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An das hohe Reichskanzler-Amt.

In den Jahren 1859 bis 1865 ist mir von ein Wör - terbuch der deutschen Sprache . Mit Belegen von Luther bis auf die Gegenwart 1 erschienen, in welchem nicht bloß für gelehrte Sprachforscher, sondern für alle Ge - bildeten unseres Volkes berechneten[?] Werke ich be - strebt war, den unerschöpflichen Reichthum unserer wun - dervollen Muttersprache in einem ihren innigsten We - sen abgelauschten Anordnung möglichst vollständig, zu - gleich aber auch möglichst kurz und übersichtlich den Nach - schlagenden zugänglich zu machen.

Als ich mich zur Veröffentlichung meines Wörter - buchs entschloß, geschah es in vollbewustem[?] Hinblick und Vertrauen auf ein bekanntes Wort des großen Meisters Goethe:

So eine Arbeit wird eigentlich nie fertig, man muß sie für fertig erklären, wenn man nach Zeit und Umständen das Möglichste gethan.

Und daß ich dies an meinem Wörterbuch in der That gethan, diese Anerkennung ist mir in der Aufnah - me geworden, welche mein Werk trotz aller ihm na - türlicherweise anhaftenden Unvollkommenheiten und Lücken sich überall errungen hat, wo die deutsche Zunge klingt und der Sinn für das Studium unserer herrli - chen Muttersprache lebt.

Gleichzeitig aber habe ich es auch als eine Pflicht gegen mich selbst und gegen das deutsche Volk erkannt, keine Gelegenheit zur Beseitigung der Unvollkommen -heiten[1v]heiten und zur Ergänzung des vorhandenen und der durch die Fortbildung der Sprache neu entstandenen Lücken zu versäumen und so habe ich schon 1865 in dem Vorwort auf das glücklich zu Ende geführte Werk zurückblickend, einer - seits mit einer gewissen freudigen Genugthung von mei - nem Werke sagen dürfen:

Schon wie es jetzt vorliegt, hat die Kritik ihr die An - erkennung gezollt, daß es den Wortschatz, die Bedeu - tungen und Anordnungen der einzelnen Wörter, ihre Fügung und grammatischen Verhältnisse in einer Vollständigkeit darlegen, hinter der alle anderen Wör - terbücher bei Weitem zurückbleiben;

andererseits aber habe ich selbst offen hervorgehoben, wie - viel dem beendeten Werk noch zur Vollendung fehlt, und bereits damals eine Ergänzung in Aussicht gestellt, auf die ich schon vor dem Erscheinen des ersten Heftes an unablässig mein Augenmerk gerichtet und zu der ich, wie ich jetzt hinzufügen darf, planmäßig unausgesetzt mit unermüde - ter Sorgfalt bis auf den heutigen Tag weiter gesam̃elt, nun wie gesagt eine Pflicht zugleich gegen mich selbst und ge - gen das Vaterland zu erfüllen.

Die Reichhaltigkeit des so bisher durch sechszehn Jahre hin - durch nachgesammelten Stoffes und mein zurückgelegtes 57 'Lebensjahr lassen es mich an der Zeit erachten, nun an die Ausarbeitung zu gehen, nun meinem Werke den Ab - schluß und die Vollendung zu geben, die nach dem Maß meiner Kräfte ich ihm überhaupt zu geben im Stande bin. Mein Wunsch und mein Hoffen geht dahin, daß die sobisher[2r]bisher von mir sorgsam vorbereitete und nun in Durchsicht genommenen Arbeit auch von dem hohen Reichskanzler - Amtals eine für das deutsche Volk wünschenwerthe und ersprießliche[?] anerkannt werde.

Täuscht diese meine Hoffnung mich nicht, so wird es auch nicht zu kühn erscheinen, wenn ich für das nationale Werk die Unterstützung des Reichs in Anspruch zu nehmen wage, ohne welche meine Arbeit eines hingebenden sechs - zehnjährigen Fleißes verloren und die Ausarbeitung und das Erscheinen der Fortsetzung zu meinem Wörterbuche unmöglich wären.

Den Anfang dieser Fortsetzung veranschlage ich auf etwa 15 Lieferungen zu je 10 Großaktenbogen[?] in der Druckeinrichtung, wie bei meinem Wörterbuch, wo jeder Bogen 24 Spalten zu 79 Zeilen umfaßt. Mit der Ausarbeitung würde ich, wenn Gottes Gnade mir fernerhin Leben und Gesundheit erhält, jedenfalls in 3 Jah - ren soweit vorrücken, daß dann der Druck beginnen und ohne Aufenthalt und Unterbrechung das Ganze, lieferungs - weise erscheinend, binnen 2 Jahren vollständig fertig sein könnte.

Für die ersten drei Jahre der Ausarbeitung würde ich, um mit den Meinigen leben und die für das Werk nöthi - gen Ausgaben bestreiten zu können, jährl. 1000 Thaler brauchen, welche Summe von 3000Thaler. als ein Vorschuß auf das mir für meine Arbeit im Ganzen zuzubilligende Honorar zu betrachten wäre. Würde dies für den Druckbogen in der angegebenen Größe etwa auf 45Thaler. bemessen, so könnteich[2v]ich ohne Sorgendruck mich ganz der Ausarbeitung meines Werkes hingeben und zugleich bin ich überzeugt, daß das hohe Reichskanzleramtden damit von mir erhobenen Anspruch nicht außer der Billigkeit finden wird, nach welcher ich wenn der Voranschlag von 150 Bogen genau zutrifft für eine mehr als 20jährige Arbeit im Ganzen 6750Thaler. erhalten würde.

Über die Lasten aber, welche die Veröffentlichung des Werkes erheischt, enthalte ich mich jeder Äußerung, da ich hierfür doch nur auf fremde Angaben angewiesen wäre. Für mich wäre es das Erfreulichste und Erwünschteste, wenn ich die Sorge für die Veröffentlichung einem vom dem hohen Reichskanzleramtdamit betrauten Verleger überlassen und mich darauf beschränken dürfte, unter den angedeuteten Verhältnissen das Haupt - werk meines Lebens in einer des deutschen Reichs und des deutschen Volkes möglichst würdigen Weise zu vollenden und zum Abschlusse zu bringen.

Dazu würde ich mit der angegebenermaßen bemessenen Honorirung in den Stand gesetzt, und diese mir thunlichst zu gewähren, ist das Gesuch, welches ich hiermit ehrerbietigst an das hohe Reichtskanzler-Amt richte, mit dem lebhaften Wunsch und der vertrauensvsollen Hoffnung, daß mein lange vorbe - reitetes Werk zu seiner Ausführung und Vollendung der erbetenen Unterstützung für würdig erfunden werden möge.

Eines hohen Reichskanzleramtsehrerbietigst u. treulichst ergebener
gz. Professor Dr. Dan. Sanders.

About this transcription

TextBrief an das Reichskanzleramt
Author Daniel Sanders
Extent4 images; 836 tokens; 447 types; 5865 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Sebastian GöttelNote: Herausgeber. Sebastian GöttelNote: Transkription und TEI-Textannotation. Christian ThomasNote: Bearbeitung und Finalisierung der digitalen Edition.2017-11-06T15:02:54Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationBrief an das Reichskanzleramt Daniel Sanders. . Altstrelitz1877.

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Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften: NL Scherer, Nr. 171

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Handschrift

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Brief; ready; sanders-briefe

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Editorial principles

Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Abweichend davon wurden langes s (ſ) als 's', I/J als Lautwert und Vokale mit übergestelltem e als ä/ö/ü transkribiert.

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T11:09:48Z
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