PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Geehrter Herr.

Im Anschluss an mein gestriges Schreiben will ich Ihnen in möglichster Kürze die Gründe darlegen, die mich bestim̃ten, von der wie sich von selbst versteht und auch aus der Anlage ersichtlich ist zu erst im engsten Anschluss an Rogetvon mir versuchten Anordnungsweise abzugehen.

Das R. ‘sche System, das es unternim̃t, den Schatz einer ganzen Spra - che in 6 Klassen einzuferchen, welche in eine Anzahl Abtheilungen ges - ondert sind, die dañ wieder in Kategorien (in der Zahl 1000) zerlegt sind, dies System sage ich ist (an[?] dies jedes ähnlich System wird sein müssen) ein künstliches und in vielen Punkten willkürliches. Jedenfalls wird der Nachschlagende bei der großen Zahl (1000) von Kategorien einer langen und ununterbrochenen fortgesetzten Benutzung der Bücher bedürfen, um sich so in das System hineinzuarbeiten, daß er für jeden Begriff sofort das richtige der 1000 Fächer auffinden kañ, in welchem derVerfasserdas zu Suchende untergebracht hat. Diesen Mangel hat derVerfasserauch selbst anerkañt dadurch, daß er als eine nothwendige Ergänzung dem Buch ein alphabetisches Verzeichnisbeigegeben, das dem eigentlichen Werk an Stärke fast gleich ist, ohne doch wirklich vollständig zu sein und so seinem Zweck zu genügen. Ohne ein längeres Hin - und Hersuchen oder ohne in doppeltes Nachschlagen erst im Index und dañ im Buch selbst wird schwerlich Jemand irgend Etwas hier auffinden köñen. Diesem Übelstand entgeht man, da doch die alphabetische Anordnung unentbehrlich ist, weñ man diese, die jedem Nachschlagenden ohne alles Nachdenken geläufig ist, zum Prinzip erhebt, wie ich das in der früher Ihnen gesandten Probe gethan.

Ein zweiter, und noch unfreundlicher Übelstand des R. ‘schenundjedes ähnlichen Systems ist, daß die noch so künstlich und eng[1v] verschlungenen Maschen des Netzes, in das der gesam̃te Sprachschatz eingefangen werden soll, sich doch nie so eng und dicht bewähren köñen, alles Hinein - gehörige auch wirklich einzufangen und sich Nichts entschlüpfen zu lassen. Sie haben den ersten Artikel der Ihnen früher übersandten Probe als Etwas, das praktisch gegen meine Anordnung spräche, aufgefasst und bezeichnet. Ich aber muß wiederholt gestehen, daß ich grade die entgegengesetzte Ansicht hatte und habe. Dieser Artikel behandelt nicht, wie Sie in der Eile angenom̃en haben, das Wort Anfang, sondern den Buchstaben A. Ich setze ihn noch einmal wörtlich her: A: 1, Anfang; Begiñ. 2, Anfangsgründe; Elemente. 3, (s. 1) A und O: Anfang u Ende; Alpha und Omega; Alles; ErstesundLetztes [als Inbegriff des Ganzen] 4, Von A bis Z: vom [ersten] Anfang (Begiñ) bis zu Ende (zum Schluß); die ganze Reihe (Reihenfolge) hindurchvomAnfang bis zu End[e]; Alles, Alle [insgesam̃t]; allesam̃t; [alle] sam̃tundsonders; [alle] ohne Ausnahme (ausnahmslos; durch die Bank); ganzundgar[?]; vollständigpp .. 5, ABC: s. Abc[?]. Sie sagen dagegen:

Ich schlage nach dem Register des R. das Wort Begin (Art. 66) auf. Hier finde ich die verwandten und natürlich nahe liegende WorteundBegriffe. Bei Ihrem ersten Artikel sind sofort eine Anzahl〈…〉〈…〉 Begriffe. Unter Anfang suche ich den Ausdruck der Vollständigkeit: Alles; ganzpp. wohl nicht.

Darauf erwider ich deñ: die näher oder ferner sinnverwandten Aus - drücke und Begriffe zu Anfang würde der Nachschlagende auch bei mir na - türlich unter diesem Wort verzeichnet finden, darunter auch den Nach - weis s. A 14. Bei R.finde ich nun freilich in No 66. Beginningundge - genübergestellt in 67 end, auch unter der Adr.[?]: From the beginningpp., aber das zusam̃enfassende from beginning to end is hier der nicht dicht genug gezogenen Masche entschlüpft. Freilich findet es sich in No 50[2r] am Schluß unter den Phrases unter dem Begriff whole und darin gesondert noch einmal unter complete 52. Das entsprechend the Alpha and Omega verliert sich, gewiß von den Wenigstens beachtet, unter der Ardende[?] zu No 50. Dies sind freilich Ungeschicklichkeiten, die der deutsche〈…〉〈…〉 wird vermeiden köñen, weñ er sie eben (was bei der Anordnungsweise seine Schwierigkeiten hat) bemerkt. Er würde unter Anfang aufführen müssen: von Anfang bis zu Endeundderselbe wiederum unter Ende, beidmal mit dem Hinweis auf No 50und52, je nach dem〈…〉〈…〉 unter der einen oder an - deren Num̃er die sinnverwandten Ausdrücke beigefügt hat.

Die unter A als No 2 bei mir aufgeführten Anfangsgründe; Ele - ment böten[?] natürlich unter einem dieser Wörter noch sinnverwandte Bezeichnungen (mit Hinweis auf A 2; Abc[?]pp.). Bei Rogetmuss ich z.b., die ich unter den 1000 Kategorien schwerlich ohne Weiteres der richti - gen Nummern auffinden werde, erst (vielleicht nach vergeblichem Suchen hierunddort) den Index zu Rath ziehen und finde dañ unter Rudiments mich auf 490; 5042; 567 verwiesen wodurch also dañ noch ein dreimaliges Nachschlagen nöthig wird. Bei mir ist im schlim̃sten Fall nur ein 2maliges (statt eines 4maligen u in anderen Fällen eines noch öfteren) nöthig. Sucht Einer z.b. Elementundfindet sich auf Anfangs - gründe (mit einer Num̃er) verwiesen, so findet er hier dañ wenig - stens alles Hergehörige mit einem Mal zusam̃en u.s.w. In vielen Fällen aber wird man sich auch mit dem Index vergeblich mühen,bei R.das Gesuchte überhaupt zu finden. Ich wähle als nur[?] nächst liegenden Beleg die letzte No der beigefügten Probe (bei mir auf p 33 ff), No 25. Hier finde ich im Rogetfreilich unter Quantity auch den Begriff Measure, aber die dazu gehörigen Kategorien: Linien -oderLängenmaß; Flächen -oderQuadratmaß; Körper -oderKubikmaß mit Hohlmaßpp. sind seinem Maschennetz[2v] vollständig entschlüpft. Wenigstens habe ich nichts Hergehöriges im Index zb. unter measure, unter square, cubepp. finden köñen. Unbegreiflich ist es mir, wie in diese No 25 Rogetunter Definite, or finite quantity nur handful, mouthful2c. stock,〈…〉〈…〉 ld[?] aufgeführt, vgl in der Probe bei mir, die freilich hier auch nichts Erschöpfendes geben kañ und will, das Entsprechende.

Hier will ich gleich hinzufügen, daß in dem (überhaupt wohl ziemlich ohnehin〈…〉〈…〉) Index zwar bei handfulsich der Hinweis auf 25 findet, aber nicht bei mouthfulundlot.

Warum in der gegenüberstehenden No 26 gradation 2mal aufgeführt ist, macht mir nicht viel Kopfberechens[?]; aber das gestehe ich, daß ich bei Intensity, den Hinweis: all Corresion (144) and Limit (233) nicht ganz habe〈…〉〈…〉 köñen (Limit gehört offenbar aber zu term im vorhergehenden〈…〉〈…〉).

Doch das nur nebenbei: Ich gehe auf Allgemeines zurück. Eben denke ich an eine Stelle in Shakespeare's Macbeth, die in Bürger's Übersetzung lautet:

Wir sind Menschen, gnädigster Herr O ja, im allgemeinen Register lauft ihr freilich dafür mit unter, so wie etwa Wachtelhunde, Windspiele, Pudel, Möpse, Bullenbeißer, Schäferfixe alle Hunde beißen. Gehts aber recht ans Auslesen, so unterscheidet man bald den schnellen vom langsamen, den dum̃en vom schlauen, den Haushüter vom Jäger

vgl in Schiller's Übertragung:

Ihr lauft so auf der Liste mit, \ wie Dachs und Windspiel alle Hunde beißen. \ die eigne Rasse aber unterscheidet \ den schlauen Spürer, den getreuen Wächter, den flücht’gen Jägerpp.

Ich sollte denken, mit Rücksicht auf das, was Rogetp. IX in Bezug auf die Schwierigkeit von Übersetzungen sagt und von der Nothwendigkeit dabei eine reife Fülle von Ausdrücken zur Auswahl der treffendsten zur Hand zu haben, müßte es dem Nachschlagenden wohl willkom̃en sein, die obigenundandre Bezeichnungen unter dem Wort Hund zusammengestellt zu finden; aber bei Rogetdarf ichdergleichennach p. XXI nicht suchen, obgleich es jedenfalls nicht minder zur Aufnahme berechtigt ist als in No 271 dieAusdrücke. : horse; blood-horse. Dagegen dürfteauch[3r]auch nach Roget's Plan Dog doch in übertragener Bedeutung oder als Siñ - bild nicht fehlen (s. die erwähnte p. XXI]); aber im Index sucht man das Wort überhaupt vergebens. Freilich steht es in No 949undes fehlt nur der Hinweis darauf im Index; aber unter den Begriffen der Treue[?], der Wachhsamkeit[?] (worunter auch zb. der Kranich unerwähnt〈…〉〈…〉)pp. ; der Schamlosigkeit; der〈…〉〈…〉)pp. finde ich keinen Hinweis aufdenHund.

So könnte ich nun noch ein Langes und Breites anführen. Es sind dies freilich nur Einzelheiten und, wo der Bearbeiter das Fehlende bemerkt, wird er wohl noch eine Kategorie finden oder aufsuchen köñen, worin er das Fehlende unterbringt und hin - einstopft. Der eigentliche Fehler aber ist der, daß bei einem solchen künstlichen, im̃er mehr oder minder zusam̃engeflickten System man in der Anordnungsweise selbst keine Garantie hat, daß man auch bei der angestrengtesten Aufmerksamkeit sich Nichts entschlüpfen und entgehen lässt.

Dass, wie Sie Sich trotz alledem für dies System ent scheiden, mein Möglichstes thun werde, mögen Ihnen eben die so ab - gerissen im Vorstehenden erwähnten Bedenken und zum Theil auch schon die angefügten Proben (oder Probe-Entwürfe) beweisen, in denen ich schon obgleich mich Rogetanschließend diesen doch nicht blindlings gefolgt bin.

Die Unzuträglichkeiten freilich, die einem im̃erhin so künstli - chen System anhaften und wohl auch anhaften müssen (wie z.b. daß der Abstrakten Beziehungen erst inNo das Sein abstrakt, dann in das Sein konkret untergeordnet wirdpp. ; daß die ZeitderKlasse des abstrakte Beziehungen als Abtheilung untergeordnet, dagegen der Raum als 2te Klasse ihr neben geordnet ist, diese und[3v] ähnliche Unzuträglichkeiten werde auch ich nicht von dem System fern halten köñen und jedenfalls bildet eine Zahl von 1000 oder mehr künstlich an einander gefügten Kategorien ein Labyrinth ohne leitende〈…〉〈…〉, in welchem vielleicht der Baumeister selbst nicht im̃er sofort wird zurückfinden köñen. Für die Nachschlagenden bleibt das alphabetische Verzeichnis (das nicht sorgfältig genug wird herge[-]stellt werden können) obgleich in der Vorrede nur als eine zur Noth auch entbehrliche Aushilfe dargestellt doch der eigentliche Leitfaden, ohne den das Buch, meine ich, ganz unbrauchbar sein würde.

Die im vorstehenden aufgeführten Bedenken zu dem geordneter Darstellung es mir an Zeit gereicht, weshalb ich mich auf abgerissene Bemerkungen hab beschränken müssen bitte ich Sie reiflich zu erwägen und danach Ihre Entscheidung zu treffen, der ich mich gerne (wie ich bereits gestern Ihnen geschri - eben) fügen und anbequemen will; deñ es liegt mir nicht minder als Ihnen an einem möglichst praktischenundfür den Nachschlagenden bequemen Buch. Die Laien, denen ich bisher beide Anordnungen vorzulegen und klar zu machen Gelegenheit gehabt, haben sich in das Roget 'sche System nicht hinein finden köñen, während schon die lexikalische Anordnung (die der Index erspart) sofort geläufig war.

Weiter will ich Nichts hierüber sagen, sondern nur noch die Bitte hinzu - fügen, mir Ihre endgültige Entscheidung sofort zugehen zu lassen, da ich sie falle nun aus, wie sie wolle doch sie bestim̃t wissen muss, um darauf an die Arbeit gehen zu köñen. Ich〈…〉〈…〉 aus dabei unbedingt Ihrem buchhändlerischen Blick und Ermessen,[4r] den beigefügtenAnfang der Arbeit (〈…〉〈…〉Roget) erwarte ich ebenfalls zurück. Ich erlaube mir, Sie darin auf die den Num̃ern beigefügten Unterabtheilungen a; b; cpp. aufmerksam zu machen, die mir allerdings die Arbeit er - höhen, aber dem Nachschlagenden das Auffinden erleichtern,

Zum Schluß noch zu der anbei zurückerfolgten[?] Satz - probe der Synonymen einige Bemerkungen:

  • 1, Da es bei diesem Buch auf Raumersparnis nicht ankom̃t, so empfiehlt es sich wohl, an die Stelle der Abkürzun - gen desManuskriptsdie unabgekürzten Wörter einsetzten zu lassen.
  • 2. Bei dem Kolummentitel (p. 4) kañ natürlich nur die Hauptüberschrift des jedesmaligen Artikels, nicht dessen Unterabthei - lungen maßgebend sein.
  • 3. Eine Unterscheidung zwischen dem Vokal i (I) und dem Konsonanten Jot (j, J) wäre auch bei den großen Buchstaben wünschenwerth, wie sie imManuskriptdurchgeführt ist; doch lege ich darauf kein besonderes Gewicht.

Im Übrigen hat die Probe meinen Beifall.

Und nun lassen Sie mich diesen langen Brief mit den besten Grüßen und der wiederholten Bitte um baldigsten Bescheid schließen der Ihrige

About this transcription

TextBrief an Julius Campe
Author Daniel Sanders
Extent7 images; 1844 tokens; 828 types; 12331 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Sebastian GöttelNote: Herausgeber. Sebastian GöttelNote: Transkription und TEI-Textannotation. Christian ThomasNote: Bearbeitung und Finalisierung der digitalen Edition.2017-11-06T15:02:54Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationBrief an Julius Campe Daniel Sanders. . Altstrelitz1871.

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Heinrich Heine Institut Düsseldorf: Nachl. Campe

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Handschrift

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Brief; ready; sanders-briefe

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Abweichend davon wurden langes s (ſ) als 's', I/J als Lautwert und Vokale mit übergestelltem e als ä/ö/ü transkribiert.

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T11:09:38Z
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Holding LibraryHeinrich Heine Institut Düsseldorf: Nachl. Campe
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