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Feſtigkeit und Grundſatztreue, wo immer ſie unzweifelhaft zutage treten, gewähren immer einen Lichtblick in einer von Achſelträgerei, Byzantinis - mus und Charakterloſigkeit durchſeuchten Zeit. Darum wird der Entſchluſs des deutſchen Groß - grundbeſitzes in Niederöſterreich, jedes Wahl - compromiſs mit den clericalen Verräthern am Deutſchthum abzulehnen, allſeits mit Genug - thuung begrüßt. In gleicher Weiſe bietet der Wahlaufruf des deutſchen Großgrundbeſitzes in Steiermark im Entgegenhalte zu dem jämmerlichen Compromiſſe mit den clericalen Deutſchenhaſſern in Tirol, wodurch unſer nationales Fühlen tief beleidigt wird, einen recht wohlthuenden Gegen - ſatz. Unter dem allgemeinen Entrüſtungsſchrei wegen des unerhörten Compromiſſes der Re - gierung mit Ungarn bezüglich der bosniſchen Bahnen, dieſe der Geſinnung des ſteiriſchen Groß - grundbeſitzes das ehrendſte Zeugnis ausſtellende Kundgebung zu überſehen, wäre ein Unrecht. Wird der geſammte deutſche Großgrundbeſitz im künf - tigen Reichsrathe in jenem trefflichen Geiſte ge - führt, der aus jener Sprache des ſteiriſchen Großgrundbeſitzes nach oben wie nach unten Be - achtung fordert, dann läſst die Haltung dieſer Abgeordnetengruppe im kommenden Parlamente keine Schwäche, keine Unentſchloſſenheit oder ver - dächtige Liebedienerei aufkommen, dann entſteht ein Bürge mehr für den endlichen Sieg der ge - meinſamen, gerechten Sache unſeres deutſchen Volkes.
Beſonderes Intereſſe erheiſcht jene Stelle imerwähuten Wahlaufrufe, in welcher dieſe merk - würdige, „ weithin ſichtbar neutrale Regierung “beim Worte gepackt wird. Man braucht nur ein wenig zu verſtehen, zwiſchen den Zeilen zu leſen, um ſofort herauszufinden, daſs der ſteiriſche Groß - grundbeſitz der Erklärung Körber’s vom angeblich „ rüſtig vorwärts ſchreitenden Verfaſſungsſtaat “ſo viel Glauben beimiſst, „ als ihn jener Herr verdient “, und es iſt nur ſchade, daſs das famoſe Compromiſs Körber’s mit Ungarn eben ein paar Tage jüngeren Datums iſt, als der ſteiriſche Wahlaufruf; übrigens bekräftigt dieſer Wahl - aufruf nachträglich jene Auffaſſung des ſteiriſchen Großgrundbeſitzes, wodurch die Erklärungen Körber’s nur cum grano salis genommen werden, auf eine wirklich draſtiſche Art. Der Aufruf kündigt der Regierung an, in ziemlich unver - blümtem, wenngleich cavaliermäßigem Tone, daſs der Großgrundbeſitz die Erwartung hege, die Re - gierung werde über die Mittel zur Verwirklichung dieſes „ rüſtig vorwärts ſchreitenden Verfaſſungs - ſtaates “zunehmende Klarheit gewinnen und hin - ſichtlich der Anwendung unter energiſcher Abwehr entgegengeſetzter Tendenzen erhöhte Entſchloſſen - heit bekunden, ſo iſt das eine gar feine Klinge, die eine reizende Tiefquart herunterſtreicht über die Kalksburger Zöglinge. Die Klarheit der Re - gierung muſs nämlich, wenn ſie zunehmen ſoll, beim vorhandenen Nullpunkt beginnen und die erhöhte Entſchloſſenheit, die hat zwei Tage dar - nach Ungarn gegenüber bereits großartige Tri - umphe gefeiert. „ Wie du mir, ſo ich dir “, ſagt der ſteiriſche Großgrundbeſitz Herrn von Körber dürr und trocken. Wir werden unſer Verhaltennach der Art einzurichten wiſſen, wie die „ partei - loſe “Regierung ſich gibt. Bleibt aber die Re - gierung wirklich auf dieſer Linie, dann, ſagt der ſteiriſche Großgrundbeſitz voraus, müſſe ein wirklicher Bruch mit der verderblichen Gepflogen - heit eintreten, die Staatsverwaltung zum Werk - zeug nationaler Eroberungsgier zu miſsbrauchen. Das iſt aber eine gar heikle Sache. Es kann eben der Aera Körber unmöglich ernſt ſein, dieſen Bruch eintreten zu laſſen, weil ſie ja nach ihren eigenen Worten „ die Gegnerſchaft der Lobkowitze und Schwarzenberge nur ſchwer ertragen kann. “ Die Regierung Körber hat deshalb auf die Länge gar keine andere Wahl, als ſich den Feudalcleri - calen zu verſchreiben, Ungarn gegenüber auf der ganzen Linie zurückzuweichen, oder mit dem ganzen Syſtem Kehrtum zu machen, wenn dies noch geht. Das Compromiſs mit Ungarn läſst aber vermuthen, daſs die Würfel bereits geworfen ſind, zu Gunſten einer feudalen Gewaltregierung. Denn mit einem ſolchen Compromiſs mit Ungarn darf ſich Herr v. Körber vor freiſinnige Deutſche im Parlamente nicht hinſtellen; er muſs ſich alſo à la Taaffe eine Parteigruppierung zuſammen - ſchachern.
Wer da nun am eheſten anbiſſe, das ge - wahrt jedermann heute in der Haltung der Luegerianer, welche ehedem in auffallender und vordringlicher Weiſe, ſo lange ſie es als Agita - tionsmittel für die Captivierung des „ kleinen Mannes “für gut fanden, ſich gegen den unga - riſchen Uebermuth ſtellten, nunmehr aber auf gar beluſtigende Art in das Ruhmesfagott für Körber ſtoßen und gerade durch die Anſtrudelung dieſes
(Nachdruck unterſagt.)
Endlos, troſtlos dehnte ſich die Ebene, von einer ſchmutziggrauen Decke ſchmelzenden Schnees überzogen, endlos auch zog ſich durch ſie die kothige Landſtraße dahin, eingefaſst von zwei Reihen kahler Bäume, die ihre Aeſte wie knochige Geſpenſterarme zum Himmel reckten. Durch den tiefen, zähen Schmutz dieſer Straße ſchleppte ſich ein Mann dahin, deſſen defecte Schuhe der Näſſe, deſſen ſchadhafte Kleidung dem Wind nicht den geringſten Widerſtand entgegenſetzten. Nur mit äußerſter Anſtrengung kam er vorwärts und der kurze, trübe Novembertag neigte ſich faſt ſeinem Ende zu.
„ Wenn ich’s nur erreiche! “murmelte er wieder, „ kaum kann ich noch weiter “. Und mühſam, Schritt vor Schritt, watet er ſeinen beſchwerlichen Weg weiter. Endlich iſt das Weichbild der Rieſenſtadt erreicht. Die matten Augen des Wanderers leuchten auf: Da iſt ja die Brauerei — nun grüßt er die erſten Häuſer, und es iſt, als komme noch einmal Leben in die gebeugte Geſtalt. Er richtet ſich auf und ſchreitet raſcher aus.
„ Gott im Himmel, habe Dank! “flüſtert er, „ ſoweit wäre ich — aber nun weiter — weiter! “ Ein tiefer Seufzer der Erleichterung ſchwellte ſeine Bruſt — aber gleich darauf kam ein böſer Huſten - anfall — er muſste ſtehen bleiben und ſich erholen. Ein daherkommender Arbeiter ſtieß ihn roh zur Seite, ſo daſs er vom Steig hinuntertaumelte und ſich mit Mühe an einem Laternenpfahle feſthielt. Auf ſeinengraubleichen Wangen erſchienen für einen Augenblick zwei runde, rothe Flecken. Er ſtöhnte auf und ſchritt weiter, die Energie war wieder aus ſeinen Bewe - gungen geſchwunden und mühſam, gebrochen, ein Bild des Jammers, ſchleppte er ſich vorwärts. An einer Straßenecke blieb er bei einer Anſchlagsſäule ſtehen und begann zu leſen: „ Schauſpielhaus —
- Theater — Wiener — — alles nichts — ah — endlich! “
Da ſtand auf dem Zettel eines der erſten Theater: „ Morgen, Samstag, zum erſtenmale: „ Frede - gundis “, Drama in 4 Acten von Theobald Neumeiſter.
„ Erreicht! “ſtöhnte der Mann. „ Ich hab’s er - reicht — aber nun, Gott im Himmel, laſs mich auch es noch erleben! Vier Jahre des Harrens und Leidens — o Gott — o Gott — nur noch 24 Stunden Leben! “
Huſtend wankte er weiter — immer weiter. Endlich bog er von der gewaltigen Straße, in der er ſich befand, und die jetzt bereits in feenhaftem Lichte erſtrahlte, ab und durchſchritt einige weniger glänzende Nebenſtraßen. Vor einem ziemlich unſchein - baren Gebäude machte er Halt, zog die Klingel und orientierte ſich dann auf dem „ ſtummen Portier “. Dann ſtieg er die teppichbedeckte Treppe empor. An der Corridorthür las er mit Befriedung den ge - wünſchten Namen, holte eine ſehr abgegriffene Brief - taſche aus ſeinem Rock, ſuchte eine alte vergilbte Viſitkarte daraus hervor und drückte auf den Knopf der elektriſchen Corridorſchelle. Laut und ſchrill er - tönte ſie und gleich darauf erſchien ein Mädchen im Häubchen und weißer Schürze. Als ſie des Fremden anſichtig wurde, wollte ſie ſich mit einem ſchnippiſchen „ Wir geben nichts “wieder zurückziehen. Der Fremde aber ſagte heiſer und dennoch ſehr entſchieden: „ Nehmen Sie dieſe Karte und melden Sie mich “.
Das Mädchen beſah ſich die Karte, dann den Fremden — und wiederum die Karte.
„ Bedaure “, ſagte ſie dann, „ der Herr Director iſt nicht zuhauſe “.
„ Er iſt zuhauſe! “ſagte der Fremde grob, dann fügte er, ſich zuſammenraffend, hinzu: „ Denn er hat ja jetzt Sprechſtunde und — er hat mich herbeſtellt. — Gehen Sie “, fügte er hinzu und ſtampfte mit dem Fuße, als das Mädchen immer noch zögerte. Achſelzuckend zog ſie ſich zurück, blickte noch einmal auf die Karte und las: „ Theobald Neumeiſter, Schriftſteller “. Gleich darauf erſchien ſie jedoch wieder und ſagte in ganz anderem Tone:
„ Der Herr Director läſst bitten. “
Der Fremde, der eben den nur zum Theil ge - glückten Verſuch gemacht hatte, ſeine Stiefel vom Schmutze der Straße zu reinigen, folgte dem Mädchen. Es öffnete eine Thür und ließ ihn eintreten.
„ Ah, endlich, verehrter Meiſter “, tönte da dem Fremden eine ſonore Stimme entgegen, als er einen Augenblick von der Lichtflut geblendet ſtand, die dem elektriſchen Kronleuchter entſtrömte, „ Sie haben lange auf ſich war ... “
Dem hochgewachſenen eleganten Manne, der mit ausgeſtreckten Armen auf den Fremden zugeeilt war, erſtarb das Wort auf den Lippen, als er dieſen näher anſah.
„ Was? — Sie? “murmelte er, den Einge - tretenen mit halb miſstrauiſchem, halb mitleidigem Staunen muſternd. Die Hände ſanken nieder, er trat einen Schritt zurück.
„ Ja — ich! “erwiderte der Fremde, indem ein bitteres Lächeln um ſeine Mundwinkel zuckte. — „ Wollen Sie vielleicht meine Legitimationspapiere ſehen? Sie ſind alle in Ordnung “.
Compromiſſes Herrn v. Körber aufs äußerſte zu compromittieren wiſſen. Ja, wenn jetzt die Re - gierung Körber, für die Herr Biehlohlawek und neueſteus der Confuſionsprofeſſor Schleſinger in die Breſche treten, nicht gerettet iſt, dann iſt der „ weithin ſichtbar unparteiiſchen “Regierung, deren Statthalter ſoeben ſich durch eine famoſe Erle - digung von Wahlbeſchwerden um die chriſtlich - ſocialen Schooßkinder der Regierung hoch ver - dient gemacht hat, auf keinen Fall mehr zu helfen.
Der ſteiriſche Großgrundbeſitz möchte gerne allen, auch den bisher außerhalb der deutſchen Gemeinbürgſchaft Stehenden, an welcher der Großgrundbeſitz in deutſcher Treue feſtzuhalten erklärt, die Hand reichen zur deutſchen Streit - genoſſenſchaft, vorausgeſetzt, daſs dieſe ſich nur ehrlich und aufrichtig gewillt zeigen, für die er - erbte Stellung des deutſchen Volkes in Oeſter - reich einzutreten. Nun iſt das recht ſchön gedacht; vielleicht könnte man, was das ehrlich und auf - richtig anbelangt, bei einem Kathrein und Schöpfer nicht ganz verzweifeln, denn dieſe gehören zu den wenigen perſönlich ehrenhaften Erſcheinungen unter den Clericalen. Allein bei einem Ebenhoch, einem Treuinfels oder gar bei einem Dipauli wäre in dieſer Beziehung Hopfen und Malz ver - loren. Ehrlich und aufrichtig, das ſind kautſchuck - artig dehnbare Begriffe bei einem Ebenhoch, der ſeine Geſinnung wohl eben ſo oft wechſelt, als ſeine Wäſche. Daran kann auch der jüngſt vom Papſte an Dipauli geſchickte Gregoriusorden nichts ändern; der Kalterer Baron kann es eben in der Politik noch nicht laſſen, das zu treiben, was ihm von den Bauern im Weinkeller nach gerühmt wird, zu pantſchen und zu fälſchen, natürlich für das Volkswohl. Wohl wird dieſer Mann auf dem Schaubrette der Feudalen noch eine wichtige Figur abgeben, denn Herr v. Körber will ihm, den die Bauern verwerfen, wieder in den Sattel helfen. Auch das kennzeichnet die künftige Richtung des Cabinettes Körber.
Der Umſtand, daſs der Städte-Wahlbezirk Baden — Bruck während einer completten Seſſions - periode des Reichsrathes ſo gut wie verwaist war, hat der geſammten Wählerſchaft oder wenigſtens ihrer überwiegenden Majorität die bittere Erkenntnis nahegebracht, wie undankbar und gegen die eigenen Intereſſen verſtoßend es war, den früheren verdienſt - vollen Abgeordneten dieſes Bezirkes, Profeſſor Marchet, ſo ſchnöde fallen zu laſſen. Nicht nur der Weinbauer hatte an ihm einen treuen Berather und Helfer verloren, ſondern alle Berufsſtände ohne Aus - nahme erblickten ſich dadurch ſchwer geſchädigt, daſs ſie in der Reichsvertretung niemanden hatten, denenſie ihre dringenden und gewiſs berechtigten Wünſche anvertrauen konnten. Erſt nachdem Marchet gefallen und ſeine unermüdliche Schaffenskraft durch die negative Thätigkeit ſeines Nachfolgers abgelöst worden war, fand ſich eine große Anzahl von Landwirten und Gewerbetreibenden aller Branchen, welche nicht genug zu rühmen wuſsten, was der ſo ſchmählich hinaus - geſtoßene Marchet für ſie geweſen, was er für ſie gethan, wie er zu jeder Stunde bereit war, ihre Wünſche entgegenzunehmen, entgegen der mehr abge - ſchmackten als witzigen Behauptung ſeiner Gegner, daſs man zu ihm nur in Frack und Handſchuhen kommen dürfe. Freilich, ein einziges Werk war es nur, welches Marchet am Ausgange ſeiner Thätigkeit als Abgeordneter als abgeſchloſſen ſeinen Wählern hinterlaſſen konnte, die Weinbaufrage. Aber daſs ihm die Löſung ſo mancher anderen Frage nicht gelang, das war nicht ſeine Schuld, daran verhinderte ihn der Ausfall der Neuwahlen. Die Frage der Haus - zinsſteuer in Baden war nahezu ſpruchreif, in der Gewerbegeſetznovelle hatte Marchet in einer Reihe von eingehenden Beſprechungen die Wünſche und Beſchwerden der Gewerbetreibenden ſeines Wahlbe - zirkes zur Kenntnis genommen und hatte ſich für ihre Durchſetzung ein reiches Materiale zurechtgelegt; zahlreiche Anliegen einzelner Wähler in Gewerbe - und Steuerſachen hatte er in aller Stille, aber mit dem Aufgebote ſeines Einfluſſes bei den maßgebenden Behörden zu Gunſten der Beſchwerdeführer erledigt. Was Wunder, daſs allerorten, nachdem die erſte Auf - regung nach den Wahlen vorüber war, und ruhigere Ueberlegung dem Parteihaſſe Platz gemacht hatte, ſo mancher ſeiner Widerſacher ſich mit Bedauern des Mannes erinnerte, der trotz ſeiner Verdienſte um die Wählerſchaft, wie ſie kaum ein zweiter Abgeordneter aufzuweiſen haben dürfte, dem blinden Parteihaſſe zum Opfer fallen muſste.
Aus allen dieſen Gründen hat die von uns gebrachte Nachricht, daſs Marchet dem Drängen der freiheitlich geſinnten Vertrauensmänner aller ſieben Wahlorte nach langem und begreiflichen Zögern nach - gegeben und die Candidatur für den Reichsrath an - genommen habe, in allen Kreiſen der Bevölkerung lebhafte und auch unverhohlen zur Schau getragene Befriedigung hervorgerufen. Wie die Dinge heute liegen, iſt die Candidatur eine ſichere; ſie iſt es ſchon deshalb, weil diesmal ſowohl die Parteifreunde des Candidaten, als auch viele ſeiner politiſchen Gegner ſich in dem Wunſche treffen, Marchet wieder als Ver - treter des Bezirkes begrüßen zu können. Die loyalen politiſchen Gegner — und es gibt deren erfreulicher Weiſe — ſagen zwar ganz offen, Marchet ſei in politiſcher Beziehung nicht ihr Mann; allein ſie ver - hehlen auch nicht im geringſten das Vertrauen, das ſie in ſeine wirtſchaftliche Leiſtungsfähigkeit ſetzen und erwarten von ſeiner Wiederwahl das Beſte für den Bezirk. Wir haben Gelegenheit gehabt, diesfalls die Meinung von Männern aus allen Berufskreiſen,aus den handwerksmäßigen Gewerben, aus der Kauf - mannsſchaft, aus der Lehrer - und Beamtenſchaft zu hören; die Argumente, welche für die Wiederwahl Marchet’s geltend gemacht werden, ſind überall dieſelben: Wir kennen Marchet als einen überzeugungstreuen Fortſchrittler, wir kennen ihn aber auch als einen tüchtigen, in die Bedürfniſſe aller Berufskreiſe ein - geweihten Mann, als einen Mann von eiſerner That - kraft und Arbeitsfreudigkeit, der ſelbſt den ſcheinbar größten Hinderniſſen ſpielend zu begegnen weiß, wir kennen ihn vor allem als wackeren Ehrenmann, der in ungezählten Fällen während ſeiner Thätigkeit als Abgeordneter ſelbſt ſeinen politiſchen Widerſachern als uneigennütziger Helfer zur Seite geſtanden iſt. Darum, weil wir wiſſen, was wir an Marchet haben werden, falls er aus der Wahl als unſer Vertreter hervorgeht, darum wollen wir, die wir ihm einſt entgegenſtanden, unſere Stimme geben, überzeugt, daſs er, unbeſchadet ſeiner politiſchen Anſchauungen, das wirtſchaftliche Wohl Aller, einerlei, ob Partei - freunde oder nicht, zu wahren trachten wird. Das iſt ſo ungefähr der Succus aus den vielen Meinungs - äußerungen, welche bisher über die Wiedercandidatur Marchet’s laut wurden. Sie ehren den Mann, wie er es verdient und jedermann wird ihm dieſe nach - trägliche Anerkennung ſeiner perſönlichen Vorzüge aus vollem Herzen gönnen, Sie ehren aber auch in dem - ſelben Maße jene Männer, welche von blinder Partei - leidenſchaft geheilt, offen und rückhaltslos ſeine Ver - dienſte anerkennen und für ihn einzutreten ſich ver - pflichten. Der Tag des Jahres 1897, an welchem Marchet ſich ſo ſchmählich geſchlagen fühlte, am ſchmählichſten in ſeiner Vaterſtadt ſelbſt, war für ihn ein bitterer und wird ihm ſicherlich durch ſein ganzes Leben in herber Er - innerung bleiben; aber wenn etwas imſtande iſt, das Leid wett zu machen, das er damals erfahren, ſo iſt es die Kundgebung der lange ſchon im Stillen gehegten Sympathien, die jetzt beim Bekanntwerden ſeiner Wiedercandidatur ſo ſpontan, wir möchten ſagen, aus vollem Herzen, hervorgetreten ſind. Freilich, die Schlacht iſt ja noch lange nicht gewonnen; es wird großer Anſtrengungen bedürfen, um den Sieg zu erringen. Aber eine gewiſſe frohe Zuverſicht erfüllt uns und alle, die wir Marchet kennen und hochſchätzen gelernt haben; hoffen wir, daſs ſich der Erfolg an die Fahne hefte, die wir für Marchet entrollen und daſs ihn der Badener Bezirk wieder zurückgewinne!
Wir haben in unſerer letzten Nummer über den Ingenier Raunig berichtet, der von den Induſtriellen des Städte-Wahlbezirkes Baden-Bruck als Candidat aufgeſtellt worden ſein ſoll. Verleitet wurden wir zu dieſer Nachricht durch eine uns zur Verfügung geſtellte hectographierte Notiz, in der es wörtlich heißt: „ Wie verlautet, candidieren die Induſtriellen des Städtebezirkes Baden Herrn Ingenieur Raunig, Secretär ꝛc. “ Dieſe Form der Verlautbarung iſt nun, wie man uns mittheilt, un - richtig und hat unter den Induſtriellen des Bezirkes
„ Ah — nein — aber ich bitte Sie — ich er - kenne Sie ja wieder — wenn ich Sie auch nur ein einzigesmal früher geſehen, nur wenige Worte mit Ihnen gewechſelt — ich habe ein gutes Phyſiogno - miengedächtnis und vergeſſe niemals jemanden, den ich auch nur ein einzigesmal flüchtig geſehen oder geſprochen habe. “
„ Aber umſo leichter Stücke, die Ihnen einge - reicht wurden “, erwiderte der Fremde ſarkaſtiſch. Ein furchtbarer Huſtenanfall ſchnitt ihm jedoch jedes weitere Wort ab.
„ Um Gotteswillen, was iſt das? “rief der Bühnenleiter beſtürzt. „ Bitte, ſetzen Sie ſich doch! “
„ Wenn Sie — geſtatten — “und huſtend ſank er auf einen Seſſel nieder.
Als er ſich ſo weit erholt hatte, um wieder ſprechen zu können, ſagte er: „ Ich danke Ihnen, muſs Ihnen aber noch mit einer weiteren Bitte kommen. Wie Sie ſehen, geht es mir nicht zum beſten — aber es iſt noch weit ſchlimmer als es ausſieht. Alles, was ich beſitze, trage ich bei mir, ich habe nicht einen Pfennig in der Taſche und ſeit geſtern Adend einen leeren Magen — “
„ Himmel! “rief halblaut der elegante Mann, von ſeinem Sitze auffahrend. „ Da werde ich aber gleich — “
„ Ja “, ſagte der andere ruhig, „ ich muſs wirklich um einen kleinen Imbiſs und einen Schluck bitten — als Vorſchuſs auf die Premiere, ſo viel wird wohl noch dabei abfallen “, fügte er mit bitterem Lächeln noch hinzu.
„ Aber, ich bitte Sie, verehrter Meiſter, Sie wollen mich doch nicht kränken! Und nun kommen Sie, kommen Sie. “
Er drückte auf einen Knopf. Das Mädchen tratein, er gab ihr einige kurze Weiſungen und führte dann den Fremden ins Speiſezimmer.
„ Greifen Sie zu “, bat der Director artig, „ es iſt mir eine Ehre, den Mann zu bewirten, in dem Deutſchland morgen einen neuen Dramatiker be - grüßen wird. “
„ Und der vor einer Stunde am Wege faſt ver - hungert liegen geblieben wäre “, ergänzte der Dichter mit beißendem Spott.
„ Ja, aber — ich habe doch, nachdem Ihr Stück angenommen war, in einer ganzen Reihe von Blättern an Sie die Bitte richten laſſen, mir Ihren Aufent - haltsort bekanntzugeben, um das nähere mit Ihnen zu beſprechen. Wie iſt es nur möglich, daſs Sie das nicht geleſen haben? “
„ Das war vor einem halben Jahre “, ſagte der Dichter, den Schätzen, die das Buffet in Geſtalt von kaltem Braten, Schinken, italieniſchem Salat ꝛc. her - gegeben, mit wahrem Heißhunger zuſprechend, und den Portwein in dürftigen Zügen trinkend, „ wie iſt es möglich, daſs ein Stück drei und ein halbes Jahr im Theaterarchiv verſtaubt und dann doch noch ans Licht gezogen wird? “
„ Ja, ſehen Sie “, entgegnete der Director etwas verlegen, während das Mädchen vor den Gaſt eine Schale mit gekochten Eiern hinſtellte und ihm aus dem brodelnden Samovar eine Taſſe Thee füllte, „ mein lieber Freund, der langjährige Dramaturg meines Theaters, Dr. Hillger, ſtarb ungefähr vor Jahresfriſt. Dem guten Alten war die Arbeit zuletzt über den Kopf gewachſen, und er hat ſie ſich ein wenig vereinfacht. Er hatte ſich die bekannten Schrift - ſteller in verſchiedene Klaſſen eingetheilt, je nach ihrem literariſchen Rufe und las die Eingänge „ claſſenweiſe “, nicht in der Reihenfolge wie ſie ein -liefen. Alle Manuſcripte von unbekannten Autoren legte er in einen Winkel ſeines Bureaus, wo ſie ſich zu einem ganze Berge anhäuften. War das Reper - toire auf Monate hinaus feſtgelegt, ſo begann er mit dieſen ſich zu beſchäftigen, das heißt, er legte vier Manuſcripte auf ſeinen Schreibtiſch, las davon eines, ließ es retournieren, während er die übrigen drei ungeleſen zurückgehen ließ — “. Ein ſchneidendes Lachen unterbrach hier den harmlos Plaudernden.
„ Das iſt ja recht heiter, recht erbaulich “, ſtieß der Dichter dann in äußerſter Erregung hervor.
„ Aber nicht zu ändern “, fiel ihm der Bühnen - leiter ruhig ins Wort, „ hätten ſie eine Ahnung, welche Stöße von Manuſcripten täglich bei uns einlaufen! Ich engagierte einen neuen Dramaturgen, einen Lite - rarhiſtoriker und Idealiſten vom reinſten Waſſer, der ſeinen Lauf mit Feuereifer aufnahm. Drei Stücke hat der Aermſte täglich geleſen und drei andere von einigen ſeiner Freunde und Geſinnungsgenoſſen prüfen laſſen. Da wurde endlich einmal ein wenig unter dem Wuſt aufgeräumt! Unter den Arbeiten, die er mir zur näheren Prüfung unterbreitete, befand ſich auch Ihre „ Fredegundis “. Ich las ſie und während ich ſie las, erinnerte ich mich auch Ihrer Perſon, ich ſchrieb Ihnen, ich erkundigte mich nach Ihnen — ich erließ die Aufforderung in den Zeitungen — alles ver - geblich — — aber bitte, greifen Sie doch zu — “
„ Ich danke beſtens, ich bin vollkommen ſatt “.
„ Nun, anſcheinend hat es Ihnen geſchmeckt, das freut mich! Und nun bitte, erzählen Sie mir doch, wie es Ihnen ergangen iſt und wie es möglich war, daſs man Sie nicht fand. “
„ Die Geſchichte iſt einfach genug “, entgegnete der andere, „ ich war ein armer Teufel von Philo - loge, der die drei oder vier Jahre bis zu ſeiner
lebhaften Proteſt hervorgerufen. Die Herren Indu - ſtriellen lehnen nämlich dieſe Candidatur, die mit einer gewiſſen Nonchalence, um kein härteres Wort zu gebrauchen, von außen in den Bezirk getragen wurde, einſtimmig ab. Wie aus obigem hervorgeht, iſt es nicht unſere Schuld, daſs die Notiz in dieſer Form erſchien; wir waren nur eben loyal genug, auch die unſerem Manne entgegenſtehende Candidatur den Leſern unſeres Blattes zur Kenntnis zu bringen, ohne zu dieſer Zeit noch zu wiſſen, daſs damit ein agitatoriſcher Zweck verfolgt wurde, darauf hinzielend, die Wähler zu verwirren und vielleicht einerſeits gegen die Induſtriellen aufzubringen, andererſeits vielleicht doch für den genannten Herrn zu captivieren. Es war aber vielleicht ganz gut, daſs die Anpreiſung des Herrn Raunig in dieſer plumpen Form, von der man ja in eingeweihten Kreiſen wiſſen muſste, daſs ſie ſofort die ſchärfſte Zurückweiſung erfahren werde, erfolgte. Wir kennen jetzt wenigſtens den ſonderbaren Candidaten, ja noch mehr, wir wiſſen, weſs’ Protege er iſt. Das erhellte zu allererſt aus einer Anpreiſung in der „ Deutſchen Zeitung “, welche am ſelben Tage erfolgte, als wir die Notiz über Herrn Raunig brachten. Dieſes Blatt iſt bekanntlich das Leiborgan des Herrn Dr. Lueger und damit iſt eigentlich ſchon alles geſagt. Die „ Oſtdeutſche Rund - ſchau “ſchreibt in ihrer Abendausgabe desſelben Tages (10. November): „ Die in chriſtlichſocialen und jüdi - ſchen Zeitungen mitgetheilte Bewerbung des Ingenieurs Raunig aus Wien, der über Betreiben der Groß - induſtriellen, beſonders Krupp’s, im Städtebezirke Baden — Mödling — Bruck aufgeſtellt wurde, haben die Induſtriellen Mödlings einſtimmig abgelehnt; dieſelben erklärten, nur für Marchet einzutreten. Die „ Deutſche Zeitung “, welche ſich für Raunig ſo ſtark begeiſterte, hat dieſe einſtimmige Ablehnung Raunig’s der übrigens von Dr. Lueger begünſtigt worden ſein ſoll, auf ihrem Gewiſſen, denn ihre Lobeshymne auf Raunig hat alle nicht chriſtlichſocialen Elemente ſofort ſtutzig gemacht. “ Wir erfahren alſo, daſs beſonders Herr Krupp aus Berndorf ſich für Herrn Raunig einſetzt, und nachdem dieſer Herr bei ſeinen bisherigen perſönlichen Vorſtellungen, welche ſtets unter der treuen Begleitung eines in Baden wohl bekannten Fabrikanten aus Hirtenberg erfolgen, mit einer gewiſſen Abſicht auf den ihm zur Verfügung ſtehenden Agitationsfond hinweist, — er ſcheut ſich auch gar nicht, die Höhe des Betrages zu nennen, der hinreichen würde, um ſich in Baden ſchon eine ganz annehm - bare Villa zu kaufen, — ſo haben wir keine Urſache, daran zu zweifeln, daſs Herr Krupp wirklich der Protege dieſes Herrn iſt und die Wahl Raunig’s ſo gewiſſermaßen als eine Sportſache betrachtet, die man einfach mit Geld abthun kann. Es iſt recht eigen - thümlich, daſs da mit ſolchen Waffen gekämpft wird und wir hätten nicht geglaubt, daſs wir in einer Zeit, wo alle Freunde der wirtſchaftlichen Entwicklung einig zuſammenſtehen ſollten, auf ein ſolches Hinder -nis ſtoßen. Geld iſt eine ſchöne Sache; aber es iſt denn doch nicht ganz egal, ob man ſich ein Ab - geordnetenmandat kaufen will oder ein Rennpferd um 30.000 fl. Man wird ſich auch bald überzeugen, daſs in dieſem Falle der Wille des Volkes ſtärker iſt, als die Laune eines Einzelnen. Herr Raunig dürfte ſich heute der Hoffnung, gewählt zu werden, vielleicht ſchon langſam zu entſchlagen beginnen.
Donnerstag, den 15. d. M., am Feſte des hl. Leopold, wird in der k. k. Hof - kirche (Frauengaſſe) um 11 Uhr Fräulein Joſeſine Matouſek das Offertorium „ O Deus, amo te “von Heinrich Proch zum Vortrage bringen. Die Orgel ſpielt Frau Ottilie Göllinger.
Verfloſſenen Sonntag iſt hier Ihre königliche Hoheit Frau Gräfin Lonyay mit dem Poſtzuge aus Wien vormittag angekommen und ſtattete dem Herrn Erzherzog Rainer und deſſen Gemahlin einen Beſuch ab. — Nachmittag um 2 Uhr 40 Minuten fuhr Frau Gräfin Lonyay mit dem Localzuge nach Wien zurück.
Der Großinduſtrielle Herr David Ritter von Gutmann hat anläſslich des Ablebens ſeines einzigen hier verſtorbenen Sohnes Dr. Ludwig von Gutmann den Betrag von 30.000 Kronen zum Tempelbau der israelitiſchen Cultus - gemeinde in Baden geſpendet.
Der Statthalterei - Concepts-Praktikant Leo Gaſch wurde der hieſigen Bezirkshauptmannſchaft zur Dienſtleiſtung zugewieſen.
Der Bezirkshauptmann Graf Lippe hat auf Grund der Ermächtigung der n. -ö. Statt - halterei vom 15. October l. J. die Sperrſtunde für die in die Kategorie der Gaſthäuſer fallenden Gaſt - und Schankgewerbebetriebe im Gemeindegebiete Weikersdorf mit 1 Uhr morgens für das ganze Jahr feſtgeſetzt. Die Verordnung tritt ſofort in Kraft.
Die hieſige ſocial-demokratiſche Parteileitung beruft für Samstag, den 17. November, in Kolbe’s Hotel (Waſſergaſſe 35) eine öffentliche Wählerverſammlung ein, auf deren Tagesordnung die Beſprechung der bevorſtehenden Reich - rathswahlen ſteht.
Der deutſch - fortſchrittliche Verein für Baden und Umgebung hält Freitag, den 16. d. M., 8 Uhr abends, in Bruſatti’s „ Hotel Nagel “eine Vereinsverſammlung ab, in welcher über die bisherige Vereinsthätigkeit Bericht erſtattet und die Stellungnahme zu den Reichsraths - wahlen und zu den Candidaten überhaupt beſprochen wird.
Anläſslich des heurigen60 jährigen Gedenktages der Gründung der hieſigen Kleinkinderbewahranſtalt hatte vorige Woche Bürger - meiſter Zöllner als Vorſtand, Johann Schieſtl als Verwalter der Anſtalt, die anläſslich des Jubiläums herausgegebene Feſtſchrift und Jahresbericht der hohen Protectorin der Anſtalt, der durchlauchtigſten Frau Erzherzogin Maria Carolina, perſönlich über - reicht. Die hohe Frau, welche ſich eingehend um die Verhältniſſe der Anſtalt erkundigte, ſprach darüber ihre Freude aus, das Jubiläum dieſer Anſtalt als Protectorin ſelbſt mitfeiern zu können.
Für den nächſten Samstag im Saale des Hotel Nagl-Bruſatti ſtattfindenden Unterhaltungs-Abend gibt ſich bereits das regſte Intereſſe kund und dürfte der Abend recht animiert verlaufen. Das Comité erſucht uns, bekannt zu geben, daſs ſpecielle Einladungen nicht verſandt werden.
Es iſt eine bekannte Thatſache, daſs der in den Fremdenbüchern aufgeſtapelte Humor oft ſeine wunderlichſten Blüten zeitigt. Wer hat ſich nicht ſchon an den, wenn auch oft derben, aber doch ſo trefflichen Knütelverſen Zer - ſtreuung verſchafft? Saß unlängſt eine hieſige Geſell - ſchaft in einem Alpen-Gaſthof, in der unmittel - baren Nähe der Bahnſtation, und vertrieb ſich die Zeit bis zum Abgang des Zuges mit dem Durch - blättern des Fremdenbuches. Meiſtens waren es poe - tiſche Ergüſſe, welche die landſchaftliche Schönheit der Gegend zum Gegenſtand hatten. Aber auch einige luſtige fanden ſich darin. Zwei Scheſtern, Clara und Helene, finden es wunderſchön ohne Bräutigam in dieſer reizenden Gegend, denn ſie rufen:
Dazu bemerkte ein Spottvogel:
Der Mann dürfte vielleicht nicht ſo unrecht gehabt haben. Ein anderer wieder jubelt:
Dies fordert einen geplagten Ehemann heraus; er ſchrieb darunter:
Kranken-Rapport für den Monat October 1900. Vom Vormonate verblieben 110, ſeither zugewachſen 103, zuſammen 213 Kranke. Seither abgegangen 104, verbleiben Ende dieſes Monats 109 Kranke. Die in Abgang gebrachten 104 Kranken entfallen in folgende Gruppen: Geheilt 65, gebeſſert 28, ungeheilt 0, geſtorben 11. In unentgeltliche ambulatoriſche Behandlung kamen
Staatsanſtellung nicht abwarten konnte. Ich gieng nach Wien, um von der Feder zu leben. Für den Journalismus mit ſeiner fieberhaften Haſt zu pro - ducieren, fehlte mir nicht weniger als alles, und ich ernährte mich kümmerlich von literariſchen Arbeiten. Dabei ſchrieb ich die „ Fredegundis “und reichte ſie Ihnen ein. Sie ſtellten mir in Ausſicht, daſs unge - fähr innerhalb eines Jahres eine Aufführung erfolgen könnte. So lange hoffte ich mich halten zu können. Als aber ein zweites Jahr vergeblichen Harrens ver - gangen war, nahm ich eine Stelle als Privatſecretär und Reiſebegleiter bei einem angeblichen amerikaniſchen Nabob an, der eine Reiſe nach Italien und dem Orient antreten wollte. In Brindiſi, wo wir uns nach Alexandrien einſchiffen wollten, ließ mich der Kerl ſitzen. Ich nahm meine paar Sachen und meine geringe Barſchaft und fuhr nach Neapel. Hier lebte ich von dem geringen Ertrage kärglich bezahlten Privatunterrichtes, brachte es aber unter äußerſten Entbehrungen doch ſo weit, daſs ich nach anderthalb Jahren das Reiſegeld nach Wien zuſammen hatte. Die Anſtrengungen und Entbehrungen aber hatten meine Geſundheit derart geſchwächt, daſs ich in Graz am Typhus ſchwer erkrankte und acht Wochen dort im Spitale liegen muſste. Das hatte meine Barſchaft aufgezehrt. Auf meinen Wunſch ſchaffte man mich darauf nach meiner Vaterſtadt, wo ich bei einem Bekannten meiner längſt verſtorbenen Eltern ganz geneſen wollte. Aber ich war unvor - ſichtig, erkältete mich und ein furchtbarer Katarrh war die Folge — es iſt aber noch etwas zurück - geblieben und hier “, er legte die Hand auf die Bruſt, „ iſt was caput. Als ich im Hauſe herum - gehen durfte, ſuchte ich nach etwas Lesbarem und fand unter alten Gartenlauben und früheren Nummerndes Wochenblattes eine Zeitung mit Ihrem Aufruf, den ſich der Alte aufbewahrt hatte. Nun hielt mich nichts mehr. Noch ſehr ſchwach, ja noch ziemlich krank, bat ich den Alten, mir ſofort das Reiſegeld nach Wien zu leihen, denn ich ſelbſt beſaß ja keinen Heller. Er gieng nach einigem Zögern darauf ein — ich ſchrieb Ihnen die paar Zeilen, kaufte ein Billet dritter Claſſe und fuhr los. In welcher Aufregung ich mich befand, je näher ich der Reichshauptſtadt kam, kann ich nicht ſchildern. — Da trat geſtern Abend vor Mödling ein Controlor in den Wagen und ließ ſich die Fahrkarten zeigen. Ich hatte die meinige an meinen Hut geſteckt und dieſen neben mich auf die Bank gelegt. Als ich ſie vorzeigen wollte, war ſie fort — wohin ſie gekommen, wird wohl nie aufgeklärt werden. Ich war bei Beginn der Fahrt ein wenig eingenickt und neben mir ſaß ein ver - dächtiges Individuum. Ich wurde ausgeſetzt und muſste Strafe zahlen. Dadurch ſchmolz das geliehene Geld auf achtundvierzig Heller zuſammen. Ich kaufte mir ein Brötchen als Abendmahlzeit und nächtigte auf einem Heuboden. Am andern Morgen trat ich den Weg nach Wien zu Fuß an “.
„ Entſetzlich! Bei dieſem Hundewetter! “
„ Aber ich habe es erreicht! “ſagte der Dichter tief athmend. „ Wenn auch faſt nackt und bloß, bin ich doch ans Ufer gelangt — freilich — — nichts habe ich gerettet als die mehr als fragwürdige Kleidung und — das “.
Er zog eine wachslederne Taſche aus ſeinem Rocke und hielt ſie dem Director entgegen.
„ Das —? “
„ Ja, es iſt merkwürdig genug. Dafür hat ſich kein Liebhaber gefunden! Es enthielt meine Legiti - mationspapiere, meine letzten Viſitkarten und dasManuſcript eines zweiten Dramas, das ich in den Jahren der Noth und Kümmerniſſe in Wien und Neapel ſchrieb “.
„ Was? “fuhr der Director auf, „ ein zweites Stück von Ihnen? Warum haben Sie es nirgends eingereicht? “
Wieder jenes bittere Lächeln.
„ Nach den Erfahrungen? “und Neumeiſter ent - nahm ein blaues Heft der Ledertaſche.
„ Geben Sie, geben Sie! “ſagte der Director gierig, ihm das Manuſcript faſt aus der Hand reißend. „ Das leſe ich noch dieſe Nacht. Sie ſollen nicht wieder auf einen Beſcheid warten. Und nun kommen Sie, vielleicht nehmen Sie ein warmes Bad und ſuchen dann Ihr Lager auf. Selbſtverſtändlich ſind Sie hier für längere Zeit mein Gaſt “. —
Als Theobald Neumeiſter am anderen Morgen aus bleiernem Schlafe erwachte, fand er vor ſeinem Bette reine Leibwäſche, ein Paar Morgenſchuhe und einen zwar getragenen, aber noch immer eleganten Anzug, vermuthlich aus dem Garderobeſchrank des Directors vor. Er kleidete ſich an, klingelte, und das Mädchen brachte ihm Kaffee und einen Pack Zeitungen. Sie meldete, der Herr Director ſei im Theater, käme aber bald zurück.
Theobald ſetzte ſich, um zu frühſtücken. Kaum hatte er einen Biſſen zu ſich genommen, als ſich der qualvolle Huſten wieder einſtellte. Er fühlte ſich zum Sterben elend. Die Glieder waren ihm bleiſchwer, die Bruſt ſchmerzte, ein heftiger Kopfſchmerz marterte ihn. Er griff zu den Zeitungen. In jeder war unter „ Theater und Muſik “ein Artikel von ungefähr 20 Zeilen blau angeſtrichen. Er begann zu leſen, legte aber bald die Blätter hohnlachend beiſeite. Der Artikel enthielt die Mittheilung, daſs der verſchollene
244 Kranke. Die Zahl der Verpflegstage betrug 3349, im Vormonate 3563, mithin weniger um 214; durch - ſchnittlicher Krankenſtand per Tag 108·03, durch - ſchnittliche Verpflegsdauer für einen Kranken 15·72 Tage. Der vorherrſchende Krankheits-Charakter be - ſtand in Erkrankungen der Haut, der Digeſtions - organe und Verletzungen. — Wegen Raummangel abgewieſen wurde 1 Perſon. Folgende Verletzungen gelangten zur Aufnahme: Gehirnerſchütterungen: 1 leichte; Contuſionen: 1 ſchwere, 2 leichte; Schnitt - wunden: 3 ſchwere, 1 leichte; Schlüſſelbeinbrüche: 3 ſchwere; Verbrennungen 1. und 2. Grades: 1 ſchwere; Blutbeulen: 1 leichte; Morphiumvergiftung: 1 leichte; zuſammen 10 ſchwere und 5 leichte. — Operationen wurden vorgenommen 27 größere, 7 kleinere, zuſammen 34; hievon in der Chloroform-Narcoſe 9, in der Aether-Narcoſe 4, in der Bromäthyl-Narcoſe 2, in der Cocain-Anäſtheſie 3, in der Chloraneſtille 4, in der Schleich’ſchen Anäſtheſie 3, ohne Narcoticum 9. — In dieſem Krankenhauſe findet täglich von 10 — 11 Uhr vormittags für Mittelloſe, welche nicht Mitglieder von Krankencaſſen ſind, unentgeltliche ambulatoriſche Ordination ſtatt.
Anweſend: Herr Bürgermeiſter Johann Reicher und die Herren Gemeindevertreter mit Ausnahme des nicht entſchuldigten Gemeindeausſchuſſes Joh. Höller.
Der Herr Bürgermeiſter conſtatiert die Beſchluſs - fähigkeit und eröffnet die Sitzung.
1. Das Protocoll der letzten Sitzung vom 27. September wird verleſen, genehmigt und verificiert.
Anknüpfend berichtet der Herr Bürgermeiſter, daſs nach den von ihm in Ausführung der letzten Sitzungsbeſchlüſſe gepflogenen Erhebungen wegen Abänderung der n. -ö. Bauordnung nicht der n. -ö. Landesausſchuſs, ſondern die k. k. n. -ö. Statthalterei competent ſei, daher ein diesfälliges Anſuchen bei letzterer Behörde einzubringen ſei, was nunmehr auch veranlaſst werden wird.
Weiters wurde ihm bezüglich der Conceſſion für Realitätenverkehr des Herrn J. W. Dwarsky bei der Gewerbebehörde bedeutet, daſs derſelbe nach den beſtehenden Geſetzen, infolge Abweſenheit vom Betriebsorte nicht gezwungen werden kann, dieſe Con - ceſſion zurückzulegen und eine Löſchung dieſer Conceſſion von amtswegen unzuläſſig ſei. Er werde jedoch noch bei der k. k. n. -ö. Statthalterei dieſerwegen darüber anfragen.
Ferner theilt der Herr Bürgermeiſter mit, daſs ihm bereits ein Proſpect der neu creierten Landes - Unfall - und Haftpflichtverſicherung zugekommen ſei, welches der Finanz-Section zur Durchberathung undAntragſtellung bis zur nächſten Sitzung zugewieſen werden wird.
Dieſe Mittheilungen werden zur Kenntnis genommen.
2. Die Gemeinderechnung für den Monat September l. J. wird über Bericht des Obmannes der Finanz-Section Herrn GR. Roſenthal genehmigt.
Die Gebarung ſtellt ſich wie folgt dar: An Caſſareſt verblieb Ende Auguſt 1900 Kr. 2. 435·25. Einnahmen pro September 1900 Kr. 13. 534·35, zu - ſammen Kr. 15. 969·60. Ausgaben pro September 1900 Kr. 8. 095·89, ſonach verblieb Ende September 1900 Kr. 7. 873·71.
Anſchließend hieran berichtet Herr GR. Roſenthal, daſs im October l. J. von der Finanz-Section eine unvermuthete Scontierung ſämmtlicher Caſſabeſtände, Werteffecten und Depots der Gemeinde vorgenommen und alles in beſter Ordnung gefunden wurde. Die vorgenommene Scontierung ſelbſt wurde in dem Caſſa - buche, nach Vorſchrift des Landes-Ausſchuſſes, er - ſichtlich gemacht.
Dieſer Bericht wird befriedigend zur Kenntnis genommen.
3. Die Bürgerſpitalrechnung pro September 1900 wird über Bericht der Reviſoren genehmigt.
4. Ueber das von der k. k. Bezirkshauptmannſchaft Mödling zur Aeußerung herabgelangte Einſchreiten des Herrn Wilhelm Adolf Hanſt „ Firma Perchtolds - dorfer Kryſtalleisfabrik “um Conceſſion zum Betriebe des Gaſtwirtgeſchäftes für die Bedienſteten der Fabrlk wird der Localbedarf einſtimmig bejaht.
Herr GA. Biegler interpelliert den Herrn Bürger - meiſter, warum dieſes Anſuchen nicht vorher der Gewerbe-Section zur Vorberathung zugewieſen wurde, worauf der Herr Bürgermeiſter erwiderte, daſs dieſe Angelegenheit ſchon früher einmal von dem Gemeinde - ausſchuſſe berathen wurde und die heutige Beſchluſs - faſſung hierüber nur mehr eine formelle ſei, er werde jedoch von nun an alle die beſtehenden Sectionen betreffenden Geſchäftsſtücke den betreffenden Sectionen zur Berathung und Berichterſtattung zuweiſen.
5. Der Localbedarf über das gleichfalls von der k. k. Bezirkshauptmannſchaft Mödling zur Aeußerung herabgelangte Anſuchen des Johann Biewald, Nach - folger des Franz Karl, um die Conceſſion zum Be - triebe des Gaſt - und Schankgewerbes nach § 16 lit. b, c, e, f der Gemeindeordnung in dem Hauſe Cſc. -N. 415, Wienergaſſe, wird, nachdem dies ein bereits beſtehendes Geſchäft iſt, einſtimmig bejaht.
6. Ueber das Anſuchen des Herrn Wilhelm Ad. Hanſt um Genehmigung des von ihm vorgelegten Theilregulierungsplanes für die zwiſchen der Mühl -, Schweglergaſſe, der Lieſinger und Perchtoldsdorfer Grenze und der Südbahn gelegenen Gründe wird nach eingehender Berathung, an welcher ſich viele der Herren Gemeindevertreter betheiligten, mit über - wiegender Majorität beſchloſſen, vorerſt einen Koſten - voranſchlag über die nächſt der Eisfabrik projectierteStraße ausarbeiten zu laſſen und ſodann ſicher zu ſtellen, welche Beiträge hiezu von den Intereſſenten geleiſtet werden.
Bei dieſem Anlaſſe theilt der Herr Bürgermeiſter mit, daſs der bisher fertiggeſtellte Theil des neuen General-Regulierungsplanes, Aufnahme des Terrains, bei Herrn Profeſſor Zajicek in Mödling zur Einſicht aufliege, und ladet die Bau-Section zur Beſichtigung desſelben ein.
7. Der Bericht der Bau-Section über den infolge des letzten Sitzungsbeſchluſſes abgehaltenen Local - augenſchein wegen Feſtſtellung des Ausmaßes der unbedingt nothwendigen Regulierungsarbeiten des Schirgenbaches und der zu dieſem Behufe ausge - arbeitete Koſtenvoranſchlag wird zur Kenntnis ge - nommen.
Nach längerer Debatte über dieſen Gegenſtand wurden folgende Anträge angenommen:
Die Regulierung des Schirgengrabens hat, weil dringend nothwendig, noch heuer zu erfolgen, und iſt zu dieſem Behufe vor allem ſowohl dieſer Graben, als auch die Grenzen der anrainenden Gemeinde - parzelle Nr. 1804 durch den Geometer Friedrich Zajicek feſtzuſtellen und auszupflöckeln.
Die auszuführenden Arbeiten ſind im Offert - wege zu vergeben und der Termin für die Ein - bringung der Offerte bis 1. November 1900, vor - mittags 9 Uhr, feſtzuſetzen. Die Entſcheidung über die einlaufenden Offerte wird dem Gemeinderathe übertragen.
Sämmtliche Arbeiten ſind unter Aufſicht der Bau-Section durchzuführen.
Zu den Koſten der Regulierung ſind die Anrainer mit ein Drittheil heranzuziehen und diesbezüglich die - ſelben zu einer Beſprechung einzuberufen.
Die Koſten der Regulierung ſind bei Feſtſtellung des Präliminares für das nächſte Jahr in Betracht zu ziehen und können demgemäß erſt im nächſten Jahre zur Verrechnung gelangen.
8. Der Obmann der Bau-Section, Herr GA. Johann Marz, berichtet, daſs die Bau-Section behufs Feſtſtellung des der Firma Meysgeier & Comp. in der letzten Sitzung, im Gemeindewalde bewilligten Schurfrechtes einen Localaugenſchein an Ort und Stelle vorgenommen und hiefür 2 Stellen in Ausſicht genommen hat, an welchen dem Gemeindewalde kein namhafter Schaden zugefügt würde.
Nachdem aber die Bau-Section nicht dafür iſt, daſs der Gemeindewald durch Eröffnung eines neuen Bruches noch mehr devaſtiert wird, wurden gleichzeitig mit Herrn Polſterer und dem Vertreter der Firma Meysgeier & Comp. Verhandlungen gepflogen, um zwiſchen beiden einen Ausgleich herbeizuführen, wodurch der Beſtand des alten Schotterbruches ge - ſichert werden ſollte.
Der Bürgermeiſter ſtellt nunmehr den Antrag, es ſei dem Antrage der Bau-Section beizuſtimmen und der Firma Meysgeier & Comp. ab 1. Jänner
Dichter der „ Fredegundis “nach langen und aben - teuerlichen Irrfahrten geſtern Abend plötzlich in Wien aufgetaucht ſei, beim Director zu Gaſt weile und der Premiere beiwohnen werde. Auch habe er dem Director ein zweites Stück, „ Frühlingshoffen “, über - geben, das dieſer im Manuſcript angenommen babe und noch in dieſer Spielzeit zur Aufführung bringen werde.
„ So wird man berühmt! “murmelte der Dichter. „ Jetzt bin ich ſchon zum ‚ Ranreißer‘ avanciert! — Einerlei “, fügte er hinzu, „ ich hab’s erreicht! Jetzt kann ich ſchreiben, was ich will — jetzt — “. Ein furchtbarer Huſtenanfall durchſchütterte ſeinen ganzen Körper. Als das vorüber war, ſank Neumeiſter in den Stuhl zurück, ſeine Lippen waren blutlos, ſeine Augen ſtarr und ſeine Wangen erdfahl. So fand ihn der Director, der nach einer halben Stunde hereinſtürmte.
„ Es geht gut, lieber Meiſter “, rief er trium - phierend. „ Das Publicum ſtürmt die Caſſe, ſchlägt ſich um die Billets, für fünf Vorſtellungen iſt das Haus im voraus ausverkauft! — Und dies “, ſagte er, einen blauen Schein aus ſeiner Brieftaſche nehmend und ihn Neumeiſter aufdrängend, „ nehmen Sie freudlichſt als Vorſchuſs. Doch nun kommen Sie, wir wollen Ihren äußeren Menſchen in Ordnung bringen! “
Wohl oder übel muſste der Dichter dem Director folgen, der ihn in einen Wagen ſchob, von Geſchäft zu Geſchäft ſchleppte und ihn von Kopf bis zu Fuß neu einkleidete. Alles bezahlte der ſtrahlende Bühnen - leiter mit funkelndem Golde oder verheißungsvollen blauen und grünen Scheinen und raunte ſeinem Gaſt dabei vertraulich ins Ohr:
„ Alles Vorſchuſs! “
Ganz erſchöpft vor Aufregung gelangte der Dichter gegen zwei Uhr mit dem Director in deſſen Wohnung an und muſste ſich nach dem Eſſen ſofort niederlegen. Wiederum dieſer ſchwere bleierne Schlaf, wiederum nach dem Erwachen der entſetzliche Huſten!
Gegen 7¼ Uhr entſchloſs er ſich endlich, ob - gleich ihm ſchrecklich zumuthe war, mit dem Director ins Theater zu fahren.
Das Haus war bis auf das letzte Gallerie - plätzchen ausverkauft, und durch das Publicum gieng jenes erwartungsvolle Murmeln, das jedem Premieren - beſucher ſo wohlbekannt iſt. Endlich gieng der Vor - hang empor, und von ſeinem Logenplatze aus, von dem er, ſelbſt ungeſehen, das ganze Haus überblicken konnte, nahm der Autor, als ſein Auge ſich an das Dämmerlicht im Zuſchauerraume gewöhnt, mit Genug - thuung wahr, daſs das Publicum bereits nach den erſten Scenen der Expoſition mit Aufmerkſamkeit folgte. Als der Vorhang gefallen, regte bereits ein großer Theil der Zuſchauer die Hände, während eine kleine Minderheit mit dem Applaus noch erwartungs - voll zurückhielt. Nirgends aber meldete ſich auch nur der geringſte Widerſpruch. Nach dem zweiten Acte folgte bereits lebhafter Hervorruf des Dichters.
„ Kommen Sie “, ſagte der Director zu dem neben ihm Sitzenden.
„ Ich kann nicht “, erwiderte Neumeiſter, „ mir wird ſo übel, bitte gehen Sie vor — vielleicht nach - her “. Matt lehnte er ſich in den Fauteuil zurück, dicke Schweißtropfen traten ihm auf die Stirn.
Der Director trat vor und dankte im Namen des Autors, der ſich nachher noch perſönlich bedanken werde. Dieſer ſaß wie betäubt, wie geiſtesabweſendin ſeiner Loge. Vor ſeinen Augen lag es wie ein Nebel und gedankenlos ſtarrte er ins Leere.
Auch nach dem dritten Acte, deſſen machtvoller Schluſs zu allgemeiner Begeiſterung hinriſs, gab ſich das Publicum mit dem erſten Beſcheide zufrieden. Aber am Schluſſe des Stückes war kein Halten mehr, frenetiſcher Jubel durchbrauste das Haus und immer lauter verlangte man nach Neumeiſter. Da durfte dieſer nicht länger zaudern.
„ Kommen Sie, kommen Sie “, ſagte der Director, und zog den Dichter, der aus tiefem Schlafe zu er - wachen ſchien, auf die Bühne. „ Aber kommen Sie mit — mir iſt ſo elend! Man kann nicht wiſſen “.
Beide erſchienen vor der Gardine, immer wieder muſste ſich der Dichter verbeugen, während der Di - rector beſcheiden zur Seite trat. Ein rieſiger Lorbeer - kranz ſenkte ſich zu Theobald’s Füßen nieder — eine Spende des Directors. Das Auge des Dichters ſtrahlte im Fieberglanz, ſeine bleichen Züge verklärte ein ſeliges Lächeln.
„ Erreicht! “flüſterten ſeine blutleeren Lippen. Aber während er ſich bückte, um den Kranz aufzu - heben, wieder dieſe krampfhafte Huſtenanfall — und — was war das! — Ein dicker Blutſtrom brach aus ſeinem Munde, ein pfeifender Laut drang ans ſeiner Kehle, ſeine gekrampften Hände fuhren nach der Bruſt, er taumelte. Beſtürzt ſprang der Director hinzu, fieng ihn auf und zog ihn hinter die Gar - dine zurück. Zwei Theaterarbeiter betteten den leb - loſen Körper auf einen Divan.
Schon nach wenigen Minuten erſchien der Theaterarzt, aber er konnte nur noch conſtatieren, daſs der Dichter Theobald Neumeiſter verſchieden war.
1901 auf die Dauer des dermaligen Pachtverhältniſſes ein Nachlaſs im Betrage von 300 Kronen zu ge - währen, um dieſer Firma den Abſchluſs eines Ver - gleiches mit Herrn Ferdinand Polſterer zu erleichtern.
Dieſer Antrag wird mit 10 gegen 8 Stimmen angenommen.
Hierauf gelangt der Zuſatzantrag des Herrn Gemeinderathes Dieſtl zur Abſtimmung, dahingehend daſs für den Fall, als die Firma Meysgeier & Comp. ſich mit dem bedingungsweiſe gewährten Nachlaſs vom Pachtſchillinge nicht einverſtanden erkläre, der - ſelben an der von der Bau-Section bereits ermittelten ca. 150 Meter von dem Steinbruche Nr. IV ent - fernten Stelle das Schürfen zu bewilligen, doch ſei ein Jahr nach Beginn der Schottererzeugung im neuen Bruche der alte Bruch ganz aufzulaſſen, für den neuen Bruch der bisherige Pachtſchilling auf - recht zu erhalten, und ein neuer Pachtvertrag abzu - ſchließen.
Dieſer Zuſatzantrag wird gleichfalls mit großer Majorität angenommen.
9. Das Anſuchen der Hausbeſitzer der Berggaſſe um Herſtellung eines ordentlichen Rinnſales wird über Antrag des Herrn GA. Greiner der Finanz - Section zur Behandlung bei Verfaſſung des Präli - minares zugewieſen.
10. Dieſer Punkt der Tagesordnung entfällt, weil die Neuwahl des Ortsſchulrathes erſt nach drei Jahren zu erfolgen hat.
11. Dem Einſchreiten des hieſigen k. k. Poſt - und Telegraphenamtes, um Beiſtellung eines Amts - locales in den Gemeindehäuſern Nr. 185 und 186, konnte mit Rückſicht auf die bedeutenden Koſten, welche durch die Adaptierung der für das k. k. Poſt - und Telegraphenamt erforderlichen Amtslocalitäten entſtehen würden, keine Folge gegeben werden.
Bei dieſem Anlaſſe ſtellt Herr GA. Schäftner den Antrag, es ſei im Intereſſe unſerer Geſchäfts - leute um die Errichtung eines ärariſchen Poſtamtes einzuſchreiten, zumal ein ſolches in der viel kleineren Gemeinde Kaltenleutgeben längſt ſchon beſteht. Dieſer Antrag wird einſtimmig angenommen.
12. Der Herr Bürgermeiſter theilt mit, daſs die Gemeinde Lieſing mit Note vom 6. October 1900, Zl. 6738, wegen beſſerer Beleuchtung der Grenzgaſſe das Anſuchen geſtellt habe, und ſtellt den Antrag: Die Herren Straßencommiſſäre haben hierüber an Ort und Stelle Erhebungen zu pflegen und bis zur nächſten Sitzung die geeigneten Anträge zu ſtellen. Dieſer Antrag wird angenommen.
13. Ueber Auftrag der k. k. Bezirkshauptmannſchaft Mödling vom 4. October 1900, Zl. ad 32.156, werden zu Zählungscommiſſären für die nächſtjährige Volkszählung gewählt die Herren: Bürgermeiſter Johann Reicher, GA. Karl Greiner, Adolf Holzer, Joh. Mertl, Johann Platz, die Hausbeſitzer Karl Brunner und Alois Tomaſchitz.
14. Die Note des Magiſtrates Wien vom 23. October 1900, M. -Zl. 106.288, womit bekannt gegeben wird, daſs am Freitag, den 26. October 1900, nachmittags 3 Uhr, eine Localcommiſſion wegen Sicherung des Aichthürmchens der Hochquellenleitung in der Kaiſer Franz Joſef-Straße ſtattfindet, wird zur Kenntnis genommen und hiezu außer dem Herrn Bürgermeiſter die Herren GR. Ludwig Grienauer, und Joſef Dieſtl und die Herren GA. Baumeiſter Johann Marz und Joſef Mochal delegiert.
15. Ueber Eingabe mehrerer Weingartenbeſitzer der Walzengaſſe um Theilung des Leutgebviertels VI b wurde mit Rückſicht darauf, als ſich in dem Viertel VI b 22 zum Leutgeben berechtigte Wein - gartenbeſitzer befinden, deſſen Theilung in zwei Viertel beſchloſſen, und zwar VI b und VI c.
16. Ueber Antrag des Herrn Gemeindeaus - ſchuſſes Franz Garnhaft wird die Ausſpeiſung armer Schulkinder in gleicher Weiſe wie im Vorjahre bewilligt.
17. Infolge Erlaſſes der k. k. Bezirkshaupt - mannſchaft Mödling vom 24. October 1900, Zl. VIII R, findet am 27. October 1900, vormittags halb 9 Uhr, eine Reviſion über die Culturgattung jener Parzellen ſtatt, für welche im Vorjahre eine Grund - ſteuerabſchreibung wegen Auftretens der Reblaus bewilligt wurde; hiezu wurden als Mitglieder der Gemeindevertretung die Herren Gemeinderäthe Joſef Diſtl und Leopold Hudribuſch und als ſachverſtändige Vertrauensmänner die Herren Gemeindeausſchüſſe Michael Barbach und Johann Wurth gewählt.
18. Den Eheleuten Leopold und Anna Au, Hausmeiſter im Gemeindenothſpitale, wird ein Heizungspauſchale für den Winter 1900 / 1901 mit fünf M. -C. Steinkohle wie im Vorjahre bewilligt.
19. Der Magdalena Gneiſt wird eine Unter - kunft im Bürgerſpitale gewährt.
20. Ueber Bericht des Herrn Bürgermeiſters wird beſchloſſen, das im Bürgerſpitale aufbewahrte von den früheren Straßenlaternen herrührende alte Eiſen zum Preiſe von 3 kr. per Kg. zu verkaufen.
Nachdem kein weiterer Antrag mehr geſtellt wurde, ſchließt der Herr Bürgermeiſter um 8 Uhr abends die Sitzung.
Die Trauung des Frl. Franzi Schönberger, der jüngeren Tochter des gleich - namigen Reſtaurateurs nächſt den „ zwei Raben “, mit Herrn Ludwig Kriſch, findet am 19. d. M., 4 Uhr nachmittags, in der Pfarrkirche von Hinterbrühl ſtatt.
Ein doppeltes Feſt begeht morgen der hieſige Gemeindeausſchuſs Herr Friedrich Stadler. Er feiert nämlich nicht nur den Jahrestag ſeiner vor 25 Jahren erfolgten Trauung mit ſeiner Gattin, ſondern zugleich auch den 25. Jahrestag ſeiner Be - dienſtung im Hauſe Dreher. Der Jubilar hat bekannt - lich das Depot der Dreher’ſchen Biere in Mödling.
Frau Marie Bayer, die Gattin des hieſigen Sicherheitswachinſpectors Herrn Paul Bayer, iſt am 8. d. M., im 40. Lebensjahre, ge - ſtorben. Dem am 10. d. M. ſtattgefundenen Leichen - begängniſſe wohnte eine ſehr große Anzahl von Leid - tragenden bei.
iſt am 11. d. M. von ſeiner Urlaubsreiſe zurückgekehrt und hat die Leitung der Geſchäfte wieder übernommen.
Der chriſtlichſociale Abgeordnete Herr Leopold Steiner, welcher als Can - didat in der V. Curie aufgeſtellt wurde, wird in der nächſten Zeit eine Wählerverſammlung hier ab - halten.
Mit lebhafter Genugthuung werden alle, die ſchon ſeit Jahren dafür plaidieren, daſs auch unſere Stadt ein ſtändiges Theater bekäme, die Nachricht leſen, daſs dieſer ſo lange gehegte Plan nun einer, allerdings noch fernen, Verwirklichung entgegengeht. Anläſslich einer Zuſammenkunft von Bürgern, unter welchen ſich auch Herr Vice-Bürgermeiſter Geyregger, GA. Schürff u. a. befanden, wurde von erſterem die Frage, wie die Mödlinger Bewohner ein ſtändiges Theater ſchaffen könnten, aufgeworfen, und nachdem mehrere Herren dieſer Tiſchgeſellſchaft ihre Anſichten entwickelt hatten, ſofort ins Praktiſche übertragen. Die Geſellſchaft gab das nachahmenswerte Beiſpiel, wie die Frage zu löſen wäre. Herr Schürff zeichnete bei der vom Herrn Vice-Bürgermeiſter auf der Stelle eingeleiteten Sammlung 1000 Kronen, die anderen Herren folgten und bald war eine Summe von 3000 Kronen gezeichnet. Mit dieſer That iſt zugleich der Weg vorgeſchrieben, der nun einzuſchlagen iſt. Hat man einmal den nöthigen Fond oder doch einen größeren Theil desſelben beiſammen, dann werden weder Platzfragen noch andere Schwierigkeiten den Bau eines Theaters hemmen können. Dieſe Ange - legenheit bildet ein erfreuliches Pendant zu der ſtädtiſchen Jubiläumsfeier!
Die Lieferung des für die Wildfütterung im k. k. Lainzer Thiergarten fürs Jahr 1901 ſich ergebenden Bedarfes an Mais von ungefähr 1700 Hektoliter gelangt beim k. u. k. Oberſt - jägermeiſteramte zur Vergebung. Lieferanten, welche die Lieferungsbedingniſſe bei dem k. u. k. Oberſt - jägermeiſteramte (Wien, I., Ballhausplatz 6) beim k. u. k. Forſtmeiſteramte Auhof (Poſt Hadersdorf — Weidlingau) oder bei einer der k. u. k. Hofjagdver - waltungen in Laxenburg und Aſpern a. d. Donau einſehen können, werden eingeladen, ihre Anbote bis längſtens Ende November d. J. beim k. u. k. Oberſt - jägermeiſteramte einzubringen.
Verfloſſenen Sonntag fand ein Zuſammentreffen des Mödlinger Fußballclubs gegen den Fußballclub „ Vorwärts “in Dornbach bei Wien ſtatt. Die Mödlinger waren mit Spielern von Baden und Wiener-Neuſtadt, durchwegs guten Spielern, gekommen und konnten allerdings einen Sieg erwarten. Sie ſchoßen das erſte Goal, welches ſodann Shilling ſeitens des Fußballclub „ Vorwärts “ausglich. Jedoch knapp vor Schluſs des Spieles erzielte dieſer Club für ihn entſcheidende Goals. Die Spielzeit der erſten Hälfte betrug 30 Minuten, die der zweiten 20 Minuten. Dann trat Dunkelheit ein, die dem Spiel ein Ende machte. Nach Schluſs des - ſelben brachten ſich die beiden Clubs die üblichen Sportgrüße dar. Der Capitän des Fußballclubs „ Vorwärts “rief jedoch ſein „ Hipp, hipp, hurrah! “auf die Gäſte der Südbahnſtrecke Mödling — Wiener -Neuſtadt, welcher Zuſatz von den Gäſten unmuthig aufgenommen wurde, worauf ſie, ohne der Einladung zur gemüthlichen Zuſammenkunft Folge gebend, daſ Feld verließen und ſich heimwärts begaben.
wird am 24. d. M. eine Gründungs - liedertafel unter Leitung des Vereins-Chormeiſters Herrn N. Mayer im Hotel „ Stadt Mödling “ab - halten. Das reichhaltige Programm veröffentlichen wir demnächſt.
Ein Paſſant fand vor einigen Tagen auf dem Wege hinter der Station Klauſen der elektriſchen Bahn einen blutigen Rock und Weſte, in welch’ letzterer ſich noch Uhr und Kette befanden. Man muthmaßte ein Verbrechen oder jedenfalls einen Raufhandel, der auf tragiſche Weiſe geendet hatte u. ſ. w. Allein dieſe Annahmen erwieſen ſich als falſch. Denn der angeblich Verſchwundene, namens K. Bruckberger, 29 Jahre alt, in Gießhübl wohnhaft, hatte an dem - ſelben Tage in Mödling in einem bekannten Gaſt - hauſe nicht weniger als 5 Liter Moſt getrunken und war davon ſo betäubt geworden, daſs er momentan nicht wuſste was er that. In dieſem Zuſtande warf er auch ſeine Kleider, auf dem Heimwege begriffen, weg und torkelte nachhauſe, wobei er mehreremale ſtürzte und ſich viele Verletzungen, insbeſondere im Geſichte, zuzog. Er langte endlich in einem beklagens - werten Zuſtande in Gießhübl an, wo er natürlich ein enormes Aufſehen erregte.
In die Ver - einsleitung des Brunner Männerchor wurden bei der jüngſt abgehaltenen Generalverſammlung folgende Herren gewählt: Adalbert Pötzl, Vorſtand; Alois Wendl, Vorſtand-Stellvertreter; Anton Schleſinger und Ch. Schuh, Chormeiſter; Brunno Winkelmann, Schriftführer; Joſef Reich, Caſſier; Leopold Nieder - reither, Archivar; Joſef Stürmer, Johann Weſter - mayer, Johann Szabados von Szabathely, Rudolf Wieninger, Sangräthe; Johann Franz Grilnhofer, Fahnenjunker.
Hierorts iſt am 5. d. M. ein großes Meteor niedergefallen, aus welchem Anlaſſe ſich zahlreiche Perſonen nach dem Orte begaben, wo das Meteor wahrſcheinlich herab - geſtürzt iſt, doch boten ſich keinerlei Anhaltspunkte.
Am kommenden Sonntag, den 18. d. M., veranſtaltet der hieſige Männer-Geſangverein unter Leitung des Chormeiſters Herrn Lambert Schretter in A. L. Windiſch’ Saal - localitäten der Bräuhausreſtauration ſeine dies - jährige Herbſt-Liedertafel, verbunden mit einem Tanz - kränzchen, mit nachſtehendem Programm: 1. Hymne, Chor mit Clavierbegleitung von Ernſt Herzog zu Sachſen. 2. a) „ O Diandle tief drunt im Thal “, Chor von J. Herbeck; b) „ Wie die wilde Roſ’ im Wald “, Chor von F. Mair. 3. Lieder, geſungen von Herrn L. Petznek. 4. a) „ Die Nacht “, Chor von Franz Schubert; b) „ Ruderlied “, Chor mit Clavier - begleitung von J. Hoven. 5. Komiſches Terzett „ Die fidele Gerichtsſitzung “, geſungen von den Herren J. Brunner, R. Lange und O. Rößler. 6. „[ Bei] Sang und Klang “, Marſch von A. Schwarz. 7. Couplets, vorgetragen von Herrn Raab aus Wien.
Samstag, den 10. d. M., nachmittags, wurde hier Herr Joſef Pfleger, ehemaliger, langjähriger Bürgermeiſter, Beſitzer des ſilbernen Verdienſtkreuzes mit der Krone, Obmann des Ortsſchulrathes, Mitglied des Möd - linger Bezirks-Straßenausſchuſſes und des Bezirks - Armenrathes, zu Grabe getragen. An dem Leichen - begängniſſe nahmen theil: die geſammte Gemeinde - vertretung, die Schuljugend mit dem Lehrkörper, die freiwillige Feuerwehr, deren Ehrenmitglied der Ver - blichene war, ſowie zahlreiche Leidtragende aus nah und fern. Herr Pfleger erreichte ein Alter von 74 Jahren.
Donners - tag, den 8. d. M., wurde Frau Joſefine Weiß, die Gattin des hieſigen Oberlehrers, unter zahlreicher Be - theiligung von Trauergäſten zur ewigen Ruhe be - ſtattet. Der Männer-Geſangverein trug in der Kirche einen Trauerchor vor.
Die ſocialdemokratiſche Partei veranſtaltet hier Sonntag, den 18. November, im Gemeindegaſthauſe eine öffent - liche Wählerverſammlung, deren Tagesordnung die Beſprechung der politiſchen Situation und die bevor - ſtehenden Reichsrathswahlen bilden.
Am 12. d. M. iſt hier der in weiteſten Kreiſen bekannte ehemalige Drahtſtiften - und Eiſenwaren-Fabriksbeſitzer Herr Jules Lefront de Lafoſſe, ein geborener Franzoſe, im 61. Lebensjahre plötzlich geſtorben.
Donnerstag, d. 15. d. M., gelangt nachmittags 3 Uhr „ Das grobe Hemd “, Volksſtück in 4 Acten von C. Karlweis, mit Herrn Director Schreiber in der Hauptrolle des Schöllhofer zur Darſtellung. — Die nächſte Vorſtellung iſt am Sonntag, den 18. d. M., nachmittags 3 Uhr.
Donnerstag, den 8. d. M.: Fräulein Minna Müller als Gaſt: „ Der Waffenſchmied “, komiſche Oper in 3 Acten von Albert Lortzing.
Referent hat über den muſikaliſchen Erfolg der prachtvollen Leiſtung unſeres ſo gut geſchulten Or - cheſters ſchon berichtet und hat noch nachzutragen, daſs auch der geſangliche Theil in der Hauptſache ſich über das Niveau provinzieller Opern-Aufführungen erhob.
Fräulein Minna Müller als Gaſt gab die Marie im Spiel lebhafter als ihre diverſen Vor - gängerinnen, im allgemeinen gut, nur bedarf die Stimme, die in der Mittellage etwas ſchwach, noch der weiteren Ausbildung. Die Geſammtleiſtung ent - ſprach daher und kann das Fräulein mit dem Badener Erfolg recht zufrieden ſein. Der Waffenſchmied des Herrn Rix ſelbſt machte Effect, umſomehr als der geſchätzte Künſtler nicht nur ein guter Sänger, ſondern auch ein ganz vorzüglicher Schauſpieler iſt.
Unter den Neubeſetzungen erregte noch ferner Fräulein Tanner als Irmentraut Intereſſe und entpuppte ſich dieſelbe als eine höchſt beachtenswerte Sängerin, die ſich durch beſondere Treffſicherheit aus - zeichnet. Nachdem Fräulein Tanner die Erzieherin Mariens auch der Rolle entſprechend durchführte und in dieſer Beziehung ſogar ihre Vorgängerin weit übertraf, ſo können wir dem Director für dieſe neue Rollenzutheilung in Waffenſchmied nur dankbar ſein.
Die hervorragende Leiſtung des Herrn Bartl’s (Graf Ritter von Liebenau), dann der ſchwäbiſche Ritter Adelhof des Herrn Felix ſind zu bekannt, um weiters erwähnt zu werden.
Freitag, den 9. d. M., geſchloſſen.
Samstag, den 10. d. M.: Zur Geburtsfeier Friedrich von Schiller’s „ Die Räuber “, Schau - ſpiel in 5 Aufzügen von Friedrich von Schiller.
Die Pflege der claſſiſchen Komödie iſt für eine Provinzbühne immer ein Wagnis, und ſelbſt die beſte derartige Darbietung leidet meiſtens unter den bekannten Mängeln, die an einer Provinzbühne eben nie ganz behoben werden können. Iſt das Fach gut, ſo iſt die Epiſode ſchlecht. Genügt ein Theil der Darſteller, ſo iſt der andere ungenügend und kommt gar irgend eine verfängliche Rolle vor, die etwa von einem Komiker abſolviert wird, ſo iſt das Hallo von vorneherein fertig. Das Publicum iſt eben das Hallodri des Spaſsmachers ſchon ſo gewöhnt, daſs man ſich dieſem Darſteller gegenüber ſelbſt nicht ernſt benehmen kann. Ein Ton, eine Geberde und irgend etwas, daſs an einen Ulk erinnert, ſtimmt die Menge heiter uud die ernſteſte Scene iſt beim Teufel. Dann kommt noch ein Umſtand zu Frage, der recht be - denklich iſt, das Coſtüm und die Decorationen ſtimmen nicht überein, die Scenerie entbehrt der Illuſion und der Regie fehlt der Muth für Dinge einzuſtehen, die eben ſelbſt auf der Provinzbühne nöthig werden, um das Ganze, das Gebotene, die Leiſtung halbwegs genießbar zu machen.
So geht es überall und auch wir Badener machen davon keine Ausnahme, und trotzdem geht man doch zu einer guten Komödie ernſteren Genres recht gerne in das Theater, weil das claſſiſche in der Dar - bietung geiſtig anregt, die Textſtreichungen intereſſieren und weil man ſich auch manchmal über die Alltäg - lichkeit erheben will.
Ein claſſiſches Beiſpiel dieſer ſo oft gemachten Beobachtungen gab die diesmalige Aufführung von Schiller’s kraftſtrotzender Jugendarbeit, und die „ Räuber “füllten ſo ziemlich das Haus, das in letzterer Zeit keine beſondere Frequenz aufzuweiſen hatte.
Der gefeierte Held des Stückes, die ſympathiſche Geſtalt des Carl Moor, wurde diesmal von Strauß mit einer Empfindung wiedergegeben, die mehr als den denkenden Schauſpieler verräth und die Menge unbewuſst elektriſiert. Warum, weil der ſtrebſame Künſtler, abgeſehen von dem ſichtbaren Fortſchritte in allen ſeinen bisherigen Darbietungen, über Mittel verfügt, die eine ſeltene Harmonie bilden. Geſtalt, Bewegung und Stimme, derart in einer Perſon ver - eint, müſſen auf die Menge wirken, und wenn man noch dazu den bisherigen Werdegang Strauß’s verfolgt, ſo wird das Intereſſe für dieſen Künſtler noch mehr erregt, da man in allem und jedem ſieht,welch hohe Ziele ſich dieſer höchſt beachtenswerte Schauſpieler geſetzt hat.
Das gleiche könnte man von der Amalia des Frl. Krenn nicht ſagen. Auch dieſe Dame ſtrebt vorwärts, aber wie! In der verfehlten Sucht, ein beſtimmtes Vorbild zu copieren, verdirbt ſich Frl. Krenn ihre ureigenſte Individualität und ihren eigenen Erfolg. Die diesmalige „ Edelreich “des Frl. Krenn war einfach ungenießbar, und wenn das Fräu - lein glaubt, mit ihrem Geſchrei zu wirken, ſo war dieſe ihre Anſicht, ſowie die ganze Auffaſſung ihrer Rolle eine immens verfehlte. Arme Amalia!
Der eigentliche Träger der Handlung, die Ver - körperung verwandtſchaftlicher Schurkerei im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts, fand in Herrn Verſtl einen ſehr beachtenswerten Franz Moor. Mag auch dieſe Rolle nicht zu dem eigentlichen Wirkungskreiſe unſeres ſo vielfach verwendbaren Verſtl gehören, ſo iſt die Abſolvierung derſelben in der Auffaſſung unſeres Luſtſpielvaters jedenfalls eine Leiſtung ſchauſpieleriſcher Tüchtigkeit, welche dabei noch mehr als bloße Routine vorausſetzt. Der Ko - ſinsky des Herrn Strial, ſehr tüchtig gegeben, fand ebenfalls verdienten Anklang. Guſtav Calliano.
Donnerstag, den 15. „ Der luſtige Krieg “.
Freitag, den 16. d. M. „ Onkel Toni “.
Samstag, den 17. d. M. „ Die Geiſha “.
Sonntag, den 18. d. M. „ Die Puppe “.
Dort und im Arreſte bringt die Anna Kleinod, welche dem hieſigen Straf - richter vorgeführt wurde, ihr Leben zu; wenn das junge Mädchen eine menſchliche Wohnung betritt, ſo geſchieht es nur, um zu betteln. Zwiſchen dieſer Art von Freiheit und Unfreiheit pendelt ſie unaufhörlich hin und her. Ihr Strafregiſter hat trotz ihrer Jugend ſchon einen ganz reſpectablen Umfang. — Richter Dr. Slamezka: „ Solch eine lange Reihe von Strafen habe ich noch ſelten zu Geſicht bekommen. “ Die An - geklagte hat dafür nur ein müdes Lächeln; ſie iſt krank. Richter: „ Was ſind Sie? “ Angeklagte: „ Dienſt - mädchen. “ Richter: „ Das iſt wohl ſchon lange her, daſs Sie es waren. “ Das verleſene Strafprotokoll reiht vorwiegend Vagabondage und Reverſion auf; ſie kehrt trotz Verbotes immer wieder in dieſe Gegend zurück; wohl weniger aus Schwärmerei für die Natur, als wegen des leichteren Herumſchwärmens in der - ſelben. Sie wird nun wieder ein paar Wochen „ Gaſtin der Geſellſchaft “ſein, um dann auf’s Neue — aber auch dann nicht auf eigene Koſten — den anderen Theil ihrer irdiſchen Pilgerfahrt anzutreten, bis ſie eben wieder attrapiert wird, — wenn ſie nicht irgendwo im Spital oder auf der Straße zu Grunde geht.
Am 29. Juli war in Oberwaltersdorf Kirchweihfeſt und wie gewöhnlich gab es da einen Gaſthausexceſs, in welchen die Brüder Joſef und Lorenz Hubauer verwickelt waren. Es muſsten die beiden Gemeindediener Tramer und Speidl einſchreiten, die anfänglich die Excedenten zu beſchwichtigen ſuchten. Lorenz Hubauer beſchimpfte daraufhin den Gemeindediener, der mit der Arretierung drohte, ſchlug ihn mit der Fauſt ins Geſicht, worauf er für arretiert erklärt wurde. Dem Gemeindewächter Tramer, der ihn abführen wollte, widerſetzte er ſich, wobei er einen Tiſch umwarf, der von einigen Herren beſetzt war. Tramer muſste ſich die Aſſiſtenz zweier Feuerwehrmänner erbitten, in deren Gemeinſchaft er den arg Tobenden in den Gemeindearreſt escortierte. Auf dem Wege dahin kamen ihnen die Eltern des Arretierten, Joſef und Katharina Hubauer, entgegen, die in gewaltſamer Weiſe ihren Sohn aus den Händen Tramer’s befreien wollten und nicht früher nachgaben, bis dieſer den Arretierten wirklich losließ. Tramer kehrte in das Gemeindegaſthaus zurück, wo man ſich darüber aufhielt, daſs er bei der Arretierung den Tiſch umwarf. „ Freilich, “ſagte er, „ iſt’s wegen der Miſtbuben nicht der Mühe Wert, einen ſolchen Rummel zu machen “. Ueber dieſe Worte ärgerlich, fiel der Bruder des Arretierten Joſef Hubauer über Tramer her, be - ſchimpfte ihn und artete ſchließlich derart aus, daſs er verhaftet werden muſste. Vater, Mutter und die beiden Söhne waren daher heute wegen öffentlicher Gewaltthätigkeit, reſp. wegen anderer Uebertretungen angeklagt, und wurden Joſef Hubauer jun. wegen obigen Verbrechens und boshafter Beſchädigung fremden Eigenthums zu 3 Monaten ſchweren und verſchärften Kerkers, Lorenz Hubauer wegen des gleichen Verbrechens und wegen Wachebeleidigung zu zwei Monaten ſchweren und verſchärften Kerkers, Joſef Hubauer ſen. wegen Einmengung in eine Amtshand - lung und Wachebeleidigung zu 1 Woche ſtrengen Arreſtes und endlich Katharina Hubauer wegen Ein - mengung in eine Amtshandlung zu 24 Stunden ſtrengen Arreſtes verurtheilt.
Druck und Verlag der Buchdruckerei von Johann Wladarz, vorm. H. Haaſe, in Baden. — Verantwortlicher Schriftleiter: Rudolf Bauer
Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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