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Nr. 122. Olmütz, Dienstag, den 28. Mai 1895. 16. Jahrgang.

Die neuen Steuern.

Wenngleich das Abgeordnetenhaus ſchon einen großen Theil des Steuerreformwerkes erledigt hat, ſo ſind verzögernde Zwiſchenfälle noch immer möglich. Auch im Jahre 1878 war man nach den langwierigen und ziemlich bewegten Steuer - debatten nahezu ans Ende gelangt, als durch einen Rückverweiſungsantrag die geſammte Steuer - reform begraben wurde. Diesmal ſind von den ſechs Hauptſtücken des Entwurfes die vier wichtigſten jene, über die allgemeine Erwerbſteuer, die Steuer der zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten Unternehmungen, die Rentenſteuer und die Ein - kommenſteuer bereits votirt und erübrigt noch das Hauptſtück über die Strafbeſtimmungen und jenes über die ſogenannten allgemeinen Be - ſtimmungen. Aber damit wären lange noch nicht alle Fährlichkeiten umgangen. Denn noch erübrigt der Finanzplan, und dieſer birgt namentlich in dem höchſt überflüſſigen Wahlrechtsantrag des Abgeordneten Dipauli den Keim gefährlicher Zerwürfniſſe in ſich. So viel ſcheint heute ſchon feſtzuſtehen, daß der im Geſetzentwurf in Ausſicht genommene Termin für den Geltungsbeginn der Steuerreform, der 1. Jänner 1896, kaum ein - gehalten werden wird.

Während am Beginn, ſchreibt die Bohemia , alle Parteien in der Anerkennung der Nothwen - digkeit ziemlich einig waren, die Steuerreform zu beſchließen, gibt ſich, je länger die Berathung dauert, eine immer lärmender auftretende Gegnerſchaft kund. Demgegenüber muß immer wieder an dieUnzukömmlichkeiten erinnert werden, welche das derzeit beſtehende Steuerſyſtem in Oeſterreich mit ſich bringt. Der Uebergang von den Ertrag - ſteuern zur Einkommenſteuer, welcher durch das zu beſchließende Steuergeſetz in Oeſterreich einge - leitet und allmählig herbeigeführt werden ſoll, wurde ſtets als ein bedeutender Schritt zur Beſ - ſerung, als eine Erlöſung begrüßt. Die ſocial - politiſche Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat der Auffaſſung den Weg geebnet, daß die Steuer - politik des Staates ein Regulator der Volks - wirthſchaft ſei, und es fehlt in der Literatur nicht an Vorſchlägen, welche bei dem Verſuch, dieſen Gedanken in die Wirklichkeit zu übertragen, den Grundſatz formulirten, eine gerechte Steuer müſſe das Erträgniß der Landwirthſchaft im einſachen Betrag, jedes der Induſtrie im - fachen, des Handels im 1¾fachen, des Bankiers im doppelten Betrag u. dgl. zur Beſteuerung heranziehen. Die Steuerlaſt ſollte ſonach eine Abſt[u]fung erfahren, nach der Einkommensart und Erwerbsquelle. Gleichzeitig ſollte der Staat in die Lage kommen, bei der Erfüllung ſeiner Obliegenheiten im Intereſſe der ſocialen Wohl - fahrt durch die Steuern gewiſſermaßen eine ausgleichende Gerechtigkeit zu üben. Es mag im Allgemeinen zutreffen, daß zwei Häuſer mit gleichem Zinserträgniß gleich viel an Gebäude - ſteuer zu leiſten vermögen, aber es iſt gewiß nicht richtig, daß die Befitzer der beiden Häuſer in gleichem Grade ſteuerfähig ſind. Hier eine ge - rechte Vertheilung zu bewerkſtelligen, den Einen nach ſeiner Leiſtungsfähigkeit mehr, den Anderen weniger zu belaſten, kann nur vermöge der Per -ſonaleinkommenſteuer erreicht werden. Oeſterreich wird als nicht reif erachtet, ſeinen Staatshaus - halt heute ſchon ausſchließlich ſchon auf die Ein - kommenſteuer einzurichten. Deshalb werden vor - läufig die Ertragsſteuern, wie die Grund -, Ge - bäude - und Erwerbſteuer beibehalten, und die Perſonaleinkommenſteuer kann nur als Ergänzung zur Einführung kommen. Aber die künftige Entwicklung muß darauf gerichtet ſein, die erſtere gänzlich zu beſeitigen, und nur letztere aus - zubilden.

Als muſtergiltig iſt in dieſer Beziehung die Steuergeſetzgebung Preußens zu erachten, woſelbſt ſchon im Jahre 1820 mit der ſogenannten Claſſen - ſteuer der Anfang gemacht wurde zur allmäligen Einführung der Einkommenſteuer, wie ſie heute mit dem befriedigenden Ergebniß beſteht. Eine der letzten Reformmaßnahmen in Preußen, das Geſetz vom 24. Jänner 1891 verfügt die Declarations - pflicht, wonach Jeder verpflichtet iſt, ſein Ein - kommen zu bekennen.

Die diesbezüglichen Beſtimmungen im öſterrei - chiſchen Steuerreformentwurf, welche das Abgeordne - tenhaus in den letzten Sitzungen erörterte, ſind genau dem preußiſchen Geſetz nachgebildet; die Zweck - mäßigkeit derſelben iſt durch den Erfolg erwieſen. Nach Einführung der Declarationspflicht in Preußen ergab die Einkommenſteuer ſtatt, wie präliminirt war, 80 Millionen Mark nicht weni - ger als 120 Millionen und dieſer überraſchende Mehrertrag bot dem Staate die Möglichkeit, auf die Ertragſteuern gänzlich zu verzichten und ſie den Gemeinden zu überlaſſen. Gegenwärtig beruht das preußiſche Budget, ſoweit die Steuern in

Feuilleton.

Der italieniſche Bismarck. Von

Carl von Bruchhauſen

(Friedenau).

(Nachdruck verboten.)

Nicht nur Lügen, auch Prophezeihungen haben oft genug kurze Beine. Kluge Leute hatten mit großer Sicherheit vorausgeſagt, das Fran - cesco Crispis Erdendaſein nicht über 64 Jahre dauern werde, weil ſowohl ſein Vater, wie ſeine Mutter in dieſem Alter geſtorben waren. Nun hat er es aber bereits auf 75 nette Jahre gebracht, und ſein geſtählter Körper, ſeine un - verminderte geiſtige Regſamkeit, ſein ungebro - chenes Temperament ſcheinen noch eine Reihe fruchtbarer Jahre zu verbürgen.

Dreiviertel Jahrhunderte ſchaut er das Licht der Welt und nicht in müßiger Ruhe, nicht nach feſt verzeichneten Bahnen ſind ſeine Tage ver - laufen, ſondern in Sturm und Kampf, in Noth und Gefahr, bald ihn hoch hebend, bald ihn tief niederſchmetternd. Schwere Arbeit und unabläſ - ſiges Ringen ſind zeitlebeus ſein Loos geweſen.

Von Geburt iſt Crispi ein Sicilianer albane - ſiſcher Herkunft; in Ribera bei Girgenti kam er auf die Welt. Es hat nicht an Schmeichlern ge - fehlt, die ſeinen Stammbaum auf den altrömi - ſchen Crispus Saluſtius oder auf einen Fürſten Crispi, der im 13. Jahrhundert Samos be -herrſchte, zurückführen wollten, aber er ſelbſt hat einmal lächelnd erklärt, daß der Adel in ſeiner Familie erſt mit ihm ſelber beginne. Adelsſtolz würde freilich dem geſchworenen Demokraten auch ſchlecht anſtehen!

Den jungen Crispi nahm, da zu ſeiner Verwandtſchaft ein paar Prieſter zählten, zunächſt ein geiſtliches Seminar auf und der ſpätere Freidenker verſuchte ſein poetiſches Talent zunächſt in religiöſen Stimmungsdichtungen: ein Werde - gang, mit dem er nicht allein auf der Welt ſteht. Frühzeitig aber ſchüttelte er dieſe Richtung ab, und der Achtzehnjährige bezog als Student der Rechtswiſſentchaft die Univerſität Palermo. Da ſpielt ihm ſein heißes Herz den erſten Streich. Roſina Sciarra, ſeiner Phileuſe jugendfriſche Tochter hat es ihm angethan. Mit der ihm ſchon in jungen Jahren eigenen Willens - energie erklärt Francesco ſeinen Eltern, daß er Roſina alsbald heimführen werde. Der ent - ſetzte und erzürnte Vater ruft ihn natürlich ſofort nach Ribera zurück, und der Sohn gehorcht trauernden Herzens. Die Gefahr ſcheint vorüber: da dringt plötzlich in die Provinz das Gerücht von einem entſetzlichen Wüthen der Cholera in Palermo. Flugs zieht der junge Crispi ein Pferd aus dem väterlichen Stall, und im Galopp geht’s nach der Hauptſtadt Siciliens. Zwei Tage ſpäter iſt er dort, findet die Geliebte lebend und reicht ihr ſofort vor dem Altar die Hand. Um ſich nur die allernöthigſten Exiſtenzmittel zu ver - ſchaffen, verkaufte er das Pferd an die Poſtver - waltung, und dieſes Pferd führt die Eltern auf die Spur des Flüchtlings. Zu ändern aber bleibtnichts mehr, denn die Ehe iſt vollzogene That - ſache. Und noch nicht genug der Romantik! Als Roſina nach zwei Jahren ſtirbt, will ihre jüngere Schweſter durchaus des zukünftigen Hel - den Gattin werden, aber der Vormund ver - ſagt die Einwilligung, und ſie nimmt den Schleier ....

Der junge Ehemann hatte inzwiſchen 1841 ſeine juriſtiſchen Studien abgeſchloſſen und warf ſich nun mit all ſeinen Kräften als Revolutionär gegen die bourboniſche Herr - ſchaft auf ſeiner Heimatinſel der Politik in die Arme. Heimliche Verſchwörerei und offenes Auftreten im ficilianiſchen Parlament bereiteten die aufſtändiſchen Putſche des Jahres 1848 49 vor, die mit dem vollen Siege der Regierung endeten. Des jungen Rechtsanwalts Name ſtand auf der Liſte der Geächteten obenan. Damals im Mai 1849 war es, als der fliehende Crispi nach einem letzten Blick auf ſein geliebtes Palermo in ſein Taſchenbuch ſchrieb:

  • Oh mia Sicilia! tra l’orror de ’mali
  • I figli tuoi ti lasciano frementi;
  • Sembra, che non ci resti speme alcuna
  • E sia notte funesta a noi isolani!
    *)In freier Ueberſetzung etwa: O mein Sicilien! Deine Söhne müſſen In Schmerz erknirſchend Deine Scholle meiden, Scheint’s doch, als werde nie ein Hoffnungsſtrahl Erhellen Dir die dunkle Nacht der Leiden.
    *)

In abenteuerlicher Flucht gelangte der junge Verſchwörer nach Piemont, dem Aſyl der Pa - trioten aus ganz Italien. In Turin ſollte es dem zukünftigen Vetter des Königs (der Annun -

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Betracht kommen, faſt ausſchließlich auf der Ein - kommenſteuer als der directen Abgabe aller Be - völkerungsſchichten. Ergänzend iſt vor Kurzem die Vermögensſteuer hinzugetreten, welche vom fun - dirten Einkommen geleiſtet wird, während Grund - ſteuer, Gebäudeſteuer und Erwerbſteuer den Com - munalverwaltungen zufließen, ſo daß das viel - beklagte Syſtem der Zuſchläge und Umlagen auf - gegeben werden konnte.

Auch die Steuerreform in Oeſterreich iſt auf dieſes Ziel gerichtet. Für die große Maſſe der Bevölkerung hätte hauptſächlich die Frage In - tereſſe: Welche Steuer wird jetzt gezahlt; welche wird künftig gezahlt werden müſſen? Eine ziffer - mäßig genaue Beantwortung dieſer Frage iſt heute Niemandem möglich, es ſei denn, daß man ſich mit dem im Geſetz verwirklichten Grundſatz zufrieden geben wollte, daß im Verhältniß zur jetzigen Steuerleiſtung die Reichſten und Reichen mehr, die Bemittelten gleichviel, die Minderbe - mittelten weit weniger und die wirklich Unbe - mittelten gar nichts zahlen werden.

Mit der Erledigung der Steuerreform wäre dem Parlamente heute eine That gelungen, welche ſchon ſeit 30 Jahren vergeblich angeſtrebt wird. So lange iſt es her, daß der alte Plener mit dem Geſetzentwurfe einer Perſonaleinkommenſteuer hervorgetreten iſt. An ſeinem 85. Geburtstage erlebt er die Genugthuung, daß ſeine Ideen durch das Geſetz verwirklicht werden, und daß ſein Sohn es iſt, der die Action entſcheidend beeinflußt, die ſicherlich zum Wohle des Vaterlandes gereichen wird.

Eine Antiſemiten-Debatte in der franzöſiſchen Kammer.

In der franzöſiſchen Kammer interpellirten am letzten Samſtag die zwei antiſemitiſchen Mit - glieder der Kammer, Denis und Vicomte Hugues, über das angebliche Vorherrſchen des jüdiſchen Elements in der franzöſiſchen Beamten - ſchaft, und die Deputirten, ſowie die Parlaments - berichterſtatter erachteten es offenbar für amuſanter, draußen in den Wandelgängen zu promeniren, als drin im überheißen Saale den Ausführungen des antiſemitiſchen Paares zuzuhören. Bekanntlich wurde vor mehreren Monaten der höhere Staats - beamte Levaillant ſeines Poſtens enthoben, weil aus dem Cridaproceſſe der Juweliere Brüder Schwob hervorging daß er denſelben in ſeiner früheren Eigenſchaft als Director der Staats - polizei zugeſichert hatte, ſich für ſie bei Gerichts - perſonen zu verwenden. Levaillant iſt Jude und dieſer Umſtand war die Veranlaſſung der ſamſtägigen Interpellation.

Denis fragte, ob auch bezüglich der Ge -richtsperſonen, auf welche Levaillant anſpielte, die Unterſuchung gepflogen werde.

Miniſterpräſident Ribot: Natürlich.

Denis läßt nun die üblichen antiſemiti - ſchen Gehäſſigkeiten gegen die Juden los.

Präſident Briſſon: Ich fordere Sie auf, nicht eine ganz[e]Kategorie von Mitbürgern an - zugreifen.

Denis fuhr fort, die Juden ſeien Frankreich durch ihren Kosmopolismus gefährlich; man möge ſie Geſchäfte machen, aber keine Aemter bekleiden laſſen. Die öffentlichen Aemter und die Miniſte - rien ſeien voll Juden. Im Staatsrathe gebe es 9, im Caſſationshofe 10, im Unterrichtsmini - ſterium 35 Juden, überdies zähle man 18 bis 20 jüdiſche Präfecten und Unterpräfecten.

Miniſterpräſident Ribot: Ich möchte Ihr ſtatiſtiſches Bureau kennen lernen. (Heiterkeit.)

Trotz der Theilnahmsloſigkeit, welcher Denis begegnet, nimmt ſein Partner, Vicomte Hugues, dasſelbe Thema auf. Hugues findet, daß es auch in der Armee zu viel Juden gebe und das jüdiſche Element nicht bloß in öffentlichen Aemtern, ſon - dern in allen Verwaltungskörpern vorherrſche. Der ſtärkſte Actionär des Crédit foncier ſei Baron Hirſch. Daß auch der Name Rothſchild bei ſolchem Anlaſſe erwähnt wurde, iſt ſelbſt - verſtändlich.

Das Intereſſe für die Debatte belebte ſich, als der Socialiſt Rouanet die Trübüne be - ſtieg und den Standpunct der Socialiſten in der Antiſemitenfrage darlegte. Rouanet erklärte unter lebhaftem Beifalle der Kammer, daß von den Antiſemiten die edelſten Principien der großen Revolution, welche die Menſchenrechte und Bür - gerrechte ohne Unterſchied der Race und der Religion proclamirte, mit Füßen getreten wer - den. (Rufe: Sehr richtig!) Die Juden haben die gegenwärtigen geſellſchaftlichen Zuſtände nicht ge - ſchaffen. Agiotage und Wucher beſtand ſchon bei den alten Römern, zu Zeiten der römiſchen Republik. Die Formen der angeblichen jüdiſchen Agiotage gleichen vollkommen jenen der chriſt - lichen Agiotage. Redner weiſt hierauf auf jenen katholiſchen Financier (Bontoux) hin, der ſich franzöſiſchen Geldes bedient habe, um durch Gründungen in Oeſterreich den öſterreichiſch - deutſchen Einfluß gegen, den franzöſiſch-ruſſiſchen Einfluß zu begünſtigen. Er ſagt dann weiter: Waren die Betrügereien der Panamageſchäfte etwa eine jüdiſche Angelegenheit? Es gibt aller - dings jüdiſche Capitaliſten, aber es gibt auch chriſtliche Capitaliſten, und von den Socialiſten kann zwiſchen jüdiſchem und chriſtlichem Capital kein Unterſchied gemacht werden. Gegen Wucher und unlautere Börſenmanöver gibt es geſetzliche Beſtimmungen, die Regierung will jedoch nichts dagegen unternehmen.

Juſtizminiſter Trarieux: Citiren Sie einen Fall.

Rouanet nennt die franco-engliſche Gold - minengeſellſchaft, deren Actien nur mit Umgehung des Geſetzes auf den Markt gelangen konnten.

Juſtizminiſter: Wir ſtudiren eben die Frage, da uns das bisherige Geſetz dagegen kein Mittel an die Hand gibt.

Rouanet ſchloß ſeine Ausführungen mit der Erklärung: Nicht die Juden, ſondern die ca - pitaliſtiſche Organiſation ſei für die ſocialen Miß - ſtände verantwortlich zu machen. (Siehe Telegr.)

Reichsrath. Sitzung des Abgeordnetenhauſes vom 27. Mai.

In der heutigen Sitzung des Abgeordneten - hauſes beantwortete der Miniſterpräſident Fürſt Windiſchgrätz die von den Abg. Exner und Genoſſen in der Affaire Deckert ein - gebrachte Interpellation. (Wir haben dieſe Ant - wort bereits geſtern mitgetheilt. Die Red.)

Es wird hierauf zur Tagesordnung, d. i. Fortſetzung der Specialberathung über die Steuerreform (Perſonaleinkommen - und Beſol - dungsſteuer) übergegangen. In Verhandlung ſtehen die §§ 233 237 (beſondere Beſtimmungen über Dienſtbezüge.)

Abg. Formanek beantragt nach längerer Motivirung die Weglaſſung der §§ 234 237 und beantragt weiters, falls dies abgelehnt wird, eine geänderte Faſſung des § 234.

Abg. Dr. Kronawetter wendet ſich gegen die Beſoldungsſteuer, mit welcher eine doppelte Beſteuerung in das Geſetz aufgenommen werden würde. Er ſpricht ſein Bedauern ange - ſichts des langſamen Tempos der Behandlung der Wahlreform aus und wünſcht, daß die Steuerreform ſo raſch als möglich erledigt wer - den ſollte.

Finanzminiſter Dr. v. Plener ergreift das Wort. Der Miniſter bemerkt gegenüber Dr. Krona - wetter, der Umſtand, daß das Subcomité der Steuercommiſſion des Herrenhauſes gegenwärtig ſich mit der Steuerreform beſchäftigt, ſei weder gegen die Geſchäftsordnung des Herrenhauſes, noch geſetzwidrig und entſpreche einer langjährigen Uebung des Hauſes bei großen Geſetzvorlagen. Selbſtverſtändlich könne der definitive Abſchluß der Commiſſionsberathungen und demnach die Verhandlung im Plenum des Herrenhauſes erſt dann beginnen, wenn das Geſetz im Abgeord -

ciata-Orden verleiht dieſen Titel) ſo kümmerlich ergehen, daß er 1852 die ihn kaum ernährende Journaliſtik aufzugeben beſchloß, und ſich ver - geblich! um ein kleines Communalamt be - warb. Ja, man warf den unruhigen, conſpiriren - den Menſchen ſogar als politiſch verdächtig in’s Gefängniß und endlich wies man ihn aus. Er ging aber nicht allein. Sein liebebedürftiges Herz hatte ſich in dieſer trüben Zeit an eine kleine blühende Wäſcherin, Roſalie Montmaſſon geſchloſſen, die ihn auf ſeiner weiteren Irrfahrt begleitete. In Malta legte ein reiſender Jeſuit die Hände Beider in einander, und Roſalie Mont - maſſon galt von nun an als Crispi’s Frau. Sie folgte ihm, als er auch dieſe Inſel verlaſſen mußte, zuerſt nach London, dann nach Paris und wieder nach London. Der Polizei-Präfect von Paris hatte dem Verſchwörer , der ſich mühſam genug als Journaliſt und Sprachlehrer durchbrachte, einen nicht mißzuverſtehenden Wink gegeben.

Ein Verſchwörer war er, denn wo er war, unabläſſig und nachdrücklich arbeitete er an dem Sturz der Bourbonenherrſchaft in Sicilien. Ja, derſelbe Mann, der im vorigen Jahre als leitender Miniſter durch das Gewicht ſeiner Perſönlichkeit ſcharfe Aus - nahmegeſetze gegen die Bomben ſchleudernden Anarchiſten durchzudrücken verſtand, verſuchte ſich damals ſelbſt in der Fabrikation ſolcher Mord - inſtrumente!

An ſeinem 40. Geburtstag ſollte der ent - ſcheidende Schlag geführt werden: aber es wurde wieder ein verunglückter Putſch daraus. Flüchtendwandte er ſich abermals nach Piemont, von wo aus er Fühlung mit den leitenden Männern der nationalen Erhebung ſuchte und zum Theil auch fand. Zum Theil nur: ein Mann wie Graf Camillo Cavour, nahm den revolutionären Feuer - kampf nichts weniger als freundlich auf und nannte ihn ſpöttiſch den großen Mann . Ein Jahr ſpäter 1860 ſehen wir Crispi das rothe Hemd des Garibaldianers anziehen; ja, er war es, der den unluſtigen ſchwankenden Gene - ral ſolange zuletzt durch eigenhändig herge - ſtellte Depeſchen aus Palermo bearbeitete, bis er den berühmt gewordenen Zug der Tauſend nach Sicilien unternahm. *)Gegenwärtig ſoll Crispi neben ſeinen Re - gierungsgeſchäften noch Zeit finden, die Geſchichte dieſer Expedition zu ſchreiben.Endlich ein Glücks - ſtrahl nach faſt zwanzigjährigem Ringen!

Bald war Crispi die rechte Hand Garibal - dis, und nur der Rückſicht, die auf dieſen volks - thümlichen Einigungskämpfer zu nehmen war, hatte deſſen Adlatus es zu verdanken, daß die Regierungsmänner ihn nicht gewaltſam bei Seite ſchoben. In Cavours Augen wurde er immer mehr zur bête noire. Aber nun ließ er ſich nicht mehr niederdrücken. Anfang der ſechziger Jahre zum Deputirten gewählt, nahm er ſeinen Platz auf der äußerſten Linken. Die Rechte haßte ihn, wie kaum je einen andern ihrer politiſchen Gegner, und ſeinen radicalen Genoſſen flößte er bald Mißtrauen ein. Sie, die geſchworenen Re - publikaner mußten 1864 mit Entſetzen aus Crispis Munde das berühmt gewordene Wort hören: La Monarchia ci unisce; la Republica cidivide! Ein völliger Bruch mit Mazzini und ein Hindrängen Crispis zu den Bänken der ge - mäßigteren Linken waren die Folgen dieſes mo - narchiſtiſchen Glaubensbekenntniſſes. Die Noth - wendigkeit eines ſtarken Staates war ſo ſehr Ueberzeugung in Crispi, daß er im Jahre 1866 ſelbſt mehreren die perſönliche Freiheit beſchrän - kenden Geſetzen ſeine Zuſtimmung gab. In das - ſelbe Jahr fällt die Gründung einer eigenen Zeitung. der Riforma , die noch heute Crispis Sprachrohr iſt, ihrem Gründer aber keineswegs einen pekuniären Vortheil gebracht hat.

Ebenſo wie das Joch Mazzinis 1864, brach er 1867 das des Alten von Caprera. Crispi war mit Rückſicht auf die Haltung Frank - reichs ein entſchiedener Gegner des von Garibaldi geplanten Zuges nach Rom: der Tag von Mentana ſollte ſeinen Vorherſagungen nur zu ſehr recht geben.

Inzwiſchen war ſeine Verbindung mit Roſalie Montmaſſon für eine ungeſetzliche Scheinehe er - klärt und getrennt worden. Als er dann ſpäter in dritter Ehe ſeiner Lina , die ihm noch heute treu zur Seite ſteht, die Hände reichte, da ſuch - ten die politiſchen Gegner den bitter gehaßten Mann dadurch unſchädlich zu machen, daß ſie ihn der Bigamie beſchuldigten. Zwar mißlang der Streich, denn die gerichtliche Verhandlung eudete mit Freiſprechung, aber der Vorgang zog doch ſeine Kreiſe und erſchwerte Crispi ſpäter das Hochkommen.

In den Jahren 1869 71 war das politi - ſche Anſehen Crispis bereits geſtiegen. Es heißt, daß er damals, als Kammerpräſident, bereits im

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netenhauſe in dritter Leſung angenommen ſein werde. In der vorletzten Sitzung des Herren - hauſes wurde die Steuercommiſſion ausdrücklich zu dem Zwecke gewählt, um bereits gegenwärtig im Wege des Subcomités den Gegenſtand vorzu - berathen. Der Vorgang ſei daher ganz correct und gebe keinen Anlaß zu einem Vorwurf gegen das Herrenhaus. (Beifall.)

Abg. Dr. Kronawetter: Es iſt eine geſetzwidrige Behandlung der Vorlagen, die wir im Auge zu behalten haben.

Abg. Dr. Menger bekämpft zunächſt die Behauptung, daß die Steuerentlaſtung der - heren Beamten eine ſtärkere ſei als die der unteren. Er erinnert daran, daß nach der ur - ſprünglichen, von dem früheren Finanzminiſter eingebrachten Regierungs-Vorlage die Beamten an Beſoldungs - und Perſonal-Einkommenſteuer ſo viel zu zahlen gehabt hätten, als die frühere Einkommenſteuer ausmachte, welche eine ver - gleichsweiſe ſtarke Belaſtung, insbeſondere der unteren Beamten darſtellte. Es ſei ein Verdienſt des gegenwärtigen Herrn Finanzminiſters, daß der Ausſchuß davon abging und zu dem Be - ſchluſſe gelangte, daß die unteren und mittleren Beamten nur die Perſonal-Einkommenſteuer und bloß die höheren Beamten mit mehr als 3000 fl. Bezügen noch eine Beſoldungsſteuer zu zahlen haben, welche aber im Vereine mit der Perſonal-Einkommenſtener geringer iſt als die gegenwärtige Beſteuerung. Wenn der Abg. Dr. Ritter v. Kraus die Behauptung aufſtellte, daß die Entlaſtung der unteren Beamten keine ſo bedeutende ſei wie die der höheren, ſo liegen dieſer Anſicht mehrfache Irrthümer zu Grunde. Zunächſt ſei die diesbezügliche Berechnung mehr auf Grund der für Wien beſtimmten das heißt der allerhöchſten Activitäts-Zulagen aufgeſtellt worden, während ſich bei Be - rückſichtigung auch der drei Categorien der Activitäts-Zulagen der 11. bis 5. Rangs - claſſe ein ſehr erheblicher percentueller Nachlaß gegenüber der gegenwärtigen Beſteuerung ergebe. Es ſei weiter die Erklärung nicht berückſichtigt worden, welche die Regierung ſowohl im Steuer - Ausſchuſſe als auch im Abgeordnetenhauſe ab - gegeben hat, daß die Functions-Zulagen der vier oberſten Rangsclaſſen mit Ausnahme eines mäßigen Betrages, welcher von dieſen Beamten im Intereſſe des Dienſtes ausgegeben wird gleichfalls der Beſteuerung durch die Perſonal - Einkommenſteuer unterzogen werden, wonach für die vier oberſten Rangsclaſſen die Steuer unge - fähr in derſelben Höhe verbleibt wie bisher. Es ſei ſchließlich nicht berückſichtigt worden, daß die Beſoldungsſteuer eine Ertragsſteuer ſei, von der Abzüge nicht wie bei der Perſonal-Einkommenſteuer zuläſſig ſeien, bei welcher der Beamte Schuld -zinſen, Verſicherungs-Prämien u. ſ. f. in Abzug bringen könne. Dazu komme die Ermäßigung des Steuerſatzes bis zur dritten Stufe, wenn die Steuerpflicht nicht mehr als 3000 fl. ausmacht und der Steuerträger durch Erziehung der Kinder, den Unterhalt mittelloſer Verwandter u. dgl. eine außerordentliche Belaſtung erfahre. Durch dieſe Umſtände werde die Reduction der Steuer, die ſchon durch das Geſetz in vielen Fällen um 30 bis 40 pCt. erfolge, noch bedeutend vergrößert werden. Daß für einzelne Poſten in einzelnen Orten dieſe Reduction eine kleinere ſein werde, ſei bei einem Geſetze nicht zu vermeiden. Im Allgemeinen aber ſeien für die unteren und mittleren Beamten in dem Geſetze weitergehende Nachläſſe feſtgeſetzt als in Bezug auf irgend welche andere Steuerträger. Bei der Höhe der directen Steuern für den Landwirth und den Gewerbetreibenden würde es als eine Unbilligkeit erſcheinen, die Beſoldungs - ſteuer gänzlich zu ſtreichen, das heißt auch bei Bezügen über 3200 fl. von der Steuer abzuſehen. Gegen den Abg. Auſpitz bemerkt Redner, daß es keine Unehre für den Staat ſei, wenn die höchſten Functionäre keine überaus hohen, aber immerhin genügende Gehalte haben. Ein Miniſter ſolle einen Gehalt beziehen, welcher den Verhältniſſen entſpricht. Den Gedanken, daß neben der Ein - kommenſteuer nur eine Vermögensſteuer exiſtiren ſollte, findet Redner gerecht. Er habe ſelbſt dies - bezüglich einen ganzen Plan ausgearbeitet, habe aber mit demſelben im Ausſchuſſe eine Majorität nicht erhalten können. Die Bedenken gegen die Ein - hebung der Beſoldungsſteuer durch den Dienſt - geber theilt Redner vollſtändig. Er bemerkt ſchließlich, daß es als ganz ſelbſtverſtändlich er - ſcheinen müſſe, daß bei einer Debatte über eine große Steuerreform ſich größere Schwierigkeiten ergeben, als bei der Verhandlung über noch ſo umfangreiche anderweitige Geſetzes-Vorlagen, wo der Kampf in der Regel nur um einige wenige Hauptgrundſätze geführt werde, während bei einer Steuerreform die Intereſſen-Gegenſätze außerordent - lich zahlreich ſeien. Wenn man aber mit einem An - trage in der Minorität bleibe und darum gegen das Geſetz ſtimmen wolle, ſo müſſe ſich die Ma - jorität von Paragraph zu Paragraph vermin - dern, und dann ſei eine Steuerreform gar nicht durchzubringen. Wenn die Mitglieder des Hauſes nicht ſo viel Selbſtverläugnung haben, um eine Verbeſſerung unſerer Steuergeſetzgebung überhaupt zu ermöglichen, auf einige Wünſche zu verzichten, ſo werde eine Steuerreform niemals möglich ſein. Mit dem Scheitern dieſes Geſetzes bleiben unſere directen Steuern mit allen ihren unſäglichen Mängeln fortbeſtehen und eine Verbeſſerung dieſer unhaltbaren Zuſtände werde auf Decennien aus - ſichtslos ſein. In ein Geſetz, welches vor hundert Jahren geſchaffen wurde, werden unſere heutigenſocialen Verhältniſſe hineingezwängt, und ein großer Theil der Unzufriedenheit ſei darauf zu - rückzuführen. Ein Volksvertreter dürfe ſich durch einzelne Beſchlüſſe, welche ihm nicht zu entſpre - chen ſcheinen, nicht abſchrecken laſſen und die ganze Reform werfen wollen. Man müſſe ſich bemühen, jetzt eine Reform, und wäre es auch nur eine mäßige durchzuführen und den großen Fortſchritt, welcher in der progreſſiven Perſonal - Einkommenſteuer liege, zu ermöglichen, um eine Grundlage für weitere Reformen zu gewinnen. Jede Partei, welche dies ermögliche, werde den Steuerträgern, dem Staate und dem Volke einen werthvollen Dienſt leiſten (Lebhafter Beifall.)

Abg. Dr. Kaizl erklärt den Vorgang, daß ſchon gegenwärtig ſich eine Commiſſion des Herrenhauſes mit der Steuerreform beſchäftige, als einen illegalen. (Beifall bei den Jungtſchechen.) Von gleicher Oualität ſeien die übrigen Mittel, durch welche man die Steuerreforn fördern wolle.

Redner polemiſirt gegen die Ausführungen des Abg. Auſpitz in Betreff der Miniſtergehalte und tadelt die Art, wie der Berichterſtatter und die Majorität die Anträge der Oppoſition be - handeln; es dränge dies die Oppoſition zur Obſtruction. Redner bekämpft die Beſtimmungen des § 234 und der folgenden Paragraphe, wo - nach die Beſoldungs - und die Rentenſteuer der Angeſtellten vom Dienſtgeber abzuziehen ſind, und beantragt, die §§ 234 bis 237 zu ſtreichen.

Abg. Paſtor beantragt Schluß der Debatte. (Ironiſcher Beifall bei den Jungtſchechen.)

Der Antrag wird angenommen.

Abg. Dr. Vašatý beginnt ſeine Ausfüh - rungen in böhmiſcher Sprache. In deutſcher Sprache fortfahrend, ſtellt Redner nach ausführ - licher Begründung eine Reihe von Abänderungs - Anträgen zu den in Verhandlung ſtehenden Para - graphen. Zunächſt beantragt er eine vom Ausſchuß - Antrage abweichende Scala für die Beſoldungsſteuer, und zwar von 3200 fl. bis 4000 fl. 0·8 Perc., von 4000 bis 4500 fl. 1·2 Perc., von 4500 bis 5000 fl. 1·6 Perc., von 5000 bis 6000 fl. 2 Perc., von 6000 bis 7000 fl. 3 Perc., von 7000 bis 8000 fl. 4 Perc., von 8000 bis 10.000 fl. 5 Perc. Er vermißt eine Beſtimmung rückſichtlich der Be - ſoldungsſteuer für ſogenannte Honorare der Ver - waltungsräthe. (Referent Abg. Dr. Beer: Das ſind doch keine Beamten und keine Gehalte.) Sie beziehen oft bis 60.000 fl. im Jahre und ſind keiner Beſoldungsſteuer und vielleicht nicht ein - mal einer Perſonal-Einkommenſteuer unterworfen.

Berichterſtatter Dr. Beer ſpricht ſich in ſeinem Schlußworte für die Annahme des vom Abg. Auſpitz geſtellten Zuſatzantrages und gegen die Annahme aller übrigen Anträge aus.

Bei der Abſtimmung werden die §§ 233 bis 237 mit dem Amendement des Abg. Auſpitz

Geheimen mit Bismarck in Verbindung ge - treten ſei und ihm zugeſichert habe, daß das italieniſche Volk für ein Bündniß mit Frankreich zum Nachtheile Preußens nicht zu haben ſei. Man weiß, daß im Gegenſatz dazu, die leitenden Kreiſe Italiens damals einem ſolchen Bündniſſe keineswegs abgeneigt waren. Italiens Einigung war es, die Crispi in erſter Linie am Herzen lag, und ſo waren er und ſeine Freunde es, die während des deutſch - franzöſiſchen Krieges das Miniſterium Lanza zwangen, die Hand auf Rom zu legen. Andern - falls drohten Barrikaden aus der Erde zu wachſen.

Die ſpäteren Schickſale aus dem Lebensgange Francesco Crispis ſind bekannter. Im December 1877 wurde er nachdem er 1866 ein gleiches Angebot La Marmora’s abgelehnt, Miniſter des Innern; im April 1878 bereits gab das ge - ſammte Miniſterium ſeine Entlaſſung. Erſt 1887 kehrte er, diesmal als Miniſterpräſident, zur Regierung zurück und behauptete ſich bis zum Februar 1891: das große Miniſterium , wie ſeine Freunde in ehrlicher Bewunderung, ſeine Feinde ſpöttiſch zu ſagen pflegten. Nachdem dann Rudini und Giolitti abgewirthſchaftet hatten und das Cabinet Zanardelli eine Todtgeburt geworden, wurde im December 1893 dem 74 jährigen Crispi abermals das Steuer des Staats in die Hand gedrückt. In der ſchweren Zeit fand man keinen anderen Retter, und es ſcheint, als ob er der rechte Mann geweſen ſei. Noch iſt kein Jahr verfloſſen, und ſchon haben er und ſeine Mit - arbeiter in die heillos zerrütteten Finanzen einiger -maßen Ordnung gebracht. In Sicilien läuteten die Sturmglocken des Aufruhrs, er hat Ruhe geſchaffen, freilich nur durch Anwendung der Gewalt, und nun iſt es an ihm, ſeinem Heimat - lande durch heilſame Reformen auch innerlich den Frieden wiederzugeben. Der Banken-Scandal vergiftete die Gemüther, er ließ der Gerechtig - keit freien Lauf. Auch ihn hatte man mit dem Panamino in Verbindung gebracht, um ihm einen Makel anzuhängen. In dem verhängniß - vollen Bericht des Siebener-Ausſchuſſes fand ſich die Mittheilung, daß ſich bei der Banca nazio - nale ein Wechſel Crispi’s auf 244.000 Lire lautend gefunden habe. Crispi wies die Entſtehung dieſer Schuld aus Verluſten, die ihm ſeine Riforma gebracht, nach. In dem Rechtfertigungs - ſchreiben heißt es ſtolz und wehmüthig zugleich: Es gereicht mir zur Ehre, wenn ich in den vier Jahren, während derer die Regierung in meinen Händen lag, meine Privatintereſſen ver - nachläſſigte, ſodaß ich in einem Alter von 72 Jahren, um mein Leben zu friſten, zur Ausübung meines Berufes (als Rechtsanwalt) zurückkehren mußte. Zu dieſer ungünſtigen Vermögenslage hat nicht wenig ein ungerathener Sohn beigetragen.

In ſeiner Jugend ſoll der kaum mittelgroße Crispi ein ſchöner Mann geweſen ſein, dem bei allem brennenden Ehrgeiz, der ihm durch ſein ganzes Leben treu geblieben iſt, eine weiche Melancholie etwas beſonders Anziehendes gab; heute kennt ihn alle Welt als den rüſtigen Alten mit dem ſtarken, herabhängenden Schnurrbart in dem regelmäßigen Geſicht. Als Journaliſt hat er Beachtenswerthes geleiſtet; als Politiker hat erſeinen Weg gemacht. Dabei beſitzt er keine her - vorragende Rednergabe, ſeine Stimme hat nur wenig Klang. Seine Beredtſamkeit gleicht dem Märzregen: einmal iſt es ein mächtiges Her - niederrauſchen, dann folgt eine Pauſe, dann ein ſanftes Gerieſel, wieder eine Pauſe, dazwiſchen ab und zu ein fernes Donnern und gelegentlich einmal ein Blitz. Für ſein Gebahren im Pa*lament haben die Spötter unter ſeinen Feinden ein beſonderes Wort erfunden: bismarckeggiare . Kein Zweifel, daß der eiſerne Kanzler, bei dem er ſehr zum Aerger der Französlinge unter ſeinen Lands - leuten 1887 und 1888 in Friedrichsruh zu Gaſte geweſen iſt, ihm in manchen Dingen als Vorbild gedient hat. Wie jener, wird er gelegentlich ein - mal grob und drohend gegen ſeine Widerſacher, nur etwas zu oft; und wie jenem, lauſchen Freunde und Feinde ſeinen Worten in tiefer Stille, wenn nicht etwa der Krakehler Imbriani ein polterndes Wort dazwiſchen wirft. Bei ſolchen Zwiſchenrufen wird Crispi wohl nervös heftig und dann kann es geſchehen, daß er, vom Thema abſpringend, und den Unterbrecher plötzlich dutzend, erwidert: Wo haſt Du denn 1860 geſteckt, als ich für das Vaterland die Bruſt den Kugeln bot, wo 1866?! Aber es fehlt dem italieniſchen Staatsmanne die ſchlagende präciſe Ausdrucks - weiſe Bismarcks; es fehlen ihm in der Rede ſein Geiſt und Humor, an deſſen Stelle höch - ſtens einmal die Ironie tritt. Ein beſonders ge - wandter, parlamentariſcher Tactiker iſt er nicht; in der Regel verſucht er die Volksvertreter durch die elementare Gewalt ſeines feſten Willens zu zwingen, wie denn ſein Benehmen manchmal

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angenommen und alle übrigen Abänderungs - Anträge abgelehnt.

Es wird ſodann § 238 ( Ungiltigkeit der auf die Ueberwälzung der Perſonaleinkommen - ſteuer abzielenden Vereinbarungen ) in Verhand - lung gezogen und angenommen.

Die Verhandlung wird hierauf abgebrochen und ein Dringlichkeitsantrag des Abg. Dr. La - ginja betreffend die italieniſche Weinclauſel in Verhandlung gezogen.

Politiſche Nachrichten.

(Parlamentariſches.)

Geſtern Vormittags trat das Subcomité des Wahlreform - Ausſchuſſes zu ſeiner letzten Sitzung zuſam - men, um den Bericht des Abg. Rutowski entgegenzunehmen. Was den Wahlreform-Geſetz - entwurf des Subcomités anbelangt, bezeichnete Narodní Listy die Auftheilung von 50 neuen Mandaten der fünften Curie als glaubwürdig. Die ſogenannte Arbeiter-Curie erhalte nicht ganz dreißig Mandate, ſo daß einige kleinere Provin - zen zu einem Wahlbezirke zuſammengelegt würden. Die ſechſte Curie, die kleinſten Steuerträger, welche bereits jetzt antiſemitiſch genannt wird, ſoll 37 Abgeordnete zählen. Das Verhältniß der Regierung zu dieſem Entwurf wird in denſelben naheſtehenden Kreiſen in folgender Weiſe aufge - faßt: Sie trage dafür keinerlei Verantwortung, da ſie lediglich Beſchlüſſe des Subcomités in dem Geſetzenentwurfe formulirte. Sie werde ſich den von allen Coalitionsparteien feſtgeſetzten Zahlen nicht widerſetzen; ſie mache aus der Abgeordneten - zahl der neuen Curie keine Cabinetsfrage. Eine Entſcheidung herbeizuführen und die Wahlreform zu finaliſiren, ſei vor Allem Sache des Abgeord - netenhauſes; deshalb könnte im Falle des Miß - lingens keine Cabinets -, ſondern nur eine Par - lamentskriſe entſtehen, zumal dasjenige, was ein anderer Miniſterpräſident dann thun würde, auch Fürſt Windiſchgrätz vollziehen könnte, näm - lich die Auflöſung des Reichsrathes im Herbſte dieſes Jahres. Man füge hinzu, daß es an geeigneten Nachfolgern mangle, da Graf Thun begreiflicherweiſe Bedenken trage, in der - artig zerfahrene Verhältniſſe einzuſpringen. Jeden - falls wird der Juni von heftigſten Kämpfen aus - gefüllt ſein und man gehe bewegten Zeiten ent - gegen. In parlamentariſchen Kreiſen verlau - tet, daß, da es unmöglich erſcheint, daß das Ab - geordnetenhaus vor Ablauf des Budgetpro - viſoriums das Budget erledige, die Regierung ein drittes Budgetproviſorium und zwar im Laufe des Monates Juni einbringen werde.

(Der Zwiſchenfall Agliardi beigelegt.)

Die Agenzia Stefant meldet: Der Zwiſchenfall in Betreff der Reiſe des päpſtlichen Nuntius Agliardi in Ungarn wurde durch den Austauſchvertraulicher und mündlicher Erklärungen mit dem Heiligen Stuhle beigelegt, welche Erklärungen keinerlei officiellen Character hatten.

(Die Wahlen in Italien.)

Die bisher aus ganz Italien eingelaufenen Berichte beſagen, daß die Wahlen überall regelmäßig vor ſich gegangen ſind. Soweit die Wahlergebniſſe bisher bekannt ſind, bedeuten ſie einen Erfolg für die Regie - rung. Miniſterpräſident Crispi wurde neun Mal gewählt, darunter: in Rom, in Modica (Siracuſa), in Tricarico (Potenza), im zehnten Wahlkreiſe von Neapel, in Termini Mereſe (Palermo), in Alcamo (Trapani), wo er faſt alle abgegebenen Stimmen auf ſich vereinte, und im zweiten Wahlcollegium in Palermo, wo er mit 1230 gegen 700 Stimmen, die auf den vom Kreisgerichte verurtheilten Barbato entfielen, ge - wählt wurde. Der Finanzminiſter wurde zwei Mal gewählt. Außerdem erſcheinen der Kriegs - miniſter, der Miniſter für Poſten und Telegra - fen, der Schatzminiſter, die Unterſtaatsſecretäre der Finanzen, der Juſtiz, des Schatzes, der Poſt - und des Telegraphen, der öffentlichen Arbeiten und des Ackerbaues gewählt. Auch Barattieri, Rudini, Menotti Garibaldi, Bonghi, Zanardelli, Imbriani, Luzzatti, Giolitti (Letzterer in ſeinem Wahlkreiſe Dronero), Cavallotti (in Piacenza und Corteolona), de Felice (in Catania) wurden gewählt. Nur an wenigen Orten kam es zu einigen belangloſen Ruheſtörungen. Nach nichtofficiellen Berechnungen ſind 321 Anhänger der Regierungspartei, 148 Oppoſitionelle (darunter 15 Socialiſten) und 16 ohne beſtimmte Partei - richtung gewählt. 17 Stichwahlen ſind erforderlich. Es ſtehen noch die Ergebniſſe aus ſechs Wahl - kreiſen aus. Gewählt ſind ſämmtliche Miniſter und Unterſtaatsſecretäre, mit Ausnahme wahr - ſcheinlich des Unterſtaatsſecretärs der Marine Serra, in deſſen Wahlbezirke Viareggio in Folge eines Handgemenges die Wahlurne zerbrochen wurde.

Locales und Provinzielles.

(Erzherzog Eugen.)

Aus Klagenfurt, 26. d. M., wird berichtet: Am 21. d. hat Se. kaiſerl. Hoheit der Hoch - und Deutſchmeiſter Erzherzog Eugen mit Gefolge Bozen verlaſſen. Am 17. d. war der Herr Erzherzog von Meran nach Lana gefahren und war von da nach Völlau aufge - ſtiegen, wo ein feſtlicher Empfang ſtattfand. Se. kaiſ. Hoheit beſichtigte die Kirche und das Hoſpital der Deutſch-Ordensſchweſtern und nahm im Curatic - Gebäude gemeinſam mit der bäuerlichen Gemeinde - Vorſtehung und der Geiſtlichkeit das Dejeuner. Am 18. d. M. traf der Hoch - und Deutſchmeiſter in St. -Pankraz in Ulten ein und beſichtigte der Herr Erzherzog die Burgen Tirol und Schenna

etwas Herriſches, Dictatoriſches, zeigt. Noch jüngſt wurde erzählt, daß König Umberto gelegentlich einer kritiſchen Bemerkung des Kronprinzen im vertrauteſten Familienkreiſe lächelnd geſagt habe: Nimm Dich in Acht, mein Junge, daß Fran - cesco ſo was nicht hört.

Crispi hat etwas von dem an ſich, was man heute mit dem Worte Uebermenſch zu bezeichnen pflegt: ein unbegrenztes Vertrauen auf die eigene Kraft. Seinen perſönlichen Muth hat er zu wiederholten Malen bewieſen, zuletzt, als im vergangenen Juli der Anarchiſt Lega die mörderiſche Piſtole auf ihn richtete. Aber ſeine Gegner ſagen ihm nach, daß es ihm an menſch - licher Milde und Großherzigkeit fehle. Einer von ihnen behauptete einmal: Zehn Jahre crispi - ſcher Herrſchaft würden uns ein ruhmreiches Italien bringen, aber den Italiener zum Scla - ven herabwürdigen. Ein ruhmreiches Italien : das iſt freilich der einzige Zielpunct der Politik Crispis. Und da er als ſicherſten Weg dazu den Anſchluß an den Dreibund anerkannt hat nur aus dieſem Grunde dürfen wir ihn als treuen Freund öſterreichiſcher Politik betrachten. Aus demſelben Grunde iſt er, trotz wiederholten Liebeswerbens in den letzten Jahren in den Augen der Franzoſen der beſtgehaßte Mann, und ſie beſchuldigen ihn höhniſch der Megalomanie . Als Großmannsſucht legen ſie denn auch ſein energi - ſches Vorgehen in colonialen Dingen aus: erſt Crispi gab die Erlaubniß zu dem ſeit Jahren dringend nothwendigen Zug nach Kaſſala; Crispi ſicherte Italien in einem im Mai v. J. mit England abgeſchloſſenen Vertrage neuerdings das Recht auf Harrar und Schoa.

Eine ebenſo feſte Hand zeigt er in inneren Fragen; auch hier iſt er Realpolitiker durch und durch. Er hat ein Programm und er hat keins je nachdem. Ob man ihm Wider - ſprüche nachweiſt, iſt ihm ganz gleichgültig. Daß er im innerſten Herzen für ein Milizſyſtem ſchwärmt, hat er zu wiederholten Malen ausge - ſprochen; trotzdem iſt er, der Nothwendigkeit des Augenblicks gehorchend, gegenwärtig ein feſter Hort gegen die von verſchiedenen Seiten ange - ſtrebte Verminderung des Heeres. Mit der Reli - gion hatte er ſchon frühzeitig ganz und gar ge - brochen, auf ſeinem Programm ſtand und ſteht die religionsloſe Schule; und doch ſtrebt er jetzt als Leiter der Regierung, ſeinen Frieden mit dem Papſt zu machen. Und ſo in manchen Din - gen. Es wäre ungerecht, deßhalb einen Stein auf ihn werfen zu wollen: l homme absurde est celui, qui ne change jamais.

Man hat Crispi wohl einen Condottiere im Frack genannt, und der Vergleich iſt nicht ſo ganz unzutreffend. Zeitlebens hat er dahin geſtrebt, das Glück zu zwingen und nächſt dem Könige[der]erſte im Staate zu werden. Es iſt ihm[g]elun - gen und nicht allein das: der Fünfundſiebenzig - jährige findet beſchämend genug für den jun - gen Nachwuchs! keinen Concurrenten, wenn’s gilt, das italieniſche Schiff durch gefährliches Fahrwaſſer zu ſteuern.

und traf Tags darauf in St. Leonhard im Paſſeier ein, nachdem er unterwegs das Haus Andreas Hofers beſichtigte und ſich daſelbſt in das Fremdenbuch eingeſchrieben hatte. In St. Leonhard wurde der Herr Erzherzog mit großem Jubel empfangen. Nach Beſichtigung der Kirche und der Deutſch-Ordens-Mädchen - ſchule, in welcher der Herr Erzherzog einer kurzen Prüfung aus Religion und Rechnen anwohnte, fand im Hauſe des Decans Paregger ein Mahl ſtatt, an dem u. A. der Schützenhauptmann von Paſſeier Bezirks - richter Werl und der Ortsvorſtand theilnahmen. Am 21. d. verließ der Herr Erzherzog Meran und fuhr nach Bozen, wo bei der Frau Erz - herzogin Eliſabeth das Dejeuner eingenommen wurde. Am 22. d. fuhr der Herr Erzherzog über Neumarkt und Fontana fredde nach Altrei, be - ſichtigte die dortige Deutſch-Ordens-Schule, ritt Tags darauf von Blumau nach Prößls, nahm in der Villa des Fabrikanten Tſchurtſchenthaler ein Diner ein und ſtieg hierauf zum Wolken - ſtein’ſchen Schloſſe Troſtburg ab. Am 24. d. traf Herr Erzherzog Eugen in Innsbruck ein, beſuchte Samſtag das Enzenberg’ſche Schloß Tratz - berg bei Jenbach und langte heute Nachts in Klagenfurt ein, von wo Dienſtag die Weiterreiſe über den Loibl-Paß nach Krain erfolgt.

(Fotograſiſche Portraits Sr. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Joſef Ferdinand.)

Aus dem rühmlichſt bekannten Atelier Waſſer - vogel ſind dieſer Tage mehrere ausgezeichnet gelungene Portraits Sr. kaiſ. Hoheit des Herrn Erzherzogs Joſef Ferdinand hervor - gegangen. Die betreffenden Portraits zeigen den kaiſerlichen Prinzen in Uniform und in Jäger - tracht und fanden deſſen vollſten Beifall.

(Militäriſche Perſonalnachrichten.)

Se. Excellenz der General-Artillerie-Inſpector FML. Carl Ritter v. Ludwig iſt geſtern Nachmittags 5 Uhr von hier nach Wien abgereiſt. Herr Oberſtlieutenant Friedrich Franceschini, Commandant des 5. Feld-Jäger-Bataillons, hat ſich nach beendigter Inſpicirung wieder nach Brünn zurückbegeben.

(Perſonales.)

Herr Handelskammerpräſi - dent Moritz Primaveſi, trifft morgen nach mehrwöchentlichen Aufenthalte in Südtirol wieder in Olmütz ein. Wie wir erfahren, hat der Auf - enthalt in der Sommerfriſche dem verehrten Herrn Präſidenten ausgezeichnet bekommen.

(Sectionschef Victor Ritter v. Chlu - mecky .)

Aus Brunn wird uns unterm 27. d. geſchrieben: Auf dem hieſigen Centralfriedhofe fand heute Nachmittags 5 Uhr, die Beiſetzung des in Purkersdorf bei Wien verſtorbenen Sectionschefs im Landesvertheidigungs-Miniſterium Herrn Victor Ritter v. Chlumecky in der Familien - grabſtärte ſtatt. Der Sarg ruhte auf einem vor der Halle poſtirten hohen Katafalk und war von einem Blumenhain umgeben und mit zahlreichen Kränzen bedeckt. Die Einſegnung vollzog der hochw. Herr Canonicus Kment unter Aſſiſt[e]nz des hochw. Herrn Canonicus Dr. Panek ans Olmütz und mehrerer anderer Prieſter. Dem Traueracte wohnten nebſt den Angehörigen der trauernden Familie, darunter der Bruder des Verſtorbenen, Se. Excellenz der Präſident des Abgeordnetenhauſes, Johann Freiherr v. Chlu - mecky, Graf Pötting, v. Amberg und v. Bauer, bei die Herren: der Leiter der Statthalterei, Hofrath Ritter v. Januſchka, Se. Excellenz FML. Succowaty, Ober - Landesgerichtspräſident Dr. Senft und Vice - präſident Baron Maly, Hofrath Freiherr v. Hein, Ober-Poſtdirector Slany, die Kammer - vorſteher Oberſt v. Szmrecsanyi und Graf Noſtiz-Rienek; der Platzcomandant; die Abgeordneten: Guido Graf Dubsky, Dr. Baron Klein, Dr. Promber, Dr. Habermann, Dr. Merores, Bürgermeiſter Dr. Ritter v. Wieſer und Vice-Bürgermeiſter Rohrer, ferner die Herren: Bezirkshauptmann Graf Vetter von der Lilie, Freiherr v. Lewetzow, LGR. Baron Zawich, die kaiſerl. Räthe Kuttig, und Palliardi, die Directoren Žaar und Pirnos; weiters die Güter-Beamten von Rzikowitz und Augezd.

(Cuſtos Moriz Trapp .)

Wie wir be - reits meldeten, iſt geſtern in Brünn der Cuſtos des Franzens-Muſeums, Herr Moriz Trapp, Ritter des Franz Joſef-Ordens ꝛc., nach langem[5]ſchweren Leiden im 71. Lebensjahre geſtorben. Sein Hinſcheiden hat in weiten Kreiſen aufrich - tige Trauer hervorgerufen, denn der Verewigte erfreute ſich Zeit ſeines Lebens wegen ſeines be - ſcheidenen, zuvorkommenden Weſens allgemeiner Achtung und Sympathie. Moriz Trapp, geboren zu Wodnian in Böhmen am 24. Jänner 1825, als Sohn des Stadtapothekers daſelbſt, widmete ſich an der Univerſität in Prag beſonders dem Studium der Geſchichte und Alterthumskunde. Wiederholte Reiſen in Deutſchland, Frankreich und Italien erweiterten ſeinen Geſichtskreis und vertieften ſein Wiſſen. Nach ſeiner Rückkehr wirkte er als Erzieher in mehreren Adelsfamilien, zuletzt in jener des Grafen Emanuel Dubsky-Trzebo - mistic auf Schloß Liſſitz. Im Jahre 1859 er - langte er die Stelle eines Cuſtos-Adjuncten am Franzens-Muſeum in Brünn, vertrat auch nach dem 1864 erfolgten Tode des Profeſſors Albin Heinrich deſſen Stelle als Muſeums-Cuſtos und wurde 1867 definitiv Cuſtos, in welcher Eigenſchaft er bis zu ſeinem Ableben wirkte

(Doppeljubiläum des Militärcapellmei - ſters Joſef Hikl.)

Heute beging der Capell - meiſter unſeres Hausregimentes, Herr Joſef Hikl ein Doppeljubiläum; er feierte nämlich ſein 50jähriges Dienſtjubiläum und ſein 25jäh - riges Jubiläum als Leiter der Starhemberg - Capelle. Dem Jubilar, deſſen große Verdienſte um die Pflege der Muſik wohlbekannt ſind und der ſich auch als Componiſt rühmlich hervorthat, wurden anläßlich ſeines Jubiläums zahlreiche Ehrungen bereitet. Er erhielt eine große Anzahl von Beglückwünſchungen aus allen Kreiſen unſerer Stadt und wurde vom Officierscorps unſeres Hausregimentes noch ganz beſonders ausgezeichnet. Heute Nachmittags Uhr fand in der Offi - ciersmeſſe des 54. Inf. -Regts. ein vom Officierscorps desſelben zu Ehren des Jubilars veranſtaltetes Feſtmahl ſtatt, bei welchem die Regimentsmuſik die Tafelmuſik beſorgte. Der Jubilar nahm den Ehrenplatz ein. Nach dem Trinkſpruche auf den Gefeierten überreichte demſelben Herr Regiments - commandant Oberſt Hallada einen prächtigen mit Gold und Silber reich montirten Tactir - ſtock. Ferner wurde dem Jubilar ein aus Silber gefertigter Pokal überreicht. Der Tactirſtock ſtammt aus dem rühmlichſt bekannten Atelier der Wiener Firma Klinkoſch. Auf demſelben ſind das Bildniß des Regimentsinhabers Grafen Ernſt Rüdiger von Starhemberg und die Jahreszahlen 1845 1895 angebracht. Der Pokal trägt die Inſchrift: Das Officierscorps des Regimentes Alt-Starhemberg ſeinem verdienſt - vollen Capellmeiſter anläßlich ſeines 50jährigen Dienſtjubiläums . Der Juoilar war, als ihm dieſe Ehrengeſchenke über - reicht wurden, ſichtlich ſehr gerührt. Auch die Muſiker der Muſikcapelle des 54. Infanterte - Regimentes beſcheerten ihrem Dirigenten ein ſchönes Feſtgeſchenk, beſtehend aus einem Album mit Fotografien. Heute Abends findet im Garten der Schießſtätte zu Ehren des Jubilars eine Unterhaltung ſtatt, an welcher das Officierscorps des 54. Inft. -Regts. theilnehmen wird. Wir wünſchen Herrn Capellmeiſter Hikl, daß derſelbe noch lange Jahre an der Spitze der von ihm mit ſo vielem Erfolg geleiteten Regimentscapelle Alt-Starhemberg mit gleicher Rüſtigkeit und geiſtiger Friſche wie heute ſtehen möge!

(Sitzung des Stadtverordneten-Colle - giums vom 27. Mai.)

Die Tagesordnung der geſtrigen Sitzung des Stadtverordneten-Colle - giums wurde in folgender Weiſe erledigt: Eine Zuſchrift des Hof - und Gerichtsadvocaten Herrn Dr. Ernſt Plutzar in Wien betreffs mehrerer Vereinbarungen mit der Olmützer Gasgeſellſchaft wurde der 3. Section zugewieſen. Der bauämtliche Bericht über die Ausſcheidung des Bauplatzes für das Adminiſtrationsgebäude der k. k. Staatsbahn-Betriebsdirection aus dem Stadterweiterungsfonde wurde der 1. Section zugewieſen. Ein gemeinderäthlicher Antrag auf Beſetzung der erledigten Praktikantenſtelle und die Bewerbungsgeſuche um die ausgeſchrie - bene Stadtſecretärſtelle wurden der 3. Section zugewieſen. Bezüglich einer Einladung des Stadtrathes in Auſſig a / E. zur Theilnahme am dortigen Polizeibeamtentage wurde beſchloſſen, hiezu Hrn Staotrath Kornauth, eventuell Hrn. Stadtſecre - tär Heeg zu delegiren. Ein Geſuch um Zuſiche - rung der Aufnahme in den hieſ. Gemeindeverband wurde der 3. Sectionzugewieſen. Beſchloſſen wurdeeiner Theatergeſellſchaft, welche unter Leitung des Directors Herrn Leopold M. Blaſel ſteht, das ſtädt. Theater für zwei Gaſtſpielabende (10. und 11. Juni) gegen Bezahlung der üblichen Gebüh - ren zu überlaſſen. Mehrere Bewerbungsgeſuche um ein ausgeſchriebenes Joſef Wallenda’ſches Realſchüler-Stipendium wurde der 2. Section zu - gewieſen. Die Anträge des Gemeinderathes betreffend die Configuration der den Herren Moritz Fiſcher und Brach verkauften Bauplätze wurden genehmigt und beſchloſſen den beiden Herren den Vorſchlag zu machen mit den Neubauten in der Uferſtraße um circa einen Meter vorzurücken. Erſtattet wird der Bericht der 3. Section über die Geldbeſchaffung für den Bau des deutſchen Staatsgymnaſiums und der Lehrerbildungs - anſtalt. Zur Verleſung gelangt eine Zu - ſchrift des Herrn Abg, Dr. Promber, in welcher derſelbe mittheilt, daß er Namens des erkrankt geweſenen Herrn Abg. Dr. Weeber in der Angelegenheit der Erbauung der Gebäude für das Staatsgymnaſium und die Lehrerbildungs - anſtalt Schritte gemacht und in Erfahrung ge - bracht habe, daß in dieſer Angelegenheit Alles in Ordnung ſei und es ſich nur noch darum handle, das Baucapital zu beſchaffen. Der Staat ſtellt an die Stadtgemeinde das Anſuchen, dieſelbe möge entweder ſelbſt oder durch ein Finanz-Inſtitut das Baucapital aufbringen, für welches eine 4perc. Verzinſung und eine 40jährige Rückzah - lungsfriſt zugeſichert wird. Die Section erklärt, daß ein 4percentiges Capital nicht zu beſchaffen ſei, wohl aber ein ſolches gegen eine percentige Verzinſung. Es wird beſchloſſen, eine Antwort in dieſem Sinne zu ertheilen. Erſtattet wird der Bericht der 3. Section über die mit dem Juſtizärar wegen Erbauung eines Juſtizgebäudes zu treffenden Vereinbarungen. Es wird beſchloſ - ſen, den bekannt gegebenen Abänderungen der Bedingungen zuzuſtimmen und um Gewährung der Gebührenfreiheit für den Vertrag einzuſchrei - ten. In erſter Leſung wird der Bericht der 1. Section über die Bedingungen zur Unterbrin - gung einer Diviſion des Landwehr-Uhlanen-Re - giments Nr. 4 in dem bisherigen Artillerie - Etabliſſement Nr. 12 erſtattet. Die Section er - klärt, daß die bekannt gegebenen Bedingungen anzunehmen ſeien, nur bezüglich des Waſſerzinſes müſſe daran feſtgehalten werden, daß der Mi - litär-Waſſerzins-Tarif aufrecht erhalten bleibe. Die Section beantragt zum Zwecke der Adap - tirung des genannten Etabliſſements eine Grund - area im Ausmaße von 2200 Quadr. -Klft. anzu - kaufen. Dem hieſigen Kaufmann und Haus - beſitzer Herrn Ferdinand Koliſch wird das Heimat - und Bürgerrecht verliehen. Beſchloſſen wird, dem hochw. Pfarramte St. Michael bekannt zu geben, daß die Stadtgemeinde bereit ſei zur Aufführung eines ber der Renovirung der Kirche in Verwendung kommenden Gerüſtes, den Betrag von 2600 fl., zahlbar in zwei Raten zu widmen. Die für das Jahr 1894 gelegte Quartier - amtsrechnung wird genehmigt und dem Rechnungs - leger das Abſolutorium ertheilt. Herrn Jonas Löwy wird die Abſchreibung des Mehrbezuges von Waſſer nicht zugeſtanden. Das Geſuch des Herrn Franz Fingermann um Pachtver - längerung in Betreff von ſtädt. Grundſtücken in Salzergut auf weitere 6 Jahre wird bewilligt und ſodann die Sitzung geſchloſſen.

(Vorſchläge der Olmützer Gasgeſellſchaft bezüglich Abänderung des Gasvertrages)

In der geſtrigen Sitzung des Stadtverordneten - Collegiums gelangte eine Zuſchrift des Wiener Hof - und Gerichtsadvocaten Herrn Dr. Ernſt Plutzar als Vertreter der Olmützer Gasgeſell - ſchaft bezüglich Abänderung des Gasvertrages zur Verleſung. In dieſer Zuſchrift wird ausgeführt, daß die Gasgeſellſchaft durch die Ertheilung der Conceſſionen an die Electricitätsfirmen H. & M. Paſſinger und Johann Lefenda ſchwer geſchädigt wurde, indem ſeit Einführung der electri - ſchen Beleuchtung in Olmütz das Gaswerk einen conſtanten Ausfall ſeiner Einnahmen zu verzeich - nen habe. Herr Dr. Plutzar macht darauf aufmerkſam, daß bei Ertheilung jener Conceſſionen ein Ver - tragsbruch begangen wurde und daß die Gasgeſellſchaft deßhalb einen Proceß hätte an - ſtrengen können, der jedenfalls, wie ähnliche ſchiedsgerichtliche Entſcheidungen erweiſen, zu ihren Gunſten entſchieden worden wäre. Das im Gas - werke inveſtirte große Capital amortiſire ſich nicht. Um jedoch der Stadtgemeinde entgegen -zukommen, wäre die Gasgeſellſchaft bereit, der - ſelben das Gas für eine in Olmütz zu errichtende Straßenbahn mit Gasbetrieb zu liefern. Eine ſolche Gasbahn beſtehe in Deſſ[a]u und habe ſich ausgezeichnet bewährt. Der Betrieb von Gasbahnen ſei viel billiger als jener von electriſchen Straßenbahnen. Ferner macht die Gasgeſellſchaft auf das Auer’ſche Gasglühlicht zu Straßenbeleuchtungs-Zwecken aufmerkſam. Dieſe Beleuchtungsart ſei auch in Olmütz probeweiſe verſucht worden und habe gute Reſultate geliefert, es würde ſich ſomit empfehlen, die geſammte Straßenbeleuchtung von Olmütz in eine ſolche mit Auer’ſchen Gasglühlichtern umzuwandeln. Die Stadtgemeinde Olmütz möge dieſe Votſchläge in Erwägung ziehen und allenfalls eine Enquete in dieſer Angelegenheit einberufen. Die betref - fende Zuſchrift wurde der 1. Section zur Bericht - erſtattung übermittelt.

(Schulfahnenweihe in Neretein.)

Unſere freundlich gelegene Nachbar-Vorortsgemeinde Ne - retein hatte Sonntag den 26. d. M. einen rech - ten Feſt - und Freudentag und Jung wie Alt nahm daran in lebhafter Weiſe Antheil. Opferwillige Frauen dieſes Ortes hatten an 140 fl. geſam - melt, um der Schule und Schuljugend eine ſchöne Fahne zu ſpenden. Um 8 Uhr Morgens zog unter Pöllerſchüſſen und den heiteren Marſchwei - ſen einer Muſik die im Feſtgewande und mit Blumen geſchmückte Schuljugend nach dem Pfarr - orte Neugaſſe und waren im Feſtzuge die Fah - nenpathinnen, die Gemeindevertretung, der Orts - ſchulrath und ein großer Theil der Bewohner - ſchaft eingereiht. In der Kirche zu Neugaſſe fand die Weihe der Fahne ſtatt und hatten ſich hier der Herr k. k. Bezirksſchulinſp[e]ctor Profeſſor Jahn, der Obmann des Lehrervereines mit den Mitgliedern von Neugaſſe und Paulowitz, Ver - treter von Neugaſſe u. ſ. w. eingefunden, ſo daß die Kirche zu klein war, alle aufzunehmen. Der hochw. Herr Pfarrer Heger von Neugaſſe gab in weihevoller Rede die Bedeutung des Weiheactes kund und nahm darauf die kirchliche Weihe der Fahne vor. Unter ſinnigen Segensſprüchen fand das Nägeleinſchlagen ſtatt und ein feierliches Amt, bei dem die Schuljugend von Neugaſſe den Ge - ſang in einer allgemein anerkannten vorzüglichen Weiſe beſorgte ſchloß die ſchöne Feier. Der Feſtzug ordnete ſich neuerlich und der Heimweg nach Neretein wurde angetreten. Hier fand Nach - mittags ein ſchönes Schulfeſt ſtatt, das durch Re - genſchauer nur für kurze Zeit eine Störung er - litt. Die Gaſtlocale bei Hrachowina waren bald überfüllt und Gäſte aus Neugaſſe, Nebotein, Ol - mütz, Paulowitz füllten mit den Bewohnern von Neretein Garten und Zimmer. Die Muſik be - ſorgte erfrigſt Concertſtücke. Schulleiter Herr F. Hanouſek brachte durch ſeine wackere Schülerſchaar Lieder, Declamationen, Stabübungen, Reigen und Spiele zum beſten Vortrage und wurde freu - digſt erkannt, daß Schule und Gemeinde in inniger Harmonie zuſammenwirken und ſo ſchöne Früchte reifen laſſen. Dem verlieh auch der Obmann des Lehrervereines, Hr. G. Hiecke in einer Anſprache an die Nereteiner Bewohner - ſchaft beſtens Ausdruck, gedachte deren Opfer - willigkeit und der Mithilfe durch die Frauen und meinte: Wo die Frauen deutſch bleiben, bleibt Haus und Schule deutſch und brachte auf die Schulfreundlichkeit der Gemeinde Neretein ein dreifaches Hoch aus, das kräftigen Widerhall fand. Der Abend war nur zu raſch herangenaht und die tagsüber reichlich bewirthete Schuljugend ord - nete ſich zum Lampionszuge durch den Ort. Zum Schulhauſe zurückgekehrt, gedachte Schulleiter Herr Hanouſek mit Dank aller Wohlthäter und den erſchienenen Feſtgäſten und mit der begeiſter - ten Abſingung der Volkshymne ſchloß ein Feſttag für Neretein, der ſtets in nachhaltigfter Erinne - rung verbleiben wird. Die Fahnenpathinen haben außer der Widmung eines ſchönen Fahnenbandes in Goldſtickerei ihrer hochherzigen und opferwilli - gen Geſinnung für die Schule noch dadurch Ausdruck gegeben, daß ſie 40 fl. dem Herrn Schulleiter für Schulzwecke überreichten. Die Frauen Anna Fordey und Marie Podiebrad verdienen hiefür allen Dank und die verdienteſte Anerkennung.

(Eine Schulſpende.)

Der landw. Vorſchuß - verein in Nebotein hat aus ſeinem Reinerträg - niſſe des Jahres 1894 gleichwie in den früheren Jahren auch heuer der Volksſchule in Neuſtift den Betrag von 16 fl. 3 kr. zugewendet, wofür von Seite des Ortsſchulrathes dem genannten[6]Vereine der beſte Dank hiemit ausgeſprochen wird.

(Franz Keims Volksſchauſpiel Der Schmied v. Rolandseck. )

Das vorſtehende Volksſchauſpiel unſeres heimiſchen Dichters gelangte Anfang Mai l. J. in Berlin zur Aufführung. Dr. Otto Böckel, Mitredacteur des Deut - ſchen Volksrecht ſchreibt hierüber: Das deutſche Volkstheater in Berlin hat ſich in ſehr wirkſamer Weiſe eingeführt. Es gab uns die Aufführung eines wahren Dichterwerkes von edelſter Tendenz. Wahrlich es berührt uns wie ein Bad in friſchem Waſſer, wenn man nach all den pikanten, pro - blematiſchen, wüſten fremdländiſchen Stücken ein - mal ein reines nationales Werk auf einer Bühne Berlins zu hören bekommt. Der Griff der Di - rection war ein glücklicher. Franz Keim, zur Zeit Profeſſor in St. Pölten, iſt nicht nur Dra - matiker, er iſt vor allem echter Dichter, ſeine Stücke ziehen nicht durch ihre Mache, ſondern durch ihren poetiſchen Gehalt. Die Aufnahme des Stückes war eine ſehr beifällige. (Wo bleiben unſere öſterreichiſchen Bühnen? Wie denken unſere Büh - nenleiter über Franz Keims dramatiſche Dich - tungen, von dem Dr. Böckel dem deutſchen Volks - theater in Berlin noch ganz beſonders Keim’s Spinnerin am Kreuz zur Aufführung empfiehlt. Hoffentlich erfahren wir doch noch über Berlin , daß wir Deutſchöſterreicher einen Bühnendichter in unſerer Mitte haben, der Franz Keim heißt und Stücke ſchreibt, die wie Dr. Böckel über den Schmied von Rolandseck ſagt, gut angelegt , reich an Effecten ſind, eine edle Sprache füh - ren , gut characteriſirte Perſonen haben, alles in allem wie geſchaffen ſind für Volksbühnen !!! (Anm. d. Redaction.)

(Eine Studienreiſe nach Bosnien und der Herzegowina.)

Der Mähriſche Gewerbe - verein unternimmt heuer, dem Wunſche zahl - reicher Vereinsmitglieder Folge leiſtend, eine Studienreiſe in das Occupationsgebiet, um einen Einblick in die Culturverhältniſſe und die von unſerem Staate geleiſtete Culturarbeit zu gewinnen. Als Zeitpunkt wurde die erſte Septemberwoche in Ausſicht genommen. Die Reiſe wird mittelſt Sonderzügen und Separatdampfern unternommen werden; dieſelbe ſoll über Budapeſt, Brod, Doboj, Zenica nach Sarajewo und von da über Konjica nach Moſtar und Metkovic unternommen werden. Von Metkovic wird die Seereiſe längſt der dal - matiniſchen Küſte mit Aufenthalten in Spalato und Zara nach Fiume gehen, woſelbſt die Ge - ſellſchaft aufgelöſt wird. Mit Rückſicht auf die Schwierigkeiten der Bequartierung muß die Theil - nehmerzahl auf 150 Perſonen beſchränkt werden. Gäſte können nur inſoweit zugelaſſen werden, als dieſe Zahl nicht durch die Vereinsmitglieder erreicht werden ſollte. Die Vorarbeiten für die Durchführung dieſes Unternehmens wurden in Angriff genommen. Das Programm und der Preis der Theilnehmerkarten wird erſt nach Ab - ſchluß der Unterhandlungen mit den Bahnverwal - tungen u. ſ. w. feſtgeſtellt werden können.

(Ein tſchechiſcher Handwerkertag in M. - Oſtran.)

Die M. -Oſtrauer tſchechiſche Handwer - kergenoſſenſchaft hatte ohne Zuſtimmung der deut - ſchen Genoſſenſchafter für letzten Sonntag einen Handwerkertag einberufen und zu demſelben anti - ſemitiſche und tſchechiſche Abgeordnete und Führer eingeladen, von welchen Mechaniker Schneider, Brzeznovsky, Dr. Schamanek und Schuhmacher Bitza aus Wien eintrafen. Sämmtliche Oſtrauer deutſchen Handwerker beſchloſſen, dieſer Verſamm - lung vollzählig beizuwohnen, um gegen jede anti - liberale und antiſemitiſche Provocation energiſchen Proteſt einzulegen und erſchienen in der Stärke von 150 Mann, darunter etwa 80 jüdiſche Hand - werker in der Verſammlung unter Führung des Kupferſchmiedes Langer und Glaſermeiſters Friedländer. Schon bei der Loyalitätskundge - bung für den Kaiſer, welche der Vorſitzende Zapletal blos tſchechiſch ausbrachte, verlangten die deutſchen Handwerker ſtürmiſch die Wieder - bolung in deutſcher Sprache, welcher Forde - rung entſprochen werden mußte. Ebenſo wurden die Angriffe auf den liberalen Bürgermeiſter Dr. Johanny, welcher, weil der deutſche Gewerbe - verein nicht geladen war, nicht erſchienen war, von den deutſchen Handwerkern entſchieden zurück - gewieſen. In Folge des energiſch geſchloſſenen Auftretens und der großen Anzahl deutſcher Hand - werker wagten weder Mechaniker Schneider noch Jungtſcheche Brzeznovsky ihre bekannten antiſemi -tiſchen Brandreden zu halten und begnügten ſich mit Angriffen auf die Wahlreform, die Steuer - reform und die Handelskammern. Blos bei den Angriffen Brzeznovsky’s auf das Par - lament, das er als gänzlich verſumpft be - zeichnete, in welches kein Böhme oder Mährer den Fuß ſetzen ſollte, wurde lebhafter Proteſt erhoben. Die Angriffe auf die liberale Partei, insbeſondere auf den abweſenden, weil nicht geladenen, Ab - geordneten des hieſigen Bezirks Dr. Habermann wurde durch Glaſermeiſter Friedländer ſehr wirkſam zurückgewieſen. Die ganze Action, welche von den dortigen Tſchechen als Vorbereitung für die bevorſtehenden Gemeindewahlen eingeleitet wurde, machte ſchmähliches Fiasco.

(Für den Deutſchen Schulverein.)

Als Ergebniß der Verſteigerung eines Stückchens Back - werk erhielten wir heute 2 fl. zugeſandt, welche wir ſeinem Zwecke zugeführt haben.

(Deutſcher Schulverein.)

In der Ausſchuß - ſitzung am 21. Mai wird der Ortsgruppe Grot - tau für den Ertrag eines Theaterabends, weiters der Bezirksvertretung, der Gemeindevorſtehung und der Sparcaſſa in Fürſtenfeld, der Sparcaſſa in Wagſtadt und endlich dem Turnverein in M. -Schönberg für Spenden der Dank ausge - ſprochen. Hierauf wird der Erlaß des ſteiermär - kiſchen Landesſchulrathes betreffend die Ertheilung des Oeffentlichkeitsrechtes für die Vereinsſchule in Lichtenwald, der Dank der gewerblichen Fortbil - dungsſchule in Kolleſchowitz für eine Unterſtützung und endlich der Bericht des Zahlmeiſters über die am 21. Mai erfolgte Scontrirung der Vereins - caſſa und deren ordnungsgemäßen Befund zur Kenntniß genommen. Nach Berathung von Pra - ger Schulangelegenheiten, Bewilligung von Unter - ſtützungen für die gewerbliche Fortbildungsſchule in Budweis, die Schülerlade des Gymnaſiums in Trient, für die Schulen in Schumdorf und Křehowitz gelangen Angelegenheiten der Vereins - anſtalten in Gottſchee, Maierle, Röſcha, Böhm. - Trübau, St. Egidi, Podhart-Königinhof und Pickerndorf zur Erledigung.

( Seidel’s kleines Armee-Schema )

Nr. 37, Mai 1895. L. W. Seidel & Sohn. In der neueſten Ausgabe des periodiſch im Mai und November erſcheinenden Schemas iſt die neue Organiſation der Artillerie-Zeugsdepots und der Genie-Directionen berückſichtigt; auch wurden die Landſturmbezirks-Commanden neu aufgenom - men. Das Werkchen bringt, wie bekannt, eine Darſtellung der öſterreichiſch-ungariſchen Wehrmacht und wird als ſehr brauchbarer Behelf von Mi - litärs und in Civil - und Militärs-Bureaux viel - fach benützt.

Vom Tage.

(Eine Biographie des Erzherzogs Albrecht.)

Auf Anregung des öſterreichiſchen Unterrichtsminiſteriums iſt derzeit eine Biographie Weiland des Erzherzogs Albrecht in Vorbereitung, welche das Andenken des verewigten Feldmarſchalls vornehmlich in den Herzen der heranwachſenden Jugend erhalten ſoll. Dieſes Buch iſt in erſter Linie für Mittelſchulen und für die ihnen gleichgeſtellten Lehranſtalten beſtimmt, ſoll aber andererſeits als ein Volksbuch den weiteſten Kreiſen patriotiſche Anregung gewähren. Als Verfaſſer wurde der Oberſt Carl v. Duncker, der auch ſeinerzeit die Biographie des FM. Grafen Radetzky geſchrieben hat, gewonnen; die Illuſtrirung hat der bekannte Maler und ehe - malige öſterreichiſche Officier Felician Freiherr v. Myrbach in Paris übernommen. Nachdem die Anregung zur Herausgabe dieſes Buches vom öſterreichiſchen Unterrichtsminiſterium ausgegangen iſt, haben Seine kaiſerliche Hoheit Herr Erz - herzog Friedrich, ſowie das k. u. k. Reichs-Kriegs - Miniſterium die Benützung der ihnen zur Ver - fügung ſtehenden archivaliſchen Quellen zugeſagt.

(Eine merkwürdige Epiſode)

wird deut - ſchen Blättern aus Sofia folgendermaßen berichtet. Nachdem der Tod Johann Orth’s des einſtigen Erzherzogs von Oeſterreich, außer Zweifel ſteht, kann mitgetheilt werden, daß Orth, bevor er ſich entſchloß, zur See zu gehen, nach Bulgarien kam. Nur ſehr wenige Perſonen wußten darum. Er bat den Fürſten, ihm eine Stelle in der bulgari - ſchen Armee anzuvertrauen. Nach Rückſprache mit Stambulow lehnte der Fürſt ab. Stambulow ſchrieb darauf einen Brief an Orth, in dem er ihn aufforderte, mit Rückſicht auf die Beziehungendes Fürſten zum öſterreichiſchen Kaiſerhauſe und die Ausſichtsloſigkeit ſeiner Bemühungen in Bulgarien das Land zu verlaſſen. Bei der Ablehnung von Orth’s Bitte war auch der Umſtand maßgebend, daß die bulgariſche Abordnung, bevor ſie dem Prinzen von Coburg den Thron anbot, mit dem Erzherzog Johann Beſprechungen gehabt hatte wegen deſſen eventueller Wahl zum Fürſten von Bulgarien. Der frühere Erzherzog kam Stam - bulow’s Aufforderung, das Land zu verlaſſen, nach, und am Bahnhofe zogen beide Männer vor einander den Hut, ohne ein Wort zu wechſeln.

(Der Doppelraubmord in Kalladorf.)

Geſtern begann vor dem k. k. Kreis - als Schwur - gerichte Korneuburg von Neuem die im Monate März vertagte Verhandlung gegen den zweifachen Mörder Franz Wondraſchek. Die Vertagung wurde bekanntlich dadurch veranlaßt, daß Won - draſchek, als ſich der Proceß der Entſcheidung näherte und der Staatsanwalt bereits ſein Plai - doyer gehalten hatte, plötzlich erklärte, er wolle geſtehen. Sodann bezeichnete er ſeinen, als Zeugen vernommenen Freund Joſef Mattes als den Mörder, mit dem Beifügen, daß er ſelbſt ſich nur an dem Raube in Kalladorf betheiligt habe. Daraufhin wurde die Verhandlung abgebrochen und Mattes verhaftet, allein die Erhebungen er - gaben die völlige Schuldloſigkeit Mattes, Won - draſchek hatte alſo die Geſchichte mit Mattes offenbar nur erſonnen, um den Spruch, dem er unausweichlich verfallen iſt, hinauszuſchieben. Die Verhandlung iſt auf vier Tage anberaumt.

(Einzelne Bitterwäſſer in Ofen)

haben einen Weltruf erlangt, wodurch jetzt aus ver - ſchiedenen Gegenden Ungarns ſtammende ſoge - nannte Bitterwäſſer in den Handel gebracht werden. Da es an manchen Plätzen gebräuchlich iſt, Bitterwäſſer ganz allgemein mit Ofner zu bezeichnen, wird die Verbreitung ſolcher minder - werthiger Producte gefördert; aber ſelbſt die einzelnen Wäſſer in Ofen ſind in ihrer chemiſchen Zuſammenſetzung ſehr verſchieden und es empfiehlt ſich eine richtige Wahl des Brunnens zu treffen. Nun iſt auf Grund ärztlicher Be obachtungen längſt erwieſen, daß die Franz Joſef-Bitterquelle in Ofen durch ihre vor - zugsweiſe ſichere, nachhaltig eröffnende Wirkung, bei angenehmem Geſchmack und kleiner Gabe alle im Handel vorkommenden Bitterwäſſer weit über - trifft, wodurch das Franz Joſef-Bitterwaſſer in Oeſterreich-Ungarn die größte Verbreitung erlangt hat und einen blühenden Welthandelszweig bildet. Es empfiehlt ſich ſtets ausdrücklich Franz Joſef - Bitterwaſſer zu verlangen.

(Eine Muſtergattin.)

Geradezu muſter - giltig darf die Rache genannt werden, die eine beleidigte Ehegattin an dem ungetreuen Gemal nimmt, indem ſie den flatterhaften Herrn und Gebieter durch Edelmuth beſchämt und an die Geliebte ſeines Herzens nachfolgende, mehr origi - nelle als ſtiliſtiſch richtige Aufforderung in einem Wiener Tagblatte richtet Geehrtes Fräulein!

Indem die Liebeskrankheit meines Mannes zu Ihnen unheilbar iſt, ſo überlaſſe ich es Ihnen, ihn zu curiren, und lege gerne die lebendige Rolle eines betrogenen Weibes nieder. Am beſten wäre es, wenn Sie uns recht oft mit Ihrem Beſuch beehren würden, daß er ſich ſattſehen kann.

Wir glauben aber trotzdem nicht fehlzugehen, wenn wir dem Gatten rathen, dem Landfrieden nicht zu ſehr zu trauen, und was das Fräulein anbetrifft, ſo dürfte ſie gut thun der Einladung nicht zu vertrauensſelig zu folgen, wenn ſie nicht ihre zweifellos ſchönen Augen eines Tages bei dem Unternehmen einbüßen will.

Telegramme des Währiſchen Tagblattes .

(Vom Correſpondenz-Bureau.)

Eine Niederlage des Autiſemitismus.

Die Kammer ſetzte heute die Debatte über die Interpellation betreffs der Judenfrage fort.

Deputirter Naquet beleuchtete die Frage vom Standpuncte der Philoſophie, gab einen hiſtoriſchen Ueberblick über das Judenthum und bemerkte, wenn die jüdiſchen Banken geplündert würden, wäre das gleiche Schickſal bald für die Anderen zu erwarten. Naquet ſchloß ſeine Aus -[7]führungen, indem er auf die Vaterlandsliebe der Juden, auf deren Dankbarkeit für Frankreich, das ſie anerkannte, hinwies und ſagte, der Antiſemi - tismus ſei eine antiſociale Lehre.

Miniſter des Innern Leygues bemerkt, daß dieſe Debatte zu keinem Reſultate führen könne. Die Regierung könne nur erklären, daß ſie die Achtung vor dem Geſetze von jedermann ohne Parteilichkeit fordern werde. Die Republik ſei kein Regime der Begünſtigung. Der Miniſter verlangte ſchließlich die Annahme der einfachen Tagesordnung, welche mit 299 gegen 206 Stimmen angenommen wurde.

Die Lage in Oſt-Aſten.

Wie Reuters Office aus Hongkong meldet, iſt die japaniſche Flotte in Tamſui auf Formoſa angekommen.

Der Führer der repu - blicaniſchen Bewegung auf der Inſel Formoſa richtete ein Begrüßungs-Telegramm an den König von Spanien, in welchem er auch deſſen Schutz erbittet.

Die Wahlen in Italien.

Nach dem nunmehr aus ſämmtlichen 508 Collegien officiell vorliegenden Wahlergebniſſe wurden 326 Miniſterielle, 102 Mitglieder der conſtitutionellen Oppoſition, 31 Mitglieder der radicalen Oppoſition und 14 Socialiſten gewählt und ſind 35 Stichwahlen erforderlich Bei den letzteren dürften vorausſicht - lich 19 Miniſterielle, 7 Mitglieder der conſtitu - tionellen Oppoſition, 6 Radicale und 3 Socia - liſten gewählt werden.

Der Nordd. Allg. Ztg. zufolge wird Großfürſt Alexis, der oberſte Chef der ruſſiſchen Flotte und des Marine - Reſſorts, auf Befehl des Kaiſers Nicolaus dem Kieler Flottenfeſte beiwohnen. Derſelbe begibt ſich auf dem Landwege nach Kiel. Ruß - land wird außerdem durch drei Schiffe ver - treten ſein.

Neueſte Nachrichten.

Auszeichnung.

Der Kaiſer hat dem Landes-Rechnungsrathe Ferdinand Müller in Brünn in Anerkennung ſeiner eifrigen und erſprießlichen Berufswirkſamkeit das goldene Verdienſtkreuz mit der Krone verliehen.

Der Staats-Eiſenbahnrath über den Perſonentarif.

Der Staats-Eiſenbahnrath trat geſtern Vormittags in Wien zu ſeiner Frühjahrsſeſſion zuſammen. Den wichtigſten Gegenſtand der Ver - handlung bildete die Vorlage über die Erhöhung der Perſonentarife auf den Staats - bahnen. Die Vorſchläge der Regierung ſtießen im Staats-Eiſenbahnrathe auf großen Wieder - ſpruch. Schließlich kam ein Compromiß zu Stande, welches dem Beſtreben der Regierung, eine Mehr - einnahme zu erzielen, wenigſtens theilweiſe Rechnung trägt. Der Staats-Eiſenbahnrath empfiehlt, die Erhöhung mit 1·25, 2.50 und 3·75 kr. per Kilometer in der dritten, zweiten und erſten Claſſe feſtzuſetzen, während die Regierung die Einheiten mit 1·4, 2·4 und 3·9 kr. bemeſſen will. Nach den Vorſchlägen des Staats-Eiſenbahn - rathes würde ſich ein Mehrertrag von etwa Millionen Gulden ergeben; die Regierung veranſchlagt das Reſultat ihres Tarifes mit einem Plus von 1·4 Millionen Gulden. Der Staats - Eiſenbahnrath ſchlägt ferner eine viel weiterge - hende Berückſichtigung des Fernverkehres vor, da er dieſelbe ſchon von 150 Kilometern ab ein - treten laſſen will. Der Staats-Eiſenbahnrath gibt nur ein Gutachten ab und iſt nicht berechtigt, ſein bindendes Votum zu fällen. Es fragt ſich nun, welche Haltung die Regierung nun ein - nehmen wird, ob ſie die[Vor]ſchläge des Staats - Eiſenbahnrathes acceptir[t]oder bei ihrer Vorlage beharrt.

Der Abſchied des Frl. Bertha Hausner vom Wiener Volkstheater.

Im Deutſchen Volkstheater verabſchiedete ſich vorgeſtern Abends Frl. Hausner, die be -kanntlich einem Rufe ans königliche Schauſpiel - haus in Berlin folgt, vom Wiener Publicum als Angelika in dem Luſtſpiele Man ſagt. Gleich beim erſten Auftreten ſympathiſch begrüßt, mußte die Künſtlerin im weiteren Verlaufe des Abends das Scheiden wol recht ſchwer finden. Die Bühne glich nach dem dritten Acte einem reichen Blumengarten, da man all die Kränze, Blumenkörbe und andere Beweiſe der Verehrung dort aufgeſtapelt hatte. Nach jedem Actſchluſſe mehrmals gerufen, mußte Frl. Hausner nach dem letzten Acte über ein halbes Dutzend - mal vor der Rampe erſcheinen, und ſie nahm, als der Liebesbeweiſe kein Ende ward, das Wort zu einer kleinen Dankesrede. Ich danke, ſagte ſie bewegt, recht herzlich für den Ausdruck ſo vieler Sympathien. Ich bitte, mir ein gutes Andenken zu bewahren. Mir wird Wien ſicher unvergeßlich bleiben. Unter neuerlichen Beifalls - ſalven trat die Künſtlerin ab.

Telephoniſche Nachrichten des Mähr. Tagblattes .

Parlamentariſches.

Das Subcomité des Wahlreform ausſchuſſes hat in ſeiner geſtrigen Sitzung den vom Abg. Dr. Rutowski vorgelegten Bericht mit allen gegen eine Stimme angenommen. Der Abgeordnete, welcher dagegen geſtimmt hat, gehört dem Hohen - wart-Club an.

Die Wiener Bürgermeiſterwahl.

Der fortſchrittliche parteiverband des Wiener Gemeinderathes hat beſchloſſen, in Conſequenz der früher gefaßten Beſchlüſſe bei der morgigen Bürger - meiſter wahl leere Stimmzettel ab - zugeben. Der Beſchluß kam nach längerer Debatte zu Stande, deren Verlauf als vertraulich erklärt wurde.

Fürſt Hugo zu Salm - Reifferſcheidt legte ſeine Stelle als Prä - ſident der mähr. Landwirthſchafts - geſellſchaft nieder, weil er als Landtags - Abgeordneter ſich mit Eingaben der Geſellſchaft an den mähr. Landtag zuweilen nicht in Ueber - einſtimmung befand. Die geſtrige Plenarverſamm - lung beſchloß, den Fürſten Salm um die Beibe - haltung ſeiner Function wenigſtens bis zum Ab - lauf derſelben, Ende 1895, zu erſuchen.

Wir machen unſere verehrlichen Leſer auf den unſerer heutigen Localauflage beiliegen - den Proſpect, ſoweit der Vorrath reicht, der Firma Julius Maggi und Cie., Bregenz beſonders auf - merkſam, und empfehlen ſolchen der allgemeinen Beachtung.

Sprechſaal.

Aufruf!

Am 9. d. Mts. wurde die Gemeinde Nedaſchowa - Lhota (politiſcher Bezirk Ung. -Brod) von einer verheerenden Feuersbrunſt heimgeſucht, welcher binnen einer Stunde beinahe die halbe Ortſchaft zum Opfer fiel.

40 Wohngebäude ſammt Scheuern und Stallungen wurden ein Raub der Flammen.

44 Familien ſind obdachlos und ohne Nah - rungsmittel. Bloß 12 Abbrändler waren ver - ſichert, die übrigen betroffenen 32 Familien waren nicht verſichert.

Die Letzteren, durchwegs arme Häusler und gering beſtiftete Grundbeſitzer, ſind um ihre ganze Habe gekommen, da ſämmtliche abgebrannte Objecte aus Holz erbaut und mit Stroh und Schindeln gedeckt waren und vollſtändig eingeäſchert wurden und die meiſten Beſchädigten beim Ausbruche des Feuers am Felde beſchädigt, nicht einmal ihre wenigen Habſeligkeiten (Kleidungsſtücke, Nahrungs - mittel) retten konnten.

Das Elend und die Noth dieſer Abbrändler iſt ſehr groß und ſind ſelbe außer Stande ſich zu helfen. Zur Linderung der Nothlage der genannten Abbrändler wird hiemit eine öffentliche Samm - lung milder Beiträge eingeleitet.

Spenden werden von den politiſchen Bezirks - behörden und dem mähriſchen Statthalterei - Präſidium entgegengenommen.

Vom k. k. mähr. Statthalterei-Präſidium.

Wird zufolge Erlaſſes des hohen k. k. Statt - halterei-Präſidiums vom 16. Mai 1895 Z. 2592 präs. mit dem Beifügen zur Kenntniß gebracht, daß Spenden im Expedite des Gemeinderathes entgegenommen werden.

Vom Gemeinderathe der königl. Hauptſtadt

(Getreide-Preiſe der Stadtgemeinde Müglitz)

am Wochenmarkt, den 25. Mai 1895, Weizen per M. -C. 7.70, 7.54, 7.30, Korn 6.22 6.11, 5.86. Gerſte 7. 4, 7. , 6.88, Hafer 5.94, 5.90, 5.54, Erbſen 8 31, 8.20, 8.17, Linſen . , . , . , Fiſolen 9.50, . , . , Proſſo 8.22, 8. 6, 7.85, Hirſe 12.50, . , . Kukuruz 8.50, . , . , Wicken 6.50, . , . , Bohnen . , . , . , Mohn . , . , . , Erd - äpfel 2. , 1.80, . , Heu 3.50, 3. , . , Korn-Stroh 1.30, 1.20, . , Kleeſamen . , . , . .

〈…〉〈…〉

Telegraphiſcher Coursbericht.

27. Mai 1895.

Rente, Papier101.40
Oeſt. Kronenrente101.50
Ung. Goldr. 4%123.40
Ung. Kronenrente99.10
Silber-Rente101.40
1874. Wien. -Loſe174.
Ung. Präm. -Loſe158.50
Theiß-Loſe149.50
Anglo-öſtr. Bank172
Wien. Bankverein163.60
Credit-Actien401.50
Ung. Cred-Act464.75
Länderbank282.
Unionbank334.50
Nordbahn3645.
Staatsbahn431.75
Südbahn101.50
Elvethal292.50
Nordweſtb. lit. A289.
Carl-Ludwigsv..
London122.30
Napoleon9.67
Reichsmark59.57
Münz-Ducaten5 75
[8]
Herausgeber und verantwortlicher Redacteur Wilhelm Seethaler.

Druck von Joſef Groák in Olmütz.

About this transcription

TextNr. 122, 28.05.1895.
Author[unknown]
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T15:49:55Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T15:49:55Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T15:49:55Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationNr. 122, 28.05.1895. . Jakob RiemerCzernowitz1895. Mährisches Tagblatt

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IDS Mannheim

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; mkhz2

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  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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