Indem ich den Wunsch und die Hoffnung ausspreche, daß es Ihnen und den Ihrigen beim Empfang dieser Zeilen gut ergehen möge, kom̃e ich sofort zu dem Gegenstande, der mich heute veranlasst, Ihnen zu schreiben.
Ich habe soeben an Dr. F. Friedrichin Leipzigzu meinem leb - haften Bedauern schreiben müssen, um Ihm mein Nicht-Erscheinen auf dem Braunschweiger Schriftstellertage zu meldenundzu begründen, wobei ich zugleich ihn ersucht habe, dort eine Angelegenheit zur Sprache zu bringen, die mir als von der größten Wichtigkeit nicht nur für uns Schriftsteller, sondern für die gesam̃te Nation ganz besonders am Herzen liegt, ich meine den unseligen Zwiespalt zwischen der amtlichen Reichsorthographie, die zugleich als die OrthographiederSchriftsteller und der gebildeten Deutschen überhaupt bezeichnet werden kañ, und der Schulorthographie. Daß ein solcher Zustand (schrieb ich ihm) auf die Dauer nicht bei Bestand bleiben kañ und darf, darüberwird[1v]wird unter denkenden Vaterlandsfreunden gewiß keine Meinungsverschiedenheit sein; aber eben so wenig darüber, daß eine wirkliche Einigung und Verständi - gung nur erzielt werden kañ, weñ außer den Vertretern der Schule auch die der Reichsbehörden, der Schriftsteller, der Buchhändler und der Buchdrucker (um nur die hauptsächlichst Beteiligten zu neñen) zu Rathe gezogen werden. Mir scheint es wohl der eingehendsten Besprechung und Bewerthung werth, ob nicht der Schriftstellertag etwa im Verein mit den Journalisten, den Buchhändlern und den Buchdruckern in ihrem bezüglichen Vor - ständen und Vertretern sich in dieser Angelegenheit an die Vertreter des Reichs und die oberste Reichsbehörde (der Reichskanzler) zu wenden haben.
Weñ Sie, höchst verehrter Freund, – wie ich wohl annehmen darf – auf dem Schriftstellertage anwesend sein werden, so möchte ich Sie eben so freundlich wie dringend ersuchen, auch Ihrerseits diese Sache zur Sprache zu bringen und zu befürworten. Ihnen brauche ich nicht zu sagen, daß, selbst weñ man sich eine einseitige Schreib - weise aufzwingen lassen könnte und wollte, dies doch unmög - lich einerso grundsatzloses und in sich widerspruchsvolles Mach werk sein dürfte wie diese amtliche Schulorthographie. Ich eriñere nur daran, daß danach z.b. geschrieben werden muß auseinander (als 1 Wort), – aber: bei einander (als 2 Wörter) miteinander 〃 〃 〃 〃 zu einander 〃 〃 〃pp. daß der Unterschied zwischen Tau n.undThau m. durch Tilgung des h aufgehoben ist, aber nicht der zwischen TonundThon u.v.m.
Doch ich will mich nicht in unöthige Einzelheiten[2r] verlieren, sondern im Großen und Ganzen Ihnen die Angelegenheit ans Herz und in die Hände legen, um Verzeihung für die Ihnen ange - soñene[?] Mühe bittend.
Sebastian GöttelNote: Herausgeber. Sebastian GöttelNote: Transkription und TEI-Textannotation. Christian ThomasNote: Bearbeitung und Finalisierung der digitalen Edition.2017-11-06T15:02:54Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
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