ihn als Excellenz anredete, und der vierte endlich ihn mit unaufhörlichen Bücklingen befragte, ob man hoffen dürfe, ihn recht lange als Gast zu besitzen. Der Alte, ein entschiedener Feind aller Wirthshäuser und Kellner, fuhr die dienstfertig lästigen Leute an, und bedachte in seiner Entrüstung nicht, sich italienisch oder französisch verständlich zu machen, sondern verschaffte sich in deutschen Ausbrüchen Luft. Ich bin keine Excellenz, sprach er hastig, und ich bin kein Fresser, der nach Rom kömmt, um sich zu verderben den Magen, und ich will danken meinem Gott, wenn ich kann wieder heraus noch heute aus dieser Wirthschaft. Und wenn ich brauche einen Menschen, so werde ich ziehen die Klingel, und bis dahin will ich sein ungeschoren in meinem Zimmer.

Nur Einer von der Dienerschaft, ein Landsmann des Wirthes, verstand die deutsche Abfertigung und gab den Uebrigen einen Wink, ihm zu folgen, indem er sich hinausdrückte und vor sich hinbrummte: Das heiß 'ich mir einen alten Knauser und Grobian!

Arthur stand während dieser Auftritte am Fenster und erboßte sich über die eigensinnigen Grillen des Marquis, die ihnen auch hier wieder gleich bei der Ankunft die freundliche Aufnahme vergällten. So wird er mir Rom und ganz Italien verleiden! dachte er bei sich selbst. Ach, was gäb 'ich darum, wenn ich jetzt mein eigener Herr wäre und hier bleiben könnte, das Carneval, die heilige Woche hindurch! Aber da hat sich der Alte in den Kopf gesetzt, das Klima von Neapel werde seinem Husten zuträglicher sein, und ich muß es mir gefallen lassen, durch Rom zu reisen wie ein Poststück. Es ist, um toll zu werden! Aber ich will mich auch nicht mehr so gewissenhaft um ihn bekümmern, wie ich bisher gethan habe. Mag er seinen Launen nachlaufen, ich werde meinen eigenen Weg einschlagen, es folge daraus, was da wolle!

Zwei junge Männer in altdeutschen Röcken mit langen über die Schulter herabhängenden Haaren schlichen Arm in Arm über den spanischen Platz und stiegen langsam die hohe Treppe des Monte Pincio hinauf. Der mißmuthige Doctor verfolgte sie mit den Blicken, bis sie oben bei der Kirche verschwanden, und malte sich mit den gemüthlichsten Farben die unabhängige Glückseligkeit des römischen Künstlerlebens aus.

Was träumen Sie wieder einmal, Herr Doctor? Mit dieser Anrede zerriß der Marquis sein Bilderspiel und rief ihn zu sich selbst zurück. Es ist mir hier zu viel Wirrwarr und Tumult in dem Hause. Ich will nicht auspacken. Machen Sie sich auf und geben Sie ab Ihren Empfehlungsbrief an den Herrn Professor, der so guten Bescheid weiß in Rom, wie Sie haben gesagt. Er soll uns verschaffen baldigst ein reinliches und stilles Quartier in einer gesunden Region. Ich will Ihnen thun den Willen, Herr Doctor, und bleiben hier bis Ostern, aber mit der Bedingung, daß ich morgen kann einziehen in das Quartier. Hören Sie wohl! sonst lass 'ich anspannen morgen früh und fahre nach Neapel.

Arthur, freudig überrascht durch die Güte des Marquis, den er seit mehreren Tagen vergeblich mit der Bitte bestürmt hatte, wenigstens die kurze Zeit des Carnevals hindurch in Rom zu bleiben, und welcher nun aus eigenem Antriebe viel mehr gewährte, als er zu verlangen gewagt hatte, fühlte sich mit einem Male aus seiner gedrückten Stimmung gerissen und umarmte den Alten mit sichtbarer Rührung. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, Herr Marquis, rief er aus, und will keinen Augenblick verlieren, Ihren Auftrag zu besorgen.

Gehen Sie nur, Herr Doctor, und sehen Sie sich um nach einer schönen Narrenmaske, entgegnete mit behaglichem Lächeln der Marquis, den auch der leiseste Ausdruck dankbarer Gefühle beseligen konnte. Gehen Sie und nehmen Sie in Beschlag ein Quartier nicht zu viele Treppen, hell und trocken, Sie wissen ja, wie ich es liebe. Da will ich auch aufbauen mein kleines Carneval. Ich vergesse und verliere mich selbst, wenn ich nicht hab 'um mich meinen Tempel der Erinnerung.

Ich komme nicht wieder zu Ihnen zurück, ohne ein Quartier für uns gefunden zu haben. Auf Wiedersehen, Herr Marquis, und gute Nacht in Rom, wenn ich bis morgen früh suchen muß! Mit diesen Worten empfahl sich der Doctor und eilte in der Dämmerung, von einem Platzbedienten begleitet, die Treppe hinan, auf welcher er eben die beiden Künstler mit sehnsüchtigen Augen verfolgt hatte. Denn die Adresse seines Empfehlungsbriefes wies ihn nach der Via Sistina auf dem Monte Pincio.

Achtes Kapitel.

Der Professor, welchem Arthur einen Empfehlungsbrief zu übergeben hatte, war ein geborener Pfälzer, der in seiner ersten Jugend seinen Eltern entlaufen und als Jockey eines Engländers nach Rom gekommen war. In der Folge hatte ein Bildhauer sich desselben väterlich angenommen und einen geschickten Künstler aus ihm gebildet. Er verfertigte nämlich kleine Copieen von berühmten Kunstwerken und Alterthümern in Marmor, Alabaster und Gyps, leitete eine Mosaikfabrik, die sich durch geschmackvolle Arbeit vor allen übrigen auszeichnete, und erwarb sich durch diese vielseitige Betriebsamkeit nicht nur ein ansehnliches Vermögen, sondern auch den Titel eines Professors von der Akademie des heiligen Lukas. Seine Lebensverhältnisse hatten ihn ganz romanisirt, und er hielt sich wenig zu den jüngern deutschen Künstlern, deren kopfhängerische Frömmigkeit und alterthümlichen Geschmack er mit seinem fröhlichen Sinne und seiner gemeinnützigen Geschicklichkeit nicht zu würdigen verstand.

Signor Bernardino so hieß der Professor in Rom war eben nach seiner Werkstatt gegangen, als Arthur ihn in seiner Wohnung suchte. Ein schöner Knabe von ungefähr zwölf Jahren saß lesend vor einer antiken Lampe in einem großen Zimmer, welches zugleich als Gewölbe diente, worin die fertigen Arbeiten des Professors ausgestellt waren. Er empfing den Fremden mit unbefangener Höflichkeit und ließ sich den Brief einhändigen. Ich will den Vater sogleich rufen, sprach er nach kurzem Besinnen und sprang mit dem Briefe hinaus, ohne auf Arthur's Widerrede zu achten.

Dieser ließ sich auf den Stuhl nieder, welchen der Knabe verlassen hatte, und da er es niemals über sich gewinnen konnte, ein Buch liegen zu sehn, ohne es aufzuschlagen, so fing er an, das kleine Heftchen zu durchblättern, in welchem jener gelesen hatte. Es war ein einzelner Bogen voll italienischer Verse, schmutzig gedruckt und zum fliegenden Buchhandel der Straßenecken gehörig, mit folgendem Titel: Traurige aber erbauliche Historie von dem Leben und Tode des seligen Jünglings Don Alonzo de Floridias aus Valencia in Spanien, Schülers des hochwürdigen Collegiums der Sapienza zu Rom, welcher in der Nacht des ersten Advents von den grausamen Händen der Ungläubigen des Ghetto schmählich erwürgt und ersäuft worden ist.

Seltsam! dachte Arthur bei sich selbst. Das ist ja wohl dieselbe Geschichte, die der barmherzige Bruder in Bologna erzählte und von der mein alter Marquis so lebhaft ergriffen schien? Er las weiter. Die ersten Strophen enthielten eine Anrufung der heiligen Jungfrau mit der Bitte, den Sänger zu einem Liede anzufeuern, welches ihrer Ehre geweiht sein solle. Denn es habe einen Helden zu seinem Gegenstande, welcher sein Leben als Märtyrer für sie den Ungläubigen dahingegeben. Dann folgten einige Strophen mit Schmähungen und Flüchen gegen die Juden und Aufforderungen an die Christen, jene zu bekehren oder auszurotten.

Bis zu dieser Stelle war Arthur gekommen, als er eilige Tritte auf der Treppe vernahm und sich dadurch bewogen fühlte, das Heft aus der Hand zu legen und sich von seinem Sitze zu erheben.

Sein Sie mir willkommen, Herr Doctor! redete der eintretende Professor seinen Besuch in deutscher Sprache sehr vertraulich an. Ich habe den Brief meines alten braven Freundes gleich unterwegs durchflogen, und Sie sollen mir gelegentlich mehr von ihm erzählen, als er geschrieben hat. Denn er ist ein sehr lakonischer Schreiber, und von dem, was er schreibt, kann ich gewöhnlich nur die Hälfte entziffern, so eine flüchtige Hand hat er. Nun, ich hoffe, Sie sind kein englischer Schnellsegler. Sie werden doch länger in Rom bleiben, als nöthig ist, um den Basi'schen Cursus zu absolviren?

Bis Ostern, Herr Professor, antwortete der Doctor.

Das ist brav! fuhr der behagliche Künstler fort und nöthigte den Empfohlenen zum Niedersetzen, während er sich selbst mit einer Hüfte auf eine Tischecke schwang. Das ist brav! Sie kommen zu einer guten Zeit. Erst das Carneval, dann die stille Fastenzeit, die hat der heilige Petrus dazu eingesetzt, damit die Fremden die Wunder seiner Stadt hübsch ruhig in Augenschein nehmen können, und zum Beschluß die Settimana santa. Aber worin kann ich Ihnen dienen Herr Doctor? Meine Zeit ist zwar sehr beschränkt, aber, unter uns gesagt, ich lasse mich recht gern zuweilen ein wenig stören und abhalten. Sie reisen nicht allein, Herr Doctor, wie mein Freund mir schreibt. Ihr Gefährte soll ein wunderlicher Christ sein. Nun, was thut's? Die Welt ist groß und bunt, sie braucht vielerlei Creaturen, um sich zu füllen, und wenn man nur den Deckel danach zu schneiden weiß, so giebt's kein Gefäß, worauf nicht einer passen sollte.

Mein erstes Anliegen an Sie, Herr Professor, nahm Arthur das Wort, ist eigentlich ein Anliegen meines Gefährten, welcher sobald als möglich eine gute Privatwohnung zu beziehen wünscht. Können Sie mir vielleicht eine vorschlagen?

Ist schon besorgt, Herr Doctor, fiel der Professor ein und zog dazu eine lächerlich geheimnißvolle Miene. Sie wohnen hier in diesem Hause, eine Treppe unter mir, in der Belétage. Eine vortreffliche Wohnung, vier bis fünf Piecen, alles trocken, hell, bequem, ein paar Zimmer mit Oefen und gediehlt. Sie finden in ganz Rom kein behaglicheres Quartier. Hinten heraus eine wundervolle Aussicht über die ganze Stadt bis an den Gianicolo und Monte Mario und noch weiter hinaus, und vorn heraus gegenüber die niedlichste Frau dieses Viertels. Ein frommer Deutscher hat bloß um dieser Aussicht willen, die, wie er sagte, ihm seine Madonnenideale verdarb, seine Wohnung im Hause meiner Nachbarin geräumt. Sie, der Sie keine Madonnen malen, haben diese Rücksicht nicht zu nehmen. Nicht wahr, Herr Doctor?

Arthur lächelte, in den Scherz eingehend, und versicheter, daß sein Gewissen nicht so leicht zu beun - ruhigen sei. Aber, fuhr er fort, wann können wir diese Wohnung beziehen?

Heute, wenn Sie wollen, antwortete der Professor, in dieser Stunde, in diesem Augenblick. Vor acht Tagen hat eine englische Familie es geräumt, und unsre fleißige Wirthin wird es gewiß nicht vierundzwanzig Stunden ungeordnet gelassen haben. Ich wette darauf, das Nachtlicht steht schon im Schlafzimmer, und die Bettdecken sind aufgeschlagen. Wenn Sie wollen, so gehe ich mit Ihnen gleich hinunter zu der guten Frau und mache den Contract für Sie.

Arthur hemmte die Eile des dienstfertigen Professors durch die Versicherung, daß der Marquis sich für diese Nacht schon in dem Gasthofe eingerichtet habe, und nachdem er sich genauer von der Beschaffenheit der Wohnung und den Bedingungen der Miethe unterrichtet hatte, übertrug er Jenem den Abschluß des Geschäfts mit der Wirthin. Während dieser Verhandlungen hatte er, um das Gespräch darauf zu lenken, mit dem Heftchen gespielt, welches vor ihm auf dem Tische lag, und seine Andeutungen blieben nicht unbeachtet.

Verbrennen Sie sich die Finger nicht, Herr Doctor, warnte der Professor mit komischer Aengstlichkeit. Sie spielen da mit einer verbotenen Waare.

Verboten? frug Arthur betroffen und gab sich das Ansehn, als ob er jetzt erst auf das Papier auf - merksam würde, welches er in der Hand hielt. Was ist es denn?

Ein kleines Volksbuch, war die Antwort, welches vor einigen Wochen hier gedruckt und bis gestern Morgen an allen Straßenecken verkauft worden ist. Dann sind die Sbirren gekommen und haben es confiscirt. Es ist eine kuriose Geschichte. Ein Schüler der Sapienza hat eine Liebschaft mit einer schönen Jüdin in dem Ghetto gehabt. Das ist ein böser Winkel für solche Abenteuer. Das ganze schmutzige Nest wird des Nachts mit zwei Thoren verschlossen, und da giebt es viel zu klettern, ehe man an das Fenster eines Esterchens kömmt. Kurz, der arme Schüler hat seinen alttestamentlichen Geschmack theuer bezahlen müssen. Er wurde am Montage nach dem ersten Advent mit einer Schleife um den Hals in der Tiber nicht weit vom Ghetto gefunden. Die Geschichte machte einen entsetzlichen Lärm in der ganzen Stadt, und eine große Untersuchung wurde darüber angestellt. Inzwischen bildete das gute Volk sich eine Menge der schönsten Fabeln von dem Tode des jungen Spaniers und verklärte ihn zu einem Märtyrer des christlichen Glaubens. Eine von diesen Fabeln hat ein Gassensänger in Reime gebracht, und das Blatt ging reißend ab. Aber nachdem das gerichtliche Verfahren geschlossen worden ist, ohne irgend etwas über den Mord ausgemittelt zu haben, so hat man für gut befunden, die Reime zu confisciren, welche mehr von der Sache zu wissen vorgeben, als der Herr Governatore mit seiner ganzen peinlichen Congregation sich rühmen darf entdeckt zu haben.

Sie machen mich neugierig, das kleine Buch zu lesen, nahm Arthur das Wort, sobald die lebendige Beredsamkeit des Signor Bernardino es erlaubte. Mein alter Marquis scheint auch, ich weiß nicht warum, ein besonderes Interesse an der Geschichte zu nehmen, von der wir durch einen eigenen Zufall schon in Bologna gehört haben. Darf ich Sie bitten, mir das Heftchen auf einige Tage zu leihen?

Nehmen Sie es mit und behalten Sie es in Gottes Namen, erwiderte der Professor. Es gehört meinem Jungen, den ich schon dafür entschädigen will. Aber glauben Sie ja kein Wort von dem, was darin erzählt wird. Nur das kleine Lied, welches hinten angedruckt steht, ist echt und rührt wirklich von dem jungen Spanier her, unter dessen Papieren man es nach seinem Tode gefunden hat. Auch die Ueberschrift soll ihre Richtigkeit haben. Denn das silberne Crucifix mit dem Kreuzholze von rothen Korallen, ein kostbares Erbstück, welches der junge Mensch besessen hatte, und wovon es in der Ueberschrift des Liedes heißt, daß er es seiner jüdischen Madonna mit den Versen überreiche, ist in seinem Nachlasse vermißt worden, und die Sbirren haben wohl acht Tage lang alle Koffer und Kasten des Ghetto danach durchstöbert. So viel sieht man aus dem Gedicht, daß der junge Mensch von schwärmerischer Natur war, ein Liebhaber und ein Missionär in Einer Person.

Der Doctor hatte sich nicht bezähmen können, während dieser Erzählung einige verstohlene Blicke auf das Lied zu werfen, und der Professor, dessen neugierige Ungeduld bemerkend, bat ihn, sich keinen Zwang anzuthun.

Wir theilen die Verse, welche Arthur jetzt mit halblauter Stimme las, in einer Uebersetzung mit, die er selbst am folgenden Tage davon verfertigte.

Maria möcht 'ich dich begrüßen.
Mein Herz hat stets dich so genannt.
Seh' ich ein klares Bächlein fließen,
Setz 'ich mich still an seinen Rand.
Maria, rieseln seine Wogen,
Maria, soll dein Name sein.
Ein weißes Täubchen kömmt geflogen,
Schwebt über mir im Sonnenschein.
Geliebte, hast du nichts vernommen,
Wie Orgelton und Wasserfall?
Der heilige Jordan kömmt geschwommen
Durch Berg und Meer mit Jubelschall.
Der Geist des Herrn schwingt sein Gefieder
Und ruft: Wo ist die Tochter mein?
Tauch in die Liebesfluten nieder:
Maria soll dein Name sein!

Nun, was meinen Sie dazu, Herr Doctor? frug Signor Bernardino in einem spöttischen Tone. Wie behagt Ihnen das Lied?

Schön und wahr gefühlt, erwiderte Arthur.

Mir ist es zu sublim, bemerkte der Andere. Aber ich will Ihnen Ihren Geschmack daran nicht verleiden. Stecken Sie das Heftchen ein und lassen Sie sich's wohl bekommen.

Arthur brach ab und empfahl sich dem Professor unter der Versicherung seiner dankbaren Empfindungen für die gefällige Dienstfertigkeit, die er ihm in der Uebernahme seines Geschäfts erwiesen hatte. Betrachten Sie die Wohnung als die Ihrige! rief ihm Jener nach, und ziehen Sie morgen ein, je eher je lieber.

Neuntes Kapitel.

Der Marquis hatte sich schon in sein Schlafzimmer zurückgezogen, als Arthur wieder in der Locanda eintraf, und dieser, um den alten Mann, welchen der heutige Tag sehr erschöpft zu haben schien, nicht zu stören, oder um selbst nicht abgehalten zu werden, das Gedicht ohne Verzug zu lesen, dessen Ge - genstand seine leicht erregbare Theilnahme angesprochen hatte, ließ in seiner Stube ein gutes Kaminfeuer anzünden und richtete sich in einem Lehnsessel zu einem bequemen Genusse harter Verse und verworrener Gedanken ein. Lustig knisterte das Reisbündel zu seinen Füßen, und von der Straße her gaben die leisen Klänge einer Laute dem Lesenden eine angemessene Begleitung.

Nach den Stanzen der Vorbereitung, welche Arthur in dem Gewölbe des Professors gelesen hatte, fing die eigentliche Erzählung an. Die heilige Jungfrau erscheint in einem wunderbaren Traume dem frommen Schüler Don Alonzo de Floridias und fordert ihn auf, die nach der Erleuchtung und Beseligung des neuen Bundes schmachtende Seele einer schönen Israelitin aus den schweren Banden des mosaischen Gesetzes zu erlösen. Der Jüngling, begeistert von diesem Auftrage, fragt wer? wo? und wie? und Maria verheißt ihm einen Engel, welcher ihn in der folgenden Nacht, und zwar nach dem Tage des ersten Advents, zu seinem gebenedeieten Berufe führen werde. Alsdann solle er ein Crucifix mit sich nehmen, für Weihwasser werde sie selbst sorgen, und sie wolle, daß die Bekehrte nach ihr mit dem Namen Maria getauft werde. Der Schüler bereitet sich den ganzen folgenden Tag mit heiligen Uebungen zu dem großen Werke vor und erwartet, das Crucifix in der Hand, wachend und betend die Ankunft des Engels. Dieser erscheint um Mitternacht, umflossen von silbernen Strahlen, und schwebt wie eine Feuersäule vor ihm her, während er, ohne zu fragen und sich umzublicken, dem himmlischen Lichte nachfolgt. Vor einem hohen Thore wird ein Halt gemacht, der Engel zieht mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand ein Kreuz über das Schloß, und ohne Geräusch öffnen sich die beiden Flügel. Sie sind im Ghetto. Eine niedrige Hütte, finster und schmutzig, wie die ruchloseste Judenseele, thut sich vor ihnen auf, und eine Jungfrau, schön und betrübt, wie Esther vor dem Throne des Ahasverus, heißt die fremden Jünglinge mit demüthigen Geberden in ihrer Kammer willkommen. Denn auch ihr ist in einem wunderbaren Traume die Verheißung einer Erlösung zu Theil geworden, aber sie weiß nicht, woraus sie erlößt werden soll, ob aus den Sclavenfesseln ihres todten Glaubens, oder aus den grausamen Händen ihres Vaters. Der Jüngling verkündigt ihr seine Sendung und fragt sie feierlich, ob sie die Taufe von ihm annehmen wolle. Nach der Bejahung dieser Frage beginnt ein kurzes Examen über die Hauptpunkte der katholischen Glaubenslehre, welches die Jüdin, erleuchtet von der heiligen Jungfrau, mit solcher Weisheit und Salbung besieht, daß der Missionär sie als würdig erkennt, das Bad der Gnade augenblicklich zu empfangen. Aber es fehlt an Weihwasser; da rinnt plötzlich ein reicher Strom von Thränen aus den Augen des entzückten Jünglings, der Engel fängt sie in seinen Händen auf, und Maria wird damit getauft. Während der heiligen Handlung entzündet sich das Herz des Täufers von inbrünstiger Liebe zu der schönen Getauften, und indem ihre Lippen das Crucifix, welches er ihr zum Kusse darreicht, berühren, wird in ihm der irdische Wunsch rege, an der Stelle des Gekreuzigten zu sein. Darüber betrübt und erzürnt sich die Mutter Gottes, und der Engel verschwindet. Tiefe Nacht herrscht nun ringsumher, wilde Stimmen werden laut, stürmische Tritte toben durch das Haus, und mit kreischenden Flüchen und Lästerungen wird die Thüre der Kammer aufgerissen. Der Jüngling hält die Jungfrau in seinen Armen, aber er widersteht der lockenden Versuchung und dem drohenden Schrecken und spricht den Segen über das Haupt der Getauften aus. Kaum hat er dieses vollendet, so ist die Mutter Gottes versöhnt. Sie wirft einen Marterkranz aus dem Himmel herunter, und wie dieser die Schläfe des Jünglings berührt, erwürgt ihn die Hand eines ungläubigen Wütherichs. Sterbend weihet er die Getaufte noch mit folgenden Worten zu seiner geistlichen Braut: Leide zu Ehren Dessen, der für dich gelitten, aber wann deine Stunde schlägt, so werde ich wieder zu dir herabkommen und dich einführen in die himmlischen Wohnungen. Ave Maria, Amen!

Dies war der Schluß des Gedichts, dessen überspannte Darstellung wir in dem kurzen Auszuge seines Inhalts einigermaßen wiederzugeben versucht haben. Arthur hatte zwar einen zu gebildeten Geschmack, um sich an der Poesie eines solchen Machwerks ergötzen zu können, aber dennoch verfehlte es nicht ganz einen Eindruck auf sein schon befangenes Gemüth zu hinterlassen. Seine aufgeregte Einbildungskraft malte die Scenen und Figuren, welche in der unbeholfenen Schilderung des Volksdichters als Caricaturen erschienen, mit reineren und milderen Farben aus, und obgleich er die ganze Erzählung als eine grasse Legende erkennen mußte, so meinte er dennoch, daß die wesentlichsten Züge derselben in dem kleinen Liede des jungen Spaniers angedeutet wären. Endlich wurde auch sein Herz mit in die Theilnahme gezogen, und zwar weniger für den Märtyrer, als für die schöne Israelitin, die er sich in der Gewalt eines fanatischen Vaters, eingekerkert und gemißhandelt, zwischen kindlicher Liebe und göttlicher Sehnsucht ringend, in dem reizendsten Bilde einer Büßerin vorspiegelte. Wie jene alten Gläubigen in den Katakomben, so stellte sich ihm die Neubekehrte in einem unterirdischen Gewölbe des Ghetto dar, den er sich um so ekelhafter und grauenvoller ausführen konnte, da er ihn noch nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. Es war ihm dann, als ob er eine innere Ahnung fühle, daß jener Zufall, der ihm zuerst in Bologna, und dann wieder bei seiner Ankunft in Rom die Geschichte des jungen Spaniers gleichsam aufgedrungen habe, von tieferer Beziehung für ihn sein müsse. Dabei erinnerte er sich an den Marquis und sann darüber nach, was dieser wohl in der Erzählung des barmherzigen Bruders Ansprechendes und Rührendes gefunden haben könnte. In der Geschichte selbst kann es unmöglich gelegen haben, dachte er bei sich: die schien ihm anfangs vielmehr ein Aergerniß zu geben. Am Ende wird der Name Valencia die einzige Veranlassung seiner plötzlichen Gemüthsbewegung gewesen sein. Ich weiß, daß er nach dem Ausbruche der französischen Revolution mehrere Jahre in Valencia zugebracht hat, und sein Herz ist unbegreiflich reizbar für jede Berührung aus jener Periode seines Lebens. Ich will ihn nicht wieder an die Sache erinnern, vielleicht hat er sie schon vergessen. Fragt er aber noch einmal danach, so ist es besser, ich erzähle ihm, was der Professor mir mündlich davon mitgetheilt hat, als daß ich ihm die Geschichte in dieser poetischen Einkleidung vorlege, die ihn nur zu Spott und Schimpf auffordern kann. Auch versteht er die Sprache des Volks zu wenig, um allein damit fertig zu werden, und wenn ich es ihm übersetzen sollte, so zankten wir uns bei jedem Verse. Das seh 'ich voraus, und darum will ich es zu vermeiden suchen.

Die Lichter waren mittlerweile niedergebrannt, und Arthur eilte, sich bei dem letzten Aufflackern derselben zu entkleiden und sein Lager zu erreichen.

Zehntes Kapitel.

Die Wohnung in der Via Sistina, die Arthur durch den Professor gemiethet hatte, befriedigte alle Ansprüche des Marquis, welcher nicht wieder in den Gasthof zurückkehrte, nachdem er sie am folgenden Morgen besichtigt hatte. Vielleicht trug der Umstand nicht wenig dazu bei, daß er in derselben ein kleines rundes Cabinet fand, welches zu der Einrichtung seines Tempels recht eigentlich erbauet zu sein schien. Denn diesen hatte er seit der Abreise von Berlin schmerzlich vermißt, und so schritt er jetzt um desto eiliger zu der Anordnung desselben. Arthur hatte sich erboten ihm diese Arbeit durch seine Hülfe zu erleichtern, aber der Alte wies ihn durch die freundliche Entschuldigung zurück, daß er ihn nach der Vollendung des Tempels mit der Einführung in demselben überraschen wolle. Daher zog er einen ganz fremden Gehülfen vor, nämlich einen alten Aufwärter, welcher gleichsam ein unbewegliches Zubehör der Wohnung war und es selbst denjenigen Miethern, die seiner durchaus nicht bedurften, als Pflicht aufzulegen wußte, sich von ihm in irgend einer Sache bedienen zu lassen. Der gute Cecco hatte, seitdem er diesen auf vier bis fünf Zimmer beschränkten Posten bekleidete, doch wenigstens ebenso vielen Nationen aufgewartet und von jeder etwas angenommen, so daß er einem neuen Herrn immer diejenige Seite seines Wesens zukehren konnte, die für den Charakter desselben die angemessenste schien. Auch hatte er gelernt, sich in die Launen und Grillen von der Themse, der Seine, der Newa und der Donau ohne Verwunderung und Widerspruch zu fügen, und darum hätte der Marquis weit und breit keinen geschicktern Gehülfen für seinen abenteuerlichen Tempelbau auftreiben können, als diesen Allerweltsdiener. Ohne eine andre Miene zu ziehen, als die zu einem Bücklinge und einem Wie Sie befehlen gehörige, ordnete er den alten heiligen Kram ebenso unbefangen, als ob er ein englisches Frühstück zu serviren hätte, und der Marquis war über Cecco's bescheidenen Gleichmuth so entzückt, daß er ihn nach der Vollendung des Werkes mit einer Freigebigkeit belohnte, die dieser unter keine der ihm bisher bekannt gewordenen Nationaltugenden zu bringen wußte.

Das Carneval begann, ehe der Marquis, welcher, schwächlich und leicht erschöpft, wie er war, täglich nur einige Stunden an seinem Tempel arbeiten konnte, die innere Einrichtung desselben vollendet hatte. Unterdessen trieb sich Arthur, schon im voraus durch die Beschreibung des großen Dichters für die Maskenlust des Corso begeistert, von dem Augenblicke des capitolinischen Glockensignals bis zu dem Donner des letzten Mörsers in den dicksten und wildesten Haufen umher. Den ersten Tag saß er als ehrbare Charaktermaske in einem Wagen, den andern mischte er sich als Pulcinell unter die Fußgänger, und auch ohne Larve wußte er sich, gleich einem in die buntscheckige Narrenwelt verlaufenen Fremdlinge, mit römischer Freiheit und Mäßigung zu belustigen. Kaum war das Fest des Corso geschlossen, so lockte ihn das Theater oder die Redoute zu einer nächtlichen Fortsetzung der Maskenspiele des Tages, und schlaftrunken saß er dann am andern Morgen vor dem Kaffeetische neben dem Marquis und rieb sich die Augen. Dieser aber zog ihm bald verdrüßliche, bald spöttische Mienen und ließ sein Befremden über den unersättlichen Geschmack seines jungen Freundes an solchen sinnlosen Schwärmereien wohl auch zuweilen laut werden. Arthur blieb dabei geduldiger als gewöhnlich, theils weil er fühlte, daß es nicht recht von ihm sei, den alten Herrn Tag für Tag ohne Gesellschaft sitzen zu lassen, theils, weil er bei dessen Declamationen gegen die Thorheit der Maskeraden in sich selbst einen stillen Triumph über die Verblendung desselben feierte. Ist er nicht selber das ganze liebe Jahr hindurch, in Berlin wie in Rom, die lächerlichste Maske? frug er sich dann, und ist sein Tempel nicht eine abenteuerlichere Bude als der Karren irgend eines Wunderdoctors im Corso?

In solcher Stimmung befanden sich die beiden Reisegefährten eines Morgens ungefähr acht Tage nach der Eröffnung des Carnevals, als Cecco den Signor Bernardino meldete. Der Besuch schien dem Marquis sehr willkommen, welcher überhaupt den Professor als einen weltverständigen und lebensklugen Mann schätzen gelernt hatte. Besonders aber empfahl sich dieser Hausgenoß dem Alten durch die gute Laune, mit welcher er allen Ansprüchen desselben auf seinen Rath und Bescheid zu genügen wußte. Denn der Marquis war bei seiner unbeholfenen Aengstlichkeit, die er indessen selbst für Lebensweisheit anschlug, in beständiger Verlegenheit und hielt es sogar für seine Pflicht, sich in jeder Stadt bei seinem Banquier zu erkundigen, wie viel Trinkgeld man in den dortigen Gasthöfen einem Kellner und Hausknecht zu geben pflege. Er that dieses nicht etwa aus Geiz, sondern aus einer seltsamen Grille, auch in den unbedeutendsten Verhältnissen seine Schuldigkeit genau zu kennen; denn fast immer überschritt seine Freigebigkeit das Maß, welches er als das herkömmliche ausgemittelt hatte. Es läßt sich aber errathen, daß selbst seine näheren Bekannten sich durch dergleichen Erkundigungen zuweilen belästigt fühlten und ihn kurz abfertigten. Der Professor that das nie, sondern war auf schwere und leichte Fragen sogleich mit einer entschiedenen Antwort fertig, und dadurch hatte er sich das Vertrauen des Alten in einem so hohen Grade erworben, daß er sich selbst scherzhafter Weise das delphische Orakel desselben nennen durfte.

Auch heute war der Professor so glücklich, den unausgesprochenen Wünschen des Marquis mit seinen ersten Worten entgegenzukommen, die das Gespräch unmittelbar auf das Carneval lenkten.

Was meinen Sie, mein lieber Herr Professor, sagte der Marquis, den hingeworfenen Gegenstand sogleich aufnehmend, wie viele Zeit braucht ein gelehrter Mann, um das römische Carneval gründlich kennen zu lernen? Da ist unser Doctor, der studirt daran schon acht Tage und Nächte lang ununterbrochen, daß er davon hat gewonnen ein blasses Gesicht und trübe Augen, und ich glaube, er hat noch nicht absolvirt seinen großen Cursus im Corso.

Arthur lachte, und der Professor blinkte ihm verstohlen zu, während er dem Marquis antwortete: Lassen Sie nur unsern jungen Freund gewähren. Jugend hat nicht Tugend. Er wär 'es schon überdrüßig geworden, ich steh' Ihnen dafür, mein Herr Marquis, wenn Sie nicht soviel dagegen predigten. Als ich jung war, und der Spaß noch etwas Neues für mich, da hab 'ich es nicht besser gemacht. Aber mit den Jahren legt sich das. Jetzt komm' ich kaum auf ein Paar Stunden in den Corso, um doch sagen zu können, ich habe das Carneval mitgemacht. Das gehört zu den Pflichten eines guten Römers. Aber, Herr Marquis, Sie sollten sich doch auch entschließen, das Spectakel einmal anzusehen. Einmal ist keinmal, und wer es noch nicht kennt, für den ist es schon der Mühe werth, einen Gang danach zu machen. Ich sage nicht, daß Sie sich in das Gedränge des Corso begeben sollen, das wäre riskant für Sie; aber, was meinen Sie dazu, wenn wir heute Nachmittag auf ein Stündchen als Zuschauer nach dem Corso gingen? Ein Freund, welcher in der Nähe des venetianischen Palastes wohnt, hat mir ein paar Plätze auf seinem Balcone angeboten. Wollen wir davon Gebrauch machen? Ich höre, das Pferderennen soll heute besonders glänzend werden, die Gesandten fahren auch, und was hat denn unser lieber Doctor für eine Maske?

Sehen Sie zu, ob Sie mich aus Ihrer Höhe erkennen werden, entgegnete Arthur. Wer wird Ihnen die Geheimnisse des Corso so unzeitig verrathen?

Der Marquis blickte unterdessen nachdenklich in seine leere Kaffeetasse hinein, und der Professor wiederholte mit dringenderen Worten seinen Vorschlag.

Mein sehr lieber Freund, sprach endlich der Alte, nachdem er sich mit merklicher Anstrengung zu einem Entschlusse aufgerafft hatte, Sie wissen, wie gern ich Ihnen folge in Allem, was Sie mir rathen. Aber nehmen Sie es nicht für ungut, wenn ich Ihnen sage, daß ich Ihnen nicht würde folgen dieses Mal zu dem Narrenspectakel, wenn ich nicht hätte in mir selbst eine stärkere Ueberredung dazu. Ich will mit Ihnen kommen, weil ich habe gehabt diese Nacht eine dumme Ahnung, eine alberne Phantasie, die mir will setzen in den Kopf ein Unglück, das mir soll begegnen unter den Masken. Aber ich hasse den Aberglauben wie die Pest, und darum will ich gehen mit Ihnen nach dem Corso.

Der Professor wollte sich nach dieser Erklärung des Marquis mit seiner Einladung zurückziehen, und auch Arthur, welcher an Ahnungen glaubte, versuchte den alten Herrn zu bewegen, den Gang nach dem Corso auf einen andern Tag zu verschieben. Aber dieser blieb mit unerschütterlicher Festigkeit auf seinem Entschlusse stehen und vermaß sich, es in der Verachtung böser Vorbedeutungen dem Cäsar gleich zu thun.

Aber Cäsar, bemerkte Arthur, ward ein Opfer seines Unglaubens.

Besser so, entgegnete der Marquis, als wenn er wäre geworden ein Opfer des Aberglaubens. Und wenn zehn Wahrsager ständen an der Ecke des Corso und mir heute sagten, daß ich sollte umkehren, so würde ich doch gehen, wohin mich weisen meine Grundsätze.

Der Professor, welcher seinen Vorschlag mehr aus Höflichkeit, als aus abergläubischer Furcht vor bösen Ahnungen, zurückgenommen hatte, merkte nunmehr, daß es räthlicher sei, den grundlosen Widerstand aufzugeben, und empfahl sich mit dem Versprechen, den Marquis gleich nach der Siesta abzurufen.

Elftes Kapitel.

Die Schatten bedeckten schon beinahe den ganzen breiten spanischen Platz, als der Marquis und der Professor Arm am Arm die Treppe des Monte Pincio hinunterstiegen. Während sie auf einem Absatze derselben rasteten und der alte Herr nach einem heftigen Anfalle seines Hustens wieder Athem schöpfte, zeigte ihm sein unermüdlicher Cicerone gerade gegenüber das Hotel des spanischen Gesandten. Sehen Sie dort die beiden Fenster rechts auf der Ecke der obersten Etage, bemerkte er dabei; da hat der junge Floridias gewohnt.

Floridias! Floridias! wiederholte, in sich zusammenfahrend, der Marquis und stützte sich, zitternd an Händen und Füßen, auf die Schulter seines Führers. Floridias! hab 'ich recht gehört? Um Gottes willen, sagen Sie mir, lieber Professor, wie kommen Sie auf diesen Namen?

Ich habe Sie erschreckt, Herr Marquis, wie ich sehe; aber es ist ohne meine Schuld geschehn. Ich durfte nach dem, was der Herr Doctor mir gesagt hat, voraussetzen, daß dieser Name nichts Ueberraschendes für Sie haben könnte.

Was hat Ihnen gesagt der Doctor? Was weiß er von dem Namen? Nichts weiß er.

Daß Sie schon in Bologna von dem jungen Spanier gehört hätten und gern etwas Näheres über ihn zu wissen wünschten. Das fiel mir jetzt eben ein, als meine Augen dem Hotel des spanischen Gesandten begegneten. Hat Ihnen denn der Doctor das kleine Buch nicht gezeigt, in welchem das Marterthum des frommen Schülers in erbaulichen Versen beschrieben ist?

Um Gottes willen, Professor, sein Sie still, sein Sie still nur einen Augenblick! Lassen Sie mich kommen zu mir selbst!

Mit diesen Worten setzte sich der Marquis auf das Geländer der Treppe und lehnte sein schwankendes Haupt gegen einen Pfeiler. Ewige Gerechtigkeit! murmelte er vor sich hin und faltete die Hände gegen seine Brust. Wär 'es möglich? Dieu! Dieu! C’est toi! Mais pour te comprendre, il faut être Dieu, comme toi! Strafst du so fürchterlich an den unschuldigen Kindern und Kindeskindern die Schulden ihrer Väter und ihrer Mütter?

Dann raffte er sich wieder ein wenig empor und wandte sich an den Professor zurück. Sie sprechen doch von der Ermordung des jungen Spaniers in dem Quartier der Juden? Oder bin ich verwirrt in meinem Kopfe und habe Sie nicht recht verstanden, mein lieber Freund?

Lassen wir das jetzt, Herr Marquis. Sie sind zu erschüttert, um heute mehr davon zu hören. Hätt 'ich nur ahnen können, daß der Name Floridias Sie so nahe berührte, er wäre nie über meine Lippen gekommen.

Nicht nahe, nicht nahe, Herr Professor, aber tief, sehr tief berührt er mich, sehr schwer, sehr fürchterlich! Kein Freund! Kein Verwandter! Ich hab 'ihn nie gekannt, ich hab' ihn nie gesehn, ich habe nie von ihm gehört. Sprechen Sie frei heraus. Wissen Sie mir nichts zu melden von der Herkunft des jungen Mannes? Ich versichere Sie noch einmal, ich habe keinen Verwandten in ganz Spanien. Der Name berührt mich an einem ganz andern Platze meines Innern. Seien Sie unbesorgt, ich bitte Sie, und sagen Sie mir alles, was Sie haben, von der Familie des ermordeten Schülers. Sehn Sie, es ist vorbei, es war eine Folge von dem Husten, und wir gehen sogleich weiter nach dem Corso.

Der Marquis sammelte mit überspannter Anstrengung den kleinen Rest seiner Kräfte, stand auf und hing sich wieder an den Arm des Professors. Gedulden Sie sich, Herr Marquis, antwortete dieser, Sie sollen alles zur Genüge erfahren. Vor der Hand weiß ich wenig mehr als nichts von der Genealogie des Hauses Floridias. Der spanische Gesandte ist, wenn ich nicht irre, ein Oheim des Schülers, oder doch sonst ein naher Verwandter. Der hatte ihn auch mit aus Spanien gebracht und war hier sein Pflegevater. Vor einigen Jahren kam auch die Mutter nach Rom, eine reiche Wittwe aus Valencia. Ein guter Freund von mir hat sie damals gemalt, der nannte sie Donna Clara.

Dieser Name durchzuckte den alten Mann von den Sohlen bis zu dem Scheitel; aber in demselben Augenblicke schien ein andrer Gegenstand mit noch stärkerer Gewalt auf ihn einzudringen und sein ganzes Wesen zu zerschmettern. Er stürzte mit einem gellenden Schrei zu Boden, die Augen wild vor sich hin starrend, die rechte Hand halb hinweisend, halb abwehrend, nach dem spanischen Platze ausgestreckt. Der Professor blickte hinunter und sah den Marquis, wie er leibte und lebte, in dem buntgestickten hellgrünen Atlasrock, mit dem weißen Rockelor und der großen Reisemütze, durch die Via Condotti hüpfen. Auf einen Augenblick verlor auch er seine Fassung bei dieser wunderbar überraschenden Erscheinung, aber sobald seine Augen sich auf den Marquis zurückwarfen, gewann er unverzüglich seine volle Besinnung wieder. Dieser lag wie leblos zu seinen Füßen, der Mund zuckte, beide Augen hatten sich krampfhaft zusammengedrückt, die linke Hälfte seines Gesichts war zum Entsetzen verzerrt, und an derselben Seite hing der Arm in regungsloser Lähmung herab. Es blieb kein Zweifel übrig, daß ein Nervenschlag ihn getroffen hatte, und eine hastige Bewegung seiner rechten Hand nach dem Herzen verrieth, daß er nahe an diesem vorbeigestrichen war. Der Professor schrie nach Hülfe, und einige Bettler, die auf der Treppe saßen, waren die ersten welche dem Rufe Gehör gaben. Sie hinkten heran, und wie sie den alten Herrn erblickten, den sie alle schon als ein milden Geber kennen gelernt hatten, fingen sie jämmerlich zu heulen an, und Jeder wollte der erste sein, ihm eine hülfreiche Hand zu reichen. Der Eine griff ihm unter die Schultern, der Andre hielt ihn bei den Füßen, ein Dritter stützte den gelähmten Arm, die Uebrigen gingen betend und weinend nebenher, und so wurde der leblose Marquis, wie in dem Zuge eines Bettlerbegräbnisses, nach seiner Wohnung getragen.

Der vorausgeeilte Professor hatte unterdessen schon nach einem Arzte geschickt und den verzweifelnden Cecco so weit beruhigt, daß es ihm gelang mit Hülfe desselben die Bettler vor der Hausthüre abzufertigen und sich den Marquis von ihnen ausliefern zu lassen. Alsdann vereinigten sie sich beide, den leichten Körper die Treppe hinaufzuschaffen, und legten ihn in seinem ersten Zimmer auf ein Sopha nieder. Cecco warf sich auf die Kniee vor dem Lager hin und hielt mit ängstlicher Aufmerksamkeit einen Faden gegen den Mund des Marquis. Er hat noch Athem, lispelte er, seine volle Freude nur mit Mühe in so leise Töne zusammenfassend. Sehn Sie, mein Herr Professor, der Faden bewegt sich vor seinen Lippen hin und her. Der Andre hatte mittlerweile den Puls desselben untersucht und zuckte ungläubig mit den Achseln.

Die gewöhnlichen Mitteln, welche man in solchen Fällen anzuwenden pflegt, um die erstarrten Lebensgeister wieder zu erregen wurden der Reihe nach an dem alten Herrn erprobt. Man hielt ihm starke Gerüche unter die Nase, rieb ihm die Füße mit warmen Tüchern, bürstete den gelähmten Arm und kitzelte ihm die Fingerspitzen mit heißen Nadeln. Eine Viertelstunde mochte unter diesen erfolglosen Versuchen dahingegangen sein, als der Marquis plötzlich und ganz von selbst die Augen weit aufschlug und in wilder Überraschung um sich her gaffte. Er öffnete auch den Mund, aber die Zunge versagte ihm den gewohnten Dienst, und in unverständlichen Lauten zischte der Athem über seine Lippen. Da erhob er den rechten Arm und wies mit unruhiger Hast, sich immer heftiger und peinlicher geberdend, nach der Thüre des Tempels hin, die seinem Lager gerade gegenüber stand. Um aller Heiligen willen, jammerte Cecco, wo ist denn der Schlüssel? Der Marquis zeigte auf seinen ausgezogenen Rock, und der Schlüssel fand sich in der Tasche. Jetzt wurde die Thüre eiligst geöffnet, und der halb todte Mann wollte von dem Sopha springen, als der Tempel sich vor ihm aufthat; aber er sank ohnmächtig zurück und konnte kaum noch so viele Kräfte aufbieten, um dem Professor durch Zeichen und Geberden seinen Wunsch zu erklären, in das Cabinet geführt zu werden. Es geschah. Als er sein Heiligthum erreicht hatte, fing er an, sich die Stirne zu reiben, die geballte Faust des rechten Armes gegen sein Herz zu drücken und mit allen Gliedern, deren Bewegung er noch in seiner Gewalt hatte, in hitz'ger Geschäftigkeit zu arbeiten. Sein Inneres rang den letzten Kampf, aber die im Erlöschen noch einmal aufflackernden Wünsche und Gefühle fanden keinen körperlichen Gehülfen mehr, um sich mit Lauten oder Geberden auszudrücken. Nur wenige seiner Zeichen machten sich verständlich. Er wies aus das Erdkissen vor dem Altare, faßte nach einem rosenrothcn Atlasrock, der an der Hauptwand gerade hinter dem kleinen Pappenhäuschen hing, als wollte er ihn anziehen, und ließ sich dann wieder umdrehen gegen das Wohnzimmer zu, nach einem Gemälde hinauswinkend, auf welchem die Pyramide des Cestius dargestellt war. Aber noch immer schien er übervoll von solchen Verfügungen und Aufträgen, und es war schmerzlich, ihn ohne Hülfe betrachten zu müssen, wie er sich spannte und quälte, die ängstigenden Lasten aus seinem Busen herauszuwälzen. Die mitleidige Hand des Todes erlös'te ihn bald von diesem Kampfe, und kaum hatte er seine Rechte nach der Pyramide der ewigen Ruhe ausgestreckt, da traf der zweite Schlag desselben das Ziel, welches der erste verfehlt hatte. Durchzuckt von dem kalten Schauder des zwischen sie herabfahrenden Todes, ließen der Prosessor und Cecco den Leichnam aus ihren Armen sinken, und er legte sich mit seinem Haupte auf das Kissen seiner vaterländischen Erde nieder. Der alte Bologneser hatte seinem Herrn Platz gemacht und schmiegte sich dann wieder um die Schläfe desselben, das gewohnte Lager neben dem Ruhenden einnehmend.

Zwölftes Kapitel.

Arthur schwärmte noch unter der Maske eines Harlekins in dem Corso umher, während sein alter Freund die Larve des Erdenlebens für immer abwarf. Er hatte sich auf allen Balconen in der Gegend des venetianischen Platzes nach dem Marquis umgesehen, und da er keine Spur desselben entdecken konnte, so beruhigte er sich durch die Vermuthung, der eigensinnige Herr möchte gegen seine Gewohnheit sich doch einmal haben bewegen lassen, einen gefaßten Entschluß wieder aufzugeben. Er dachte schon nicht mehr an den Marquis und verfolgte eben eine schöne Winzerin, die ihm aus ihrem Fäßchen zu trinken angeboten hatte, als er Jenen in einiger Entfernung gewahr wurde, wie er sich, mit Konfetti um sich werfend und sich so ausgelassen als möglich geberdend, durch den dicksten Haufen hervorarbeitete. Ist denn der lebendige Fastnachtsteufel in den Alten gefahren? frug sich Arthur, und eilte auf die unbegreifliche Erscheinung los, die von allen Seiten beschossen und sich wohlgemuth vertheidigend, in einer weißen Staubwolke schwebte. Trinken Sie nicht von der Hexe! Trinken Sie nicht! Liebestränke! Liebestränke! so scholl es dem Harlekin entgegen, und sein Ohr glaubte die Stimme des Marquis zu vernehmen, aus dessen Haufen der Anruf herkam. Dazu begrüßte ihn ein voller Wurf der grobschrötigsten Confetti, deren Ladung sein Gesicht in so sicherer Richtung traf, daß er einige Minuten brauchte, um sich die geblendeten Augen auszuwischen. Unterdessen war jener ganze Schwarm an ihm vorübergeschlüpft, und ein langer Wagenzug verhinderte ihn die Spuren desselben augenblicklich zu verfolgen. Vergeblich schob er sich zwischen den Carossen durch den Corso auf und ab. suchte in allen Kaffeehäusern, musterte alle Fenster und Balcone; der Marquis war verschwunden. Je länger er aber darüber nachdachte, wo und wie er den alten Herrn erblickt hatte, je mehr ward es ihm wahrscheinlich, daß irgend ein wunderbares Blendwerk seine Sinne getäuscht haben müsse. Erstaunen, Neugier und leise Schauer von Ahnung und Furcht bestürmten ihn wetteifernd und trieben ihn aus dem Corso fort. Uneingedenk des Charakters seiner Maske, schlug er, den Kopf nachsinnend auf die Brust herabgesenkt, die Pritsche über die Schulter gelegt, ohne rechts und links zu schauen, den nächsten Weg nach der Via Sistina ein. Seine ängstliche Ungeduld wuchs mit jedem Schritte, und als er die Thüre des Marquis erreicht hatte, riß er sie auf, ohne zu klopfen und stürmte hastig in das Zimmer hinein. Es war leer, aber der Rock und Hut des alten Herrn lagen auf dem Tische und daneben ein chirurgisches Besteck. Jetzt wankte Cecco, behutsam auftretend, aus dem Cabinet des Tempels hervor und winkte der Maske geheimnißvoll mit dem Zeigefinger entgegen. Wo ist der Marquis? rief ihm Arthur zu. Still! Still! erwiderte der Diener mit ruhiger Bedeutsamkeit: er schläft. Der Jüngling ahnete sogleich den Sinn dieser Worte und schob sich durch die halbgeöffnete Thüre in das Cabinet hinein.

Da lag der Todte noch eben so, wie er niedergesunken war, auf dem Erdkissen hingestreckt, in der abenteuerlichen Umgebung seines Tempels. Arthur bebte zurück, ohne einen Laut von sich zu geben, und faltete unwillkürlich seine Hände über die Stirne zusammen. Es war eine Scene von großartiger Wunderlichkeit, die sich den Augen des Professors und des Arztes, welcher noch immer mit seiner Lanzette die Adern des Abgestorbenen durchstach, in dieser kecken Begegnung von Tod und Leben darstellte. Wie in alten Bildern der Hanswurst Hand in Hand mit dem Gerippe des Sensenträgers erscheint, so zeigte sich hier der junge, blühende Harlekin neben der Leiche des alten Mannes, aber in seiner Stellung und in dem Ausdrucke seines Gesichts glich jener vielmehr einem Genius des Todes, und die aus seinen Händen gefallene Pritsche hätte an die umgestürzte Fackel erinnern können.

Sobald Arthur sich einigermaßen gefaßt und mit dem Professor verständigt hatte, erprobte er selbst noch einen letzten ärztlichen Versuch an dem todten Körper und entfernte dann seinen geschäftigen Collegen. Er hat vollendet! sprach er zu dem Professor. Amen! murmelte Cecco nach. So einen Herrn bekomm 'ich nicht wieder.

Ein langes tiefes Schweigen folgte diesen Worten, aber die Gesichter der drei Lebenden drückten in stummer Sprache die verschiedenen Empfindungen und Gedanken aus, welche der Todte in ihnen unterhielt. Der Professor zeigte die ernste, aber gemüthlose Stimmung, in welche der Anblick einer Leiche jeden Sterblichen zu versetzen pflegt; Cecco hatte seine oberflächliche Rührung auf allen Zügen lang und breit ausgelegt, und Arthur starrte gerade vor sich hin, wie es schien, von dem nahen Todten gar nicht berührt, sondern in einen andern fernen Gegenstand mit allen seinen Sinnen versunken. Der Erste, welchen die stumme Scene endlich zu langweilen anfing, fühlte sich dadurch veranlaßt, den jungen Mann zu fragen, woran er denke. Dieser, wie aus einem Traume aufgeschreckt, fuhr zusammen, stammelte ein nichts bedeutendes Was und entschuldigte seine Zerstreuung. Ich frug, woran Sie denken, wiederholte der Professor. Denn ich seh 'es Ihnen deutlich an, Sie sind nicht hier. Ist Ihnen etwas begegnet?

Sie werden über mich lachen, Herr Professor, sprach Arthur, nachdem er sich gesammelt hatte. Es ist mir allerdings etwas begegnet, und etwas so Wunderbares, daß es mich auch jetzt noch tiefer erschüttert, als der Anblick des Todten selbst. Ich habe den Marquis im Corso gesehn, während er hier gestorben ist.

Ist es weiter nichts als das, Herr Doctor? ent - gegnete beruhigend der Professor. Dieselbe Erscheinung hab 'ich auch gehabt, und was noch mehr ist, der Marquis selbst hat kurz vor seinem Tode diesen seinen Doppelgänger gesehn. Aengstigen Sie sich darüber nicht. Unser guter alter Herr ist in seinem seltsamen Anzuge den Römern aufgefallen, und da hat Einer den tollen Streich gemacht, ihn für das Carneval zu copiren. Das ist so gewiß, wie zwei mal zwei nicht mehr als vier. Aber freilich ist der Spaß dieses Mal sehr ernst abgelaufen. Denn ich bleibe dabei, daß der Schreck über die plötzliche Erscheinung seines Doppelgängers auf dem spanischen Platze den Marquis getödtet hat. Der Name Floridias hatte ihn zwar vorher ein wenig erschüttert, aber der eigentliche Schlag kam von einer andern Seite her.

Ihre Erzählung, fiel Arthur ein, macht die Sache noch bedeutungsvoller und unbegreiflicher.

Aber um Gottes willen, mein lieber Doctor, fuhr der Andre mit steigender Lebendigkeit fort, wie können Sie so abergläubisch sein? Ich gestehe Ihnen zu, daß eine solche Erscheinung einen im ersten Moment betroffen machen kann; aber damit muß auch alles abgethan sein. Was würde Der da sagen, wenn er Sie so sprechen hörte?

Arthur wandte bei diesen Worten seine Augen auf das Gesicht des Marquis, dem der Tod den gespannten und peinlichen Ausdruck seiner reizbaren Empfindlichkeit wiedergegeben hatte, und so schien es ihm wirklich, als ob sein alter Freund eben den Mund öffnen wollte, um ihn zu schelten.

Lassen wir das jetzt dahingestellt! nahm der Professor nach einer kurzen Pause die Rede wieder auf. Ziehn Sie Ihre Maskenkleider aus und kommen Sie zu mir herauf, ohne Umstände, zu einem Salat und einer Fogliette selbstgekelterten Albaner. Ich habe Ihnen noch mancherlei mitzutheilen von den letzten Augenblicken des Marquis, dessen Zeichen und Winke Sie wahrscheinlich besser auszudeuten verstehen werden, als ich. Unterdessen schicke ich dem alten Cecco einen Gehülfen von meinen Leuten, um die Leiche auf ein Lager zu bringen. Kommen Sie heraus. Es fängt an, mir unbehaglich zu Muthe zu werden in dem Cabinet.

Arthur folgte ohne Widerstand dem Professor, welcher seinen Arm ergriffen hatte, um ihn aus der dämmernden Klause des Todes in das helle Licht des Lebens zurückzuführen. Das große Fenster mit der freien Aussicht über die ewige Stadt war hoch aufgeschoben, und eben sank die Sonne, mit Gold und Purpur angethan, hinter die Cypressen des Monte Mario. Ihre letzten Strahlen lösten sich wie in schmerzlicher Trennung von den Kuppeln und Zinnen, und man hätte ihr noch heute, wie vor achtzehnhundert Jahren, zurufen mögen:

Nährer Sol, deß leuchtender Wagen Tag uns
Offenbaret und hehlet, der stets ein Andrer,
Stets Derselb 'aufgeht, es erscheine Nichts dir
Größer denn Roma.

Der Jüngling blieb vor dem erhabenen Schauspiele der untergehenden Sonne stehen und richtete sich, je tiefer sie sank, immer höher in sich empor. Die ganze Stadt mit ihrer hügelvollen Ebene erschien ihm wie ein großes Todtenfeld, tief unten die Aschenkrüge von Königen, Helden und Vestalinnen, darüber die zerbröckelten Gebeine von Heiligen und Märterern und obenauf eingesargte Leichen ohne Wunden und Kränze. Da donnerten die Mörser von dem Corso herüber. Der Lauf ist vollbracht, murmelte Arthur vor sich hin, der Fastnachtstag des Lebens ist geschlossen. Nun ziehen wir Säcke über, bestreuen uns mit Erde und schlafen, bis die donnernden Mörser uns am Morgen der Auferstehung wieder erwecken.

Dreizehntes Kapitel.

Arthur konnte die ganze folgende Nacht hindurch kein Auge schließen, und gegen seine Gewohnheit ließ er eine Lampe in seiner Schlafkammer brennen, wahrscheinlich, weil die Nähe der Leiche ihn in der Dunkelheit beunruhigt haben würde, angeblich aber um zu lesen. Er hatte einige Werke des Lord Byron auf dem Tische vor seinem Bette liegen und fing an, darin zu blättern. Zuerst las er die Stanzen über Rom in den Schlußgesängen des Childe Harold, welche ein Engländer von seiner Bekanntschaft ihm als letzte Neuigkeit aus London geliehen hatte; aber sie sprachen ihn nicht so tief an, wie er es jetzt verlangte. Hierauf griff er nach seiner Bibel, aber auch sie vermochte nicht, ihn in eine andächtige Stimmung zu versetzen, und seine Aufmerksamkeit für das, was er las, wurde durch den immer höher schwellenden Strom dessen, was er selbst zwischen den Zeilen dachte und empfand, allmählich ganz verschlungen.

So gab er es denn auf, zu lesen, und überließ sich der freien Unterhaltung mit seinem eigenen Kopfe und Herzen. Wie es zu geschehen pflegt, daß wir einen Menschen, der uns im Leben gleichgültig oder gar unangenehm berührte, erst nach seinem Tode höher zu schätzen anfangen, besonders wenn er irgend ein Unrecht, das wir gegen ihn verschuldet haben, mit sich aus der Welt genommen hat, so erging es unserm jungen Freunde mit dem Marquis. Er hielt sich die guten und schönen Eigenschaften desselben nach der Reihe vor und setzte daraus ein Charakterbild zusammen, welches seine ganze Liebe und Verehrung in Anspruch nahm. Dann verweilte er mit reuiger Beschämung auf denjenigen Zügen dieses Bildes, welche sein näheres Verhältniß zu dem alten Herrn ihm besonders oft zugekehrt hatte. Auch du hast ihn ver - kannt, den von aller Welt Verkannten! sprach er zu sich selbst. Auch dich hat die barocke Form seiner äußern Schale bewogen, den edeln Kern seines Wesens unerbrochen wegzuwerfen! Wie hat er sich bemühet, von dir verstanden zu werden! Wie hat er nach deiner Theilnahme an den Geheimnissen seines Lebens gerungen! Aber nicht einmal seine väterliche Liebe für dich hast du dankbar empfunden, und alle seine Wohlthaten liegen nun auf dir wie unbezahlbare Schulden und brennen als feurige Kohlen in deinem Herzen fort.

Nachdem er sich lange mit solchen Vorwürfen gequält hatte, führten seine Gedanken ihn allmählich von der Vergangenheit in die Zukunft über und spiegelten ihm neue Aussichten und Pläne des Lebens vor. Der Marquis, welcher nach seiner Auswanderung den Rest seines Vermögens in eine Familienleibrente umgesetzt halte, war außer Stande gewesen, seinem jungen Freunde eine Erbschaft zu hinterlassen; aber wie er in Allem, was er anfing, mit fast übertriebener Vorsicht auf jeden möglichen Fall bedacht war, so hatte er auch bei seiner Abreise von Berlin seinen bedeutenden jährlichen Wechsel auf Arthur's Namen übergeschrieben. Dadurch war nicht allein die Rückreise desselben gesichert, sondern er hatte sogar hinreichende Mittel in Händen, um seinen Aufenthalt in Italien verlängern zu können. Dieses nahm er sich auch vor: er wollte nach der Osterwoche Neapel besuchen, dann die heißen Monate in Florenz und Pisa zubringen und gegen den Winter über Venedig nach Wien zurückkehren, um dort seine Reise mit einer medicinischen Streiferei zu beschließen. Und was dann? frug er nachdrücklich und konnte oder wollte sich keine befriedigende Antwort geben. Er schweifte wieder hinaus in die nebelblauen Fernen unklarer Hoffnungen und Wünsche, spielte mit unglaublichen Erwartungen und unwahrscheinlichen Zufällen und verlor sich allmählich in die bunte Wüste seiner abenteuerlichen Phantasieen.

Da schwebte auch das Bild der Lureley, wie jener Traum kurz vor seiner Abreise aus Berlin es ihm gemalt hatte, in den zu allen Freuden und Leiden der Liebe gereiften Zügen seiner kleinen Minna an ihm vorüber und verwirrte sich, wie damals, mit dem geheimnißvollen Portrait in dem Tempel des Marquis. Dieses regte jetzt seine Neugier bis zu den verwandten Gefühlen einer peinigenden Sehnsucht auf. Es war ihm nicht mehr verschlossen, das wunderbare Bild, welches, ohne daß er es jemals mit wachen Sinnen angeschauet hatte, sich doch schon in seinem Herzen abgespiegelt zu haben schien; jeden Augenblick konnte er die dunkle Tiefe seines Verlangens durch die Betrachtung desselben aufklären; ja, er hatte vor wenigen Stunden dicht neben dem Altare gestanden, welcher das Pappenhäuschen trug, an dessen Fenster das Portrait sich lehnen sollte. Hätten nicht die Schauer der Mitternacht ihn zurückgehalten, sich durch das Zimmer, in welchem das Lager des Todten stand, nach dem Heiligthume desselben zu schleichen, so wäre wohl der Morgen von ihm nicht erwartet worden, um sich des ängstlich ersehnten Portraits zu bemächtigen. Aber kaum fing es an, hinter seinen Fenstergardinen zu dämmern und über ihm in der Wohnung des Professors laut zu werden, als er aufstand, sich einen Schlafrock überwarf und mit seiner Lampe durch die halberhellten Zimmer nach dem Tempel des Marquis eilte. Dennoch wagte er nicht, im Vorbeigehen einen Blick auf die Leiche zu werfen, welche nicht weit von der Thüre des Cabinets auf einer Bahre lag. Da schläft der alte Wächter des Heiligthumes, dachte er bei sich und bebte zusammen. Er wird erwachen und sich aufrichten und den Tempelräuber anrufen.

Hastig riß er die Thüre des finstern Cabinets auf. Da heulte ihm der alte Bologneser jämmerlich entgegen und drängte sich zwischen seinen Füßen hinaus, um seinen Herrn zu suchen. Er leuchtete nach dem Altare und erblickte auf demselben das kleine Haus, das große Fenster und dahinter das Portrait. Es lief ihm heiß und kalt durch alle Nerven und Adern von dem Scheitel bis in die Zehen. Eine unergründliche Fülle von Schönheit und Schmerz lag in den Zügen dieses Bildes; die großen braunen Augen, in einem bläulichen Meere schwimmend, wollten ihn mit sich hinabschlingen in ihre Tiefe, und die schwarzen Wogen ihrer Locken schlugen von oben her über ihn zusammen. Ich habe sie gefunden! stammelte er und zog das Portrait aus dem Fenster hervor, es mit ungestümer Entzückung bald an seine Brust, bald gegen seine Lippen drückend. Jetzt nannte er es Lureley, dann wieder Minna, und seine verworrene Phantasie erzwang eine Aehnlichkeit desselben mit jenen Bildern seiner Erinnerungen und Träume. Das neue Gesicht erschien ihm als eine bis zu der höchsten Verklärung irdischer Schönheit gesteigerte Copie jener beiden, die in seinem Herzen schon in eines zusammengestoßen waren, oder er mußte sich vielmehr das Gemälde des Tempels als unerreichbares Original vorstellen, von welchem jene Bilder nur schwache und einseitige Copien wären. Er versenkte sich immer inniger und tiefer in den bezaubernden Anblick, und indem er alle Kräfte seines Geistes und Herzens aufbot, das todte Bild zu beleben, schauete seine eigene Sehnsucht ihm aus den großen Augen desselben entgegen.

Es dauerte lange, bis diese schwärmerische Verzückung sich in ihm erschöpfte und seine Sinne wieder so weit aus ihren Fesseln ließ, daß sie sich auch auf die übrigen Gegenstände ihrer abenteuerlichen Umgebung richten konnten. Arthur erkannte die ganze Einrichtung des Tempels nach der Beschreibung, welche der geschwätzige Diener des Marquis ihm in Berlin davon entworfen hatte. Nur der Kirschkern fehlte, aber ein zierliches goldenes Häkchen unter dem großen Fenster schien der Bestimmung zu entsprechen, eine kleine, aber theuer gehaltene Last zutragen. Während er diese und andere Dinge auf dem Altare musterte, fiel ihm ein Papier in die Augen, welches, zusammengefaltet wie ein Brief, vor dem Pappenhäuschen lag und, nach seiner weißen Farbe zu schließen, nicht unter die Alterthümer des Cabinets gehörte. Er nahm es auf, entfaltete es und erkannte die französische Handschrift des Marquis. Vorbereitung meines jungen Freundes Arthur auf die Einführung in meinen Tempel der Erinnerung so lautete der Titel, und der frische Glanz der Tinte wurde durch das Datum bestätigt, welches die Abfassung der Schrift in die ersten Tage des Carnevals setzte. Mit schmerzlicher Rührung betrachtete Arthur diesen letzten Nachlaß seines Wohlthäters, und die augenblickliche Neugier, welche ihn überreden wollte, die Blätter auf der Stelle zu durchlaufen, wich einem stärkeren Gefühle seines Herzens. Er steckte das Portrait und die Schrift zu sich und kehrte ruhiger und gefaßter, als er gekommen war, in seine Kammer zurück.

Vierzehntes Kapitel.

Wir geben die kleine französische Schrift, welche der Marquis für seinen jungen Freund aufgesetzt hatte, um ihn vor der Einführung in seinen Tempel mit den Denkmälern desselben bekannt zu machen, dem deutschen Leser in einer treuen Uebersetzung.

Man hat in der neuen Zeit eine Kunst erfunden, welche die Mnemonik genannt wird. Diese Kunst kömmt der Kraft des Gedächtnisses dadurch zu Hülfe, daß sie Begriffe, Gedanken, Wörter und Sätze an gewisse äußere Gegenstände, Zeichen oder Zahlen knüpft. Wenn es nun der Muhe werth ist, eine Mnemonik für den Kopf zu erfinden, um sein Gedächtniß mit fremden und gleichgültigen Namen und Wörtern vollzustopfen, warum sollte es nicht auch eine Mnemonik für unser Herz geben, durch welche die Erinnerung vermöge derjenigen Gegenstände, welche Begleiter oder Zuschauer längst vergangener Zustände unsrer Gefühle, Neigungen und Leidenschaften gewesen sind, viel unmittelbarer in Anspruch genommen würde?

Mein Tempel der Erinnerung ist dieser Mnemonik des Herzens geweihet, und er enthält heilige Denkmäler aus einer Periode meines Lebens, von welcher ich durch einen wüsten und dunklen Zwischenraum voll starrer Fühllosigkeit und bewußtloser Raserei so weit getrennt bin, daß es mir scheinen muß, ich hätte zweimal gelebt und wäre zwischen meinem ersten und andern Leben gestorben, begraben worden und wieder auferstanden. In mein erstes Leben gehören alle Denkmäler dieses Tempels. Jeder Rock giebt mir die Schläge des Busens wieder, die er einst unter sich gefühlt hat; jede Perücke füllt meinen Kopf mit den Gedanken, die unter ihr in erinnerungswürdigen Stunden der Erhebung oder der Zerknirschung gedacht worden sind; der Stock führt mich auf die Wege zurück, die ich mit ihm gewandelt, und der Degen durchbohrt mich mit seiner Spitze, wie in dem größten und fürchterlichsten Augenblicke meines Lebens, als der jähe Ausbruch der Raserei den Stoß unwillkürlich vereitelte, welchen ich in bewußtloser Verzweiflung gegen mein Herz gerichtet hatte.

Die heiligsten Denkmäler meines Tempels stehen auf dem Altare, ein kleines spanisches Haus und in demselben ein weibliches Portrait.

Um die Bedeutung desselben zu erklären, muß ich einen größern Theil meiner Lebensgeschichte in ihrem Zusammenhange erzählen.

Meine Familie, eine der ältesten, edelsten und reichsten aus der Vendée und seit ihrem Ursprunge ausgezeichnet durch unverbrüchliche Treue und Alles aufopfernden Heldenmuth in der Beschützung und Vertheidigung der königlichen Rechte und Ehren, bestand vor dem Ausbruche der Revolution aus vier Brüdern, von denen ich der jüngste war, und einer noch etwas jüngeren Schwester. Mein ältester Bruder bewohnte unser Stammschloß, in ländlicher Zurückgezogenheit und häuslichem Frieden von den Strapazen und Wunden eines rühmlichen Kriegsdienstes ausruhend. Der zweite stand als Offizier in der Leib - garde des Königs, der dritte, ein Liebling des unglücklichen Ludwig, war Kammerherr desselben, und meine schöne Schwester lebte in Paris, verheirathet mit einem entfernten Verwandten, welcher heimlich den Grundsätzen und Plänen der Neuerer huldigte. Gott vergebe ihm! Er hat auf der Guillotine seine Verblendung gebüßt.

Ich selbst, der ich meine Laufbahn als Page begonnen hatte und in der Folge einigen Gesandten als Cavalier beigegeben worden war, befand mich seit 1788 in Madrid, wohin ich von meinem Könige in einer eben so geheimen als wichtigen Angelegenheit ohne diplomatischen Charakter geschickt worden war. Denn mein Geschäft war ein persönlicher Auftrag meines Herrn und mußte daher auch unmittelbar mit dem Könige von Spanien verhandelt werden. Wäre Ludwigs Correspondenz nicht damals schon bewacht gewesen, so hätte es meiner als Zwischenträgers nicht bedurft. Indessen zeugte doch die auf mich gefallene Wahl meines Königs von dessen unbegrenztem Vertrauen auf meine verschwiegene Treue, wenn die Sache selbst auch keine außerordentliche politische Geschicklichkeit erforderte. Aber ich schweige davon; denn Ludwig ist dahingegangen, ohne das Siegel des Geheimnisses von meinen Lippen zu lösen.

Unterdessen fing in meinem Vaterlande das Urngeheuer der Revolution an, seine wilde, raubsüchtige und blutige Natur zu entwickeln. Alle Glieder meiner Familie wetteiferten unter einander auf verschiedenen Wegen, das riesenhaft emporwachsende Scheusal zu unterdrücken. In allen Verhandlungen der Notabeln, in jeder geheimen Unternehmung zu Gunsten des Königs, in jedem offenen Kampfe für das Palladium der Krone prangen die Namen meiner Brüder unter den ersten Vorständen. Der Kammerherr gehörte zu den wenigen Begleitern der königlichen Familie auf ihrer verunglückten Flucht nach Barennes und entkam mit dem Grafen von Provence nach den Niederlanden, wohin schon früher dem ersten Ausbruche der Unruhen in der Hauptstadt der größte Theil des baaren Vermögens unserer Familie, jedoch mehr durch zufällige Umstände, als mit planmäßiger Vorsicht, gerettet worden war. Er ist, außer mir, der einzige übrig gebliebene, aber auch verstümmelte und unfruchtbare Zweig unsres einst so starken und reichen Stammes. Eine Kanonenkugel hat ihm in der Schlacht bei Gemappes, wo er als Volontair unter den Fahnen des Herzogs von Sachsen-Teschen focht, einen Fuß zerschmettert, und er lebt jetzt mit den beiden Söhnen meiner Schwester in der Schweiz. Von ihm beziehe ich meine Leibrente.

Zwei meiner Brüder und auch meine Schwester sind als Opfer für die heilige Sache, welche sie bis auf ihren letzten Blutstropfen heldenmüthig verfochten haben, gefallen. Der Offizier der Leibgarde fand seinen Tod unter den Händen des wüthenden Pöbels, welcher am sechsten Oktober 1789 das königliche Schloß von Versailles erstürmte. Meine Schwester, eine zweite Jeanne d'Arc, verließ mit ihren beiden Kindern das Haus ihres Gemahls in Paris, sobald dieser seine politischen Gesinnungen öffentlich an den Tag gelegt und sich in den Nationalconvent begeben hatte, und flüchtete zu ihrem Bruder nach der Vendée. Hier fand sie ein ihrer heroischen Begeisterung würdiges Feld. Sie erfocht an der Seite ihres Bruders unter den Fahnen des über alles Lob erhabenen Laroche Jaequelin Lorbeerkränze, die ein besseres Zeitalter unsterblich gemacht haben würde, und endlich eine Marterkrone. Von ihrem Tode will ich schweigen. Sie hatte ihren Bruder neben sich fallen gesehn, die Flamme, in welcher die Schlösser ihrer Väter aufloderten, hatte sie aus den Grenzen ihrer Heimath hinausgeleuchtet, keine Noth, keine Qual, keine Schmach des umherirrenden Elends war an ihr vorübergegangen. Mans ist ihr Grab und der dreizehnte Dezember 1793 ihr letzter Tag. Ihr Schicksal theilten die Wittwe und Waisen meines Bruders, und nur ihre eigenen beiden Kinder entschlüpften wie durch ein unmittelbares Wunder des Himmels Carrier's höllischen Colonnen.

Ich kehre zu mir zurück. Der Tod meines Königs hatte mein Geschäft in Madrid beendigt, und ich beschloß, aufgefordert von meinem ältesten Bruder und nicht minder von meinem eigenen Herzen getrie - ben, unverzüglich nach meinem Vaterlande zurückzueilen und an dem Kampfe der Vendéer Theil zu nehmen. Aber Gott hatte anders über mein Schicksal verfügt. Eine gefährliche Nervenkrankheit überfiel mich unter den Vorbereitungen meiner Reise, und noch ehe meine schwächliche Natur sie nur so weit überwunden hatte, daß ich mich der freien Luft wieder aussetzen durfte, liefen unmittelbar hintereinander die Trauerbotschaften von dem Untergange meiner Familie in der Vendée, von der Einziehung aller unsrer Besitzungen und von meiner eigenen Verbannung ein.

Inzwischen hatten die Republikaner dem Könige von Spanien den Krieg erklärt, und ich zog es vor, unter fremden Fahnen für mein Vaterland zu kämpfen, als mich in den innern Streit der Parteien zu mischen, unter denen damals wohl auch kaum noch eine zu finden war, deren Grundsätze und Absichten ich zu den meinigen hätte machen können, und die es wiederum hätte wagen sollen, meine Sache als die ihrige zu verfechten. Denn von echten und reinen Royalisten, die den Tod ihres Königs überlebt hatten, waren um diese Zeit nur noch sehr wenige in Frankreich versteckt.

Der erste Feldzug, in dem ich mich als Soldat versuchte, verleidete mir die Waffen: es war der des Sommers 1794, welcher die Spanier, die unter Ricardos nach Roussillon vorgedrungen waren, mit Schimpf und Schande über die Pyrenäen zurückjagte. Der Feldzug des folgenden Jahres verhieß rühmlichere Tage, und ich pflückte die ersten Lorbeeren in der Schlacht bei Figueras. Aber unmittelbar darauf entwaffnete der kleinmüthige Friede von Basel meinen Arm und ließ mich schmerzlich empfinden, wie wenig mein unglückliches Vaterland auf die Redlichkeit und Beharrlichkeit einer fremden Hülfe bauen dürfte. Auch der heilige Kampf der Vendéer war mit der Hinrichtung des Helden Charette so gut als beendigt, und die Vertheidigung des gemeinschaftlichen Vaterlandes gegen die vereinigten Angriffe der größten Mächte Europa's schlichtete die Spaltungen der republikanischen Parteien, und lockte selbst viele königlich gesinnte Männer unter die Fahnen der Revolution. Ich war entschlossen, nicht wieder in die Reihen einer fremden Armee zu treten, indem es mir immer zweifelhafter zu werden anfing, ob die Waffen derselben für oder gegen Frankreich geführt würden, und mein ausgewanderter Bruder, durch den ich mich in Verbindung mit den Plänen der Royalisten in Deutschland und England erhielt, bestärkte mich in dem Vorhaben, einen günstigeren Zeitpunkt für unsre Sache in Spanien abzuwarten. In dieser Absicht zog ich mich nach Valencia zurück, dessen mildes Klima meiner Gesundheit besonders zuträglich schien, und lebte dort mehrere Jahre so angenehm, als es in meinen Umständen nur irgend möglich war. Erst gegen Ende des Jahres 1799, als der Aufstand der westlichen und südlichen Provinzen Frankreichs gegen die Consularregierung und die Landung der Abgeordneten des Grafen von Artois in der Bretagne die Royalisten wieder zu einer gemeinschaftlichen Unternehmung zusammenriefen, verließ ich Spanien und stellte mich unter die Fahnen des Marquis von Pauzauge, welcher die mittlere Vendée bewaffnet hatte. Ich wollte die Zerstörung meines Hauses in dem Blute der Republikaner rächen und mir dann, mit rühmlichen Wunden bedeckt, ein Grab in dem heimathlichen Boden erringen. Nicht reine Begeisterung für die Sache meines Vaterlandes trieb mich in dasselbe zurück, sondern die Verzweiflung geißelte mich aus dem fremden Lande heraus. Aber ehe ich von den Schicksalen, die mich in Frankreich erwarteten, von meiner Gefangenschaft in Straßburg und meiner Flucht nach Deutschland spreche, muß ich das größte Abenteuer meines Lebens erzählen, welches meiner Abreise aus Spanien unmittelbar voranging.

Ich hatte die Sommermonate in dem reizenden Hafenflecken Grao, eine halbe Stunde von Valencia, zugebracht und die dortigen Seebäder mit dem glücklichsten Erfolge bis gegen den Ausgang des Septembers gebraucht, da geschah es eines Nachmittags, es war am 30. September 1799 um die sechste Stunde, daß ich in der Alameda, einem Spaziergange, welcher von Valencia nach Grao führt, auf einer Rasenbank unter einer Palme eine Frauen - gestalt erblickte, deren Erscheinung mein ganzes Wesen auf eine Weise ergriff und durchdrang, die ich nicht zu beschreiben im Stande bin, obgleich, so oft ich an diesen Moment zurückdenke, das Wunder desselben in mir wie der schwache Nachhall eines fernen Gewitters wiedertönt. Ich war damals ein Mann von siebenunddreißig Jahren, hatte schon oft jene Leidenschaft empfunden, welcher man den Namen der Liebe zu geben pflegt, und stand auch gerade jetzt in einem galanten Verhältnisse mit einer Dame aus Valencia, welches meine Sinnlichkeit in den lebhaftesten Anspruch genommen hatte; aber der erste Blick, den ich auf das himmlische Antlitz meiner Debora richtete, verzehrte wie ein Blitzstrahl Alles, was von früheren Funken und Flammen in meinem Herzen glimmte, so gänzlich, daß mir auch nicht das leiseste Nachgefühl desselben zurückblieb. Ich kann nicht anders sagen, als daß ich augenblicklich zu einem neuen Menschen umgeschaffen wurde, ein neues Leben in mir aufging, meine Sinne in verjüngter Lauterkeit sahen, hörten und fühlten, und mein Herz wie aus einer finstern und dumpfen Hülle hervorsprang und geblendet, wie ein Seliger im ersten Anschauen der göttlichen Glorie, dem erlösenden Lichte entgegenflog. Aber warum versuche ich das zu schildern, was Sie, mein lieber junger Freund, doch nur verstehen würden, wenn Sie es nachempfinden könnten? Und das können Sie heute noch nicht.

Debora's Portrait, welches in dem Pappenhause steht, hat ein geschickter Maler aus Valencia verstohlener Weise auf dem Spaziergange und an dem Fenster eines ihrer Wohnung gegenüberliegenden Hauses für mich gemalt. Es kann für ähnlich gelten, und dennoch gleicht es ihr nicht mehr, als ich einem Antinous. Das Haus, in welchem es aufgestellt ist, habe ich erst später aus der Erinnerung dem nachgebildet, welches sie in Grao bewohnte, und auch das große Fenster, aus welchem sie herauszuschauen pflegte, ist in demselben für das Gemälde angebracht. Ich habe sonst kein Angedenken von ihr aufzuweisen, als den Kern einer kleinen kirschartigen Pflaume, den ich seit dem Augenblicke, daß ich ihn unter ihrem Fenster auffing, fast unausgesetzt in meinem Munde trage.

Die Schriftzüge gaben an dieser Stelle eine zitternde Hand zu erkennen, und es schien auch, als ob die folgenden Zeilen nach einer Unterbrechung mit neuer gesammelter Kraft wieder ansetzten.

Theodora nannte sich die schöne Fremde unter der Palme, und sie war für mich, was dieser Name bedeutet, eine von Gott Gegebene. Von ihren Verhältnissen erfuhr ich Folgendes. Sie war aus Malta gebürtig und seit einem Jahre mit einem reichen Kaufmanne verheirathet, welcher in Perpignan wohnte, aber seine größten Geschäfte in Spanien betrieb. Er reis'te fast das ganze Jahr hindurch in diesem Lande, begünstigt durch die Schutzbriefe einiger Gesandten, die ihm, wie es hieß, als einem nachsichtigen Gläubiger, Verbindlichkeiten schuldig waren, unterhielt einen Schleichhandel in den Pyrenäen und befuhr die Küsten von Katalonien und Valencia mit mehreren kleinen Fahrzeugen, auf denen er französische Fabrikwaaren einführte und dagegen spanische Produkte verlud. Er ließ sich Aronet nennen, und Jedermann in Valencia wußte, daß er ein Jude war, welcher in Perpignan den Namen Aron führte und dort auch öffentlich zu den Bekennern des mosaischen Glaubens gerechnet wurde, dessen Gesetze und Gebräuche er sogar mit sehr fanatischem Eifer erfüllen sollte. Aber sein mächtiger Schutz in Madrid machte diese Sage unschädlich für seine Reisen und Geschäfte in Spanien, dessen Landesordnung bekanntlich jedem Juden den Eintritt in die Grenzen verbietet; und da seine Speculationen damals keinen bedeutenden Nebenbuhler hatten und einträglich für den Productenhandel von Barcellona und Valencia waren, so drückte man überall die Augen zu, wo man in seiner Physiognomie den Nationalcharakter der Flüchtlinge von Jerusalem erkannte. Auch Theodora, oder, wie sie eigentlich hieß, Debora, konnte ihren orientalischen Ursprung in den Formen und Zügen ihres Gesichts nicht verleugnen, aber es war nicht jener an Verzerrung grenzende Ausdruck, welcher die Kinder Israels seit dem Fluche ihres Geschlechts gezeichnet zu haben scheint, sondern das reinste Ideal patriarchalischer Schönheit, was mich in ihr eine Esther oder vielmehr eine Tochter Jephtha's erblicken ließ; und wenn die Palmen und Cedern an dem Ufer des Guadalaviar über ihrem Haupte rauschten, dann war sie eine Sulamith an den Wasserflüssen Babylons.

Ihren Mann habe ich nie gesehn. Er war damals in Barcellona beschäftigt und hatte seine Gattin unterdessen in die Bäder von Grao gebracht, wo sie sich nach ihrer ersten Niederkunft, von der sie nur seit Kurzem erstanden war in Luft und Wasser stärken sollte. Ihre Begleiterin war eine Schwester ihres Mannes, ein Drache bei einer Taube, oder eine Lea neben einer Rahel.

Meine Liebe zu der schönen Debora war so frei und rein von jedem Wunsche nach Besitz und Genuß, daß die Kunde von ihren Verhältnissen meine Gefühle weder erstickte, noch herabstimmte. Bettlerin oder Königin, Heidin oder Christin, was frug ich danach, wenn ich mich nur täglich in ihre Anschauung versenken konnte? Mehr ein günstiger Zufall, als meine schüchterne Bemühung, setzte mich nach einiger Zeit in nähere Berührung mit ihr, und das Schachspiel, welches ihre liebste Beschäftigung war, und worin ich für einen Meister galt, führte uns Tag auf Tag in bestimmten Stunden, bisweilen auch ohne Zeugen, zusammen und wurde der Vermittler unsrer Herzen.

Ich muß kurz sein, denn meine Sinne fangen an zu schwindeln, indem sie die Erinnerung an dieses goldene Zeitalter meines Lebens festhakten wollen. Ach, ich ahnete in meinem Paradiese nicht, daß draußen schon das flammende Schwert gezogen war, welches mich heraustreiben sollte! Debora schien sich in mehr als freundlichem Vertrauen zu mir hinzuneigen, sie war unglücklich in den Fesseln eines rauhen und leidenschaftlichen Mannes, an den ihre Eltern sie wie ein Stück Waare verhandelt hatten, sie fühlte seit lange einen geheimen Drang des Herzens, in ihrem Schöpfer einen milden Vater und nicht einen strengen König zu verehren, sie wäre Christin geworden und mein vor Gott und den Menschen: da brach es über uns herein, wie soll ich es ausdrücken? stürzte der Himmel auf unsre Häupter zusammen, oder stieg die Hölle unter unsren Füßen aus dem Boden empor? Verhüllte Männer, Familiären der Inquisition von Valencia, sprengen um Mitternacht die Thüren ihres Hauses, reißen sie aus ihrem Bette, werfen die Ohnmächtige in einen Wagen und fahren sie nach der Stadt in das Gefängniß der Casa santa. Sie ist angeklagt als heimliche Jüdin, die es gewagt habe, die Kirche von Santa Faz zu betreten, um die heilige Reliquie des Schweißtuches durch ihre Nähe zu entweihen, und als Zauberin, welche einen Christen durch Liebestränke zu blutschänderischer Unzucht verführt habe. Wehe mir! Ich selbst war der Unvorsichtige gewesen, welcher sie eines Tages überredet hatte, an einem Spaziergange nach jenem berühmten Wallfahrtsorte Theil zu nehmen, ich selbst der Bezauberte, welcher sich in den Liebestränken ihrer Augen zu überirdischer Seligkeit berauscht hatte!

Als ich am andern Morgen das himmelschreiende Ereigniß ihrer Verhaftung erfuhr, eilte ich, von Angst und Wuth gepeitscht, nach Valencia und ließ mich bei dem ersten Inquisitor melden, welcher zu dem Kreise meiner Bekanntschaft gehörte. Ich wurde nicht vorgelassen, und auch meine wiederholten und immer dringender werdenden Briefe an denselben blieben unbeantwortet. Da ahnete ich endlich den satanischen Ursprung und Zusammenhang der Verschwörung, welche die Verhaftung meiner Debora bewirkt hatte, und schauderte zurück vor dem Abgrunde, den das Licht der Hölle mir zu meinen Füßen eröffnet zeigte.

Donna Clara de Floridias, eine Schwester jenes Inquisitors, eine Dame von galantem Rufe, deren Gemahl seit einiger Zeit in Mexico einen wichtigen aber nicht beständigen Posten bekleidete, hatte mir unlängst ihre Gunst zugewandt, und ich war nicht unempfindlich für dieselbe geblieben. Aber meine Bekanntschaft mit der schönen Debora brach dieses Verhältniß augenblicklich ab, und gekränkter Stolz und eifersüchtige Rachgier machten eine Furie aus jenem Weibe. Sie hatte die ganze Anklage gegen die Unschuldige geschmiedet und die nächtliche Verhaftung derselben bei ihrem Bruder durchgesetzt; sie war es, welche alle meine Bemühungen, mich den Richtern der Inquisition zu nähern, durch das ausgesprengte Gerücht meiner Geisteszerrüttung vereitelte, und das Verfahren des höllischen Tribunals, welches in Spanien das heilige heißt, gegen ihr unglückliches Schlachtopfer durch alle Mittel, welche der schamlosesten Intrigue nur zu Gebote stehen, beschleunigte und schärfte. Ich mußte mich bald überzeugen, daß ich in Valencia nichts für die Rettung meiner Debora wirken könnte, und begab mich daher ohne Verzug nach Madrid, wo ich sicher war, mächtige Freunde und Gönner zu finden, die mir ihre Verwendung in dieser Sache nicht entziehen würden. Es gelang mir auch wirklich, einige derselben für mich in Bewegung zu setzen, aber kaum hatten sie die ersten Schritte gethan, um zu bewirken, daß die Inquisition von Valencia den Prozeß gegen Debora vertagen möchte, als von dort die Nachricht einlief, daß sie nach der zweiten Folter in ihrem Gefängniß gestorben sei.

Mit diesem Augenblicke verläßt mich die Erinnerung meines Selbstbewußtseins, und es tritt die Periode meines ersten Todes ein. Als ich von demselben erwachte, war ich so, wie Sie mich jetzt sehen, ein weißköpfiger Greis, in welchem Alles schwach, kalt und blaß geworden, bis aus Eines, das durch meine alte Natur mit krampfhafter Jugendstärke zuckt und ein so wunderliches Wesen aus mir macht, daß es mir zuweilen nicht anders vorkömmt, als ob ich damals wirklich gestorben und jetzt nur ein Gespenst wäre, welches nach dem Tode noch eine Zeit lang auf Erden herumirren müßte. Dieses Gefühl bemächtigt sich meiner mit besonderer Gewalt, so oft ich den rothen Atlasrock anziehe, den ich trug, als ich in jenen Todesschlaf versank, und ich nenne ihn deßwegen mein Sterbekleid und will dereinst in demselben begraben sein. Andre haben mir nach jener Zeit erzählt, ich hätte Hand an mich legen wollen, wäre aber in demselben Augenblicke ohnmächtig niedergesunken. Dann hätten laute Raserei und sprachlose Starrsucht sich abwechselnd an mir erschöpft, bis endlich eine leibliche Krankheit sich der Zerrüttung meines Geistes untergelegt habe.

Hier schloß die Erzählung. Als Arthur sie zu Ende gelesen hatte, stürzten die schon lange vorher hinter seinen Augen zusammengelaufenen Thränen in großen und schnellen Tropfen über seine Wangen herab. O du Held der Liebe und der Leiden, rief er aus und preßte das Papier gegen sein brennendes Gesicht, du heiliger Märterer der Treue, warum ist dein Herz, dein großes, wunderreiches Herz, gebrochen, eh 'ich dessen vollen Schlag an dem meinigen gefühlt? Warum ist die reine Opferflamme deines Lebens erloschen, ohne daß ich mein Inneres daran erwärmt und geläutert habe? O Gott, warum bist du gestorben, und ich habe dich nicht geliebt!

Mit diesen Worten eilte er nach dem Zimmer, in welchem die Leiche des Marquis stand, und warf sich wie ein Verzweifelter vor der Bahre nieder. So fand ihn wohl nach einer Stunde der alte Cecco und rüttelte ihn mit der wohlgemeinten Ermahnung, seinen Schmerz in christlicher Ergebung zu tragen und den Kaffee nicht kalt werden zu lassen, aus der langen Betäubung auf.

Fünfzehntes Kapitel.

Die Bestattung des Marquis wurde gewissenhaft nach den Andeutungen seiner letzten Augenblicke eingerichtet, und Arthur ergänzte das, was unbestimmt geblieben war, nach dieser und jener gelegentlichen Aeußerung seines abgeschiedenen Freundes. Man bekleidete die blasse Leiche mit dem rosenrothen Atlasrocke, legte sie auf das große Erdkissen und trug sie in einer frühen Morgenstunde, als eben die aufgehende Sonne den Schleier der Nebel von den Gräbern der Via Appia emporhob, nach der Pyramide des Cestius hinaus. Arthur wußte zwar, daß der Marquis ein geborener Katholik war, aber er kannte auch dessen entschiedene Abneigung gegen alle Gebräuche der römischen Kirche, und sein letzter Wink nach der Pyramide, an dessen Fuße die ketzerischen Christen begraben werden, war um so weniger mißverständlich, da er schon bei dem ersten Besuche dieses Platzes den Wunsch ausgesprochen hatte, um einer so schönen Ruhestätte willen in Rom zu sterben. Damit man aber allen Schwierigkeiten, welche von Seiten der Geistlichkeit gegen die unkirchliche Bestattung eines Katholiken zu besorgen waren, aus dem Wege gehen möchte, hatte sich unser junger Freund die öffentliche Lüge erlaubt, den Verstorbenen für einen emigrirten Hugenotten auszugeben.

Nachdem Arthur sich der letzten Pflichten gegen seinen väterlichen Führer mit eben so ernster als innig gefühlter Theilnahme entledigt hatte, so nahm das bezaubernde Portrait ihn wieder anhaltender und ungetheilter in Anspruch, als die Geschäfte der vorigen Tage es zugelassen hatten. Die Geschichte des unglücklichen Originals verklärte ihm das Bild, welches sein Herz auch ohne diese Bekanntschaft schon so wunderbar befangen hatte, zu einer noch höheren Bedeutung, und er saß oft Stunden lang in die Betrachtung desselben versenkt und die Erzählung des Marquis aus den gemalten Augen und Lippen der schönen Debora gleichsam lebendig wiederholend. Er trug die Portraitkapsel auf seiner Brust, wenn er ausging, zu Hause legte er sie selten aus seinen Händen, und auch auf der Straße überfiel ihn manchmal eine so unwiderstehliche Sehnsucht nach dem Anblicke der darin verschlossenen Schönheit, daß er ein einsames Plätzchen suchen mußte, um sich ungestört seiner Augenweide hingeben zu können. Ueberhaupt aber war der Zustand, in den er sich selbst allmählich durch diesen schwärmerischen Bilderdienst versetzt hatte, eine so widernatürliche Ueberspannung des Kopfes und Herzens, daß sie auch seine körperliche Gesundheit angriff. Er fing an, einen gewissen Widerwillen gegen die gemeinen Bedürfnisse des Essens und Trinkens zu empfinden, es war ihm lästig, sich anzukleiden und nur aus seinem Zimmer zu gehen, keine Gesellschaft konnte ihm ein theilnehmendes Gespräch abgewinnen oder seine Aufmerksamkeit fesseln; er saß in stummer Zerstreuung da, abwesend mit allen seinen Gedanken und Empfindungen, und wenn Jemand ihn fragte, was ihm fehle, so fuhr er auf, wie erschreckt, strich sich mit der Hand über die Stirn und antwortete in höflicher Eilfertigkeit Ja oder Nein. Alles, was ihn vormals ernsthaft beschäftigt oder fröhlich ergötzt hatte, war nun nicht mehr vermögend, ihn seiner einsiederlischen Träumerei zu entführen; das Carneval war vergessen, in keinem Buche las er länger, als auf Viertelstunden, keine Galerie wurde von ihm besucht, und nur in den dämmernden Abendstunden konnte man ihn zuweilen zwischen den Ruinen des Campo Baccino umherschleichen sehen. Cecco behauptet auch, er wäre manchmal zu den Todtenmessen in die Begräbnißkirche an der Porta del Popolo gegangen.

Der Professor, welcher in den ersten Tagen nach dem Tode des Marquis die plötzliche Veränderung, die er an seinem Hausgenossen bemerkte, von diesem Trauerfalle herleitete, überließ ihn den stillen Wirkungen der Zeit, wohl wissend, daß andre Heilmittel einen solchen Zustand nur zu verschlimmern pflegen. Nachdem er aber die seltsame Stimmung des Jünglings länger und prüfender beobachtet hatte, so ward es ihm klar, daß sie einen andern und tiefern Ursprung haben müßte, und er verfiel, wie natürlich, auf die Vermuthung, daß er sich verliebt habe. Cecco bestärkte ihn in dieser Meinung und erzählte von Seufzern, Thränen in den Augen, verschlossenen Thüren und endlich auch von einem Portrait. Dieses wäre jedoch schon mit nach der Wohnung gekommen, wahrscheinlich das Bildniß der Geliebten, die der Herr Doctor in seiner Heimath zurückgelassen hätte, und von welcher er nun irgend eine beunruhigende Nachricht empfangen haben möchte. Der arme junge Herr! fügte er hinzu. Man kennt ihn nicht wieder. Sein Gesicht, sonst so roth, wie eine Oleanderblüte, und so rund, wie eine Pomeranze, wird von Tag zu Tage länger und spitzer, und seinen neuen Rock, er trägt ihn erst seit sechs Wochen, habe ich gestern heimlich um ein paar Finger breit einnähen lassen, so erbärmlich hing er ihm um den Leib herum. Wenn er so dasitzt, blaß und steif, wie eine Leiche, die Hände vor sich auf dem Pulte zusammengefaltet, und das Portait der Frauensperson anstiert mit einem Paar Augen, die sich nicht mehr bewegen, als die in dem gemalten Gesichtchen, so möchte ich ihn manchmal anstoßen und fragen: Sind Sie denn noch lebendig? Gott vergeb 'es der Kreatur, die den hübschen jungen Mann zu einem solchen Gespenste macht!

Gerade so, wie der alte Cccco ihn geschildert hat, saß Arthur eines Tages in seiner Kammer vor dem Götzenbilde des Portraits, ganz untergesunken in die Anschauung seines todten Ideals, als der Professor, dessen Klopfen er überhört hatte, plötzlich die Thüre hinter ihm öffnete, zu ihm heranschritt und ihm auf die Schulter klopfte. Der Jüngling bebte zusammen, und indem er, sich umsehend, seinen Hausgenossen erkannte, verzog er sein Gesicht zu einer ängstlichen Freundlichkeit und hieß ihn willkommen. Der Professor faßte ihn bei der Hand und hielt ihm mit ernster Wärme die unbegreifliche Veränderung vor, die er seit mehreren Tagen an ihm bemerkt habe. Was fehlt Ihnen, lieber Doctor? fuhr er fort. Vertrauen Sie sich mir an. Ihr Zustand ist mir ein Räthsel, und ich wage nicht, Ihnen irgend ein Heilmittel vorzuschlagen, bevor ich den Ursprung und Sitz Ihres Uebels kenne. Aber, was es auch sei, Sie müssen einen Entschluß fassen, sich aus sich selbst herausreißen, unter Menschen gehn, Zerstreuung suchen, und Vor allen Dingen, Sie müssen essen und trinken. Nicht wahr, Sie haben heute wieder nicht an den Mittag gedacht?

Ist es schon so spät? frug Arthur, um doch auch ein Wort von sich hören zu lassen. Denn er hätte eben so gut fragen können: Ist es noch so früh?

Freilich, freilich, Herr Doctor, antwortete der Professor. Es ist vier Uhr, aber ich bin heute auch länger als gewöhnlich in meinem Studium aufgehalten worden von einer enthusiastischen Kunstfreundin, und Sie sollen bei mir noch eine warme Schüssel finden.

Ich danke Ihnen, lieber Freund, entgegnete Arthur. Sie wissen ja, was für einen schlechten Gast ich jetzt abgebe.

Wir essen ganz allein, fuhr der Professor dringend fort, wir bleiben unter vier Augen, und da müssen Sie sich mir entdecken, ich lasse Sie nicht los.

Entdecken? sprach der Andre mit einem schmerzlich bittern Lächeln. Was soll ich Ihnen denn entdecken? Weiß ich mir doch selbst keine Rechenschaft zu geben von dem, was mich quält und entzückt, und glauben Sie mir, ich wäre gerettet, wenn ich es meinem eigenen Bewußtsein entdecken könnte, was ich habe oder was mir fehle.

Mittlerweile warf der Professor einen Blick auf das Bild, welches Arthur in der Ueberraschung zu verstecken vergessen hatte. Ei, ei, Herr Doctor! rief er verwundert aus und nahm das Portrait von dem Schreibpulte in die Höhe, um es näher zu betrachten. Da haben wir das Geheimniß! Eine Liebschaft im Ghetto? Nun, in Gottes Namen. Lieben Sie die schöne Debora so viel Sie wollen und können, ich mache Ihrem Geschmack mein Kompliment, aber hüten Sie sich vor dem Bekehren.

Debora! schrie Arthur auf und stürzte sich dem Professor entgegen. Wer hat Ihnen den Namen verrathen?

Mäßigen Sie sich nur, Herr Doctor, sprach abwehrend Signor Bernardino. Ich bin ja kein Nebenbuhler. Meine Frau macht zuweilen ein Geschäftchen mit dem alten Shylock und verkauft ihm abgetragene Kleider und zerbrochenes Silberzeug. Diese Handelsverbindung hat mir das Glück verschafft, die schöne Tochter des Juden ein paar Mal von Angesicht zu Angesicht zu schauen.

Mir schwindeln die Sinne, unterbrach ihn Arthur. Ich bitte Sie um Alles, was Ihnen heilig ist, sprechen Sie deutlicher, oder ich werde verrückt. Das Original dieses Portraits ist todt, seit zwanzig Jahren todt. Ich fand das Bild in dem Nachlasse des Marquis, und der hat es vor zwanzig Jahren in Spanien malen lassen.

Der Professor stutzte einen Augenblick, dann erwiderte er entschieden und wohlgemuth: Nun, wenn ich Ihnen das glauben soll, so glauben Sie auch mir, daß Gott der Herr eine lebendige Copie dieses Bildes erschaffen hat, welche Debora heißt und die einzige Tochter des alten Aron im Ghetto ist.

Aron? stammelte der Jüngling nach. Will die ewige Vorsehung mich zu einem Narren ihrer Launen machen?

Aron, sag 'ich Ihnen, fuhr der Pofessor fort. Aber ich nenn' ihn immer Signor Shylock, und er läßt sich's gefallen, weil er nicht weiß was ich damit meine. Der alte Kerl sieht mir aus, als ob er sich von Christenfleisch nährte, eine heimtückisch grausame Judaslarve, wie ich keine zweite auf der Welt kenne. Meine Kinder laufen davon, wenn er in die Stube tritt, aber meine Frau behauptet, es lasse sich doch gut mit ihm handeln.

Und die Tochter? frug Arthur mit feuriger Hast.

Ist ein Engel, antwortete der Professor, ein Ausbund von Schönheit und Anmuth. Der Ritter Camuccini hat dem Alten unlängst hundert Scudi geboten, wenn er Sie ihm als Modell zu einer Tochter Jephtha's überlassen wollte. Aber Gott bewahre! der Shylock hält sein Töchterchen so koscher, wie seinen Bart, und ich glaube, sie ist noch niemals aus den Thoren des Ghetto gekommen.

Wunderbar! murmelte Arthur vor sich hin und rieb sich die Stirne. Immer wunderbarer! Wer seid ihr denn, ihr geheimnißvollen Mächte, die ihr mein Haupt mit unsichtbaren Zauberfäden umschlingt und mich an diesen Zügeln in die chaotische Wüste der blinden Zufälle und Ahnungen hinauslenkt, die mich doch alle mit offenen und bedeutungsvollen Augen anblicken und mir verheißen, die Räthsel meines Lebens zu lösen?

Keine Monologe, Herr Doctor, unterbrach ihn Signor Bernardino, und um die Sache so kurz als möglich in das Klare zu bringen, so lassen Sie uns auf der Stelle einen Vertrag schließen. Erstens gehn Sie mit mir zu Tische, zweitens erzählen Sie mir so viel, als sich erzählen läßt, von Ihren, wie soll ich es nennen? Verhältnissen oder Beziehungen zu dem Bilde da, drittens, wie die Sache auch stehe oder noch zu stehen komme, versprechen Sie mir keine nächtlichen Expeditionen und Bekehrungsversuche im Ghetto zu unternehmen, und dafür verpflichte ich mich, Sie sollen die schöne Debora sehen, mit eigenen Augen, wie sie leibt und lebt, und wenn Sie Ihren Augen nicht trauen wollen, so mögen Sie es ohne meine Hülfe versuchen, sich als ungläubiger Thomas durch Berührung von dem Fleische und Blute derselben zu überzeugen. Schlagen Sie ein, und wir machen heute noch einen Gang danach.

Arthur, welcher nicht mehr wußte, ob er träume oder wache, legte seine Hand unwillkürlich in die ihm entgegenkommende Rechte des Professors und folgte demselben, ohne zu bedenken, wohin und weßwegen. Sein Kopf war wie in Nebel gehüllt, und sein Herz zitterte, erschöpft von streitenden Bewegungen.

Sechzehntes Kapitel.

Alles, was Arthur dem Professor von dem wunderbaren Gemälde und seinen namenlosen Gefühlen für dasselbe erzählen konnte, schwebte so weit über die Sphäre der Begriffe und Erfahrungen dieses vernünftigen Mannes hinaus, daß er sich nicht erwehren konnte, dem Argwohne noch einmal Gehör zu geben, als treibe der junge Mann seinen Spott mit ihm und verstecke dahinter das Geheimniß einer Liebschaft mit der schönen Debora. Bedachte er aber wieder, was Cecco von jenem Portrait und dem närrischen Götzendienste des Doctors berichtet hatte, und verglich er damit die altväterische Malerei des Bildes, so blieb ihm keine Wahl übrig, wohin er seinen Glauben zu wenden hätte, und er betrachtete seinen jungen Freund als einen Candidaten des Tollhauses. Die Aehnlichkeit des Portraits mit der Jüdin im Ghetto erschien ihm nun als eine allerdings seltsame, doch ohne übernatürliche Beziehungen erklärliche Zufälligkeit, und er überlegte bei sich, ob dieser Umstand nicht vielleicht auf irgend eine Weise zu Arthur's Heilung benutzt werden könnte. Alles, was ihm einfiel, schien mißlich, aber noch viel mißlicher war der Zustand des Kranken, und sein gegebener Handschlag entschied ohnedies über die Hauptsache, nämlich, daß er dem Doctor die schöne Debora von Angesicht zu Angesicht zeigen mußte. So entschloß er sich denn rasch, wie er pflegte, und forderte seinen Gast noch einmal auf, gleich nach der Mahlzeit mit ihm einen Gang durch den Ghetto zu machen und dem alten Aron einen Besuch abzustatten. Wenn ich die phantastischen Gefühle des jungen Mannes, die sich in der blauen Luft umhertreiben, nur auf einen wirklichen Gegenstand von Fleisch und Blut gelenkt habe, so dachte er bei sich selbst, alsdann ist schon viel gewonnen. Die Krankheit geht aus der unsichtbaren Welt in das Leben über, sie nimmt einen natürlichen Charakter an, und man weiß, wie man sie anzugreifen hat.

Arthur fügte sich ohne Widerspruch, aber, wie es schien, ziemlich gleichgültig in den Vorschlag seines Freundes und frug nicht wieder nach dem Vater und der Tochter, deren Namen ihn kurz vorher so gewaltsam überrascht hatten. Man hätte erwarten sollen, daß die nahe Aussicht, eine lebendige Copie des angebeteten Bildes zu sehen, ihn entzücken würde; aber der Taumel der Erschöpfung, welcher ihn noch immer umfangen hielt, ließ keine starke Regung in seinem Herzen aufkommen. Auch konnte er es den Augen des Professors nicht zutrauen, daß sie mehr als eine oberflächliche Aehnlichkeit mit der unergründlichen Schönheit seines Ideals in irgend einem lebenden Wesen entdeckt haben sollten, und eine solche würde für ihn selbst wohl kaum bemerklich sein. Er wunderte sich sogar, wie es nur möglich gewesen wäre, daß ein zufälliges Zusammentreffen zweier Namen, welche keinesweges zu den seltensten unter den Israeliten gehörten, ihn so tief erschüttert und seinen Zustand dem Professor so lächerlich bloßgestellt hätte. Das war nun nicht mehr zu ändern, und er hielt es in seiner jetzigen Lage für das kürzeste Mittel, sich aus der Sache zu ziehen, wenn er dem Professor den Willen thäte, mit ihm nach dem Ghetto ginge, das Mädchen ansähe und, wie er sie auch fände, ihre Aehnlichkeit mit seinem Bilde geradezu leugnete.

In solcher gegenseitigen Stimmung machten der Wirth und der Gast nach einer kurzen Mahlzeit sich auf den Weg und erreichten den Ghetto, ohne viele Worte gewechselt zu haben. Arthur hatte den verrufenen Ort noch niemals betreten und kannte ihn nur aus der Schilderung in dem Volksbuche von dem Martertode des Don Alonzo de Floridias, dessen Lesung auch seine eigene Phantasie in diesen schmutzigen Winkel des Elends und der Schmach hineingezogen hatte. Als er nun vor dem offenen Thore stand und in die kleine armselige Stadt der alten Bürger von Jerusalem eintreten wollte, aus welcher ein übelriechender Dampf und ein verworrenes Ge - murmel ihm entgegenzog, da schwebten jene abenteuerlichen Bilder des Kerkers, in welchem die heimlich bekehrte Jüdin schmachtete, mit dem versteckten Crucifix und dem fanatischen Alten, wieder an seinem innern Auge vorüber und machten ihn so befangen, daß er eine Weile stehen blieb und sich mehr als einmal von dem Professor einladen ließ, ihm zu folgen. Es war ihm, als ob der Geist des ermordeten Spaniers neben ihm her ginge und ihn bald vorwärts, bald zurück zöge.

Das kreischende Geschrei der zerlumpten Kinder, welche vor den Thüren der schwarzgerauchten Hütten einander die Köpfe kratzten und ihn mit ihren zigeunerartigen Gesichtern angrinsten, durchkreuzte diese poetischen Träumereien und riß ihn in die ekelhafteste Wirklichkeit herab. Ein paar gelbe, zusammengeschrumpfte Sibyllen kauerten an einem Brunnen und zupften Goldfäden aus zerrissenen Tressen, und ein alter Weißbart in einem schwarzen Kaftan ging mit feierlichen Schritten unter Absingung eines hebräischen Gebetes an den Häusern entlang und schlug mit einer Klapper gegen jedes Fenster. Der Professor bog in einen halb verdeckten Durchgang ein, welcher von Lumpen und anderm Kehricht fast verstopft war. Arthur ließ sich nachziehen, und sein Führer ermuthigte ihn durch die Versicherung, daß sie jetzt ihrem Ziele ganz nahe wären. Da vor uns, in dem Hause mit der niedrigen Thüre, da wohnt die schöne Debora, fügte er hinzu, und der Andre erblickte ein überaus seltsames Gebäude mit einer Pforte, unter welcher ein zehnjähriges Kind sich gebückt haben würde, und zugemauerten oder verschlagenen Fenstern. Der Professor klopfte erst an die Thüre, dann gegen die Bretter der Fensterverschläge, aber es regte sich Nichts in dem ganzen Hause. Der Alte wird auf den Schacher ausgeflogen sein, sprach er zu seinem Gefährten, seinen Aerger hinter einen Scherz verbergend, aber das Vögelchen, welches wir suchen, sitzt gewiß in dem Käfich. Wir wollen unsern Plan nicht sogleich bei der ersten fehlgeschlagenen Recognoscirung aufgeben. Helfen Sie mir klopfen und rütteln, Herr Doctor, damit Ihnen die Zeit nicht lang werde.

Mit diesen Worten fing Signor Bernardino schon wieder an, das Haus zu bestürmen, und Arthur, welchen der unnütze Lärm immer verdrießlicher machte, drückte sich um eine Ecke und bemerkte hinter derselben ein ganz kleines Nebengebäude, welches durch ein altes Mauerstück mit dem größern in Verbindung stand. Er ging darauf zu, um nur dem Professor aus dem Gesichte zu kommen, und lehnte sich lauschend gegen ein rundes dicht verschlagenes Fenster, in dessen schwarzen Brettern er eine helle Spalte bemerkt zu haben glaubte. Er hatte sich nicht getäuscht: er hörte Fußtritte, die mit einem starken Pochen abwechselten, und die schmale Oeffnung einer auseinandergesprungenen Planke ließ ihn in eine enge gewölbte Zelle schauen, die von mehreren Lampen glänzend erleuchtet war und das Ansehn eines antiken Bauwerkes hatte. Scherben von Gold und Silber und einige zerbrochene Spiegel lagen übereinandergeworfen auf dem Boden, dazwischen zerrissene Uniformen und durchlöcherte Tressenhüte mit vielem andern Trödel dieser Art. Der Winkel, aus welchem das Geräusch herkam, war durch die Spalte mit keinem Blicke zu erreichen, aber der Lauscher hörte deutlich, daß ein Stein aus der Mauer herausgenommen und wieder hineingeschoben wurde. Dann trat aus jener verborgenen Ecke eine große, schlanke Frauengestalt in einem langen weißen Kleide hervor, die ein Crucifix mit beiden Händen über ihrem Haupte in die Höhe trug und in langsamer Bewegung nach der Seite des Gemaches vorschritt, welche der Spalte gerade gegenüber stand. Arthur konnte nur ihren Rücken sehen, aber das Crucifix war ihm zugekehrt, und er erkannte sogleich den silbernen Gekreuzigten an einem Holze von rothen Korallen. Ein Schauer des Entsetzens und der Ahnung durchrieselte ihn in diesem Anblick. Es war jenes Crucifix des spanischen Schülers, das Geschenk desselben an die Getaufte des Ghetto, ganz treu und vollständig übereinstimmend mit der Bezeichnung in der Ueberschrift seines Liedes. Der Jüngling, fieberhaft zitternd an allen Gliedern, mit wirbelnden Sinnen und einem Herzen, welches bald seine Brust zersprengen wollte, bald zusammengepreßt in bereg - ungsloser Beklommenheit stockte, hatte sich noch nicht in diese erste Wundererscheinung hineingedacht, als schon eine andre mit unendlicher Uebergewalt seine ganze Seele an sich riß. Die weiße Gestalt setzte das Crucifix auf einen Vorsprung der Mauer, warf sich mit gefalteten Händen vor demselben nieder und brachte durch eine plötzliche Wendung des Körpers ihr halbes Gesicht in den Bereich des durch die Spalte zielenden Auges. Es war Debora, das lebendige Original des Götzenbildes seiner Liebe, es war das verkörperte Traumbild seiner Nächte und Tage, es war Minna, Lureley und Maria, was Arthur's erster Blick in diesem einen Antlitz erkannt zu haben wähnte. Und dieses Wunder offenbarte sich ihm nicht in der kalten Uebereinstimmung von Formen und Farben, sondern in einer aus der innersten Statur herausgebildeten Gleichheit der Seele, welche sich in schmerzlich süßen Mienen und unergründlich tiefen Augen voll Sehnsucht und Ergebung spiegelte.

Arthur selbst hat es nicht angeben können, ob er bei diesem Anblick den Namen Debora ausgerufen, oder mit seiner Stirne gegen die Bretter gestoßen habe. Da sprang die Betende, wie ein Reh nach dem Fehlschusse des Jägers, in ängstlicher Hast von ihren Knieen auf, griff nach dem Crucifix und blies die Lampen aus. Zu gleicher Zeit rief der Professor, und Arthur, welcher in diesem Augenblicke gerade noch so viel Bewußtsein in seinem zerrütteten Geiste zu - sammenfassen konnte, um zu begreifen, daß die Entdeckung des wichtigen Geheimnisses, welches er eben belauscht hatte, nicht übereilt werden dürfe, ließ sich nicht zweimal einladen, seinen Posten aufzugeben. Es ist umsonst, sprach der Belagerer. Der Shylock ist auf dem Rialto und hat seine Jessica eingeschlossen. Signor Lorenzo, Sie müssen sich gedulden. Arthur zwang sich zu einem Lächeln, vor welchem der Andere zu erschrecken schien, und strengte sich auf dem ganzen Heimwege mit so übertriebener Aengstlichkeit an, das tosende Gewühl seines Innern hinter eine leichte Unterhaltung vor seinem Begleiter zu verbergen, daß dieser von Schritt zu Schritt immer besorgter wurde, der Wahnsinn des jungen Menschen möchte augenblicklich ausbrechen. Denn er redete ihn ein paar Mal Herr Marquis an, frug ihn nach berlinischen Neuigkeiten und benahm sich überhaupt so verzweifelt gesprächig, daß der sonst eben nicht leicht zu beunruhigende Professor doch dem Himmel dankte, als er ihn glücklich nach Hause und in seine Kammer gebracht hatte.

Siebzehntes Kapitel.

Wir wollen es nicht versuchen, unserm jungen Freunde in das wilde Labyrinth der Gedanken, Ein - bildungen, Hoffnungen, Wünsche und Entschlüsse zu folgen, welches er in den ersten Stunden nach seiner Rückkehr aus dem Ghetto durchlief, ohne einen Ausweg finden zu können. Er hatte freilich einen Faden, der ihn zu leiten verhieß, aber auch dieser war in die Irrgewinde seines räthselhaften Schicksals verflochten. Denn so unverwandt alle seine Bestrebungen auf den einen Ausgang gerichtet waren, die unglückliche Debora zu erlösen, und so leicht es ihm auch scheinen mußte, mit Hülfe jenes furchtbaren Geheimnisses, welches er aus dem Ghetto entführt hatte, sich einen Weg nach diesem Ziele zu bahnen: er wagte es dennoch nicht, zu vollbringen, was er konnte, und zu wollen, was er mußte. Sollte er den Vater der heiligen Büßerin, um den sie sich und ihre Seligkeit opferte, dem Schwerte der Gerechtigkeit übergeben und die nach der Legende zuerst mit Thränen getaufte zum zweiten Male mit dem väterlichen Blute taufen? Oder sollte er durch einen Versuch, heimlich in das Haus des alten Mörders einzubrechen und sich der Eingekerkerten als ein Gesandter des Himmels zu offenbaren, sein eigenes Leben auf das Spiel setzen? Oder sollte er Jenem den Tod in der Entdeckung des blutigen Geheimnisses androhen, und dann als den Preis des Schweigens die Tochter von ihm fordern?

Der letzte Vorschlag erschien ihm endlich als der beste, und er beschloß, ihn sogleich am nächsten Morgen auszuüben, ohne irgend eine fremde Hülfe dabei in Anspruch zu nehmen. Debora sollte alsdann nach einem Kloster gebracht, in dem Christenthume weiter unterrichtet und hernach öffentlich getauft werden. Seine Hoffnungen flogen zwar noch weiter in die Zukunft hinaus, aber die ernste und heilige Aufgabe, deren Lösung das Schicksal ihm auf eine wunderbar dringende Weise vorgelegt hatte, ließ ihn nicht lange mit eitlen Liebesträumereien spielen. Denn je deutlicher er jetzt den Weg zu erkennen glaubte, auf welchem die göttliche Vorsehung, und nicht die Laune des Zufalls, ihn seit der Abreise von Berlin zu seinem großen Berufe geleitet hatte, desto tiefer mußte er auch die Verpflichtung empfinden, sich nicht durch eigene Nebenzwecke von demselben ablenken zu lassen. Er fühlte sich stärker und klarer in dem ungetheilten Blicke auf dieses Ziel, er konnte wieder mit inbrünstiger Andacht beten, seitdem er es dem Himmel sagen konnte, was ihm fehle und wonach er verlange, und die folgende Nacht schloß zwar seine Augen zu keinem Schlummer, aber sie blieb doch ungestört von wachen Träumen und schlaftrunkenen Phantasieen.

Mit gehaltener Sehnsucht erwartete Arthur den Anbruch des verhängnißvollen Morgens und erhob sich mit den ersten Strahlen der Sonne von seinem Lager. Er schlich mit leisen Schritten die Treppe hinunter und zu der Thüre hinaus, um durch den geschwätzigen Gruß des alten Cecco nicht in seiner feierlichen Stimmung unterbrochen zu werden. So trat er in den hellen Morgen hinaus, der ihn mit einem scharfen Winde ermunternd anblies, und die Glocken, welche zu der Frühmesse läuteten, klangen ihm wie Stimmen der Engel aus den Wolken, einladend und begeisternd zu seinem heiligen Werke. Als er an der Kirche Santa Trinita de' Monti vorübergehen wollte, zog es ihn wie mit unsichtbaren Händen in das Innere des Tempels hinein. Ein Priester sang an einem Nebenaltare die kleine Messe, und zwei Bettler knieeten hinter ihm auf dessen Stufen. Arthur war nicht vermögend, der heiligen Handlung als neugieriger Zuschauer beizuwohnen. Er griff in das Weihwasser hinein, besprengte sich Brust und Stirn mit dem Zeichen des Kreuzes und warf sich zwischen den Bettlern nieder. Ein inbrünstiges Gebet um den Beistand des heiligen Geistes auf dem Wege, den er eben antreten wollte, flog von seinen Lippen empor, und er wähnte sich in seinem Herzen wunderbar erhört zu fühlen, als er wieder aufstand und sich zum zweiten Male aus der geweiheten Schale benetzte.

Wie kann eine Kirche ein Haus Gottes sein, dachte er im Heraustreten bei sich selbst, wenn sie den Menschen nicht zu allen Stunden offen steht? Ist doch Gottes Herz uns immer aufgeschlossen, so oft wir das Verlangen fühlen, uns ihm zu nahen: warum soll denn sein Haus uns nur dann geöffnet werden, wann der Priester fertig ist mit seiner Predigt und der Cantor mit seiner Orgel? Welche selige Stärk - ung ist mir in diesem Augenblicke zu Theil geworden, weil der Augenblick danach verlangte und der Augenblick sie gewährte! Hundert lange Sonntagspredigten könnten mir eine solche augenblickliche Gabe des Himmels nicht ersetzen.

Unter ähnlichen Betrachtungen erreichte der Jüngling das Thor des Ghetto. Er trat hinein und erstaunte über die lebendige Bewegung auf der Gasse in einer so frühen Stunde. Männer, Frauen und Kinder liefen aus einem Hause in das andre, steckten die Köpfe zusammen und geberdeten sich untereinander, als ob irgend ein Unfall ihre gemeinschaftliche Theilnahme ängstigend anspräche. Denn einige Weiber zerrauften sich die Haare, der ziegenbärtige Greis in dem schwarzen Kaftan riß diesen von oben bis unten auseinander, und die kleinsten Kinder verkrochen sich heulend unter die Mäntel ihrer Mütter. Arthur ließ sich durch diese abenteuerlichen Begegnungen nicht zurückhalten, sein Ziel zu verfolgen, und wandte sich in den bedeckten Gang hinein, welcher nach der Wohnung des alten Aron führte.

Aber kaum hatte er seinen Fuß in diese enge Straße gesetzt, als eine rauhe Stimme ihm ein herrisches Halt! entgegenrief. Er fuhr zusammen, blickte auf und erkannte zwei Soldaten, die den Paß mit gekreuzten Bajonetten gesperrt hielten. Halt! wiederholte der Erste und streckte das Gewehr gegen den Vorschreitenden aus. Arthur, dessen Inneres sich noch sträuben wollte, zu errathen, was hier vorgefallen sei, stand eine Welle still, ohne zu wissen, was er beginnen solle, und entdeckte nun in dem Hintergrunde mehrere Sbirren, welche emsig beschäftigt waren, das fensterlose Gebäude zu lichten. Sie brachen Steine und Bretter heraus und warfen durch die wiederhergestellten Oeffnungen Kleider und Geräthschaften auf die Gasse. Andre zählten und musterten die Stücke, und ein Barigello schien ein Register derselben in seine Schreibtafel einzutragen. Was ist denn hier geschehn? frug Arthur endlich die Wachen und erhielt eine Antwort, die er sich selbst hätte geben können. Der alte Aron war als der Mörder des jungen Spaniers entdeckt und eingezogen worden, und seine Wohnung wurde jetzt auf den Befehl des Governatore ausgeräumt. Der Bericht des Soldaten war sehr lakonisch und fertigte jede neue Frage des Jünglings, wie dringend sie ihm auch vorgelegt werden mochte, mit einem immer barscher werdenden Ich weiß nicht ab. Aber der ungestüme Frager war dadurch nicht zu beschwichtigen, und der Soldat mußte Anstalt machen, sich durch einen handgreiflichen Bescheid Ruhe auf seinem Posten zu verschaffen.

Unterdessen hatte der laute Wortwechsel einen Sbirren herangezogen, und dieser erwies sich bereitwilliger, dem Unbekannten zu dienen. Er erzählte ungebeten, daß gestern Abend der alte Bluthund seine Tochter bei der Anbetung eines Crucifixes überrascht und ihr in seiner jähzornigen Wuth ein Messer in die Brust geworfen habe. Der Tumult, welcher dadurch in der Nachbarschaft entstanden sei, habe die Sbirren in das Haus des Mörders geführt und ihnen das Crucifix des frommen Schülers in die Hände gespielt. Darauf sei der Schuldige sogleich ergriffen und in Ketten gelegt worden, und seine unglückliche Tochter befinde sich, dem Tode nahe, in dem Hospital der Santa Catarina de' Funari.

Arthur schien von einem Donnerschlage gerührt und wäre augenblicklich zu Boden gefallen, wenn nicht eine Wand seinem Rücken eine Stütze geboten hätte. So blieb er angelehnt stehen, einem Menschen ähnlich, den das Gesicht der Medusa in eine todte Bildsäule verwandelt hätte. Auch sein Herz wurde Stein und fühlte nichts mehr, als den erstarrenden Druck dieser Verwandlung. Er sah und hörte nicht, was um ihn vorging, der Boden unter seinen Füßen war in den tiefsten Abgrund versunken, und der Himmel über seinem Haupte hatte sich in die Oede des unendlichen Raumes verloren.

Der freundliche Sbirre, welcher den Eindruck bemerkt hatte, den seine Erzählung auf den jungen Fremdling gemacht, hielt es für seine Pflicht, sich desselben anzunehmen, und schleppte ihn mit großer Anstrengung bis an das Thor des Ghetto. Hier begegneten ihm zwei Franziscaner aus dem Kloster Santa Trinita de' Monti, welche den Hülflosen als ihren Nachbar aus der Via Sistina erkannten und sich antrugen, ihn nach seiner Wohnung zu schaffen.

Achtzehntes Kapitel.

Kaum fühlte Arthur sich nur einigermaßen aus seiner starren Betäubung gelös't, als er sich ohne Verzug in einer Sänfte nach Santa Catarina de' Funari tragen ließ. Angelangt auf dem kleinen Platze vor der Kirche dieser Stiftung, mußten die Träger Halt machen und die Portechaise niedersetzen. Denn ein wimmelndes Gedränge des Pöbels, welcher das heilige Haus zu bestürmen schien, hemmte dem Kasten jeden Durchgang, und auch ein einzelner unbelasteter Mann würde nicht vermögend gewesen sein, bis an die Pforte der Kirche oder des Klosters vorzudringen. Arthur ergab sich in die Nothwendigkeit, zu warten, bis der zusammengelaufene Schwarm sich wieder zerstreuet hätte, und befahl den Trägern, sich unterdessen nach der Veranlassung des Tumultes zu erkundigen. Diese mischten sich unter die Menge und kehrten alsbald mit der Nachricht zurück, daß die verwundete Jüdin, welche gestern Abend in das Hospital des Klosters gebracht worden wäre, diesen Morgen gegen Sonnenaufgang als eine gute Christin nach dem Genusse der Hostie und dem Empfange der letzten Oelung aus dem Leben abgeschieden sei. Ein armes Mädchen aus der Anstalt sei durch die zufällige Berührung ihrer Hand in dem Augenblicke ihres Todes von dem Veitstanze geheilt worden, und sobald der Ruf eines solchen Wunders sich verbreitet habe, sei das Volk haufenweise nach dem Kloster geströmt, um die heilige Leiche zu verehren. Endlich habe die Polizei sich in das Mittel gelegt und die Eingänge des Gebäudes besetzt, und von der Zeit an werde keine Menschenseele mehr zugelassen. Nachdem die Träger diese Erzählung beendigt hatten, sank der Jüngling, ohne einen Laut von sich zu geben, in die Sänfte zurück und faltete die Hände über seine Brust zusammen. Dann winkte er mit seinem Taschentuche aus dem Fensterschlage, und als die beiden Männer um seinen Befehl baten, sprach er mit nachdrücklicher Betonung: Nach Hause!

Es schien mit diesem Augenblicke eine wunderbare Fassung über unsern Freund gekommen zu sein, und der Tod Debora's hatte die kämpfenden Bewegungen seines Innern mit einem großen und entscheidenden Streiche geschlichtet. Er hatte abgeschlossen mit sich und dem Leben, Hoffnung und Furcht, Sehnsucht und Abscheu rannen friedlich ineinander, aufgelös't in das Gefühl jener Ergebung, die nichts mehr bedarf, nachdem sie Alles verloren hat, und so beugte er sich, umhergeworfen und zerschlagen, wie er war, vor der unsichtbaren Hand der ewigen Gerechtigkeit, wie ein Kind, welches grausam gestraft, ohne noch zu wissen, warum, dennoch die züchtigende Rechte des geliebten Vaters mit Küssen und Thränen bedeckt. Man hätte diesen Zustand, wie er sich von Stunde zu Stunde immer sicherer in ihm entwickelte, für eine krankhafte Erschlaffung der Nerven halten können, so unempfindlich erschien sein ganzes Wesen gegen alle Berührungen, die ihn ehemals angezogen, oder zurückgestoßen hatten. Selbst die Ergebnisse, welche der Prozeß des Mörders ihm zu einer völligen Aufklärung der Räthsel seines eigenen Schicksals lieferte, konnten seinem Gesichte keinen Zug der Bewunderung oder des Entsetzens abgewinnen, und überhaupt nahm er Alles, was er Neues und Wichtiges hören, sehen oder erfahren mochte, nicht anders auf, als ob er damit schon längst bekannt und vertraut wäre. Auch zog er sich nach und nach aus allen Verhältnissen des geselligen Lebens zurück, und um die letzte Verbindung mit dem Professor, welcher durchaus sein Seelenarzt werden wollte, so entschieden als möglich abzubrechen, gab er seine große Wohnung auf und miethete sich eine Zelle in dem Kloster Santa Trinità Hier ließ er sich von einem alten Franziscaner in der Lehre des katholischen Glaubens unterrichten, studirte die Kirchenväter und nahm Theil an den geistlichen Uebungen der Mönche. Also vorbereitet und geweihet, trat er am nächsten Charfreitage in der Taufkapelle des Constantinus zu der römischen Kirche über und kehrte unmittelbar nach der feierlichen Handlung als Novize in das Kloster der Franziscaner zurück.

Mittlerweile hatten die Geständnisse des alten Aron vor dem Richterstuhle des Governatore den wunderbaren Zusammenhang nachgewiesen, welcher die Liebe des Marquis mit der seines jungen Freundes und die mörderische Schuld der Donna Clara de Floridias mit dem Tode des unschuldigen Don Alonzo verknüpfte. Alles, was uns bisher in dieser Erzählung als ein launenhaftes Spiel des Zufalls erschienen ist, wird dadurch zu einem ernsten Plane des Schicksals erhoben, dessen Ziel wir in dem Fortgange und Verbande der Begebenheiten deutlich erkennen müssen, ohne jedoch in die Tiefe der bewegenden und lenkenden Weisheit und Gerechtigkeit schauen zu können.

Der alte Mörder war eine und dieselbe Person mit jenem Aronet oder Aron aus Perpignan, und seine Tochter Debora das kurz vor dem Tode ihrer unglücklichen Mutter 'geborene einzige Pfand seiner Ehe mit der schönen Malteserin, die wir aus der Lebensbeschreibung des Marquis kennen gelernt haben und im Innern wie im Aeußern, das treueste und vollständigste Abbild derselben. Aron hatte nach der Verhaftung seiner Gattin, um sich der auch ihm drohenden Inquisition zu entziehen, Spanien sogleich geräumt; und sein wenn nicht angeborener, doch schon mit der Muttermilch eingesogener und durch einen schwärmerischen Religionseifer gestärkter Haß gegen die Christen steigerte sich nunmehr, verbündet mit seinem hülflosen Schmerze, zu einem rachgierigen Ingrimme. Aber seine natürliche Feigheit ließ die grausamen Wünsche und Vorsätze, welche sein Herz mit unerschöpflicher Erfindsamkeit gegen die ganze Christenheit schmiedete, zu keiner Ausführung gedeihen, und er büßte seinen Blutdurst damit, daß er in Gedanken und Träumen marterte und würgte. Es schien auch aus allen seinen Aeußerungen hervorzugehen, daß der Verlust seiner schönen Gattin ihn an und für sich nicht so tief getroffen haben würde; denn er hatte nur ihren Körper gekannt und geliebt; aber daraus erwuchs ihm eine unverlöschbare Qual, daß sie als ein Opfer der christlichen Religion gefallen war.

Er begleitete in der Folge die Armee der französischen Republik in Lieferungsgeschäften nach Jalien, und hier war es, wo sein arges Mißgeschick ihn mit einem zweiten Streiche noch unmittelbarer, als durch den Tod seiner Gattin, daniederschlug. Sein christlicher Compagnon beraubte ihn durch einen eben so listigen als frechen Betrug seines ganzen Vermögens und machte in einer Stunde den reichen, handelslustigen und habsüchtigen Mann zu einem hülflosen Bettler. Er mußte sein elendes Leben durch die Almosen seiner Glaubensgenossen fristen und bettelte sich auf diese Weise wohl ein halbes Jahr lang von Stadt zu Stadt, bis endlich eine alte entfernte Verwandte, die er in dem Ghetto von Rom entdeckt hatte, sich seiner erbarmte und ihn zu ihrem Geschäftsführer in einem Handel mit abgenutzten Kleidern und Geräthen annahm. Bald darauf starb seine Wohlthäterin und übergab ihm durch ihren letzten Willen die Mittel, ihr Geschäft in sein eigenes zu verwandeln.

Seit dieser Zeit galt Aron für einen der vornehmsten Bürger des Ghetto und machte sich besonders durch seine strenge Beobachtung der mosaischen Sitten und Gesetze in diesem kleinen Jerusalem allgemein verehrt. Aber in seinem Innern brütete die Rachsucht, die sich seit Jahren von seinem eigenen Fleische und Blute genährt hatte, auf ihren schwarzen Entwürfen fort, und während die Wunden zu verharschen anfingen, welche die Erbfeinde seines Glaubens ihm selbst geschlagen hatten, fühlte er desto ungetheilter den nie vernarbenden Schmerz, der sein heiliges Volk unter dem Joche der Nazarener in den Staub drückte. Mitten in der großen Hauptstadt der Christenheit in einem engen Winkel eingekerkert, ausgeschlossen von allen bürgerlichen Rechten und Freiheiten und verdammt zu den schimpflichsten Leistungen der Sclaverei, mußte er jetzt ingrimmiger als jemals die Demüthigung der Seinigen und den Uebermuth ihrer Tyrannen verknirschen. So oft er den Ghetto verließ und an den prächtigen Tempeln und Palästen der Messiaspriester vorüberging, oder gar, von einer Procession in seinem Wege gekreuzt, das Haupt vor den verabscheuten Götzenbildern beugen mußte, eben so oft kehrte er mit neuen, oft bis zu der kühnsten Abenteuerlichkeit gesteigerten Plänen des Mordes und der Zerstörung in seine Höhle zurück. Er wollte die Peterskirche in Brand stecken, die Brunnen des Quirinals vergiften, und es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daß er einige Tage damit umgegangen sei, den Papst in der großen Procession des Frohnleichnamsfestes zu erschießen.

Das milde und klare Wesen seiner Tochter, die er aus Perpignan nach Rom gezogen hatte, sobald er sich vermögend fühlte, die Pflichten eines Vaters an ihr zu erfüllen, konnte diesen bösen Geist in seinem Busen nicht besprechen, und je deutlicher sie sich zu einem Abbilde ihrer Mutter in Gestalt, Zügen, Augen, Sprache und selbst in kleinen Angewöhnungen und Eigenheiten entwickelte, um so aufregender schien ihre sonst so beruhigende Nähe für seine Leidenschaften. Der Engel des Friedens war ihm eine Furie der Rache, welche sich in die Gestalt seines gemordeten Weibes gekleidet hatte, um ihn als stumme Mahnerin zu der Erfüllung seiner blutigen Gelübde anzuspornen.

Indessen war der alte Aron, wie schon bemerkt worden ist, von einer so zaghaften Natur, wenn es darauf ankam einen gewagten Vorsatz in eine That zu verwandeln, und hing noch immer mit einer so muthlosen Liebe an seinem elenden Leben, daß die höllische Glut seines Busens ohne Zweifel in sich selbst verkocht sein würde, ohne nach außen in Flammen aufzuschlagen, wenn nicht durch eine seltene Schickung der Sohn jener Donna Clara de Floridias, welche die schöne Debora in die Hände der Inquisition geliefert hatte, von Valencia nach Rom geführt worden wäre. Dieser Sohn war nämlich, wie der Marquis in seiner letzten Stunde richtig geahnet hatte, der Schüler der Sapienza, Don Alonzo de Floridias.

Das Dunkel, welches über dem Verhältnisse dieses jungen Mannes zu der schönen Debora schwebt, wird durch die Bekenntnisse des Juden nicht ganz aufgehellt; aber so viel geht aus denselben hervor, daß der Mörder, welcher durch zufällige Umstände von der Herkunft des Schülers unterrichtet worden war, diesen listiger Weise in sein Haus gelockt hatte. Er benutzte dabei sogar das Gesicht seiner Tochter, welches er sonst, als ob es dadurch verunreinigt würde, vor den Blicken christlicher Augen sorgfältig zu verstecken pflegte, als Köder des ausgestellten Netzes, und einige alte spanische Papiere, die er aus dem Schiffbruche seines Vermögens gerettet hatte, gaben ihm den ersten Vorwand, unter dem er sich mit seinem Schlachtopfer in Berührung setzte. Wie sich aber in der Folge das heimliche Verständniß zwischen Don Alonzo und Debora entwickelt haben mag, und ob der Schüler, nachdem er der Apostel der geliebten Jungfrau geworden war, das Herz derselben von der Liebe zu dem Glauben oder von dem Glauben zu der Liebe geführt habe, darüber ist uns keine sichere Kunde geworden. Indessen hat man in Santa Catalina de' Funari erzählt, daß Debora in ihrem letzten Kampfe den Namen Don Alonzo ausgesprochen und dabei ihre Augen und Arme, wie nach einer himmlischen Erscheinung, emporgerichtet habe, was um so wunderbarer ist, da es dem Mörder gelungen war, den Tod des Schülers vor ihr verborgen zu halten. Er hatte ihn nämlich in der Nacht des ersten Advents in jener oben beschriebenen Kammer des alten Nebengebäudes bei seiner Tochter überrascht, ohne in dieser geheimen Zusammenkunft etwas mehr zu vermuthen, als einen gewöhnlichen Liebeshandel. Der Augenblick forderte dringend zu der Vollstreckung seines mörderischen Vorhabens auf: er warf den Jüngling aus der Thüre, zog ihn in den verdeckten Gang, welcher durch die Ruinen einer Kloake mit der Tiber zusammenhing, erdrosselte ihn hier und schleppte dann die Leiche durch das unterirdische Gewölbe in den Fluß hinab. Debora wurde von jetzt an gleich einer Gefangenen eingeschlossen und durfte nicht über die Schwelle ihres Hauses treten. So erfuhr sie nicht das Mindeste von den Untersuchungen wegen jenes Mordes, was freilich nur durch ein mit Blindheit geschlagenes Verfahren der päpstlichen Justiz begreiflich werden kann, und daß sie ihren Jüngling nicht wiedersah, mußte ihr unter solchen Umständen als eine leicht erklärliche Nothwendigkeit erscheinen. Aber in ihrer stillen Klause, vor seinem Crucifixe, welches sie in einer Oeffnung der alten Mauer hinter einem großen Steine versteckt hielt, setzte sie die christlichen Betrachtungen und Gebete fort, zu denen er sie angeleitet hatte, des erlösenden Augenblickes mit Sehnsucht und Ergebung harrend, wo sie, ohne ihren alten Vater zu verleugnen, ihren neuen Glauben frei bekennen dürfte. Der Himmel hatte anders über sie beschlossen, und sie unterzog sich der grausamen Prüfung desselben, ohne auch nur auf einen einzigen Augenblick das selige Vertrauen in den Erlöser zu verlieren, welcher sich durch seinen Dornenkranz mit ihr vermählte. Man wollte sie auf ihrem Sterbelager taufen, aber sie betheuerte, das Bad der Gnade schon empfangen zu haben, und verlangte nur noch die letzten Sacramente. Nachdem ihr diese gereicht worden waren, entfernte sie jeden geistlichen Beistand aus ihrer Zelle und verschied unter stummen Gebeten.

Arthur hatte es zu vermeiden gewußt, als Zeuge in den Prozeß gezogen zu werden, dessen Ergebnisse ihm jedoch bald nach den ersten Verhören bekannt wurden, aber, wie wir schon bemerkt haben, ohne einen tiefen Eindruck auf ihn zu machen. Nachdem er sein Noviciat in Santa Trinità vollendet hatte, ließ er sich in das Kloster Palazzuolo am Albanersee aufnehmen, welches demselben Orden angehört. Hier besuchte ihn vor zwei Jahren einer seiner Jugendfreunde aus Berlin, dem ich die Mittheilungen verdanke, auf welche diese Erzählung gegründet ist. Kaum erkannte dieser den lebhaften, veränderungslustigen und launigen Schwärmer in dem stillen, abgeschlossenen und ganz in sich zurückgesunkenen Mönche wieder, dessen Gesicht ebenfalls die starre Ruhe seines Innern angenommen hatte. Nur dann und wann blitzte noch ein alter phantastischer Funke aus der spiegelglatten Eisfläche seines neuen Menschen hervor. Er hatte das Portrait der Debora mit einer goldenen Glorie eingefaßt und betete in demselben die heilige Jungfrau an. Wann er vor diesem Bilde läge, so erzählte er selbst, da schiene es ihm zuweilen, als ob auf einer Seite der Marquis in dem rosenrothen Sterbekleide, und auf der andern ein blasser Jüngling mit einem Strange um den Hals neben ihm knieeten. Ein andermal äußerte er: Es giebt nur eine Liebe, in welcher die erste und die letzte sich als eine und dieselbe begegnen und umfangen. Der Tag der Liebe hat nur eine Sonne, welche aufgeht, in die Höhe steigt und untersinkt, und doch zu allen Stunden dieselbe ist. Minna, Lureley, Debora und Maria sind nur verschiedene Strahlen desselben himmlischen Lichtes, in dessen unsichtbarem Mittelpunkte die Königin der ewigen Liebe thront.

About this transcription

TextDebora
Author Wilhelm Müller
Extent150 images; 30539 tokens; 6960 types; 199321 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Thomas WeitinNote: Herausgeber Digital Humanities Cooperation Konstanz/DarmstadtNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2017-03-15T15:21:38Z Jan MerktThomas GilliJasmin BieberKatharina HergetAnni PeterChristian ThomasBenjamin FiechterNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2017-03-15T15:21:38Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDebora Band 18 Wilhelm Müller. 2. Globus VerlagBerlin1910.

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Bibliothek der Universität Konstanz deu 838.29/h29https://katalog.uni-konstanz.de/libero/WebopacOpenURL.cls?ACTION=DISPLAY&RSN=948187

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Novelle; ready; novellenschatz

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Editorial principles

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;

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  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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