Von einem mir persönlich unbekañten Geistlichen aus Mitteldeutschland ging mir gestern das beifolgende Heftchen in 2 Exemplaren zu. Ich glaube um so mehr, Ihnen eines davon zusenden zu müssen, als durch den Witz auf S. 6 von Salaten statt Saal-Athen Sie in der That darauf ein geistiges Anrecht haben.
So wenig Neues das Heft auch bietet, so war es mir doch angenehm als ein Zeichen, daß die Theilnahme für die orthographische Frage nicht, wie ich bereits fürchtete, ganz verloren sei: Wir, die Minorität in derorthgraphischenKonfe - renz, haben allerdings es wohl erreicht, daß die Mehrheits - beschlüsse an der entscheidenden Stelle keine Annahme und Förderung gefunden; aber daß von dieser Stelle aus das nicht offen ausgesprochen wird und eigentlich nun Niemand weiß, woran er ist und wie die Entscheidung für die Schule ausfallen werde, ist ein schlim̃er Übelstand. Die Journale und Zei - tungen, die ihren Lesern die orthographische Frage eine Zeit lang allzu oft geboten, wagen eben deshalb nicht, sie wieder aufzutischen. Ich will versuchen, in die „National-Zeitung “,[1v] die sich dieser allgemeinen Enthaltsamkeit angeschlossen, nach der längeren Pause eine – weñ auch nur ganz kurzen – Anzeige des Heftchens zu bringen und vielleicht thun Sie dasselbe für ein anderes Blatt. Mir scheint es geboten, daß wir die Sache nicht ganz einschlafen lassen und ich insonderheit habe auch noch einen persönlichen Grund, dahin mitzu - wirken, daß dem unerträglichen Zustand der Ungewißheit über das Kom̃ende ein Ende gemacht werde. Deñ unter dieser Ungewißheit leidet der Absatz meines „orthographischen Wörterbuchs “empfindlich, da viele Schulmänner – wie sie mir offen mitgetheilt – die Einführung nicht wagen, weil sie nicht wissen, ob nicht morgen vielleicht doch schon eine andereOrthographievon oben herab wird befohlen werden, die ihnen freilich von Grund der Seele widerstrebe, aber der sie sich dañ doch am Ende trotz alles Widerstrebens würden fügen müssen. Jedenfalls wollten sie mit der Einführung noch warten; denn schließlich müsse doch – so oder so – von oben herab eine Ent - scheidung in Betreff der Konferenzbeschlüsse veröffentlicht werden. Wird das aber geschehen? und wañ? Vielleicht wissen Sie darüber durchGeheimenRegierungsrath BonitzNäheres und Sie würden mich dann durchgefälligeMittheilungensehr verpflichten. Prof Wilmannswird Ihnen wohl eben so wie mir seine „Deutsche Grammatik “zugesandt haben. Ich habe mich gefreut, daß er auf dem Boden der Praxis seine theoretische Bekämpfung der Dehnungsbuchstaben nicht aufrecht erhält, sondern hier mit uns in eine Kerbe haut.
[2r]Sie haben jetzt wohl durch des „ Kaisertage “ein sehr bewegtes Leben in Straßburg. Weñ die Wogen desselben ein wenig zu ebben an - fangen, lassen Sie, hoffe ich, wieder einmal von Sich hören
Sebastian GöttelNote: Herausgeber. Sebastian GöttelNote: Transkription und TEI-Textannotation. Christian ThomasNote: Bearbeitung und Finalisierung der digitalen Edition.2017-11-06T15:02:54Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
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