Für Ihren liebenswürdigen Brief sage ich Ihnen von Herzen meinen verbindlichen Dank und ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß, weñ mich Etwas zur Reise nach Braunschweighätte bestim̃en köñen, es dieser Ihr Brief gewesen wäre; aber leider! kañ ich grad jetzt nicht fort; doch werde ich vielleicht im Oktober nach Leipzigmüssen und ich werd mir dañ natürlich nicht das Vergnügen versagen, Sie zu besuchen und endlich unsere Bekañtschaft in eine persönliche zu verwandeln. Wie lange bleiben Sie mit Ihrigen, denen ich mich aufs angelegentlichste und wärmste zu empfehlen bitte, noch in Schönefeld?
Zur Sache bemerke ich, daß mir Brockhausgestern zur Bespre - chung (für die
) ein Büchlein von Dudenzugesandt hat:
die neue Schulorthographie nach den Verordnungen der Ministerien [sollte heißen:kder Kultus -oderUnterichtsminister] von Preußen, Bayern, Sachsen, Baden, Weimar, Braunschweigpp.
In der Vorrede, worin geflissentlich auch diesmal die Kluft zwischenSchul -[1v]Schul - und Reichs-Orthographie verschwiegen und nur die Verschiedenheit in den einzelnen Schulorthographien erwähnt wird, heißt es p. IV:
„ Da[?] derVerfasserglaubte, daß keines der amtlichen Regelbücher das Beste getroffen habe, hat er das seiner Auffassung am nächsten kom̃end in den Text auf genom̃enundseine abweichende Ansicht in einerAnmerkungbegründetpp. “
Ich erwähne das als ein Zeichen dafür, daß auch unter den Lehrern,undzwar auch unter denen, die als Ritter und[Kämpfer] für die „Schulorthographie“eintreten, wie Duden(er ist Direktor desGymnasiumsin Hersfeld) die Willkür nicht überall gebilligt wird.
Ein Ergebnis für die Sache verspreche auch ich mir von einer Besprechung auf dem Schrifstellersttage – wenigstens in der allenächsten Zeit – nicht, aber es scheint mir gut und dringend nothwendig, daß sich Stim̃en hören lassen, welche grade die Kluft zwischen derSchulorthographieund der der Erwachsenen (welche zugleich die amtlicheReichsorthographieist) her - vorheben, um so mehr als durch einefreilich leicht nachzuweisendes Volks - Schlagen[?] im̃er dieSchulorthographievon ihren Freunden und Förderern alsReichsorthographieaufgegeben wird.
Verzeihen Sie, lieber Freund, die Geschwindigkeit in diesem Punkte, indem Sie das neugriechische Sprichwort erwägen:
des Huhns Zunge ist[2v] im̃er bei der Hirse.
Sebastian GöttelNote: Herausgeber. Sebastian GöttelNote: Transkription und TEI-Textannotation. Christian ThomasNote: Bearbeitung und Finalisierung der digitalen Edition.2017-11-06T15:02:54Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
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