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Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation.
Denkschrift des Deutschen Bundes gegen die Frauenemanzipation
Verlag der Deutschen Kanzlei, Berlin SW. 11.
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I. Teil. Warum müssen Kirche, Gemeinde und Staat das Frauenstimmrecht grundsätzlich ablehnen?

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I. Die heutige Lage.

Wer ein Verständnis gewinnen will für das Wesen und den Charakter der heutigen radikalen Frauenbewegung und insbesondere der Frauenstimmrechtsbewegung, der muß sich vor allem über drei Dinge klar werden: daß beide Bewegungen internationaler Herkunft sind, daß sie von ledigen erwerbenden Mädchen zum Schaden der Ehe - frauen und Mütter betrieben werden, und daß die Frauen - stimmrechtsforderung die Blüte des radikalen Demo - kratismus darstellt. Der englische Minister des Auswärtigen Sir Edw. Grey hat es ausgesprochen, daß das System des Demokratismus ohne das Frauenstimmrecht nicht voll - ständig sei. So sehen wir denn auch in allen Ländern, in denen das Prinzip der Massenherrschaft immer rück - sichtsloser durchgeführt wird, die Frauenstimmrechtssache in Blüte stehen. Das übrige besorgt der Wettbewerb der politischen Parteien um die Macht. Die in England um die Herrschaft streitenden Parteien hielten es bereits vor Jahrzehnten für nützlich, bei den Wahlen die Hilfe der Frauen zu verwenden. Damit wurden sie, indem sie be - sonders die Frauen der besseren Stände den häuslichen Pflichten entfremdeten und die ehrgeizigen Damen der16höchsten Kreise für die Politik interessierten, zu den wirk - samsten Förderern der Emanzipation, als deren Frucht dann sehr bald die Stimmrechtsforderung auftrat, die den Parteien heute so beschwerlich wird.

Jn unserem Nachbarlande Dänemark hat sich bei zu - nehmender Demokratisierung eine ähnliche Entwicklung abgespielt wie in England. Sie scheint nur noch schneller und sicherer zum widrigen Abschluß zu kommen als dort, da die konservative Partei und die monarchische Gewalt im parlamentarisch regierten Dänemark zu schwach sind, um ein genügendes Gegengewicht in die Wagschale werfen zu können. Das am gründlichsten demokratisierte Norwegen hat den Giftbecher bereits bis auf die Neige geleert und leidet schon unter seinen verderblichen Wirkungen, während Schweden vielleicht noch zu retten ist. So hat die von Amerika ausgehende und zur Zeit unter englisch-amerika - nischer Führung stehende internationale Frauenbewegung einen wahren Siegeszug durch die Länder germanischer Rasse angetreten und steht auch in Deutschland gefahr - drohend genug da. Eine gewisse Jronie des Schicksals will es, daß gerade die germanischen Männer, die den Frauen stets die größte Ritterlichkeit und Hochachtung ent - gegengebracht haben, der Weiberherrschaft am schnellsten verfallen richtiger allerdings der Jungfernherrschaft, dem Virginismus. Aber schließlich kommt es zu diesem traurigen Ende doch nur deswegen, weil die Männer als überkluge Politiker die Frauenfrage zu einer Parteifrage gestempelt haben. Das tritt besonders deutlich in den romanischen Ländern zutage. Dort ist eine kräftige Frauenbewegung überhaupt noch nicht vorhanden, aber 7 die radikalen politischen Parteien der Volksvertretung be - mühen sich nach Kräften, sie künstlich zu fördern und zu Parteizwecken auszunützen, genau wie die deutsche Sozial - demokratie.

Man erkennt, daß die ursprünglich gute Frauenbewegung, deren Ziel die Förderung des Frauenlebens in Haus, Familie und Beruf war, zu einer einfachen Figur der Parteien auf dem Schachbrett des politischen Parteikampfes herabzusinken droht. Je mehr sie sich dem Frauenstimmrecht nähert, um so mehr verfällt sie diesem Schicksal, und wo sie es erreicht hat, ist es mit ihrem guten Einfluß und ihrer besonderen wohltätigen Frauenmacht zu Ende, sie ist dann ein Werkzeug der Demokratie geworden und in[deren] Strome untergetaucht. Eine der wenigen Frauenrechtlerinnen in Deutschland, die dieses Resultat voraussieht und die Ehrlichkeit besitzt, das rundheraus auszusprechen, ist die Sozialdemokratin Lily Braun.

Jn Deutschland stehen wir noch in den Anfängen dieser Entwicklung. Darum ist auch bei uns noch eine Rettung möglich, wenn die maßgebenden Kreise die drohende Gefahr rechtzeitig erkennen und ihr begegnen. Es ist vor allem klar zu erfassen, daß das Frauenstimmrecht nichts ist als die giftige Frucht am Baume der Frauen - emanzipation; wer also das Frauenstimmrecht nicht will, darf die Emanzipation in Ehe, Familie und Beruf nicht zur Blüte kommen lassen.

Eine starke Jrreführung der öffentlichen Meinung liegt allein schon in dem Worte Frauenbewegung selbst. Denn es handelt sich bei ihr gar nicht um eine das ganze Volk durchdringende Bewegung der Frauen und Mütter,1*8sondern um die erwerbsbedürftigen, ledig bleibenden Töchter des gebildeten Mittelstandes und der höheren Stände, die nach internationalem Muster und durch internationale Agitation die ganze Bewegung künstlich geschaffen haben und sie nun zu immer weitergehenden Zielen, zu führen suchen. Leider sind ihnen in vielen Ehefrauen aus ihrem Milieu heraus, die die alten guten Ziele mit Recht unter - stützten, nun auch eine Reihe radikal gesinnter Helferinnen erstanden, die durch ihren großen Einfluß auf die maß - gebenden Kreise in den Regierungen und Volksvertretungen die Macht der Frauenbewegung in verhängnisvoller Weise verstärken. Die durch die Mitwirkung der herrschsüchtigen großen Damen der Gesellschaft ermöglichte pompöse Aufmachung der Frauenkongresse, die Empfänge durch Fürstinnen und Königinnen geben den Veranstaltungen der Frauenbewegung einen imponierenden Hintergrund, der dazu verführt, ihren wirklichen ethischen Gehalt und ihre Bedeutung für das Staatsleben bedenklich zu über - schätzen und ihr seitens der Parlamente und Regierungen eine Wichtigkeit beizulegen, die sie wenigstens im posi - tiven Sinne nicht besitzt. Es ist nicht leicht, bei der Beurteilung der Frauenbewegung in ihrer Gesamtheit völlig gerecht zu bleiben, da die verschiedenen Vereine und Verbände in ihren Arbeiten und Zielen sehr weit aus - einander streben, so daß gute und schlimme Tendenzen sich in mannigfachster Weise kreuzen. Die Gefahr für Deutschlands Zukunft liegt besonders darin, daß seit drei Jahren der bis dahin gemäßigte und unpolitische Bund deutscher Frauenvereine durch seine radikalen Führerinnen eine scharfe Wendung in der Richtung zur Politisierung9 der Frauen gemacht hat und zur Zeit sich bemüht, mög - lichst alle bestehenden Frauenvereinigungen bis zu den Hausfrauenvereinen in sich zusammenzufassen und mit dem Frauenstimmrechtsgedanken zu durchsetzen. Die wichtigste und zuverlässigste Truppe im Bundesheer sind die Lehre - rinnenvereine, die noch die besondere Gelegenheit haben, in Schule und Jugendpflege die Saat des Emanzipations - gedankens auf den fruchtbaren Boden jugendlicher unreifer Geister auszustreuen. Der moderne Zeitgeist, der sehr geneigt ist, alles Neue und Gewagte ohne weitere Unter - suchung auf seine sittlichen Qualitäten als das schlechthin Fortschrittliche aufzunehmen und zu bejubeln, und der keinen anderen Vorwurf fürchtet als den der Rückständig - keit, kommt dem Emanzipationsgedanken freudig entgegen.

Nachdem der Bund deutscher Frauenvereine durch den Mund seiner Führerinnen die Gefolgschaft ist heute noch sehr unentschieden sich zur Politisierung der Frau, d. h. zum Frauenstimmrecht bekannte, hat nun - mehr auch der Jnternationale Frauenweltbund, dessen Vorsitzende Lady Aberdeen ist, und der sich bisher noch als unpolitisch gebärdete, den entscheidenden Schritt getan und unter Zustimmung des Bundes deutscher Frauen - vereine gelegentlich des Frauenkongresses in Rom offen die Frauenstimmrechtsforderung ausgesprochen. Unter solchen Umständen ist es hochbedenklich, daß nicht nur die Königinnen Margarita und Helena, sondern auch der deutsche Bot - schafter in Rom die Stimmrechtsdamen bei sich empfingen. Für die englischen Zustände ist es besonders bezeichnend, daß die englische Königin die Protektorin der englischen Abteilung des Jnternationalen Weltfrauenbundes ist, also10 heute zu den Parteigängerinnen des Frauenstimmrechts gezählt werden muß. Diese internationalen Erfolge haben dem Häuflein des organisierten deutschen Stimmrecht - lerinnen den traurigen Mut gemacht, zum nächsten inter - nationalen Weltkongreß für Frauenstimmrecht nach Berlin einzuladen, wo sie im Juni 1915 zu tagen gedachten. Der Beginn des großen europäischen Krieges hat diesen Plan zunächst vereitelt; aber am Ende des Krieges wird man alle die internationalen Damen wieder an der Front treffen.

Die Erfahrungen der politischen Frauen bei der Arbeit innerhalb der politischen Parteien und gelegentlich der Parlamentsdebatten, sowie das Beispiel der nordischen Länder haben zu der Erkenntnis geführt, daß der Weg der allmählichen Entwicklung die meiste Aussicht für die Erreichung des Endzieles bietet. So wirft man sich denn zur Zeit mit aller Energie auf die Eroberung des kirch - lichen und kommunalen Wahlrechts, denen dann das par - lamentarische entwicklungsgemäß nachfolgen soll. Die Er - folge in Breslau und in Baden die Synoden sprechen sich für das kirchliche Frauenwahlrecht aus und in Sachsen-Weimar, wo das kommunale Wahlrecht in Aus - sicht steht, fordern zur Nacheiferung heraus. So liegt nach den Zeitungsberichten dem Preußischen Landtage wie in früheren Jahren eine Petition des preußischen Frauen - stimmrechtsvereins um das kommunale Wahlrecht vor, und ebenso steht es in Bayern und anderen Bundes - ländern. Man verfährt nach dem internationalen Frauen - rezept: Nur nicht ablassen, immer wiederkommen, die Männer insbesondere die Parteien werden zum11 Schluß schon mürbe werden! Wie konsequent die Femi - nisten mit echt weiblicher Willenszähigkeit ihre Ziele ver - folgen, beweist folgender Vorfall, von dem Die Frau (April 1914) berichtet: Die Zulassung der Frauen zum Ministeramt war Gegenstand einer Storthingsverhandlung in Norwegen. Seit einem Jahre ist in Norwegen die Zulassung der Frauen zu allen Staatsämtern durch eine Verfassungsänderung ausgesprochen. Ausgeschlossen waren nur die militärischen Ämter, das Amt der Geistlichen und das Ministeramt. Es wurde nun im Storthing ein An - trag eingebracht, den Frauen auch dieses Amt zugänglich zu machen. Der Antrag fiel mit 44 gegen 68 Stimmen. Ein Regierungsvertreter bemerkte jedoch, daß er in jedem Jahre wiedergebracht werden würde, bis man ihm zu - gestimmt habe. Kommentar überflüssig.

Jetzt, nach Ausbruch des furchtbarsten Krieges, den die Welt je gesehen hat, sollte man glauben, daß die Frauenrechtlerinnen sich vor dieser gewaltigen Entladung männlicher Energie respektvoll zurückzögen und den Ver - such machten, in Reih 'und Glied mit den übrigen patrio - tischen Frauen, wie sie besonders im Roten Kreuz und im Vaterländischen Frauenverein vereinigt sind, ihre Frauen - pflichten erfüllten. Aber die politischen Damen haben es anders beschlossen. Unter dem Namen Nationaler Frauen - dienst erbot sich der Bund deutscher Frauenvereine unter Führung seiner Vorsitzenden beim Ministerium des Jnnern, seine Organisation den Gemeinden zur Kriegshilfe zur Verfügung zu stellen; an sich gewiß eine lobenswerte Tat. Scheinbar harmlos wird dem Nationalen Frauendienst unter anderen Aufgaben auch die gestellt, die Frauen bereit12 zu halten, welche vertretungsweise leer werdende männ - liche Posten auszufüllen imstande sind. Sehr gut! Aber Frau Regine Deutsch, die Vorsitzende des Preußischen Frauenstimmrechtsvereins, klärt uns auf über den eigent - lichen Sinn dieses Vorgehens. Sie betont (nach der Vossischen Zeitung) die Notwendigkeit, ganz besonders damit zu wirken, daß Frauen jetzt in alle die von Männern verlassenen Stellen und Berufe eintreten ; und Frau Adele Schreiber, die hervorragendste Vorkämpferin auf dem Felde der Stimmrechtsbewegung, führt diesen Gedanken in einem durch eine Reihe fortschrittlicher Blätter gehenden Artikel Die Frauen und der Krieg im einzelnen aus. Die jetzige Notlage der Männer, die sie vom Be - rufe entfernt und sie zwingt, ihr Blut für's Vaterland zu verspritzen, soll also dazu ausgenutzt werden, die Frauen in alle Männerberufe einzuführen, besonders auch in den Kommunaldienst. Damit würde die Frauenbewegung einen zweifachen Erfolg einheimsen: zunächst die Eroberung der ihr bisher noch unzugänglichen Männerberufe, die Vollendung der Emanzipation im Beruf, und dazu würde sie einen neuen Rechtstitel gewinnen für die Forderung des kommunalen Wahlrechts. Es ist ein geradezu betrübendes Bild, wie hier die größte Not des Vaterlandes und des für sein Volk blutenden Mannes von der internationalen Frauenpartei zu Parteizwecken ausgenutzt wird. Und das unter dem schönen Namen Nationaler Frauendienst .

Wir stellen nun die Frage: Aus welchen Gründen müssen Kirche, Gemeinde und Staat das Frauenstimm - recht prinzipiell verwerfen?

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II. Kritik des Frauenstimmrechts.

1. Allgemeines.

Wenn man an die kritische Untersuchung des Frauen - stimmrechtsproblemes herangeht, so ist vor allem klarzu - stellen, daß diese politische Frage, wie die meisten Fragen dieser Art, letzten Endes eine Machtfrage ist. Es steht zur Diskussion, ob der heutige Staat wie bisher von Männern und nach männlichen Grundsätzen verwaltet und regiert werden soll, oder ob man die Frauen zur Mit - regierung heranziehen und ihnen damit einen Einfluß einräumen will, der sich leicht zur Vorherrschaft aus - wachsen und dem ganzen Staatsleben ein weibisches, kraftloses Gepräge geben könnte. Die männliche Struktur, das männliche Wesen des Staates würde durch Einführung der politischen Gleichberechtigung der Geschlechter jeden - falls eine tiefgehende Umwandlung im weiblichen Sinne erleiden, und es fragt sich zunächst, ob Aufgabe und Zweck des Staates bei einer solchen Umgestaltung überhaupt noch erfüllt werden können.

Die erste und wichtigste Aufgabe eines jeden Natur - wesens, eines jeden Menschen, jeder menschlichen Vereini -14 gung, auch des Staates, ist die Selbstbehauptung. Daß es hierzu vor allem männlicher physischer und geistiger Kraft, Entschlußfähigkeit und unbeugsamen Todes - mutes bedarf, lehren die heutigen eisernen Zeiten auch dem blödesten Kulturschwärmer auf die eindringlichste Weise. Was sollte heute aus unserem Vaterlande und seiner komplizierten friedlichen Kulturarbeit werden, wenn nicht der vielgeschmähte Militarismus aus unseren jungen Männern kraftvolle Helden gemacht hätte, die freudigen Mutes ihr Herzblut für die Ehre und Größe des Vater - landes dahingeben? Es ist die fein durchgebildete Technik und Wissenschaft der Männer, das männliche Pflichtgefühl, die musterhafte Manneszucht, das hoch - gespannte männliche Ehrgefühl, die uns in Not und Tod, in Blut und Tränen heute die Rettung unseres Volkes sichern. Vor einigen Jahren schrieb eine englische Dame, die in Deutschland reiste, einer englischen Zeitung u. a. folgendes über ihre Eindrücke:

Der Deutsche von heute ist noch immer der Sohn des Krieges von 1870; er hat das Wissen von der Be - deutung der Macht und den Stolz des Siegers mit der Muttermilch eingesogen, auf des Vaters Knieen gelernt, und er erzieht seinen Sohn in demselben Geiste. Nichts ergreift den englischen Geist stärker als das beständige Gefühl von einer großen unsichtbaren Macht, die alles und jeden lenkt, das man in Deutschland hat. Stets ist sie da, schweigend, wachsam, bereit. Sie wacht über jeden, schützt ihn in einer Weise, die jemandem, der lange in romanischen Ländern gelebt hat, unglaublich erscheint. Und worin findet die englische Beobachterin die Grund -15 ursache dieses Geistes der Fürsorge, Ordnung, Zuverlässig - keit und Sicherheit? Sie sagt: Deutschland ist voll - kommen männlich, männlicher als irgend ein anderes Land von heute. Und diese starke Männlichkeit ist die wirkliche Kraft des modernen Deutschland. Soweit die Engländerin. Und wiederum sind es Eng - länderinnen, nämlich die Suffragetten, die es uns Deut - schen ad oculos demonstrieren, wohin der Feminismus die Frauen selbst, die Männer und den Staat zum Schlusse führt. War es nicht ein Schauspiel zum Erbarmen mit dem englischen Staat der Herren Grey und Asquith, die auf keine Weise der englischen Brandstifterinnen Herr zu werden vermochten! Die Suffragetten haben den Be - weis dafür erbracht, daß die politische Tätigkeit die ja bekanntlich schon bei den Männern den Charakter ver - dirbt das leichter erregbare willenszähe Weib zur Megäre macht, und daß Disziplin und Achtung vor dem Gesetz, die Grundsäulen jeglicher staatlichen Ordnung, selbst bei gebildeten Frauen in so geringem Maße zu er - warten sind, daß der Staat sich selbst aufgeben würde, wenn er das weibliche Geschlecht zur Mitherrschaft heran - zöge. Was ist unter der feministischen Herrschaft, bei der in Haus und Schule vorwiegenden Jugenderziehung durch Frauen mit dem Grundsatz Never contradict a lady , aus der Mannhaftigkeit, Wehrfreudigkeit und Wahrheitsliebe der Engländer geworden! Lord Kitchener wünscht Millionenheere von Freiwilligen zu schaffen, aber die verweiberten Engländer finden wenig Geschmack am männermordenden Kriege, und der englische Kaufmann wehrt sich auch heute noch, wo das Land in größter Be - 16 drängnis ist, mit Hand und Fuß gegen die allgemeine Wehrpflicht.

Dieser Gegensatz zwischen englischem und deutschem Wesen und Staatsleben kam der oben zitierten Eng - länderin zum Bewußtsein, als sie die starke Männlichkeit für die wirkliche Kraft des modernen Deutschland erklärte. Heute verspüren es die Landsleute jener Frau zu Wasser und zu Lande am eigenen Leibe, daß sie klar gesehen hat. Der männliche Charakter des deutschen Staates und seine Blüte verhalten sich wie Ursache und Wirkung, und seine allmähliche Verweiberung, die in der Frauenstimm - rechtsbewegung, bewußt oder unbewußt, erstrebt wird, würde nichts Geringeres als seinen Niedergang bedeuten, nicht in wenigen Jahren, aber langsam und sicher, eintretend als unausbleibliche Folge der demokratisch - feministischen, antimilitaristischen Knochenerweichung.

Es mußten doch schon ganz zwingende Gründe vor - handen sein, die den männlichen starken Staat veran - lassen könnten, seinen männlichen Charakter, den der Ordnung, Kraft und Sicherheit, durch Hinzuziehung des weiblichen Geschlechts zur Mitregierung in Gefahr zu bringen oder gar zu zerstören. Die Gründe, welche von den machthungrigen Rechtlerinnen zugunsten einer solchen Revolution ins Feld geführt werden, sind gottlob fadenscheinig genug, um selbst bei einer oberflächlichen Betrachtung in ihrer ganzen Nichtigkeit durchschaut zu werden.

Seit einigen Jahren, besonders seit der Gewerbe - zählung von 1907, die außerordentlich hohe Zahlen weib - licher Erwerbstätiger zutage förderte, machten die Führe - 17 rinnen der Frauenbewegung den Versuch, die Notwendigkeit der Politisierung der Frau mit der völligen Umwälzung im Frauenerwerbsleben zu begründen. Dieser Versuch ist vollkommen mißlungen, und es ist, prozentual berechnet, statt der behaupteten ungeheuren Zunahme der haupt - beruflichen weiblichen Erwerbstätigen, sogar eine geringe Abnahme festzustellen. Die großen Differenzen zwischen den statistischen Ergebnissen von 1895 und 1907 erklären sich ungezwungen durch einen völlig veränderten Zählungsmodus, der die mithelfenden Angehörigen alle miterfaßte. Daß diese Erklärung zutrifft, ergibt sich be - sonders deutlich aus den statistischen Angaben, welche die Landbevölkerung betreffen.

Wer da weiß, in welch 'geringem Grade die Arbeits - verhältnisse auf dem Lande sich im Laufe von 12 Jahren verändern, dem muß es geradezu wunderbar erscheinen, daß im Jahre 1895 1 020 453, im Jahre 1907 aber 2 840 841 mithelfende weibliche Angehörige in den land - wirtschaftlichen Betrieben angegeben werden, was einer Zunahme von 178,4 % entsprechen würde. Diese an - scheinende Revolution ist ein statistisches Phan - tom, und sie erklärt sich, ohne die geringste Veränderung in der Betätigung der weiblichen Landbewohner, einfach aus der veränderten Zähl-Anweisung unserer Staats-Statistiker, die eine genauere Erfassung aller dieser mithelfenden An - gehörigen wünschten und damit den Frauenrechtlerinnen einen ungeheuren Dienst leisteten.

Als man mit dieser Motivierung der Politisierung der Frau keinen rechten Glauben mehr fand, begann man18 die Mütterlichkeit und Fürsorge, die das Frauenstimm - recht in das Staatsleben hineinzutragen geeignet sei, in den Vordergrund zu schieben. Aber auch mit dieser Be - gründung der feministischen Bestrebungen ist es nichts. Gerade unser Deutsches Reich, das Musterland der sozialen Fürsorge, der organisierten Wohlfahrtspflege, bedarf ab - solut nicht einer solchen verstärkten Mütterlichkeit von seiten der bewegten Frauen, die geradezu in Verlegenheit geraten, wenn sie angeben sollen, in welcher Richtung denn unsere Gesetzgebung eine wesentliche Umgestaltung im Sinne der Mütterlichkeit und Staatsfürsorge bedürfe. Die Männer haben das beweist die heutige Kriegs - zeit auf das schlagendste im Frieden derartig auf allen Gebieten vorgesorgt, daß es für die Frauen nicht leicht sein würde, sie auf diesem Felde zu übertreffen oder nur ihnen gleichzukommen. Die heute zutage tretende moralische, physische und intellektuelle Kraft unseres Staats - lebens ist aber nicht allein das Werk der Männer; nein, unsere echten mütterlichen Frauen die im häuslichen Kreise walten und nicht nach politischem Rechten streben, haben in selbstloser Hingabe an ihre Gatten - und Mutterpflichten den deutschen Männern die Kraft gegeben, den stolzen Bau zu errichten, den heute kein Sturm von außen ver - nichten kann. Dieser starke Männerstaat schirmt heute auch diejenigen, die in Friedenszeiten kein höheres Ziel kannten, als ihn seines starken männlichen Charakters zu entkleiden und dem Niedergänge zu überliefern.

Gerade in der heutigen Lage ist es nicht schwer, das von der Frauenbewegung immer wieder vorgetragene 19 Gerechtigkeitsmotiv zum Schweigen zu bringen. Da ist zunächst die Phrase von der absoluten Gleichwertigkeit der weiblichen und männlichen Persönlichkeit, die die völlige Gleichstellung der Geschlechter zu einer Forderung der ein - fachsten Gerechtigkeit mache. Die glutrote Kriegsfackel be - leuchtet dieses Problem mit einem scharfen Lichte, das den Augen der Rechtlerinnen einigermaßen schmerzend sein dürfte. Die moderne Kultur ist weit genug vorge - schritten, um die Frau als sittlich freie Persönlichkeit an - zuerkennen, die innerhalb des ihr zugewiesenen Kreises ein nach eigenen Grundsätzen und Plänen gestaltetes, mehr oder weniger unabhängiges Dasein zu leben vermag. Aber diejenige absolute Gleichheit der männlichen und der weiblichen Persönlichkeit, die zur Forderung der politischen Gleichstellung der Geschlechter geführt hat, ist ein Phantasie - gebilde. Das Weib bleibt im Kampfe ums Dasein unter allen Umständen in gewissem Grade unfrei und vom Schutze und der Fürsorge des Mannes abhängig. Zum Begriff der vollkommenen Persönlichkeit im rein menschlichen Sinne gehört vor allem andern auch die Fähigkeit, bei physischen, die Existenz bedrohenden An - griffen der Außenwelt unter allen Umständen sich selbst (persönlich) zu behaupten, sei es auch mit Drangabe des Lebens. Wenn es in Friedenszeiten so scheint, als ob die alleinstehende Frau sich selbst zu schützen vermöchte, so übersieht man, daß hier die Gesetze und Schutzorgane des männlichen Staates helfend eingreifen. Wenn aber wie heutzutage, der Krieg das Völkerrecht über den Haufen wirft, wenn die Not zwingt, die Staatsgesetze zeitweilig aufzuheben, wenn es offenbar wird, daß der Staat in 20 erster Linie die Zusammenfassung der in seinen wehrfähigen Männern verkörperten Macht ist, dann besteht kein Zweifel mehr, daß nur der sich selbst behauptende Mann, der unter niemandes Schutz steht, sondern außer sich selbst auch Weib und Kind, Volk und Staat mit seinem Blut und Leben verteidigt, erst die höchste Erscheinungs - form einer völlig freien und unabhängigen Persönlichkeit darstellt. Nur für die männliche Persönlichkeit gilt das Dichterwort: Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein. Und der höchste Stolz des Weibes ist immer der, einem Helden anzugehören oder einen Helden geboren zu haben. Darum kann es auch nur männliche vollberechtigte und verpflichtete Staats - bürger geben.

Die Frau als vollberechtigte Staatsbürgerin bedeutet einen Widerspruch in sich selbst, da sie als unfreie und schutzbedürftige Persönlichkeit nicht in der Lage ist, für den Staat in schwerster Not mit ihrer ganzen Person einzutreten und die Ver - antwortung für seinen Bestand zu übernehmen. Beim Frauenstimmrecht würde die Frau die Möglichkeit haben, Gesetze durchzubringen, für die später der Mann auf dem Schlachtfelde an Leib und Leben gestraft würde. Es würde ihr möglich sein, den Staat nach ihren Wünschen als Träger der Macht zu schädigen und damit Freiheit und Unabhängigkeit des ganzen Volkes zu vernichten. Darum ist das Frauenstimmrecht für jeden objektiv den - kenden Staatsmann eine Unmöglichkeit; nur blinde Partei - leidenschaft kann seine Konsequenzen übersehen oder unter -21 schätzen. Vielleicht sind es ähnliche Gedankengänge, die in heutiger Zeit einigen der schärfsten Rechtlerinnen den Mut nehmen, viel von ihren Rechten zu reden und sie nötigen, ausnahmsweise dem Manne Gerechtigkeit wider - fahren zu lassen. Gerade das Gebot der Gerechtigkeit jedem das Seine zu geben , verlangt bei der tiefgehenden Verschiedenheit im Verhältnis der Geschlechter zum Staat, daß jede Durchsetzung des unter männlicher Verantwortung stehenden Staatsbetriebes mit feministischen Elementen vermieden werde. Die gut deutsche Scheidung der durchaus verschiedenen Aufgaben der Geschlechter darf nie und nimmer einem falschen Prinzip zuliebe aufgegeben werden.

Daran ändert auch das andere Argument der ledigen Rechtlerinnen nichts, die ihre Gleichberechtigung und ihren Anspruch auf das Stimmrecht mit der Mutter - schaftsleistung der Ehefrauen begründen möchten. Die Frauen selbst lehnen diese Beweisführung ab. Frau Bernarda v. Nell schreibt (Hochland 1910 / 11): Wir heiraten nicht um des Staates willen, und nicht um des Staates willen wenden wir unsern Kindern all unsere Sorgfalt zu. Deshalb kann die Gerechtigkeitspflicht des Staates, die gegenüber der Erfüllung der Mutterpflichten in Betracht kommt, keineswegs eine solche der Belohnung, keine des Rechtegewährens um geleisteter Dienste willen sein. Die Gerechtigkeitspflicht des Belohnens ist überhaupt für den Staat eine sehr nebensächliche, die nur seinen eigentlichen Angestellten gegenüber gilt. Sie (seine Ge - rechtigkeit) ist: Ausgleich der Jnteressen der Gesamtheit mit den Jnteressen der einzelnen oder der Gruppen.

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Wenn heute die englischen Suffragetten, um ihre absolute Gleichwertigkeit gewissermaßen ihre mann - gleiche Persönlichkeit zu beweisen, ihre Parteigängerinnen allen Ernstes auffordern, aktiv an dem Kampfe gegen die Feinde teilzunehmen und sich im Gebrauche der Waffen unterweisen zu lassen, so entspricht das zwar ihrer früheren bombenwerfenden und mordbrennerischen staats - feindlichen Tätigkeit, wird aber von allen natürlich em - pfindenden Menschen als eine Ungeheuerlichkeit, als Un - natur gewertet. Sie wirkt um so komischer, als der Kontrast zwischen dem naiv anmaßlichen Wollen und der jämmerlichen Ohnmacht des Könnens hier, wo es sich nicht um eine Verhöhnung, sondern um die Verteidigung des früher so niedrig eingeschätzten Staates handelt, so ergötzlich in die Erscheinung tritt. Herunterbringen und schwächen konnten die Suffragetten den verweiberten Staat, zu seiner Rettung können sie nichts tun, es sei denn, daß sie wie manche belgische Weiber ihre Rohheit an hilflosen verwundeten Feinden dokumentierten.

Der moderne Jndividualismus, der auf den Grund - satz schwört, daß man jeden nach seiner Fasson selig werden und für sich selbst sorgen lassen müsse, legt in der Stimmrechtsfrage den Hauptnachdruck auf die ver - meintliche Tatsache, daß die Frauen selbst die politische Gleichberechtigung dringend wünschten und daß aus diesem Grunde die Ablehnung des Frauenstimmrechts als illiberal und unmoralisch anzusehen sei. Dazu kommt ständig der andere Einwand, daß der Mann gar nicht in der Lage sei, die Jnteressen der Frau in rechter Weise zu verstehen und wahrzunehmen. Dagegen ist zu sagen,23 daß in allen Ländern der Erde die überwiegende Mehr - heit der Frauen und Mütter entschiedene Gegner der von den ledigen Erwerbenden aufgestellten Stimmrechts - forderung sind, und daß es nur die starke internationale Organisation der Ledigen ist, die die Stimmrechtssache gewaltsam vorwärts treibt und sie zu einer politischen Frage stempelt. Wenn das ganze Volk aus lauter vollkommen von einander unabhängigen Einzelpersönlich - keiten zusammengesetzt würde, so möchten unsere poli - tisierenden Damen einiges Recht für sich haben. Nun ist aber die Urzelle des Volkes nicht das Jndividuum, sondern die Familie, und innerhalb derselben ist eine Zersplitterung der Jnteressen nach Geschlechtern nicht nur ohne Nutzen, sondern von verderblichster Wirkung für die Einheit und den sittlichen Wert der Familie. Wenn der Mann als Gatte und Familienvater in Haus und Staat sein eigenes Jnteresse in richtiger Weise wahr - nimmt, so ist damit zugleich auch dem Wohle der Frau und der Töchter besser gedient, als wenn diese selbst im Gegensatz und im Kampfe mit ihm ihre Sonderbe - strebungen durchsetzen wollten, die nur dem einen Zehntel der Frauen, nämlich den ledig bleibenden Mädchen, irgend - wie von Vorteil sein könnten. Eine derartige Betonung des Jndividualismus, wie wir sie bei den Rechtlerinnen finden, ist nur zu begreifen bei solchen Personen, die aus dem Familienverbande losgelöst sind und das Ver - ständnis für die ungeheure Bedeutung der Familien - kultur eingebüßt haben.

Die große Masse der Frauen und Mütter denkt und fühlt durchaus anders. Jn England und den Ver -2*24einigten Staaten von Amerika bestehen trotz der Be - denken, welche die Hausfrauen von der Organisation zurückschrecken, große Frauenvereinigungen, die sich den Kampf gegen das Frauenstimmrecht zur Aufgabe ge - macht haben. Der amerikanische Anti-Stimmrechtsbund der Frauen zählt etwa 100 000 Frauen zu seinen Mit - gliedern und leistet vermittelst einer sich über das ganze Land erstreckenden Organisation einen kräftigen Wider - stand gegen die dreist vordringende Emanzipation. Kürz - lich wurden bei Gelegenheit der Kongreßwahlen in sieben Staaten der Vereinigten Staaten Volksabstimmungen über das Frauenstimmrecht vorgenommen. Das Frauen - stimmrecht wurde in allen sieben Staaten abgelehnt.

Die Schriftstellerin Alice Schalek, welche im Sommer 1914 in der Frankfurter Zeitung Bilder aus Neu - seeland veröffentlichte, schreibt in dieser Zeitung (4. Juli l914) zu ihrer Rechtfertigung gegenüber groben Angriffen der Rechtlerinnen u. a. folgendes: Gebietet mir nun schon das Amt der Chronistin als etwas Selbstverständliches nicht nur den Standpunkt der bürgerlichen Frauen zu registrieren, sondern auch die Art, wie sie sich gegen die Gefahr wehren, so wäre dies in Australien gar nicht anders möglich. Dort kann ganz einfach niemand daran vorbei, daß die 40 000 Mitglieder inzwischen sollen es um die Hälfte mehr geworden sein der Australian Woman's National League , die sich mit ihren 435 Zweigvereinen den größten Frauenbund der Welt nennt, den Kampf gegen die politische Betätigung der Frau in ihr Programm aufgenommen haben. Die Vor - standsdamen dieser mächtigen Liga sagten mir am25 27. Juni 1913 in Melbourne in ihrem Vereinslokal, daß ihnen die politische Agitation aufgezwungen wurde, daß sie den Kampf nur notgedrungen und widerwillig führen, daß er aber unter den gegebenen Verhältnissen unausweichlich sei. Sie rühmten sich, daß sie die Wahl meiner verehrten Freundin Miß Vida Goldstein ver - eitelt hätten, die bereits die ungeheure Zahl von 10 000 von 26 000 Stimmen auf sich vereinigte, daß sie diese berühmte Stimmrechts-Vorkämpferin, die auch Mitglied der International Woman Suffrage Alliance ist, daran verhinderten, die erste Parlamentarierin Australiens zu werden. Jch war damals so hingerissen von der interessanten Persönlichkeit dieser Politikerin, der ich näher - treten durfte und die ich für die hervorragendste Frau halte, die ich kenne, daß mich dies persönlich arg verdroß, aber trotzdem will ich in meinen Schilderungen Aus -[traliens] dem Standpunkt ihrer Gegnerinnen Raum geben. Diese 40 000 oder 60 000 Frauen, die jede Politik hassen und das Frauenstimmrecht abschaffen möchten, wählen natürlich, so lange es besteht, so zahl - reich als möglich, ja es ist der Zweck ihrer Liga, die Frauen zur Urne zu treiben. Die starke Beteiligung an der Wahl ist daher durchaus kein Beweis für die all - gemeine Wertung der Stimmberechtigung.

Die australische Entwicklung ist also gewiß die Höhe des Fortschritts bereits soweit fortgeschritten, daß die verständigen Frauen alles daran setzen, das Danaergeschenk, das man ihnen mit dem Frauenstimm - recht gemacht hat, wieder loszuwerden. Finnland und Norwegen werden hoffentlich auf dieser Bahn bald folgen.

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Daß auch nicht alle Lehrerinnen den Blick für die durch das Frauenstimmrecht der Familie drohenden Gefahren verloren haben, beweist folgende Tatsache. Der Londoner Lehrerinnenverein hat eine Umfrage ver - anstaltet, bei der sich ergab, daß die Gegnerinnen des Stimmrechts fünfmal so zahlreich waren als die An - hängerinnen. Daß unsere besten und einsichtigsten Frauen heute noch der Überzeugung sind, daß die ver - gnügte politische Gleichstellung von Mann und Frau nicht naturrechtlich und ethisch begründet ist, bestätigt u. a. ein Wort der bereits oben zitierten Bernarda von Nell ( Hochland 1910 / 11): Also sind wirklich Männer und Frauen nicht gleichwertig? Wohnt wirklich ein höherer Wert den Männern inne? Ja. Von der Natur gleichgestellt sind sie nicht. Ein großer Vorzug, dem kein vollentsprechendes Aequivalent bei der Frau gegen - übersteht, ist dem Manne gegeben. Gleichwertig sind Mann und Weib nur in dem Wortsinn, in welchem Wert als sittlicher Wert genommen wird. Daß der männliche Typ und der weibliche einander sittlich gleich - wertig sind, daß in beiden die gleich starke Befähigung zum schlichten Rechttun und in beiden gleich hohe Möglichkeiten edelster und reinster Charakterentfaltung liegen, das freilich sollte für niemand, weder Mann noch Weib, in Frage stehen. Kurz ausgedrückt liegt es so: sie sind gleich vor Gott, bei dem kein Ansehen der Person gilt; vor Menschen, bei denen Ansehen der Person gilt und gelten muß, sind sie es nicht; mithin auch nicht gegenüber den verschiedenen Organisationsformen, auch gegenüber denjenigen nicht, die wir als gottgesetzte 27 betrachten: Staat, Kirche, Familie. Die überwältigende Mehrheit der wirklichen deutschen Frauen teilt ohne Zweifel diese Überzeugung B. von Nells, und der Deutsche Bund gegen die Frauenemanzipation ist bestrebt, diese Frauen und die gleichgesinnten Männer zu sammeln, die nicht nur persönlich die Emanzipation verabscheuen, sondern zu der Erkenntnis gekommen sind, daß ihre Bekämpfung zu den dringendsten Aufgaben gehört, die dem deutschen Volke und besonders seinen Frauen gestellt worden sind.

Es ist also eine Unwahrheit, wenn behauptet wird, daß unsere Frauenwelt den Drang verspüre, zum Schaden der eigenen Aufgaben in Haus und Familie auch auf das politische Leben überzugreifen und an der Gesetz - gebung und Staatsverwaltung verantwortlichen Anteil zu nehmen. Diese verderbliche Suffragettenstimmung suchen die ledigen Führerinnen unserer deutschen Frauenbewegung durch eine rastlose Agitation bei uns erst künstlich hervor - zurufen. Vielleicht wird es auch bei uns, wie in England, bald zum guten Ton gehören, mit dem Suffragettentum wenigstens zu sympathisieren. Gebe Gott, daß die Not der Zeit mit dieser gefährlichen Modetorheit völlig auf - räumt und beide, die Frauen und die politischen Parteien, zu einer richtigen Auffassung der Frauenpflichten und Rechte zurückgeführt werden! Wir wenden uns nun der Aufgabe zu, den herkömmlichen Entwicklungsgang des Frauenstimmrechts vom kirchlichen durch das kommunale zum parlamentarischen kritisch zu beleuchten.

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2. Das kirchliche Stimmrecht der Frau ..

Die Freunde des Frauenstimmrechts haben es so gar nicht schwer, zunächst für das kirchliche Stimmrecht der Frau Propaganda zu machen. Die Frauen so sagen sie sind anerkanntermaßen im ganzen kirchlicher als die Männer, sie führen ein tieferes religiöses Leben und sind darum an der Kirche und ihren Einrichtungen, be - sonders an den Predigerwahlen, stärker interessiert als die Männer, auch leisten sie sehr schätzenswerte Hilfsdienste im kirchlichen Leben und vor allem in der inneren Mission. Daher würde es für die Kirche selbst und das religiöse Leben in ihr von Vorteil sein, wenn man den Einfluß der Frauen durch das Wahlrecht verstärkte. Das klingt einleuchtend, ist aber trotzdem irrig. Zunächst steht es mit der Hilfsbereitschaft der Frauen nicht überall zum besten. Von seiten der Frauenbewegung kann man oft die Behauptung hören, daß Scharen dienstbereit stehender Frauen durch die Pastoren von der kirchlichen Mitarbeit zurückgewiesen würden, darum müßte die Frauenarbeit der Gemeinde durch das Stimmrecht organisch eingegliedert werden. Es dürfte aber keine leichte Aufgabe sein, solche merkwürdigen Geistlichen ausfindig zu machen. Der Mangel an geeigneten weiblichen Hilfskräften hat sogar zu einer großen Anspruchslosigkeit der Geistlichen betreffs der Eignung geführt, wodurch die Arbeit selbst eine Schädigung erfährt. Dienen, sich fügen und unterordnen, das liegt dem modernen gebildeten Mädchen nicht sehr; die Rechte erscheinen ihm meist erstrebenswerter als die Pflichten.

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Dagegen haben die christlich gesinnten Mütter des Volkes in ihrem Einfluß auf die Ehemänner und die Kinder im Familienleben die beste Gelegenheit, der Kirche zu dienen, indem sie ihre Kinder in christlichem Geiste erziehen und in tätiger Gemeinschaft mit dem Geistlichen durch ihr Beispiel die etwa der Kirche entfremdeten Männer zurückgewinnen. Beharrlicher Fraueneinfluß ver - mag so viel über die Männer, warum sollte er gerade in diesen das stille, tiefe Frauengemüt bewegenden Aufgaben der öffentlichen Tätigkeit der Frau, des Stimmzettels und der Wahlagitation bedürfen? Und in solchem Sinne haben bis auf diesen Tag die christlich frommen deutschen Frauen dem kirchlichen Leben große Dienste geleistet. Aus ihren Kreisen stammt denn auch nicht der Wunsch nach kirchlichen Wahlrechten. Die Erfahrung hat sie gelehrt, daß bei den kirchlichen und Pfarrwahlen dasselbe kleinliche Partei - und Jnteressenwesen den Ausschlag gibt, das die politischen Wahlen vergiftet, und daß eine wirk - liche Gesundung unseres Volkslebens auf kirchlich-religiöser Grundlage um aus einer tiefgreifenden Erneuerung und Umgestaltung der ganzen modernen grob-materiellen Welt - anschauung und vor allem durch Verinnerlichung des Familienlebens und durch eine straffere, ernstere Kinder - zucht erreicht werden kann. Schon heute zeigt es sich, daß das große Schicksal, von dem das deutsche Volk be - troffen wurde, die im Grunde seines Gemütslebens schlum - mernde Sehnsucht nach religiöser Wiedergeburt gewaltig verstärkt hat, und manche deutsche Mutter erfährt es jetzt, wo die Söhne vor dem Feinde stehen, mit stiller, herz - licher Freude, wie es ihr leicht wird, den Vater und die30 Kinder zum Gottesdienst und zum Gebet zurückzuführen. Eine Verstärkung des weiblichen Einflusses auf die äußere Gestaltung des kirchlichen Lebens unter Beiseite - drängung des Mannes würde mit größter Wahrscheinlichkeit dahin wirken, die Teilnahme der Männer am kirchlichen Leben noch mehr verkümmern zu lassen. Das Familien - interesse aber verlangt es gebieterisch, daß das Haupt der Familie, der Ehemann, gerade auf dem Gebiete, wo es sich um die wichtigsten sittlichen und religiösen Fragen, um die höchsten Kulturwerte der Menschheit handelt, die Führung behalte. Diese Zusammenhänge er - kennen unsere gebildeten Ehefrauen und Mütter sehr wohl. Und so kommt es, daß die Forderung des kirchlichen Frauenstimmrechts gar nicht von ihnen ausgeht, sondern von den ledigen Frauen der Frauenbewegung, die ihre persönlichen Jnteressen denen der Familie voranstellen. Es soll nicht abgestritten werden, daß es unter ihnen solche gibt, die sehr lebhaft am kirchlichen und religiösen Leben teilnehmen, aber es kann ihnen nicht immer der Vorwurf erspart werden, daß die rein religiösen Fragen mit solchen frauenrechtlerischer Art verquickt werden zum Schaden der Familie, der Kirche und der religiösen Er - neuerung des Volkslebens.

Es ist doch gewiß höchst eigentümlich und bezeichnend, daß der Gesamtvorstand des Deutsch-evangelischen Frauen - bundes, der sich mit seinen 13 000 Mitgliedern gänzlich ungerechtfertigter Weise als der Repräsentant und Wort - führer der 20 Millionen evangelischer deutscher Frauen ausgibt, soviel bekannt, keine wirkliche Frau, Ehefrau31 und Mutter, in seinen Reihen zählt. Diesen Damen, die auch bereits in den politischen Parteien eine Rolle spielen, ist das kirchliche Frauenstimmrecht nicht nur eine Maß - nahme zur Besserung der kirchlichen Verhältnisse, sondern eine politische Forderung zur Vorbereitung des kommunalen Wahlrechts, das dann späterhin notwendig zum parla - mentarischen führen muß. Sehr viele männliche Be - fürworter des kirchlichen Frauenstimmrechts kennen die Geschichte der Frauenbewegung zu wenig, um diese politischen Zusammenhänge zu durchschauen, und lassen sich darum gar zu leicht von der dem christlichen Standpunkt so naheliegenden Jdee des Wohlwollens und der formalen Gerechtigkeit dazu verleiten, einen Weg zu beschreiten, dessen Konsequenzen nur allzu klar zutage treten. Schon vor Jahren haben es mecklenburgische Frauen in einer Petition ausgesprochen, daß sie das kirchliche Frauen - stimmrecht als die erste Staffel zum Endziel der völligen politischen Gleichberechtigung der Frauen ansehen; und auf der Breslauer Kreissynode würde kürzlich von einem Synodalen in ähnlicher Argumentierung das kirchliche Frauenstimmrecht empfohlen.

Jst also schon die Quelle, aus der die Forderung des kirchlichen Frauenstimmrechts quillt, keine absolut reine, so mehren sich die Bedenken, wenn man sich der praktischen Ausführung des Gedankens und deren Konsequenzen zu - wendet. Daß die Einheit und der Frieden der Familie nur leiden kann, wenn die Ehefrauen mit den Ehemännern an der Wahlagitation teilnehmen und dabei etwa ver - schiedenen Parteien angehören, bedarf keiner Erörterung. Dazu kommt, daß die große Mehrzahl der Frauen 32 z. B. der sozialdemokratischen die das Stimm - recht so energisch fordern, überhaupt nicht kirchlich interessiert sind. Die Kirche hat also das größte Jnteresse daran, diese Frauen von jedem Einfluß auf die kirchlichen Verhältnisse fernzuhalten, da von ihnen eine völlige Radikalisierung ausgehen würde. Leider hat sich auch die liberale Theologie des kirchlichen Frauen - stimmrechts überaus freundlich angenommen, weil sie von den radikalen Stimmrechtlerinnen eine Stärkung des kirchlichen Liberalismus erwartet. Es ist darum kaum auffällig, daß gerade die bekannten Führer der liberalen Theologie die entschiedensten männlichen Parteigänger der politischen Frauenstimmrechtsbewegung geworden sind. Ebenso haben die Feststellungen des statistischen Zentral - büros in Stockholm bewiesen, daß auch auf kirchlichem Gebiet nur der Radikalismus vom Frauenstimmrecht Vorteile hat.

Die Gefahren, welche mit dem allgemeinen kirchlichen Frauenstimmrecht notwendig verknüpft sind, kommen vielen seiner nicht emanzipierten Anhängerinnen zum Bewußtsein. Und so ist denn aus diesen ernstlich christlichen Kreisen der Vorschlag gemacht worden, das kirchliche Stimmrecht nur anerkannt geeigneten Frauen mit wirklichen kirchlichen Jnteressen zu verleihen. Daß ein solcher gewiß wohlgemeinter Vorschlag in der Praxis unausführbar sein würde, bedarf wohl kaum eines Nach - weises. Zunächst dürfte sich schon die erste Aufgabe, die Auswahl der Geeigneten, als unlösbar erweisen. Sodann würde sich sofort die logische Forderung einstellen, daß der Qualifikationsnachweis auch auf die Männer, aus --33 gedehnt werden müsse. Da es aber bekanntlich fast unmöglich ist, langjährige Rechte aufzuheben, so hat die Durchführung einer solchen allgemeinen Qualifikations - bestimmung auf kirchlichem Gebiete keinerlei Aussicht auf Verwirklichung. Auch der andere in Rücksicht auf den Frieden in den Familien gemachte Vorschlag, wenigstens den selbständig erwerbenden, alleinstehenden und steuer - zahlenden Frauen das Stimmrecht in der Kirche zu gewähren, ist unannehmbar. Denn die Erfahrung lehrt überall, daß solche Teilzugeständnisse mit logischer Konsequenz weiterwirken. Die Bevorrechteten würden eine solche Errungenschaft nur dazu ausnutzen, den ver - ehelichten Frauen ihre Entrechtung vor Augen zu führen mit der Behauptung, daß es im Jnteresse der Kirche gerade besonders wertvoll sei, die Ehefrauen und Mütter zur Mitarbeit heranzuziehen. Das Beispiel der Frauenstimmrechtsländer lehrt die Unvermeidbarkeit einer solchen Entwicklung in allen Frauenwahlrechtsfragen, sobald der erste Schritt getan ist. Darum gilt hier für den besonnenen Staatsmann sowie für den Vertreter der Kirche das altbewährte Mahnwort: Widerstehe den Anfängen! Jn der schleswig-holsteinschen Provinzial - synode von 1912 wurde bei Verhandlung einer Frauen - petition um Gewährung des Pfarrwahlrechts von einer Seite behauptet, es handle sich dabei in Schleswig - Holstein nur um eine Erweiterung eines den Frauen seit langen Zeiten zustehenden Rechtes. Demgegenüber wurde hervorgehoben, daß das alte Wahlrecht nichts anderes gewesen sei als das Wahlrecht des Haus - oder Stellenbesitzers, also ein dingliches, kein persönliches 34 Recht. Jn solchem Falle sind nicht die Frauen an sich wahlberechtigt, sondern sie sind es nur als Vertreter des Mannes in der Repräsentation des Besitzes. Sie sind stimmberechtigt, nicht weil sie Frauen sind, sondern obgleich sie Frauen sind.

Die prinzipielle Bedeutung der Frage des kirchlichen Stimmrechts der Frauen wurde auf dieser Synode von Oberlyzealdirektor Wagner in Altona besonders ein - drucksvoll gewürdigt. Wir entnehmen den Ausführungen dieses Redners folgenden Abschnitt:

Auf dem großen Frauentage in Gotha haben sämtliche Frauenvereine (scl. des Bundes deutscher Frauenvereine. D. Verf. ) für die Gewährung des politischen Wahlrechts gestimmt. Nur der deutsch - evangelische Frauenbund verhielt sich neutral; und wenn dieser gemäßigte Verein die Forderung des politischen Wahlrechts freilich auch nicht in seinem Programm führt, so weiß ich doch, daß ein großer Teil seiner Glieder diese Forderung vertritt. Obwohl diese Frauen mit ganzem Herzen im kirchlichen Leben stehen, fassen auch sie die Erlangung des kirchlichen Wahlrechts nur als Vorstufe für die Erlangung des politischen Wahlrechts auf. Meine Herren, wenn das erreicht wird, dann ist die Entwicklung von 1789 an ihrem Endpunkte angelangt. Die völlige Atomisierung der Gesellschaft, die völlige Herausreißung der Menschen aus den natürlichen Lebensgemeinschaften hat sich dann vollzogen. Die Entwicklung ist zum Abschluß gekommen, die den Menschen nicht als Persönlichkeit, sondern als Zahl wertet. Bisher machte diese Entwicklung Halt vor der35 Familie. Die Familie war der Damm, dem wir die relative Gesundheit des Volkslebens verdanken. Nun soll auch die Frau nur noch als Zahl gewertet, das letzte Bollwerk der Gesellschaft soll zerstört werden. Wollen Sie das Volk vor diesem Unglück bewahren, dann dürfen Sie den Frauen nicht das politische Stimmrecht geben. Dann dürfen Sie aber auch nicht die vor - bereitenden Schritte tun, auch nicht den ersten Schritt in der Verleihung des Pfarrwahlrechts.

Jn der Tat ist das kirchliche Frauenstimmrecht die erste und für die Frauenbewegung natürlich unendlich wichtige Vorstufe auf dem Wege zur politischen Gleich - berechtigung. Daher pflegen auch die echten zielbewußten Vertreter desselben diese Zusammenhänge mit Vorliebe zu verschleiern, und nur wenige offenherzige Nichtdiplomaten wagen es, den ganzen Feldzugsplan vor aller Augen zu enthüllen. Man hüte sich, auf dem nur scheinbar neutralen kirchlichen Gebiete die ersten Schritte auf einer abschüssigen Bahn zu tun, auf der es später kein Halten geben würde!

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3. Das kommunale Frauenwahlrecht.

Handelte es sich beim kirchlichen Frauenwahlrecht um eine Angelegenheit, die ihren politischen Beigeschmack erst aus den Konsequenzen gewinnt, die sich daraus ergeben, so haben wir es beim Gemeindewahlrecht schon mit einer an sich hochpolitischen Frage zu tun. Die Erkenntnis, daß gerade die Eroberung des kommunalen Wahlrechts von ungeheurer Bedeutung sein würde für den vollen Sieg des Frauenstimmrechts, ist innerhalb der Frauen - bewegung allgemein verbreitet, und nur aus taktischen Gründen machen sogenannte gemäßigte Frauenverbände, wie der Deutsch-evangelische Frauenbund, den Versuch, das Gemeindewahlrecht als ein harmloses unpolitisches Recht hinzustellen. Hier dürften einige grundsätzliche Er - örterungen am Platze sein. Über die Stellung des Gemeinde - wahlrechts im Rahmen des staatlichen Wahlrechts.

Das staatliche Wahlrecht umfaßt gegenüber dem kirchlichen das Verwaltungswahlrecht und das parlamen - tarische Wahlrecht. Das erstere begreift in sich das soziale Wahlrecht (Kaufmannsgerichtswahlen, Wahlen der Organe der Arbeiterversicherung u. a.) und das Gemeindewahl - recht; das parlamentarische Wahlrecht ist das Recht zur Wahl der Volksvertreter. Das staatliche Wahlrecht ist37 als ein einheitliches, stufenförmig aufgebautes Ganzes an - zusehen, das von den Berufsinteressen ausgehend durch die Gemeindeverwaltung bis zur Teilnahme an der Staats - regierung führt. Es ist daher unberechtigt, einen scharfen Schnitt zu machen zwischen den einzelnen Stufen, be - sonders zwischen Gemeindewahlrecht und parlamentarischem Wahlrecht, und das erstere als ein unpolitisches dem andern als dem politischen gegenüberzustellen. Alle staatlichen Wahlrechte sind mehr oder weniger politischer Natur. Denn alle diese Wahlen werden unter politischen Gesichtspunkten vorgenommen und von den politischen Parteien beeinflußt und geleitet und er - geben in ihrer Gesamtwirkung die Staatspolitik.

Daß die Frauenbewegung sich klar darüber war, daß in der Heranziehung der Frauen zu den sozialen Wahlen der Grund zur völligen politischen Gleichberechtigung der Geschlechter gelegt wurde, das beweist eine bemerkenswerte Äußerung Helene Langes aus der Zeitschrift Die Frau 1909. Graf Posadowsky hatte noch im Februar 1904 im Reichstage gesagt, von der Politik sollen die Frauen die Hand weglassen , dabei aber zugleich erklärt, daß nach seiner Ansicht es den Frauen nicht erschwert werden sollte, öffentlich ihr Recht inbezug auf die Ausübung ihres Berufs zu vertreten . Ungefähr zu gleicher Zeit hatte die braunschweigische Regierung die Zulassung der korporativen Geltendmachung der weiblichen Berufsinter - essen abgelehnt, weil sie die Konsequenzen fürchtete. Dazu sagt Helene Lange wörtlich:

Vielleicht haben viele, die den Beschluß der braun - schweigischen Regierung engherzig fanden, den fortschritt -338lichen Jdeen des Grafen Posadowsky zugestimmt. Und doch war die braunschweigische Regierung logisch und Graf Posadowsky unlogisch; in einer Weise unlogisch, die ihm nie durchgegangen wäre ohne die reservatio mentalis, die man immer noch zu machen pflegt, wenn es sich um Fraueninteressen handelt. An einer anderen Stelle ( Die Frau 1909) sagt Frl. Lange: Vergebens hat man die tiefe symptomatische Bedeutung dieser scheinbar kleinen Vorstöße (soziale Wahlen usw. D. Verf. ) abzuschwächen gesucht. Die Logik der Tat - sachen war schließlich stärker als alle Wünsche, Traditionen und Pietätswerte. Die Logik der Tatsachen war es wohl schließlich weniger, als die mangelhafte Kenntnis der weiblichen, hinterhaltigen Taktik, die diese ersten politischen Erfolge der Frauenbewegung ermöglichte. Man sieht, die Frauen wissen, was sie wollen, wenn sie heute in den Stimmrechtsvereinen gelegentlich der sozialen Wahlen so energische Arbeit leisten; Parlamente und Regierungen aber sind bisher gelinde gesagt die Gutgläubigen gewesen, wie ihnen das von weiblicher Seite selbst ironisch bescheinigt wird.

Was die Frauenrechtlerinnen vom Gemeindewahl - recht erwarten, das sagt uns Frau Martha Voß-Zietz, die in einem Artikel im Tag (1909) sich folgender - maßen äußert: Der Weg zur vollkommenen Gleich - berechtigung der Frauen im Staatsleben wird sicher über ihre Gleichberechtigung in der Kommune gehen. Die Frauen würden mit dem aktiven und passiven Wahlrecht in den einzelnen Gemeinden einen unendlich großen Ein - fluß auf das öffentliche Leben erringen, denn in das39 Machtgebiet der Gemeinde gehören alle Schulfragen, die Regelung der öffentlichen Sittlichkeit, die Fragen über Nutzen und Schaden der Kasernierung der Prostitution, Armen - und Waisenpflege, Volkserziehung und Volks - bildung.

Von Frau Adelheid Steinmann erfahren wir ( Die Frau 1909), aus welchen taktischen Gründen es sich für die Frauen empfiehlt, das Gemeindewahlrecht nicht als politische Parteisache gelten zu lassen. Frau Steinmann schreibt: Die Gebiete, auf denen voraussichtlich das Frauenstimmrecht zuerst erreichbar sein wird, sind die be - ruflichen Jnteressenvertretungen und die Gemeinde. Hier aber erstrecken sich die Aufgaben entweder auf eine wirt - schaftliche oder bei der Gemeindeverwaltung mehr auf praktische und soziale als auf eigentlich politische Fragen. Dies ist aber der Grund, warum hier der Widerstand gegen das Frauenstimmrecht am schwächsten ist, und es heißt ihn ohne Not verschärfen, wenn man auch diese Fragen zur politischen Parteisache machen wollte.

Hier wird es auch klar, warum der Deutsch - evangelische Frauenbund es stets so stark betont, daß er nur das Gemeindewahlrecht und nicht das politische soll heißen parlamentarische Wahlrecht fordert. Nimmt man hinzu, daß dieser Bund nicht etwa das parlamentarische Wahlrecht ablehnt, sondern es zur Zeit nicht fordert, so ergibt das einen neuen Beweis für die taktische Solidarität der Rechtlerinnen, mögen sie sich im übrigen gemäßigt oder radikal benennen, mögen sie konservativ oder liberal gefärbt sein.

Nach diesem Rezept hat man die letzten Ziele stets3*40verschleiert und ist Schritt für Schritt, fast unsichtbar wie die Feldgrauen, vorgerückt. Als im Beginn dieser Ent - wicklung, im Jahre 1883, über das Krankenkassengesetz verhandelt wurde, hatte die Regierung für die Beteiligung der Frauen das volle aktive und passive Wahlrecht vor - geschlagen. Es entspann sich damals ein lebhafter Kampf, denn man erkannte, daß es sich hier um den ersten Schritt zur Emanzipation des weiblichen Geschlechts im öffentlichen Leben handelte. Die damaligen Bedenken der Minori - tät, daß dieser Präzedenzfall die weittragendsten Konse - quenzen haben werde, haben sich denn auch im vollsten Maße verwirklicht, und auf dem Gebiete der Berufs - interessen bleibt der Frauenbewegung heute nur wenig an Wahlrechten zu wünschen übrig. Entsprechend der seit Jahren bewährten Strategie geht sie nach Eroberung des ersten Bollwerks nun an die Berennung des zweiten größeren, des Gemeindewahlrechts. Die sozialen Wahlen haben die Massen der Frauen für den Kampf um die politische Gleichberechtigung mobil gemacht, und so sagt denn Fräulein Lange mit Recht: Mehr und mehr ent - steht uns durch die wachsende Stärke der organisierten Massen eine Art mechanischer Wucht, die von selbst der Entwicklung der aufgestellten Ziele entgegendrängt.

Diese organisierten Massen, die selbst durch ihre Führerinnen diese ominöse Entwicklung gewaltsam, und doch geschickt und unauffällig, herbeigeführt haben, werden jetzt zum allgemeinen Sturm auf das Gemeindewahlrecht vorgeschickt. Die vorbereitende Kanonade um im Kriegsbilde zu bleiben waren die siegreichen Kämpfe um die Bildungs - und Erwerbsmöglichkeiten und um die41 sozialen Wahlrechte. Den Verteidigern der Feste ist die für den ganzen Feldzug entscheidende Bedeutung ihres Besitzes noch kaum zum Bewußtsein gekommen. Sie haben wenig Ahnung von der Stärke und Taktik des Feindes und denken teilweise kaum an die Notwendigkeit der Gegenwehr.

Wie und wo rückt nun das feindliche Heer heran?

Es gibt eine ganze Anzahl von Wegen, die zum heiß ersehnten Ziele des Gemeindewahlrechts führen und von der Frauenbewegung und ihren zahlreichen Spezialtruppen systematisch aufgesucht und mit zielbewußter Energie be - schritten worden sind. Darunter sind zwei Hauptwege besonders scharf ins Auge zu fassen. Der eine ist der der direkten Agitation durch Presse, Versammlungen und Petitionen, der andere, besonders vom Allgemeinen deut - schen Frauenverein empfohlen, der der beständigen Mit - arbeit in den Gemeinden. Der Bund deutscher Frauen - vereine hat beide Wege nach Möglichkeit ausgenutzt. Schon im Jahre 1908 hat er in Breslau bezeichnender Weise nach einem von der Delegierten des Deutschen Frauenstimmrechtsverbandes gehaltenen Vortrage folgende Resolution gefaßt und einstimmig angenommen: Die Bundesvereine mögen in eine energische Agitation zur Erlangung des Gemeindewahlrechts für die Frauen eintreten. Auf der Heidelberger Tagung 1910 wurde wiederum über die Frage verhandelt: Wie erlangen wir das Gemeindewahlrecht? Der Bundesvorstand arbeitete darnach zwei Musterpetitionen aus, die den angeschlossenen Vereinen und Verbänden zur Verfügung gestellt wurden. Seitdem ergießt sich eine Flut von Petitionen über die42 Landtage der Bundesstaaten. Jm Frühling 1912 lagen allein dem preußischen Landtage 19 derartige Petitionen vor. Der Allgemeine deutsche Frauenverein, Verband für Frauenarbeit und Frauenrechte in der Gemeinde , unter dem Vorsitz von Helene Lange die praktischer Weise auch noch immer an der Spitze des Allgemeinen deutschen Lehrerinnenvereins steht behandelt das Ge - meindewahlrecht geradezu als sein Spezialgebiet und empfiehlt sich damit noch trotz des Radikalismus seiner Vorsitzenden den Regierungen als ein Verein mit ge - mäßigten Zielen. Er begründete (1907 bezw. 1911) die Zentralstelle für Gemeindeämter der Frau. Von dieser schreibt das Jahrbuch der Frauenbewegung von 1913: Unter der Leitung von Frau Jenny Apolant wird hier für das Gemeindewahlrecht der Frau und damit für ihre politische Befreiung überhaupt wertvolle praktische und theoretische Arbeit geleistet.

Unter den Frauenstimmrechtsvereinen hat der Schlesische und der Westdeutsche Verein sich besonders für das Gemeindewahlrecht eingesetzt und in den Städten durch kommunalpolitische Ausschüsse, auf dem Lande durch Landgemeindekommissionen zu wirken gesucht. Durch Gemeindemappen für Landfrauen wird die Frauenstimm - rechtsliteratur auch bis in die entlegensten Dörfer ver - breitet. Die diesen Verbänden angeschlossenen Frauen eignen sich besonders gut für die Propagierung dieser anscheinend gemäßigten Bestrebungen, weil sie sich größtenteils zur freikonservativen und nationalliberalen Partei zählen, bei denen die Stimmung für die völlige politische Gleichberechtigung der Frau erst noch geschaffen43 werden soll. Ganz besonders verhängnisvoll ist der Umstand, daß auch der Deutsch-evangelische Frauenbund seit einigen Jahren die Forderung des Gemeindewahl - rechts in sein Programm aufgenommen hat. Dieser Verein erfreute sich bisher der besten Verbindungen bis in die höchsten und allerhöchsten Kreise, in die Ministerien und Parteileitungen hinein; und seine Führerinnen sitzen zum Teil im Vorstande der Vereinigung konservativer Frauen, die nun Gelegenheit haben, das konservative Parteiprogramm in der gewünschten Richtung zu unter - minieren.

Der kurze Überblick über die seitens der Frauen - bewegung zur Erlangung des Gemeindewahlrechts be - triebene umfassende und energische Agitation kann natür - lich nur ein sehr oberflächliches Bild geben von der wirklich ungeheuerlichen Anspannung der Kräfte, die man heute beobachten kann. Er sollte wenigstens vor Augen führen, daß der Aufmarsch der Rechtlerinnen in langjähriger sorgfältiger Vorarbeit nach allen strategischen und taktischen Regeln unter großem Massenaufgebot vollendet ist. Jn Weimar ist denn auch bereits die Zustimmung des Land - tags zum Gemeindewahlrecht der Frauen erfolgt, und es hängt nur noch von der Genehmigung der Regierung ab, ob das Gesetz in Kraft tritt. Ein früherer Vorstoß in Oldenburg ist nur am Widerstande der Regierung ge - scheitert, und man ist nicht sicher, ob diese ein zweites oder ein drittes Mal standhalten würde.

Darnach dürfte es scheinen, als ob jeder weitere Widerstand gegen den feministischen Ansturm aussichtslos wäre. Aber ein derartiger Pessimismus würde denn doch44 unverantwortlich sein, und einer schlimmen Sache soll man um so energischer entgegentreten, wenn sie siegreich zu werden droht. Die Frauenbewegung hat ihre Erfolge besonders der bisherigen Verschleierung ihrer Ziele und der Sorglosigkeit und Gutgläubigkeit der leitenden Männer zu verdanken. Seitdem sie mit offenem Visier zu fechten versucht, ist es manchem ihrer früheren Freunde wie Schuppen von den Augen gefallen, und insbesondere die Regierungen haben die Gefahr er - kannt und sind mehr wie bisher auf der Hut. Der Kampf gegen das Gemeindewahlrecht der Frau ist darum mit höchster Energie weiterzuführen, denn an dieser Stelle entscheidet sich das künftige Schicksal der innerpolitischen Entwicklung des deutschen Volkes.

Die bisherige Teilnahme der Frauen am kommunalen Leben, soweit sie unter Ausschluß frauenrechtlerischer Neben - absichten sich in der Armen - und Waisenpflege betätigten, hat in sozialer Hinsicht viel Gutes geschaffen. Dabei darf aber nicht vergessen werden, daß der Schöpfer all der zahlreichen sozialen Gesetze und Wohlfahrtseinrichtungen in fast allen Fällen der Mann war, und daß die Frau, deren Pflichten immer noch zunächst im Hause liegen, nur als seine Helferin etwas zu leisten ver - mochte. Wenn sie jetzt diese an sich verdienstvollen Helfer - dienste zum Ausgangspunkt für Rechtsansprüche machen will, so beweist sie damit nichts anderes, als daß auch die Triebfedern für ihren bisherigen Dienst nicht in der reinen Jdee des Wohlwollens, in der Liebe zur Sache und zum Volk zu suchen sind, sondern selbstsüchtiger45 Natur waren; wie ja denn auch von manchen Führerinnen direkt empfohlen wird, die Pflichten zu suchen, damit man später die Rechte fordern könne. Jn dieser Richtung bewegen sich auch die Bestrebungen des jüngst im Beginn des Krieges vom Bund deutscher Frauenvereine begründeten Nationalen Frauendienstes , von dem schon oben die Rede war. Man drängt sich an die Gemeindevertretungen heran, sucht Beschäftigung im Hilfs - und Verwaltungsdienst auf den Rathäusern, alles zur Hauptsache mit der stillen, gelegentlich auch ausgesprochenen Hoffnung, diese aufgezwung - enen Leistungen später bei Begründung kom - munaler Wahlrechtsforderungen in Rechnung stellen zu können. Dabei hat unsere bisher in männlichen Händen liegende Gemeinde - und Staatsver - waltung die Feuerprobe der Kriegszeiten wahrhaft glän - zend bestanden. Wie schon angedeutet, können die schönsten Phrasen der Rechtlerinnen uns nicht davon überzeugen, daß der verstärkte Einfluß der Frau in Gemeinde und Staat bis zum Frauenstimmrecht hin nötig sei, damit die rechte Mütterlichkeit und Fürsorge im Staat zur Geltung komme. Sehr viele gute Patrioten sind sogar der Überzeugung, daß die Verweichlichung und Verweiberung unseres ganzen Fühlens und Denkens auf vielen Gebieten bereits soweit fortgeschritten ist, daß eine Umkehr zu härterer, strengerer, männlicher Auffassung zur dringenden Notwendigkeit geworden ist. Jn diesem Sinne sehen sie auch mit Recht den furchtbaren Krieg als ein Stahlbad an, das den im Schwinden begriffenen männlich ernsten Geist aus der Verweichlichung und Verkümmerung herauszureißen bestimmt ist.

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Für die Tatsache, daß die weibliche Mitarbeit in der Gemeinde durch die frauenrechtlerischen Bestrebungen keine Förderung, sondern vielmehr eine empfindliche Schädigung erfährt, dafür haben wir u. a. eine klassische Zeugin in der Person der Frau Baronin v. Meerheimb in Rostock. Diese Dame, die seit langen Jahren ein Altersheim leitet, die einem Gemeinde -, Armen - und Krankenvereine die Kasse führt und seit vielen Jahren angestellte städtische Waisenpflegerin ist, darf sich gewiß ein Urteil über die Frage erlauben, ob die von der Frauenbewegung geforderten Wahlrechte für die Aus - übung der weiblichen Hilfs - und Liebestätigkeit in der Gemeinde notwendig und nützlich sind. Sie ist bei diesen Arbeiten immer wieder mit Einzelpersonen und Vereinigungen der Frauenbewegung zusammengekommen und hat sich mit ihren Bestrebungen auseinandersetzen müssen. Dabei ist sie nach ihren eigenen Worten zu dem geworden, was sie heute ist, zu einer bewußten Bekämpferin der Frauenemanzipation in allen ihren Formen. Sie sagt u. a. von der Arbeit der Recht - lerinnen: Es ist manche gute, tüchtige Arbeit geleistet von ihnen, und an ihrer Rührigkeit können wir uns oft ein Beispiel nehmen. Aber das Brauchbare ist meines Erachtens nicht geleistet, weil, sondern obgleichsie zur Frauenbewegung gehörten.

Die charitative Arbeit in der Gemeinde er - fordertnach Frau v. M. nicht nur die ganze Kraft, sondern das ganze Herz. Eine Teilung des Frauenherzens, halb Nächstenliebe, halb Emanzipationslust kann der Arbeit nur zum schwersten Schaden gereichen. 47Solche Arbeit muß selbstlos ohne den selbstsüchtigen Hintergedanken der zu erwerbenden Rechte geleistet werden, sonst ist sie wertlos und ohne Segen.

Es gehört zu den stehenden Behauptungen der Frauenbewegung, daß die Waisenpflege ihr das Dasein verdanke. Das ist unrichtig. Richtig ist, daß die Waisenpflege auf der von Geh. Sanitätsrat Taube in Leipzig gegebenen Grundlage aufgebaut ist. Die Frauenbewegung hat sich dann später dieses Gebietes bemächtigt und durch einen Petitionssturm dafür gesorgt, daß in das bürgerliche Gesetzbuch verschiedene Be - stimmungen hineinkamen, die der ganzen Arbeit der Waisenpflege sehr abträglich sind. Eine der gefährlichsten unter diesen Bestimmungen ist die über das Verfügungs - recht der unehelichen Mutter über die Person des Kindes. Jn der Regel wird das Kind für das Geld des Erzeugers irgend wo untergebracht, und die Mutter geht ihrer Wege. Das Recht der Mutter wird nicht einmal ohne weiteres hinfällig, wenn die Mutter sich der Prostitution ergibt. Diese Bevorrechtung der unehelichen Mutter ist für eine sorgfältige Waisenpflege ein sehr schlimmes Hindernis.

Die Rechtlerinnen behaupten, daß erst das Wahlrecht in der Gemeinde und was ihnen wohl die Haupt - sache sein dürfte die Möglichkeit, die leitenden Posten als Waisenräte usw. den Frauen zu übertragen, diesen Gelegenheit geben würde, den vollen guten weiblichen Einfluß zur Geltung zu bringen. Dabei verschweigen sie, daß auch die heutigen männlichen Waisenräte ihre Ämter mit äußerster Gewissenhaftigkeit und mit Wohl - 48 wollen verwalten, daß sie aber zum Segen der Sache wie jeder Beamte zu strenger Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften und zu vollkommenster Gerechtigkeit ver - pflichtet sind, und daß in Hinsicht der Objektivität das männliche Geschlecht entschieden überlegen ist.

Auch die von Frauen bislang betriebene Armen - pflege wird seitens der Rechtlerinnen zu einem Rechts - anspruch auf das kommunale Wahlrecht gestempelt. Es geht auf diesem Gebiete ähnlich zu, wie auf dem der Waisenpflege es fehlt zunächst recht sehr am Angebot geeigneter Kräfte. Jn Hamburg hat, wie Frau v. M. mitteilt, der Anfangs des Jahrhunderts mit den Armenpflegerinnen angestellte Versuch Fiasko gemacht, und die zur Untersuchung eingesetzte Kommission berichtete am 11. November 1906, daß sich zu wenig Frauen für das Amt eigneten, am wenigsten diejenigen, die es vom frauenrechtlerischen Standpunkte als ein Recht forderten.

Wie in der Armen - und Waisenpflege kontrastiert auch bei der Forderung nach weiblicher Vormundschaft das laute Verlangen der Rechtlerinnen in geradezu ergötzlicher Weise mit der entschiedenen Abneigung der Frauen gegen die Übernahme solcher ebenso lästigen als verantwortungs - reichen öffentlichen Ämter. Jn einem Rundschreiben des Verbandes für weibliche Vormundschaft (1914) bekennt die Vorsitzende Fräulein Dr. Dünsing: Bald 12 Jahre sind vergangen, seit die Frauen allgemein zum staatlichen Ehrenamt als Vormund zugelassen wurden. Jhre Be - reitschaftzur Übernahme des Amtes ist beschämend gering geblieben. 90 000 Vormundschaftsfälle werden49 jährlich allein bei den Königl. Amtsgerichten Groß - Berlins bearbeitet. 11 000 Kinder werden im ganzen Lande durch die Mitglieder des Verbandes bevormundet. Das ist allerdings ein klägliches Resultat und zwar an einer Stelle, wo es an der Zeit war, einmal die praktische Leistungsfähigkeit der Frauen zu beweisen. Es stellt sich also heraus, daß gerade die Frauenrechtlerinnen bei allen den kommunalen Arbeiten, zu deren besserer Ausführung sie das Wahlrecht fordern, am ehesten versagen, weil eben nicht das ganze Herz bei der Sache ist und selbstsüchtige Motive vorherrschen. Die von der Frauen - bewegung begründeten sozialen Frauenseminare, welche den Zweck verfolgen, den jungen Mädchen die Vor - bildung für die Gemeindeämter zu geben, könnte man mit Freuden begrüßen, wenn nicht auch in ihnen die frauen - rechtlerische Tendenz vorherrschte, wenn sie nicht ihre Zöglinge zu Stimmrechtlerinnen zu erziehen versuchten.

Eine ganz besonders innige Wechselbeziehung besteht noch zwischen den Bildungsbestrebungen der Frauenbewegung und dem Kampfe um das kommunale Wahlrecht. Es würde schon darauf hingewiesen, daß die Lehrerinnen und Oberlehrerinnen und das gilt fast für alle Völker die geistigen Führerinnen der Frauenbewegung sind. So - wohl die Vorsitzende des Bundes deutscher Frauenvereine Frl. Dr. Bäumer, als auch die Vorsitzende des All - gemeinen deutschen Frauenvereins Frl. Helene Lange sind frühere Lehrerinnen, und der größte Teil der Propaganda wird von dieser Seite bestritten. Die von den führenden Lehrerinnen, besonders von H. Lange lanzierte preußische Mädchenschulreform brachte mit der Zulassung der Frauen 50 zu allen Universitätsstudien die volle Gleichberechtigung der Frau auf dem Bildungsgebiete. Nicht in jeder Hinsicht waren aber die Damen von jener großen Re - form befriedigt. Einige ihrer Hauptziele waren nicht erreicht worden: die volle Herrschaft über die Mädchen - schule, auch in der Leitung derselben und das durch die Coeducation zu erreichende Eindringen der Oberlehrerin in die höhere Knabenschule. An diesem Punkte setzte im Herbst 1908 die neue Agitation ein, besonders unter der Firma des Zentralverbandes zur Durchführung der Mädchenschulreform , der es verstand, maßgebende Per - sönlichkeiten aus Gelehrten - und Abgeordnetenkreisen sich dienstbar zu machen. Es folgten die langjährigen Kämpfe um die weibliche Leitung an den öffentlichen Mädchen - schulen und um die Gemeinschaftserziehung, die zunächst für Preußen wenigstens ohne wesentliche Erfolge blieben. Die Bemühungen der Frauenbewegung in dieser Richtung haben darum aber keinen Augenblick aus - gesetzt. Man hat sogar den Versuch gemacht, diese Forderungen zum Teil in die Programme der politischen Parteien hineinzupressen, und scheint auch hier und da erfolgreich gewesen zu sein. Zunächst wußte man es durch Petitionen und Presse - arbeit dahinzubringen, daß in verschiedenen Bundes - staaten Frauen in der Regel Lehrerinnen zu Schulkommissionen und Schulkuratorien als stimmberechtigte Mitglieder zugelassen bezw. dafür vorgeschrieben wurden. Gegen eine solche Mitwirkung der Frau wäre an sich kaum etwas zu sagen, wenn pädagogische Gründe aus - schlaggebend wären und sie nicht aus frauenrechtlerischen51 Motiven gefordert würden. Es ist überall dasselbe Bild: Die Frau drängt sich zum Dienst heran, um auf diese Weise unmerklich zur Herrschaft zu gelangen. Durch die Frauen in den Schulkommissionen sollen eben jene seit Jahren hartnäckig verfolgten Ziele erreicht werden: Die völlige Eroberung der Mädchenbildung durch die Lehrerinnen und die Gemeinschaftserziehung, die eine ungeheure, ungesunde Ausdehnung des Frauenstudiums herbeiführen und die Knabenerziehung ver - weichlichen würde. Wohin eine Feminisierung der Volkserziehung schließlich führt, zeigt zur Genüge das Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika, wo drei Viertel aller Lehrkräfte weiblichen Geschlechts sind (rund 300 000 Lehrerinnen neben 100 000 Lehrern) und wo das ganze geistige und kulturelle Leben der Nation unter der dadurch bewirkten Vorherrschaft der Frau bereits schwer leidet. Jm Gegensatz zu den amerikanischen und deutschen Lehrerinnen, die offiziell an der Spitze der Emanzipation marschieren, haben belgische Lehrerinnen eine Liga gegen das Frauenstimmrecht begründet, Jn dem Ausrufe der Liga wird betont, daß die Lehrerinnen das Stimmrecht nicht brauchten und ver - langten, und daß die Frau und besonders die Lehrerin sich im Jnteresse der Kindererziehung nicht in das Ge - triebe und Gezänke der Parteien stürzen dürfe.

Daß die Eroberung des kommunalen Wahlrechts den Frauenrechtlerinnen in kurzer Zeit die volle Er - füllung ihrer Wünsche auf dem Schulgebiete bringen würde, unterliegt wohl keinem Zweifel. Der deutsche 52 Mann in seiner hervorragenden Ritterlichkeit und Be - scheidenheit hat heute den richtigen Grundsatz, daß er selbst sich die Frau zu erziehen hat, so, wie er sie haben möchte und haben muß, und wie sie zur Mutter und Hausfrau allein taugt, vollkommen aufgegeben. So würden denn die künftigen weiblichen Stadtverordneten und Stadträte keinerlei Schwierigkeiten haben, ihren Ge - schlechtsgenossinnen die Leitung der ganzen Mädchen - bildung in die Hände zu spielen und die Gemeinschafts - erziehung allmählich durchzusetzen. Damit wären dann die Gesichtspunkte männlicher Pädagogik ausgeschaltet und die amerikanischen Zustände erreicht. Als Mädchen - schuldirektoren der Zukunft wenn es überhaupt noch solche gäbe wären dann nur noch vollkommen zu - verlässige Feministen und Frauenstimmrechtler denkbar, und die Unterordnung der Lehrer und Oberlehrer unter weibliche Rektoren und Direktoren, sowie allgemein die Unterstellung männlicher Beamten unter mit Disziplinar - befugnissen ausgestattete weibliche Vorgesetzte würde dann zur Selbstverständlichkeit werden. Die Hörigkeit des Mannes wäre eine vollendete Tatsache.

Neben der Zerstörung der Familieneinheit und des Familienfriedens, die im Gefolge eines jeden Frauen - stimmrechts zu erwarten ist, sprechen noch gewichtige Gründe rein politischer Art gegen das kommunale Wahl - recht der Frauen. Es ist allbekannt, daß die Gemeinde - wahlen, besonders in den Groß - und Mittelstädten, fast immer unter Führung der politischen Parteien vor sich gehen, und daß sich, vor allem in den Großstädten, die Dinge bereits so zugespitzt haben, daß alle bürgerlichen53 Parteien, um nicht völlig majorisiert zu werden, sich ge - schlossen der Sozialdemokratie gegenüberstellen müssen. Die Wahlbeteiligung der radikalen, stärker politisierten Frauen der Arbeiter ist, wie das Beispiel der Frauen - stimmrechtsländer zeigt, bedeutend größer, als die der gemäßigten Parteien. Ein allgemeines gleiches Gemeindewahlrecht der Frauen müßte darum notwendig zu einer derartigen Verstärkung der sozialdemokratischen Massenheere führen, daß die Verwaltung unserer Städte in Kürze vollständig in sozialdemokratischen Händen sein würde. Die wachsende Macht des Radikalismus würde dann sehr bald zur Krönung des Systems, zum parlamentarischen Frauenwahlrecht, führen. Daß das kommunale Frauenwahlrecht die unmittelbare Vorstufe des parlamentarischen ist, behaupten nicht nur unsere Stimmenrechtlerinnen; der dänische Premierminister hat es vor einigen Jahren im dänischen Parlament aus - gesprochen, daß es unsinnig sei, Frauen, die be - reits das kommunale Wahlrecht besäßen, das parlamentarische vorzuenthalten. So steht denn auch zur Zeit Dänemark, dem erst 1908 das kommunale Frauenwahlrecht beschert wurde, bereits unmittelbar vor der Einführung des parlamentarischen. Fast in allen Frauenstimmrechtsländern hat mau mit der Verleihung des kommunalen Wahlrechts an die Frauen mit selbst - ständigem Erwerb und eigener Steuerleistung den Anfang gemacht (Norwegen). Es hat sich dann aber sehr bald herausgestellt, daß damit ein Wechsel auf das allgemeine Wahlrecht aller Frauen ausgestellt wurde, der meist in 454kurzer Zeit unweigerlich eingelöst werden mußte. Die erwerbenden Frauen wissen recht wohl, daß sie trotz Wahl - rechts ohne die große Masse der Ehefrauen nach wie vor machtlos sind und sehen darum das beschränkte Wahl - recht stets nur als eine angenehme Abschlagszahlung auf das allgemeine an, das erst die Frauenherrschaft begründet.

Staatsmänner und Politiker, die in der Frage des kommunalen Frauenwahlrechts nicht klar sehen und aus opportunistischen Motiven die Dinge gehen lassen, müssen naturnotwendig den ganzen Feldzug verlieren und ver - helfen damit nicht nur dem Feminismus, sondern auch dem Demokratismus zur unbedingten Herrschaft.

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4. Das parlamentarische Wahlrecht.

Erschien das Gemeindewahlrecht als das Hauptfort, dessen Einnahme den Sieg vorbereitet, so bedeutet das parlamentarische Wahlrecht für die Frau die Eroberung der ganzen Feste, den glücklichen Abschluß des Feldzugs. Dann würden die Frauen wie ein vielgebrauchter Lieblingsausdruck lautet die Klinke der Gesetzgebung in die Hand nehmen, den Staat in ihrem Sinne um - modeln und die Frauenherrschaft fest begründen können. Die Rechtlerinnen, die es in der Regel aus taktischen Gründen vorziehen, ihre Forderungen als recht harmlos hinzustellen, wissen in der Tat recht gut, welche gewaltige Revolution sie damit dem Staate zumuten. Frau Martha Voß-Zietz schrieb schon im Jahre 1910 in der Frau zur Verteidigung der Forderung des allgemeinen gleichen Wahlrechts der Frau folgenden charakteristischen Satz: Was sich mit der Gleichberechtigung der Frau im Staatsleben ereignet, ist die denkbar größte Umwälzung der bestehenden Sitte, bedeutet eine Umwertung aller Werte des öffentlichen Lebens; da kann man unmöglich der alten Gesellschafts - ordnung zuliebe so eingreifende Konzessionen machen, daß man ungefähr drei Viertel aller dieser Frauen, die heute 4*56um ihr Recht, ihre Anerkennung als vollwertige Menschen kämpfen, gleich wieder nach errungenem Siege in den Abgrund der Verantwortungslosigkeit, der Abhängigkeit stößt. Das aber würde geschehen, wenn wir nicht ein allgemeines Stimmrecht fordern und erhalten . So spricht eine Rechtlerin, die sich heute zu den gemäßigten zählt und gern in nationalliberalen Versammlungen das Wort nimmt. Unsere Parteiführer mögen daraus die wichtige Lehre entnehmen, daß die Mäßigung so - genannter konservativer oder liberaler Frauenrechtlerinnen oft recht zweifelhafter Art ist und in der Regel ein Produkt weiblicher Taktik sein dürfte. Wer überhaupt die Gerissenheit (smartness der Amerikaner) als eine unumgänglich notwendige Eigentümlichkeit des tüchtigen Politikers fordert, der muß durchaus ein Freund der modernen Politikerinnen werden. Es ist für den Erforscher der weiblichen Psyche geradezu ein geistiger moralisch allerdings wenig befriedigender Genuß, aus amerika - nischen Zeitungen zu hören, nach welch 'raffiniert aus - geflügelter, echt weiblicher Methode 4 Chikagoer Damen den dortigen regierenden Männern das Frauenstimmrecht abgelistet haben. Entsprechend dem internationalen Charakter der von Amerika ausgehenden radikalen Frauen - bewegung ist diese smartness der Amerikanerinnen heutzutage Gemeingut der Rechtlerinnen geworden. Wir haben schon im vorigen Kapitel die konzentrierte, ziel - strebige Arbeitsmethode unserer deutschen Frauenorgani - sationen im Kampfe um das kommunale Wahlrecht charakterisiert. Derselben international bewährten Strategie, die in der Wahl der Kriegsmittel nicht wählerisch ist, 57 (vergl. Suffragetten), begegnen wir auch da, wo es um den letzten Kampfpreis, das parlamentarische Wahlrecht, geht.

Es gibt auch hier wieder zwei Hauptmöglichkeiten, die im richtigem Wechsel angewandt, zur Eroberung der Festung führen müssen, der direkte Sturm durch Petitionen, internationale und nationale Kongresse u. a., oder der Minenkrieg durch langjährige Pressearbeit zur Betäubung und Düpierung der öffentlichen Meinung und durch Unterwühlung der politischen Parteien im frauenrecht - lerischen Sinne. Die Fortschritte sind in beiden Rich - tungen unverkennbar und lassen gerade für Deutschland die ärgsten Befürchtungen aufkommen. Der besondere Mangel an smartness bei den deutschen Männern, auch bei den führenden, der sie dem Feminismus gegenüber so wehrlos macht, ist es wohl auch, der Frau Käthe Becker-Sturmfels in ihrem Buche Krank am Weibe folgendes ominöse Wort sprechen läßt: Es ist wie ein Hohn, daß das männlichste Volk dieser Erde, das deutsche, die Schmach erlebt, von seinen Weibern dem Verfall entgegengeführt zu werden. Wenn auch alle europäischen Völker am Weibe kranken, so sicher und so bald wie das deutsche wird keines am Weibe verkommen. Die Völker der Erde, insbesondere die der germa - nischen Rasse, sind in der Tat dieser ungeheuren Gefahr gegenüber geradezu mit Blindheit geschlagen, und es wird darum unendlich viel Mühe kosten, den Sturz in den Abgrund, den nur wenige sehen, zu vermeiden.

Die systematische Eroberung der liberal-demokratischen Presse, der Tageszeitungen sowohl wie der Wochen - und58 Monatsschriften seitens der Feministen und die damit be - wirkte starke Beeinflussung und Hypnotisierung der öffent - lichen Meinung wird heute wohl kaum noch angezweifelt. Welche geradezu brutale Macht aber eine einseitig ge - richtete Presse in ihrem Einfluß auf das Publikum dar - stellt, das demonstriert in feuriger Schrift der sinnlose Haß, der sich heute in der ganzen Welt gegen das Deutsch - tum erhebt, und der in erster Linie durch die Arbeit der gegnerischen Lügenpresse zu erklären ist.

Der Terror spielt bereits eine nicht geringe Rolle in der Propaganda der Frauenbewegung. Man boykottiert von jener Seite nicht nur die unfolgsamen Tagesblätter und ruft bei Entgleisungen ihre Redakteure in anmaß - lichem Tone zur Ordnung, sondern man setzt auch jedes Buch von gegnerischer Seite, das irgend unbequem werden und das feministische Getriebe stören könnte, auf den Jndex. So kommt es, daß die Verleger sich von solcher Ware zurückziehen und die Sortimenter nicht wagen, der - artiges auszulegen und zum Kauf anzubieten, die Lehre - rinnen - und Frauenvereine kündigen ihnen sonst die Kund - schaft. Was der Terror im Familienkreise leistet, davon wollen wir in Rücksicht auf die deutschen Männer lieber nicht reden, ganz zu geschweigen von dem Spießruten - laufen, dem der ehrliche ruhige Gegner von den Rechtle - rinnen unterzogen wird. Man macht hier einmal wieder die Erfahrung, daß es dem weiblichen Geschlecht in auf - fälligem Maße an der Ruhe und Objektivität, Wahrheits - und Gerechtigkeitsliebe fehlt, die auch der gegnerischen Überzeugung gerecht wird und bereit ist, die Gründe des Gegners ehrlich zu durchdenken und zu würdigen und59 jedenfalls persönliche Gehässigkeiten zu vermeiden. Der zähe weibliche Wille zur Macht unterdrückt vielfach alle logischen und ethischen Bedenken und führt zu der Unverantwortlichkeit im Reden und Handeln, die im Suffragettentum ihren Höhepunkt erreicht.

Die rastlose, umfassende Pressetätigkeit und die terroristische Bearbeitung der öffentlichen Meinung bildet die beste Vorarbeit zur Unterminierung der politischen Parteien, die die feministische Bewegung als recht be - achtenswerte Machtäußerung empfinden und zwischen Furcht und Hoffnung schwebend diese neu auftretende Großmacht für sich nutzbar zu machen suchen. Das Beispiel der nordischen Staaten und Englands hat aber zur Evidenz gelehrt, daß dieser Versuch der Parteien, die Frauenbewegung zu ihren Zwecken auszunutzen, nur zu einer Zerrüttung der gemäßigten Parteien selbst und zur Herrschaft des Feminismus und des ihm seelenverwandten Radikalismus führt.

Die ungeheure Verwirrung und Korruption, welche ein Spiel der Parteien mit der Frauenbewegung und dem Frauenstimmrecht im Gefolge hat, lernt man am englischen Beispiel mit besonderer Klarheit erkennen. Die eigentliche Ursache der allmählichen Politisierung der Frauen ist auch in England wie schon oben angedeutet wurde der Kampf der politischen Parteien um die Herrschaft. Die englischen Liberalen haben zuerst den Versuch gemacht, die Frauen zur Wahlagitation heranzuziehen und ihnen die ersten Aussichten auf politische Gleichberechtigung er - öffnet. Ohne Berücksichtigung der etwaigen Konsequenzen60 hatte man den Frauen schon frühzeitig ein beschränktes aktives und passives Wahlrecht in den Gemeinden gegeben und damit die schiefe Ebene betreten, auf der es an - scheinend kein Halten gibt. Als dann aber die Frauen mit ihren Forderungen Ernst machten, da schreckten die Parteien vor der Verantwortung zurück, und der große liberale Premierminister Gladstone sorgte im Jahre 1884 dafür, daß die Frauenstimmrechtsforderung im Parlament eine Niederlage erlebte. Trotzdem aber war durch die bisher duldsame Haltung die Stellung des Parlaments zur Frauenstimmrechtsfrage so verfahren, daß es 30 Jahre lang der größten Künste und Jntriguen der leitenden Politiker bedurfte, um dem parlamentarischen Frauen - stimmrecht bis heute zu entgehen.

Der Kampf um die Macht bewirkte ganz wie bei uns daß auch einflußreiche konservative Politiker wohl vorwiegend aus taktischen Gründen und in Blind - heit für seinen demokratischen Charakter sich mit dem Frauenstimmrecht befreundeten. Die Rechtlerinnen hatten nun die schöne Möglichkeit, durch abwechselnden Druck auf die Parteien, besonders in den Wahlzeiten, die Feminisierung derselben in immer stärkerer Weise zu fördern, so daß sie schließlich über eine Mehrheit im Parlament verfügten. Daß damit die Mehrheit des Volkes nicht für ihre Sache gewonnen war, ergibt sich vor allem aus der entschiedenen Abneigung der Recht - lerinnen gegen den Vorschlag, die Frage durch eine Volks - abstimmung (Referendum) entscheiden zu lassen. Das Eigenartige der Lage bestand darin, daß auch die regierende liberale Partei, die sich als Ganzes für die 61 Frauenstimmrechtsforderung eingesetzt hatte, alle Mittel aufbot, die Erfüllung derselben zu hintertreiben. Noch auf einem Frauenstimmrechtskongreß im Jahre 1908 stellten zwei englische Rechtlerinnen die Tatsache fest, daß man sich in England auch nicht einmal auf die Parteien verlassen könne, welche die Frauenstimmrechtsforderung ins Programm aufgenommen hätten. Man wollte, um es kurz zu sagen, auf seiten der Liberalen die Feind - schaft der Rechtlerinnen, deren Wahlhilfe man bedurfte, nicht durch eine offene Ablehnung ihrer Forderungen heraufbeschwören; man fürchtete, die Majorität und das Regiment an die Konservativen zu verlieren. Zugleich schreckte man davor zurück, den ungeheuren Sprung ins Dunkle, von dem im Grunde niemand etwas Gutes erwartete, zu unternehmen. Jn jeder Legislaturperiode tauchte die gefürchtete Frauenstimmrechtsbill von neuem auf. Entweder wurde der Entwurf zurückgestellt, oder das Haus vertagte sich. Mehrere Male gelangte das Gesetz in zweiter Lesung zur Annahme, aber die Regierung sorgte dafür, daß es nicht zur dritten Lesung kam; die Bill wurde entweder totgeredet (talked out) oder schließ - lich auf die nächste Session verschoben. Diese verzweifelte Taktik der englischen Regierung läßt sich nur dadurch einigermaßen verständlich machen, daß in der Tat die liberale Partei im Grunde selbst Gegnerin des Frauenstimmrechts ist; andernfalls wäre es ihr ein Leichtes gewesen, den leitenden Staatsmann ihrem Willen zu unterwerfen. Eine solche unwahre Politik ist natür - lich auf die Dauer unhaltbar. Alle Welt weiß, welche Mittel die Suffragetten in den letzten Jahren zur An -62 wendung gebracht haben, um die ohnehin stark bedrängte Regierung völlig in die Kniee zu zwingen. Es ist eine durchaus naive Auffassung, wenn man bei uns in Deutsch - land diese Weiber als hysterisch oder sonst krankhaft ver - anlagt zu entschuldigen und als unverantwortlich hin - zustellen sucht. Diese willenszähen Frauen gebrauchen einfach gleich den Männern die in England gebräuchlichen Gewaltmittel, mit denen man dort politische Rechte er - zwingt. Verschiedene Minister waren leichtsinnig genug, die Rechtlerinnen geradezu zu Gewalttaten herauszufordern. So erklärte noch im Jahre 1912 der Minister Hobhouse, die Frauenstimmrechtsbewegung sei nicht recht ernst zu nehmen, denn sie habe noch keine große Gewalttat ge - zeitigt. Ein heftiges Auflodern der Suffragettenwut war die Folge dieses frivolen Wortes.

Man erinnert sich, welche traurige Rolle die Regierung des Mr. Asquith in dem letzten Suffragetten - kriege gespielt hat, und wie es ihm die streitbaren Damen durch den Hungerstreik unmöglich machten, die Autorität der Staatsgewalt zu retten. Jn einer Beziehung aber wurde ihm die Suffragettentaktik einstweilen zur Retterin: Die Untaten der Militanten gaben sehr vielen Parlamentariern beider Parteien die erwünschte Gelegen - heit, sich von der Frauenstimmrechtssache, die ihnen unheimlich wurde, leise zurückzuziehen. So kam es, daß die sogenannte Conciliation-Bill im Mai 1912 mit Hilfe der Jren mit 257 gegen 242 Stimmen durchfiel. Asquith hatte, wie es scheint, den Jren klargemacht, daß er die Homerule-Bill nur unter der Bedingung würde durchbringen können, wenn die Jren das Frauen -63 stimmrecht zu Fall brächten. Die danach mit erneuter Heftigkeit einsetzende verbrecherische Tätigkeit der Suffragetten brachte diese Damen und den Frauen - stimmrechtsgedanken überhaupt nun endlich in weiteren Kreisen um die bisherigen Sympathien und ver - schlechterte ihre parlamentarische Situation derart, daß eine neue am 6. Mai 1913 zur Abstimmung kommende Bill, betreffend das Frauenstimmrecht für alle selb - ständigen Frauen, mit 266 gegen 119 Stimmen abgelehnt wurde. Der letzte Vorstoß der Frauenrechtler war die Einbringung einer Bill im Oberhause (Mai 1914), die das Wahlrecht für diejenigen Frauen forderte, die das kommunale bereits besitzen. Das Gesetz wurde mit 104 gegen 60 Stimmen abgelehnt. Fräulein Hel. Lange, die Vorsitzende des Allgemeinen deutschen Frauenvereins, ist mit diesem Resultat außer - ordentlich zufrieden, zumal die Vorlage von dem konservativen Lord Selborne vertreten wurde. Sie sagt in Die Frau (Juni 1914): Jedenfalls bedeutet die Debatte trotz des negativen Ausganges ein dem Frauen - stimmrecht günstiges Symptom der Meinungen in führenden Kreisen. Man braucht sich nur vorzustellen, was es bedeuten würde, wenn im preußischen Herren - hause über ein Drittel der Mitglieder für das Stimm - recht einträten. Und in der Tat ist diese Abstimmung zu einer Zeit, wo die Suffragetten durch ihre ständigen Verbrechen die öffentliche Meinung in stärkster Weise gegen sich aufgebracht hatten, ein sehr übles Omen für den künftigen Gang der Frauenstimmrechtssache in England.

Mr. Asquith hat sich einer Deputation von64 Rechtlerinnen gegenüber dahin ausgesprochen, daß er zwar persönlich das Frauenstimmrecht als ein nationales Unglück ansähe, sich aber einer zustimmenden Ent - scheidung des Parlaments unterwerfen würde. Für einen verantwortlichen Staatsmann ist es jedenfalls ein trauriger Standpunkt, wenn er bereit ist, das Heil des Vaterlandes aus parteipolitischen Rücksichten zu verraten. Man hört heute sogar Stimmen, die behaupten, daß die doppelte Not des Homerule und des Suffragettentums die englischen Machthaber mit zu dem Versuche ver - anlaßt hätten, durch Teilnahme am Kriege der inneren Schwierigkeiten Herr zu werden. Sollte diese Annahme auf Wahrheit beruhen, so wäre das ein geradezu nieder - schmetternder Beweis für die korrumpierende, staats - verderbliche Wirkung der Frauenstimmrechtsbewegung und ihrer Ziele. Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß der englische Staat nach dem jetzt durch den Krieg erzwungenen Waffenstillstand der Suffragetten das Frauen - stimmrecht großmütig gewährt, nur um der Hetze ledig zu werden und die zum Kindergespött gewordene Staats - autorität wieder einigermaßen herzustellen.

Auch in anderen europäischen Ländern sind es wie in England die radikalen Parteien, die vorwiegend aus parteitaktischen Gründen, ohne innere Anteilnahme und Überzeugung, sich zu Anwälten des Frauenstimmrechts auf - werfen. Diese Tatsache bestätigt auch der schwedische Konteradmiral Arvid Lindman, der gelegentlich einer in Kalmar (1912) gehaltenen Rede gegen das Frauenstimm - recht u. a. folgendes ausführte:

Die beiden Parteien der Linken stehen dem Äußeren65 nach bezüglich der baldigsten Durchführung des politischen Frauenstimmrechts einig da. Jch sagte dem Äußeren nach einig und meine damit, daß die Sache auf dem Programm der beiden Parteien steht. Sonst weiß jeder - mann, daß die Stimmung für diese Angelegenheit auch innerhalb der Linken ziemlich lau ist, und daß noch auf dem vorigen Reichstag mehrere Mitglieder der Linken gegen das politische Frauenwahlrecht stimmten. Bürger - meister Lindhagen, welcher ja beiden Parteien angehört hat und sie kennen muß, hat offen Zeugnis davon ab - gelegt, daß es eine Mehrheit der Linken gibt, welche sich im innersten Herzen darüber freut man hört ja, daß die Freude wirklich grundehrlich ist daß die Parteien der Rechten die Frauen daran gehindert haben, das poli - tische Wahlrecht zu erhalten, und daß man gleichzeitig ohne Risiko sich als ihr Ritter aufspielen kann. Jrgend eine umfassendere und tiefere Überzeugung von dem Segen des politischen Frauenwahlrechts scheint sich also auf Seiten der Linken nicht zu finden, aber man wird von den Verpflichtungen des Programms vorwärts getrieben. Bei unseren eigenen Gesinnungsgenossen herr - schen gewiß recht verschiedene Meinungen, von den - jenigen, welche das politische Frauenwahlrecht als ein wirkliches Unglück betrachten, bis zu denjenigen, welche im Prinzip sympathisch für dasselbe gestimmt sind. Aber wie auch die Auffassungen zwischen den äußersten Grenzen schwanken, glaube ich, daß wir bezüglich der Meinung sehr einig dastehen, daß wir ganz und garnicht irgend ein Glück für Land und Volk erwarten, wenn das poli - tische Frauenwahlrecht jetzt durchgeführt werden sollte.

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Vergleicht man die deutschen Zustände mit den eng - lischen und schwedischen, so kommt man zu dem betrüben - den Schlusse, daß sie sich in einer vollkommen parallelen Richtung entwickeln. Sämtliche Parteien haben ihre Frauen organisiert, d. h. mit anderen Worten, die Stimmrechtlerinnen haben es verstanden, in sämt - liche Parteien einzudringen und sind dort an der Arbeit. Am klarsten liegen die Dinge für die Sozialdemokratie, bei der das Parteiprogramm das Frauen - programm einschließt und die von der Partei selbst hinzu - gezogenen Frauen keiner gesonderten Organisation be - dürfen. Die bürgerlichen Parteien haben es nicht recht - zeitig erkannt, daß die Frauenstimmrechtsbewegung für jedes andere Parteiprogramm außer dem sozialdemokrati - schen als zersetzendes Gift wirkt und haben, die eine nach der andern, geglaubt, dem Feminismus nachlaufen zu müssen. Die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen sind heute unter sich noch nicht einig darüber, was für sie höher einzuschätzen ist: die bisherige unbedingte Solidarität aller organisierten Frauen oder die Zersplitterung zum Zwecke der Gewinnung der politischen Parteien. Die Führerinnen suchen beides zu vereinigen, was um so leichter möglich sein dürfte, da der Solidaritätsgedanke bei einer echten Stimmrechtlerin die politische Parteistellung ausschlaggebend zu bestimmen pflegt. Was von der politischen Über - zeugungstreue der Rechtlerinnen zu halten ist, dafür gibt es schlagende Beispiele bei uns und im Auslande. Die englischen Rechtlerinnen, liberale und konservative, haben die Parole ausgegeben, bei den Wahlen keine der beiden Parteien zu unterstützen, sondern nur der Arbeiterpartei67 Hilfe zu leihen, die die Stimmrechtsforderung ins Programm aufgenommen hat. Damit sollen die bürger - lichen Parteien genötigt werden, das Beispiel der Arbeiter nachzuahmen. Auch die schwedischen sogenannten konservativen Frauen haben die eigene Partei bei den Wahlen boykottiert, weil sie noch nicht einmütig genug für das Frauenstimmrecht eintritt.

Aber auch unsere deutschen Rechtlerinnen sind nicht sparsam mit der Drohung des Abmarsches zu einer anderen Partei, sobald die gewählte Richtung nicht mit der nötigen Freudigkeit auf ihre Forderungen eingeht. So erklärte Frau Minna Cauer nach dem Mannheimer Parteitage, daß die fortschrittliche Volkspartei völlig versagt habe und verdiente, daß alle Frauen ihren Austritt erklärten. Derartige Pressungen werden umso erfolgreicher sein, jemehr die Damen etwa an Wahlhilfe geleistet haben. Jm Februar - heft der Frau (1914) wird darauf hingewiesen, daß im preußischen Landtage ein Antrag der fortschrittlichen Volkspartei vorliege um Gewährung des Kommunal - wahlrechts an die wirtschaftlich selbständigen Frauen. Hierzu bemerkt Frl. Hel. Lange: Es wäre interessant, zu sehen, wie sich die Nationalliberalen im Landtage zu dieser Forderung stellen werden, nachdem sie in ver - schiedenen Städten jüngst bei den Stadtverordneten - wahlen von der Mitarbeit der Frauen anerkanntermaßen einen beträchtlichen Gewinn zu verzeichnen hatten. Diese Äußerung bestätigt nicht allein, welche gefährlichen Konsequenzen es hat, wenn die politischen Parteien beginnen, sich die Wahlhilfe der Rechtlerinnen gefallen68 zu lassen, sondern gibt auch einen guten Beweis für den politischen Charakter des kommunalen Wahlrechts. Die etwas stürmische allgemeine Verbrüderung, welche aus Anlaß des Krieges die Gegensätze des deutschen Parteilebens scheinbar gemildert hat, gab auch der deutschen Frauenbewegung Gelegenheit, sich im Nationalen Frauendienst der sozialdemokratischen Partei zu nähern. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß nach dem Kriege auch unsere Rechtlerinnen nach dem Beispiele der Engländerinnen die Parole ausgeben werden, nur die Parteien bei den Wahlen zu unterstützen, die, wie die sozialdemokratische, die Frauenstimmrechtsforderung in irgend einer Form ins Programm aufnehmen. Nach - dem die sozialdemokratische Partei beinahe unbesehens in die Zahl der staatserhaltenden aufgenommen wurde, laufen die Feministen ja kaum noch eine Gefahr bei solchem Bündnis. Was aber die sozialdemokratischen Frauen wollen, das sagt uns nach Bebels Vorgang Frau Cl. Zetkin: Für die Proletarierinnen bedeutet das Wahlrecht die soziale Emanzipation des Proletariats durch die Eroberung der politischen Macht zum Zwecke der Aufhebung der Klassenherrschaft und der Herbeiführung der sozialistischen Gesellschaft, die allein die volle menschliche Emanzipation des Weibes verbürgt.

Die gemäßigten Parteien haben sich leider auch in Preußen und den übrigen deutschen Bundesländern reichlich weit mit den Stimmrechtlerinnen eingelassen. Der einzige Weg, der Unterjochung durch den Feminismus, deren frische Spuren man in Norwegen und England verfolgen kann, zu entgehen, ist der, 69 die Frauenvereinigungen aus den Parteien auszuscheiden, und die Rechtlerinnen ihre eigene Politik machen zu lassen; die Frauenstimmrechtsländer zeigen gar zu deutlich, wohin der erste verhängnisvolle Schritt mit geradezu logischer Notwendigkeit führt. Die Folge könnte nur eine vollkommene Zersetzung unserer Parteiverhältnisse sein. Für die Mittelparteien geht es bei der Herrschaft des Frauen - stimmrechts um die Existenz, einen Partei - gewinn hätten nur das Zentrum und die Sozialdemokratie, denen die Massen zur Verfügung stehen. Das Zentrum, das seiner ganzen konservativ - christlichen Natur entsprechend ein geschworener Feind der Frauenemanzipation sein sollte, zeigt in den letzten Jahren große Neigung zur Begünstigung des Frauen - stimmrechts. Clara Elben schrieb zu dieser Haltung des Zentrums schon im Jahre 1907 in der Frau folgende beherzigenswerten Sätze: Meines Erachtens werden wir es über kurz oder lang erleben, daß das Zentrum am eifrigsten für das Stimmrecht agitiert. Doch wird es ihm damit wohl ergehen, wie es Napoleon III. und Bismarck mit Einführung des allgemeinen Stimmrechts erging. Nach kurzer Zeit hat es sich gegen sie gewandt und ist dem Radikalismus und Sozialismus zugute gekommen.

Daß die Frauen recht gut wissen, wessen Geschäfte durch das Frauenstimmrecht besorgt werden, wurde auch von Minna Cauer angedeutet, als sie darauf hinwies, daß die Entwicklung schließlich wohl auf einen großen Entscheidungskampf zwischen Sozialdemokratie und570Zentrum hinauslaufen möchte, dessen Ausgang so setzen wir hinzu wohl kaum zweifelhaft sein würde. Man sollte glauben, daß es sich für einen jeden patriotischen Deutschen von 1914 von selbst verstehen müßte, daß er sich einer solchen Entwicklung mit aller Kraft entgegenzustemmen hat. Sie würde das zustande bringen, was unsere Todfeinde heute vergebens erstreben, die Vernichtung Deutschlands als Großmacht, den Unter - gang des deutschen Volkes als Kultur - und Staats - einheit.

Bei der vollkommenen Unvereinbarkeit der von völlig entgegengesetzten Prinzipien ausgehenden Weltanschauungen der Frauenstimmrechtler und Feministen und ihrer Gegner wird der von den Zeitströmungen getriebene Realpolitiker in letzter Jnstanz immer nach den Erfahrungen fragen, welche man in der Praxis der Frauenstimmrechtsländer gemacht hat. Die feministische Presse läßt aber in dieser Frage ein objektives Urteil kaum zustande kommen, indem sie nur die günstigen Meinungen verbreitet, die abfälligen dagegen hartnäckig unterdrückt. Die zustimmen - den Berichte stammen fast ausnahmslos von Frauen - rechtlerinnen selbst oder von solchen Politikern und Staats - männern, die bereits von den weiblichen Wählern abhängig sind und nur Günstiges aussagen dürfen. Will man also ein zutreffendes Urteil gewinnen, so bleiben nur die verhältnismäßig wenig zahlreichen Stimmen solcher Kritiker, die in unabhängiger Stellung, durch ihr Gewissen ge - trieben und darum unempfindlich gegen die terroristische Behandlung seitens der fanatischen Gegner, die volle Wahrheit aussprechen.

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Als ein sehr gewichtiges Argument für das Ein - treten der Frauen in das politische Leben pflegen die Rechtlerinnen die Behauptung hinzustellen, daß es dem weiblichen Geschlechte, als dem auf einer höheren Stufe moralischer Vollkommenheit stehenden Teile der Mensch - heit, gelingen würde, durch seine politische Mitarbeit das politische Leben nach der moralischen und ästhetischen Seite zu veredeln, den Streit der Parteien zu mildern und überall gute Sitte, Recht und Gerechtigkeit zur Gel - tung zu bringen. Nach unserer Überzeugung kann von einer moralischen Überlegenheit des weiblichen Geschlechts überhaupt keine Rede sein. Käthe Sturmfels spricht sogar das strenge Wort: Die Frau ist hauptsächlich schuld an aller Unsittlichkeit in der Welt. Gerade die heutige schwere Kriegszeit, in welcher der deutsche Mann seine Feuerprobe moralischer Kraft ablegt, dürfte den un - zweifelhaften Beweis für die männliche Überlegenheit erbringen. Die patriotische Tatkraft und Opferwilligkeit der heutigen deutschen Frauen soll freudig anerkannt werden, die vereinzelten Fälle von würdelosem, leicht - fertigem Wesen sollen dem weiblichen Geschlechte als solchem nicht angerechnet werden, aber bei alledem: die höhere Moral, die staatserhaltende, unbeug - same Kraft, Pflichttreue und Humanität findet sich bei den deutschen Männern; das geben selbst unsere besten Frauen freudig und neidlos zu und sind glücklich, in ihren Männern Helden zu finden.

Da das Staatswesen notwendig männlichen Charakter tragen muß, so könnte eine gesetzgeberische Tätigkeit der Frau wohl zu einer unerträglichen, pedantischen Bemutte -5*72rung der Staatsbürger, aber niemals zur Hebung der öffentlichen Moral und der sittlichen Kräfte des Staats - lebens dienen. Nach einem Bericht der Täglichen Rundschau macht sich im Staate Kalifornien, der erst vor kurzem den Frauen das politische Wahlrecht gegeben hat, eine tiefgehende Bewegung gegen die Herrschaft der Frauen bemerkbar. Größere Vereinigungen haben bereits Protestversammlungen gegen die Wirtschaft der Frauen abgehalten, die in der jetzt abgelaufenen ersten Sitzungs - periode nicht weniger als 4000 Gesetzesentwürfe durch - beraten haben, von denen insgesamt 1100 angenommen wurden. Unter diesen Gesetzen befindet sich eines, das genau festsetzt, wie groß die Bettücher in den Hotels sein müssen, ein weiteres, das den Lohn der Gefangenen auf die Stufe der übrigen Arbeiter stellt, ferner eines, das bestimmt, daß Kinder bis zu 8 Jahren nie ohne Begleitung ihrer Eltern oder ihres Vormundes auf der Straße erscheinen dürfen. Das Land ist infolge einer derartigen konfusen Gesetzgebung bereits in eine uner - trägliche Lage gekommen.

Handelte es sich im Falle des Staates Kalifornien zunächst um den Zug zur Kleinlichkeit, der vielleicht zu überwinden sein würde, so setzt sich die gesetzgeberische Wirksamkeit der Frauen in anderen Staaten direkt mit den Jnteressen der Familie und den Forderungen der Zucht und Sitte in Widerspruch. Jn den meisten Stimm - rechtsländern bewegt sich die weibliche Gesetzgebung in erster Linie auf dem Gebiete der Ehegesetzgebung und der Kinderfürsorge und wirkt besonders in der Richtung auf Erleichterung der Ehescheidung und der Besserstellung73 der unehelichen Mütter und Kinder. Beide Bestrebungen führen aber schließlich dahin, Ehe und Familie zu zer - rütten, die freie Liebe zu allgemeiner Anerkennung zu bringen und Zucht und Sitte aus der Welt zu schaffen. Die Zahl der Ehescheidungen ist in den Frauenstimm - rechtsländern besonders hoch, und man rechnet z. B. in Colorado auf eine Ehescheidung im Gerichtsverfahren durchschnittlich etwa fünf Minuten Verhandlungszeit. Es gibt auch zu denken, wenn in Finnland in den ersten fünf Jahren des Frauenstimmrechts (1906 1910) die Zahl der Ehescheidungen um 33 Prozent größer war als in den fünf Jahren, welche dem Frauenstimmrecht vorher - gingen. Es ist fast unmöglich, bei einer so rapiden Zu - nahme nicht an einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Stimmrecht und Ehescheidungsfrequenz zu denken.

Der Kampf gegen die Prostitution pflegt sich im feministischen Staate meist auf den Kampf gegen die Reglementierung derselben zu beschränken, während die Prostitution selbst die freie weibliche Persönlichkeit beansprucht das Selbstverfügungsrecht über ihren Körper in den Stimmrechtsländern sich immer weiter aus - breitet. Oscar A. H. Schmitz, ein guter Kenner der nordischen Verhältnisse, sagt zu diesem Thema (im Tag ) u. a.: Jn unserem Sinne ist (im Norden) die Pro - stitution in der Tat abgeschafft, d. h. man hat ihre Lokalisierung aufgehoben. Die Folge davon ist, daß die Prostituierte weniger leicht kenntlich ist. Dadurch ist der verborgenen, viel gefährlicheren Prostitution Tür und Tor geöffnet. Die geheime Unsittlichkeit verbreitet sich infolge der Unabhängigkeit der unbeobachteten Frauen in allen74 Schichten, und man kann von irgend wie feststehenden Sitten kaum mehr sprechen. Dazu kommt die Ver - wirrung der Begriffe durch die Grundsätze von der freien Liebe , deren Übergänge zur Prostitution ja be - kanntlich sehr verwischt sind. Von der klaren Auffassung dieser Dinge im mittleren und südlichen Europa ist keine Rede. Dort gibt es zunächst leicht erkenntliche Pro - stituierte, ferner nimmt sich in vielen Schichten das Mädchen vor der Ehe eine weitgehende, doch immer etwas verschämte geschlechtliche Freiheit heraus, und wieder in anderen Kreisen sind derartige Dinge un - möglich, gelegentliche Familienkatastrophen ausgenommen, die aber richtig als solche empfunden werden. Jm Norden dagegen herrscht eine kaum vorstellbare sittliche Verwirrung. Von der Frauenbewegung angesteckte kleine Mädchen nehmen sich unerhört ernst, und in den besten Kreisen wieder kann man die überraschendsten Aben - teuer beobachten und erleben.

Hier haben wir die Wirkungen der Frauenbewegung, des Feminismus, auf sexuell-sittlichem Gebiete in Rein - kultur. Daß die deutsche Feministin der nordischen Schwester würdig ist, beweist eine vor einigen Jahren von der Rechtskommission des Bundes deutscher Frauen - vereine, gefaßte später aber durch den Bund abgelehnte Resolution folgenden Wortlautes: Als freie Per - sönlichkeit muß die Frau auch Herrin ihres Körpers sein und einen Keim vernichten dürfen, der zunächst ein un - löslicher Bestandteil ihres eigenen Körpers ist . Und solche Leute, die geradezu die Grundlagen menschlicher Existenz und Sitte verneinen, erheben den Anspruch,75 durch ihre Mitarbeit im staatlichen Leben eine Hebung der Moral und Kultur herbeizuführen!

Mit ganz besonderem Eifer pflegen sich die Recht - lerinnen der Temperenzbewegung anzunehmen, sowie umgekehrt die Alkoholgegner teilweise die Frauenbewegung ihren Zwecken dienstbar zu machen suchen. Zwar ist es richtig, daß der Alkohol einer der größten Feinde des Menschengeschlechts und seine Bekämpfung eine der wichtigsten Kulturaufgaben ist. Aber diese Aufgabe ist nur durch den Mann selbstzu lösen, und es ist falsch, in diesem Kampfe auf den Feminismus zu rechnen. Jn dem Stimmrechtslande Neuseeland ist seit der Einführung des Frauenstimmrechts in den Jahren 1893 bis 1910, die Zahl der Bestrafungen wegen Trunkenheit um 53 Prozent gewachsen; in Eng - land hat sie in derselben Zeit um 19 Prozent ab - genommen. Jn den Stimmrechtsstaaten Amerikas ist der Alkoholismus nicht ausgerottet worden; es gibt keinen einzigen Frauenstaat, in dem der Alkohol durch Staats - grundgesetz verboten ist, wohl aber mehrere trockene Männerstaaten. Jn Washington fallen sogar seit Ein - führung des Frauenstimmrechts die örtlichen Abstimmungen zugunsten der Alkoholinteressenten aus.

Die politischen Verhältnisse sind in den Frauen - stimmrechtsstaaten ebenso verrottet bezw. schlechter als anderswo, und die Frauen tun nichts dazu, die Dinge zu bessern, im Gegenteil, sie vergrößern die Korruption, indem sie sich daran bewußt beteiligen. Jn Wyoming haben die Rechtlerinnen z. B. den Versuch gemacht, die antistimmrechtlerische Frauenzeitung Ladies Home Journal 76von der Postbeförderung auszuschließen. Der San Francisco Argonaut bringt am 11. April 1914 aus dem jüngsten Frauenstimmrechtslande Amerikas einen Artikel mit der Überschrift Betrügereien zugunsten der Frauen - sache (the cause), der ein sehr bezeichnendes Licht auf die von den Frauenrechtlerinnen beanspruchte höhere Moral und den veredelnden Einfluß der Frauen auf das politische Leben wirft. Er lautet, wie folgt:

Wenn Frauen von den gesetzlichen Konsequenzen des Mordes ausgenommen sein sollen und darüber scheint jetzt kein Zweifel mehr zu herrschen so würde es die höchste Jnkonsequenz sein, sie für das verhältnis - mäßig feile Vergehen des Betruges anzuklagen. Dies wenigstens scheint Meinung der Autoritäten zu sein, die jetzt mit der Untersuchung der betrügerischen Unterschriften für die Absetzung*)Mißbeliebig gewordene Staatsbeamte können dort durch Volksabstimmung abgesetzt werden. (recall). (recall) und andere Petitionen be - schäftigt sind, welche die Allgemeinheit belästigten. 9 Frauen, welche bei dem Fall (recall) Weller eine hervorragende Rolle spielten, bekannten ihre Betrügereien politisch als Unregelmäßigkeiten bezeichnet der Anklagejury (welche zu bestimmen hat, ob die Anklage erhoben werden soll. D. Verf). Die Schriftsachverständigen fanden, daß Reihen von Namen von derselben Person geschrieben waren, und daß einzelne Mitglieder von Haushaltungen für die ganze Familie unterschrieben hatten. Aber es braucht kaum gesagt zu werden, daß kein Beweis einer verbrecherischen Absicht vorlag, und daß zu Recht bestehende Gesetze nicht zurückgenommen werden sollten. Also keine Strafverfolgung!

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Aber eine Anzahl Männer, welche genau dasselbe Vergehen begingen, sollen angeklagt werden, und aus keinem besseren Grunde als wegen ihres Geschlechts und wegen der anderen Tatsache, daß ihre Betrügereien nicht den Zweck hatten, eine im Aufstreben begriffene Bewegung (die Frauen - bewegung. D. Verf. ) zu unterstützen.

Man erkennt aus diesem bemerkenswerten Vorgang, wie die Frauen und ihre Helfer trotz der politischen Gleich - berechtigung der Geschlechter doch selbst vor Gericht mit zweierlei Maß messen und gemessen werden, und zwar zugunsten der Frau. Die feministische Skrupel - losigkeit als mildernder Umstand weiter kann die Korruption kaum getrieben werden! Was ist das anders als Frauenherrschaft und Hörigkeit der Männer!

Der als Freund des Frauenstimmrechts bekannte und durch seine Tätigkeit als Jugendrichter berühmte Richter Lindsey aus Colorado hat am 28. Mai 1914 über die Zu - stände in dem Lande des Frauenstimmrechts folgendes gesagt:

Colorado hat die Wissenschaft, die Menschen zu korrumpieren, zur Vollkommenheit gebracht. Seine Richter, seine Richter der höchsten Gerichtsbehörde sind hörig wie Laufjungen. Seine Gesetzgeber, seine Geschäftsleute, alle sind hörig (owned). Es gibt natürlich furchtlose Männer, aber sie haben ihre Furchtlosigkeit schwer büßen müssen. Mr. J. B. Mallin aus Denver in Colorado erläutert diese etwas dunkle Klage Lindseys über sein Land in einem Artikel der New-Yorker Sun u. a. durch fol - gende Worte: Die Staatsregierung ist geschwächt durch78 das zwanzigjährige Frauenstimmrecht, dem es gelungen ist, die Tüchtigen auszuscheiden und die Schwachen zur Herrschaft zu bringen. Eine treffendere Charakteristik des Frauenstimmrechts in einem Satze dürfte kaum ge - geben werden können: Es bedeutet die Herrschaft der Schwachen.

Unsere erwerbenden Frauen pflegen vom Frauen - stimmrecht die gesetzliche Gleichstellung der Frauenlöhne mit denen der Männer zu erwarten. Zunächst würde die Durchführung dieses Grundsatzes für den leistungs - fähigeren Mann und besonders für den Familienvater die größte Ungerechtigkeit bedeuten und einer Prämiierung der Ehelosigkeit gleichkommen. Zugleich zeigen aber auch die Verhältnisse der Frauenstimmrechtsländer, daß das Frauenstimmrecht in dieser Richtung durchaus nicht leistet, was die Frauen von ihm voraussetzen. Jn Neu - Südwales z. B. kamen in einem Orte auf 717 Arbeiter 232 Arbeiterinnen. Diese 232 Frauen erhielten aber statt bei zu erwartenden 33% nur 11 % des Lohnes der Männer; und ähnlich liegen die Dinge anderswo. Jn Kanada hat man bei einem Versuch mit der un - natürlichen Gleichstellung der Gehälter die Erfahrung gemacht, daß die Verwendung der Frauenkräfte sofort einen starken Rückgang aufwies und die Frauen brotlos wurden. Um einer Verschlechterung der[Erwerbs -] verhältnisse der Männer durch das Frauenstimmrecht vor - zubeugen, sorgen die Australier mit aller Anstrengung dafür, daß die Frauen wenigstens nicht als Abgeordnete ins Parlament kommen. Zu Finnland, wo zur Zeit 21 weibliche Abgeordnete in der Vol