PRIMS Full-text transcription (HTML)
2Frauenwahlrecht
〈…〉〈…〉

Warum verlangen die Frauen das Wahlrecht?

  • 1. Weil, wie Mann und Frau erst den ganzen Menschen bilden, die menschliche Gesellschaft und ihr politischer Oberbau, der Staat, ohne die Frauen unmöglich sind.
  • 2. Weil es eine schreiende Ungerechtigkeit, ja ein Unding ist, die Frauen von den politischen Rechten und Freiheiten, die dieMännerwelt besitzt, nur aus dem Grunde auszuschließen, daß der Zufall der Geburt sie Frauen werden ließ.
  • 3. Weil die Frauen für die Fortpflanzung des Geschlechts und seine Erziehung ebenso notwendig sind wie die Männer, und weil die Dienste, die die Frau als Arbeiterin, Erwerberin, Erhalterin, Hausfrau oder Mutter der Gesellschaft und dem Staate leistet, an Wert und Wichtigkeit nicht hinter den Diensten zurückstehen, die die Männer gegen die Gesellschaft und den Staat zu erfüllen haben.
  • 4. Weil die Frauen als Arbeiterinnen und Erwerberinnen und derer, die das sind, werden täglich mehr ebenso gegen den Staat und das Gemeinwesen finanzielle Pflichten zu erfüllen haben wie der Mann in gleicher Stellung.
  • 5. Weil die Frau als Arbeiterin, Erwerberin, Erhalterin, Hausfrau oder Mutter an der Vernünftigkeit, Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit der öffentlichen Einrichtungen Erziehungs - wesen, Steuerwesen, Rechtspflege, öffentliche Verwaltung, Waisen - und Armenpflege, Sozialgesetzgebung, militärische Einrichtungen, friedliche oder kriegerische Politik usw., mit einem Worte am Kulturfortschritt auf allen Gebieten genau so interessiert ist wie der Mann.
  • 6. Weil die Bestimmung, daß die Frau als Übertreterin und Verletzerin bestehende Gesetze ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht gleich dem Manne zur Verantwortung gezogen wird, es gerechter - weise bedingt, daß die Frau auch an den gesetzlichen Einrichtungen der Gesellschaft gleich dem Manne mitwirken können muß.
  • 7. Weil weder in der Natur und dem Geschlechtsleben der Frau, noch in ihren physischen und geistigen Eigenschaften, noch in dem Triebe nach Vervollkommnung ihres Wesens irgend ein Grund zu finden ist, der der Männerwelt erlaubt, sie als einen Menschen zweiter Klasse zu behandeln, und dem Manne, der doch auch nur dem Zufall der Geburt verdankt, Mann geworden zu sein, ein Recht verleiht, sich zu ihrem Herrn oder Vormund aufzuwerfen.
  • 8. Weil der Fortschritt und die gesamte Entwicklung der Menschheit zu immer höherer Vervollkommnung aller ihrer öffent - lichen und sozialen Einrichtungen erfordert, daß das große Maß an Kräften und Fähigkeiten aller Art, das in dem weiblichen Geschlecht vorhanden ist, nicht minder zum allgemeinen Besten angewendet und ausgenutzt wird wie die gleichen Eigenschaften bei den Männern.
  • 9. Weil ohne vollständige Gleichberechtigung der Geschlechter eine harmonische Entwicklung der Menschheit und ein harmo - nisches Gesellschaftsleben unmöglich ist.
  • 10. Weil die Frau das allgemeine Stimmrecht benötigt, um sich nicht bloß als wirtschaftlich Unterdrückte und Ausgebeutete zu befreien, sondern weil sie auch als Geschlechtswesen die volle Gleichheit erringen muß. Für sie hat also der Kampf um die politische Gleichheit ein doppeltes Ziel, an dem alle Frauen ohne Unterschied ihrer Stellung interessiert sind.

Ob Zyniker oder Rückwärtsler die Bestrebungen nach der politischen Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts ver - lachen, ob Dummköpfe sie zu hemmen versuchen, sie werden zum Siege kommen, wenn anders das Streben der Menschheit nach höchster Vervollkommnung aller ihrer Einrichtungen kein leerer Wahn ist. Und mit den Frauen als Bundesgenossen wird der Kampf erleichtert und der Sieg beschleunigt.

〈…〉〈…〉

About this transcription

TextWarum verlangen die Frauen das Wahlrecht?
Author August Bebel
Extent1 images; 507 tokens; 264 types; 3700 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU GießenNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2017-08-21T14:07:43Z Anna PfundtNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2017-08-21T14:07:43Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic information Warum verlangen die Frauen das Wahlrecht?. August Bebel. 1. DietzStuttgart1911. Frauenwahlrecht! p. 2.

Identification

Freie Universität Berlin 62 99 50908(7)

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Gesellschaft; ready; tdef

Editorial statement

Editorial principles

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T10:43:12Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported (German) License.

Holding LibraryFreie Universität Berlin
Shelfmark62 99 50908(7)
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.