L. E. GrimmStahlstich v H. Leedel Goͤttg
Vor alten Zeiten, als der liebe Gott noch selber auf Erden unter den Menschen wandelte, trug es sich zu, daß er eines Abends muͤde war, und ihn die Nacht uͤberfiel, eh er zu einer Herberge kommen konnte. Nun standen auf dem Weg vor ihm zwei Haͤuser einander gegenuͤber, daß eine groß und schoͤn, das andere klein und aͤrmlich anzusehen, und gehoͤrte das große einem Reichen, das kleine einem armen Manne. Da dachte unser Herr Gott ‘dem Reichen werde ich nicht beschwerlich fallen, bei ihm will ich anklopfen.’ Der Reiche, als er an seine Thuͤre klopfen hoͤrte, machte das Fenster auf, und fragte den Fremdling was er suche? Der Herr antwortete ‘ich bitte nur um ein Nachtlager.’ Der Reiche guckte den Wandersmann vom Haupt bis zu den Fuͤßen an, und weil der liebe Gott schlichte Kleider trug, und nicht aussah wie einer, der viel Geld in der Tasche hat, schuͤttelte er mit dem Kopf, und sprach ‘ich kann euch nicht aufnehmen, meine Kammern liegen voll Kraͤuter und Samen, und sollte ich einen jeden beherbergen, der an meine Thuͤre klopft, so koͤnnte ich selber den Bettelstab in die Hand nehmen. Sucht anderswo ein Auskommen.’ 2Schlug damit sein Fenster zu, und ließ den lieben Gott stehen. Also kehrte ihm der liebe Gott den Ruͤcken, gieng hinuͤber zu dem kleinen Haus, und klopfte an. Kaum hatte er angeklopft, klinkte der Arme schon sein Thuͤrchen auf, und bat den Wandersmann einzutreten und bei ihm die Nacht uͤber zu bleiben. ‘Es ist schon finster,’ sagte er, ‘und heute koͤnnt ihr doch nicht weiter kommen.’ Das gefiel dem lieben Gott, und er trat zu ihm ein: die Frau des Armen reichte ihm die Hand, hieß ihn willkommen, und sagte er moͤchte sichs bequem machen und vorlieb nehmen, sie haͤtten nicht viel, aber was es waͤre, gaͤben sie von Herzen gerne. Dann setzte sie Kartoffeln ans Feuer, und derweil sie kochten, melkte sie ihre Ziege, damit sie ein Bischen Milch dazu haͤtten. Und als der Tisch gedeckt war, setzte sich der liebe Gott zu ihnen und aß mit, und schmeckte ihm die schlechte Kost gut, denn es waren vergnuͤgte Gesichter dabei. Wie sie gegessen hatten und Schlafenszeit war, rief die Frau heimlich ihren Mann, und sprach ‘hoͤr, lieber Mann, wir wollen uns heute Nacht eine Streu machen, damit der arme Wanderer sich in unser Bett legen und ausruhen kann, er ist den ganzen Tag uͤber gegangen, da wird einer muͤde.’ ‘Von Herzen gern,’ antwortete er, ‘ich wills ihm anbieten,’ gieng zu dem lieben Gott und bat ihn, wenns ihm recht waͤre, moͤcht er sich in ihr Bett legen und seine Glieder ordentlich ausruhen. Der liebe Gott wollte den beiden Alten ihr Lager nicht nehmen, aber sie ließen nicht ab, bis er es endlich that und sich in ihr Bett legte: sich selbst aber machten3 sie eine Streu auf die Erde. Am andern Morgen standen sie vor Tag schon auf, und kochten dem Gast ein Fruͤhstuͤck, so gut sie es hatten. Als nun die Sonne durchs Fensterlein schien, und der liebe Gott aufgestanden war, aß er wieder mit ihnen, und wollte dann seines Weges ziehen. Als er in der Thuͤre stand, sprach er ‘weil ihr so mitleidig und fromm seyd, so wuͤnscht euch dreierlei, das will ich euch erfuͤllen.’ Da sagte der Arme ‘was soll ich mir sonst wuͤnschen, als die ewige Seligkeit, und daß wir zwei, so lang wir leben, gesund sind, und unser nothduͤrftiges taͤgliches Brot haben; fuͤrs dritte weiß ich mir nichts zu wuͤnschen.’ Der liebe Gott sprach ‘willst du dir nicht ein neues Haus fuͤr das alte wuͤnschen?’ Da sagte der Mann ja, wenn das gienge, waͤrs ihm wohl lieb. Nun erfuͤllte der Herr ihre Wuͤnsche, und verwandelte ihr altes Haus in ein schoͤnes neues, und als das geschehen war, verließ er sie und zog weiter.
Als es voller Tag war, der Reiche aufstand, und sich ins Fenster legte, sah er gegenuͤber ein schoͤnes neues Haus da wo sonst eine alte Huͤtte gestanden hatte. Da machte er Augen, rief seine Frau, und sprach ‘Frau, sieh einmal, wie ist das zugegangen? Gestern Abend stand dort eine elende Huͤtte, und nun ists ein schoͤnes neues Haus; lauf doch einmal hinuͤber, und hoͤre wie das gekommen ist.’ Die Frau gieng hin, und fragte den Armen aus, der erzaͤhlte ihr ‘gestern Abend kam ein Wanderer, der suchte Nachtherberge, und heute Morgen beim Abschied hat er uns drei Wuͤnsche gewaͤhrt, die ewige Seligkeit,4 Gesundheit in diesem Leben und das nothduͤrftige taͤgliche Brot dazu, und statt unserer alten Huͤtte ein schoͤnes neues Haus.’ Als die Frau des Reichen das gehoͤrt hatte, lief sie fort, und erzaͤhlte ihrem Manne wie es gekommen war. Der Mann sprach ‘ich moͤchte mich zerreissen und zerschlagen; haͤtt ich das nur gewußt! der Fremde ist auch bei mir gewesen, ich habe ihn aber abgewiesen.’ ‘Eil dich,’ sprach die Frau, ‘und setze dich auf dein Pferd, der Mann ist noch nicht weit, du mußt ihn einholen, und dir auch drei Wuͤnsche gewaͤhren lassen.’
Da setzte sich der Reiche auf, und holte den lieben Gott ein, redete fein und lieblich zu ihm, und sprach er moͤchts doch nicht uͤbel nehmen daß er ihn nicht gleich eingelassen, er haͤtte den Schluͤssel zur Hausthuͤre gesucht, derweil waͤre er weggegangen: wenn er des Weges zuruͤck kaͤme, muͤßte er bei ihm einkehren. ‘Ja,’ sprach der liebe Gott, ‘wenn ich einmal zuruͤckkomme, will ich es thun.’ Da fragte der Reiche ob er nicht auch drei Wuͤnsche thun duͤrfte, wie sein Nachbar? ‘Ja,’ sagte der liebe Gott, ‘das duͤrfe er wohl, es waͤre aber nicht gut fuͤr ihn, und er sollte sich lieber nichts wuͤnschen.’ Der Reiche aber meinte er wollte sich schon etwas Gutes aussuchen, wenn es nur gewiß erfuͤllt wuͤrde. Sprach der liebe Gott ‘reit nur heim, und drei Wuͤnsche, die du thust, die sollen erfuͤllt werden.’
Nun hatte der Reiche, was er wollte, ritt heimwaͤrts, und besann sich was er sich wuͤnschen sollte. Wie er so nach dachte, und die Zuͤgel fallen ließ, fieng das Pferd an zu springen so daß er immerfort in seinen Gedanken gestoͤrt wurde, und sie5 gar nicht zusammen bringen konnte. Da ward er uͤber das Pferd aͤrgerlich, und sprach in Ungeduld ‘so wollt ich, daß du den Hals zerbraͤchst!’ und wie er das Wort ausgesprochen hatte, plump, fiel er auf die Erde, und lag das Pferd todt und regte sich nicht mehr; und war der erste Wunsch erfuͤllt. Weil er aber geizig war, wollte er das Sattelzeug nicht im Stich lassen, schnitts ab, hiengs auf den Ruͤcken, und mußte nun zu Fuß nach Haus gehen. Doch troͤstete er sich daß ihm noch zwei Wuͤnsche uͤbrig waͤren. Wie er nun dahin gieng durch den Sand, und als zu Mittag die Sonne heiß brannte, wards ihm so warm und verdrießlich zu Muth: der Sattel druͤckte ihn dabei auf den Ruͤcken, auch war ihm noch immer nicht eingefallen was er sich wuͤnschen sollte. ‘Wenn ich mir auch alle Reiche und alle Schaͤtze der Welt wuͤnsche,’ dachte er bei sich selbst, ‘so habe ich hernach doch noch allerlei Wuͤnsche, dieses und jenes, das weiß ich im voraus: ich will aber meinen Wunsch so einrichten, daß mir gar nichts mehr uͤbrig bleibt, wonach ich noch Verlangen haͤtte.’ Meinte er diesmal haͤtte er etwas, so schiens ihm hernach doch viel zu wenig und gering. Da kam ihm so in die Gedanken was es doch seine Frau jetzt gut habe, die sitze daheim in einer kuͤhlen Stube, und lasse sichs wohl schmecken. Das aͤrgerte ihn ordentlich, und ohne daß ers wußte, sprach er so hin ‘ich wollte, die saͤße daheim auf dem Sattel und koͤnnte nicht herunter, statt daß ich ihn da mit mir auf dem Ruͤcken schleppe.’ Und wie das letzte Wort aus seinem Munde kam, so war der Sattel von seinem Ruͤcken verschwunden,6 und er merkte daß sein zweiter Wunsch auch in Erfuͤllung gegangen war. Da ward ihm erst recht heiß, rund er fieng an zu laufen, und wollte sich daheim ganz einsam hinsetzen, und auf was Großes fuͤr den letzten Wunsch nachdenken. Wie er aber ankommt, und seine Stubenthuͤr aufmacht, sitzt da seine Frau mittendrin auf dem Sattel, und kann nicht herunter, jammert und schreit. Da sprach er ‘gib dich zufrieden, ich will dir alle Reichthuͤmer der Welt herbei wuͤnschen, nur bleib da sitzen.’ Sie antwortete aber ‘was helfen mir alle Reichthuͤmer der Welt, wenn ich auf dem Sattel sitze; du hast mich darauf gewuͤnscht, du mußt mir auch wieder herunter helfen.’ Er mochte wollen oder nicht, er mußte den dritten Wunsch thun, daß sie vom Sattel ledig waͤre und heruntersteigen koͤnnte; und der ward auch erfuͤllt. Also hatte er nichts davon als Aerger, Muͤhe und ein verlornes Pferd: die Armen aber lebten vergnuͤgt still und fromm bis an ihr seliges Ende.
Es war einmal ein Mann, der hatte eine große Reise vor, und beim Abschied fragte er seine drei Toͤchter was er ihnen mitbringen sollte. Da wollte die aͤlteste Perlen, die zweite Diamanten, die dritte aber sprach ‘lieber Vater, ich wuͤnsche mir ein singendes springendes Loͤweneckerchen (Lerche).’ Der Vater sagte ‘ja, wenn ich es kriegen kann, sollst du es haben,’ kuͤßte alle drei, und zog fort. Als nun die Zeit kam, daß er wieder auf dem Heimweg war, hatte er Perlen und Diamanten fuͤr die zwei aͤltesten gekauft, aber das singende springende Loͤweneckerchen fuͤr die juͤngste hatte er umsonst aller Orten gesucht, und das that ihm leid, denn sie war sein liebstes Kind. Da fuͤhrte ihn sein Weg durch einen Wald, und mitten darin war ein praͤchtiges Schloß, und nah am Schloß stand ein Baum, ganz oben auf der Spitze des Baums aber sah er ein Loͤweneckerchen singen und springen. ‘Ei, du kommst mir gerade recht’ sagte er, war froh, und rief seinem Diener, er sollte hinaufsteigen und das Thierchen fangen. Wie der aber an den Baum herantrat, sprang ein Loͤwe darunter auf, schuͤttelte sich und bruͤllte, daß das Laub an den Baͤumen zitterte; ‘wer mir mein singendes springendes Loͤweneckerchen stehlen will,’ rief er, ‘den fresse ich auf.’ Da sagte der Mann ‘ich habe nicht gewußt daß der Vogel8 dir gehoͤrt; ich will mein Unrecht wieder gut machen, und mich mit schwerem Golde loskaufen, laß[mir] nur das Leben.’ Der Loͤwe sprach ‘dich kann nichts retten, als wenn du mir zu eigen versprichst, was dir daheim zuerst begegnet; willst du das aber thun, so schenke ich dir das Leben und den Vogel fuͤr deine Tochter obendrein.’ Der Mann aber weigerte sich, und sprach ‘das koͤnnte meine juͤngste Tochter seyn, die hat mich am liebsten, und lauft mir immer entgegen, wenn ich nach Haus komme.’ Dem Diener aber war Angst, und er sagte ‘muß euch denn gerade eure Tochter begegnen, es koͤnnte ja auch eine Katze oder ein Hund seyn.’ Da ließ sich der Mann uͤberreden, nahm das singende springende Loͤweneckerchen, und versprach dem Loͤwen zu eigen was ihm daheim zuerst begegnen wuͤrde.
Wie er daheim anlangte und in sein Haus eintrat war das erste, was ihm begegnete, niemand anders, als seine juͤngste liebste Tochter; die kam gelaufen, und kuͤßte und herzte ihn, und als sie sah, daß er ein singendes springendes Loͤweneckerchen mitgebracht hatte, freute sie sich noch mehr. Der Vater aber konnte sich nicht freuen, sondern fieng an zu weinen, und sagte ‘mein liebstes Kind, den kleinen Vogel habe ich theuer gekauft, ich habe dich dafuͤr einem wilden Loͤwen versprechen muͤssen, und wenn er dich hat, wird er dich zerreissen und fressen,’ und erzaͤhlte ihr da alles, wie es zugegangen war, und bat sie nicht hin zu gehen, es moͤchte auch kommen was da wollte. Sie troͤstete ihn aber, und sprach ‘liebster Vater, was ihr versprochen habt muß auch gehalten werden; ich will hingehen, und will9 den Loͤwen schon besaͤnftigen, daß ich wieder gesund zu euch heim komme.’ Am andern Morgen ließ sie sich den Weg zeigen, nahm Abschied, und gieng getrost in den Wald hinein. Der Loͤwe aber war ein verzauberter Koͤnigssohn, und war bei Tag ein Loͤwe, und mit ihm wurden alle seine Leute zu Loͤwen, in der Nacht aber hatten sie ihre natuͤrliche menschliche Gestalt wieder. Als sie nun ankam, empfieng er sie freundlich, und ward Hochzeit gehalten, und in der Nacht war er ein schoͤner Mann, und da wachten sie in der Nacht, und schliefen am Tag, und lebten eine lange Zeit vergnuͤgt mit einander. Zu einer Zeit kam er, und sagte ‘morgen ist ein Fest in deines Vaters Haus, weil deine aͤlteste Schwester sich verheirathet, und wenn du Lust hast hinzugehen, so sollen dich meine Loͤwen hinfuͤhren.’ Da sagte sie ja, sie moͤchte gern ihren Vater wiedersehen; und fuhr hin, und wurde von den Loͤwen begleitet. Da war große Freude, als sie ankam, denn sie hatten alle geglaubt sie waͤre schon lange todt, und von dem Loͤwen zerrissen worden. Sie erzaͤhlte aber wie gut es ihr gienge, und blieb bei ihnen so lang die Hochzeit dauerte, dann fuhr sie wieder zuruͤck in den Wald. Wie die zweite Tochter heirathete, und sie wieder zur Hochzeit eingeladen war, sprach sie zum Loͤwen ‘diesmal will ich nicht allein seyn, du mußt mitgehen.’ Der Loͤwe aber wollte nicht, und sagte es waͤre zu gefaͤhrlich fuͤr ihn, denn wenn dort der Strahl eines brennenden Lichts ihn beruͤhrte, so wuͤrde er in eine Taube verwandelt, und muͤßte sieben Jahre lang mit den Tauben fliegen. Sie ließ ihm aber keine Ruhe, und sagte sie wollte ihn schon huͤten und vor10 allem Licht bewahren. Also zogen sie zusammen, und nahmen auch ihr kleines Kind mit. Sie aber ließ dort einen Saal mauern, so stark und dick, daß kein Strahl durchdringen konnte, darin sollt er sitzen wann die Hochzeitslichter angesteckt wuͤrden. Die Thuͤr aber war von frischem Holz gemacht, das sprang, und bekam einen kleinen Ritz, den kein Mensch bemerkte. Nun ward die Hochzeit mit Pracht gefeiert, wie aber der Zug aus der Kirche zuruͤckkam mit den vielen Fackeln und Lichtern an dem Saal vorbei, da fiel ein duͤnner duͤnner Strahl auf den Koͤnigssohn, und wie dieser ihn beruͤhrt hatte, in dem Augenblick war er auch verwandelt, und als sie hinein kam, und ihn suchte, sah sie ihn nicht, aber es saß da eine weiße Taube. Die Taube sprach zu ihr ‘sieben Jahr muß ich nun in die Welt fortfliegen, alle sieben Schritte aber will ich einen rothen Blutstropfen und ein weiße Feder fallen lassen, die sollen dir den Weg zeigen, und wenn du der Spur folgst, kannst du mich erloͤsen.’
Da flog die Taube zur Thuͤr hinaus, und sie folgte ihr nach, und alle sieben Schritte fiel ein rothes Blutstroͤpfchen und ein weißes Federchen herab, und zeigte ihr den Weg. So gieng sie immer zu in die weite Welt hinein, und schaute nicht um sich, und ruhte sich nicht, und waren fast die sieben Jahre herum; da freute sie sich, und meinte sie waͤren bald erloͤst, und war noch so weit davon. Einmal, als sie so fortgieng, fiel kein Federchen mehr, und auch kein rothes Blutstroͤpfchen, und als sie die Augen aufschlug, so war die Taube verschwunden. Und weil sie dachte ‘Menschen koͤnnen dir da nichts helfen,’ so stieg sie zur11 Sonne hinauf, und sagte zu ihr ‘du scheinst in alle Ritzen und uͤber alle Spitzen, hast du keine weiße Taube fliegen sehen?’ ‘Nein,’ sagte die Sonne, ‘ich habe keine gesehen, aber da schenk ich dir ein Kaͤstchen, das mach auf, wenn du in großer Noth bist.’ Da dankte sie der Sonne, und gieng weiter bis es Abend war, und der Mond schien, da fragte sie ihn ‘du scheinst ja die ganze Nacht, durch alle Felder und Waͤlder, hast du keine weiße Taube fliegen sehen?’ ‘Nein,’ sagte der Mond, ‘ich habe keine gesehen, aber da schenk ich dir ein Ei, das zerbrich wenn du in großer Noth bist.’ Da dankte sie dem Mond, und gieng weiter, bis der Nachtwind wehte, da sprach sie zu ihm ‘du wehst ja uͤber alle Baͤume und unter allen Blaͤtterchen weg, hast du keine weiße Taube fliegen sehen. ‘Nein,’ sagte der Nachtwind, ‘ich habe keine gesehen, aber ich will die drei andern Winde fragen, die haben sie vielleicht gesehen.’ Der Ostwind und der Westwind kamen, und sagten sie haͤtten nichts gesehen, der Suͤdwind aber sprach ‘die weiße Taube habe ich gesehen, sie ist zum rothen Meer geflogen, da ist sie wieder ein Loͤwe geworden, denn die sieben Jahre sind herum, und der Loͤwe steht dort im Kampf mit einem Lindwurm, der Lindwurm ist aber eine verzauberte Koͤnigstochter.’ Da sagte der Nachtwind zu ihr ‘ich will dir Rath geben, geh zum rothen Meer, am rechten Ufer da stehen große Ruthen, die zaͤhle, und die eilfte schneid dir ab, und schlag den Lindwurm damit, dann kann ihn der Loͤwe bezwingen, und beide bekommen auch ihren menschlichen Leib wieder; dann schau dich um, und du wirst den Vogel Greif sehen,12 der am rothen Meer sitzt, schwing dich mit deinem Liebsten auf seinen Ruͤcken, der Vogel wird euch uͤbers Meer nach Haus tragen. Da hast du auch eine Nuß, wenn du mitten uͤber dem Meer bist, laß sie herab fallen, alsbald wird sie aufgehen, und ein großer Nußbaum aus dem Wasser hervorwachsen, auf dem sich der Greif ausruht, und koͤnnte er nicht ruhen, so waͤre er nicht stark genug euch hinuͤber zu tragen, und wenn du vergißt die Nuß herab zu werfen, so laͤßt er euch ins Meer fallen.’
Da gieng sie hin, und fand alles wie der Nachtwind gesagt hatte. Sie zaͤhlte die Ruthen am Meer, und schnitt die eilfte ab, damit schlug sie den Lindwurm, und der Loͤwe bezwang ihn, alsbald hatten beide ihren menschlichen Leib wieder. Aber wie die Koͤnigstochter, die vorher ein Lindwurm gewesen war, vom Zauber frei war, nahm sie den Juͤngling in den Arm, setzte sich auf den Vogel Greif, und fuͤhrte ihn mit sich fort. Da stand die arme weitgewanderte, und war wieder verlassen, und setzte sich nieder und weinte; endlich aber ermuthigte sie sich, und sprach ‘ich will noch so weit gehen als der Wind weht, und so lang als der Hahn kraͤht, bis ich ihn finde.’ Und gieng fort, lange lange Wege, bis sie endlich zu dem Schloß kam, wo beide zusammen lebten, da hoͤrte sie daß bald ein Fest waͤre, wo sie Hochzeit mit einander machen wollten. Sie sprach aber ‘Gott hilft mir noch,’ und nahm das Kaͤstchen, das ihr die Sonne gegeben hatte, da lag ein Kleid darin, so glaͤnzend wie die Sonne selber. Da nahm sie es heraus, und zog es an, und gieng hinauf in das Schloß und alle Leute, und die Braut selber, sahen13 sie mit Verwunderung an; und das Kleid gefiel der Braut so gut, daß sie dachte es koͤnnte ihr Hochzeitkleid geben, und fragte ob es nicht feil waͤre? ‘Nicht fuͤr Geld und Gut,’ antwortete sie, ‘aber fuͤr Fleisch und Blut.’ Die Braut fragte was sie damit meinte? Da sagte sie ‘laßt mich eine Nacht in der Kammer schlafen, wo der Braͤutigam schlaͤft.’ Die Braut wollte nicht, und wollte doch gerne das Kleid haben, endlich willigte sie ein, aber der Kammerdiener mußte dem Koͤnigssohn einen Schlaftrunk geben. Als es nun Nacht war, und der Juͤngling schon schlief, ward sie in die Kammer gefuͤhrt. Da setzte sie sich ans Bett, und sagte ‘ich bin dir nachgefolgt sieben Jahre, bin bei Sonne, Mond und den Winden gewesen, und habe nach dir gefragt, und habe dir geholfen gegen den Lindwurm, willst du mich denn ganz vergessen?’ Der Koͤnigssohn aber schlief so hart, daß es ihm nur vorkam, als rausche der Wind draußen in den Tannenbaͤumen. Wie nun der Morgen anbrach, da ward sie wieder hinausgefuͤhrt, und mußte das goldene Kleid hingeben. Und als auch das nichts geholfen hatte, ward sie traurig, gieng hinaus auf eine Wiese, setzte sich da hin, und weinte. Und wie sie so saß, da fiel ihr das Ei noch ein, das ihr der Mond gegeben hatte; sie schlug es auf, da kam eine Glucke heraus mit zwoͤlf Kuͤchlein ganz von Gold, die liefen herum, und piepten und krochen der Alten wieder unter die Fluͤgel, so daß nichts schoͤneres auf der Welt zu sehen war. Da stand sie auf, trieb sie auf der Wiese vor sich her, so lange bis die Braut aus dem Fenster sah, und da gefielen ihr die kleinen Kuͤchlein so gut, daß sie gleich herab14 kam, und fragte ob sie nicht feil waͤren? ‘Nicht fuͤr Geld und Gut, aber fuͤr Fleisch und Blut; laßt mich noch eine Nacht in der Kammer schlafen, wo der Braͤutigam schlaͤft.’ Die Braut sagte ja, und wollte sie betruͤgen wie am vorigen Abend. Als aber der Koͤnigssohn zu Bett gieng, fragte er seinen Kammerdiener was das Murmeln und Rauschen in der Nacht gewesen sey. Da erzaͤhlte der Kammerdiener alles, daß er ihm einen Schlaftrunk haͤtte geben muͤssen, weil ein armes Maͤdchen heimlich in der Kammer geschlafen haͤtte, und heute Nacht sollte er ihm wieder einen geben. Sagte der Koͤnigssohn ‘gieß den Trank neben das Bett aus.’ Zur Nacht wurde sie wieder hereingefuͤhrt, und als sie anfieng zu erzaͤhlen wie es ihr traurig ergangen waͤre, da erkannte er gleich an der Stimme seine liebe Gemahlin, sprang auf, und rief ‘jetzt bin ich erst recht erloͤst, mir ist gewesen, wie in einem Traum, denn die fremde Koͤnigstochter hat mich bezaubert, daß ich dich vergessen mußte, aber Gott hat noch zu rechter Stunde die Bethoͤrung von mir genommen.’ Da giengen sie beide in der Nacht heimlich aus dem Schloß, denn sie fuͤrchteten sich vor dem Vater der Koͤnigstochter, der ein Zauberer war, und setzten sich auf den Vogel Greif, der trug sie uͤber das rothe Meer, und als sie in der Mitte waren, ließ sie die Nuß fallen. Alsbald wuchs ein großer Nußbaum, darauf ruhte sich der Vogel, und dann fuͤhrte er sie nach Haus, wo sie ihr Kind fanden, das war groß und schoͤn geworden, und sie lebten von nun an vergnuͤgt bis an ihr Ende.
Es lebte einmal eine alte Koͤnigin, der war ihr Gemahl schon lange Jahre gestorben, und sie hatte eine schoͤne Tochter. Wie die erwuchs, wurde sie weit uͤber Feld auch an einen Koͤnigssohn versprochen. Als nun die Zeit kam, wo sie vermaͤhlt werden sollten, und das Kind in das fremde Reich abreisen mußte, packte ihr die Alte gar viel koͤstliches Geraͤth und Geschmeide ein, Gold und Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was nur zu einem koͤniglichen Brautschatz gehoͤrte, denn sie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab sie ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten und die Braut in die Haͤnde des Braͤutigams uͤberliefern sollte, und jede bekam ein Pferd zur Reise, aber das Pferd der Koͤnigstochter hieß Falada, und konnte sprechen. Wie nun die Abschiedsstunde da war, begab sich die alte Mutter in ihre Schlafkammer, nahm ein Messerlein, und schnitt damit in ihre Finger, daß sie bluteten: darauf hielt sie ein weißes Laͤppchen unter, und ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab sie der Tochter, und sprach ‘liebes Kind verwahr sie wohl, sie werden dir unterweges Noth thun.’
Also nahmen beide von einander betruͤbten Abschied: das16 Laͤppchen steckte die Koͤnigstochter in ihren Busen vor sich, setzte sich aufs Pferd, und zog nun fort zu ihrem Braͤutigam. Da sie eine Stunde geritten waren, empfand sie heißen Durst, und rief ihrer Kammerjungfer ‘steig ab, und schoͤpfe mir mit meinem Becher, den du aufzuheben hast, Wasser aus dem Bache, ich moͤchte gern einmal trinken.’ ‘Wenn ihr Durst habt,’ sprach die Kammerjungfer, ‘so steigt selber ab, legt euch ans Wasser und trinkt, ich mag eure Magd nicht seyn.’ Da stieg die Koͤnigstochter vor großem Durst herunter, neigte sich uͤber das Waͤsserlein im Bach und trank, und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da sprach sie ‘ach Gott!’ da antworteten die drei Blutstropfen ‘wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen.’ Aber die Koͤnigsbraut war demuͤthig, sagte nichts, und stieg wieder zu Pferd. So ritten sie etliche Meilen weiter fort, und der Tag war warm, die Sonne stach, und sie durstete bald von neuem: da sie nun an einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer ‘steig ab, und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken.’ Denn sie hatte aller boͤsen Worte laͤngst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber, noch hochmuͤthiger, ‘wollt ihr trinken, so trinkt allein, ich mag nicht eure Magd seyn.’ Da stieg die Koͤnigstochter hernieder vor großem Durst, und legte sich uͤber das fließende Wasser, weinte und sprach ‘ach, Gott!’ und die Blutstropfen antworteten wiederum ‘wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen.’ Und wie sie so trank, und sich recht uͤberlehnte, fiel ihr das Laͤppchen, worin17 die drei Tropfen waren, aus dem Busen, und floß mit dem Wasser fort ohne daß sie es in ihrer großen Angst merkte. Die Kammerjungfer hatte aber zugesehen, und freute sich daß sie Gewalt uͤber die Braut bekaͤme: denn damit, daß diese die Blutstropfen verloren hatte, war sie schwach und machtlos geworden. Als sie nun wieder auf ihr Pferd steigen wollte, das da hieß Falada, sagte die Kammerfrau ‘auf Falada gehoͤr ich, und auf meinen Gaul gehoͤrst du,’ und das mußte sie sich gefallen lassen. Dann befahl ihr die Kammerfrau mit harten Worten die koͤniglichen Kleider auszuziehen und ihre schlechten anzulegen, und endlich mußte sie sich unter freiem Himmel verschwoͤren daß sie am koͤniglichen Hof keinem Menschen etwas davon sprechen wollte; und wenn sie diesen Eid nicht abgelegt haͤtte, waͤre sie auf der Stelle umgebracht worden. Aber Falada sah das alles an, und nahms wohl in Acht.
Die Kammerfrau stieg nun auf Falada, und die wahre Braut auf das schlechte Roß, und so zogen sie weiter, bis sie endlich in dem koͤniglichen Schloß eintrafen. Da war große Freude uͤber ihre Ankunft, und der Koͤnigssohn sprang ihnen entgegen, hob die Kammerfrau vom Pferde, und meinte sie waͤre seine Gemahlin: und sie wurde die Treppe hinaufgefuͤhrt die wahre Koͤnigstochter aber mußte unten stehen bleiben. Da schaute der alte Koͤnig am Fenster, und sah sie im Hofe halten, und sah wie sie fein war, zart und gar schoͤn: gieng alsbald hin ins koͤnigliche Gemach, und fragte die Braut nach der, die sie bei sich haͤtte, und da unten im Hofe staͤnde, und wer sie18 waͤre? ‘Die hab ich mir unterwegs mitgenommen zur Gesellschaft, gebt der Magd was zu arbeiten, daß sie nicht muͤßig steht.’ Aber der alte Koͤnig hatte keine Arbeit fuͤr sie, und wußte nichts, als daß er sagte ‘da hab ich so einen kleinen Jungen, der huͤtet die Gaͤnse, dem mag sie helfen.’ Der Junge hieß Kuͤrdchen (Conraͤdchen), dem mußte die wahre Braut helfen Gaͤnse huͤten.
Bald aber sprach die falsche Braut zu dem jungen Koͤnig ‘liebster Gemahl, ich bitte euch thut mir einen Gefallen.’ Er antwortete ‘das will ich gerne thun.’ ‘Nun so laßt den Schinder rufen, und da dem Pferde, worauf ich hergeritten bin, den Hals abhauen, weil es mich unterweges geaͤrgert hat,’ eigentlich aber fuͤrchtete sie daß das Pferd sprechen moͤchte wie sie mit der Koͤnigstochter umgegangen waͤre. Nun war das so weit gerathen, daß es geschehen und der treue Falada sterben sollte, da kam es auch der rechten Koͤnigstochter zu Ohr, und sie versprach dem Schinder heimlich ein Stuͤck Geld, das sie ihm bezahlen wollte, wenn er ihr einen kleinen Dienst erwiese. Jn der Stadt war ein großes, finsteres Thor, wo sie Abends und Morgens mit den Gaͤnsen durch mußte, ‘unter das finstere Thor moͤchte er dem Falada seinen Kopf hinnageln, daß sie ihm doch noch mehr als einmal sehen koͤnnte.’ Also versprach das der Schindersknecht zu thun, hieb den Kopf ab, und nagelte ihn unter das finstere Thor fest.
Des Morgens fruͤh, als sie und Kuͤrdchen unterm Thor hinaus trieben, sprach sie im Vorbeigehen
19da antwortete der Kopf
Da zog sie still weiter zur Stadt hinaus, und sie trieben die Gaͤnse aufs Feld. Und wenn sie auf der Wiese angekommen war, saß sie hier, und machte ihre Haare auf, die waren eitel Gold, und Kuͤrdchen sah sie, und freute sich, wie sie glaͤnzten, und wollte ihr ein paar ausraufen. Da sprach sie
Und da kam ein so starker Wind, daß er dem Kuͤrdchen sein Huͤtchen wegwehte uͤber alle Land, daß es ihm nachlief, und bis es wiederkam war sie mit dem Kaͤmmen und Aufsetzen fertig, und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kuͤrdchen boͤs, und sprach nicht mit ihr, und so huͤteten sie die Gaͤnse bis daß es Abend wurde, dann fuhren sie nach Haus.
Den andern Morgen, wie sie unter dem finstern Thor hinaustrieben, sprach die Jungfrau
Falada antwortete
20Und in dem Feld setzte sie sich wieder auf die Wiese, und fieng an ihr Haar auszukaͤmmen, und Kuͤrdchen lief, und wollte danach greifen, da sprach sie schnell
Da wehte der Wind, und wehte ihm das Huͤtchen vom Kopf weit weg, daß Kuͤrdchen nachlaufen mußte, und als es wieder kam, hatte sie laͤngst ihr Haar zurecht, und es konnte keins davon erwischen, und sie huͤteten die Gaͤnse bis es Abend wurde.
Abends aber, nachdem sie heim kamen, gieng Kuͤrdchen vor den alten Koͤnig, und sagte ‘mit dem Maͤdchen will ich nicht laͤnger Gaͤnse huͤten.’ ‘Warum denn?’ fragte der alte Koͤnig. ‘Ei, das aͤrgert mich den ganzen Tag.’ Da befahl ihm der alte Koͤnig zu erzaͤhlen wies ihm denn mit ihr gienge. Da sagte Kuͤrdchen ‘Morgens, wenn wir unter dem finstern Thor mit der Heerde durchkommen, so ist da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet sie
da antwortet der Kopf
21Und so erzaͤhlte Kuͤrdchen weiter, was auf der Ganswiese geschaͤhe, und wie es da dem Hut im Winde nachlaufen muͤßte.
Der alte Koͤnig befahl ihm aber den naͤchsten Tag wieder hinaus zu treiben, und er selbst, wie es Morgens war, setzte sich hinter das finstere Thor, und hoͤrte da wie sie mit dem Haupt des Falada sprach: und dann gieng er ihr auch nach in das Feld, und barg sich in einem Busch auf der Wiese. Da sah er nun bald mit seinen eigenen Augen wie die Gaͤnsemagd und der Gaͤnsejunge die Heerde getrieben brachte, und nach einer Weile sie sich setzte und ihre Haare losflocht, die strahlten von Ganz. Gleich sprach sie wieder:
Da kam ein Windstoß und fuhr mit Kuͤrdchens Hut weg, daß es weit zu laufen hatte, und die Magd kaͤmmte und flocht ihre Locken still fort, welches der alte Koͤnig alles beobachtete. Darauf gieng er unbemerkt zuruͤck, und als Abends die Gaͤnsemagd heim kam, rief er sie bei Seite, und fragte ‘warum sie dem allem so thaͤte?’ ‘Das darf ich euch und keinem Menschen nicht sagen, denn so hab ich mich unter freiem Himmel verschworen,22 weil ich sonst um mein Leben waͤre gekommen. Er aber drang in sie, und ließ ihr keinen Frieden: ‘willst du mirs nicht erzaͤhlen, sagte der alte Koͤnig endlich, so darfst dus doch dem Kachelofen erzaͤhlen.’ ‘Ja, das will ich wohl’ antwortete sie. Damit mußte sie in den Ofen kriechen, und schuͤttete ihr ganzes Herz aus, wie ihr bis dahin ergangen, und wie sie von der boͤsen Kammerjungfer betrogen worden war. Aber der Ofen hatte oben ein Loch, da lauerte ihr der alte Koͤnig zu, und vernahm ihr Schicksal von Wort zu Wort. Da wars gut, und Koͤnigskleider wurden ihr alsbald angethan, und es schien ein Wunder, wie sie so schoͤn war. Der alte Koͤnig rief seinen Sohn, und offenbarte ihm daß er die falsche Braut haͤtte, die waͤre bloß ein Kammermaͤdchen: die wahre aber staͤnde hier, als die gewesene Gaͤnsemagd. Der junge Koͤnig aber war herzensfroh, als er ihre Schoͤnheit und Tugend erblickte, und ein großes Mahl wurde angestellt, zu dem alle Leute und guten Freunde gebeten wurden. Obenan saß der Braͤutigam, die Koͤnigstochter zur einen Seite und die Kammerjungfer zur andern, aber die Kammerjungfer war verblendet, und erkannte jene nicht mehr in dem glaͤnzenden Schmuck. Als sie nun gegessen und getrunken hatten, und gutes Muths waren, gab der alte Koͤnig der Kammerfrau ein Raͤthsel auf, was eine solche werth waͤre, die den Herrn so und so betrogen haͤtte, erzaͤhlte damit den ganzen Verlauf, und fragte ‘welches Urtheils ist diese wuͤrdig?’ Da sprach die falsche Braut ‘die ist nichts besseres werth als splinternackt ausgezogen in ein Faß, das inwendig mit spitzen Naͤgeln23 beschlagen ist, geworfen zu werden: und zwei weiße Pferde, davor gespannt, muͤssen sie Gasse auf Gasse ab zu Tode schleifen.’ ‘Das bist du,’ sprach der alte Koͤnig, ‘und dein eigen Urtheil hast du gefunden, und danach soll dir widerfahren;’ welches auch vollzogen wurde. Der junge Koͤnig vermaͤhlte sich aber mit seiner rechten Gemahlin, und beide beherrschten ihr Reich in Frieden und Seligkeit.
Ein Bauersmann hatte einen Sohn, der war so groß wie ein Daumen, und ward gar nicht groͤßer, und wuchs in etlichen Jahren nicht haarbreit. Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen, und pfluͤgen, da sagte der Kleine ‘Vater, ich will mit hinaus.’ ‘Nein,’ sprach der Vater, ‘bleib du nur hier, draußen bist du zu nichts nutz, du koͤnntest mir auch verloren gehen.’ Da fieng der Daͤumling an zu weinen, und wollte der Vater Ruhe haben, so mußte er ihn mitnehmen. Also steckte er ihn in die Tasche, und auf dem Felde that er ihn heraus, und setzte ihn in eine frische Furche. Wie er da so saß, kam uͤber den Berg ein großer Riese daher. ‘Siehst du dort den großen Butzemann?’ sagte der Vater, und wollte den Kleinen schrecken, damit er artig waͤre, ‘der kommt und holt dich.’ Der Riese aber hatte mit seinen langen Beinen nur ein Paar Schritte gethan, so war er bei der Furche, nahm den kleinen Daͤumling heraus, und gieng mit ihm fort. Der Vater stand dabei, konnte vor Schreck kein Wort sprechen, und glaubte sein Kind waͤre nun verloren, also daß ers sein Lebtag nicht wieder sehen wuͤrde.
Der Riese aber nahm es mit sich, und ließ es an seiner25 Brust saugen, und der Daͤumling wuchs, und ward groß und stark nach Art der Riesen, und als zwei Jahre herum waren, gieng der Alte mit ihm in den Wald, und wollte ihn versuchen, und sprach ‘zieh dir da eine Gerte heraus.’ Da war der Knabe schon so stark, daß er einen jungen Baum mit den Wurzeln aus der Erde riß. Der Riese aber dachte ‘das muß besser kommen,’ und nahm ihn wieder mit, saͤugte ihn noch zwei Jahre, und als er ihn abermals in den Wald fuͤhrte, sich zu versuchen, riß er schon einen viel groͤßeren Baum heraus. Das war aber dem Riesen noch nicht genug, und er saͤugte ihn noch zwei Jahre, gieng dann mit ihm in den Wald, und sprach: ‘nun reiß einmal eine ordentliche Gerte aus.’ Da riß der Junge den dicksten Eichenbaum aus der Erde, daß es krachte, und war ihm nur ein Spaß. Wie der alte Riese das sah, sprach er ‘nun ists gut, du hast ausgelernt,’ und fuͤhrte ihn zuruͤck auf den Acker, wo er ihn geholt hatte. Sein Vater pfluͤgte gerade wieder, da gieng der junge Riese auf ihn zu, und sprach ‘sieht er wohl, Vater, wies gekommen ist, und was sein Sohn fuͤr ein Mann geworden ist.’ Da erschrack der Bauer, und sagte ‘nein, du bist mein Sohn nicht, geh weg von mir.’ ‘Freilich bin ich sein Sohn, laß er mich einmal pfluͤgen, ich kanns so gut, wie er auch.’ ‘Nein, du bist mein Sohn nicht, du kannst auch nicht pfluͤgen, geh nur weg von mir.’ Weil er sich aber vor dem großen Mann fuͤrchtete, ließ er den Pflug los, gieng weg, und setzte sich zur Seite ans Land. Da nahm der Junge das Geschirr, und wollte pfluͤgen, und druͤckte blos mit der einen Hand darauf, aber der Druck26 war schon so gewaltig, daß der Pflug tief in die Erde gieng. Der Bauer konnte das nicht mit ansehen, und rief ihm zu ‘wenn du pfluͤgen willst, mußt du nicht so gewaltig druͤcken, das gibt ja schlechte Arbeit.’ Der Junge aber spannte die Pferde aus, und spannte sich selber vor den Pflug, und sagte ‘geh er nur nach Haus, Vater, und sag er der Mutter, sie sollte eine große Schuͤssel voll zu essen kochen; ich will derweil den Acker schon herumreißen.’ Da gieng der Bauer heim, und bestellte es bei seiner Frau, und die kochte eine tuͤchtige Schuͤssel voll; der Junge aber pfluͤgte das Land, zwei Morgen Felds, ganz allein, und dann spannte er sich auch selber vor die Egge, und eggte alles mit zwei Eggen zugleich. Wie er fertig war, gieng er in den Wald, und riß zwei Eichenbaͤume aus, legte sie auf die Schultern, und hinten und vorn eine Egge drauf, und hinten und vorn auch ein Pferd, und trug das alles wie ein Bund Stroh nach Haus. Wie er in den Hof kam, erkannte ihn seine Mutter nicht, und fragte ‘wer ist der entsetzliche, große Mann?’ Der Bauer sagte ‘das ist unser Sohn.’ Sie sprach ‘nein, unser Sohn ist das nimmermehr, so groß haben wir keinen gehabt, unser war ein kleines Ding. ‘Geh nur weg,’ rief sie ihm zu ‘wir wollen dich nicht.’ Der Junge aber schwieg still, zog seine Pferde in den Stall, gab ihnen Hafer und Heu, und brachte alles in Ordnung; und wie er fertig war, gieng er in die Stube, setzte sich auf die Bank, und sagte ‘Mutter, nun haͤtte ich Lust zu essen, ists bald fertig?’ Da sagte sie ‘ja,’ getraute sich nicht ihm zu widersprechen, und brachte zwei große große Schuͤsseln voll herein, daran haͤtte sie27 und ihr Mann acht Tage lang satt gehabt. Er aber aß sie allein auf, und fragte ob sie nicht mehr haͤtten? ‘Nein,’ sagte sie, ‘das ist alles, was wir haben.’ ‘Das war ja nur zum schmecken, ich muß noch mehr haben.’ Da gieng sie hin, und setzte einen großen Schweinekessel voll uͤbers Feuer, und wie es gahr war, trug sie es herein. ‘Nun, da ist noch ein Bischen’ sagte er, und aß das alles noch hinein; es war aber doch noch nicht genug. Da sprach er ‘Vater, ich sehe wohl, bei ihm werd ich nicht satt, will er mir einen Stab von Eisen verschaffen, der stark ist, und den ich vor meinen Knien nicht zerbrechen kann, so will ich wieder fort gehen.’ Da war der Bauer froh, und spannte seine zwei Pferde vor den Wagen, fuhr zum Schmied, und holte einen Stab so groß und dick, als ihn die zwei Pferde nur fahren konnten. Der Junge aber nahm ihn vor die Knie und ratsch! zerbrach er ihn wie eine Bohnenstange in der Mitte entzwei. Der Vater spannte da vier Pferde vor, und holte einen Stab so groß und dick, als ihn die vier Pferde fahren konnten. Den nahm der Sohn auch, knickte ihn vor dem Knie entzwei, warf ihn hin, und sprach ‘Vater, der kann mir nicht helfen, er muß besser vorspannen, und einen staͤrkern Stab holen.’ Da spannte der Vater acht Pferde vor, und holte einen so groß und dick, als ihn die acht Pferde nur fahren konnten. Wie der Sohn den kriegte, brach er gleich oben ein Stuͤck davon ab, und sagte ‘Vater, ich sehe er kann mir doch keinen Stab anschaffen, ich will nur so weggehen.’
Da gieng er fort und gab sich fuͤr einen Schmiedegesellen aus. 28Er kam in ein Dorf, darin wohnte ein Schmied, der war ein Geizmann, goͤnnte keinem Menschen etwas, und wollte alles allein haben; zu dem trat er in die Schmiede, und fragte ihn ob er keinen Gesellen brauchte.’ ‘Ja,’ sagte der Schmied, und sah ihn an, und dachte das ist ein tuͤchtiger Kerl, der wird gut vorschlagen und sein Brot verdienen, ‘wie viel willst du Lohn haben?’ ‘Gar keinen will ich haben,’ sagte er, ‘nur alle vierzehn Tage, wenn die andern Gesellen ihren Lohn bezahlt kriegen, will ich dir zwei Streiche geben, die mußt du aushalten.’ Das war der Geizmann von Herzen zufrieden, und dachte damit viel Geld zu sparen. Am andern Morgen sollte der fremde Geselle zuerst vorschlagen, wie aber der Meister den gluͤhenden Stab brachte, und der Geselle den ersten Schlag that, da flog das Eisen von einander, und der Ambos sank in die Erde, so tief, daß sie ihn gar nicht wieder herausbringen konnten. Da ward der Geizmann boͤs, und sagte ‘ei was, dich kann ich nicht brauchen, du schlaͤgst gar zu grob, was willst du fuͤr den einen Zuschlag haben?’ Da sprach er ‘ich will dir nur einen ganz kleinen Streich geben, weiter nichts.’ Und hob seinen Fuß auf, und gab ihm einen Tritt, daß er uͤber vier Fuder Heu hinausflog. Darauf nahm er den dicksten Eisenstab aus der Schmiede als einen Stock in die Hand, und gieng weiter.
Als er eine Weile gezogen war, kam er zu einem Amt, und fragte den Amtmann ob er keinen Großknecht noͤthig haͤtte. ‘Ja,’ sagte der Amtmann, ‘er koͤnnte einen brauchen, er sehe aus wie ein tuͤchtiger Kerl, der schon was vermoͤchte, wie viel er Jahrslohn29 haben wollte.’ Da sprach er wieder er wollte gar keinen Lohn, aber alle Jahre wollte er ihm drei Streiche geben, die muͤßte er aushalten. Das war der Amtmann zufrieden, denn er war auch so ein Geizhals. Am andern Morgen, da sollten die Knechte ins Holz fahren, und die andern waren schon auf, er aber lag noch im Bett. Da rief ihn einer an ‘nun steh auf, es ist Zeit, wir wollen ins Holz, du mußt mit.’ ‘Ach,’ sagte er ganz grob und trotzig, ‘geht ihr nur hin, ich komme doch eher wieder, als ihr alle mit einander.’ Da giengen die andern zum Amtmann, und erzaͤhlten ihm der Großknecht laͤge noch im Bett, und wollte nicht mit ins Holz fahren. Der Amtmann sagte sie sollten ihn noch einmal wecken, und ihn heißen die Pferde vorspannen. Der Großknecht sprach aber wie vorher ‘geht ihr nur hin, ich komme doch eher wieder, als ihr alle mit einander.’ Darauf blieb er noch zwei Stunden liegen, da stieg er endlich aus den Federn, holte sich aber erst zwei Scheffel voll Erbsen vom Boden, kochte sie, und aß sie in guter Ruhe, und wie das alles geschehen war, gieng er hin, spannte die Pferde vor, und fuhr ins Holz. Bald vor dem Holz war ein Hohlweg, wo er durch mußte, da fuhr er den Wagen erst vorwaͤrts, dann mußten die Pferde stille halten, und er gieng hinter den Wagen, und nahm Baͤume und Reisig, und machte da eine große Hucke (Verhack), so daß kein Pferd durchkommen konnte. Wie er nun vors Holz kam, fuhren die andern eben mit ihren beladenen Wagen heraus und wollten heim, da sprach er zu ihnen ‘fahrt nur hin, ich komme doch eher als ihr nach Haus.’ Er fuhr aber gar30 nicht weit ins Holz, und riß gleich zwei von den allergroͤßten Baͤumen aus der Erde, die lud er auf den Wagen, und drehte um. Wie er vor die Hucke kam, standen die andern noch da und konnten nicht durch. ‘Seht ihr wohl,’ sprach er, ‘waͤrt ihr bei mir geblieben, waͤrt ihr eben so gerade nach Haus gekommen, und haͤttet noch eine Stunde schlafen koͤnnen.’ Er wollte nun zufahren, aber seine vier Pferde die konnten sich nicht durcharbeiten, da spannte er sie aus, legte sie oben auf den Wagen, spannte sich selber vor, huͤf! zog er alles durch, und das gieng so leicht, als haͤtt er Federn geladen. Wie er druͤben war, sprach er zu den andern ‘seht ihr wohl, ich bin eher durchgekommen als ihr,’ und fuhr fort, die andern mußten stehen bleiben. Jn dem Hof aber nahm er einen Baum in die Hand, und zeigte ihn dem Amtmann, und sagte ‘ist das nicht ein schoͤnes Klafterstuͤck?’ Da sprach der Amtmann zu seiner Frau ‘der Knecht ist gut; wenn er auch lang schlaͤft, er ist doch eher wieder da, als die andern.’
Nun diente er dem Amtmann ein Jahr; wie das herum war, und die andern Knechte ihren Lohn kriegten, sprach er nun waͤrs Zeit, er wollte auch gern seinen Lohn sich nehmen. Dem Amtmann ward aber Angst dabei, daß er die Streiche kriegen sollte, und bat ihn gar zu sehr er moͤchte sie ihm schenken, lieber wollte er selbst Großknecht werden, und er sollte Amtmann seyn. ‘Nein,’ sprach er, ‘ich will kein Amtmann werden, ich bin Großknecht, und wills bleiben, ich will aber austheilen was bedungen ist. Der Amtmann wollte ihm geben was er nur verlangte, aber es half nichts, der Großknecht sprach zu allem nein. Da wußte31 sich der Amtmann keinen Rath, und bat ihn nur um vierzehn Tage Frist, er wollte sich auf etwas besinnen; da sprach der Großknecht die Frist sollte er haben. Der Amtmann berief alle seine Schreiber zusammen, die sollten sich bedenken, und ihm einen Rath geben; die Schreiber besannen sich lange, endlich sagten sie man muͤßte den Großknecht ums Leben bringen; er sollte große Muͤhlsteine um den Brunnen im Hof anfahren lassen, und dann ihn heißen hinabsteigen und den Brunnen rein machen, und wenn er unten waͤre, wollten sie ihm die Muͤhlsteine auf den Kopf werfen. Der Rath gefiel dem Amtmann, und da ward alles eingerichtet, und wurden die groͤßten Muͤhlsteine herangefahren. Wie nun der Großknecht im Brunnen stand, rollten sie die Steine hinab, und die schlugen hinunter, daß das Wasser in die Hoͤhe spruͤtzte. Da meinten sie gewiß der Kopf waͤre ihm eingeschlagen, aber er rief ‘jagt doch die Huͤhner vom Brunnen weg, die kratzen da oben im Sand, und werfen mir die Koͤrner in die Augen, daß ich nicht sehen kann.’ Da rief der Amtmann ‘husch! husch!’ und that als scheuchte er die Huͤhner weg. Wie nun der Großknecht fertig war, stieg er herauf und sagte ‘seht einmal, ich habe doch ein schoͤnes Halsband um,’ da waren es die Muͤhlensteine, die trug er um den Hals. Wie der Amtmann das sah, ward ihm wieder Angst, denn der Großknecht wollt ihm nun seinen Lohn geben. Da bat er wieder um vierzehn Tage Bedenkzeit, und ließ die Schreiber zusammen kommen, die gaben endlich den Rath er sollte ihn in die verwuͤnschte Muͤhle schicken, und ihn heißen dort in der Nacht noch Korn malen, da sey noch kein Mensch32 Morgens lebendig herausgegangen. Der Anschlag gefiel dem Amtmann; also rief er ihn noch denselben Abend, und sagte er sollte acht Malter Korn in die Muͤhle fahren, und in der Nacht noch malen, sie haͤttens noͤthig. Da gieng der Großknecht auf den Boden, und that zwei Malter in seine rechte Tasche, zwei in die linke, vier nahm er in einem Quersack halb auf den Ruͤcken, halb auf die Brust, und gieng so nach der verwuͤnschten Muͤhle. Der Muͤller aber sagte ihm bei Tag koͤnnte er recht gut da malen, aber nicht in der Nacht, da sey die Muͤhle verwuͤnscht, und wer da noch hineingegangen, der sey am Morgen todt darin gefunden worden. Er sprach ‘ich will schon durchkommen, macht euch nur fort, und legt euch aufs Ohr.’ Darauf gieng er in die Muͤhle, und schuͤttete das Korn auf, und wies bald elf schlagen wollte, gieng er in die Muͤllerstube, und setzte sich auf die Bank. Als er ein bischen da gesessen hatte, that sich auf einmal die Thuͤr auf, und kam eine große große Tafel herein, und auf die Tafel stellte sich Wein und Braten, und viel gutes Essen, alles von selber, denn es war niemand da ders auftrug. Und danach ruͤckten sich die Stuͤhle herbei, aber es kamen keine Leute, bis auf einmal sah er Finger, die handthierten mit den Messern und Gabeln, und legten Speisen auf die Teller, aber sonst konnte er nichts sehen. Nun war er hungrig, und sah die Speisen, da setzte er sich auch an die Tafel, und aß mit, und ließ sichs gut schmecken. Wie er aber satt war, und die andern ihre Schuͤsseln auch ganz leer gemacht hatten, da wurden die Lichter auf einmal alle ausgeputzt, das hoͤrte er deutlich, und wies nun33 stockfinster war, so kriegte er so etwas wie eine Ohrfeige ins Gesicht. Da sprach er ‘wenn noch einmal so etwas kommt, so theil ich auch wieder aus.’ Und wie er zum zweiten Mal eine Ohrfeige kriegte, da schlug er gleichfalls mit hinein. Und so gieng das fort die ganze Nacht, er ließ sich nicht schrecken, und schlug nicht faul um sich herum; bei Tagesanbruch aber hoͤrte alles auf. Wie der Muͤller aufgestanden war, wollt er nach ihm sehen, und verwunderte sich daß er noch lebte. Da sprach er ‘ich habe Ohrfeigen gekriegt, aber ich habe auch Ohrfeigen ausgetheilt, und habe mich satt gegessen.’ Der Muͤller freute sich, und sagte nun waͤre die Muͤhle erloͤst, und er wollte ihm gern zur Belohnung viel Geld geben. Er sprach aber ‘Geld will ich nicht, ich habe doch genug.’ Dann nahm er sein Mehl auf den Ruͤcken, und gieng nach Haus, und sagte dem Amtmann er haͤtte die Sache ausgerichtet, und wollte nun seinen bedungenen Lohn haben. Wie der Amtmann das hoͤrte, da ward ihm erst recht Angst, und er wußte sich nicht zu lassen, und gieng in der Stube auf und ab, daß ihm die Schweißtropfen von der Stirne herunterliefen. Da machte er das Fenster auf nach ein wenig frischer Luft, eh er sichs aber versah, hatte ihm der Großknecht einen Tritt gegeben, daß er durchs Fenster in die Luft hinein flog, immer fort, bis ihn niemand mehr sehen konnte. Da sprach der Großknecht zur Frau des Amtmanns, nun muͤßte sie den andern Streich hinnehmen, sie sagte aber ‘ach nein, ich kanns nicht aushalten,’ und machte auch ein Fenster auf, weil ihr die Schweißtropfen die Stirne herunter liefen. Da gab er ihr gleichfalls34 einen Tritt, daß sie auch hinaus flog, und noch viel hoͤher als ihr Mann. Der Mann rief ‘komm doch zu mir;’ sie aber rief ‘komm du lieber zu mir, ich kann nicht zu dir kommen.’ Und sie schwebten da in der Luft, und konnte keins zum andern, und ob sie da noch schweben, das weiß ich nicht; der junge Riese aber nahm seine Eisenstange, und gieng weiter.
Et was mal en rik Kuͤnig west, de hadde drei Doͤchter had, de woͤren alle Dage in den Schlottgoren spazeren gaen, un de Kuͤnig, dat was so en Leivhawer von allerhand wackeren Boͤmen west; un einen, den hadde he so leiv had, dat he denjenigen, de uͤnne en Appel dervon pluͤckede, hunnerd Klafter unner de Eere verwuͤnschede. As et nu Hervest war, da worden de Appel an den einen Baume so raut ase Blaud. De drei Doͤchter gungen alle Dage unner den Baum, un seihen to ov nig de Wind ’n Appel herunner schlagen haͤdde, awerst se fannen ir Levedage kienen, un de Baum, de satt so vull, dat he brecken wull, un de Telgen (Zweige) hungen bis up de Eere. Da gelustede den jungesten Kuͤnigskinne gewaldig, un et segde to sinen Suͤstern ‘use Teite (Vater), de hett us viel to leiv, ase dat he us verwuͤnschen deihe; ik gloͤve dat he dat nur wegen de fruͤmden Lude dahen hat.’ Un indes pluͤcked dat Kind en gans dicken Appel af, un sprunk fur sinen Suͤstern, und segde ‘a, nu schmecket mal, mine lewen Suͤsterkes, nu hew ik doch min Levedage so wat schones no nig schmecket.’ Da beeten de beiden annern Kuͤnigsdoͤchter auch mal in den Appel, un da versuͤnken se alle drei deip, so deip unner de Eere, dat kien Haan mer danach krehete.
As et da Middag is, da wull se de Kuͤnig do Diske roopen, do sind se nirgends to finnen: he soͤket se so viel im Schlott un in Goren, awerst he kun se nig fin nen. Da werd he so bedroͤwet,36 un let dat ganse Land upbeien (aufbieten), un wer uͤnne sine Doͤchter wier brechte, de sull ene davon tor Fruen hewen. Da gahet so viele junge Lude uwer Feld, un soͤket, dat is gans ut der Wiese (uͤber alle Maßen); denn jeder hadde de drei Kinner geren had, wiil se woͤren gegen jedermann so fruͤndlig un so schoͤn von Angesichte west. Un et togen auck drei Jaͤgerburschen ut, un ase da wol en acht Dage rieset hadden, da kummet se up en grot Schlott, da woren so huͤbsche Stoben inne west, un in einer Zimmer is en Disch decket, darup woͤren so soͤte Spisen, de sied noch so warme dat se dampet, awerst in den ganzen Schlott is kien Minsk to hoͤren noch to seihen. Da wartet se noch en halwen Dag, un de Spisen bliewet immer un dampet, bis up et lest, da weret se so hungerig, dat se sik derbie settet un ettet, un macket mit en anner ut se wullen up den Schlotte wuhnen bliewen, un wuͤllen daruͤmme loosen, dat eine in Huse blev, un de beiden annern de Dochter soͤketen; dat doet se auk, un dat Loos dreppet den oͤlesten. Den annern Dag, da gaet de twei juͤngesten soͤken, un de oͤleste mot to Huse bliewen. Am Middage kuͤmmt der so en klein klein Maͤnneken, un hoͤlt um ’n Stuͤkesken Braud ane, da nuͤmmt he von dem Braude, wat he da funnen haͤdde, un schnitt en Stuͤcke rund umme den Braud weg, un will uͤnne dat giewen, indes dat he et uͤnne reiket, lett et dat kleine Maͤnneken fallen, un segd he sulle dok so gut sin un giewen uͤn dat Stuͤcke wier. Da will he dat auck doen, un bucket sik, mit des nuͤmmt dat Maͤnneken en Stock, un paͤckt uͤnne bie den Haaren, un giwt uͤnne duͤete Schlaͤge. Den anneren37 Dag, da is de tweide to Hus bliewen, den geit et nicks better. Ase de beiden annern da den Avend nah Hus kuͤmmet, da segd de oͤleste ‘no, wie haͤtt et die dann gaen?’ ‘O, et geit mie gans schlechte.’ Da klaget se sik enanner ehre Naud, awerst den jungesten hadden se nicks davonne sagd, den hadden se gar nig lien (leiden) mogt, un hadden uͤnne jummer den dummen Hans heiten, weil he nig recht van de Weld was. Den dridden Dag, da blivt de jungeste to Hus, da kuͤmmet dat kleine Maͤnneken wier, un hoͤlt um en Stuͤcksken Braud an; da he uͤnne da giewen haͤtt, let he et wier fallen, un segd he muͤgte dock so gut sien un reicken uͤnne dat Stuͤcksken wier. Da segd he to den kleinen Maͤnneken ‘wat! kannst du dat Stuͤcke nig sulwens wier up nummen, wenn du die de Moͤhe nig mal um dine daͤglichge Narunge giewen wust, so bist du auck nig werth, dat du et etest.’ Da word dat Maͤnneken so boͤs, un sehde he moͤst et doen; he awerst nig fuhl, nam min lewe Maͤnneken, un drosch et duet doͤr (tuͤchtig durch). Da schrige dat Maͤnneken so viel un rep ‘hoͤr up, hoͤr up, un lat mie geweren, dann will ik die auck seggen wo de Kuͤnigsdoͤchter sied.’ Wie he dat hoͤrde, haͤll he up to slaen, un dat Maͤnneken vertelde he woͤr en Erdmaͤnneken, und sulke woͤren mehr ase dusend, he moͤgte man mit uͤnne gaen, dann wulle he uͤnne wiesen wo de Kuͤnigsdoͤchter weren. Da wist he uͤnne en deipen Born, da is awerst kien Water inne west. Da segd dat Maͤnneken he wuste wohl dat et sine Gesellen nig ehrlich mit uͤnne meinten, wenn he de Kuͤnigskinner erloͤsen wulle, dann moͤste he et alleine doen. De beiden annern38 Broer wullen wohl auck geren de Kuͤnigsdoͤchter wier hewen, awerst se wullen der kiene Moͤge un Gefahr umme doen, he moͤste so en grauten Korv nuͤmmen, un moͤste sik mit sinen Hirschfaͤnger un en Schelle darinne setten, un sik herunner winnen laten: unnen da woͤren drei Zimmer, in jeden sette ein Kuͤnigskind, un haͤdde en Drachen mit villen Koͤppen to lusen, den moͤste he de Koͤppe afschlagen. Ase dat Erdmaͤnneken nu dat alle sagd hadde, verschwand et. Ase’t Awend is, da kuͤmmet de beiden anneren, un fraget wie et uͤn gaen haͤdde, da segd he ‘o, so wit gud,’ un haͤdde keinen Minsken sehen, ase des Middags, da wer so ein klein Maͤnneken kummen, de haͤdde uͤn umme en Stuͤcksken Braud biddit, do he et uͤnne giewen haͤdde, haͤdde dat Maͤnneken et fallen laten, und haͤdde segd he moͤgtet uͤnne doch wier up nuͤmmen, wie he dat nig hadde doen wullt, da haͤdde et anfangen to puchen, dat haͤdde he awerst unrecht verstan, un haͤdde dat Maͤnneken pruͤgelt, un da haͤdde et uͤnne vertellt, wo de Kuͤnigsdoͤchter waͤren. Da aͤrgerten sik de beiden so viel, dat se gehl un groͤn woͤren. Den anneren Morgen da gungen se to haupe an den Born, un mackten Loose, wer sik dat erste in den Korv setten sulle, do feel dat Loos wier den oͤllesten to, he mot sik darin setten, un de Klingel mitnuͤmmen. Da segd he ‘wenn ik klingele, so mutt gi mik nur geschwinne wier herupwinnen.’ Ase he en bitken herunner is, da klingelte wat, da winnen se uͤnne wier heruper, da sett sik de tweide herinne, de maket ewen sau; nu kuͤmmet dann auck de Riege an den jungesten, de laͤt sik awerst gans derinne runner winnen. Ase he ut den Korwe stiegen39 is, da nuͤmmet he sinen Hirschfaͤnger, un geit vor der ersten Doer staen, un lustert, da hort he den Drachen gans lute schnarchen; he macket langsam de Doͤre oppen, da sitt da de eine Kuͤnigsdochter, un haͤd op eren Schot niegene (neun) Drachenkoͤppe ligen, un luset de. Da nuͤmmet he sinen Hirschfaͤnger, un hogget to, do sied de niegne Koppe awe. De Kuͤnigsdochter sprank up, un faͤl uͤnne um den Hals, un drucket un piepete (kuͤßte) uͤnn so viel; un nuͤmmet ihr Bruststuͤcke, dat wor von rauen Golle west, un henget uͤnne dat umme. Da geit he auck nach der tweiden Kuͤnigsdochter, de haͤd en Drachen mit sieven Koͤppe to lusen, un erloͤset de auck, so de jungeste, de hadde en Drachen mit viere Koͤppen to lusen had, da geit he auck hinne. Do froget se sich alle so viel, un drucketen un piepeten ohne uphoͤren. Da klingelte he sau harde, bis dat se owen hoͤrt. Da set he de Kuͤnigsdochter ein nach der annern in den Korv, un let se alle drei heruptrecken, wie nu an uͤnne de Riege kuͤmmt, da fallet uͤn de Woore (Worte) von den Erdmaͤnneken wier bie, dat et sine Gesellen mit uͤnne nig gud meinden. Da nuͤmmet he en groten Stein, de da ligt, un legt uͤn in den Korv, ase de Korv da ungefaͤhr bis in de Midde herup is, schnien de falsken Broer owen dat Strick af, dat de Korv mit den Stein up den Grund fuͤll, un meinten he woͤre nu daude, un laupet mit de drei Kuͤnigsdoͤchter wege, un latet sik dervan verspreken dat se an ehren Vater seggen willt dat se beiden se erloͤset haͤdden; da kuͤmmet se tom Kuͤnig, un begert se tor Frugen. Unnerdes geit de jungeste Jaͤgerbursche gans bedroͤwet in den drei Kammern herummer, un denket dat he nu wull sterwen moͤste, da suͤht he an der Wand ’n Fleutenpipe hangen, da40 segd he ‘woruͤmme hengest du da wull, hier kann ja doch keiner lustig sin?’ He bekucket auck de Drachenkoͤppe, un segd ‘ju kuͤnnt mie nu auck nig helpen.’ He geit so mannigmal up un af spatzeren, dat de Erdboden davon glat werd. Up et lest, da kriegt he annere Gedanken, da nuͤmmet he de Fleutenpipen van der Wand, un blest en Stuͤcksken, up eenmahl kummet da so viele Erdmaͤnnekens, bie jeden Don, den he daͤht, kummt eint mehr; da blest he so lange dat Stuͤcksken, bis det Zimmer stopte vull is. De fraget alle wat sin Begeren woͤre, da segd he he wull geren wier up de Ere an Dages Licht, da fatten se uͤnne alle an, an jeden Spir (Faden) Haar, wat he up sinen Koppe hadde, un sau fleiget se mit uͤnne herupper bis up de Ere. Wie he owen is, geit he glick nach den Kuͤnigsschlott, wo grade de Hochtit mit der einen Kuͤnigsdochter sin sulle, he geit up den Zimmer, wo de Kuͤnig mit sinen drei Doͤchtern is. Wie uͤnne da de Kinner seihet, da wered se gans beschwaͤmt (ohnmaͤchtig). Da werd de Kuͤnig so boͤse, un let uͤnne glick in een Gefaͤngnisse setten, wiel he meint he haͤdde den Kinnern en Leid anne daen. Ase awer de Kuͤnigsdoͤchter wier to sik kummt, da biddet se so viel he mogte uͤnne doch wier lose laten. De Kuͤnig fraget se woruͤmme, da segd se dat se dat nig vertellen dorften, awerst de Vaer de segd se sullen et den Owen (Ofen) vertellen. Da geit he herut, un lustert an de Doͤre, un hoͤrt alles. Da laͤt he de beiden an en Galgen haͤngen, un den einen givt he de jungeste Dochter; un da trok ik en Paar glaͤserne Schohe an, un da stott ik an en Stein, da segd et ‘klink!’ da waͤren se caput.
Ein Kaufmann, der hatte zwei Kinder, einen Buben und ein Maͤdchen, die waren beide noch klein, und konnten noch nicht laufen. Es giengen aber zwei reichbeladene Schiffe von ihm auf dem Meer, und sein ganzes Vermoͤgen war darin, und wie er meinte dadurch viel Geld zu gewinnen, kam die Nachricht, sie waͤren versunken. Da war er nun statt eines reichen Mannen ein armer Mann, und hatte nichts mehr uͤbrig als einen Acker vor der Stadt. Um sich sein Ungluͤck ein bischen aus den Gedanken zu schlagen, gieng er hinaus auf den Acker, und wie er da so auf und abgieng, stand auf einmal ein kleines schwarzes Maͤnnchen neben ihm, und fragte warum er so traurig waͤre, und was er sich so sehr zu Herzen naͤhme. Da sprach der Kaufmann ‘wenn du mir helfen koͤnntest, wollt ich dir es wohl sagen.’ ‘Wer weiß,’ sagte das schwarze Maͤnnchen, ‘sage mirs nur, vielleicht helf ich dir.’ Da erzaͤhlte der Kaufmann daß ihm sein ganzer Reichthum auf dem Meer zu Grunde gegangen waͤre, und haͤtte er nichts mehr uͤbrig als diesen Acker.’ ‘O, da bekuͤmmere dich nicht,’ sagte das Maͤnnchen, ‘wenn du mir versprichst das, was dir zu Haus am ersten widers Bein stoͤßt, in zwoͤlf Jahren hierher auf den Platz zu bringen, sollst du Geld haben so viel du willst.’ 42Der Kaufmann dachte ‘das ist ein geringes, was kann das anders seyn, als mein Hund,’ aber an seinen kleinen Jungen dachte er nicht, und sagte ja, und gab dem schwarzen Mann Handschrift und Siegel daruͤber, und gieng nach Haus.
Als er nach Haus kam, da hatte sich sein kleiner Junge so gefreut, daß er sich an den Baͤnken hielt, zu ihm hinwackelte, und ihn an den Beinen fest packte. Da erschrack der Vater, und wußte nun was er verschrieben hatte; weil er aber immer noch kein Geld sah, dachte er es waͤr nur ein Spaß von dem Maͤnnchen gewesen. Ohngefaͤhr einen Monat nachher gieng er auf den Boden, und wollte das alte Zinn zusammensuchen und verkaufen, um noch etwas daraus zu loͤsen, da sah er einen großen Haufen Geld liegen. Wie er das Geld sah, war er vergnuͤgt, kaufte wieder ein, ward ein groͤßerer Kaufmann, als vorher, und ließ Gott einen guten Mann seyn. Unterdessen ward der Junge groß, und dabei klug und gescheidt. Je mehr aber die zwoͤlf Jahre herbeikamen, je aͤngster ward es dem Kaufmann, so daß man ihm die Angst im Gesicht sehen konnte. Da fragte ihn der Sohn einmal was ihm fehlte; der Vater wollt es nicht sagen, aber er hielt so lange an, bis er ihm endlich sagte er haͤtte ihn, ohne daß er gewußt was er verspraͤche, einem schwarzen Maͤnnchen zugesagt, und vieles Geld dafuͤr bekommen, und haͤtte seine Handschrift mit Siegel daruͤber gegeben, und nun muͤste er ihn, wenn zwoͤlf Jahre jetzt herum waͤren, ausliefern. Da sprach der Sohn ‘o Vater, laßt euch nicht bang seyn, das soll schon gut werden, der Schwarze hat keine Macht uͤber mich.’
43Da ließ sich der Sohn von dem Geistlichen segnen, und als die Stunde kam, giengen sie zusammen hinaus auf den Acker, und der Sohn machte einen Kreiß, und stellte sich mit seinem Vater hinein. Da kam das schwarze Maͤnnchen, und sprach zu dem Alten ‘hast du, was du mir versprochen hast?’ Er schwieg aber still, und der Sohn sprach ‘was willst du hier?’ Da sagte das schwarze Maͤnnchen ‘ich habe mit deinem Vater zu sprechen, und nicht mit dir.’ Der Sohn antwortete ‘du hast meinen Vater betrogen und verfuͤhrt, gib die Handschrift heraus.’ ‘Nein,’ sagte das schwarze Maͤnnchen, ‘mein Recht geb ich nicht auf.’ Da redeten sie noch lange mit einander, endlich wurden sie einig, der Sohn, weil er nicht dem Erbfeind und nicht mehr seinem Vater zugehoͤrte, sollte sich in ein Schiffchen setzen, das auf einem hinabwaͤrts fließenden Wasser staͤnde, und der Vater sollte es mit seinem eigenen Fuß fortstoßen, und da sollte der Sohn dem Wasser uͤberlassen bleiben. Da nahm er Abschied von seinem Vater, und setzte sich in ein Schiffchen, und der Vater mußte es mit seinem eigenen Fuß fortstoßen. Und das Schiffchen drehte sich herum, daß der unterste Theil oben war, die Decke aber im Wasser, und der Vater glaubte, er waͤre verloren, gieng heim, und trauerte um ihn.
Das Schiffchen aber floß ganz ruhig fort, und gieng nicht unter, und der Juͤngling saß sicher darin, und so floß es lange, bis es endlich an einem unbekannten Ufer festsitzen blieb. Da stieg er ans Land, sah ein schoͤnes Schloß vor sich liegen, und gieng drauf los. Wie er aber hineintrat, war es verwuͤnscht, und44 alles war leer, bis er zuletzt in einer Kammer eine Schlange antraf. Die Schlange aber war eine verwuͤnschte Jungfrau, die freute sich, wie sie ihn sah und sprach zu ihm ‘kommst du, mein Erloͤser? auf dich habe ich schon zwoͤlf Jahre gewartet, dies Reich ist verwuͤnscht, und du mußt es erloͤsen. Heute Nacht kommen zwoͤlf Maͤnner, schwarz und mit Ketten behangen, die werden dich fragen, was du hier machst, da schweig aber still, und gib ihnen keine Antwort, und laß sie mit dir machen was sie wollen; sie werden dich quaͤlen, schlagen und stechen, laß alles geschehen, nur rede nicht: um zwoͤlf Uhr muͤssen sie wieder fort. Und in der zweiten Nacht werden wieder zwoͤlf andere kommen, in der dritten vier und zwanzig, die werden dir den Kopf abhauen; aber um zwoͤlf Uhr ist ihre Macht vorbei, und wenn du dann ausgehalten und kein Woͤrtchen gesprochen hast, so bin ich erloͤst, und komme zu dir, und stehe dir bei, und habe das Wasser des Lebens, damit bestreiche ich dich, und dann bist du wieder lebendig und gesund wie zuvor.’ Da sprach er ‘gerne will ich dich erloͤsen.’ Es geschah nun alles so, wie sie gesagt hatte: die schwarzen Maͤnner konnten ihm kein Wort abzwingen, und in der dritten Nacht ward die Schlange zu einer schoͤnen Koͤnigstochter, die kam mit dem Wasser des Lebens, und machte ihn wieder lebendig. Und dann fiel sie ihm um den Hals, und kuͤßte ihn, und war Jubel und Freude im ganzen Schloß. Da wurde ihre Hochzeit gehalten, und er war Koͤnig vom goldenen Berge.
Also lebten sie vergnuͤgt zusammen, und die Koͤnigin gebar einen schoͤnen Knaben, und acht Jahre waren schon herum, da45 fiel ihm sein Vater ein, und sein Herz wurde bewegt, und er wuͤnschte ihn einmal heimzusuchen. Die Koͤnigin wollte ihn aber nicht fortlassen, und sagte ‘ich weiß schon daß es mein Ungluͤck ist,’ er ließ ihr aber keine Ruhe bis sie einwilligte. Beim Abschied gab sie ihm noch einen Wuͤnschring, und sprach ‘nimm diesen Ring, und steck ihn an deinen Finger, so wirst du alsbald dahin, wo du dich hinwuͤnschest, versetzt, nur mußt du mir versprechen daß du ihn nicht gebrauchst, mich von hier weg zu deinem Vater zu wuͤnschen.’ Er versprach ihr das, steckte den Ring an seinen Finger, und wuͤnschte sich heim vor die Stadt, wo sein Vater lebte. Jm Augenblick befand er sich auch dort, und wollte in die Stadt, wie er aber vors Thor kam, wollten ihn die Schildwachen nicht einlassen, weil er so seltsam und reich gekleidet war. Da gieng er auf einen Berg, wo ein Schaͤfer huͤtete, tauschte mit diesem die Kleider, und zog den alten Schaͤferrock an, und gieng also ungestoͤrt in die Stadt ein. Als er zu seinem Vater kam, gab er sich zu erkennen, der aber glaubte nimmermehr daß er sein Sohn waͤre, und sagte er haͤtte zwar einen Sohn gehabt, der aber waͤre laͤngst todt, doch weil er sehe daß er ein armer duͤrftiger Schaͤfer waͤre, so wollte er ihm einen Teller voll zu essen geben. Da sprach der Schaͤfer zu seinen Eltern ‘ich bin wahrhaftig euer Sohn, wißt ihr kein Mal an meinem Leibe, woran ihr mich erkennen koͤnnt?’ ‘Ja,’ sagte die Mutter, ‘unser Sohn hatte eine Himbeere unter dem rechten Arm.’ Er streifte das Hemd zuruͤck, da sahen sie die Himbeere unter seinem rechten Arm, und zweifelten nicht mehr daß es ihr Sohn waͤre. Darauf46 erzaͤhlte er ihnen er waͤre Koͤnig vom goldenen Berge, und eine Koͤnigstochter waͤre seine Gemahlin, und sie haͤtten einen schoͤnen Sohn von sieben Jahren. Da sprach der Vater ‘nun und nimmermehr ist das wahr: das ist mir ein schoͤner Koͤnig, der in einem zerlumpten Schaͤferrock hergeht.’ Da ward der Sohn zornig, drehte, ohne an sein Versprechen zu denken, seinen Ring herum, und wuͤnschte beide, seine Gemahlin und sein Kind, zu sich. Jn dem Augenblick waren sie auch da, aber die Koͤnigin, die klagte und weinte, und sagte er haͤtte sein Wort gebrochen, und haͤtte sie ungluͤcklich gemacht. Er besaͤnftigte sie, und redete sie zufrieden, und sie stellte sich auch als gaͤbe sie nach, aber sie hatte Boͤses im Sinn.
Da fuͤhrte er sie hinaus vor die Stadt auf den Acker, und zeigte ihr das Wasser wo das Schiffchen war abgestoßen worden, und sprach dann ‘ich bin muͤde, setze dich nieder, ich will ein wenig auf deinem Schooß schlafen.’ Da legte er seinen Kopf auf ihren Schooß, und sie lauste ihn ein wenig bis er einschlief. Als er eingeschlafen war, zog sie den Ring von seinem Finger, und den Fuß, den sie unter ihm stehen hatte, zog sie auch heraus, und ließ nur den Toffel unter ihm liegen; dann nahm sie ihr Kind, und wuͤnschte sich wieder in ihr Koͤnigreich. Als er aufwachte, da lag er da ganz verlassen, und seine Gemahlin mit dem Kind war fort, und der Ring vom Finger auch, nur der Toffel stand noch da zum Wahrzeichen. ‘Nach Haus zu deinen Eltern kannst du nicht wieder gehen,’ dachte er, ‘die wuͤrden sagen, du waͤrst ein Hexenmeister, du willst aufpacken und gehen47 bis du in dein Koͤnigreich kommst.’ Also gieng er fort, und kam endlich zu einem Berg, wo drei Riesen ihres Vaters Erbe theilen wollten, und als sie ihn vorbeigehen sahen, riefen sie ihn, und sagten kleine Menschen haͤtten klugen Sinn, er sollte ihnen die Erbschaft vertheilen, das war ein Degen, wenn einer den in die Hand nahm, und sprach ‘Koͤpf alle runter, nur meiner nicht,’ so lagen alle Koͤpfe auf der Erde; zweitens ein Mantel, wer den anzog, war unsichtbar; drittens ein Paar Stiefeln, wenn man die an den Fuͤßen hatte, und sich wohin wuͤnschte, so war man gleich da. Er sprach sie muͤßten ihm die drei Stuͤcke einmal geben, damit er sie probieren koͤnnte, ob sie auch alle noch in gutem Stand waͤren. Da gaben sie ihm den Mantel, den that er um, und wuͤnschte sich zu einer Fliege, alsbald war er eine Fliege. ‘Der Mantel ist gut,’ sprach er, ‘nun gebt mir einmal das Schwert.’ Sie sagten ‘nein, das geben wir nicht, denn wenn du spraͤchst Koͤpf alle runter, nur meiner nicht! so waͤren unsere Koͤpfe alle herab, und du haͤttest deinen noch.’ Doch gaben sie es ihm, wenn ers an den Baͤumen probieren wollte; das that er, und das Schwert war auch gut. Nun wollt er noch die Stiefeln haben, sie sprachen aber ‘nein, die koͤnnen wir nicht geben, wenn du die anhaͤttest und spraͤchst du wolltest oben auf dem Berg seyn, so stuͤnden wir da unten, und haͤtten nichts.’ ‘Nein,’ sprach er, ‘das will ich nicht thun.’ Da gaben sie ihm die Stiefel auch noch. Wie er nun alle drei Stuͤcke hatte, so dachte er an nichts als an den goldenen Berg, und wuͤnschte sich dahin, und verschwand alsbald vor den Augen der Riesen, und war also48 ihr Erbe getheilt. Als er nah beim Schloß war, hoͤrte er Geigen und Floͤten, und die Leute sagten ihm seine Gemahlin feierte ihre Hochzeit mit einem andern. Da zog er seinen Mantel an, gieng unsichtbar ins Schloß hinein, und stellte sich hinter seine Gemahlin, und niemand sah ihn. Wenn sie ihr nun ein Stuͤck Fleisch auf den Teller legten, nahm ers weg, und aß es, und wenn sie ihr ein Glas Wein einschenkten, nahm ers weg und tranks aus; sie gaben ihr immer, und sie hatte doch immer nichts auf dem Teller. Da schaͤmte sie sich, stand auf, gieng in ihre Kammer und weinte, er aber gieng hinter ihr her. Da sprach sie vor sich ‘ist denn der Teufel uͤber mir, oder mein Erloͤser kam nie?’ Da gab er ihr ein paar derbe Ohrfeigen, und sagte ‘kam dein Erloͤser nie? er ist uͤber dir, du Betruͤgerin, habe ich das an dir verdient?’ Darauf gieng er hin, und sagte die Hochzeit waͤre aus, und der rechte Koͤnig waͤre wieder gekommen. Da wurde er verlacht von den Koͤnigen, Fuͤrsten und Raͤthen, die zugegen waren. Er aber gab kurze Worte, und fragte ob sie sich entfernen wollten oder nicht? Da wollten sie ihn fangen, aber er zog sein Schwert und sprach ‘Koͤpf alle runter, nur meiner nicht.’ Da lag alles gleich im Blut darnieder, und er war wieder Koͤnig vom goldenen Berge.
Es war einmal eine Mutter mit einem Toͤchterchen, das war noch klein, und wurde noch auf dem Arm getragen. Nun geschah es, daß das Kind einmal unruhig war, und die Mutter mochte sagen was sie wollte, es half nicht. Da ward sie ungeduldig, und weil die Raben so um das Haus herumflogen, machte sie daß Fenster auf, und sagte ‘ich wollte du waͤrst eine Rabe, und floͤgst fort, so haͤtt ich Ruhe.’ Und kaum hatte sie das Wort gesagt, so war das Kind eine Rabe, und flog von ihrem Arm zum Fenster hinaus. Die Rabe aber flog weg, und niemand konnte ihr folgen; sie flog aber in einen dunkelen Wald, und blieb lange Zeit darin. Danach fuͤhrte einen Mann sein Weg in diesen Wald, und er hoͤrte die Rabe rufen, und gieng der Stimme nach; und als er naͤher kam, sagte die Rabe zu ihm ‘ich bin verwuͤnscht worden, und bin eine Koͤnigstochter von Geburt, du kannst mich erloͤsen.’ Da sprach er ‘wie soll ich das anfangen?’ Da sagte sie ‘geh hin in das Haus dort, darin sitzt eine alte Frau, die wird dir Essen und Trinken reichen, und dich davon genießen heißen, aber du darfst nichts nehmen; denn wenn du trinkst, so trinkst du einen Schlaftrunk, und dann kannst du mich nicht erloͤsen. Jm Garten hinter dem Haus ist eine große Lohhucke, darauf sollst du stehen, und mich erwarten. Den Nachmittag um zwei Uhr komm ich in einer Kutsche, die ist mit vier weißen Hengsten50 bespannt, wenn du aber dann nicht wach bist, sondern schlaͤfst, so werde ich nicht erloͤst.’ Der Mann versprach alles zu thun, was sie verlangt hatte, die Rabe aber sagte ‘ach,’ ich weiß es wohl, du kannst mich nicht erloͤsen, du nimmst doch etwas von der Frau.’ Da versprach der Mann noch einmal er wollte gewiß nichts anruͤhren von dem Essen und Trinken. Wie er aber in das Haus kam, trat die alte Frau zu ihm, und sagte ‘armer Mann, was seyd ihr abgemattet, kommt und erquickt euch, esset und trinkt.’ ‘Nein,’ sagte der Mann, ‘ich will nicht essen und nicht trinken.’ Sie ließ ihm aber keine Ruhe, und sprach ‘wenn ihr dann nicht essen wollt, so thut einen Zug aus dem Glas, einmal ist keinmal.’ Da ließ er sich uͤberreden, und nahm einen Trunk. Nachmittags gegen zwei Uhr gieng er hinaus in den Garten auf die Lohhucke, und wollte auf die Rabe warten. Wie er da stand, auf einmal, ward er so muͤde, und wollte sich nicht hinlegen, aber er konnte es gar nicht mehr aushalten, und mußte sich ein wenig niederlegen; doch wollte er nicht einschlafen. Aber kaum hatte er sich gelegt, so fielen ihm die Augen von selber zu, und er schlief ein, und schlief so fest daß ihn nichts auf der Welt haͤtte erwecken koͤnnen. Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengsten gefahren, und war schon in voller Trauer, und sprach ‘ich weiß schon daß er schlaͤft.’ Und als sie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke und schlief; und wie sie vor ihm war, stieg sie aus dem Wagen, schuͤttelte ihn, und rief ihn an, aber er wollte nicht erwachen. Sie rief so lange bis sie ihn endlich aus dem Schlaf erweckte, da sagte sie ‘ich sehe wohl daß du mich hier nicht51 erloͤsen kannst, aber morgen will ich noch einmal wiederkommen, dann habe ich vier braune Hengste vor dem Wagen, aber du darfst bei Leibe nichts nehmen von der Frau, kein Essen und kein Trinken.’ Da sagte er ‘nein gewiß nicht.’ Sie sprach aber ‘ach, ich weiß es wohl, du nimmst doch etwas.’ Am andern Tag zur Mittagszeit kam die alte Frau, und sagte er aͤße und traͤnke ja nichts, was das waͤre? Da sprach er ‘ich will nicht essen und nicht trinken.’ Sie stellte aber das Essen und Trinken vor ihn hin, daß der Geruch zu ihm aufgieng, und redete ihm so lange zu bis er wieder etwas trank. Gegen zwei Uhr gieng er in den Garten auf die Lohhucke, und wollte auf die Rabe warten, da ward er wieder so muͤde, daß seine Glieder ihn nicht mehr hielten, und er konnte sich nicht helfen, er mußte sich legen, und ein bischen schlafen. Wie nun die Rabe daher fuhr mit vier braunen Hengsten, war sie wieder in voller Trauer, und sagte ‘ich weiß schon, daß er schlaͤft.’ Und als sie hin zu ihm kam, lag er da, und schlief fest. Da stieg sie aus dem Wagen, schuͤttelte ihn, und suchte ihn zu erwecken; das gieng aber noch schwerer als gestern, bis er endlich erwachte. Da sprach die Rabe ‘ich sehe wohl daß du mich nicht erloͤsen kannst, Morgen Nachmittag um zwei Uhr will ich noch einmal kommen, aber das ist das letztemal, meine Hengste sind dann schwarz, und ich habe auch alles schwarz; du darfst aber nichts nehmen von der alten Frau, kein Essen und kein Trinken.’ Da sagte er ‘nein gewiß nicht.’ Sie sprach aber ‘ach, ich meiß es wohl, du nimmst doch etwas.’ Am andern Tag kam die alte Frau, und sagte er aͤße und traͤnke52 ja nichts, was das waͤre? Da antwortete er ‘ich will nicht essen und nicht trinken.’ Sie aber sagte er sollte nur einmal schmecken wie gut das alles waͤre, Hungers koͤnnte er doch nicht sterben; da ließ er sich uͤberreden, und trank doch wieder etwas. Als es Zeit war, gieng er hinaus in den Garten auf die Lohhucke, und wartete auf die Koͤnigstochter, da ward er wieder so muͤde, daß er sich nicht halten konnte, und sich hinlegte und so fest schlief als waͤr er von Stein. Um zwei Uhr kam die Rabe, und hatte vier schwarze Hengste, und die Kutsche und alles war schwarz; sie war aber in voller Trauer, und sprach ‘ich weiß schon daß er schlaͤft und mich nicht erloͤsen kann.’ Als sie zu ihm kam, lag er da, und schlief fest. Sie ruͤttelte ihn, und rief ihn, aber sie konnte ihn nicht aufwecken, er schlief in einem fort. Da legte sie ein Brot neben ihn hin, davon konnte er so viel essen als er wollte, es wurde nicht all; dann ein Stuͤck Fleisch, davon konnt er auch so viel essen als er wollte, es wurde nicht all; zum dritten eine Flasche Wein, davon konnt er trinken, so viel er wollte, es wurde nicht all. Danach nahm sie ihren goldenen Ring vom Finger, und steckte ihm den an, und war ihr Name darein gegraben; und endlich legte sie einen Brief hin, darin stand was sie ihm gegeben hatte, und daß es nie all wuͤrde, und es stand auch darin ‘ich sehe wohl daß du mich hier nicht erloͤsen kannst, willst du mich aber noch erloͤsen, so komm nach dem goldenen Schloß von Stromberg, da kannst du es, das weiß ich gewiß.’ Und wie sie ihm das alles gegeben hatte, setzte sie sich in ihren Wagen, und fuhr weg in das goldene Schloß von Stromberg.
53Als der Mann aufwachte, und sah daß er geschlafen hatte, ward er von Herzen traurig, und sprach ‘gewiß nun ist sie vorbei gefahren, und ich habe sie nicht erloͤst.’ Da fielen ihm die Dinge in die Augen, die neben ihm lagen, und er las den Brief, darin geschrieben stand wie es zugegangen war. Also machte er sich auf, und gieng fort, und wollte nach dem goldenen Schloß von Stromberg, aber er wußte nicht wo es lag. Nun war er schon lange in der Welt herumgegangen, da kam er in einen dunkeln Wald, und gieng vierzehn Tage darin fort, und konnte sich nicht herausfinden. Da ward es wieder Abend, und er war so muͤde, daß er sich an einen Busch legte, und einschlief. Am andern Tag gieng er weiter, und wollte sich Abends wieder an einen Busch legen, da hoͤrte er ein Heulen und Jammern daß er nicht einschlafen konnte. Und wie die Zeit kam, wo die Leute Lichter anstecken, sah er eins schimmern, und machte sich auf, und gieng ihm nach, da kam er vor ein Haus, das schien so klein, denn es stand ein großer Riese davor. Da dachte er bei sich ‘gehst du wohl hinein oder nicht? wenn dus thust, kommst du vielleicht ums Leben, du willst es aber doch einmal wagen.’ Wie er nun drauf zu gieng, und der Riese ihn sah, sprach er ‘es ist gut, daß du kommst, ich habe doch lange nichts gegessen, jetzt will ich dich gleich zum Abendbrot verschlucken.’ ‘Laß das lieber seyn,’ sprach der Mann, ‘wenn du essen willst, so hab ich etwas bei mir.’ ‘Wenn das wahr ist,’ sagte der Riese, ‘so kannst du ruhig bleiben.’ Da giengen sie hinein, und setzten sich an den Tisch, und der Mann holte Brot, Wein und Fleisch, was nicht all wurde, hervor,54 und sie aßen beiden nach Herzenslust. Danach fragte der Mann den Riesen ‘kannst du mir nicht sagen, wo das goldene Schloß von Stromberg ist?’ Der Riese sprach ‘ich will auf meiner Landkarte nachsehen, darauf sind alle Staͤdte, Doͤrfer und Haͤuser angemerkt.’ Da holte er seine Landkarte, die er in der Stube hatte, und suchte das Schloß, konnte es aber nicht finden. ‘Das thut nichts,’ sprach er, ‘ich habe oben in einem Schranke noch groͤßere Landkarten, da will ich sehen ob es darauf zu finden ist.’ Sie sahen zu, konntens aber nicht finden. Der Mann wollte nun weiter gehen, der Riese aber sprach er sollte noch ein paar Tage warten, er haͤtte einen Bruder, der waͤre aus, und holte Lebensmittel; wenn der heim kaͤme, dann wollten sie noch einmal auf seiner Landkarte suchen, der faͤnds gewiß. Also wartete der Mann, bis der Bruder nach Haus kam, der sagte er wuͤßte es nicht gewiß, er glaubte aber das goldene Schloß von Stromberg staͤnde auf seiner Karte. Da aßen sich die drei erst recht satt, und dann gieng der zweite Riese hin, und sprach ‘nun will ich zusehen auf meiner Karte.’ Allein das Schloß war auch nicht darauf. Da brachte er aus einer Kammer noch andere Landkarten, die breiteten sie aus, und ließen nicht ab zu suchen, und endlich fanden sie das goldene Schloß von Stromberg, aber es war viele tausend Meilen weit weg. ‘Wie werd ich nun dahin kommen?’ sprach der Mann. Der Riese sprach ‘zwei Stunden habe ich Zeit, da will ich dich bis in die Naͤhe tragen, dann muß ich aber wieder nach Haus, und das Kind saͤugen, das wir haben.’ Da trug der Riese den Mann bis etwa noch hundert Stunden55 vom Schloß, und sagte ‘jetzt muß ich wieder zuruͤck, den uͤbrigen Weg kannst du wohl allein gehen.’ ‘O ja,’ sagte der Mann, das kann ich wohl.’ Wie sie sich nun trennen wollten, sprach der Mann ‘wir wollen erst mit einander essen,’ und sie aßen zusammen, und darauf nahm der Riese Abschied, und gieng heim. Der Mann aber gieng vorwaͤrts Tag und Nacht bis er endlich zu dem goldenen Schloß von Stromberg kam. Da stand es aber auf einem glaͤsernen Berge, und oben darauf sah er die verwuͤnschte Jungfrau fahren. Nun wollte er hinauf zu ihr, aber wie er es auch anfieng, er glitschte immer wieder herunter. Da war er ganz betruͤbt, und sprach zu sich selbst ‘am besten ist, du baust dir hier eine Huͤtte; Essen und Trinken hast du ja.’ Also baute er sich eine Huͤtte, und saß darin ein ganzes Jahr, und sah die Koͤnigstochter alle Tage oben fahren, konnte aber nicht hinauf zu ihr kommen.
Da sah er einmal aus seiner Huͤtte wie drei Riesen sich schlugen, und rief ihnen zu ‘Gott sey mit euch!’ Sie hielten bei dem Ruf inne, als sie aber niemand sahen, fiengen sie wieder an sich zu schlagen, und das zwar ganz gefaͤhrlich. Da rief er abermals ‘Gott sey mit euch!’ sie hoͤrten wieder auf, guckten sich um, weil sie aber niemand sahen, fuhren sie auch wieder fort sich zu schlagen. Da rief er zum drittenmal ‘Gott sey mit euch!’ und dachte ‘du mußt doch sehen was die drei vorhaben,’ gieng hin, und fragte warum sie so auf einander losschluͤgen. Da sagte der eine er haͤtte einen Stock gefunden, wenn er damit wider eine Thuͤr schluͤge, so spraͤnge sie auf; der andere sagte er haͤtte einen56 Mantel gefunden, wenn er den umhienge, so waͤr er unsichtbar; der dritte aber sprach er haͤtte ein Pferd gefangen, mit dem koͤnnte man den glaͤsernen Berg hinaufreiten. Da sprach der Mann ‘fuͤr die drei Sachen will ich euch etwas geben, Geld habe ich zwar nicht, aber andere Dinge, die noch mehr werth sind: doch muß ich sie vorher probieren, damit ich sehe ob ihr auch die Wahrheit gesagt habt.’ Da ließen sie ihn aufs Pferd sitzen, hiengen ihm den Mantel um, und gaben ihm den Stock in die Hand, und wie er das alles hatte, konnten sie ihn nicht mehr sehen. Da gab er ihnen tuͤchtige Schlaͤge, und rief ‘nun, ihr Baͤrenhaͤuter, seyd ihr zufrieden?’ Dann ritt er den Berg hinauf, und als er oben vor das Schloß kam, war es verschlossen; da schlug er mit dem Stock vor die Thuͤr, gleich sprang sie auf, und er gieng hinein, und gieng die Treppe hinauf oben in den Saal, da saß die Jungfrau, und hatte einen goldenen Kelch mit Wein vor sich stehen. Sie konnte ihn aber nicht sehen, weil er den Mantel um hatte. Und als er vor sie kam, zog er den Ring, den sie ihm gegeben hatte, vom Finger, und warf ihn in den Kelch daß es klang. Da rief sie ‘das ist mein Ring, so muß auch der Mann da seyn, der mich erloͤsen wird.’ Sie suchten im ganzen Schloß, und fanden ihn nicht, er war aber hinaus gegangen, hatte sich aufs Pferd gesetzt, und den Mantel abgeworfen. Wie sie nun vor das Thor kamen, sahen sie ihn, und schrien vor Freude; und er stieg ab, und nahm die Koͤnigstochter in den Arm, da kuͤßte sie ihn, und sagte ‘jetzt hast du mich erloͤst.’ Darauf hielten sie Hochzeit, und lebten vergnuͤgt mit einander.
Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Haͤuschen und eine alleinige Tochter, da sprach die Tochter ‘wir sollten den Herrn Koͤnig um ein Stuͤckchen Rottland bitten.’ Da der Koͤnig ihre Armuth hoͤrte, schenke er ihnen auch ein Eckchen Rasen, den hackte sie und ihr Vater um, und wollten ein wenig Korn und der Art Frucht darauf saͤen: und als sie ihn beinahe herum hatten, da fanden sie in der Erde einen Moͤrsel von purem Gold. ‘Hoͤr,’ sagte der Vater zu dem Maͤdchen, ‘weil unser Herr Koͤnig so gnaͤdig ist gewesen, und hat uns diesen Acker geschenkt, so muͤssen wir ihm den Moͤrsel wiedergeben.’ Die Tochter aber wollt es nicht bewilligen, und sagte ‘Vater, wenn wir den Moͤrsel haben, und haben den Stoͤßer nicht, dann muͤssen wir auch den Stoͤßer schaffen, darum schweigt lieber still.’ Er wollt ihr aber nicht gehorchen, nahm den Moͤrsel, und trug ihn zum Herrn Koͤnig, und sagte, den haͤtte er gefunden in der Heide. Der Koͤnig nahm den Moͤrsel, und fragte ob er nichts mehr gefunden haͤtte? ‘Nein’ sprach der Bauer. Da sagte der Koͤnig er sollte nun auch den Stoͤßer herbeischaffen. Der Bauer sprach den haͤtten sie nicht gefunden; aber das half ihm soviel, als haͤtt ers in den Wind gesagt, er58 ward ins Gefaͤngnis gesetzt, und sollte so lange da sitzen, bis er den Stoͤßer herbeigeschafft haͤtte. Die Bedienten mußten ihm taͤglich Wasser und Brot bringen, was man so in dem Gefaͤngnis kriegt, da hoͤrten sie, wie der Mann als fort schrie ‘ach, haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt! ach, ach, haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt!’ Da giengen die Bedienten zum Koͤnig, und sprachen das, wie der Gefangene als fort schrie ‘ach, haͤtt ich doch meiner Tochter gehoͤrt!’ und wollte nicht essen und nicht trinken. Da befahl er den Bedienten, sie sollten den Gefangenen vor ihn bringen, und da fragte ihn der Herr Koͤnig warum er also fort schreie ‘ach, haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt!’ ‘Was hat eure Tochter denn gesagt?’ ‘Ja, sie hat gesprochen ich sollte den Moͤrsel nicht bringen, sonst muͤßt ich auch den Stoͤßer schaffen.’ ‘Habt ihr denn so eine kluge Tochter, so laßt sie einmal herkommen.’ Also mußte sie vor den Koͤnig kommen, der fragte sie ob sie denn so klug waͤre? und sagte er wollte ihr wohl ein Raͤthsel aufgeben, wenn sie das treffen koͤnnte, dann wollte er sie heirathen. Da sprach sie gleich ja, sie wollts errathen. Da sagte der Koͤnig ‘komm zu mir, nicht gekleidet, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren, nicht in dem Weg, nicht außer dem Weg, und wenn du das kannst, will ich dich heirathen.’ Da gieng sie hin, und zog sich aus splinternakkend, da war sie nicht gekleidet, und nahm ein großes Fischgarn, und setzte sich hinein, und wickelte es um sich herum, da war sie nicht nackend; und borgte einen Esel fuͤrs Geld, und band dem Esel das Fischgarn an den Schwanz, darin er sie fortschleppen59 mußte, und war das nicht geritten und nicht gefahren; und mußte sie der Esel in der Fahrgleise schleppen, so daß sie nur mit der großen Zehe auf die Erde kam, und war das nicht in dem Weg und nicht außer dem Wege. Und wie sie so daher kam, sagte der Koͤnig, sie haͤtte das Raͤthsel getroffen, und sey alles erfuͤllt. Da ließ er ihren Vater los aus dem Gefaͤngnis, und nahm sie bei sich als seine Gemahlin, und befahl ihr das ganze koͤnigliche Gut an.
Nun waren etliche Jahre herum, als der Herr Koͤnig einmal auf die Parade zog, da trug es sich zu, daß Bauern mit ihren Wagen vor dem Schloß hielten, die hatten Holz verkauft; etliche mit Ochsen und etliche mit Pferden. Da war ein Bauer, der hatte drei Pferde, davon kriegte eins ein junges Fuͤllchen, das lief weg und legte sich an einen Wagen, wo zwei Ochsen davor waren, mittendrein. Als nun die Bauern zusammen kamen, fiengen sie an sich zu zanken, schmeißen und laͤrmen, und der Ochsenbauer wollte das Fuͤllchen behalten und sagte die Ochsen haͤttens gehabt, und der andere sagte nein, seine Pferde haͤttens gehabt, und es waͤre sein. Der Zank kam vor den Koͤnig, und der that den Ausspruch wo das Fuͤllen gelegen haͤtte, da sollt es bleiben; und also bekams der Ochsenbauer, dems doch nicht gehoͤrte. Da gieng der andere weg, weinte und lamentierte uͤber sein Fuͤllchen. Nun hatte er gehoͤrt wie daß die Frau Koͤnigin so gnaͤdig waͤre, weil sie auch von armen Bauersleuten gekommen waͤre; gieng zu ihr, und bat sie, ob sie ihm nicht helfen koͤnnte daß er sein Fuͤllchen60 wieder bekaͤme. Sagte sie ‘ja, wenn ihr mir versprecht daß ihr mich nicht verrathen wollt, will ichs euch sagen. Morgen fruͤh, wenn der Koͤnig auf der Wachtparade ist, so stellt euch hin mitten in die Straße, wo er vorbei kommen muß, nehmt ein großes Fischgarn, und thut als fischtet ihr, und fischt also fort, und schuͤttet es aus, als wenn ihrs voll haͤttet,’ und sagte ihm auch was er antworten sollte, wenn er vom Koͤnig gefragt wuͤrde. Also stand der Bauer am andern Tag da, und fischte auf einem trockenen Platz. Wie der Koͤnig vorbei kam und das sah, schickte er seinen Laufer hin, der sollte fragen was der naͤrrische Mann vorhaͤtte. Da gab er zur Antwort ‘ich fische.’ Fragte der Laufer wie er fischen koͤnnte, es waͤre ja kein Wasser da. Sagte der Bauer ‘so gut als zwei Ochsen koͤnnen ein Fuͤllen kriegen, so gut kann ich auch auf dem trockenen Platz fischen.’ Der Laufer gieng hin, und brachte dem Koͤnig die Antwort, da ließ er den Bauer vor sich kommen, und sagte ihm das haͤtte er nicht von sich, von wem er das haͤtte? und sollts gleich bekennen. Der Bauer aber wollts nicht thun, und sagte immer Gott bewahr! er haͤtt es von sich. Sie banden ihn aber auf ein Gebund Stroh, und schlugen und drangsalten ihn so lange bis ers bekannte, daß ers von der Frau Koͤnigin haͤtte. Als der Koͤnig nach Haus kam, sagte er zu seiner Frau ‘warum bist du so falsch mit mir, ich will dich nicht mehr zur Gemahlin: deine Zeit ist um, geh wieder hin, woher du kommen bist, in dein Bauernhaͤuschen.’ Doch erlaubte er ihr eins, sie sollte sich das Liebste und Beste mitnehmen was sie wuͤßte, und das61 sollte ihr Abschied seyn. Sie sagte ‘ja, lieber Mann, wenn dus so befiehlst, will ich es auch thun,’ und fiel uͤber ihn her, und kuͤßte ihn, und sprach sie wollte Abschied von ihm nehmen. Dann ließ sie einen starken Schlaftrunk kommen, Abschied mit ihm zu trinken: der Koͤnig that einen großen Zug, sie aber trank nur ein wenig, da gerieth er bald in einen tiefen Schlaf. Und als sie das sah, rief sie einen Bedienten, und nahm ein schoͤnes weißes Linnentuch, und schlug ihn da hinein, und die Bedienten mußten ihn in einen Wagen vor der Thuͤre tragen, und fuhr sie ihn heim in ihr Haͤuschen. Da legte sie ihn auf ihr Bettchen, und er schlief Tag und Nacht in einem fort, und als er aufwachte, sah er sich um, und sagte ‘ach Gott, wo bin ich denn?’ rief seinen Bedienten, aber es war keiner da. Endlich kam seine Frau vors Bett und sagte ‘lieber Herr Koͤnig, ihr habt mir befohlen ich sollte das Liebste und Beste aus dem Schloß mitnehmen, nun hab ich nichts Besseres und Lieberes als dich, da hab ich dich mitgenommen.’ Der Koͤnig sagte ‘liebe Frau, du sollst mein seyn und ich dein,’ und nahm sie wieder mit ins koͤnigliche Schloß, und ließ sich aufs neue mit ihr vermaͤhlen; und werden sie ja wohl noch auf den heutigen Tag leben.
Es war amahl a Baur und a Baͤurin, und doͤ Baͤurin, doͤ hat der Pfarra im Dorf gern gesegn, und da hat er allewei gwunschen, wann er nur amahl an ganzen Tag mit der Baͤurin allan recht vergnuͤgt zubringa kunnt, und der Baͤurin der wars halt a recht gwesn. No, da hat er amahl zu der Baͤurin gsagt ‘hanz, mei liebi Baͤurin, hietzt hab i was ausstudiert, wie wir halt amahl recht vergnuͤgt mitanander zubringa kunnten. Wißts was, oͤs legts eng aufm Mittwoch ins Bett, und sagts engern Mon oͤs seits krang, und lamatierts und uͤbelts nur recht, und das treibts fort bis aufm Sunta, wann i die Predi halt, und da wir (werde) i predigen, daß wer z’ Haus a krangs Kind, an krangen Mon, a krangs Weib, an krangen Vader, a krange Muader, a krange Schwester, Bruader, oda wers sunst nacha is, hat, und der thut a Wollfart aufm Goͤckerliberg in Waͤlischland, wo ma um an Kreuzer an Metzen Lorberbladeln kriegt, dem wirds krange Kind, der krange Mon, s’ krange Weib, der krange Vader, d’ krange Muader, d’ krange Schwester, Bruader, oda wers sunst nacha is, auf der Stell gsund.’
‘Doͤs wir i schon machen,’ hat die Baͤurin drauf gsagt. No, drauf, aufm Mittwoch hat si halt d’ Baͤurin ins Bett glegt,63 und hat glamatiert und g’uͤbelt als wie, und ihr Mon hat ihr alles braucht, was er nur gwißt hat, ’s hat aber halt nix gholfn. Wie denn der Sunta kuma is, hat d’ Baͤurin gsagt ‘mir is zwar so miserabel als ob i glei verschaden sollt, aber ans moͤcht i do no vor mein End, i moͤcht halt in Herrn Pfarra sei Predi hoͤrn, doͤ er heund halten wird.’ ‘A, mei Kind,’ sagt der Baur drauf, ‘thu du doͤs nit, du kunntst schlechter wern, wannst aufstundst. Schau, es wir i in d’ Predi gehn, und wir recht acht gebe, und wir dir alles wieder derzoͤhln was der Herr Pfarra gsagt hat.’ ‘No,’ hat d’ Baͤurin gsagt, ‘so geh halt, und gib recht Acht, und derzoͤhl mir alles was d’ ghoͤrt hast.’ No, und da is der Baur halt in d’ Predi ganga, und da hat der Herr Pfarra also angfangt zun predigen, und hat halt gsagt, wann ans a krangs Kind, an krangen Mon, a krangs Weib, an krangen Vader, a krange Muader, a krange Schwester, Bruader, oda wers sunst nacha war, z’ Haus haͤt, und der wollt a Wollfart machen aufm Goͤckerliberg in Waͤlischland, wo der Metzen Lorberbladeln an Kreuzer kost, dem wirds krange Kind, der krange Mon, ’s krange Weib, der krange Vader, d’ krange Muader, d’ krange Schwester, Bruader, oda wers sunst nache war, auf der Stell gsund wern, und wer also doͤ Ras unternehma wollt, der soll nach der Meß zu ihm kuma, da wird er ihm den Lorbersack gebn und den Kreuzer. Da war niembd froͤher als der Baur, und nach der Meß is er gleich zum Pfarra ganga, und der hat ihm also den Lorbersack gebn und den Kreuzer. Drauf is er nach Haus kuma, und hat schon bei der Hausthuͤr eini gschrien ‘juchesha, liebs Weib,64 hietzt is so viel, als obst gsund warst. Der Herr Pfarra hat heunt predigt, daß wer a krangs Kind, an krangen Mon, a krangs Weib, an krangen Vader, a krange Muader, a krange Schwester, Bruader, oda wers sunst nacha war, z’ Haus hat, und der macht a Wollfart aufm Goͤckerliberg in Waͤlischland, wo der Metzen Lorberbladeln an Kreuzer kost, dem wird ’s krange Kind, der krange Mon, ’s krange Weib, der krange Vader, d’ krange Muader, d’ krange Schwester, Bruader, oda wers sunst nacha war, auf der Stell gsund; und hietzt hab i mir schon den Lorbersack ghohlt vom Herrn Pfarra und den Kreuzer, und wir glei mein Wanderschaft antreten, daß d’ desto ehender gsund wirst;’ und drauf is er fort ganga. Er war aber kam fort, so is die Baͤurin schon auf gwesn, und der Pfarra war a glei do. Hietzt lassen mir aber doͤ zwa indessen auf der Seiten, und gaͤnga mir mit’n Baur. Der is halt alleweil drauf los ganga, damit er desto ehender aufm Goͤckerliberg kummt, und wie halt so geht, begegnt ihm sein Gvatter. Sein Gvatter doͤs war an Armon (Eiermann), und der is just von Mark kuma, wo er seine Ar verkauft hat. ‘Globt seyst,’ sagt sein Gvatter, ‘wo gehst denn so trabi hin Gvatter?’ ‘Jn Ewigkeit, Gvatter,’ sagt der Baur, ‘mein Weib is krang worn, und da hab i heund in Herrn Pfarra sein Predi ghoͤrt, und da hat er predigt, daß wann aner z’ Haus an krangs Kind, an krangen Mon, a krangs Weib, an krangen Vader, a krange Muader, a krange Schwester, Bruader, oda wers sunst nacha war, hat, und er macht a Wollfart aufm Goͤckerliberg in Waͤlischland, wo der Metzen Lorberbladeln an Kreuzer kost,65 dem wird ’s krange Kind, der krange Mon, ’s krange Weib, der krange Vader, d’ krange Muader, d’ krange Schwester, Bruader, oder wers sunst nacha war, auf der Stell gsund, und da hab i mir von Herrn Pfarra den Lorbersack und den Kreuzer ghohlt, und hietzt trit i halt mein Wanderschaft an.’ ‘Aber hanz, Gvatter,’ hat der Gvatter zum Baur gsagt, ‘seits denn gar so dacket (einfaͤltig), daß so was glauben koͤnts. Wißts was is? der Pfarra moͤcht gern mit engern Weib an ganzen Tag allan recht vergnuͤgt zubringa, drum habn’s eng den Baͤrn anbunden, daß ihr’en aus’n Fuͤßen kumts.’ ‘Mein,’ hat der Baur gsagt, ‘so moͤcht i do wissen, ob das wahr is.’ ‘No,’ hat der Gvatter gsagt, ‘wast was, setz di in mein Arkorb eini, so will i die nach Haus tragn, und da wirst es selber segn.’ No, das is also gschegn, und der Baur hat sein Gvatter in sein Arkorb eini gsetzt, und der hat’n nach Haus tragn. Wie’s nach Haus kuma san, holla, da is schon lusti zuganga. Da hat die Baͤurin schon fast alles, was nur in ihren Hof war, abgstochen ghabt, und Krapfen hats bachen, und der Pfarra war a schon da, und hat a sein Geige mitbracht ghabt. Und da hat halt der Gvatter anklopft, und d’ Baͤurin hat gfragt wer draussen war. ‘J bin’s, Gevatterin,’ hat der Gvatter gsagt, ‘mei, gebts mir heund Nacht a Herberg, i hab meini Ar aufm Mark nit verkauft, und hietzt muß i’s wieder nach Haus trage, und soͤ san gar z’ schwar, i bring’s nit fort, es is a schon finster.’ ‘Ja, mein Gvatter,’ sagt d’ Baͤurin drauf, ‘oͤs kumts mir recht zur unglegna Zeit. No, weils halt her nit anders is, so kumts eina, und setzt’s eng dort auf d’ Ofenbank.’ 66No, hat si der Gvatter also mit sein Buckelkorb auf d’ Ofenbank gsetzt. Der Pfarra aber und d’ Baͤurin doͤ warn halt recht lusti. Endli fangt der Pfarra an, und sagt ‘hanz, mein liebi Baͤurin, oͤs koͤnts ja so schoͤn singa, singts mir do ans.’ ‘A,’ sagt die Baͤurin, ‘hietzt kann i nix mehr singa, ja in mein junge Jahren, da hab i’s wohl koͤnna, aber hietzt is schon vorbei.’ ‘Ei,’ sagt wieder der Pfarra, ‘singts do, nur a bißl.’ No, da fangt die Baͤurin an und singt
Drauf singt der Pfarra
Hietzt fangt der Gvatter hinten an, und singt (da muß i aber derzoͤhln daß der Baur Hildebrand ghassen hat), singt also der Gvatter
Und hietzt singt der Baur in Korb drinna
Und steigt aus’n Korb, und pruͤgelt den Pfaffen beim Haus hinaus.
Et is wul dusent un meere Jaare hen, da woͤren hier im Lanne luter kleine Kuͤnige, da hed auck einer up den Keuterberge wuͤnt (gewohnt), de gink sau geren up de Jagd. Ase nu mal mit sinen Jaͤgern vom Schlotte heruttrok, hoͤen (huͤteten) unner den Berge drei Maͤkens ire Koͤge (Kuͤhe), un wie sei den Kuͤnig mit den vielen Luͤen (Leuten) seien, so reip de oͤlleste den annern beden Maͤkens to, un weis up den Kuͤnig, ‘helo! helo! wenn ik den nig kriege, so will ik keinen.’ Da antworde de tweide up de annere Side vom Berge, un weis up den, de dem Kuͤnige rechter Hand gink, ‘helo! helo! wenn ik den nig kriege, so will ik keinen.’ Da reip de juͤngeste, un weis up den, de linker Hand gink, ‘helo! helo! wenn ik den nig kriege, so will ik keinen.’ Dat woͤren averst de beden Ministers. Dat hoͤrde de Kuͤnig alles, un ase von der Jagd heime kummen was, leit he de drei Maͤkens to sik kummen, un fragete se wat se da gistern am Berge segd hedden. Dat wullen se nig seggen, de Kuͤnig frog awerst de oͤlleste, ob se uͤn wol tom Manne hewen wulle? Da segde se ja, un ere beiden Suͤstern friggeten de beiden Ministers, denn se woͤren alle drei scheun un schir (klar, schoͤn) von Angesicht, besunners de Kuͤnigin, de hadde Hare ase Flass.
68De beiden Suͤstern awerst kregen keine Kinner, un ase de Kuͤnig mal verreisen moste, let he se tor Kuͤnigin kummen, um se up to munnern, denn se war grae (gerad) swanger. Se kreg en kleinen Jungen, de hadde ’n ritsch roen (rothen) Stern mit up de Weld. Da sehden de beiden Suͤstern, eine tor annern, se wullen den huͤbsken Jungen in’t Water werpen. Wie se’n darin worpen hadden (ick gloͤve, et is de Weser west), da fluͤgt ’n Vuͤgelken in de Hoͤgte, dat sank
Da dat de beiden hoͤrten, kregen se de Angst up’n Lieve, un makten dat se fort keimen. Wie de Kuͤnig na Hus kam, sehden se to uͤm de Kuͤnigin hedde ’n Hund kregen. Da segde de Kuͤnig ‘wat Gott deiet, dat is wole dahn.’
Et wunde awerst ’n Fisker an den Water, de fiskede den kleinen Jungen wier herut, ase noch ewen lebennig was, un da sine Fru kene Kinner hadde, foerden (fuͤtterten) se’n up. Na’n Jaar was de Kuͤnig wier verreist, da kreg de Kuͤnigin wier ’n Jungen, den namen de beiden falsken Suͤstern, un warpen’n auck in’t Water, da fluͤgt dat Vuͤgelken wier in die Hoͤgte, un sank:
Un wie de Kuͤnig toruͤgge kam, sehden se to uͤm, de Kuͤnigin hedde wier ’n Hund bekummen, un he segde wier ‘wat Gott deit, dat is wole dahn.’ Awerst de Fisker trok duͤsen auck ut den Water, un foerd ’n up.
Da verreisede de Kuͤnig wier, un de Kuͤnigin kreg ’n klein Maͤken, dat warpen de falsken Suͤstern auck in’t Water. Da fluͤgt dat Vuͤgelken wier in die Hoͤgte, un sank
Un wie de Kuͤnig na Hus kam, sehden se to uͤm, de Kuͤnigin hedde ’ne Katte kregt. Da worde de Kuͤnig beuse, und leit sine Fru in’t Gefaͤnknis smieten, da hed se lange Jaare in setten.
De Kinner woͤren unnerdes anewassen, da gink de oͤlleste mal mit annern Jungens herut to fisken, da wuͤllt uͤn de annern Jungens nig twisken sik hewen, un segget ‘du Fuͤndling, gaa du diner Wege.’ Da ward he gans bedroͤwet, un fraͤggt den olen Fisker ob dat war woͤre? De vertellt uͤn dat he mal fisked hedde, un hedde uͤn ut den Water troken (gezogen). Da segd he he wulle furt un sinen Teiten (Vater) soͤken. De Fisker de biddet ’n he moͤgde doch bliven, awerst he let sik gar nig hallen, bis de Fisker et tolest to givt. Da givt he sik up den Weg, un geit meere Dage hinner’n anner, endlich kuͤmmt he vor ’n graut allmaͤchtig Water, davor steit ’ne ole Fru, un fiskede. ‘Guden Dag, Moer,’ segde de Junge. ‘Groten Dank.’ ‘Du suͤst da wol lange70 fisken, e du ’n Fisk faͤngest.’ ‘Un du wol lange soͤken, e du dinen Teiten findst. Wie wust du der denn da oͤver’t Water kummen?’ sehde de Fru. ‘Ja, dat mag Gott witten.’ Da nuͤmmt de ole Fru uͤn up den Ruͤggen, un draͤgt ’n derdoͤrch, un he soͤcht lange Tiid, un kann sinen Teiten nig finnen. Ase nu wol ’n Jaar voroͤwer is, da trekt de tweide auck ut, un will sinen Broer soͤken. He kuͤmmt an dat Water, un da geit et uͤn ewen so, ase sinen Broer. Nu was nur noch de Dochter allein to Hus, de jammerde so vil na eren Broern, dat se upt lest auck den Fisker bad, he moͤgte se treken laten, se wulle ere Broerkes soͤken. Da kam se auck bie den grauten Water, da sehde se tor olen Fru ‘guden Dag, Moer.’ ‘Groten Dank.’ ‘Gott helpe ju bie juen fisken.’ Ase de ole Fru dat hoͤrde, da word se ganz fruͤndlich, un drog se oͤver’t Water, un gab er ’n Roe (Ruthe) un sehde to er ‘nu gah man juͤmmer up duͤsen Wege to, mine Dochter, nu wenn du bie einen groten schwarten Hund vorbei kuͤmmst, so must du still un drist, un one to lachen, un one uͤn an to kicken, vorbie gaan. Dann kuͤmmest du an ’n grot open Schlott, up’n Suͤll (Schwelle) most du de Roe fallen laten, un stracks doͤrch dat Schlott an den annern Side wier herut gahen; da is ’n olen Brunnen, darut is ’n groten Boom wassen, daran haͤnget ’n Vugel im Buer, den nuͤmm af, dann nuͤmm noch ’n Glaß Water ut den Brunnen, un gaa mit duͤsen beiden den suͤlvigen Weg wier toruͤgge; up den Suͤll nuͤmm de Roe auck wier mit, un wenn du dann wier bie den Hund vorbie kummst, so schlah uͤn in’t Gesicht, awerst suͤ to, dat du uͤn treppest, un dann kumm71 nur wier to mie toruͤgge.’ Da fand se et grade so, ase de Fru et sagd hadde, un up den Ruͤckwege da fand se de beiden Broer, de sik de halve Welt dorchsoͤcht hadden. Se gieng tosammen bis wo de swarte Hund an den Weg lag, den schlog se in’t Gesicht, da word et ’n schoͤnen Prinz, de geit mit uͤnen, bis an dat Water. Da stand da noch de ole Fru, de froͤgede sik ser, da se alle wier da woͤren, un drog se alle oͤver’t Water, un dann gink se auck weg, denn se was nu erloͤst. De annern awerst gingen alle na den olen Fisker, un alle woͤren froh dat se sik wier funnen hadden, den Vuͤgel awerst huͤngen se an der Wand.
De tweide Suhn kunne awerst nig to Huse rasten, un nam ’n Flitzebogen, un gink up de Jagd. Wie he moͤe was, nam he sine Floͤtepipen, un mackte ’n Stuͤcksken. De Kuͤnig awerst woͤr auck up de Jagd, un hoͤrde dat, da gieng he hin, un wie he den Jungen drap, so sehde he ‘we hett die verloͤwt hier to jagen?’ ‘O, neimes (niemand).’ ‘Wen hoͤrst du dann to?’ ‘Jk bin den Fisker sin Suhn.’ ‘De hett ja keine Kinner.’ ‘Wenn du’t nig gloͤwen wust, so kum mit.’ Dat dehe de Kuͤnig, un frog den Fisker, de vertaͤlle uͤn alles, un dat Vuͤgelken an der Wand fing an to singen
Da erschracken se alle, un de Kuͤnig nam den Vugel, den Fisker, un de drei Kinner mit sik na den Schlotte, un leit dat Gefaͤnknis upschluten, un nam sine Fru wier herut, de was awerst gans kraͤnksch un elennig woren. Da gav er de Dochter von den Water ut den Brunnen to drinken, da war se frisk un gesund. De beiden falsken Suͤstern woren averst verbrennt, un de Dochter friggede den Prinzen.
Es war einmal ein Koͤnig, der ward krank, und glaubte niemand daß er mit dem Leben davon kaͤme. Er hatte aber drei Soͤhne, die waren daruͤber betruͤbt, giengen hinunter in den Schloßgarten, und weinten; da begegnete ihnen ein alter Mann, der fragte sie nach ihrem Kummer. Sie erzaͤhlten ihm ihr Vater waͤre so krank, daß er wohl sterben wuͤrde, denn es wollte ihm nichts helfen. Da sprach der Alte ‘ich weiß noch ein Mittel, das ist das Wasser des Lebens, wenn er davon trinkt, so wird er wieder gesund; es ist aber schwer zu finden.’ Da sagte der aͤlteste ‘ich will es schon finden,’ gieng zum kranken Koͤnig, und bat ihn, er moͤchte ihm erlauben auszuziehen, um das Wasser des Lebens zu suchen, das ihn allein heilen koͤnne. ‘Nein,’ sprach der Koͤnig, ‘die Gefahr dabei ist zu groß, lieber will ich sterben.’ Er bat aber so lange, bis der Koͤnig einwilligte. Der Prinz dachte in seinem Herzen ‘hol ich das Wasser, so bin ich meinem Vater der liebste, und erbe das Reich.’
Also machte er sich auf, und als er eine Zeit lang fortgeritten war, stand da ein Zwerg auf dem Wege, der rief ihn an, und sprach ‘wohinaus so geschwind?’ ‘Du Knirps,’ sagte der74 Prinz ganz stolz, ‘das brauchst du nicht zu wissen,’ und ritt weiter. Das kleine Maͤnnchen aber war zornig geworden, und hatte einen boͤsen Wunsch gethan. Der Prinz kam auf seinem Weg in eine Bergschlucht, und je weiter er ritt, je enger thaten sich die Berge zusammen, und endlich ward der Weg so eng, daß er keinen Schritt weiter konnte, und auch das Pferd konnte er nicht wenden, und selber nicht absteigen, und mußte da eingesperrt bleiben. Der kranke Koͤnig wartete auf ihn, aber er kam nicht und kam nicht. Da sagte der zweite Sohn ‘so will ich ausziehen, und das Wasser suchen,’ und dachte bei sich ‘das ist mir eben recht, ist mein Bruder todt, so faͤllt das Reich mir zu.’ Der Koͤnig wollt ihn anfangs auch nicht ziehen lassen, endlich aber mußte ers doch zugeben. Der Prinz zog also gleiches Wegs fort, und begegnete demselben Zwerg, der ihn anhielt, und fragte ‘wohinaus so geschwind?’ ‘Du Knirps,’ sagte der Prinz, ‘das brauchst du nicht zu wissen,’ und ritt, ohne sich weiter umzusehen, fort. Aber der Zwerg verwuͤnschte ihn, und er gerieth wie der andere in eine Bergschlucht, und konnte nicht vorwaͤrts und ruͤckwaͤrts. So gehts aber den Hochmuͤthigen.
Wie nun der zweite Sohn ausblieb, sagte der juͤngste, er wollte ausziehen, und das Wasser holen, und der Koͤnig mußte ihn endlich auch gehen lassen. Als er den Zwerg auf dem Wege fand, und ihn fragte ‘wohinaus so geschwind?’ so stand er ihm Rede, und sagte ‘ich suche das Wasser des Lebens, weil mein Vater sterbenskrank ist.’ ‘Weißt du auch wo das zu finden ist?’ ‘Nein,’ sagte der Prinz. ‘Weil du mir ordentlich Rede gestanden75 hast, so will ich dirs sagen.’ Es quillt aus einem Brunnen in dem Hofe eines verwuͤnschten Schlosses; und damit du dazu gelangst, gebe ich dir da eine eiserne Ruthe und zwei Laiberchen Brot. Mit der Ruthe schlag dreimal an das eiserne Thor vor dem Schloß, so wird es aufspringen: inwendig werden dann zwei Loͤwen liegen, und den Rachen aufsperren, wenn du ihnen aber das Brot hineinwirfst, wirst du sie stillen: und dann eile dich, und hol von dem Wasser des Lebens, eh es zwoͤlf schlaͤgt, sonst geht das Thor wieder zu, und du bist eingesperrt.’ Da dankte ihm der Prinz, und nahm die Ruthe und das Brot, gieng hin, und es war alles so, wie der Zwerg gesagt hatte. Das Thor sprang beim dritten Ruthenschlag auf, und als er die Loͤwen gesaͤnftigt hatte, gieng er in das Schloß hinein, und fand einen großen schoͤnen Saal, und darin verwuͤnschte Prinzen, denen zog er die Ringe ab; und nahm dann ein Schwert und ein Brot, das da lag. Und weiter kam er in ein Zimmer, darin war eine schoͤne Jungfrau, die freute sich, als sie ihn sah, kuͤßte ihn, und sagte er haͤtte sie erloͤst, und sollte ihr ganzes Reich haben; in einem Jahre sollt er kommen und die Hochzeit mit ihr feiern. Dann sagte sie ihm auch, wo der Brunnen waͤre mit dem Lebenswasser, er muͤßte sich aber eilen und daraus schoͤpfen, eh es zwoͤlf schluͤge. Da gieng er weiter, und kam endlich in ein Zimmer, darin stand ein schoͤnes frischgedecktes Bett; und weil er muͤde war, wollt er sich erst ein wenig ausruhen. Also legte er sich, und schlief ein; wie er aber erwachte, schlug es drei Viertel auf Zwoͤlf. Da sprang er ganz erschrocken auf, lief zu dem76 Brunnen, und schoͤpfte daraus mit einem Becher, der daneben stand, und eilte daß er fortkam. Wie er eben zum eisernen Thor hinausgieng, da schlugs zwoͤlf, und das Thor fuhr zu, so heftig, daß es ihm noch ein Stuͤck von der Ferse wegnahm.
Er aber war froh, daß er das Wasser des Lebens erlangt hatte, und gieng heimwaͤrts, und kam wieder an dem Zwerg vorbei. Als dieser das Schwert und das Brot sah, sprach er ‘damit hast du großes Gut gewonnen, mit dem Schwert kannst du ganze Heere schlagen, das Brot aber wird niemals alle.’ Da dachte der Prinz ‘ohne deine Bruͤder willst du zum Vater nicht nach Haus kommen’ und sprach ‘lieber Zwerg, kannst du mir nicht sagen, wo meine zwei Bruͤder sind, die waren fruͤher als ich nach dem Wasser des Lebens ausgezogen, und sind nicht wiedergekommen.’ ‘Zwischen zwei Bergen sind sie eingeschlossen,’ sprach der Zwerg, ‘dahin habe ich sie verwuͤnscht, weil sie so uͤbermuͤthig waren.’ Da bat der Prinz so lange, bis sie der Zwerg wieder los ließ, aber er warnte ihn, und sprach ‘huͤte dich vor ihnen, sie haben ein boͤses Herz.’
Wie sie nun kamen, da freute er sich, und erzaͤhlte ihnen alles, wie es ihm ergangen waͤre, daß er das Wasser des Lebens gefunden, und einen Becher voll mitgenommen, und eine schoͤne Prinzessin erloͤst haͤtte, die wollte ein Jahr lang auf ihn warten, dann sollte Hochzeit gehalten werden, und er bekaͤme ein großes Reich. Danach ritten sie zusammen fort, und geriethen in ein Land, wo Hunger und Krieg war, und der Koͤnig glaubte schon er sollte verderben in der Noth; da gieng der Prinz zu ihm, und77 gab ihm das Brot, damit speiste und saͤttigte er sein ganzes Reich; und dann gab ihm der Prinz auch das Schwert, und damit schlug er die Heere seiner Feinde, und konnte nun in Ruhe und Frieden leben. Da nahm der Prinz sein Brot und sein Schwert wieder zuruͤck, und die drei Bruͤder ritten weiter. Sie kamen aber noch in zwei Laͤnder, wo Hunger und Krieg herrschten, und da gab der Prinz den Koͤnigen jedesmal sein Brot und Schwert, und hatte nun drei Reiche gerettet. Und danach setzten sie sich auf ein Schiff, und fuhren uͤbers Meer. Waͤhrend der Fahrt da sprachen die beiden aͤltesten unter sich ‘der juͤngste hat das Wasser des Lebens gefunden, und wir nicht, dafuͤr wird ihm unser Vater das Reich geben, das uns gebuͤhrt, und er wird uns unser Gluͤck wegnehmen.’ Da wurden sie rachsuͤchtig, und verabredeten mit einander daß sie ihn verderben wollten. Sie warteten aber bis er einmal fest eingeschlafen war, da gossen sie das Wasser des Lebens aus dem Becher, und nahmen es fuͤr sich, ihm aber gossen sie bitteres Meerwasser hinein.
Als sie nun daheim ankamen, brachte der juͤngste dem kranken Koͤnig seinen Becher, damit er daraus trinken und gesund werden sollte. Kaum aber hatte er ein wenig von dem bittern Meerwasser getrunken, so ward er noch kraͤnker als zuvor. Und wie er daruͤber jammerte, kamen die beiden aͤltesten Soͤhne, und klagten den juͤngsten an, und sagten er habe ihn vergiften wollen, das rechte Wasser des Lebens haͤtten sie gefunden und mitgebracht, und reichten es dem Koͤnig. Kaum hatte er davon getrunken, so fuͤhlte er seine Krankheit verschwinden, und ward stark und gesund78 wie in seinen jungen Tagen. Danach giengen die beiden zu dem juͤngsten, verspotteten ihn, und sagten ‘du hast das Wasser des Lebens gefunden, aber du hast die Muͤhe gehabt, und wir den Lohn; du haͤttest die Augen aufbehalten sollen, wir haben dirs genommen, wie du auf dem Meere eingeschlafen warst. Uebers Jahr da holt sich einer von uns die schoͤne Koͤnigstochter; aber huͤte dich daß du nichts davon verraͤthst, der Vater glaubt dir doch nicht, und wenn du ein einziges Wort sagst, so sollst du noch obendrein dein Leben verlieren, schweigst du aber, so soll dirs geschenkt seyn.’
Der alte Koͤnig aber war zornig uͤber seinen juͤngsten Sohn, und glaubte er haͤtte ihm nach dem Leben getrachtet. Also ließ er den Hof versammeln, und das Urtheil uͤber ihn sprechen daß er heimlich sollte erschossen werden. Als der Prinz nun einmal auf die Jagd ritt, und nichts Boͤses vermuthete, mußte des Koͤnigs Jaͤger mitgehen. Draußen, als sie ganz allein im Wald waren, und der Jaͤger so traurig aussah, sagte der Prinz zu ihm ‘lieber Jaͤger, was fehlt dir?’ Der Jaͤger sprach ‘ich kanns nicht sagen, und soll es doch.’ Da sprach der Prinz ‘sage nur heraus was es ist, ich will dirs verzeihen.’ ‘Ach,’ sagte der Jaͤger, ‘ich soll euch todtschießen, der Koͤnig hat mirs befohlen.’ Da erschrack der Prinz, und sprach ‘lieber Jaͤger, laß mich leben, da geb ich dir mein koͤnigliches Kleid, gib mir dafuͤr dein schlechtes.’ Der Jaͤger sagte ‘das will ich gerne thun, ich haͤtte doch nicht nach euch schießen koͤnnen.’ Da nahm der Jaͤger des79 Prinzen Kleid, und der Prinz das schlechte vom Jaͤger, und gieng fort in den Wald hinein.
Ueber eine Zeit, da kamen zu dem alten Koͤnig drei Wagen mit Geschenken an Gold und Edelsteinen fuͤr seinen juͤngsten Sohn; sie waren aber von den drei Koͤnigen geschickt, die mit des Prinzen Schwert die Feinde geschlagen, und mit seinem Brot ihr Land ernaͤhrt hatten, und sich dankbar bezeigen wollten. Das fiel dem alten Koͤnig aufs Herz, und er dachte sein Sohn koͤnnte doch unschuldig gewesen seyn, und sprach zu seinen Leuten ‘ach, waͤr er noch am Leben, wie thut mirs so leid, daß ich ihn habe toͤdten lassen.’ ‘So habe ich ja recht gethan,’ sprach der Jaͤger, ‘ich konnte es nicht uͤbers Herz bringen euern Befehl auszufuͤhren;’ und sagte dem Koͤnig wie es zugegangen waͤre. Da war der Koͤnig froh, und ließ in allen Reichen bekannt machen, sein Sohn sollte wieder kommen und in Gnaden aufgenommen werden.
Die Koͤnigstochter aber ließ eine Straße vor ihrem Schloß machen, die war ganz golden und glaͤnzend, und sagte ihren Leuten wer darauf geradeswegs zu ihr geritten kaͤme, das waͤre der rechte, und den sollten sie einlassen, wer aber daneben kaͤme, der waͤre der rechte nicht, und den sollten sie auch nicht einlassen. Als nun die Zeit bald herum war, dachte der aͤlteste er wollte sich eilen, zur Koͤnigstochter gehen, und sich fuͤr ihren Erloͤser ausgeben, da bekaͤme er sie zur Gemahlin und das Reich dabei. Also ritt er fort, und als er vor das Schloß kam, und die schoͤne goldene Straße sah, dachte er ‘das waͤre jammerschade, wenn du darauf rittest,’ lenkte ab, und ritt rechts nebenher. Wie er aber vor80 das Thor kam, sagten die Leute zu ihm er waͤre der rechte nicht, er sollte wieder fortgehen. Bald darauf machte sich der zweite Prinz auf, und wie der zur goldenen Straße kam, und das Pferd den einen Fuß darauf gesetzt hatte, dachte er ‘es waͤre jammerschade, das koͤnnte etwas abtreten,’ lenkte ab, und ritt links nebenher. Wie er aber vor das Thor kam, sagten die Leute er waͤre der rechte nicht, er sollte wieder fortgehen. Als nun das Jahr ganz herum war, wollte der dritte aus dem Wald fort zu seiner Liebsten reiten, und bei ihr sein Leid vergessen. Also machte er sich auf, und dachte immer an sie, und waͤre gerne schon bei ihr gewesen, und sah die goldene Straße gar nicht. Da ritt sein Pferd mitten daruͤber hin, und als er vor das Thor kam, ward es aufgethan, und die Koͤnigstochter empfing ihn mit Freuden, und sagte er waͤr ihr Erloͤser, und der Herr des Koͤnigreichs, und ward die Hochzeit gehalten mit großer Gluͤckseligkeit. Und als sie vorbei war, erzaͤhlte sie ihm daß sein Vater ihn zu sich entboten und ihm verziehen haͤtte. Da ritt er hin, und sagte ihm alles, wie seine Bruͤder ihn betrogen, und er doch dazu geschwiegen haͤtte. Der alte Koͤnig wollte sie strafen, aber sie hatten sich aufs Meer gesetzt, und waren fortgeschifft, und kamen ihr Lebtag nicht wieder.
Es war einmal ein armer Bauer Namens Krebs, der fuhr mit zwei Ochsen ein Fuder Holz in die Stadt, und verkaufte es fuͤr zwei Thaler an einen Doctor. Wie ihm nun das Geld ausbezahlt wurde, saß der Doctor gerade zu Tisch, da sah der Bauer was er schoͤn aß und trank, und das Herz gieng ihm danach auf, und er waͤre auch gern ein Doctor gewesen. Also blieb er noch ein Weilchen stehen, und fragte endlich ob er nicht auch koͤnnte ein Doctor werden. ‘O ja,’ sagte der Doctor, ‘das ist bald geschehen. Erstlich kauf dir ein Abcbuch, so eins, wo vorne ein Goͤckelhahn drin ist; zweitens mache deinen Wagen und deine zwei Ochsen zu Geld, und schaffe dir damit Kleider an, und was sonst zur Doctorei gehoͤrt; drittens laß dir ein Schild malen mit den Worten, ich bin der Doctor Allwissend, und laß das oben uͤber deine Hausthuͤr nageln.’ Der Bauer that alles wies ihm geheißen war. Als er nun ein wenig gedoctert hatte, aber noch nicht viel, ward einem reichen großen Herrn Geld gestohlen. Da ward ihm von dem Doctor Allwissend gesagt, der in dem und dem Dorfe wohnte, und auch wissen muͤßte wo das Geld hingekommen waͤre. Also ließ der Herr seinen Wagen anspannen, fuhr hinaus ins Dorf, und fragte bei ihm an ob er der Doctor82 Allwissend waͤre? ‘Ja, der waͤr er.’ ‘So sollte er mitgehen und das gestohlene Geld wieder schaffen.’ ‘O ja, aber die Grethe, seine Frau, muͤßte auch mit.’ Der Herr war das zufrieden, ließ sie beide in dem Wagen sitzen, und sie fuhren zusammen fort. Als sie auf den adlichen Hof kamen, war der Tisch gedeckt, da sollte er erst mitessen. ‘Ja, aber seine Frau, die Grethe, auch’ sagte er, und setzte sich mit ihr hinter den Tisch. Wie nun der erste Bediente mit einer Schuͤssel schoͤnem Essen kam, stieß der Bauer seine Frau an und sagte ‘Grethe, das war der erste,’ und meinte es waͤre derjenige, welcher das erste Essen braͤchte. Der Bediente aber meinte er haͤtte damit sagen wollen ‘das ist der erste Dieb,’ und weil ers nun wirklich war, ward ihm angst, und er sagte draußen zu seinen Cameraden ‘der Doctor weiß alles, wir kommen uͤbel an, er hat gesagt ich waͤre der erste.’ Der zweite wollte gar nicht herein, er mußte aber doch. Wie er nun mit seiner Schuͤssel herein kam, stieß der Bauer seine Frau an, ‘Grethe, das ist der zweite.’ Dem Bedienten ward ebenfalls angst, und er machte daß er hinaus kam. Dem dritten giengs nicht besser, der Bauer sagte wieder ‘Grethe, das ist der dritte. ’. Der vierte mußte eine verdeckte Schuͤssel hereintragen, und der Herr sprach zum Doctor er sollte seine Kunst zeigen, und rathen was darunter laͤge; es waren aber Krebse. Der Bauer sah die Schuͤssel an, wußte nicht wie er sich helfen sollte, und sprach ‘ach, ich armer Krebs!’ Wie der Herr das hoͤrte, rief er ‘da, er weiß es, nun weiß er auch wer das Geld hat.’
83Dem Bedienten aber ward gewaltig angst, und er blinzelte den Doctor an, er moͤchte einmal herauskommen. Wie er nun hinauskam, gestanden sie ihm alle vier sie haͤtten das Geld gestohlen; sie wolltens ja gerne heraus geben, und ihm eine schwere Summe dazu, wenn er sie nicht verrathen wollte: es gieng ihnen sonst an den Hals. Sie fuͤhrten ihn auch hin, wo das Geld versteckt lag. Damit war der Doctor zufrieden, gieng wieder hinein, und sprach ‘Herr, nun will ich in meinem Buch suchen, wo das Geld steckt.’ Der fuͤnfte Bediente aber kroch in den Ofen, und wollte hoͤren ob der Doctor noch mehr wuͤßte. Der saß aber, und schlug sein Abcbuch auf, blaͤtterte hin und her, und suchte den Goͤckelhahn. Weil er ihn nun nicht gleich finden konnte, sprach er ‘du bist doch darin, und mußt auch heraus.’ Da meinte der im Ofen er waͤre gemeint, sprang voller Schrecken heraus, und rief ‘der Mann weiß alles.’ Nun zeigte der Doctor Allwissend dem Herrn wo das Geld lag, sagte aber nicht wers gestohlen hatte, bekam von beiden Seiten viel Geld zur Belohnung, und ward ein beruͤhmter Mann.
Es war einmal ein armer Holzhacker, der arbeitete vom Morgen bis in die spaͤte Nacht. Als er sich endlich etwas Geld zusammengespart hatte, sprach er zu seinem Jungen ‘du bist mein einziges Kind, ich will das Geld, das ich mit saurem Schweiß erworben habe, zu deinem Unterricht anwenden; lernst du etwas rechtschaffenes, so kannst du mich im Alter ernaͤhren, wenn meine Glieder steif geworden sind, und ich daheim sitzen muß. Da gieng der Junge auf eine hohe Schule, und lernte fleißig, so daß ihn seine Lehrer ruͤhmten, und blieb eine Zeit lang dort. Als er ein paar Schulen durchgelernt hatte, doch aber noch nicht in allem vollkommen war, so war das bischen Armuth, das der Vater erworben, drauf gegangen, und er mußte wieder zu ihm heim kehren. ‘Ach,’ sprach der Vater betruͤbt, ‘ich kann dir nichts mehr geben, und kann in der theuern Zeit auch keinen Heller mehr verdienen als das taͤgliche Brot.’ ‘Lieber Vater,’ antwortete der Sohn, macht euch daruͤber keine Gedanken, wenns Gottes Wille also ist, so wirds zu meinem Besten ausschlagen; ich will mich schon drein schicken. Jch bleibe bei euch, und gehe mit hinauf in den Wald, um etwas am Malterholz (d. h. am Zuhauen und Aufrichten) zu verdienen.’ ‘Ja, mein Sohn,’ sagte der Vater, das soll dir beschwerlich ankommen, du bist an harte Arbeit nicht gewoͤhnt, du haͤltst das nicht aus; ich habe auch nur eine Axt85 und kein Geld uͤbrig um noch eine zu kaufen.’ ‘Geht nur zum Nachbar,’ antwortete der Sohn, ‘der leiht euch seine Axt so lange, bis ich mir selbst eine verdient habe.’
Da borgte der Vater beim Nachbar eine Axt, und am andern Morgen, wie der Tag anbrach, giengen sie mit einander hinaus in den Wald. Der Sohn half dem Vater, und war ganz munter und frisch dabei. Als nun die Sonne uͤber ihnen stand, sprach der Vater ‘wir wollen rasten, und Mittag halten, hernach gehts noch einmal so gut.’ Der Sohn nahm sein Brot in die Hand, und sprach ‘ruht euch nur aus, Vater, ich bin nicht muͤde, ich will in dem Wald ein wenig auf und abgehen, und Vogelnester suchen.’ ‘O, du Geck,’ sprach der Vater, ‘was willst du da herum laufen, hernach bist du muͤde, und kannst den Arm nicht mehr aufheben; bleib hier und setze dich zu mir.’
Der Sohn aber gieng in den Wald, aß sein Brot ganz froͤhlich, und sah in die gruͤnen Zweige hinein, ob er etwa ein Nest entdeckte. So gieng er hin und her, bis er endlich zu einer großen gefaͤhrlichen Eiche kam, die gewiß schon viele hundert Jahre alt war, und die keine fuͤnf Menschen umspannt haͤtten. Er blieb stehen, und sah sie an, und dachte ‘es muß doch mancher Vogel sein Nest hinein gebaut haben.’ Da daͤuchte ihn auf einmal als hoͤrte er eine Stimme. Er horchte, und vernahm wie es mit so einem recht dumpfen Ton rief ‘laß mich heraus, laß mich heraus.’ Er sah sich rings um, konnte aber nichs entdecken, aber es war ihm als ob die Stimme unten aus der Erde hervorkaͤme. Da rief er ‘wo bist du?’ Die Stimme antwortete ‘da86 unten stecke ich bei der Eichwurzel. Laß mich heraus, laß mich heraus.’ Der Schuͤler fieng an unter dem Baum aufzuraͤumen, und bei den Wurzeln zu suchen, bis er endlich in einer kleinen Hoͤhlung eine Glasflasche entdeckte. Er hob sie in die Hoͤhe, und hielt sie gegen das Licht, da sah er ein Ding, gleich einem Frosch gestaltet, das sprang darin auf und nieder. ‘Laß mich heraus, laß mich heraus,’ riefs von neuem, und der Schuͤler, der an nichts Boͤses dachte, nahm den Pfropfen von der Flasche ab. Alsbald stieg ein Geist heraus, und fieng an zu wachsen, und wuchs so schnell, daß er in wenigen Augenblicken als ein entsetzlicher Kerl, so groß wie der halbe Baum, vor dem Schuͤler stand. ‘Weißt du,’ rief er mit einer fuͤrchterlichen Stimme, ‘was dein Lohn dafuͤr ist, daß du mich heraus gelassen hast?’ ‘Nein,’ antwortete der Schuͤler ohne Furcht, ‘wie soll ich das wissen?’ ‘So will ich dirs sagen,’ rief der Geist, ‘den Hals muß ich dir dafuͤr brechen.’ ‘Das haͤttest du mir fruͤher sagen sollen,’ antwortete der Schuͤler, ‘so haͤtte ich dich stecken lassen; mein Kopf aber soll vor dir wohl feststehen, da muͤssen mehr Leute gefragt werden.’ ‘Mehr Leute hin, mehr Leute her,’ rief der Geist, ‘deinen verdienten Lohn den sollst du haben. Denkst du, ich waͤre aus Gnade da so lange Zeit eingeschlossen worden, nein es war zu meiner Strafe; ich bin der großmaͤchtige Merkurius, wer mich loslaͤßt, dem muß ich den Hals brechen.’ ‘Sachte,’ antwortete der Schuͤler, ‘so geschwind geht das nicht, erst muß ich auch wissen daß du wirklich in der kleinen Flasche gesessen hast, und du der rechte Geist bist; kannst du auch wieder hinein, so will ichs glauben, und dann87 magst du mit mir anfangen was du willst.’ ‘O,’ sprach der Geist hochmuͤthig, ‘das ist mir ein geringes,’ und zog sich zusammen, und machte sich so duͤnn und klein, wie er anfangs gewesen war, also daß er durch dieselbe Oeffnung und durch den Hals der Flasche wieder hineinkroch. Kaum aber war er darin, so druͤckte der Schuͤler den abgezogenen Pfropfen wieder auf, und warf die Flasche unter die Eichwurzeln an ihren alten Platz, und der Geist war betrogen.
Nun wollte der Schuͤler zu seinem Vater zuruͤckgehen, aber der Geist rief ganz klaͤglich, und sprach ‘ach, laß mich doch heraus, laß mich doch heraus.’ ‘Nein,’ antwortete der Schuͤler, ‘zum zweitenmale nicht wieder; wer mir einmal nach dem Leben gestrebt hat, den laß ich nicht los, wenn ich ihn wieder gefangen habe.’ ‘Mach mich frei,’ rief der Geist, ‘so will ich dir so viel geben, daß du dein Lebtag genug hast.’ ‘Nein,’ antwortete der Schuͤler, ‘du betruͤgst mich, wie das erstemal.’ ‘Du verscherzest dein Gluͤck,’ sprach der Geist, ‘ich will dir nichts thun, sondern dich reichlich belohnen.’ Der Schuͤler dachte ‘ich wills wagen, vielleicht haͤlt er Wort, und anhaben soll er mir doch nichts.’ Da nahm er den Pfropfen ab, und der Geist stieg wie das vorigemal heraus, dehnte sich auseinander, und ward gewaltig groß. Da reichte er dem Schuͤler einen kleinen Lappen, ganz wie ein Pflaster, und sprach ‘wenn du mit dem einen Ende eine Wunde bestreichst, so heilt sie, und wenn du mit dem anderen Ende Stahl und Eisen bestreichst, so wird es in Silber verwandelt seyn.’ Das muß ich erst versuchen,’ sprach der Schuͤler, gieng an einen Baum und ritzte die Rinde mit seiner Axt, und bestrich sie mit dem einen88 Ende des Pflasters, alsbald schloß sie sich wieder zusammen, und war geheilt. ‘Nun, es hat seine Richtigkeit, sprach er zum Geist, ‘jetzt koͤnnen wir uns trennen.’ Der Geist dankte ihm fuͤr seine Erloͤsung, und der Schuͤler dankte dem Geist fuͤr sein Geschenk, und gieng zuruͤck zu seinem Vater.
‘Wo bist du herumgelaufen?’ sprach der Vater ‘warum hast du die Arbeit vergessen? Jch habe es ja gleich gesagt, daß du nichts zu Stande bringen wuͤrdest.’ ‘Gebt euch zufrieden, Vater, ich wills nachholen.’ ‘Ja nachholen,’ sprach der Vater zornig, ‘das hat keine Art.’ ‘Habt acht, Vater, den Baum da will ich gleich einhauen, daß er umkrachen soll.’ Da nahm er sein Pflaster, bestrich die Axt damit, und that einen gewaltigen Hieb, aber weil das Eisen in Silber verwandelt war, so legte sich die Schneide um. ‘Ei, Vater, seht einmal, was habt ihr mir fuͤr eine schlechte Axt gegeben, die ist ganz schief geworden.’ Da erschrack der Vater, und sprach ‘ach, was hast du gemacht! nun muß ich die Axt bezahlen und weiß nicht womit; das ist der Nutzen, den ich von deiner Arbeit habe.’ ‘Werdet nicht boͤs,’ antwortete der Sohn, ‘die Axt will ich schon bezahlen.’ ‘O, du Dummbart,’ rief der Vater, ‘wovon willst du sie bezahlen? du hast nichts, als was ich dir gebe; das sind Studentenkniffe, die dir im Kopf stecken, aber vom Holzhacken hast du keinen Verstand.’
Ueber ein Weilchen sprach der Schuͤler ‘Vater, ich kann doch nichts mehr arbeiten, wir wollen lieber Feierabend machen.’ ‘Ei was,’ antwortete er, ‘meinst du ich wollte die Haͤnde in den Schooß legen wie du? ich muß noch schaffen, du kannst dich aber89 heim packen.’ ‘Vater, ich bin zum erstenmal hier in dem Wald, ich weiß den Weg nicht allein, geht nur mit mir.’ Weil sich der Zorn gelegt hatte, so ließ der Vater sich endlich bereden, und gieng mit ihm heim. Da sprach er zum Sohn ‘geh und verkauf die verschaͤndete Axt, und sieh zu was du dafuͤr kriegst; das uͤbrige muß ich verdienen, um sie dem Nachbar zu bezahlen.’ Der Sohn nahm die Axt, und trug sie in die Stadt zu einem Goldschmied, der probierte sie, legte sie auf die Wage, und sprach ‘sie ist vierhundert Thaler werth, so viel habe ich nicht baar.’ Der Schuͤler sprach ‘gebt mir was ihr habt, das uͤbrige will ich euch borgen.’ Der Goldschmied gab ihm dreihundert Thaler, und blieb einhundert schuldig. Darauf gieng der Schuͤler heim, und sprach ‘Vater, ich habe Geld, geht und fragt, was der Nachbar fuͤr die Axt haben will.’ ‘Das weiß ich schon,’ antwortete der Alte, ‘einen Thaler, sechs Groschen.’ ‘So gebt ihm zwei Thaler zwoͤlf Groschen, das ist das Doppelte, und ist genug; seht ihr, ich habe Geld in Ueberfluß;’ und gab dem Vater einhundert Thaler und sprach ‘es soll euch niemals fehlen, lebt nach eurer Bequemlichkeit.’ ‘Mein Gott,’ sprach der Alte, ‘wie bist du zu dem Reichthum gekommen?’ Da erzaͤhlte er ihm wie alles zugegangen waͤre, und wie er im Vertrauen auf sein Gluͤck einen so reichen Fang gethan haͤtte. Mit dem uͤbrigen Geld aber zog er wieder hin auf die hohe Schule, und lernte weiter, und weil er mit seinem Pflaster alle Wunden heilen konnte, ward er der beruͤhmteste Doctor auf der ganzen Welt.
Ein abgedankter Soldat hatte nichts zu leben, und wußte sich nicht mehr zu helfen. Da gieng er hinaus in den Wald, und als er ein Weilchen gegangen war, begegnete ihm ein kleines Maͤnnchen, das war aber der Teufel. Das Maͤnnchen sagte zu ihm: ‘was fehlt dir? du siehst ja so truͤbselig aus.’ Da sprach der Soldat ‘ich habe Hunger und kein Geld.’ Der Teufel sagte ‘willst du dich bei mir vermiethen, und mein Knecht seyn, so sollst du fuͤr dein Lebtag genug haben. Sieben Jahre sollst du mir dienen, dann bist du wieder frei, aber eins sag ich dir, du darfst dich nicht waschen, nicht kaͤmmen, nicht schnippen, keine Naͤgel und Haare abschneiden, und kein Wasser aus den Augen wischen.’ Der Soldat sprach ‘wohlan, so solls seyn,’ und gieng mit dem Maͤnnchen fort, das fuͤhrte ihn nun geradeswegs in die Hoͤlle hinein. Da sagte es ihm, was er zu thun haͤtte. Er muͤßte das Feuer schuͤren unter den Kesseln, wo die Hoͤllenbraten drin saͤßen, das Haus rein halten, den Kehrdreck hinter die Thuͤre tragen, und uͤberall auf Ordnung sehen, aber guckt er ein einziges Mal in die Kessel hinein, so sollts ihm schlimm gehen. Der Soldat sprach ‘es ist gut, ich wills schon besorgen.’ Da gieng nun der91 alte Teufel wieder hinaus auf seine Wanderung, und der Soldat trat seinen Dienst an, legte Feuer zu, kehrte, und trug den Kehrdreck hinter die Thuͤre; wie der alte Teufel wieder kam, war er zufrieden, und gieng zum zweitenmal fort. Der Soldat schaute sich nun einmal recht um, da standen die Kessel rings herum in der Hoͤlle, und war ein gewaltiges Feuer darunter, und es kochte und brutzelte darin. Da haͤtte er fuͤr sein Leben gerne hineingeschaut, es war ihm aber so streng verboten; endlich konnte er sich nicht mehr anhalten, gieng herbei, und hob vom ersten Kessel ein klein bischen den Deckel auf, und guckte hinein. Da sah er seinen ehemaligen Unteroffizier darin sitzen: ‘aha, Vogel,’ sprach er, ‘treff ich dich hier? du hast mich gehabt, jetzt habe ich dich,’ ließ geschwind den Deckel fallen, schuͤrte das Feuer, und legte noch frisch zu. Danach gieng er zum zweiten Kessel, hob ihn auch ein wenig auf, und guckte, da saß sein Faͤhndrich darin: ‘aha, Vogel, treff ich dich hier, du hast mich gehabt, jetzt hab ich dich,’ machte den Deckel wieder zu, und trug noch einen Klotz herbei, der sollt ihm erst recht heiß machen. Nun wollt er auch sehen wer im dritten Kessel saͤße, da wars gar sein General: ‘aha, Vogel, treff ich dich hier? du hast mich gehabt, jetzt habe ich dich,’ holte den Blasbalg, und ließ das Hoͤllenfeuer recht unter ihm flackern. Also that er sieben Jahr seinen Dienst in der Hoͤlle, wusch sich nicht, kaͤmmte sich nicht, schnippte sich nicht, schnitt sich die Naͤgel und Haare nicht, und wischte sich kein Wasser aus den Augen, und die sieben Jahr waren ihm so kurz, daß er meinte es waͤre nur ein halbes Jahr gewesen. Als nun die Zeit vollens herum war,92 kam der Teufel und sagte ‘nun, Hans, was hast du gemacht?’ ‘Jch habe das Feuer unter den Kesseln geschuͤrt, ich habe gekehrt, und den Kehrdreck hinter die Thuͤre getragen.’ ‘Aber du hast auch in die Kessel geguckt; dein Gluͤck ist, daß du noch Holz zugelegt hast, sonst war dein Leben verloren; jetzt ist deine Zeit herum, willst du wieder heim?’ ‘Ja,’ sagte der Soldat, ‘ich wollt auch gerne sehen, was mein Vater daheim macht.’ Sprach der Teufel ‘damit du deinen verdienten Lohn kriegst, geh und raffe dir deinen Ranzen voll Kehrdreck, und nimms mit nach Haus. Du sollst auch gehen ungewaschen und ungekaͤmmt, mit langen Haaren am Kopf und am Bart, mit ungeschnittenen Naͤgeln und mit truͤben Augen, und wenn du gefragt wirst, woher du kaͤmst, sollst du sagen aus der Hoͤlle; und wenn du gefragt wirst, wer du waͤrst, sollst du sagen? des Teufels rußiger Bruder, und mein Koͤnig auch.’ Der Soldat schwieg still, und that was der Teufel sagte, aber er war mit seinem Lohn gar nicht zufrieden.
Wie er nun wieder auf die Welt kam, und im Wald war, hob er seinen Ranzen vom Ruͤcken und wollt ihn ausschuͤtten; wie er ihn aber oͤffnete, so war der Kehrdreck pures Gold geworden. Als er das sah, war er vergnuͤgt, und gieng in die Stadt hinein. Vor dem Wirthshaus stand der Wirth, und wie er ihn herankommen sah, erschrack er, weil Hans so entsetzlich aussah, aͤrger als eine Vogelscheu. Er rief ihn an, und fragte ‘woher kommst du?’ ‘Aus der Hoͤlle.’ ‘Wer bist du?’ ‘Des Teufels sein rußiger Bruder, und mein Koͤnig auch.’ Nun wollte der Wirth ihn nicht einlassen, wie er ihm aber das Gold zeigte, gieng er und93 klinkte dem Hans selber die Thuͤre auf. Da ließ er sich die beste Stube geben, koͤstlich aufwarten, aß und trank sich satt, wusch sich aber nicht und kaͤmmte sich nicht, wie ihm der Teufel geheißen hatte, und legte sich endlich schlafen. Dem Wirth aber war der Ranzen voll Gold vor den Augen, und ließ ihm keine Ruh, bis er in der Nacht hinschlich und ihn wegstahl.
Wie nun Hans am andern Morgen aufstand, den Wirth bezahlen und weiter gehen wollte, da war sein Ranzen weg. Er faßte sich aber kurz, dachte, ‘du bist ohne Schuld ungluͤcklich gewesen,’ und kehrte wieder um, geradezu in die Hoͤlle; da klagte er es dem alten Teufel, und bat ihn um Huͤlfe. Der Teufel sagte ‘setz dich, ich will dich waschen, kaͤmmen, schnippen, die Haare und Naͤgel schneiden, und die Augen auswischen,’ und als er mit ihm fertig war, gab er ihm den Ranzen wieder voll Kehrdreck, und sprach ‘geh hin, und sage dem Wirth er sollte dir dein Gold wieder herausgeben, sonst wollt ich kommen, und ihn abholen an deinen Platz.’ Hans gieng hinauf, und sprach zum Wirth ‘du hast mein Gold gestohlen, giebst dus nicht wieder, so kommst du in die Hoͤlle an meinen Platz, und sollst aussehen wie ich.’ Da gab ihm der Wirth das Gold, und noch mehr dazu, und bat ihn nur still davon zu seyn, und Hans war nun ein reicher Mann.
Hans machte sich auf den Weg heim zu seinem Vater, kaufte sich einen schlechten Linnenkittel auf den Leib, gieng herum und machte Musik, denn das hatte er bei dem Teufel in der Hoͤlle gelernt. Es war aber ein alter Koͤnig im Land, vor dem mußt er94 spielen, und der gerieth daruͤber in solche Freude, daß er dem[Hans] seine aͤlteste Tochter zur Ehe versprach. Als die aber hoͤrte, daß sie so einen gemeinen Kerl im weißen Kittel heirathen sollte, sprach sie ‘eh ich das thaͤt, wollt ich lieber ins tiefste Wasser gehen.’ Da gab ihm der Koͤnig die juͤngste, die wollts ihrem Vater zu Liebe gerne thun; und also bekam des Teufels rußiger Bruder die Koͤnigstochter, und als der alte Koͤnig gestorben war, auch das ganze Reich.
Es waren drei Bruͤder, die stießen den juͤngsten immer zuruͤck, und als sie ausgehen und in die Welt ziehen wollten, sprachen sie zu ihm ‘wir brauchen dich nicht, du kannst allein wandern.’ Also verließen sie ihn, und er mußte allein fuͤr sich ziehen, kam auf eine große Heide, und war sehr hungrig. Auf der Heide aber stand ein Ring von Baͤumen, darunter setzte er sich und weinte. Auf einmal hoͤrte er ein Brausen, und wie er aufsah, da kam der Teufel daher in einem gruͤnen Rock und mit einem Pferdefuß, und redete ihn an, ‘was fehlt dir, warum weinst du?’ Da klagte er ihm seine Noth, und sagte ‘meine Bruͤder haben mich verstoßen.’ Da sprach der Teufel ‘ich will dir wohl helfen, zieh diesen gruͤnen Rock an, der hat Taschen, die sind immer voll Geld, du magst hineingreifen, wann du willst; aber dafuͤr verlange ich, daß du dich in sieben Jahren nicht waͤschst, deine Haare nicht kaͤmmst, und nicht betest. Stirbst du in diesen sieben Jahren, so bist du mein, bleibst du aber leben, so bist du frei, und bist reich dazu auf dein Lebtag.’ Da trieb ihn die Noth, daß er dem Teufel zusagte, und dieser zog den gruͤnen Rock aus, und er zog ihn an, und wie er seine Hand in die Tasche steckte, hatte er sie voll Geld.
96Nun gieng er mit dem gruͤnen Rock in die Welt. Das erste Jahr wars gut, was er sich nur wuͤnschte, konnt er mit seinem Geld bezahlen, und er ward noch ziemlich fuͤr einen Menschen angesehen. Jm zweiten Jahr giengs schlimmer, da waren die Haare ihm schon so lang gewachsen, daß ihn niemand erkennen konnte, und niemand wollt ihn herbergen, weil er so abscheulich aussah. Und je laͤnger je aͤrger ward es, er gab aber den Armen uͤberall viel Geld, damit sie fuͤr ihn beten moͤchten, daß er in den sieben Jahren nicht stuͤrbe, und nicht in die Haͤnde des Teufels fiele. Da kam er einmal im vierten Jahre in ein Wirthshaus, der Wirth wollt ihn auch nicht aufnehmen, er zog aber einen Haufen Geld heraus, und bezahlte vorher, da erhielt er endlich eine Stube. Abends hoͤrte er im Nebenzimmer ein lautes Jammern, da gieng er hin, und sah einen alten Mann darin sitzen, der weinte und beklagte sich, und sagte ihm er sollte nur wieder weggehen, er koͤnnte ihm doch nicht helfen. Da fragte er was ihm fehlte. Der Alte sprach er haͤtte kein Geld, und waͤre viel im Wirthshaus schuldig, nun haͤtten sie ihn so lange festgesetzt, bis er bezahlte. Da sagte der im gruͤnen Rock ‘wenns weiter nichts ist, Geld habe ich genug, das will ich schon bezahlen,’ und machte den Alten frei.
Der Alte aber hatte drei schoͤne Toͤchter, und sprach er sollte mit ihm gehen, und zur Belohnung eine davon zur Frau haben. Da gieng er mit ihm, wie sie aber zu Haus ankamen, und die aͤlteste ihn sah, schrie sie, daß sie einen so entsetzlichen Menschen, der gar keine menschliche Gestalt mehr haͤtte, und wie ein Baͤr aussaͤhe, heirathen sollte; die zweite lief auch fort, und wollte lieber97 in die weite Welt gehen; die juͤngste aber sprach ‘lieber Vater, weil ihr es versprochen habt, und er euch auch in der Noth geholfen, so will ich euch gehorsam seyn.’ Da nahm der Gruͤnrock einen Ring von seinem Finger, und brach ihn durch, gab ihr die eine Haͤlfte, und behielt die andere fuͤr sich. Jn ihre Haͤlfte aber schrieb er seinen Namen, und in seine Haͤlfte schrieb er ihren Namen, und sagte sie moͤchte den halben Ring gut aufheben. Da blieb er noch ein Weilchen bei ihr, und sprach dann ‘nun muß ich Abschied nehmen, drei Jahre bleib ich aus, und so lange sei mir treu, dann komm ich wieder, und soll unsere Hochzeit seyn, bin ich aber in drei Jahren nicht zuruͤck, so bist du frei, denn da bin ich todt; bete aber fuͤr mich, daß mir Gott das Leben schenke.’
Jn den drei Jahren machten sich nun die beiden aͤltesten Schwestern recht lustig uͤber die juͤngste, und sagten sie muͤßt einen Baͤren zum Manne nehmen, und kriegte nicht einmal einen ordentlichen Menschen. Sie aber schwieg still, und dachte ‘du mußt deinem Vater gehorchen, es mag kommen wie es will.’ Der Gruͤnrock aber zog in der Welt herum, griff oft in die Tasche, und kaufte fuͤr seine Braut das Schoͤnste, was ihm nur vor die Augen kam, that nichts Boͤses, sondern Gutes, wo er konnte, und gab den Armen, daß sie fuͤr ihn beteten. Da erzeigte ihm Gott die Gnade, daß die drei Jahre verflossen, und er gesund und lebendig blieb. Wie nun die Zeit herum war, gieng er wieder hinaus auf die Heide, und setzte sich unter den Ring von Baͤumen. Da sauste es wieder ganz gewaltig daher, und der Teufel kam ganz brummend und giftig, und warf ihm seinen alten Rock hin,98 und forderte den gruͤnen zuruͤck. Da zog ihn der Juͤngling mit Freuden aus, und reichte ihn dem Teufel, und war nun frei und reich auf immer. Dann gieng er nach Haus, machte sich rein, und putzte sich aus, und zog fort zu seiner Braut. Als er ans Thor kam, begegnete ihm der Vater; er gruͤßte ihn, und gab sich als den Braͤutigam an, aber der Vater erkannte ihn nicht, und wollte ihm nicht glauben. Da gieng er hinauf zur Braut, die wollte ihm auch nicht glauben. Endlich fragte er ob sie den halben Ring noch haͤtte. Da sagte sie ja, gieng hin, und holte ihn; er aber zog den seinen heraus, und hielt ihn daran, da paßten sie zusammen, und war es gewiß, daß es niemand als ihr Braͤutigam seyn konnte. Und wie sie nun sah daß es ein schoͤner Mann war, freute sie sich, und hatte ihn lieb, und sie hielten Hochzeit mit einander; die beiden Schwestern aber, weil sie ihr Gluͤck versaͤumt hatten, waren so boͤs, daß am Hochzeittag die eine sich ersaͤufte, die andere sich erhenkte. Am Abend klopfte und brummte etwas an der Thuͤre, und als der Braͤutigam hingieng und aufmachte, so wars der Teufel im gruͤnen Rock, der sprach ‘siehst du, da habe ich nun zwei Seelen fuͤr deine eine.’
Zur Sommerszeit giengen einmal der Baͤr und der Wolf im Wald spazieren, da hoͤrte der Baͤr so schoͤnen Gesang von einem Vogel, und sprach ‘Bruder Wolf, was ist das fuͤr ein Vogel, der so schoͤn singt?’ ‘Das ist der Koͤnig der Voͤgel,’ sagte der Wolf, ‘vor dem muͤssen wir uns neigen;’ es war aber der Zaunkoͤnig. ‘Wenn das ist,’ sagte der Baͤr, ‘so moͤcht ich auch gerne seinen koͤniglichen Palast sehen, komm und fuͤhre mich hin.’ ‘Das geht nicht so, wie du meinst,’ sprach der Wolf, ‘du mußt warten, bis die Frau Koͤnigin kommt.’ Bald darauf kam die Frau Koͤnigin, und hatte Futter im Schnabel, und der Herr Koͤnig auch, und wollten ihre Jungen aͤtzen. Der Baͤr waͤre gerne nun gleich hinterdrein gegangen, aber der Wolf hielt ihn am Ermel, und sagte ‘nein, du mußt warten bis Herr und Frau Koͤnigin wieder fort sind.’ Also nahmen sie das Loch in Acht, wo das Nest stand, und giengen wieder ab. Der Baͤr aber hatte keine Ruhe, wollte den koͤniglichen Palast sehen, und gieng nach einer kurzen Weile wieder vor. Da waren Koͤnig und Koͤnigin wieder ausgeflogen, er guckte hinein, und sah fuͤnf oder sechs Junge, die lagen darin. ‘Jst das der koͤnigliche Palast!’ rief der Baͤr, ‘das100 ist ein elender Palast, ihr seyd auch keine Koͤnigskinder, ihr seyd unehrliche Kinder.’ Wie das die jungen Zaunkoͤnige hoͤrten, wurden sie gewaltig boͤs, und schrien ‘nein, daß sind wir nicht, unsere Eltern sind ehrliche Leute; Baͤr, das soll ausgemacht werden mit dir.’ Dem Baͤr und dem Wolf ward angst, sie kehrten um, und setzten sich in ihre Loͤcher. Die jungen Zaunkoͤnige aber schrien und laͤrmten fort, und als ihre Eltern wieder Futter brachten, sagten sie ‘wir essen kein Fliegenbeinchen, und sollten wir verhungern, bis ihr erst ausmacht ob wir ehrliche Kinder sind oder nicht, denn der Baͤr ist da gewesen, und hat uns gescholten.’ Da sagte der alte Koͤnig ‘seyd nur ruhig, das soll ausgemacht werden.’ Flog darauf mit der Frau Koͤnigin dem Baͤren vor seine Hoͤhle, und rief hinein ‘alter Brummbaͤr, du hast meine Kinder gescholten, das soll dir uͤbel bekommen, das wollen wir in einem blutigen Krieg ausmachen.’ Also war dem Baͤren der Krieg angekuͤndigt, und ward alles vierfuͤßige Gethier berufen, Ochs, Esel, Rind, Hirsch, Reh, und was die Erde sonst alles traͤgt. Der Zaunkoͤnig aber berief alles, was in der Luft fliegt; nicht allein die Voͤgel groß und klein, sondern auch die Muͤcken, Hornissen, Bienen und Fliegen mußten herbei.
Als nun die Zeit kam, wo der Krieg angehen sollte, da schickte der Zaunkoͤnig Kundschafter aus, wer der kommandierende General des Feindes waͤre. Die Muͤcke war die listigste von allen, schwaͤrmte im Wald, wo der Feind sich versammelte, und setzte sich endlich unter ein Blatt auf den Baum, wo die Parole ausgegeben wurde. Da stand der Baͤr, rief den Fuchs vor sich, und sprach101 ‘Fuchs, du bist der schlauste unter allem Gethier, du sollst General seyn, und uns anfuͤhren; was fuͤr Zeichen wollen wir verabreden?’ Da sprach der Fuchs ‘ich habe einen schoͤnen langen bauschigen Schwanz, der sieht aus fast wie ein rother Federbusch; wenn ich den Schwanz in die Hoͤhe halte, so geht die Sache gut, und ihr muͤßt darauf los marschieren: laß ich ihn aber herunterhaͤngen, so fangt an und lauft.’ Als die Muͤcke das gehoͤrt hatte, flog sie wieder heim, und verrieth dem Zaunkoͤnig alles haarklein.
Als der Tag anbrach, wo die Schlacht sollte geliefert werden, hu, da kam das vierfuͤßige Gethier dahergerennt mit Gebraus, daß die Erde zitterte; Zaunkoͤnig mit seiner Armee kam auch durch die Luft daher, die schnurrte, schrie und schwaͤrmte, daß einem angst wurde; und giengen sie da von beiden Seiten an einander. Der Zaunkoͤnig aber schickte die Hornisse hinab, sie sollte sich dem Fuchs unter den Schwanz setzen und aus Leibeskraͤften stechen. Wie nun der Fuchs den ersten Stich bekam, zuckte er, daß er das eine Bein aufhob, doch ertrug ers, und ließ den Schwanz noch in der Hoͤhe; beim zweiten mußt er ihn einen Augenblick herunter lassen; beim dritten aber konnte er sich nicht mehr halten, schrie und nahm den Schwanz zwischen die Beine. Wie das die Thiere sahen, meinten sie alles waͤre verloren, und fiengen an zu laufen, jeder in seine Hoͤhle; und hatten die Voͤgel die Schlacht gewonnen.
Da flog der Herr Koͤnig und die Frau Koͤnigin heim zu ihren Kindern, und riefen ‘Kinder, seyd froͤhlich, eßt und trinkt102 nach Herzenslust, wir haben den Krieg gewonnen.’ Die jungen Zaunkoͤnige aber sagten ‘noch essen wir nicht, der Baͤr soll erst vors Nest kommen, und Abbitte thun, und soll sagen daß wir ehrliche Kinder sind.’ Da flog der Zaunkoͤnig vor das Loch des Baͤren, und rief ‘Brummbaͤr, du sollst vor das Nest zu meinen Kindern gehen, und Abbitte thun, und sagen daß sie ehrliche Kinder sind, sonst sollen dir die Rippen im Leib zertreten werden.’ Da kroch der Baͤr in der groͤßten Angst hin, und that Abbitte: und darauf setzten sich die jungen Zaunkoͤnige zusammen, aßen und tranken, und machten sich lustig bis in die spaͤte Nacht hinein.
Es war einmal ein armes frommes Maͤdchen, das lebte mit seiner Mutter allein, und sie hatten nichts mehr zu essen. Da gieng das Kind hinaus in den Wald, und begegnete ihm darin eine alte Frau, die wußte seinen Jammer schon, und schenkte ihm ein Toͤpfchen, zu dem sollt es sagen ‘Toͤpfchen koch,’ so kochte es guten suͤßen Hirsenbrei, und wenn es sagte ‘Toͤpfchen steh,’ so hoͤrte es wieder auf zu kochen. Das Maͤdchen brachte den Topf seiner Mutter heim, und nun waren sie ihrer Armuth und ihres Hungers ledig, und aßen suͤßen Brei so oft sie wollten. Auf eine Zeit war das Maͤdchen ausgegangen, da sprach die Mutter ‘Toͤpfchen koch,’ da kocht es, und sie ißt sich satt; nun will sie daß das Toͤpfchen wieder aufhoͤren soll, aber sie weiß das Wort nicht. Also kocht es fort, und der Brei steigt uͤber den Rand heraus, und kocht immer zu, die Kuͤche und das ganze Haus voll, und das zweite Haus und dann die Straße, als wollts die ganze Welt satt machen, und ist die groͤßte Noth, und kein Mensch weiß sich da zu helfen. Endlich, wie nur noch ein einziges Haus uͤbrig ist, da kommt das Kind heim, und spricht nur ‘Toͤpfchen steh,’ da steht es, und hoͤrt auf zu kochen; und wenn sie wieder in die Stadt wollten, haben sie sich durchessen muͤssen.
Es war einmal ein Mann, der hatte gar nicht viel Geld, und mit dem wenigen, das ihm uͤbrig blieb, zog er in die weite Welt. Da kam er in ein Dorf wo die Jungen zusammen liefen, schrien und laͤrmten. ‘Was habt ihr vor, ihr Jungen?’ fragte der Mann. ‘Ei,’ antworteten sie, ‘da haben wir eine Maus, die muß uns tanzen, seht einmal was das fuͤr ein Spaß ist! wie die herumtrippelt!’ Den Mann aber dauerte das arme Thierchen, und er sprach ‘laßt die Maus laufen, ihr Jungen, ich will euch auch Geld geben.’ Da gab er ihnen Geld, und sie ließen die Maus gehen, die lief, was sie konnte, in ein Loch hinein. Der Mann gieng fort, und kam in ein anderes Dorf, da hatten die Jungen einen Affen, der mußte tanzen und Purzelbaͤume machen, und sie lachten daruͤber, und ließen dem Thier keine Ruh. Da gab ihnen der Mann auch Geld, damit sie den Affen losließen. Danach kam der Mann in ein drittes Dorf, da hatten die Jungen einen Baͤren, der mußte sich aufrecht setzen und tanzen, und wenn er dazu brummte, wars ihnen eben recht. Da kaufte ihn der Mann auch los, und der Baͤr war froh daß er wieder auf seine vier Beine kam, und trabte fort.
105Der Mann aber hatte nun sein Bischen uͤbriges Geld ausgegeben und keinen rothen Heller mehr in der Tasche. Da sprach er zu sich selber ‘der Koͤnig hat so viel in seiner Schatzkammer, was er nicht braucht: Hungers kannst du nicht sterben, du willst da etwas nehmen, und wenn du wieder zu Geld kommst, kannst dus ja wieder hineinlegen.’ Also machte er sich uͤber die Schatzkammer, und nahm sich ein wenig davon, allein beim Herausschleichen ward er von den Leuten des Koͤnigs erwischt. Sie sagten er waͤre ein Dieb, und fuͤhrten ihn vor Gericht, da ward er verurtheilt daß er in einem Kasten sollte aufs Wasser gesetzt werden. Der Kastendeckel war voll Loͤcher, damit Luft hinein konnte; auch ward ihm ein Krug Wasser und ein Laib Brot mit hinein gegeben. Wie er nun so auf dem Wasser schwamm und recht in Angst war, hoͤrte er was krabbeln am Schloß, nagen und schnauben: auf einmal springt das Schloß auf, und der Deckel faͤhrt in die Hoͤhe, und stehen da Maus, Affe und Baͤr, die hattens gethan; weil er ihnen geholfen, wollten sie ihm wieder helfen. Nun wußten sie aber nicht was sie noch weiter thun sollten, und rathschlagten mit einander: indem kam ein weißer Stein auf dem Wasser daher geschwommen, der sah aus wie ein rundes Ei. Da sagte der Baͤr ‘der kommt zu rechter Zeit, das ist ein Wunderstein, wem der eigen ist, der kann sich wuͤnschen wozu er nur Lust hat.’ Da fieng der Mann den Stein, und wie er ihn in der Hand hielt, wuͤnschte er sich ein Schloß mit Garten und Marstall, und kaum hatte er den Wunsch gesagt, so saß er in dem Schloß106 mit dem Garten und dem Marstall, und war alles so schoͤn und praͤchtig, daß er sich nicht genug verwundern konnte.
Nach einer Zeit zogen Kaufleute des Wegs vorbei. ‘Sehe einer,’ riefen sie, ‘was da fuͤr ein herrliches Schloß steht, und das letztemal, wie wir vorbeikamen, lag da noch schlechter Sand.’ Weil sie nun neugierig waren, giengen sie hinein, und erkundigten sich bei dem Mann wie er alles so geschwind haͤtte bauen koͤnnen. Da sprach er ‘das hab ich nicht gethan, sondern mein Wunderstein.’ ‘Was ist das fuͤr ein Stein?’ fragten sie. Da gieng er hin und holte ihn, und zeigte ihn den Kaufleuten. Sie hatten große Lust dazu, und fragten ob er nicht zu erhandeln waͤre, auch boten sie ihm alle ihre schoͤnen Waaren dafuͤr. Dem Manne stachen die Waaren in die Augen, und weil das Herz unbestaͤndig ist, ließ er sich bethoͤren, und meinte die schoͤnen Waaren seyen mehr werth, als sein Wunderstein, und gab ihn hin. Kaum aber hatte er ihn aus den Haͤnden gegeben, da war auch alles Gluͤck dahin, und er saß auf einmal wieder in dem verschlossenen Kasten auf dem Fluß mit einem Krug Wasser und einem Laib Brot. Die treuen Thiere, Maus, Affe und Baͤr, wie sie sein Ungluͤck sahen, kamen wieder, und wollten ihm helfen, aber sie konnten nicht einmal das Schloß aufsprengen, weils viel fester war als das erstemal. Da sprach der Baͤr ‘wir muͤssen den Wunderstein wieder schaffen, oder es ist alles umsonst.’ Weil nun die Kaufleute in dem Schloß noch wohnten, giengen die Thiere107 mit einander hin, und wie sie nahe dabei kamen, sagte der Baͤr ‘Maus, geh hin und guck durchs Schluͤsselloch, und sieh was anzufangen ist; du bist klein, dich merkt kein Mensch.’ Die Maus war willig, kam aber wieder und sagte ‘es geht nicht, ich habe hinein geguckt, der Stein haͤngt unter dem Spiegel an einem rothen Baͤndchen, und huͤben und druͤben sitzen ein paar große Katzen mit feurigen Augen, die sollen ihn bewachen.’ Da sagten die andern ‘geh nur wieder hinein, und warte bis der Herr im Bett liegt und schlaͤft, dann schleich dich durch ein Loch hinein, und kriech aufs Bett, und zwick ihn an der Nase, und beiß ihm seine Haare ab.’ Die Maus gieng wieder hinein, und that wie die andern gesagt hatten, und der Herr wachte auf, rieb sich die Nase, war aͤrgerlich, und sprach ‘die Katzen taugen nichts, sie lassen die Maͤuse herein, die mir die Haare vom Kopf abbeißen,’ und jagte sie alle beide fort. Da hatte die Maus gewonnen Spiel.
Wie nun der Herr die andere Nacht wieder eingeschlafen war, machte sich die Maus hinein, knuperte und nagte an dem rothen Band, woran der Stein hieng, so lange bis es entzwei war, und der Stein herunter fiel: dann schleifte sie ihn bis zur Hausthuͤr. Das ward aber der armen kleinen Maus recht sauer, und sie sprach zum Affen, der schon auf der Lauer stand ‘nimm du nun deine Pfote, und hols ganz heraus.’ Das war dem Affen ein Leichtes, der nahm den Stein in die Hand, und sie giengen so mit einander bis zum Fluß. Da sagte der Affe ‘wie sollen wir nun zu dem Kasten kommen?’ Der Baͤr antwortete ‘das ist bald geschehen,108 ich geh ins Wasser und schwimme; Affe, setz du dich auf meinen Ruͤcken, halt dich aber mit deinen Haͤnden fest, und nimm den Stein ins Maul; Maͤuschen, du kannst dich in mein rechtes Ohr setzen.’ Also thaten sie, und schwammen den Fluß hinab. Nach einer Zeit wars dem Baͤren so still, fieng an zu schwatzen, und sagte ‘hoͤr, Affe, wir sind doch brave Cameraden, was meinst du?’ Der Affe aber antwortete nicht und schwieg still. ‘Jst das Manier?’ sagte der Baͤr, ‘willst du deinem Cameraden keine Antwort geben? ein schlechter Kerl, der nicht antwortet!’ Da konnte sich der Affe nicht laͤnger zuruͤckhalten, er ließ den Stein ins Wasser fallen, und machte dem Baͤren Vorwuͤrfe, ‘wie konnt ich mit dem Stein im Mund antworten? jetzt ist er verloren, und daran bist du Schuld.’ ‘Zank nur nicht,’ sagte der Baͤr, ‘wir wollen schon etwas erdenken.’ Da berathschlagten sie sich, und riefen die Laubfroͤsche, Unken und alles Gethier, das im Wasser lebt, zusammen, und sagten ‘es wird ein gewaltiger Feind uͤber euch kommen, macht daß ihr Steine zusammenschafft, so viel ihr koͤnnt, so wollen wir euch eine Mauer bauen, die euch schuͤtzt.’ Da erschracken die Thiere, und brachten Steine von allen Seiten herbeigeschleppt, endlich kam auch ein alter dicker Quackfrosch aus dem Grund herauf gerudert, und hatte das rothe Band mit dem Wunderstein im Mund. Da war der Baͤr froh, nahm dem Frosch seine Last ab, sagte es waͤre alles gut, sie koͤnnten wieder nach Hause gehen, und machte einen kurzen Abschied. Darauf fuhren die drei hinab zu dem Mann im Kasten, sprengten den Deckel mit Huͤlfe des Steins, und kamen109 zu rechter Zeit, denn er hatte das Brot schon aufgezehrt und das Wasser getrunken, und war schon halb verschmachtet. Wie er aber den Wunderstein wieder in die Haͤnde bekam, wuͤnschte er sich eine gute Gesundheit, und versetzte sich in sein schoͤnes Schloß mit dem Garten und Marstall; da lebte er vergnuͤgt, und die drei Thiere blieben bei ihm, und hattens gut ihr Lebelang.
Ein Kind saß vor der Hausthuͤre auf der Erde, und hatte sein Schuͤsselchen mit Milch und Weckbrocken neben sich, und aß. Da kam eine Unke gekrochen, und senkte ihr Koͤpfchen in die Schuͤssel, und aß mit. Am andern Tag kam sie wieder, und so eine Zeitlang jeden Tag. Das Kind ließ sich das gefallen, wie es aber sah daß die Unke immerfort bloß die Milch trank, und die Brocken liegen ließ, nahm es sein Loͤffelchen, schlug ihr ganz sanft auf den Kopf, und sagte ‘Ding, iß auch Brocken.’ Seine Mutter aber hoͤrte daß es mit jemand sprach, kam heran, und als sie die Unke erblickte, schlug sie sie todt. Und das Kind, das, seit die Unke mit ihm gegessen hatte, schoͤn und groß geworden war, magerte ab von dem Augenblicke an, und starb bald darauf.
Ein Waisenkind saß an der Stadtmauer und spann, und sah eine Unke her kommen. Da breitete es ein blau seiden Tuch, das die Unken gewaltig lieben, und auf das sie allein gehen, neben sich aus. Alsobald die Unke das erblickte, kehrte111 sie um, kam wieder, und brachte ein kleines goldenes Kroͤnchen getragen, legte es darauf, und gieng dann wieder fort. Da nahm das Maͤdchen die Krone auf, sie glitzerte und war von zartem Goldgespinnst. Nicht lange, so kam die Unke zum zweitenmal wieder, wie sie aber die Krone nicht mehr sah, kroch sie an die Wand, und schlug vor Leid ihr Haͤuptlein so lang dawider als sie nur noch Kraͤfte hatte, bis sie endlich todt da lag. Haͤtte das Maͤdchen die Krone liegen lassen, die Unke haͤtte wohl noch mehr von ihren Schaͤtzen aus der Hoͤhle herbeigetragen.
Unke ruft ‘huhu, huhu.’ Kind spricht ‘komm herut.’ Die Unke kommt hervor, da fragt das Kind nach seinem Schwesterchen ‘hast du Rothstruͤmpfchen nicht gesehen?’ Unke sagt ‘ne, ik og nit; wie du denn? huhu, huhu, huhu.’
Jn einer Muͤhle, worin nur ein alter Muͤller lebte ohne Frau und Kind, dienten einmal drei Muͤllerburschen. Wie sie nun etliche Jahre bei ihm gedient hatten, sagte er zu ihnen ‘zieht einmal fort, und wer mir das beste Pferd nach Haus bringt, dem will ich die Muͤhle geben.’ Der dritte von den Burschen war aber der Kleinknecht, der ward von den andern fuͤr albern gehalten, dem goͤnnten sie die Muͤhle nicht; und er wollte sie hernach nicht einmal. Da giengen alle drei mit einander hinaus, und wie sie vor das Dorf kamen, sagten die zwei zu dem albernen Hans ‘du kannst nur hier bleiben, du kriegst doch dein Lebtag keinen Gaul.’ Hans aber gieng doch mit, und als es Nacht war, kamen sie an eine Hoͤhle, da hinein legten sie sich schlafen. Die zwei Klugen warteten bis Hans eingeschlafen war, dann stiegen sie auf, machten sich fort, ließen Haͤnschen liegen, und meintens recht fein gemacht zu haben; ja, es wird euch doch nicht gut gehen! Wie nun die Sonne kam, und Hans aufwachte, lag er in einer tiefen Hoͤhle: er guckte sich uͤberall um, und rief ‘ach Gott, wo bin ich!’ Da erhob er sich, und krappelte die Hoͤhle hinauf, gieng in den Wald, und dachte ‘wie soll ich nun zu einem Pferd kommen!’ Jndem er so in Gedanken dahin gieng, begegnete ihm ein kleines113 buntes Kaͤtzchen, das sprach ‘Hans, wo willst du hin?’ ‘Ach, du kannst mir doch nicht helfen.’ ‘Was dein Begehren ist, weiß ich wohl,’ sprach das Kaͤtzchen, ‘du willst einen huͤbschen Gaul haben; komm mit mir, und sey sieben Jahre lang mein treuer Knecht, so will ich dir einen geben, schoͤner als du dein Lebtag einen gesehen hast.’ Da nahm sie ihn mit in ihr verwuͤnschtes Schloͤßchen: er mußte ihr dienen, und alle Tage Holz klein machen, dazu kriegte er eine Axt von Silber, und die Keile und Saͤge von Silber, und der Schlaͤger war von Kupfer. Nun, da machte ers klein, blieb da im Haus, hatte sein gutes Essen und Trinken, sah aber niemand als das bunte Kaͤtzchen. Einmal sagte es zu ihm ‘geh hin und maͤhe meine Wiese, und mach das Gras trocken,’ und gab ihm von Silber eine Sense und von Gold einen Wetzstein, hieß ihn aber auch alles wieder richtig abliefern. Da gieng Hans hin und that was ihm geheißen war; nach vollbrachter Arbeit trug er Sense, Wetzstein und Heu nach Haus, und fragte ob es ihm noch nicht seinen Lohn geben wollte. ‘Nein,’ sagte die Katze, ‘du sollst mir erst noch einerlei thun, da ist Bauholz von Silber, Zimmeraxt, Winkeleisen und was noͤthig ist, alles von Silber, daraus baue mir erst ein kleines Haͤuschen.’ Da baute Hans das Haͤuschen fertig, und sagte, er haͤtte nun alles gethan, und haͤtte noch kein Pferd; die sieben Jahre aber waren ihm herumgegangen wie ein halbes. Fragte die Katze ob er ihre Pferde sehen wollte? ‘Ja,’ sagte Hans. Da machte sie ihm das Haͤuschen auf, und weil sie die Thuͤre so aufmacht, da stehen114 zwoͤlf Pferde, ach, die waren gewesen ganz stolz, die hatten geblaͤnkt und gespiegelt, daß sich sein Herz im Leibe daruͤber freute. Nun gab sie ihm zu essen und zu trinken, und sprach ‘geh heim, dein Pferd geb ich dir nicht mit, in drei Tagen aber komm ich, und bringe dirs nach.’ Also gieng Hans heim, und sie zeigte ihm den Weg zur Muͤhle. Sie hatte ihm aber nicht einmal ein neues Kleid gegeben, sondern er mußte sein altes lumpiges Kittelchen behalten, daß er mitgebracht hatte, und das ihm in den sieben Jahren uͤberall zu kurz geworden war. Wie er nun heim kam, da waren die beiden andern Muͤllerburschen auch wieder da, jeder hatte zwar ein Pferd mitgebracht, aber des einen seins war blind, des andern seins lahm. Sie fragten ‘Hans, wo hast du dein Pferd?’ ‘Jn drei Tagen wirds nachkommen.’ Da lachten sie und sagten ‘ja, du Hans, wo willst du ein Pferd herkriegen, das wird was rechtes seyn!’ Hans gieng in die Stube, der Muͤller sagte aber er sollte nicht an den Tisch kommen, er waͤre zu zerrissen und zerlumpt, man muͤßte sich schaͤmen, wenn jemand herein kaͤme. Da gaben sie ihm sein bischen Essen hinaus, und wie sie Abends schlafen giengen, wollten ihm die zwei andern kein Bett geben, und er mußte endlich ins Gaͤnsestaͤllchen kriechen, und sich auf ein wenig Stroh hinein legen. Am Morgen, wie er aufwacht, sind schon die drei Tage herum, und es kommt eine Kutsche mit sechs Pferden, ei, die glaͤnzten, daß es schoͤn war, und ein Bedienter, der brachte noch ein siebentes, das war fuͤr den armen Muͤllerbursch; aus der Kutsche aber stieg eine praͤchtige115 Koͤnigstochter, und gieng in die Muͤhle hinein, und die Koͤnigstochter war das kleine bunte Kaͤtzchen, dem der arme Hans sieben Jahr gedient hatte. Sie fragte den Muͤller wo der Mahlbursch, der Kleinknecht, waͤre? Da sagte der Muͤller ‘den koͤnnen wir nicht in die Muͤhle nehmen, der ist so verrissen, und liegt im Gaͤnsestall.’ Da sagte die Koͤnigstochter sie sollten ihn gleich holen. Also holten sie ihn heraus, und er mußte sein Kittelchen zusammenpacken, um sich zu bedecken; da schnallte der Bediente praͤchtige Kleider aus, und mußte ihn waschen und anziehen, und wie er fertig war, konnte kein Koͤnig schoͤner aussehen. Danach wollte die Jungfrau die Pferde sehen, welche die andern Mahlburschen mitgebracht hatten, eins war blind, das andere lahm. Da ließ sie den Bedienten das siebente Pferd bringen; wie der Muͤller das sah, sprach er so eins waͤr ihm noch nicht auf den Hof gekommen; ‘und das ist fuͤr den dritten Mahlbursch’ sagte sie. ‘Da muß er die Muͤhle haben’ sagte der Muͤller, die Koͤnigstochter aber sprach da waͤre sein Pferd, er sollte die Muͤhle auch behalten: und nimmt ihren treuen Hans, und setzt ihn in die Kutsche, und faͤhrt mit ihm fort. Sie fuhren erst nach dem kleinen Haͤuschen, daß er mit dem silbernen Werkzeug gebaut hat, da ist es ein großes Schloß, und ist alles darin von Silber und Gold: und da hat sie ihn geheirathet, und war er reich, so reich, daß er fuͤr sein Lebtag genug hatte. Darum soll keiner sagen daß wer albern ist deshalb nichts rechtes werden koͤnne.
Es hatte ein rechtschaffener Soldat etwas Geld verdient und zusammengespart, weil er fleißig war, und es nicht, wie die andern, in den Wirthshaͤusern durchbrachte. Nun waren zwei von seinen Cameraden, die hatten eigentlich ein falsches Herz, und wollten ihn um sein Geld bringen, sie stellten sich aber aͤußerlich ganz freundschaftlich an. Auf eine Zeit sprachen sie zu ihm ‘hoͤr, was sollen wir hier in der Stadt liegen, wir sind ja eingeschlossen darin, als waͤren wir Gefangene, und gar einer wie du, der koͤnnte sich daheim was ordentliches verdienen, und vergnuͤgt leben.’ Mit solchen Reden setzten sie ihm auch so lange zu, bis er endlich einwilligte, und mit ihnen ausreißen wollte; die zwei andern hatten aber nichts anders im Sinn, als ihm draußen sein Geld abzunehmen. Wie sie nun ein Stuͤck Wegs fortgegangen waren, sagten die zwei ‘wir muͤssen uns da rechts einschlagen, wenn wir an die Graͤnze kommen wollen.’ ‘Ei, Gott bewahre, da gehts gerade wieder in die Stadt zuruͤck, links muͤssen wir weiter.’ ‘Was, du willst dich mausig machen?’ riefen die zwei, drangen auf ihn ein, schlugen ihn bis er niederfiel, und nahmen ihm sein Geld aus den Taschen; das war aber noch nicht117 genug, sie stachen ihm auch die Augen aus, schleppten ihn zum Galgen, und banden ihn daran fest. Da ließen sie ihn, und giengen mit dem gestohlenen Geld in die Stadt zuruͤck.
Der arme Blinde wußte nicht an welchem schlechten Ort er war, fuͤhlte um sich, und merkte daß er unter einem Balken Holz saß. Da meinte er es waͤre ein Kreutz, sprach ‘es ist doch gut von ihnen, daß sie mich wenigstens unter ein Kreutz gebunden haben, Gott ist bei mir,’ und fieng an recht zu Gott zu beten. Wie es ungefaͤhr Nacht werden mochte, hoͤrte er etwas flattern; das waren aber drei Kraͤhen, die ließen sich auf dem Balken nieder. Danach hoͤrte er, wie eine sprach ‘Schwester, was bringt ihr Gutes? ja, wenn die Menschen wuͤßten, was wir wissen! die Koͤnigstochter ist krank, und der alte Koͤnig hat sie demjenigen versprochen, der sie heilt; das kann aber keiner, denn sie wird nur gesund, wenn die Kroͤte in dem Teich dort zu Asche verbrannt wird, und sie die Asche trinkt.’ Da sprach die zweite ‘ja, wenn die Menschen wuͤßten, was wir wissen! heute Nacht faͤllt ein Thau vom Himmel, so wunderbar und heilsam, wer blind ist, und bestreicht seine Augen damit, der erhaͤlt sein Gesicht wieder.’ Da sprach auch die dritte ‘ja, wenn die Menschen wuͤßten, was wir wissen! Die Kroͤte hilft nur einem, und der Thau hilft nur wenigen, aber in der Stadt ist große Noth, da sind alle Brunnen vertrocknet, und niemand weiß daß der große viereckige Stein auf dem Markt muß weggenommen und darunter gegraben werden, dort quillt das schoͤnste Wasser.’ Wie die drei Kraͤhen das gesagt hatten, hoͤrte er es wieder flattern, und sie flogen da fort. 118Er machte sich allmaͤlig von seinen Banden los, und dann buͤckte er sich, und brach ein paar Graͤserchen ab, und bestrich seine Augen mit dem Thau, der darauf gefallen war. Alsbald ward er wieder sehend, und waren Mond und Sterne am Himmel, und sah er daß er neben dem Galgen stand. Danach suchte er Scherben, und sammelte von dem koͤstlichen Thau, so viel er zusammen bringen konnte, und wie das geschehen war, gieng er zum Teich, grub das Wasser davon ab, holte die Kroͤte heraus, und verbrannte sie zu Asche. Mit der Asche gieng er an des Koͤnigs Hof, und ließ die Koͤnigstochter davon einnehmen, und als sie gesund war, verlangte er sie, wie es versprochen war, zur Gemahlin. Dem Koͤnig aber gefiel er nicht, weil er so schlechte Kleider an hatte, und er sprach wer seine Tochter haben wollte, der muͤßte der Stadt erst Wasser verschaffen, und hoffte ihn damit los zu werden. Er aber gieng hin, hieß die Leute den viereckigen Stein auf dem Markt wegheben, und darunter nach Wasser graben. Kaum hatten sie angefangen zu graben, so kamen sie schon zu einer schoͤnen Quelle, aus der das Wasser hervor sprang. Der Koͤnig konnte ihm nun seine Tochter nicht laͤnger verweigern, er wurde mit ihr vermaͤhlt, und lebten sie in einer vergnuͤgten Ehe.
Auf eine Zeit, als er durchs Feld spaziren gieng, begegneten ihm seine beiden ehemaligen Cameraden, die so treulos an ihm gehandelt hatten. Sie kannten ihn nicht, er aber erkannte sie gleich, gieng auf sie zu und sprach ‘seht, das ist euer ehemaliger Camerad, dem ihr so schaͤndlich die Augen ausgestochen habt, aber der liebe Gott hat mirs zum Gluͤck gedeihen lassen.’ Da fielen119 sie ihm zu Fuͤßen, und baten um Gnade, und weil er ein gutes Herz hatte, erbarmte er sich ihrer, und nahm sie mit sich, gab ihnen auch Nahrung und Kleider. Er erzaͤhlte ihnen danach, wie es ihm ergangen, und wie er zu diesen Ehren gekommen waͤre. Als die zwei das vernahmen, hatten sie keine Ruhe, und wollten sich eine Nacht unter den Galgen setzen, ob sie vielleicht auch etwas Gutes hoͤrten. Wie sie nun unter dem Galgen saßen, flatterte auch bald etwas uͤber ihren Haͤuptern, und kamen die drei Kraͤhen. Die eine sprach zur andern ‘hoͤrt, Schwestern, es muß uns jemand behorcht haben, denn die Koͤnigstochter ist gesund, die Kroͤte ist fort aus dem Teich, ein Blinder ist sehend geworden, und in der Stadt haben sie einen frischen Brunnen gegraben, kommt, laßt uns den Horcher suchen, vielleicht finden wir ihn.’ Da flatterten sie herab, und fanden die beiden, und eh sich die helfen konnten, saßen ihnen die Raben auf den Koͤpfen, und hackten ihnen die Augen aus, und hackten weiter so lange ins Gesicht, bis sie ganz todt waren. Da blieben sie liegen unter dem Galgen. Als sie nun in ein paar Tagen nicht wieder kamen, dachte ihr ehemaliger Camerad ‘wo moͤgen die zwei herumirren,’ und gieng hinaus sie zu suchen. Da fand er aber nichts mehr, als ihre Gebeine, die trug er vom Galgen weg, und legte sie in ein Grab.
Es war ein reicher Bauer, der hatte mit seiner Frau keine Kinder; oͤfters, wenn er mit den andern Bauern in die Stadt gieng, spotteten sie, und fragten warum er keine Kinder haͤtte. Da ward er einmal zornig, und als er nach Haus kam, sprach er ‘ich will ein Kind haben, und sollts ein Jgel seyn.’ Da kriegte seine Frau ein Kind, das war oben ein Jgel und unten ein Junge, und als sie das Kind sah, erschrack sie und sprach ‘siehst du, du hast uns verwuͤnscht.’ Da sprach der Mann ‘was kann das alles helfen, getauft muß der Junge werden, aber wir koͤnnen keinen Gevatter dazu nehmen.’ Die Frau sprach ‘wir koͤnnen ihn auch nicht anders taufen als Hans mein Jgel.’ Als er getauft war, sagte der Pfarrer ‘der kann wegen seiner Stacheln in kein ordentlich Bett kommen.’ Da ward hinter dem Ofen ein wenig Stroh zurechtgemacht, und Hans mein Jgel darauf gelegt. Er konnte auch an der Mutter nicht trinken, denn er haͤtte sie mit seinen Stacheln gestochen. So lag er da hinter dem Ofen acht Jahre, und sein Vater war ihn muͤde, und dachte wenn er nur stuͤrbe; aber er starb nicht, sondern blieb da liegen. Nun trug es sich zu daß in der Stadt ein Markt war, und der Bauer wollte hin gehen, da fragte er seine Frau, was er ihr sollte mitbringen. ‘Ein wenig Fleisch, und ein paar Wecke, was zum Haushalt gehoͤrt’ sprach sie. Darauf fragte er die Magd, die wollte ein paar Toffeln121 und Zwickelstruͤmpfe; endlich sagte er auch ‘Hans mein Jgel, was willst du denn haben?’ ‘Vaͤterchen,’ sprach er, ‘bringt mir doch einen Dudelsack mit.’ Wie nun der Bauer wieder nach Haus kam, gab er der Frau, was er ihr mitgebracht hatte, Fleisch und Wecke, dann gab er der Magd die Toffeln und die Zwickelstruͤmpfe, endlich gieng er hinter den Ofen, und gab dem Hans mein Jgel den Dudelsack. Und wie Hans mein Jgel den hatte, sprach er ‘Vaͤterchen geht doch vor die Schmiede, und laßt mir meinen Goͤckelhahn beschlagen, dann will ich fortreiten, und will nimmermehr wiederkommen.’ Da war der Vater froh daß er ihn los werden sollte, und ließ ihm den Hahn beschlagen, und als er fertig war, setzte sich Hans mein Jgel darauf, ritt fort, nahm auch Schweine und Esel mit, die wollt er draußen im Walde huͤten. Jm Wald aber mußte der Hahn mit ihm auf einen hohen Baum fliegen, da saß er, und huͤtete die Esel und Schweine, und saß lange Jahre bis die Heerde ganz groß war, und wußte sein Vater nichts von ihm. Wenn er aber auf dem Baum saß, blies er seinen Dudelsack, und machte Musik, die war sehr schoͤn. Einmal kam ein Koͤnig vorbeigefahren, der hatte sich verirrt, und hoͤrte die Musik; da verwunderte er sich daruͤber, und schickte seinen Bedienten hin, er sollte sich einmal umgucken wo die Musik herkaͤme. Der guckte sich um, sah aber nichts, als ein kleines Thier auf dem Baum oben sitzen, das war wie ein Goͤckelhahn, auf dem ein Jgel saß, und machte die Musik. Da sprach der Koͤnig zum Bedienten er sollte fragen, warum er da saͤße, und ob er nicht wuͤßte wo der Weg in sein Koͤnigreich gienge. 122Da stieg Hans mein Jgel vom Baum, und sprach er wollte den Weg zeigen, wenn der Koͤnig ihm wollte verschreiben und versprechen was ihm zuerst begegnete am koͤniglichen Hofe, wenn er nach Haus kaͤme. Da dachte der Koͤnig, das kannst du leicht thun, Hans mein Jgel verstehts doch nicht, und kannst schreiben was du willst.’ Da nahm der Koͤnig Feder und Dinte, und schrieb etwas auf, und als es geschehen war, zeigte Hans mein Jgel ihm den Weg, und er kam gluͤcklich nach Haus. Seine Tochter aber, wie sie ihn von weitem sah, war so voll Freuden, daß sie ihm entgegen gieng, und ihn kuͤßte. Da gedachte er an Hans mein Jgel, und erzaͤhlte ihr wie es ihm gegangen waͤre, und daß er einem wunderlichen Thier haͤtte verschreiben sollen was ihm daheim zuerst begegnen wuͤrde, und das Thier haͤtte auf einem Hahn wie auf einem Pferde gesessen und schoͤne Musik gemacht; er haͤtte aber geschrieben es sollts nicht haben, denn Hans mein Jgel koͤnnt es doch nicht lesen. Daruͤber war die Prinzessin froh, und sagte das waͤre gut, denn sie waͤre doch nimmermehr hingegangen.
Hans mein Jgel aber huͤtete die Esel und Schweine, war immer lustig, saß auf dem Baum, und blies auf seinem Dudelsack. Nun geschah es, daß ein anderer Koͤnig gefahren kam mit seinen Bedienten und Laufern, und hatte sich verirrt, und wußte nicht wieder nach Haus zu kommen, weil der Wald so groß war. Da hoͤrte er gleichfalls die schoͤne Musik von weitem, und sprach zu seinem Laufer was das wohl waͤre, er sollt einmal zusehen woher es kaͤme. Da gieng der Laufer hin unter den Baum, und123 sah den Goͤckelhahn sitzen, und Hans mein Jgel oben drauf. Der Laufer fragte ihn was er da oben vorhaͤtte. ‘Jch huͤte meine Esel und Schweine; was ist euer Begehren?’ Der Laufer sagte sie haͤtten sich verirrt, und koͤnnten nicht wieder ins Koͤnigreich, ob er ihnen den Weg nicht zeigen wollte. Da stieg Hans mein Jgel mit dem Hahn vom Baum herunter, und sagte zu dem alten Koͤnig er wollt ihm den Weg zeigen, wenn er ihm zu eigen geben wollte was ihm zu Haus vor seinem koͤniglichen Schlosse das erste begegnen wuͤrde. Der Koͤnig sagte ja, und unterschrieb sich dem Hans mein Jgel, er sollte es haben. Als das geschehen war, ritt er auf dem Goͤckelhahn voraus, und zeigte ihm den Weg, und gelangte er gluͤcklich wieder in sein Koͤnigreich. Wie er auf den Hof kam, war große Freude daruͤber. Nun hatte er eine einzige Tochter, die war sehr schoͤn, die kam ihm entgegen, fiel ihm um den Hals, und kuͤßte ihn, und freute sich daß ihr alter Vater wieder kam. Sie fragte ihn auch wo er so lange in der Welt gewesen waͤre, da erzaͤhlte er ihr er haͤtte sich verirrt, und waͤre beinahe gar nicht wieder gekommen, aber als er durch einen großen Wald gefahren waͤre, haͤtte einer, halb wie ein Jgel, halb wie ein Mensch, rittlings auf einem Hahn in einem hohen Baum gesessen, und schoͤne Musik gemacht, der haͤtte ihm fortgeholfen, und den Weg gezeigt, er aber haͤtte ihm dafuͤr versprochen was ihm am koͤniglichen Hofe zuerst begegnete, und das waͤre sie, und das thaͤte ihm nun so leid. Da versprach sie ihm aber sie wollte gerne mit ihm gehen wann er kaͤme, ihrem alten Vater zu Liebe.
124Hans mein Jgel aber huͤtete seine Schweine, und die Schweine bekamen wieder Schweine, und diese wieder, und wurden ihrer so viel, daß der ganze Wald voll war. Da ließ Hans mein Jgel seinem Vater sagen sie sollten alle Staͤlle im Dorf ledig machen und raͤumen, denn er kaͤme mit einer so großen Heerde, daß jeder schlachten sollte, der nur schlachten koͤnnte. Da war sein Vater betruͤbt, als er das hoͤrte, denn er dachte Hans mein Jgel waͤre schon lange gestorben. Hans mein Jgel aber setzte sich auf seinen Goͤckelhahn, trieb die Schweine vor sich her ins Dorf und ließ schlachten; hu! da war ein Gemetzel und ein Hacken, daß mans zwei Stunden weit hoͤren konnte. Danach sagte Hans mein Jgel ‘Vaͤterchen, laßt mir meinen Goͤckelhahn noch einmal vor der Schmiede beschlagen, dann reit ich fort, und komme mein Lebtag nicht wieder.’ Da ließ der Vater den Goͤckelhahn beschlagen, und war froh daß Hans mein Jgel nicht wieder kommen wollte.
Hans mein Jgel ritt fort in das erste Koͤnigreich, da hatten der Koͤnig befohlen wenn einer kaͤme auf einem Hahn geritten, und haͤtte einen Dudelsack bei sich, dann sollten alle auf ihn schießen, hauen und stechen, damit er nicht ins Schloß kaͤme. Als nun Hans mein Jgel daher geritten kam, drangen sie mit den Bajonetten auf ihn ein, er aber gab dem Hahn die Sporn, flog auf, uͤber das Thor hin vor des Koͤnigs Fenster, setzte sich da und rief ihm zu er sollt ihm geben, was er versprochen haͤtte, sonst so wollt er ihm und seiner Tochter das Leben nehmen. Da gab der Koͤnig seiner Tochter gute Worte, sie moͤchte zu ihm125 hinaus gehen, damit sie ihm und sich das Leben rettete. Da zog sie sich weiß an, und ihr Vater gab ihr einen Wagen mit sechs Pferden und herrliche Bedienten, Geld und Gut. Sie setzte sich ein, und Hans mein Jgel mit seinem Hahn und Dudelsack neben sie, dann nahmen sie Abschied, und zogen fort, und der Koͤnig dachte er kriegte sie nicht wieder zu sehen. Es gieng aber anders als er dachte, denn als sie ein Stuͤck Wegs von der Stadt waren, da zog ihr Hans mein Jgel die schoͤnen Kleider aus, und stach sie mit seiner Jgelhaut bis sie ganz blutig war, sagte ‘das ist der Lohn fuͤr eure Falschheit, geh hin, ich will dich nicht,’ und jagte sie damit nach Haus, und war sie beschimpft ihr Lebtag.
Hans mein Jgel aber ritt weiter auf seinem Goͤckelhahn und mit seinem Dudelsack nach dem zweiten Koͤnigreich, wo er dem Koͤnig auch den Weg gezeigt hatte. Der aber hatte bestellt, wenn einer kaͤme, wie Hans mein Jgel, sollten sie das Gewehr vor ihm praͤsentieren, ihn frei hereinfuͤhren, Vivat rufen, und ihn ins koͤnigliche Schloß bringen. Wie ihn nun die Koͤnigstochter sah, war sie erschrocken, weil er doch gar zu wunderlich aussah, sie dachte aber es waͤre nicht anders, sie haͤtte es ihrem Vater versprochen. Da ward Hans mein Jgel von ihr bewillkommt, mußte mit an die koͤnigliche Tafel gehen, und sie setzte sich zu seiner Seite, und sie aßen und tranken. Wies nun Abend ward, daß sie wollten schlafen gehen, da fuͤrchtete sie sich sehr vor seinen Stacheln, er aber sprach, sie sollte sich nicht fuͤrchten, es geschaͤhe ihr kein Leid, und sagte zu dem alten Koͤnig, er sollte vier Mann bestellen, die sollten wachen vor der Kammerthuͤre, und ein großes126 Feuer anmachen, und wann er in die Kammer eingienge, und sich ins Bett legen wollte, wuͤrde er aus seiner Jgelshaut herauskriechen, und sie vor dem Bett liegen lassen; dann sollten die Maͤnner hurtig herbeispringen und sie ins Feuer werfen, auch dabei bleiben, bis sie vom Feuer verzehrt waͤre. Wie die Glocke nun elfe schlug, da gieng er in die Kammer, und streifte die Jgelshaut ab, und ließ sie vor dem Bett liegen, da kamen die Maͤnner, und holten sie geschwind, und warfen sie ins Feuer; und als sie das Feuer verzehrt hatte, da war er erloͤst, und lag da im Bett ganz als ein Mensch gestaltet, aber er war kohlschwarz wie gebrannt. Der Koͤnig schickte zu seinem Arzt, der wusch ihn mit guten Salben, und balsamirte ihn, da ward er weiß, und war ein schoͤner junger Herr. Wie das die Koͤnigstochter sah, war sie froh, und sie stiegen auf mit Freuden, aßen und tranken, und ward die Vermaͤhlung gehalten, und Hans mein Jgel bekam das Koͤnigreich von dem alten[Koͤnig].
Wie etliche Jahre herum waren, fuhr er mit seiner Gemahlin zu seinem Vater, und sagte er waͤre sein Sohn; der Vater aber sprach er haͤtte keinen, er haͤtte nur einen gehabt, der waͤre aber wie ein Jgel mit Stacheln geboren worden, und waͤre in die Welt gegangen. Da gab er sich zu erkennen, und der alte Vater freute sich, und gieng mit ihm in sein Koͤnigreich.
Es hatte eine Mutter ein Buͤblein von sieben Jahren, das war so schoͤn und lieblich, daß es niemand ansehen konnte ohne ihm gut zu seyn, und sie hatte es auch lieber, als alles auf der Welt. Nun geschah es, daß es ploͤtzlich krank wurde, und der liebe Gott es zu sich nahm; daruͤber konnte sich die Mutter nicht troͤsten, und weinte Tag und Nacht. Bald darauf aber, nachdem es begraben war, zeigte sich das Kind Nachts an den Plaͤtzen, wo es sonst im Leben gesessen und gespielt hatte; weinte die Mutter, so weinte es auch, und wenn der Morgen kam, war es verschwunden. Als aber die Mutter gar nicht aufhoͤren wollte zu weinen, kam es in einer Nacht mit seinem weißen Todtenhemdchen, in welchem es in den Sarg gelegt war, und mit dem Kraͤnzchen auf dem Kopf, setzte sich zu ihren Fuͤßen auf das Bett, und sprach ‘ach Mutter, hoͤr doch auf zu weinen, sonst kann ich in meinem Sarge nicht einschlafen, denn mein Todtenhemdchen wird nicht trocken von deinen Thraͤnen, die alle darauf fallen.’ Da erschrack die Mutter, als sie das hoͤrte, und weinte nicht mehr. Und in der andern Nacht kam das Kindchen wieder, hielt in der Hand ein Lichtchen, und sagte ‘siehst du, nun ist mein Hemdchen bald trocken, und ich habe Ruhe in meinem Grab.’ Da befahl die Mutter dem lieben Gott ihr Leid, und ertrug es still und geduldig, und das Kind kam nicht wieder, sondern schlief in seinem unterirdischen Bettchen.
Es war einmal ein reicher Mann, der hatte einen Knecht, der diente ihm fleißig und redlich, war alle Morgen der erste aus dem Bett, und Abends der letzte hinein, und wenns eine saure Arbeit gab, wo keiner anpacken wollte, so stellte er sich immer zuerst daran. Dabei klagte er nicht, sondern war mit allem zufrieden, und immer guter Dinge. Als sein Jahr herum war, gab ihm der Herr keinen Lohn, und dachte ‘das ist das gescheidtste, so spare ich etwas, und er geht nicht weg, sondern bleibt huͤbsch im Dienst.’ Der Knecht schwieg auch still, that das zweite Jahr wie das erste seine Arbeit, und als er am Ende desselben abermals keinen Lohn bekam, ließ er sichs gefallen, und blieb noch laͤnger. Als endlich das dritte Jahr herum war, bedachte sich der Herr, griff in die Tasche, holte aber nichts heraus. Da fieng der Knecht endlich an und sprach ‘Herr, ich habe euch drei Jahre ehrlich gedient, seyd so gut und gebt mir was mir von Rechtswegen zukommt: ich wollte fort und mich gerne weiter in der Welt umsehen.’ Da antwortete der Geizhals ‘ja, mein lieber Knecht, du hast mir unverdrossen gedient, dafuͤr sollst du mildiglich belohnet werden,’ griff abermals in die Tasche,129 und zaͤhlte dem Knecht drei Heller einzeln auf ‘da hast du fuͤr jedes Jahr einen Heller, das ist ein großer und reichlicher Lohn, wie du ihn bei wenigen Herrn empfangen haͤttest.’ Der gute Knecht, der vom Geld wenig verstand, strich sein Capital ein, und dachte ‘nun hast du vollauf in der Tasche, was willst du sorgen, und dich mit schwerer Arbeit laͤnger plagen.’
Da zog er fort, bergauf, bergab, sang und sprang nach Herzenslust. Nun trug es sich zu, als er an einem Buschwerk voruͤber kam, daß ein kleines Maͤnnchen hervortrat, und ihn anrief ‘wo hinaus, Bruder Lustig? ich sehe, du traͤgst nicht schwer an deinen Sorgen.’ ‘Was soll ich traurig seyn,’ antwortete der Knecht, ‘ich habe vollauf, der Lohn von drei Jahren klingelt in meiner Tasche.’ ‘Wie viel ist denn deines Schatzes?’ fragte ihn das Maͤnnchen. ‘Wie viel? drei baare Heller, richtig gezaͤhlt.’ ‘Hoͤr,’ sagte der Zwerg, ‘ich bin ein armer beduͤrftiger Mann, schenke mir deine drei Heller, ich kann nichts mehr arbeiten, du aber bist jung, und kannst dir dein Brot leicht verdienen.’ Und weil der Knecht ein gutes Herz hatte, und Mitleid mit dem Maͤnnchen fuͤhlte, so reichte er ihm seine drei Heller, und sprach ‘in Gottes Namen, es wird mir doch nicht fehlen.’ Da sprach das Maͤnnchen ‘weil ich dein gutes Herz sehe, so gewaͤhre ich dir drei Wuͤnsche, fuͤr jeden Pfennig einen, die sollen dir in Erfuͤllung gehen.’ ‘Aha,’ sprach der Knecht, ‘du bist einer, der blau pfeifen kann: wohlan, wenns doch seyn soll, so wuͤnsche ich mir erstlich ein Vogelrohr, das alles trifft, wonach ich ziele; zweitens eine Fidel, wenn ich darauf streiche, so muß alles tanzen,130 was den Klang hoͤrt; und drittens, wenn ich an jemand eine Bitte thue, so darf er sie nicht abschlagen.’ ‘Das sollst du alles haben’ sprach das Maͤnnchen, griff in den Busch, und, denk einer, da lag schon Fidel und Vogelrohr in Bereitschaft, als wenn sie bestellt waͤren: er gab sie dem Knecht, und sprach ‘was du dir immer erbitten wirst, kein Mensch auf der Welt soll dirs abschlagen.’
‘Herz, was begehrst du nun?’ sprach der Knecht zu sich selber, und zog lustig weiter. Bald darauf begegnete er einem Juden mit einem langen Ziegenbart, der stand und horchte auf den Gesang eines Vogels, der hoch oben in der Spitze eines Baumes saß. ‘Gottes Wunder!’ rief er aus, ‘so ein kleines Thier hat so eine grausam maͤchtige Stimme! wenns doch mein waͤre! wer ihm doch Salz auf den Schwanz streuen koͤnnte!’ ‘Wenns weiter nichts ist,’ sprach der Knecht, ‘der Vogel soll bald herunter seyn,’ legte an, und traf aufs Haar, und der Vogel fiel herab in die Dornhecken. ‘Geh, Spitzbub,’ sagte er zum Juden, ‘und hol dir den Vogel heraus.’ ‘Mein,’ sprach der Jude, ‘laßt den Bub weg, so kommt der Hund gelaufen; ich will mir den Vogel auflesen, weil ihr ihn doch einmal getroffen habt,’ legte sich auf die Erde, und fieng an sich in den Busch hinein zu arbeiten. Wie er nun mitten in dem Dorn steckte, plagte der Muthwille den guten Knecht, daß er seine Fidel abnahm, und anfieng zu geigen. Gleich fieng auch der Jude an die Beine zu heben, und in die Hoͤhe zu springen: und je mehr der Knecht strich, desto besser gieng der Tanz. Aber die Doͤrner zerrissen131 ihm den schaͤbigen Rock, kaͤmmten ihm den Ziegenbart, und stachen und zwickten ihn am ganzen Leib. ‘Mein,’ rief der Jude, was soll mir das Geigen! laß der Herr das Geigen, ich begehre nicht zu tanzen.’ Aber der Knecht hoͤrte nicht darauf, und dachte ‘du hast die Leute genug geschunden, nun soll dirs die Dornhecke nicht besser machen,’ und fieng von neuem an zu geigen, daß der Jude noch hoͤher aufspringen mußte, und die Fetzen von seinem Rock an den Stacheln haͤngen blieben. ‘Au weih geschrien!’ rief der Jude, ‘geb ich doch dem Herrn, was er verlangt, wenn er nur das Geigen laͤßt, einen ganzen Beutel mit Gold.’ ‘Wenn du so spendabel bist,’ sprach der Knecht, ‘so will ich wohl mit meiner Musik aufhoͤren, aber das muß ich dir nachruͤhmen du machst deinen Tanz noch mit, daß es eine Art hat;’ nahm darauf den Beutel, und gieng seiner Wege.
Der Jude blieb stehen, und sah ihm nach, und war still bis der Knecht weit weg und ihm ganz aus den Augen war, dann schrie er aus Leibeskraͤften, ‘du miserabler Musikant, du Bierfidler: wart, wenn ich dich allein erwische! ich will dich jagen, daß du die Schuhsohlen verlieren sollst: du Lump, steck einen Groschen ins Maul, daß du sechs Heller werth bist,’ und schimpfte weiter was er nur los bringen konnte. Und als er sich damit etwas zu Gute gethan und Luft gemacht hatte, lief er in die Stadt zum Richter. ‘Herr Richter, au weih geschrien! ich bin auf offener Landstraße beraubt und uͤbel zugerichtet worden von einem gottlosen Menschen, ein Stein auf dem Erdboden moͤcht sich erbarmen: die Kleider zerfetzt! der Leib zerstochen132 und zerkratzt! das Gold mit dem Beutel genommen! lauter Ducaten, ein Stuͤck schoͤner als das andere: um Gotteswillen, laßt den Menschen ins Gefaͤngnis werfen.’ Sprach der Richter ‘wars ein Soldat, der dich mit seinem Saͤbel so zurichtet hat?’ ‘Gott bewahr!’ sagte der Jude, ‘einen nackten Degen hat er nicht gehabt, aber ein Rohr hat er gehabt auf dem Buckel haͤngen, und eine Geige am Hals; daran ist er leicht zu erkennen.’ Der Richter schickte seine Leute nach ihm aus, die fanden den guten Knecht, der ganz langsam weiter gezogen war, und fanden auch den Beutel mit Gold bei ihm. Als er vor Gericht gestellt wurde, sagte er ‘ich habe den Juden nicht angeruͤhrt, und ihm das Gold nicht genommen, er hat mirs aus freien Stuͤcken angeboten, damit ich nur aufhoͤrte zu geigen, weil er meine Musik nicht vertragen konnte.’ ‘Gott bewahr!’ schrie der Jude, ‘er greift die Luͤgen, wie Fliegen an der Wand.’ Aber der Richter glaubte es auch nicht, und sprach ‘das ist eine schlechte Entschuldigung, das thut kein Jude,’ und verurtheilte den guten Knecht, weil er auf offener Straße einen Raub begangen haͤtte, zum Galgen. Als er aber abgefuͤhrt wurde, schrie ihm noch der Jude zu ‘du Baͤrenhaͤuter, du Hundemusikant, jetzt kriegst du deinen wohlverdienten Lohn.’ Der Knecht stieg ganz ruhig mit dem Henker die Leiter hinauf, auf der letzten Sproße aber drehte er sich um, und sprach zum Richter ‘gewaͤhrt mir noch eine Bitte, eh ich sterbe.’ ‘Ja,’ sprach der Richter, ‘wenn du nicht um dein Leben bittest.’ ‘Nicht ums Leben,’ antwortete der Knecht, ‘ich bitte, laßt mich zu guter Letzt noch einmal auf meiner Geige133 spielen.’ Der Jude erhob ein Zetergeschrei, ‘um Gotteswillen, erlaubts nicht, erlaubts nicht.’ Allein der Richter sprach ‘warum soll ich ihm die kurze Freude nicht goͤnnen: es ist ihm zugestanden, und dabei soll es seyn Bewenden haben.’ Auch konnte er es ihm nicht abschlagen, wegen der Gabe, die dem Knecht verliehen war. Der Jude aber rief ‘au weih! au weih! bindet mich an, bindet mich fest.’ Da nahm der gute Knecht seine Geige vom Hals, legte sie zurecht, und wie er den ersten Strich that, fieng alles an zu wabern und zu wanken, der Richter, die Schreiber, und die Gerichtsdiener, und dem, welcher den Juden festbinden wollte, fiel der Strick aus der Hand; beim zweiten Strich hoben alle die Beine, und der Henker ließ den guten Knecht los, und machte sich zum Tanze fertig, und bei dem dritten sprang alles in die Hoͤhe, und fieng an zu tanzen, und der Richter und der Jude waren vorne, und sprangen am besten. Bald tanzte alles mit, was auf den Markt aus Neugierde herbei gekommen war, alte und junge, dicke und magere Leute untereinander: und die Hunde, die mitgelaufen waren, setzten sich auf die Hinterfuͤße, und tanzten auch mit. Und je laͤnger er spielte, desto hoͤher sprangen die Taͤnzer, daß sie sich einander an die Koͤpfe stießen, und anfiengen jaͤmmerlich zu schreien. Endlich rief der Richter ganz außer Athem, ‘ich schenke dir dein Leben, hoͤre nur auf zu geigen.’ Der gute Knecht ließ sich bewegen, setzte die Geige ab, hieng sie wieder um den Hals, und stieg die Leiter herab. Da trat er zu dem Juden, der auf der Erde lag und nach Athem schnappte, und sagte ‘Spitzbube,134 jetzt gestehe wo du das Geld her hast, oder ich nehme meine Geige vom Hals, und fange wieder an zu spielen.’ ‘Jch habs gestohlen, ich habs gestohlen,’ schrie er, ‘du aber hasts redlich verdient.’ Da ließ der Richter den Juden zum Galgen fuͤhren, und als einen Dieb aufhaͤngen.
Es war einmal ein junger Bursch, der hatte die Schlosserhandthierung gelernt, und sprach zu seinem Vater er muͤßte in die Welt gehen, und sich versuchen. ‘Ja,’ sagte der Vater, ‘das bin ich zufrieden’ und gab ihm etwas Geld auf die Reise. Also zog er herum und suchte Arbeit. Auf eine Zeit, da wollt ihm das Schlosserwerk nicht mehr folgen, und stand ihm auch nicht mehr an, aber er kriegte Lust zur Jaͤgerei. Da begegnete ihm auf der Wanderschaft ein Jaͤger in gruͤnem Kleide, der fragte wo er her kaͤme, und hin wollte? Er waͤr ein Schlossergesell, sagte der Bursch, aber das Handwerk gefiele ihm nicht mehr, und haͤtte Lust zur Jaͤgerei, ob er sie ihm lehren wollte. ‘O ja, wenn du mit mir gehen willst.’ Da gieng der junge Bursch mit, und vermiethete sich etliche Jahre bei ihm, und lernte die Jaͤgerei. Danach wollt er sich weiter versuchen, und der Jaͤger gab ihm nichts zum Lohn als eine Windbuͤchse, die hatte aber die Eigenschaft, wenn er damit schoß, so traf er ohnfehlbar. Da gieng er nun fort, und kam in einen sehr großen Wald, von dem konnt er in einem Tag das Ende nicht finden. Wies Abend war, setzte er sich auf einen hohen Baum, damit er aus den wilden136 Thieren kaͤme. Gegen Mitternacht zu, daͤuchte ihn, schimmerte ein kleines Lichtchen von weitem, da sah er durch die Aeste darauf hin, und behielt in acht wo es war. Doch nahm er erst noch seinen Hut, und warf ihn nach dem Licht zu herunter, daß er danach gehen wollte, wann er herabgestiegen waͤre, als nach einem Zeichen. Nun kletterte er herunter, gieng auf seinen Hut los, setzte ihn wieder auf, und zog gerades Wegs fort. Je weiter er gieng, je groͤßer ward das Licht, und wie er nahe dabei kam, sah er daß es ein gewaltiges Feuer war, und saßen drei Riesen dabei, und hatten einen Ochsen am Spieß, und ließen ihn braten. Nun sprach der eine ‘ich muß doch schmecken ob das Fleisch bald gahr ist,’ riß ein Stuͤck herab, und wollt es eben in den Mund stecken, indem schoß es ihm der Jaͤger aus der Hand. ‘Nun ja,’ sprach der Riese, ‘da weht mir der Wind das Stuͤck aus der Hand,’ und nahm sich ein anderes. Wie er eben anbeißen wollte, schoß es ihm der Jaͤger abermals weg; da gab der Riese dem, der neben ihm saß, eine Ohrfeige, und rief zornig ‘was reißt du mir mein Stuͤck weg?’ ‘Jch habe es dir nicht weggerissen,’ sprach der andere ‘es wird dirs ein Scharfschuͤtz weggeschossen haben.’ Der Riese nahm sich das dritte Stuͤck, er konnte es aber nicht in der Hand behalten, der Jaͤger schoß es ihm heraus. Da sprachen die Riesen ‘das muß ein guter Schuͤtze seyn, der den Bissen vor dem Maul wegschießen kann, so einer waͤr uns nuͤtzlich,’ und riefen laut ‘komm herbei, du Scharfschuͤtze, setz dich ans Feuer, und iß dich satt, wir wollen dir nichts thun; aber kommst du nicht, und wir holen dich mit Gewalt,137 so bist du verloren.’ Da trat der Bursch herzu, und sagte er waͤre ein gelernter Jaͤger, und wonach er mit seiner Buͤchse ziele, das treffe er auch sicher und gewiß. Da sprachen sie wenn er mit ihnen gehen wollte, sollte ers gut haben, und erzaͤhlten ihm vor dem Wald sey ein großes Wasser, dahinter staͤnd ein Thurm, und in dem Thurm saͤß eine schoͤne Koͤnigstochter, die wollten sie gern rauben. ‘Ja,’ sprach er, ‘die will ich bald geschafft haben.’ Sagten sie weiter ‘es ist aber noch etwas dabei, es liegt ein kleines Huͤndchen dort, das faͤngt gleich an zu bellen, wann sich jemand naͤhert, und sobald das bellt, wacht auch alles am koͤniglichen Hofe auf, und deshalb koͤnnen wir nicht hinein kommen; unterstehst du dich, das Huͤndchen todt zu schießen?’ ‘Ja,’ sprach er, ‘das ist mir ein kleiner Spaß.’ Danach setzte er sich auf ein Schiff, und fuhr uͤber das Wasser, und wie er bald beim Land war, kam das Huͤndchen gelaufen, und wollte bellen, aber er kriegte seine Windbuͤchse, und schoß es todt. Wie die Riesen das sahen, freuten sie sich, und meinten, sie haͤtten die Koͤnigstochter schon gewiß, er sprach aber zu ihnen sie sollten haußen bleiben bis er ihnen riefe. Da gieng er in das Schloß, und es war maͤuschenstill, und schlief alles; wie er das erste Zimmer aufmachte, hieng da ein Saͤbel an der Wand, der war von purem Silber, und ein goldener Stern darauf und des Koͤnigs Name; daneben aber stand ein Tisch, und auf dem Tisch lag ein versiegelter Brief, den brach er auf, und stand darin wer den Saͤbel haͤtte, koͤnnte alles ums Leben bringen, was ihm vorkaͤme. Da nahm er den Saͤbel von der Wand, hieng ihn um, und gieng138 weiter, da kam er in das Zimmer, wo die Koͤnigstochter lag, und schlief, und sie war so schoͤn, daß er still stand und sie betrachtete, und den Athem anhielt. Wie er sich weiter umschaute, da standen unter dem Bett ein Paar Pantoffeln, auf dem rechten stand ihres Vaters Name mit einem Stern, und auf dem linken ihr Name mit einem Stern. Sie hatte auch ein großes Halstuch um, von Seide mit Gold ausgestickt, auf der rechten Seite ihres Vaters Name, auf der linken ihr Name, alles mit goldenen Buchstaben. Da nahm der Jaͤger eine Scheere und schnitt den rechten Schlippen ab, und that ihn in seinen Ranzen, und dann nahm er auch den rechten Pantoffel mit des Koͤnigs Namen, und steckte ihn hinein. Nun lag die Jungfrau noch immer und schlief, und sie war ganz in ihr Hemd eingenaͤht, da schnitt er auch ein Stuͤckchen von dem Hemd ab, und steckte es zu dem andern, doch that er das alles, ohne sie anzuruͤhren. Dann gieng er fort, und ließ sie ungestoͤrt schlafen, und als er wieder ans Thor kam, standen da die Riesen noch draußen, warteten auf ihn, und dachten er wuͤrde die Koͤnigstochter bringen. Er rief ihnen aber zu sie sollten auch herein kommen, die Jungfrau waͤre schon in seiner Gewalt; die Thuͤre koͤnnte er ihnen aber nicht aufmachen, da waͤr ein Loch, durch welches sie kriechen muͤßten. Nun kam der erste naͤher, da wickelte der Jaͤger des Riesen Haar um seine Hand, zog den Kopf herein, und hieb ihn mit seinem Saͤbel in einem Streich ab, und duns (zog) ihn dann vollends herein. Dann rief er den zweiten, und hieb ihm gleichfalls das Haupt ab, und endlich auch dem dritten, und war froh daß er die schoͤne139 Jungfrau von ihren Feinden befreit hatte, und schnitt ihnen die Zungen aus, und steckte sie in seinen Ranzen. Da dacht er ‘ich will heim gehen zu meinem Vater, und ihm zeigen was ich schon gethan habe, dann will ich in der Welt herum ziehen; das Gluͤck, das mir Gott bescheren will, wird mich schon erreichen.’
Der Koͤnig in dem Schloß aber, als er aufwachte, sah drei Riesen da todt liegen; gieng in die Schlafkammer seiner Tochter, weckte sie auf, und fragte wer das wohl gewesen waͤre, der die Riesen ums Leben gebracht haͤtte. Da sagte sie ‘lieber Vater, ich weiß es nicht, ich habe geschlafen.’ Wie sie nun aufstand, und ihre Pantoffeln anziehen wollte, da war der rechte weg, und wie sie ihr Halstuch betrachtete, war es durchschnitten, und fehlte der rechte Schlippen, und wie sie ihr Hemd ansah, war ein Stuͤckchen heraus. Der Koͤnig ließ den ganzen Hof zusammen kommen, Soldaten und alles was da war, und fragte wer seine Tochter befreit, und die Riesen ums Leben gebracht haͤtten? Nun hatte er einen Hauptmann, der war einaͤugig und ein haͤßlicher Mensch, der sagte er haͤtte es gethan. Da sprach der alte Koͤnig so er das vollbracht, sollte er seine Tochter auch heirathen. Die Jungfrau aber sagte ‘lieber Vater, dafuͤr, daß ich den heirathen soll, will ich lieber in die Welt gehen, so weit als mich meine Beine tragen.’ Da sprach der Koͤnig wenn sie den nicht heirathen wollte, sollte sie die koͤniglichen Kleider ausziehen, und Bauernkleider anthun, und fortgehen; und sie sollte zu einem Toͤpfer gehen, und sich einen irden Geschirr Handel anfangen. Da thaͤt sie ihre koͤniglichen Kleider aus, und gieng zu einem Toͤpfer, und borgte sich140 einen Kram irden Werk; versprach ihm auch, wenn sies am Abend verkauft haͤtte, wollte sie es bezahlen. Nun sagte der Koͤnig sie sollte sich an eine Ecke damit setzen, und es verkaufen, dann bestellte er etliche Bauernwagen, die sollten mitten durchfahren, daß alles in tausend Stuͤcke gienge. Wie nun die Koͤnigstochter ihren Kram auf die Straße hingestellt hatte, kamen die Wagen und zerbrachen ihn zu lauter Scherben; sie fieng an zu weinen, und sprach ‘ach Gott, wie will ich nun dem Toͤpfer bezahlen.’ Der Koͤnig aber hatte sie damit zwingen wollen den Hauptmann zu heirathen, statt dessen gieng sie wieder zum Toͤpfer, und fragte ihn ob er ihr noch einmal borgen wollte. Er antwortete nein, sie sollte erst das Vorige bezahlen. Da gieng sie zu ihrem Vater, schrie und jammerte, und sagte sie wollte in die Welt hineingehen. Da sprach er sie sollte hingehen in den Wald, da wollt er ihr ein Haͤuschen bauen, darin sollte sie ihr Lebtag sitzen, und fuͤr jedermann kochen, duͤrfte aber kein Geld nehmen. Also ließ er ihr ein Haͤuschen im Wald bauen, und vor die Thuͤre hieng ein Schild, darauf stand geschrieben ‘heute umsonst, morgen fuͤr Geld.’ Da saß sie lange Zeit, und sprach es sich in der Welt herum, da saͤß eine Jungfrau, die kochte umsonst, und das staͤnde vor der Thuͤre an einem Schild. Das hoͤrte auch der Jaͤger und dachte ‘das waͤr etwas fuͤr dich, du bist doch arm, und hast kein Geld;’ nahm also seine Windbuͤchse und seinen Ranzen, worin noch alles steckte, was er damals im Schloß als Wahrzeichen hineingethan hatte, und gieng in den Wald, und fand auch das Haͤuschen mit dem Schild ‘heute umsonst, morgen fuͤr Geld.’ Er hatte aber den Degen141 umhaͤngen, womit er den drei Riesen den Kopf abgehauen hatte, trat so in das Haͤuschen hinein, und ließ sich etwas zu essen geben. Er freute sich uͤber das schoͤne Maͤdchen, es war aber auch bildschoͤn. Sie fragte wo er her kaͤme und hin wollte, da sagte er ‘ich reise in der Welt herum.’ Da fragte sie ihn wo er den Degen her haͤtte, da staͤnde ja ihres Vaters Name darauf.’ Fragte er ob sie des Koͤnigs Tochter waͤre? ‘Ja,’ antwortete sie. ‘Mit diesem Saͤbel,’ sprach er, ‘habe ich drei Riesen den Kopf abgehauen,’ und holte zum Zeichen ihre Zungen aus dem Ranzen, dann zeigte er ihr auch den Pantoffel, den Schlippen vom Halstuch, und das Stuͤck vom Hemd. Da war sie voller Freude, und sagte er waͤre derjenige, der sie erloͤst haͤtte. Darauf giengen sie zusammen zum alten Koͤnig, und sie fuͤhrte ihn in ihre Kammer, und sagte ihm der Jaͤger waͤre der rechte, der sie von den Riesen erloͤst haͤtte. Und wie der alte Koͤnig die Wahrzeigen alle sah, da konnt er nicht mehr zweifeln, und sagte das war ihm lieb, und er sollte sie nun auch zur Gemahlin haben; daruͤber war die Jungfrau von Herzen froh. Darauf kleideten sie ihn, als wenn er ein fremder Herr waͤre, und der Koͤnig ließ ein Gastmahl anstellen. Als sie nun zu Tisch giengen, kam der Hauptmann auf die linke Seite der Koͤnigstochter, der Jaͤger aber auf die rechte, und der Hauptmann meinte das waͤre ein fremder Herr, und waͤre zum Besuch gekommen. Wie sie gegessen und getrunken hatten, sprach der alte Koͤnig zum Hauptmann er wollte ihm etwas aufgeben, das sollt er errathen: wenn einer spraͤche, er haͤtte drei Riesen ums Leben gebracht, und er gefragt wuͤrde, wo die Zungen der Riesen142 waͤren, und er muͤßte zusehen, und waͤren keine in ihren Koͤpfen, wie das zugienge? Da sagte der Hauptmann ‘sie werden keine gehabt haben.’ ‘Ei,’ sagte der Koͤnig, ‘jedes Gethier hat eine Zunge,’ und fragte weiter was der werth waͤre, daß ihm widerfuͤhre? Da sprach der Hauptmann ‘der gehoͤrt in Stuͤcken zerrissen zu werden.’ Da sagte der Koͤnig er haͤtte sich selber sein Urtheil gesprochen, und ward der Hauptmann gefaͤnglich gesetzt, und dann in vier Stuͤcke zerrissen, die Koͤnigstochter aber mit dem Jaͤger vermaͤhlt, der holte seinen Vater und seine Mutter, und die lebten in Freude bei ihrem Sohn, und nach des alten Koͤnigs Tod bekam er das Reich.
Es zog einmal ein Bauer mit einem Paar Ochsen zum Pfluͤgen aus, als er aufs Land kam, da fiengen den beiden Thieren die Hoͤrner an zu wachsen, wuchsen fort, und als er nach Haus wollte, waren sie so groß, daß er nicht mit zum Thor hinein konnte. Zu gutem Gluͤck kam gerade ein Metzger daher, dem uͤberließ er sie, und schlossen sie den Handel dergestalt, daß er sollte dem Metzger ein Maaß Ruͤbsamen bringen, der wollt ihm dann fuͤr jedes Korn einen brabanter Thaler aufzaͤhlen. Das heiß ich mir gut verkauft! Der Bauer gieng nun heim, und trug das Maaß Ruͤbsamen auf dem Ruͤcken herbei; unterwegs verlor er aber aus dem Sack ein Koͤrnchen. Der Metzger bezahlte ihn dem Handel gemaͤß richtig aus; haͤtte der Bauer daß eine Korn nicht verloren, so haͤtte er einen brabanter Thaler mehr gehabt. Jndessen, wie er wieder des Wegs zuruͤck kam, war aus dem Korn ein Baum gewachsen, der reichte bis an den Himmel. Da dachte der Bauer ‘weil die Gelegenheit da ist, mußt du doch sehen, was die Engel da droben machen, und ihnen einmal unter die Augen gucken.’ Also stieg er hinauf, und sah daß die Engel oben Hafer droschen, und schaute das mit an; wie er so schaute, merkte144 er, daß der Baum, worauf er stand, anfieng zu wackeln, und guckte hinunter, und sah daß ihn eben einer umhauen wollte. ‘Wenn du da herab stuͤrztest, das waͤr ein boͤses Ding’ dachte er, und in der Noth wußt er sich nicht besser zu helfen, als daß er die Spreu vom Hafer nahm, die haufenweis da lag, und daraus einen Strick drehte, auch griff er nach einer Hacke und einem Dreschflegel, die da herum im Himmel lagen, und ließ sich an dem Seil herunter. Er kam aber unten auf der Erde gerade in ein tiefes, tiefes Loch, und da war es ein rechtes Gluͤck, daß er die Hacke hatte, denn er nahm sie, und hackte sich eine Treppe, stieg darauf in die Hoͤhe, und brachte den Dreschflegel zum Wahrzeichen mit, so daß niemand an seiner Erzaͤhlung mehr zweifeln konnte.
Et was mol en Kuͤnig west, de hadde en kleinen Jungen kregen, in den sin Teiken (Zeichen) hadde stahn, he sull von einen Hirsch uͤmmebracht weren, wenn he sestein Johr alt waͤre. Ase he nu so wit anewassen was, do giengen de Jaͤgers mol mit uͤnne up de Jagd. Jn den Holte, do kuͤmmt de Kuͤnigssuhn bie de anneren denne (von den andern weg), up ein mol suͤht he do ein grooten Hirsch, den wull he scheiten, he kunn en awerst nig dreppen; up’t lest is de Hirsch so lange fuͤr uͤnne herut laupen, bis gans ut den Holte, do steiht do up einmol so ein grot lank Mann stad des Hirsches, de segd ‘nu dat is gut, dat ik dik hewe; ik hewe schon sess paar gleserne Schlitschau hinner die caput jaget, un hewe dik nig kriegen koͤnnt.’ Do nuͤmmet he uͤn mit sik, un schlippet em dur ein grot Water bis fuͤr en grot Kuͤnigsschlott, da mut he mit an’n Disk, un eten wat. Ase se tosammen wat geeten het, segd de Kuͤnig ‘ik hewe drei Doͤchter, bie der oͤlesten mußt du en Nacht waken, von des Obends niegen Uhr bis Morgen sesse, un ik kumme jedesmol, wenn de Klocke schlaͤtt, suͤlwens, un rope, un wenne du mie dann kine Antwort gifst, so werst du Morgen ummebracht, wenn du awerst mie immer Antwort givst,146 so salst du se tor Fruen hewen.’ Ase do die jungen Lude up de Schlopkammer kaͤmen, do stund der en steineren Christoffel, do segd de Kuͤnigsdochter to emme ‘um niegen Uhr kummet min Teite (Vater), alle Stunne bis et dreie schlaͤtt, wenn he froget, so giwet gi em Antwort statt des Kuͤnigssuhns;’ do nickede de steinerne Christoffel mit den Koppe gans schwinne un dann juͤmmer lanksamer, bis he to leste wier stille stand. Den anneren Morgen, do segd de Kuͤnig to emme ‘du hest dine Sacken gut macket, awerst mine Dochter kann ik nig hergiewen, du moͤstest dann en Nacht bie de tweiten Dochter wacken, dann will ik mie mal drup bedenken, ob du mine oͤlleste Dochter tor Frugge hewen kannst; awerst ik kumme olle Stunne suͤlwenst, un wenn ik die rope, so antworte mie, un wenn ik die rope, un du antwortest nig, so soll fleiten din Blaud fuͤr mie.’ Un do gengen de beiden up de Schlopkammer, do stand do noch en groͤteren steineren Christoffel, dato seg de Kuͤnigsdochter: ‘wenn min Teite froͤgt, so antworte du;’ do nickede de grote steinerne Christoffel wier mit den Koppe gans schwinne un dann juͤmmer lanksamer, bis he to leste wier stille stand. Un de Kuͤnigssohn legte sik up den Doͤrsuͤll (Thuͤrschwelle), legte de Hand unner den Kopp, un schlaͤp inne. Den anneren Morgen seh de Kuͤnig to uͤnne ‘du hast dine Sacken twaren gut macket, awerst mine Dochter kann ik nig hergiewen, du moͤstest suͤs bie der jungesten Kuͤnigsdochter en Nacht wacken, dann will ik mie bedenken, ob du mine tweide Dochter tor Frugge hewen kannst; awerst ik kumme alle Stunne suͤlwenst, un wenn ik rope, so antworte mie, un wenn ik die rope, un du antwortest nig, so soll fleiten din Blaud147 fuͤr mie.’ Do giengen se wier tohope (zusammen) up ehre Schlopkammer, do was do noch en viel groͤtern un viel laͤngern Christoffel, ase bie de twei ersten; dato segde de Kuͤnigsdochter ‘wenn min Teite roͤpet, so antworte du,’ do nickede de grote lange steinerne Christoffel wohl ene halwe Stunne mit den Koppe, bis de Kopp tolest wier stille stand. Un de Kuͤnigssuhn legte sik up de Doͤrsuͤl, und schlaͤp inne. Den annern Morgen, do segd de Kuͤnig ‘du hast twaren gut wacket, awerst ik kann die nau mine Dochter nig giewen, ik hewe so en groten Wall, wenn du mie den von huͤte Morgen sesse bis tin Morgen afhoggest, so will ik mie drup bedenken.’ Do dehe (that d. i. gab) he uͤnne en gleserne Exen, en glaͤsernen Kiel, un en gleserne Holthacke midde. Wie he in dat Holt kummen is, do hoggete he einmal to, do was de Exen entwei, do nam he den Kiel, un schlett einmal mit de Holthacke daruppe, do is et so kurt un so klein ase Grutt (Sand). Do was he so bedroͤwet un gloͤvte nu moͤste he sterwen, un he geit sitten un grient (weint). Asset nu Middag is, do segd de Kuͤnig ‘eine von juck Maͤken mott uͤnne wat to etten bringen.’ ‘Nee,’ segged de beiden oͤllesten, ‘wie willt uͤn nicks bringen, wo he dat leste bie wacket het, de kann uͤn auck wat bringen.’ Do mutt de jungeste weg, un bringen uͤnne wat to etten. Ase in den Walle kummet, do fraͤgt se uͤn wie et uͤnne gienge?’ ‘O,’ sehe he, ‘et gienge uͤn gans schlechte.’ Do sehe se he sull herkummen un etten eest en bitken; ‘nee,’ seh he, ‘dat kuͤnne he nig, he moͤste jo doch sterwen, etten wull he nig mehr.’ Do gav se uͤnne so viel gute Woore he moͤchte et doch versoͤken; do kuͤmmt148 he, un ett wat. Ase he wat getten het, do sehe se ‘ik will die eest en bitken lusen, dann werst du annerst to Sinnen.’ Do se uͤn luset, do werd he so moͤhe, un schloͤppet in, un do nuͤmmet se ehren Doock, un binnet en Knupp do in, und schlaͤtt uͤn dreimol up de Eere, un segd ‘Arweggers, herut!’ Do wuͤren glick so viele Eerdmaͤnneken herfurkummen un hadden froget wat de Kuͤnigsdochter befelde. Do seh se ‘in Tied von drei Stunnen mutt de groote Wall afhoggen un olle dat Holt in Hoͤpen settet sien.’ Do giengen de Eerdmaͤnnekens herum, und boen ehre ganse Verwanschap up, dat se ehnen an de Arweit helpen sullen. Do fiengen se glick an, un ase de drei Stunne uͤmme wuͤren, do is alles to Enne (zu Ende) west; un do keimen se wier to der Kuͤnigsdochter un sehent ehr. Do nuͤmmet se wier ehren witten Doock, un segd ‘Arweggers, nah Hues!’ Do siet se olle wier wege west. Do de Kuͤnigssuhn upwacket, do werd he so frau, do segd se ‘wenn et nu sesse schloen het, so kumme nah Hus. Dat het he auk bevolget, un do fraͤgt de Kuͤnig ‘hest du den Wall aawe?’ ‘Jo’ segd de Kuͤnigssuhn. Ase se do an een Diske sittet, do seh de Kuͤnig ‘ik kann die nau mine Dochter nie tor Frugge giewen,’ he moͤste eest nau wat umme se dohen. Do fraͤgt he wat dat den sien sulle. ‘Jk hewe so en grot Dieck,’ seh de Kuͤnig, ‘do most du den annern Morgen hoͤnne, un most en utschloen, dat he so blank is ase en Spegel, un et muͤttet von ollerhand Fiske dorinne sien.’ Den anneren Morgen do gav uͤnne de Kuͤnig ene gleserne Schute (Schuͤppe), un segd ‘umme sess Uher mot de Dieck ferig sien.’ Do geit he weg, ase he bie den Dieck kummet, do149 stecket he mit de Schute in de Muhe (Moor, Sumpf), do brack se af; do stecket he mit de Hacken in de Muhe, un et was wier caput. Do werd he gans bedroͤwet. Den Middag brachte de juͤngeste Dochter uͤnne wat to etten, do fraͤgt se wo et uͤnne gienge? Do seh de Kuͤnigssuhn et gienge uͤnne gans schlechte, he sull sienen Kopp wohl mißen mutten; ‘dat Geschirr is mie wier klein gohen.’ O, seh se, he sull kummen, un etten eest wat, ‘dann west du anneren Sinnes.’ Nee, segde he, etten kunn he nig, he wer gar to bedroͤwet. Do givt se uͤnne viel gude Woore bis he kummet, un ett wat. Do luset se uͤnn wier, un he schloppet in, se nuͤmmet von niggen en Doock, schlett en Knupp do inne, un kloppet mit den Knuppe dreimol up de Eere, un segd ‘Arweggers, herut!’ do kummt glick so viele Eerdmaͤnnekens, un froget olle wat ehr Begeren wuͤr. Jn Tied von drei Stunne mosten se den Dieck gans utschloen hewen, und he moͤste so blank sien, dat man sik inne speigelen kuͤnne, un von ollerhand Fiske mosten dorinne sien. Do giengen de Eerdmaͤnnekens huͤnn, un boen ehre Verwanschap up, dat se uͤnnen helpen sullen; un et is auck in twei Stunnen ferrig west. Do kummet se wier un seged ‘wie haͤt dohen, so us befolen is.’ Do nuͤmmet de Kuͤnigsdochter den Doock, un schlett wier dremol up de Eere, un segd ‘Arweggers, to Hues!’ do siet se olle wier weg. Ase do de Kuͤnigssuhn upwecket, do is de Dieck ferrig. Do geit de Kuͤnigsdochter auck weg, und segd wenn et sesse waͤr, dann sull he nah Hus kummen. Ase he do nah Hus kummet, do fraͤgt de Kuͤnig ‘hes du den Dieck ferrig?’ ‘Jo’ seh de Kuͤnigssuhn. Dat wuͤr schoͤne. Do se do150 wier to Diske sittet, do seh de Kuͤnig ‘du hast den Dieck twaren ferrig, awerst ik kann die mine Dochter noch nie giewen, du most eest nau eins dohen.’ ‘Wat is dat den?’ froͤgte de Kuͤnigssuhn. He hedde so en grot Berg, do wuͤren luter Dorenbuske anne, de mosten olle afhoggen weren, un bowen up moste he en grot Schlott buggen, dat moste so wacker sien, ase’t nu en Menske denken kunne, un olle Jngedoͤmse, de in den Schlott gehorden, de moͤsten der olle inne sien. Do he nu den annern Morgen up steit, do gav uͤnne de Kuͤnig en glesernen Exen, un en gleseren Boren mie, et mott awerst um sess Uhr ferrig sien. Do he an den eersten Dorenbuske mit de Exen an hogget, do gieng se so kurt un so klein, dat de Stuͤcker rund um uͤnne herfloen, un de Boren kunn he auck nig brucken. Do war he gans bedroͤwet, un toffte (wartete) up sine Leiweste, op de nie keime, un uͤnn ut der Naud huͤlpe. Ase’t do Middag is, do kummet se, und bringet wat to etten, do geit he ehr in de Moͤte (entgegen), un vertellt ehr olles, un ett wat, un lett sik von ehr lusen, un schloppet in. Do nuͤmmet se wier den Knupp, un schlett domit up de Eere un segd ‘Arweggers, herut!’ Do kummet wier so viel Eerdmaͤnnekens, un froget wat ehr Begeren wuͤr? Do seh se ‘in Tied von drei Stunnen muͤttet ju de gansen Busk afhoggen, un bowen uppe den Berge do mot en Schlott stohen, dat mot so wacker sien, ase’t nu ener denken kann, un olle Jngedoͤmse muttet do inne sien. Do gienge se huͤnne, un boen ehre Verwanschap up, dat se helpen sullen, un ase de Tied umme was, do was alles ferrig. Do kuͤmmet se to der Kuͤnigsdochter, un segget dat, un de Kuͤnigsdochter nuͤmmet151 den Doock, un schlett dreimol domit up de Eere, un segd ‘Arweggers to Hues!’ Do siet se glick olle wier weg west. Do nu de Kuͤnigssuhn upwecket, un olles soh, do was he so frau ase en Vugel in der Luft. Do et do sesse schloen hadde, do giengen se tohaupe nah Hues. Do segd de Kuͤnig ‘is dat Schlott auck ferrig?’ ‘Jo’ seh de Kuͤnigssuhn. Ase do to Diske sittet, do segd de Kuͤnig ‘mine jungeste Dochter kann ik nie giewen, befur de twei oͤllesten frigget het.’ Do wor de Kuͤnigssuhn und de Kuͤnigsdochter gans bedroͤwet, un de Kuͤnigssuhn wuste sik gar nig to bergen (helfen). Do kummet he mol bie Nachte to der Kuͤnigsdochter, un loͤppet dermit furt. Ase do en bitken wegsiet, do kicket sik de Dochter mol umme, un suͤht ehren Vader hinner sik. ‘O,’ seh se, ‘wo sull wie dat macken? min Vader is hinner us, un will us ummeholen, ik will die grade to’n Doͤrenbusk macken un mie tor Rose, un ik will mie uͤmmer midden in den Busk waaren (schuͤtzen).’ Ase do de Vader an de Stelle kummet, do steit do en Doͤrenbusk un ene Rose do anne; do will he de Rose afbrecken, do kummet de Doͤren, un stecket uͤn in de Finger, dat he wier nah Hus gehen mut. Do fraͤgt sine Frugge worumme he se nig haͤdde middebrocht. Do seh he he wuͤr der bald bie west, awerst he hedde se uppen mol ut den Gesichte verloren, un do haͤdde do en Doͤrenbusk un ene Rose stohen. Do seh de Kuͤnigin ‘heddest du ment (nur) de Rose afbrocken, de Busk hedde sullen wohl kummen.’ Do geit he wier weg, un will de Rose herholen. Unnerdes waren awerst de beiden schon wiet oͤwer Feld, un de Kuͤnig loͤppet der hinner her. Do kicket sik de Dochter wier umme,152 un suͤht ehren Vader kummen, do seh se ‘o, wo sull wie et nu macken? ik will die grade tor Kerke macken un mie tom Pastoer; do will ik up de Kanzel stohn un priedigen.’ Ase do de Kuͤnig an de Stelle kummet, do steiht do ene Kerke, un up de Kanzel is en Pastoer, un priediget, do hort he de Priedig to, un geit wier nah Hues. Do fraͤgt de Kuͤniginne worumme he se nig midde brocht hedde, do segd he ‘nee, ik hewe se so lange nachlaupen, un as ik glovte ik wer der bold bie, do steit do en Kerke un up de Kanzel en Pastoer, de priedigte.’ ‘Du haͤddest sullen ment den Pastoer bringen,’ seh de Fru, ‘de Kerke haͤdde sullen wohl kummen; dat ik die auck (wenn ich gleich dich) schicke, dat kann nig mer helpen, ik mut sulwenst huͤnne gohen.’ Ase se do ene Wiele wege is, un de beiden von feren suͤht, do kicket sik de Kuͤnigsdochter umme, un suͤht ehre Moder kummen, un segd ‘nu sie wie ungluͤcksk, nu kuͤmmet miene Moder sulwenst, ik will die grade tom Dieck macken un mie tom Fisk.’ Do de Moder up de Stelle kummet, do is do en grot Dieck, un in de Midde sprank en Fisk herumme, un kickete mit den Kopp ut den Water, un was gans lustig. Do wull se geren den Fisk krigen, awerst se kunn uͤn gar nig fangen. Do werd se gans boͤse, un drinket den gansen Dieck ut, dat se den Fisk kriegen will, awerst do werd se so uͤwel, dat se sick spiggen mott, un spigget den gansen Dieck wier ut. Do seh se ‘ik sehe do wohl dat et olle nig mehr helpen kann’; sei mogten nu wier to ehr kummen. Do gohet se dann auck wier huͤnne, un de Kuͤniginne givt der Dochter drei Wallnuͤtte, un segd ‘do kannst du die mit helpen, wenn du in dine153 hoͤgste Naud bist.’ Un do giengen de jungen Luͤde wier tohaupe weg. Do se do wohl tein Stunne gohen hadden, do kummet se an dat Schlott, wovon de Kuͤnigssuhn was, un dobie was en Dorp. Ase se do anne keimen, do segd de Kuͤnigssuhn ‘blief hie, mine Leiweste, ik will eest up dat Schlott gohen, un dann will ik mit den Wagen un Bedeinten kummen, un will die afholen.’ Ase he do up dat Schlott kummet, do werd se olle so frau dat se den Kuͤnigssuhn nu wier hett; do vertellt he he hedde ene Brut, un de wuͤr ietzt in den Dorpe, se wullen mit den Wagen hintreten, un se holen. Do spannt se auck glick an, un viele Bedeinten setten sik up den Wagen. Ase do de Kuͤnigssuhn instiegen wull, do gab uͤn sine Moder en Kus, do hadde he alles vergeten wat schehen was, un auck wat he dohen will. Do befal de Moder se sullen wier utspannen, un do giengen se olle wier in’t Hues. Dat Maͤken awerst sitt im Dorpe, un luert un luert, un meint he sull se afholen, et kummet awerst keiner. Do vermaiet (vermiethet) sik de Kuͤnigsdochter in de Muhle, de hoerde bie dat Schlott, do moste se olle Nohmiddage bie den Water sitten, un Stunze schuͤren (Gefaͤße reinigen). Do kummet de Kuͤniginne mol von den Schlotte gegohen, un gohet an den Water spatzeiern, un seihet dat wackere Maͤken do sitten, do segd se ‘wat is dat fur en wackker Maͤken! wat gefoͤllt mie dat gut!’ Da kicket se et olle an, awerst keen Menske hadde et kand. Do geit wohl ene lange Tied vorbie, dat dat Maͤken eerlick un getrugge bie den Muͤller deint. Unnerdes hadde de Kuͤniginne ene Frugge fur ehren Suhn socht, de is gans feren ut der Weld west. Ase do de154 Brut ankuͤmmet, do soͤllt se glick tohaupe giewen weren. Et laupet so viele Lude tosamen, de dat olle seihen willt, do segd dat Maͤken to den Muͤller he moͤgte ehr doch auck Verloͤv giewen. Do seh de Muͤller ‘goh menten huͤnne.’ Ase’t do weg will, do macket et ene van den drei Wallnuͤtten up, do legt do so en wacker Kleid inne, dat trecket et an, un gienk domie in de Kerke gigen den Altor stohen. Up enmol kummt de Brut un de Bruͤme (Braͤutigam), un settet sik fuͤr den Altor, un ase de Pastoer se do insegnen wull, do kicket sik de Brut van der halwe (seitwaͤrts), un suͤht et do stohen, do steit se wier up, un segd se wull sik nie giewen loten, bis se auck so en wacker Kleid haͤdde, ase de Dame. Do giengen se wier nah Hues, un laͤten de Dame froen ob se dat Kleid wohl verkofte. Nee, verkaupen dau se’t nig, awerst verdeinen, dat moͤgte wohl sien. Do frogten se ehr wat se denn dohen sullen. Do segd se wenn se van Nachte fur dat Dohr van den Kuͤnigssuhn schlapen doffte, dann wull se et wohl dohen. Do seget se jo, dat sull se menten dohen. Do muttet de Bedeinten den Kuͤnigssuhn en Schlopdrunk ingiewen, und do legt se sik up den Suͤll, un guͤnselt (winselt) de heile Nacht, se haͤdde den Wall fur uͤn afhoggen loten, se haͤdde den Dieck fur uͤn utschloen, se haͤdde dat Schlott fur uͤn bugget, se haͤdde uͤnne ton Doͤrenbusk macket, dann wier tor Kerke; un tolest tom Dieck, un he haͤdde se so geschwinne vergeten. De Kuͤnigssuhn hadde nicks davon hoͤrt, de Bedeinten awerst wuͤren upwacket, un hadden tolustert, un hadden nie wust wat et sull beduͤen. Den anneren Morgen ase se upstohen wuͤren, do trock de Brut dat Kleid an, un fort155 mit den Bruͤmen nah der Kerke; uͤnnerdes macket dat wackere Maͤken de tweide Wallnutt up, un do is nau en schoͤner Kleid inne, dat thuͤt et wier an, un geit domie in de Kerke gigen den Altor stohen, do geit et dann ewen, wie dat vuͤrge mol. Un dat Maͤken liegt wier en Nacht fur den Suͤll, de nah des Kuͤnigssuhns Stobe geit, un de Bedeinten suͤllt uͤn wier en Schlopdrunk ingiewen; de Bedeinten kummet awerst un giewet uͤnne wat to wacken, domie legt he sik to Bedde; un de Muͤllersmaged fur den Doͤrsuͤll guͤnselt wier so viel, un segd wat se dohen haͤdde. Dat hoͤrt olle de Kuͤnigssuhn, un werd gans bedroͤwet, un et foͤllt uͤnne olle wier bie wat vergangen was. Do will he nah ehr gohen, awerst sine Moder hadde de Doͤr toschlotten. Den annern Morgen awerst gieng he glies to siner Leiwesten, un vertellte ehr olles, wie et mit uͤnne togangen wuͤr, un se moͤgte uͤnne doch nig beuse sin dat he se so lange vergetten haͤdde. Do macket de Kuͤnigsdochter de dridde Wallnutt up, do is nau en viel wacker Kleid inne, dat trecket se an, un foͤrt mit ehren Brumen nah de Kerke, un do keimen so viele Kinner, de geiwen uͤnne Blomen, un hellen uͤnne bunte Baͤnner fur de Foͤte, un se leiten sik insegnen, un hellen ene lustige Hochtied; awerst de falske Moder un Brut mosten weg. Un we dat lest vertellt het, den is de Mund noch waͤrm.
Es war einmal ein Prinzessin gewaltig stolz; kam ein Freier, so gab sie ihm etwas zu rathen auf, und wenn ers nicht errathen konnte, so ward er mit Spott fortgeschickt. Sie ließ auch bekannt machen wers erriethe, sollte sich mit ihr vermaͤhlen, und moͤchte kommen wer da wollte. Endlich fanden sich auch drei Schneider zusammen, davon meinten die zwei aͤltesten sie haͤtten so manchen feinen Stich gethan, und haͤttens getroffen, da koͤnnts ihnen nicht fehlen, sie muͤßtens wohl auch hier treffen; der dritte war ein kleiner unnuͤtzer Springinsfeld, der nicht einmal sein Handwerk verstand, aber meinte er muͤßte sein Gluͤck versuchen. Da sprachen die zwei andern zu ihm ‘bleib nur zu Haus, du wirst mit deinem Bischen Verstand nicht weit kommen.’ Das Schneiderlein ließ sich aber nicht irre machen, und sagte es haͤtte einmal seinen Kopf darauf gesetzt, und wollte sich schon helfen, und gieng dahin, als waͤre die ganze Welt sein.
Da meldeten sich alle drei bei der Prinzessin, und sagten sie sollte ihnen ihr Raͤthsel vorlegen: es waͤren die rechten Leute angekommen, die haͤtten einen feinen Verstand, den koͤnnte man wohl in eine Nadel faͤdeln. Da sprach die Prinzessin ‘ich habe157 zweierlei Haar auf dem Kopf, von was fuͤr Farben ist das?’ ‘Wenns weiter nichts ist,’ sagte der erste, ‘es wird schwarz und weiß seyn, wie Kuͤmmel und Salz.’ Die Prinzessin sprach ‘falsch gerathen; antworte der zweite.’ Da sagte der zweite ‘ists nicht schwarz und weiß, so ists braun und roth, wie meines Herrn Vaters Bratenrock.’ ‘Falsch gerathen,’ sagte die Prinzessin, ‘antworte der dritte, dem seh ichs an, der weiß es sicherlich.’ Da trat das Schneiderlein hervor, und sprach ‘die Prinzessin hat ein silbernes und goldenes Haar auf dem Kopf, und das sind die zweierlei Farben.’ Wie die Prinzessin das hoͤrte, ward sie blaß, und waͤre vor Schrecken beinah hingefallen, denn das Schneiderlein hatte es getroffen, und sie hatte sicher geglaubt das wuͤrde kein Mensch auf der Welt herausbringen. Als ihr das Herz wieder kam, sprach sie ‘damit hast du mich noch nicht gewonnen, du mußt noch eins thun; unten im Stall liegt ein Baͤr, bei dem sollst du die Nacht zubringen, wenn ich dann morgen aufstehe, und du bist noch lebendig, so sollst du mich heirathen.’ Sie dachte aber damit wollte sie das Schneiderlein los werden, denn der Baͤr hatte noch keinen Menschen lebendig gelassen, der ihm unter die Tatzen gekommen war. Das Schneiderlein ließ sich nicht abschrecken, war ganz vergnuͤgt, und sprach ‘das will ich auch noch vollbringen.’
Als nun der Abend kam, ward mein Schneiderlein hinunter zum Baͤren gebracht; der Baͤr wollt auch gleich auf es los, und ihm mit seiner Tatze einen guten Willkommen geben. ‘Sachte, sachte,’ sprach das Schneiderlein, ‘ich kann dich noch zur Ruhe bringen.’ Da holte es ganz gemaͤchlich, als haͤtt es keine Sorgen,158 welsche Nuͤsse aus der Tasche, biß sie auf und aß die Kerne; wie der Baͤr das sah, kriegte er Lust, und wollte auch Nuͤsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche, und reichte ihm eine Hand voll; es waren aber keine Nuͤsse, sondern Wackersteine. Der Baͤr steckte sie ins Maul, konnte aber nichts aufbringen, er mochte beißen wie er wollte. ‘Ei,’ dachte er, ‘was bist du fuͤr ein dummer Klotz! kannst nicht einmal die Nuͤsse aufbeißen,’ und sprach zum Schneiderlein ‘mein, beiß mir die Nuͤsse auf.’ ‘Da siehst du was du fuͤr ein Kerl bist,’ sprach das Schneiderlein, ‘hast so ein großes Maul, und kannst die kleine Nuß nicht aufbeißen.’ Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafuͤr eine Nuß in den Mund, und knack, war sie entzwei. ‘Jch muß das Ding noch einmal probieren,’ sprach der Baͤr, ‘wenn ichs so ansehe, ich mein ich muͤßts koͤnnen.’ Da gab ihm das Schneiderlein wieder die Wackersteine, und der Baͤr arbeitete und biß aus allen Leibeskraͤften hinein: aber du glaubst auch nicht daß er sie aufgebracht hat. Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor, und spielte sich ein Stuͤckchen darauf. Als der Baͤr das hoͤrte, konnte er es nicht lassen, und fieng an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, daß er zum Schneiderlein sprach ‘hoͤr, ist das Geigen schwer?’ ‘Gar nicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf, und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da gehts lustig, hopsasa, vivallalera!’ ‘Willst du mir Unterricht geben?’ sprach der Baͤr, ‘so geigen, das moͤcht ich auch verstehen, damit ich159 tanzen koͤnnte wann ich Lust haͤtte.’ ‘Von Herzen gern,’ sagte das Schneiderlein, ‘wenn dus lernen willst: aber weis einmal deine Tatzen her, die sind gewaltig lang, ich muß dir erst die Naͤgel ein wenig abschneiden.’ Da ward ein Schraubstock herbei geholt, und der Baͤr legte seine Tatzen darauf, das Schneiderlein aber schraubte sie fest, und sprach ‘nun warte bis ich mit der Scheere komme,’ ließ den Baͤr brummen, so viel er wollte, legte sich in die Ecke auf ein Bund Stroh, und schlief ein.
Die Prinzessin, als sie am Abend den Baͤren so gewaltig brummen hoͤrte, glaubte nicht anders, als der brummte vor Freuden, und mit dem Schneider waͤrs jetzt vorbei. Am Morgen stand sie ganz unbesorgt und vergnuͤgt auf, wie sie aber nach dem Stall guckt, so steht das Schneiderlein ganz munter davor, und ist gesund wie ein Fisch im Wasser. Da konnte sie nun kein Wort mehr dagegen sagen, weil sies oͤffentlich versprochen hatte, und der Koͤnig ließ einen Wagen kommen, darin mußte sie mit dem Schneiderlein zur Kirche fahren, und sollte sie da vermaͤhlt werden. Wie sie eingestiegen waren, giengen die beiden andern Schneider, die falsch waren und ihm sein Gluͤck nicht goͤnnten, in den Stall, und schraubten den Baͤren los; der war nun voller Wuth, und rannte hinter dem Wagen her. Die Prinzessin hoͤrte ihn schnauben, und ward ihr angst, da sagte sie ‘ach, der Baͤr ist hinter uns, und will dich holen.’ Das Schneiderlein war bei der Hand, stellte sich auf den Kopf, steckte die Beine zum Fenster hinaus, und rief ‘siehst du den Schraubstock? wann160 du nicht gehst, so sollst du wieder hinein.’ Wie der Baͤr das sah, drehte er um und lief fort. Mein Schneiderlein fuhr da ruhig in die Kirche, und die Prinzessin ward ihm an die Hand getraut, und lebte er mit ihr vergnuͤgt wie eine Heidlerche. Wers nicht glaubt, bezahlt einen Thaler.
Ein Schneidergesell reiste in der Welt auf sein Handwerk herum; nun konnt er einmal keine Arbeit finden, und war die Armuth bei ihm so groß, daß er keinen Heller Zehrgeld hatte. Jn der Zeit begegnete ihm auf dem Weg ein Jude, und da dachte er der haͤtte viel Geld bei sich, und stieß Gott aus seinem Herzen, gieng auf ihn los und sprach ‘gib mir dein Geld, oder ich schlag dich todt.’ Da sagte der Jude ‘schenkt mir doch das Leben, Geld hab ich keins, und nicht mehr als acht Heller.’ Der Schneider aber sprach ‘du hast doch Geld, und das soll auch heraus,’ brauchte Gewalt, und schlug ihn so lange bis er nah am Tod war. Und wie der Jude nun sterben wollte, sprach er das letzte Wort ‘die klare Sonne wird es an den Tag bringen!’ und starb damit. Der Schneidergesell griff ihm in die Taschen, und suchte nach Geld, aber er fand nicht mehr als die acht Heller, wie der Jude gesagt hatte. Da packte er auf, trug ihn hinter einen Busch, und zog weiter auf sein Handwerk. Wie er nun lange Zeit gereist war, kam er in eine Stadt bei einem Meister in Arbeit, der hatte eine schoͤne Tochter, in die verliebte er sich, und heirathete sie, und lebte in einer guten vergnuͤgten Ehe.
Ueberlang, als sie schon zwei Kinder hatten, starben Schwiegervater162 und Schwiegermutter, und die jungen Leute hatten den Haushalt allein. Eines Morgens, wie der Mann auf dem Tisch vor dem Fenster saß, brachte ihm die Frau den Kaffee, und als er ihn in die Unterschale ausgegossen hatte und eben trinken wollte, da schien die Sonne darauf, und blinkte oben an der Wand so hin und her, und machte Kringel daran. Da sah der Schneider hinauf und sprach ‘ja, die wills gern an den Tag bringen und kanns nicht!’ Die Frau sprach ‘ei, lieber Mann, was ist denn das? was meinst du damit?’ Er antwortete ‘das darf ich dir nicht sagen.’ Sie aber sprach ‘wenn du mich lieb hast, mußt du mirs sagen,’ und gab ihm die allerbesten Worte, es sollts kein Mensch wieder erfahren, und ließ ihm keine Ruhe. Da erzaͤhlte er, vor langen Jahren, wie er auf der Wanderschaft ganz abgerissen und ohne Geld gewesen, habe er einen Juden erschlagen, und der Jude habe in der letzten Todesangst die Worte gesprochen ‘die klare Sonne wirds an den Tag bringen!’ Nun haͤtts die Sonne eben gern an den Tag bringen wollen, und haͤtt an der Wand geblinket, und Kringel gemacht, sie haͤtts aber nicht gekonnt. Danach bat er sie noch besonders, sie duͤrfte es niemand sagen, sonst kaͤm er um sein Leben, das versprach sie auch; als er sich aber zur Arbeit gesetzt hatte, gieng sie zu ihrer Gevatterin, und erzaͤhlte es der, wenn sies keinem Menschen wieder sagen wollte; eh aber drei Tage vergiengen, wußt es die ganze Stadt, und der Schneider kam vor das Gericht, und er ward gerichtet. Da brachte es doch die klare Sonne an den Tag.
Es war einmal ein Koͤnig, der hatte einen Soldaten, der ihm lange Jahre treu gedient hatte, der ihm aber, weil er alt und unbrauchbar geworden war, nicht mehr gefiel; da schickte er ihn fort, und gab ihm nichts. Der Soldat wußte nicht womit er sein Leben fristen sollte, war traurig, und gieng fort den langen Tag, und kam Abends in einen Wald. Wie er ein Weilchen gegangen war, sah er ein Licht, dem naͤherte er sich, und kam zu einem kleinen Haus, darin wohnte eine alte Hexe. Er bat um ein Nachtlager und ein wenig Essen und Trinken, sie schlugs ihm aber ab; endlich sagte sie ‘ich will dich doch aus Barmherzigkeit aufnehmen, du mußt mir aber morgen meinen ganzen Garten umgraben.’ Der Soldat versprachs, und ward also beherbergt. Am andern Tag grub er der Hexe den Garten um, und hatte damit Arbeit bis zum Abend. Nun wollte sie ihn wegschicken, er sprach aber ‘ich bin so muͤde, laß mich noch die Nacht hier bleiben.’ Sie wollte nicht, endlich gab sies zu, doch sollt er ihr andern Tags ein Fuder Holz klein spalten. Der Soldat hackte den zweiten Tag das Holz, und hatte sich Abens so abgearbeitet, daß er wieder nicht fort konnte, also bat er um die dritte Nacht; dafuͤr sollte er aber den folgenden Tag das blaue Licht aus dem164 Brunnen holen. Da fuͤhrte ihn die Hexe an einen Brunnen, und band ihn an ein langes Seil, daran ließ sie ihn hinab; und als er unten war, fand er das blaue Licht, und machte das Zeichen, daß sie ihn wieder hinaufziehen sollte. Sie zog ihn auch in die Hoͤhe, wie er aber am Rand war, so nah, daß man sich die Haͤnde reichen konnte, wollte sie das Licht haben, um ihn dann wieder hinunter fallen zu lassen. Aber er merkte ihre boͤsen Gedanken, und sagte ‘nein, ehe geb ich das blaue Licht nicht, als bis ich mit meinen Fuͤßen auf dem Erdboden stehe.’ Da erboßte die Hexe, und stieß ihn mit sammt dem Licht hinunter in den Brunnen, und gieng fort. Der Soldat sah wohl daß ihm unten in dem dunkeln feuchten Morast sein Ende bevor stehen, da fiel ihm seine Pfeife in die Hand, die war noch halb voll, und er dachte ‘die willst du zum letzten Vergnuͤgen doch noch ausrauchen.’ Also steckte er sie an dem blauen Licht an, und fieng an zu rauchen. Als der Dampf ein wenig herumzog, so kam ein klein schwarz Maͤnnlein daher, und fragte ‘Herr, was befiehlst du mir?’ ‘Was hab ich dir zu befehlen?’ sagte der Soldat. Das Maͤnnlein sprach ‘ich muß dir in allem dienen.’ ‘So hilf mir vor allen Dingen aus dem Brunnen.’ Da faßte ihn das schwarze Maͤnnchen bei der Hand, und fuͤhrte ihn herauf, und das blaue Licht nahmen sie mit. Als sie oben waren, sagte der Soldat ‘nun schlag mir die alte Hexe todt.’ Als das Maͤnnchen das gethan hatte, offenbarte es ihm die Schaͤtze, und das Gold der Hexe, das lud der Soldat auf, und nahm es mit sich. Dann sprach das Maͤnnchen ‘wenn du mich brauchst, so zuͤnde nur deine Pfeife165 an dem blauen Licht an.’ Darauf gieng der Soldat in die Stadt und in den besten Gasthof, da ließ er sich schoͤne Kleider machen, und ein Zimmer praͤchtig einrichten. Wie das fertig war, rief er sein Maͤnnchen, und sprach ‘der Koͤnig hat mich fortgeschickt und mich hungern lassen, weil ich seine Dienste nicht mehr thun konnte, nun bring mir die Koͤnigstochter heut Abend hierher, die soll mir aufwarten wie eine Magd, und thun was ich ihr heiße.’ Das Maͤnnchen sprach ‘das ist ein gefaͤhrlich Ding.’ Doch gieng es hin, und holte die Koͤnigstochter schlafend aus ihrem Bett, und brachte sie dem Soldaten, dem mußte sie gehorchen, und thun was er verlangte; den Morgen vor Hahnenschrei trug das schwarze Maͤnnchen sie wieder zuruͤck. Als sie aufgestanden war, erzaͤhlte sie ihrem Vater ‘ich habe diese Nacht einen wunderlichen Traum gehabt, als waͤr ich weggeholt worden, und die Magd von einem Soldaten gewesen, dem mußte ich aufwarten, die Stube kehren und die Stiefel putzen.’ Da sprach der Koͤnig ‘steck deine Tasche voll Erbsen, und mach ein Loch hinein: der Traum koͤnnte wahr sein, dann fallen sie heraus, und lassen die Spur auf der Straße.’ Also that sie auch, aber das Maͤnnchen hatte gehoͤrt, was der Koͤnig ihr angerathen hatte. Wie nun der Abend kam, und der Soldat sagte er sollte ihm wieder die Koͤnigstochter holen, da streute das Maͤnnchen die ganze Stadt vorher voll Erbsen und konnten die wenigen, die aus ihrer Tasche fielen, keine Spur machen, und am andern Morgen hatten die Leute den ganzen Tag Erbsen zu lesen. Die Koͤnigstochter erzaͤhlte ihrem Vater wieder was ihr begegnet war, da sprach er ‘behalt einen166 Schuh an wenn du dich zu Bette legst, und verstecke ihn heimlich, an dem Ort, wohin du getragen wirst.’ Das schwarze Maͤnnchen hoͤrte das mit an, und wie der Soldat wiederum die Koͤnigstochter wollte hergebracht haben, sagte es zu ihm ‘jetzt kann ich dir nicht mehr helfen, du wirst ungluͤcklich wenns heraus kommt.’ Der Soldat aber bestand auf seinem Willen. ‘So mach dich nur gleich fruͤhmorgens aus dem Thor hinaus,’ sagte das Maͤnnchen ‘wenn ich sie fortgetragen habe.’
Die Koͤnigstochter behielt nun einen Schuh an, und versteckte ihn bei dem Soldaten unter das Bett; am andern Morgen, wie sie wieder bei ihrem Vater war, ließ der uͤberall in der Stadt danach suchen, und da ward er bei dem Soldaten gefunden. Er hatte sich zwar aus dem Staube gemacht, wurde aber bald eingeholt, und in ein festes Gefaͤngniß geworfen. Da saß er nun in Ketten und Banden, und uͤber der eiligen Flucht war sein Bestes stehn geblieben, das blaue Licht und das Gold, und war ihm nichts uͤbrig als ein Dukaten. Wie er nun so traurig an dem Fenster seines Gefaͤngnisses stand, sah er einen Cameraden vorbeigehen, den rief er an und sprach ‘wenn du mir das kleine Buͤndelchen holst, das ich im Gasthause habe liegen lassen, so geb ich dir einen Dukaten.’ Da gieng der Camerad hin, und brachte ihm fuͤr den Dukaten das blaue Licht und das Gold. Der Gefangene steckte alsbald seine Pfeife an, und ließ das schwarze Maͤnnchen kommen, das sprach ‘sei ohne Furcht, geh getrost zum Gericht, und laß alles geschehen, nur nimm das blaue Licht mit.’ Darauf ward er verhoͤrt, und ihm, obgleich er nichts Boͤses gethan167 hatte, das Urtheil gesprochen, daß er sollte an den Galgen gehaͤngt werden. Wie er hinaus gefuͤhrt wurde, bat er den Koͤnig um eine Gnade. ‘Was fuͤr eine?’ sprach der Koͤnig. ‘Daß ich noch eine Pfeife auf dem Wege rauchen darf.’ ‘Du kannst drei rauchen, wenn du willst,’ antwortete der Koͤnig, ‘aber denke nicht daß ich dir das Leben schenke.’ Da zog er seine Pfeife heraus, und zuͤndete sie an dem blauen Flaͤmmchen an, alsbald trat das schwarze Maͤnnchen vor ihn; ‘schlag mir da die falschen Richter und ihre Leute todt,’ sprach der Soldat, ‘und den Koͤnig in drei Stuͤcke.’ Also fieng das Maͤnnchen an, und schlug die Leute rings herum todt, da legte sich der Koͤnig auf Gnadebitten, und um nur sein Leben zu erhalten, gab er dem Soldaten das Reich und seine Tochter zur Frau.
Es war einmal ein Kind eigensinnig, und that nicht was seine Mutter haben wollte. Darum hatte der liebe Gott kein Wohlgefallen an ihm, und ließ es krank werden, und kein Arzt konnte ihm helfen, und in kurzem lag es auf dem Todtenbettchen. Als es nun ins Grab versenkt war, und Erde uͤber es hingedeckt, so kam auf einmal sein Aermchen wieder hervor, und reichte in die Hoͤhe, und wenn sie es hineinlegten und frische Erde daruͤber thaten, so half das nicht, es kam immer wieder heraus. Da mußte die Mutter selbst zum Grabe gehn, und mit der Ruthe aufs Aermchen schlagen, und wie sie das gethan hatte, zog es sich hinein, und das Kind hatte nun erst Ruhe unter der Erde.
Drei Feldscherer reisten in der Welt, meinten ihre Kunst ausgelernt zu haben, und kamen in ein Wirthshaus, wo sie uͤbernachten wollten. Der Wirth fragte wo sie her waͤren und hinaus wollten. ‘Sie zoͤgen auf ihre Kunst in der Welt herum.’ ‘Zeigt mir doch einmal, was ihr koͤnnt’ sagte der Wirth. Da sprach der erste er wollte seine Hand abschneiden und morgen fruͤh wieder anheilen; der zweite sprach er wollte sein Herz ausreißen und morgen fruͤh wieder anheilen; der dritte sprach er wollte seine Augen ausstechen und morgen fruͤh wieder einheilen. Sie hatten aber eine Salbe, was sie damit bestrichen, das heilte zusammen, und das Flaͤschchen, wo sie drin war, trugen sie bestaͤndig bei sich. Da schnitten sie Hand, Herz und Auge vom Leibe, wie sie gesagt hatten, legtens zusammen auf einen Teller und gabens dem Wirth, der Wirth gabs einem Maͤdchen, das sollts in den Schrank stellen, und wohl aufheben. Das Maͤdchen aber hatte einen heimlichen Schatz, der war ein Soldat; wie nun der Wirth, die drei Feldscherer und alle Leute im Haus schliefen, kam der Soldat, und wollte was zu essen haben. Da schloß das Maͤdchen den Schrank auf und holte ihm etwas, und uͤber der großen Liebe vergaß es die170 Schrankthuͤre zuzumachen, setzte sich zum Liebsten an Tisch, und sie sprachen mit einander. Wie es so vergnuͤgt saß, und an kein Ungluͤck dachte, kam die Katze hereingeschlichen, fand den Schrank offen, und nahm die Hand, das Herz und die Augen der drei Feldscherer, und lief damit hinaus. Als nun der Soldat gegessen hatte, und das Maͤdchen das Geraͤth aufheben und den Schrank zuschließen wollte, da sah es wohl daß der Teller, den ihr der Wirth aufzuheben gegeben hatte, ledig war. Da sagte es erschrocken zu seinem Schatz ‘ach, was will ich armes Maͤdchen anfangen! Die Hand ist fort, das Herz und die Augen sind auch fort, wie wird mirs morgen fruͤh ergehen!’ Da sprach er ‘sey still, ich will dir davon helfen, gib mir nur ein scharfes Messer; es haͤngt ein Dieb am Galgen, dem will ich die Hand abschneiden; Welche Hand wars denn?’ ‘Die rechte.’ Da gab ihm das Maͤdchen ein scharfes Messer, und er gieng hin, schnitt dem armen Suͤnder die rechte Hand ab, und brachte sie. Darauf packte er die Katze, und stach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das Herz. ‘Habt ihr nicht geschlachtet, und Schweinefleisch im Keller?’ ‘Ja’ sagte das Maͤdchen. ‘Nun, das ist gut’ sagte der Soldat, gieng hinunter, und holte ein Schweineherz und gabs dem Maͤdchen. Das that alles wieder auf den Teller, und stellte es in den Schrank, und als ihr Liebster darauf Abschied genommen hatte, legte es sich ruhig ins Bett.
Morgens, als die Feldscherer aufstanden, sagten sie dem Maͤdchen, es sollte ihnen den Teller holen, darauf Hand, Herz und Augen laͤgen. Da brachte es ihn aus dem Schrank, und der erste171 hielt sich die Diebshand an, bestrich sie mit seiner Salbe, alsbald war sie ihm angewachsen. Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte sie ein; der dritte machte das Schweineherz fest. Der Wirth aber stand dabei, bewunderte ihre Kunst, und sagte dergleichen haͤtte er noch nicht gesehen, er wollte sie bei jedermann ruͤhmen und empfehlen. Darauf bezahlten sie ihre Zeche, und reisten weiter.
Wie sie so dahin giengen, so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, sondern wo eine Ecke war, lief er hin und schnuͤffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zuruͤckhalten, aber das half nichts, er riß sich los, und lief hin, wo der dickste Unrath lag. Der zweite stellte sich auch wunderlich an, rieb die Augen, und sagte zu dem andern ‘Camerad, was ist das? das sind meine Augen nicht, ich sehe ja nichts, leit mich doch einer, daß ich nicht falle.’ Da giengen sie mit Muͤhe fort bis zum Abend, wo sie zu einer andern Herberge kamen. Sie traten zusammen in die Wirthsstube, da saß in einer Ecke ein reicher Herr vorm Tisch, und zaͤhlte Geld. Der mit der Diebshand gieng um ihn herum, zuckt ein paarmal, endlich wie der Herr sich umwendete, griff er in den Haufen hinein, und nahm eine Hand voll Geld heraus. Der eine sahs und sprach ‘Camerad, was machst du? stehlen darfst du nicht, schaͤm dich!’ ‘Ei,’ sagte er, ‘was kann ich dafuͤr! es zuckt mir in der Hand, ich muß zugreifen, ich mag wollen oder nicht.’ Sie legten sich danach schlafen, und wie sie da liegen, ists so finster, daß man keine Hand vor den Augen sehen kann. Auf einmal erwachte172 der mit den Katzenaugen, weckte die andern, und sprach ‘Bruͤder, schaut einmal auf, seht ihr die weißen Maͤuschen, die da herumlaufen?’ Die zwei richteten sich auf, konnten aber nichts sehen. Da sprach er ‘es ist mit uns nicht richtig, wir haben das Unsrige nicht wieder gekriegt, wir muͤssen zuruͤck zu dem Wirth, der hat uns betrogen.’ Also machten sie sich am andern Morgen dahin auf, und sagten dem Wirth sie haͤtten ihr richtig Werk nicht wieder kriegt, der eine haͤtte eine Diebshand, der zweite Katzenaugen, und der dritte ein Schweineherz. Der Wirth sprach daran muͤßte das Maͤdchen Schuld seyn, und wollte es rufen, aber wie das die drei hatte kommen sehen, war es zum Hinterpfoͤrtchen fortgelaufen, und kam nicht wieder. Da sprachen die drei, er sollte ihnen viel Geld geben, sonst ließen sie ihm den rothen Hahn uͤbers Haus fliegen; da gab er was er hatte, und nur aufbringen konnte, und die drei zogen damit fort. Es war fuͤr ihr Lebtag genug, sie haͤtten aber doch lieber ihr richtig Werk gehabt.
Einmal waren sieben Schwaben beisammen, der erste war der Herr Schulz, der zweite der Jackli, der dritte der Marli, der vierte der Jergli, der fuͤnfte der Michal, der sechste der Hans, der siebente der Veitli; die hatten sich alle siebene vorgenommen die Welt zu durchziehen, Abenteuer zu suchen, und große Thaten zu vollbringen. Damit sie aber auch mit bewaffneter Hand und sicher giengen, sahen sies fuͤr gut an, daß sie sich zwar nur einen einzigen, aber recht starken und langen Spieß machen ließen. Diesen Spieß faßten sie alle siebene zusammen an, vornen gieng der kuͤhnste und maͤnnlichste, das mußte der Herr Schulz seyn, und dann folgten die andern nach der Reihe, und der Veitli war der letzte.
Nun geschah es, daß als sie im Heumonat einer Tags einen weiten Weg gegangen, auch noch ein gut Stuͤck bis in das Dorf hatten, wo sie uͤber Nacht bleiben mußten, in der Daͤmmerung auf einer Wiese ein großer Roßkaͤfer oder eine Hornisse nicht weit von ihnen hinter einer Staude vorbeiflog, und feindlich brummelte. Der Herr Schulz erschrack, daß er fast den Spieß haͤtte fallen lassen, und ihm der Angstschweiß am ganzen Leibe ausbrach. ‘Horcht, horcht,’ rief er seinen Gesellen, ‘Gott, ich hoͤre eine Trommel!’ Der Jackli, der hinter ihm den Spieß hielt, und dem ich weiß nicht was fuͤr ein Geruch in die Nase kam, sprach174 ‘etwas ist ohne Zweifel vorhanden, denn ich schmeck das Pulver und den Zuͤndstrick.’ Bei diesen Worten hub der Herr Schulz an die Flucht zu ergreifen, und sprang im Hui uͤber einen Zaun, weil er aber gerade auf die Zinken eines Rechen sprang, der vom Heumachen da liegen geblieben war, so fuhr ihm der Stiel ins Gesicht, und gab ihm einen ungewaschenen Schlag. ‘O wey, o wey,’ schrie der Herr Schulz, ‘nimm mich gefangen, ich ergeb mich! ich ergeb mich!’ Die andern sechs huͤpften auch alle einer uͤber den andern herzu, und schrien ‘giebst du dich, so geb ich mich auch: giebst du dich, so geb ich mich auch.’ Endlich, wie kein Feind da war, der sie binden und fortfuͤhren wollte, merkten sie daß sie betrogen waren, und damit die Geschichte nicht unter die Leute kaͤme, und sie nicht damit genarrt und gespottet wuͤrden, verschwuren sie sich unter einander so lang davon still zu schweigen, bis einer das Maul aufthaͤt.
Hierauf zogen sie weiter. Die zweite Gefaͤhrlichkeit, die sie erlebten, kann aber mit der ersten nicht verglichen werden. Nach etlichen Tagen trug sie ihr Weg durch ein Brachfeld, da saß ein Hase in der Sonne, und schlief, streckte die Ohren in die Hoͤhe, und hatte die großen glaͤsernen Augen starr aufstehen. Da erschracken sie bei dem Anblick des grausamen und wilden Thieres insgesammt, und hielten Rath was zu thun das wenigst gefaͤhrliche waͤre. Denn so sie fliehen wollten, war zu besorgen, das Ungeheuer setzte ihnen nach, und verschlaͤnge sie alle mit Haut und Haar. Also sprachen sie ‘wir muͤssen einen großen und gefaͤhrlichen Kampf bestehen, frisch gewagt ist halb gewonnen!’ faßten alle175 siebene den Spieß an, der Herr Schulz vornen, und der Veitli hinten. Der Herr Schulz wollte den Spieß noch immer anhalten, der Veitli aber war hinten ganz muthig geworden, wollte losbrechen und rief
Aber der Hans wußt ihn zu treffen, und sprach
Der Michal rief
Drauf kam an den Jergli die Reihe, der sprach
Der Marli hatte da einen guten Gedanken, und sagte zum Veitli
Der Veitli hoͤrte aber nicht drauf, und der Jackli sagte
Da nahm sich der Herr Schulz ein Herz, und sprach gravitaͤtisch
Und da giengen sie insgesammt auf den Drachen los, der Herr Schulz segnete sich, und rief Gott um Beistand an; wie aber das alles nicht helfen wollte, und er dem Feind immer naͤher kam,176 schrie er in großer Angst ‘hau! hurlehau! hau! hauhau!’ Davon erwachte der Has, erschrack, und sprang eilig davon. Als ihn der Herr Schulz so feldfluͤchtig sah, da rief er voll Freude
Der Schwabenbund suchte aber weiter Abenteuer, und kam an die Mosel, ein mosiges, stilles und tiefes Wasser, daruͤber nicht viel Bruͤcken sind, sondern man an mehrern Orten sich muß in Schiffen uͤberfahren lassen. Weil die sieben Schwaben dessen unberichtet waren, riefen sie einem Mann, der jenseits des Wassers seine Arbeit vollbrachte, zu, wie man doch hinuͤber kommen koͤnnte? Der Mann verstand wegen der Weite, auch wegen ihrer Sprache nicht, was sie wollten, und fragte auf sein trierisch ‘wat? wat?’ Da meinte der Herr Schulz, er spraͤche nicht anders als ‘wade, wade durchs Wasser,’ und hub an, weil er der Vorderste war, sich auf den Weg zu machen, und in die Mosel hineinzugehen. Nicht lang, so versank er in den Schlamm und in die antreibenden, tiefen Wellen, seinen Hut aber jagte der Wind hinuͤber an das jenseitige Ufer, und ein Frosch setzte sich dabei, und quackte ‘wat, wat, wat.’ Die sechs andern hoͤrten das druͤben, und sprachen ‘unser Gesell, der Herr Schulz, ruft uns, kann er hinuͤber waden, warum wir nicht auch?’ Sprangen darum eilig alle zusammen in das Wasser, und ertranken, also daß ein Frosch allein ihrer sechse ums Leben brachte, und niemand von dem Schwabenbund wieder nach Haus kam.
Es waren drei Handwerksbursche, die hatten es verabredet, immer mit einander zu wandern, und in einer Stadt zu arbeiten. Auf eine Zeit aber war kein Verdienst mehr, so daß sie ganz abgerissen wurden, und nichts zu leben hatten. Da sprach der eine ‘was sollen wir anfangen? zusammenbleiben koͤnnen wir nicht laͤnger, das soll die letzte Stadt seyn, wo wir jetzt hineinkommen; finden wir keine Arbeit, so wollen wir beim Herbergsvater ausmachen daß wir ihm schreiben wo wir uns aufhalten, und einer vom andern Nachricht haben kann, und dann wollen wir uns trennen;’ das schien den andern auch das Beste. Wie sie noch im Gerede waren, so kam ihnen ein reich gekleideter Mann entgegen der fragte wer sie waͤren. ‘Wir sind Handwerksleute, suchen Arbeit, und haben uns bisher zusammen gehalten, weil wir aber keine mehr finden, wollen wir uns trennen.’ ‘Ei, das hat keine Noth,’ sprach der Mann, ‘wenn ihr thun wollt, was ich euch sage, solls euch an Geld und Arbeit nicht fehlen; ja ihr sollt große Herren werden und in Kutschen fahren.’ Der eine sprach ‘wenns unserer Seele und Seligkeit nicht schadet, so wollen wirs wohl thun.’ ‘Nein,’ antwortete der Mann, ‘ich habe kein Theil an euch.’ Der andere aber hatte nach seinen Fuͤßen gesehen, und als er da einen Pferdefuß und einen Menschenfuß erblickte, wollte er sich nicht mit ihm einlassen. Der Teufel aber sprach ‘gebt178 euch zufrieden, es ist nicht auf euch abgesehen, sondern auf eines anderen Seele, der schon halb mein ist, und dessen Maaß nur voll laufen soll.’ Weil sie nun sicher waren, willigten sie ein, und der Teufel sagte ihnen was er verlangte, der erste sollte auf jede Frage antworten ‘wir alle drei;’ der zweite ‘ums Geld;’ der dritte ‘und das war Recht.’ Das sollten sie immer hinter einander sagen, weiter aber duͤrften sie kein Wort sprechen, und uͤbertraͤten sie das Gebot, so waͤre gleich alles Geld verschwunden; so lange sie es aber befolgten, sollten ihre Taschen immer voll seyn. Zum Anfang gab er ihnen auch gleich so viel, als sie tragen konnten, und hieß sie in die Stadt in das und das Wirthshaus gehen. Sie giengen hinein, der Wirth kam ihnen entgegen, und fragte ‘wollt ihr etwas zu essen?’ Der erste antwortete ‘wir alle drei.’ ‘Ja,’ sagte der Wirth, ‘das mein ich auch.’ Der zweite ‘ums Geld.’ ‘Das versteht sich’ sagte der Wirth. Der dritte ‘und das war Recht.’ ‘Ja wohl wars Recht’ sagte der Wirth. Es ward ihnen nun gut Essen und Trinken gebracht, und wohl aufgewartet, nach dem Essen mußte die Bezahlung geschehen, da hielt der Wirth dem einen die Rechnung hin, der sprach ‘wir alle drei,’ der zweite ‘ums Geld,’ der dritte ‘und das war Recht.’ ‘Freilich ists Recht,’ sagte der Wirth, ‘alle drei bezahlen, und ohne Geld kann ich nichts geben.’ Sie bezahlten aber noch mehr als er gefordert hatte. Die Gaͤste sahen das mit an, und sprachen ‘die Leute muͤssen toll seyn.’ ‘Ja, das sind sie auch,’ sagte der Wirth, ‘sie sind nicht recht klug.’ So blieben sie eine Zeit lang in dem Wirthshaus, und sprachen kein ander179 Wort als ‘wir alle drei, ums Geld, und das war Recht.’ Sie sahen aber, und wußten alles was darin vorgieng. Es trug sich zu, daß ein großer Kaufmann kam mit vielem Geld, der sprach ‘Herr Wirth, heb er mir mein Geld auf, da sind die drei naͤrrischen Handwerksbursche, die moͤchten mirs stehlen.’ Das that der Wirth; wie er den Mantelsack in seine Stube trug, fuͤhlte er, daß er schwer von Gold war, darauf gab er den drei Handwerkern unten ein Lager, der Kaufmann aber kam oben hin in eine besondere Stube. Als Mitternacht war, und der Wirth dachte sie schliefen alle, kam er mit seiner Frau, und sie hatten eine Holzaxt, und schlugen den reichen Kaufmann todt; nach vollbrachtem Mord legten sie sich wieder schlafen. Wies nun Tag war, gabs großen Laͤrm, der Kaufmann lag todt im Bett, und schwamm in seinem Blut; da liefen alle Gaͤste zusammen, der Wirth aber sprach ‘das haben die drei tollen Handwerker gethan.’ Die Gaͤste bestaͤtigten es, und sagten ‘niemand anders kanns gewesen seyn.’ Der Wirth aber ließ sie rufen, und sagte zu ihnen ‘habt ihr den Kaufmann getoͤdtet?’ ‘Wir alle drei’ sagte der erste, ‘ums Geld’ der zweite, ‘und das war Recht’ der dritte. ‘Da hoͤrt ihrs nun,’ sprach der Wirth, ‘sie gestehens selber.’ Sie wurden also ins Gefaͤngnis gebracht, und sollten gerichtet werden. Wie sie nun sahen, daß es so ernsthaft gieng, ward ihnen doch Angst, aber Nachts kam der Teufel, und sprach ‘haltet nur noch einen Tag aus, und verscherzt euer Gluͤck nicht, es soll euch kein Haar gekruͤmmt werden.’ Am andern Morgen wurden sie vor Gericht gefuͤhrt; da sprach der Richter ‘seyd ihr die Moͤrder?’ ‘Wir alle180 drei.’ ‘Warum habt ihr den Kaufmann erschlagen?’ ‘Ums Geld.’ ‘Jhr Boͤsewichter’, sagte der Richter, ‘habt ihr euch nicht der Suͤnde gescheut?’ ‘Und das war Recht.’ ‘Sie haben bekannt, und sind noch dazu halsstarrig,’ sprach der Richter, ‘fuͤhrt sie gleich zum Tod.’ Also wurden sie hinaus gebracht, und der Wirth mußte mit in den Kreiß treten; wie sie nun von den Henkersknechten gefaßt, und eben aufs Geruͤst gefuͤhrt wurden, wo der Scharfrichter mit bloßem Schwerte stand, kam auf einmal eine Kutsche, mit vier blutrothen Fuͤchsen bespannt, und fuhr, daß das Feuer aus den Steinen sprang, aus dem Fenster aber winkte einer mit einem weißen Tuche. Da sprach der Scharfrichter ‘es kommt Gnade,’ und ward auch aus dem Wagen ‘Gnade! Gnade!’ gerufen. Da trat der Teufel heraus, als ein sehr vornehmer Herr, praͤchtig gekleidet und sprach ‘ihr drei seyd unschuldig; ihr duͤrft nun sprechen, sagt heraus was ihr gesehen und gehoͤrt habt.’ Da sprach der aͤlteste ‘wir haben den Kaufmann nicht getoͤdtet, der Moͤrder steht da im Kreiß,’ und deutete auf den Wirth, ‘zum Wahrzeichen geht hin in seinen Keller, da haͤngen noch viele andere, die er ums Leben gebracht.’ Da schickte der Richter die Henkersknechte hin, die fanden es, wies gesagt war, und als sie dem Richter das berichtet hatten, ließ er den Wirth hinauf fuͤhren, und ihm das Haupt abschlagen. Da sprach der Teufel zu den Dreien ‘nun hab ich die Seele, die ich haben wollte, ihr seyd aber frei, und habt Geld fuͤr euer Lebtag.’
Es war einmal ein Koͤnigssohn, dem gefiels nicht mehr daheim in seines Vaters Haus, und weil er vor nichts Furcht hatte, so dachte er ‘ich will in die weite Welt gehen, da wird mir Zeit und Weile nicht lang, und ich werde wunderliche Dinge genug sehen.’ Also nahm er von seinen Eltern Abschied, und gieng fort, immer zu, von Morgen bis Abend, und es war ihm einerlei, wo hinaus ihn der Weg fuͤhrte. Es trug sich zu, daß er vor eines Riesen Haus kam, und weil er muͤde war, setzte er sich vor die Thuͤre, und ruhte. Und als er seine Augen so hin und hergehen ließ, sah er auf dem Hof des Riesen Spielwerk liegen; das waren ein Paar große Kugeln und maͤchtige Kegel dabei. Ueber ein Weilchen bekam der Koͤnigssohn Lust, stellte sich die Kegel auf, und schob mit den Kugeln danach, schrie und rief wenn die Kegel fielen, und war guter Dinge. Der Riese hoͤrte den Laͤrm, streckte seinen gewaltigen Kopf heraus, und erblickte einen Menschen, der nicht groͤßer war als die andern Menschen, und doch mit seinen Kegeln spielte. Da rief er ‘Wuͤrmchen, kegelst du mit meinen Kegeln? wer hat dir die Staͤrke dazu gegeben?’ Der Koͤnigssohn schaute auf, sah den Riesen an, und sprach ‘o du182 Klotz, du meinst wohl, deine Arme waͤren allein stark? ich kann alles wozu ich Lust habe.’ Der Riese kam herab, sah den Koͤnigssohn ganz verwundert an, und sprach ‘Menschenkind, wenns so mit dir beschaffen ist, so geh doch, und hol mir einen Apfel vom Baum des Lebens.’ ‘Was willst du damit?’ sprach der Koͤnigssohn. ‘Jch will den Apfel nicht fuͤr mich,’ antwortete der Riese, ‘aber meine Braut die verlangt danach; ich bin schon ausgewesen, aber ich kann den Baum nicht einmal finden.’ ‘Wenn ich mich erst aufmache,’ sagte der Koͤnigssohn, ‘will ich den Baum schon finden, und es sollte mir wunderlich vorkommen wenn ich den Apfel nicht herunterholte.’ Der Riese sprach ‘es ist nicht so leicht, wie du meinst; der Garten, worin der Baum steht, ist mit einem eisernen Gitter eingefaßt, und vor dem Gitter liegen wilde Thiere, eins an dem andern, die halten Wache, und lassen keinen Menschen hinein.’ ‘Mich werden sie schon einlassen,’ sagte der Koͤnigssohn, ‘ich fuͤrchte mich vor nichts.’ ‘Ja, bist du auch in dem Garten, und siehst den Apfel am Baum haͤngen, so ist er doch noch nicht dein, es haͤngt ein Ring davor, durch den muß einer die Hand stecken, der den Apfel erreichen und abbrechen will, und das ist noch keinem gegluͤckt.’ ‘O, das ist mir aufgehoben,’ sprach der Koͤnigssohn, ‘mir solls schon gluͤcken.’
Da nahm er Abschied von dem Riesen, gieng fort uͤber Berg und Thal, durch Felder und Waͤlder, bis er endlich den Wundergarten fand. Die Thiere lagen rings herum, aber sie hatten die Koͤpfe gesenkt, und schliefen. Sie erwachten auch nicht, und er stieg uͤber sie weg, und an dem Gitter hinan, und kam gluͤcklich183 in den Garten. Da sah er mitten inne den Baum des Lebens stehen, und die rothen Aepfel leuchteten an den Aesten. Er kletterte an dem Stamm in die Hoͤhe, und wie er nach einem Apfel reichen wollte, sah er einen Ring davor haͤngen, aber er konnte ohne Muͤhe seine Hand durchstecken, und den Apfel brechen. Der Ring aber blieb an seinem Arme fest haͤngen, und der Koͤnigssohn fuͤhlte auf einmal eine solche Kraft darin, daß er merkte er wuͤrde jetzt alles baͤndigen koͤnnen. Als er von dem Baum herabgestiegen war, wollte er nicht uͤber das Gitter klettern, sondern faßte das große Thor, schuͤttelte einmal daran, und es sprang mit Krachen vor ihm auf. Da gieng er hinaus, und der Loͤwe, der davor gelegen hatte, war wach geworden, und sprang ihm nach, aber nicht in Wuth und Wildheit, sondern er folgte ihm demuͤthig als seinem Herrn, gehorchte ihm, und wollte seine Spur nicht wieder verlassen.
Der Koͤnigssohn brachte dem Riesen den versprochenen Apfel. ‘Siehst du,’ sprach er, ‘ich habe ihn ohne Muͤhe geholt.’ Der Riese war froh daß er so leicht erhalten hatte, was er sich so sehr gewuͤnscht, eilte zu seiner Braut, und gab ihr den Apfel. Es war eine schoͤne und kluge Jungfrau, da sie den Ring nicht an seinem Arm sah, sprach sie ‘ich glaube nicht eher daß du den Apfel geholt, als bis ich den Ring an deinem Arm erblicke.’ ‘O,’ sagte der Riese, ‘ich will heimgehen, und ihn holen,’ und meinte es waͤre ein leichtes dem schwachen Menschenkind ihn abzunehmen, wenn es ihn nicht gutwillig geben wollte. Da gieng er zuruͤck, und forderte den Ring von dem Koͤnigssohn; der aber wollte ihn184 nicht geben. ‘Wo der Apfel ist muß auch der Ring seyn,’ sprach der Riese, ‘giebst du ihn nicht gutwillig, so mußt du mit mir darum kaͤmpfen.’
Sie rangen lange Zeit mit einander, aber der Riese konnte dem Koͤnigssohn nichts anhaben, so stark war dieser durch die Kraft des Ringes. Da erdachte der Riese eine List, und sprach zu ihm ‘es ist uns warm geworden bei dem Kampf, wir wollen uns erst im Flusse baden und kuͤhlen, eh wir wieder anfangen.’ Der Koͤnigssohn, der von Falschheit nichts wußte, gieng mit ihm zu dem Wasser, zog seine Kleider ab, streifte auch den Ring vom Arm, legte ihn daneben, und gieng in den Fluß. Alsbald ergriff der Riese den Ring, und lief damit fort, aber der Loͤwe, der seinem Herrn gefolgt war, und den Diebstahl bemerkt hatte, setzte dem Riesen nach, und nahm ihm den Ring wieder ab. Da gerieth der Riese in Wuth, und sprang nach dem Wasser zuruͤck, und da der Koͤnigssohn eben beschaͤftigt war seine Kleider wieder anzuziehen, faßte er ihn, und stach ihm beide Augen aus.
Nun war der arme Koͤnigssohn blind, und stand da, und wußte sich nicht zu helfen. Da trat der Riese wieder zu ihm, und hatte Boͤses im Sinn. Schweigend faßte er den Blinden bei der Hand, wie jemand der ihn leiten wollte, fuͤhrte ihn fort auf die Spitze eines hohen Felsens. Da verließ er ihn, und dachte ‘wenn er noch ein paar Schritte geht, so stuͤrzt er sich todt, und ich kann ihm den Ring abnehmen.’ Aber der treue Loͤwe hatte seinen Herrn nicht verlassen, hielt ihn am Kleide fest, und zog ihn allmaͤlig wieder zuruͤck. Als der Riese zuruͤck kam, und den Todten185 berauben wollte, da fand er ihn gerettet. ‘Jst denn ein so schwaches Menschenkind nicht zu verderben!’ sprach er zornig zu sich selbst, faßte den Koͤnigssohn, und fuͤhrte ihn zum zweitenmal auf einem andern Weg zum Abgrund; aber der Loͤwe, der die boͤse Absicht merkte, half seinem Herrn treulich aus der Gefahr. Als sie bis zum Rand gekommen waren, und der Riese die Hand des Koͤnigssohns fahren ließ, um ihn allein zuruͤckzulassen, da sprang der Loͤwe mit aller Macht gegen das Ungeheuer daß es hinabstuͤrzte, und ganz zerschmettert wurde.
Danach zog er seinen Herrn wieder herab, und leitete ihn zu einem Baum, an dem ein klarer Bach floß. Der Koͤnigssohn setzte sich da nieder, der Loͤwe aber legte sich an das Wasser, und spritzte, so gut er konnte, ihm davon ins Antlitz. Ein paar Troͤpfchen trafen auch gluͤcklich die Augen, und benetzten sie, und der Koͤnigssohn merkte, daß sein Gesicht etwas wiederkam, denn er hatte einigen Schein, und konnte etwas in der Naͤhe unterscheiden. Er wußte aber nicht woher das gekommen war. Da sah er ein Voͤglein, das flog ganz nah an seinem Gesicht vorbei, gerade wider den Baumstamm, so daß es sich daran stieß, gleich als waͤr es blind; es senkte sich aber in das Wasser, und badete sich darin, dann flog es wider auf, und strich ganz sicher zwischen den Baͤumen hin, so daß man wohl merken konnte es sey jetzt wieder sehend. Da dachte der Koͤnigssohn das waͤre ein Wink Gottes, und neigte sich herab zu dem Wasser, und wusch und badete sich darin das Gesicht. Und wie er sich aufrichtete, hatte er seine Augen wieder, so hell und rein, wie sie nie gewesen waren.
186Der Koͤnigssohn dankte Gott fuͤr die große Gnade, und zog mit seinem Loͤwen weiter in der Welt herum. Nun trug es sich zu daß er vor ein Schloß kam, welches verwuͤnscht war; in dem Thor stand eine Jungfrau von schoͤner Gestalt und feinem Antlitz, aber sie war ganz schwarz. Sie redete ihn an, und sprach ‘ach, koͤnntest du mich erloͤsen aus dem Zauber, der mich hier haͤlt, und Gewalt uͤber mich hat!’ Da sagte der Koͤnigssohn ‘was soll ich thun, dich zu befreien?’ Die Jungfrau antwortete ‘drei Naͤchte mußt du in dem großen Saal des verwuͤnschten Schlosses zubringen, aber es darf keine Furcht in dein Herz kommen. Haͤltst du aus was dir boͤses angethan wird, ohne einen Laut von dir zu geben, so bin ich erloͤst; das Leben duͤrfen sie dir doch nicht nehmen.’ Da sprach der Koͤnigssohn ‘ich wills mit Gottes Huͤlfe versuchen, ich fuͤrchte nichts auf der ganzen Welt.’ Also gieng er froͤhlich in das Schloß, setzte sich in den großen Saal, und wartete bis die Nacht kam. Es war still und ruhig bis Mitternacht, da fieng der Laͤrm an, nicht blos durch die Thuͤren, aus allen Ecken und Winkeln kamen kleine Teufel herbei. Sie thaten als ob sie ihn nicht saͤhen, setzten sich mitten in die Stube, machten ein Feuer an und fiengen an zu spielen. Wenn einer verlor, sprach er ‘es ist nicht richtig, es ist einer da, der nicht zu uns gehoͤrt, der ist schuld, daß ich verliere.’ ‘Wart ich komme, du hinter dem Ofen,’ sagte ein anderer. Das Schreien ward auch immer groͤßer und so arg, daß es niemand ohne Schrecken haͤtte anhoͤren koͤnnen. Der Koͤnigssohn aber fuͤrchtete sich nicht, doch endlich sprangen die Teufel auf, und fielen uͤber ihn her, und es187 waren so viel, daß er sich ihrer nicht erwehren konnte. Sie zerrten ihn auf die Erde, und zwickten, druͤckten, schlugen und quaͤlten ihn, aber er ertrugs ohne Furcht, und gab keinen Laut von sich. Gegen Morgen verschwanden sie, und er war so abgemattet, daß er kaum seine Glieder regen konnte; als aber der Tag anbrach, da trat die schwarze Jungfrau zu ihm herein. Sie trug in ihrer Hand eine kleine Flasche, worin Wasser des Lebens war, damit wusch sie ihn, und alsbald fuͤhlt er alle Schmerzen verschwinden, war frisch und munter. Sie sprach ‘eine Nacht hast du gluͤcklich ausgehalten, aber noch zwei stehen dir bevor.’ Da gieng sie wieder weg, und im Weggehen bemerkte er, daß ihre Fuͤße weiß geworden waren. Jn der folgenden Nacht kamen die Teufel wieder, und fiengen ihr Spiel an, fielen aber bald uͤber den Koͤnigssohn her, und schlugen ihn gewaltig, viel haͤrter als in der vorigen Nacht, daß sein Leib voll Wunden ward. Doch da er alles still ertrug, mußten sie von ihm lassen, und als die Morgenroͤthe anbrach, erschien die Jungfrau, und heilte ihn mit dem Lebenswasser. Und als sie weggieng, sah er mit Freuden daß sie schon halb weiß geworden war bis zu den Fingerspitzen. Nun hatte er nur noch eine Nacht auszuhalten, aber die war die schlimmste. Der Teufelsspuk kam wieder; ‘bist du noch da?’ schrien sie, ‘wart du sollst gepeinigt werden, daß dir der Athem stehen bleibt.’ Sie stachen und schlugen ihn, warfen ihn hin und her, und rissen ihn an den Gliedern, als wollten sie ihn zerreißen, aber er gab keinen Laut von Schmerz und Angst von sich, troͤstete sich, und dachte es wird voruͤbergehen, und dann ist die188 Jungfrau aus ihrer Gewalt befreit. Doch als die Teufel ihn verließen, so lag er da ohnmaͤchtig, und konnte sich nicht regen; er konnte auch nicht die Augen aufheben, um die Jungfrau zu sehen, die herein kam, und ihn mit dem Wasser des Lebens benetzte und begoß. Aber auf einmal war er von allen Schmerzen befreit, und fuͤhlte sich frisch und gesund, als waͤr er aus einem Schlaf erwacht, und wie er die Augen aufschlug, so sah er die Jungfrau neben sich stehen, die war schneeweiß und so schoͤn, daß sie leuchtete wie der helle Tag. Sie sprach zu ihm ‘steh auf, und schwing dein Schwert dreimal uͤber die Treppe, so wird alles erloͤst seyn.’ Und als er das gethan hatte, da war das ganze Schloß vom Zauber befreit. Die Jungfrau war eine reiche Koͤnigstochter; die Diener kamen und sagten im großen Saale waͤre die Tafel schon zubereitet und die Speisen aufgetragen. Da setzten sie sich nieder, aßen und tranken zusammen, und Abends ward in großen Freuden die Hochzeit gefeiert.
Es war einmal ein junger Jaͤger, der hatte ein frisches und froͤhliches Herz, und gieng in den Wald auf Anstand, und wie er so gieng, und auf dem Blatt pfiff, kam ein altes haͤßliches Muͤtterchen daher, das redete ihn an, und sprach ‘guten Tag, lieber Jaͤger, du bist wohl guter Dinge, aber ich leide Hunger und Durst, gieb mir doch ein Almosen.’ Da dauerte den Jaͤger das arme Muͤtterchen, daß er in seine Tasche griff, und ihr nach seinem Vermoͤgen etwas reichte. Nun wollte er weiter gehen, aber die alte Frau hielt ihn an, und sprach ‘hoͤr an, lieber Jaͤger, was ich dir sage: fuͤr dein gutes Herz will ich dir ein Geschenk machen, geh nur immer deiner Wege, uͤber ein Weilchen wirst du an einen Baum kommen, darauf sitzen neun Voͤgel, die haben einen Mantel in den Krallen, und raufen sich darum. Da leg du deine Buͤchse an, und schieß mitten drunter, den Mantel werden sie dir wohl fallen lassen, aber auch einer von den Voͤgeln wird getroffen seyn, und todt herabstuͤrzen. Den Mantel nimm mit dir, es ist ein Wunschmantel, wenn du ihn um die Schultern wirfst, brauchst du dich nur an einen Ort zu wuͤnschen, und gedacht, vollbracht, augenblicklich bist du dort. Den todten Vogel aber schneid auf, und nimm das Herz heraus, und verschluck es ganz, dann wirst du allen und jeden Morgen fruͤh beim Aufstehen ein Goldstuͤck unter deinem Kopfkissen finden, und das kommt dir zu von wegen des Vogelherzens.’
190Der Jaͤger dankte der weisen Frau, und dachte bei sich ‘schoͤne Dinge, die sie mir versprochen hat, wenns nur auch all so eintraͤfe.’ Doch, wie er etwa hundert Schritte gegangen war, hoͤrte er uͤber sich in den Aesten ein Geschrei und Gezwitscher, daß er aufschaute; da sah er einen Haufen Voͤgel, die rissen mit den Schnaͤbeln und Fuͤßen ein Tuch herum, schrien, zerrten und balgten sich, als wollts ein jeder allein haben. ‘Nun,’ sprach der Jaͤger, das ist wunderlich, ‘es kommt ja gerade so, wie das Muͤtterchen gesagt hat,’ nahm die Buͤchse von der Schulter, legte an, und that seinen Schuß mitten hinein, daß die Federn herumflogen. Alsbald nahm das Gethier mit großem Schreien die Flucht, aber einer fiel todt herab, und der Mantel sank ebenfalls herunter. Da that der Jaͤger wie ihm die Alte geheißen hatte, schnitt den Vogel auf, suchte das Herz, schluckte es hinunter, und nahm den Mantel mit nach Haus.
Am andern Morgen, als er aufwachte, fiel ihm die Verheißung ein, und er wollte sehen ob die auch eintraͤfe. Wie er aber sein Kopfkissen in die Hoͤhe hob, da schimmerte ihm das Goldstuͤck entgegen, und am andern Morgen fand er wieder eins, und so weiter jedesmal, wenn er aufstand. Er sammelte sich einen Haufen Gold, endlich aber dachte er ‘was hilft mir all mein Gold, wenn ich daheim bleibe? ich will ausziehen und mich in der Welt umsehen.’
Da nahm er von seinen Eltern Abschied, hieng seinen Jaͤgerranzen und seine Flinte um, und zog in die Welt. Es trug sich zu, daß er eines Tages durch einen dicken Wald kam, und wie der zu Ende war, lag in einer Ebene vor ihm ein ansehnliches191 Schloß. Jn einem Fenster desselben stand gerade eine Alte mit einer wunderschoͤnen Jungfrau, und schaute herab. Die Alte aber war eine Hexe, und sprach zu dem Maͤdchen ‘dort kommt einer aus dem Wald, der hat einen wunderbaren Schatz im Leib, den muͤssen wir darum beruͤcken, mein Herzenstoͤchterchen, uns steht das besser an als ihm. Er hat ein Vogelherz bei sich, deshalb liegt jeden Morgen ein Goldstuͤck unter seinem Kopfkissen.’ Und erzaͤhlte ihr, wie es damit beschaffen waͤre, und wie sie darum zu spielen haͤtte, und zuletzt drohte sie, und sprach mit zornigen Augen ‘und wenn du mir nicht gehorchst, so bist du ungluͤcklich.’ Als nun der Jaͤger naͤher kam, erblickte er das Maͤdchen, und sprach zu sich ‘ich bin nun so lang herum gezogen, ich will einmal ausruhen, und in das schoͤne Schloß einkehren, Geld hab ich ja vollauf.’ Eigentlich aber war die Ursache, daß er ein Auge auf das schoͤne Bild geworfen hatte.
Nun trat er in das Haus ein, und wurde freundlich empfangen, und hoͤflich bewirthet. Es dauerte nicht lange, da war er so in das Hexenmaͤdchen verliebt, daß er an nichts anders mehr dachte, und nur nach seinen Augen sah, und was es verlangte, das that er gerne. Da sprach die Alte ‘nun muͤssen wir das Vogelherz haben, er wirds nicht spuͤren, wenn es ihm fehlt.’ Sie richtete einen Trank zu, und wie der gekocht war, that sie ihn in einen Becher, und gab ihn dem Maͤdchen, das mußte ihn dem Jaͤger reichen. Sprach es ‘nun, mein Liebster, trink mir zu.’ Da nahm er den Becher, und wie er den Trank geschluckt hatte, brach er das Herz des Vogels aus dem Leibe. Das Maͤdchen mußte192 es heimlich fortschaffen, und dann selbst verschlucken, denn die Alte wollte es haben. Von nun an fand er kein Gold mehr unter seinem Kopfkissen, sondern es lag unter dem Kissen des Maͤdchens, wo es die Alte jeden Morgen holte; aber er war so verliebt und vernarrt, daß er an nichts anders dachte, als sich mit dem Maͤdchen die Zeit zu vertreiben.
Da sprach die alte Hexe ‘das Vogelherz haben wir, aber den Wunschmantel muͤssen wir ihm auch abnehmen.’ Antwortete das Maͤdchen ‘den wollen wir ihm lassen, er hat ja doch seinen Reichthum verloren.’ Da ward die Alte boͤs und sprach ‘so ein Mantel ist ein wunderbares Ding, das selten auf der Welt gefunden wird, den soll und muß ich haben.’ Und gab dem Maͤdchen Anschlaͤge, und sagte wenn es ihr nicht gehorchte, sollte es ihr schlimm ergehen. Da that es nach dem Geheiß der Alten, und stellte sich einmal ans Fenster, und schaute in die weite Gegend, als waͤr es ganz traurig. Fragte der Jaͤger ‘was stehst du so traurig da?’ ‘Ach, mein Schatz,’ gab es zur Antwort, ‘da gegenuͤber liegt der Granatenberg, wo die koͤstlichen Edelsteine wachsen. Danach trag ich so großes Verlangen, daß wenn ich daran denke, ich traurig seyn muß; aber wer kann sie holen! nur die Voͤgel, die fliegen koͤnnen, kommen hin, ein Mensch nimmermehr.’ ‘Hast du weiter nichts zu klagen,’ sagte der Jaͤger, ‘den Kummer will ich euch bald vom Herzen nehmen.’ Damit faßte er sie unter seinen Mantel, und wuͤnschte sich hinuͤber auf den Granatenberg, und im Augenblick saßen sie auch beide drauf. Da schimmerte das edele Gestein von allen Seiten, daß es eine Freude war anzusehen,193 und sie lasen das schoͤnste und kostbarste zusammen. Nun hatte es aber die Alte durch ihre Hexenkunst bewirkt, daß dem Jaͤger die Augen schwer wurden; er sprach zu dem Maͤdchen ‘wir wollen ein wenig niedersitzen und ruhen, ich bin so muͤde, daß ich mich nicht mehr auf den Fuͤßen erhalten kann.’ Da setzten sie sich, und er legte sein Haupt in ihren Schooß, und schlief ein. Wie er entschlafen war, da band es ihm den Mantel von den Schultern, und hieng ihn um, las die Granaten und Steine auf, und wuͤnschte sich damit nach Haus.
Als aber der Jaͤger seinen Schlaf ausgethan hatte und aufwachte, sah er daß seine Liebste ihn betrogen und auf dem wilden Gebirg allein gelassen hatte. ‘O,’ sprach er, ‘wie ist die Untreue so groß auf der Welt!’ saß da in Sorg und Herzeleid, und wußte nicht was er anfangen sollte. Der Berg aber gehoͤrte wilden und ungeheuern Riesen, die darauf wohnten und ihr Wesen trieben, und wie er so saß, sah er ihrer drei daher schreiten. Da dachte er ‘wie kann ich mich anders retten, als daß ich mich schlafend stelle,’ und legte sich geschwind nieder, als waͤr er in tiefen Schlaf versunken. Nun kamen die Riesen herbei, und der erste stieß ihn mit dem Fuß an, und sprach ‘was liegt da fuͤr ein Erdwurm, und beschaut sich inwendig?’ Der zweite sprach ‘tritt ihn todt.’ Der dritte aber sprach veraͤchtlich ‘das waͤre der Muͤhe werth! laßt ihn nur leben, hier kann er nicht bleiben, und wenn er hoͤher bis auf die Bergspitze steigt, so packen ihn die Wolken und tragen ihn fort.’ Unter diesem Gespraͤch giengen sie voruͤber, der Jaͤger aber hatte auf ihre Worte gemerkt, und sobald sie fort194 waren, stand er auf, und klimmte den Berggipfel hinauf. Als er ein Weilchen da gesessen hatte, so schwebte eine Wolke heran, ergriff ihn, und trug ihn fort, und zog eine Zeit lang am Himmel her, dann senkte sie sich, und ließ sich uͤber einen großen, rings mit Mauern umgebenen Krautgarten nieder, also daß er zwischen Kohl und Gemuͤsen sanft auf den Boden kam.
Da sah der Jaͤger sich um, und sprach ‘wenn ich nur etwas zu essen haͤtte, ich bin so hungrig, und mit dem Weiterkommen wirds schwer fallen; aber hier seh ich keinen Apfel und keine Birne und keinerlei Obst, uͤberall nichts als Krautwerk.’ Endlich dachte er ‘zur Noth kann ich von dem Salat essen, der schmeckt nicht sonderlich, wird mich aber erfrischen.’ Also suchte er sich ein schoͤnes Haupt aus, und aß davon, aber kaum hatte er ein paar Bissen hinab geschluckt, so war ihm so wunderlich zu Muthe, und er fuͤhlte sich ganz veraͤndert und bekam vier Beine, einen dicken Kopf und lange Ohren, und sah mit Schrecken daß er in einen Esel verwandelt war. Doch weil er dabei immer noch großen Hunger spuͤrte, und ihm der saftige Salat nach seiner jetzigen Natur ordentlich gut schmeckte, so aß er mit großer Gier immer zu. Endlich gelangte er an eine andere Art Salat, aber kaum hatte er etwas davon verschluckt, so fuͤhlte er aufs neue eine Veraͤnderung, und er kehrte gluͤcklich in seine menschliche Gestalt zuruͤck.
Nun legte sich der Jaͤger nieder, und schlief seine Muͤdigkeit aus, und als er am andern Morgen erwachte, brach er ein Haupt von dem boͤsen und dem guten Salat ab, und dachte ‘das soll mir zu dem Meinigen wieder helfen, und die Treulosigkeit bestrafen.’ 195Dann steckte er die Haͤupter zu sich, und kletterte uͤber die Mauer und gieng fort, das Schloß seiner Liebsten zu suchen. Als er ein paar Tage herumgestrichen war, fand er es gluͤcklicherweise wieder. Da braͤunte er sich schnell sein Gesicht, daß ihn seine eigene Mutter nicht erkannt haͤtte, gieng in das Schloß, und bat um eine Herberge. ‘Jch bin so muͤde,’ sprach er, ‘und kann nicht weiter.’ Fragte die Hexe ‘Landsmann, wer seyd ihr, und was ist euer Geschaͤft?’ Er antwortete ‘ich bin ein Bote, und war ausgeschickt, den koͤstlichsten Salat zu suchen, der unter der Sonne waͤchst. Jch bin auch so gluͤcklich gewesen ihn zu finden, und trage ihn bei mir, aber die Sonnenhitze brennt gar zu stark, daß mir das zarte Kraut zu welken droht, und ich nicht weiß ob ich es weiter bringen werde.’
Als die Alte von dem koͤstlichen Salat hoͤrte, ward sie luͤstern und sprach ‘lieber Landsmann, laßt mich doch den wunderbaren Salat versuchen.’ ‘Warum nicht?’ antwortete er, ‘ich habe zwei Haͤupter mitgebracht, und will euch eins geben,’ machte seinen Sack auf, und reichte ihr das boͤse hin. Die Hexe dachte an nichts Arges, und der Mund waͤsserte ihr so sehr nach dem neuen Gericht, daß sie selbst in die Kuͤche gieng, und es zubereitete. Als er fertig war, konnte sie nicht warten, bis es auf dem Tisch stand, sondern sie nahm gleich ein paar Blaͤtter, und steckte sie in den Mund, kaum aber waren sie verschluckt, so war auch die menschliche Gestalt verloren, und sie lief als eine Eselin hinab in den Hof. Nun kam die Magd in die Kuͤche, sah den fertigen Salat da stehen, und wollte ihn auftragen, unterwegs aber uͤberfiel sie,196 nach alter Gewohnheit, die Lust zu versuchen, und sie aß ein paar Blaͤtter. Alsbald zeigte sich ihre Wunderkraft, und sie ward ebenfalls zu einer Eselin, und lief hinaus zu der Alten, und die Schuͤssel mit Salat fiel auf die Erde. Der Bote saß in der Zeit bei dem schoͤnen Maͤdchen, und als niemand mit dem Salat kam, und es doch auch luͤstern danach war, sprach es ‘ich weiß nicht, wo der Salat bleibt.’ Da dachte der Jaͤger ‘das Kraut wird schon gewirkt haben,’ und sprach ‘ich will einmal nach der Kuͤche gehen,’ und wie er hinab kam, sah er die zwei Eselinnen im Hof herumlaufen, und den Salat auf der Erde liegen. ‘Schon recht,’ sprach er, ‘die zwei haben ihr Theil weg,’ und hob die uͤbrigen Blaͤtter auf, legte sie auf die Schuͤssel, und brachte sie dem Maͤdchen. ‘Jch bring euch selbst das koͤstliche Essen,’ sprach er, ‘damit ihr nicht laͤnger zu warten braucht.’ Da aß sie davon, und war alsbald wie die uͤbrigen ihrer menschlichen Gestalt beraubt, und lief als eine Eselin in den Hof.
Nachdem sich der Jaͤger sein Angesicht gewaschen hatte, also daß ihn die Verwandelten erkennen konnten, gieng er hinab in den Hof, und sprach ‘jetzt sollt ihr den Lohn fuͤr eure Untreue empfangen.’ Er band sie alle drei an ein Seil, und trieb sie fort, bis er zu einer Muͤhle kam. Er klopfte an das Fenster, der Muͤller streckte den Kopf heraus, und fragte was er wollte. ‘Jch habe drei boͤse Thiere,’ antwortete er, ‘die ich nicht laͤnger behalten mag. Wollt ihr sie bei euch nehmen, Futter und Lager geben, und sie halten wie ich euch sage, so zahl ich dafuͤr, was ihr verlangt.’ Sprach der Muͤller ‘warum das nicht? wie197 soll ich sie aber halten?’ Da sagte der Jaͤger der alten Eselin, welche die Hexe war, sollte er taͤglich dreimal Pruͤgel und keinmal zu fressen geben; der juͤngern, welche die Magd war, einmal Pruͤgel und dreimal Futter; und der juͤngsten, welche das Maͤdchen war, keinmal Pruͤgel und dreimal zu fressen; denn er konnte es doch nicht uͤber das Herz bringen, daß das Maͤdchen sollte geschlagen werden. Darauf gieng er zuruͤck in das Schloß, und was er noͤthig hatte, das fand er alles darin.
Nach ein paar Tagen kam der Muͤller, und sprach er muͤßte melden, daß die alte Eselin, die nur Schlaͤge bekommen haͤtte und nichts zu fressen, gestorben waͤre; ‘die zwei andern,’ sagte er weiter, ‘sind zwar nicht gestorben, und kriegen auch zu fressen, aber sie sind so traurig, daß es nicht lang mit ihnen dauern kann.’ Da erbarmte sich der Jaͤger, und ließ allen Zorn fahren, und sprach zum Muͤller, er sollte sie wieder hertreiben. Und wie sie kamen, gab er ihnen von dem guten Salat zu fressen, daß sie wieder zu Menschen wurden. Da fiel das schoͤne Maͤdchen vor ihm auf die Knie und sprach ‘ach, mein Liebster, verzeiht mir was ich Boͤses an euch gethan, meine Mutter hatte mich dazu gezwungen; es ist gegen meinen Willen geschehen, denn ich habe euch von Herzen lieb. Euer Wunschmantel haͤngt in einem Schrank, und fuͤr das Vogelherz will ich einen Brechtrunk einnehmen.’ Da ward er anderes Sinnes, und sprach ‘behalt es nur, es ist gleich eins, denn ich will dich zu meiner treuen Ehegemahlin annehmen.’ Und da ward Hochzeit gehalten, und sie lebten vergnuͤgt mit einander bis an ihren Tod.
Es fuhr einmal ein armes Dienstmaͤdchen mit seiner Herrschaft durch einen großen Wald, und als sie mitten darin waren, kamen Raͤuber aus dem Dickicht hervor, und ermordeten wen sie fanden. Da kamen alle mit einander um bis auf das Maͤdchen, das war in der Angst aus dem Wagen gesprungen, und hatte sich hinter einen Baum verborgen. Wie die Raͤuber mit ihrer Beute fort waren, trat es herbei, und sah das große Ungluͤck. Da fieng es an bitterlich zu weinen, und sagte ‘was soll ich armes Maͤdchen nun anfangen, ich weiß mich nicht aus dem Wald heraus zu finden, keine Menschenseele wohnt darin, so muß ich gewiß verhungern.’ Es gieng herum, suchte einen Weg, konnte aber keinen finden. Als es Abend war, setzte es sich unter einen Baum, befahl sich Gott, und wollte da sitzen bleiben, und nicht weggehen, moͤchte geschehen was immer wollte. Als es aber eine Weile da gesessen hatte, kam ein weiß Taͤubchen zu ihm geflogen, und hatte ein kleines goldenes Schluͤsselchen im Schnabel. Das Schluͤsselchen legte es ihm in die Hand, und sprach ‘siehst du dort den großen Baum, daran ist ein kleines Schloß, das schließ mit dem Schluͤsselchen auf, so wirst du Speise genug finden, und keinen199 Hunger mehr leiden.’ Da gieng es zu dem Baum, und schloß ihn auf, und fand Milch in einem kleinen Schuͤsselchen, und Weißbrot zum Einbrocken dabei, daß es sich satt essen konnte. Als es satt war, sprach es ‘jetzt ist die Zeit, wo die Huͤhner daheim auffliegen, ich bin so muͤde, koͤnnt ich mich doch auch in mein Bett legen.’ Da kam das Taͤubchen wieder geflogen, und brachte ein anderes goldenes Schluͤsselchen im Schnabel, und sagte ‘schließ dort den Baum auf, so wirst du ein Bett finden.’ Da schloß es auf, und fand ein schoͤnes weiches Bettchen, da betete es zum lieben Gott, er moͤchte es behuͤten in der Nacht, legte sich, und schlief ein. Am Morgen kam das Taͤubchen zum drittenmal, brachte wieder ein Schluͤsselchen, und sprach ‘schließ dort den Baum auf, da wirst du Kleider finden,’ und wie es aufschloß, fand es Kleider mit Gold und Edelsteinen besetzt, so herrlich, wie sie keine Koͤnigstochter hat. Also lebte es da eine Zeit lang, und kam das Taͤubchen alle Tage, und sorgte fuͤr alles, was es bedurfte, und war das ein stilles, gutes Leben.
Einmal aber kam das Taͤubchen, und sprach ‘willst du mir etwas zu Liebe thun?’ ‘Von Herzen gerne’ sagte das Maͤdchen. Da sprach das Taͤubchen ‘ich will dich zu einem kleinen Haͤuschen fuͤhren, da geh hinein, mittendrin am Heerd wird eine alte Frau sitzen und guten Tag sagen. Aber gib ihr bei Leibe keine Antwort, sie mag auch anfangen was sie will, sondern geh zu ihrer rechten Hand weiter, da ist eine Thuͤre, die mach auf, so wirst du in eine Stube kommen, wo eine große Menge von Ringen allerlei Art auf dem Tisch liegt, darunter sind praͤchtige mit200 glitzerigen Steinen, die laß aber liegen, und suche einen schlichten heraus, der auch darunter seyn muß, und bring ihn zu mir her, so geschwind du kannst.’ Da gieng das Maͤdchen hin zu dem Haͤuschen, und trat zu der Thuͤre ein, da saß eine Alte, die machte große Augen wie sie es sah, und sprach ‘guten Tag mein Kind.’ Es gab ihr keine Antwort, und gieng auf die Thuͤre zu. ‘Wo hinaus?’ rief sie, und faßte es beim Rock, und wollt es festhalten, ‘das ist mein Haus, da darf niemand herein, wenn ichs nicht haben will.’ Aber das Maͤdchen schwieg immer still, machte sich von ihr los, und gieng gerade in die Stube hinein. Da lag nun auf dem Tisch eine uͤbergroße Menge von Ringen, die glitzten und glimmerten ihm vor den Augen, es warf sie herum, und suchte nach dem schlichten, konnte ihn aber nicht finden. Wie es so suchte, sah es die Alte, wie sie daher schlich, und einen Vogelkaͤfig in der Hand hatte, und damit fort wollte; da gieng es auf sie zu, und nahm ihr den Kaͤfig aus der Hand, und wie es ihn aufhob, und hinein sah, saß ein Vogel darin, der hatte den schlichten Ring im Schnabel. Da nahm es den Ring, und lief ganz froh damit zum Haus hinaus, und dachte das weiße Taͤubchen wuͤrde kommen, und den Ring holen, aber es kam nicht. Da lehnte es sich an einen Baum, und wollte auf das Taͤubchen warten, und wie es so stand, da war es als waͤre der Baum weich und biegsam, und senkte seine Zweige herab. Und auf einmal schlangen sich die Zweige um es herum, und waren zwei Arme, und wie es sich umsah, war der Baum ein schoͤner Mann, der es umfaßte, und herzlich kuͤßte, und sagte ‘du201 hast mich erloͤst und aus der Gewalt der Alten befreit, die eine boͤse Hexe ist. Sie hatte mich in einen Baum verwandelt, und alle Tage ein paar Stunden war ich eine weiße Taube, und so lang sie den Ring besaß, konnte ich meine menschliche Gestalt nicht wieder erhalten.’ Da waren auch seine Bedienten und Pferde von dem Zauber frei, und keine Baͤume mehr, und standen neben ihm; da fuhren sie fort in sein Reich, denn er war eines Koͤnigs Sohn, heiratheten sich, und lebten gluͤcklich.
Es war ein Mann, der hatte drei Soͤhne, und weiter nichts im Vermoͤgen als das Haus, worin er wohnte. Nun haͤtte jeder gerne nach seinem Tod das Haus gehabt, dem Vater war aber einer so lieb als der andere, da wußt er gar nicht wie ers anfangen sollte, daß er keinem zu nahe thaͤt; verkaufen wollt er das Haus auch nicht, weils von seinen Voreltern war, sonst haͤtte er das Geld unter sie getheilt. Da fiel ihm endlich ein Rath ein, und er sprach zu seinen Soͤhnen ‘geht in die Welt, und versucht euch, und lerne jeder ein Handwerk, wenn ihr dann wiederkommt, wer das beste Meisterstuͤck macht, der soll das Haus haben.’
Das waren die Soͤhne zufrieden, und der aͤltste wollte ein Hufschmied, der zweite ein Barbier, der dritte aber ein Fechtmeister werden. Darauf bestimmten sie eine Zeit, wo sie wieder nach Haus zusammen kommen wollten, und zogen fort. Es traf sich auch, daß jeder einen tuͤchtigen Meister fand, wo er was rechtschaffenes lernte. Der Schmied mußte des Koͤnigs Pferde beschlagen, und dachte ‘nun kann dirs nicht fehlen, du kriegst das Haus.’ Der Barbier rasirte lauter vornehme Herrn, und meinte203 auch das Haus waͤre schon sein. Der Fechtmeister kriegte manchen Hieb, biß aber die Zaͤhne zusammen, und ließ sichs nicht verdrießen, denn er dachte bei sich ‘fuͤrchtest du dich vor einem Hieb, so kriegst du das Haus nimmermehr.’ Als nun die gesetzte Zeit herum war, kamen sie bei ihrem Vater wieder zusammen, sie wußten aber nicht wie sie die beste Gelegenheit finden sollten, ihre Kunst zu zeigen, saßen beisammen und rathschlagten. Wie sie so saßen, kam auf einmal ein Hase uͤbers Feld daher gelaufen. ‘Ei,’ sagte der Barbier, ‘der kommt wie gerufen,’ nahm Becken und Seife, schaumte, bis der Hase in die Naͤhe kam, dann seifte er ihn in vollem Laufe ein, und rasierte ihm auch in vollem Laufe ein Stutzbaͤrtchen, und dabei schnitt er ihn nicht, und that ihm an keinem Haare weh. ‘Das gefaͤllt mir,’ sagte der Vater, ‘wenn sich die andern nicht gewaltig angreifen, so ist das Haus dein.’ Es waͤhrte nicht lang, so kam ein Herr in einem Wagen daher gerennt in vollem Jagen. ‘Nun sollt ihr sehen, Vater, was ich kann,’ sprach der Hufschmied, sprang dem Wagen nach, riß dem Pferd, das in einem fort jagte, die vier Hufeisen ab, und schlug ihm auch im Jagen vier neue wieder an. ‘Du bist ein ganzer Kerl,’ sprach der Vater, ‘du machst deine Sachen so gut, wie dein Bruder; ich weiß nicht, wem ich das Haus geben soll.’ Da sprach der dritte ‘Vater, laßt mich auch einmal gewaͤhren,’ und weil es anfieng zu regnen zog er seinen Degen, und schwenkte ihn in Kreuzhieben uͤber seinem Kopf, daß kein Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen staͤrker ward, und endlich so stark, als ob man mit Mulden vom Himmel goͤße, schwang er den Degen204 immer schneller, und blieb so trocken, als saͤß er unter Dach und Fach. Wie der Vater das sah, erstaunte er, und sprach ‘du hast das beste Meisterstuͤck gemacht, das Haus ist dein.’
Die beiden andern Bruͤder waren damit zufrieden, wie sie vorher gelobt hatten, und weil sie sich einander so lieb hatten, blieben sie alle drei zusammen im Haus, und trieben ihr Handwerk; und da sie so gut ausgelernt hatten und so geschickt waren, verdienten sie viel Geld. So lebten sie vergnuͤgt bis in ihr Alter zusammen, und als der eine krank ward und starb, graͤmten sich die zwei andern so sehr daruͤber, daß sie auch krank wurden und bald starben. Da wurden sie, weil sie so geschickt gewesen und sich so lieb gehabt, alle drei in ein Grab gelegt.
Es war ein großer Krieg, und der Koͤnig gab seinen Soldaten wenig Sold, so daß sie nicht davon leben konnten. Da thaten sich drei zusammen, und wollten ausreißen. Einer sprach zum andern ‘wenn wir aber gekriegt werden, haͤngt man uns an den Galgenbaum; wie wollen wir das machen?’ Sprach der andere ‘da steht ein großes Kornfeld, wenn wir hineinkriechen, findet uns kein Mensch, das Heer kommt nicht hinein.’ Da krochen sie hinein, und saßen zwei Tage und zwei Naͤchte im Korn, hatten aber so großen Hunger, daß sie beinah gestorben waͤren, denn sie durften nicht heraus. Da sprachen sie ‘was hilft uns unser Ausreißen, wir muͤssen elendig im Korn sterben.’ Jndem kam ein feuriger Drache uͤber das Kornfeld durch die Luft geflogen, der sah sie liegen, und fragte ‘was thut ihr drei da im Korn?’ Sie antworteten ‘wir sind drei ausgerissene Soldaten, wir konnten von unserem Sold nicht laͤnger im Heer leben, nun muͤssen wir hier Hungers sterben, weil das Heer rund herum liegt, und wir nicht entrinnen koͤnnen.’ ‘Wollt ihr mir sieben Jahre dienen,’ sagte der Drache, ‘so will ich euch mitten durchs Heer fuͤhren, daß euch niemand kriegen soll?’ ‘Wir haben keine Wahl, und sinds206 zufrieden’ antworteten sie. Da nahm sie der Drache in seine Klauen, und unter seine Fittiche, brachte sie durch die Luft uͤber das Heer weg in Sicherheit, und setzte sie wieder auf die Erde. Er war aber der Teufel, und gab ihnen ein kleines Peitschchen, womit sie sich Geld peitschen konnten so viel sie wollten. ‘Damit,’ sprach er, ‘koͤnnt ihr große Herren werden, und in Wagen fahren; nach Verlauf der sieben Jahre aber seyd ihr mein eigen,’ und hielt ihnen ein Buch vor, in das mußten sie alle drei unterschreiben. ‘Doch will ich euch,’ sagte er, ‘dann erst noch ein Raͤthsel geben, koͤnnt ihr das rathen, sollt ihr frei und aus meiner Gewalt seyn.’ Da gieng der Drache von ihnen weg, und sie reisten fort mit ihren Peitschchen, hatten Geld die Fuͤlle, ließen sich Herrenkleider machen, und zogen in der Welt herum. Wo sie waren, lebten sie in Freuden und Herrlichkeit, fuhren mit Pferden und Wagen, aßen und tranken, und die sieben Jahre strichen in kurzer Zeit um. Als es nun bald ans Ende kam, wurde ihnen angst und bang, zwei waren ganz betruͤbt, der dritte aber nahms auf die leichte Schulter, und sprach ‘Bruͤder, fuͤrchtet nichts, vielleicht koͤnnen wir das Raͤthsel rathen.’ Wie sie so zusammen saßen, kam eine alte Frau daher, die fragte warum sie so traurig waͤren. ‘Ach, was liegt euch daran, ihr koͤnnt uns doch nicht helfen.’ ‘Wer weiß das, vertraut mir nur euren Kummer.’ Da erzaͤhlten sie ihr daß sie fast sieben Jahr dem Teufel gedient haͤtten, der haͤtte ihnen Geld wie Heu geschafft, sie haͤtten sich ihm aber verschrieben, und waͤren sein Eigenthum, wenn sie nach den sieben Jahren nicht ein Raͤthsel aufloͤsen koͤnnten. Die Alte207 sprach ‘soll euch geholfen werden, so muß einer von euch zum Wald hinein gehen, und da wird er an eine zerfallene Klippe kommen, die aussieht wie ein Haͤuschen.’ Die zwei traurigen dachten ‘das wird uns doch nicht retten,’ und blieben vor dem Wald, der dritte lustige machte sich auf, und fand alles so, wie die Frau gesagt hatte; in dem Haͤuschen aber saß eine steinalte Frau, die war des Teufels Großmutter, und fragte ihn woher er kaͤme und was er wollte. Da erzaͤhlte er ihr alles, und weil er ein gar schoͤner Mensch war, hatte sie Erbarmen, und hob einen großen Stein auf. ‘Darunter sitz ganz still, wann der Drache kommt, will ich ihn um die Raͤthsel fragen.’ Um zwoͤlf Uhr Nachts kam der Drache geflogen, und wollte sein Essen, da deckte ihm seine Großmutter den Tisch, und trug Trank und Speise auf, daß er vergnuͤgt war, und sie aßen und tranken zusammen. Da fragte sie ihn im Gespraͤch wies den Tag ergangen waͤre, wie viel Seelen er kriegt haͤtte. ‘Jch habe noch drei Soldaten, die sind mein’ sprach er. ‘Ja, drei Soldaten,’ sagte sie, ‘die haben etwas an sich, die koͤnnen dir noch entkommen.’ Sprach der Teufel hoͤhnisch ‘die sind mir gewiß, denen gebe ich ein Raͤthsel auf, daß sie nimmermehr rathen koͤnnen.’ ‘Was ist das fuͤr ein Raͤthsel?’ fragte sie. ‘Das will ich dir sagen: in der großen Nordsee liegt eine todte Meerkatze, das soll ihr Braten seyn; und von einem Wallfisch die Rippe, das soll ihr silberner Loͤffel seyn; und ein alter Pferdefuß, das soll ihr Weinglas seyn.’ Da gieng der Teufel fort zu schlafen, und die alte Großmutter hob den Stein auf, und ließ den Soldaten heraus. ‘Hast du auch alles wohl in208 Acht genommen?’ ‘Ja,’ sprach er, ‘ich weiß genug, und will mir schon helfen.’ Darauf mußte er einen andern Weg durchs Fenster schnell zu seinen Gesellen gehen, damit ihn der Teufel nicht merkte. Wie er nun zu den andern kam, erzaͤhlte er ihnen was er gehoͤrt hatte, und sie konnten nun rathen was sonst keine Seele gerathen haͤtte. Da waren sie alle froͤhlich und guter Dinge, und peitschten sich Geld genug. Als nun die sieben Jahre voͤllig herum waren, kam der Teufel mit dem Buche, zeigte die Unterschriften und sprach ‘ich will euch nun in die Hoͤlle mitnehmen, da sollt ihr eine Mahlzeit haben, koͤnnt ihr mir rathen, was ihr fuͤr einen Braten werdet zu essen kriegen, so sollt ihr frei, und los seyn, und das Peitschchen dazu behalten.’ Da fieng der erste Soldat an ‘in der großen Nordsee liegt eine todte Meerkatze, das wird wohl der Braten seyn.’ Der Teufel aͤrgerte sich, machte ‘hm! hm! hm!’ und fragte den zweiten ‘was soll aber euer Loͤffel seyn?’ Da antwortete er ‘von einem Wallfisch die Rippe, das soll unser silberner Loͤffel seyn.’ Der Teufel schnitt ein Gesicht, knurrte wieder dreimal ‘hm! hm! hm!’ und sprach zum dritten ‘wißt ihr auch was euer Weinglas seyn soll?’ ‘Ein alter Pferdefuß,’ antwortete er, ‘das soll unser Weinglas seyn.’ Da flog der Teufel fort, ließ sie im Stich, und hatte keine Gewalt mehr uͤber sie; aber die drei behielten das Peitschchen, schlugen Geld hervor, so viel sie wollten, und lebten vergnuͤgt bis an ihr Ende.
Et was mal en Mann un ’ne Fru west, de hadden so lange se rick woͤren kene Kinner, as se awerst arm woren, da kregen se en kleinen Jungen. Se kunnen awerst kenen Paen dato kregen, da segde de Mann, he wulle mal na den annern Ohre (Orte) gahn, un tosehn ob he da enen krege. Wie he so gienk, begegnete uͤnn en armen Mann, de frog en wo he huͤnne wulle, he segde he wulle huͤnn, un tosehn dat he ’n Paen kriegte, he sie arm, un da wulle uͤnn ken Minske to Gevaher stahn. ‘O,’ segde de arme Mann, ‘gi sied arm, un ik sie arm, ik will guhe (euer) Gevaher weren; ik sie awerst so arm, ik kann dem Kinne nix giwen, gahet hen, un segget de Baͤhmoer (Wehmutter) se sulle man mit den Kinne na der Kerken kummen.’ Ase se nu tohaupe na der Kerken kummet, da is de Bettler schaun darinne, de givt dem Kinne den Namen Ferenand getruͤ.
Wie he nu ut der Kerken gahet, da segd de Bettler, ‘nu gahet man na Hus, ik kann guh (euch) nix giwen, un gi suͤllt mi ok nix giwen.’ De Baͤhmoer awerst gav he ’n Schluͤttel, un segd er se moͤgt en, wenn se na Hus kaͤme, dem Vaer giwen, de sull’n verwahren, bis dat Kind vertein Johr old woͤre, dann210 sull et up de Heide gahn, da woͤre ’n Schlott, dato paßte de Schluͤttel, wat darin woͤre, dat sulle em hoͤren. Wie dat Kind nu sewen Johr alt wor un duͤet (tuͤchtig) wassen wor, gienk et mal spilen mit annern Jungens, da hadde de eine noch mehr vom Paen kriegt, ase de annere, he awerst kunne nix seggen, un da grinde he, un gienk na Hus, un segde tom Vaer ‘hewe ik denn gar nix vom Paen kriegt?’ ‘O ja,’ segde de Vaer, ‘du hest en Schluͤttel kriegt, wenn up de Heide ’n Schlott steit, so gah man hen un schlut et up.’ Da gienk he hen, awerst et was kein Schlott to hoͤren un to sehen. Wier na sewen Jahren, ase he vertein Johr old is, geit he nochmals hen, da steit en Schlott darup. Wie he et upschloten het, da is der nix enne, ase ’n Perd, ’n Schuͤmmel. Da werd de Junge so vuller Fruͤden, dat he dat Perd hadde, dat he sik darup sett, un to sinen Vaer jegd (jagt). ‘Nu hew ik auck ’n Schuͤmmel, nu will ik auck reisen’ segd he.
Da treckt he weg, un wie he unnerweges is, ligd da ’ne Schriffedder up ’n Wegge, he will se eist (erst) upnuͤmmen, da denkt he awerst wier bie sich ‘o, du suͤst se auck liggen laten, du findst ja wul, wo du hen kuͤmmst, ’ne Schriffedder, wenn du eine bruckest.’ Wie he so weggeit, da roppt et hinner uͤm ‘Ferenand getruͤ, nuͤmm se mit.’ He suͤt sik uͤmme, suͤt awerst keinen, da geit he wier torugge, un nuͤmmt se up. Wie he wier ’ne Wile rien (geritten) is, kuͤmmt he bie ’n Water vorbie, so ligd da en Fisk am Oewer (Ufer), un snappet un happet na Luft; so segd he ‘toͤv, min lewe Fisk, ik will die helpen, dat du in’t Water211 kuͤmmst,’ un gript ’n bie’n Schwans, un werpt ’n in’t Water. Da steckt de Fisk den Kopp ut den Water, un segd ‘nu du mie ut den Koth holpen hest, will ik die ’ne Floͤtenpiepen giwen, wenn du in de Naud bist, so floͤte derup: dann will ik die helpen; wenn du mal wat in’t Water hest fallen laten, so floͤte man, so will ik et die herut reicken.’ Nu ritt he weg, da kuͤmmt so ’n Minsk to uͤm, de fraͤgt ’n, wo he hen wull. ‘O, na den neggsten Ohre.’ ‘Wu he dann heite?’ ‘Ferenand getruͤ.’ ‘Suͤ, da hewe wie ja fast den suͤlwigen Namen, ik heite Ferenand ungetruͤ.’ Da trecket se beide na den neggsten Ohre in dat Wertshus.
Nu was et schlimm, dat de Ferenand ungetruͤ allet wuste, wat ’n annerer dacht hadde, un doen wulle; dat wust he doͤre so allerhand slimme Kunste. Et was awerst im Werthshuse so ’n wacker Maͤken, dat hadde ’n schier (klares) Angesicht, un drog sik so huͤbsch; dat verleiv sik in den Ferenand getruͤ, denn et was ’n huͤbschen Minschen west, un frog’n, wo he hen to wulle. ‘O, he wulle so heruͤmmer reisen.’ Da segd se so sull he doch nur da bliewen, et woͤre hier to Lanne ’n Kuͤnig, de neime wul geren n’ Bedeenten oder ’n Vorruͤter; dabie sulle he in Diensten gahn. He antworde ‘he kuͤnne nig gud so to einen hingahen, un been sik an.’ Da segde det Maͤken ‘o, dat will ik dann schun dauen.’ Un so gienk se auck stracks hen na den Kuͤnig, un sehde uͤnn se wuͤste uͤnn ’n huͤbschen Bedeenten. Dat was de wol tofreen, un leit ’n to sik kummen, un wull ’n tom Bedeenten macken. He wull awerst leewer Vorruͤter sin, denn wo sin Perd woͤre, da moͤst he auck sin; da mackt ’n de Kuͤnig tom Vorruͤter. Wie duͤ212 de Ferenand ungetruͤ gewahr wore, da segd he to den Maͤken ‘toͤv, helpest du den an, un mie nig?’ ‘O,’ segd dat Maͤken, ‘ik will ’n auck anhelpen.’ Se dachte ‘den most du die tom Fruͤnne wahren, denn he is nig to truen.’ Se geit alse vorm Kuͤnig stahn, un beed ’n als Bedeenten an; dat is de Kuͤnig tofreen.
Wenn he nu also det Morgens den Heren antrock, da jammerte de juͤmmer ‘o wenn ik doch eist mine Leiveste bie mie haͤdde.’ De Ferenand ungetruͤ war awerst dem Ferenand getruͤ juͤmmer uppsettsig, wie asso de Kuͤnig mal wier so jammerte, da segd he ‘Sie haben ja den Vorreiter, den schicken Sie hin, der muß sie herbeischaffen, und wenn er es nicht thut, so muß ihm der Kopf vor die Fuͤße gelegt werden.’ Do leit de Kuͤnig den Ferenand getruͤ to sik kummen, un sehde uͤm he haͤdde da un da ’ne Leiweste, de sull he uͤnn herschappen, wenn he dat nig deie, sull he sterwen.
De Ferenand getruͤ gienk in Stall to sinen Schuͤmmel, un grinde un jammerde. ‘O wat sin ik ’n ungluͤcksch Minschenkind.’ Da roͤppet jeimes hinner uͤm ‘Ferdinand getreu, was weinst du?’ He suͤt sik um, suͤt awerst neimes, un jammerd juͤmmer fort ‘o min lewe Schuͤmmelken, nu mot ik die verlaten, nu mot ik sterwen.’ Do roͤppet et wier ‘Ferdinand getreu, was weinst du?’ Do merke he eist dat dat sin Schuͤmmelken deit, dat Fragen. ‘Doͤst du dat, min Schuͤmmelken, kast du kuͤren (reden)?’ Un segd wier ‘ik sull da un da hen, un sull de Brut halen, west du nig wie ik dat wol anfange.’ Da antwoerd dat Schuͤmmelken213 ‘gah du na den Kuͤnig, un segg wenn he die giwen wulle wat du hewen moͤstest, so wullest du se uͤnn schappen: wenn he die ’n Schipp vull Fleisk, un ’n Schipp vull Brod giwen wulle, so sull et gelingen; da woͤren de grauten Riesen up den Water, wenn du denen ken Fleisk midde braͤchtes, so terreitn se die: un da woͤren de grauten Vuͤggel, de pickeden die de Ogen ut den Koppe, wenn du ken Brod vor se haͤddest.’ Da lett de Kuͤnig alle Slaͤchter im Lanne slachten, un alle Becker backen, dat de Schippe vull werdt. Wie se vull sied, segd dat Schuͤmmelken tom Ferenand getruͤ ‘nu gah man up mie sitten, un treck mit mie in’t Schipp, wenn dann de Riesen kuͤmmet, so segg
Un wenn de Vuͤggel kuͤmmet, so seggst du wier
Dann doet sie die nix, un wenn du dann bie dat Schlott kuͤmmst, dann helpet die de Riesen, dann gah up dat Schlott un nuͤmm ’n Paar Riesen mit, da ligd de Prinzessin, un schloͤppet; du darfst se awerst nig upwecken, sonnern de Riesen moͤtt se mit den Bedde upnuͤmmen, un in dat Schipp dregen.’ (Und da geschah nun alles, wie das Schimmelchen gesagt hatte, und den Riesen und den Voͤgeln gab der Ferenand getruͤ was er ihnen mitgebracht hatte, dafuͤr wurden die Riesen willig, und trugen die Prinzessin im Bett214 zum Koͤnig.) Un ase se tom Kuͤnig kuͤmmet, segd se se kuͤnne nig liwen, se moͤste ere Schrifften hewen, de woͤren up eren Schlotte liggen bliwen. Da werd de Ferenand getruͤ up Anstifften det Ferenand ungetruͤ roopen, un de Kuͤnig beduͤtt uͤnn he sulle de Schriften von den Schlotte halen, suͤst sull he sterwen. Da geit he wier in Stall, un grind, un segd ‘o min lewe Schuͤmmelken, nu sull ik noch ’n mal weg, wie suͤll wie dat macken?’ Da segd de Schuͤmmel se sullen dat Schipp man wier vull laen (laden). (Da geht es wieder wie das vorigemal, und die Riesen und Voͤgel werden von dem Fleisch gesaͤttigt und besaͤnftigt.) Ase se bie dat Schlott kuͤmmet, segd de Schuͤmmel to uͤnn he sulle man herin gahn, in den Schlapzimmer der Prinzessin, up den Diske, da laͤgen de Schrifften. Da geit Ferenand getruͤ huͤn, un langet se. Ase se up’n Water sind, da let he sine Schriffedder in’t Water fallen, da segd de Schuͤmmel ‘nu kann ik die awerst nig helpen.’ Da faͤllt’n dat bie mit de Floͤtepiepen, he faͤnkt an to floͤten, da kuͤmmt de Fisk, un het de Fedder im Mule, un langet se’m hen. Nu bringet he de Schrifften na den Schlotte, wo de Hochtid hallen werd.
De Kuͤnigin mogte awerst den Kuͤnig nig lien, weil he keine Nese hadde, sonnern se mogte den Ferenand getruͤ geren lien. Wie nu mal alle Herens vom Hove tosammen sied, so segd de Kuͤnigin, se koͤnne auck Kunstuͤcke macken, se kuͤnne einen den Kopp afhoggen, un wier upsetten, et sull nur mant einer versoͤcken. Da wull awerst kener de eiste sien, da mott Ferenand getruͤ daran, wier up Anstifften von Ferenand ungetruͤ, den hogget se den215 Kopp af, un sett’n uͤnn auck wier up, et is auck glick wier tau heilt, dat et ut sach ase haͤdde he’n roen Faen (Faden) uͤm ’n Hals. Da segd de Kuͤnig to ehr ‘mein Kind, wo hast du denn das gelernt?’ ‘Ja,’ segd se, ‘die Kunst versteh ich, soll ich es an dir auch einmal versuchen?’ ‘O ja’ segd he. Da hogget se en awerst den Kopp af, un sett’n en nig wier upp, se doet as ob se’n nig darup kriegen kuͤnne, un as ob he nig fest sitten wulle. Da werd de Kuͤnig begrawen, se awerst frigget den Ferenand getruͤ.
He ride awerst juͤmmer sinen Schuͤmmel, un ase he mal darup sat, da segd de to em he sulle mal up ’ne annere Heide, de he em wist, trecken, und da dreimal mit em herummerjagen. Wie he dat dahen hadde, da geit de Schuͤmmel up de Hinnerbeine stahn, un verwannelt sik in ’n Kuͤnigssuhn.
Zur Zeit, wo das Wuͤnschen noch geholfen hat, ward ein Koͤnigssohn von einer alten Hexe verwuͤnscht, daß er im Walde in einem großen Eisenofen sitzen sollte. Da brachte er nun viele Jahre zu, und konnte ihn niemand erloͤsen. Einmal kam eine Koͤnigstochter in den Wald, die hatte sich irre gegangen, und konnte ihres Vaters Reich nicht wieder finden; neun Tage war sie so herum gegangen, und stand zuletzt vor dem eisernen Kasten. Da fragte er sie ‘wo kommst du her, und wo willst du hin?’ Sie antwortete ‘ich habe meines Vaters Koͤnigreich verloren, und kann nicht wieder nach Haus kommen.’ Da sprachs aus dem Eisenofen ‘ich will dir wieder nach Haus verhelfen in einer kurzen Zeit, wann du dich willst unterschreiben zu thun was ich verlange. Jch bin ein groͤßerer Koͤnigssohn, als du eine Koͤnigstochter, und will dich heirathen.’ Da erschrak sie, und dachte ‘lieber Gott, was soll ich mit dem Eisenofen anfangen!’ Weil sie aber gerne wieder zu ihrem Vater heim wollte, unterschrieb sie sich doch zu thun was er verlangte. Er sprach aber ‘du sollst wiederkommen, ein Messer mitbringen und ein Loch in das Eisen schrappen.’ Dann gab er ihr jemand zum Gefaͤhrten, der gieng217 nebenher, und sprach nicht; er brachte sie aber in zwei Stunden nach Haus. Nun war große Freude im Schloß, als die Koͤnigstochter wieder kam, und der alte Koͤnig fiel ihr um den Hals, und kuͤßte sie. Sie war aber sehr betruͤbt, und sprach ‘lieber Vater, wie mirs gegangen hat! ich waͤre nicht wieder nach Haus gekommen aus dem großen wilden Walde, wann ich nicht waͤre bei einen eisernen Ofen gekommen, dem habe ich mich muͤssen dafuͤr unterschreiben, daß ich wollte wieder zu ihm zuruͤckkehren, ihn erloͤsen, und heirathen.’ Da erschrak der alte Koͤnig so sehr, daß er beinahe in eine Ohnmacht gefallen waͤre, denn er hatte nur die einzige Tochter. Berathschlagten sich also, sie wollten die Muͤllerstochter, die schoͤn waͤre, an ihre Stelle nehmen; fuͤhrten die hinaus, gaben ihr ein Messer, und hießen ihr an dem Eisenofen schaben. Sie schrappte auch vier und zwanzig Stunden lang, konnte aber nicht das geringste herabbringen. Wie nun der Tag anbrach, riefs in dem Eisenofen ‘mich daͤucht es ist Tag draußen.’ Da antwortete sie ‘das daͤucht mich auch, ich meint ich hoͤrte meines Vaters Muͤhle rappeln.’ ‘So bist du ja eine Muͤllerstochter, dann geh gleich hinaus, und laß die Koͤnigstochter herkommen.’ Da gieng sie hin, und sagte dem alten Koͤnig der draußen wollte sie nicht, er wollte seine Tochter. Da erschrack der alte Koͤnig, und die Tochter weinte; sie hatten aber noch eine schoͤne Schweinehirtentochter, die war noch schoͤner, als die Muͤllerstochter, der wollten sie ein Stuͤck Geld geben, damit sie fuͤr die Koͤnigstochter zum eisernen Ofen gienge. Also ward sie hinausgebracht, und mußte auch vier und zwanzig Stunden lang218 schrappen, sie brachte aber nichts davon. Wie nun der Tag anbrach, riefs im Ofen ‘mich daͤucht es ist Tag draußen.’ Da antwortete sie ‘das daͤucht mich auch, ich meint ich hoͤrte meines Vaters Hoͤrnchen tuͤten.’ ‘So bist du ja eine Schweinehirtentochter, dann geh gleich hinaus, und laß die Koͤnigstochter kommen; und sag ihr es sollt ihr widerfahren, was ich ihr versprochen haͤtte, und wann sie nicht kaͤme, sollte im ganzen Reich alles zerfallen und einstuͤrzen, und kein Stein auf dem andern bleiben.’ Als die Koͤnigstochter das hoͤrte, fieng sie an zu weinen, es war aber nun nicht anders, sie mußte ihr Versprechen halten. Da nahm sie Abschied von ihrem Vater, steckte ein Messer ein, und gieng zu dem Eisenofen in den Wald hinaus. Wie sie nun angekommen war, hub sie an zu schrappen, und das Eisen gab nach, und wie zwei Stunden vorbei waren, hatte sie schon ein kleines Loch geschabt. Da guckte sie hinein, und sah einen so schoͤnen Koͤnigssohn, ach, der glimmerte, daß er ihr recht in der Seele gefiel. Nun da schrappte sie noch weiter fort, und machte das Loch so groß, daß er heraus konnte. Da sprach er ‘du bist mein, und ich bin dein, du bist meine Braut, und hast mich erloͤst.’ Sie bat sich aus daß sie noch einmal duͤrfte zu ihrem Vater gehen, und der Koͤnigssohn erlaubte es ihr, sie sollte aber nicht mehr mit ihrem Vater sprechen als drei Worte, und dann sollte sie wiederkommen. Also gieng sie heim, sie sprach aber mehr als drei Worte, da verschwand alsbald der Eisenofen und war weit weg uͤber glaͤserne Berge und schneidende Schwerter; doch war der Koͤnigssohn erloͤst, und nicht mehr darin eingeschlossen. 219Danach nahm sie Abschied von ihrem Vater, und nahm etwas Geld mit, aber nicht viel, gieng wieder in den großen Wald, und suchte den Eisenofen, allein der war nicht wieder zu finden. Neun Tage suchte sie, da ward ihr Hunger so groß, daß sie sich nicht zu helfen wußte, denn sie hatte nichts mehr zu leben. Und als es Abend wurde, setzte sie sich auf einen kleinen Baum, und gedachte darauf die Nacht hinzubringen, weil sie sich vor den wilden Thieren fuͤrchtete. Als nun Mitternacht heran kam, sah sie von ferne ein kleines Lichtchen, dacht sie ‘ach, da waͤr ich wohl erloͤst,’ stieg vom Baum, und gieng dem Lichtchen nach, auf dem Weg aber betete sie. Da kam sie zu einem kleinen alten Haͤuschen, da war viel Gras umgewachsen, und stand ein kleines Haͤufchen Holz davor. Dachte sie ‘ach, wo kommst du hier hin!’ guckte durchs Fenster hinein, so sah sie nichts darin, als dicke und kleine Jtschen (Kroͤten), aber einen Tisch, schoͤn gedeckt mit Wein und Braten, und Teller und Becher waren von Silber. Da nahm sie sich das Herz und klopfte an; alsbald rief die Dicke
Da kam eine kleine Jtsche herbei gegangen, und machte ihr auf. Wie sie eintrat, hießen alle sie willkommen, und sie mußte sich setzen. ‘Wo kommt ihr her? wo wollt ihr hin?’ Da erzaͤhlte220 sie alles, wie es ihr gegangen waͤre, und weil sie das Gebot uͤbertreten, nicht mehr als drei Worte zu sprechen, waͤre der Ofen weg sammt dem Koͤnigssohn; nun wollte sie so lange suchen, und uͤber Berg und Thal wandern bis sie ihn faͤnde. Da sprach die alte Dicke
Da gieng die kleine hin, und brachte die Schachtel herbeigetragen; hernach gaben sie ihr Essen und Trinken, und brachten sie zu einem schoͤnen gemachten Bett, das war wie Seide und Sammet, da legt sie sich hinein, und schlief in Gottes Namen. Als der Tag kam, stieg sie auf, und gab ihr die alte Jtsche drei Nadeln aus der großen Schachtel, die sollte sie mitnehmen; sie wuͤrden ihr noͤthig thun, denn sie muͤßte uͤber einen hohen glaͤsernen Berg, und uͤber drei schneidende Schwerter, und uͤber ein großes Wasser; wenn sie das durchsetzte, wuͤrde sie ihren Liebsten wiederkriegen. Nun gab sie hiermit drei Theile (Stuͤcke), die sollte sie recht in Acht nehmen, naͤmlich drei große Nadeln, ein Pflugrad, und drei Nuͤsse. Hiermit reiste sie ab, und wie sie vor den glaͤsernen Berg kam, der so glatt war, steckte sie die drei Nadeln als hinter die Fuͤße, und dann wieder vorwaͤrts, und gelangte so hinuͤber, und als sie hinuͤber war, steckte sie sie an einen Ort, den sie wohl in Acht nahm. Danach kam sie vor die221 drei schneidenden Schwerter, da stellte sie sich auf ihr Pflugrad, und rollte hinuͤber. Endlich kam sie vor ein großes Wasser, und wie sie uͤbergefahren war, in ein großes schoͤnes Schloß. Sie gieng hinein, und hielt um einen Dienst an, sie waͤr eine arme Magd, und wollte sich gerne vermiethen; sie wußte aber, daß der Koͤnigssohn drinne war, den sie erloͤst hatte aus dem eisernen Ofen im großen Wald. Also ward sie angenommen zum Kuͤchenmaͤdchen fuͤr geringen Lohn. Nun hatte der Koͤnigssohn schon wieder eine andere an der Seite, die wollte er heirathen, denn er dachte sie waͤre laͤngst gestorben. Abends nun, wie sie aufgewaschen hatte und fertig war, fuͤhlte sie in ihre Tasche, und fand die drei Nuͤsse, welche ihr die alte Jtsche gegeben hatte. Biß eine auf, und wollte den Kern essen, siehe, da war ein stolzes koͤnigliches Kleid drin. Wies nun die Braut hoͤrte, kam sie und hielt um das Kleid an, und wollte es kaufen, ‘es waͤre kein Kleid fuͤr eine Dienstmagd.’ Da sprach sie, ja sie wollts nicht verkaufen, doch wann sie ihr einerlei (ein Ding) wollte erlauben, so sollte sies haben, naͤmlich eine Nacht in der Kammer ihres Braͤutigams zu schlafen. Die Braut erlaubt es ihr, weil das Kleid so schoͤn war, und sie noch keins so hatte. Wies nun Abend war, sagte sie zu ihrem Braͤutigam ‘das naͤrrische Maͤdchen will in deiner Kammer schlafen.’ ‘Wenn dus zufrieden bist, bin ichs auch’ sprach er. Sie gab aber dem Mann ein Glas Wein, in das sie einen Schlaftrunk gethan hatte. Also giengen beide in die Kammer schlafen, und er schlief so fest, daß sie ihn nicht erwecken konnte. Sie weinte aber die ganze Nacht und rief ‘ich habe dich erloͤst222 aus einem wilden Wald und aus einem eisernen Ofen, ich habe dich gesucht, und bin gegangen uͤber einen glaͤsernen Berg, uͤber drei schneidende Schwerter und uͤber ein großes Wasser, ehe ich dich gefunden habe, und willst mich doch nicht hoͤren.’ Die Bedienten saßen vor der Stubenthuͤre, und hoͤrten wie sie so die ganze Nacht weinte, und sagtens am Morgen ihrem Herrn. Und wie sie am andern Abend aufgewaschen hatte, biß sie die zweite Nuß auf, da war noch ein weit schoͤneres Kleid drin; wie das die Braut sah, wollte sie es auch kaufen. Aber Geld wollte das Maͤdchen nicht, und bat sich aus daß es noch einmal in der Kammer des Braͤutigams schlafen duͤrfte. Die Braut gab ihm aber wieder einen Schlaftrunk, und er schlief so fest, daß er nichts hoͤren konnte. Das Kuͤchenmaͤdchen weinte aber die ganze Nacht und rief ‘ich habe dich erloͤst aus einem wilden Walde und aus einem eisernen Ofen, ich habe dich gesucht, und bin gegangen uͤber einen glaͤsernen Berg, uͤber drei schneidende Schwerter und uͤber ein großes Wasser, ehe ich dich gefunden habe, und willst mich doch nicht hoͤren.’ Die Bedienten saßen vor der Stubenthuͤre, und hoͤrten wie sie so die ganze Nacht weinte, und sagtens am Morgen ihrem Herrn. Und wie sie am dritten Abend aufgewaschen hatte, biß sie die dritte Nuß auf, da war ein noch schoͤneres Kleid darin, das starrte von purem Gold. Wie die Braut das sah, wollte sie es haben, das Maͤdchen aber gab es nur hin, wenn es zum drittenmal duͤrfte in der Kammer des Braͤutigams schlafen. Der Koͤnigssohn aber huͤtete sich, und ließ den Schlaftrunk vorbeilaufen. Wie sie nun anfieng zu weinen223 und zu rufen ‘liebster Schatz, ich habe dich erloͤst aus dem grausamen, wilden Walde und aus einem eisernen Ofen,’ so sprang der Koͤnigssohn auf und sprach ‘du bist mein, und ich bin dein.’ Darauf setzte er sich noch in der Nacht mit ihr in einen Wagen, und der falschen Braut nahmen sie die Kleider weg, daß sie nicht aufstehen konnte. Als sie zu dem großen Wasser kamen, da schifften sie hinuͤber, und vor den drei schneidenden Schwertern, da setzten sie sich aufs Pflugrad, und vor dem glaͤsernen Berg, da steckten sie die drei Nadeln hinein; und so gelangten sie endlich zu dem alten kleinen Haͤuschen, aber wie sie hineintraten, wars ein großes Schloß, die Jtschen waren alle erloͤst, und lauter Koͤnigskinder, und waren in voller Freude. Da ward Vermaͤhlung gehalten, und sie blieben in dem Schloß, das war viel groͤßer als ihres Vaters Schloß. Weil aber der Alte jammerte daß er allein bleiben sollte, so fuhren sie weg, und holten ihn zu sich, und hatten zwei Koͤnigreiche, und lebten in gutem Ehestand.
Auf einem Dorfe lebte ein Mann und eine Frau, und die Frau war so faul, daß sie immer nichts arbeiten wollte, und was ihr der Mann zu spinnen gab, das spann sie nicht fertig, und was sie auch spann, haspelte sie nicht, sondern ließ alles auf dem Klauel gewickelt liegen. Schalt sie nun der Mann, so war sie mit ihrem Maul doch vornen, und sprach ‘ei, wie sollt ich haspeln, da ich keinen Haspel habe, geh du erst in den Wald, und schaff mir einen.’ ‘Wenns daran liegt,’ sagte der Mann, ‘so will ich in den Wald gehen, und Haspelholz holen.’ Da fuͤrchtete sich die Frau, wenn er das Holz haͤtte, daß er daraus einen Haspel machte, und sie abhaspeln und dann wieder frisch spinnen muͤßte. Sie besann sich ein Bischen, da kam ihr ein guter Einfall, und sie lief dem Manne heimlich nach in den Wald. Wie er nun auf einen Baum gestiegen war, das Holz auszulesen und zu hauen, schlich sie darunter in das Gebuͤsch, wo er sie nicht sehen konnte, und rief hinauf
Der Mann horchte auf, legte die Axt eine Weile nieder, und225 dachte nach was das wohl zu bedeuten haͤtte. ‘Ei was,’ sprach er endlich, ‘was wirds gewesen seyn, es hat dir in den Ohren geklungen, mach dir keine unnoͤthige Furcht.’ Also ergriff er die Axt von neuem, und wollte zuhauen, da riefs wieder unten
Er hielt ein, kriegte Angst und Bang, und sann dem Ding nach; wie aber ein Weilchen vorbei war, kam ihm das Herz wieder, und er langte zum drittenmal nach der Axt, und wollte zuhauen. Aber zum drittenmal riefs und sprachs laut
Da hatte ers genug, und alle Lust war ihm vergangen, so daß er eilends den Baum herunter stieg, und sich auf den Heimweg machte. Die Frau lief, was sie konnte, auf Nebenwegen, damit sie eher nach Haus kaͤme; wie er nun in die Stube trat, that sie unschuldig, als waͤre nichts vorgefallen, und sagte ‘nun, bringst du ein gutes Haspelholz?’ ‘Nein,’ sprach er, ‘ich sehe wohl, es geht mit dem Haspeln nicht,’ erzaͤhlte ihr was ihm im Walde begegnet war, und ließ sie von nun an damit in Ruhe.
Bald hernach fieng der Mann doch wieder an sich uͤber die Unordnung im Hause zu aͤrgern. ‘Frau,’ sagte er, ‘es ist doch eine Schande daß das gesponnene Garn da auf dem Klauel liegen bleibt.’ ‘Weißt du was,’ sprach sie, ‘weil wir doch zu keinem Haspel kommen, so stell dich auf den Boden und ich steh unten, da will ich dir den Klauel hinauf werfen, und du wirfst ihn herunter,226 so gibts doch einen Strang.’ ‘Ja, das geht,’ sagte der Mann; also thaten sie das, und wie sie fertig waren, sprach er ‘das Garn ist nun gestraͤngt, nun muß es auch gekocht werden.’ Der Frau ward wieder Angst; sie sprach zwar ‘ja, wir wollens gleich morgen fruͤh kochen,’ dachte aber bei sich auf einen neuen Streich. Fruͤhmorgens stand sie auf, machte Feuer an, und stellte den Kessel bei, allein statt des Garns legte sie einen Klumpen Werg hinein, und ließ es so zukochen. Darauf gieng sie zum Manne, der noch im Bette lag, und sprach zu ihm ‘ich muß einmal ausgehen, steh derweil auf, und sieh nach dem Garn, das im Kessel uͤberm Feuer steht, aber du mußts bei Zeit thun, gib wohl Acht, denn wo der Hahn kraͤht, und du saͤhest nicht nach, wird das Garn zu Werg.’ Der Mann war bei der Hand, und wollte nichts versaͤumen, stand eilend auf, so schnell er konnte, und gieng in die Kuͤche; wie er aber zum Kessel kam, und hinein sah, da erblickte er mit Schrecken nichts als einen Klumpen Werg. Da schwieg er maͤuschenstill, dachte er haͤtts versehen, und waͤre Schuld daran, und ließ in Zukunft die Frau mit Garn und Spinnen immer zufrieden.
Es war ein armer Mann, der hatte vier Soͤhne, wie die nun herangewachsen waren, sprach er zu ihnen ‘liebe Kinder, ihr muͤßt hinaus in die Welt, ich habe nichts, das ich euch geben koͤnnte: macht euch auf in die Fremde, lernt ein Handwerk, und seht wie ihr euch durchschlagt.’ Da ergriffen die vier Bruͤder den Wanderstab, nahmen Abschied von ihrem Vater, und zogen zusammen zum Thor hinaus. Als sie ein Stuͤck Wegs gemacht hatten, kamen sie an einen Kreuzweg, der nach vier verschiedenen Gegenden fuͤhrte. Da sprach der aͤlteste ‘hier muͤssen wir uns trennen, aber heut uͤber vier Jahre wollen wir an dieser Stelle wieder zusammen treffen, und in der Zeit unser Gluͤck versuchen.’
Nun gieng jeder seinen Weg, und dem aͤltesten begegnete ein Mann, der fragte ihn wo er hinaus wollte, und was er vor haͤtte. ‘Jch will ein Handwerk lernen’ antwortete er. Da sprach der Mann ‘geh mit mir, und werde ein Dieb.’ ‘Nein,’ antwortete er, ‘das gilt fuͤr kein ehrliches Handwerk mehr, und das Ende vom Lied ist, daß einer als Schwengel in der Feldglocke gebraucht wird.’ ‘O,’ sprach der Mann, ‘vor dem Galgen228 brauchst du dich nicht zu fuͤrchten: ich will dich bloß lehren wie du holst was sonst kein Mensch kriegen kann, und wo dir niemand auf die Spur kommt.’ Da ließ er sich uͤberreden, und ward bei dem Manne ein gelernter Dieb, und so geschickt, daß vor ihm nichts sicher war, was er einmal haben wollte. Der zweite Bruder begegnete einem Mann, der dieselbe Frage an ihn that, was er in der Welt lernen wollte. ‘Jch weiß es noch nicht,’ antwortete er. ‘So geh mit mir, und werde ein Sterngucker: nichts besser als das, es bleibt einem nichts verborgen.’ Er ließ sich das gefallen, und ward ein so geschickter Sterngucker, daß sein Meister, als er ausgelernt hatte, und weiter ziehen wollte, ihm ein Glas gab, und zu ihm sprach ‘damit kannst du sehen was auf Erden und am Himmel vorgeht, und kann dir nichts verborgen bleiben.’ Den dritten Bruder nahm ein Jaͤger mit in die Lehre, und gab ihm in allem, was zur Jaͤgerei gehoͤrte, so guten Unterricht, daß er ein ausgelernter Jaͤger ward. Der Meister schenkte ihm beim Abschied eine Buͤchse, und sprach ‘die fehlt nicht, was du damit aufs Korn nimmst, das triffst du auch.’ Der juͤngste Bruder begegnete gleichfalls einem Manne, der ihn anredete, und nach seinem Vorhaben fragte. ‘Hast du nicht Lust ein Schneider zu werden?’ ‘Daß ich nicht wuͤßte,’ sprach der Junge, ‘das Krummsitzen von Morgens bis Abends, das Hin - und Herfegen mit der Nadel, und das Buͤgeleisen will mir nicht in den Sinn.’ ‘Ei was,’ antwortete der Mann, ‘du sprichst wie dus verstehst: bei mir lernst du eine ganz andere Schneiderkunst, die ist anstaͤndig229 und ziemlich, zum Theil sehr ehrenvoll.’ Da ließ er sich uͤberreden, gieng mit, und lernte die Kunst des Mannes aus dem Fundament. Beim Abschied gab ihm dieser eine Nadel, und sprach ‘damit kannst du zusammennaͤhen was dir vorkommt, es sey so weich wie ein Ei oder so hart als Stahl; und es wird so zu einem Stuͤck, daß keine Naht mehr zu sehen ist.’
Als die bestimmten vier Jahre herum waren, kamen die vier Bruͤder zu gleicher Zeit an dem Kreuzwege zusammen, herzten und kuͤßten sich, und kehrten heim zu ihrem Vater. Sie erzaͤhlten wie es ihnen ergangen war, und daß jeder das Seinige gelernt haͤtte. Nun saßen sie gerade vor dem Haus unter einem großen Baum, da sprach der Vater ‘jetzt will ich euch auf die Probe stellen, und sehen was ihr koͤnnt.’ Danach schaute er auf, und sagte zu dem zweiten Sohne ‘oben im Gipfel dieses Baums sitzt zwischen zwei Aesten ein Buchfinkennest, sag mir wie viel Eier liegen darin?’ Der Sterngucker nahm sein Glas, schaute hinauf, und sprach ‘fuͤnfe sinds.’ Sprach der Vater zum aͤltesten ‘hol du die Eier herunter, ohne daß der Vogel, der darauf sitzt und bruͤtet, gestoͤrt wird.’ Der kunstreiche Dieb stieg hinauf, und nahm dem Voͤglein, daß gar nichts davon merkte, und ruhig sitzen blieb, die fuͤnf Eier unter dem Leib weg, und brachte sie dem Vater herab. Der Vater nahm sie, legte an jede Ecke des Tisches eins, und das fuͤnfte in die Mitte, und sprach zum Jaͤger ‘du schießest mir mit einem Schuß die fuͤnf Eier in der Mitte entzwei.’ Der Jaͤger legte seine Buͤchse an, und schoß die Eier, wie es der230 Vater verlangt hatte, alle fuͤnfe, und zwar in einem Schuß. ‘Nun kommt die Reihe an dich,’ sprach der Vater zu dem vierten Sohn, ‘du naͤhst die Eier wieder zusammen, und auch die jungen Voͤglein, die darin sind, und zwar so, daß ihnen der Schuß nichts schadet.’ Der Schneider holte seine Nadel, und naͤhte nach Vorschrift. Als er fertig war, mußte der Dieb die Eier wieder auf den Baum ins Nest tragen, und dem Vogel, ohne daß er etwas gewahr ward, wieder unter legen. Das Thierchen bruͤtete sie vollens aus, und nach ein paar Tagen krochen die Jungen hervor, und hatten da, wo der Schneider sie zusammengenaͤht, ein rothes Streifchen um den Hals.
‘Ja,’ sprach der Alte zu seinen Soͤhnen, ‘ich muß gestehen, ihr habt eure Zeit wohl benutzt, und was rechtschaffenes gelernt: ich kann nicht sagen wem von euch der Vorzug gebuͤhrt. Wenn ihr nur bald Gelegenheit habt eure Kunst anzuwenden.’ Nicht lange danach kam ein großer Laͤrm ins Land, die Koͤnigstochter waͤre von einem Drachen entfuͤhrt worden. Der Koͤnig war Tag und Nacht daruͤber in Sorgen, und ließ bekannt machen wer sie zuruͤck braͤchte sollte sie zur Gemahlin haben. Die vier Bruͤder sprachen unter einander ‘das waͤre eine Gelegenheit, wo wir uns koͤnnten sehen lassen,’ und beschlossen die Koͤnigstochter zu befreien. ‘Wo sie ist, will ich bald wissen’ sprach der Sterngucker, schaute durch sein Glas, und sprach ‘ich sehe sie, sie sitzt weit von hier auf einem Felsen im Meer bei dem Drachen, der sie huͤtet.’ Da gieng er zu dem Koͤnig, und bat um ein Schiff fuͤr sich und seine Bruͤder, und fuhr mit ihnen231 uͤber das Meer bis sie zur Staͤtte hin kamen. Die Koͤnigstochter saß da, und der Drache lag in ihrem Schooß und schlief. Der Jaͤger sprach ‘ich darf nicht schießen, ich wuͤrde die schoͤne Jungfrau zugleich toͤdten.’ ‘So will ich mein Heil versuchen’ sagte der Dieb, und stahl sie unter dem Drachen weg, so leis und behend, daß das Unthier nichts merkte, sondern fortschnarchte. Sie eilten voll Freude mit ihr aufs Schiff, und steuerten in die offene See; da kam der Drache, der bei seinem Erwachen die Koͤnigstochter nicht mehr gefunden hatte, hinter ihnen her, und schnaubte wuͤthend durch die Luft; und als er gerade uͤber dem Schiff war, und sich herablassen wollte, da legte der Jaͤger seine Buͤchse an, und schoß ihm mitten ins Herz, daß er todt herabfiel. Es war aber ein so gewaltiges Unthier, daß es im Herabfallen das ganze Schiff zertruͤmmerte, und die fuͤnfe nur noch auf ein paar Brettern auf dem weiten Meer umher schwammen. Da war der Schneider nicht faul, nahm seine wunderbare Nadel, naͤhte die Bretter mit ein paar großen Stichen in der Eile zusammen, setzte sich darauf, schiffte hin, und sammelte alle Stuͤcke des Schiffs. Dann naͤhte er auch diese so behend zusammen, daß in kurzer Zeit das Schiff wieder segelfertig war, und sie gluͤcklich heim fahren konnten.
Als der Koͤnig seine Tochter wieder erblickte, war große Freude, und er sprach zu den vier Bruͤdern ‘einer von euch soll sie zur Gemahlin haben, aber welcher das ist, macht unter euch aus.’ Da entstand Streit unter ihnen, der Sterngucker sprach ‘haͤtte ich nicht die Koͤnigstochter gesehen, so waͤren alle232 eure Kuͤnste umsonst gewesen: darum ist sie mein.’ Der Dieb sprach ‘was haͤtte das Sehen geholfen, wenn ich sie nicht unter dem Drachen weggenommen haͤtte; darum ist sie mein.’ Der Jaͤger sprach ‘ihr waͤrt doch sammt der Koͤnigstochter von dem Unthier zerrissen worden, haͤtte es meine Kugel nicht getroffen; darum ist sie mein.’ Der Schneider sprach ‘und haͤtte ich euch mit meiner Kunst nicht das Schiff wieder zusammengebracht, ihr waͤrt alle jaͤmmerlich ertrunken; darum ist sie mein.’ Da that der Koͤnig den Ausspruch ‘jeder von euch hat ein gleiches Recht, und weil ein jeder die Jungfrau nicht haben kann, so soll sie keiner von euch haben, aber ich will jedem zur Belohnung ein halbes Koͤnigreich geben.’ Den Bruͤdern gefiel diese Entscheidung, und sie sprachen ‘es ist so besser, als daß wir uneins werden.’ Der Koͤnig gab jedem ein halbes Koͤnigreich, und sie lebten mit ihrem Vater in aller Gluͤckseligkeit, so lange es Gott gefiel.
Es war eine Frau, die hatte drei Toͤchter, davon hieß die aͤlteste Einaͤuglein, weil sie nur ein einziges Auge mitten auf der Stirn hatte, und die mittelste Zweiaͤuglein, weil sie zwei Augen hatte, wie andere Menschen, und die juͤngste Dreiaͤuglein, weil sie drei Augen hatte, und das dritte stand bei ihr gleichfalls mitten auf der Stirne. Darum aber, daß Zweiaͤuglein nicht anders aussah, als andere Menschenkinder, konnten es die Schwestern und die Mutter nicht leiden, und sie sprachen zu ihm ‘du siehst mit deinen zwei Augen nicht besser aus als das gemeine Volk, du gehoͤrst nicht zu uns;’ und stießen es herum, und warfen ihm schlechte alte Kleider hin, und gaben ihm nicht mehr zu essen als was sie uͤbrig ließen, und thaten ihm Herzeleid an, wo sie nur konnten.
Es trug sich zu, daß Zweiaͤuglein hinaus ins Feld gehen und die Ziege huͤten mußte, und noch ganz hungrig war, weil ihm seine Schwestern so wenig zu essen gegeben hatten. Da setzte es sich auf einen Rain, und fieng an zu weinen, und so zu weinen, daß zwei Baͤchlein aus seinen Augen herabflossen. Und wie es einmal aufsah, stand eine Frau neben ihm, die234 fragte ‘Zweiaͤuglein, was weinst du?’ Zweiaͤuglein antwortete ‘soll ich nicht weinen! weil ich zwei Augen habe wie andere Menschen, so koͤnnen mich meine Schwestern und meine Mutter nicht leiden, stoßen mich herum, werfen mir alte schlechte Kleider hin, und geben mir nichts zu essen als was sie uͤbrig lassen. Heute haben sie mir so wenig gegeben, daß ich noch ganz hungrig bin.’ Sprach die weise Frau ‘Zweiaͤuglein, trockne dir dein Angesicht, ich will dir etwas sagen, daß du nicht mehr hungern sollst. Sprich nur zu deiner Ziege
so wird ein sauber gedecktes Tischlein vor dir stehen, und das schoͤnste Essen darauf, daß du essen kannst so viel du Lust hast. Und wenn du satt bist, und das Tischlein nicht mehr brauchst, so sprich nur
so wirds vor deinen Augen wieder verschwinden.’ Darauf gieng die weise Frau fort. Zweiaͤuglein aber dachte ‘ich muß gleich einmal versuchen ob es wahr ist, war sie gesagt hat, denn mich hungert gar zu sehr,’ und sprach
und kaum hatte es die Worte ausgesprochen, so stand da ein Tischlein mit einem weißen Tuͤchlein gedeckt, darauf ein Teller mit Messer und Gabel und Loͤffel, und die schoͤnsten Speisen235 standen rund herum, und waren noch warm, als waͤren sie eben aus der Kuͤche gekommen. Da sagte Zweiaͤuglein das kuͤrzeste Gebetlein her, das es wußte, ‘Herr Gott, sey unser Gast zu aller Zeit, Amen;’ und langte zu, und ließ sichs wohl schmecken. Und als es satt war, sprach es, wie die weise Frau gelehrt hatte,
Alsbald war das Tischchen und alles, was darauf stand, wieder verschwunden. ‘Das ist ein schoͤner Haushalt’ dachte Zweiaͤuglein, und war ganz vergnuͤgt und guter Dinge.
Abends, als es mit seiner Ziege heim gekommen war, beruͤhrte es das irdene Schuͤsselchen mit Essen, das ihm die Schwestern hingestellt hatten, gar nicht, und am andern Tag zog es mit seiner Ziege wieder hinaus, und ließ auch die paar Brocken, die ihm gereicht wurden, liegen. Das erstemal und das zweitemal beachteten es die Schwestern gar nicht, wie es aber jedesmal geschah, merkten sie auf, und sprachen ‘es ist nicht richtig mit dem Zweiaͤuglein, das laͤßt jedesmal das Essen stehen, und hat doch sonst alles aufgezehrt, was ihm gereicht wurde, das muß andere Wege gefunden haben.’ Damit sie aber hinter die Wahrheit kaͤmen, sollte Einaͤuglein mitgehen, wenn Zweiaͤuglein auf die Weide gieng, und sollte Acht haben was es da vor haͤtte, und ob ihm jemand etwa Essen und Trinken braͤchte.
236Als nun Zweiaͤuglein die Ziege wieder hinaustrieb, trat Einaͤuglein zu ihm, und sprach ‘ich will mitgehen und sehen daß die Ziege auch recht gehuͤtet und ins Futter getrieben wird.’ Aber Zweiaͤuglein merkte was Einaͤuglein im Sinne hatte, und trieb die Ziege hinaus in hohes Gras, und sprach ‘komm, Einaͤuglein, wir wollen uns hinsetzen, ich will dir was vorsingen.’ Einaͤuglein setzte sich hin, und war von dem ungewohnten Weg und von der Sonnenhitze muͤde, und Zweiaͤuglein sang immer
Da that Einaͤuglein das eine Auge zu, und schlief ein. Und als Zweiaͤuglein sah daß Einaͤuglein fest schlief und nichts verrathen konnte, sprach es
und setzte sich an sein Tischlein, und aß und trank bis es satt war, dann rief es wieder
und es verschwand alles, und Zweiaͤuglein weckte nun das Einaͤuglein, und sprach ‘Einaͤuglein, du willst huͤten, und schlaͤfst dabei ein, derweil haͤtte die Ziege in alle Welt laufen koͤnnen! komm, wir wollen nach Haus gehen.’ Da giengen sie nach Haus, und Zweiaͤuglein ließ wieder sein Schuͤsselchen unangeruͤhrt stehen, und Einaͤuglein konnte der Mutter nicht sagen237 warum es nicht essen wollte, und sprach ‘ich war draußen eingeschlafen.’
Am andern Tag sprach die Mutter zu Dreiaͤuglein ‘geh du mit hinaus, und hab Acht ob Zweiaͤuglein draußen ißt, und ob ihm jemand Essen und Trinken bringt, denn essen und trinken muß es heimlich.’ Da trat Dreiaͤuglein zum Zweiaͤuglein, und sprach ‘ich will mitgehen, und sehen ob auch die Ziege recht gehuͤtet und ins Futter getrieben wird.’ Aber Zweiaͤuglein merkte was Dreiaͤuglein im Sinne hatte, und trieb die Ziege hinaus ins hohe Gras, und sprach ‘wir wollen uns dahin setzen, Dreiaͤuglein, ich will dir was vorsingen.’ Dreiaͤuglein setzte sich, und war muͤde von dem Weg und der Sonnenhitze, und Zweiaͤuglein hub wieder das vorige Liedlein an, und sang
aber statt daß es nun singen mußte
sang es aus Unbedachtsamkeit
und sang immer
Da fielen dem Dreiaͤuglein seine zwei Augen zu, und schliefen, aber das dritte, das von dem Spruͤchlein nicht angeredet wurde, schlief nicht ein: zwar that es Dreiaͤuglein zu, aber aus List, gleich als schlief es damit, doch blinzelte es, und konnte238 alles gar wohl sehen. Und als Zweiaͤuglein meinte Dreiaͤuglein schliefe fest, sagte es sein Spruͤchlein
aß und trank nach Herzenslust, und hieß dann das Tischlein wieder fortgehen,
und Dreiaͤuglein hatte alles mit angesehen. Da kam Zweiaͤuglein zu ihm, und weckte es, und sprach ‘ei, Dreiaͤuglein, bist du eingeschlafen? du kannst gut huͤten! komm, wir wollen heim gehen.’ Und als sie nach Haus kamen, aß Zweiaͤuglein wieder nicht, und Dreiaͤuglein sprach zur Mutter ‘ich weiß nun warum das hochmuͤthige Ding nicht ißt; wenn sie draußen zur Ziege spricht
so steht ein Tischlein vor ihr, das ist mit dem besten Essen besetzt, viel besser als wirs hier haben: und wenn sie satt ist, so spricht sie
und alles ist wieder verschwunden; ich hab es genau mit angesehen. Zwei Augen hatte sie mir mit einem Spruͤchlein eingeschlaͤfert, aber das eine auf der Stirne, das war zum Gluͤck wach geblieben.’ Da rief die neidische Mutter ‘willst dus besser239 haben, als wir? die Lust soll dir vergehen!’ und holte ein Schlachtmesser, und stieß es der Ziege ins Herz, daß sie todt hinfiel.
Als Zweiaͤuglein das sah, gieng es voll Trauer hinaus, und setzte sich auf den Feldrain, und weinte seine bitteren Thraͤnen. Da stand auf einmal die weise Frau wieder neben ihm, und sprach ‘Zweiaͤuglein, was weinst du?’ ‘Soll ich nicht weinen!’ antwortete es, ‘die Ziege, die mir jeden Tag auf euer Spruͤchlein den Tisch so schoͤn deckte, ist von meiner Mutter todt gestochen; nun muß ich wieder Hunger und Kummer leiden.’ Die weise Frau sprach ‘Zweiaͤuglein, ich will dir einen guten Rath ertheilen, bitt deine Schwestern daß sie dir das Eingeweide von der geschlachteten Ziege geben, und vergrabs vor der Hausthuͤr, so wirds dein Gluͤck sein.’ Da verschwand sie, und Zweiaͤuglein gieng heim, und sprach zu den Schwestern ‘liebe Schwestern, gebt mir doch etwas von meiner Ziege, ich verlange nichts Gutes, gebt mir nur das Eingeweide.’ Da lachten sie, und sprachen ‘das koͤnnen wir dir wohl geben, wenn du weiter nichts willst.’ Und Zweiaͤuglein nahm das Eingeweide, und vergrubs Abends in aller Stille nach dem Rathe der weisen Frau vor die Hausthuͤre.
Am andern Morgen, als sie insgesammt erwachten und vor die Hausthuͤre traten, so stand da ein wunderbarer praͤchtiger Baum, der hatte Blaͤtter von Silber, und Fruͤchte von Gold hiengen dazwischen, daß wohl nichts schoͤneres und koͤstlicheres auf der Welt zu sehen war. Sie wußten aber nicht240 wie der Baum auf einmal in der Nacht gewachsen war, nur Zweiaͤuglein merkte es, daß er aus den Eingeweiden der Ziege aufgesproßt war, denn er stand gerade da, wo es sie hinbegraben hatte. Da sprach die Mutter zu Einaͤuglein ‘steig hinauf, mein Kind, und brich uns die Fruͤchte von dem Baume ab.’ Einaͤuglein stieg hinauf, aber wie es einen von den goldenen Aepfeln greifen wollte, so fuhr ihm der Zweig aus den Haͤnden, und das geschah jedesmal, so daß es keinen einzigen Apfel brechen konnte, es mochte sich anstellen wie es wollte. Da sprach die Mutter ‘Dreiaͤuglein, steig du hinauf, du kannst mit deinen drei Augen besser um dich schauen als Einaͤuglein.’ Einaͤuglein rutschte herunter, und Dreiaͤuglein stieg hinauf: aber Dreiaͤuglein war nicht geschickter, und mochte schauen wie es wollte, die goldenen Aepfel wichen immer zuruͤck. Endlich ward die Mutter ungeduldig, und stieg selbst hinauf, konnte aber so wenig wie Einaͤuglein und Dreiaͤuglein die Frucht fassen, und griff immer in die leere Luft hinein. Da sprach Zweiaͤuglein ‘ich will mich einmal hinaufmachen, vielleicht gelingt mirs eher.’ Die Schwestern riefen zwar ‘du mit deinen zwei Augen, was willst du wohl!’ aber Zweiaͤuglein stieg hinauf, und die goldenen Aepfel zogen sich nicht vor ihm zuruͤck, sondern es war ordentlich als spraͤngen sie seinen Haͤnden entgegen, also daß es einen nach dem andern abpfluͤcken konnte, und einen ganzen Schurz voll mit herunter brachte. Die Mutter nahm sie ihm ab, und statt daß sie, Einaͤuglein und Dreiaͤuglein dafuͤr das arme Zweiaͤuglein haͤtten besser behandeln sollen, so wurden sie241 nur neidisch daß es allein die Fruͤchte holen konnte, und giengen noch haͤrter mit ihm um.
Es trug sich zu, als sie einmal beisammen an dem Baum standen, daß ein junger Ritter daher kam. ‘Geschwind, Zweiaͤuglein,’ riefen die zwei Schwestern, ‘kriech unter, daß wir uns deiner nicht schaͤmen muͤssen,’ und stießen das arme Zweiaͤuglein mit Gewalt unter ein leeres Faß, das neben dem Baume stand, und stopften die goldenen Aepfel, die es abgebrochen hatte, auch darunter. Als nun der Ritter naͤher kam, war es ein schoͤner Herr, der bewunderte den praͤchtigen Baum von Gold und Silber, und sprach zu den beiden Schwestern ‘wem gehoͤrt dieser schoͤne Baum? wer mit einen Zweig davon gaͤbe, koͤnnte dafuͤr verlangen was er wollte.’ Da antworteten Einaͤuglein und Dreiaͤuglein der Baum gehoͤrte ihnen zu, und sie wollten ihm einen Zweig wohl abbrechen. Sie gaben sich auch beide große Muͤhe, aber sie waren es nicht im Stande, denn die Zweige und die Fruͤchte wichen jedesmal vor ihnen zuruͤck. Da sprach der Ritter ‘das ist ja wunderlich, daß der Baum euch zugehoͤren soll, und ihr doch nicht Macht habt etwas davon abzubrechen.’ Sie blieben dabei, der Baum waͤre ihr Eigenthum; indem sie aber so sprachen, rollte Zweiaͤuglein unter dem Fasse ein paar goldene Aepfel heraus, so daß sie zu den Fuͤßen des Ritters liefen, denn es war boͤs daß Einaͤuglein und Dreiaͤuglein nicht die Wahrheit sprachen. Wie der Ritter die Aepfel sah, da erstaunte er, und fragte wo sie herkaͤmen? Einaͤuglein und Dreiaͤuglein antworteten sie haͤtten noch eine242 Schwester, die duͤrfte sich aber nicht sehen lassen, weil sie nur zwei Augen haͤtte, wie andere gemeine Menschen. Der Ritter aber wollte sie sehen, und rief ‘Zweiaͤuglein, komm hervor.’ Da kam Zweiaͤuglein ganz getrost unter dem Faß hervor, und der Ritter war verwundert uͤber die große Schoͤnheit, und sprach ‘gewiß, Zweiaͤuglein, kannst du mir einen Zweig von dem Baum abbrechen.’ ‘Ja,’ antwortete Zweiaͤuglein, ‘das will ich wohl koͤnnen, denn der Baum gehoͤrt mir;’ und stieg hinauf, und brach mit leichter Muͤhe einen Zweig mit seinen silbernen Blaͤttern und goldenen Fruͤchten ab, und gab ihn dem Ritter. Da sprach der Ritter ‘Zweiaͤuglein, was soll ich dir dafuͤr geben?’ ‘Ach,’ antwortete Zweiaͤuglein, ‘ich leide Hunger und Durst, Kummer und Noth, vom Morgen bis zum Abend, wenn ihr mich mitnehmen und erloͤsen wollt, so waͤre ich gluͤcklich.’ Da hob der Ritter das Zweiaͤuglein auf sein Pferd, und brachte es heim auf sein vaͤterliches Schloß, dort gab er ihm schoͤne Kleider, Essen und Trinken nach Herzenslust, und weil er es so lieb hatte, ließ er sich mit ihm einsegnen, und ward die Hochzeit in großer Freude gehalten.
Wie nun Zweiaͤuglein so von dem schoͤnen Rittersmann fortgefuͤhrt wurde, da waren die zwei Schwestern recht neidisch uͤber sein Gluͤck. ‘Der wunderbare Baum bleibt uns doch,’ dachten sie, ‘koͤnnen wir auch keine Fruͤchte davon brechen, so wird doch jedermann davor stehen bleiben, zu uns kommen, und ihn ruͤhmen; wer weiß was uns noch fuͤr ein Gluͤck bluͤht!’ Aber am andern Morgen war der Baum verschwunden, und243 ihre Hoffnung dahin: und wie Zweiaͤuglein zu seinem Kaͤmmerlein hinaussah, so stand er zu seiner großen Freude davor, und war ihm also nach gefolgt.
Zweiaͤuglein lebte lange Zeit vergnuͤgt; da kamen einmal zwei arme Frauen auf ihr Schloß, und baten um ein Almosen. Da sah ihnen Zweiaͤuglein ins Gesicht, und erkannte ihre Schwestern Einaͤuglein und Dreiaͤuglein, die so in Armuth gerathen waren, daß sie umher ziehen und vor den Thuͤren ihr Brot suchen mußten. Zweiaͤuglein aber hieß sie willkommen, und that ihnen Gutes, und pflegte sie, also daß die beiden von Herzen bereuten was sie ihrer Schwester in der Jugend Boͤses angethan hatten.
‘Guten Tag, Vater Hollenthe.’ ‘Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie.’ ‘Koͤnnt ich wohl eure Tochter kriegen?’ ‘O ja, wenns die Mutter Malcho (Melk-Kuh), der Bruder Hohenstolz, die Schwester Kaͤsetraut, und die schoͤne Katrinelje will, so kanns geschehen.’
‘Guten Tag, Mutter Malcho.’ ‘Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie.’ ‘Koͤnnt ich wohl eure Tochter kriegen?’ ‘O ja, wenns der Vater Hollenthe, der Bruder Hohenstolz, die Schwester Kaͤsetraut, und die schoͤne Katrinelje will, so kanns geschehen.’
‘Guten Tag, Bruder Hohenstolz.’ ‘Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie.’ ‘Koͤnnt ich wohl eure Schwester kriegen?’ ‘O ja, wenns der Vater Hollenthe, die Mutter Malcho, die Schwester Kaͤsetraut, und die schoͤne Katrinelje will, so kanns geschehen.’
‘Guten Tag, Schwester Kaͤsetraut.’ ‘Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie.’ ‘Koͤnnt ich wohl eure Schwester kriegen?’ ‘O ja, wenns der Vater Hollenthe, die Mutter Malcho, der Bruder Hohenstolz, und die schoͤne Katrinelje will, so kanns geschehen.’
‘Guten Tag, schoͤne Katrinelje.’ ‘Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie.’ ‘Willst du wohl mein Schatz seyn?’ ‘O ja, wenns der Vater Hollenthe, die Mutter Malcho, der Bruder Hohenstolz, die Schwester Kaͤsetraut will, so kanns geschehen.’
‘Schoͤn Katrinelje, wie viel hast du an Brautschatz?’ ‘Vierzehn Pfennige baares Geld, drittehalb Groschen Schuld, ein halb Pfund Hutzeln, eine Hand voll Prutzeln, eine Hand voll Wurzeln,
‘Pif, Paf, Poltrie, was kannst du fuͤr ein Handwerk? bist du ein Schneider?’ ‘Noch viel besser.’ ‘Ein Schuster?’ ‘Noch viel besser.’ ‘Ein Ackersmann?’ ‘Noch viel besser.’ ‘Ein Schreiner?’ ‘Noch viel besser.’ ‘Ein Schmied?’ ‘Noch viel besser.’ ‘Ein Muͤller?’ ‘Noch viel besser.’ ‘Vielleicht ein Besenbinder?’ ‘Ja, ist das nicht ein schoͤnes Handwerk?’
Es hatte ein Bauer ein treues Pferd, das war alt geworden und konnte keine Dienste mehr thun, da wollt ihm sein Herr nichts mehr zu fressen geben, und sprach ‘brauchen kann ich dich freilich nicht mehr, indeß mein ich es gut mit dir, zeigst du dich noch so stark, daß du mir einen Loͤwen hierher bringst, so will ich dich behalten, jetzt aber mach dich fort aus meinem Stall;’ und jagte es damit ins Feld. Das Pferd war traurig, und gieng nach dem Wald zu, dort ein wenig Schutz vor dem Wetter zu suchen; da begegnete ihm der Fuchs, und sprach ‘was haͤngst du so den Kopf, und gehst so einsam herum?’ ‘Ach,’ sagte das Pferd, ‘Geitz und Treue wohnen nicht beisammen in einem Haus; mein Herr hat vergessen was ich ihm alles in so vielen Jahren gethan habe, und weil ich nicht recht mehr ackern kann, will er mir kein Futter mehr geben, und hat mich fortgejagt.’ ‘Ohne allen Trost?’ fragte der Fuchs. ‘Der Trost war schlecht, er hat gesagt, wenn ich so stark waͤre, daß ich ihm einen Loͤwen braͤchte, wollt er mich behalten, aber er weiß wohl daß ich das nicht vermag.’ Der Fuchs sprach ‘da will ich dir helfen, leg dich nur hin, streck dich aus, und rege dich nicht, als waͤrst du todt.’ Das Pferd that was der Fuchs verlangte, der Fuchs aber gieng zum Loͤwen, der seine Hoͤhle nicht247 weit davon hatte, und sprach ‘da draußen liegt ein todtes Pferd, komm doch mit hinaus, da kannst du eine fette Mahlzeit halten.’ Der Loͤwe gieng mit; wie sie bei dem Pferd standen, sprach der Fuchs ‘hier hast dus doch nicht nach deiner Gemaͤchlichkeit, weißt du was? ich wills mit dem Schweif an dich binden, so kannst dus in deine Hoͤhle ziehen, und in aller Ruhe verzehren.’ Dem Loͤwen gefiel der Rath, und er stellte sich hin, damit ihm der Fuchs das Pferd anknuͤpfen koͤnne, hielt auch fein still. Der Fuchs aber band mit des Pferdes Schweif dem Loͤwen die Beine zusammen, und drehte und schnuͤrte alles so wohl und stark, daß es mit keiner Kraft zu zerreißen war. Als er nun sein Werk vollendet hatte, klopfte er dem Pferd auf die Schulter, und sprach ‘zieh Schimmel, zieh.’ Da sprang das Pferd mit einmal auf, und zog den Loͤwen mit sich fort; der Loͤwe fieng an zu bruͤllen, daß die Voͤgel in dem ganzen Wald vor Schrecken aufflogen, aber das Pferd ließ ihn bruͤllen, zog und schleppte ihn uͤber das Feld vor seines Herrn Thuͤr. Wie der Herr das sah, besann er sich eines bessern, und sprach zu dem Pferd ‘du sollst bei mir bleiben, und es gut haben,’ und gab ihm satt zu fressen bis es starb.
Es war einmal ein Koͤnig, der hatte zwoͤlf Toͤchter, eine immer schoͤner als die andere, die hatten ihre zwoͤlf Betten zusammen in einem Saal, und wann sie waren schlafen gegangen, wurde die Thuͤre verschlossen und verriegelt, und doch waren jeden Morgen ihre Schuhe zertanzt, und wußte niemand, wo sie gewesen und wie es zugegangen war. Da ließ der Koͤnig ausrufen wers koͤnnte ausfindig machen, wo sie in der Nacht tanzten, der sollte sich eine davon zur Frau waͤhlen, und nach seinem Tod Koͤnig seyn; wer sich aber meldete, und es nach drei Tagen und Naͤchten nicht herausbraͤchte, der haͤtte sein Leben verwirkt. Es kam bald ein Koͤnigssohn, der ward wohl aufgenommen, und Abends in das Zimmer gefuͤhrt, das vor dem Schlafsaal der zwoͤlf Toͤchter war, da stand sein Bett, und da sollte er Acht haben, wo sie hingiengen und tanzten; und damit sie nichts heimlich treiben konnten oder zu einem andern Ort hinausgiengen, war auch die Saalthuͤre offen gelassen. Der Koͤnigssohn aber schlief ein, und als er am Morgen aufwachte, waren alle zwoͤlfe zum Tanz gewesen, denn ihre Schuhe standen da, und hatten Loͤcher in den Sohlen. Den zweiten und dritten Abend giengs eben so, und da ward ihm sein Haupt abgeschlagen; und so kamen noch viele und249 meldeten sich zu dem Wagestuͤck, sie mußten aber alle ihr Leben lassen. Nun trug sichs zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte, und nicht mehr dienen konnte, nach der Stadt zugieng, wo der Koͤnig wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn wo er hin wollte. ‘Jch weiß selber nicht recht,’ sprach er, ‘aber ich haͤtte wohl Lust Koͤnig zu werden, und auszumachen wo die Koͤnigstoͤchter ihre Schuhe vertanzen.’ ‘Das ist so schwer nicht,’ sagte die Alte, ‘du mußt nur den Wein nicht trinken, den dir die eine Abends bringt, und mußt thun, als waͤrst du fest eingeschlafen.’ Darauf gab sie ihm ein Maͤntelchen, und sprach ‘wenn du das umhaͤngst, so bist du unsichtbar, und kannst den Zwoͤlfen dann nachschleichen.’ Wie der Soldat den guten Rath bekommen hatte, wards Ernst bei ihm, so daß er sich ein Herz faßte, vor den Koͤnig gieng, und sich als Freier meldete. Er ward so gut aufgenommen wie die andern auch, und wurden ihm koͤnigliche Kleider angethan. Abends zur Schlafenszeit wurde er in das Vorzimmer gefuͤhrt, und als er zu Bette gehen wollte, kam die aͤlteste, und brachte ihm einen Becher Wein, aber er hatte sich einen Schwamm unter das Kinn gebunden, und ließ den Wein da hineinlaufen, und trank keinen Tropfen. Dann legte er sich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fieng er an zu schnarchen wie im tiefsten Schlaf. Das hoͤrten die zwoͤlf Koͤnigstoͤchter, lachten, und die aͤlteste sprach ‘der haͤtte auch sein Leben sparen koͤnnen.’ Danach standen sie auf, oͤffneten Schraͤnke, Kisten und Kasten, und holten praͤchtige Kleider heraus, putzten sich vor den Spiegeln, sprangen herum, und freuten sich auf den Tanz. Nur250 die juͤngste sagte ‘ich weiß nicht, ihr freut euch, aber mir ist so wunderlich zu Muthe, gewiß widerfaͤhrt und ein Ungluͤck.’ ‘Du bist eine Schneegans,’ sagte die aͤlteste, ‘du fuͤrchtest dich immer; hast du vergessen wie viel Koͤnigssoͤhne schon umsonst da gewesen sind; dem Soldaten haͤtt ich nicht einmal brauchen einen Schlaftrunk zu geben, er waͤre doch nicht aufgewacht.’ Wie sie alle fertig waren, sahen sie erst nach dem Soldaten, aber der ruͤhrte und regte sich nicht; und wie sie nun glaubten ganz sicher zu seyn, so gieng die aͤlteste an ihr Bett, und klopfte daran, alsbald sank es in die Erde, und oͤffnete sich eine Fallthuͤr. Da sah der Soldat wie sie herunter stiegen, eine nach der andern, die aͤlteste voran. Er zauderte nicht lange, richtete sich auf, hieng sein Maͤntelchen um, und stieg hinter der juͤngsten mit hinab. Mitten auf der Treppe trat er ihr ein wenig aufs Kleid, da erschrack sie, und rief ‘es ist nicht richtig, es haͤlt mich Jemand am Kleid.’ ‘Sey nicht so einfaͤltig,’ sagte die aͤlteste, ‘du bist an einem Haken haͤngen geblieben.’ Da giengen sie vollends hinab, und wie sie unten waren, standen sie in einem wunderpraͤchtigen Baumgang, da waren alle Blaͤtter von Silber, und schimmerten und glaͤnzten. Der Soldat dachte ‘du willst dir ein Wahrzeichen mitnehmen,’ und brach einen Zweig davon ab, da kam ein gewaltiger Krach aus dem Baume. Die juͤngste rief wieder ‘es ist nicht richtig, habt ihr den Knall gehoͤrt, das ist noch nie hier geschehen.’ Die aͤlteste aber sprach ‘das sind Freudenschuͤsse, weil wir unsere Prinzen bald erloͤst haben.’ Sie kamen darauf in einen Baumgang, wo alle Blaͤtter von Gold, und endlich in einen dritten, wo sie251 klarer Demant waren; von beiden brach er einen Zweig ab, wobei es jedesmal krachte, daß die juͤngste vor Schrecken zusammenfuhr, aber die aͤlteste blieb dabei, es waͤren Freudenschuͤsse. Da giengen sie weiter bis zu einem großen Wasser, darauf standen zwoͤlf Schifflein, und in jedem Schifflein saß ein schoͤner Prinz, die hatten auf die zwoͤlfe gewartet, und jeder nahm eine zu sich, der Soldat aber setzte sich mit der juͤngsten ein. Da sprach der Prinz ‘ich weiß nicht, das Schiff ist heute viel schwerer, und ich muß aus allen Kraͤften rudern, wenn ich es fort bringen soll.’ ‘Wovon sollte das kommen,’ sprach die juͤngste, ‘als vom warmen Wetter, es ist mir auch so heiß zu Muth.’ Jenseits des Wassers aber stand ein schoͤnes hellerleuchtetes Schloß, woraus eine lustige Musik erschallte von Pauken und Trompeten; sie ruderten hinuͤber, giengen ein, und jeder Prinz tanzte mit seiner Liebsten; der Soldat aber tanzte unsichtbar mit, und wenn eine einen Becher mit Wein hielt, so trank er ihn aus, daß er leer war, wenn sie ihn an den Mund brachte; und der juͤngsten ward auch angst daruͤber, aber die aͤlteste brachte sie immer zum Schweigen. Sie tanzten da bis drei Uhr am andern Morgen, wo alle Schuhe durchgetanzt waren, und sie aufhoͤren mußten. Die Prinzen fuhren sie uͤber das Wasser wieder zuruͤck, und der Soldat setzte sich diesmal vornen hin zur aͤltesten; am Ufer nahmen sie von ihren Prinzen Abschied, und versprachen in der folgenden Nacht wieder zu kommen. Als sie an der Treppe waren, lief der Soldat voraus, legte sich ins Bett, und als die Zwoͤlf langsam und muͤde herauf getrippelt kamen, schnarchte er schon wieder laut, so daß252 sie sprachen ‘nun, vor dem sind wir sicher.’ Da thaten sie ihre schoͤnen Kleider aus, brachten sie weg, stellten die zertanzten Schuhe unter das Bett, und legten sich nieder. Am andern Morgen wollte der Soldat nichts sagen, sondern das wunderliche Wesen noch mit ansehen, und gieng die zweite und die dritte Nacht wieder mit, und da war alles, wie das erstemal, und sie tanzten jedesmal bis die Schuhe entzwei waren; nur das drittemal nahm er noch einen Becher mit zum Wahrzeichen. Zu der Stunde nun, wo er antworten sollte, nahm er die drei Zweige und den Becher zu sich, und gieng vor den Koͤnig, und die Zwoͤlfe standen hinter der Thuͤre, und horchten was er sagen wuͤrde. Wie der Koͤnig nun fragte, ‘wo haben meine zwoͤlf Toͤchter ihre Schuhe in der Nacht vertanzt?’ antwortete er ‘mit zwoͤlf Prinzen in einem unterirdischen Schloß,’ und erzaͤhlte alles, und holte die Wahrzeichen hervor. Da rief der Koͤnig seine Toͤchter, und fragte sie ob der Soldat die Wahrheit gesagt haͤtte, und da sie sahen daß sie verrathen waren, und Laͤugnen nichts half, gestanden sie alles. Darauf fragte ihn der Koͤnig ‘welche er zur Frau haben wollte.’ Er antwortete ‘ich bin nicht mehr jung, so gebt mir die aͤlteste.’ Da ward noch an selbigem Tage die Hochzeit gehalten, und ihm das Reich nach des Koͤnigs Tode versprochen; aber die Prinzen wurden auf so viel Tage wieder verwuͤnscht, als sie Naͤchte mit den Zwoͤlfen getanzt hatten.
Vor Zeiten lebte eine alte Koͤnigin, die war eine Zauberin, und ihre Tochter war das schoͤnste Maͤdchen unter der Sonne. Sie dachte aber nur darauf, wie sie die Menschen ins Verderben locken koͤnnte, und wenn ein Freier kam, so sprach sie wer ihre Tochter haben wollte, muͤsse einen Bund (eine Aufgabe) loͤsen oder sterben. Viele, von der Schoͤnheit der Jungfrau verblendet, wagten es wohl, aber sie konnten nicht vollbringen was die Alte ihnen auflegte, und dann war keine Gnade, sie mußten niederknien, und das Haupt ward ihnen abgeschlagen. Nun geschah es, daß ein Koͤnigssohn auch von der großen Schoͤnheit der Jungfrau hoͤrte, und zu seinem Vater sprach ‘lieber Vater, laßt mich hinziehen, ich will um sie werben.’ ‘Nimmermehr,’ antwortete der Koͤnig, ‘gehst du fort, so gehst du in deinen Tod.’ Da legte der Sohn sich nieder, und ward sterbenskrank, und lag sieben Jahre lang, und kein Arzt konnte ihm helfen. Als der Vater nun sah daß er doch verloren waͤre, sprach er voll Herzenstraurigkeit zu ihm ‘ziehe hin, und versuche dein Gluͤck, ich weiß dir sonst nicht zu helfen.’ Wie der Sohn das hoͤrte, stand er auf von seinem Lager, war gesund, und machte sich froͤhlich auf den Weg.
254Es trug sich zu, als er durch ein Holz zu reiten kam, daß er von weitem etwas großes auf der Erde liegen sah, und wie er sich naͤherte, konnte er unterscheiden daß es der Bauch eines Menschen war, der sich dahin gestreckt hatte; der Bauch aber sah aus, wie ein kleiner Berg. Der Dicke, wie er den Reisenden erblickte, richtete sich in die Hoͤhe, und sprach ‘wenn ihr jemand braucht, so nehmt mich in eure Dienste.’ Der Koͤnigssohn antwortete ‘was soll ich mit einem so dicken Manne anfangen?’ ‘O,’ sprach der Dicke, ‘das will nichts sagen, wenn ich mich recht aus einander thue, bin ich noch dreitausendmal so dick.’ ‘Wenn das ist,’ sagte der Koͤnigssohn, ‘so kann ich dich brauchen, komm mit mir.’ Da gieng der Dicke hinter dem Koͤnigssohn her, und uͤber eine Weile fanden sie einen andern, der lag da auf der Erde, und hatte das Ohr auf den Rasen gelegt. Fragte der Koͤnigssohn ‘was machst du da?’ ‘Jch horche,’ antwortete der Mann. ‘Wonach horchst du so aufmerksam?’ ‘Jch horche nach dem was in der Welt sich eben zutraͤgt, denn ich hoͤre alles, so gar das Gras hoͤre ich wachsen.’ Fragte der Koͤnigssohn ‘sage mir, was hoͤrst du am Hofe der alten Koͤnigin, welche die schoͤne Tochter hat.’ Da antwortete er ‘ich hoͤre das Schwert sausen, das einem Freier den Kopf abschlaͤgt.’ Der Koͤnigssohn sprach ‘ich kann dich brauchen, komm mit mir.’ Da zogen sie weiter, und sahen einmal ein paar Fuͤße da liegen und auch etwas von den Beinen, aber das Ende konnten sie nicht sehen. Als sie eine gute Strecke fortgegangen waren, kamen sie zu dem Leib und endlich auch zu dem Kopf. ‘Ei,’ sprach der Koͤnigssohn, ‘was bist du fuͤr ein langer Strick!’ ‘O,’255 antwortete der Lange, ‘das ist noch gar nichts, wenn ich mich erst recht ausstrecke, bin ich noch dreitausendmal so lang, und groͤßer, als der hoͤchste Berg auf Erden. Jch will euch gerne dienen, wenn ihr mich wollt.’ ‘Komm mit,’ sprach der Koͤnigssohn, ‘ich kann dich brauchen.’ Sie zogen weiter, und fanden einen am Weg sitzen, der hatte die Augen zugebunden. Sprach der Koͤnigssohn zu ihm ‘bist du blind oder hast du bloͤde Augen, daß du nicht in das Licht sehen kannst?’ ‘Nein,’ antwortete der Mann, ‘ich darf die Binde nicht abnehmen, denn was ich mit meinen Augen ansehe, das springt aus einander, solch eine große Gewalt liegt in meinem Blick. Kann euch das nuͤtzen, so will ich euch gern dienen.’ ‘Komm mit,’ antwortete der Koͤnigssohn, ‘ich kann dich brauchen.’ Sie zogen weiter, und fanden einen Mann, der lag mitten im heißen Sonnenschein, und zitterte, und fror am ganzen Leibe, so daß ihm kein Glied still stand. ‘Wie kannst du mitten im Sommer so frieren?’ sprach der Koͤnigssohn, ‘die Sonne scheint ja warm genug.’ ‘Ach,’ antwortete der Mann, ‘je heißer es ist, destomehr frier ich, und der Frost dringt mir dann durch alle Knochen, und je kaͤlter es ist, desto heißer wird mir, und mitten im Eis kann ichs vor Hitze, und mitten im Feuer vor Kaͤlte nicht aushalten.’ ‘Du bist ein wunderlicher Kerl,’ sprach der Koͤnigssohn, ‘aber wenn du mir dienen willst, so komm mit.’ Nun zogen sie weiter, und sahen einen Mann stehen, der machte einen langen Hals, und schaute sich um, und schaute uͤber alle Berge hinaus. Sprach der Koͤnigssohn ‘wonach siehst du so eifrig?’ Da antwortete der Mann ‘ich habe so256 helle Augen, daß ich uͤber alle Waͤlder und Felder, Thaͤler und Berge hinaus und durch die ganze Welt sehen kann.’ Der Koͤnigssohn sprach ‘willst du, so komm mit mir, denn so einer fehlte mir noch.’
Nun zog der Koͤnigssohn mit seinen sechs Dienern in die Stadt ein, wo die alte Koͤnigin lebte, trat vor sie, und sprach ‘so ihr mir eure schoͤne Tochter geben wollt, will ich vollbringen, was ihr auferlegt.’ ‘Ja,’ antwortete die Zauberin, ‘dreimal will ich dir einen Bund aufgeben, loͤsest du ihn jedesmal, so sollst du der Herr und Gemahl meiner Tochter werden.’ Sprach er ‘was wollt ihr mir zuerst aufgeben?’ ‘Daß du mir einen Ring wiederbringst, den ich ins rothe Meer habe fallen lassen.’ Da gieng der Koͤnigssohn heim zu seinen Dienern, und sprach ‘der erste Bund ist nicht leicht, ein Ring soll aus dem rothen Meer geholt werden, nun schafft Rath.’ Da sprach der mit den hellen Augen ‘ich will sehen wo er liegt,’ und schaute in das Meer hinab, und sagte ‘dort liegt er, neben einem Stein.’ ‘Jch wollte ihn wohl herausholen,’ sprach der Lange, ‘wenn ich ihn nur sehen koͤnnte.’ ‘Da will ich dir helfen’ rief der Dicke, legte sich nieder, und hielt seinen Mund ins Wasser, und ließ die Wellen hineinlaufen, und trank das ganze Meer aus, daß es trocken ward wie eine Wiese. Nun buͤckte sich der Lange nur ein wenig, und holte den Ring mit der einen Hand heraus. Da war der Koͤnigssohn froh, und brachte ihn der Alten. Sie sah den Ring an, und sprach mit Verwunderung ‘ja, es ist der rechte; den ersten Bund hast du gluͤcklich geloͤst, aber nun kommt der zweite. Siehst257 du dort auf der Wiese vor meinem Schlosse, da weiden dreihundert fette Ochsen, die mußt du mit Haut und Haar, Knochen und Hoͤrnern verzehren, und unten im Keller liegen dreihundert Faͤsser Wein, die mußt du dazu austrinken, und bleibt von den Ochsen ein Haar, und von dem Wein ein Troͤpfchen uͤbrig, so ist mir dein Leben verfallen.’ Sprach der Koͤnigssohn ‘darf ich mir keine Gaͤste dazu laden? ohne Gesellschaft schmeckt keine Mahlzeit.’ Die Alte lachte in Bosheit, und antwortete ‘einen darfst du dir dazu laden, damit du Gesellschaft hast, aber weiter keinen.’
Da gieng der Koͤnigssohn zu seinen Dienern, und sprach zu dem Dicken ‘du sollst heute mein Gast seyn, und dich einmal satt essen.’ Da that sich der Dicke von einander, und aß die dreihundert Ochsen, daß kein Haar uͤbrig blieb, und fragte ob weiter nichts als das Fruͤhstuͤck da waͤre; den Wein aber trank er gleich aus den Faͤssern, ohne daß er ein Glas noͤthig hatte, und trank den letzten Tropfen vom Nagel herunter. Als die Mahlzeit zu Ende war, gieng der Koͤnigssohn zur Alten, und sagte ihr der zweite Bund waͤre geloͤst. Sie verwunderte sich, und sprach ‘so weit wie du hats noch keiner gebracht, aber es ist noch ein Bund uͤbrig,’ und dachte ‘du sollst mir nicht entgehen, und sollst deinen Kopf nicht oben erhalten.’ ‘Heut Abend,’ sprach sie, ‘bring ich meine Tochter zu dir in deine Kammer und in deinen Arm, da sollt ihr beisammen sitzen, aber huͤte dich daß du nicht einschlaͤfst; ich komme Schlag zwoͤlf Uhr, und ist sie dann nicht mehr in deinen Armen, so hast du verloren.’ ‘O,’ dachte der Koͤnigssohn, ‘der Bund ist leicht, ich will wohl meine Augen offen behalten,’ doch258 rief er seine Diener, erzaͤhlte ihnen was die Alte gesagt hatte, und sprach ‘wer weiß, was fuͤr eine List dahinter steckt, Vorsicht ist gut, haltet Wache, und sorgt daß die Jungfrau nicht wieder aus meiner Kammer kommt.’ Als es nun Nacht wurde, da brachte die Alte ihre Tochter, und fuͤhrte sie in die Arme des Koͤnigssohns, und danach schlang sich der Lange um sie beide in einen Kreiß, und der Dicke stellte sich vor die Thuͤre, also daß keine lebendige Seele herein konnte. Da saßen sie beide, und die Jungfrau sprach kein Wort, aber der Mond schien durchs Fenster auf ihr Angesicht, daß er ihre wunderbare Schoͤnheit sehen konnte. Er that nichts als sie anschauen, und war voll Freude und Liebe, und seine Augen wurden nicht muͤde; das dauerte bis elf Uhr, da fiel, durch die Kuͤnste der Alten, ein Zauber uͤber alle, daß sie sichs nicht erwehren konnten und einschliefen, und in dem Augenblick war auch die Jungfrau entruͤckt.
Nun schliefen sie hart bis ein Viertel vor zwoͤlf, da war der Zauber kraftlos, und sie erwachten alle wieder. ‘O Jammer und Ungluͤck,’ rief der Koͤnigssohn, ‘nun bin ich verloren!’ Die treuen Diener fiengen auch an zu klagen, aber der Horcher sprach ‘seyd einmal still, ich will horchen,’ da horchte er einen Augenblick, und dann sprach er ‘sie sitzt in einem Felsen dreihundert Stunden von hier, und bejammert ihr Schicksal; du kannst helfen, Langer, wenn du dich aufrichtest, so bist du mit ein paar Schritten dort.’ ‘Ja,’ antwortete der Lange, ‘aber der mit den scharfen Augen muß mitgehen, damit wir den Felsen wegschaffen.’ Da huckte der Lange den mit verbundenen Augen auf, und im Augenblick, wie man259 eine Hand umwendet, waren sie vor dem verwuͤnschten Felsen. Alsbald nahm der Lange dem andern die Binde von den Augen, der sich nur umschaute, so war der Felsen in tausend Stuͤcke zersprungen. Da nahm der Lange die Jungfrau auf den Arm, trug sie in einem Nu zuruͤck, und kam wieder, und holte auch noch seinen Kameraden, und eh es zwoͤlfe schlug, saßen sie alle wieder, wie vorher, und waren munter und guter Dinge. Jm Schlag zwoͤlf schlich die alte Zauberin herzu mit einem hoͤhnischen Gesicht, als wollte sie sagen ‘nun ist er mein,’ und glaubte nicht anders, als ihre Tochter saͤße dreihundert Stunden weit im Felsen. Als sie aber herbei kam, und ihre Tochter in den Armen des Koͤnigssohns sah, erschrack sie, und sprach ‘da ist einer, der kann mehr als ich.’ Aber sie durfte nichts einwenden, und mußte ihm die Jungfrau zusagen. Doch sprach sie ihr ins Ohr ‘es ist eine Schande fuͤr dich, daß du durch gemeine Diener gewonnen wirst, und dir einen Gemahl nicht nach deinem Gefallen waͤhlen darfst.’
Nun hatte die Jungfrau wirklich ein so stolzes Herz, daß sie daruͤber mit Zorn erfuͤllt wurde, und am andern Morgen ließ sie dreihundert Malter Holz zusammenfahren, und sprach zu dem Koͤnigssohn, die drei Buͤnde waͤren geloͤst, aber wenn sie ihn heirathen sollte, muͤste jemand sich mitten in das Holz setzen, und das Feuer aushalten. Dabei dachte sie wenn die Diener ihm auch alles thaͤten, wuͤrde sich doch keiner fuͤr ihn verbrennen, und aus Liebe zu ihr wuͤrde er selber sich hinein setzen, und dann waͤre sie frei. Wie aber die Diener das hoͤrten, sprachen sie ‘wir haben alle etwas gethan, nur der Frostige noch nicht, der muß auch daran,’ und nahmen260 ihn, und trugen ihn ins Holz hinein, und stecktens an. Da hub das Feuer an, und brannte drei Tage, bis alles Holz verzehrt war, und als es verlosch, stand der Frostige mitten in der Asche, und zitterte wie ein Espenlaub und sprach ‘so hab ich mein Lebtage nicht gefroren, und wenns laͤnger gedauert haͤtte, waͤr ich im Frost erstarrt.’
Nun war keine Ausflucht mehr zu finden, die schoͤne Jungfrau mußte mit dem Koͤnigssohn sich vermaͤhlen. Als sie aber nach der Kirche fuhren, sprach die Alte ‘ich kanns nimmermehr zugeben,’ und schickte ihr Kriegsvolk nach, das sollte alles niedermachen, was ihm vorkaͤme, und ihr die Tochter zuruͤckbringen. Der Horcher aber hatte die Ohren gespitzt, und die heimlichen Reden der Alten angehoͤrt, und sagte es dem Dicken, der wußte Rath, speite einmal oder zweimal aus hinter dem Wagen, da entstand ein groß Wasser, worin die Kriegsvoͤlker stecken blieben und ertranken. Als sie nicht zuruͤckkamen, schickte die Alte ganz geharnischte Reiter, aber der Horcher hoͤrte sie kommen, und band dem einen die Augen auf, der guckte die Feinde ein bischen scharf an, da sprangen sie aus einander wie Glas. Nun fuhren sie ungestoͤrt weiter, und als sie in der Kirche verheirathet und eingesegnet waren, nahmen die sechs Diener ihren Abschied, und sprachen ‘wir wollen weiter unser Gluͤck in der Welt versuchen.’
Eine halbe Stunde vor dem Schloß war ein Dorf, vor dem huͤtete ein Schweinehirt seine Heerde; wie sie dahin kamen, sprach er zu seiner Frau ‘weißt du auch recht wer ich bin? ich bin kein Koͤnigssohn, sondern ein Schweinehirt, und der mit der Herde261 dort, das ist mein Vater, und nun muͤssen wir zwei auch daran, und ihm helfen huͤten.’ Dann stieg er mit ihr in ein Wirthshaus ab, und sagte heimlich zu den Wirthsleuten in der Nacht sollten sie ihr die koͤniglichen Kleider wegnehmen. Wie sie nun am Morgen aufwachte, hatte sie nichts anzuthun, und die Wirthin gab ihr einen alten Rock, und ein Paar alte wollene Struͤmpfe, und that noch als waͤrs ein großes Geschenk, und sprach ‘wenn nicht euer Mann waͤre, haͤtt ichs euch gar nicht gegeben.’ Da glaubte sie er waͤre wirklich ein Schweinehirt, und huͤtete mit ihm die Herde, und dachte ‘ich habe es verdient mit meinem Uebermuth und Stolz.’ Das dauerte acht Tage, da konnte sie es nicht mehr aushalten, denn die Fuͤße waren ihr ganz wund geworden. Da kamen ein paar Leute, und fragten ob sie recht wuͤßte wer ihr Mann waͤre. ‘Ja,’ antwortete sie, ‘er ist ein Schweinehirt, und ist eben ausgegangen mit ein wenig Band zu handeln.’ Sie sprachen aber ‘kommt einmal mit, wir wollen euch zu ihm hinfuͤhren,’ und brachten sie ins Schloß hinauf; und wie sie in den Saal kam, stand da ihr Mann in koͤniglichen Kleidern. Sie erkannte ihn aber nicht, bis er ihr um den Hals fiel, sie kuͤßte und sprach ‘ich habe so viel fuͤr dich gelitten, da hast du auch fuͤr mich leiden sollen.’ Nun ward erst recht die Hochzeit gefeiert, und ders erzaͤhlt hat, wollte er waͤre auch dabei gewesen.
Eine Frau gieng mit ihrer Tochter und Stieftochter uͤber Feld, Futter zu schneiden. Da kam der liebe Gott als ein armer Mann zu ihnen gegangen, und fragte ‘wo fuͤhrt der Weg ins Dorf?’ ‘Ei,’ sprach die Mutter, ‘sucht ihn selber,’ und die Tochter setzte noch hinzu ‘habt ihr Sorge daß ihr ihn nicht findet, so bringt euch einen Wegweiser mit.’ Die Stieftochter aber sprach ‘armer Mann, ich will dich fuͤhren, komm mit mir.’ Da erzuͤrnte der liebe Gott uͤber die Mutter und Tochter, wendete ihnen den Ruͤcken zu, und verwuͤnschte sie, daß sie sollten schwarz werden wie die Nacht, und haͤßlich wie die Suͤnde. Der armen Stieftochter aber war Gott gnaͤdig, und gieng mit ihr, und als sie nahe am Dorf waren, sprach er einen Segen uͤber sie, und sagte ‘waͤhle dir drei Sachen aus, die will ich dir gewaͤhren.’ Da sprach das Maͤdchen ‘ich moͤchte gern schoͤn werden wie die Sonne;’ alsbald wurde sie weiß und schoͤn wie der Tag. ‘Dann moͤchte ich einen Geldbeutel haben, der nie leer wuͤrde;’ den gab der liebe Gott auch, sprach aber ‘vergiß das Beste nicht, meine Tochter.’ Sagte sie ‘ich wuͤnsche mir zum dritten das ewige Himmelreich nach meinem Tode.’ Das wurde ihr auch zugesagt, und also schied der liebe Gott von ihr.
263Wie nun die Stiefmutter mit ihrer Tochter nach Hause kam, und sah daß sie beide kohlschwarz und haͤßlich waren, die Stieftochter aber weiß und schoͤn, ward sie ihr im Herzen noch boͤser, und hatte nur im Sinn wie sie ihr ein Leid anthun koͤnnte. Die Stieftochter aber hatte einen Bruder Namens Reginer, den liebte sie sehr, und erzaͤhlte ihm alles was geschehen war. Nun sprach Reginer einmal zu ihr ‘liebe Schwester, ich will dich abmahlen, damit ich dich bestaͤndig vor Augen sehe, denn meine Liebe zu dir ist so groß, daß ich dich immer in Gedanken habe.’ Da antwortete sie ‘aber laß niemand das Bild sehen.’ Er mahlte sich nun seine Schwester ab, und hieng das Bild in seiner Stube auf, in des Koͤnigs Schloß, bei dem er Kutscher war, und alle Tage gieng er davor stehen, und dankte Gott fuͤr das Gluͤck seiner lieben Schwester. Nun war aber gerade dem Koͤnig, bei dem er diente, seine Gemahlin verstorben, welche so schoͤn gewesen war, daß man keine finden konnte, die ihr gliche, und der Koͤnig war daruͤber in tiefer Trauer. Die Hofdiener sahen es indessen dem Kutscher ab wie er taͤglich vor dem schoͤnen Bilde stand, mißgoͤnntens ihm, und meldeten es dem Koͤnig. Da ließ dieser das Bild vor sich bringen, und sah daß es in allem seiner verstorbenen Frau glich, nur noch schoͤner war, so daß er sich sterblich hinein verliebte. Er ließ den Kutscher vor sich kommen, und fragte wen das Bild vorstellte. Als der Kutscher gesagt hatte daß es seine Schwester waͤre, entschloß sich der Koͤnig keine andere als diese zur Gemahlin zu nehmen, gab ihm Wagen und Pferde und praͤchtige Goldkleider, und schickte ihn fort,264 seine erwaͤhlte Braut ab zu holen. Wie Reginer mit der Botschaft an kam, freute sich seine Schwester, allein die Schwarze aͤrgerte sich uͤber alle Maßen vor großer Eifersucht, und sprach zu ihrer Mutter ‘was helfen nun all eure Kuͤnste, da ihr mir kein solches Gluͤck verschaffen koͤnnt.’ Da sagte die Alte ‘sey still, ich will dirs schon zuwenden;’ und durch ihre Hexenkuͤnste truͤbte sie dem Kutscher die Augen, daß er halb blind war, und der Weißen verstopfte sie die Ohren, daß sie halb taub war. Darauf stiegen sie in den Wagen, erst die Braut in den herrlichen koͤniglichen Kleidern, dann die Stiefmutter mit ihrer Tochter, und Reginer saß auf dem Bock, um zu fahren. Wie sie eine Weile gereist waren, unterwegs, rief der Kutscher
Die Braut fragte ‘was sagt mein lieber Bruder?’ ‘Ach,’ sprach die Alte, ‘er hat gesagt du solltest dein guͤlden Kleid aus ziehen, und es deiner Schwester geben.’ Da zog sies aus, und thats der Schwarzen an, die gab ihr dafuͤr einen schlechten grauen Kittel. So fuhren sie weiter; uͤber ein Weilchen rief der Bruder abermals
Die Braut fragte ‘was sagt mein lieber Bruder?’ ‘Ach,’ sprach die265 Alte, ‘er hat gesagt du solltest deine guͤldene Haube ab thun, und deiner Schwester geben.’ Da that sie die Haube ab und der Schwarzen auf, und saß im bloßen Haar. So fuhren sie weiter; wiederum uͤber ein Weilchen rief der Bruder
Die Braut fragte ‘was sagt mein lieber Bruder?’ ‘Ach,’ sprach die Alte, ‘er hat gesagt du moͤchtest einmal aus dem Wagen sehen;’ sie fuhren aber gerade uͤber ein tiefes Wasser. Wie nun die Braut aufstand und aus dem Fenster sah, da stießen sie die beiden andern hinaus, daß sie gerad ins Wasser fiel. Als sie aber versunken war, in demselben Augenblick, stieg eine schneeweiße Ente hervor, und schwamm den Fluß hinab. Der Bruder hatte gar nichts davon gemerkt, und fuhr den Wagen weiter, bis sie an den Hof kamen, da brachte er dem Koͤnig die Schwarze als seine Schwester, und meinte auch sie waͤrs, weil es ihm truͤbe vor den Augen war, und er doch die Goldkleider schimmern sah. Der Koͤnig, wie er die grundlose Haͤßlichkeit an seiner vermeinten Braut erblickte, ward sehr boͤs, und befahl den Kutscher in eine Grube zu werfen, die voll Ottern und Schlangengezuͤcht war. Die alte Hexe aber wußte den Koͤnig doch so zu bestricken, und ihm die Augen zu verblenden, daß er sie und ihre Tochter behielt und zu sich nahm, ja daß sie ihm ganz leidlich vorkam, und er sich wirklich mit ihr verheirathete.
266Einmal Abends, waͤhrend die schwarze Braut dem Koͤnig auf dem Schooße saß, kam eine weiße Ente zum Gossenstein in die Kuͤche geschwommen, und sagte zum Kuͤchenjungen
Das that der Kuͤchenjunge, und machte ihr ein Feuer auf dem Herd, da kam die Ente und setzte sich daneben, schuͤttelte sich und strich sich die Federn mit dem Schnabel zurecht. Waͤhrend sie so saß und sich wohlthat, fragte sie
Der Kuͤchenjunge antwortete
Fragte sie weiter
Der Kuͤchenjunge antwortete
Sagte die Ente
und schwamm den Gossenstein hinaus.
Den folgenden Abend kam sie wieder, und that dieselben Fragen, und den dritten Abend noch einmal. Da konnte es der Kuͤchenjunge nicht laͤnger uͤbers Herz bringen, und sagte dem Koͤnig alles. Der Koͤnig aber gieng den andern Abend hin, und wie die Ente den Kopf durch den Gossenstein herein streckte, nahm er sein Schwert, und hieb ihr den Hals durch,267 da wurde sie auf einmal zum schoͤnsten Maͤdchen, und glich genau dem Bild, das der Bruder von ihr gemacht hatte. Der Koͤnig aber war voll Freuden, und weil sie ganz naß da stand, ließ er ihr koͤstliche Kleider bringen, und ließ sie damit bekleiden. Dann erzaͤhlte sie ihm wie sie war betrogen und endlich in den Fluß hinab geworfen worden; und ihre erste Bitte war daß ihr Bruder aus der Schlangenhoͤhle herausgeholt wuͤrde. Und als der Koͤnig diese Bitte erfuͤllt hatte, gieng er in die Kammer, wo die alte Hexe saß, und fragte ‘was verdient die, welche das und das thut?’ und erzaͤhlte den ganzen Hergang. Da war sie verblendet, merkte nichts, und sprach ‘die verdient daß man sie nackt auszieht, und in ein Faß mit Naͤgeln legt, und vor das Faß ein Pferd spannt, und das Pferd in alle Welt schickt.’ Das geschah alles an ihr und ihrer schwarzen Tochter. Der Koͤnig heirathete die weiße schoͤne Braut, und belohnte den treuen Bruder, indem er ihn zu einem reichen und angesehenen Mann machte.
Et was emoel en wilden Mann, de was verwuͤnsket, un genk bie de Bueren in den Goren (Garten), un in’t Korn, un moek alles to Schande. Do klagden se an eeren Gutsheeren se koͤnnen eere Pacht nig mehr betalen, un do leit de Gutsheer alle Jaͤgers bie ene kummen, we dat Dier fangen koͤnne, de soll ’ne graute Belohnung hebben. Do kuͤmmt do en ollen Jaͤger an, de segd he wuͤll dat Dier wull fangen. Do moͤtt se em ’ne Pulle met Fusel (Branntwein), un ’ne Pulle met Wien, un ’ne Pulle met Beer gierwen (geben), de settet he an dat Water, wo sik dat Dier alle Dage waͤskt. Un do geit he achter en Baum stohn, do kuͤmmt dat Dier, un drinket ut de Pullen, do leckt et alle de Mund, un kickt heruͤm ov dat auck well suͤht. Do werd et drunken, un do geit et liegen un schloͤpd. Do geit de Jaͤger to, un bind et an Haͤnden un Foͤten, do weckt he et wier up, un segd ‘du wilde Mann, goh met, soͤck sast du alle Dage drinken.’ Do nimmt he et mit noh dat adlicke Schloß, do settet se et do in den Thornt, un de Heer geit to andre Nobers, de soͤllt seihn (sehen) wat he foͤr’n Dier fangen hed. Do spierlt ene von de jungen Heerens met’n Ball, un let de in den Thornt fallen, un dat Kind segd ‘wilde Mann, schmiet mie den Ball wier to.’ Do segd de wilde Mann269 ‘den Ball most du soͤlvst wier hahlen.’ ‘Je,’ segd dat Kind, ‘ick heve kinen Schluͤrtel.’ ‘Dann mack du dat du bie dien Moder eere Tasken kuͤmmst, un stehl eer den Schluͤrtel.’ Do schluͤt dat Kind den Thornt orpen, un de wilde Mann loͤpd derut. Do faͤnk dat Kind an to schreien ‘o wilde Mann, bliev doch hier, ick kriege suͤs Schlaͤge.’ Do niermt de wilde Mann dat Kind uv de Nacken, un lopd dermet de Wildnis herin; de wilde Mann was weg, dat Kind was verloren. De wilde Mann de tuͤt dat Kind en schlechten Kiel (Kittel) an, un schickt et noh den Goͤrner an den Kaisers Hof, do mot et frogen ov de kinen Goͤrnersjungen van dohn (noͤthig) hed. Do segd de he woͤre so schmeerig antrocken, de annern wullen nig bie em schlopen. Do seg he he wull int Strauh liegen, un geit alltied des Morgens froͤh in den Goren, do kuͤmmt em de wilde Mann entgiergen, do seg he, ‘nu waske die, nu kaͤmme die.’ Un de wilde Mann mackt den Goren so schoͤn, dat de Goͤrner et soͤlvst nig so gut kann. Un de Prinzessin suͤt alle Morgen den schoͤnen Jungen, do seg se to den Goͤrner de kleine Lehrjunge soͤll eer en Busk Blomen brengen. Un se froͤg dat Kind van wat foͤr Stand dat et woͤre; do seg et ja dat wuͤs et nig, do giv se em en broden Hohn voll Ducoeten. Es he in kuͤmmt, giv he dat Geld sinen Heeren, un seg ‘wat sall ick do met dohn, dat bruckt ji men.’ Un he moste eer noh enen Busk Blomen brengen, do giv se em ’ne Aant (Ente) vull Ducoeten, de giv he wier an sinen Heeren. Un do noh enmoel, do giv se em ’ne Gans vull Ducoeten, de giv de Junge wier an sinen Heeren. Do meent de Prinzessin he hev Geld, un he hev nix, un270 do hierothet se em in’t geheem, un do weeret eere Oeldern so beise, un setten se in dat Brauhuse, do mot se sick met spinnen ernaͤhren, un he geit in de Kuͤcke, un helpt den Kock de Broden dreien, un steld manxden (zuweilen) en Stuͤck Fleesk, un bringd et an sine Frau.
Do kuͤmmt so ’n gewoltigen Krieg in Engelland, wo de Kaiser hin mott un alle de grauten Heerens, do segd de junge Mann, he wull do auck hen, ov se nig no en Perd in Stall hedden, un se saden se hedden noh ent, dat goͤnk up drei Beenen, dat woͤr em gut genog. He settet sick up dat Perd, dat Perd dat geit alle husepus, husepus. Do kuͤmmt em de wilde Mann in de moͤte (entgegen), do doͤt sick so ’n grauten Berg up, do sind wull dusend Regimenter Soldaten un Offzeers in, do daͤt he schoͤne Kleeder an, un krigd so ’n schoͤn Perd. Do tuͤt (zieht) he met alle sin Volk in den Krieg noh Engelland, de Kaiser enfaͤnk en so froͤndlick, un begerd en he moͤg em doh biestoen. He gewinnt de Schlacht, un verschleit alles. Do daͤt sick de Kaiser so bedanken voͤr em, un fraͤgd wat he foͤr’n Heer woͤre, he segd ‘dat froget mie men nig, dat kann ick ju nig seggen.’ He ritt met sin Volk wier ut Engelland, do kuͤmmt em de wilde Mann wier entgiergen, un doͤt alle dat Volk wier in den Berg, un he geit wier up sien dreibeenige Perd sitten. Do seget de Luide ‘do kuͤmmt usse Hunkepus wier an met dat dreibeenige Perd,’ un se froget ‘wo hest du achter de Hierge (Hecke) laͤgen, un hest schlopen?’ ‘Je,’ segd he, ‘wenn ick der nig woͤr west, dann haͤdde et in Engelland nig gut gohn.’ Se segget ‘Junge, schwieg stille, suͤs giv die de271 Heer wat upd’ Jack.’ Un so genk et noh tweenmoel, un ton derdenmoel gewient he alles; do kreeg he en Stick in den Arm, do niermt de Kaiser sinen Dock (Tuch), und verbind em de Wunden. Do neidigt (noͤthigt) se em he moͤg do bie ihnen bliewen, ‘ne, ick bliewe nig bie ju, un wat ick sin, geit ju nig an.’ Do kuͤmmet em de wilde Mann wier entgiergen, un deih alle dat Volk wier in den Berg, un he genk wier up sin Perd sitten, un genk wier noh Hues. Do lachten de Luide, un segden ‘do kuͤmmt usse Hunkepus wier an, wo hest du doh laͤgen un schlopen?’ He seg ‘ick heve foͤrwohr nig slopen, nu is ganz Engelland gewunnen, un et is en wohren Frerden (Frieden).’
Do segde de Kaiser von den schoͤnen Ritter, de em hev biestohen; do seg de junge Mann to en Kaiser ‘woͤre ick nig bie ju west, et woͤre nig guet gahen.’ Do will de Kaiser em wat upn Buckel gierwen, ‘ji,’ seg he, ‘wenn ji dat nig gleiwen willt, will ick ju minen Arm wiesen;’ un asse he den Arm wiest, un asse de Kaiser de Wunde suͤt, do wert he gans verwuͤndert, un segd ‘viellicht buͤst du Gott soͤlvst ader en Engel, den mie Gott toschickt hev,’ un bat em uͤm Verzeihnuͤs dat he so grov met em handelt haͤdde, un schenket em sin ganse Kaisers Gut. Un de wilde Mann was erloͤset, un stund ase en grauten Kuͤnig foͤr em, un vertelde em de ganse Sacke, un de Berg was en gans Kuͤnigsschloß, un he trock met sine Frau derup, im lerweten vergnoͤgt bis an eeren Daud.
Ostindien was von den Fiend belagert, he wull de Stadt nig verloeten, he wull ersten seshundert Dahler hebben. Do leiten se dat ut trummen, well de schaffen koͤnne, de soll Boͤrgemester weren. Do was der en armen Fisker, de fiskede up de See mit sinen Sohn, do kam de Fiend, un nam den Sohn gefangen, un gav em dofoͤr seshundert Dahler. Do genk de Vader hen, un gav dat de Heerens in de Stadt, un de Fiend trock av, un de Fisker wurde Boͤrgemester. Do word utropen wer nig Heer Boͤrgemester segde, de soll an de Galge richtet weren.
De Sohn de kam de Fiend wier ut de Haͤnde, un kam in en grauten Wold up en haujen Berg. De Berg de deih sick up, da kam he in en graut verwuͤnsket Schloß, woin Stohle, Diske un Baͤnke alle schwatt behangen woͤren. Do queimen drei Princessinnen, de gans schwatt antrocken woͤren, de men en luͤck (wenig) witt in’t Gesicht haͤdden, de segden to em he soll men nig bange sien, se wullen em nix dohn, he koͤnn eer erloͤsen. Do seg he je dat wull he gern dohn, wann he men wuͤste wo he dat macken soͤll. Do segget se he soͤll en gans Johr nig met en kuͤhren (sprechen), un soͤll se auck nig anseihen; wat he gern hebben wull, dat273 soͤll he men seggen, wann se Antwort gierwen droͤfden (geben duͤrften), wullen se et dohn. As he ’ne Tied lang der west was, sede he he wull asse gern noh sin Vader gohn, da segget se dat soͤll he men dohn, duͤssen Buel (Beutel) met Geld soͤll he met niermen, duͤsse Kloͤder soͤll he antrecken, un in acht Dage moͤst he der wier sien.
Do werd he upnurmen (aufgehoben), un is glick in Ostindien, do kann he sin Vader in de Fiskhuͤtte nig mer finden, un froͤg de Luide wo doh de arme Fisker blierwen woͤre, do segget se dat moͤst he nig seggen, dann queim he an de Galge. Do kuͤmmt he bie sin Vader, do seg he ‘Fisker, wo sin ji do to kummen?’ Do seg de ‘dat moͤt ji nig seggen, wann dat de Heerens van de Stadt gewahr weeret, kuͤmme ji an de Galge.’ He willt ober gar nig loten, he werd noh de Galge bracht; es he do is, seg he ‘o mine Heerens, gierwet mie doh Verloͤv dat ick noh de olle Fiskhuͤtte gohn mag.’ Do tuͤt he sinen ollen Kiel an, do kuͤmmt he wier noh de Heerens, un seg ‘seih ji et nu wull, sin ick nig en armen Fisker sinen Sohn? in duͤt Tueg heve ick minen Vader un Moder dat Braud gewunnen.’ Do erkennet se en, un badden uͤm Vergiebnuͤs, un niermt en met noh sin Hues, do verteld he alle wuͤ et em gohn hev, dat he woͤre in en Wold kummen up en haujen Berg, do haͤdde sick de Berg updohn, do woͤre he in en verwuͤnsket Schloß kummen, wo alles schwatt west woͤre, un drei Princessinnen woͤren der an kummen, de woͤren schwatt west, men en luͤck witt in’t Gesicht. De haͤdden em segd he soͤll nig bange sien, he koͤnn eer erloͤsen. Do seg sine Moder dat moͤg wull nig274 gut sien, he soll ’ne gewiehte Wasskeefze met niermen un druͤppen (tropfen) eer gleinig (gluͤhend) Wass in’t Gesicht.
He geit wier hen, un do gruelte (graute) em so, un he druͤppde er Wass in’t Gesicht, asse se sleipen, un se woͤren all halv witt; do spruͤngen alle de drei Princessinnen up un segden ‘de verfluchte Hund, usse Bloet soll oͤrfer die Rache schreien, nu is kin Mensk up de Welt geboren, un werd geboren, de us erloͤsen kann, wie hevet noh drei Broͤders, de sind in siewen Ketten anschloeten, de soͤllt die terrieten.’ Do givd et en Gekriesk in’t ganse Schloß, un he sprank noh ut dat Fenster, un terbrack dat Been, un dat Schloß sunk wier in den Grunde, de Berg was wier to, un nuͤmmes wust wo et west was.
Twisken Werrel un Soist, do wuhnde ’n Mann, un de hede Knoist, de hadde dre Suͤhne, de eene was blind, de annre was lahm, un de dridde was splenternaket. Do giengen se mohl oͤwer Feld, do sehen se eenen Hasen. De blinne de schoͤt en, de lahme de fienk en, de nackede de stack en in de Tasken. Do kaͤimen se fuͤr een groot allmaͤchtig Waater, do wuren dre Schippe uppe, dat eene dat rann, dat annre dat sank, dat dridde, do was keen Buoden inne. Wo keen Buoden inne was, do giengen se olle dre inne. Do kaͤimen se an eenen allmaͤchtig grooten Walle (Wald), do was een groot allmaͤchtig Boom inne, in den Boom was eene allmaͤchtig groote Capelle, in de Capelle was een hageboͤcken Koͤster un een bußboomen Pastoer, de deelden dat Wiggewaater mit Knuppeln uit.
Et gienk mal ’n Maͤken von Brackel na de suͤnt Annen Capellen unner de Hinnenborg, un weil et gierne ’n Mann heven wulle, un ock meinde et waͤre suͤs neimes in de Capellen, sau sank et
De Koͤster stand awerst huͤnner den Altare, un hoͤre dat, da rep he mit ’ner gans schroͤgerigen Stimme ‘du kriggst ’n nig, du kriggst’n nig.’ Dat Maͤken awerst meinde dat Marienkinneken, dat bie de Mudder Anne steiht, hedde uͤm dat to ropen, da wor et beuse, un reip ‘pepperlepep, dumme Blae, halt de Schnuten un lat de Moͤhme kuͤhren (die Mutter reden).’
‘Wo wust du henne?’ ‘Nah Walpe.’ ‘Jck nah Walpe, du nach Walpe; sam, sam, goh wie dann.’
‘Haͤst du auck ’n Mann? wie hedd din Mann?’ ‘Cham.’ ‘Min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; sam, sam, goh wie dann.’
‘Haͤst du auck ’n Kind? wie hedd din Kind?’ ‘Grind.’ ‘Min Kind Grind, din Kind Grind; min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; sam, sam, goh wie dann.’
‘Haͤst du auck ’n Weige? wie hedd dine Weige?’ ‘Hippodeige.’ ‘Mine Weige Hippodeige, dine Weige Hippodeige; min Kind Grind, din Kind Grind; min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; sam, sam, goh wie dann.’
‘Haͤst du auck’n Knecht? wie hedd din Knecht?’ ‘Mach mirs recht.’ ‘Min Knecht Mach mirs recht, din Knecht Mach mirs recht; mine Weige Hippodeige, dine Weige Hippodeige; min Kind Grind, din Kind Grind; min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; sam, sam, goh wie dann.’
Es war einmal ein Bruͤderchen und Schwesterchen, die hatten sich herzlich lieb, ihre rechte Mutter war aber todt, und sie hatten eine Stiefmutter, die war ihnen nicht gut, und that ihnen heimlich alles Leid an. Es trug sich zu, daß die zwei mit andern Kindern auf einer Wiese vor dem Haus spielten, und an der Wiese war ein Teich, der gieng bis an die eine Seite vom Haus. Die Kinder liefen da herum, kriegten sich, und spielten Abzaͤhlens:
Dabei standen sie in einem Kreiß, und auf welchen nun das Wort279 ‘anschnien’ fiel, der mußte fortlaufen und die andern liefen ihm nach, und fiengen ihn. Wie sie so froͤhlich dahinsprangen, sah’s die Stiefmutter vom Fenster mit an, und aͤrgerte sich. Weil sie aber Hexenkuͤnste verstand, so verwuͤnschte sie beide, das Bruͤderchen in einen Fisch, und das Schwesterchen in ein Lamm. Da schwamm das Fischchen im Teich hin und her, und war traurig, und das Laͤmmchen gieng auf der Wiese hin und her, und war traurig, und fraß nicht, und ruͤhrte kein Haͤlmchen an. So gieng eine lange Zeit hin, da kamen fremde Gaͤste auf das Schloß. Die falsche Stiefmutter dachte ‘jetzt ist die Gelegenheit gut,’ rief den Koch, und sprach zu ihm ‘geh, und hol das Lamm von der Wiese, und schlachts, wir haben sonst nichts fuͤr die Gaͤste.’ Da gieng der Koch hin, und holte das Laͤmmchen, und fuͤhrte es in die Kuͤche, band ihm die Fuͤßchen, das litt es alles geduldig. Wie er nun sein Messer herausgezogen hatte, und auf der Schwelle wetzte, um es abzustechen, sah es, wie ein Fischlein in dem Wasser vor dem Gossenstein hin und herschwamm, und zu ihm hinaufblickte. Das war aber das Bruͤderchen, denn als das Fischchen gesehen hatte, wie der Koch das Laͤmmchen fortfuͤhrte, war es mitgeschwommen im Teich bis zum Haus. Da rief das Laͤmmchen hinab
Das Fischchen antwortete
Wie der Koch hoͤrte, daß das Laͤmmchen sprechen konnte, und so traurige Worte zu dem Fischchen hinabrief, erschrack er, und dachte es muͤßte kein natuͤrliches Laͤmmchen seyn, sondern von der boͤsen Frau im Haus verwuͤnscht. Da sprach er ‘sey ruhig, ich will dich nicht schlachten,’ nahm ein anderes Thier, und bereitete das fuͤr die Gaͤste, und brachte das Laͤmmchen zu einer guten Baͤuerin, der erzaͤhlte er alles was er gesehen und gehoͤrt hatte. Die Baͤuerin war aber gerade die Amme von dem Schwesterchen gewesen, vermuthete gleich wer’s seyn wuͤrde, und gieng mit ihm zu einer weisen Frau. Das sprach die weise Frau einen Segen uͤber das Laͤmmchen und Fischchen, wovon sie ihre menschliche Gestalt wieder bekamen, und danach fuͤhrte sie beide in einen großen Wald in ein klein Haͤuschen, wo sie zufrieden und gluͤcklich lebten.
Es waren zwei Bruͤder, einer war reich, der andere arm. Der Reiche aber gab dem Armen nichts, und er mußte sich vom Kornhandel kuͤmmerlich ernaͤhren, da gieng es ihm oft so schlecht, daß er fuͤr seine Frau und Kinder kein Brot hatte. Einmal fuhr er mit seinem Karren durch den Wald, da erblickte er zur Seite einen großen kahlen Berg, und weil er den noch nie gesehen hatte, hielt er still, und betrachtete ihn mit Verwunderung. Wie er so stand, sah er zwoͤlf wilde große Maͤnner daher kommen; weil er nun glaubte das waͤren Raͤuber, schob er seinen Karren ins Gebuͤsch, und stieg auf einen Baum, und wartete was da geschehen wuͤrde. Die zwoͤlf Maͤnner giengen aber vor den Berg und riefen ‘Berg Semsi, Berg Semsi, thu dich auf.’ Alsbald that sich der kahle Berg in der Mitte von einander, und die zwoͤlfe giengen hinein, und wie sie drin waren, schloß er sich zu. Ueber eine kleine Weile aber that er sich wieder auf, und die Maͤnner kamen, mit schweren Saͤcken auf den Ruͤcken, heraus, und wie sie alle wieder am Tageslicht waren, sprachen sie ‘Berg Semsi, Berg Semsi, thu dich zu.’ Da fuhr der Berg zusammen, und war kein Eingang mehr an ihm zu sehen, und die Zwoͤlfe giengen fort. Als sie ihm nun ganz aus den Augen waren, stieg der Arme282 vom Baum herunter, und war neugierig was wohl im Berge heimliches verborgen waͤre. Also gieng er davor, und sprach ‘Berg Semsi, Berg Semsi, thu dich auf,’ und der Berg that sich auch vor ihm auf. Da trat er hinein, und der ganze Berg war eine Hoͤhle voll Silber und Gold, und hinten lagen große Haufen Perlen und blitzende Edelsteine, wie Korn aufgeschuͤttet. Der Arme wußte gar nicht, was er anfangen sollte, und ob er sich etwas von den Schaͤtzen nehmen duͤrfte; endlich fuͤllte er sich die Taschen mit Gold, die Perlen und Edelsteine aber ließ er liegen. Als er wieder heraus kam, sprach er gleichfalls ‘Berg Semsi, Berg Semsi, thu dich zu,’ da schloß sich der Berg, und er fuhr mit seinem Karren nach Haus. Nun brauchte er nicht mehr zu sorgen, und konnte mit seinem Golde fuͤr Frau und Kind Brot und auch Wein dazu kaufen, lebte froͤhlich und redlich, gab den Armen, und that jedermann Gutes. Als aber das Gold zu Ende war, gieng er zu seinem Bruder, lieh einen Scheffel, und holte sich von neuem; doch ruͤhrte er von den großen Schaͤtzen nichts an. Wie er sich zum drittenmal etwas holen wollte, borgte er bei seinem Bruder wieder den Scheffel. Der Reiche war aber schon lange neidisch uͤber sein Vermoͤgen, und den schoͤnen Haushalt, den er sich eingerichtet hatte, und konnte nicht begreifen woher der Reichthum kaͤme, und was sein Bruder mit dem Scheffel anfienge. Da dachte er eine List aus, und bestrich den Boden mit Pech, und wie er das Maß zuruͤck bekam, so war ein Goldstuͤck darin haͤngen geblieben. Alsbald gieng er zu seinem Bruder, und fragte ihn ‘was hast du mit dem Scheffel283 gemessen?’ ‘Korn und Gerste’ sagte der andere. Da zeigte er ihm das Goldstuͤck, und drohte ihm, wenn er nicht die Wahrheit sagte, so wollt er ihn beim Gericht verklagen. Er erzaͤhlte ihm nun alles, wie es zugegangen war; der Reiche aber ließ gleich einen Wagen anspannen, fuhr hinaus, und dachte ganz andere Schaͤtze mitzubringen. Wie er vor den Berg kam, rief er ‘Berg Semsi, Berg Semsi, thu dich auf.’ Der Berg that sich auf, und er gieng hinein. Da lagen die Reichthuͤmer alle vor ihm, und er wußte lange nicht, wozu er am ersten greifen sollte, endlich lud er Edelsteine auf, so viel er tragen konnte. Er wollte seine Last hinausbringen, weil aber Herz und Sinn ganz voll von den Schaͤtzen waren, hatte er daruͤber den Namen des Bergs vergessen, und rief ‘Berg Simeli, Berg Simeli, thu dich auf.’ Aber das war der rechte Name nicht, und der Berg regte sich nicht, und blieb verschlossen. Da ward ihm angst, aber je laͤnger er nachsann, desto mehr verwirrten sich seine Gedanken, und halfen ihm alle Schaͤtze nichts mehr. Am Abend that sich der Berg auf, und die zwoͤlf Raͤuber kamen herein, und als sie ihn sahen, lachten sie, und riefen ‘Vogel, haben wir dich endlich, meinst du wir haͤttens nicht gemerkt daß du zwei Mal hereingekommen bist, aber wir konnten dich nicht fangen, zum drittenmal sollst du nicht wieder heraus.’ Da rief er ‘ich wars nicht; mein Bruder wars,’ aber er mochte bitten um sein Leben, und sagen was er wollte, sie schlugen ihm das Haupt ab.
Et was emol ne arme Frau, de hadde enen Suhn, de wull so gerne reisen, do seg de Mohr ‘wu kannst du reisen? wi hebt je gar kien Geld, dat du mitniemen kannst.’ Do seg de Suhn ‘ick will mi gut behelpen, ick will alltied seggen nig viel, nig viel, nig viel.’
Do genk he ene gude Tied, un sede alltied ‘nig viel, nig viel, nig viel.’ Kam do bi en Trop Fisker, un seg ‘Gott helpe ju! nig viel, nig viel, nig viel,’ ‘Wat segst du, Kerl, nig viel?’ Un asse dat Goͤren (Garn) uttrocken, kregen se auck nig viel Fiske. Se met enen Stock up de Jungen, un ‘hest du mi nig dresken (dreschen) seihn?’ ‘Wat sall ick denn seggen?’ seg de Junge. ‘Du sallst seggen fank vull, fank vull.’
Do geit he wier ene ganze Tied, un seg ‘fank vull, fank vull,’ bis he kuͤmmt an enen Galgen, do hebt se en armen Suͤnder, den willt se richten. Do seg he ‘guden Morgen, fank vull, fank vull.’ ‘Wat segst du, Kerl, fank vull? soͤllt der noch mehr leige (leidige, boͤse) Lude in de Welt sien? is duͤt noch nig genog?’ He krig wier wat up den Puckel. ‘Wat sall ick denn seggen?’ ‘Du sallst seggen Gott troͤst de arme Seele.’
285De Junge geit wier ene ganze Tied, un seg ‘Gott troͤst de arme Seele!’ Do kuͤmmt he an en Grawen, do steit en Filler (Schinder), de tuͤt en Perd af. De Junge seg ‘guden Morgen, Gott troͤst de arme Seele!’ ‘Wat segst du, leige Kerl?’ un schleit en met sinen Filhacken uͤm de Ohren, dat he ut den Augen nig seihen kann. ‘Wu sall ick denn seggen?’ ‘Du sallst seggen do ligge du Aas in en Grawen.’
Do geit he, un seg alltied ‘do ligge du Aas in en Grawen! do ligge du Aas in en Grawen!’ Nu kuͤmmt he bi enen Wagen vull Luͤde, do seg he ‘guden Morgen, do ligge du Aas in en Grawen!’ Do foͤllt de Wagen uͤm in en Grawen, de Knecht kreg de Pietske, un knapt den Jungen, dat he wier to sine Mohr krupen moste, un he is sien Lewen nig wier up reisen gohn.
Es lebte einmal ein Koͤnig und eine Koͤnigin, die waren reich und hatten alles, was sie sich wuͤnschten, nur keine Kinder. Daruͤber klagte sie Tag und Nacht, und sprach ‘ich bin wie ein Acker, auf dem nichts waͤchst.’ Endlich erfuͤllte Gott ihre Wuͤnsche, als das Kind aber zur Welt kam, sahs nicht aus wie ein Menschenkind, sondern war ein junges Eselein. Wie die Mutter das erblickte, fieng ihr Jammer und Geschrei erst recht an, sie haͤtte lieber gar kein Kind gehabt, als einen Esel, und sagte man sollt ihn ins Wasser werfen, damit ihn die Fische fraͤßen. Der Koͤnig aber sprach ‘nein, hat Gott ihn gegeben, soll er auch mein Sohn und Erbe sein, nach meinem Tod auf dem koͤniglichen Thron sitzen, und die koͤnigliche Krone tragen.’ Also ward das Eselein aufgezogen, nahm zu, und die Ohren wuchsen ihm auch fein hoch und gerad hinauf. Es war aber sonst froͤhlicher Art, sprang herum, spielte, und hatte besonders seine Lust an der Musik, so daß es zu einem beruͤhmten Spielmann gieng, und sprach ‘lehr mich deine Kunst, daß ich so gut die Laute schlagen kann, als du.’ ‘Ach, liebes Herrlein,’ antwortete der Spielmann, ‘das sollt euch schwer fallen, eure Finger sind nicht allerdings dazu gemacht, und287 gar zu groß; ich sorge die Saiten haltens nicht aus.’ Es half aber keine Ausrede, das Eselein wollt und mußte die Laute schlagen, war beharrlich und fleißig, und lernte es am Ende so gut, als sein Meister selber. Einmal gieng das junge Herrlein nachdenksam spazieren, und kam an einen Brunnen, da schaute es hinein, und sah im spiegelhellen Wasser seine Eseleinsgestalt, daruͤber ward es so betruͤbt, daß es in die weite Welt gieng, und nur einen treuen Gesellen mitnahm. Sie zogen auf und ab, zuletzt kamen sie in ein Reich, wo ein alter Koͤnig herrschte, der nur eine einzige aber wunderschoͤne Tochter hatte. Das Eselein sagte ‘hier wollen wir weilen,’ klopfte ans Thor, und rief ‘es ist ein Gast haußen, macht auf, damit er eingehen kann.’ Als aber nicht aufgethan ward, setzte es sich hin, nahm seine Laute, und schlug sie mit seinen zwei Vorderfuͤßen aufs lieblichste. Da sperrte der Thuͤrhuͤter gewaltig die Augen auf, lief zum Koͤnig und sprach ‘da draußen sitzt ein junges Eselein vor dem Thor, das schlaͤgt die Laute so gut als ein gelernter Meister.’ ‘So laß mir den Musikant hereinkommen’ sprach der Koͤnig. Wie aber ein Eselein hereintrat, fieng alles an uͤber den Lautenschlaͤger zu lachen. Nun sollte das Eselein unten zu den Knechten gesetzt und gespeist werden, es ward aber unwillig, und sprach ‘ich bin kein gemeines Stalleselein, ich bin ein vornehmes.’ Da sagten sie ‘wenn du das bist, so setze dich zu dem Kriegsvolk.’ ‘Nein,’ sprach es ‘ich will beim Koͤnig sitzen.’ Der Koͤnig lachte, und sagte in gutem Muth ‘ja, es soll so sein, wie du verlangst, Eselein, komm her zu mir.’ Danach fragte er ‘Eselein, wie gefaͤllt dir288 meine Tochter?’ Das Eselein drehte den Kopf nach ihr, schaute sie an, nickte und sprach ‘aus der Maßen wohl, sie ist so schoͤn wie ich noch keine gesehen habe.’ ‘Nun, so sollst du auch neben ihr sitzen’ sagte der Koͤnig. ‘Das ist mir eben recht’ sprach das Eselein, und setzte sich an ihre Seite, aß und trank, und wußte sich fein und saͤuberlich zu betragen. Als das edle Thierlein eine gute Zeit an des Koͤnigs Hof geblieben war, dachte es ‘was hilft das alles, du mußt wieder heim,’ ließ den Kopf traurig haͤngen, trat vor den Koͤnig, und verlangte seinen Abschied. Der Koͤnig hatte es aber lieb gewonnen, und sprach ‘Eselein, was ist dir, du schaust ja sauer, wie ein Essigkrug, bleib bei mir, ich will dir geben, was du verlangst; willst du Gold?’ ‘Nein’ sagte das Eselein, und schuͤttelte mit dem Kopf. ‘Willst du Kostbarkeiten und Schmuck?’ ‘Nein.’ ‘Willst du mein halbes Reich?’ ‘Ach nein.’ Da sprach der Koͤnig ‘wenn ich nur wuͤßte was dich vergnuͤgt machen koͤnnte; willst du meine schoͤne Tochter zur Frau?’ ‘Ach ja,’ sagte das Eselein, ‘die moͤchte ich wohl haben,’ war auf einmal ganz lustig und guter Dinge, denn das wars gerade, was es sich gewuͤnscht hatte. Also ward eine große und praͤchtige Hochzeit gehalten. Abends, wie Braut und Braͤutigam in ihr Schlafkaͤmmerlein gefuͤhrt wurden, wollte der Koͤnig wissen ob sich das Eselein auch fein artig und manierlich betruͤge, und hieß einem Diener sich dort verstecken. Wie sie nun beide drinnen waren, schob der Braͤutigam den Riegel vor die Thuͤre, blickte sich um, und wie er glaubte daß sie ganz allein waͤren, da warf er auf einmal seine Eselhaut ab, und stand da als ein schoͤner koͤniglicher289 Juͤngling, ‘siehst du,’ sprach er, ‘wer ich bin, und daß ich deiner werth war.’ Da ward die Braut froh, kuͤßte ihn, und hatte ihn von Herzen lieb. Als es aber Morgen ward, sprang er auf, zog seine Thierhaut wieder uͤber, und haͤtte kein Mensch gedacht was fuͤr einer dahinter steckte. Bald kam auch der alte Koͤnig gegangen, ‘ei,’ rief er, ‘ist das Eselein schon munter! du bist wohl recht traurig,’ sagte er zu seiner Tochter, ‘daß du keinen ordentlichen Menschen zum Mann bekommen hast?’ ‘Ach nein, lieber Vater, ich habe ihn so lieb, als wenn er der allerschoͤnste waͤre, und will ihn mein Lebtag behalten.’ Der Koͤnig wunderte sich, aber der Diener, der sich versteckt hatte, kam, und offenbarte ihm alles. Der Koͤnig sprach ‘das ist nimmermehr wahr.’ ‘So wacht selber die folgende Nacht, ihr werdets mit eigenen Augen sehen; und wißt ihr was, Herr Koͤnig, nehmt ihm die Haut weg, und werft sie ins Feuer, so muß er sich wohl in seiner rechten Gestalt zeigen.’ ‘Dein Rath ist gut’ sprach der Koͤnig, und Abends, als sie schliefen, schlich er sich hinein, und wie er zum Bett kam, sah er im Mondschein einen stolzen Juͤngling da ruhen, und die Haut lag abgestreift auf der Erde. Da nahm er sie weg, und ließ draußen ein gewaltiges Feuer anmachen, und die Haut hineinwerfen, und blieb selber dabei, bis sie ganz zu Asche verbrannt war. Weil er aber sehen wollte wie sich der Beraubte anstellen wuͤrde, blieb er die Nacht wach, und lauschte. Als der Juͤngling ausgeschlafen hatte, beim ersten Morgenschein, stand er auf, und wollte die Eselshaut anziehen, aber sie war nicht zu finden Da erschrack er, und sprach voll Trauer und Angst ‘nun muß ich290 sehen daß ich entfliehe.’ Wie er hinaustrat, stand aber der Koͤnig da, und sprach ‘mein Sohn, wohin so eilig, was hast du im Sinn? Bleib hier, du bist ein so schoͤner Mann, du sollst nicht[wieder] von mir; ich gebe dir jetzt mein Reich halb, und nach meinem Tod bekommst du es ganz.’ ‘So wuͤnsch ich daß der gute Anfang auch ein gutes Ende nehme’ sprach der Juͤngling, ‘ich bleibe bei euch.’ Da gab ihm der Alte das halbe Reich, und als er nach einem Jahr starb, hatte er das ganze, und nach dem Tode seines Vaters noch eins dazu, und lebte in aller Herrlichkeit.
Es saß einmal ein Mann mit seiner Frau vor der Hausthuͤr, und hatten ein gebraten Huhn vor sich stehen, und wollten das zusammen verzehren. Da sah der Mann wie sein alter Vater daher kam, geschwind nahm er das Huhn, und versteckte es, weil er ihm nichts davon goͤnnte. Der Alte kam, that einen Trunk, und gieng fort. Nun wollte der Sohn das gebratene Huhn wieder auf den Tisch tragen, aber als er danach griff, war es eine große Kroͤte geworden, die sprang ihm ins Angesicht, und saß da, und gieng nicht wieder weg; und wenn sie jemand wegthun wollte, sah sie ihn giftig an, als wollte sie ihm ins Angesicht springen, so daß keiner sie anzuruͤhren getraute. Und die Kroͤte mußte der undankbare Sohn alle Tage fuͤttern, sonst fraß sie ihm aus seinem Angesicht, und also gieng er ohne Ruhe in der Welt hin und her.
Es waren einmal zwei Bruͤder, die dienten beide als Soldaten, und war der eine reich, der andere arm. Da wollte der Arme sich aus seiner Noth helfen, zog den Soldatenrock aus, und ward ein Bauer. Also grub und hackte er sein Stuͤckchen Acker, und saͤte Ruͤbsamen. Der Same gieng auf, und es wuchs da eine Ruͤbe, die ward groß und stark, und zusehends dicker, und wollte gar nicht aufhoͤren zu wachsen, so daß sie eine Fuͤrstin aller Ruͤben heißen konnte, denn nimmer war so eine gesehen, und wird auch nimmer wieder gesehen werden. Zuletzt war sie so groß, daß sie allein einen ganzen Wagen anfuͤllte, und zwei Ochsen daran ziehen mußten, und der Bauer wußte nicht was er damit anfangen sollte, und obs sein Gluͤck oder sein Ungluͤck waͤre. Endlich dachte er ‘verkaufst du sie, was wirst du großes dafuͤr bekommen, und willst du sie selber essen, so thun die kleinen Ruͤben denselben Dienst, am besten ist, du bringst sie dem Koͤnig und machst ihm eine Verehrung damit.’ Also lud er sie auf den Wagen, spannte zwei Ochsen vor, brachte sie an den Hof, und schenkte sie dem Koͤnig. ‘Was ist das fuͤr ein seltsam Ding?’ sagte der Koͤnig, ‘mir ist viel Wunderliches vor die Augen gekommen, aber293 so ein Ungethuͤm noch nicht; aus was fuͤr Samen mag die gewachsen seyn? oder dir geraͤths allein, und du bist ein Gluͤckskind.’ ‘Ach nein,’ sagte der Bauer, ‘ein Gluͤckskind bin ich nicht, ich bin ein armer Soldat, der sich nicht mehr naͤhren konnte, den Soldatenrock an den Nagel hieng, und das Land baute; ich habe noch einen Bruder, der ist reich, und Euch, Herr Koͤnig, auch wohl bekannt, ich aber, weil ich nichts habe, bin von aller Welt vergessen.’ Da empfand der Koͤnig Mitleid mit ihm, und sprach ‘deiner Armuth sollst du uͤberhoben und so von mir beschenkt werden, daß du wohl deinem reichen Bruder gleich kommst.’ Da schenkte er ihm eine Menge Gold, Äcker, Wiesen und Heerden, und machte ihn steinreich, so daß des andern Bruders Reichthum gar nicht konnte damit verglichen werden. Als dieser hoͤrte, was sein Bruder mit einer einzigen Ruͤbe erworben hatte, beneidete er ihn, und sann hin und her wie er sich auch ein solches Gluͤck zuwenden koͤnnte. Er wollts aber noch viel gescheidter anfangen, nahm Gold und Pferde, und brachte sie dem Koͤnig, und meinte nicht anders, der wuͤrde ihm ein viel groͤßeres Gegengeschenk machen, denn haͤtte sein Bruder so viel fuͤr eine Ruͤbe bekommen, was wuͤrde es ihm fuͤr so schoͤne Dinge nicht alles tragen. Der Koͤnig nahm das Geschenk, und sagte er wuͤßte ihm nichts wieder zu geben, das seltner und besser waͤre, als die große Ruͤbe. Also mußte der Reiche seines Bruders Ruͤbe auf einen Wagen legen, und nach Haus fahren lassen. Daheim wußte er nicht an wem er seinen Zorn und Aerger auslassen sollte, bis ihm boͤse Gedanken kamen, und er beschloß seinen Bruder zu toͤdten. Er gewann294 Moͤrder, die mußten sich in einen Hinterhalt stellen, und darauf gieng er zu seinem Bruder, und sprach ‘lieber Bruder, ich weiß einen heimlichen Schatz, den wollen wir mit einander heben, und theilen.’ Der andere ließ sichs auch gefallen, und gieng ohne Arg mit; als sie aber hinauskamen, stuͤrzten die Moͤrder uͤber ihn her, banden ihn, und wollten ihn an einen Baum haͤngen. Jndem sie eben daruͤber waren, erscholl aus der Ferne lauter Gesang und Hufschlag, daß ihnen der Schrecken in den Leib fuhr, und sie uͤber Hals und Kopf ihren Gefangenen in den Sack steckten, am Ast hinaufwanden, und die Flucht ergriffen. Er aber arbeitete oben bis er ein Loch im Sack hatte, wodurch er den Kopf stecken konnte. Wer aber des Wegs kam, war nichts als ein fahrender Schuͤler, ein junger Geselle, der froͤhlich sein Lied singend durch den Wald auf der Straße daher ritt. Wie der oben nun merkte daß einer unter ihm vorbei gieng, rief er ‘sey mir gegruͤßt, zu guter Stunde.’ Der Schuͤler guckte sich uͤberall um, wußte nicht, wo die Stimme herschallte, endlich sprach er ‘wer ruft mir?’ Da antwortete es aus dem Wipfel ‘erhebe deine Augen, ich sitze hier oben im Sack der Weisheit; in kurzer Zeit habe ich große Dinge gelernt, dagegen sind alle Schulen ein Wind, um ein Weniges, so werde ich ausgelernt haben, herabsteigen und weiser seyn als alle Menschen. Jch verstehe die Gestirne und Himmelszeichen, das Wehen aller Winde, und den Sand im Meer, Heilung der Krankheit, die Kraͤfte der Kraͤuter, Voͤgel und Steine. Waͤrst du einmal darin, du wuͤrdest fuͤhlen, was fuͤr Herrlichkeit aus dem Sack der Weisheit fließt.’ Der Schuͤler, wie er das295 alles hoͤrte, erstaunte, und sprach ‘gesegnet sey die Stunde, wo ich dich gefunden, koͤnnt ich nicht auch ein wenig in den Sack kommen?’ Oben der antwortete, als thaͤt ers nicht gerne, ‘eine kleine Weile will ich dich wohl hinein lassen fuͤr Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es ist ein Stuͤck uͤbrig, das ich erst lernen muß.’ Als der Schuͤler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang, und er bat daß er doch moͤchte hineingelassen werden, sein Durst nach Weisheit waͤre gar zu groß. Da stellte sich der oben als gaͤbe er endlich nach und sprach ‘damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann, mußt du den Sack am Strick herunterlassen, so sollst du eingehen.’ Also ließ der Schuͤler ihn herunter, band den Sack auf, und befreite ihn, dann rief er selber ‘nun zieh mich recht geschwind hinauf,’ und wollt geradstehend in den Sack einschreiten. ‘Halt!’ sagte der andere, ‘so gehts nicht an,’ packte ihn beim Kopf, steckte ihn umgekehrt in den Sack, schnuͤrte zu, und zog den Juͤnger der Weisheit am Strick baumwaͤrts; dann schwengelte er ihn in der Luft, und sprach ‘wie stehts, mein lieber Geselle? siehe, schon fuͤhlst du daß dir die Weisheit kommt, und machst gute Erfahrung, sitze also fein ruhig, bis du kluͤger wirst.’ Damit stieg er auf des Schuͤlers Pferd, und ritt fort.
Zur Zeit da unser Herr noch auf Erden gieng, kehrte er eines Abends mit dem heiligen Petrus bei einem Schmied ein, und bekam willig Herberge. Nun geschahs, daß ein armer Bettelmann, von Alter und Gebrechen hart gedruͤckt, in dieses Haus kam, und vom Schmied Almosen forderte. Deß erbarmte sich Petrus und sprach ‘Herr und Meister, so dirs gefaͤllt, heil ihm doch seine Plage, daß er sich selbst sein Brot moͤge gewinnen.’ Sanftmuͤthig sprach der Herr ‘Schmied, leih mir deine Esse, und lege mir Kohlen an, so will ich den alten kranken Mann zu dieser Zeit verjuͤngen.’ Der Schmied war ganz bereit, und St. Petrus zog die Baͤlge, und als das Kohlenfeuer auffunkte, groß und hoch, nahm unser Herr das alte Maͤnnlein, schobs in die Esse, mitten ins rothe Feuer, daß es drin gluͤhte wie ein Rosenstock, und Gott lobte mit lauter Stimme. Nachdem trat der Herr zum Loͤschtrog, zog das gluͤhende Maͤnnlein hinein, daß das Wasser uͤber ihm zusammenschlug, und nachdem ers fein sittlich abgekuͤhlt, gab er ihm seinen Segen; siehe, zuhand sprang das Maͤnnlein heraus, zart, gerade, gesund, und wie von zwanzig Jahren. Der Schmied, der eben und genau zugesehen, lud sie alle zum Nachtmahl. Er hatte aber eine alte halbblinde bucklichte Schwieger, die machte sich zum Juͤngling hin, und forschte ernstlich ob ihn das Feuer hart gebrennet habe. Nie sey ihm besser gewesen antwortete297 jener, er habe da in der Glut gesessen, wie in einem kuͤhlen Thau.
Was der Juͤngling gesagt hatte, das klang die ganze Nacht in den Ohren der alten Frau, und als der Herr fruͤhmorgens die Straße weiter gezogen war, und dem Schmied wohl gedankt hatte, meinte dieser er koͤnnte seine alte Schwieger auch jung machen, da er fein ordentlich alles mit angesehen habe, und es in seine Kunst schlage. Rief sie deshalb an, ob sie auch wie ein Maͤgdlein von achtzehn Jahren in Spruͤngen daher wolle gehen. Sie sprach ‘von ganzem Herzen,’ weil es dem Juͤngling auch so sanft angekommen war. Machte also der Schmied große Glut, und stieß die Alte hinein, die sich hin und wieder bog, und grausames Mordgeschrei anstimmte. ‘Sitz still, was schreist und huͤpfst du, ich will erst weidlich zublasen;’ zog damit die Baͤlge von neuem bis ihr alle Haderlumpen brannten. Das alte Weib schrie ohne Ruhe, und der Schmied dachte ‘Kunst geht nicht recht zu,’ nahm sie heraus, und warf sie in den Loͤschtrog. Da schrie sie ganz uͤberlaut, daß es droben im Haus die Schmiedin und ihre Schnur hoͤrten: die liefen beide die Stiegen herab, und sahen die Alte heulend und maulend ganz zusammen geschnurrt im Trog liegen, das Angesicht gerunzelt, gefaltet und ungeschaffen. Darob sich die zwei, die beide mit Kindern giengen, so entsetzten, daß sie noch dieselbe Nacht zwei Junge gebaren, die waren nicht wie Menschen geschaffen, sondern wie Affen, liefen zum Wald hinein, und von ihnen stammt das Geschlecht der Affen her.
Gott der Herr hatte alle Thiere erschaffen, und sich die Woͤlfe zu seinen Hunden auserwaͤhlet; blos der Geis hatte er vergessen. Da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen, und machte die Geise mit seinen langen Schwaͤnzen. Wenn sie nun zur Weide giengen, blieben sie gewoͤhnlich mit ihren Schwaͤnzen in den Dornhecken haͤngen, da mußte der Teufel hineingehen, und sie mit vieler Muͤhe losknuͤpfen. Das verdroß ihn zuletzt, war her, und biß jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stuͤmpfen zu sehen ist.
Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, daß Gott der Herr zusah wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben beschaͤdigten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Deß jammerte ihn, so daß er aus Guͤte und Gnaden seine Woͤlfe dran hetzte, welche die Geise, die da giengen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernahm, trat er bald vor den Herrn, und sprach ‘dein Geschoͤpf hat mir das meine zerrissen.’ Der Herr antwortete ‘was hattest du es zu Schaden erschaffen?’ Der Teufel sagte ‘ich mußte das; gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erschaffen, keine andere299 Natur haben, und mußt mirs theuer zahlen.’ ‘Jch zahl dirs, sobald das Eichenlaub abfaͤllt, dann komm, dein Geld ist schon gezaͤhlt.’ Als das Eichenlaub abgefallen war, kam der Teufel und forderte seine Schuld. Der Herr aber sprach ‘in der Kirche zu Constantinopel steht eine hohe Eiche, die hat noch alles ihr Laub.’ Mit Toben und Fluchen entwich der Teufel, und wollte die Eiche suchen, irrte sechs Monate in der Wuͤstenei, eh er sie befand, und als er wieder kam, waren derweil wieder alle andere Eichen voll gruͤner Blaͤtter. Da mußte er seine Schuld fahren lassen, stach im Zorn allen uͤbrigen Geisen die Augen aus, und setzte ihnen seine eigene ein.
Darum haben alle Geise Teufelsaugen und abgebißne Schwaͤnze, und er nimmt gern ihre Gestalt an.
Es war einmal ein Zauberer, der stand mitten in einer großen Menge Volks und vollbrachte seine Wunderdinge. Da ließ er auch einen Hahn einher schreiten, der hob einen schweren Balken und trug ihn, als waͤre er federleicht. Nun war aber ein Maͤdchen, das hatte eben ein vierblaͤttriges Kleeblatt gefunden, und war dadurch klug geworden, so daß kein Blendwerk vor ihm bestehen konnte, und es sah daß der Balken nichts war als ein Strohhalm. Da rief es ‘ihr Leute, seht ihr nicht, das ist ein bloßer Strohhalm und kein Balken, was der Hahn da traͤgt.’ Alsbald verschwand der Zauber, und die Leute sahen was es war, und jagten den Hexenmeister mit Schimpf und Schande fort. Er aber, voll innerlichen Zornes, sprach ‘ich will mich schon raͤchen.’ Nach einiger Zeit hielt das Maͤdchen Hochzeit, war geputzt, und gieng in einem großen Zug uͤber das Feld nach dem Ort, wo die Kirche stand. Auf einmal kamen sie an einen stark angeschwollenen Bach, und war keine Bruͤcke und kein Steg daruͤber zu gehen. Da war die Braut flink, hob ihre Kleider auf und wollte durchwaten. Wie sie nun eben im Wasser so steht, ruft ein Mann, und das war der Zauberer, neben ihr ganz spoͤttisch ‘ei! wo hast301 du deine Augen, daß du das fuͤr ein Wasser haͤltst?’ Da giengen ihr die Augen auf, und sie sah daß sie mit ihren aufgehobenen Kleidern mitten in einem blaubluͤhenden Flachsfeld stand. Da sahen es die Leute auch allesammt, und jagten sie mit Schimpf und Gelaͤchter fort.
Es war einmal eine alte Frau, du hast wohl ehe eine alte Frau sehn betteln gehn? diese alte Frau bettelte auch, und wenn sie etwas bekam, dann sagte sie ‘Gott lohn euch.’ Die Bettelfrau kam an eine Thuͤr, da stand ein freundlicher Schelm von Jungen am Feuer, und waͤrmte sich. Der Junge sagte freundlich zu der armen alten Frau, wie sie so an der Thuͤr stand, und zitterte ‘kommt, Altmutter, und erwaͤrmt euch.’ Sie kam herzu, gieng aber zu nahe ans Feuer stehn, und ihre alten Lumpen fiengen an zu brennen, und sie wards nicht gewahr. Der Junge stand und sah das, er haͤtts doch loͤschen sollen? Nicht wahr, er haͤtte loͤschen sollen? Und wenn er kein Wasser gehabt haͤtte, dann haͤtte er alles Wasser in seinem Leibe zu den Augen herausweinen sollen, das haͤtte so zwei huͤbsche Baͤchlein gegeben zu loͤschen.
Ein Koͤnig hatte drei Soͤhne, die waren ihm alle gleich lieb, und er wußte nicht welchen er zum Koͤnig nach seinem Tode bestimmen sollte. Als die Zeit kam, daß er sterben wollte, rief er sie vor sich, und sprach ‘liebe Kinder, ich habe etwas bei mir bedacht, das will ich euch sagen: welcher von euch der Faulste ist, der soll nach mir Koͤnig werden.’ Da sprach der aͤlteste ‘Vater, so gehoͤrt das Reich mir, denn ich bin so faul, wenn ich liege und will schlafen, und es faͤllt mir ein Tropfen in die Augen, so mag ich sie nicht zuthun, damit ich einschlafe.’ Der zweite sprach ‘Vater, das Reich gehoͤrt mir, denn ich bin so faul, wenn ich beim Feuer sitze mich zu waͤrmen, so ließ ich mir eher die Fersen verbrennen, eh ich die Beine zuruͤckzoͤge.’ Der dritte sprach ‘Vater, das Reich ist mein, denn ich bin so faul, sollt ich aufgehenkt werden, und haͤtte den Strick schon um den Hals, und einer gaͤbe mir ein scharf Messer in die Hand, damit ich den Strick zerschneiden duͤrfte, so ließ ich mich eher henken, eh ich meine Hand aufhuͤbe zum Strick.’ Wie der Vater das hoͤrte, sprach er ‘du sollst der Koͤnig seyn.’
Es war einmal ein Hirtenbuͤbchen, das war wegen seiner weisen Antworten, die es auf alle Fragen gab, weit und breit beruͤhmt. Der Koͤnig des Landes hoͤrte auch davon, glaubte es nicht, und ließ das Buͤbchen kommen. Da sprach er zu ihm ‘kannst du mir auf drei Fragen, die ich dir vorlegen will, Antwort geben, so will ich dich ansehen wie mein eigen Kind, und du sollst bei mir in meinem koͤniglichen Schloß wohnen.’ Sprach das Buͤblein ‘wie lauten die drei Fragen?’ Der Koͤnig sagte ‘die erste lautet wie viel Tropfen Wasser sind in dem Weltmeer?’ Das Hirtenbuͤblein antwortete ‘Herr Koͤnig, laßt alle Fluͤsse auf der Erde verstopfen, damit kein Troͤpflein mehr daraus ins Meer lauft, das ich nicht erst gezaͤhlt habe, so will ich euch sagen, wie viel Tropfen im Meere sind.’ Sprach der Koͤnig ‘die andere Frage lautet wie viel Sterne stehen am Himmel?’ Das Hirtenbuͤbchen sagte ‘gebt mir einen großen Bogen weiß Papier,’ und dann machte es mit der Feder so viel feine Punkte darauf, daß sie kaum zu sehen, und fast gar nicht zu zaͤhlen waren, und einem die Augen vergiengen, wenn man darauf blickte. Darauf sprach es ‘so viel Sterne stehen am Himmel, als hier Punkte auf305 dem Papier; zaͤhlt sie nur.’ Aber niemand war dazu im Stand. Sprach der Koͤnig ‘die dritte Frage lautet wie viel Secunden hat die Ewigkeit?’ Da sagte das Hirtenbuͤblein ‘in Hinterpommern liegt der Demantberg, der hat eine Stunde in die Hoͤhe, eine Stunde in die Breite, und eine Stunde in die Tiefe; dahin kommt alle hundert Jahr ein Voͤgelein, und wetzt sein Schnaͤblein daran, und wenn der ganze Berg abgewetzt ist, dann ist die erste Secunde der Ewigkeit vorbei.’
Sprach der Koͤnig ‘du hast die drei Fragen aufgeloͤst, wie ein Weiser, und sollst fortan bei mir in meinem koͤniglichen Schlosse wohnen, und ich will dich ansehen wie mein eigenes Kind.’
Es war einmal ein kleines Maͤdchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, daß es kein Kaͤmmerchen mehr hatte darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und gar nichts mehr, als die Kleider auf dem Leib, und ein Stuͤckchen Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, gieng es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld. Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach ‘ach, gib mir doch etwas zu essen, ich bin so hungerig.’ Es reichte ihm das ganze Stuͤckchen Brot, und sagte ‘Gott segne dirs,’ und gieng weiter. Da kam ein Kind, das jammerte, und sprach ‘es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir doch etwas, womit ich ihn bedecken kann.’ Da that es seine Muͤtze ab, und gab sie ihm. Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind, und hatte kein Leibchen an, und fror: da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Roͤcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich kam es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins, und bat um ein Hemdlein, und das fromme Maͤdchen dachte ‘es ist dunkle307 Nacht, niemand sieht dich, da kannst du wohl dein Hemd weg geben;’ und gab das Hemd auch noch hin. Und wie es so stand, und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter harte blanke Thaler: und ob es gleich sein Hemdlein weg gegeben, so hatte es ein neues an vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Thaler hinein, und war reich fuͤr sein Lebtag.
Es saß einmal ein Vater mit seiner Frau und seinen Kindern Mittags am Tisch, und ein guter Freund, der zum Besuch gekommen war, aß mit ihnen. Und wie sie so saßen, und es zwoͤlf Uhr schlug, da sah der Fremde die Thuͤre aufgehen und ein schneeweiß gekleidetes, ganz blasses Kindlein hereinkommen. Es blickte sich nicht um und sprach auch nichts, sondern gieng geradezu in die Kammer neben an. Bald darauf kam es zuruͤck, und gieng eben so still wieder zur Thuͤre hinaus. Am zweiten und am dritten Tag kam es auf eben diese Weise. Da fragte endlich der Fremde den Vater wem das schoͤne Kind gehoͤrte, das alle Mittag in die Kammer gienge. ‘Jch habe es nicht gesehen,’ antwortete er, ‘und wuͤßte auch nicht wem es gehoͤren koͤnnte.’ Am andern Tage, wie es wieder kam, zeigte es der Fremde dem Vater, der sah es aber nicht, und die Mutter und die Kinder alle sahen auch nichts. Nun stand der Fremde auf, gieng zur Kammerthuͤre, oͤffnete sie ein wenig, und schaute hinein. Da sah er das Kind auf der Erde sitzen, und emsig mit den Fingern in den Dielenritzen graben, und wuͤhlen; wie es aber den Fremden bemerkte, verschwand es. Nun erzaͤhlte er was er gesehen hatte, und beschrieb das Kind309 genau, da erkannte es die Mutter und sagte ‘ach, das ist mein liebes Kind, das vor vier Wochen gestorben ist.’ Sie brachen die Dielen auf, und fanden zwei Heller, die hatte einmal das Kind von der Mutter erhalten, um sie einem armen Manne zu geben, es hatte aber gedacht ‘dafuͤr kannst du dir einen Zwieback kaufen,’ die Heller behalten, und in die Dielenritzen versteckt, und da hatte es im Grabe keine Ruhe gehabt, und war alle Mittage gekommen um nach den Hellern zu suchen. Die Eltern gaben darauf das Geld einem Armen, und nachher ist das Kind nicht wieder gesehen worden.
Es war ein junger Hirte, der wollte gern heirathen, und kannte drei Schwestern, davon war eine so schoͤn wie die andere, daß ihm die Wahl schwer wurde, und er sich nicht entschließen konnte einer davon den Vorzug zu geben. Da fragte er seine Mutter um Rath, die sprach ‘lad alle dreie ein, und setz ihnen Kaͤs vor, und hab acht wie sie ihn anschneiden.’ Das that der Juͤngling, die erste aber verschlang den Kaͤs mit der Rinde, die zweite schnitt in der Hast die Rinde vom Kaͤs ab, weil sie aber so hastig war, ließ sie noch viel Gutes daran, und warf das mit weg; die dritte schaͤlte ordentlich die Rinde ab, nicht zu viel und nicht zu wenig. Der Hirt erzaͤhlte das alles seiner Mutter, da sprach sie ‘nimm die dritte zu deiner Frau.’ Das that er, und lebte zufrieden und gluͤcklich mit ihr.
Es war einmal ein Maͤdchen, das war schoͤn, aber faul und nachlaͤssig. Wenn es spinnen sollte, so war es so verdrießlich daß wenn ein kleiner Knoten im Flachs war, es gleich einen ganzen Haufen mit herausriß, und neben sich zur Erde schlickerte. Nun hatte es ein Dienstmaͤdchen, das war arbeitsam, suchte den weggeworfenen Flachs zusammen, reinigte ihn, spann ihn fein, und ließ sich ein huͤbsches Kleid daraus weben. Als nun das faule Maͤdchen eine Braut war, und die Hochzeit sollte gehalten werden, tanzte das fleißige in seinem schoͤnen Kleide lustig herum, da sprach die Braut
Das hoͤrte der Braͤutigam, und fragte die Braut was sie damit sagen wolle. Da erzaͤhlte sie ihm daß das Maͤdchen ein Kleid von dem Flachs truͤge, den sie weggeworfen habe. Wie der Braͤutigam das hoͤrte, und ihre Faulheit und dagegen den Fleiß des armen Maͤdchens sah, ließ er sie stehen, gieng zu jener, und nahm sie zur Frau.
Ein Sperling hatte vier Junge in einem Schwalbennest; wie sie nun fluͤck sind, stoßen boͤse Buben das Nest ein, sie kommen aber alle gluͤcklich in Windbraus davon. Nun ist dem Alten leid, weil seine Soͤhne in die Welt kommen, daß er sie nicht vor allerlei Gefahr erst verwarnet, und ihnen gute Lehren fuͤrgesagt habe.
Aufn Herbst kommen in einem Weizenacker viel Sperlinge zusammen, allda trifft der Alte seine vier Jungen an, die fuͤhr er voll Freuden mit sich heim. ‘Ach, meine lieben Soͤhne, was habt ihr mir den Sommer uͤber Sorge gemacht, dieweil ihr ohne meine Lehre in Winde kamet; hoͤret meine Worte, und folget eurem Vater, und sehet euch wohl vor; kleine Voͤglein haben große Gefaͤhrlichkeit auszustehn!’ Darauf fraget er den aͤltern wo er sich den Sommer uͤber aufgehalten, und wie er sich ernaͤhrt haͤtte. ‘Jch habe mich in den Gaͤrten gehalten, Raͤuplein und Wuͤrmlein gesucht, bis die Kirschen reif wurden.’ ‘Ach, mein Sohn,’ sagte der Vater, ‘die Schnabelweid ist nicht boͤs, aber es ist große Gefahr dabei, darum habe fortan deiner wohl Acht, und sonderlich wenn Leut in Gaͤrten umher gehn, die lange gruͤne Stangen tragen, die inwendig hohl sind, und oben ein Loͤchlein haben.’ 313‘Ja, mein Vater, wenn dann ein gruͤn Blaͤttlein aufs Loͤchlein mit Wachs geklebt waͤre?’ spricht der Sohn. ‘Wo hast du das gesehn?’ ‘Jn eines Kaufmanns Garten’ sagt der Junge. ‘O mein Sohn,’ spricht der Vater, ‘Kaufleut, geschwinde Leut! bist du um die Weltkinder gewesen, so hast du Weltgeschmeidigkeit genug gelernt, siehe und brauchs nur recht wohl, und trau dir nicht zu viel.’
Darauf befragt er den andern ‘wo hast du dein Wesen gehabt?’ ‘Zu Hofe’ spricht der Sohn. ‘Sperling und alberne Voͤglein dienen nicht an diesem Ort, da viel Gold, Sammet, Seiden, Wehr, Harnisch, Sperber, Kautzen und Blaufuͤß sind, halt dich zum Roßstall, da man den Hafer schwingt, oder wo man drischet, so kann dirs Gluͤck mit gutem Fried auch dein taͤglich Koͤrnlein bescheeren.’ ‘Ja Vater,’ sagt dieser Sohn, ‘wenn aber die Stalljungen Hebritzen machen, und ihre Maschen und Schlingen ins Stroh binden, da bleibt auch mancher behenken.’ ‘Wo hast du das gesehn?’ sagte der Alte. ‘Zu Hof, beim Roßbuben.’ ‘O, mein Sohn, Hofbuben, boͤse Buben! bist du zu Hof und um die Herren gewesen, und hast keine Federn da gelassen, so hast du ziemlich gelernet, du wirst dich in der Welt wohl wissen auszureißen, doch siehe dich um und auf; die Woͤlfe fressen auch oft die gescheidten Huͤndlein.’
Der Vater nimmt den dritten auch vor sich, ‘wo hast du dein Heil versucht?’ ‘Auf den Fahrwegen und Landstraßen hab ich Kuͤbel und Seil eingeworfen, und da bisweilen ein Koͤrnlein oder Graͤuplein angetroffen.’ ‘Dies ist ja,’ sagt der Vater, ‘eine314 feine Nahrung, aber merk gleich wohl auf die Schanz, und siehe fleißig auf, sonderlich wenn sich einer buͤcket, und einen Stein aufheben will, da ist dir nicht lang zu bleiben.’ ‘Wahr ists,’ sagt der Sohn, ‘wenn aber einer zuvor einen Wand - oder Handstein im Busen oder Tasche truͤge?’ ‘Wo hast du dies gesehn?’ ‘Bei den Bergleuten,’ lieber Vater, ‘wenn sie ausfahren fuͤhren sie gemeinlich Handstein bei sich.’ ‘Bergleut, Werkleut, anschlaͤgige Leut! bist du um Bergburschen gewesen, so hast du was gesehen und erfahren.
Endlich kommt der Vater an juͤngsten Sohn, ‘du mein liebes Gackennestle, du warest allzeit der alberst und schwaͤchest, bleib du bei mir, die Welt hat viel grober und boͤser Voͤgel, die krumme Schnaͤbel und lange Krallen haben, und nur auf arme Voͤglein lauern, und sie verschlucken, halt dich zu deinesgleichen, und lies die Spinnlein und Raͤuplein von den Baͤumen oder Haͤuslein, so bleibst du lang zufrieden.’ ‘Du, mein lieber Vater, wer sich naͤhrt ohn ander Leut Schaden, der kommt lang hin, und kein Sperber, Habicht, Aar oder Weih wird ihm nicht schaden, wenn er zumal sich und seine ehrliche Nahrung dem lieben Gott all Abend und Morgen treulich befiehlt, welcher aller Wald - und Dorfvoͤglein Schoͤpfer und Erhalter ist, der auch der jungen Raͤblein Geschrei und Gebet hoͤret, denn ohne seinen Willen faͤllt auch kein Sperling oder Schneekuͤnglein auf die Erde.’ ‘Wo hast du dies gelernt?’ Antwortet der Sohn ‘wie mich der große Windbraus315 von dir wegriß, kam ich in ein Kirche, da las ich den Sommer die Fliegen und Spinnen von den Fenstern ab, und hoͤret diese Spruͤch predigen, da hat mich der Vater aller Sperlinge den Sommer uͤber ernaͤhrt und behuͤtet vor allem Ungluͤck und grimmigen Voͤgeln.’ ‘Traun! mein lieber Sohn, fleuchst du in die Kirchen und hilfest Spinnen und die sumsenden Fliegen aufraͤumen, und zirpst zu Gott, wie die jungen Raͤblein, und befiehlst dich dem ewigen Schoͤpfer, so wirst du wohl bleiben, und wenn die ganze Welt voll wilder tuͤckischer Voͤgel waͤre.
Jn der Schlauraffenzeit da gieng ich, und sah an einem kleinen Seidenfaden hieng Rom und der Lateran, und ein fußloser Mann der uͤberlief ein schnelles Pferd, und ein bitterscharfes Schwert das durchhieb eine Bruͤcke. Da sah ich einen jungen Esel mit einer silbernen Nase, der jug hinter zwei schnellen Hasen her, und eine Linde, die war breit, auf der wuchsen heiße Fladen. Da sah ich eine alte duͤrre Geis, trug wohl hundert Fuder Schmalzes an ihrem Leibe und sechzig Fuder Salzes. Jst das nicht gelogen genug? Da sah ich zackern einen Pflug, ohne Roß und Rinder, und ein jaͤhrigen Kind warf vier Muͤhlensteine von Regensburg bis nach Trier, und von Trier hinein in Straßburg; und ein Habicht schwamm uͤber den Rhein, das that er mit vollem Recht. Da hoͤrt ich Fische mit einander Laͤrm anfangen, daß es in den Himmel hinauf scholl, und ein suͤßer Honig floß wie Wasser von einem tiefen Thal auf einen hohen Berg, das waren seltsame Geschichten. Da waren zwei Kraͤhen, maͤhten eine Wiese, und ich sah zwei Muͤcken an einer Bruͤcke bauen, und zwei Tauben zerrupften einen Wolf, zwei Kinder die wurfen zwei Zicklein, aber zwei Froͤsche droschen mit einander Getreid aus. Da sah ich317 zwei Maͤuse einen Bischof weihen, zwei Katzen, die einem Baͤren die Zunge auskratzten. Da kam eine Schnecke gerennt, und erschlug zwei wilde Loͤwen. Da stand ein Bartscheerer, schor einer Frauen ihren Bart ab, und zwei saͤugende Kinder hießen ihrer Mutter stillschweigen. Da sah ich zwei Windhunde, brachten eine Muͤhle aus dem Wasser getragen, und eine alte Schindmaͤhre stand dabei, die sprach es waͤre Recht. Und im Hof standen vier Rosse, die droschen Korn aus allen Kraͤften, und zwei Ziegen, die den Ofen heitzten, und eine rothe Kuh schoß das Brot in den Ofen. Da kraͤhte ein Huhn ‘kickeriki, das Maͤhrchen ist ausverzaͤhlt, kickeriki.’
Jch will euch etwas erzaͤhlen. Jch sah zwei gebratene Huͤhner fliegen, flogen schnell, und hatten die Baͤuche gen Himmel gekehrt, die Ruͤcken nach der Hoͤlle, und ein Amboß und ein Muͤhlstein die schwammen uͤber den Rhein, fein langsam und leise, und ein Frosch saß und fraß eine Pflugschaar zu Pfingsten auf dem Eis; da waren drei Kerls, wollten einen Hasen fangen, giengen auf Kruͤcken und Stelzen, der eine war taub, der zweite blind, der dritte stumm, und der vierte konnte keinen Fuß ruͤhren. Wollt ihr wissen, wie das geschah? Der Blinde der sah zuerst den Hasen uͤber Feld traben, der Stumme der rief dem Lahmen zu, und der Lahme faßte ihn beim Kragen. Etliche die wollten zu Land segeln, und spannten die Segel im Wind, und schifften uͤber große Aecker hin, da segelten sie uͤber einen hohen Berg, da mußten sie elendig versaufen. Ein Krebs jagte einen Hasen in die Flucht, und hoch auf dem Dach lag eine Kuh, die war hinauf gestiegen. Jn dem Land sind die Fliegen so groß als hier zu Land die Ziegen.
Drei Frauen waren verwandelt in Blumen, die auf dem Felde standen, doch deren eine durfte des Nachts in ihrem Hause seyn. Da sprach sie auf eine Zeit zu ihrem Mann, als sich der Tag nahete, und sie wiederum zu ihren Gespielen auf das Feld gehen und eine Blume werden mußt, ‘so du heute Vormittag kommst, und mich abbrichst, werde ich erloͤst, und fuͤrder bei dir bleiben;’ als dann auch geschahe. Nun ist die Frage, wie sie ihr Mann erkannt habe, so die Blumen ganz gleich und ohne Unterschied waren? Antwort, ‘dieweil sie die Nacht in ihrem Haus und nicht auf dem Feld war, fiel der Thau nicht auf sie, als auf die andern zwei, dabei sie der Mann erkannte.’
Eine arme Wittwe, die lebte einsam in einem Huͤttchen, und vor dem Huͤttchen war ein Garten, darin standen zwei Rosenbaͤumchen, davon trug das eine weiße, das andere rothe Rosen: und sie hatte zwei Kinder, die glichen den beiden Rosenbaͤumchen, und das eine hieß Schneeweißchen, das andere Rosenroth. Sie waren aber so fromm und gut, so arbeitsam und unverdrossen, als je zwei Kinder auf der Welt gewesen sind: Schneeweißchen war nur stiller und sanfter als Rosenroth. Rosenroth sprang lieber in den Wiesen und Feldern umher, suchte Blumen und fieng Sommervoͤgel: Schneeweißchen aber saß daheim bei der Mutter, half ihr im Hauswesen, oder las ihr vor, wenn nichts zu thun war. Die beiden Kinder hatten einander so lieb, daß sie sich immer an den Haͤnden faßten, so oft sie zusammen aus giengen, und wenn Schneeweißchen sagte ‘wir wollen uns nicht verlassen,’ so antwortete Rosenroth ‘so lange wir leben nicht,’ und die Mutter setzte hinzu ‘was das eine hat solls mit dem andern theilen.’ Oft liefen sie im Walde allein umher, und sammelten rothe Beeren, aber kein Thier that ihnen etwas zu leid, sondern sie kamen vertraulich herbei: das Haͤschen fraß321 ein Kohlblatt aus ihren Haͤnden; das Reh graste an ihrer Seite; der Hirsch sprang ganz lustig vorbei; die Voͤgel blieben auf den Aesten sitzen, und sangen was sie wußten. Kein Unfall traf sie: wenn sie sich im Walde verspaͤtet hatten und die Nacht sie uͤberfiel, so legten sie sich nebeneinander auf das Moos und schliefen bis der Morgen kam, und die Mutter wußte das, und hatte ihrentwegen keine Sorge. Einmal, als sie im Walde uͤbernachtet hatten, und das Morgenroth sie aufweckte, da sahen sie ein schoͤnes Kind in einem weißen glaͤnzenden Kleidchen neben ihrem Lager sitzen. Es stand auf, und blickte sie ganz freundlich an, sprach aber nichts, und gieng in den Wald hinein. Und als sie sich umsahen, so hatten sie ganz nahe bei einem Abgrunde geschlafen, und waͤren gewiß hinein gefallen, wenn sie in der Dunkelheit noch ein paar Schritte weiter gegangen waͤren. Die Mutter aber sagte ihnen das muͤste der Engel gewesen seyn, der gute Kinder bewache.
Schneeweißchen und Rosenroth hielten das Huͤttchen der Mutter so reinlich, daß es eine Freude war hinein zu schauen. Jm Sommer besorgte Rosenroth das Haus, und stellte der Mutter jeden Morgen, ehe sie aufwachte, einen Blumenstrauß vors Bett, darin war von jedem Baͤumchen eine Rose. Jm Winter zuͤndete Schneeweißchen das Feuer an, und hieng den Kessel an den Feuerhacken, und der Kessel war von Messing, glaͤnzte aber wie Gold, so rein war er gescheuert. Abends, wenn die Flocken fielen, sagte die Mutter ‘geh, Schneeweißchen,322 und schieb den Riegel vor,’ und dann setzten sie sich an den Herd, und die Mutter nahm die Brille, und las aus einem großen Buche vor, und die beiden Maͤdchen hoͤrten zu, saßen und spannen; neben ihnen lag ein Laͤmmchen auf dem Boden, und hinter ihnen auf einer Stange saß ein weißes Taͤubchen, und hatte seinen Kopf unter den Fluͤgel gesteckt.
Eines Abends, als sie so vertraulich beisammen saßen, klopfte jemand an die Thuͤre, als wollte er eingelassen seyn. Die Mutter sprach ‘geschwind, Rosenroth, mach auf, es wird ein Wanderer seyn, der Obdach sucht.’ Rosenroth gieng, und schob den Riegel weg, aber statt daß ein Mensch gekommen waͤre, streckte ein Baͤr seinen dicken schwarzen Kopf zur Thuͤre herein. Rosenroth schrie laut, und sprang zuruͤck; das Laͤmmchen bloͤckte, das Taͤubchen flatterte auf, und Schneeweißchen versteckte sich hinter der Mutter Bett. Der Baͤr aber fieng an zu sprechen, und sagte ‘fuͤrchtet euch nicht, ich thue euch nichts zu leid, ich bin halb erfroren, und will mich nur ein wenig bei euch waͤrmen.’ ‘Ei, du armer Baͤr,’ sprach die Mutter, ‘leg dich ans Feuer, und gib nur acht daß dir dein Pelz nicht brennt.’ Dann rief sie ‘Schneeweißchen, Rosenroth, kommt hervor, der Baͤr thut euch nichts, er meints ehrlich.’ Da kamen sie beide heran, und nach und nach naͤherten sich auch das Laͤmmchen und Taͤubchen, und hatten keine Furcht mehr. Der Baͤr sprach ‘ihr Kinder, klopft mir den Schnee ein wenig aus dem Pelzwerk,’ und sie holten den Besen, und kehrten dem Baͤr das Fell323 rein, er aber streckte sich ans Feuer, und brummte ganz vergnuͤgt und behaglich. Nicht lange, so wurden sie ganz vertraut, und trieben Muthwillen mit dem unbeholfenen Gast, zausten ihm das Fell mit den Haͤnden, setzten ihre Fuͤßchen auf seinen Ruͤcken, und walgerten ihn hin und her, oder nahmen eine Haselruthe und schlugen auf ihn los, und wenn er brummte, so lachten sie. Der Baͤr ließ sichs aber gerne gefallen, nur wenn sies gar zu arg machten, rief er ‘laßt mich am Leben, ihr Kinder:
Als Schlafenszeit war, und die andern zu Bett giengen, sagte die Mutter zu dem Baͤr ‘du kannst in Gottes Namen da am Herde liegen bleiben, so bist du vor der Kaͤlte und dem boͤsen Wetter geschuͤtzt.’ Als der Tag graute, ließen ihn die beiden Kinder hinaus, und er trabte uͤber den Schnee in den Wald hinein. Von nun an kam der Baͤr jeden Abend zu der bestimmten Stunde, legte sich an den Herd, und erlaubte den Kindern Kurzweil mit ihm zu treiben, so viel sie wollten; und sie waren so gewoͤhnt an ihn, daß die Thuͤre nicht eher zugeriegelt wurde, als bis der schwarze Gesell angelangt war.
Als das Fruͤhjahr heran gekommen und draußen alles gruͤn war, sagte der Baͤr eines Morgens zu Schneeweißchen ‘nun muß ich fort, und darf den ganzen Sommer nicht wieder kommen.’ ‘Wo gehst du denn hin, lieber Baͤr?’ fragte Schneeweißchen. ‘Jch muß in den Wald und meine Schaͤtze vor den boͤsen Zwergen huͤten:324 im Winter, wenn die Erde hart gefroren ist, muͤssen sie wohl unten bleiben und koͤnnen sich nicht durcharbeiten, aber jetzt, wenn die Sonne die Erde aufgethaut und erwaͤrmt hat, da brechen sie durch, steigen herauf, suchen und stehlen: und was einmal in ihren Haͤnden ist und in ihren Hoͤhlen liegt, das kommt so leicht nicht wieder an des Tages Licht.’ Schneeweißchen war ganz traurig uͤber den Abschied, und riegelte ihm die Thuͤre auf, und als der Baͤr sich hinaus draͤngte, blieb er an dem Thuͤrhacken haͤngen, und ein Stuͤck seiner Haut riß auf, und da war es Schneeweißchen, als haͤtte es Gold durchschimmern gesehen: aber es war seiner Sache nicht gewiß, weil der Baͤr eilig fort lief und bald hinter den Baͤumen verschwunden war.
Nach einiger Zeit schickte die Mutter die Kinder in den Wald Reisig zu sammeln. Da fanden sie draußen einen großen Baum, der lag gefaͤllt auf dem Boden, und an dem Stamme sprang zwischen dem Gras etwas auf und ab, sie konnten aber nicht unterscheiden was es war. Als sie naͤher kamen, sahen sie einen Zwerg mit einem alten verwelkten Gesicht und einem ellenlangen schneeweißen Bart. Das Ende des Bartes war in eine Spalte des Baums eingeklemmt, und der Kleine sprang hin und her wie ein Huͤndchen an einem Seil, und wußte nicht wie er sich helfen sollte. Er glotzte die Maͤdchen mit seinen rothen feurigen Augen an, und schrie ‘was steht ihr da! koͤnnt ihr nicht herbei gehen und mir Beistand leisten?’ ‘Was hast du angefangen, kleines Maͤnnchen?’ fragte Rosenroth. ‘Dumme neugierige Gans,’ antwortete der Zwerg, ‘den Baum habe ich325 mir spalten wollen, um kleines Holz in der Kuͤche zu haben; bei den dicken Kloͤtzen verbrennt gleich das Bischen Speise, das unser einer braucht, der nicht so viel hinunter schlingt als ihr, grobes Volk. Jch hatte einen Keil hinein getrieben, und es waͤre alles nach Wunsch gegangen, aber das verwuͤnschte Holz war zu glatt, und sprang unversehens heraus, und der Baum fuhr so geschwind zusammen, daß ich meinen schoͤnen weißen Bart nicht mehr herausziehen konnte; nun steckt er drinn, und ich kann nicht fort. Da lachen die albernen glatten Milchgesichter! pfui, was seyd ihr garstig!’ Die Kinder gaben sich alle Muͤhe, aber sie konnten den Bart nicht heraus ziehen, er steckte zu fest. ‘Jch will laufen, und Leute herbei holen’ sagte Rosenroth. ‘Wahnsinnige Schafskoͤpfe,’ schnarrte der Zwerg, ‘wer wird gleich Leute herbeirufen, ihr seyd mir schon um zwei zu viel; faͤllt euch nicht besseres ein?’ ‘Sey nur nicht ungeduldig,’ sagte Schneeweißchen, ‘ich will schon Rath schaffen,’ und holte sein Scheerchen aus der Tasche, und schnitt das Ende des Bartes ab. Sobald der Zwerg sich frei fuͤhlte, griff er nach einem Sack, der zwischen den Wurzeln des Baums steckte, und mit Gold gefuͤllt war, hob ihn heraus, und brummte vor sich hin ‘ungehobeltes Volk, schneidet mir ein Stuͤck von meinem stolzen Barte ab! lohns euch der Guckguck!’ damit schwang er seinen Sack auf den Ruͤcken, und gieng fort ohne die Kinder nur noch einmal anzusehen.
Einige Zeit danach wollten Schneeweißchen und Rosenroth ein Gericht Fische angeln. Als sie auf den Bach zu giengen,326 sahen sie daß etwas wie eine große Heuschrecke nach dem Wasser zu huͤpfte, als wollte es hinein springen. Sie liefen heran, und erkannten den Zwerg. ‘Wo willst du hin?’ sagte Rosenroth, ‘du willst doch nicht ins Wasser?’ ‘Solch ein Narr bin ich nicht,’ schrie der Zwerg, ‘seht ihr nicht, der verwuͤnschte Fisch will mich hinein ziehen?’ Der Kleine hatte da gesessen und geangelt, und ungluͤcklicher Weise hatte der Wind seinen Bart mit der Angelschnur verflochten: als gleich darauf ein großer Fisch anbiß, fehlten dem Zwerg die Kraͤfte ihn herauszuziehen, der Fisch behielt die Oberhand, und riß den Zwerg zu sich hin. Zwar hielt er sich an allen Halmen und Binsen, aber das half nicht viel, er mußte den Bewegungen des Fisches folgen, und war in bestaͤndiger Gefahr ins Wasser gezogen zu werden. Die Maͤdchen kamen zu rechter Zeit, hielten ihn fest, und versuchten den Bart von der Schnur loszumachen, aber vergebens, Bart und Schnur waren fest in einander verwirrt. Es blieb nichts uͤbrig, als das Scheerchen hervor zu holen und den Bart abzuschneiden: dabei gieng ein kleiner Theil desselben verloren. Als der Zwerg das sah, schrie er sie an, ‘ist das Manier, ihr Lorche, einem das Gesicht zu schaͤnden! nicht genug, daß ihr mir den Bart unten abgestutzt habt, jetzt schneidet ihr mir den besten Theil davon ab: ich darf mich vor den Meinigen gar nicht sehen lassen. Daß ihr laufen muͤßtet und die Schuhsohlen verloren haͤttet!’ Dann holte er einen Sack Perlen, der im Schilfe lag, und ohne ein Wort weiter zu sagen, schleppte er ihn fort, und verschwand hinter einem Stein.
327Es trug sich zu, daß bald hernach die Mutter die beiden Maͤdchen nach der Stadt schickte, Zwirn, Nadeln, Schnuͤre und Baͤnder einzukaufen. Der Weg fuͤhrte sie uͤber eine Heide, auf der hier und da maͤchtige Felsenstuͤcke zerstreut lagen, da sahen sie einen großen Vogel in der Luft schweben, der langsam uͤber ihnen kreiste, sich immer tiefer herab senkte, und endlich nicht weit bei einem Felsen niederstieß. Gleich darauf hoͤrten sie einen durchdringenden, jaͤmmerlichen Schrei. Sie liefen herzu, und sahen mit Schrecken daß der Adler ihren alten Bekannten, den Zwerg, gepackt hatte und ihn forttragen wollte. Die mitleidigen Kinder hielten gleich das Maͤnnchen fest, und zerrten sich so lange mit dem Adler herum, bis er seine Beute fahren ließ. Als der Zwerg sich von dem ersten Schrecken erholt hatte, sprach er ‘konntet ihr nicht saͤuberlicher mit mir umgehen, gerissen habt ihr an meinem duͤnnen Roͤckchen daß es uͤberall zerfetzt und durchloͤchert ist, unbeholfenes und taͤppisches Gesindel das ihr seyd!’ Dann nahm er einen Sack mit Edelsteinen, und schluͤpfte wieder unter den Felsen in seine Hoͤhle. Die Maͤdchen waren an seinen Undank schon gewoͤhnt, setzten ihren Weg fort, und verrichteten ihr Geschaͤft in der Stadt. Als sie beim Heimweg wieder auf die Heide kamen, uͤberraschten sie den Zwerg, der auf einem reinlichen Plaͤtzchen seinen Sack mit Edelsteinen ausgeschuͤttet und nicht gedacht hatte daß so spaͤt noch jemand daher kommen wuͤrde. Die Abendsonne schien uͤber die glaͤnzenden Steine, und sie schimmerten und leuchteten so praͤchtig in allen Farben, daß die Kinder stehen blieben, und328 sie betrachteten. ‘Was steht ihr da, und habt Maulaffen feil!’ schrie der Zwerg, und sein aschgraues Gesicht ward zinnoberroth vor Zorn. Er wollte mit seinen Scheltworten fortfahren, als sich ein lautes Brummen hoͤren ließ, und ein schwarzer Baͤr aus dem Walde herbei trabte. Erschrocken sprang der Zwerg auf, aber er konnte nicht mehr zu seinem Schlupfwinkel gelangen, der Baͤr war schon in seiner Naͤhe. Da rief er in Herzensangst ‘lieber Herr Baͤr, verschont mich, ich will euch alle meine Schaͤtze geben, seht, die schoͤnen Edelsteine, die da liegen. Schenkt mir das Leben, was habt ihr an mir kleinen schmaͤchtigen Kerl? ihr spuͤrt mich nicht zwischen den Zaͤhnen: da die beiden gottlosen Maͤdchen packt, das sind fuͤr euch zarte Bissen, fett wie junge Wachteln, die freßt in Gottes Namen.’ Der Baͤr kuͤmmerte sich um seine Worte nicht, gab dem boshaften Geschoͤpf einen einzigen Schlag mit der Tatze, und es regte sich nicht mehr.
Die Maͤdchen waren fortgesprungen, aber der Baͤr rief ihnen nach ‘Schneeweißchen, Rosenroth, fuͤrchtet euch nicht, wartet, ich will mit euch gehen.’ Da erkannten sie seine Stimme, und blieben stehen, und als der Baͤr bei ihnen war, fiel ploͤtzlich die Baͤrenhaut ab, und er stand da als ein schoͤner Mann, und war ganz in Gold gekleidet. Er sagte ‘ich bin eines Koͤnigs Sohn, und war von dem gottlosen Zwerg, der mir meine Schaͤtze gestohlen hatte, verwuͤnscht als ein wilder Baͤr in dem Walde zu laufen, bis ich durch seinen Tod erloͤst wuͤrde. Jetzt hat er seine wohlverdiente Strafe empfangen.’
329Schneeweißchen wurde mit ihm, und Rosenroth mit seinem Bruder vermaͤhlt, und sie theilten die großen Schaͤtze mit einander, die der Zwerg in seiner Hoͤhle zusammen getragen hatte. Die alte Mutter lebte noch lange Jahre ganz gluͤcklich bei ihren Kindern. Die zwei Rosenbaͤumchen aber nahm sie mit, und sie standen vor ihrem Fenster, und trugen jedes Jahr die schoͤnsten Rosen, weiß und roth.
Wie gluͤcklich ist der Herr, und wie wohl steht es mit seinem Hause, wenn er einen klugen Knecht hat, der auf seine Worte zwar hoͤrt, aber nicht danach thut, sondern lieber seiner eigenen Weisheit folgt. Ein solcher kluger Hans ward einmal von seinem Herrn ausgeschickt, eine verlorene Kuh zu suchen. Er blieb lange aus, so lange, daß der Herr endlich um ihn besorgt war. ‘Der treue Hans,’ dachte er, ‘laͤßt sich in seinem Dienste keine Muͤhe verdrießen; wenn ihm nur nichts widerfahren ist, weil er gar nicht wieder kommt; ich will mich lieber selbst aufmachen, und nach ihm sehen.’ Der Herr mußte lange nach ihm suchen, endlich sah er ihn im weiten Feld herumlaufen, und hatte Muͤhe ihn einzuholen. ‘Nun, lieber Hans,’ sagte der Herr, ‘hast du die Kuh gefunden, nach der ich dich ausgeschickt habe?’ ‘Nein, Herr,’ antwortete er, ‘die Kuh habe ich nicht gefunden, aber auch nicht gesucht. Etwas Besseres habe ich gesucht, und auch gluͤcklich gefunden.’ ‘Was ist das, Hans?’ ‘Drei Amseln’ antwortete der Knecht. ‘Und wo sind sie?’ fragte der Herr. ‘Eine sehe ich, die andere hoͤre ich, die dritte jage ich’ antwortete des kluge Knecht.
Nehmt euch daran ein Beispiel, bekuͤmmert euch nicht um euern Herrn und seine Befehle, thut lieber was euch einfaͤllt und wozu ihr Lust habt, dann werdet ihr eben so weise handeln, als der kluge Hans.
Sage niemand daß ein armer Schneider es nicht weit bringen und nicht zu hohen Ehren gelangen koͤnne, es ist weiter gar nichts noͤthig, als daß er an die rechte Schmiede kommt, und, was die Hauptsache ist, das es ihm gluͤckt. Ein solches artiges und behendes Schneiderbuͤrschchen gieng einmal seiner Wanderschaft nach, und kam in einen großen Wald, und weil es den Weg nicht wußte, verirrte es sich. Die Nacht brach ein, und es blieb ihm nichts uͤbrig als in dieser schauerlichen Einsamkeit ein Lager zu suchen. Auf dem weichen Mose haͤtte er freilich ein gutes Bett gefunden, allein die Furcht vor den wilden Thieren ließ ihm da keine Ruhe, und er mußte sich endlich entschließen auf einem Baume zu uͤbernachten. Er suchte eine hohe Eiche, stieg bis in den Gipfel hinauf, und dankte Gott daß er sein Buͤgeleisen bei sich trug weil ihn sonst der Wind, der uͤber die Gipfel der Baͤume wehete, weggefuͤhrt haͤtte.
Nachdem er einige Stunden in der Finsternis, nicht ohne Zittern und Zagen, zugebracht hatte, erblickte er in geringer Entfernung den Schein eines Lichtes; und weil er dachte daß da eine menschliche Wohnung seyn moͤchte, wo er sich besser befinden werde als auf den Ästen eines Baums, so stieg er vorsichtig herab und332 gieng dem Lichte nach. Es leitete ihn zu einem kleinen Haͤuschen, das aus Rohr und Binsen geflochten war. Er klopfte muthig an, die Thuͤre oͤffnete sich, und bei dem Scheine des herausfallenden Lichtes sah er ein altes eisgraues Maͤnnchen, das ein von buntfarbigen Lappen zusammengesetztes Kleid an hatte. ‘Wer seyd ihr, und was wollt ihr?’ fragte es mit einer schnarrenden Stimme. ‘Jch bin ein armer Schneider,’ antwortete er, ‘den die Nacht hier in der Wildnis uͤberfallen hat, und bitte euch instaͤndig mich bis Morgen in eurer Huͤtte aufzunehmen.’ ‘Geh deiner Wege,’ erwiederte der Alte mit muͤrrischem Tone, ‘mit Landstreichern will ich nichts zu schaffen haben; such dir anderwaͤrts ein Unterkommen.’ Nach diesen Worten wollte er wieder in sein Haus schluͤpfen, aber der Schneider hielt ihn am Rockzipfel fest, und bat so beweglich, daß der Alte, der so boͤse nicht war als er sich anstellte, endlich erweicht wurde, und ihn mit in seine Huͤtte nahm, wo er ihm zu essen gab, und dann in einem Winkel ein ganz gutes Nachtlager anwies.
Der muͤde Schneider brauchte keines Einwiegens, sondern schlief sanft bis an den Morgen, wuͤrde auch noch nicht an das Aufstehen gedacht haben, wenn er nicht von einem lauten Laͤrm waͤre aufgeschreckt worden. Ein heftiges Schreien und Bruͤllen drang durch die duͤnnen Waͤnde des Hauses. Der Schneider, den ein unerwarteter Muth uͤberkam, sprang auf, zog in der Hast seine Kleider an, und eilte hinaus. Da erblickte er nahe bei dem Haͤuschen einen großen schwarzen Stier und einen schoͤnen Hirsch, die in dem heftigsten Kampfe begriffen waren. Sie giengen mit333 so großer Wuth aufeinander los, daß von ihrem Getrampel der Boden erzitterte, und die Luft von ihrem Geschrei erdroͤhnte. Es war lange ungewiß, welcher von beiden den Sieg davon tragen wuͤrde: endlich stieß der Hirsch seinem Gegner das Geweih in den Leib, worauf der Stier mit entsetzlichem Bruͤllen zur Erde sank, und durch einige Schlaͤge des Hirsches voͤllig getoͤdtet ward.
Der Schneider, welcher dem Kampfe mit Erstaunen zugesehen hatte, stand noch unbeweglich da, als der Hirsch in vollen Spruͤngen auf ihn zu eilte und ihn, ehe er entfliehen konnte, mit seinem großen Geweihe gleichsam aufgabelte. Er konnte sich nicht lange besinnen, denn es gieng schnellen Laufes fort uͤber Stock und Stein, Berg und Thal, Wiese und Wald. Er hielt sich mit beiden Haͤnden an die Enden des Geweihes fest, und uͤberließ sich seinem Schicksal. Es kam ihm aber nicht anders vor als fliege er davon. Endlich hielt der Hirsch vor einer Felsenwand still, und ließ den Schneider sanft herabfallen. Der Schneider, mehr todt als lebendig, bedurfte einiger Zeit um wieder zur Besinnung zu kommen. Als er sich einigermaßen erholt hatte, stieß der Hirsch, der neben ihm stehen geblieben war, sein Geweih mit solcher Gewalt gegen eine in dem Felsen befindliche Thuͤre daß sie aufsprang. Feuerflammen schlugen heraus, auf welche ein großer Dampf folgte, der den Hirsch seinen Augen entzog. Der Schneider wußte nicht was er thun und wohin er sich wenden sollte, um aus dieser Einoͤde wieder unter Menschen zu gelangen. Jndem er also unschluͤssig stand, toͤnte eine Stimme aus dem Felsen, die ihm zurief ‘tritt ohne Furcht herein, dir soll kein Leid334 widerfahren.’ Er zauderte zwar, doch, von einer heimlichen Gewalt angetrieben, gehorchte er der Stimme, und gelangte durch die eiserne Thuͤre in einen großen geraͤumigen Saal, dessen Decke, Waͤnde und Boden aus glaͤnzend geschliffenen Quadersteinen bestanden, auf deren jedem ihm unbekannte Zeichen eingehauen waren. Er betrachtete alles voll Bewunderung, und war eben im Begriffe wieder hinaus zu gehen, als er abermals die Stimme vernahm, welche ihm sagte ‘tritt auf den Stein, der in der Mitte des Saales liegt, und dein wartet großes Gluͤck.’
Sein Muth war schon so weit gewachsen daß er dem Befehle Folge leistete. Der Stein begann unter seinen Fuͤßen nachzugeben, und sank langsam in die Tiefe hinab. Als er wieder feststand, und der Schneider sich umsah, befand er sich in einem Saale, der an Umfang dem vorigen gleich war. Hier aber gab es mehr zu betrachten und zu bewundern. Jn die Waͤnde waren Vertiefungen eingehauen, in welchen Gefaͤße von durchsichtigem Glase standen, welche mit farbigem Spiritus oder mit einem blaulichen Rauche angefuͤllt waren. Auf dem Boden des Saales standen, einander gegenuͤber, zwei große glaͤserne Kasten, die sogleich seine Neugierde reizten. Jndem er zu dem einen trat, erblickte er darin ein schoͤnes Gebaͤude, einem Schlosse aͤhnlich, von Wirthschaftsgebaͤuden, Staͤllen und Scheuern und einer Menge anderer artigen Sachen umgeben. Alles war klein, aber uͤberaus sorgfaͤltig und zierlich gearbeitet, und schien von einer kunstreichen Hand mit der hoͤchsten Genauigkeit ausgeschnitzt zu seyn.
Er wuͤrde seine Augen von der Betrachtung dieser Seltenheiten335 noch nicht abgewendet haben, wenn sich nicht die Stimme abermals haͤtte hoͤren lassen. Sie forderte ihn auf sich umzukehren, und den gegenuͤberstehenden Glaskasten zu beschauen. Wie stieg seine Verwunderung als er darin ein Maͤdchen von groͤßter Schoͤnheit erblickte. Es lag wie im Schlafe, und war in lange blonde Haare wie in einen kostbaren Mantel eingehuͤllt. Die Augen waren fest geschlossen, doch die lebhafte Gesichtsfarbe, und ein Band, das der Athem hin und her bewegte, ließen keinen Zweifel an ihrem Leben. Der Schneider betrachtete die Schoͤne mit klopfendem Herzen, als sie ploͤtzlich die Augen aufschlug, und bei seinem Anblick in freudigem Schrecken zusammenfuhr. ‘Gerechter Himmel,’ rief sie, ‘meine Befreiung naht! geschwind, geschwind, hilf mir aus meinem Gefaͤngnis: wenn du den Riegel an diesem glaͤsernen Sarge wegschiebst, so bin ich erloͤst.’ Der Schneider gehorchte ohne Zaudern, alsbald hob sie den Glasdeckel in die Hoͤhe, stieg heraus, und eilte in die Ecke des Saals, wo sie sich in einen weiten Mantel verhuͤllte. Dann setzte sie sich auf einen Stein nieder, hieß den jungen Mann heran gehen, und nachdem sie einen freundlichen Kuß auf seinen Mund gedruͤckt hatte, sprach sie ‘mein lang ersehnter Befreier, der guͤtige Himmel hat mich zu dir gefuͤhrt, und meinen Leiden ein Ziel gesetzt. An demselben Tage wo sie endigen, soll dein Gluͤck beginnen. Du bist der vom Himmel mir bestimmte Gemahl, und sollst, von mir geliebt und mit allen irdischen Guͤtern uͤberhaͤuft, in ungestoͤrter Freude dein Leben zubringen. Sitz nieder, und hoͤre die Erzaͤhlung meines Schicksals.
336Jch bin die Tochter eines reichen Grafen. Meine Eltern starben als ich noch in zarter Jugend war, und empfahlen mich in ihrem letzten Willen meinem aͤltern Bruder, bei dem ich auferzogen wurde. Wir liebten uns so zaͤrtlich, und waren so uͤbereinstimmend in unserer Denkungsart und unsern Neigungen, daß wir beide den Entschluß faßten uns niemals zu verheirathen, sondern bis an das Ende unseres Lebens beisammen zu bleiben. Jn unserm Hause war an Gesellschaft nie Mangel: Nachbarn und Freunde besuchten uns haͤufig, und wir uͤbten gegen alle die Gastfreundschaft in vollem Maße. So geschah es auch eines Abends, daß ein Fremder in unser Schloß geritten kam, und unter dem Vorgeben den naͤchsten Ort nicht mehr erreichen zu koͤnnen um ein Nachtlager bat. Wir gewaͤhrten seine Bitte mit zuvorkommender Hoͤflichkeit, und er unterhielt uns waͤhrend des Abendessens mit seinem Gespraͤche und eingemischten Erzaͤhlungen auf das anmuthigste. Mein Bruder hatte ein so großes Wohlgefallen an ihm, daß er ihn bat ein paar Tage bei uns zu verweilen, wozu er nach einigem Weigern einwilligte. Wir standen erst spaͤt in der Nacht von Tische auf, dem Fremden wurde ein Zimmer angewiesen, und ich eilte, ermuͤdet wie ich war, meine Glieder in die weichen Federn zu senken. Kaum war ich ein wenig eingeschlummert, so weckten mich die Toͤne einer zarten und lieblichen Musik. Da ich nicht begreifen konnte woher sie kaͤmen, so wollte ich mein im Nebenzimmer schlafendes Kammermaͤdchen rufen, allein zu meinem Erstaunen fand ich daß mir, als lastete ein Alp auf meiner Brust, von einer unbekannten Gewalt die Sprache benommen337 und ich unvermoͤgend war den[geringsten] Laut von mir zu geben. Jndem sah ich bei dem Schein der Nachtlampe den Fremden in mein durch zwei Thuͤren fest verschlossenes Zimmer eintreten. Er naͤherte sich mir, und sagte daß er durch Zauberkraͤfte, die ihm zu Gebote staͤnden, die liebliche Musik habe ertoͤnen lassen um mich aufzuwecken, und dringe jetzt selbst durch alle Schloͤsser in der Absicht, mir Herz und Hand anzubieten. Mein Widerwille aber gegen seine Zauberkuͤnste war so groß, daß ich ihn keiner Antwort wuͤrdigte. Er blieb eine Zeit lang unbeweglich stehen, wahrscheinlich in der Absicht einen guͤnstigen Entschluß zu erwarten, als ich aber fortfuhr zu schweigen, erklaͤrte er zornig daß er sich raͤchen und Mittel finden werde meinen Hochmuth zu bestrafen, worauf er das Zimmer wieder verließ. Jch brachte die Nacht in hoͤchster Unruhe zu, und schlummerte erst gegen Morgen ein. Als ich erwacht war, eilte ich zu meinem Bruder, um ihn von dem was vorgefallen war zu benachrichtigen, allein ich fand ihn nicht auf seinem Zimmer, und der Bediente sagte mir daß er bei anbrechendem Tage mit dem Fremden auf die Jagd geritten sey.
Mir ahnete gleich nichts gutes; ich kleidete mich schnell an, ließ meinen Leibzelter satteln, und ritt, nur von einem Diener begleitet, in vollem Jagen nach dem Walde. Der Diener stuͤrzte mit dem Pferde, und konnte mir, da das Pferd den Fuß gebrochen hatte, nicht folgen. Jch setzte, ohne mich aufzuhalten, meinen Weg fort, und in wenigen Minuten sah ich den Fremden mit einem schoͤnen Hirsch, den er an der Leine fuͤhrte, auf mich338 zukommen. Jch fragte ihn wo er meinen Bruder gelassen habe, und wie er zu diesem Hirsche gelangt sey, aus dessen großen Augen ich Thraͤnen fließen sah. Anstatt mir zu antworten fieng er an laut aufzulachen. Jch gerieth daruͤber in hoͤchsten Zorn, zog eine Pistole, und druͤckte die gegen das Ungeheuer ab, aber die Kugel prallte von seiner Brust zuruͤck und fuhr in den Kopf meines Pferdes. Jch stuͤrzte zur Erde, der Fremde aber murmelte einige Worte, die mir das Bewußtseyn raubten.
Als ich wieder zur Besinnung kam fand ich mich in dieser unterirdischen Gruft in einem glaͤsernen Sarge. Der Schwarzkuͤnstler erschien nochmals, sagte daß er meinen Bruder in einen Hirsch verwandelt, mein Schloß, mit allem Zubehoͤr, verkleinert, in den andern Glaskasten eingeschlossen, und meine in Rauch verwandelten Leute in Glasflaschen gebannt habe. Wolle ich mich jetzt seinem Wunsche fuͤgen, so sey ihm ein leichtes, alles wieder in den vorigen Stand zu setzen: er brauche nur die Gefaͤße zu oͤffnen, so werde alles wieder in die natuͤrliche Gestalt zuruͤckkehren. Jch antwortete ihm so wenig als das erste Mal. Er verschwand, und ließ mich in meinem Gefaͤngnisse liegen, in welchem mich ein tiefer Schlaf befiel. Unter den Bildern, welche an meiner Seele voruͤbergiengen, war auch das troͤstliche daß ein junger Mann kam und mich befreite, und als ich heute die Augen oͤffne, so erblicke ich dich und sehe meinen Traum erfuͤllt. Hilf mir vollbringen was in jenem Gesichte noch weiter geschah. Das erste ist daß wir den Glaskasten, in welchem mein Schloß sich befindet, auf jenen breiten Stein heben.’
339Der Stein, sobald er beschwert war, hob sich mit dem Fraͤulein und dem Juͤngling in die Hoͤhe, und stieg durch die Öffnung der Decke in den obern Saal, wo sie dann leicht ins Freie gerathen konnten. Hier oͤffnete das Fraͤulein den Deckel, und es war wunderbar anzusehen, wie Schloß, Haͤuser und Gehoͤfte sich ausdehnten, und in groͤßter Schnelligkeit zu natuͤrlicher Groͤße heranwuchsen. Sie kehrten darauf in die unterirdische Hoͤhle zuruͤck, und ließen die mit Rauch gefuͤllten Glaͤser von dem Steine herauftragen. Kaum hatte das Fraͤulein die Flaschen geoͤffnet, so drang der blauliche Rauch heraus, und verwandelte sich in lebendige Menschen, in welchen das Fraͤulein ihre Diener und Leute erkannte. Jhre Freude ward noch vermehrt als ihr Bruder, der den Zauberer in dem Stiere getoͤdtet hatte, in menschlicher Gestalt aus dem Walde heran kam, und noch denselben Tag reichte das Fraͤulein, ihrem Versprechen gemaͤß, dem gluͤcklichen Schneider die Hand am Altare.
Heinz war faul, und obgleich er weiter nichts zu thun hatte, als seine Ziege taͤglich auf die Weide zu treiben, so seufzte er dennoch, wenn er nach vollbrachtem Tagewerk Abends nach Hause kam, und sprach ‘es ist in Wahrheit eine schwere Last und ein muͤhseliges Geschaͤft so eine Ziege Jahr aus Jahr ein bis in den spaͤten Herbst ins Feld zu treiben. Und wenn man sich noch dabei hinlegen und schlafen koͤnnte! aber nein, da muß man die Augen auf haben, damit sie die jungen Baͤume nicht beschaͤdigt, durch die Hecke in einen Garten dringt, oder gar davon laͤuft. Wie soll da einer zur Ruhe kommen, und seines Lebens froh werden!’ Er setzte sich, sammelte seine Gedanken, und uͤberlegte wie er sich von dieser Buͤrde frei machen koͤnnte. Lange war alles Nachsinnen vergeblich, ploͤtzlich fiels ihm wie Schuppen von den Augen. ‘Jch weiß was ich thue,’ rief er aus, ‘ich heirathe die dicke Trine; die hat auch eine Ziege und kann meine mit austreiben, so brauche ich mich nicht laͤnger zu quaͤlen.’
Heinz erhob sich also, setzte seine muͤden Glieder in Bewegung, gieng queer uͤber die Straße, denn weiter war der Weg nicht, zu den Eltern der dicken Trine, und hielt um ihre arbeitsame und tugendreiche Tochter an. Die Eltern besannen sich nicht lange, und willigten341 ein. Nun ward die dicke Trine Heinzens Frau, und trieb die beiden Ziegen aus, und Heinz hatte gute Tage, so daß er sich von keiner andern Arbeit zu erholen brauchte, als von seiner eigenen Faulheit. Nur dann und wann gieng er mit hinaus, und sagte ‘es geschieht bloß damit mir die Ruhe hernach desto besser schmeckt; man verliert sonst alles Gefuͤhl dafuͤr.’
Aber die dicke Trine war auch faul. ‘Lieber Heinz,’ sprach sie eines Tages, ‘warum sollen wir uns das Leben ohne Noth sauer machen, und unsere beste Jugendzeit verkuͤmmern? Jst es nicht besser, wir geben die beiden Ziegen, die jeden Morgen einen mit ihrem Meckern im besten Schlafe stoͤren, unserm Nachbar, und der giebt uns einen Bienenstock dafuͤr? den[Bienenstock] stellen wir an einem sonnigen Platz hinter das Haus, und bekuͤmmern uns weiter nicht darum. Die Bienen brauchen nicht gehuͤtet und nicht ins Feld getrieben zu werden: sie fliegen aus, finden den Weg nach Haus von selbst wieder, und sammeln Honig ohne daß es uns die geringste Muͤhe macht.’ ‘Du hast wie eine verstaͤndige Frau gesprochen,’ antwortete Heinz, ‘deinen Vorschlag wollen wir ohne Zaudern ausfuͤhren; außerdem schmeckt und naͤhrt der Honig besser als die Ziegenmilch, und laͤßt sich auch laͤnger aufbewahren.’
Der Nachbar gab fuͤr die beiden Ziegen gerne einen Bienenstock. Die Bienen flogen unermuͤdlich vom fruͤhen Morgen bis zum spaͤten Abend aus und ein, und fuͤllten den Stock mit dem schoͤnsten Honig, so daß Heinz im Herbst einen ganzen Krug voll heraus nehmen konnte.
342Sie stellten den Krug auf ein Brett, das oben an der Wand in ihrer Schlafkammer befestigt war, und weil sie fuͤrchteten es koͤnnte ihnen gestohlen werden, oder die Maͤuse koͤnnten daruͤber gerathen, so holte Trine einen starken Haselstock herbei, und legte ihn neben ihr Bett, damit sie ihn, ohne unnoͤthigerweise aufzustehen, mit der Hand erreichen und die ungebetenen Gaͤste von dem Bette aus verjagen koͤnnte.
Der faule Heinz verließ das Bett nicht gerne vor Mittag: ‘Wer fruͤh aufsteht,’ sprach er, ‘sein Gut verzehrt.’ Eines Morgens, als er so am hellen Tage noch in den Federn lag, und von dem langen Schlaf ausruhte, sprach er zu seiner Frau ‘die Weiber lieben die Suͤßigkeit, und du naschest von dem Honig, es ist besser, ehe er von dir allein ausgegessen wird, daß wir dafuͤr eine Gans mit einem jungen Gaͤnslein erhandeln.’ ‘Aber nicht eher,’ erwiderte Trine, ‘als bis wir ein Kind haben, das sie huͤtet. Soll ich mich etwa mit den jungen Gaͤnsen plagen, und meine Kraͤfte unnoͤthigerweise dabei zusetzen?’ ‘Meinst du,’ sagte Heinz, ‘der Junge werde Gaͤnse huͤten? heutzutage gehorchen die Kinder nicht mehr: sie thun nach ihrem eigenen Willen, weil sie sich kluͤger duͤnken als die Eltern, gerade wie jener Knecht