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Nr. 9 Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht.
Die Lehrerinnen und das Frauenstimmrecht
Nebst Anhang über die Ausbildung der Lehrerinnen und ihre gesetzliche Stellung
Verlag: Preußischer Landesverein für FrauenstimmrechtBerlin1911
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Die Lehrerinnen waren im Anfang der bürgerlichen Frauenbewegung ihre eifrigsten und tüchtigsten Vorkämpferinnen. Seitdem haben sich je¬ doch die Zeiten sehr geändert im Hinblick auf die Verhältnisse in der Frauenbewegung, deren Prinzipien, Ziele und Probleme, so wie auch die Stellung der Lehrerinnen. Diese ist eine völlig andere geworden, sagen wir einmal, um es kurz zu bezeichnen, eine viel verantwortlichere als früher, da sie sich in dem großen Staatsgetriebe eingereiht haben oder im Begriff sind, sich einzufügen. Derweil treten aber die verschiedensten Standesaufgaben an sie heran, die sie zwingen, ihr Augenmerk in erster Linie auf ihre Ausbildung zu richten, sie haben sich starke Organisationen zu schaffen, um im Staatsleben ihre Rechte durchzusetzen, um ferner dem Konkurrenzkampf mit dem Mann gewachsen zu sein und vieles andere mehr.

Darin liegt vielleicht der Hauptgrund, daß die Lehrerinnen sich im allgemeinen in der Frauenbewegung nicht mehr wie früher als erste Pionierinnen zeigen und daß sie der notwendig gewordenen politischen Frauenbewegung etwas abwartend gegenüber stehen.

Einen Beweis dafür bildet die geringe Anteilnahme der Lehrerinnen an der Stimmrechtsbewegung, Verkennung der Ziele der Stimmrechts - bewegung, Unkenntnis der politischen Frauenbewegung, ein Mangel, die politischen Verhältnisse unseres Vaterlandes zu überschauen, das alles trägt wohl dazu bei, daß die Lehrerinnen sich im allgemeinen noch so wenig mit der Stimmrechtsfrage befaßt haben.

Natürlich wird die Stellung der Lehrerinnen zu dieser so wichtigen Frage mit der Zeit eine andere werden müssen, wenn anders die Lehrerin nicht ins Hintertreffen kommen oder sogar hemmend wirken will.

Was will die Stimmrechtsbewegung?

Sie will den Frauen, und zwar allen Frauen ohne Aus - nahme, zur Erlangung ihrer vollen staatsbürgerlichen Rechte verhelfen, damit sie im Jnteresse einer gesunden Fortent - wicklung unseres Volkes auch imstande sind, ihre vollen staats - bürgerlichen Pflichten zu erfüllen.

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Daß die Erfüllung sozialer, kommunaler und staatlicher Pflichten ohne staatsbürgerliche Rechte nicht möglich ist, wird ohne weiteres jede Frau zugeben, die ihre Kräfte jahrelang in den Dienst der Allgemeinheit gestellt hat. Zu diesen, dem Allgemeinwohl dienenden Frauen, gehören auch die Lehrerinnen, besonders die Volksschullehrerinnen, die Erzieherinnen des Volkes. Folglich müssen auch sie zu der Erkenntnis kommen, daß all ihr Wirken in Stadt und Dorf nichtig, im besten Falle Stückwerk ist, weil sie keine Stelle haben, von der aus sie ihren Wünschen und Forderungen Nachdruck verleihen können. Sie müssen zur Forderung ihres vollen Staatsbürgertums, also zur Forderung des Frauenstimmrechts kommen. Bescheidenheit und Aengstlichkeit der Lehrerinnen sind heutzutage nicht mehr am Platze. Der Staat braucht die Lehrerin ebenso nötig wie den Lehrer, er kann ihre Arbeit nicht mehr entbehren. Die Lehrerin zahlt ihre Steuern wie jeder andere Staats - bürger und kann darum auch verlangen, daß man ihr staatsbürgerliche Rechte zuerkennt.

Daß die Lehrerinnen noch ebensowenig Staatsbürgerinnen sind wie alle übrigen Frauen, drückt sich schon rein äußerlich durch die viel ge - ringere Bezahlung der gleichen Arbeit gegenüber dem männlichen, Lehrkollegen aus. Das Lehrerbesoldungsgesetz vom 26. Mai 1909 be¬ stimmt in § 3: Das Grundgehalt beträgt für die Lehrerstelle 1400, für die Lehrerinnenstelle 1200 Mk. Dazu kommen nach § 8 an Alterszulagen, in 31 Dienstjahren erreichbar, für den Lehrer 1900, für die Lehrerin 1250 Mk. Wie wenig das Gesetz den Lehrerinnen gerecht wird, ersieht man beispielsweise daran, daß eine Lehrerin, die 18 Jahre im Amte ist, an Gehalt noch 100 Mk. weniger bezieht als der Lehrer, der 10 Jahre tätig ist. Man muß die Ungerechtigkeit dieses Besoldungsgesetzes am eigenen Leibe erfahren haben, um die Unzufriedenheit mancher Lehrerinnen verstehen zu können. Als ich 22 Jahre im Amte war, bezog ich ein jährliches Gehalt von 2000 Mk.; das Einkommen des Kollegen aber, der genau dieselbe Anzahl von Dienstjahren hatte, betrug mit dem Mehr an Wohnungsgeldzuschuß 3000 Mk. Dabei hatte ich eine Mädchen-Ober - klasse, 65 Schülerinnen von 12 und 13 Jahren, 26 Pflichtstunden und viele häusliche Vorbereitungen und Korrekturen. Der betreffende Lehrer aber hatte das 3. Schuljahr, keine häusliche Vorbereitung und auch keine Korrekturen. Das Höchstgehalt ist für den Lehrer, abgesehen von den Ortszulagen, die in das Belieben der einzelnen Gemeinden gestellt und darum hier nicht mitgerechnet werden können, 3300 Mk., für die Lehrerin 2450 Mk. Dieses Höchstgehalt steht aber für die große Mehrzahl der Lehrerinnen nur auf dem Papier, da die wenigsten Lehrerinnen 31 Jahre im Schuldienste aushalten können; sie müssen aus Gesundheitsrücksichten meist früher in den Ruhestand treten und erhalten dann selbstverständlich3 dem geringeren Gehalte entsprechend auch eine viel geringere Pension. Wir fragen uns unwillkürlich, wäre ein solches Gesetz möglich, wenn Frauen bezw. Lehrerinnen im Abgeordnetenhause säßen?

Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei den Lehrerinnen der höheren Schulen, auch hier überall dieselben Pflichten, dieselben An - forderungen, aber nirgends dieselben Rechte wie die männlichen Kollegen. Kommt man zu den Herren Abgeordneten und bittet sie, für die Lehrerinnen doch ebenso einzutreten wie für die Lehrer, dann heißt es: O, die Lehrerin braucht kein hohes Gehalt, der Lehrer muß seine Familie ernähren und dementsprechend höher besoldet werden, die Lehrerin hat ja nur für sich zu sorgen. Scheinbar ganz richtig! Nur müßte dann auch bei den Lehrern bezüglich des Gehalts unterschieden werden zwischen denen, die wirklich eine Familie haben und denen, die unverheiratet bleiben. Und weiter müßte man in Befolgung dieses Prinzips dem, der viele Kinder hat, mehr Gehalt geben als dem, der wenige oder gar keine Kinder zu ernähren hat. Geschieht das? Nein, der Lohn richtet sich überall nach der Arbeit, nicht nach der Bedürftigkeit. Nur wo die Frau mit dem Manne im Lebenskampfe steht, läßt man dieses Prinzip fallen und normiert den Lohn nach dem Geschlecht. Es ist aber auch nicht immer richtig, daß die Lehrerin nur für sich allein zu sorgen hat. Eine große Zahl von Lehrerinnen ist mir bekannt, die eine alte Mutter, jüngere Geschwister, oft auch beides zu versorgen hatten. Steht die Lehrerin aber wirklich allein, dann braucht sie notwendig eine Hilfskraft, die ihren kleinen Haushalt versorgt. Daß eine Lehrerin neben ihren schweren Berufspflichten auch noch die Sorge für ihr Heim über - nimmt, daß sie kocht, putzt, näht usw., das kann nur ausnahmsweise er - füllt werden und hängt von individueller Anlage ab. Ein Lehrerinnen - haushalt aber, der nur durch fremde Hilfe geführt werden kann, wird verhältnismäßig teurer werden. Dies ist von den Lehrerinnen hundert und tausendmal dargelegt worden, umsonst der Staat geht von dem einmal gefaßten Prinzip nicht ab. Erst wenn die Lehrerinnen voll - berechtigte Staatsbürgerinnen geworden, erst wenn sie das aktive und passive Wahlrecht erreicht haben und den Abgeordneten nicht nur Wünsche und Vorstellungen entgegenzubringen haben, sondern auch einen Druck auf sie ausüben können, wird ihre Forderung: Gleiches Gehalt für Lehrer und Lehrerin erfüllt werden. Darum müssen die Lehrerinnen in die Frauenstimmrechtsbewegung und durch ihre Mitarbeit diese Organisation stärken.

Die Lehrerinnen erfüllen aber damit auch gleichzeitig eine Dankespflicht, die der Frauenbewegung bezüglich der weiblichen Schulleitung gebührt. Den Volksschullehrerinnen, die bisher kein Avancement kannten, ist neuer -4 dings durch einen Erlaß des Kultusministers vom 11. Januar 1911 die Möglichkeit gegeben, in leitende Stellungen aufzurücken. Durch diesen Erlaß werden die bisherigen Prüfungsordnungen für Lehrerinnen sowie die Prüfung für Schulvorsteherinnen aufgehoben. Jn Zukunft ist der Lehrplan der Präparanden und Lehrerbildungsanstalten verbindlich. An Stelle der Schulvorsteherinnenprüfung tritt die Prüfungsordnung für Rektoren vom 1. Juli 1901, durch welche die Lehrerinnen die Be - fähigung zur Leitung von Mädchen-Volks -, Mädchen-Mittel - und ge - hobenen Mädchenschulen sowie zur Anstellung als Seminarlehrerin und Seminardirektorin erlangen. Damit ist ein in Volksschullehrerkreisen schon lange gehegter Wunsch endlich in Erfüllung gegangen und es wäre zu wünschen, daß recht viele Volksschullehrerinnen sich zur Ablegung des Rektorexamens entschließen würden, denn erst durch die große Masse der Volksschullehrerinnen, der im Amte gereiften Frauen, wird die Frage der weiblichen Schulleitung endgültig gelöst werden. Der Erlaß ist um so bedeutungsvoller, weil er in einer Zeit erfolgte, in der von Seiten der Oberlehrer wieder einmal eine Petition gegen die weibliche Schulleitung höherer Schulen an das Abgeordnetenhaus eingereicht worden war. Am 3. April d. J. ist man auf Antrag der Kommission über die Petition der Lehrer zur Tagesordnung übergegangen. Damit bekunden die Abge - ordneten, daß sie den Frauen den Weg zur Schulleitung nicht verlegen wollen. Fragen wir uns, wem in erster Linie dieser Umschwung in der öffentlichen Meinung zu danken ist, so ist es die Frauenbewegung. Wohl sind auch in den letzten Jahren die Lehrerinnenvereine auf den Plan getreten, aber den Gedanken der weiblichen Schulleitung und der Zulassung der Frauen zu den höchsten Aemtern hat jahrzehntelang die Frauenbewegung allein getragen und in großen öffentlichen Ver - sammlungen kraftvoll verteidigt. Das müßten die Lehrerinnen anerkennen, und statt ironisch lächelnd über Frauenemanzipation zu reden, sollten sie sich bemühen, es den mutigen Vorkämpferinnen auf dem Gebiete der Frauenbewegung gleichzutun und nun an ihrem Teile mit dazu beizu - tragen, daß auch den Frauen der Zukunft die Wege geebnet und die Bahn freigemacht werde. Das geschieht aber, wenn sie sich der Frauenstimmrechtsbewegung anschließen und den Frauen ihre staatsbürgerlichen Rechte erkämpfen helfen.

Die Lehrerinnen wünschen, daß sie zur Mitarbeit bei den Jugend - gerichtshöfen zugezogen werden. Der Vorstand des Landesvereins preußischer Volksschullehrerinnen und des Sozialen Ausschusses hatte zur Beratung der Strafprozeßnovelle eine Petition an den Reichstag gesandt mit der Bitte: 1. bei der Reform der Strafgesetzgebung Frauen vom Amte der Schöffen nicht grundsätzlich auszuschließen und 2. neben den Volksschullehrern auch Volksschullehrerinnen als Schöffen bei den Jugend -5 gerichten zuzulassen. Aus der Begründung zu dieser Petition möchte ich nur folgendes hervorheben: Die Lehrerin ist ebenso wie der Lehrer mit der Lebens -, Anschauungs - und Ausdrucksweise der Volksschichten, denen die jugendlichen Angeklagten meist entstammen, vertraut. Auch sie ist wie ihr männlicher Berufsgenosse durch pädagogische Schulung besser als der Laie befähigt, die Kindesseele zu verstehen und zu beurteilen. Für das Verständnis des weiblichen Seelenlebens ist ihr Urteil aber durch kein männliches zu ersetzen. Vielfach ist sie bereits durch ihre Beteiligung an der kommunalen Jugendwohlfahrtspflege für das Schöffen - amt fast systematisch vorgebildet. Sie ist daher zum Schöffenamte nicht minder geeignet als der Volksschullehrer. Da sie im Lehrberufe als gleichwertige Arbeitskraft neben dem Lehrer steht, so sollte sie auch an den Rechten, die mit dem Amtscharakter des Lehrers verknüpft sind, ohne Einschränkung teilnehmen dürfen . Soweit die Begründung der Petition. Während meiner langjährigen Tätigkeit auf dem Lande bin ich sehr häufig gezwungen gewesen, als Zeuge Gerichtsverhandlungen, in denen über jugendliche Verirrungen abgeurteilt wurde, beizuwohnen, und ich bin manchmal geradezu entsetzt gewesen über das, was man in die Kinder hineingefragt hat. Da gehen einem die Augen auf über die Notwendig - keit weiblicher Geschworenen bei den Jugendgerichtshöfen. Der deutsche Reichstag freilich scheint kein Verständnis für den Wert des mütterlichen Elements bei der Zusammensetzung des Laiengerichts zu haben. Die Be - rechtigung des Lehrers als Schöffe beim Jugendgericht ist anerkannt worden. Die Lehrerinnen hat man einfach übergangen. Staatsbürgerliche Rechte gibt es für sie nicht.

Ebensowenig scheint man im preußischen Staate eine weibliche Jugend zu kennen. Liest man als Lehrerin in der preußischen Thronrede des Herrn von Bethmann-Hollweg vom Jahre 1910 den Passus, der von der Aus - bildung der Jugend und der weiteren Ausgestaltung des Fortbildungs - schulwesens handelt, so ist man geradezu empört. Für Veranstaltungen zur Förderung der schulentlassenen männlichen Jugend hat die Königl. Staatsregierung einen Fonds von einer Million in den Etat eingestellt, und es heißt wörtlich in der Vorlage: Bezüglich der Verwendung ist zu beachten, daß der erwähnte Betrag nur für die Förderung der Pflege der schulentlassenen männlichen Jugend bestimmt ist. Für die schulentlassene weibliche Jugend dürfen Mittel daraus nicht verwendet werden, es können aber die für die männliche Jugend aus diesem Fonds unterstützte Ein - richtungen auch für die weibliche mitbenutzt werden, soweit dies ohne staatliche Beihilfen möglich ist. Soweit ausnahmsweise besondere für die weibliche Jugend bestimmte Einrichtungen unterstützt werden sollen, sind die im Einzelfalle unvermeidlichen staatlichen Beihilfen bei mir zu bean - tragen. Handelt es sich um die Gewährung staatlicher Mittel für die6 Einrichtung besonderer Näh - oder Haushaltungskurse, so sind die Anträge an die Herren Minister für Handel und Gewerbe oder für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zu richten . Also für die männliche Jugend alles, für die weibliche nichts! Als Lehrerin auf dem Lande habe ich einen Verein junger Mädchen geleitet und habe gern alle Mühe auf mich genommen, um die Mädchen, die zukünftigen Mütter und Er - zieherinnen, zu fördern in der Hauswirtschaft, im Flicken und Stopfen, in Krankenpflege und in der Kindererziehung. Jn diesem Bestreben hat mich der Staat nicht im geringsten unterstützt. Sollte es aber einem Kollegen eingefallen sein, einen Verein schulentlassener Knaben ins Leben zu rufen, was natürlich nicht geschah, so wären ihm aus Staatsmitteln angeschafft worden: Turngeräte, Spiele, Liederbücher, Musikinstrumente, kurz alles, was er sich nur gewünscht hätte. Nach den neuesten Be - stimmungen des Kultusministers ist es geradezu ideal, für die männliche Jugend zu arbeiten. Die weibliche Jugend, die ja doch niemals wahlbe¬ rechtigt wird, läßt man laufen.

Aus demselben Grunde hat man wahrscheinlich die weibliche Jugend auch bei der Fortbildungsschule übergangen. Für die gesamte männ - liche Jugend in Städten mit über 10000 Einwohnern wird die Fort - bildungsschule obligatorisch, d. h. die Knaben sind gezwungen, die Fort¬ bildungsschule zu besuchen vom 14. bis zum 17. Lebensjahre. Für die Mädchen gibt es keine Fortbildungsschule, der Staat scheint ein ungeheures Vertrauen zur weiblichen Jugend zu haben; für sie sind alle diese Ver - anstaltungen, die einesteils zur gründlichen Ausbildung im Berufe, andrer - seits zur Stärkung des sittlichen Charakters der männlichen Jugend dienen, nicht notwendig. Unsere Regierung kennt bloß die wohlerzogene Tochter, die im Frieden des Hauses aufwächst. Sie kennt aber nicht die Millionen von Mädchen, die kaum dem Kindesalter entwachsen, vielfach ohne Halt und Stütze ins Erwerbsleben hinausgedrängt werden. Wann wird das anders werden? fragt die Zeitschrift Ein Volk, eine Schule und gibt als einzige richtige Antwort: Nur dann, wenn die Frau mit dem Stimmzettel in der Hand in der Volksvertretung Einlaß gewinnt und der einseitigen Männerpolitik ein Ende macht, die in dieser neuen Zeit dasteht wie eine verfallene Burg mit tausend Rissen und Spalten.

Durch die Fortbildungsschule allein wäre aber auch eine staats - bürgerliche Erziehung unserer weiblichen Jugend gewährleistet. Staats - bürgerliche Erziehung brauchen unsere Mädchen als spätere Hausfrauen und Mütter, damit sie die wirtschaftspolitischen Fragen verstehen lernen und die heranwachsende Generation, Knaben und Mädchen, zu Staats - bürgern erziehen können, aber auch, damit sie ihre rechtliche Stellung in der Ehe kennen lernen. Staatsbürgerliche Erziehung brauchen7 die Mädchen im Berufe und als erwerbstätige Frauen. Staatsbürgerliche Erziehung brauchen alle unsere heranwachsenden Mädchen, nicht in letzter Linie, damit sie eines Tages, wenn der große Augenblick ihrer politischen Mündigkeit gekommen ist, wissen, was sie zur Förderung ihrer eigenen Jnteressen und der des Gesamtwohles zu tun haben. Schon in der Volksschule können staatsbürgerliche Kenntnisse in ungezwungener Weise in Geschichte, Geographie, in deutsche Lesestücke und in den Rechenunterricht eingeflochten werden. Die Hauptaufgabe aber muß die Fortbildungsschule übernehmen, sie ist für die staatsbürgerliche Erziehung der Jugend nicht zu entbehren. Hier werden die staatsbürger¬ lichen Belehrungen nicht mehr gelegentlich, sondern in einem sachgemäßen Unterricht gegeben. Die geeignetste Kraft für diesen Unterricht wäre bei den Mädchen natürlich die Frau, die Lehrerin.

Wie aber steht es mit der staatsbürgerlichen Gesinnung dieser Lehrerinnen selbst? Wieviele Lehrerinnen stehen denn im öffentlichen Leben? Ja, wieviele Lehrerinnen beteiligen sich an den Lehrerinnenvereinen, ihrer eigensten Organisation? Wie unendlich schwer ist es, speziell die jungen Kolleginnen zum Besuche der Lehrerinnenversammlungen zu bewegen, geschweige denn zu Frauen - versammlungen, die die Hebung des weiblichen Geschlechts im allgemeinen bezwecken. Wir haben in unserer Dortmunder Ortsgruppe für Frauen - stimmrecht unter 70 Mitgliedern nur 4 Lehrerinnen, davon sind 2 bereits pensioniert. Daß die Lehrerinnen in anderen Ortsgruppen stärker ver - treten sind, scheint nicht der Fall, sonst hätte man in Berlin auf der Generalversammlung des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht nicht von den wenigen Lehrerinnen sprechen können. Jch bin überzeugt, je mehr die Lehrerinnen die Frauenversammlungen, besonders die Frauen - stimmrechtsversammlungen, besuchen, je mehr werden sie einsehen, daß ihre Nöte auch die der Frauen im allgemeinen sind, und je eher werden sie von der Notwendigkeit der Forderung des Frauenstimmrechts überzeugt.

Jch bin 25 Jahre als Volksschullehrerin tätig gewesen, darunter 22 Jahre auf dem Lande. Jch habe gearbeitet und gestrebt, nicht nur in der Schule, sondern auch in der Gemeinde nach besten Kräften. Aber ich muß es öffentlich bekennen: Meine ganze Arbeit war Stückwerk, mußte Stückwerk sein, weil ich niemals meine Stimme in der Öffentlichkeit er - heben konnte, um die mancherlei Schäden im Gemeindeleben an der Wurzel fassen und von Grund aus beseitigen zu können. Die echte, rechte Volksschullehrerin hat eine tiefe Liebe zu den Kindern des Volks und ein lebhaftes Jnteresse für soziale Arbeit und sozialen Fortschritt. Erst durch das Frauenstimmrecht werden ihr die Wege geebnet zu inten¬ siver, gründlicher Arbeit, und nur dann erst wird ihre Arbeit auch wirklich von Erfolg gekrönt sein.

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Anhang.

Ausbildung und gesetzliche Stellung der Lehrerinnen.

Der in diesem Anhang versuchte Ueberblick über die Ausbildung und die gesetzliche Lage der Lehrerinnen macht keinen Anspruch auf Voll - ständigkeit. Er soll nur dazu dienen, denjenigen Lesern und Leserinnen, die die vorhergehenden Ausführungen mit Jnteresse verfolgt haben, noch über einige Punkte besondere Aufklärung zu geben.

Von einschneidender Bedeutung für die gesamte Lehrerinnenschaft sind einige Ministerialerlasse der letzten Jahre, die bei Beurteilung der gesetzlichen Stellung der Lehrerinnen nicht unerwähnt bleiben dürfen.

Während früher die Befähigung für den Unterricht an Volks -, Mittel - und höheren Mädchenschulen in ein und derselben Bildungsanstalt erworben werden konnte, müssen nach den Bestimmungen vom 15. März 1909 die Seminare getrennt werden; es gibt also jetzt Seminare für Volksschullehrerinnen und Seminare für mittlere und höhere Mädchen - schulen. Die jungen Mädchen bezw. deren Eltern müssen sich also von Anfang an klar darüber sein, ob sie ihre Tochter zur Volksschullehrerin oder zur höheren Lehrerin ausbilden lassen wollen.

I. Prüfung der Volksschullehrerinnen.

Die Prüfung der Volksschullehrerinnen richtet sich nach den in den Bestimmungen vom 1. Juli 1901 gegebenen Vorschriften über die Ent - lassungsprüfung an den Lehrerseminaren (erste Lehrerprüfung). Die Aus - bildung der Volksschullehrerin wird also in Zukunft der des Volksschul - lehrers fast gleich sein. Der betreffende Erlaß des Kultusministers vom 11. Januar 1911 sagt darüber:

Da das Maß der zu fordernden Kenntnisse und Fertigkeiten durch den Lehrplan der Lehrerseminare bestimmt wird, sind die Lehr - pläne für die Präparanden - und Lehrerbildungsanstalten vom 1. Juli 1901 nunmehr allgemein auch auf die Volksschullehrerinnen - seminare und Präparandinnenanstalten anzuwenden. Dabei ist in allen Zweigen der Pädagogik das für Mädchenerziehung Wichtige be - sonders zu berücksichtigen und auch in allen anderen Fächern bei der Auswahl der Stoffe der weiblichen Eigenart Rechnung zu tragen.

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Außerdem treten folgende Abweichungen ein:

  • a) Für Nadelarbeit sind in den drei Präparandinnenklassen je 2 Wochen - stunden, in den Seminarklassen 2 + 2 + 1 Wochenstunde anzusetzen. Die Zeit wird durch Kürzung des Musikunterrichtes gewonnen. (Vergl. c.) Lehrziel und Lehraufgaben für den Nadelarbeitsunterricht in den Prä - parandinnenklassen sind dieselben wie die für die drei oberen Klassen der höheren Mädchenschulen in den Lehrplänen vom 12. Dezember 1908 vor - geschriebenen. Hiernach bestimmen sich die Anforderungen bei der Auf - nahme in das Volksschullehrerinnenseminar. Der Nadelarbeitsunterricht im Seminar erfolgt im Sinne des Erlasses vom 24. Juni 1907 (Zentral - blatt S. 563); bei der zur Verfügung stehenden geringeren Wochenstunden - zahl natürlich nicht mit dem Ziele der Prüfung als technische Lehrerin, sondern zu dem Zwecke, die Seminaristinnen technisch und methodisch so weit zu fördern, daß sie imstande sind, in einfachen Schulverhältnissen oder da, wo es sich um eine zeitweilige Vertretung handelt, Nadelarbeits - unterricht zu erteilen.
  • b) An Stelle des landwirtschaftlichen Unterrichtes tritt Haushaltungsstunde. Die zur Verfügung stehenden Stunden (je 1 Wochenstunde für die oberste Präparandinnenklasse und für jede der drei Seminarklassen) dienen im wesentlichen für theoretische Unterweisungen, die nach den in den Lehr - plänen vom 12. Dezember 1908 für die Frauenschule gegebenen Richtlinien und im Sinne des oben angeführten Erlasses vom 24. Juni 1907 zu geben sind. Erwünscht und empfehlenswert ist, besonders in Jnternaten, daneben auch praktische Uebungen in Küche und Hauswirtschaft einzurichten. Es ist auch zulässig, dort, wo es nach Lage des Stundenplans möglich und wünschenswert erscheint, anstatt in 4 Jahren mit je 1 Wochenstunde diesen Unterricht auf 2 Jahre mit je 2 oder auf 3 Jahre mit 2 + 1 + 1 Wochenstunde zu verteilen. Diese Unterweisung soll die zukünftige Lehrerin befähigen, den eigenen Haushalt zu führen, und sie instand setzen, in ein - fachen Verhältnissen oder für den Fall einer Vertretung hauswirtschaftlichen Unterricht zu erteilen.
  • c) Der Musikunterricht beschränkt sich auf Gesang, Violinspiel und Theorie der Musik mit der durch die herabgesetzte Stundenzahl gebotenen Ein - schränkung der Lehraufgaben und des Zieles. Jede Klasse oder Abteilung erhält wöchentlich je 1 Stunde Gesang und Violinspiel; die drei Seminar - klassen werden außerdem zu höchstens wöchentlich 1 Stunde Chorgesang vereinigt, woran die Schülerinnen der beiden oberen Präparandinnenklassen sämtlich oder zum Teil je nach Begabung und Bedarf teilnehmen können. Für die Theorie der Musik sind keine besonderen Unterrichtsstunden an - zusetzen; das Nötige wird beim Gesang - und Violinunterrricht besprochen und eingeprägt.

Die Zeugnisse über die bestandene Prüfung werden in derselben Weise ausgestellt, wie diejenigen der Lehramtsbewerber nach Bestehen der ersten Lehrerprüfung.

Der obengenannte Erlaß vom 11. Januar 1911 bestimmt außerdem, daß Volksschullehrerinnen, die weiterarbeiten wollen, auch die Prüfung für Mittelschulen und Rektoren ablegen und damit die Befähigung zur Leitung von Volksschulen für Mädchen, Mädchen-Mittelschulen und gehobenen Mädchenschulen sowie zur Anstellung als Seminarlehrerin und Seminardirektorin erlangen können. Volksschullehrerinnen, die noch nach der alten Prüfungsordnung vom 24. April 1874 bezw. vom 31. Mai 1894 ihre Prüfung für Volksschulen, mittlere und höhere Mädchenschulen bestanden haben, können ebenfalls zur Rektorenprüfung zugelassen werden.

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II. Ausbildung der höheren Lehrerinnen1)Nach dem Handbuch der Frauenbewegung von H. Lange & Dr. G. Bäumer.

Die Ausbildung der Lehrerinnen für mittlere und höhere Mädchen - schulen wird auf den höheren Lehrerinnenseminaren, die mit der Frauen - schule zusammen als Lyzeum bezeichnet werden, erworben und dauert 4 Jahre. Sie ist so gestaltet, daß nach den ersten 3 Jahren eine wissen - schaftliche Abschlußprüfung stattfindet, die zum Eintritt in das praktische Jahr berechtigt. Die folgende einjährige praktisch-methodische Ausbildung schließt mit der Lehramtsprüfung. Die dreijährige Seminarzeit kann durch die Ausbildung in der Studienanstalt ersetzt werden, da nach den Be - stimmungen vom 3. April 1909 die Abiturientinnen, die in das praktische Jahr eines höheren Lehrerinnenseminars eintreten, ebenfalls am Schlusse dieses Jahres die lehramtliche Prüfung für höhere Mädchenschulen ablegen können. Den lehrplanmäßigen Stoff in der Pädagogik haben sie entweder bei der Aufnahme in das praktische Jahr oder nachträglich bei der Schlußprüfung nachzuweisen, ebenso die nötigen Kenntnisse in Französisch und Englisch, die den Absolventinnen der gymnasialen Studienanstalten fehlen dürften.

Die Absolvierung der Studienanstalt berechtigt außer - dem zum Besuch der Universität und gibt die Möglichkeit einer freien Wahl aller akademischen Laufbahnen, während das Seminar nur den Lehrberuf erschließt. Weiterstrebende Lehrerinnen können infolge einer Verfügung vom 14. Dezember 1905 zur Prüfung für das höhere Lehr¬ amt pro facultate docendi zugelassen werden. Die Dauer des an deutschen Staatsuniversitäten ordnungsmäßig zu absolvierenden Studiums beträgt mindestens 6-8 Semester.

III. Technische Lehrerinnen

gibt es sowohl an Volksschulen, wie an mittleren und höheren Mädchen - schulen. An den Volksschulen und Mädchen-Mittelschulen verlangt man von den technischen Lehrerinnen meist die Befähigung für den Unterricht in Handarbeit, Haushaltung und Turnen, an den höheren Mädchenschulen, wo der Haushaltungsunterricht wegfällt, wünscht man statt dessen vielfach die Befähigung für den Zeichenunterricht. Die Befähigung zur Erteilung des Handarbeitsunterrichts in Volks -, mittleren und höheren Mädchen - schulen wird, ebenso wie die Befähigung zur Erteilung des Unterrichts in der Hauswirtschaftskunde an Volks - und Mittelschulen, durch Ablegung einer Prüfung erworben, die durch die Prüfungsordnung vom 18. Mai 1908 geregelt ist. Nach einer Verfügung vom 12. Juni 1909 ist die Zulassung zu jeder der beiden Prüfungen unbedingt von der Absolvierung11 eines Jahreskursus in einem Seminar für Handarbeits - bezw. Hauswirt - schaftslehrerinnen abhängig zu machen, da nach Ansicht der zuständigen Behörde die früheren Mißstände auf dem Gebiete der Ausbildung von Handarbeits - und Hauswirtschaftslehrerinnen bald wiederkehren würden, wenn nicht an den Vorschriften über die Ausbildung in einem mit den geeigneten Lehrkräften besetzten, den nötigen Lehrmitteln ausgestatteten und mit Uebungsklassen verbundenen Seminar streng festgehalten würde.

Die Ausbildung der Turnlehrerinnen ist in Preußen durch die Bestimmung vom 30. Mai 1907 von 3 auf 5 Monate verlängert worden. Die Vorbereitung kann in der Kgl. Landes-Turnanstalt in Berlin (SW., Friedrichstr. 229) stattfinden, und zwar jährlich einmal, etwa von August beginnend. Die unentgeltliche Ausbildung ist in erster Reihe für bereits im Lehramte stehende Bewerberinnen bestimmt, denen für die Zeit ihres Aufenthaltes in Berlin Unterstützungen in Höhe bis zu 90 Mk. monatlich gewährt werden können. Turnlehrerinnen-Prüfungen finden außerdem in Königsberg, Stettin, Breslau, Magdeburg, Erfurt, Kiel, Hannover, Bielefeld, Dortmund und Bonn statt.

Die Vorbereitung auf das Zeichenlehrerinnenexamen erfolgt am sichersten in einem Zeichenlehrerseminar, das mindestens 2 Jahre be - sucht werden muß. Solche Zeichenlehrerseminare sind verbunden mit den Kgl. Kunstschulen zu Berlin, Breslau, Cassel, Königsberg und Düsseldorf. Die Vorbereitung wird geregelt durch die Prüfungsordnung für Zeichen - lehrer und Zeichenlehrerinnen vom 31. Januar 1902.

Die Lehrerin im Amte.

  • 1. Anstellung.

    Nach bestandener Prüfung werden die Volksschullehrerinnen meist kommissarisch (vertretungsweise) oder provisorisch (vorläufig, einstweilig) angestellt. Die Befähigung zur endgültigen Anstellung erlangen Volks - schullehrerinnen nach dem Ministerialerlaß vom 11. Januar 1911 frühestens 3 Jahre nach Bestehen der Prüfung, wenn sie wenigstens 2 Jahre im öffentlichen Schuldienst vollbeschäftigt gewesen sind und sich darin bewährt haben. Auch diese Zeit kann nach Maßgabe des Erlasses vom 8. No¬ vember 1909 ein Jahr im Privatschuldienst angerechnet werden, falls die Lehrerin in wirklichem Klassenunterricht vollbeschäftigt gewesen ist. Die Befähigung zur endgültigen Anstellung ist von der zuständigen Schulauf - sichtsbehörde (Regierung oder Provinzialschulkollegium) nach Anhörung der nächsten Vorgesetzten auf Grund einer besonderen Revision auszu - sprechen und durch einen Nachtrag auf dem Lehrbefähigungszeugnis zu bekunden. Lehrerinnen, denen nach fünfjähriger einstweiliger Beschäftigung das Zeugnis der Befähigung zur endgültigen Anstellung nicht erteilt12 werden kann, sind aus dem öffentlichen Schuldienst zu entlassen, falls nicht auf Antrag der Regierung oder des Provinzialschulkollegiums die Verlängerung der Beschäftigung vom Unterrichtsminister genehmigt wird.

    Bei ihrer ersten Anstellung hat die Lehrerin vor dem Kreisschul - inspektor den Diensteid in der Form abzulegen, die für die mittelbaren und unmittelbaren Staatsbeamten durch die Allerhöchste Verordnung vom 22. Januar und 6. Mai 1867 und den Staatsministerialbeschluß vom 31. Oktober 1867 vorgeschrieben ist. Der Diensteid lautet: Jch, N. N., schwöre zu Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß Seiner König - lichen Majestät von Preußen, meinem Allergnädigsten Herrn, ich unter - tänig, treu und gehorsam sein und alle mir vermöge meines Amtes ob - liegenden Pflichten nach meinem besten Wissen und Gewissen genau er - füllen, auch die Verfassung gewissenhaft beobachten will, so wahr mir Gott helfe . Bei Einführung, in ein anderes Amt findet eine abermalige Vereidigung nicht statt, wohl aber ein Hinweis auf den früher geleisteten Diensteid. Gleichzeitig hat die Lehrerin eine von ihrer zuständigen Re - gierung ausgefertigte Anstellungsurkunde zu unterschreiben, die sie auf ihre Pflichten und Rechte aufmerksam macht.

  • 2. Diensteinkommen der Lehrerin.

    Das Diensteinkommen der Volksschullehrerinnen ist durch das Lehrer - besoldungsgesetz vom 26. Mai 1909 geregelt, aus dem hier nur die wichtigsten Paragraphen hervorgehoben werden.

    § 1. Das Diensteinkommen der an einer öffentlichen Volksschule end - gültig angestellten Lehrer und Lehrerinnen setzt sich zusammen aus Grundgehalt, Alterszulagen und freier Dienstwohnung oder Mietsentschädigung. Hierzu treten nach § 20 noch Ortszulagen und nach § 21 noch Amtszulagen.

    § 3. Das Grundgehalt beträgt für die Lehrerstelle 1400 Mk., für die Lehrerinstelle 1200 Mk. jährlich.

    § 4. Für die endgültig angestellten technischen Lehrkräfte kann das Grundgehalt durch Beschluß des Schulverbands auf einen niedrigeren als den im § 3 bezeichneten Betrag, jedoch nicht unter 1100 Mk. für die Lehrerstelle und 1000 Mk. für die Lehrerinstelle jährlich, festgesetzt werden.

    § 5. Die Besoldung der einstweilig angestellten Lehrer und Lehrerinnen sowie der Lehrer, die noch nicht 4 Jahre im öffentlichen Schuldienst gestanden haben (Militärjahr wird mit angerechnet) beträgt ein Fünftel weniger als das Grundgehalt der betreffenden Schulstellen.

    § 7. Die Alterszulagen sind in der Weise zu gewähren, daß der Bezug nach siebenjähriger Dienstzeit im öffentlichen Schuldienst beginnt und daß neue Zulagen in Zwischenräumen von je 3 Jahren gewährt werden.

    § 8. Die Alterszulage beträgt für Lehrer in den beiden ersten Stufen je 200 Mk., in der dritten und vierten je 250 Mk., in der fünften bis neunten je 200 Mk. jährlich; für Lehrerinnen in den ersten zwei Stufen je 100 Mk., in den weiteren je 150 Mk. jährlich.

    § 16. Als Mietsentschädigung für die Lehrer und Lehrerinnen ist eine Geldsumme zu gewähren, die eine ausreichende Entschädigung für die nicht ge - währte Dienstwohnung darstellt.

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    § 17. Die Mietsentschädigung ist für jede Provinz unter Zugrunde - legung der für den Wohnungsgeldzuschuß der unmittelbaren Staatsbeamten maßgebenden Ortsklasseneinteilung nach bestimmten Sätzen für jede Klasse fest - zusetzen. Sie beträgt für Lehrer je nach der Servisklasse des Ortes 330 bis 800 Mk., für Lehrerinnen 250 bis 560 Mk.

    § 20. Schulverbände können die Gewährung pensionsfähiger Orts - zulagen an ihre sämtlichen Lehrkräfte oder einzelne der in diesem Gesetze be - zeichneten Arten beschließen.

    § 22. Durch die Ortszulage darf das bisherige Endgehalt unbeschadet der Amtszulage für die Lehrerstellen um höchstens 900 Mk., jedoch nicht über 420 Mk. hinaus, für die Lehrerinnenstellen um höchstens 600 Mk., jedoch nicht über 2950 Mk. erhöht werden. Den Schulverbänden bleibt die Be - stimmung darüber überlassen, ob und in welcher Weise der Beginn und die Höhe der Ortszulagen von der Erreichung einer bestimmten Dienstzeit abhängig gemacht, auch für einzelne Arten von Lehrkräften verschieden gestaltet werden sollen.

    § 26. Die Zahlung des baren Diensteinkommens erfolgt an endgültig angestellte Lehrer und Lehrerinnen vierteljährlich, an einstweilig angestellte oder auftragsweise beschäftigte monatlich, im voraus.

    Lehrerinnen an Mittelschulen erhalten in der Regel 150 Mk., Lehrerinnen an höheren Töchterschulen 400 Mk. mehr als die Volksschul - lehrerinnen des betreffenden Ortes. Das Gehalt der technischen Lehre - rinnen ist an Mittelschulen um 50 Mk., an höheren Töchterschulen um 200 Mk. höher als das der technischen Lehrerinnen an Volksschulen. Die Besoldungsordnung für Oberlehrerinnen bestimmt ein Grundgehalt von 2000 Mk., steigend in 18 Jahren auf 4200 Mk. ausschließlich Wohnungs¬ geldzuschuß.

  • 3. Wohnort.

    Die Lehrerin muß in dem Orte wohnen, wo sich ihre Schule be - findet, wo sie ihr Amt ausübt. Der Ministerialerlaß vom 22. Februar 1889 bestimmt ausdrücklich, daß ohne Genehmigung der vorgesetzten Behörde keine Lehrerin ihre Wohnung in einem anderen Orte haben darf.

  • 4. Pflichtstundenzahl.

    Die Pflichtstundenzahl der Lehrerinnen ist nicht einheitlich geregelt. Der Ministerialerlaß vom 30. September 1878 bestimmt, daß jede Lehrerin soviele Lehrstunden in der Woche zu erteilen hat, als der Zweck des Unterrichts nach der bestehenden Schuleinrichtung erfordert. Ein anderer Erlaß vom 3. Mai 1889 stellt die Bestimmung der Pflicht - stundenzahl in das Belieben der Königlichen Regierung. Sie allein sei auch berechtigt, für den Fall, daß ein Lehrer oder eine Lehrerin mehr Unterrichtsstunden als die von ihr festgesetzten sogenannten Pflichtstunden übernehmen soll, die Höhe der dafür zu gewährenden besonderen Ver - gütung nach Anhörung der Schulunterhaltungspflichtigen zu bestimmen. Die Kgl. Regierung zu Arnsberg zieht die Lehrer bis zu 30, die Lehrerinnen bis zu 28 Pflichtstunden wöchentlich heran.

  • 14
  • 5. Nebenämter und Nebenbeschäftigung.

    Ohne Einwilligung der Kgl. Regierung als der vorgesetzten Behörde darf die Lehrerin kein Nebenamt übernehmen, auch wenn dasselbe nicht mit einer fortlaufenden Remuneration verbunden ist. Auch zur Ueber - nahme einer Vormundschaft bedarf sie der Genehmigung des Kreisschul - inspektors. Die Erteilung von Privatunterricht an die Schüler der eigenen Klasse gegen Bezahlung ist im allgemeinen nicht statthaft, doch gibt der Erlaß vom 6. Oktober 1882 zu, daß Ausnahmefälle eintreten können, wie z. B. nach längerer Versäumnis des Unterrichts durch Krankheit, dann seien Nachhilfestunden, auch wenn sie gegen Bezahlung erteilt werden, nicht blos zulässig, sondern unter Umständen sogar erwünscht. Die Höchstzahl von Privatstunden soll aber nach einem Erlaß vom 28. März 1903 auf sechs wöchentlich beschränkt bleiben.

  • 6. Konferenzen.

    Die Lehrerin ist gezwungen, den amtlichen Konferenzen beizu - wohnen. Jnsofern den Lehrern und Lehrerinnen durch die Teilnahme an den Kreiskonferenzen Unkosten erwachsen; wird ihnen nach Verfügung vom 24. Juli 1897 eine Entschädigung gezahlt.

  • 7. Urlaub und Stellvertretung.

    Urlaubsgesuche innerhalb der Schulzeit sollen nur in dringenden Fällen (Sterbefälle u. dergl. ) gestellt werden. Für einen bis einschließlich drei Tage steht dem Rektor bezw. dem Ortsschulinspektor das Recht der Urlaubserteilung zu. Soll der Urlaub mehr als drei Tage, aber nicht über vierzehn Tage dauern, so hat sich die Lehrerin an den Kreisschul - inspektor bezw. die Schuldeputation zu wenden. Urlaub auf länger als vierzehn Tage kann nur von der Regierung erteilt werden, Anträge dazu sind durch den Kreisschulinspektor einzureichen. Ein fehlender Lehrer oder eine fehlende Lehrerin muß von den anderen Lehrkräften der Schule ver - treten werden, falls nicht, was bei längerer Abwesenheit einer Lehrkraft meist geschieht, ein besonderer Vertreter bezw. Vertreterin angestellt wird.

  • 8. Besteuerung.

    Lehrerinnen sind zur Zahlung von Staatssteuern verpflichtet. Von Kommunallasten waren die Lehrer und Lehrerinnen bis zum 1. April 1909 frei. Für alle nach dem 1. April 1909 angestellten Lehrerinnen gilt das Gesetz, betreffend die Heranziehung der Beamten, Elementar - lehrer und unteren Kirchendiener zur Gemeindeeinkommensteuer vom 16. Juni 1909 . Dasselbe bestimmt in § 1, daß die Lehrerinnen bis zu 125 % der Kommunalsteuer herangezogen werden.

  • 15
  • 9. Die Lehrerin in der Schulverwaltung.

    Nach § 44 des Volksschulunterhaltungsgesetzes vom 28. Juli 1906 kann die Lehrerin in die Schuldeputation gewählt werden, falls in einer Stadt die Zahl der des Erziehungs - und Volkschulwesens kundigen Männer auf vier oder mehr festgesetzt wird. Jn § 45, der von den Schulkommissionen handelt, finden wir ebenfalls die Lehrerin, zwar nur in der Klammer, aber immerhin, sie kann auch in die Schulkommission gewählt werden.

  • 10. Pension.

    Für die Pensionierung der Volksschullehrerinnen gelten die Be¬ stimmungen vom 6. Juli 1885 nebst Abänderungen dazu vom 26. April 1890 und vom 10. Juni 1907. Darnach erhält jede definitiv angestellte Lehrerin eine lebenslängliche Pension, wenn sie nach einer Dienstzeit von wenigstens zehn Jahren infolge körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung ihrer Amtspflichten dauernd unfähig ist und deshalb in den Ruhestand versetzt wird. Die Pension beträgt, wenn die Versetzung in den Ruhestand nach vollendetem zehnten, jedoch vor vollendetem elften Dienstjahr eintritt, $$\nicefrac{20}{60}$$ und steigt mit jedem weiter zurückgelegten Dienstjahre bis zum vollendeten dreißigsten Dienstjahr um $$\nicefrac{1}{60}$$ und von da ab um $$\nicefrac{1}{120}$$ des von der Lehrerin zuletzt bezogenen Diensteinkommens. Ueber den Betrag von $$\nicefrac{45}{60}$$ dieses Einkommens hinaus findet eine Steigerung nicht statt.

  • 11. Versetzungen.
    • 1. Freiwillige Versetzung: Will die Lehrerin eine anderweitige er¬ ledigte Lehrerinnenstelle annehmen, so hat sie ihre Bewerbung an den Schulvorstand bezw. an die Schuldeputation einzureichen. Umzugskosten können erstattet werden.
    • 2. Unfreiwillige Versetzung in ein anderes Amt von gleichem Range ist nur zulässig, wenn keine Verminderung des Diensteinkommens damit verbunden ist. Umzugskosten müssen ersetzt werden. Weigert sich die Lehrerin, die ihr im Jnteresse des Dienstes angewiesene Stelle anzu¬ nehmen, so kann sie abgesetzt werden.
  • 12. Die Lehrerin im Falle der Verheiratung.

    Heiratet eine Lehrerin, so muß sie aus dem Staatsdienste aus - scheiden; sie verliert damit alle Rechte, die ihr aus ihrer definitiven An - stellung erwachsen waren, insbesondere erlöschen ihre Pensionsansprüche. Sie muß ihr Amt drei Monate vorher kündigen, kann jedoch nicht ver - langen, vor dem Schluß des laufenden Unterrichtssemesters entlassen zu werden.

Wagner & Co., Buchdruckerei, G.m.b. H., Berlin SW. 11.

About this transcription

TextDie Lehrerinnen und das Frauenstimmrecht
Author Bertha Bohrer
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU GießenNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2017-12-13T13:13:46Z Anna PfundtNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2017-12-13T13:13:46Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDie Lehrerinnen und das Frauenstimmrecht Bertha Bohrer. 1. Berlin1911. Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht. Berlin, 1911 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 9). 9.

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Universitätsbibliothek Frankfurt am Main S 17/13073

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Gesellschaft; ready; tdef

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