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hat ſich unſtreitig das große Verdienſt er - worben, in ſeiner Landskroner Rede eine Klarheit in die Politik des Miniſteriums Beck gebracht zu haben. Ein Mitglied des Miniſteriums Beck erklärte in einer Kandi - tatenrede für ein Landtagsmandat in Böhmen, daß man die Chriſtlichſozialen zur Vertretung der deutſchen Intereſſen heranziehen müſſe und daß dieſe Partei ſich zu der Erfüllung dieſer nationalen Pflicht auch bereit erklärt habe. Wenn ein Miniſter eine ſolche Erklärung abgibt, ſo kann man wohl einen vollſtändigen Pakt vorausſetzen, denn eine ſo ſtarke Partei wie die chriſtlichſoziale, welche doch nichts anderes iſt als eine radikal-klerikale Partei, kann unmöglich ſo große Verpflichtungen ohne irgend eine Gegenleiſtung übernehmen. Wenn die öſterreichiſche klerikale, jetzt allmächtige Partei nur aus Großmut nationale Schein - politik treiben wollte, ſo würde ſie die ganze Grundlage ihrer politiſchen Macht erſchüttern. Die Richtigkeit dieſes Ausſpruches wird mir jeder praktiſche Politiker beſtätigen. Seine Exzellenz Miniſter Peſchka iſt jedoch nicht nur deutſcher Landsmannminiſter, ſondern auch der ausgeſprochene Führer der Landwirte in Deutſch-Böhmen und mit dieſer von ihm in - ſzenierten Politik iſt auch den Erfolgen meiner und Dr. Pickerts von Leitmeritz ausgehen - den Arbeit der Todesſtoß gegeben. Dr. Pickert iſt längſt tot und ſo iſt es wohl verzeihlich, wenn ich auf unſere damaligen gemeinſchaft - lichen Bemühungen zurückkomme.
Die von mir von Leitmeritz ausgehende Agitation hatte den Hauptzweck, eine intenſive Vertretung der landwirtſchaftlichen Intereſſen des Bauernſtandes in Böhmen herbeizuführen und den deutſchen Bauernſtand für die frei - heitliche Richtung zu erhalten. Mir war es gleich anfangs ganz klar, daß dem deutſchen und auch tſchechiſchen Bauernſtande nur eine geſunde Agrarpolitik erſprießlich ſein könne und man denſelben von jeder Agrarierpolitik zurückhalten müſſe. Zwiſchen Agrar - undAgrarierpolitik iſt nämlich ein großer Unter - ſchied. Die Agrarpolitik des Bauernſtandes iſt die intenſivſte Vertretung der materiellen Intereſſen des Bauernſtandes, die Agrarier - politik iſt aber die Politik des Freiherrn Schorlemer v. Alſt eine reine Standes - politik, welche nur die Beſtimmung hat, eine Bauernariſtokratie herbeizuführen, welche das Piedeſtal der wirklichen Ariſtokratie zu bilden hätte. Sowohl die deutſchen als auch die tſchechiſchen bäuerlichen Kreiſe waren ſo in - telligent, dieſen großen Unterſchied der beiden Richtungen nach meinen Aufklärungen zu be - greifen und auf dieſer Grundlage beruhten auch meine Erfolge. Die Geſchichte jener Zeit habe ich in einer am 15. Februar 1891 im Leitmeritzer Rathausſaale gehaltenen Rede feſtgelegt und glaube ich, einen Paſſus dieſer Rede heute veröffentlichen zu ſollen:
Das ſind die Grundlagen, auf denen der Verſuch beruhte, ſeinerzeit gemeinſam mit den tſchechiſchen Landwirten den Landeskulturrat zu reformieren. Die Verantwortung dieſes Verſuches trage ich ganz allein.
Sie führte ihr ſiebentes Kind aufs Eis.
Das war ein Feſttag für alle.
„ Meine Frau will wieder das Eisbein ſchwingen “, hatte Leo zu Hans geſagt und den Vorſchlag, Käthes Debut zu begleiten, weit von ſich gewieſen. Als junger Ehemann war er noch oft mit ihr aufs Eis ge - gangen, und im frohen Spiel hatten ſie wie einſt in jungen Tagen die Luft durchſchnitten. Seit aber Noras erſte Schlittſchuhe auf dem Weihnachtstiſch gelegen hatten, war Leo nicht mehr mitgegangen. Da war ſie denn Jahr für Jahr mit den Kindern aufs Eis gegangen und hatte ein Paar zarte Beinchen nach dem anderen auf die blanken Stahlſchienen geſtellt. Wie viel Mühe und Sorgfalt, wie viel Geduld hatten die ſieben beanſprucht, und wie ſauer war es ihr ge - worden, dies zweite Laufenlernen! Nun ſollte Käthchen, das Neſthäkchen, auch in dieſe hohe Weisheit einge - weiht werden. Die Winterſonne lachte, das Eis glitzerte, und froh und ſtolz ſchritt die ſchöne Frau mit ihren Sieben und den klappernden Schlittſchuhen durch den Toreingang.
Die Kapelle ſpielte — o, wie gern hätte ſie ſich wie einſt mit Leo im Wiegelauf nach dem Takte ge - ſchwungen! Aber das Rotkäppchen da mit ſeinen dünnen Krepelbeinchen, die bald nach rechts und bald nach links knicken, das brauchte heute ihre ganze mütterliche Fürſorge. Nora — ja, ſo wie die ſich auf dem Eiſe zeigte, erſchien ſchon der Referendar, der ihr durchaus eine „ Acht “erklären mußte — in der Künſtlerecke natürlich, ungeſtört von Käthes Ver - ſuchen. Hans und Walter, die großen Buben, diewären ſchon geeignet geweſen zum flotten Zuſammen - lauf, aber ſie lächelte. So geht’s. Das hatte ſie noch im Ohr, wie man von dem Transport ſchwerer Ge - ſchütze über das Eis des Baikalſees geſprochen, und Walter mit unſagbarem Bengelgeſicht geſagt hatte: „ Na, unſere Mutter iſt ja auch ein ſchweres Geſchütz auf dem Eiſe “.
Schweres Geſchütz. Ja, ja, das waren die Vierzig und die ſiebenfache Mutterſchaft.
Da ließ ſie die Jungen allein ihre Kreiſe ziehen und bewunderte ſtolz, wenn ihr Hans „ ſprang “, ganz überzeugt von der Kunſtleiſtung dieſer Varietät. Max und Willi dagegen, die furchtbaren Buben, die hatten ſofort ein Kriegsſpiel begonnen, das zu gefahr - drohenden Jagden ausartete. An kunſtvolles Laufen, wie es die drei älteſten übten, die gertenſchlanke Nora mit dem Referendar und die beiden Brüder im Wechſellauf, war hier nicht zu denken. Max und Willi jagten und rannten über das Eis, ohne jede Achtung vor den äſthetiſchen Forderungen des Kunſtlaufes. Und wenn ſie vorüberſtürmend nahten, ſuchte Grete möglichſt Schutz — ſie lief erſt ſeit einem Jahre und hatte noch nicht ganz die Technik der Ausſtoßens begriffen, ſondern zog den Fuß noch immer wie eine lahme Henne nach. Käthe aber brach bei jeder An - näherung der böſen Buben in wildes Geſchrei aus. Sie konnte fürs erſte lediglich ſtehen auf den Stahl - ſchienen und war jeder Bewegung unfähig. Wie eine gute Klucke mußte Mutter Helene alſo wohl oder übel bei ihren Kücken bleiben und den beiden kleinen Mädchen alle ihre Aufmerkſamkeit widmen. Drüben in der Waldniſche tauchte hin und wieder die bieg - ſame Geſtalt der Tochter auf, und Helenens Sorge ſtreifte um die beiden jungen Menſchenkinder, die dort im Wiegen und Neigen vielleicht ihre Herzen allzunah aneinander brachten.
Fahler wurde der lachende Sonnenſchein, und grauer tönten die Schatten umher. Und Helenens
2Mittwoch Badener Zeitung. 15. Jänner 1908. Nr. 5.Gehen, dachte ich mir, die tſchechiſchen Landwirte auf die von mir aufgeſtellten Prinzipien ein, und halten ſie dieſelben aufrecht, dann iſt es gut, denn es kann in dieſer Körperſchaft in dieſem Falle keine nationalen Reibungen und keine Majoriſierung vom nationalen Standtpunkte aus geben, und die Deut - ſchen haben wieder einmal den wichtigen Beweis erbracht, daß ſie die Träger des Fortſchrittes in Böhmen ſind. Gehen die Tſchechen nicht auf dieſe Prinzipien ein, oder halten ſie dieſelben nicht aufrecht, dann haben die Deutſchen die moraliſche Berechtigung, ſich von den Tſchechen auf dem Gebiete der landwirt - ſchaftlichen Intereſſenvertretung loszu - ſagen und in dieſer Beziehung ihren eigenen Weg zu gehen.
Ich habe dies nicht einmal, ſondern zehnmal in der eindringlichſten Weiſe geſagt, daß der ge - meinſame Landeskulturrat nur denkbar ſei, wenn die nationalen Vorurteile und Beſtrebungen nicht hineingetragen werden und kein politiſcher Druck bei Entſcheidung von Intereſſen - fragen geübt wird. Ich habe bei den Debatten über die Wahlordnung, als das Streben der Majo - riſierung zutage trat, betont, daß dieſes Feilſchen nach Stimmen ſchon zeigt, daß die Herren ihre Aufgabe gar nicht begriffen, und am Schluſſe die Worte gebraucht, es ſei ganz gleichgiltig, mit wie vel Stimmen die Deutſchen im Ausſchuſſe vertreten ſeien; ſobald man ſich da auf einen Streit nur einlaſſe, ſei die Sache im vorhinein verloren. Selbſt auf deutſcher Seite ſind gerade dieſe Worte nicht verſtanden worden und boten den Anlaß zu einer Art Denunziation, die gemeinſchaftlich mit einer von der anderen Seite eingefädelten Intrigue den Grund abgab, mich zurückzuziehen.
Ja ich ging noch mehr ins Detail ein und wurde es von mir einmal erwähnt, ja es ſtand ſogar ge - druckt in dem Aufrufe zur Beteiligung an dem Re - formwerke, daß, wenn die Herren von der Feudal - partei das Oberwaſſer in dem reformierten Landes - kulturrat durch die tſchechiſchen Landwirte aus nationalen Gründen erhalten würden, die Deutſchen dann nicht weiter mittun würden. Ich ſagte es aus - drücklich, und zwar wiederholt, daß in dieſem Falle die deutſchen Landwirte eine Körperſchaft auf Grund der freien Vereinigung gründen würden. Das wurde unſer Programm! Offen und loyal, wie es des Deutſchen Sitte iſt, war unſer Vorgehen.
Nun, meine Herren, Sie kennen ja die Ge - ſchichte — eingegangen iſt man auf alles, aber die Sache verlief wie der letzte böhmiſche Ausgleich. Auf dem Umwege des Zentralverbandes kam man endlich zur Zweiteilung des Landeskulturrates. Die tſchechi - ſchen Landwirte werden nun, getrennt von denDeutſchen, über ihre Intereſſen beraten und wahr - ſcheinlich bei der Behandlung der einzelnen Fragen zu denſelben Reſultaten kommen wie die Deutſchen. Zu dieſem Reſultate wäre man bei gemeinſamer Beratung von wichtigen Fragen nach den gemachten Erfahrungen aber nie gekommen, weil die nationale Majoriſierung ſtets über jeder Beratung geſchwebt hätte.
Ich habe die deutſchen Landwirte aus dem Landeskulturrate hinausgeführt, weil die klerikal-feudale Partei daſelbſt eine Majorität für ihre Standespolitik erhalten hatte. Wenn heute Miniſter Peſchka in eine Korporation mit der klerikalen Partei tritt, ſo iſt damit auch die Agrarierpolitik als Standespolitik in Deutſch-Böhmen inauguriert und damit unſere ganze frühere erfolgreiche Arbeit in Frage geſtellt.
Im Jahre 1888 fand im Abgeordneten - hauſe anläßlich des Geſetzes über die bäuer - liche Erbfolge eine drei Wochen dauernde Agrardebatte ſtatt. Die Reden der Führer der chriſtlichſozialen Partei in jener Debatte, namentlich jene des Dr. Pattai und des Prinzen Alois Lichtenſtein, decken ſich mit dem Gedanken des Freiherrn Schor - lemer von Alſt, und jene Parlamentarier, die, wie ich ſelbſt, an jener Debatte teil - nahmen, werden meine Befürchtung wohl ganz natürlich finden. Der Lichtenſtein’ſche Schul - antrag wird nach dieſer Debatte erſt in das ſchönſte Licht geſtellt.
Ungarn gibt uns ſo recht die Zerfährenheit der Deutſchen Europas kund. Mangelndes Zuſammengehörigkeitsgefühl, der fremdvölkiſche Geiſt, die freiwillige Dienſtbarkeit und die Zeriſſenheit in ſo viele politiſche Parteien auf Seite der Deutſchen Oeſterreichs ermög - lichten den ſo tief ſtehenden Magyaren dieUnterjochung der Deutſchungarn ohne Rückſichtnahme auf ihre Verdienſte als Ver - teidiger dieſes undankbaren Landes.
Das trefflich geleitete Organ des deutſchen Schulvereines „ Der getreue Eckart “enthält hierüber in ſeiner letzten Nummer einen in - tereſſanten Aufſatz aus der Feder des Obmann - ſtellvertreters des Vereines zur Erhaltung des Deutſchtums in Ungarn Karl Daniel, der verdient, in weiteſten Kreiſen bekannt zu werden. Derſelbe ſchreibt folgendes:
Wenn auch die Erklärung der magyariſchen Sprache zur Staatsſprache als das Hauptübel für die Entnationaliſierung der Deutſchen Ungarns bezeichnet werden muß, ſind dennoch unüberwindliche Tatſachen: — die ſich faſt feindlich gegenüberſtehenden Intereſſen der Deutſchen in Stadt und Land, ihre räumliche Zerriſſenheit iu kleinen Sprachinſeln, ihre ver - ſchiedenartigen Lebensberufe, ihre verſchiedene Abſtammung und die damit verbundenen Unterſchiede im Dialekt und in ihren religi - öſen Bekenntniſſen die verhängnisvollen Ur - ſachen eines ſchier unabwendbaren Unterganges des deutſch-ungariſchen Volkes, wenn nicht im letzten Momente unvorhergeſehene Hinderniſſe eintreten ſollten.
Wenn auch ein Rückgang der Deutſchen in Ziffern bis heute noch nicht eingetreten iſt, ſo iſt doch in der doppelten Vermehrung der Magyaren, nicht nur durch Geburten, ſondern durch Magyariſierung ſchon eine große Gefahr gegeben, umſo mehr, als dieſe ſonder - bare Art der Mehrung von Jahr zu Jahr in beſorgniserregender Steigung begriffen iſt.
So haben die Magyaren ſeit 1880 um 34%, die Deutſchen dagegen um 8·9% zugenommen. Auch in der Kenntnis der magyariſchen Sprache vermögen die Deutſchen unter allen anderen Nationalitäten den höchſten und von Jahr zu Jahr ſteigenden Prozent - ſatz aufzuweiſen. Im Jahre 1890 konnten 20·2% Deutſche magyariſch ſprechen, im Jahre 1900 ſchon 30·7%.
Der Magyariſierung dienen als gewich - tigſte Mitteln: Die magyariſche Staats -
Gedanken wanderten zurück in alle die Jahre, die hinter ihr lagen. Sie dachte daran, wie ſie ſelbſt einſt die Schlittſchuhe unter dem Weihnachtsbaum gefunden hatte. Sie war nicht ein kleines Mädchen wie Käthe, ſie war ſchon 14 Jahre geweſen und hatte ſich dieſen Sport heiß erkämpfen müſſen. Darum war ſie auch wohl nie eine ſo vorzügliche Läuferin ge - worden wie Nora, darum hatte ſie aber auch ihre Kinder alle ſo jung aufs Eis gebracht. Sie dachte daran, wie ſie einſt ihre Studien gemacht, ſchon nicht mehr Kind genug, um ſich ganz den Studium hin - zugeben, geniert durch beobachtende Blicke, ein allezeit tötlich verlegener Backfiſch. Ach! ſie ſah ſich noch über das Eis kratzen mit ängſtlichen Stößen, ſah noch die grasgrünen Lederriemen der neuen Schlittſchuhe und hörte die loſen Gymnaſiaſten ſpotten: „ Grün iſt die Farbe der Hoffnung. Hoffnung läßt nicht zu Schanden werden. Am Ende lernt ſie’s noch “.
Und mit einem gewiſſen Trotz dachte ſie an die Zornestränen, die ſie einſt über die Spötter geweint. O ja, ſie hatte es gelernt! Ueber die Seen war ſie geflogen, weit, weit in die Einſamkeit, von früh bis zum Abend ſturmumbrauſt auf dem Seenfeld der Heimat — o, was wiſſen die braven Spießbürger, die daheim bei der Lampe von den Unglücksfällen leſen, die das Eis jeden Winter fordert, von dem Zauber der weißen Einſamkeit draußen! Was wiſſen ſie, wie es iſt, gegen den Schneeſturm kämpfen und ſich auf allen Vieren dnrch Brucheis ſchieben, und dann in dem Sonnenbade der leuchtenden Fläche von Ort zu Ort wie der Vogel zu kreiſen. Was wiſſen ſie von dem Zauber der ſinkenden Sonne auf dem Eiſe, von der Heimkehr mit prickelnder, luftdurchglühter Haut — ach, daß das alles ſo weit iſt nun! Seit Leo ihr Gatte war, hatte ſeine ſorgende Liebe ſie nicht mehr in die weiße Einſamkeit hinausgelaſſen, da war ſie auf abgezirkelten, wohlbehüteten Bahnen geblieben und hatte nur zuweilen wie ein gefangener Vogelmit ſehnſüchtigem Flügelſchlag hinausgeſchaut. Noras anmutige Geſtalt ſchwebte wieder drüben am Wald - rand entlang.
Helenens Gedanken wanderten weiter. Sie dachte an jene Zeit, als ſie ſelbſt ſo jung, ſo roſig im ſchwarzen Pelzkäppchen auf dem Neuen See gelaufen war. Ach, ſo eben erwachſen ſein, ſo eben die Flügel regen! Und all das junge, knoſpende Fühlen, der warme Herzſchlag über dem Eiſe. Auch ſie hatte ſolchen Lehrmeiſter einſt gehabt im Seewinkel, da hatten ſie geprobt bis zum Dunkelwerden, bis die Abgrenzſchnüre dichter und dichter um ſie drängten. Und dann waren ſie heimgewandert, die beiden jungen Menſchenkinder — ſo jung, ſo froh, ſo harmlos. Aber wie ein ſtilles Leben unter der Eisdecke des Sees, ſo hatte auch unten tief in ihren Herzen eine pochende Zärtlichkeit gelebt. Und doch das Wort, das erlöſende Wort war nie geſprochen worden. Nie. Sie hatte es nicht gewollt. Nein — trotz mancher ſtillen Träne daheim. Nein. „ Er war der einzige Sohn ſeiner Mutter, und ſie war eine Witwe “.
Das Wort klang in ihrem jungen Herzen nach. Wie bitter hatte ſie es nicht empfunden, daß dieſe Mutter alles tat, dieſe beiden jungen Herzen zu trennen. Nein, ſeine Mutter wollte es nicht, und ſie war zu ſtolz und ſelbſtlos, um ihn ihr abzutrotzen. So wich ſie ihm aus, und die jungen Herzen hörten auf, für einander zu ſchlagen, all das junge unaus - geklungene Sehnen kam zur Ruhe.
Und Leo trat in ihr Leben. Schön und leuchtend. Stolz wie ein Schwanenpaar waren ſie beide über das Eis geglitten. So manchen Winter. Des Abends, im Märchenſcheine der Bogenlampen. Und im Sturm des Oſtwindes hatte er ſeinen Arm um ihre Taille gelegt, daß es heiß über ſie hinflutete. Und mit leuchtenden Augen waren ſie durch die Menge und ſtolz umſchlungen den Eisberg hinab durch leuchtende Grotten geſauſt. O, das Leben! Das junge, blühendeLeben! Und aus der frohen, ſtolzen Freude ihrer Brautſtandsjahre war ſie in die Ehe mit ihm ein - gezogen. Nun lernte bald das letzte ihrer Kinder ſeine eigenen Spuren ziehen — noch auf dem glatten Eiſe wie einſt im Leben, und ſtark und ſchön und froh ſtand ſie auf der Sonnenhöhe ihres Lebens. Oder ging ihre Sonne bald unter?
Immer wenn ſie Nora ſah, mußte ſie heute an die eigene Jugend denken.
Grethe und Käthe hatten inzwiſchen einen kleinen Weg weiter verſucht. Aber die Beinchen gingen noch andere Wege als die Körperchen, und es war nur gut, daß ſich dort ein Herr fand, das Knäuel, das die beiden Rotkäppchen auf dem Eiſe bildeten, zu entwirren. „ Ein älterer Herr “, dachte Helene mit dem angenehmen Gefühl, das es ihr immer bereitete, wenn ſie ſah, daß ſie nicht das einzige „ ſchwere Geſchütz “auf dem Eiſe war. Sie ertappte ſich oft darauf, daß ſie eifrig nach älteren Damen und Herren, gleichſam zur Legitimation ihrer eigenen Bewegung ausſpähte.
Sie machte nun ſchnell, in die Nähe ihrer Kinder zu kommen. Und da —
„ Ach, meine Gnädigſte, und wie unverändert “, ſchnarrte eine gutdreſſierte Stimme, und der Herr lüftete ein kahles Haupt.
Helene ſtarrte ihn an — ferne, alte Bilder ſtiegen fragend in ihr auf — und doch — können denn zwanzig Jahre ſo verändern — ſo ganz ver - ändern? Das war ja — nein doch nicht! Sie lächelte. „ Ich danke Ihnen ſehr, mein Herr — aber Sie ver - kennen mich wohl — “
„ Helene Bauer — verzeihen Sie, meine Gnä - digſte, wenn ich mich irren ſollte — “
„ Jetzt Frau Doktor Culemann — allerdings, Sie haben recht, aber, verzeihen Sie, wenn ich Sie nicht gleich erkenne — ich weiß nicht — “
„ von Scholten “, ſtellte ſich der Herr vor.
Alſo doch! Aus ferner Jugendzeit ein einſt ach
ſprache und ihre bis zur Peinlichkeit geübte Anwendung in allen privaten und ſtaatlichen Aemtern, Schulen und Kirchen, das dehnbare Wahlgeſetz zur Volksvertretung, das Ortsnamengeſetz, das Militär, die Magyariſierungsvereine, die ſtaatlich begünſtigte Induſtriebewegung, die deutſchgeſchriebene magyarenfreund - liche Preſſe, die wirtſchaftliche Not und als Unikum ein Geſetzesparagraph „ Aufreizung gegen die magyariſche Nation “.
Nichts wurde den Nationalitäten mit Hinterhältigkeiten mehr abgerungen als die magyariſche Staatsſprache.
Mit einer Genauigkeit, die ihresgleichen ſucht, wacht nun Behörde auf Behörde über den alleinigen Gebrauch der magyariſchen Sprache in allen ſtaatlichen Aemtern, um dadurch den Nationalitäten die Anſchauung abzuringen, es ſei doch notwendig magyariſch zu lernen.
Keine oder grobe Antworten auf deutſche Fragen, je nach dem Aeußern des Bittſtellers, erhält man bei ungariſchen Steuerämtern, Eiſenbahnen, Poſtanſtalten, Gerichten, Sicher - heitsanſtalten (Gendarmerie und Polizei) und Notarkanzleien. Alle Kundgebungen dieſer, wie Vorladungen, Krankheitsanzeigen ſelbſt epidemiſchen Charakters, Eiſenbahnfahrpläne n. a., erfolgen im deutſchen Sprachgebiete nur in der unverſtändlichen magyariſchen Sprache, ja auch alle Weg - und ſelbſt War - nungstaſeln bei lebensgefährlichen Stellen.
In nicht wiederzugebenden Ausdrücken werden deutſche Bauern vonſeite magyariſcher Beamten beflegelt, nur weil ſie dieſe „ Welt - ſprache “nicht kennen. Ein Beſchwerderecht ſteht dieſen deshalb nicht zu, da ſie des Magyariſchen nicht mächtig ſind und Be - ſchwerden nur in dieſer Sprache entgegen - genommen werden. So erliegt eine deutſche Beſchwerde über ein Verbrechen vonſeite eines Notares noch heute in St. Gotthardt ohne Erledigung, obgleich die Anzeige von mir vordrei Jahren gemacht wurde. Selbſtverſtändlich amtiert dieſer Herr noch weiter.
Ebenſo verlangt man von den Geſchwo - renen bei Gerichten die Kenntnis der Staats - ſprache in Schrift und Wort. Der nationale Wahnſinn geht ſo weit, dem Angeklagten die Verteidigung in ſeiner Mutterſprache durch erzwungene Verſtändnisloſigkeit indirekt zu verbieten. Es gehört demnach nicht zur Sel - tenheit, daß ganz und gar unſchuldige Menſchen durch dieſe ſeltſame Rechtspflege, deren ſich ſelbſt innerafrikaniſche Völker ſchämen würden, nicht nur der Freiheit für Monate und Jahre beraubt werden.
Dabei iſt die Bildung dieſer Beamten trotz ihrer Univerſitätsſtudien äußerſt kläglich. So wurde ich bei meiner zweiten Verhaftung in St. Gotthardt vom Oberſtuhlrichter bei meiner Angabe, ich fahre mit der Bahn über Oderberg nach Poſen, mit dem Hinweiſe unterbrochen, daß man doch mit dem Schiff von Oderberg nach Poſen reiſen könne.
Auch die Poſt muß für dieſen „ freiheits - liebenden “Staat herhalten. Seltſamer Weiſe kennt ſie kein Preßburg, Oedenburg u. a. und unter Umſtänden ſchickt ſie ſolche Sen - dungen als „ unbeſtellbar “zurück.
Selbſt auf private Anſtalten, wie Ver - ſicherungsgeſellſchaften, Banken u. a. wird der Druck ausgeübt magyariſch zu amtieren, was ja auch in der Regel geſchieht.
Unglaubliches geradezu erlebt man mit der von ungariſchen Wahlen her weltbekannten ungariſchen Gendarmerie, einer Elitetruppe erſten Ranges. Ich ſelbſt hatte das Ver - gnügen, die Intelligenz dieſer Behörde kennen zu lernen. So wurde ich bei meiner erſten Verhaftung im Weißbrunner Komitate gefragt: „ Warum reiſen Sie zum Vergnügen, da das Reiſen doch Geld koſtet? “ „ Warum reiſen Sie in einer ſo böſen Zeit? “uff. Ein köſt - liches Beiſpiel: Die Bürger von Szentmihaly bei Temesvar erhielten auf Anmeldung einer Wählerverſammlung vom Oberſtuhlrichter folgenden Beſcheid: „ Es iſt nicht notwendig, die politiſchen und wirtſchaftlichen Fragenzum Gegenſtande einer Verſammlung zu machen, denn die gegenwärtige Regierung leitet dieſe Angelegenheit in zufriedenſtellender Weiſe. “
Daß durch ſolche Schikanen der von Natur ohnehin ruhige deutſche Bauer gezwungen wird, die ihm in einer unverſtändlichen Sprache aufgebotene Steuer, die widerrechtlich erfolgte Eröffnung eines Briefes, die Verurteilung zu irgend einer Strafe, die Beſchimpfung durch öffentlich angeſtellte Beamte zu ertragen, iſt wohl nur zu leicht erklärlich.
Die verderbliche Tätigkeit auf dem Ge - biete des Volksſchulweſens zeigt zur Genüge folgende Tabelle:
| Jahr | rein magyariſche | magyariſche und deutſche | rein deutſche |
| Schulen in Ungarn | |||
| 1872 | ? | ? | 1810 |
| 1877 | 7024 | ? | 1141 |
| 1879 | ? | ? | 953 |
| 1880 | ? | ? | 867 |
| 1885 | 7753 | 1051 | 701 |
| 1890 | 8649 | 877 | 657 |
| 1895 | 9903 | 797 | 462 |
| 1898 | 10173 | 806 | 387 |
Im Jahre 1905 gab es gegenüber 14.008 magyariſchen Schulen 2142 Schulen der Nationalitäten, obgleich in dieſem Jahre nur 52·9% Kinder magyariſcher Mutterſprache waren.
(Schluß folgt.)
Die im September v. J. gegründete Ortsgruppe Leobersdorf des Vereines „ Südmark “hielt am Don - nerstag, den 9. Jänner, eine Verſammlung im Gaſt - hauſe „ zum ſchwarzen Adler “ab, in welcher der Wanderlehrer des Vereines, Herr Schneider aus Graz, ſprach. Der Erfolg der Verſammlung war ein großartiger. Bauern und Gewerbetreibende, Arbeiter und Beamte, und auch Vertreter der beſitzenden Klaſſe waren vertreten, um den Ausführungen des Redners mit Aufmerkſamkeit zu lauſchen.
Als der Vortragende nach einer ſchwungvoll angelegten Rede von $$\nicefrac{5}{4}$$ ſtündiger Dauer ſchloß, da
ſo liebes Bild! Wer hatte da hineingezeichnet? Helene beugte ſich tief über Käthchen nnd zupfte die Löckchen unter der roten Kappe zurecht, um ihrer tiefen Be - wegung Herr zu werden. Dann reichte ſie Franz von Scholten herzlich die Hand: „ Ich freue mich ſehr, Sie nach langen Jahren wiederzuſehen “und einem plötzlichen Gedankengang folgend: „ Lebt Ihre Mutter noch? “
„ Danke ſehr, Gnädigſte, ſie iſt noch rüſtig “.
„ Sie leben bei ihr? Oder ſind Sie auch ver - heiratet? “
„ Ach nein, weder das eine noch das andere. Ich bin ein alter Junggeſelle und da — Sie verſtehen, Gnädigſte, daß jeder für ſich leben muß. Aber ich ſehe ſie natürlich häufig. Wundere mich nur, daß ich die gnädige Frau ſo lange nicht geſehen habe. Ich bin ſeit vier Jahren hier als Regierungsrat. Es iſt ja angenehm für Mama, mich doch auch in Wien zu wiſſen. Ihre Töchter. Gnädigſte? “
„ Dies und dort und dort — das ſind alle meine Kinder “. Helene ſagte es nicht ohne Mutter - ſtolz, dann aber ſah ſie wieder tiefernſt auf das ſchmale, verlebte Geſicht vor ihr, und ſie dachte an zwei junge Menſchenkinder, die eine alte Frau einſt durchaus trennen wollte und getrennt hatte. Und ſie dachte an die heimlichen Kämpfe ihres jungen, ſtolzen Herzens.
Und nun wußte ſie es ganz genau — es war ganz umſonſt geweſen das Opfer, das ſie einſt ge - bracht, ſeine Mutter hatte ihn wohl viel, viel mehr verloren.
Der Regierungsrat hatte ſich inzwiſchen mit einigen höflichen Phraſen entfernt. Er konnte nicht lange auf einer Stelle ſtehen, ohne kalte Füße zu bekommen, die ihm dann gleich einen unangenehmen Nervenſchmerz bereiteten. Er hatte ihr das Weſen dieſes Schmerzes genau geſchildert und entfernte ſichnun, indem er die Hoffnung ausſprach, die ſo un - vermutet wiedergefundene Jugendfreundin noch öfter hier zu ſehen.
Käthe und Grete beanſpruchten Mutter Helene indeſſen nach Möglichkeit. Die müde gewordenen Beinchen wollten nicht mehr auf den unſicheren Stahl - ſchuhen gleiten. Max und Willi mußten herbeigerufen werden, um die Schweſterchen in einen Stuhlſchlitten zu ſetzen und ſpazieren zu fahren.
Nun war Helene freier und begann ſelbſt in größeren Bogen über das Eis zu kreiſen. Da beob - achtete ſie dann ihren alten Verehrer, der einſt ſo ſchöne Achter mit ihr geübt. Er ſchien ſich auch noch einmal jung fühlen zu wollen, aber das ſchöne Gleichgewicht der Referendarzeit war doch ins Schwanken gekommen. Das Biegen und Wiegen ging nicht ganz ſo kühn wie einſt, und allzu gerade neigte ſich die Geſtalt nach hinten über. Er lief eigentlich bureaukratiſch. Helene erinnerte ſich, daß ſie im Tier - garten oft amuſante Studien an den Reitern ge - trieben. Der eine zuckte am Zügel, als führe er die Feder und ſaß auf dem Sattel wie auf dem Schreib - bock, der andere trat immerfort in die Bügel, als müſſe er Treppen erſteigen, und Helene hatte immer behauptet, es ſei ihr Spezialſtudium, die einzeinen Berufe der Reiter an ihrer Haltung zu erkennen. Hier nun begann ſie unwillkürlich den Regierungs - rat auf ſeine bureaukratiſchen Bewegungen hin zu ſtudieren. Er wiederum, als er ſich beobachtet fühlte, ſetzte mit doppelter Kraft zu prächtigem Bogen ein, aber ach — er ſetzte nicht ein, wie etwa der junge Referendar dort in der Seecke, der ihr wie ein Spiegelbild aus jungen Jahren ſchien, mit leicht ge - neigter Schulterbewegung, ſondern mit jener geraden Haltung, mit der er etwa am Bureautiſche eine Regierungsvorlage zu ſtützen hätte. So folgte denn, eben durch dieſe gerade Haltung, ein kleiner Rück - ſchlag, der ſogleich die ganze Geſtalt ins Wankenbrachte und auf jeden Fall die Glorie des ſtolzen Bogens in einige Zickzackwendungen auflöſte.
Leiſe lächelnd ſetzte nun Helene ihrerſeits zum kräftigen Stoße an — ach, auch dieſer Stoß war uuendlich heftiger als Noras anmutige Bogen, und ihre königliche Frauengeſtalt ſauſte mit ſolcher Wucht und Gewalt über die Seefläche dahin, daß Hans und Walter, die eben an ihr vorbeiliefen, ganz achtungs - voll bemerkten: „ Nun ſieh mal unſere alte Dame an! “ Helene hatte es gerade noch gehört. Nun, vom weiten Bogen zurücklehrend, ſtieß ſie faſt den ihr ent - gegenſteuernden Regierungsrat um, der, durch die einbrechende Dunkelheit an die fernen Zeiten ge - mahnt, die ſie beide hier auf dem neuen See ver - lebt hatten, ein längeres Geſpräch mit ihr anknüpfen wollte.
Ach! Helenes Gedanken waren jetzt mehr bei Nora, die herbeizurufen war — ſie kam mit leuchtenden Augen und brennenden Wangen, roſig und jung — und bei Käthe und Grete, die nicht im Abendnebel ſich erkälten ſollten, bei den Buben, denen der Heim - weg zu früh ſchien. So ſtand ſie im Dämmerlicht zwiſchen ihren blühenden Sieben, und grau und einſam ſchien ihr plötzlich der eine dazuſtehen, der von ihrer Jugendzeit und ſeiner Jugendzeit ſprach.
„ Ja, ja “, ſagte ſie zerſtreut und eilig und drückte ihm im Fortgehen flüchtig die Hand, „ ſo vergehen die Jahre und die Jugend, und auch die Grazie “.
„ Oh, Gnädigſte, ich komme mir noch ganz jung vor, und Sie — “
„ Ganz unverändert “, nickte Helene mit ver - haltenem Lächeln. Im Stillen aber dachte ſie: Gut, daß meine Jugend um mich her lebendig geworden iſt. Und ſo ſchritt ſie mit ihren Kindern heim durch den froſtſtillen Tiergarten.
war nur ein Zeichen des Beifalls, das von allen in gleicher Weiſe dem Redner gebracht wurde. Zur Illuſtration, welche Begeiſterung die Rede entfachte, möge nur das geſagt ſein, daß in wenigen Minuten die in großer Zahl angebotenen Wehrſchutzmarken, Anſichtskarten und Loſe der „ Südmark “vorgriffen waren.
Und ein weiterer Erfolg lag darin, daß ſich an demſelben Abende 31 neue Mitglieder anmeldeten.
Es würde hier zu weit führen, den Aus - führungen Herrn Schneider’s in der Gänze zu folgen und ſeien dieſelben daher in aller Kürze auszugs - weiſe gebracht.
Einleitend betonte Redner, welch ſchwerem Kampfe das deutſche Volk in Oeſterreich ausgeſetzt ſei und daß leider die Staatsmänner den richtigen ſtaats - männiſchen Blick nicht aufgewieſen haben, um dem Volke zu helfen. Ungarn ſei ein Beiſpiel, wie durch eine nationale Politik der Staat auf eine feſte Grund - lage gebracht werde und mit der Zeit eine ſolche Mächtigkeit erlange, um ſchon 40 Jahre nach dem Ausgleich vom Jahre 1867 diktierend ſeine Forde - rungen an Oeſterreich bekanntzugeben.
Schuld daran ſei auch das deutſche Volk ſelbſt. Unſere Eltern und Großeltern verſtanden es wohl, uns wirtſchaftlich zu erziehen, aber dies auch im nationalen Sinne zu tun, vergaßen ſie. Andere Völker haben ſich immer zuſammengeſchloſſen und auf Koſten des Deutſchtums Politik getrieben.
Redner gibt dann an der Hand einiger Daten Aufſchluß über die Steuerleiſtung der Deutſchen und anderer Nationen. So zahlen die Deutſchen pro Kopf an Steuern 123 K, Tſchechen 39, Slovenen 25, Kroaten 17 und Rumänen 8 K, und davon bekommt das deutſche Volk 23% und die anderen Volks - ſtämme 77% zurück.
Einen gemeinſamen Arbeitsplatz zu finden, das ſei die Hauptſache und gegenüber anderen Nationen iſt der Deutſche beiweitem nicht ſo opferwillig. Dies zeigt der Deutſche Schulverein. Trotz ſeiner 26jährigen Arbeit bringt er es zu einer Jahreseinnahme von einer halben Million Kronen, während der tſchechiſche Schulverein mit ſeinen fünf Millionen Tſchechen es über eine Million Kronen bringt.
Redner legte dann den Zweck des Deutſchen Schulvereines und der „ Südmark “klar, betont, die Aufgabe der „ Südmark “ſei hauptſächlich, auch die Familie wirtſchaftlich zu erhalten.
Eine große Aufgabe beſteht in dem Wirken der Schutzvereine und da gibt Vortragender einige Bei - ſpiele, erklärt weiters die Tätigkeit anderer Vereine uns feindlicher Nationalitäten und betont die Not - wendigkeit eines Zuſammenſchließens des Volkes zu einem wirtſchaftlichen Verbande.
Dann beleuchtete Redner die Tätigkeit im letzten Jahre, wo es gelang, die Ortsgruppenzahl von 280 auf 450, die Mitgliederzahl von 28.000 auf 40.000 zu heben, ſchilderte ſein Wirken im Sinne des Ver - eines, zählte die Erfolge auf, die die Südmark bereits in reichlichem Maße erzielte und gab auch Proben von der Tätigkeit einzelner Ortsgruppen ab.
Zum Schluſſe gibt Herr Schneider noch einige Daten der gewährten Unterſtützungen an Kleinbauern in ſprachlich bedrohten Gegenden zur Kenntnis der Verſammlung und betont, es ſei notwendig, dem Bauer die Möglichkeit zu bieten, ſeßhaft zu bleiben, denn dadurch erhalten wir uns die deutſche Kraft. 94.000 K ſind im letzten Jahre für Grundkäufe aus - gegeben worden, um deutſchen Boden den Deutſchen zu erhalten und auch für Gewerbetreibende wurden 37.000 K niedergelegt.
Freilich iſt das nicht viel, aber mehr könnte es werden, wenn es gelingen würde, weitere Kreiſe zu gewinnen, zu begeiſtern für die heilige nationale Sache, ſeinen Brüdern beizuſtehen im bedrohten Land, ihnen nur ein kleines Schärflein zu opfern von unſeren täglichen Ausgaben.
Wenn nur 10% jener, welche deutſch ſind und ſich deutſch nennen, beitragen zu den Mitteln des Vereines und dieſe Einnahmen nur 20 Jahre wirken an der Sprachgrenze, ſo würde man ſtaunen, welch’ große Erfolge damit erzielt würden.
Es iſt unſere Pflicht, das, was unſere Väter aufgebaut haben, nicht ſinken zu laſſen und müſſen helfen, daß die deutſche Kulturarbeit weiter ausge - baut wird.
Mit dem Zitate F. Dahn’s ſchloß der Vor - tragende ſeinen von allen Seiten beifälligſt aufge - nommenen Vortrag:
Wie bereits gemeldet, findet heute Mittwoch eine Sitzung der Kurkommiſſion ſtatt, die ſich hauptſächlich mit der Beratung des Präliminares 1908 befaſſen wird.
Einer ſoeben veröffentlichten Zuſammen - ſtellung entnehmen wir folgende intereſſante Daten über die Frequenz in den vier letzten Jahren. Dar - nach gingen an Kur - und Muſiktoxe ein:
| bei einer Parteien | Frequenz von Perſonen | ||
| 1904 | K 123. 760·50 | 7746 | 28.038 |
| 1905 | „ 131. 130·20 | 8481 | 29.349 |
| 1906 | „ 144. 192· — | 9218 | 30.450 |
| 1907 | „ 154·656. 60 | 10.396 | 30.528 |
Zu der unter dieſem Schlagworte enthaltenen Notiz in unſerer letzten Nummer erhalten wir von Herrn Architekten W. Lukſch nachſtehendes Schreiben: „ Nachdem die in Nummer 4 der „ Badener Zeitung “vom 11. d. M. erſchienene Notiz „ Zum Neubau des Herzoghofes “nicht den Tatſachen entſpricht, erſuche ich um Auf - nahme der Richtigſtellung dahin, daß vonſeiten des Stadtvorſtandes Baden tatſächlich eine Konkurrenz unter vier Architekten abgehalten wurde und daß mir erſt auf Grund dieſer Konkurenz der Auftrag erteilt wurde, ein Projekt auszuarbeiten. Unrichtig iſt auch die weitere Bemerkung, daß die in Ausſichtſtellung der Koſtenloſigkeit der Pläne für den Fall, als ich die Ausführung erhalte, den Gemeindeausſchuß vor eine vollendete Tatſache ſtellt, da mir ausdrücklich und in ſchriftlicher Form ein Honorar für dieſe Arbeit zugeſichert wurde. Achtungsvoll Architekt W. Lukſch “. Wir erlauben uns hiezu zu bemerken, daß es uns nicht im mindeſten eingefallen iſt, Herrn Architekten W. Lukſch irgendwie nahezutreten. Wir geben ja gerne zu, daß wir in Hinſicht der Hono - rierung für die Planausarbeitung ſchlecht unterrichtet waren, was übrigens bei der kommunalen Geheimnis - krämerei nicht wundernehmen darf; im übrigen aber beſtätigt dieſe Berichtigung nur unſeren Bericht, denn wenn zur Planverfaſſung nur 4 Architekten einge - laden wurden, dann kann dies keineswegs „ ein allgemein üblicher Vorgang im Kon - kurrenzwege “genannt werden. Darunter kann doch nur eine allgemeine und öffentliche Ausſchreibung verſtanden ſein. Und dagegen wendet ſich der Schreiber dieſer Zeilen und nur deshalb wurde dieſe Notiz geſchrieben.
erhalten wir folgende Zuſchrift: „ Ueber Großbeleuchtung hat ſich Baden, zumal im Winter, da wir, wie ge - bührlich, von 4 Uhr nachmittags bis 8 Uhr früh Nacht haben, nicht zu beklagen. Schon die Palffy - gaſſe zeichnet ſich durch nächtlichen Lichtmangel aus, wenn nicht der Vollmond im Zenith ſteht, mehr noch die Annagaſſe, die man mit elektriſchen Taſchen - lichtern durchwandern muß, ſobald die zehnte Nacht - ſtunde geſchlagen hat. Wenn ſo ein Lampenaustilger einen „ Nachzehnling “ſieht, denkt er ſich gewiß: „ Wart’, dir dreh’ ich das Licht vor der Naſe ab! “ Nun ja, er muß es tun, weil es ihm befohlen iſt. Das iſt ja ſein Brot! Das kann manchen ärgern; aber er iſt noch immer beſſer daren, als die Steuer - und Umlagenzahler der Stadtperipherie. Je weiter vom Mittelpunkte, deſto geringer die Beleuchtung! Und es ſollte doch umgekehrt ſein. Die „ innere Stadt “beleuchtet ſich ſelbſt; denn in ihr wohnen die erleuch - tetſten Köpfe! Aber ſehe man ſich jetzt, im Winter, die verlängerte Germergaſſe an. Dieſer Schmerzens - ausbund der Bewohner ſcheint — ach, ſcheinen kann ſie nicht — die Gaſſe, ſie iſt tatſächlich den Gemeinderichtern ſchnuppe. Da ſtehen noch drei La - ternen, an die man die Sorgloſigkeit aufknüpfen könnte! Weiter hinaus aber, wo der Pfaffſtätter „ Hotter “beginnt, findet man bei Tage einen Lampen - ſtänder — ohne Lampe, ſonſt nichts! Wir meinen, gerade an den Gemarkungen einer Stadt von der beanſpruchten Bedeutung Badens ſollte jedem Fremden auch bei dunkler Nachtzeit geleuchtet werden, damit er ſofort die Ueberzeugung gewinne: „ Ich nähere mich einem modernen Weltkurorte “. Das iſt leider nicht der Fall und alle Klagen, die aus dieſer be - dauernswerten Gegend kommen, ſind vergebens. Den Bewohnern dieſer langgeſtreckten Straßenanlage iſt noch nie das Unglück paſſiert, einem entſcheidenden „ Organe “der ſteuerheiſchenden Gemeinde zu be -gegnen. Doch nun heraus! Regelt die Straße und ſchafft Gehwege, beleuchtet ſie anſtändig, denn wahr - lich, dieſe geduldigen Badener Koloniſten haben jetzt ſchon regelmäßig um 4 — 5 Uhr abends Nacht! Sind ſie ſo viel Parallelkreiſe „ nördlich “der Stadt, da ſie ſich doch bemühen, öſtlich zu ſein? “
In der Montag nachmittags ſtattgefundenen Generalverſammlung des Badener Trabrennvereines wurde nach einem Antrage des Hoteliers Herrn Sukfüll namens des Aktionskomitees eine jähr - liche Subvention im Beirage von 7500 K für den geplanten Theaterbau beſchloſſen, falls das Rein - erträgnis nicht unter 20.000 K ſinkt. Durch dieſe glückliche Form dieſer Widmung war es auch möglich geworden, die in der Verſammlung zahlreich an - weſenden Wiener Rennſtallbeſitzer ꝛc. für den Antrag zu gewinnen, ſo daß derſelbe einſtimmig angenommen wurde. Der Gedanke, einen einmaligen größeren Betrag dem Vereinsvermögen zu entnehmen, wäre unzweifelhaft auf ſtarken Widerſtand gerade letzterer Gruppe geſtoßen. Schließlich iſt es ja nicht ausge - ſchloſſen, daß die Subventionsfriſt nach Ablauf von zehn Jahren erweitert wird.
Vom Stadtvorſtand Baden wird bekanntgegeben, daß mehrere Stiftungsbeträge per 60 K aus der Johanna Seyff - Stiftung an verarmte chriſtliche kleine Geſchäftsleute ohne Unterſchied der Nationalität und des Geſchlechtes, welche in Baden anſäſſig ſind, verteilt werden. Un - geſtempelte, mit Nachweiſen belegte Anſuchen ſind beim unterfertigten Stadivorſtande bis längſtens 1. Februar 1908 einzubringen.
Der Schriftſteller Paul Tauſig hat ſeit 1. d. M. wieder in Baden für ſtändig Wohnung genommen.
Vergangen Freitag ſtarb hier Frau Marie Oktavie Schneider geb. Marſchall im 80. Lebensjahre. Die Verſtorbene wirkte noch vor Jahren als Lehrerin der franzöſiſchen Sprache und war eine durch ihre oft uneigennützige Tätigkeit in weiteſten Kreiſen bekannte Dame.
Wie wir kurz vor Schluß des Blattes aus ſicherer Quelle erfahren, iſt ziemliche Ausſicht vorhanden, daß Kapellmeiſter Wiesmann, vielleicht nach zu Ende dieſes Monats, als Kapellmeiſter im Stadttheater einziehen wird. Es iſt aber auch ſchon die höchſte Zeit, daß eine Aenderung in der muſikaliſchen Leitung eintritt.
Auf dem Abhange des Wolfsberg - kogels, der ſich durch beſonders milde und würzige Luft auszeichnet, wird gegenwärtig ein Projekt ver - wirklicht, von dem ſchon lang die Rede iſt. Es iſt dies der Bau einer neuen Kuranſtalt in großem Stile. Die Pläne des Baues, der ſchon in Angriff genommen wurde, ſtammen von den Architekten Kraus & Tölk (der erſtere der Verfaſſer des Planes unſerer Arena, letzterer, ein Badener, der Verfaſſer des Planes unſerer Heilanſtalt) und als Chefarzt und Geſchäfts - führer der Anſtalt wird Primarius Hanſy (der ehemalige Primarius des hieſigen Rath’ſchen Spitales) fungieren. Durch den Bau dieſer neuen Kuranſtalt wird unzweifelhaft eine weitere Anziehungskraft des Semmerings geſchaffen.
von dem wir in unſerer letzten Nummer berichteten, beſchäftigt gegenwärtig unſeren Gemeindeausſchuß, der Montag eine Beſichtigung des Territoriums — die ſogenannte Stierwieſe nächſt des Haidhofes — vornahm. Auf demſelben iſt vorerſt von dem Unternehmer, einem Wiener Zimmermeiſter, mit Hilfe fremden Kapitals die Errichtung von 30 Villengeplant, die ſich ſämtlich um eine hübſche Parkanlage gruppieren ſollen. Gas und Waſſer ſollen von derzuſtändigen Gemeinde Baden ge - liefert werden, da das Gebiet, zirka 28 Joch, noch in den Gemeinderayoneiuſchlägt. Zeigt ſich die Proſperität des Unternehmens, dann ſoll dasſelbe allmählich erweitert werden. Insgeſammt iſt die Erbauung von 165 Villen geplant, die dann auch durch eine Lokalbahn mit dem Kottingbrunner Rennplatz und mit Baden verbunden werdenſollen.
Hatten wir eine Freude, als am Freitag nachmittags ſchneien zu wollen ſchien! Aber gegen Abend heiterte ſich der Himmel aus, der Samstag brachte nichts beſonderes und der Sonntag war ein ſonnenheller Tag. Am Vormittage ſandte die Sonne ihre wärmſten Winterſtrahlen hernieder5Nr. 5. Mittwoch Badener Zeitung. 15. Jänner 1908. und wer in die Höhen ſtrebte, mußte die Winter - kleider lüften. Die ſonnenſtrahlreichen Stunden von 9 Uhr früh bis 3 und 4 Uhr nachmittags lockten viele Leute ins Freie und auf unſere auch im Winter lieblichen Höhen. Sogar Rodlern aus Wien konnte man die Enttäuſchung, daß ſie keinen Schnee fanden, vom Geſichte ableſen, aber ſie erklärten offen, daß ſie auch ſo in der herrlichen ſtaub - und rauch - freien Gegend großen Genuß hatten! Es war aber auch wirklich ein ausnehmend ſchöner Tag und wer dieſe herrlichen Stunden im Freien vollbracht hat, wird ſeine Freude gehabt haben und kann ſicher ſein, daß ihm die Influenza nichts anhaben kann! Der Montag war ein klaſſiſch ſchöner Tag, nicht wegen des Mondes, der mit halber Scheibe nach Sonnenunter - gang ſchon ziemlich hoch erſchien, ſondern wegen der Strahlenfülle und wegen des ſchönen Unterganges der Sonne! Wie eine orangefarbene Scheibe ſank ſie um 4 Uhr hinter den Lindkogel, um im Nachſchein den ganzen Himmel zu verklären. Der Nebel, der ſich erhoben hatte, war von ½5 bis ¾5 im Weſten (eigentlich WSW) dunkelroſenrot, im Zenith blaßgelb - lichrot, im Oſten ſchwach roſenrot bis violett, eine Färbung, die man weder mit Worten ſchildern, noch mit Farben feſthalten könnte! Und darauf folgte eine ſternenklare, mondbeleuchtete Nacht — und ein heller, nur bodennebliger Dienstagsmorgen folgte dieſer klaren Winternacht, keine Hoffnung auf baldigen Schnee bietend.
Die Sektion Baden, des Oe. -T .. K. feierte vergange - nen Samstag ihr 25jähriges Beſtandsjubiläum. Der Saal des Hotels Bruſatti fühlte ſich mit Mitgliedern und Gäſten und der Herr Obmann Prof. Juſt be - grüßte die anweſenden Damen und Herren (Dr. Trenner, die Jubilanten, Pfarrer Frim, den Abgeſandten der Zentrale uſw. ) mit einer naturfreudigen Rede, worauf er die Namen derjenigen Mitglieder nannte, die 25 Jahre der Sektion treu anhängen und denen von der Zentrale durch deren Vertreter nach einer ſchönen Anſprache zum Andenken ſilberne Jubel - ringe übergeben wurden. Es ſind dies die Herren: Baron Laſſer, Apotheker von Grimburg, Zinober sen. und Kriſchke (die letzteren zwei krankheitshalber abweſend). In der darauffolgenden gediegenen, formvollendeten und inhaltsreichen Dank - rede betonte Herr Baron Laſſer unter anderm die veredelnde Wirkung der Bergliebe und die kulturverbreitende Macht der Touriſtik und verſpricht in ſeinem und im Namen ſeines Jubelkollegen von Grimburg, auch weiterhin treu zur Sektion halten zu wollen. Da nun die Zeit vorgeſchritten war, trat Herr Direktor Pojmann aus Sarajevo-Ilidze an den Vorleſetiſch, die Herren Schieſtl und Wagen - hofer ſtellten ſich zum Projektionsapparat und zeig - ten uns vor allem ein wohlgetroffenes Porträt des Herrn Prof. Juſt, das mit Jubel und Applaus be - grüßt wurde. Der Vortrag berührte zunächſt die Tätigkeit der Regierung im Okkupationsgebiete im allgemeinen, dann das Hotelweſen, deſſen Inſpektorat eben der Vortragende hat und all die Verbeſſerungen, die Bahn - und Straßenbauten, die die Länder mit einem weiten und dichten Netze von Kommunikations - wegen durchziehen. Der Vortragende ging nun auf die Naturſchönheiten dieſer Balkanländer über und führte den Hörern in prächtigen, fa[r]bigen Lichtbil - dern zunächſt die Route Banjaluka nach Sarajevo vor, von denen beſonders die alte Stadt Jajce mit den Plitvaſchluchten und den Plitvica-Seen viel Beifall fanden. Auch Sarajevo mit ſeinen orientaliſchen und den modernen Bauten, den prächtigen Straßen - bildern intereſſierte ſehr. Und nun erſt die Eiſenbahn - und Straßenanlagen im ſüdöſtlichen Bosnien bis an die ſerbiſche und an die Grenze von Novibazar! Schreiber dieſes hatte während der erſten Okkupations - zeit dieſe Gegenden wiederholt durchwandert und in dieſem Blatte ausführlich geſchildert. Eine ganze Reihe der herrlichſten Bilder zogen an uns vorüber und dem Berichterſtatter erzitterte das Herz, als er dieſe einſt ſo ſchrecklich-wilden und ſchauerlich-intereſſanten Gegenden der weſtlichen Kultur wiedergegeben ſah. Denn das Land beſaß einſt, vor Ankunft der Römer eine hohe Kultur; davon findet man überall Spuren. Erſt ſeit dem Einfalle der Osmanen wurde es zum großen Teile zur Wilduis. In der zweiten Abteilung ſehen wir noch einige Teile von Sarajevo, ſodann das Schwefelbad Ilidže, die Eiſenbahn bis Moſtar mit den Darſtellungen der gewaltigen Steinkoloſſe. Moſtar intereſſierte beſonders durch die gewaltige, einbogige Narentabrücke und die türkiſchen Bauten. Hernach treten wir bei Gabela auf dalmatiniſchen Boden und ſehen Gravoſa, Raguſa, die Boccche mit Cattaro, um dann nach Cetinje in Montenegro unſern Blick zu werfen. Intereſſant und packend waren inder dritten Abteilung die Bilder aus dem Volksleben des Okkupationsgebietes und die Vorführung der prächtigen Koſtüme der ſüdlichen Schönheiten, ſowohl die Trägerinnen mit den träumeriſchen Augen und edlen Geſtalten, als auch die Bekleidung ſelbſt. Lauter Befall lohnte den Vortragenden, der ſeine trefflichen Beſchreibungen und Bilder mit feinen Witzen zu würzen verſtand.
Es war vom zweiten Drittel ſeiner Zeitdauer an ziemlich gut beſucht und es herrſchte große Konverſationsluſt nicht bloß während der Pauſen, ſondern auch — leider! während der Aufführungen. Beſonderes gab es nichts, außer daß Herr J. Weiß von der Wiener Volks - oper ſeine Kunſt im Piſtonblaſen brillieren ließ. Mit der ſtaunenswerten und ſicheren Behandlung des ſchwierigen Inſtrumentes, mit den ſchillernden Modu - lationen, die er dieſem entlockte, feſſelte er die Hörer. Es war ein Kabinettsſtück halbungariſcher Muſik, das von den Hörern mit großer Anerkennung aufgenommen wurde. Für die freundliche Zugabe wurde dem Vir - tuoſen reichſter Beifall zuteil. Aber noch ein Herr zeichnete ſich mit ſeinem vorzüglichen Blaſen aus, das war Herr Tanzler, den wir neulich ob ſeines Poſaunenſolos zu loben uns verpflichtet fühlten und zwar in der Oper Lortzings „ Der Waffenſchmied “, aus der er beſonders die Arie gefühlvoll und künſt - leriſch trefflich vortrug. Dem Schrammelquartette, das für den großen Raum doch etwas ſchwach klang, wurde für ſeine redliche Bemühung auch redliches Lob geſpendet. Was wir hierin beſonders hervorheben wollen, war das feine Harmonikaſpiel des Herrn Olbricht, das eigentlich dem Ganzen eine annehm - bahre Fülle gab, vielleicht noch etwas zu diskret! Herr Wilhelm Bednarz ſtellte ſich mit ſeinem Potpourri „ Wiener Mode “ein, nachdem wir ſchon in der erſten Nummer „ Wildſchützen-Marſch “ſeine Orcheſtrierung lobend zur Kenntnis genommen hatten! Zwölf Promenade-Konzerte haben wir noch bis April vor uns. Mögen ſie uns ſtets mit den Schätzen aus dem reichen Borne der deutſchen Muſik erfreuen, ohne auf die Blüten der andersvölkiſchen muſikaliſchen Erzeugniſſe — denn ſchließlich iſt die Kunſt doch international — verzichten oder vergeſſen zu wollen!
Die wintermäßige Jän - nerkälte hat uns zwar wenig Schnee, aber viel ſtarkes, ſchönes Eis gebracht, ſo daß ſich alle Eisgrubenbe - ſitzer mit dem beſten Materiale verſorgen können. Und es wird tüchtig gearbeitet! Man ſieht tagsüber und ſah auch bei Nacht einen Eiswagen nach dem anderen durch die Straßen der Stadt fahren und ſeine kriſtallene Laſt in die unterirdiſchen Keller ab - geben. Derbe, abgehärtete Geſtalten beſorgen das Auf - und Abladen der Eisblöcke, daß man ihre Ausdauer wahrhaft bewundern muß. Doch bei dem Haſten, ſo viel „ Fuhren “als möglich zu machen, leiden die Zugtiere viel Ungemach! Mit dem gemütlichen Zu - ſpruche: „ Abends kriegts ſchon Futter “, iſt ihrer bittern Not nicht genüge getan! Wer kümmert ſich um das arme Getier?
zieht immer weitere Kreiſe. Vergangenen Samstag wurden noch der Taglöhner Karl Blam und der Stadtgartenarbeiter Siegmund verhaftet, die dringend verdächtig erſcheinen, an dem Treiben der Brüder Sticher teilgenommen oder doch zu - mindeſtens davon gewußt[z]u haben. In der Wohnung eines der Brüder Sticher wurde vergangenen Montag eine neuerliche Hausdurchſuchung vorge - nommen, die ziemlich lange andauerte und umfang - reiches Material zutage förderte. Sie lieferte den Beweis, daß der Wilddiebſtahl ſchon durch lange Zeit hindurch ſyſtematiſch von einer ganzen Geſell - ſchaft betrieben worden ſein mußte. — Vonſeite einer Nachbarin Sticher’s, der Frau Kaſiovsky, werden wir erſucht mitzuteilen, daß die von uns gemeldete Hausdurchſuchung nicht bei ihr, der nächſten Nachbarin, vorgenommen wurde, ſondern in einer Gaſſe nebenan, was wir hiemit richtigſtellen.
Dienstag, den 7. d. M., fand auf der Gemeindewieſe nächſt der Leesdorfer Schießſtätte eine vom Stadtbau - amte Baden und der Primus-Unternehmung, Wien I. Naglergaſſe 21, arrangierte Feuerlöſchprobe ſtatt, wobei die Anwendung und die Wirkung der modernſten Handlöſch-Apparate Marke „ Kupfer-Primus “gezeigt wurde. Dieſe nach jeder Richtung hin interreſſante Löſchprobe verlief ſehr befriedigend und gab beſonders den zahlreichen anweſenden Fachleuten Gelegenheit, einen wirklich guten, vorzüglich aus Kupfer gearbeiteten und unbedingt verläßlichen Handlöſch-Apparat kennen zu lernen, was umſo wichtiger iſt, als gerade in letzter Zeit zahlreiche Brände die Notwendig - keit eines guten Exſtinkteurs erwieſen haben. Gelöſchtwurden drei große Brandobjekte und ein brennendes Theerfeld mit größter Leichtigkeit binnen wenigen Minuten und überraſchte allgemein die rapide Löſch - wirkung der Primus-Apparate. Es kann daher im Intereſſe der Allgemeinheit und der Induſtrie die An - ſchaffung derartiger moderner Löſch-Apparate aus Kupfer nicht genug empfohlen werden.
Für Sonntag, den 1. Februar, iſt ein Eiskoſtümfeſt auf dem Eislaufplatze im Freiherr von Doblhoff’ſchen Parke geplant. Das - ſelbe ſoll in der Zeit von 3 — 9 Uhr abends ſtattfinden.
Der in Vöslau geborene und dahin zuſtändige Johann Rath wurde mit Er - kenntnis der Bezirkshauptmannſchaft vom 19. De - zember v. J. für immer aus dem Kurrayon Baden abgeſchafft.
Der Kutſcher Heinrich Skallak, der am 12. d. M. mit ſeinem Fuhrwerk nach Wien fahren wollte, mußte ſich früh morgens hier in Spitalspflege begeben, denn er hatte ſich beide Füße vollſtändig erfroren.
Der in Mödling bedienſtete und dort wohnhafte Tiſchlergehilfe J. K., der auf der Fahrt von Mödling nach Baden begriffen war, ſtürzte am 12. d. M., gegen 10 Uhr abends, zwiſchen Mödling und Guntramsdorf von der Platt - form des Zuges herunter und verletzte ſich ſehr ſchwer. Der Verletzte wurde nach der erſten Hilfeleiſtung nach Baden gebracht und in das Rath’ſche Spital über - führt.
In der Station Bluman der dortigen Militärſchleppbahn ſtieß vergangenen Mon - tag eine Lokomotive mit mehreren mit Arbeitern be - ſetzten Waggons zuſammen, infolgedeſſen letztere er - heblich beſchädigt wurden. Die Arbeiter blieben un - verletzt. Der durch falſche Weichenſtellung verurſachte Zuſammenſtoß richtete einen Materialſchaden von ungefähr 1000 K an.
Ausweis pro Dezember 1907. Empfänge: Kr. 1,034. 957·36; Ausgaben: Kr. 883. 377·42; Ein - lagen: 526. 966·31; Rückzahlungen: Kr. 595. 387·73. Vorſchuß-Rückzahlungen: Kr. 155. 097·17; erteilte Vorſchüſſe: Kr. 173. 148·68. Pfandleih-Anſtalt: Vor - ſchuß-Rückzahlungen: Kr. 22. 113· —; erteilte Vor - ſchüſſe: Kr. 23. 203· —.
in Oeſterreich-Ungarn eine neue Induſtrie geſchaffen und gleichzeitig dem Bedürfnis nach einem neutralen, geſunden und wohl - ſchmeckenden Speiſefett abgeholfen zu haben, gebührt den Kunerolwerken Wien, deren Erzeugnis „ Kunerol “, ein garantiert reines Pflanzenfett, in den letzten zehn Jahren zu einem beliebten Volksnahrungsmittel wurde. In den Kunerolwerken wird ausſchließlich reines Pflanzenfett aus Kokosnüſſen erzeugt. Seit einiger Zeit betreiben auch Seifen - und Kerzenfabriken die Erzeugung von Pflanzenfett; vor minderwertigen Nachahmungen muß daher dringend gewarnt werden.
= Man möchte kaum glauben, mit welcher Sehnſucht reichlicher Schneefall erwartet wird. Zumal von denjenigen, die ſich davon erfriſchende Winter - freuden verſprechen. Am Samstag ſchon kamen aus Wien zahlreiche Anfragen, ob die Rodelbahnen brauch - bar ſeien und trotz der troſtloſen Antwort, daß wir keine genügende Schneemenge haben, kamen am Sonntag zahlreiche Gäſte, die ſich die Bahnen auf dem Hügel anſehen wollten und die ſchon ihre Rodeln mitbrachten, um ſie günſtigenfalls zu benützen. Wir hörten morgens, daß gerodelt werde und ſtiegen zur Höhe, um uns die kaum glaubliche Sache anzuſehen. Aber von dieſem Sporte gab es keine Spur auf unſeren Höhen. Die neue Langſchlittenbahn, die vom Hühnerberg geht, wurde von vielen in Augenſchein genommen und man erkundigte ſich eifrigſt, wie es mit dem „ Bobfahren “beſtellt ſein werde. Man kann detaillierte Auskünfte nicht erteilen, weil die Bahnfahrt ja praktiſch noch nicht erprobt iſt. Doch eines beklagten die Fremden vor allem: daß es verlautet, die Bobsleighbahn wäre an Sonntagen den Rodlern freigegeben, alſo für die Großſchlitten ausgeſchaltet. Viele hätten doch nur Sonntags Zeit, ſich dieſes Vergnügen gönnen zu können. Wir glauben auch, daß für die Rodler die beſtehenden Bahnen, die ja ſo ſchön hergeſtellt worden ſind, genügen ſollten, während die lange Bahn, die mit großen Koſten hergerichtet worden iſt, beſonders an Sonntagen den meiſten Ertrag zur Deckung der Auslagen verſpricht. Wir haben mehrere Meinungs - äußerungen gehört, die faſt alle dahin gehn, daß die neue, für die Langſchlitten hergeſtellte Bahn auch nur6Mittwoch Badener Zeitung 15. Jänner 1908. Nr. 5. dieſem Zwecke erhalten werde. „ Bob bleibe Bob “ſagte ein Herr „ auch und beſonders Sonntags “. Es iſt uns noch zu Ohren gekommen, daß ſich einige junge Herren von Baden zuſammentun wollen, ſich eigene Bobs anzuſchaffen. Wie wird es dann mit deren Verwendung ſein? Es wäre von Vorteil, wenn der „ Bobsleigh-Verein “darüber und über die Ver - rechnung der Bahnbenützung im voraus ein Normale veröffentlichte. Wenn einmal der erwünſchte Schnee da iſt, müßte ſchon alles ſunktionieren. Wir wollen jeden Rat und jede Vorverfügung im Intereſſe der Stadt und der Gäſte gern allen zur Kenntnis bringen.
Die Eisbahnen im Doblhoffpark und auf dem Sportplatze erfreuen ſich, da ja andere Wintervergnügungen im Freien fehlen, großen Zuſpruches. Es iſt ein lebhaftes Treiben, das man da zu ſehen bekommt. Herrlich iſt es am erſtern Eislaufplatze, wo die hohen, jetzt zwar kahlen Baum - wipfel herniederſchauen, belebt von hurtigen Meiſen und aſtklopfenden Buntſpechten. Auch der Sportplatz könnte ſchon einen beträchtlichen Weiden - und Erlen - ſchmuck an ſeinen Rändern haben; aber der Raum für den E’slauf müßte denn doch etwas ausgedehnter ſein, da wir ja Ueberfallswäſſer genug hätten, um ihn im Winter auf zwei Dezimeter Höhe — mehr iſt nicht nötig — mit eistragender Waſſermenge zu verſehen, dann gäbe es ein freies Schleifleben ſtatt des jetzigen Gedränges. Doch alles ſcheint dem Mikro - kosmos zu huldigen, wie es auf dem Seeroſenteiche bei der Bienenburg geſchieht.
Sonntag war die Bahn gut frequentiert. Die neuen Abböſchungen wurden als ſehr zweckmäßig gefunden und es ent - wickelte ſich eine fröhliche Rodelei. Einige Stürze waren wohl zu vermerken, doch verlief der Tag ohne Störung. Die Schneeverhältniſſe wurden durch den ſtarken Wind der letzten Tage ſtark beeinträchtigt. Die Bahn iſt nur ſtellenweiſe fahrbar. Ein Skeletonfahrer brachte eine intereſſante Abwechslung in den Sport - betrieb, der bis in die Abendſtunden währte.
werden, ſofern uns davon Mitteilung gemacht wird, unentgeltlich veröffentlicht. (Verſchieben oder gänzliches Abſagen bitten wir in unſerer Redaktion anzuzeigen.)
Am 12. v. M. hielt der Rechnungsführer des Poſtſparkaſſenamtes in Wien, Herr Vcelar, in der hieſigen Sektion des Oeſterr. Touriſtenklubs einen Vortrag unter dem Titel „ Reiſen auf alten und auf neuen öſterreichiſchen Alpenbahnen “. Er beſchrieb in feſſelnder Weiſe die verſchiedenen Schienenſtränge in den nördlichen Alpen und ſchilderte in einer Weiſe, die den großen Natur - freund erkennen ließen, die an denſelben gelegenen Naturſchö[n]heiten. Die von ihm ſelbſt angefertigtenDiapoſitiven wurden von allen anweſenden Amateuren geradezu als muſterhaft bezeichnet und von Herrn v. Sperl mit ſeinem vorzüglichen Apparate mit bekannter Sicherheit auf die Leinwand gebracht. Der Dank, den der Vorſtand der Sektion, Herr Profeſſor Juſt, dieſen beiden Herren am Schluſſe des Vor - trages ausſprach, war daher auch ein wohlverdienter, was auch die Anweſenden durch ihren lebhaften Applaus beſtätigten.
Die von einer Gebührenhoch - flut bedrohte Einwohnerſchaft hat der Gefahr durch ihre energiſche Abwehr raſch einen Damm geſetzt. Die Vorlage iſt bereits, wenigſtens in der urſprünglichen Form, zu Waſſer geworden. Es iſt klar, daß eine von allen möglichen Geſichtspunkten eminent wichtige Angelegenheit wie die Waſſerfrage, einer entſprechen - den Durchführung bedarf, ſelbſt auf die Gefahr hin, daß dabei manche Sonderwünſche unberückſichtigt bleiben. Ungerecht und noch mehr als das wäre es aber, mit dieſer Kardinalfrage Gemeindegeſchäfte anderer Art zu verquicken, welche weniger auf allgemeine Zuſtim - mung rechnen können. Und dieſer Vorwurf wurde deutlich erhoben. In der letzten Ausſchußſitzung hat der Bürgermeiſter den Rückzug verkündet. Wird ihm gewiß weniger ſchaden als mancher glauben könnte. Speziell einer objektiven Beurteilung kann, gegenüber der Bedeutung der allgemeinen Intereſſen, das Da - nebengreifen einer einzelnen Perſon keinen nachhaltigen Eindruck verurſachen. Es iſt uns daher nicht um die Konſtatierung einer Niederlage zu tun, ſondern um Feſtſtellung der weit wichtigeren Tatſache, daß die Proteſtkundgebung die ärgſten Ungehörigkeiten aus - merzte. Der Geſetzentwurf erfährt die bedeutungsvolle Aenderung, daß die Gartenflächen keine Baſis für die Berechnung der Waſſergebühren abzugeben hätten. Gärten oder Beete mit Trinkwaſſer beſpritzen zu müſſen, nur um erhöhte Gebühren bezahlen zu ſollen, das iſt wohl das ſtärkſte, was an Gebührenſchinderei geleiſtet werden kann. Bei der ſorgfältigen Abſchätzung hat man bisher ſcheinbar anf jene Hausbeſitzer ver - geſſen, die Kneippianer ſind. Das wäre vielleicht auch ein Weg, den Ausfall der Gartenparzellen teilweiſe wieder zu decken. Der angekündigten Ab[ä]nderung werden immerhin noch manche Schwierigkeiten in den Weg kommen, aber ſicherlich wird ſich eher reden laſſen. Und das iſt einſtweilen genug. Das iſts, was uns an der Waſſerfrage intereſſtert hat. Und wenn der politiſche Charakter der letzten Verſammlung der Gemeindevertretung beſonderer Betonung im Referate wert erſchien, ſo iſt das nur ein Verſuch, über die allgemeine Mißbilligung der Vorlage ſich zu täuſchen. Wir haben es wiederholt ausgeſprochen, daß uns die Geſchäfte der einzelnen nichts kümmern ſollen, ſolange kein öffentlicher Mißſtand damit verknüpft iſt. Wir betrachten es als gegenſtandslos, ſich für die Geheimniſſe des Grundbuches den dortigen Unterſchied zwiſchen einſt und jetzt ſich zu intereſſieren. Das wäre politiſche Gehäſſigkeit. Aber eine einhellige Zurück - weiſung ſchädlicher Finanzoperationen können wir beim beſten Willen nicht als politiſche Gegnerſchaft anſehen.
Der Ann[i]n[g]e[r]- Rodelverein hielt am 9. d. M. eine außerordentliche Generalverſammlung ab, welche unter keinem guten Stern ſtand. Ein Formfehler in der Einladung machte die Beſchlußfaſſung über den wichtigſten Programm - punkt, die Statutenänderung, unmöglich. Es waren mehr als 200 Perſonen anweſend, die den Rechen - ſchaftsbericht des Präſidenten, Herrn Rittmeiſters Fribſch, zur Kenntnis nahmen, den Kaſſenbericht debattenlos genehmigten und den Arbeiten auf der Bahn ihre Zuſtimmung erteilten, aber ein von HerrnWendl erhobener Proteſt gegen die Giltigkeit der Tagung machte aller erwartungsvollen Spannung ein Ende. Der Ausſchuß wird eine neue Generalverſamm - lung einberufen, da die Statuten als ſehr ver - beſſerungsfähig erkannt werden.
Die hier anſäſſige Frau Anna Schmidl wurde durch die Inſolvenz des Gutenſteiner Spänglermeiſters Johann Nowotny um einen Betrag von zirka 14.000 K, welchen ſie demſelben gegen grundbücher - liche Einverleibung bar geliehen hatte, gebracht. Ob dieſes beträchtlichen Verluſtes gegen Nowotny erboſt, ſucht ſie denſelben durch fortwährende, ſelbſtredeud ergebnisloſe Exekutionen in ſeinem Fortkommen zu ſchädigen und ſchrieb ihm offene Karten ehren - rührigen Inhaltes. Obzwar ſchon einmal wegen dieſer öffentlichen Schmähung von Nowotny wegen Ehren - beleidigung geklagt, ſtellte ſie dieſe Art, ihre Schuldner zur Zahlung zu mahnen, nicht ein und hatte ſich deshalb am 11. d. M. vor dem hieſigen Strafrichter neuerdings wegen Ehrenbeleidigung zu verantworten. Der inkriminierte Inhalt der Karten lautet u. a.: „ Wiſſen Sie, was Sie mir vormachten, um die letzten 2000 Kronen zu bekommen? Sie haben mich zur Bettlerin gemacht — Fluch auf Sie und Ihre Kinder “. Die Angeklagte gibt zu ihrer Verteidigung an, daß der Privatkläger ſie um ihr ganzes Hab und Gut gebracht habe, und trotzdem er jetzt wieder eine Spänglerei innehat, nichts auf Abſchlag der ihr zuſtehenden Forderung zahlen will. Der Richter gibt der Angeklagten den Rat, daß ſie, wenn ſie es durchaus nicht laſſen könne, den Privatankläger durch briefliche Schmähungen zur Zahlung zu mahnen und lieber 5 Heller mehr riskieren und geſchloſſene Briefe ſchreiben ſolle. Da die Angeklagte dem Privat - kläger verſpricht, daß ſie ihn in Zukunft, wenn er auf Abſchlag ihrer Forderung eine monatliche Raten - zahlung von 15 K leiſtet, weder durch fortwährende Exekutionen bedrängen, noch durch Briefe ſchmähen werde, ſteht dieſer von einem Strafantrage ab.
Vor einigen Tagen beſchäftigte das hieſige Bezirksgericht eine Privatan - klage des Fleiſchhauers Leopold Hruſchka wider den Fleiſchhauer Johann Wochner, in welcher letzterem vorgehalten wird, daß er in der am 5. Dezember v. J. ſtattgehabten Verzehrungsſteuer - abfindungsfitzung die Außerung fallen ließ, daß er ſein Geſchäft in der Mühlgaſſe auflaſſen werde, da ihm dort zu viel geſtohlen werde. Schon als er ſich in Baden etablierte und dieſes Geſchäft von dem früheren Beſitzer Penall übernahm, ſei während ſeiner zwei - maligen Abweſenheit aus dem zur Aufbewahrung dienenden Fleiſchkeller wagenweiſe Fleiſch entwendet worden und hätte der damals bei ihm bedienſtet ge - weſene Aufhackknecht, der jetztge Fleiſchhauermeiſter Hruſchka, von dieſen Diebſtählen ſchon damals Kennt - nis gehabt, jedoch nichts zur Verhütung dieſer Dieb - ſtähle unternommen. Der Vertreter des Angeklagten Dr. Mayer gibt mit den als Zeugen der inkriminierten Aeußerung vernommenen Selchermeiſter Wedorn und Fleiſchhauermeiſter Breinſchmiedt übereinſtimmend an, daß Wochner bei der Aeußerung am 5. Dezember den Privatankläger durchaus nicht einer Mitwirker - ſchaft an den Fleiſchdiebſtählen beſchuldigen, ſondern höchſtens verhalten wollte, daß Hruſchka, welcher in ſeiner Eigenſchaft als Aufhackknecht des Angeklagten Stelle während deſſen Abweſenheit zu vertreten hatte, das Manipulieren der übrigen Angeſtellten Wochners nicht genügend ſtreng kontrolliert habe. Der Prozeß wird ſchließlich durch Abgabe einer, der Verantwor - tung des Angeklagten analogen Ehrenerklärung im Vergleichswege beigelegt.
Der wegen Verdachtes der Geiſteskrankheit im Vorjahre in Linz unter Beobach - tung geſtandene Arbeiter Karl Pflanzer hatte ſich am 12. d. M. wegen Uebertretung der Zechprellerei zu verantworten, weil er in einem hieſige[n]Gaſthauſe eine Zeche gemacht hatte und als ihn die Wirtin ans Zahlen erinnerte, erklärte, er habe kein Geld und könne nichts bezahlen. Der in Haft befindliche Angeklagte erklärte, daß er nicht die Abſicht hatte, die Wirtin um den Betrag von 3 20 K zu ſchädigen, vielmehr habe er an ſeinen früheren Dienſtgeber noch eine Forderung und wenn er dieſes bekomme, werde er ſeine Zeche begleichen. Der Angeklagte wurde, da ſeine Verantwortung glaubwürdig ſchien, vom Richter freigeſprochen.
Herr Dr. Stipek als Anwalt des Geklagten mühte ſich vergeblich. Die Bedentung des ſeltſamen Ausdruckes offenbarte ihm kein Lexikon. Da lud der Richter den braven Sobotka, deſſen Kraftorgan die Parteien vor den Gerichtstiſch ruft, als Exporten — und Brockhaus’ Weltruf wurde zu Schanden. Die Karnotte exiſtiert wirklich, allerdings nur im Sprachgebrauch des Mödlinger „ Grundes “, der, wie wir oft bemerken konnten, für Sprachneuer - ungen überhaupt ein äußerſt günſtiger Boden iſt. Das Wort bedeutet eine lokale Variation von Kanaille. Von der „ Karnaillie “zur Karnotte kann man mit einigem guten Willen ſchon irgend eine Brücke finden. Der Fruchthändler Hubmayer machte ſich indeß die Ratloſigkeit zu Nutze und leugnete, das Wort zu kennen, noch mehr aber beſtritt er die geklagte An - wendung desſelben auf die Gemüſehändlerin Sams. Deren Gatte beſtätigte jedoch die Klage und Hubmayer erklärte ſich bereit, 5 K an den Waiſenrat zu er - legen und eine Ehrenerklärung auszuſtellen. So verſchwand die Karnotte wieder aus der Gerichtsſtube, in welcher ihre Exiſtenz ſo ſchmählich - angezweifelt worden iſt.
Der Fleiſchhauer Zumpf und der Gaſtwirt Brei ſollen nach der Klage des Fleiſchhauers Berl in der Hinterbrühl an der Ver - breitung einer für Berl nachteiligen Geſchichte mit - gewirkt haben, die dem letztgenannten zur Laſt legte, kranke Schweine zu kaufen, um an ihnen die Not - ſchlachtung vorzunehmen, insbeſonders aber ein ſchon totes Schwein „ abgeſtochen “zu haben. Dieſer höchſt befremdliche Vorgang wurde durch die Zeugen dahin erklärt, daß unter dem Abſtechen einer krepierten Sau deren Aufarbeitung und Zerteilung gemeint ſei. Nach Feſtſtellung dieſes Sprachgebrauches führte Herr Dr. Bruſt namens des Geklagten mehrere Ergänzungs - detaile an, deren Inhalt über verdächtige Vorkomm - niſſe in der Fleiſcherei des Herrn Berl berichten ſollte. Herr Dr. Stipek hingegen machte Zeugen namhaft, welche in der Verhandlung gegen Berl wegen Vergehen gegen das Tierſeuchengeſetz alle dieſe Ausſtreuungen widerlegt hatten. Nun handle es ſich um die Feſtſtellung, daß Herr Zumpf dieſe Erzählung aus Konkurrenzneid neu aufwärmte, verbreite, und dadurch den Berl ſowohl in ſeiner Ehre nahetrete, als auch im Gewerbe ſchädige. Nachdem ein Vergleichs - verſuch ſcheiterte, ſtellte Dr. Bruſt als der Klage - vertreter mehrere Anträge auf Vernehmung weiterer Zeugen, zu deren Vorladung die Verhandlung ver - tagt werden mußte.
Herrn Dr. Sch. in M. Beſten Dank für Ihre freund - liche Verſtändigung. Geniert uns nicht. Buben mögen ſich untereinander und in ihrer Sprache nur unterhalten. Wenn es nötig iſt, werden wir ſie ſchon beim ruppigen Wickel zu faſſen kriegen. F. K.
Herrn Ing. H. in L. Danken beſtens für den uns geſandten Bericht.
Herrn Prof. H. Sendung beſtens dankend erhalten. Wünſchen baldige Geneſung.
Frau?? Wir würden Ihnen raten, Ihre Klage, die ja eine allgemeine iſt, an das Theaterkomitee zu leiten.
Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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