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Telegramme: Allgemeine, Czernowitz.

Czernowitzer Allgemeine Zeitung

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Nr. 379. Czernowitz, Dienſtag, den 4. April 1905.

Ueberſicht.

Die Vorgänge in Rußland.

Im Stadttheater zu Saratow kommt es zu großen Lärm - ſzenen. In Riga kommt es zu einem wilden Kampfe zwiſchen Koſaken und Streikenden. Auf den Polizeikommiſſär von Lodz wird ein Attentat verübt.

Der Krieg.

Die Mobilmachung der zweiten Gardeinfanterie-Diviſion gilt als beſchloſſene Sache.

Letzte Telegramme.

Die ungariſche Oppoſition lehnte einen neuerlichen Kom - promißantrag ab. Zwiſchen Sozialiſten und Soldaten kommt es in Warſchau zu einem blutigen Zuſammenſtoß. In Süd - rußland zirkulieren Aufrufe gegen Juden, Polen und Armenier. In Lodz ſchießen die Truppen auf ein Volksmeeting.

Die Kriſe dauert fort.

Der Beſchluß des leitenden Komitees der koalierten Oppoſition hat alle Hoffnungen, die ſich an den nach ſo langen und von ſo vielen Zwiſchenfällen unterbrochenen Be - ratungen zuſtandegebrachten Kompromißvorſchlag knüpften, zunichte gemacht. Die Kriſe in Ungarn iſt auf demſelben Punkte angelangt, von dem ſie ausgegangen iſt, und unver - richteter Dinge wird der Kaiſer Budapeſt verlaſſen. Durch welche Umſtände der Beſchluß des Exekutivkomitees veranlaßt wurde, darüber gehen die Meinungen auseinander. Nach einer Verſion ſoll er ſich bloß gegen die Perſon des Mittlers, gegen Lukacz wenden, den die Oppoſition als ein noch im Amte befindliches Mitglied des Kabinetts Tisza ablehnt, nach einer anderen will die Oppoſition es auf eine äußerſte Kraftprobe ankommen laſſen, welche die Krone darüber belehren ſoll, daß es mit der Gleichſtellung zwiſchen ihren Wünſchen und denen der parlamentariſchen Majorität vorüber ſei.

Die Klippe, woran die Annahme des Kompromißvor - ſchlages geſcheitert iſt, dürfte aber in den militäriſchen Forderungen zu ſuchen ſein. Das Angebot, welches die Krone den vereinigten Parteien machte, hatte auf den erſten Blick viel Verlockendes. Für zwei Jahre ſollten die militäriſchen Fragen ausgeſchaltet werden. Die Oppoſition hätte dabei auf nichts verzichtet. Die Annahme des normalen Budgets und Rekrutenkontingents konnte doch unmöglich als Ent - ſagung angeſehen werden. Die Hinausſchiebung des ent - ſcheidenden Kampfes um die Nationaliſierung der ungariſchen Truppen käme noch weniger einer Rechtseinbuſſe gleich, da die Verwirklichung des ungariſchen Heeresbefehls bei dem Mangel an magyariſch ſprechenden Offizieren ohnehin zur Zeit undenkbar wäre. Darin aber ſchaffen die nächſten Jahre inſofern Wandel, als ſeit dem vorigen Jahre über 1000 Stiftungsplätze für magyariſche Zöglinge an den Militärbildungsanſtalten errichtet wurden. Nach Ablauf der Warteperiode wäre alſo der Stab der brauchbaren Offiziere weſentlich erweitert. Nichtsdeſtoweniger ſtellt ſich die Oppoſition auf den Standpunkt, daß Gabe und Gegengabe nicht gleich - wertig ſeien.

Die vorgeſchlagene Löſung , ſagt Abg. Dr. Bakonyi, eines der hervorragendſten Mitglieder der intranſingenten Gruppe, zu einem Interviewer, die Ausſchaltung der Sprachenfrage gegen eine Stundung der Flüſſigmachung des von den Delegationen beſtimmten, aber vom Parlamente noch nicht votierten Kredits auf zwei Jahre zu gewähren, kann nicht eine geeignete Rektifikation genannt werden. Dieſe Ver - ſchiebung der Fälligkeit des Kredits iſt noch eine illuſoriſche. Ein namhafter Teil dieſes Betrages, an hundert Millionen, iſt ſchon verausgabt, für einen weiteren großen Teil ſind bereits die Beſtellungen gemacht, und es wäre das prak - tiſche Reſultat der ganzen finanziellen Aktion lediglich jenes, daß die Gläubiger des Staates ein zweijähriges Moratorium gewähren würden, wofür wir durch die Ratifikation des Kom - promiſſes gewiſſermaßen die feierliche Garantie über - nehmen würden. Denn darüber, daß die für die In -veſtitionen erforderlichen Beiträge früher oder ſpäter gezahlt werden müſſen, herrſcht kein Zweifel und ebenſowenig iſt es für jeden von uns, welcher Partei er immer angehört und der ſich ernſtlich mit militäriſchen Fragen beſchäftigt, zweifel - haft, daß die erforderlichen Inveſtitionen in der Tat gemacht werden müſſen, da namentlich unſere Artillerie unabwendbar einer Umgeſtaltung, wenn nicht einer Neugeſtaltung bedarf, und ſo können wir uns unmöglich dem Vorwurfe ausſetzen daß wir der Ausbildung unſerer Mehrkraft hindernd Weg geſtanden wären. Dieſe Zurückſtellung des Fälligkeitstermins der unvermeidlichen Ausgaben allein kann uns ſomit für das Ausſchalten unſerer nationalen Forderungen in ſprach - licher Hinſicht keineswegs als eine Kompenſation gelten

Was wird nun werden , fragt man ſich in Cis und Trans. Der Reichstag wird morgen zuſammentreten, und entgegen dem bei Verhandlungen geübten Modus, für die Dauer derſelben alles auszuſchalten, was die Herbei - führung einer Einigung erſchweren könnte, wird in die Adreßdebatte eingegangen werden, die zu einem recht artigen Schriftenwechſel zwiſchen Reichstag und Krone führen dürfte. Möglich auch, daß die Krone von der Auffaſſung ausgehend, daß die Situation durch Neuwahlen nicht ſchlechter werden könne, das Haus auflöſt. Ja, es fehlt nicht an Stimmen, welche ſagen, daß die liberale Partei durch eine kräftige, von den Agrariern geſchürte Agitation gegen die Zolltrennung vielleicht bei Neuwahlen gewinnen könnte.

Auf jeden Fall wird Oeſterreich in kurzer Zeit das wirtſchaftliche Verhältnis zu Ungarn ins Reine bringen müſſen. Im Herbſte iſt der äußerſte Termin für die parla - mentariſche Annahme der neuen Handelsverträge. Bis dahin ſoll es ſich entſchieden haben, ob die Zollſchranken zwiſchen Cis - und Transleithanien ſchon jetzt erſtehen ſollen oder nicht. Mit dem wirtſchaftlichen Ausgleich iſt aber die Quotenfrage eng verknüpft. Zu dieſer Frage äußert ſich in der N. F. P. ein hervorragender Staatsmann, wie folgt:

Wenn das bloße Wechſelſeitigkeitsverhältnis aufrecht - erhalten würde, ſo müßte wie jetzt die Quote alljährlich durch den Kaiſer feſtgeſetzt werden, da eine Vereinbarung über die

Feuilleton.

Ariadne.

Georges de Sommiere war von Paris in der Abſicht abge - reiſt, in Florenz ſeine ſchöne Freundin, Gräfin Olivieri, wiederzufinden, mit welcher er ſeit fünf Jahren ein intimes Verhältnis hatte. Auf der Reiſe hielt er in Nizza an, um ſich von den Strapazen der Fahrt zu erholen und um einige Freunde zu beſuchen, welche daſelbſt den Winter zubrachten. Sommiere war ein junger Mann von dreißig Jahren, elegant, reich, ein liebenswürdiger Geſellſchafter, ein Lebe - mann, mit einiger romantiſchen Ueberſpanntheit, die ihm noch um einen Reiz mehr verlieh in einer Zeit, in welcher der Enthuſiasmus eine immer ſeltenere Waare wird. Man fetierte ihn in Nizza ſehr und er ließ es gewähren. Auf dem Punkte, die nahezu eheliche Feſſel wieder auf ſich zu nehmen, die ihn ſo lange mit Gräfin Olivieri verband, war er gar nicht böſe darüber, einige Tage ungebunder Freiheit zu genießen und ſich während derſelben einzubilden, daß er ſich der vollkommenen Ungebundenheit eines Junggeſellen erfreue.

Er hatte unzweifelhaft noch eine lebhafte Zärtlichkeit für die Gräfin Olivieri, allein ſeine Liebe, die eine große Leiden - ſchaft geweſen, trat nun in jene Periode der Abdämpfung ein, in welcher die Anweſenheit weniger als eine ſchmerzliche Ent - behrung, denn als eine Ruhepauſe erſcheint. Gräfin Olivieri war eine blonde Venezianerin mit ſchwarzen Augen, ge - ſchmeidig und doch üppig, gebieteriſch und leidenſchaftlich, eine jener Frauen, von welchen man ſagt, daß ſie himmliſche Augenblicke und böſe Viertelſtunden haben. Körperlich und geiſtig übte ſie einen beſtrickenden Zauber aus, allein der berauſchende Liebesduft, der von ihr ausging, glich dem ſchweren Aroma mancher exotiſcher Blumen, welche Den - jenigen, der ihren Duft zu lange einatmet, zu Kopfe ſteigen und ihn ermüden. Fern von ihr empfand Sommiere eine geheime Erleichterung, allein wenn er ſie wieder ſah, begann der Zauber wieder zu wirken. Sie hatte ſeinen Leib und ſeine Seele in ihre Feſſeln geſchlagen; Thereſa hatte ihm ein Zaubermittel in die Adern gegoſſen, das in der Ferne nichtwirkte, das aber Georges zu ihrem Sklaven machte, ſo wie ſeine Augen denjenigen der Zauberin begegnete.

Während ſich Sommiere in Nizza aufhielt, führten ihn ſeine Freunde zu einer garden-party, welche ein Amerikaner in einer jener herrlichen Villen gab, deren Gärten ſich vom Gebirge bis ans Meer, zwiſchen Wäldern von Zitronen - bäumen und herrlichen Roſenlauben hinziehen. Unſichtbar hinter Azaleenbüſchen ſpielte eine Zigeunerbande feurige Csardaſe. Die Luft vibrierte von Muſikklängen und war von ſüßen Frühlingsdüften geſchwängert; zwiſchen der Wölbung der Roſenlauben erblickte man einen tiefblauen Himmel und dort unten, hinter dem üppigen Grün leuchtete das Meer im blauen Schimmer des Saphirs. In einer dieſer blühenden Alleen war es, daß Georges de Sommiere einer jungen, zarten, weißen Frau mit Veilchenaugen begegnete, mit wundervollem, kaſtanienbraunem Haar, das in einem ſchweren Knoten auf ihren Nacken herabfiel. Sie machte gleich beim erſten Augenblicke einen ſehr lebhaften Eindruck auf ihn. Ein ſüßer poetiſcher Hauch umſchwebte ſie. Ihre großen Augen waren aufrichtig, vertrauensvoll und rein, wie diejenigen eines Kindes. Sie glich einer jener Lilien, die im Gebirge in der Nähe von Gletſchern wachſen, deren ſüße Anmut und reines Weiß etwas ſo Jungfräuliches an ſich haben, daß man zaudert, ſie zu pflücken.

Auf das Erſuchen Sommiere’s ſtellte man ihn der jungen Dame vor, die eine Griechin von Geburt war und Helene Michalis hieß. Er ging den ganzen Nachmittag nicht von ihrer Seite, indem er von jener Freiheit des Flirtens Gebrauch machte, welche in der kosmopolitiſchen Geſellſchaft der Azurküſte ſo unbeſchränkt herrſcht. Wenn Georges wollte, war er ein verführeriſcher Cauſeur und diesmal legte er ſeine ganze Seele in ſeine Plauderei. Die junge Dame unterlag dem Zauber dieſes geiſtvollen und enthuſiaſtiſchen jungen Mannes. Mit der Aufrichtigkeit, welche den Grund ihres Charakters bildete, ließ ſie ihn das merken und öffnete ihm ihre reine Seele. Als ſie ſich trennten, waren ſie bereits Freunde. Sommiere erbat ſich die Erlaubnis, Madame Michaelis zu beſuchen und ſie teilte ihm mit, daß ſie von fünf bis ſieben immer zuhauſe ſei. Er beſuchte ſie am nächſten und an den folgenden Tagen; er dachte nicht mehr daran, daß man ihn in Florenz erwarte. Tereſa Olivieri ſchien in einem fernen Nebel zu verſchwimmen. Georges dachte nurnoch an dieſe zarte byzantiniſche Jungfrau mit den reinen und milden Augen, der er unter den Roſenlauben von Beaulieu begegnet war. Er ſprach nicht von Liebe zu ihr, aber er legte eine ſo ſchmelzende Zärtlichkeit in ſeine Stimme, in ſeine Blicke, daß Helene Michalis ſich darüber täuſchen konnte und daß ſie ſich ſelbſt durch dieſe Zärtlichkeit in ihrem inneren Weſen getroffen fühlte.

Bei jedem Beſuche empfing ſie Sommiere mit einem innigeren Händedrucke. Eines Abends, als ſie ihm dankte, daß er gekommen ſei, und ihm ſagte, wie gerührt ſie von ſeinen ſympathiſchen Aufmerkſamkeiten ſei, vermochte Georges nicht mehr an ſich zu halten. Er zog die junge Frau an ſich, drückte ſie an ſeine Bruſt, indem er ihr geſtand, daß er ſie anbete, daß ſie allein es ſei, die ihn begreifen gemacht habe, was wahre Liebe ſei und daß er ſich glücklich ſchätzen würde, ihr ſein Leben zu weihen.

Mit der impulſiven Bewegung eines ſchmeichelnden Kindes ließ Helene ihren Kopf auf Georges Schulter ſinken und entgegnete lebhaft bewegt:

Auch ich habe mich vom erſten Tage an zu Ihnen hingezogen gefühlt und ich würde nichts Beſſeres verlangen, als Ihnen anzugehören. Aber ich bin leider nicht frei. Ich bin in Rumänien an einen Mann verheiratet, den ich ver - abſcheue und von dem ich getrennt lebe.

Und können Sie nicht die Scheidung erwirken?

Das hat mir immer widerſtrebt, wegen meiner Familie, welche den Skandal eines Prozeſſes fürchtet.

Es iſt ſchlecht im Leben eingerichtet, ſeufzte Sommiere; warum haben wir uns nicht vor fünf Jahren kennen gelernt?

Und da ihn die Offenherzigkeit von Madame Michalis ebenfalls vertrauensvoll geſtimmt hatte, geſtand er ihr ſein Verhältnis mit der Gräfin Olivieri.

Sie ſehen, ſagte er am Schluſſe, auch ich bin ſozuſagen verheiratet, allein obwohl es mir ſehr ſchwer fällt, einer alten Freundin Kummer zu bereiten, die mich noch liebt, werde ich keinen Augenblick zögern, mit ihr zu brechen, da ich von jetzt ab nur Sie lieben kann.

(Schluß folgt.)

2Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 4. April 1905.

Quote zwiſchen beiden Reichshälften unter den gegenwärtigen Verhältniſſen ſchwerlich zu ſtande kommen dürfte. Die end - giltige Beſtimmung der Quote ſetzt definitive und bekannte Verhältniſſe voraus, da es ja unmöglich iſt, ein Junktim zwiſchen Quote und Armee in der Art zu ſchaffen, daß die Quote nur dann gilt, wenn der heutige Organismus der Armee unangetaſtet bleibt. Wer ſoll über die Frage ent - ſcheiden, ob die Bewilligung der ungariſchen Kommado - ſprache eine ſolche, den Beſtand der Armee gefährdende Aenderung bedeute oder nicht? Der Vorteil der Ver - ſtändigung zwiſchen der Kxone und den Führern der Majorität in Ungarn auf Grund des Kompromißvorſchlages läge, vom öſterreichiſchen Geſichtspunkt aus betrachtet, bloß darin, daß in Ungarn wenigſtens eine Regierung gebildet werden könnte und wir in der Lage wären, uns mit dem neuen ungariſchen Kabinett wenigſtens über eine Reihe der wichtigſten Aktionen, darunter über die Handelsvertrags - verhandlungen, die gänzlich in Stockung geraten ſind, zu beſprechen. Ich ſehe die Situation unter allen Umſtänden für ernſt an, gleichviel ob das Kompromiß verworfen oder angenommen wird. Ich habe nur die einzige Hoffnung, daß die materiellen Intereſſen ſchließlich einen entſcheidenden Druck ausüben und beide Reichshälften zu einer Verſtän - digung zwingen werden. Ich halte es für unmöglich, daß wir den Handelsvertrag mit Deutſchland nicht abſchließen und in ein wirtſchaftliches Chaos geraten. Es iſt daher meine Ueberzeugung, daß wir ſchließlich eine Löſung ſinden werden; allein im Augenblicke ſehe ich den Weg der Ent - wirrung noch nicht und habe auch keinen Anhaltspunkt dafür, ob die Kriſe ſchon in einer kurzen Zeit beendet ſein wird.

Die Vorgänge in Rußland.

Eine ruſſiſche Skandalaffäre.

Ueber die angekündigte Unterſuchung der Vorgänge im fernen Oſten wird dem B. T. aus Petersburg weiter telegraphiert: In höheren Regierungs - kreiſen verlautet, daß unabhängig von dem Miniſterium des Aeußeren, welches durch ſeine Nachläſſigkeit mit die Haupt - ſchuld an dem unglücklichen Kriege trägt, eine genaue Unter - ſuchung des ganzen Vorſpiels zum Kriege vorgenommen werden ſoll, welche allerdings eine ganze Reihe höherer Beamten für immer kompromittieren, dafür aber voraus - ſichtlich die öffentliche Meinung weſentlich beruhigen wird, die immer nachdrücklicher die volle Wahrheit über die myſteriöſen diplomatiſchen Verhandlungen mit Japan ver - langt. Sollte ſich das bewahrheiten, ſo wird neben der ruſſiſchen Diplomatie Alexejew am ſtärkſten bloßgeſtellt werden, gegen den der Zar eine völlig veränderte Haltung beobachtet.

Ueberfall auf einen Stationsvorſteher.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

In Kutais überfielen vier bewaffnete Leute den Eiſenbahn - ſtationsvorſtand, als er in Begleitung von Bewaffneten in die Rentei fuhr, ſie entwaffneten Letztere und nahmen dem Stationsvorſtand über 6000 Rubel ab.

Attentat auf einen Polizeikommiſſär.

Geſtern nachmittag rief man telephoniſch aus dem Polizeiamt auf der Konſtantinowska - gaſſe zu Lodz den Polizeikommiſſär Michael Szatalowicz hinweg, welcher bei den letzten Unruhen einen Sozialiſten erſchoß. An der Ecke der Zawadzkaſtraße warf ein vorüber - gehender, ärmlich gekleideter Mann gegen den Kommiſſar eine Bombe, die ihn ſchwer an den Beinen und am Bruſt - korb verwundete. Ein Polizeiſchutzmann warf ſich auf den Attentäter und machte ihn durch einige Säbelhiebe un - ſchädlich.

Lärm im Theater.

Im hieſigen Stadttheater kam es geſtern zu einem großen Lärmauftritte, als nach einem von etwa 2000 Perſonen beſuchten Vortrag über die Cholera zwei Rechtsanwälte Reden über Tagesfragen halten wollten und durch die Polizei daran gehindert wurden. Dieſe rief zwei Kompagnien Infanterie herbei. Ehe ſie ankamen, wurden von der Galerie Aufrufe in das Haus geworfen und revo - lutionäre Reden gehalten. Sodann verließ die Menge das Theater und zog unter Abſingen der Marſeillaiſe durch die Straßen. Die Truppen verſperrten der Menge den Weg, aus deren Mitte hierauf fünf Revolverſchüſſe abgegeben wurden, die aber niemand trafen. 39 Perſonen wurden ver - haftet; bei ihnen wurden viele revolutionäre Schriften und Aufrufe gefunden. Gegen die Verhafteten iſt die Anklage wegen Verletzung der Vorſchriften des Gouverneurs erhoben worden.

In Riga.

Die hieſigen Stadtverordnetenwahlen ergaben einen glänzenden Sieg der Deutſchen. Es iſt damit unabſehbares Unheil vermieden. Trotz der heftigen lettiſchen Agitation haben viele Letten für die deutſchen Kandidatengeſtimmt. Der Streik dauert fort, heute wurden in der Fabrik Prowodnik Maſchinen zerſtört. Es kam zu einem wilden Kampf zwiſchen Koſaken und Streikenden.

Die Forderungen der Angeſtellten.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

In zahlreichen Städten Rußlands fordern die Angeſtellten in Magazinen und Werkſtätten die Herabſetzung der Arbeitszeit und Lohnerhöhung.

Die Bauernunruhen in Rußland.

(Orig. -Korr.)

Als im Jänner dieſes Jahres die Arbeiterunruhen in Rußland be - gannen, wurde an dieſer Stelle die Befürchtung ausgeſprochen, daß der Bewegung in den Städten eine ſolche auf dem Lande folgen könnte, die für das Zarenreich weit verhängnis - voller werden müßte als die ſtädtiſchen Unruhen, da bei ihr gegen hundert Millionen Bauern in Betracht kommen, während in die Arbeiterbewegung höchſtens zwei Millionen Mann hineingeriſſen werden könnten. Die Vorausſagung hat ſich raſcher, als anzunehmen war, erfüllt. In Polen, in den baltiſchen Provinzen, in Lithauen und Kleinrußland erhob ſich die Landbevölkerung, und von Tag zu Tag nimmt der Aufruhr größeren Umfang an. Geographiſch läßt ſich genau verfolgen, wie die Unruhen um ſo heftiger auftreten, je weiter man von Oſten nach Weſten dringt. Die mildeſte Form zeigen ſie in den mittleren Provinzen des Reiches, namentlich im Gouvernement Saratow, wo die Bauern ſich auf die einfache Plünderung beſchränken. Sie erſcheinen auf den Pachtgütern, entleeren in aller Ruhe die Kornſpeicher, bemächtigen ſich des Viehs, ſchicken Trupps nach den Waldungen zur Holzfällung und ziehen hierauf wieder fried - lich ab. Lebhafter geht es in den Gebieten weſtlich von der Wolga, namentlich in dem Diſtrikte von Sewsk zu. Hier wird nach der Plünderung zur Brandlegung geſchritten. Auch bleibt die Plünderung nicht auf Bedarfsobjekte beſchränkt. Die Zuckerraffinerien, deren Produkt ins Waſſer geworfen wird, und die Brennereien, aus denen die Bauern den Wodka noch brennend herausholen, fallen ihnen zum Opfer. Ihren Höhepunkt aber hat die Bewegung in Weſtrußland erreicht, wo ſie zu einem richtigen Bauernaufſtand ausge - wachſen iſt. Hier, wo der erbgeſeſſene polniſche Adel längſt durch unverfälſcht ruſſiſche Gutsbeſitzer verdrängt wurde, die nicht einmal die Sprache des Landes beherrſchen, beſteht kein Band mehr zwiſchen den Herren und Bauern, das letzere vor dem Aeußerſten zurückhalten könnte. Die Auf - rührer ziehen, mit Aexten bewaffnet, los, überfallen und zer - ſtören die Schlöſſer der Gutsherren, nehmen aber als Beute charakteriſtiſcher Weiſe nur die metallenen Türklingen und eiſernen Riegel mit, die ſie an ihren eigenen Hütten an Stelle der herkömmlichen Holzverſchlüſſe befeſtigen, während ſie die koſtbaren Möbel, mit denen ſie nichts anzufangen wiſſen, in Brand ſtecken. Die Intenſitätsſteigerung der Bewegung von Oſten nach Weſten wird vielfach ſo aus - gelegt, daß eine geheime Propaganda, die, vom Weſten aus - gehend, ihre Fühler allmählig nach dem Oſten erſtrecke, die Erhebung ſyſtematiſch anzettle. Nun läßt ſich zwar nicht leugnen, daß revolutionäre Parteigänger dort und da die Leichtgläubigkeit der Landleute benutzen, um ihnen Hoffnung auf eine neue Güterverteilung zu machen oder ſie zu einer ſolchen gar im Namen des Zaren aufzufordern, es hieße aber den tieferen Kern der ganzen Bewegung verkennen, wenn man ſie im Sinne der offiziöſen Kommentare nur als eine von ſtaatsunterwühlenden Elementen angezettelte anſehen wollte. Die ruſſiſche Landbevölkerung nahm im letzten Viertel - jahrhundert um 50 Perzent zu, ohne daß dieſer geſteigerten Ziffer ein Zuwachs an Grundeigentum entſprach. Die Hungersnot iſt infolge deſſen in den ruſſiſchen Dörfern zu einem chroniſchen Uebel geworden, dem neuerdings ſowohl das Ackerbauminiſterium in Petersburg als auch das Miniſterkomitee unter Witte und die Semſtwos in Moskau beſondere Aufmerkſamkeit zuwenden. Es ſind dieſen Stellen Vorlagen unterbreitet worden, die auf eine neue Bodenauf - teilung, die der Vergrößerung der Landbevölkerung Rechnung trägt, hinauslaufen. Da nun die Bauern ſelbſt in den Zeiten der Sklaverei die Vorſtellung hatten, daß ihnen ein Anrecht auf den Boden von Gott verliehen worden ſei, ſo iſt es kein Wunder, wenn ſie unter dem Druck mißlicher wirtſchaftlicher Verhältniſſe, die ſich immer kritiſcher zuſpitzen, zur Selbſthilfe greifen und dabei loyal vorgegangen zu ſein glauben. Die landwirtſchaftlichen Beratungen des Reform - komitees hier werden durch dieſe Entwicklung zweifellos eine Beſchleunigung erfahren, ob aber geſetzliche Maßnahmen zur Beſſerung der Lage heute noch etwas ausrichten können, bleibt noch ſehr fraglich.

Der Krieg.

Aus dem Hauptquartier der Mandſchurei - Armee.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

[Amtlich.] Aus dem Hauptquartier der Mandſchurei-Armee wird ge - meldet: Japaniſche Vorpoſten rückten gegen Hailung vor und ſtießen am 28. März bei Schantſchengtau ſüdweſtlich von Hailung auf 300 Mann feindlicher Kavallerie. In Schantſchengtau hatten die Ruſſen 2000 Mann Kavallerie zurückgelaſſen. Die Ruſſen gingen 4000 Mann ſtark auf Hailung zurück.

Ein ruſſiſches Schiff in Perim.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Einer aus Perim eingetroffenen Depeſche zufolge, iſt das ruſſiſche Spitalsſchiff Kaſtromia um 2 Uhr nach - mittags zur Aufnahme von Kohle und Waſſer dortſelbſt ein - gelaufen, was dem Schiffe auch bewilligt wurde.

Rückzugsgefechte.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Die St. Petersburger Telegraphenagentur meldet aus Gun - ſchulin unter dem Heutigen: Die Japaner werden in ihrer Freude über unſeren Rückzug immer verwegener. Am 29. März griff einen japaniſche Patrouille am rechten Flügel eine kleine ruſſiſche Abteilung an. Ruſſiſche Kavallerie von der Abteilung Miſchtſchenkos ſchlug den Feind nicht nur ohne jede Schwierigkeit zurück, ſondern machte noch 7 Ge - fangene.

Mobilmachung ruſſiſcher Gardetruppen.

In den militäriſchen Kreiſen der Hauptſtadt gilt, wie Ruſſkoje Slowo meldet, die Mo - bilmachung der zweiten Gardeinfanterie-Diviſion als be - ſchloſſene Sache; ſie werde wahrſcheinlich zuſammen mit der Garde-Artilleriebrigade ins Feld rücken. Bezüglich der zweiten Kavalleriediviſion iſt noch nichts bekannt.

Wladiwoſtok rüſtet.

Die Nowoſti bringen folgenden Bericht ihres kürzlich aus Wladiwoſtok in Shan - ghai eingetroffenen Berichterſtatters: In dem geſamten Bereiche der Hafenfeſtung, die wir ſo ſtolz Beherrſcherin des Oſtens getauft haben, herrſcht ſeit Monaten fieberhafte Tätigkeit. Neue Werke werden angelegt, alte verſtärkt. Jeder Zug führt der Beſatzung neue Kräfte zu, und täglich treffen bis zu 1000 Soldaten in der Feſtung ein. Am 16. März war die Garniſon ſchon 40,000 Mann ſtark. Viele Leute glauben, daß die Japaner die erſte günſtige Gelegenheit zu einem Angriff benützen werden. Viele wollen in der Nähe der Grenzen des Hafens im Meer ein japaniſches Geſchwader geſehen und 11 Schiffe gezählt haben, darunter mehrere ganz großen Typs. Andere verſichern, daß die Nipponer bereits 60,000 Mann ſüdlich von Wladiwoſtok ausgeſchifft haben. Die Offiziere ſind der Anſicht, daß ein Angriff nicht vor dem Frühjahr erfolgen wird. Die Eiſen - bahn zwiſchen Wladiwoſtok und Charbin wird auf das ſorg - fältigſte bewacht, ſtarke Poſtierungen ſind längs der geſamten Strecke geſtaffelt. Die Bahn hat auf eigens zu dieſem Zwecke gebauten Wagen eine Anzahl von Unterſeebooten aus Ruß - land nach Wladiwoſtok gebracht. Die letzten drei trafen am 10. Jänner ein, konnten aber noch nicht zu Waſſer gelaſſen werden, da der Hafen ganz mit Eis bedeckt iſt. Im ganzen befinden ſich jetzt 14 Unterſeeboote in der Feſtung. Der Kreuzer Gromoboi (Donnerſchtag) liegt im Dock; Bogatyr (Held) wird ausgebeſſert, und nur Roſſija (Rußland) geht von Zeit zu Zeit zu Erkundungsfahrten in See. Von dieſen Mitteilungen unterſcheiden ſich nicht allzu ſehr diejenigen, welche dem New-York Herald ungefähr zur ſelben Zeit über die Verhältniſſe in der ruſſiſchen Feſtung gemacht worden ſind. Sie lautet: Die Bewohner glauben, daß die Belagerung der Stadt im Frühjahr beginnen wird. Ein großer Teil von ihnen verläßt ſie daher bei Zeiten. Wer gezwungen iſt, dazubleiben, ſendet wenigſtens das Wertvollſte ſeiner beweglichen Habe fort. Die Preiſe aller Waren ſind in die Höhe gegangen, obgleich die Eiſenbahn täglich große Mengen von Vieh und Lebensmitteln einführt. Die Zufuhr vom Meer hat völlig aufgehört, da kein Dampfer die japa - niſche Blockade durchbrechen kann. Auf den Werften wird ſchon ſeit einem Monat nicht mehr gearbeitet, da die Schiffs - ausbeſſerungen vollendet ſind. Die zur Befeſtigung des Hafens nötigen Arbeiten ſind durch Baumreihen verdeckt, die eigens zu dieſem Zwecke angelegt worden ſind. Den - ſelben Gedanken hat man auch zum Schutz der Arbeiten zur Ausführung gebracht, welche die Verteidigung der die Rhede beherrſchenden Inſeln erfordert. Die Stadt iſt in Kriegs - zuſtand erklärt. Gegen 1000 Mann der Garniſon ſind in den Stadtkaſernen untergebracht, ungefähr 25,000 auf die Forts verteilt. Es wird verſichert, daß in der Feſtung ſchon 80,000 Soldaten liegen. Das Hauptquartier der Japaner befindet ſich in Sontſchin. General Kamimura hat eine ſtarke Abteilung zu den Quellen des Jalu entſandt, um einem etwa aus jener Gegend erfolgenden ruſſiſchen Angriff entgegenzutreten. So hat das japaniſche Heer ſich faſt ohne Anſtrengung zum Herrn des Nordoſtens von Korea gemacht. Japaniſche Dampfſchiffe fahren regelmäßig zwiſchen Sont - ſchin und Genſan und befördern Frachten jeder Art nach der neuen Operationsbaſis.

34. April 1905. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

Vom Tage.

Die Kriſe in Ungarn.

Der Beſchluß der Koalition wurde dem Monarchen unverzüglich mitgeteilt. Es iſt wahrſcheinlich, daß Graf Tisza vom Kaiſer empfangen werden wird. Der jähe Abbruch der Kompromißverhandlungen hat Koſſuth ſehr verſtimmt. Er entfernte ſich aus der Sitzung mit dem Bemerken, er müſſe an einer Sitzung des Koſſuth-Denkmal - komitees teilnehmen. Angeſichts der neuen Situation herrſcht allgemeine Ratloſigkeit. Es fiel auf, daß Graf Apponyi der Sitzung des Exekutivkomitees fernblieb. Ugron hatte ſchon vor der Sitzung erklärt, er werde mit allen Kräften gegen die Ausſchaltung der militäriſchen Wünſche kämpfen. Wenn ſich auch der leitende Ausſchuß, erklärte er, einverſtanden erklären ſollte, das Plenum der Koalition werde ſicher da - gegen ſein.

Nach der Sitzung des Exekutiv - komitees iſt Finanzminiſter Lukacs mit den Führern der Oppoſition abermals in Verhandlung getreten, um eine neue Baſis für die Entwirrung zu finden. Am Montag abends tritt das Plenum der Oppoſition zu einer Sitzung zuſammen, in welcher der vom Grafen Apponyi ausgearbeitete Adreß - entwurf in Beratung gezogen werden wird. Wenn bis zum 5. April kein Kabinett gebildet ſein ſollte, will die Oppoſition dieſen Adreßentwurf im Parlament zur Verhandlung bringen.

Auffallend iſt der Umſtand, daß die meiſten Parteien bei der Stellungnahme zu dem neuen Plane eine Spaltung aufweiſen. So ſind von der früheren Ugron-Partei mehrere Mitglieder für, andere gegen die Annahme des Kompromiſſes. Von der Volkspartei ſind Baron Kaas, Graf Zichy und Rakovszky für die Annahme. Von der Gruppe Apponyi ſprachen ſich Gulner und Graf Batthyany dafür aus. Ebenſo herrſchen unter den Mitgliedern der alten Koſſuth-Partei große Meinungsverſchiedenheiten.

Deutſchland, Frankreich und Marokko.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Zur Rede Delcaſſes in der Sitzung des franzöſiſchen Senats vom 31. März ſchreibt die Norddeutſche Allgemeine Zeitung in ihrer Wochenſchau: Wir haben zu den Ausführungen des Miniſters nur Folgendes zu bemerken: Auf die jederzeit zu widerlegenden Behauptungen franzöſiſcher Blätter über einen angeblichen deutſch-franzöſiſchen Meinungsaustauſch oder gar über deutſch-franzöſiſche Verhandlungen wegen Marokkos Behauptungen, welche in den Preßerörterungen der letzten Woche eine Rolle geſpielt haben iſt der franzöſiſche Miniſter des Aeußern nicht zurückgekommen. Auch deutete er mit keinem Worte an, daß er in abſehbarer Zeit die Anregung zu ſolchen Verhandlungen erwarte oder geben werde. Die gegenwärtige diplomatiſche Lage iſt mithin die, daß beide Mächte, Deutſch - land und Frankreich, in Fez aber ihre marokkaniſchen Intereſſen mit der Regierung eines völkerrechtlich unabhängigen Staates verhandeln. Die Norddeutſche Allgemeine Zeitung bemerkt ferner: Den Standort, von welchem aus die deutſche Politik die marokkaniſche Angelegenheit beurteilt, bezeichnete der Reichs - kanzler in ſeiner erſten Rede vom letzten Mittwoch klar in dem Sinne, daß Deutſchland keinerlei gegen die Integrität oder Unabhängigkeit Marokkos gerichteten Abſichten hege, andererſeits aber entſchloſſen ſei, die erheblichen deutſchen wirt - ſchaftlichen Intereſſen zu wahren, ferner, daß es deshalb wegen Sicherſtellung dieſer Intereſſen ſich mit dem Sultan von Marokko in Verbindung geſetzt habe.

Die rumäniſchen Kammerdebatten.

Die Debatten der Kammer über die Thronrede ſind ruhig verlaufen. Von den Liberalen hat der ehemalige Miniſter des Aeußeren Jon Bratianu das Wort ergriffen. Er hat ſich darauf beſchränkt, die Wahl - beeinfluſſungen zu beſprechen. Auch die Junimiſten, alſo die Konſervativen Carp’ſcher Färbung, haben die Regierung nicht allzu heftig angegriffen. Die Gaffer ſind gar nicht auf ihre Rechnung gekommen. Sie hatten erwartet, daß es zu einer erregten Abrechnung zwiſchen Jung - und Altkonſervativen kommen wird. Die Junimiſten faßten aber die Regierungs - partei und ihre Führer ſehr ſanft an. Offenbar wollten ſie die Konſervativen aus Tradition, die Bojaren, nicht vor den Kopf ſtoßen und zwiſchen dieſen und den jüngeren demo - kratiſchen Elementen, welche ſich der konſervativen Partei an - geſchloſſen haben, Uneinigkeit ſäen. Die Zielſcheibe ihrer An - griffe bildeten die Miniſter Tache Jonescu, Alexandru Badarau und Michail Vladesku. Allein Herr Jonescu antwortete mit einer ſeiner beſten Reden und dies will etwas heißen, wenn man bedenkt, daß Tache Jonescu zu den beſten rumä - niſchen Parlamentariern gehört. Badarau aber hielt einſeltener Fall zugleich mit ſeiner erſten Miniſterrede, auch ſeine parlamentariſche Jungfernrede. Zum Schluſſe äußerte ſich auch der Miniſterpräſident ſehr energiſch über die Stellung ſeiner Partei zu den Junimiſten. Dieſelben wurden zwar nicht vor den Kopf geſtoßen, es wurde ihnen aber erklärt, daß ſie nur dann mit der Partei arbeiten könnten, wenn ſie ſich entſchlöſſen, ganz darin aufzugehen. Selbſtverſtändlich berührten die Miniſter auch einige wichtige Prinzipienfragen. Der Berichterſtatter über die Kammeradreſſe, Herr Virgil Arion, wagte ſich ſogar an die heikle Judenfrage heran. Er meinte, in der Verfaſſung ſei vorgeſehen, wie man in dieſer Frage vorgehen müſſe. Es ſollen alſo Bürgerrechte an Juden verliehen werden, aber nicht ausſchließlich an reiche, die zumeiſt Ausbeuter ſeien, ſondern auch an arme, die auf geiſtigem und wirtſchaftlichem Gebiete für das Wohl des Vaterlandes wirken. Man darf dieſe Erklärung, obwohl nicht von der Miniſterbank ausgehend, als Ausdruck der Abſichten, welche die Regierung hat, betrachten. An eine wenn nicht endgiltige, ſo doch wenigſtens umfaſſendere Löſung der Frage iſt alſo immer noch nicht zu denken. Wenn aber auch hundert Juden im Jahre zur Regelung ihrer rechtlichen Lage kommen, was bedeutet dies gegen 200.000 Juden, die immer noch rechtlos bleiben? Sehr wichtige Erklärungen wurden auch in der Frage der ſtaatlichen Petroleumterrains abgegeben. Entgegen der Theorie des Herrn Sturdza, welcher den Schatz unberührt den kommenden Generationen überlaſſen möchte, will die jetzige Regierung zur Hebung dieſes Schatzes ſchreiten. Neue Perſpektiven eröffnen ſich ſomit der Petroleuminduſtrie. Auch wurde betont, daß die Regierung auf Durchführung der Entwürfe, betreffend die Privateiſenbahnen und das Verwaltungsgericht, beſtehen wird. Daß die ganze Debatte fruchtbar geweſen, kann man nicht ſagen. Sie hat aber die politiſche Situation geklärt: die Alt - konſervativen fühlen ſich ſtark genug, allein zu regieren, die ſchmollenden Junimiſten erſcheinen faſt iſoliert, und die Möglich - keit, ſie könnten als eigene Partei ans Staatsruder berufen werden, erſcheint nunmehr vollſtändig ausgeſchloſſen.

Bunte Chronik.

Ein Unfall der deutſchen Kaiſerin.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Das Wolff’ſche Bureau dementiert den Unfall der deutſchen Kaiſerin in Taormina.

Eiſenbahnunfall.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Heute früh fuhr eine Lokomotive in einen in die Station ein - fahrenden Güterzug, der drei Wagons mit Auswan - derern mitführte. Ein Schaffner wurde getötet, vier Per - ſonen ſchwer und etwa 30 leicht verletzt.

Neuerungen im Vatikan.

In den vatikaniſchen Gärten wurde am 28. März mit großer Feierlichkeit eine Lourdeskapelle eingeweiht. Sie befindet ſich in einem ſonſt dem Publikum nicht zugänglichen Teil der Gärten. Anläß - lich der Zeremonie hatten ſich in dieſem etwa 20.000 Per - ſonen eingefunden. Dabei fiel es auf, doß die palatiniſche Garde, die nur bei den Zeremonien des Vatikans Dienſt hat, den Weg bis zum Muſeum entlang zog, der von vielen als zum italieniſchen Gebiet gehörig betrachtet wird. Das veranlaßt den vatikaniſchen Berichterſtatter des Figaro zu der Bemerkung: Wenn es noch einige Zeit fortgeſetzt wird, ſo wird man nicht mehr daran verzweifeln dürfen, den Papſt noch in den Straßen Roms zu ſehen. Derſelbe Bericht - erſtatter glaubt ferner, gelegentlich auch auf die Abneigung des gegenwärtigen Papſtes gegen Pomp und Etikette hin - weiſen zu ſollen. Es hat ſich nämlich herausgeſtellt, daß Pius X. ſeine Pferde verkaufen ließ und daß es ſein Wunſch war, daß die Nobelgarde ihn bei den Zeremonien zu Fuß begleiten ſollte. Aber die Nobelgarde ſoll damit nicht recht einverſtanden geweſen ſein. Sie erſchien auch wirklich bei der Zeremonie zu Pferd. Die Pferde ſind aber, ſo glaubt der Berichterſtatter, zu der Zeremonie eigens beſchafft worden. Dem päpſtlichen Hofe ſoll die Abneigung des Papſtes gegen Pomp und Etikette nicht recht gefallen, da er unter Leo XIII. an mehr Preſtige gewöhnt war.

Ein Theaterſkandal in Bordeaux.

Während des erſten Aktes der Oper Manon im Theater zu Bor - deaux entſtand, wie ein Privattelegramm meldet, in der Kuliſſe zwiſchen dem Direktor Boyer und dem Baſſiſten Blancard eine Schlägerei. Letzterer ſtürzte vor die Rampe und bat das Publikum um Schutz. Blancards Gattin, die gleichfalls auf der Bühne erſchien, um den Vorfall zu er - zählen, hatte einen Ohnmachtsanfall. Das Publikum glaubte im erſten Augenblicke an einen Aprilſcherz, dann wurde aber Blancard von den in der Mehrzahl anweſenden Anhängern des Direktors hinausgepfiffen.

Totgehungert.

Aus Buczacz wird uns geſchrieben: Vor einigen Tagen verbreitete ſich in unſerer Stadt das un - glaubliche Gerücht, daß in der ſtädtiſchen Arreſtantenzelle ein Bauer zu Tode ausgehungert worden ſei. Ein mit dem Bauer aus Pettikowice, Hryn Szmola, internierter Arreſtant Schwarz, welcher am 27. v. M., vor dem Tode des erſteren, dem Landesgerichte übergeben wurde, erzählte dem eskortierenden Gendarmen, daß ſie in eine kalte und finſtere Zelle eingeſperrt wurden. Vier Tage hindurch hörte er das vergebliche Flehen ſeines Leidensgenoſſen um Brot und Waſſer. Aber beides blieb eben verſagt. Die Polizei bliebhart wie ein Felſen, und am fünften Tage weckte man den alten Bauer vergebens, er kehrte den marternden Hütern des Rechtes und der Gerechtigkeit den Rücken und ging in das beſſere, ſchöne Jenſeits. Schwarz alarmierte gleich die Wach - leute, welche aber nichts mehr ausrichten konnten. Die Ange - legenheit wurde dem Bezirksgerichte überwieſen. Wunderbar an der Geſchichte iſt, daß der einzige Zeuge in dieſer traurigen Geſchichte, der Arreſtant Schwarz, plötzlich verſchwand. Die Unterſuchung iſt deshalb ſehr erſchwert worden und es iſt auch zweifelhaft, ob ſie zu einem Reſultate führen werde.

Mrs. Chadwick und ihr Gatte.

Die amerikaniſche Frau Humbert, die auf Andrew Carnegies Namen bedeuten - de Wechſel fälſchte und die Bank von Oberlin ruinierte, iſt nunmehr auf längere Zeit unſchädlich gemacht worden. Das Gericht hat ſie wegen mehrerer Hochſtapeleien zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt und ihren Antrag, vor einen anderen Gerichtshof geſtellt zu werden, abgelehnt. Während ſie nun dieſe Strafe abſitzt, beginnt ihr Gatte, deſſen Mitwiſſen - ſchaft an dem Betrug nicht nachzuweiſen war, jetzt einen Lebensunterhalt auf eine ſehr eigentümliche Art zu verdienen, wobei er als echter Amerikaner beſonders aus der noch friſchen Senſation Kapital ſchlägt. Unter dem Inventar der luxuriös ausgeſtatteten Villa des Ehepaares war nämlich bei der Beſchlagnahme ganz beſonders ein überaus wertvolles Harmonium aufgefallen, das 40.000 Mark gekoſtet haben ſoll. Da dieſes Inſtrument in den Verhandlungen mehrfach als Beweis dafür angeführt wurde, daß Frau Chadwick verſchwenderiſch gelebt hatte, ſo beſaß es eine gewiſſe Popu - larität, und es war ein genialer Gedanke von Herrn Chadwick, dieſes intereſſante Inſtrument nunmehr ſeinen Landsleuten gegen entſprechendes Eintrittsgeld vorzuführen. Wie richtig er hierbei mit der menſchlichen Neugierde gerechnet hat, be - weiſen ſeine brillanten Geſchäfte; denn obwohl Herr Chadwick bisher niemand als Muſiker bekannt war und er wahrſchein - lich als ſolcher auch nicht beſonders hervorragt, ſo verdient er doch mit ſeiner Schauſtellung und muſikaliſchen Bear - beitung des ominöſen Harmoniums monatlich an 1600 Mark.

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Czernowitzer Angelegenheiten.

Aus dem Rathauſe.

In der am Samſtag ſtattge - fundenen Gemeinderatsſitzung wurde nach Anhörung der von Prof. Scheſtauber und Rechnungsrat Buſch abgegebenen Gutachten endlich gemäß dem Sektions - und Magiſtrats - antrage beſchloſſen, das Darlehen für den Theater - bau bei der Zentralbank der deutſchen Sparkaſſen in Prag aufzunehmen. In derſelben Sitzung teilte der Vorſitzende Vizebürgermeiſter Regierungsrat Dr. Reiß mit, daß der Magiſtrat im Sinne des Gemeinderatsbeſchluſſes an das Juſtizminiſterium ein Memorandum wegen der ohne zwingenden Grund an auswärtige Gewerbetreibende erfolgten Vergebung der Arbeiten im Juſtizminiſterium überreicht habe, auch habe Abg. Dr. Straucher in dieſem Sinne im Juſtizminiſterium interveniert. Hierauf gelangt eine von Magiſtratskommiſſär Gewölb gefertigte Interpellationsbeantwortung in Betreff der von Dr. Norſt zur Sprache gebrachten Fälle von Mädchen - handel zur Verleſung. Aus der Beantwortung geht hervor, daß die ſtädtiſche Polizei durchaus korrekt blos ihre Pflicht getan habe. Zur Verleſung gelangen ſodann Gutachten der Architekten Prof. Witek, Dell und Theaterbauleiters Ing. Schreiber in Betreff der von GR. v. Onciul an - geregten Bauvorſchriften auf dem Eliſabethplatze (Wir kommen auf dieſe Frage noch zurück A. d. R.) Ferner wurden zwei baupolizeiliche Angelegenheiten im Dringlichkeitswege in Verhandlung gezogen und zwar ſtellte GR. Elias Wender auf Grund einer Eingabe der Kaufmannſchaft in der Enzenberg - Hauptſtraße den Antrag, daß eine dort für den Bau abge - lagerte Ziegelreihe entfernt werde. Der Antrag wurde nach längerer Debatte der geſchäftsordnungsmäßigen Behandlung zugeführt. GR. von Onciul brachte folgenden Fall vor: An der Ecke Rathausſtraße-Kochanowskigaſſe befinde ſich ein4Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 4. April 1905. niedriges kleines Häuschen, deſſen Verwalter ein gewiſſer Geringer ſei. Dieſer habe dem ehem. ſtädtiſchen Tierarzte Schmul und dem Baumeiſter Liquornik die Auf - führung eines Neubaues übertragen. Weil nun die Parteien, kleine Gewerbetreibende, nicht rechtzeitig gekündigt wurden, habe man, anſtatt ihnen Reugeld zu zahlen, zu dem bequemen Mittel gegriffen, das Haus durch eine Magiſtratskommiſſion baufällig erklären zu laſſen. Das wollte aber nicht recht gehen, und ſo griff man, nachdem Baurat Fröſchl allein ſich für die Baufälligkeit ausgeſprochen hatte, zu Feuergefährlichkeiten und erwirkte die Verfügung des Bauamtes, daß binnen 48 Stunden der Dachſtuhl und die Parterredecken des Hauſes niederzureißen und die Parteien zu delogieren ſeien. Obendrein wurde ausgeſprochen, daß ein Rekurs gegen dieſe Verfügung keine aufſchiebende Wirkung habe. Redner be - antragt nun im Dringlichkeitswege, daß der nicht aufſchiebende Charakter des Rekurſes, den er für die Parteien gleichzeitig anmelde, aufgehoben und eine gemeinderätliche Ueberprüfungs - kommiſſion eingeſetzt werde. Stadtrat Heinrich bemerkt, er habe ſich gegen die Baufälligkeit ausgeſprochen, mußte aber als Mitglied der Kommiſſion ſich dem Befunde derſelben anſchließen, trotzdem er die Härte der Maßregel erkannt habe. Hier als Mitglied des Gemeinderates müſſe er, da zwei Seelen in ſeiner Bruſt wohnen, den Antrag Onciul unterſtützen. GR. W. Tittinger ſpricht ſich nach Ein - holung einer Aufklärung gleichfalls für den Antrag aus, ebenſo GR. Elias Wender. Der Vorſ. Dr. Reiß konſtatiert, daß er in der Magiſtratsſitzung, die dieſen Beſchluß faßte, nicht zugegen war, Vizebürgermeiſter Gregor habe den Vorſitz geführt. Der erſte Teil des Antrages Onciul wird hierauf einſtimmig angenommen, der zweite bleibt bis zur Erledigung des Rekurſes in suspenso. Nach dem Referate des GR. Tellmann über das Theaterdarlehen vertrauliche Sitzung.

Die Ernennungen im gr. -or. Konſiſtorium.

Die Wiener Zeitung meldet: Seine k. und k. Majeſtät haben mit Allerhöchſter Entſchließung vom 27. März d. J. den Konſtitorialrat Myron Calinescu zum Konſiſtorial - Archimandriten des gr. -or. erzbiſchöflichen Konſiſtoriums in Czernowitz, den Religions-Profeſſor am Czernowitzer Erſten Staatsgymnaſium Caliſtrat Coca zum Protopresbyter der gr. -vr. Kathedralkirche in Czernowitz und den Pfarrer in Brodok Meletie Halip zum beſoldeten Beiſitzer des gr. -or. erzbiſchöflichen Konſiſtoriums daſelbſt allergnädigſt zu er - nennen geruht.

Auszeichnung.

Aus Anlaß der Spiritus-Ausſtellung in Wien wurde Herr Profeſſor Dr. Neumann Wender in Czernowitz mit der franzöſiſchen Offiziersdekoration pour mérite agricole ausgezeichnet. Den gr. -or. Pfarrern The - odor Semaniuk in Wiznitz und Viktor Zacharowski in Unter-Lukawetz, wurde das Goldene Verdienſtkreuz mit der Krone verliehen.

Perſonalnachrichten.

Hofrat Ullmann und Magiſtratsdirektor Regierungsrat Wiedmann, ſind zu kurzem Aufenthalte nach Wien gereiſt. Direktor Doktor Philippowicz und Bauoberkommiſſär Charwat ſind von ihrer Reiſe zwecks Studiums der Einrichtungen größerer Krankenanſtalten zurückgekehrt. In einer geſtern abgehaltenen Feſtſitzung des Ausſchuſſes des hieſigen Vereines zur Förderung der Tonkunſt, überreichte Regierungsrat Dr. v. Duzin - kiewicz dem Muſikdirektor Hrimaly das demſelben vom Kaiſer verliehene Ritterkreuz des Franz Joſeph-Ordens.

Baron Szymonowicz .

Unter zahlreicher Be - teiligung aller Kreiſe der Bevölkerung und der Spitzen der Behörden fand geſtern nachmittags das Leichenbegängnis des vorgeſtern hier verſtorbenen Hofrates und Kreisgerichts - präſidenten Johann Baron Szymonowicz ſtatt. Im Leichenzuge, den der hochwürdige Prälat Ehrendomherr Kaſprowicz unter Aſſiſtenz der Herren Katecheten Szy - monowicz und Moiſeſowicz aus Kuty führte, bemerkte man u. A. Landespräſidenten Dr. von Bleyleben mit Beamten der Landesregierung (Reg. -R. Krzeszniowski, Duzinkiewicz u. a.) Landesgerichtspräſidenten Klar undVizepräſidenten Artymowicz mit den Oberräten und Räten des hierortigen Landesgerichts, Vizebürgermeiſter Reg. -R. Dr. Reiß, Hofrat und Kreisgerichtspräſidenten Zierhofer mit Beamten des Suczawaer Kreisgerichts, Vertreter der Bezirksgerichte in der Provinz, Vertreter der anderen ſtaatlichen Reſſorts und des armeno-polniſchen und des rumäniſchen Großgrundbeſitzes und Landesadels, Vertreter der kath. akad. Verbindung Unitas .

Zur Vergebung der ſog. Profeſſioniſten - arbeiten beim hierortigen Juſtizgebäude.

Im Sinne des Gemeinderatsbeſchluſſes vom 23. März d. J. übermittelte das Magiſtratspräſidium ein an das Juſtizminiſterium zu richtendes Memorandum dem Abgeordneten der Stadt, Dr. Straucher. Dieſer überreichte perſönlich Samſtag, den 1. d. M. das beſagte Memorandum dem Juſtizminiſter Dr. Klein, dem Abg. Dr. Straucher auch mündlich den Sachverhalt vortrug. Exzellenz Dr. Klein anerkannte die Richtigkeit des von der Stadt Czernowitz eingenommenen Standpunktes, beſprach ausführlich die Angelegenheit mit Dr. Straucher und verſprach die ſofortige Einleitung der Erhebungen zwecks eingehender Information, worauf er dann das Erforderliche verfügen werde. Exzellenz Dr. Klein be - kundete großes Wohlwollen gegenüber der Stadt.

Die Militärgründe .

Herr Landtagsabgeordneter und Gemeinderat Bahnbaukommiſſär Titus Ritter v. Onciul erſucht uns, feſtzuſtellen, daß ſeine in der vorletzten Gemeinde - ratsſitzung bei Beratung über die Schätzung der Militär - gründe gemachte Aeußerung, wienach GR. Wegner in ſeiner Oppoſitionsrede die Gedanken des k. k. Oberbaurates Haberlandt wiedergegeben habe, auf einer irrigen Information beruhte.

Vereinsnachricht.

Dienſtag den 28. v. M. fand die konſtituierende Sitzung des Kommis - und Buchhalter-Unter - ſtützungs-Vereines ſtatt und wurden folgende Funktionäre ein - ſtimmig wiedergewählt: Bernhard Schnee, Kaſſier; Wilhelm Badian, Stellvertreter; Z. Pulmann, Schriftführer; Leib Sandmann, Stellvertreter; Moritz Tirſt, Buchhalter; Leon König, Stellvertreter; Wilhelm Trichter, Kontrollor; Leon Blum jun., Stellvertreter; Bernhard Haß, Sanitäts-Obmann; Hermann Sacher, Stellvertreter; Karl Schiffer und J. Hoch - ſtädt, Sanitätsmitglieder. Bezüglich des zu erbauenden Vereins - hauſes erfahren wir, daß die Grundſteinlegung vorausſichtlich im Laufe dieſes Monates erfolgen dürfte und die vollſtändige Erreichung dieſes ſchönen Zieles eines eigenen Heims lediglich von der Opferwilligkeit der Gönner und Mitglieder des ge - nannten Vereines durch Spenden zur Verſtärkung des Bau - fondes beizutragen, abhängt. Spenden nehmen die Herren: Wilhelm Badian, Obmann des Baukomitees und Bernhard Schnee, Vereinskaſſier, entgegen und werden in den Lokal - blättern ausgewieſen.

Verkehrsnachricht.

Wie wir hören, wird das Vor - mittags-Zugspaar Wama-Rußmoldawitza, welches jetzt nur 4 mal wöchentlich verkehrt, ab 1. Mai d. J. täglich ver - kehren.

Geſellſchaftsreiſe nach Konſtantinopel.

Für die am 16. April (Palmſonntag) ſtattfindende Geſellſchaftsreiſe ſind bereits zahlreiche Anmeldungen eingetroffen. Die Führung übernimmt Herr Direktor Lang vom Fremdenbureau, eine Gewähr dafür, daß den Teilnehmern alles Sehenswerte ge - boten werden wird. Die Teilnehmer II. Klaſſe erhalten aus - nahmsweiſe am Schiff I. Kajütte. Es iſt beſtimmte Ausſicht vorhanden, daß der öſterr. -ung. Botſchafter Baron Calice einen von den Teilnehmern zu veranſtaltenden Abend bei - wohnen wird. Am 8. April werden die Anmeldungen ge - ſchloſſen, weshalb die P. T. Intereſſenten erſucht werden, noch rechtzeitig ihre Päſſe zur Beſorgung des türkiſchen Paß - viſums im Reiſebureau Hermann Mittelmann, Rathausſtraße Nr. 11, zu übergeben.

Neues chemiſch-techniſches Laboratorium.

Die Herren, geweſener Univerſitäts-Aſſiſtent Apotheker GeorgGregor und geweſener Univerſitäts-Demonſtrator Chem. Joſef Tennenhäuſer, haben gemeinſchaftlich ein chemiſches Laboratorium errichtet, in welchem die einſchlägigen chemiſchen Unterſuchungen von gewerblichen, induſtriellen und Handels - artikeln, ſowie phyſiologiſch-chemiſche Unterſuchungen (Harn - analyſen) ausgeführt werden. Die Herren Gregor und Tennen - häuſer haben zu dieſem Zwecke das bereits im Jahre 1889 gegründete Laboratorium des Prof. Dr. Neumann Wender erworben, weſentlich erweitert und mit allen Behelfen zur Ausführung chemiſch-techniſcher Analyſen ausgeſtattet. Das neue Laboratorium wird ab 1. Mai in der Gymnaſialgaſſe Nr. 8 errichtet und inzwiſchen das bisherige Laboratorium in der Ruſſiſchen Gaſſe Nr. 9, beibehalten. Als Annahmeſtelle für ſämtliche Unterſuchungen wird auch die k. k. Kreisapotheke am Ringplatz Nr. 4 fungieren, woſelbſt allfällige Auskünfte erteilt werden. Mit Rückſicht darauf, daß zwei tüchtige Chemiker, die über reiche Erfahrungen verfügen, ſich zuſammengetan, ſteht zu erwarten, daß das junge Unternehmen proſperieren wird.

Selbſtmordverſuch.

Der Polizeirapport meldet: Geſtern nachts wurde der Polizeiinſpektion die Meldung erſtattet, daß die in der Rathausſtraße bei der Czubata wohnhafte Kaſſierin Julia Surmejczuk einen Selbſtmord - verſuch unternommen, indem ſie eine Löſung ſchwefelſauren Kupfers zu ſich genommen habe. Die aviſierte Freiwillige Rettungsgeſellſchaft entſandte einen Arzt an Ort und Stelle, welcher die Lebensmüde nach entſprechender Behandlung in Privatpflege belaſſen konnte.

Eine Unverbeſſerliche.

Der Polizeirapport meldet: Die Gewohnheitsdiebin Anna Hanczaruk, welche ſeit ihrem 9. Lebensjahre als verwegene Taſchendiebin der Polizei zu ſchaffen gibt und erſt bis vor Kurzem eine größere Freiheitsſtrafe verbüßt hatte, wurde geſtern wiederum wegen Diebſtahls und Diebſtahlsverſuches beanſtändet und in Haft genommen. Die Verhaftete wurde nämlich von einer Beſucherin der röm. -kath. Kirche dabei ertappt. als ſie ihre Hand in die Rocktaſche dieſer ſteckte und die Geldbörſe heraus - zuziehen im Begriffe war. Als die Täterin deswegen der Polizei überſtellt wurde, erſchien gleichzeitig eine zweite Beſucherin des gedachten Gotteshauſes und erſtattete gegen die Ueberſtellte die Anzeige, daß ſie auch ihr aus der Taſche ein Sacktuch, in welches ein geringer Geldbetrag ſowie ein Schlüſſel eingebunden war, entwendet habe. Die leugnende Täterin wird dem Strafgerichte eingeliefert und ſolcherart wiederum für längere Zeit unſchädlich gemacht werden.

Raufexzeſſe.

Der Polizeirapport meldet: Geſtern wurde der bekannte Raufbold Adolf Rotländer und ſein Partner Ernſt Matuszczak, welche ſpät abends auf dem Ringplatze eine Rauferei veranſtalteten, vom Wachpoſten an - gehalten und verhaftet.

Korreſpondenzen.

Radantz. (Vereinsnachricht).

Am 24. v. M. veranſtaltete der Verein Dorſche Zion einen Kommers, der einen glänzenden Verlauf nahm. Herr Rabbiner Baruch Baſſeches aus Solka ſprach hiebei über die Bedeutung des Purimfeſtes, in der er auch auf Judentum überhaupt und Zionismus einging und letzteren in ſchwungvoller Rede ver - teidigte. An den Vorträgen beteiligten ſich der Obmann des Vereines Dr. Bierer, Rabbiner Kunſtadt und Herr Iſrael Menczel.

Kranke Seelen.

75]

(Nachdruck verboten.)

Kaum hatte der Artillerie-Oberleutnant, nachdem er im Vorzimmer den Mantel angezogen, die Tür, die ins Treppen - haus führte, hinter ſich geſchloſſen, als Graf Arno Redern durch die Garderobe geſtürzt kam. War das nicht der Thawald, der da eben ging? fragte er haſtig. Die beiden Bedienten bejahten.

Der Oberleutnant befand ſich noch mitten auf der Treppe, als er Rederns Stimme hinter ſich vernahm:

Oho! Da kneift einer aus!

Er blieb ſtehen und drehte ſich um. Oben ſtand bar - haupt der Chevauleger, und hinter dieſem erſchienen zwei neugierige Lakaiengeſichter in der halb offen gebliebenen Vorzimmertür.

Meinen Sie wirklich mich, Herr Leutnant?

Wen ſonſt? Sie wiſſen, daß ich ein Hühnchen mit Ihnen zu pflücken habe nach dem, was Sie mir geſagt haben. Hätte ich gewußt, daß Sie ſich davonmachen würden, ſo hätte ich mich ſelbſt durch die Gegenwart der ſchönen Thea nicht abhalten laſſen ...

Ich verbiete Ihnen dieſen Ton, junger Mann! unter - brach ihn Thawald ſehr energiſch, ſowohl gegen mich, als gegen die Dame, der Sie unbedingt Ehrerbietung ſchulden.

Redern kam unter einem höhniſchen Lachen herab; man konnte ihm anſehen, daß er die kurze Zwiſchenpauſe zu einem abermaligen, ſehr ausgiebigen Stärkungstrunk benützt hatte.

Ich finde es nicht am Platze, Herr Oberleutnant, daß Sie ſich jetzt, wo Sie mir Rede ſtehen ſollen, auf Ihre höheren Alters - und Dienſtjahre berufen. Und über dieEhrerbietung, die man von mir fordern kann, vermag ich von Ihnen keine Belehrung anzunehmen. Wie käme es Ihnen zu, der Sie es mit Ehre vereinbar zu halten ſcheinen, vor mir davonzulaufen?

Darüber werden unſere Vorgeſetzten zu urteilen Gelegen - heit haben, ob es mir anſteht oder nicht, einem betrun - kenen Stänkerer aus dem Wege zu gehen.

Oho! Sie ſind mir entſchieden zu ſpät aus dem Wege gegangen, Musjöh, ſchrie Redern, ſinnlos vor Wut, denn Sie hätten mir uns allen in dieſem Hauſe ſchon von dem Tage an ausweichen müſſen, da Ihre unſauberen Familienverhältniſſe ruchbar geworden ſind.

Jetzt war es auch mit Thawalds mühſam bewahrter Beſonnenheit vorbei. Ein Griff und der ſchöne Arno flog Hals über Kopf die Treppe hinunter.

In demſelben Augenblick ſtürzten auch ſchon die Herren herbei, die von den Bedienten da oben zur Beilegung des Zwiſtes herausgerufen worden waren: ein halbes Dutzend älterer und jüngerer Uniform - und Frackträger, die ſich ebenfalls zum Aufbruche gerüſtet hatten. Die Herren vom Zivil beſchränkten ſich darauf, alle Maßregeln einzuleiten, daß der unerhörte Zwiſchenfall den übrigen Gäſten im Hauſe womöglich verborgen bliebe, während ſich die Offiziere zwiſchen dem Artilleriſten und dem Chevauleger ins Mittel legten.

Thawald hatte für ihre Bemühungen nur ein entſagungs - volles Lächeln; er wußte ja, was jetzt unvermeidlich war.

Ich bitte meine Herren, ſorgen Sie nur, daß die Hausfrau nichts davon erfährt! lauteten ſeine Worte, mit denen er dann zur unmittelbarſten Gegenwart zurückkehrte.

Graf Redern hatte ſich indeſſen mit Hilfe zweier jungen Kameraden von den Steinfließen des unteren Treppenab - ſatzes erhoben, zähneknirſchend vor Schmerz und Ingrimm. Er hatte ſich die rechte Hand verſtaucht und war außer ſtande, ſich den Armen ſeiner beiden Beſchützer zu entwinden, die ihn abhielten, ſich auf den Widerſacher zu ſtürzen.

Ruhe, ich bitte nur um Ruhe! rief der Aelteſte in der Verſammlung, ein graubärtiger Infanterie-Major, mit den Armbewegungen eines Kapellmeiſters, der ein Pianiſſimo dirigiert. Laſſen Sie uns in erſter Linie nur darauf Rück - ſicht nehmen, daß ein Affront vor der Geſellſchaft vermieden werden muß!

Endlich gelang es, den raſenden Arno in die Portier - loge zu ziehen. Man lief, ihm die Garderobe herabzuholen, und Thawald wurde von den wirr durcheinander redenden Kameraden aus dem Hauſe geführt. Er hörte nicht, was man ihm ſagte. Waren es Zuſtimmungen oder Vorwürfe? Endlich gelang es zweien, von denen er erſt weit unterwegs, unter einer Straßenlaterne, den einen als Angehörigen ſeiner Batterie erkannte, ſich ihm vernehmlich zu machen ſie trugen ſich ihm als ſeine Sekundanten an.

Die zurückgebliebenen Gäſte hatten von dem haar - ſträubende Skandale erſt beim allgemeinen Aufbruch er - erfahren, in der Garderobe, wo einer dem Andern die Bot - ſchaft davon zurannte. Thea erfuhr es erſt am Morgen durch die Zofe, die ſie bei der Toilette bediente. Es traf ſie wie ein lähmender Schlag.

Der Unglückſelige! war ihr erſter Gedanke, Gott verderbe dieſen Redern! ihr zweiter. Dann ſammelte ſie ſich unter der Erwägung, daß man die Sache um jeden Preis vor Papa verbergen müſſe.

Die Dienerſchaft befolgte denn auch die ſtrenge Weiſung der jungen Hausfrau, und Graf Dörland erfuhr nichts von dem Vorfalle der vergangenen Nacht.

(Fortſetzung folgt.)

54. April 1905. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

Hliboka. (Inſtallationsfeier.)

Der Sonntag des 26. März war für die deutſchen Proteſtanten in Hliboka ein großer Freudentag, denn derſelbe galt der Inſtallation ihres erſten Pfarrers, des Herrn Georg Fauſt. Nachdem das Presbyterium ſämtliche Herren Pfarrer und Presby - terien der w. Gemeinden des öſtlichen galiziſch-bukowiniſchen Seniorats eingeladen hatte, brachten die Eiſenbahnzüge von Norden und Süden, von Oſten und Weſten am Sonntags - morgen die Feſtgäſte nach Hliboka. Unter dieſen werden be - ſonders folgende namentlich angeführt: vom geiſtlichen Stande der allverehrte Herr Senior Joſef Fronius aus Czernowitz, Pfarrer Zöckler aus Stanislau, deſignierter Pfarrer Tieleman aus Zaleszyki, Pfarrer Decker aus Radautz und Pfarrer Hargeſheimer aus Itzkany. Ferner waren vertreten durch weltliche Abgeordnete die Ge - meinden: Czernowitz durch Herrn Dr. Bauer und Herrn Törpel, Tereſcheny durch ihre meiſten Gemeindemitglieder, Storozynetz durch Herrn Zimmer und Kandel, ſchließlich Terebleſtie durch mehrere Gemeindemitglieder. Auch beteiligte ſich an dieſer Feier der hochwürdige gr. -or. Orts - pfarrer Herr Werbowski, der Orts - und Diſtriktsarzt Dr. Drucker und der Gemeinde-Sekretär Herr Star - czewski und viele andere, ſo daß alle Nationen und Konfeſſionen unſeres Heimatlandes vertreten waren. Um 10 Uhr luden Glockentöne die Feſtgäſte und Gemeinde - glieder in das einfache, geſchmückte Kirchlein, wo die Feier mit dem Choral: Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren ihren Anfang nahm. Nach Abſingung desſelben hielt Herr Pfarrer Zöckler die Altarliturgie und verlas darauf einen Abſchnitt aus dem 2. Briefe des Apoſtels Paulus an die Korinther, Kapitel 4: Wir predigen nicht uns ſelbſt, ſondern Jeſum Chriſtum . Dann ſang die Gemeinde den Choral: Dich, Jeſu, preiſen unſere Lieder . Nach Beendigung des Geſanges trat der hochwürdige Herr Senior Joſef Fronius vor den Altar, aſſiſtiert auf der einen Seite von den Pfarrern Decker und Harges - heimer und auf der anderen von den Pfarrern Zöckler und Tielemann, und hielt eine feierliche Anſprache an die Gemeinde und an den zu inſtallierenden Pfarrer. Es war ein rührender Rück - und Ausblick, der alle Zuhörer mit Wehmut erfüllte und zugleich erhob. Herr Senior Fronius als geiſtlicher Oberhirte legte dann dem jungen Pfarrer die Mahnung aus Herz mit den Worten: Stärke deine Brüder! Stärke die Gemeinde! und betonte die Wichtigkeit und Er - habenheit des ſchönen Seelſorgedienſtes, wo hier zu ermahnen, dort zu ſtrafen, hier zu tröſten, dort Gnade von Gott zu erflehen iſt. Redner hob hervor, daß das Pfarrhaus ein Licht ſein ſoll, welches in die Gemeinde, in die Häuſer, in die Familien hineinleuchten ſoll. Hernach richtete Herr Senior einige auf das Seelſorgeamt bezügliche Fragen an den jungen Pfarrer, welchet dieſer mit helltönender Stimme feierlich beantwortete. Darauf verlas der Herr Senior das vom hohen k. k. Oberkirchenrat ausgefertigte Dekret, mittels welchem Herr Georg Fauſt zum Pfarrer von Hliboka beſtätigt wurde. Alsdann kniete dieſer vor dem Altar nieder und empfing unter Händeauflegen ſeitens aller obgenannten Seelſorger in Reihenfolge die Segenswünſche zur In - ſtallation, worauf Pfarrer Fauſt die Kanzel beſtieg und über den Text: Joh., 1, 45, 46, die Predigt hielt. Mit der Kollekte: Danket dem Herrn geſprochen von Pfarrer Decker und einem Gebet ſchloß die ſchöne, erhebende Feier, die jedem Zuhörer unvergeßlich bleiben wird. An dieſe Feier reihte ſich noch eine kleine feierliche Handlung an und zwar im Garten vor dem Pfarrhauſe, nämlich das Setzen eines jungen Lindenbaumes zum ewigen Gedächtnis an dieſen Tag. Herr Pfarrer Hargesheimer ſprach den Segen dazu. Um 2 Uhr nachmittags verſammelten ſich die Feſtgäſte beim neugewählten Kurator Herrn Wilhelm Hartmann zu einem von einigen deutſchen Frauen köſtlich zubereiteten Mahle, wobei ſelbſtverſtändlich erhebende, geiſtreiche und auch heitere Toaſte geſprochen wurden. Den Reigen der Toaſte eröffnete Herr Senior Fronius mit einem dreimaligen Hoch auf unſeren allerdurchlauchtigſten Kaiſer und Herrn, den Schirm - und Schutzherrn der evangeliſchen Kirche unſeres Vaterlandes.

Bz.

Doroſchoutz. (Schadenfeuer.)

Ueber einen furcht - baren Brand, dem leider auch zwei hoffnungsvolle Menſchen - leben zum Opfer fielen, wird uns berichtet. Am 27. d. M. um zirka 9 Uhr abends brach hier auf dem Gehöfte des Ivan Anaka auf bis nunzu unaufgeklärte Weiſe ein Feuer aus. Anaka, aus dem Schlafe gewacht, eilte zu den Ställen, um ſein Vieh loszubinden, vergaß dabei ſeiner beiden 5 - und 10-jährigen Buben, welche im Wohnhauſe ſchliefen und in den Flammen beide den Tod fanden. Der Brand griff mit ſolcher Vehemenz um ſich, daß die Nachbargebäude und Wirtſchaften, welche dem Gemeindevorſteher Ilie Pankow ſowie dem Grundwirten Gregori Repzi gehörten, vollſtändig eingeäſchert wurden. Die Wirtſchaften blühender Gehöfte mit 11 Nebengebäuden wurden total vernichtet, trotz Hilfe ſeitens der Gutsherrſchaft und der Bevölkerung, trotz des naheliegen - den Dnieſters konnte nicht gerettet werden. Auch ein Borſten - vieh ging in dem Flammenmeere zu Grunde. Weithin im Zaſtawnaer Bezirke waren die Flammen ſichtbar, der Himmel taghell beleuchtet. Iwan Anaka, der den größeren Schaden erlitt, ſowie Gregori Repzi waren nicht verſichert, der Ge - meinde-Vorſteher Ilie Pankow mit nur 600 Kronen. Der ſummariſche Schaden beträgt mehr denn 10.000 Kronen und ſind Iwan Anaka und Gregori Repzi faſt auf den Bettelſtab gekommen. Auch mehrere Verletzte mit Brandwunden erſten und zweiten Grades gab es bei dieſem Feuer.

Rogozeſtie. (Brand.)

Dienſtag, den 28. v. M. brach aus unbekannter Urſache gegen 9 Uhr abends beim hieſigen Grundwirt Todor Danczuk ein Brand aus, der die Scheune und den Stall einäſcherte. Daß das Feuer nicht größere Dimenſionen annahm und die angrenzenden Bauern - häuſer nicht dem Brande zum Opfer fielen, iſt einzig und allein dem zielbewußten und tatkräftigen Eingreifen unſeres allſeits beliebten Poſtenführers Onufrij Skorejko, der ſein eigenes Leben in die Chance ſchlug, zu danken, und der u. a. aus den Flammen auch die Viehſtücke rettete. Ferner ſind die Inſaſſen Michailo Inaki und Iwan Iwanyczuk zu erwähnen, die mit wahrem Opfermut und der Flammen nicht achtend, bis ſpät in die Nacht arbeiteten. Auch die Herren Schulmeiſter Albota, Gemeindeſekretär Maſapiuk und Finanzwach-Aufſeher Cambefort waren trotz der ſpäten Nachtſtunde am Brandplatze erſchienen. Der Schaden iſt unbedeutend.

Der Reichsrat. Sitzung des Abgeordnetenhauſes. (Telegraphiſcher Bericht der Cz. Allg. Ztg. )

In Beantwortung einer Interpellation des Abg. Skedl erklärt der Landesverteidigungsminiſter, die Verlegung von Landwehrtruppen nach Suczawa, Radautz, Sereth in ſeinem Wirkungskreiſe anzuordnen, erſcheint mangels hie - für verfügbarer Landwehrabteilungen nicht möglich. Was die Verlegung von Heerestruppen nach dem genannten Orte anbelangt, ſo teilte das Reichskriegsminiſterium mit, daß es trotz voller Würdigung der Sachlage auch derzeit nicht die Verlegung ſtändiger Garniſonen nach Suczawa, Radautz und Sereth in Ausſicht zu nehmen vermag. Bezüglich der Entſchädigung für die leerſtehende Landwehrkaſerne Suczawa erklärt der Miniſter, daß die der Gemeinde Suczawa während des Beſtandes der Landwehrgarniſonen infolge Unterkunftsbeiſtellung erwachſenen, beträchtlichen Auslagen und wirtſchaftlichen Nachteile, von denen Suczawa urſächlich bei Verlegung der Landwehrgarniſonen betroffen wurde, bei den ſchwebenden Verhandlungen, die vorausſichtlich in kurzer Zeit zum Abſchluße gelangen, Berückſichtigung finden werden.

Letzte Telegramme. Die bis 2 Uhr nachmittags eingetroffenen Telegramme ſiehe die Rubriken Vom Tage, Bunte Chronik und Rechtspflege .

Die Vorgänge in Rußland.

Das Wehrgeſetz für Finnland.

(Korr. -B.)

Ein Manifeſt des Zaren ſuſpendiert das im Juli 1901 für Finnland er - laſſene Wehrgeſetz bis zur legislativen Entſcheidung der Frage.

Aerztekongreß.

(Korr. -B.)

Der Miniſter des Innern geſtattete die Abhaltung des Aerztekongreſſes zur Bekämpfung der Cholera. In der heutigen nichtöffent - lichen Sitzung des Kongreſſes wird die Haltung der Regierung leidenſchaftlich kritiſiert und das Verlangen nach einer Konſtitution geſtellt.

Entdeckung eines Bombenateliers.

(Priv. -Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Der Polizei gelang es, ein Atelier zu entdecken, in welchem Bomben in Menge erzeugt wurden. 78 Per - ſonen, welche der Fabrikation der Bomben verdächtig ſind, wurden verhaftet.

Blutiger Zuſammenſtoß.

(Korr. -B.)

Geſtern abends kam es zwiſchen 1000 angeblich zur Beerdigung eines Sozialiſten nach dem Friedhof ziehenden Juden und den Truppen zu einem Zuſammenſtoße. Die Menge feuerte Revolver - ſchüſſe gegen die Truppen ab, welche die Waffen ge - brauchten. Eine Perſon wurde getötet.

(Priv. -Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Bei dem Zuſammenſtoße zwiſchen den Sozialiſten und den Truppen wurden 4 Demonſtranten getötet und viele verwundet.

Ausſchreitungen von Streikenden.

(Priv. -Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Streikende ſammelten ſich geſtern im Hofe der bekannten Galoſchenfabrik Prowodnik an, drangen in die Arbeits - und Magazinsräume ein, zerſtörten die Maſchinen und Ge - rätſchaften und demolierten hierauf die Fabriksgebäude. Das Militär, welches in größerer Menge ausrückte, verſuchte die Streikenden zu vertreiben, wobei es zu zahlreichen Kämpfen kam.

Beſchießung eines Volksmeetings.

(Priv. -Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Bei maſſenhafter Beteiligung fand heute ein Volksmeeting ſtatt. Als dasſelbe bereits im Gange war, umzingelten Sol - daten den Platz und ſchoſſen in die Menge. Viele Perſonen wurden getötet.

Zirkulierende Aufrufe.

(Priv. -Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Wie aus Südrußland berichtet wird, zirkulieren dort Hunderttauſende von Aufrufen, welche das Volk gegen die Juden, Polen und Armenier aufzuwiegeln ſuchen. Die Verfaſſer der Aufrufe ſucht man in Regierungskreiſen, welche die allgemeine Gärung auf den Häuptern dieſer Völker entladen wollen.

Die Kriſe in Ungarn. (Ein neuer Kompromißvorſchlag abgelehnt.

(Korr. -B.)

Der Kaiſer empfing den Grafen Andraſſy in Audienz.

(Korr. -B.)

Das leitende Komitee der koalierten Oppoſition lehnte einen neuen Kompromißvorſchlag ab, da nach Mitteilung An - draſſys nur ein geringer Teil der militäriſchen Mehr - erforderniſſe eine Aufſchiebung zulaſſe.

(Priv. -Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Der Kaiſer empfing vormittags den Grafen Andraſſy in Audienz und beriet mit ihm einen neuer - lichen Kompromißvorſchlag, der auf ſeinen Wunſch ſofort der Oppoſition vorgelegt werden ſollte. Andraſſy begab ſich ſofort nach der Audienz in den Kuſſuthianerklub, wo das Exekutivkomitee der koalierten Oppoſition zuſammentrat. Es kam zu einer längeren aufregenden Beratung, in der einzelne Redner hart aneinander gerieten. Schließlich wurde der Beſchluß gefaßt, auch den neuen Kompromißvorſchlag abzu - lehnen. Der Beſchluß wirkte in Hof - und parlamentariſchen Kreiſen wie eine Bombe. Ueberall bewunderte man die Haltung des Monarchen, der, unbeſchadet des Affronts, der ihm mit der Ablehnung des erſten Kompromiſſes angetan wurde, der Oppoſition noch einen Schritt entgegenkam, um eine Verſtändigung zu ermöglichen. Die Annahme des zweiten Antrages ſchien auch zweifellos. Sicher iſt, daß der Kaiſer jede weitere Unterhandlung abbrechen und Budapeſt ſofort verlaſſen wird. Man ſpricht auch davon, daß das Dekret, welches die Auflöſung des Abgeordnetenhauſes und die Aus - ſchreibung von Neuwahlen verfügt, noch heute unterfertigt wird.

Die Juden in Rumänien.

(Priv. Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

König Karol von Rumänien empfing den Wiener Journa - liſten, kaiſ. Rat Lichtenſtadt, dem gegenüber er ſich über die Lage der Juden in Rumänien ausſprach. Er be - zeichnet dieſelbe als keineswegs troſtlos und ſpricht die Hoffnung aus, daß das rumäniſche Volk ſich zur Einführung von Reformen zu Gunſten der Juden entſchließen werde.

〈…〉〈…〉
6Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 4. April 1905.

Telegraphiſche Kurſe vom 3. April 1905

(Wechſelſtube Bukowinaer Bodenkreditanſtalt)

Bukowinaer Bodenkreditanſtalt-Aktien .....740·
Bukowinaer Bodenkreditanſtalt-Pfandbriefe 4 Proz.98.9599·50
Bukowinaer Bodenkreditanſtalt-Pfandbriefe 5 Proz.104104·90
Oeſterr. Kredit ................679·50
Ungar. Kreidt ................776.50
Anglobank ................307·
Bankverein ................569·
Bodenkredit ................1045·
Länderbank ................468.75
Unionbank ................551.
Staatsbahn ................662.
Lombarden ................90.75
Elbethalbahn ................422·25
Nodweſt. ................428·
Buſchtehrader lit. B. ..............1075·
Lemberg-Czernowitzer ..............589 50
Dampfſchiff ................944.
Alpine ..................522·
Brüxer Kohlen ................688·
Dynamit Nobel .................
Prager Eiſen ................2632·
Rima-Muranyer ...............538·50
Tabak ...................339.
Türkenloſe ..................144·50
Waffen ..................619·
Weſtböhm. Kohlen ...............247 75
Wiener Straßenbahn A. ............ ·
Wiener Straßenbahn B. ............ ·
Rubel ................252 50253·50
Marknoten ..............117 25 ·
Montan .................. ·
Poldi ................... ·
Rudolfshütte .................
Hirtenberger ..................

Amtlicher Kurs - und Markt-Bericht der Czernowitzer Frucht - u. Produktenbörſe.

Preiſe in Kronen per 50 Klg. ab (Parität) Czernowitz.

VonBis
KhKh
Weizen: Prima .......850865
Mittel .......
Roggeu: Prima .......640650
Mittel .......
Gerſte: Brauerware ......650560
Brennerei-Malzware ...
Hafer: Herrſchaftsware .....640660
Marktware ......
Uſanzeware ......
Oelſaaten: Winterreps, prompt ..
Rüben ......
Leinſaat ......
Hanfſaat prompt ...121225
Kleeſaat, prima ...5055
mittel ...4550
Mais: Prima, prompt .....8810
Reumais: prompt .....650730
Cinquantin: Prima prompt ...510520
Hülfenfrüte: Bohnen lange ...
Erbſen ......7258
Feuchel: ..........
Spiritus pr. 10.000 Liter perz roher,
prompexkl. Steuerab Czernowitz.404150

Valuten - und Effekten-Kurſe in Czernowitz.

GeldWare
[R]ubelnoten .............252.50253.50
Leinoten ..............93.8094.10
Marknoten ..............117·15117·35
Napoleonsd’or ............19.0819.12
Dukaten ..............11.3011.40
Amerik. Dollars ............4.804·90
Kanada-Dollars ............4.704.80
Buk. Propinat. ...........102·85103.85
Buk. Landesanl. ............99.50100·50

Effekten - und Wechſel-Kurſe an der öffentlichen Börſe in Wien.

Geldkurs in Kronenwährung.
Einheitliche 4% konv. Rente, Mai-November ....100.45
4% Jänner-Juli .....100.35
Rente 4·2% in Noten, Februar-Auguſt ..100.90
4·2% in Silber, April-Oktober ..100·90
Oeſterreichiſche Goldrente ...........119.95
Kronenrente 4% .........100·50
Inveſtitionsrente 3½% .......93·50
Ungariſche Goldrente 4% ...........118·60
Kronenrente 4% ..........98·80
Inveſtitionsrente 3½% ........90.
Oeſterr. -ungar. Bank-Aktien ..........16.47
Kreditaktien ................79·25
London vista ................239·90
Deutſche Reichsbanknoten für 100 Mark d. R. -W. ..117. 12·50
20-Mark-Stücke ...............23·42
20-Frank-Stücke ...............19·06
Italieniſche Banknoten ............95.45
Rand-Dukaten ...............11.32
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74. April 1905. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.
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8Czernowitzer Allgemeine Zeitung 4. April 1905.
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Eigentümer und Herausgeber: Dr. Philipp Menczel und Joſef Kaufmann. Verantwortlicher Redakteur: Alois Munk. Druck der Buchdruckerei Gutenberg , Czernowitz.

About this transcription

TextNr. 379, 04.04.1905.
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationNr. 379, 04.04.1905. . Buchdruckerei „Gutenberg“Czernowitz1905. Czernowitzer Allgemeine Zeitung

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IDS Mannheim

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; mkhz2

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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