PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]

Redaktion u. Adminiſtration: Ringplatz 4, 2. Stock.

Telephon-Nummer 161.

Abonnementsbedingungen:

Für Czernowitz (mit Zuſtellung ins Haus): monatl. K 1·80, vierteljähr. K 5·40. halbj. K 10·80, ganzjähr. K 21·60, (mit täglicher Poſtverſendung) monatl. K 2, vierteljähr. K 6, halbjährl. K 12. ganzjähr. K 24.

Für Deutſchland: vierteljährig .... 7 Mark

[F]ür Rumänien und den Balkan: vierteljährig .... 10 Lei.

Telegramme Allgemeine, Czernowitz.

Czernowitzer Allgemeine Zeitung

Ankündigung: Es koſtet im gewöhnlichen In[ſ]e - ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene Petitzeile bei eimaliger, 9 h bei mehtmaliger Einſchaltung, für Re - klame 40 h die Petitzeile, Inſerate nehmen alle in - und ausländiſchen Inſeratenbureaux ſowie die Ad - miniſtration entgegen. Einzel - exemplare ſind in allen Zeitungs - verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni - verſitätsbuchhandlung H. Pardini und in der Adminiſtration (Ring - platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien im Zeitungsbureau Goldſchmidt, Wollzeile 11.

Einzelexemplare 10 Heller für Czernowitz.

Nr. 1723. Czernowitz, Dienſtag den 12. Oktober 1909.

Ueberſicht.

Vom Tage.

Der Reichsrat iſt für den 20. d. einberufen. In poli - tiſchen Kreiſen wird Körber als der kommende Mann genannt. In Belgrad kam es zu öſterreich-feindlichen Demonſtrationen.

Czernowitzer Angelegenheiten.

Der Landtag iſt für den 15. d. zu einer zweitägigen Seſſion einberufen.

Letzte Telegramme.

Die Czechen kündigen für den Reichsrat ſchärfſte Ob - ſtruktion an. Der Zar wird in Italien dreitägigen Aufenthalt nehmen.

Sparkaſſen und Staatsaufſicht. *)Der geſchätzte Schriftſteller ſtellt uns dieſen Artikel, der vor einigen Tagen im N. Wr. Tgbl. veröffentlicht wurde, freundlichſt zur Veröffentlichung.

Es wird viel geklagt und viel räſonniert in Oeſter - reich, und leider manchmal mit Recht. Gerade deshalb ſoll es auch anerkannt werden, wenn unſere Ver - waltung wirklich Gutes leiſtet. Zu den rühmlichſten Erfolgen unſerer Verwaltung gehört der unbedingte Kredit der Sparkaſſen. Vor Jahresfriſt hatten dieſe Anſtalten, namentlich die kleineren Provinz - und Gemeindeſparkaſſen eine Feuerprobe zu beſtehen, als der Kriegslärm durch das Land ging. Es waren ſorgenvolle Tage, aber nicht die kleinſte Sparkaſſe hat gewankt, und als Gewinn blieb nach jenem Run das erſtarkte Gefühl unbedingter Sicherheit.

Dieſes Kleinod muß aber auch ſorgfältig gewahrt werden. Deshalb halte ich es für keine verlorene Mühe, auf einige Punkte aufmerkſam zu machen, die ich mit den gefährdeten Stellen eines Feſtungswalles vergleichen möchte. Denn einem Feſtungswerke gleichen die Grundſätze des Sparkaſſenregulativs von 1844 und der anderen an dieſes Regulativ ſich anſchließen - den Vorſchriften, die alle das eine Ziel haben, eine ſcharfe Grenze zwiſchen Banken und Sparkaſſen zu ziehen. Bei der Bank ſteht die Rückſicht auf Gewinn gleichberechtigt neben der Sorge vor Verluſten. Bei der Sparkaſſe iſt die Sicherheit allererſte Frage, dieSorge um Gewinn ſteht in letzter Linie. Die Bank bedarf freier und elaſtiſcher Normen, um ſich zu entfalten, die Sparkaſſe gedeiht beſſer bei einiger Schwerfälligkeit und Pedanterie. Wer Banken Gelder anvertraut, mag die Grundlagen dieſes Vertrauens ſelbſt prüfen, die Sparkaſſe iſt auch für den phyſiſch und geiſtig Unmündigen da. Die Entfaltung der Banken beruht weſentlich darauf, was ihre Verwal - tung mit den anvertrauten Geldern unternehmen kann und darf. Die Güte der Sparkaſſe iſt weſentlich darauf gegründet, was mit den Einlagegeldern nicht geſchehen kann und darf.

Die internen Vorſchriften, die den letzten Punkt regeln, können nicht jede Gefahr ausſchließen. Wo ſie dies nicht können, da eben ſoll die Staatsaufſicht eingreifen und als den wichtigſten Gegenſtand, der eine geſteigerte Staatsaufſicht notwendig erſcheinen läßt, möchte ich die Reeskomptierung von Wechſeln aus dem Portefeuille der Sparkaſſe hervorheben. Daß die Sparkaſſe ihre Einlaggelder zum Wechſel - eskompte verwenden darf und ſoll, iſt wohl begründet. Gerade durch die Pflege dieſes Geſchäftszweiges wird ſie mobil, weil ſie dadurch ſtets in Zeiten der Gefahr eine genügende Menge von Geldern ohne Verluſte flüſſig machen kann. Wenn die Sparkaſſa in ſolchen Zeiten teuer angeſchaffte Renten verkaufen müßte, wären große Verluſte unabwendbar, ſelbſt Rentenkurſe und Staatskredit wären gefährdet. Wären aber die Einlagegelder ganz und gar in langſichtigen Hypo - thekarforderungen feſtgerannt, ſo wären die Spar - kaſſen inmitten ihres nicht ſofort verwertbaren Reich - tums vom Ruin bedroht.

Mit gutem Grunde geſtehen daher die geltenden Vorſchriften*)E[rl] bes Miniſteriums des Innern vom 19. Mai 1892, Z. 1139, § 25〈…〉〈…〉 5, Muſterſtatut für Gemeinde - und Bezirksſparkaſſen. den Sparkaſſen das Recht zu, Wechſel zu eskomptieren und dieſe Wechſel den Banken weiterzugeben, reeskomptieren zu laſſen, wenn ſie flüſſiger Gelder bedürfen, falls dies in den Statuten vorgeſehen iſt. Allein hier lauert auch ſchon die Gefahr. Die Sparkaſſe ſoll im Sinne dieſer Vor - ſchriften Gelder der Einleger für ſichere Wechſel ver - wenden und dieſe Wechſel im Falle der Zurück -ziehung von Einlagen raſch wieder zu Geld machen können. Der Mißbrauch liegt nahe. Die Sparkaſſe kann nunmehr, ohne in für jedermann erkennbarer Weiſe ihre Vorſchriften zu verletzen, das Wechſel - geſchäft auf Wechſel zweifelhafter Qualität ausdehnen, denen erſt die Unterſchrift der Sparkaſſe Wert und Eignung für den Reeskompte verleiht; ſie kann ferner ohne Rückſicht auf ihren ureigentlichen Beruf, Einlagegelder fruchtbringend anzulegen, Wechſel es - komptieren, um ſie ſofort noch feucht ſozuſagen von irgendeiner Bank eskomptieren zu laſſen. Sie kann nach Art der Geld-für-Alles-Männer die von der Bank empfangene Eskomptevaluta ſofort für andere Wechſelgeber bereit halten und dieſer Bruch ihrer Vorſchriften trete noch immer nicht nach außen deutlich zutage. Denn dem Geld ſieht man es ja nicht an, ob es aus der Bank oder aus Einlagen ſtammt.

Käme nun ſolches vor, ſo wäre eine derartige Sparkaſſe von der erſten beſten Genoſſenſchaftsbank nicht mehr deutlich unterſchieden. Ihr unbedingter Kredit wäre ein verhängnisvoller Irrtum. Den Nutzen hätten die Mitglieder der Leitung ſolcher Sparkaſſen, die Orts - und Gemeindegewaltigen, die den Gewinn aus ſolchen Geſchäften in Form von Remunerationen und Gehaltserhöhungen in ihre Taſchen fallen ließen, oder die Wahlkorteſche und ſonſtigen Günſtlinge dieſer Politiker, die anderwärts keinen ſo billigen Kredit fänden. Die Gefahr ſolcher Geſchäfte würden im ſchlimmſten Falle die Einleger tragen. Beſonders bedroht wären aber die Selbſt - verwaltungskörper, die für die Verpflichtungen der Sparkaſſe haften.

Wohlgemerkt: Es liegt mir fern, zu behaupten, daß die hier geſchilderten Gefahren einen beträchtlichen Umfang angenommen haben, ich begnüge mich, darauf hinzuweiſen, daß volle Sicherheit gegen dieſe Gefahren weder in den beſtehenden Vorſchriften noch in der Staatsaufſicht, wie ſie jetzt gehandhabt wird, liegen kann. Will man aber beizeiten vor - beugen, ſo muß die Staatsaufſicht in höherem Maße zentraliſiert werden, als dies bis jetzt der Fall war. Die politiſchen Landes - und Bezirksbehörden unter - liegen, ohne daß ſie ein Vorwurf träfe, allzuſehr dem

Feuilleton.

Aus dem Reiche des Taktſtockes.

(Nachdruck verboten.)

Und wenn alle Staaten ihre Herrſcher ſtürzten und eine allgemeine Republik auf der Erde blühte, ein Orcheſter - ſtaat muß autokratiſch regiert werden. Der Orcheſterherrſcher kann ſein Reich allerdings friedlich, durch die Konſtitution Kontrakt[e]! regieren, aber ein Gebieter, ein unum - ſchränkter muß er ſein. Nicht nur über die Zeit ſeiner Untergebenen, auch über deren Kunſtanſchauung, über ihre Nerven und Künſtlerſeelen. Er muß die Möglichkeit in ſich fühlen, den durch langjährige, anſtrengende Arbeit abge - ſtumpften und blaſierten Muſikern die Begeiſterung einzu - hauchen, die ihn ſelber beſeelt, ſie glauben machen, das Heil käme allein von ihm aber nach ſiegreich gelieferten Schlachten muß er ein dankbarer Feldherr ſein und den Lorbeer nicht allein für ſich einheimſen, ſondern ſeinen Soldaten zeigen, daß er wohl wiſſe, wieviel er ihnen zu danken habe: mit einem Wort ein Napoleon, der das Menſchenmöglichſte verlangt, aber auch einmal dem wache - tuenden Grenadier ſein Gewehr abnimmt.

Disziplin das Fundament eines Orcheſters; denn mehr noch wie in einem Theater, wo die Künſtlerehre des einzelnen auf dem Spiele ſteht, muß bei dem ſtets zuſammen arbeitenden Orcheſter darauf geachtet werden, daß eine Stimme gilt, daß ein Wille unbedenklich ausgeführt wird: die des Kapellmeiſters.

Disziplin! Freilich, nur die Unwiſſenden wähnen, die Disziplin. erreiche man durch Strenge und durch unbedingtes Beſtehen auf ſeiner Diktatorenmeinung. Viel mehr wirdmanchmal gewonnen durch ein Lächeln der Ermunterung, einen Blick des Dankes, einen freundſchaftlichen Händedruck. Bis man aber dieſes Einſehen erlangt, muß man lange an ſich arbeiten, manche lernen’s überhaupt nie, ſondern ſind unrettbar der furchtbaren Krankheit verfallen, die beſonders unter den jüngeren, aus dem Orcheſter hervorgegangenen Kapellmeiſtern wütet, dem Taktſtockkoller.

Die disziplinierteſten Orcheſter hat Deutſchland, das iſt fraglos, und das wiſſen auch die ausländiſchen Dirigenten. Um die Palme des Gegenteils ſtreiten Amerika und Frank - reich. Amerika iſt aber ſicher in dieſer Beziehung das weit - aus unliebenswürdigere Land, weil dort alle Fehler gröber und abſtoßender auftreten. Der amerikaniſche Orcheſter - muſiker iſt mit Ausnahme des wohlorganiſierten Boſtoner Orcheſters der geſchworene Feind des Kapellmeiſters, der ſich von ihnen alles gefallen laſſen muß, da der Muſiker bei der geringſten Veranlaſſung das Orcheſter verläßt und der arme Dirigent nicht immer einen Erſatz finden kann. Beſonders ſchlimm geht es in Newyork zu, wo die Orcheſter - mitglieder einen einigermaßen nervöſen Dirigenten langſam, aber ſicher ins Irrenhaus bringen. Böſe Erfahrungen hat in dieſer Beziehung Richard Strauß ſpeziell in Newyork gemacht. Ich war dabei, wie er vergebens den erſten Trompeter erſuchte, bei einer wichtigen Stelle in der Sin - ſonia Domeſtica ſein Inſt[r]ument mit dem Schalltrichter nach oben zu halten, damit der Klang der Trompete über das ganze entfeſſelte Orcheſter zu hören wäre. Der Mann weigerte ſich entſchieden, denn dann täten ihm die Zähne weh! , bis Strauß wütend den Taktſtock wegwarf und mit den Worten die Probe unterbrach: Es iſt ſchon ſchlimm, daß ein Kapellmeiſter ſeinen Willen nicht durchſetzen kann, daß aber auch der Komponiſt bei ſeinem Werke nichts zu ſagen hat, iſt unerhört.

Die Franzoſen haben einen anderen Kardinalfehler. Sie kommen nicht regelmäßig zu den Proben. Und das liegt nichtam ſchlechten Willen oder an Nachläſſigkeit, das liegt nur daran, daß ſie ſehr ſchlecht bezahlt werden. Sie haben kein Jahresengagement, ſondern werden pro Konzert und Probe honoriert und wenn ſie einmal etwas Lukrativ[e]s finden, kommen ſie nicht ſelbſt, ſondern ſchicken einfach einen Stell - vertreter. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß ein ſolcher Erſatzmann nichts hilft, denn auch der letzte zweite Geiger, der eine Probe nicht mitgemacht hat, iſt im Stande, eine wunder - ſchön ausgedachte und einſtudierte Nuance grauſam zu zer - ſtören.

Der große franzöſiſche Meiſter St. Saens erzählte mir einmal eine reizende Geſchichte, die den eben erwähnten Mangel franzöſiſcher Orcheſter aufs beſte illuſtriert. Er dirigierte in Lille oder in Lyon ein Konzert, das ſeinen Werken gewidmet war. Während der vier oder fünf Proben merkte er, daß auch nicht ein Muſiker alle Proben regelmäßig mitgemacht hatte. Der eine hatte einen Hausball, wo er zum Tanze aufſpielte, ein anderer Theater, das mehr einbrachte. Das Orcheſter war trotzdem ſtets vollzählig. Nur der Pauker hatte bis zur letzten Probe ausgeharrt. Zu dieſem ging nun St. Saens nach der Generalprobe und, ihm die Hand ſchüttelnd, dankte er ihm für ſeine Pünktlichkeit und Ausdauer. O bitte Meiſter, hat nichts zu ſagen, lautete die Antwort, ich habe es gern getan, aber das Konzert macht ein anderer für mich ich habe einen Ball!

Im Verkehr mit dem Orcheſter, in der Art und Weiſe des Probens, war wohl Hans von Bülow vorbildlich. Un - zählig ſind die Geſchichten, die über ihn kurſieren und die alle ſeinen ſchlagenden Witz beweiſen. Es ſei mir geſtattet, hier eine weniger bekannte wiederzugeben, weil ſie klaſſiſch iſt, nicht nur aus humoriſtiſchen Gründen, ſondern, weil man aus ihr manches lernen kann.

Man probt unter Bülow; er klopft ab, und ſagt dem Panker, er möge ſeine Stelle forte ſchlagen. Man beginnt von neuem. Bei derſelben Stelle hält Bülow wieder an:

2Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 12. Oktober 1909.

Einfluſſe der Landes -, Bezirks - und Gemeindepolitiker. Politiſche Rückſichten, die jeder Eingeweihte aner - kennen muß, hindern oft, dieſen oder jenen Schädling zu beſeitigen. Auch fehlt es kleineren Verbänden an fachmänniſch geſchulten Kräften, die das etwa ſich zeigende Uebel rechtzeitig zu erkennen vermögen. Für die Zentralbehörde wäre es ein leichtes, einzugreifen, wo es nottut Sie verfügt über ſachverſtändige Kräfte, die alsbald erkennen, ob das Verhältnis zwiſchen Wechſelportefeuille und Einlagen ein normales iſt und ob die Zahl und Art der Wechſelprozeſſe mit der An - nahme einer genügenden Sorgfalt bei der Kredit - gewährung vereinbar iſt. Käme zum Beiſpiel die Einrede unechter Unterſchriſt anders als ganz ver - einzelt in Prozeſſen der Sparkaſſen vor, ſo wäre der Anlaß zu einer gründlichen Säuberung gegeben. Endlich ſtehen den Miniſterien gewiß als Infor - mationsquellen Berichte der Notenbank zur Verfügung. Deren Anſtalten erfreuen ſich meiſt einer fachkundigen und erfahrenen Leitung, welcher keine Schwäche der Kreditorganiſation des Reiches, eines Landes oder einer Gegend verborgen bleiben kann. Der Wichtig - keit des Gegenſtandes würde die Errichtung eines beſonderen Reichsſparkaſſenamtes entſprechen, das von Zeit zu Zeit durch beſondere Organe Reviſionen der Bücher, Kaſſen und Portefeuilles der Sparkaſſen vorzunehmen hätte.

Vom Tage.

Innerpolitiſche Situation. Einberufung des Reichsrats. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Die morgige Wiener Zeitung wird das Allerhöchſte Patent veröffentlichen, mit welchem der Reichsrat für den 20. Oktober l. J. zur Wiederaufnahme ſeiner Tätigkeit einberufen wird.

Herrenhaus. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Die Eröffnungsſitzung im Herrenhauſe findet am 20. Ok - tober ſtatt.

Koerber redivlvus?

Das Prager Tagblatt veröffentlicht einen Leitartikel, worin es heißt: In Kreiſen, die die am Hofe herrſchende Stimmung genau kennen, erhält ſich neueſtens das Gerücht, daß mit Rückſicht auf die Lage unſerer inneren Politik tiefeinſchneidende Verän - derungen bevorſtehen. In dieſen Kreiſen wird Doktor Ernſt von Koerber als der Mann bezeichnet, dem die ebenſo heikle als ſchwierige Miſſion der Entwirrung der inner - politiſchen Verhältniſſe zufallen ſoll. Maßgebendenorts ſcheint ſich durch die auffallende kühle Haltung, die man auf deutſcher Seite dem Kabinett Bienerth entgegenbringt, und endlich auch durch den Umſtand, daß die Chriſtlichſozialen der Abſicht Baron Bienerths, den Reichsrat aufzulöſen, mißtrauiſch gegenüberſtehen, die Ueberzeugung feſtgelegt zu haben, daß eine grundlegende Aenderung des Regimes im Intereſſe der endlichen Entwirrung der inneren Politik liege und manſteht maßgebendenorts auf dem Standpunkt, daß Doktor von Koerber berufen ſei, die ſeinerzeit von Baron Bienerth über - nommene Miſſion, ein parlamentariſches Kabinett zu bilden, fortzuſetzen.

Der deutſch-czechiſche Streit.

Die Regierung erläßt in der morgigen Wiener Zeitung nachſtehende Kundgebung:

Der böhmiſche Landtag iſt heute vertagt worden.

Dieſer Schritt iſt die notwendige Folge der Ergebnis - loſigkeit aller Verhandlungen, die zur Herſtellung der Arbeits - fähigkeit im böhmiſchen Landtage unternommen worden ſind. War auch während der Konferenzen auf beiden Seiten betont worden, daß der Wunſch nach Frieden vorhanden ſei, ſo blieben doch die Verhandlungen trotz der unermüdlichen und loyalen Vermittlungstätigkeit beider Gruppen des Groß - grundbeſitzes ohne Reſultat.

Daß die Dinge neuerlich dieſen Lauf genommen, vermag die Regierung weder zu enttäuſchen noch zu entmutigen. Sie hält vielmehr daran feſt, daß jedes Scheitern eines Vermittlungsverſuches nur der Ausgangspunkt eines neuen ſein muß.

Es wird vorausſichtlich im Laufe dieſes Jahres noch ein Verſuch unternommen werden, dem böhmiſchen Landtage die Arbeitsfähigkeit wiederzugeben und dieſe wichtige Kör - perſchaft zu einer Stätte friedlicher Auseinanderſetzung zu machen. Den beiden nationalen Parteien wird neuerlich die Frage geſtellt werden, ob ſie an der Befreiung unſeres ſtaatlichen Lebens von den unerträglichen Feſſeln eines alles vergiftenden und lähmenden nationalen Streites mitwirken wollen oder nicht. Die Antwort auf dieſe Frage kann ihnen nicht erſpart werden. Die öſterreichiſche O[e]ffentlichkeit hat vielmehr ein Recht zu erfahren, ob die beiden ſtreitenden nationalen Gruppen den Kampf ohne Ende und ohne Rückſicht auf die übrigen Völker des Staates fortſetzen oder ob ſie ihn endlich durch einen Vergleich eindämmen wollen. Wirt - ſchaftliche Wohlfahrt oder endloſer nationaler Hader die kämpfenden Parteien werden ſich zu dem einen oder zu dem anderen bekennen müſſen.

Seit Jahr und Tag wird nun ſchon der deutſch - czechiſche Kampf auf Koſten unſerer verfaſſungsmäßigen Einrichtungen geführt. Dauern dieſe Umſtände an, dann muß unſer konſtitutionelles Leben ſchwer gefährdet werden. Die Selbſtzerſtörung der vom deutſch-czechiſchen Streite betroffenen geſetzgebenden Körperſchaften ſchreitet unaufhaltſam fort; das Parlament aber iſt Eigentum aller Völker uud Volksſchichten des Reiches, ſie können vom böhmiſchen Streite allein nicht leben, für ſie gibt es noch andere Lebensintereſſen, ſie brauchen das Parlament als die Tribüne ihrer Anliegen und Beſchwerden und ſie werden ſich nicht widerſtandslos um alle Hoffnungen bringen laſſen, die ſie an die Geburt des neuen Volkshauſes geknüpft haben. Nur eine wie längſt erwieſen ſehr gut mögliche einverſtändliche Ordnung der nationalen Fragen kann der Zerſtörung Einhalt tun. Seit Jahr und Tag müſſen ſich die öſterreichiſchen Regierungen in der Arbeit aufreiben, die geſetzgebenden Körperſchaften vor der Vernichtung durch die Geſetzgeber, die Vertretungs - körper vor den Angriffen der Vertreter, das Recht der Wähler auf eine wirkſame parlamentariſche Wahrnehmung ihrer Intereſſen gegen die Gewählten zu ſchützen. Aber die Regierungen allein ſind außerſtande, der Zerſtörung Einhalt zu tun. Die Regierungen können den Frieden, den Waffenſtillſtand nur er - möglichen und mit allen Mitteln fördern ſchließen müſſen ihn die Streitenden ſelbſt.

Dem nochmaligen letzten Verſuche, den die Regierung ſeinerzeit mit der Flottmachung des böhmiſchen Landtages anſtellen will, wird hoffentlich ein günſtigerer Erfolg beſchieden ſein als dem jüngſten; jedenfalls aber wird er das Ergebnis haben, daß klipp und klar die Verantwortlichkeiten für den Fall des neuerlichen Scheiterns der Verhandlungen feſtgeſtellt werden. Die Bevölkerung wird erfahren, welche Parteien an der weiteren Verwüſtung des bürgerlichen Zuſammenlebens, an der ferneren Unterbindung aller nützlichen, wirtſchaftlichen und ſozialen Arbeit in der Geſetzgebung, an

Herr, Sie ſollen doch forte ſpielen! Der Pauker ſpuckt in die Hände und haut was er kann. Neues Abklopfen. Herrrrr, forte, habe ich geſagt!! Der Arme dem der Angſtſchweiß von der Stirne rinnt, nimmt alle ſeine Kraft zuſamme nund haut auf ſein Inſtrument, daß beinahe das Trommelfell platzt. Als Bülow beim nochmaligen Anhalten ihm ſein niederſchmetterndes Sie ſollen doch forte ſpielen zuruft, wagte der Aermſte zu antworten: ich kann nicht ſtärker.

Das iſt es ja eben, erwiderte Bülow nun gelaſſen, Sie ſollen forte ſpielen, Sie ſpielen ja fortiſſimo!

Sapienti ſat.

Eine der wichtigſten Regeln fürs gute Einvernhmen zwiſchen Orcheſter und Kapellmeiſter iſt: Zugeben, wenn man einmal Unrecht gehabt. Die Krone fällt einem nicht vom Haupte, wenn man ſich lachend beim vierten Horniſten ent - ſchuldigt, daß man ihm einen falſchen Einſatz gegeben. Der Mann hat es ſicher bemerkt, und gibt man ihm die Schuld, ſo könnte er ſich mit Recht merkwürdige Gedanken über ſeinen Chef machen. Nur Talentloſe irrren niemals, nur ein Feld - webel hat immer Recht, das habe ich gemerkt, als ich in einer großen Stadt Konzertmeiſter war, wo ein ehemaliger Feld - web[e]l den Stab über das Orcheſter ſchwang. Ein Orcheſter iſt wie ein gutes Reitpferd. Auch dieſes läßt ſich durch keinen Bluff, durch keine Sporen und Peitſche übir die Qualität ſeines Gebieters hinwegtäuſchen. Gar mancher junge Kapell - meiſter hat ſich nichts vergeben, wenn er auf den Rat routi - nierter Muſiker gehört und aus deren Erfahrung für ſich Nutzen gezogen. Das Talent flößt nicht ſofort auch die nötige Umſicht ein, und mancher begabte Anfänger muß ſich offen eingeſtehen, daß ihn nur die gutmütige Liebenswürdig - keit ſeiner Untergebenen über manche Klippe, wo man dem gefürchteten Umſchmeißen nahe war, hinweggeholfen. In jedem Theater-Orcheſter ſitzt irgend ein alter Poſauniſt, derſeine Pauſen gar nicht mehr zählt, ſondern ruhig ſeine Zeitung aus der Taſche zieht, um während der 264 Takte Pauſen gemütlich zu leſen aber zur rechten Zeit ſie wieder zu - ſammenfaltet, um ſeinen Einſatz richtig zu bringen. Solche Leute ſind ſehr ſchätzenswert und ein kluger Kapellmeiſter wird ſich nicht ſcheuen, ihnen einzugeſtehen, was er ihnen im Augenblick der Not ſchuldig iſt. Dies zeigte ſich bei einer Affäre, die einem unſerer größten Dirigenten, Richard Strauß, im Berliner Opernhaus paſſiert iſt. Da er ſie ſelbſt mit Vorliebe erzählt, begehe ich keine Indiskretion. Triſtan - Aufführung. Alle Welt weiß, daß es keinen berufeneren Triſtan-Dirigenten gibt, wie Richard Strauß. An dem Abend paſſierte ihm aber das Malheur im dritten Aufzug, bei der verzwickten Stelle, wo faſt jeder Takt eine neue Taktbezeichnung hat, ſich zu verſchlagen , das heißt, ſich in der Taktierung zu verſehen. Bei jeder anderen Stelle hätte es nichts zu be - deuten gehabt in dieſem Moment drohte eine Kataſtrophe. Und wirklich, das Orcheſter ſcheint aus den Fugen zu gehen, der kranke Triſtan dort oben, der den feſten Orcheſterboden unter ſeinen Füßen ſchwanken fühlt, weiß ſich bald nicht mehr zu helfen. Strauß glaubt ſchon, er würde abklopfen müſſen da, im Moment der äußerſten Not ſetzen die Poſauniſten, die in ihrer langjährig erprobten Sicherheit von der Schwankung vielleicht gar nichts bemerkt haben, mit einem Motiv ein, an dieſes klammert ſich das ganze Orcheſter. Triſtan gewinnt wieder feſten Boden und kann nun ruhig ſterben nach weiteren zehn Takten war wieder alles im alten Geleiſe. Nach Schluß der Vorſtellung läuft Strauß zu den Muſikern, die ihn gerettet, dankt ihnen, denn ohne ſie wäre ſicher ein Unglück paſſiert, und bekommt vom erſten Poſauniſten die ruhig-zuverſichtliche Antwort: Ach, wiſſen Sie, Herr Doktor, uns bringt ja ſo leicht keiner raus!

Nur Talentloſe irren nie.

der fortſchreitenden Zerſtörung der verfaſſungsmäßigen Ein - richtungen die Schuld tragen.

Dieſe einfachen und klaren Zuſammenhänge ſollen vor den Völkern des Reiches enthüllt werden, damit jedermann in die Lage komm[e], ſich ſein Urteil darüber zu bilden.

Die Wahrmund-Affäre. Aeußerungen Wahrmunds.

Die N. Fr. Pr. wandte ſich an Profeſſor Wahrmund mit der Anfrage, wie er ſich einer etwaigen Nichtgenehmigung ſeines Kollegs gegenüber verhalten würde und ob er dem Miniſterium gegenüber Ver - pflichtungen in Bezug auf das Ausmaß ſeiner Lehrtätigkeit in dieſem Winter eingegangen ſei. Profeſſor Wahrmund erwiderte: Die Nichtgenehmigung meines Kollegs würde ich mit Rückſicht auf den Wortlaut meines Ernennungsdekrets für ungeſetzlich halten. Eine Verpflichtung in Bezug auf das Ausmaß meiner Lehrtätigkeit in dieſem Winter bin ich weder dem Miniſterium noch irgend jemand anderem gegen - über eingegangen und bin in der Lage, dies aktenmäßig zu belegen. Uebrigens bemerke ich, daß meine urſprüngliche An - meldung für dieſes Semeſter einen vierſtündigen Grundriß des Kirchenrechtes, ein zweiſtündiges Eherechtskolleg und ein einſtündiges Seminar umfaßte, und daß ich mich auf Inter - vention des Dekans, der ſich hiebei auf einen Fakultäts - beſchluß berief, veranlaßt ſah, meine Ankündigung auf die nun vorliegende Form umzuändern. Der Dekan nahm dieſe Ankündigung zur Kenntnis und ſetzte ſelbſt die Stunden feſt.

Uugariſches Abgeordnetenhaus. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Das Abgeordnetenhaus verhandelt über Immunitätsangelegen - heiten. Da das Haus bei der Abſtimmung beſchlußunfähig war, wurde die Sitzung auf eine halbe Stunde ſuſpendiert.

Die Norddeutſche Allgemeine Zeitung über das Friedensbündnis. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Die Norddeutſche Allgemeine Zeitung weiſt in ihrer Wochen - rundſchau auf die geſtrige Rede des Bürgermeiſters Doktor Lueger ſowie auf den Dringlichkeitsantrag im Salzburger Landtage hin, in welchen die Erwartung ausge - ſprochen wird, daß das Bündnis des Friedens und der Kraft für ewige Zeiten fordauern werde. Das Blatt bemerkt hiezu, daß dieſer Wunſch in Deutſchland in den weiteſten Kreiſen geteilt wird.

Die Kämpfe in Spanien und Marokko. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Die Häuptlinge der Kabylenſtämme ſind hier eingetroffen, um die Abſicht, ſich bedingungslos zu unterwerfen, bekannt zu geben.

Der Feldzug der Spanier in Marokko. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Ein mautiſcher Parlamentär erſchien in Nador und erklärte, er überbringt einen Brief der Chefs der Kabylenſtämme von Nador und Barraka für den General Marina. Vor General Prozco geführt, erzählte der Parlamentär, die Lage dieſer Stämme ſei infolge Mangels an Lebensmitteln und der in den letzten Kämpfen erlittenen fürchterlichen Verluſte unhaltbar. Die Ankunft des Parlamentärs wurde dem General Marina mitgeteilt.

Sozialiſtiſch-radikaler Kongreß.

KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Auf dem ſozialiſtiſch-radikalen Kongreſſe wurde ein Brief von Leon Bourgeois verleſen, der eine Art Parteiprogramm darſtellt. Das Programm gelangt zum Schluſſe, daß die radikale Partei mehr als eine politiſche Partei ſei, weil ſie wünſche, die auf der Baſis von Geſetz, Recht und Pflicht organiſierte franzöſiſche Demokratie zu verkörpern.

KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

In der auf dem ſozialiſtiſch-radikalen Kongreſſe verleſenen Er - kkärung ſprechen die Radikalen und die ſozialiſtiſch-radikale Partei den Wunſch aus, es möge zwiſchen Kapital und Arbeit jene Harmonie hergeſtellt wurden, die den Arbeitern ermöglichen würde, Kapitalsbeſitzer zu werden. Die Erklärung ſchließt mit der Aufforderung, einen Block gegen die Antipatrioten und Klerikalen zu bilden.

Die Aeußerung des Generals d’Amade. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

General d’Amada erklärte in einem Interviev mit einem Mit - gliede des Matin : Es iſt wahr, ich habe mich gegen die Disziplin vergangen, aber ich habe die Entſchuldigung, daß ich nur an das Intereſſe des Landes dachte. Ich glaubte ſelbſt der Sache des internationalen Friedens zu nützen und dachte, daß ich dieſe Pflicht zu erfüllen hätte. Dies erſchien mir ſtärker als die Pflicht zu ſchweigen. Ich werde312. Oktober 1909. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. meinen Fehler ohne Murren büſſen und ſtillſchweigend eine rührige Stimmung und die Stunde abwarten, wo ich Frank - reich wieder dienen kann. Die meiſten Blätter billigen rückhaltlos die Entſcheidung der Regierung, die im Intereſſe der Disziplin notwendig war, hoffen aber, daß d’Amade bald in den aktiven Dienſt rückkehrt.

Die Reiſe des Zaren nach Italien. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Wie verlautet, erfolgt die Abreiſe des Zaren nach Italien am 19. Oktober via Odeſſa-Alexandrowo-Poſen-München. Iswolsky ſoll den Zar begleiten.

Aus Serbien.

Der öſterreichiſch-ungariſche Geſandte Graf Forgach hat von der gemeinſamen Re - gierung den Auftrag erhalten, der ſerbiſchen Regierung zu erklären, daß Oeſterreich-Ungarn in keine Handels - vertragsverhandlungen mit Serbien eintrete, bevor nicht eine Ordnung der übrigen politiſchen Verhältniſſe geſchaffen wird.

Demonſtrationen gegen Oeſterreich-Ungarn.

Bei der im Nationaltheater ſtattgehabten Aufführung des Stückes Hadſchiloja kam es zu öſterreich-feindlichen Demonſtrationen. Die zahlreich an - weſenden Serben ſchrien Abzug Oeſterreich! Hoch das ſerbiſche Bosnien!

Konſiskation eines ſchmähendes Aufrufes.

Die Regierung hat einen Auf - ruf der revolutionären Jugend konfisziert, der grobe Schmähungen gegen Kaiſer Franz Joſef und die ſchwerſten Angriffe gegen die Dynaſtie Karageorgewitſch enthielt. Der Aufruf forderte zur Revolution und zur Gründung einer Republik auf, die Serbien Montenegro, Bosnien und Herzegowina umfaſſen ſoll.

Galiziſcher Landtag.

Die geſtrige Sitzung wurde vom Landmarſchall um halb 11 Uhr Vormittags eröffnet, worauf der Antrag des Abg. St. H. Badeni betreffend die Verbindung der Eiſenbahnſtrecke Lemberg Podhajce mit der Linie Stanislau Huſiatyn verleſen wurde. Außerdem brachte Abg. Skwarko einen Dringlichkeitsantrag betreffend die Anbringung rutheniſcher Aufſchriften an den öffentlichen Gebäuden Oſtgaliziens ein. Nach Uebergang zur Tagesordnung wurde der Bericht des Landesausſchuſſes[ü]ber die Bewilligung der Aufnahmen eines Darlehens von einer halben Million Kronen durch den Bezirk Brzezany der Adminiſtrationskommiſſion zugewieſen. Danauf verlas Abge - ordneter Adam den Bericht der Gewerbekommiſſion über den Antrag des Abg. Battaglia, betreffend die Orga - niſation einer Statiſtik für den auswärtigen Handel Galiziens. Abg. Lewicki erklärt, daß die ukrainiſchen Ab - geordneten prinzipiell gegen den Antrag ſtimmen werden, weil Handels - und Kommunikationsangelegenheiten dem Reichsrate unterſtehen und daß die Ruthenen auch in Wien eventuell gegen dieſes Projekt Proteſt einlegen werden. Der End - zweck dieſes beabſichtigten Geſetzes ſei die Erweiterung der Landesautonomie, was von den Ruthenen unbedingt bekämpft werden müſſe, ſolange nur ein Volk in Galizien die Herr -ſchaft ausübe, daher beantrage Redner, über den Antrag des Abg. Battaglia zur Tagesordnung zu übergehen. In ähnlichem Sinne drückte ſich der allrutheniſche Abg. Hanczakowski aus und erklärte, daß, falls der Antrag Lew[i]ckis nicht durch - dringen ſollte, er den Antrag ſtelle, dieſe Angelegenheit wieder den einzelnen Kommiſſ[i]onen mit dem Bedeuten zuzu - weiſen, die Regierung in einer Reſolution aufzufordern, auf geſetzlichem Wege die Frage der Handelsſtatiſtik der ein[z]elnen Kronländer zu erledigen. Abg. Battaglia polemiſierte mit ſeinen Vorrednern und trachtete den Beweis zu erbringen, daß der von ihm beantragte Geſetzesentwurf die Grenzen der Kompetenz des Landes nicht überſchreite. Da ſich zur Dis - kuſſion im ganzen 17 Abgeordnete gemeldet hatten, wurden Generalredner gewählt. Der Kontraredner Abg. Olesnicki erklärte, daß die Ruthenen, inſoweit obiger Antrag die Er - weiterung der Landesautonomie im Auge habe, derſelben entgegengetreten werden, weil die Polen die Erweiterung der Landesautonomie zur Bedrückung der Ruthenen ausnützen. Schließlich beendigte Abgeordneter Olesnicki ſeine Rede mit folgenden Worten: Wir werden nicht zulaſſen, daß Ihr die Landesautonmie auch nur einen Schritt breit vergrößert, bis Ihr bem rutheniſchen Volke volle Nationalautonomie zugeſtanden habt. Proredner Abg. Koliſcher bat die Ruthenen einen anderen Ausweg aus dieſer ſchwierigen Lage anzugeben und die Polen würden ihm mit Vergnügen folgen. Die Handelsſtatiſtik unterſtehe niemender Kompetenz, ſei aber notwendig. Redner appelliere an die Ruthenen, keine Schw[i]erigkeiten dort zu bereiten, wo es ſich um ein gemeinſames Intereſſe handle. Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Adam, einer tatſächlichen Berichtigung des Korol, erklärte Abg. Olesnicki, daß das projektierte Geſetz eine Aenderung der Landesſtatuten bedeute, wozu Zweidrittel Majorität erforderlich ſei. Abg. Korol erklärte, daß die altrutheniſchen Abgeordneten ſich der Abſtimmung enthalten werden. Als der Landmarſchall erklärte, daß obiger Antrag keine Statutenänderung bedeute, verließen die ruthe - niſchen Abgeordneten den Sitzungsſaal. Nun wurden die Anträge Lewicki und Hanczakowski abgelehnt und es begann die Einzeldiskuſſion. Beim § 1 ſprachen von den Ruthenen die Abgeordneten Staruch und Korol, beim § 2 Abgeordneter Olesnicki, da viele Abgeordnete ſich zum Wort gemeldet hatten, wurden zum Kontraredner Abg. Fürſt Lubomirski, zum Proredner Abg. Koliſcher gewählt. Beide verzichteten aufs Wort. Beim § 4 ſprachen Skwarko, Staruch und Hanczakowski, beim § 5 Abg. Dr. Lewicki. Damit ſchloß der Landmarſchall die heutige Sitzung um ein Viertel 3 Uhr nachmittags. Die nächſte findet Montag ſtatt.

Die landwirtſchaftliche Kommiſſion beſchäftigte ſich geſtern mit der Fortſetzung der Diskuſſion über den Antrag der polniſchen Volkspartei, be - treffend die Erneuerung des gegen den Handelsvertrag mit Rumänien gerichteten Landtagsbeſchluſſes vom Jahre 1907. Der Antrag wurde mit 12 gegen 8 Stimmen angenommen. Hierauf referierte Abg. Marszalkowicz über den Antrag Maryewski betreffend die Aufhebung der Zollumlage für Korn bis zum Juli des nächſten Jahres. Auf den Vorſchlag des Referenten hin ging die Majorität über dieſen Antrag zur Tagesordnung hinweg. Die Minorität will ihn trotzdem im Landtage aufrecht erhalten. Zum Minoritätsreferenten wurde Abg. Battaglia gewählt. Die Straßenkommiſſion erledigte einige den Straßenbau betreffende Referate und beſchloß 2.500 Kilometer Bezirksſtraßen in die Verwaltung des Landes zu übernehmen.

Ueber Einladung des Abge - ordneten Dolinski fand geſtern abends eine Sitzung aller ſtädtiſchen Abgeordneten (56) ſtatt, an der auch der Land - marſchall Graf Badeni teilnahm. Gegenſtand der Beratung war die Frage, wie man den Städten für die erſte Zeitnach der A[u]fhebung der Propination das Recht, die Ge - meindeumlagen von Provinationsumlagen zu erhöhen, ſichern könnte. Schließlich wurde ein ſechsgliedriges Komitee gewählt, das mit der Ausarbeitung eines Antrages betraut wurde, wie dieſe Frage in einer der nächſten Landtagsſitzungen zur Sprache gebracht werden ſolle.

Der Fluchtverſuch des Ex-Sultans. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

An unterrichteter Stelle iſt über einen angeblichen Flucht - verſuch des Ex-Sultan Abdul Hamid nichts bekannt. Dieſer zeigte ſich nur in den letzten Tagen infolge des Er - ſcheinens der türkiſchen Flotte im hieſigen Hafen ſehr auf - geregt, da er ſich ihre Anweſenheit nicht erklären konnte. In dem von ihm bewohnten Palais ereignete ſich nichts bemerkenswertes; auch im Wachtdienſte daſelbſt wurden keine umfaſſenderen Maßnahmen getroffen.

Bunte Chronik.

Die Schreckensherrſchaft in Rußland.

Ueberfüllte Gefängniſſe. Typhus und Skorbut. Im Durchgangsgeſängnis. Grauſamkeit und Folterungen. Mit Feuer gemartert. Selbſtmordepidemien.

Fürſt Krapotkin, der bekannte Revolutionär, der ſeit Jahren in England Aſylrecht genießt, hat für das parlamen - tariſche Komitee in London, das ſich aus bedeutenden Parlamentariern zuſammenſetzt, eine Broſchüre geſchrieben, die auf Grund unanfechtbaren Materials die heutigen Zu - ſtände in Rußland behandelt. Die Broſchüre iſt ſoeben bei Robert Lutz in Stuttgart in deutſcher Sprache erſchienen; ſie enthüllt Zuſtände eines blutigen Unterdrückungsſyſtems, mittelalterlicher Grauſamkeit, dunkelſter Reaktion, die un - glaublich erſcheinen würden, wenn Fürſt Kropatkin ſich nicht auf amtlich dokumentiertes Material ſtützen würde. Beſonders packend ſind die Schilderungen der Verhältniſſe in den ruſſiſchen Gefängniſſen und unter ſibiriſchen Verſchickten jene traurigen Verhältniſſe, die alles in den Schatten ſtellen, was in den letzten 30 Jahren über ruſſiſche Gefängniſſe und Verbannte geſchrieben wurde.

Aus einem amtlichen Dokument, das dem Staatsrat von der Verwaltung der Geſängniſſe am 15. März d. J. unterbreitet wurde, geht hervor, daß am 1. Februar 1909 in den Gefängniſſen des ruſſiſchen Reiches 181.137 Gefangene interniert waren. Dazu kommt die Zahl der auf dem Transport befindlichen Sträflinge, die amtlich auf 30.000 geſchätzt wird. Nicht mitgerechnet ſind auch die in den poli - zeilichen Arreſtlokalen in den Dörfern und Städten einge - ſperrten Perſonen, deren Zahl nicht einmal annähernd ſich angeben läßt, wenn auch die ruſſiſche Preſſe Schätzungen verſucht hat, die zwiſchen 50.000 und 100.000 ſchwanken. Gerade in den Arreſtlokalen der Polizei aber werden die ſchlimmſten Grauſamkeiten gegen die Gefangenen verübt. Die berüchtigten Folterkammern von Grinn in Warſchau und Gregus in Riga (beide von den Gerichten verurteilt) waren polizeiliche Arreſtlokale. In einzelnen Orten liegen drei - bis viermal ſo viel Gefangene, als das Gefängnis unter normalen Verhältniſſen aufnehmen dürfte. Die Folge der Ueberfüllung iſt, daß Skorbut und Typhus ſich in er - ſchreckendem Maße ausgebreitet haben.

Sogar in den großen Gefängniſſen, wie in der Bu - tyrki-Strafanſtalt in Moskau, nur wenige Stunden vom Amtsſitz des Miniſteriums des Innern entfernt, herrſchen

Aus der Bahn geſchleudert.

18] (Nachdruck verboten).

Ihr Feuer ſtimmte vorzüglich zu dem ſchwarzen Spitzen - kleid, das ſie trug, und nicht minder gut zu ihrer Geſichtsfarbe.

Ihr Weg führte ſie durch eine lange Zimmerflucht, die mit des Advokaten Kabinett abſchloß. Neben dieſem befand ſich ſein Rauchzimmer. Die Verbindungstür zwiſchen beiden war geſchloſſen, und Frau Jenny blieb lauſchend ſtehen, ehe ſie näher trat. Jenö ſchien noch nicht bei dem Vater zu ſein, deun nebenan wurde keine Stimme hörbar, nichts als der monotone Schritt eines ungeduldig Auf - und Abgehenden.

Einen Augenblick noch überlegte ſie, dann ging ſie raſch auf die geſchloſſene Tür zu, drückte die Klinke nieder und trat in das Kabinett.

Cſallova[r]y blieb ſtehen und betrachtete ſie ſpöttiſch: Du zu dieſer Stunde? fragte er. Dieſe Ehre verſchafft mir wohl nur den Wunſch, Deinem Sohn zu ſekundieren, dieſem Liederjahn, der mich noch ins Grab bringen wird!

Von wem redeſt Du, von Jenö oder von Marczi!

Von Jenö natürlich, der wieder einmal den Beutel voll Schulden hat, wie Du recht gut weißt! grollte der Mann.

Je[n]ö ſoll Schulden haben ! glitt es wie in maß - loſem Staunen über Frau Jennys Lippen, die an der Rolle der Ueberraſchten unentwegt feſthielt. [ Davon] hatte ich keine Ahnung, und ich kann es mir auch nicht erklären, denn im Vergleich zu den anderen jungen Leuten in ähnlichen Ver - hältniſſen iſt er die Solidität und Anſpruchsloſigkeit ſelbſt!

Wenn die anderen jungen Leute noch liederlicher ſind als er, mögen es ja gewaltig nette Früchtchen ſein, zu denen ſich ihre Eltern beglückwünſchen dürfen! Ich bezweifle jedoch, daß man das fertig bringt! ſchnaubte Cſallovary ſie an.

Frau Jenny hatte ihre Abſicht erreicht, des Gatten Zorn kehrte ſich jetzt in erſter Reihe gegen ſie, die ihn nicht fürchtete.

Du übertreibſt furchtbar, lieber Pal, wie übrigens immer wenn du erregt biſt! erwiederte ſie gleichgiltig.

Selbſtverſtändlich wenn es ſich um Deinen Liebling handelt, dann übertreibe ich furcht bar! Wie man ſich an dieſem Schlingel einen Narren freſſen kann, iſt mir einfach unfaßlich, dazu gehört Weiber-Verrücktheit!

Pal! Ich bitte mir aus, daß Du Dich anſtändig ausdrückſt, wenn Dn mit mir ſprichſt! Hat er wirklich wieder Schulden gemacht, ſo kann es nur daran liegen, daß Du ihn im Verhältnis zu unſerem Vermögen zu knapp hälſt.

Zu knapp? Monatlich 500 Kronen Taſchengeld für ſeine Privatausgaben, das ungerechnet, was Du dem jungen Herrn heimlich zuſteckſt, ſollten zu wenig ſein? Nicht einmal Handſchuhe und Kravatten bezahlt er davon! Ich habe während meiner Univerſitätszeit 150 Gulden bekommen für alles, habe Wohnung, Verpflegung, alle laufenden Ausgaben davon beſtreiten müſſen und habe doch niemals einen Kreuzer Schulden gehabt. Hätte es mir auch nicht raten mögen, der Vater würde mich auf der Stelle heimgeholt und obendrein noch halb tot geprügelt haben! Mein Herr Sohn aber, der ſich nun zum Vergnügen und zur Allotria in der Welt glaubt

Red keinen Unſinn, Pal!

Du redeſt töricht und, was ſchlimmer iſt Du handelſt töricht, denn Du unterſtützt Jenö in ſeiner Liederlichkeit!

Ein raſches, kurzes Klopfen an der Tür und herein trat der älteſte Sohn des Hauſes, Frau Jenny verjüngtes und ins Männliche übertragene Ebenbild.

Er kam aber nicht als banger oder reuiger Sünder. Ziemliche Blaſiertheit, viel Müdigkeit, noch mehr Selbſtge - fälligkeit und ein unter den obwaltenden Umſtänden verblüffende Unbefangenheit, das war es was Miene und Haltung aus - drückten.

Du haſt mich rufen laſſen, Papa! ſagte er, langſam näher kommend.

Cſallovary drehte ſich auf dem Abſatz herum und maß Jenö mit Blicken, in denen ſich ſchäumender Zorn ausſprach.

Du haſt mich rufen laſſen, Papa! wiederholte er, Jenös gleichgiltigen, ſchleppenden Ton nachahmend, um dann in los - brechender Heftigkeit loszufahren: Ja, Herr Sohn, ich habe Dich rufen laſſen, damit Du mir Rede ſtehſt und vernimmſt, was ich beſchloſſen habe! Karl Roſenleib war heute bei mir mit einem geſtern fällig gewordenen Wechſel über 50000 K, den Du nicht eingelöſt haſt!

Hatte der Advokat erwartet, der Sohn werde unter der Wucht dieſer Mitteilung zuſammenknicken, ſo mußte er eine Enttäuſchung erfahren. Jenös Mienen veränderten ſich nicht, er hob bloß die Schultern und ſagte verächtlich:

Der Schuft! Ich werde dafür ſorgen, daß niemand vom Club of Sportsmen ſich ſeiner mehr bedient!

Iſt das alles, was Du Deinem ſchmählich mißbrauchten Vater zu ſagen haſt. Du erbärmlicher Menſch Du? ſchrie Cſallovary, dunkelrot im Geſicht mit überſchnappender Stimme.

Pal, bedenke doch, daß Du mit unſerm Sohne redeſt! Jenö hat ſich, Gott ſei Dank, noch nie einer Erbärmlichkeit ſchuldig gemaat, er iſt eine echte Kavaliersnatur!

So werde ich ihm wohl noch ein von kaufen müſſen, damit er etwas an ſeinen Namen zu hängen hat! Wie kommſt Du dazu, von Karl Roſenleib 50000 Kronen zu borgen?

Weil ich ſie haben mußte, Du ſie mir aber nicht ge - geben hätteſt!

Da haſt Du recht!

Nun alſo, was bleibt einem dann übrig, als die Roſen - leib, Roſenzweig und ſolche Kerle?

Was bleibt einem dann übrig, als die Roſenleib und ſo weiter Iſt das die Sprache, die man führt, wenn man als Lausbub von 23 Jahren vor ſeinen Vater hintreten und ihm geſtehen muß, daß man hinter ſeinem Rücken 50000 K verlumpt hat? Weißt Du, was Dir gehört ?

Verlumpt habe ich nichts, Papa ich hatte bei den April-Rennen Unglück drei Wetten verloren

Habe ich Dir das Wetten nicht ſtreng unterſagt?

(Fortſetzung folgt.)

4Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 12. Oktober 1909.

grauenhafte Zuſtände. Mitglieder der Duma, die dort Strafen verbüßten, bezeugen, daß die gelieferten Kleider - und Wäſche - ſtücke beim Anziehen in F[e]tzen fielen. Einmal nur im Jahr werden die Strohk[i]ſſen der Lagerſtätten neu gefüllt. Matratzen gibt es nicht; nicht einmal Filzſtücke, auf die man ſich hin - ſtrecken könnte. Deck[e]n auch nicht. Friſche Wäſche wird nur dann verteilt, wenn Inſpektion durch ein Mitglied der oberſten Adminiſtrationsbehörde bevorſteht. In dieſem Ge - fängnis mit ſeinen 1300 zu ſchwerer Kerkerarbeit verurteilten Sträflingen, von denen die Hälfte politiſche Verbrecher ſind, iſt jede Zelle zwölf Schritte lang und fünf Schritte breit. Jeder Raum iſt mit 25 Gefangenen beſetzt, die einmal im Tag 15 Minuten lang an die freie Luft geführt werden. Von den Inſaßen auf der Krankenliſte leiden 65 Prozent an Skorbut; die Kranken bleiben in den gemeinſamen Zellen, in Ketten gefeſſelt, wie alle übrigen; ſie werden von den Aufſehern fortwährend geprügelt und geſchlagen. Nach den Mißhandlungen werden die Sträflinge in das ſchwarze Loch geworfen. Dumadeputierte, die dort gefangen waren, haben die Leiden eines Mannes namens Chertetſow beſchrieben; der Unglückliche wurde ſieben Tage lang täglich mit Schlägen gequält. Am achten Tage wurde er wahnſinnig und nach weiteren drei Tagen ſtarb er.

(Schluß folgt.)

Erdbeben. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Um 6 Uhr 40 Minuten früh wurde hier ein ſchwächeres und um 7 Uhr ein ſtärkeres wellenförmiges Erdbeben verſpürt. Kein Schaden.

Luftſchiffahrt.

KB.

(Tel. der Cz. Allg.

Bei den heutigen Flugverſuchen legte Paulham 8 Runden in 21 Minuten 47 Sekunden zurück. Graf Lambert gewann den Schnelligkeitspreis, indem er in 2 Minuten und 2 Se - kunden die zwei beſten Runden zurücklegte. Den Flügen wohnten etwa 150.000 Zuſchauer bei.

KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Der Parſevalballon trat um halb 1 Uhr mittags von Gießen die Rückfahrt nach Frankfurt an, wo die Landung um einviertel 2 Uhr nachmittags glatt erfolgte.

KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Es verlautet, daß nach Schluß der Flugverſuche es auf dem Bahnhofe Inoiſy zu einem fürchterlichen Gedränge kam, wobei mehrere Perſonen verletzt wurden.

Automobilunglück. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Als der Gouverneurgehilfe Utgow im Automobil eine Ausfahrt machte, explodierte ein Benzinbehälter des Automobils. Utgow iſt leicht, ſein Begleiter und der Chauffeur erheblich verletzt. Außerdem wurde ein Paſſant getödtet und ſechs Paſſanten ver - wundet. Das Automobil verbrannte.

Todesurteile.

Dns hieſige Geſchworenengericht verurteilte einen gewiſſen Stanislowa Kaima aus Olszowce, ferner deſſen Mutter und Schweſter, welche vereint die Frau des Erſtgenannten ermordeten, um deren Vermögen an ſich zu reißen, zum Tod durch den Strang.

Prozeß Ferrers. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Nach Beendigung des Zeugenverhörs wird der Beſchluß des Gerichtshofes verkündet, mit dem der Antrag Ferrers, ſechs in Rom, Paris und Brüſſel wohnende Zeugen vorzuladen, ab - gelehnt wurde. Hierauf hält der Staatsanwalt ein Plädoyer, indem er nachzuweiſen ſucht, daß man nicht den Urheber der einzelnen Tat, ſondern den Anſtifter einer revolutionären Be - wegung verfolgt und beantragt die Todesſtrafe. Der Verteidiger Ferrers ſucht nachzuweiſen, daß Ferrer ein Opfer des Hauſes der Konſervativen ſei und führt weiters aus, man könne Ferrer nicht wegen ſeiner Handlungen verurteilen, die Gegenſtand eines anderen Prozeſſes waren, in welchem die Angeklagten freige - ſprochen wurden. Hierauf erklärte Ferrer auf Befragen des Präſidenten, man müſſe über ihn wegen der letzten Ereigniſſe zu Gericht ſitzen, ohne das zu prüfen, was er zur Zeit, als er Politiker war, getan habe. Er ſei nur im Intereſſe der Ver - breitung des Unterrichtes, der Erziehung und der Ziviliſation tätig geweſen.

Czernowitzer Angelegenheiten.

Gemeinderat. (Sitzung vom 9. Oktober 1909.)

  • Vorſitzender: Bürgermeiſter Baron Fürth.
  • Schriftführer: Oberoffizial Blaukopf.

Das Protokoll der letzen S[i]tzung wird verleſen und verifiziert. Hierauf lieſt der Bürgermeiſter eine Zuſchrift der Sparkaſſa vor, in der eingeladen wird, aus dem Gemeinderate 2 reſpektive 3 Mitglieder an Stelle der ſcheidenden GR. Balmoſch,Tittinger und Roſenzweig zu wählen. Dieſe An[g]el[e]genheit wird für die nächſte Sitzung verſchoben.

Das Renkontre zwiſchen GR. Zalodek und GR. Kwiatkowski.

GR. Zalodek: In der letzten vertraulichen Sitzung wurde ich von Dr. Kwiatkowski gelegentlich der Beratung über die Vermietung der Geſchäftslokale im Magiſtratsgebäude angegriffen. Dr. Kwiatkowski hat ſich zu einer ſachlichen Berichtigung zum Worte gemeldet. Er hat aber im Rahmen einer ſachlichen Berichtigung nicht geſprochen, und als ich auch dasſelbe tun wollte, wurde mir vom Bürgermeiſter das Wort entzogen, obwohl ich erſuchte, weiter ſprechen zu dürfen. Um nun zur Sache überzugehen, will ich Ihnen den Brief, den ich vom Sokolverein bekommen habe, vorleſen (lieſt): Euer Wohlgeboren! Der gefertigte Verein hat vom Obmanne des gemeinſchaftlichen Polenklubs in Erfahrung gebracht, daß Sie in der vertraulichen Sitzung uns beſchuldigt haben, 300 m 2 vom Gemeindegute anläßlich der U[e]bernahme des Turnplatzes ſich angeeignet, reſpektive geſtohlen zu haben. Nach einſtimmig gefaßtem Beſchluſſe vom 7. Oktober d. J. weiſen wir dieſes zurück und ſprechen Ihnen ſchriftlich unſer Mißtrauen aus. (Bewegung Unruhe auf der Gallerie)

Der Bürgermeiſter fordert die Gallerie auf, ſich ruhig zu verhalten, da er ſonſt gezwungen ſein werde, den Zuhörer - raum räumen zu laſſen.

Redner fährt fort: Meine Herren! Ich überlaſſe es Ihnen zu urteilen, können zwei Perſonen, der Obmann und der Schriftfüherer, einem Gemeinderat ein Mißtrauensvotum ausſprechen? Hat man dazu nicht eine Vollver - ſammlung nötig? In dieſer hätte ich nicht ein Miß - trauensvotum, ſondern eine Belobung erhalten, denn ich bin kein Feind der Polen. Alle Gewerbetreibenden wiſſen, daß Zalodek jede Nation ehrt und ſchätzt und mit aller Hoch - achtung einem jeden nationalfeſten Manne begegnet. Jene Herren wiſſen, daß ich hier gar nichts anderes tun will, als der großen Korruptionsklique entgegentreten, die im Ge - meinderate graſſiert. Daß eine ſolche hier herrſcht, haben die Gemeinderäte ſelbſt damit beſtätigt, daß ſie die in einem Briefe des GR. Trompeteur vorgeworfene Korruption nicht zurückwieſen, alſo einſahen, daß dieſelbe vorherrſche. Ich will Ihnen beweiſen, daß eine ſolche Korruption geherrſcht hat und noch herrſcht. Ich will Ihnen beweiſen, daß im Jahre 1907 Dr. Kwiatkowski durch den Kauf des Turnplatzes die Stadt mit 15.000 K geſchädigt hat. Im Jahre 1907 hat GR. Dr. Kwiatkowski einen Dringlich - keitsantrag geſtellt auf Anlegung eines allgemeinen Turn - platzes. Der Gemeinderat hat einen Platz im Ausmaße von 9700 m 2 bewilligt. Es war damals nur von einem all - gemeinen Spielplatz die Rede. Am 19. Juni 1907 kam aber ein Kauf mit dem polniſch[e]n Vereine zuſtande und zwar wurden 9700 m2 à 2 K geſchätzt. Das iſt ein Spottpreis, trotz der zugezogenen Schätzleut[e]. Die Koſten betrugen 19.000 K, welcher Betrag zinſenfrei auf 10 Jahresraten ausgedehnt wurde. So iſt die Gemeinde um 800 K verkürzt worden.

Jetzt frage ich, verdiene ich Vorwürfe dafür, daß ich über das Gemeindevermögen wache. Nur der Korruptions - wirtſchaft iſt es zuzuſchreiben, daß wir jetzt 8 Millionen Schulden haben. Ich erlaube mir an den Herrn Bürgermeiſtrr die Frage zu richten: Ob er geneigt iſt, die Sokolen auf - merkſam zu machen, daß dieſer Platz auch für andere Nationen zugänglich iſt? ferner dem GR. Dr. Kwiat - kowski klar zu legen, daß die Beſprechungen der ver - traulichen Sitzung geheim bleiben müſſen. Schließlich verlange ich, daß der Planken, mit welchem der Turnplatz umzäumt iſt, abgetragen werde. Der Bürgermeiſter erwidert folgendes: Jeder Gemeinderat iſt für das, was er tut, ſelbſt verant - wortlich. Ich kann ihm öffentlich keine Rüge erteilen. Die Sokolen haben den Platz für einen Turnplatz bekommen. Es hat bis heute noch keiner von den anderen Nationen darüber Beſchwerde geführt. Schließlich iſt kein Grund für die Ab - tragung des Plankens vorhanden.

GR. Dr. Kwiatkowski führt folgendes aus: Es wurden hier verſchiedene Fragen angeſchnitten und indem GR. Zalodek erklärt hat, daß er der Nachfolger des Trompeteur iſt und gegen die Korruption im Gemeinderate anzukämpfen vorhat, ſo will ich ihm zu Hilfe kommen. Ich will nun die Entſtehungsgeſchichte dieſer Angelegenheit dar - legen. Die Korruption beſteht nach jener Behauptung darin, daß ein Teil der Bürgerſchaft an die Kommune herangetreten und geſagt hat: Du[,]Kommune, haſt die Aufgabe, die kulturelle Entwicklung der einzelnen Nationalitäten, welche in der Stadt wirken und zum Gedeihen der Stadt beitragen, zu fördern. Du haſt daher auch die Pflicht, auch uns Polen zu unterſtützen, verkaufe uns daher den Platz. Warum haben wir nicht darauf hingewieſen, daß die Korruption dort begonnen hat, als die Kommune den Deutſchen vor 6 oder 8 Jahren ein Grundſtück unter den gleichen Bedingungen wie uns verkauft hat. Die Deutſchen haben aber das Grundſtück weiter verkauft. Das Verſchenken hat alſo nicht bei uns begonnen. In demſelben Jahre haben die Ruthenen auch ein Grundſtück in der Nähe der Kaſerne erhalten. Es iſt aber niemandem eingefallen, von Korruption zu ſprechen. Meine Herren! es iſt nicht vorteilhaft, irgend eine Sache mit Ge - häſſigkeit zu behandeln. Man verliert das klare Urteil und verfällt in Widerſprüche.

Zur Aufklärung der Sache wiederhole ich: Es wurde ein Beſchluß gefaßt, den Sokolen den Platz zu überlaſſen und eine Kommiſſion vom Stadtmagiſtrate zur Uebernahme ent - ſendet. (GR. Zalodek: Nur die Akten.) Die Magiſtrats - funktionäre ließen den Platz mit Pflöcken abſtocken, die noch heute zu finden ſind. Der Planken befindet ſich hinter den Pflöckern und nicht auf dem Gemeindegute. Ein Geometer hat den Platz gemeſſen und gefunden, daß ein 300 Meter langer Streifen zuviel iſt. Dieſe Konſtatierung wurde dem Magiſtrate gemeldet und wir waren bereit, dieſen Streifen zu kaufen, oder ihn ſofort der Gemeinde abzutreten. Der Magiſtrat antwortete in dieſer Zuſchrift, daß er die An - gelegenheit in kurzem erledigen werde und wir haben daraufgewartet. Da nun dieſe Affäre 3 Gemeinderäten übertragen wurde, ſo kann ich nur ſagen, daß die Polen ganz ruhig dem Ergebnis der Unterſuchung entgegenſehen.

GR. Zalodek bemerkt, daß er nicht im Namen ſeiner Partei, ſondern im eigenen Namen geſprochen habe.

GR. Kaindl meint, daß ein Angriff auf Doktor Kwiatkowski nicht gleich auch auf die Polen im Lande zu beziehen ſei. Ja es ſei den Deutſchen ſogar nie eingefallen, jene in ihren kulturellen Fortſchritten zu hindern.

GR. Leo ſchließt ſich auch der Anſicht des Prof. Kaindl an, indem er meint, daß er mit Polen ſehr viel verkehrte und noch verkehre und ſie hochſchätze.

GR. Kwiatkowski ſagt, es ſei gegen ihn die Bombe geworfen worden, ohne daß er je eine perſönliche Frage vertreten hätte. Daß die Redner gegen ſeine Perſon aufs ſchärfſte vorgegangen ſind, könne ihm nur ſchmeicheln. Er müſſe doch etwas bedeuten.

(GR. Zalodek: Nieder mit der Korruption. Bravo und Pfui-Rufe auf der Gallerie; dieſelbe wird über Anordnung des Bürgermeiſters geräumt).

Interpellationen.

Nach der Pauſe erhält GR. Skalat das Wort zu einigen Interpellationen. Vor allem bittet er um Unter - ſtützungen für die Bewohner von Roſch und Klokuczka, die am 6. Juni durch das Hagelwetter geſchädigt wurden. Ferner bitten die Bewohner der Molitzergaſſe um die Errichtung von Lampen.

GR. Norſt bemerkt hiezu, daß man die Bewohner der Vorſtädte dringend aufmerkſam machen muß, daß ſie ihre Grundbeſitze verſichern ſollen, da der Magiſtrat nicht über ſoviel Geldmittel verfügt, um jedem helfen zu können.

GR. Dr. Straucher proteſtiert dagegen, daß bei den Prutharbeiten Soldaten und nicht Arbeiter verwendet werden. Bei der heutigen Arbeitsloſigkeit ſei dies ein ſchreiendes Unrecht.

Der Bürgermeiſter erwidert, daß zur Zeit der großen Ueberſchwemmungen keine Arbeiter aufzutreiben waren, da ſich niemand einer Gefahr ausſetzen wollte. Da hat man ſich an das Militärkommando gewendet, welches geübte Pionniere zur Verfügung ſtellte.

Ernennung.

Unſer Landsmann Jakob Ritter von Mikuli wurde zum Sektionschef bei der bosniſchen Landesregierung ernannt.

Bukowiner Lokalbahnen.

Der Präſident des Verwaltungsrates Emanuel Ziffer und der Verwaltungsrat Moritz Pflaum der Bukowiner Lokalbahnen ſind aus Wien in dienſtlichen Angelegenheiten hier eingetroffen.

Die Landtagswahlreform.

Die Zentralregierung hat die telegraphiſche Anfrage, ob ſie eine Reduzierung der zwei für die Handelskammer vorgeſehenen Mandate auf eines genehmigen würde, unbedingt ablehnend beantwortet, ſo daß nach dieſer Richtung hin die Beſchlüſſe des Permanenz - ausſchuſſes illuſoriſch geworden ſind. Dennoch wurde der Landtag für den 15. d. M. einberufen und iſt eine zwei - tägige Seſſion (Freitag und Samstag) vorgeſehen, die aus - ſchließlich der Wahlreform gewidmet ſein ſoll. Inzwiſchen wird in jüdiſchen Nationalkreiſen die Wahlreform in ihrer gegen - wärtigen Geſtalt bekämpft, weil alle Kreiſe, die den Kataſter haben wollten, auf dem jüdiſchen Kataſter beharren. Das Gezwungene und Unwahre in dem deutſch jüdiſchen Kataſter tritt aus jeder diesbezüglichen Beſtimmung hervor, und auch in deutſchnationalen Kreiſen iſt man über die Beſchlüſſe des Permanenzausſchuſſes nichts weniger als erbaut. Die Jüdiſch - nationalen entſenden eine Deputation nach Wien, welche bei Miniſter Härdtl vorſprechen und ihn nicht nur auf die Zurückſetzung der Juden, ſondern auch auf die zahlloſen techniſchen Ungereimtheiten und Unmöglichkeiten, die der Ent - wurf aufweiſt, aufmerkſam machen ſoll. Für alle Fälle herrſcht die Empfindung vor, daß dieſer Wahlreformentwurf in ſeiner Monſtruoſität unmöglich Geſetz werden kann und man wird ſich allgemach der Ueberzeugung derjenigen anſchließen müſſen, welche einen 5, oder 4fachen Kataſter, in welchem ganze Wählergruppen demnach unberückſichtigt bleiben, für eine Un - möglichkeit halten. Man werde das iſt unſere unumſtößliche Meinung ſchließlich doch zur reinen territorialen Wahl - kreiseinteilung zurückkehren müſſen. Tagesordnung für die am Freitag den 15. Oktober 1909 um 10 Uhr Vor - mittag ſtattfindende Eröffnungsſitzung des Bukowiner Land - tages in der 5. Seſſion der 10. Wahlperiode: 1. Entgegen - nahme von Angelobungen, 2. Wahl der landtäglichen Ausſchüſſe, 3. Bericht des landtäglichen Permanenzausſchuſſes zur Beratung der Wahlreform 1. über die Aenderung der Land[e]sordnung, 2. über eine neue Landtagswahlordnung für das Herzogtum Bukowina, ſowie 3. über das Wahlpflichtgeſetz.

Zahlreiche hohe Auszeichnungen

ſind ſeit langem den Maggi-Erzeugniſſen zuerkannt. Auf den großen Ausſtellungen aller Länder erwarben ſie ſich nicht weniger als 13 Staatsmedaillen, 9 Großpreiſe, 67 Goldene Medaillen, 21 Ehrenpreiſe u. ſ. w. An mehreren erſten Weltausſtellungen beteiligte ſich die Firma außer Wettbewerb, da ihr Be - gründer, Julius Maggi, als Preisrichter fungierte, ſo in Paris 1889 und 1900. Auch bei unſeren Hausfrauen haben ſich ja Magais Würze ſowie neuerdings Maggis Rindſuppe-Würfel à 6 Heller verdientes Vertrauen erworben weil die Maggi-Produkte halten, was ſie verſprechen.

Die nicht ſtandesgemäße Heirat des ruſſiſchen Großfürſten Michael Michaelowitſch,

die vor einigen Jahren ungeheures Aufſehen erregte, bildet den Gegenſtand des Romanes Standesgemäß , der von ſeiner Kaiſerlichen Hoheit dem Großfürſten ſelbſt geſchrieben iſt und in dem ſoeben beginnenden Jahrgange der Oeſterreichiſchen Familien - und Moden-Zeitung zum Abdrucke gebracht wird. Dieſelbe iſt die vornehmſte Familien - und Frauen-Zeitung der Monarchie. Sie bringt allen Fam[i]lienmitgliedern Belehrung und praktiſche Anregung, und iſt infolge ihrer einzig daſtehenden Vielſeitigkeit das512. Oktober 1909. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Lieblingsblatt der beſſeren Kreiſe geworden. Jedes Heft enthält neben gediegenen und ſpannenden Romanen und be - lehrenden Artikeln eine ſarbige Kunſtbeilage. Die Gratis - beilage Illuſtrierte Chronik der Zeit iſt eine bildliche Er - gänzung zu jeder Tageszeitung. Abwechſelnd bringen die einzelnen Hefte außerdem folgende Beilagen: 1. Moden für Erwochſene, 2. Wäſche für Erwachſene, 3. Kindermoden, 4. Wäſche für Kinder und Muſtervorlagen für weibliche Handarbeiten, mit jährlich 26 gebrauchsfertigen Schnitt - muſterbogen für Mode und 24 gebrauchsfertigen Schnitt - und Stickmuſterbogen für Wäſche. Die Oeſterreichiſche Familien - und Modezeitung koſtet wöchentlich nur 24 h, oder vierteljährlich K 3·20 durch Poſtzuſtellung frei ins Haus. Alles Nähere wollen Sie aus dem unſerer heutigen Nummer beiliegenden Proſpekte erſehen. Abonnementsvor - ſtellungen nehmen alle Buchhandlungen am Orte oder, wo eine ſolche nicht bekannt iſt, die Adminiſtration der Oeſterreichiſchen Familien - und Modenzeitung , Wien I, Falkenſtraße 6 (Stubenring), entgegen.

Großgrundbeſitzer Roman Freytag erſchoſſen.

Aus Waszkoutz kommt die Meldung, daß am Samſtag abends 9 Uhr der Großgrundbeſitzer Roman Freytag er - ſchoſſen wurde. Die Tat geſchah auf offener Straße. Am Samſtag hielt ſich der Ermordete auf ſeinem Gute Zamoſtie auf, um einige Anordnungen bezüglich der Wirtſchaft zu treffen. Gegen 7 Uhr abends fuhr er in einem Wagen, von ſeinem Buchhalter begleitet, nach Waszkoutz zurück, da er ſeiner Frau verſprochen hatte, am ſelben Tage nach Hauſe zu kommen. In beſter Unterhaltung mit ſeinem Angeſtellten fuhr er die Straße dahin. Er hatte dem Kutſcher den Auftrag ge - geben, die Pferde[a]nzutreiben, da er raſch zu Hauſe ſein wollte. Vor einer Brücke aber, die über den Czeremoszfluß führt, hemmte der Fuhrmann den Lauf der Pferde. Der Wagen hatte noch nicht die Hälfte des Rückweges zurückgelegt, als plötzlich ein helles Feuer aufblitzte und im nächſten Momente Roman Freytag mit einem ſchmerzerſchütternden Schrei vom Wagen fiel. Der Kutſcher und der Begleiter ſprangen ſofort ab und machten ſich um ihren blutüberſtrömten Herrn zu ſchaffen. Eine große Schrottladung hatte ihn im Rücken in der Lungengegend getroffen, er verlor nach einigen Minuten das Bewußtſein, und als ſein Privatſekretär, der ſofort aus Ufer lief, um Waſſer zu holen, zurückkam, war Großgrundbeſitzer Roman Freytag bereits eine Leiche. Die Nachricht ver - breitete ſich ſofort wie ein Lauffeuer in Waszkoutz, einige Bürger bewaffneten ſich ſogleich, um den Mörder ausfindig zu machen.

Das Motiv der Tat.

Ein politiſcher Mord?

Ueber das Motiv der Ermordung des Großgrundbeſitzers Roman Freytag herrſcht noch Unklarheit. Nach der einen Verſion ſoll ein politiſcher Mord vorliegen. In Waszkoutz finden nämlich morgen Gemeinderatswahlen ſtatt, die jetzt im Zeichen des Kampfes zwiſchen Altruthenen und Jung - ruthenen ſtehen. Schon ſeit Wochen werden Konferenzen und Wahlverſammlungen der ſtreitenden Parteien abgehalten. Da die Altruthenen durch die jüdiſchen Wähler Verſtärkungen er - hielten und Roman Freytag ſich mit Eifer für die alt - rutheniſchen Kandidaten, namentlich für bie Wahl eines alt - rutheniſchen Gemeindevorſtehers einſetzte, hatten die Sicz. Vereine nach dieſer Verſion gegen ihn Rache geſchworen. Die politiſche Urſache hat es für ſich, da es in Waszkoutz bekannt iſt, daß der Ermordete vor zwei Jahren, als er ſich beim gleichen Anlaſſe für die Altruthenen einſetzte Drohbriefe erhielt, ſo daß er ſich genötigt ſah, ſelten ſeine Güter zu inſpizieren.

Opfer von Grundſtreitigkeiten?

Nach einer andern Verſion ſoll Roman Freytag, der mit einigen Bauern wegen Grundſtreitigkeiten Prozeſſe hatte, einer Verſchwörergruppe zum Opfer gefallen ſein.

Der unglückliche Fiſchotterbalg.

Heute vormittags erhalten wir die Nachricht von der Verhaftung eines Bauern in Waszkoutz, der als Wilddieb in jener Gegend bekannt iſt und bei dem ein Gewehr gefunden wurde, das, wie feſtſteht, vor nicht langer Zeit gebraucht worden war. Bei ſeiner Einvernahme konnte er nicht angeben, wo er ſich in der kritiſchen Nacht aufgehalten hatte. Nach der Ausſage ſeiner Frau war er Samſtag abends nicht zu Hauſe. Er ſelbſt geſteht draußen geſchlafen zu haben, da es in ſeiner Wohnung zu heiß geweſen ſei. Eine von der Gerichts - kommiſſion vorgenommene Hausdurchſuchung ergab ein über - raſchendes Reſultat. Man fand in Windeln verpackt eine kleine Menge gehackten Schrottes, das in Gewicht und in Form volle Aehnlichkeit mit jenen Schußkörpern aufwies, die in der Leiche gefunden wurden. Das Gutsp[er]ſonal erkannte in dem Verhafteten einen wiederholt abgeſtraften Wilddieb, der vor 2 Wochen Fiſchatter gefangen und, während er mit dem Abziehen des Balges beſchäftigt war von einem Gendarmen feſtgenommen und auf den Gutshof geführt wurde und angab, bei Freytag die Fiſchotterjagd gepachtet zu haben. Dort wurde die Unrichtigkeit ſeiner Rechtfertigung konſtatiert und RomanFreytag ſoll den Gendarmen erſucht haben, den Wilddieb für längere Zeit einſperren zu laſſen, da er bereits wiederholt großen Schaden angerichtet habe. Der Wilddieb, der eine entſprechende Arreſtſtrafe erhielt, ſoll ſich nun an Freytag gerächt haben. Jedenfalls ſind die identiſchen Schußkörper und der zugegebene Aufenthalt im Freien gewichtige Verdachts - momente.

Der Ermordete war bekanntlich ein natürlicher Sohn jenes Baron Petrino, dem Waszkoutz gehörte. Baron Petrino wollte ſeinen Sohn adoptieren und insbeſondere auch den Adel auf ihn vererben, doch war offenbar die darauf gerichtete B[e]mühung erfolglos, Dennoch ſetzte Baron Petrino Roman Freytag, der ein äußerſt ſparſamer, tüchtiger und eifriger Landwirt war, zu ſeinem Univerſalerben ein. Er beſtimmte bloß im Teſtamente, daß, falls Roman Freytag ohne Hinterlaſſung ehelicher Nachkommen ſterben ſollte. das geſamte Vermögen der Univerſität Athen in Griechen - land zufallen ſollte. Für die Univerſität Athen wurde auch vom Gericht ein Kurator in der Perſon des hieſigen Advokaten Dr. Seleski, der bis zum heutigen Tage dieſe Funktion ausübte, eingeſetzt. Mit dem Tode Roman Freytags iſt jedoch das Subſtitutionsband erloſchen, weil Roman Freitag verheiratet war und 2 eheliche Kinder hinterließ. Das Vermögen Roman Freytags iſt ein ſehr bedeutendes und wird auf mehrere Millionen Kronen geſchätzt. Als vor 2 Jahren der bekannte Atheniſche Völkerrechtslehrer Profeſſor Streit in Czernowitz weilte, bot ihm Freytag als einmalige Abfertigung für die Univerſität Athen einen Betrag von 150.000 K an, welchen Vorſchlag jedoch Streit ablehnte. Nunmehr ſind die Anſprüche der Univerſität Athen hinfällig geworden. Freitag war der Eigen - tümer der Güter Waszkoutz, Woloka und Zamoſtie. Er unter - handelte gerade in den allerletzten Tagen einen großen Guts - ankauf in Galizien, deſſen Abſchluß unmittelb[a]r bevorſtand. Die Erben ſind beide Kinder und die Gattin des Ermordeten, welch letztere eine Nichte des OLGR. und Landtagsabgeordnen Mallek iſt. Der Ermordete dürfte ein Atter von 40 Jahren erreicht haben. Das Leichenbegängnis findet morgen um 10 Uhr in Waszkoutz ſtatt.

Unbeachtete Warnungen.

Knapp vor Schluß der Redaktion erhalten wir aus Waszkoutz vom Pfarrer von Cuparenko eine Darſtellung des Mordes, die mit dem von uns gegebenen Bericht voll - kommen übereinſtimmt und die Vermutung beſtärkt, daß die Rachetat eines Raubſchützen vorliegt. Pfarrer Cuparenko, der mit Roman Freytag befreundet war, teilt uns mit, daß er den Ermordeten vor 2 Jahren gewarnt und ebenſo vor einigen Wochen inſtändigſt gebeten habe, in der Nacht nicht zu fahren. Freitag habe jedoch in ſeiner Zuverſicht auf die l[e]tzten Warnungen nicht geachtet.

Gurahumora. (Gemeinderatswahlen.)

[Te - lephoniſch] Heute fanden die Wahlen aus dem erſten Wahl - körper ſtatt, die mit einem vollſtändigen Siege der koalierten Parteien (Deutſche und Juden) endeten. Von 257 abgegebenen Stimmen entfielen auf die Kandidaten der Koalition 176, die Chriſtlichſozialen blieben mit 81 Stimmen in der Mi - norität. Als gewählt gingen hervor: Dr. Chomed, Dr. Mück, Feiwel Aſchkenaſe, Moritz Mittelmann, Dawid Scharfſtein, Abraham Juran, Iſrael Ellenbogen und Mendel Meidler Vorſitzender der Wahlkommiſſion war Bürgermeiſter Win - zinger. Der Wahlakt verlief in voller Rahe.

Der Prozeß gegen die aufrüheriſchen Bauern in Krasna-Ilski.

Bekanntlich wurde die gegen die auf - rühreriſchen Bauern aus Krasna-Ilski in Angelegenheit des Baron Styrcea’ſchen Waldbeſitzes eingeleitete Strafunter - ſuchung durch Abolition (Niederſchlagung der Unterſuchung durch den Kaiſer) eingeſtellt. Lediglich gegen den Anführer der Bauernrevolte wurde das Straſverfahren aufrechterhalten. Heute begann gegen ihn unter dem Vorſitze des Landes - gerichtsrates Albescu die für drei Tage anberaumte Verhandlung.

Letzte Telegramme.

Bevorſtehende Obſtruktion der Czechen im Reichsrate.

(Priv. -Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Die geſamte czechiſche Preſſe kündigt für den Reichsrat eine ſcharfe Obſtruktion an. Narodni Liſty ſchreibt zur Situation: Alle Vorgänge der letzten Zeit können nur die Wirkung haben, daß wir die Säbel ſchärfſter Ob - ſtruktion auf der ganzen Linie ziehen. Gegen das Syſtem Bienerth-Schreiner gibt es keinen Pardon.

Hafenfeier.

(Korr. -B.)

Geſtern fand in Anweſenheit des Königs und der Königsfamilie ſo - wie der Miniſter die feierliche E[r]öffnung des Hafens Con - ſtanza ſtatt. Bei dem folgenden Bankette würdigte der König einige Worte der Bedeutung des Hafens Conſtanza, welcher als weſentlicher Faktor der wirtſchaftlichen Entwicklung und als Gegenſtand des nationalen Stolzes anzuſehen ſei, und ſprach die Ueberzeugung aus, daß Conſtanza in nicht zu langer Zeit einer der wichtigſten Häfen des ſchwarzen Meeres ſein werde. Der König erwähnte dann des Geſetzentwurfes,womit der Dobrudſcha das Recht der Deputiertenwahl einge - räumt werde und ſagte, daß dadurch die Dobrutſcha mit dem rumäniſchen Vaterlande unzertrennbar ver - ſchmolzen iſt.

Verlobung.

(Korr. -B.)

Der Großherzog Wilhelm Ernſt von Sachſen-Weimar verlobte ſich mit der Prinzeſſin Carola Feodora von Sachſen-Meiningen.

Die Zarenreiſe.

(Priv. -Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Hieſige politiſche Kreiſe bemerken mißliebig die prinzipielle Vermeidung des öſterreichiſchen Bodens bei der Reiſe des Zaren nach Italien. Der Zar dürfte ſich in Italien 3 Tage aufhalten.

Demonſtration wegen einer Zugsver - ſpätung.

(K. -B.)

Geſtern ereigneten ſich in Juviſy, wo die große Pariſer Flugwoche ſtattfindet, Ruhe - ſtörungen wegen einer Zugsverſpätung. Die erbitterte Menge drang in die Bureaulokalitäten des Bahnhofes ein und zerſtörte die Einrichtung. Es kam zu einem Handgemenge mit dem Militär.

Erdbeben.

(Korr. -B.)

Heute um 6 Uhr 40 Minuten früh wurden hier zwei Erdſtöße verſpürt.

Die Dardanellenfrage.

(Priv. -Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Die Zuſammenkunft der türkiſchen und ruſſiſchen Miniſter des Aeußern gilt det Regelung der Dardanellen - frage. Die Türkei iſt geneigt, die Durchfahrt einer be - ſchränkten Zahl von ruſſiſchen Kriegsſchiffen zu geſtatten. Eine gänzliche Oeffnung der Dardanellen wird jedoch keinesfalls zugeſtanden werden. Von engliſcher Seite ſind Schwierigkeiten zu erwarten.

Telegraphiſche Kurſe vom 11. Oktober 1909.

(Wechſelſtube der Bukowinaer Landesbank)

4% Buk. Landesbank-Fond-Schuldverſchreibung 91·35 92·35〈…〉〈…〉 Buk. Bodenkredit-Pfandbriefe 100·50 101·52 5% Buk. Boden -[k]redit-Pfandbriefe 94·75 95 75 Oeſterr. Kredit 664·50 Anglo -[b]ank 309 50 Bankverein 539·50 Bodenkredit 1170·00 Eskompte - geſellſchaft 627·50 Länderbank 493 50 Unionbank 579.00 Staats -[b]ahn 754.00[N]ordweſt Elbethalbahn Lemberg - Czernowitzer 559.50 Dampfſchiff 1040 00 Alpine 735 90 Brüxer[K]ohlen 753 00 Prager Eiſen 2860·00 Rima-Muranyer 693.50 Weſtböhm. K[o]hlen 475·00 Draſche 730.00 Hirtenberger 1113 00[T]ürkenloſe 201·75 Rubel 255·00 255·75 Marknoten 117·57 117.60

〈…〉〈…〉
6Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 12. Oktober 1909.
〈…〉〈…〉
712. Oktober 1909. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.
〈…〉〈…〉
8Czernowitzer Allgemeine Zeitung 12. Oktober 1909.
〈…〉〈…〉

Eigentümer, Herausgeber und verantwortlicher Redakteur: Dr. Philipp Menczel. Buchdruckerei Gutenberg , Czernowitz.

About this transcription

TextNr. 1723, 12.10.1909.
Author[unknown]
Extent8 images; 9947 tokens; 3768 types; 74813 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationNr. 1723, 12.10.1909. . Buchdruckerei „Gutenberg“Czernowitz1909. Czernowitzer Allgemeine Zeitung

Identification

IDS Mannheim

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; mkhz2

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T11:23:28Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported (German) License.

Holding LibraryIDS Mannheim
Shelfmark
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.