Redaktion u. Adminiſtration: Rathausſtraße 16.
Telephon-Nummer 161.
Für Czernowitz (mit Zuſtellung ins Haus): monatl. K 1.60, vierteljähr. K 4.80, halbjähr. K 9.60, ganzjähr. K 19.20. (mit täglicher Poſtverſendung) monatl. K 1.80, vierteljähr. K 5.40, halbjähr. K 10.80, ganzjähr. K 21.60
Für Deutſchland: vierteljähr ..... 7 Mark.
Für Rumänien und den Balkan: vierteljährig .... 9 Franks.
Telegramme: Allgemeine, Czernowitz.
Ankündigungen: Es koſtet im gewöhnlichen Inſe - ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei mehrmaliger Einſchaltung, für Re - klame 40 h die Petitzeile. Inſerate nehmen alle in - und ausländiſchen Inſeratenbureaux ſowie die Ad - miniſtration entgegen. — Einzel - exemplare ſind in allen Zeitungs - verſchleißen, Traſiken, der k. k. Uni - verſitätsbuchhandlung H. Pardini und in der Adminiſtration (Tem - pelgaſſe 8) erhältlich. In Wien im Zeitungsburean Goldſchmidt, Wollzeile 11.
Einzelexemplare 8 Heller für Czernowitz.
Die Vorgänge in Rußland.
Die Kronſtädter Ereigniſſe haben in der Schwarzen Meer-Flotte Widerhall gefunden.
Vom Tage.
In dem Zeyſigprozeſſe wurden alle Angeklagten freigeſprochen.
Letzte Telegramme.
Die Pforte hat die Forderungen der Mächte akzeptiert. — In Budapeſt kam es heute zu großen Studentenunruhen. — In Moskau iſt die Revolution neuerlich mit voller Macht ausge - brochen. — In allen Städten Rußlands wird der Ausbruch von Militärrevolten befürchtet.
Man ſtellt der internationalen Diplomatie kein günſtiges Zeugnis aus, wenn man, wie es in den Meldungen des „ k. k. Telegr. Korreſp. -Bur. “geſchieht, von ihr ausſagt, daß ihr der Gang der Ereigniſſe am Goldenen Horn Ueber - raſchungen bereitet. Erſt war ſie überraſcht, daß trotz der Zuſammenziehung der Demonſtrationsflotte die letzte Antwort - note der Pforte in der Frage der makedoniſchen Finanz - kontrolle ablehnend lautete, dann fand ſie einen Grund zur Ueberraſchung auch darin, daß die Antwort ſo ſchnell erfolgt war. Wenn ſich ſechs Botſchafter ſechs Monate lang mit der Löſung eines Problems plagen und ſechs Großmächte dann nach langwierigen Verhandlungen eine komplizierte Aktion beſchließen, macht es einen ſonderbaren Eindruck, daß gleich bei den erſten Schritten die Rechnung nicht ſtimmen will. Freundliche Ausſichten auf die weitere Entwicklung der An - gelegenheit eröffnet dergleichen nicht. Man hat etwas über - nommen, wovon niemand weiß, wie es enden wird, und wenn wir, wie die „ Voſſiſche Zeitung “ſchreibt, die Stimmung in den europäiſchen Kanzleien richtig auffaſſen, ſo herrſchen dort eigentlich Beklemmungen. Gar zu tief möchte man ſich in das türkiſche Abenteuer nicht einlaſſen, und andererſeits hat man ſich ſchon ſo engagiert, daß der Ehrenpunkt mit ins Spiel kommt. Ach, wenn doch der Sultan endlich nach - geben wollte!
Makedonien ſoll mit einer internationalen Finanzkontrollebeglückt werden. Im Mürzſteger Reformprogramm, an deſſen Durchführung die Mächte ſeit zwei Jahren arbeiten, ſteht nichts davon. Was hat man mit dem Mürzſteger Programm erreicht? Die Verfechter der Mürzſteger Beſchlüſſe weiſen auf eine lange Liſte von Erreichtem und Erzwungenem hin. Allein die Zuſtände in den drei makedoniſchen Vilajets haben ſich trotzdem nicht gebeſſert, ja vielleicht ſogar verſchlimmert. Man iſt trotz Zivilagenten, fremden Offizieren, Aenderung des Steuerſyſtems und dergleichen nicht weiter gekommen. Nun wird die internationale Finanzkontrolle als Gipfel des Reform - ſyſtems geprieſen. Nur noch das, und Europa wird ſtaunen, welche Ruhe und Ordnung auf einmal in Makedonien ein - tritt. So ſagen nämlich dieſelben Diplomaten, die uns vor zwei Jahren verſicherten, daß im Mürzſteger Programm der makedoniſche Stein der Weiſen endlich gefunden ſei.
Man kann an die Heilkraft der internationalen Finanz - kontrolle glauben oder nicht, in jedem Falle iſt der Wider - ſtand des Sultans ſehr begreiflich. Die drei makedoniſchen Vilajets ſind ſchon ziemlich ſeinen Händen entglitten. Das Verfügungsrecht über die Steuereinkünfte iſt nahezu das Einzige, was ihm dort von ſeinen oberherrlichen Machtbe - fugniſſen noch geblieben iſt. Entzieht man ihm auch noch das — immer natürlich unter der höflichen Verſicherung, daß ſeiner Souveränität kein Abbruch geſchieht — ſo hat er in Makedonien kaum mehr zu ſagen als in Bosnien oder Oſtrumelien, wo ſeine Oberhoheit auch heute noch, mit Reſpekt zu vermelden, in Kraft iſt. Auf der ſchiefen Ebene, die er durch Genehmigung des Mürzſteger Programms zu betreten gezwungen wurde, gibt es offenbar kein Halten mehr. Die Diplomaten verſichern dem Sultan zwar hoch und tener, daß er auf keinem anderen Wege, als durch Annahme ihrer Diktate, den Beſtand ſeines Reiches ſicherſtellen könne. Allein es iſt kein Wunder, daß er angeſichts der immer weitergehenden Forderungen ſtutzig wird. Schließlich entſteht für ihn die Frage, ob es vorzuziehen iſt, die drei make - doniſchen Vilajets und damit den Reſt des einſtigen großen Türkenreiches in Europa im Kampfe zu verlieren oder ſich das Gebiet ohne Widerſtand abnehmen zu laſſen.
Vorläufig geht es in Güte nicht, und deshalb zogen die Diplomaten andere Saiten auf. Die Flottendemonſtration, an der fünf Mächte mit ihren Kriegsſchiffen und Deutſch - land, wie man behauptet, mit dem Herzen teilnimmt, ſoll den Sultan zur Nachgiebigkeit zwingen. Die Schiffe habenſich im Piräus verſammelt und ſollen bereits auf der Fahrt ſein. Wohin? Das weiß man noch nicht genau. Sie werden ſchon irgendwo auftauchen. Die einen ſagen, Mytilene oder Tenedos ſollen beſetzt werden, die dortigen Zollämter ſollen in Beſchlag genommen werden und, wenn das nicht hilft, ſollen die Dardanellen blockiert werden. Das klingt zwar recht beunruhigend, würde aber im Grunde nichts anderes bedeuten, als daß die Mächte ſich ins eigene Fleiſch ſchnitten, indem ſie ihre eigene Handelsſchiffahrt in jenen Gewäſſern für geraume Zeit unterbänden. Doch wir wollen uns damit nicht den Kopf zerbrechen. Die nächſten Tage werden ja lehren, was die Demonſtrationsflotte unternimmt.
Wenn aber das alles nicht hilft? Dann wäre Europa in eine Sackgaſſe geraten. Engliſche Blätter wollen wiſſen, daß Oeſterreich-Ungarn dann ein europäiſches Mandat er - halten ſoll, militäriſche Maßregeln gegenüber der Türkei zu ergreifen. Schon der bloße Gedanke daran zeigt, welche unendliche Schwierigkeiten ſich aufzutürmen drohen. Und wes - halb und wofür? Für etwas, wofür ſich in ganz Europa eigentlich niemand zu erwärmen vermag, was der euro - päiſchen öffentlichen Meinung angeſichts der weltgeſchichtlichen Probleme, von denen ſie beherrſcht wird, herzlich gleichgültig iſt, und wofür man am allerwenigſten die Knochen der eigenen Landsleute dranſetzen wollte.
Die Angelegenheit ſteht demnach in dieſem Augenblicke ſo, daß es lediglich von den Nerven des Sultans abhängt, ob in der makedoniſchen Finanzfrage ein Ergebnis erzielt wird oder nicht. Seine bisherige Nackenſteifheit iſt vermutlich auf den Niedergang der ruſſiſchen Waffenmacht und die daraus reſultierenden ruſſiſchen internationalen Verhältniſſe zurück - zuführen. Auch iſt er heutzutage nicht ganz ohne Hilfskräfte. Wenn Europa mit Waffengewalt gegen die Türkei einſchreitet, verliert Rußland — wie immer ſich der Ausgang des Kampfes geſtaltet — den Kaukaſus. Von anderen, uns näher liegenden Gefahren gar nicht zu ſprechen. Zudem iſt die europäiſche Einigkeit nie ſo gefährdet, als wenn ſie in Aktion tritt. Manchmal glückts, manchmal auch nicht. Der Sultan nützt, indem er hartnäckigen Widerſtand leiſtet, die Kon - junktur nicht ungeſchickt aus. Knickt er zuſammen, ſo iſt Europa ſchön heraus; bleibt er aber aufrecht, dann kann es leicht paſſieren, daß wir alle mitſammen die blamierten Europäer werden.
Die Pariſer Preſſe hat verſchiedene Spezialitäten, die ihr den Ruf der Findigkeit ſichern und ihr ſehr günſtige Ausſichten in einem eventuellen Wettbewerbe um Originalität oder vielmehr Exzentrizität eröffnen. So haben einige Zeitungen beſondere Mitarbeiter für Entdeckung von Verurteilten, in deren Prozeſſen ſich Momente und Tatſachen auftreiben laſſen, die die Annahme eines Juſtizirrtums geſtatten, und in dieſer Branche hat beiſpielsweiſe der Mitarbeiter des ſehr verbreiteten „ Journal “Jacques Dhur ſchon ſehr Hervor - ragendes und auch Nützliches geleiſtet. Er wird binnen Kurzem das Jubiläum der zehnten durch ſeine Bemühungen erzielten Begnadigung von Perſonen feiern können, für die er oft lange Jahre nach ihrer Verurteilung Zeugniſſe oder Beweiſe zu ſammeln vermochte, die ihre Schuld mindeſtens zweifelhaft erſcheinen laſſen. Aus dieſem Grunde iſt er ein wahrer Schrecken für die Richter und Staatsanwälte geworden, denen ſeine eigenartige Tätigkeit viele Sorgen bereitet und ſchon zahlreiche Verweiſe, ſelbſt Disziplinarſtrafen, eingetragen hat.
In der Sucht, einander zu überbieten, greifen manche Blätter aber zu viel bedenklicheren Mitteln, und zwar iſt es der wegen politiſcher „ Senſationen “ſchon mehrfach ſehr gefährlich gewordene „ Matin “, der ſich darin beſonders hervortut. Um die in den ſpäten Abend - und Nachtſtunden herrſchende Unſicherheit in Pariſer Vorſtadtſtraßen hand - greiflich nachzuweiſen, ließ er beiſpielsweiſe letzthin voneinigen beſonders dafür befähigten und eingeübten Reportern ſelbſt Ueberfälle von ſpät Heimkehrenden organiſieren, die zu ſehr ernſten Ausſchreitungen führten. Einige dieſer „ Apachen “- Dilettanten kamen ſehr übel an und konnten nur durch das Einſchreiten der Polizei, die ſie gerade bloßſtellen wollten, aus wahrer Lebensgefahr gerettet werden. Ein anderes Mal ließ die Direktion des „ Matin “einige handfeſte Hausdiener mit Bürſten, Scheuerlappen und Eimern in ein Poſtburean dringen, um dort eine gehörige Reinigung vorzunehmen, wie einer ſolchen reichlich 75 Perzent dieſer Lokale bedürften. Als Trophäen und Beweisſtücke des unglaublichen Schmutzes des betreffenden Bureaus ſind in den Schaukäſten des Blattes am Boulevard Poiſſonniere ein Tintenfaß mit undurch - dringlicher Staubſchicht innen und außen, mehrere verfaulte und verſchimmelte Holz - und Tapetenfragmente von den Tiſchen und Mauern dieſer Muſteranſtalt zur allgemeinen Belehrung und Erbauung ausgeſtellt. Eine andere Zeitung veranſtaltete gleich darauf eine ähnliche Expedition gegen die Weſtbahngeſellſchaft, deren Waggons in jeder Beziehung mit den Poſtbureaus den Vergleich aushalten können.
Keine Verwaltung, ob ſtaatlich oder ſtädtiſch, iſt vor dergleichen Reklame-Unternehmungen der im Yankeeſtyle arbeitenden großen Boulevardzeitungen ſicher; zeitweilig wird ja dadurch häufig ſchreienden Uebelſtänden abgeholfen, aber da die Blätter, wenn einmal die gewünſchte Wirkung für ſie ſelbſt erzielt iſt, ſich nicht weiter um dieſe Dinge kümmern, fällt gewöhnlich kurz darauf Alles in den alten Schlendrian zurück. Immerhin wird dadurch etwas Gutes angeſtrebt; das läßt ſich aber nicht von den zahlloſen Wettbewerben ſagen, die ununterbrochen von gewiſſen Zeitungen, „ Matin “und „ Journal “voran, veranſtaltet werden. Die unſinnigen Gewaltmärſche in den heißeſten Monaten, die mehrere Opfer koſteten, ganz abgeſehen von den Teilnehmern, die nichtſofort in ihrem ganzen Umfange hervorgetretene organiſche Schädigungen dabei erlitten, ſind ſchon oft gebrandmarkt worden, und man konnte annehmen, daß dergleichen unnütze und gefährliche Experimente nicht mehr geſtattet werden würden. Dieſe Erwartung hat ſich aber nicht erfüllt, denn das „ Journal “kündet eine neue, wegen ihrer Gefährlichkeit einfach verblüffende Konkurrenz an, nämlich ein Wett - Treppenſteigen bis zum zweiten Stockwerk des Eiffel-Turmes. Man denke ſich 40 bis 50 Perſonen in wahnſinniger Haſt die 729 Stufen bis zu der Höhe von 115 Metern hinauf - ſtürmen! Da ſelbſtverſtändlich alle Bewerber trachten werden, am Geländer entlang emporzuklimmen, wird dort ein rück - ſichtsloſes Drängen und Stoßen ſtattfinden, deſſen mögliche Folgen man ſich gar nicht vorzuſtellen wagt. Das „ Journal “erklärt übrigens bereits triumphierend, daß es nach dieſem erſten Experimente ein Wettklimmen bis auf die Spitze des berühmten Turmes, alſo bis zur Höhe von 300 Metern, was ungefähr hundert Stockwerke vorſtellt, ausſchreiben werde. Vielleicht hat das Blatt aber dabei ohne den — Polizei - präfekten gerechnet, der aus guten Gründen allen derartigen Reklame-Veranſtaltungen nicht hervorragend freundlich gegen - überſteht.
Der jetzt zum Abendblatt gewordene „ Intranſigeant “, an dem der altersmüde Rochefort ſeine Mitarbeiterſchaft immer mehr einſchränkt, hat ſich eine Fiaker-Wettfahrt als Zugmittel auserkoren, die eine wahre Tierquälerei genannt werden kann, da die preislüſternen Kutſcher bei dieſer, die letzthin ſtattfand, ihren unſeligen Kleppern wahre Vollblut - leiſtungen zumuteten, noch dazu auf Wegen, die von dem ſchändlichen Wetter, das mit kurzen Unterbrechungen ſeit Mitte Oktober in und um Paris herrſcht, in elendſten Zu - ſtand verſetzt worden waren. Ein Sportorgan hingegen hat die „ gemütvolle “Idee, in dem Pariſer Vororte Nogent an
(Meldungen der Peters - burger Telegraphenagentur. Nach einer Meldung des General - ſtabs der Marine haben die Kronſtädter Ereigniſſe in der Schwarzen Meer-Flotte Widerhall gefunden. Admiral Tſchuchnin berichtet, Matroſen hätten unter dem Einfluſſe ſozialiſtiſcher Propaganda in Sebaſtopol eine Reihe von Kundgebungen veranſtaltet. Die Bewegung habe ſich auf mehrere Teile der Armee verpflanzt. Auf einem Meeting ſei Admiral Piſſarevsky ſchwer verwundet worden. Die Lage ſei ernſt, obwohl nach einem geſtern um halb 7 Uhr abends eingetroffenen Berichte Plünderungen und Ausſchreitungen kaum zu erwarten ſeien.
In der geſtrigen Beratung des Semſtwokongreſſes wurde die Polenfrage zu Ende beraten und eine Reſolution angenommen, welche unter anderem verlangt: Die Autonomie für Polen, die Aufhebung des Kriegszuſtandes in Polen und die Freiheit des Gebrauches der polniſchen Sprache.
Der Strike in Moskau gewinnt an Ausdehnung. — Der in den letzten Tagen durch die Strikenden verurſachte Schaden beträgt eine Million Rubel.
Der Ausſtand hat an Aus - dehnung nicht zugenommen. Die Zahl der Ausſtändigen über - ſteigt nicht 24000.
Die „ Konſervative Kor - reſpondenz “veröffentlicht eine kleine Studie, aus der unter anderem hervorgeht, daß bei Feſthaltung an dem Berechnungs - modus des arithmetiſchen Mittels zwiſchen Einwohnerzahl und Steuerleiſtung auf die Bukowina 8 Madate (ſtatt, wie bisher 11) entfallen würden. Den Verluſt hätten die Rumänen zu tragen, welche ſtatt mit 5 mit blos 2 Mandaten bedacht werden müßten. Ueber dasſelbe Thema veröffentlicht der Abg. Berks in der „ Zeit “einen Artikel. Derſelbe gelangt jedoch auf Grund derſelben Berechnungsmethode zu weſentlich anderen Reſultaten. Die Bukowina würde nämlich dieſem Artikel zufolge keine weſentliche Einbuße erleiden. Zu bemerken wäre noch, daß die „ Konſervative Korreſpondenz “blos die direkten Steuern als Maßſtab anlegt, während Abge - ordneter Berks ſämtliche (direkte und indirekte) Steuern ſeiner Berechnung zugrundelegt. Wir kommen auf dieſes Thema noch zurück.
Fejervary, Vörös und Staatsſekretär Popovics ſind nach Budapeſt zurückgereiſt.
Im Prozeſſe wegen der Zeyſig-Broſchüre wurde um halb 3 Uhr früh das Urteil gefällt. Darnach wurden alle Angeklagten freigeſprochen.
Um 4 Uhr nachmittags ſoll im Staatsdepartement der Austauſch der ratifizierten Urkunden des Friedensver - trages zwiſchen Rußland und Japan erfolgen.
Die Flottendemonſtration hat mit Verſtändigung des Gouverneurs von Mytilene, mit der Be - ſetzung des Zollamtes und des Telegraphenamtes von Myti - lene begonnen.
Der Kaiſer wohnte vormittags der erſten Meſſe in der neu - errichteten Notkirche Zwiſchenbrücken bei, wozu er die ge - ſamten Koſten geſpendet hatte. Bei der Ankunft und Abfahrt wurde er von einem zahlreichen Publikum mit begeiſterten Ovationen begrüßt.
Geſtern früh waren Erdſtöße in Benevent, Faggia, Avellino, Ariano, Neapel und Apice-Benevent bemerkbar. Es entſtand eine große Panik. In Apice wurden mehrere Gebäude, darunter die Kaſerne, derart beſchädigt, daß ſie geräumt werden mußten. — In Ariano wurden auch mehrere Kirchen, darunter die Kathedrale, beſchädigt.
Aus London, 23. November wird uns geſchrieben: Die Königswahl der Norweger hat aus der jüngſten Tochter des Königs Eduard, der ſeit dem 22. Juli 1896 mit dem Prinzen Karl von Dänemark, jetzigem König Haakon VII. vermählten Prinzeſſin Moud, eine Königin ge - macht und dadurch die zahlreichen verwandtſchaftlichen Bezie - hungen der engliſchen Herrſcherfamilie um eine wichtige Ver - bindung vermehrt. Welchen Einfluß müßte nicht der Londoner Hof auf die Geſchicke Europas ausüben, wenn ſolchen dyna - ſtiſchen Verhältniſſen noch eine Bedeutung wie in vergangenen Zeiten zukäme, ſie nicht vielmehr faſt belangslos in poli - tiſcher Hinſicht geworden wären! Der Kaiſer von Rußland iſt der Neffe der Königen Alexandra, der deutſche Kaiſer der Neffe König Eduards; der König von Griechenland iſt der Bruder der Königin Alexandra, der König von Dänemark ihr Vater; die Königin von Norwegen ihre Tochter und der
der Marne jährlich ein Wettrennen von — Krüppeln mit Holzbeinen zu veranſtalten. Annehmbarer und amüſanter iſt jedenfalls das gleichfalls von einem Turfblatte organiſierte Radwettfahren der „ 100 Kilo Klub “- Mitglieder, bei dem dieſes Jahr einer der wuchtigſten dieſer beleibten Radler — 124½ Kilo Nettogewicht — den Sieg errang.
Ein gleichfalls ſehr intereſſantes und zu abfälligen Ur - teilen überreichlich Stoff lieferndes Kapitel des Pariſer Jour - nalismus ſind die Preisausſchreibungen für allerlei politiſche, wiſſenſchaftliche, literariſche und andere Problemlöſungen. Da wird den Leſern aufgegeben, den Namen des künftigen Präſidenten der Republik zu erraten, ferner die auf ihn entfallende Stimmenzahl des Nationalkongreſſes im voraus zu beſtimmen, dem Miniſterium ſeine Lebensdauer zu pro - phezeien, ſelbſt die internationalen Ent - und Verwicklungen zu verkünden, wobei beſonders viel chauviniſtiſcher Unfug ge - trieben wird. Der Weisheit und dem Scharfblicke des Pub - likums wird aufgegeben, Löſungen von Fragen, wie der Heilung der Tuberkuloſe, der Abſtellung der Arbeitsloſigkeit und des Elends und ähnlicher Bagatellen zu finden, den Werdegang der literariſchen und geiſtigen Bewegung vorzu - zeichnen, ſo beiſpielsweiſe anzugeben, welche Richtung die Philoſophie in unſerer Zeit einzuſchlagen habe, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden (wörtlich!). Man weiß da oft wirklich nicht, über was man ſich mehr wundern, eventuell, wenn es ſich der Mühe verlohnte, entrüſten ſoll, über die Unverfrorenheit gewiſſer Zeitungsleiter, ſolche Konkurrenzen auszuſchreiben, oder über die — Naivetät der Leute, die ſich an dieſen zu beteiligen das Selbſtbewußtſein haben.
An eine beſondere „ Intelligenz “richtet ſich eine andere Art dieſer Kundenfangmittel, nämlich das Ausſetzen von oft bedeutenden Preiſen für richtige Löſungen von Fragen, wie: viele Weizenkörner ſind in einer in unſerer Redaktion aus -geſtellten verſiegelten Flaſche enthalten? “— Der „ Petit Pariſien “, der in richtiger Taxierung der Durchſchnitts - Geiſtesfähigkeiten des großen franzöſiſchen Publikums dieſe geiſtreiche Preisfrage ſtellte, brachte es während der Dauer des vorgeſchriebenen Leſezwanges, — denn den Löſungen mußten natürlich eine beſtimmte Zahl von Ausſchnitten des Blattes beigelegt werden! — auf nahezu zwei Millionen Exemplare täglich und hat ſeitdem ſeinen Leſerkreis dauernd um mehr als 200.000 Perſonen vermehrt. Andere Blätter, die ähnliche Experimente veranſtalteten, erzielten ebenfalls gute Ergebniſſe und ſchlugen aus dem Mehrabſatze der Nummern während der obligatoriſchen Leſeperiode den Betrag der ausgeſetzten Preiſe reichlich heraus.
Eine Zeit lang florierte hier auch der allerdings den Amerikanern entlehnte Trick, daß eine Zeitung ankündigte, ſie ſende ſo und viel Mitarbeiter in den Straßen herum, die Begegnenden, wenn ſie die Tagesnummer des Blattes ſichtbar trügen, Umſchläge mit Anweiſungen auf Preiſe in die Hand drücken würden, die in der Redaktion ausgeſtellt ſeien. Da aber natürlich nur wenig Auserwählte unter den anfangs zahlloſen Bewerbern waren, zog das nicht lange und erwies ſich auch aus dem Grunde als undankbar, ja gefährlich, weil viele alte Leſer der betreffenden Zeitungen, die trotz allen auffälligen Tragens der Nummern leer aus - gingen, ſich ärgerten, Skandal ſchlugen, die ganze Sache als Schwindel brandmarkten und ſich anderweitig abbonierten. Aber wenn auch der eine oder der andere „ Bluff “fehlſchlägt, ſo verharren die Pariſer Zeitungsleiter doch bei dieſer ultra - modernen Tendenz, ſich Leſermaſſen, wenn auch nur zeit - weilig, durch Senſationen „ heranzureißen “. Sie haben ſchließ - lich Recht: Die guten Leute werden eben in Frankreich eben - ſo wenig, als anderweitig, alle.
König von Norwegen ihr Neffe; die künftige Königin von Schweden iſt eine Nichte König Eduards, die Königin von Holland die Nichte ſeiner Schwägerin, der Herzog von Sachſen - Coburg-Gotha ſein Neffe; der König von Portugal iſt ein Vetter König Eduards, als Nachkomme des Herzogs Franz von Sachſen-Coburg, des Onkels der Königin Viktoria, und ein gleiches Verwandtſchaftsverhältnis beſteht zwiſchen dem König der Belgier (Sohn eines Onkels der Königin Viktoria, Leopold’s I.) und dem König Eduard. Außer Oeſterreich und Italien, Frankreich und Spanien gibt es kaum ein Land in Europa, in dem nicht der regierende Fürſt oder das Staats - oberhaupt, der Kronprinz oder Prinzregent, ein Verwandter des Königs von England wäre. In alten Zeiten wäre dies von außerordentlicher Bedeutung geweſen; heute iſt es gleich - giltig, iſt doch gerade die Politik der beiden Staaten, deren Souveräne zu den nächſten Verwandten Eduards VII. ge - hören, die Rußlands und Deutſchlands, am meiſten der britiſchen entgegengeſetzt. Allerdings ſind neuerdings lebhafte Bemühungen im Gange, eine Annäherung nicht nur zwiſchen England und Rußland, ſondern auch zwiſchen England und Deutſchland herbeizuführen, wenn dieſe ſich auch, ſoweit Deutſchland in Frage kommt, vorläufig noch wenig erfolg - verheißend ausnehmen. Geſprochen wird allerdings von einer Teilnahme König Eduards und der Königin Alexandra an der ſilbernen Hochzeit Kaiſer Wilhelms im nächſten Frühjahr, und es wird verſichert, der König von Griechenland benütze ſeinen Aufenthalt in London, um an einer Verſöhnung zwiſchen den Höfen von England und Deutſchland zu arbeiten. Solche Beſtrebungen werden aber wohl noch geraume Zeit fromme Wünſche bleiben, ohne daß deshalb die Weltgeſchichte von ihrem natürlichen Verlaufe abgelenkt werden könnte.
Die Wiederaufführung des Luſt - ſpiels „ Damenkrieg “im Königlichen Schauſpielhauſe zu Berlin erinnert einen alten Theaterfreund, der ſeinerzeit in Paris lebte, an einen tragiſchen Vorfall, der beweiſt, daß die neuerdings von vielen Mimen oſtentativ zur Schau getragene Verachtung der Kritik in früheren Jahren nicht eben ſehr verbreitet war, wenigſtens nicht — auswärts. Bei einer vor vielen Jahren in Paris ſtattgefundenen Aufführung des „ Damenkriegs “, deſſen weſentliche Handlung ſich bekanntlich darum dreht, daß eine noch jugendliche Tante und eine ganz jugendliche Nichte um die Liebe eines Jünglings kämpfen, wurde die Tante von einer der berühmteſten und bei der Preſſe beſonders beliebten alteingeſeſſenen Künſtlerinnen, die Nichte von einer Debütantin geſpielt, die zum erſten Male eine öffentliche Bühne betrat. Unter den über die Vorſtellung erſchienenen Kritiken befand ſich nun eine, in der mit unſäg - licher Grauſamkeit über die junge Debütantin geſagt war. „ Fräulein X. ſpielte dem Dichter übel mit, denn ſie raubte der Pointe ſeines Stücks die Glaubwürdigkeit ... Wie kann Henry von Flavigneul zögern, wenn er zu wählen hat zwiſchen dieſer Tante und dieſer Nichte? — Die Tante, der Geiſt und die Grazie und hinreißend — die Nichte ein hilf - loſes, bleichſüchtiges Ding, deſſen Naivität kindiſch und lang - weilig anmutet und das mit ſeinen linkiſchen Bewegungen kläglich abſticht von ihrer anmutigen Partnerin. Es iſt be - dauerlich, Licht und Schatten ſo nahe beieinander und den Eindruck einer Dichtung darunter leiden zu ſehen “. — Der Kritiker, der das geſchrieben, war zweifellos weder geiſtreich noch gerecht, denn er war ein allzeit zu begeiſteter Anhänger der „ geiſtvollen, reifen Künſtlerin “. Die arme Debütantin aber nahm ſich dieſes harte Urteil derart zu Herzen, daß man ſie zwei Tage ſpäter tot im Bett auffand — ſie hatte ſich vergiftet ... Die Affäre machte damals in Paris unge - heures Aufſehen und gab einem der bekannteſten Dramatiker Veranlaſſung zu einem öffentlichen Erguß, der ſich — gleich - wie vor einiger Zeit die Artikel Sudermanns — mit der „ Verrohung der Kritik “beſchäftigte.
In einer kleinen Kreisſtadt exi - ſtiert — ſo erzählt man der „ Tgl. Rdſch. “— ein Bürger - verein, bei deſſen allſonntäglicher Tagung neben populär wiſſenſchaftlichen Vorträgen die Beantwortung von Fragen, welche einem dazu beſtimmten Fragekaſten entnommen werden, eine große Rolle ſpielt. Unter anderem befand ſich eines Tages die Frage in dem Kaſten? Wer oder was iſt Pro - metheus? Nachdem dieſe durch einen der anweſenden Ober - lehrer die Beantwortung gefunden, daß Prometheus in der griechiſchen Mythologie als Halbgott gelte, meldet ſich jemand, vielleicht der Frageſteller ſelbſt, und meinte: „ Ohne den Kenntniſſen des Herrn Oberlehrers nahetreten zu wollen, muß ich ihn hier doch eines Beſſeren belehren, denn nach meinem Wiſſen iſt Prometheus eine Verſicherungsgeſell - ſchaft! “
In ſeiner Monatsſchrift „ Heimgarten “ſchreibt Peter Roſegger: In dem ſteiriſchen Marktflecken St. iſt es geſchehen am Fronleichnamstage des Jahres 1905. Zog die Prozeſſion durch den Ort, kam in der Menſchenmenge ein evangeliſcher Geiſtlicher vorbei und der zog nicht den Hut. — Gleich nach der erſten Nachricht habe ich das bedauert. Schon die allgemeine Menſchenfreundlichkeit verlangt es, daß wir gegenſeitig Achtung haben vor unſerer religiöſen Ueber - zeugung. Ich neige mein Haupt vor jeder wahren Frömmigkeit und wenn es jüdiſche oder ſelbſt heidniſche iſt. Darf alſo auch das gleiche für mich fordern. Wenn mir aber die Rückſicht einmal verſagt bleibt, ſo mache ich mir auch nichts daraus, und nicht einen Augenblick kommt mir bei, daß mein Gott erniedrigt werden könnte, weil es irgend jemandem an Anſtand gebricht. — Aber die Sache in St. war ſchließlich ein wenig anders. Zweien Paſtoren, von ihrer Berufsangelegenheit den - ſelben Weg geführt, war es ſehr peinlich, daß ſie der Fron - leichnamsprozeſſion begegneten, die nach den Begründungen des Tridentiniſchen Konzils vor allem als Trutzdemonſtration gegen die Lutheraner gedacht iſt. Nach ihrem Gewiſſen konnten ſie alſo dieſem Aufzug — ſo wenig ſein urſprünglicher Zweck auch den katholiſchen Teilnehmern bekannt ſein mochte — nicht die Reverenz bezeugen. Aber es war auch keine Gelegenheit mehr, auszuweichen, und ſo duckten ſie, wie jene Schweizer vor dem Geßlerhut, raſch vorüber. Das war nun verſtändlich. 328. November 1905. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Auch der Katholik, wenn er nicht juſt ein Händelſucher iſt, kann es entſchuldigen. Aber die evangeliſchen Geiſtlichen wurden beim Staatsanwalt verklagt, die Uebeltäter ſollten zur Rechen - ſchaft gezogen und gerichtet werden. — Eine religiöſe Sache wird in demſelben Augenblicke, als ſie den Juriſten zur Ent - ſcheidung zufällt, lächerlich. Hatten jene Proteſtanten auch wirklich ein öffentliches Aergernis gegeben? Wie hat das ausge - ſehen? Was mag ſich ſo ein biederer St. Bauer gedacht haben? Dort nimmt einer nicht den Hut ab! Wer iſt denn das? Ah, ein lutheriſcher Paſtor iſt’s. Na, nachher wird er freilich den Hut nicht abnehmen. Punktum! Unſer Landvolk iſt oft viel toleranter, als die Stadtleute glauben, ja als ſie es ſelber ſind. Und wenn ſich wirklich einer geärgert hat über dieſe mit bedeckten Häuptern vorübereilenden Paſtoren, ſo war es ein künſtlicher Aerger. Das Aergernis war genommen, ohne daß es gegeben wurde, und einem klugen Richter könnte es leicht einfallen, zu ſagen, an einer Frömmigkeit, die von einem Hute abhängt, ſei wenig zu verderben.
Die New-Yorker Zeitungen beſchäftigen ſich augenblicklich angelegentlich mit einer zahn - ärztlichen Rechnung. Ein Zahnarzt Dalley hatte die Ehre, dem Prinzen Louis von Battenberg während ſeiner Anweſenheit mit dem engliſchen Geſchwader 4 Zähne zu plombieren. Mr. Dalley iſt Autorität auf dem Gebiete der Zahnheilkunde und wird in der Regel nur von amerikaniſchen Millionären aufgeſucht. Es ſcheint, daß er den engliſchen Prinzen gleich leiſtungsfähig er - achtete wie dieſe, denn er ſandte ihm eine Rechnung von 4000 M. ein. Der Prinz hatte demnach für jeden Zahn 1000 M zu zahlen. Er ließ die Rechnung durch den engliſchen General - konſul begleichen, bat ſich jedoch eine Spezifizierung aus.
hat ein Statiſtiker mit einer ganz ungeheueren Summe veranſchlagt, nämlich nicht weniger als mit einer halben Milliarde jährlich. Seinen ſehr eingehenden Aufſtellungen zufolge würden in Paris allein täglich 280.000 Franes Trinkgelder gezahlt, alſo ungefähr 101 Million jährlich. Es iſt ja auch ein ganzes Heer von Angeſtellten oder auch Arbeitern aller Art, die hauptſächlich auf Trinkgelder angewieſen ſind, wie Kellner in Kaffees, Reſtaurants und Hotels, Kutſcher, Barbiergehilfen, Logenſchließerinnen, Haus - meiſter, ganz abgeſehen von den Perſonen, die auch auf Pour - boires ſtillſchweigend Anſpruch erheben, wie Brieſträger, Kutſchen - ſchlagöffner, Zettelausträger. Durchſchnittlich hätte nach der Berechnung unſeres Gewährsmannes jeder Pariſer oder in Paris weilende Fremde 7 einhalb Centimes täglich auf dieſe Weiſe „ freiwillig “zu ſpenden. Für ganz Frankreich ermäßigt ſich der Durchſchnitt auf drei Centimes für jede Perſon täglich. In der Provinz ſoll das Trinkgeld jährlich 872,300.000 Fr. erfordern, ſo daß im ganzen 473,400.000 Franes für Frank - reich jährlich entfallen, alſo der ſiebente Teil des geſamten Budgets.
Intereſſante Beobachtungen knüpfen ſich an einen Wettflug von elf Brieſtauben auf der Strecke zwiſchen Dijon und Mecheln. Die Luftlinie beträgt 490 km. Bei ſchönem Wetter und Nord - wind ließ man die Tauben 5 Uhr 10 Min. von Bahnhof ab. Sie trafen in Mecheln ſämtlich vor 2 Uhr nachm. ein, die erſte ſogar ſchon 11 Uhr 42 Min. Dieſe hatte in der Stunde faſt 75 km zurückgelegt, bei einer Ausdauer von rund ſechs - einhalb Stunden; das kommt der Schnelligkeit eines beſchleunigten Perſonenzuges gleich.
hatten ſich drei Nimrode in Seuſſen im Fichtelgebirge bereitet. Als die drei Jäger am Sonnabend nach der Jagd eben im Begriffe waren, heimzuwandern, da kam der Schlaueſte von ihnen auf den originellen Gedanken, die neue Drahtſeilbahn, die zum Trans - porte vor Schotterſteinen benutzt wird, zur Heimfahrt vom Seuſſener Steinbruch nach Weidiſchberg zu benutzen. Auch den beiden anderen Weidmännern leuchtete das Vorteilhafte einer ſolchen Fahrt ein. Geſagt, getan! Es war gerade keiner der Steinbrucharbeiter an der Abfahrtsſtelle anweſend. Die drei Jäger beſtiegen jeder einen der Schotterkäſten, man gab das Signal, ein Ruck — und die Fahrt ging los. Alle drei freuten ſich über den köſtlichen Einfall. Die luſtigen Jäger waren bereits ein ganz anſehnliches Stück gegondelt, als plötzlich die Kaſten ſtille ſtanden. Es war nämlich inzwiſchen Feierabend geworden, weshalb der Betrieb eingeſtellt worden war. So hingen denn die drei Gondeln mit den Braven 13 Meter hoch in der Luft und zum Unglück gerade über einer Halde, wo weit und breit kein menſchliches Weſen zu ſehen und zu hören war. Es half daher kein Schimpfen und kein Rufen — Stunde um Stunde verrann, es wurde Nacht und bitter kalt. Als der Morgen graute, ſaßen die Unglücklichen noch immer verzweifelt in ihrer Falle; erſt gegen neun Uhr vormittags wurden ſie endlich bemerkt und nach Weidiſchberg zurückbefördert, wo ſie faſt erſtarrt den umheimlichen Käſten entſtiegen.
haben ſich, wie aus Newyork berichtet wird, 30 Finanzleute und Kunſtfreunde der reichen Newyorker Geſellſchaft zuſammengetan, und ein Grundkapital von 12,000.000 Mark geſtiftet, das zum Aſt, kauf und Bau eines großen Nationaltheaters beſtimmt in - deſſen Leiter Heinrich Conried der Newyorker Metropolita n - Oper werden ſoll. Der hohe Plan, der dabei vorſchwebt, iſt der, der noch auf einer ziemlich tiefen Kulturſtufe ſtehen den Theater - und Schauſpielkunſt Amerikas ein vorbildliches Muſter aufzuſtellen, das auf die Verfeinerung des Bühnen - ſtils in Amerika von ebenſo ſegensreicher Wirkung ſein ſoll, wie es die Comedie Francaiſe für Frankreich und das Burg - theater in ſeiner Blütezeit für Deutſchland geweſen iſt. Die dreißig Logen, die die bevorzugteſten Plätze dieſes Theaters ſein werden, werden an einzelne Kunſtfreunde gegen eine einmalige Zahlung von 400.000 M. zu dauerndem Allein - gebrauch abgegeben. Der Inhaber einer ſolchen Loge erwirbt damit zugleich einen Anteil an dem Theater. Dreißig Wochen im Jahre ſoll geſpielt werden, und zwar wird für ein ab - wechslungsreiches Repertoire geſorgt werden, in dem in Spiel und Vortrag das Vorzüglichſte geleiſtet werden ſoll. Natürlichwird auch hinter dieſem erſtrebten inneren Werte die Koſt - barkeit der äußeren Ausſtattung nicht zurückbleiben. Aus dem Foyer ſoll eine erleſene Gemäldegallerie gemacht werden, und eine Million Mark iſt allein für die künſtleriſche Ausſchmückung der Wände vorgeſehen.
Freitag abends fand im Bureau des Bürgermeiſters die vertrauliche Be - ſprechung der Gemeinderäte ſtatt, die mehr als drei Stunden währte. Heute ſoll die Beſprechung fortgeſetzt werden. Ueber das Meritum dieſer Beratungen wird vorläufig Stillſchweigen bewahrt, jedoch verlautet, daß keine Einigung hin - ſichtlich der Einſtellung der Obſtruktion des GR. Trom - peteur erzielt wurde. — Morgen Dienſtag findet eine Gemeinderatsſitzung ſtatt. Auf der Tagesordnung ſteht das neue Proviſionsnormale. Nach dem früher Geſagten wird die Beratung nicht bis zur Tagesordnung gedeihen.
Dem Großgrundbeſitzer J. Ritter v. Janosz in Panka wurde der Orden der Eiſernen Krone 3. Klaſſe verliehen.
Der Hilfsprieſter in Sereth Oreſt Tarangul wurde in gleicher Eigenſchaft zur St. Nikolaus - Kirche in Suczawa verſetzt.
In einem Sana - torium bei Wien iſt heute der hieſige Landes - und Gerichts - advokat und Präſident des Disziplinarrates der Bukowiner Advokatenkammer, Herr Dr. Bernhard Funkenſtein, im Alter von 55 Jahren geſtorben. Ein guter Juriſt, ein tüchtiger Advokat und vor allem ein wahrhaft edler Menſch iſt mit Dr. Funkenſtein den Seinen und dem Advokaten - ſtande vorzeitig vom Tode entriſſen worden. Dr. Funken - ſtein, der ſeine Konzipientenpraxis in Wien begann und dieſelbe ſodann in Czernowitz in den erſten Advokaturskanzleien vollendete, eröffnete zu Beginn der achtziger Jahre hier ſeine Advokaturskanzlei. Er genoß den Ruf eines tüchtigen Ziviliſten und erwarb ſich bald eine große und vornehme Klientel. Viele Jahre hindurch zählten die hervorragendſten Groß - grundbeſitzer zu ſeinen Klienten. Groß war auch ſeine Kon - ſiliarpraxis. Was ihn aber ſeinen Klienten, Berufsgenoſſen und den Richtern beſonders wert machte, war die durchaus vornehme Art, mit der er ſeine Rechtsagenden verſah. Das Vertrauen ſeiner Kollegen berief ihn nach dem Tode des Advokaten Dr. Dornbaum auf den Ehrenpoſten des erſten Präſidenten des Disziplinarrates, den er mit peinlicher Gewiſſenhaftigkeit, aber auch mit viel Milde ausfüllte. Dem politiſchen Leben ſtand der nunmehr Verſtorbene fern, doch war er ein Mitglied jener berühmten Stammtiſchgeſellſchaft bei Gottlieb, in der der verewigte Baron Muſtatza den Vorſitz führte und in der oft den politiſchen Geſchicken des Landes eine neue Wendung gegeben wurde. Bekannt war die witzige Art, in welcher ſich Dr. Funkenſtein über Tagesereigniſſe zu äußern pflegte. Er war auch eine heitere Natur, die dem Leben und den Mitmenſchen die beſten Seiten abzugewinnen ſuchte ... Die Erkrankung des Dr. Funkenſtein iſt eigentlich eine plötzliche zu nennen. Vor wenigen Monaten begann er über allgemeine Schwächezuſtände zu klagen, und ſeinen Freunden ſiel die raſch eintretende Alterung Dr. Funkenſteins auf. Sein Leiden verſchlimmerte ſich und die Familie drang darauf, daß er nach Wien reiſe. Dort wurde die Diagnoſe (pernitiöſe Anämie) beſtätigt. Nun ging es raſch abwärts und ſchon ſeit Wochen hieß es, daß ſeine Tage gezählt ſeien. Mit aufrichtiger Teilnahme wurden die telegraphiſchen Bulletins aufgenommen. Nun hat er ausge - rungen: ein braver, guter, tüchtiger Mann! Ehre ſeinem An - denken! — Der Verblichene hinterläßt eine Witwe und drei Söhne, von denen der älteſte in der Advokaturskanzlei des Dr. Ausländer als Konzipient beſchäftigt iſt.
Am Tage der Parlamentseröffnung wird, wie in allen Hauptſtädten der Monarchie, am Vormittag die Arbeit ruhen. Um 10 Uhr vormittags findet im Rathausſaale eine Volksverſammlung mit der Tagesordnung: „ Die Eröffnung des Parlamentes und das allgemeine Wahlrecht “(Referent Herr Piſtiner) ſtatt. Hierauf Maſſenumzug der Arbeiter ſämtlicher Branchen in geordnetem Zuge vom Rathausſaale zum Landesregierungs - gebäude und von hier durch die Herrengaſſe, Hauptſtraße und Landhausgaſſe zum Theaterplatz, wo die Auflöſung des Zuges erfolgt. Um 12 Uhr wird die Arbeit wieder aufgenommen. — Direktor Mannheimer der Schloßmann’ſchen Mühle hat den Arbeitern den Dienſtag Vormittag zur Beteiligung an der Demonſtration freigegeben. — Der größte Teil der hieſigen Kaufmannſchaft hat die Bereitwilligkeit ausgeſprochen, morgen vormittags den Angeſtellten freizugeben. — Ueber Anordnung des Magiſtrates wird die elektriſche Straßenbahn morgen vormittags nicht verkehren.
Zur Feier ihres 61. Semeſters veranſtaltete am 18. November l. J. in Chierers Probeſaal des Muſikvereines die „ Akademiſche Leſehalle “eine Feſteröffnungskneipe. Dieſelbe nahm einen ſchönen Verlauf und bewies, daß ſich die Leſe - halle der wärmſten Sympathien der Studenten und des intelligenten Publikums zu erfreuen hat. Es waren insbe - ſonders erſchienen: Hofrat Prof. Dr. Pribram, Profeſſor Dr. Adler, der Obmann des A. H. V. Dr. Julins Kiesler, der Vizeobmann des A. H. V. Gerichtsſekretär Dr. Gold und viele Freunde und Gönner der Leſehalle. Die polniſch akad. Verbindung „ Ognisko “hatte einige Vertreter entſendet; die akad. pharm. Verbindung „ Hygiea “war korporativ erſchienen. Nach Begrüßung der Feſtgäſte durch den Präſes cand iur. Lerchenfeld hielt der Vize -präſes cand. iur. Rudich die Feſtrede, die auf alle An - weſenden einen guten Eindruck machte. Sie klang in ein be - geiſtertes Hoch auf unſeren Monarchen aus, worauf der Kaiſerſalamander gerieben wurde. Nach Abſingung des Bundesliedes der „ Akademiſchen Leſehalle “ſprach der Schrift - wart derſelben cand. iur. Rubel in begeiſterten Worten auf die alma mater, die großen Beifall fanden. Hierauf erwiderte Prof. Dr. Adler, der in mächtig wirkender Rede der Leſehalle eine ſchöne Zukunft prophezeite, indem er auf verſchiedene Elemente hinwies, die die nationalen und kon - feſſionellen Gegenſätze auszugleichen beſtrebt ſind. Da aus der Rede des Prof. Dr. Adler zu erſehen war, daß er nicht als Vertreter der Univerſität, ſondern als perſönlicher Freund der Leſehalle geſprochen hatte, ergriff ſichtlich unter dieſem Eindrucke A. H. Dr. Sternberg das Wort, drückte in tief empfundener Rede ſein Erſtaunen und Befremden darüber aus, daß es der Leſehalle heute zum erſtenmale ſeit ihrem 30jährigen Beſtande nicht vergönnt war, offizielle Vertreter der Univerſität begrüßen zu können und brachte auf die erſchienenen Profeſſoren einen Toaſt aus. Nachdem noch die Vertreter der akad. Vereine „ Ognisko “(cand. iur. Wlad) und „ Hygiea “(cand. pharm. Dubs) die „ Akademiſche Leſehalle “ihrer Sympathien verſichert hatten, toaſtierte stud. phil. Hans Schäfer in ſchwungvoller Rede auf die zahlreich erſchienenen alten Herren, in deren Namen der Vizeobmann des A. H. V. Dr. Gold erwiederte. Hierauf ſchloß der oſfizielle Teil nach Verleſung der eingelaufenen Begrüßungs - ſchreiben und Telegramme. Das Hoſpizpräſidium übernahm nun A. H. Dr. Kiesler und alle blieben in feucht-fröhlicher Laune bis zum grauenden Morgen zuſammen.
Ueber Initiative des Handelsminiſteriums wurden die abgebrochenen Tarifver - handlungen zwiſchen den Prinzipalen und Gehilfen der öſter - reichiſchen Buchdruckereien wieder aufgenommen und in vom Morgen bis in die ſpäten Abendſtunden währenden Sitzungen am 23., 24., und 25. November im Handels - miniſterium unter dem Vorſitze des Sektionsrates Dr. Bach in Anweſenheit von je ſieben Vertretern beider Gruppen zu einem befriedigenden Abſchluſſe gebracht. Die wichtigſten Er - gebniſſe der Verhandlungen ſind folgende: Es wird ein neuer Tarifvertrag ab 1. Jänner 1906 mit achtjähriger Dauer abgeſchloſſen. Die Minimallöhne in allen Tarifklaſſen erfahren ſofort eine Erhöhung um zwei Konen, welcher nach viejähriger Dauer am 1. Jänner 1910 eine neuerliche Erhöhung um gleichfalls zwei Kronen und nach weiteren zwei Jahren eine ſolche von einer Krone folgt. Zu den gleichen Terminen tritt für die im Berechnen (Akkordlohn) ſtehenden Setzer eine Steigerung des Tauſendpreiſes um 3, 2 und 1 Heller ein. Die Tarifklaſſen-Einreihung der Druckorte wurde für einige Länder einverſtändlich geregelt, für die anderen der baldigen direkten Vereinbarung der lokalen Intereſſenten überlaſſen. Hinſichtlich der Arbeitszeit wurde eine Abkürzug der neun - ſtündigen Dauer um eine Viertelſtunde zugeſtanden, was eine Reduktion der bisher 54ſtündigen Arbeitswoche um anderthalb Stunden bedeutet. Auch die Maſchinenmeiſterfrage wurde einverſtändlich in einer den Wünſchen der Gehilfenſchaft entgegenkommender Weiſe getragen. In einem dem Tarif als Anhang beigefügten Protokolle wird die Frage der Anerkennung der Ver - trauensmänner geordnet. Auf eine Löſung der 1. Mai - Frage im Rahmen des Tarifs wurde beiderſeits verzichtet, nachdem im Laufe der Debatte zum Ausdrucke kam, daß in dieſer Richtung von keiner Seite eine Aenderung in der bisherigen Behandlung der Frage beabſichtigt iſt. Am Schluſſe der Beratungen wurde von beiden Parteien dem Leiter des Handelsminiſteriums Grafen Auersperg für die Initiative zu dem Einigungsverſuche der Dank ausgeſprochen und gleich - zeitig das Erſuchen geſtellt, die in Ausſicht genommene Förderung der Tarifvertragsidee durch behördliche Aner - kennung und ausſchließliche Berückſichtigung bei ſtaatlichen Lieferungen baldigſt durchzuführen. Dem Vorſitzenden bei den Verhandlungen, Sektionsrat Dr. Bach, wurde von den Wortführern der beiden Gruppen die volle Anerkennung für die objektive Führung der Verhandlung gezollt. — Der größte Teil der Czernowitzer Buchdruckereiinhaber hat bereits den neuen Tarif akzeptiert. Der Minimallohn für qualifizierte Buchdrucker beträgt ſomit 26 Kronen, wöchentlich.
hat für Samſtag, den 11. d. M. den Eröffnungs-Feſtabend ihres XXXIX. Semeſters angeſagt. Die Ereigniſſe in Rußland, wo Tauſende jüdiſcher Volksmaſſen hingemordet werden, hatten ihre Schatten auf dieſen Abend geworfen und ſo wurden ihre Feſtreden zu Trauerreden, der übliche inoffizielle Teil entſiel, und man entfernte ſich lautlos wie von einer Trauerandacht. Das Präſidium cand. iur. Buchsbaum gab ſchon in ſeiner Begrüßungsanſprache den Grundton zu dieſer Trauerverſammlung ad hoc. Hierauf folgte die Rede des stud. iur. Brunno Werber, der in derſelben des dahingeſchiedenen Führers Dr. Herzl in trefflicher Aus - führung gedachte. Hernach feierte stud. iur. Alexander Schapira die Alma mater, worauf Univ. -Prof. Doktor Adler, von lebhaften Zuſtimmungsrufen begleitet, folgendes u. a. erwiderte: „ Durch Ihre Geſinnung erweiſen Sie ſich in der Tat als echte Söhne jenes Volkes, das wohl das einzige iſt, bei welchen Beſchäftigung mit der Wiſſenſchaft ſelbſt ſchon als ein Verdienſt wirkt. Wir ſehen, daß die Wiſſenſchaft denen, welche ſich ihr ganz gewidmet haben, zu großem Anſehen und Stellung in der Oeffentlichkeit ver - holfen habe. Es gibt viele Juden, die ſich in der Wiſſenſchaft ausgezeichnet haben. Dieſe bilden den wahren jüdiſchen Adel! Ich muß aus dem Rahmen Ihrer Beſtrebungen ein Wort herausgreifen, das ich an Ihrer Bewegung beſonders ſchätze. Es iſt nicht in erſter Linie das Poſitive, was dieſe Be - wegung leiſtet, hervorzuheben, nicht in erſter Linie Ihre freiheitliche Geſinnung, ſondern zunächſt etwas Negatives, welches Sie leiſten, ein Umſtand, durch welchen ſich Ihre Kundgebungen von den alten liberalen Anſchauungen unter - ſcheiden, nämlich, daß die Note der Wehleidigkeit aus Ihren Beſprechungen des Kampfes, welchen Sie zu führen genötigt4Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 28. November 1905. ſind, verſchwunden iſt. (Stürmiſche Proſitrufe). Ich glaube, meine Herren, Sie alle haben Grund genug, den alten Standpunkt zu verlaſſen. Es iſt nichts daran, daß Juden bekämpft, gemordet werden, daß ihnen das Leben ſo ſchwer gemacht wird. Alle dieſe Dinge wie die jetzigen Vorfälle in Rußland, ſo ſchrecklich ſie ſind, verlieren das Beſondere, wenn man bedenkt, daß dort überhaupt Anarchie herrſcht, daß um die Freiheit gekämpft wird und ſogar der Zar bedroht wird. Das Beſondere liegt nun darin, daß es den Juden an eigener Verteidigung fehlt, daß in dieſem Kampfe viele, ohne ſich zu wehren, untergehen. Sie, meine Herren, aber wollen einerſeits Ihre Poſition als Juden aufrecht erhalten, anderer - ſeits aber den Kampf! Denn wer den Kampf ſcheut, verdient den Untergang, es iſt ſchnöde, Leib und Leben zu erhalten um dieſen Preis. Weil ich weiß, daß Sie mit mir in dieſer Hinſicht vollauf übereinſtimmen, ſo erhebe ich mein Glas auf das Wohl der „ Hasmonaea “. (Lebhafter Beifall folgte den Ausführungen.) A. H. Dr. Mayer Ebner be - ſprach hernach in längerer Rede die Ereigniſſe in Rußland und dieſe Trauerrede, bewegten Herzens geſprochen, ſie erfaßte die Anweſenden mit tiefem Weh. Es war ein eigenartiger Studentenkommers und es beſchlich die Teilnehmer ein banges Gefühl des Mitleides mit jenen hingemordeten jüdiſchen Märtyrern, deren die Redner in ſo rührenden Worten gedachten. Unter den zahlreichen Anweſenden bemerkte man Univ. -Prof. Dr. Wojucki, Dr. Adler, Dr. Kellner, Oberrabbiner Dr. Roſenfeld, den Präſidenten der Advokatenkammer Dr. Heinrich Kiesler, Landtagsabg. Wilhelm Tittinger, den Vizepräſes der Kultusgemeinde Luttinger, Gemeinde - und Kultusräte, Doktores und Studenten.
Die bis nun milde geweſene Herbſtwitterung hat es dem Vereine ermöglicht, die Arbeiten im Schillerparke nächſt dem neuen Stadttheater aufzunehmen. Herr Rechnungsrat i. P., Heinrich Simader, welcher ſich mit wahrer Begeiſterung in den Dienſt des Direktoriums geſtellt hat, iſt unermüdlich tätig, um die ſchönen Anlagen ihrer Vollendung entgegenzuführen. Die Berglehne, welche den Schillerpark bildet, wurde bereits eingefriedet, und die beinahe 1500 Meter langen Promenadenwege erhalten lebende Hecken aus Buchenſetzlingen, welche die Güterdirek - tion dem Vereine munifizenterweiſe geſpendet hat. Verſchließ - bare Gittertore ſind an ſieben verſchiedenen Punkten ange - bracht und erleichtern den Zugang zu dem wahrhaft ſehens - würdigen Parke. Im künftigen Frühjahre wird mit der Nachpflanzung begonnen werden. Herr Stadtgärtner Pio - trowski, der eigentliche Schöpfer der Anlage, hat zu dieſem Zwecke ſchon eine bedeutende Anzahl von Bäumen und Sträuchern in Vorrat; auch Herr Gutsbeſitzer Roſen - ſtock in Czernawka hat dem Vereine 200 Stück ſtärker eut - wickelte Fichtenſtämmchen zugeſichert. Ein eigenes Komitee unter Vorſitz des Obmannſtellvertreters Dr. Goldenberg beſtehend aus den Herren Simader, Reſtel und Archi - tekten Joſef Schreiber, berät gegenwärtig über die Frage der Errichtung einer Schillerwarte oder eines ähnlichen Bauwerkes. Wahrſcheinlich wird in der unteren Partie des Parkes ein in architektoniſcher Hinſicht gefälliges Schutz - haus aufgeſtellt werden, welches Räume zur Feilhaltung von Erfriſchungen und zu anderen praktiſchen Zwecken um - faſſen ſoll. Die geehrten Leſer mögen aus der vorſtehenden Skizzierung erſehen, daß der Verein ſeit ſeinem Wiederer - wachen im Jahre 1903 nicht mehr ſchläft, ſondern ſeine Aufgabe, die Landeshauptſtadt in ſchönheitlicher Beziehung zu heben, ernſt und raſtlos zu erfüllen trachtet. Umſo bedauerlicher iſt es, daß bisher ſo wenig Männer und Frauen demſelben als Mitglieder angehören. Er zählt nämlich kaum mehr als dreieinhalb Hundert Beitragender, während er auf Tauſend zu zählen berechtigt wäre. Selbſt der hohe Buko - winer Landtag hat ihm die ſo dringend erbetene Subvention verweigert — raſch und mit trockener Entſchiedenheit. Es geſchieht zum zweiten Male, daher wird es ſich die Vereins - leitung überlegen, die Landesvertretung ein drittes Mal überzeugen zu wollen, daß die Förderung evident nützlicher Vereinsbeſtrebungen einen Teil ihres Wirkungskreiſes aus - macht. Da verhalten ſich Religionsfond, Gemeinderat und Staatsverwaltung anders. Von der letzteren erhofft der Verein die baldige Löſung der Frage der Freilegung des Reſidenzplatzes durch Ankauf der Homiuka’ſchen Realität. Freilich liegen die Akten ſchon ziemlich lange beim Kultus - miniſterium in Wien, aber es iſt, dank der Befürwortung ſeitens des Konſiſtoriums und der Landesregierung, mehr als ſicher, daß das Miniſterium die vom Vereine gemeinſam mit der Geſellſchaft der Kunſtfreunde energiſch eingeleitete Aktion nicht zum Scheitern bringen werde. Unſere Herren Reichsratsabgeordneten, welche ſich nun nach Wien begaben, könnten ſich der Sache vielleicht aus freien Stücken annehmen.
von Czernowitz und Umgebung werden aufmerkſam gemacht, daß der Vertreter der bekannten Verlagsfirma, C. Leuchs & Co. in Nürnberg (Handels - und Gewerbeadreßbücher für alle Länder der Erde) hier eingetroffen iſt und die Eintragung jeder Firma in den Band 19, Galizien und Bukowina, der in den nächſten Monaten neu aufgelegt wird, voll - ſtändig koſtenfrei veranlaßt. Bezügliche Anfragen ſind an Herrn Rudolf Köhler, Czernowitz, Hotel Zentral zu richten.
Herr Iſidor Tropper, Kanzleigehilfe in Waszkoutz, hat ſich mit Frl. Loti Schwitz verlobt. — Herr Bernhard Mehler in Karlsberg hat ſich mit Frl. Regina Juda, Tochter des Herrn Jankel Juda in Sergie, verlobt.
Frl. Dora Lutwak hat am 24. d. in Wien die Staatsprüfung für das Lehramt an Lehrerinnen - bildungsanſtalten in Klavierſpiel, Muſikgeſchichte und Harmonie vor der aus den Herren Landesſchulinſpektor Dr. Rellig, Univerſitätsprofeſſor Dr. Guido Adler, Prof Weinwurm und Prof. am Konſervatorium Sturm zuſammengeſetzten Kommiſſion mit ausgezeichnetem Erfolge abgelegt.
Samſtag, abends 5 Uhr brach in dem dem Moſes Schäfer gehörende Hauſe, Manaſteriska Nr. 467, durch Ueberheizung eines Ofens beim Austrocknen einer verputzten Zimmerwand ein Brand aus, der nicht nur das Schindeldach dieſes Hauſes, ſondern auch das Dach des nebenſtehenden Pferdeſtalles und Heubodens des Fiakerhälters Moritz Sokal einäſcherte, ſo daß Schäfer einen Schaden von zirka 5000 Kronen erleidet, dem nur eine Aſſekurranz - ſumme von 1400 Kronen gegenüberſteht. Der unter Leitung des Kommandhnten Wieſe arbeitenden ſtädtiſchen Feuerwehr gelang es, das Fronthaus des Schäfer, das nur einen Meter vom brennenden Objekte entfernt ſtand, vor dem Brande zu bewahren, dagegen konnten die oberwähnten Hofgebäude wegen Waſſermangel nicht gerettet werden und mußten die Inwohner: Familie Klein, Koller und Nevaczek die Delogierung vornehmen. Auch die freiwillige Feuerwehr war unter ihren Hauptleuten Bodnar, Domczakiewicz und Kottlar bei Bewältigung des Brandes tätig. Aus der Erzherzog Rainer, Erzherzog Eugen und Erzherzog Albrecht - Kaſerne waren die Militär-Bereitſchaften unter ihren Offizieren den Leutnants, Turdzik, Koczinski und Beneſch erſchienen ſowie der Hauptmann Flecker der Garniſons - Inſpektion auch am Brandplatze anweſend war. Polizei - inſpektor Dr. Mironowici war mit einer ſtarken Ab - teilung Polizeimannſchaft, ſowie Dr. Samler mit dem Rettungswagen am Brandplatze anweſend. Um 8 Uhr abends konnte alles einrücken, jedoch mußte eine aus 2 Feuermännern beſtehende Brandwache, als auch eine aus drei Mann be - ſtehende Polizeiwache die ganze Nacht hiedurch für eventuelle ſofortige Hilfe am Brandplatze verbleiben.
Die Verhandlung gegen den Schauſpieler Waldek endete heute mit dem Freifpruch des Angeklagten. Der Richter (Gerichtsſekretär Dr. Gold) ging von der Anſchauung aus, daß den im Sprechzimmer der Redaktion gefallenen Aeußerungen die Oeffentlichkeit fehle, während der Ankläger das inkriminierte Schmähwort fälſchlich auf ſich bezogen habe und die Verantwortung des Angeklagten, daß er mit dem Worte „ Schafskopf “ſich ſelbſt gemeint habe, glaub - würdig erſcheine. Der Vertreter des Anklägers Advokat Dr. Philipp Menczel hatte zwar angeführt, es ſei genügende Satisfaktion für Alois Munk, wenn der Angeklagte vor Gericht erkläre, er habe ſich ſelbſt ſo deſpektierlich tituliert; dieſe läppiſche Art der Verteidigung ſei aber eine ſtarke Zumutung an den Richter, viel ſchlimmer als diejenige, die an den Kritiker geſtellt wurde. Dennoch ging der Richter, der dem Vertreter des Anklägers wiederholt ins Wort ge - fallen war und bei Begründung des Urteils Herrn Waldek eine Lobesarie ſang, auf dieſe Zumutung ein und ſchloß aus dem Umſtande, daß das Wort „ Schafskopf “ohne Artikel gebraucht wurde, daß Herr Waldek ſich ſelbſt gemeint haben müſſe. Für Alois Munk wäre die Angelegenheit eigentlich mit der Verteidigung des Herrn Waldek und der Begründung durch den Richter abgeſchloſſen, wenn nicht prozeſſuale Gründe dazu förmlich zwingen würden, das Urteil der Ueber - prüfung durch die kompetente Inſtanz zu unterbreiten.
Ueber die Verhandlung liegt folgender Bericht vor: Der Privatankläger Alois Munck ſagt unter Eid als Zeuge einvernommen konform der Anklage aus. Nach Schluß des Beweisverfahrens ergreift der Vertreter des Privatanklägers Advokat Dr. Philipp Menczel das Wort zu folgenden Ausführungen:
„ Auf Grund der Ergebniſſe der Verhandlung beantrage ich die ſtrenge Beſtrafung des Angeklagten. Was die zuerſt inkriminierten Aeußerungen Waldek’s betrifft, ſo liegt ſchon darin eine Beleidigung, daß das Verlangen geſtellt wurde, eine Kritik zu widerrufen. Es iſt dies darum eine beleidigende Zumutung, weil ſie den Vorwurf involviert, die erſte Kritik ſei ungerecht geweſen. In den Worten: „ Ich bin zum Aeußerſten entſchloſſen “, mußte der Ankläger ſchon mit Rückſicht auf einen ähnlichen Fall, der ſich vor einigen Wochen in dieſer Stadt ereignet hat, eine Bedrohung mit Tätlichkeiten ſehen. Bezüglich des gefallenen Schmähwortes liegt für Herrn Munk ſchon darin eine Satisfaktion, daß der Angeklagte hier vor Gericht er - klärt, er habe ſich ſelbſt ſo tituliert. “ Hier unterbricht der Richter in ſcharfem Tone den Vertreter des Anklägers und droht, er werde ihm das Wort entziehen. Dr. Men - czel wiederholt: „ Darin liegt ſchon eine genügende Satis - faktion. “ Richter: „ Ich bitte, nicht ſo laut zu ſprechen, denn ich fürchte mich nicht. “ Dr. Menczel: Sie wiſſen es ſehr genau, Herr Richter, daß ich mich auch nicht fürchte. (Fortfahrend): Es iſt aber jedenfalls eine ſtarke Zumutung an den Richter, dieſe läppiſche Art der Verantwortung zu akzeptieren. Es widerſpricht doch aller Vernunft, daß Herr Waldek, der in großer Erregung das Sprechzimmer verlaſſen hatte, im Vorzimmer vor dem Spiegel eine Komödie aufgeführt und einen Monolog mit den Worten: „ Ich Schafskopf “begonnen haben ſoll. Es iſt viel - mehr durch die Zeugenausſagen und durch die Situation ge - nügend dargetan, daß der Angeklagte eine Schmähung des Anklägers beabſichtigte. Der Antrag auf Beſtrafung iſt daher begründet, und mit Rückſicht auf die unerhört provokante Art dieſes Vorgehens eine Arreſtſtrafe am Platze.
Der Verteidiger Advokat Dr. Oberländer beſtreitet teils die Oeffentlichkeit, teils die beleidigende Abſicht. Der Prozeß ſei nur zu Senſationszwecken angeſtrengt worden. (Der Ausdruck wird vom Richter nicht zurückge - wieſen. Anmerkung des Berichterſtatters.) Was das Wort „ Schafskopf “betreffe, ſo habe der Angeklagte nur ſich ſelbſt gemeint, indem er ſich Vorwürfe gemacht habe, daß er einen ſo unbeſonnenen Schritt unternommen habe. Es ſei ihm fernegelegen, gegenüber einem Redakteur, deſſen geiſtige Arbeit Reſpekt verdiene, eine ſolche Flegelei anzuwenden. Sollte in der Erregung doch eine Injurie gefallen ſein, ſo bitte er um eine milde Strafe.
Der Vertreter des Privatanklägers Dr. Menczel führt kurz aus, daß er über den Vorwurf, der Prozeß ſei zu Senſationszwecken angeſtrengt worden, mit jenem Stillſchweigen hinweggehe, das alles ſage. Richter: „ Ich werde beſonders Ihnen gegenüber von den Rechten der Strafprozeßordnung Gebrauch machen. “ Doktor Menczel: „ Ich bitte nur Gebrauch zu machen. Warum übrigens beſonders mir gegenüber? “ „ Richter: “„ Das werde ich Ihnen unter vier Augen ſagen. “ Dr. Menczel: „ Alſo gut, ich warte, bis wir unter vier Augen ſind. “ Dr. Menczel faßt ſchließlich die Reſultate der Verhandlung zuſammen und gelangt zu dem Reſultate, daß die Beſtrafung im Geſetze und in der Sachlage vollſtändig begründet ſei.
Der Richter verkündet hierauf den Freiſpruch. In der Begründung bezeichnet er die Ausführungen des Verteidigers als völlig zutreffend. Die Verteidigung möge im Freiſpruche eine Genugtuung für die verwerfliche Polemik des Vertreters des Privatanklägers betrachten. Dr. Menczel meldet die Berufung an und ſagt: „ Da ich vor dem Verteidiger geſprochen habe, konnte ich mit dem Worte „ läppiſch “nicht ihn gemeint haben, ſondern die Verteidigungs - art des Herrn Waldek. Sollte dieſer ſich hiedurch in ſeiner Ehre gekränkt fühlen, ſo ſtehe ich ihm zur Verfügung. Sie, Herr Richter, aber fordere ich auf, das Wort „ verwerflich “zu widerrufen. “ Gerichtsſekretär Dr. Gold: „ Ich wider - rufe. “
(Operette von J. Schnitzer und S. Schleſinger, Muſik von Edmund Eysler.)
Pufferl (Hr. Schwab) iſt ein Haarkünſtler, der zur Zeit des Wiener Kongreſſes eine Art politiſcher Friſierſtube auf dem Graben innehatte. Während er mit dem Raſier - meſſer und der Brennſcheere hantierte, mußten die vielen Fremden von Diſtinktion, die damals Wien bevölkerten, die Kongreßgeheimniſſe ausplaudern, und manche Hof - und Staatsaktion nahm unter Pufferls geſchickten Händen ihren Anfang. Doch der Titelheld iſt nicht die Hauptperſon der neuen Operette Eyslers, ſondern eine Komteſſe Rottek (Fran Milton), der es Spaß macht, bei Wiener Bänkelſängern als „ reſche Poldi “aufzutreten und ſomit bald als Komteſſe, bald als Soubrette zu erſcheinen. Der Fürſt von Limenau (Herr Fruhwirth), dem auf dem Kongreſſe ſein Ländchen abgenommen werden ſoll, vergaſſt ſich in die angebliche Volksſängerin und verliert durch die Liebſchaft mit einer vermeintlich unebenbürtigen Perſon den Anſpruch auf den Thron ſeines Vaters. Da aber die Poldi die Maske fallen läßt, wird ihr die Krone von Limenan aufs Haupt geſetzt. Das Milieu, in dem die neue Operette ſpielt, iſt nicht un - intereſſant, leider laſſen die Textdichter Witz und Erfindungs - gabe vermiſſen. Sie vertrauten vielmehr Alexander Girardi, deſſen unverwüſtliche Komik ihrer Arbeit zu einem Erfolge verhalf, der ſich in Wien in einer großen Zahl von Aufführungen äußerte, in der Provinz und in Deutſchland hingegen zumeiſt aus - blieb. Ueber die Muſik Eyslers wird nicht viel zu ſagen, vielmehr eine Anekdote zu erzählen ſein: Als das Theater an der Wien die Aufführung von „ Pufferl “vorbereitete und Eysler die Mitwirkenden zum erſtenmale mit der Muſik vertraut machen ſollte, wurde er vom Kapellmeiſter mit folgenden Worten eingeführt: „ Meine Damen und Herren, hier iſt Herr Eysler, ein neuer Bekannter. Wenn Sie ſeine Muſik gehört haben werden, wird er für Sie ein alter Bekannter ſein. “ Die Muſik von Pufferl beſteht in der Tat aus „ alten Bekannten “. Heurigen - muſik, mit operettenhaftem Aufputz, einiges recht gefällig inſtrumentiert, das Meiſte „ ſchieberiſch auf Sechſe “. Bei uns zündete bloß das flotte Marſchlied im erſten Akte: „ Ein feſches Du und Du “und das Marſchduett des zweiten Aktes. Das „ Kirſchenlied “, in Wien ein Schlager, fiel ab, vielleicht weil Herr Schwab nicht das nötige Quantum „ G’fühl “aufbrachte. Das hübſche Duett „ Wenn man nur ein biſſerl gern ſich hat “hätte eine freundlichere Aufnahme verdient; allerdings ver - fügt weder Herr Bartl, noch Fr. Pichler über genügende Stimmittel. Die Regie war im Großen und Ganzen zufrieden - ſtellend, bloß das Szenenbild des zweiten Aktes müßte ein wenig erweitert werden, da ſtellenweiſe vorn an der Rampe ein beängſtigendes Gedränge herrſchte. Herr Schwab ſpielte den Pufferl mit dem ihm eigenen agilen Humor, der Leben auf die Szene bringt. Den Mittelpunkt bildete wieder Fr. Milton, als „ reſche Poldi “forſch und graziös, geſanglich528. November 1905. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. und darſtelleriſch auf gleicher Höhe. Die Einlage im zweiten Akte „ Ich hab’ einmal ein Räuſcherl g’habt “wurde, fein pointiert, zum Vortrage gebracht und erntete ebenſo, wie ihre übrigen Geſangsnummern, lebhaften Applaus. Herr Fruh - wirth entfeſſelte mit einigen hohen Tönen ſtürmiſchen Bei - fall und war als Darſteller ungezwungener als ſonſt. Herr Felix und Frl. Langer taten beim Marſchliede des erſten Aktes wacker mit. Der Schauſpieler Waldek wirkte ver - dienſtlich, der Sänger — — — doch nein, die Kritik ſoll nicht wieder einem Akte des k. k. Bezirksgerichtes einverleibt werden.
Die Kunſt Grünfelds iſt die gleiche geblieben, ebenſo wie die Gunſt, deren er ſich bei un - ſerem Publikum erfreut. Der Konzertſaal trug geſtern die Signatur des Feſtabends, den Alfred Grünfeld unſeren Damen alljährlich bereitet. In Scharen waren ſie herbei - geſtrömt, die Jungen, die bei ſeinem zauberweichen Anſchlag in Verzücken geraten, und die Alten, welche die Erinnerung an ferne, von ſolchen Klängen umſponnene Abende jung macht. An Beide wendet ſich Meiſter Grünfeld, ſelbſt ein ewig Junger, deſſen Kunſt mit allen Attributen der Jugend aus - geſtattet iſt: Eine Fülle von Charme und Grazie, ein wenig Sentimentalität, dann wieder Uebermut und ſprudelnde Laune, ein bischen Himmelsſtürmerei, gleich darauf ein Ver - ſinken in wohliges Träumen, ein Tanz in getragenem Drei - vierteltakt und ein jauchzendes Dahintollen in zügelloſer Wildheit. Mit einer rührenden Innigkeit und Schlichtheit, die nicht ihresgleichen hat, ſpielte Grünfeld die Schu - mann’ſchen Kinderſzenen, die den Clou des Programmes ausmachten, mit geradezu prachtvollem Rhythmus die Ballet - muſik aus „ Roſamunde “von Schubert, die zur Wieder - holung gelangen mußte, und mit ſeiner bekannt hinreißenden Verve die Glanznummern ſeines älteren Repertoires, die zu hören man nie müde wird. Selbſtverſtändlich iſt, daß die zu Beginne des Konzertes ein wenig kühle Temperatur rapid in die Höhe ging und ſchon nach dem Wagner-Braſſin’ſchen „ Feuerzauber “zu orkanartigen Beifallsausbrüchen führte, die ſich im Laufe des genußreichen Abends mehrfach wieder - holten.
Während der geſtrigen Aufführung von Hermann Bahr’s Schauſpiel „ Die Andere “wiederholte ſich der ſamſtägige Theaterſkandal in verſtärktem Maße. Der Schauſpieler Vallentin rief dem Publikum von der Bühne aus zu: „ Ihr Benehmen iſt eine Roheit, keine Kritik mehr. “
wurde, wie uns unter dem Heutigen telegraphiert wurde, an den Schau - ſpieler Niſſen verpachtet.
| Theater-Repertoire. | |
| Dienſtag, den 28. November | Raſtelbinder |
| Mittwoch, den 29. „ | Vogelhändler |
| Donnerſt., den 30. „ | Cyprienne |
| Freitag, den 1. Dezember | Hüttenbeſitzer |
| Samſtag, den 2. „ | Waldmeiſter |
| Sonntag, den 3. „ | (Nachmittags) Clavigo |
| „ den 3. „ | (Abends) s’Pufferl. |
(Gemeindeausſchußwahl.) Bei den am 22. d. ſtattgefundenen Gemeinderatswahlen wurden ge - wählt: I. Wahlkörper: Nizuka Urſaki, Großgrundbeſitzer; Eiſig Gelber, Großgrundbeſitzer, Stefan Dromuk, Groß - grundbeſitzer; Salomon Gelber, Großgrundbeſitzer; Mendel Reichmann, Kaufmann; Iwan Gibiuk, Kirchenſänger. II. Wahl - körper: Abraham Gelber, Holzhändler; Georgi Koſinski, Grundwirt; Arthemi Gromada, Grundwirt; George Ungurean, Grundwirt und III. Wahlkörper: Euſtachius Stipiniuk, Ober - lehrer; Georgi Agapi, gr. -or. Pfarrer; Petro Leſſenczuk, Gemeindevorſteher; Grigori Makowey und Georgi a Prokop Makowey. Dem Regierungskommiſſär Tarnowiecki gebührt für ſeine unparteiiſche Leitung der Wahl die vollſte Anerkennung.
Eine nach Finnland beſtimmte Waffenſendung wurde von der Polizei beſchlagnahmt.
In das Budget pro 1906 ſind 15 Millionen Rubel zur Aufbeſſerung der Lage der Eiſenbahnbedienſteten eingeſtellt.
Die Wahlen in die Reichsduma werden im Februar vorgenommen werden.
Hier iſt eine Arbeiterrevolte ausgebrochen. Die Bäckerläden wurden geſtürmt und geplündert. Ueber die Stadt wurde der Kriegszuſtand verhängt.
Geſtern weigerte ſich ein Soldat, einen Offizier zu grüßen, und be - ſchimpfte ihn. Der Offizier ſtach den Soldaten nieder. Um den Kameraden zu rächen, verſuchten die Soldaten das Offizierskaſino anzuzünden, wo ſich vier Offiziere befanden, die Revolver gebrauchten. 3 Offiziere wurden getötet, einer verletzt. Koſaken ſtellten die Ruhe wieder her.
Die Stadt befindet ſich im Siedepunkt der Revolution. Eine große Anzahl von Bauernbanden plündert und raubt, unterſtützt durch die Hilfe der Polizeiagenten, die umliegenden Fabriken und die Fleiſchläden.
Nach übereinſtimmenden Meldungen aus allen Hauptſtädten des Reiches ſteht der Ausbruch großer Militärrevolten bevor. Die Reſerven an Koſaken ſind völlig erſchöpft.
Zu Ehren des Königspaares fand geſtern abends beim Staatsminiſter Michelſen ein Feſtmahl ſtatt, bei welchem Michelſen auf das Königspaar toaſtierte und der König auf das Wohl Norwegens trank. Hierauf brachte Michelſen einen Trinkſpruch auf den Prinzen Heinrich von Preußen aus, worin er ihn bat, dem deutſchen Kaiſer den herzlichen Dank des norwegiſchen Volkes für das Wohlwollen und die Aufmerkſamkeit, welche der Kaiſer in dieſen Tagen wieder Norwegens König und Volk bezeigt habe, zu überbringen. — Der König von Schweden beantwortete die Anzeige Königs Hakon von deſſen Thronbeſteigung mit einem in liebens - würdigen und wohlwollenden Worten abgefaßten Telegramme. — König Hakon erhielt anläßlich des Regierungsantrittes viele Glückwunſchtelegramme, darunter vom öſterreichiſchen Kaiſer, dem ruſſiſchen Kaiſer und den Königen von Italien und Belgien.
Das Befinden Henrik Ibſens hat ſich be - deutend gebeſſert.
Eine Deputation der Sozialdemokraten wird morgen vormittags vom Miniſterpräſidenten Frh. v. Gantſch, dem Präſidenten des Abgeordnetenhauſes, Graf Vetter und dem Präſidenten des Herrenhauſes, Fürſt Windiſchgrätz empfangen werden.
Es wird der Ausbruch neuerlicher Unruhen der deutſchen Studentenſchaft gegen Philippowicz befürchtet.
Die Verluſte während des Krieges betrugen 218,429 Tote und Ver - wundete und 221,186 Kranke.
Die Demonſtrationsflotte iſt hier einge - troffen.
Der Sultan verſtändigte den öſterr. -ung. Botſchafter Freiherr v. Calice, daß die Pforte die Forderungen der Mächte bis auf einige Ausnahmen annehme.
Vor der Technik fanden heute Ruheſtörungen ſtatt. Die Polizei wurde mit Steinen beworfen. Die Polizei zerſtreute die Studenten, welche vor die Redaktion „ Ujmagyarorszag “zogen und dort die Fenſter einſchlugen. Die Vorleſungen auf der Univerſität wurden bis auf Weiters ſiſtiert.
(Wechſelſtube der Bukowinaer Landesbank)
| 4% Bukow. Landesbank-Fond-Schuldverſchreibung | 99·75 | 100·75 |
| Bukowinaer Bodenkredit-Pfandbriefe 4 Proz ... | 99·25 | 100·25 |
| Bukowinaer Bodenkredit-Pfandbriefe 5 Proz ... | 103· — | 104· — |
| Oeſterr. Kredit ............. | 669.50 | |
| Anglobank .............. | 318. — | |
| Bankverein .............. | 556.50 | |
| Bodenkredit .............. | 1083· — | |
| Eskomptegeſellſchaft ............ | 546· — | |
| Länderbank .............. | 441· — | |
| Unionbank .............. | 568· — | |
| Staatsbahn .............. | 665·75 | |
| Nordweſt ............... | 429· — | |
| Elbethalbahn .............. | 449·50 | |
| Lemberg-Czernowitzer ........... | 581 — | |
| Dampfſchiff .............. | 1014· — | |
| Alpine ............... | 531· — | |
| Brüxer Kohlen .............. | 679· — | |
| Prager Eiſen ............. | 2630· — | |
| Rima-Muranyer ............ | 529·75 | |
| Weſtböhm. Kohlen ............ | 274· — | |
| Draſche ............... | 233· — | |
| Hirtenberger .............. | 998· — | |
| Türkenloſe .............. | 148·25 | |
| Rubel .............. | 253·75 | 254·25 |
| Marknoten .............. | 117·62 | |
Preiſe in Kronen per 50 Kilogramm ab (Parität) Czernowitz.
| Von | Bis | |||
| K | h | K | h | |
| Weizen: Prima ....... | 8 | 30 | 8 | 40 |
| Mittel ........ | — | — | — | — |
| Rogggen: Prima ....... | 6 | 30 | 6 | 40 |
| Mittel ....... | — | — | — | — |
| Gerſte: Brauerware ...... | 6 | 75 | 7 | — |
| Brennerei-Malzware .... | 5 | 90 | 6 | 25 |
| Hafer: Herrſchaftsware ..... | 6 | 35 | 6 | 45 |
| Marktware ....... | — | — | — | — |
| Uſanzenware ...... | — | — | — | — |
| Oelſaaten: Winterreps prompt .. | 11 | — | 11 | 25 |
| Rüben ...... | — | — | — | — |
| Leinſaat ...... | — | — | — | — |
| Hanfſaat prompt ... | 13 | 75 | 14 | 25 |
| Kleeſaat prima .... | 60 | — | 62 | — |
| „ mittel .... | — | — | — | — |
| Mais: Prima prompt ....... | 7 | 10 | 7 | 20 |
| Neumais: prompt ...... | 6 | 25 | 6 | 30 |
| Cinquantin: Prima prompt ... | 4 | 25 | 4 | 50 |
| Hülſenfrüchte: Bohnen lange .. | 14 | 25 | 14 | 50 |
| Erbſen ..... | 7 | 50 | 8 | — |
| Fenchel: .......... | — | — | — | — |
| Spiritus pr. 10.000 Literperzent roher, | 31 | — | 32 | — |
| prompt, exkl. Steuer ab Czernowitz .. | 20 | — | 20 | 50 |
| Einheitliche 4% konv. Rente, Mai-November .... | 99·90 |
| „ 4% „ „ Jänner-Juli ..... | 99·80 |
| „ Rente 4·2% in Noten, Februar-Auguſt .. | 100·60 |
| „ „ 4·2% in Silber, April-Oktober ... | 100·65 |
| Oeſterreichiſche Goldrente .......... | 118.20 |
| „ Kronenrente 4% ........ | 99·85 |
| „ Inveſtitionsrente 3½% ...... | 91.05 |
| Ungariſche Goldrente 4% .......... | 113·85 |
| „ Kronenrente 4% ......... | 95·35 |
| „ Inveſtitionsrente 3½% ....... | 86·05 |
| Oeſterr. -ungar. Bank-Aktien ......... | 16.36 |
| Kreditaktien .............. | 669. — |
| London vista .............. | 240.10 |
| Deutſche Reichsbanknoten für 100 Mark d. R. -W ... | 117.62 |
| 20-Mark-Stücke .............. | 23.50 |
| 20-Frank-Stücke ............. | 19.17 |
| Italieniſche Banknoten ........... | 95.65 |
| Rand-Dukaten ............. | 11.32 |
Eigentümer und Herausgeber: Dr. Philipp Menczel und Joſef Kaufmann. — Verantwortlicher Redakteur: Alois Munk. — Druck der Buchdruckerei „ Gutenberg “Czernowitz.
Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported (German) License.