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Nr. 136. Olmütz, Donnerstag den 14. Juni 1888. 9. Jahrgang.

Fürſt Bismarck und die deutſche Reaction.

Welche Folgen auch die Verabſchiedung des preußiſchen Miniſters des Innern, Herrn von Puttkamer, nach ſich ziehen mag ſicher iſt, daß die Stellung des Reichskanzlers von derſel - ben unberührt bleibt, gleichwie die Kriſe über - haupt mit dem Fürſten Bismarck nichts gemein hatte. Allerdings aber hat es bei dieſer Demiſ - ſion ſich nicht um einige politiſch-reactionäre Extravaganzen des Miniſters, ſondern in hervor - ragender Weiſe um einen weſentlichen Theil des innern Regierungsſyſtems in Preußen gehandelt. Die aufrichtig reactionäre Preſſe hat dies ganz entſchieden ausgeſprochen, und ſogar ein Theil der gouvernementalen, und darunter gerade diejenigen Blätter, welche notoriſch die nächſte Fühlung mit dem Kanzler haben, haben die Sache in genau demſelben Sinne aufgefaßt. Der Verſuch, das wahre Weſen und die ganze Tragweite des Vor - falls zu verſchleiern, war allerdings von vorn - herein eine hoffnungsloſe. Denn derjenige Punkt, bei werchem die Meinungsverſchiedenheit zwiſchen dem Kaiſer und dem Miniſter des Innern zuerſt zu Tage trat, nämlich die Art, wie Herr von Puttkamer die verfaſſungmäßig verbürgte Wahl - freiheit auffaſſen zu dürfen glaubt, war nicht ein vereinzelter und nebenſächlicher Punkt und auch nicht blos einer unter mehreren Hauptpunkten, ſondern er war der ſpringende Punkt des ganzen Syſtems. Das ganze gegenwärtige Syſtem derinneren Politik des Deutſchen Reiches, das Sy - ſtem einer reactionären Politik unter dem Scheine der Zuſtimmung des Volkes iſt nur möglich bei einem unaufhörlichen, verfaſſungs - und geſetz - widrigen, mit allen Mitteln und namentlich mit dem Mißbrauch der Amtsgewalt ausgeübten Drucke auf die Wähler.

Als daher Kaiſer Friedrich ganz aus freier Willensentſchließung ein Schreiben an den Mi - niſter des Innern richtete, von welchem man be - hauptet, daß es einen ſcharfen Tadel der bishe - rigen Wahlproxis enthielt, war die Kriſis eröffnet und die Stellung des Herrn v. Puttkamer un - haltbar geworden.

Anfänglich hatte es den Anſchein, als wäre die Regierung entſchloſſen geweſen, dieſen Kampf mit dem äußerſten Aufwand von Nachdruck und Zähigkeit zu führen. Die Verhältniſſe in der inneren Politik des Deutſchen Reiches ſind ſo ge - ſpannt, die Herrſchaft des gegenwärtigen Syſtems ſo auf Schrauben geſtellt, dieſes Syſtem ſelbſt ſo verwickelt und gekünſtelt und ſein Gleichgewicht ſo auf der Schneide des Meſſers ſchwankend, daß eine nur kurze Unterbrechung desſelben mit ſeinem endgiltigen Verſchwinden gleichbedeutend wäre, und von einer Wiederherſtellung unter abermals geänderten Verhältniſſen keine Rede ſein könnte. Daher die große Angſt der Träger und In - tereſſenten dieſes Syſtems vor der Thronbeſtei - gung Kaiſer Friedrich’s, die Angſt, die ſich in ſo unverſtändiger, zum Theil ins Abſcheuliche ge - ſteigerter Art kundgab, daher die Anklammerung an die Hoffnung, daß der unliebſame Zwiſchen - fall möglichſt ſchnell und möglichſt ſpurlos vor -übergehen werde, der ſich in den unaufhörlichen tendentiöſen Schwarzmalereien über den Zuſtand des Kaiſers, der ja an ſich traurig genug iſt, kundgibt; daher endlich die verzweifelte Ent - ſchloſſenheit ſeitens der Miniſter, den Platz nicht zu räumen, zugleich aber auch kein grundſätz - tickes Zugeſtändniß zu machen, welches das Sy - ſtem irgendwie ins Schwanken bringen könnte.

Die Einzelheiten der Vorgänge, deren End - ergebniß die Demiſſion Puttkamer’s iſt, entziehen ſich der Kenntnißnahme; aber es iſt unmöglich, ſich vorzuſtellen, daß ſie im Widerſpruch gegen die Intentionen des Fürſten Bismarck erfolgt ſei. Und darin liegt immerhin ein, wenn auch ſchwa - ches Symptom erfreulichen Characters, es läßt darauf ſchließen, daß der Kanzler nicht gewillt ſei, der Reaction ſeine mächtige Stütze auch weiterhin zur Verfügung zu ſtellen. In der That iſt die fröhliche Unverfrorenheit, mit welcher die reactionären Parteien im April ihren Willen gegen den des Kaiſers ſetzten und die Stimme des Volkes auf gut neubonapartiſtiſch anriefen, von ihnen gewichen. Freilich wäre es aber, wie geſagt, gar zu optimiſtiſch, an dem völligen und raſchen Zuſammenbruch des gegenwärtigen Sy - ſtems zu glauben, und es kommt weſentlich dar - auf an, wer zum Nachfolger im Miniſterium des Innern berufen werden wird. Was die Reaction fürchtete, war die große Kräftigung, die der po - litiſche Freiſinn aus der Haltung des Kaiſers zie - hen würde. Man würde Herrn v. Puttkamer leich - ten Herzens geopfert, man würde auch das Ge - ſetz über die Verlängerung der Legislaturperio - den ohne großen Schmerz fallen gelaſſen haben,

Feuilleton.

Ausſtellungen an Ausſtellungen.

Spanien, dieſes weder mit einer ſtarken Regierung, noch auch mit Glücksgütern geſegnete Land, hat ſich endlich ebenfalls entſchloſſen, in den friedlichen Wettkampf mit ſämmtlichen Natio - nen des Erdballs einzutreten wie man ſich in officieller Begeiſterung auszudrücken pflegt. Mit anderen Worten; es hat heuer auch ſeine Weltausſtellung. Es war die höchſte Zeit! So weit unſer entzücktes Auge reicht, erblicken wir heuer Welt -, Landes -, Colonial -, Regional -, Diſtricts -, Bezirks -, allgemeine, beſondere, ge - werbliche, landwirthſchaftliche, Hunde -, Blumen -, Fiſcherei, Schifffahrts -, Maſtvieh - und Kunſt - Ausſtellungen. Die Welt wird allmälig zu eng für all dieſe Weltausſtellungen, die einen ſo unleugbaren Werth haben. Zunächſt für das große Comité der Ausſtellung, welches die Com - thur - und Ritterkreuze im unvermeidlichen Or - densgeſtöber erhält. Dann für die Subcomités, deren Mitgliedern man kleinere Decorationen zur Erfriſchung herumreicht. Dann für die Ausſteller, die papierne Divlome, goldene, ſilberne oder bronzene Medaillon bekommen. Ausgezeichnet wird nun einmal Jeder, ſo daß die rückſichts - loſeſten Streber ſich gewöhnlich hors concurs begeben und auf die Ehrenpreiſe verzichten, nur um ſich hervorzuthun! Jawohl, keiner entgeht bei ſolcher Gelegenheit der Auszeichnung. Da iſt es dann gleichgiltig, ob er einen Triumphbogenaufgeführt hat, der ſich bei näherer Betrachtung als eine Anhäufung von Zahnbürſten erweiſt, oder Siegesſäulen von Hunyadp Janos-Bitter - waſſerflaſchen, egyptiſche Pyramiden aus Zwirn - ſpulen und Renaiſſancepaläſte aus Schweizer - Käſe ...

Wenn ich von meiner perſönlichen Vorliebe ſprechen darf, ſo ziehe ich die Maſtviehausſtellun - gen allen andern vor. Denn in ſämmtlichen Expoſitionen will doch einer über den Anderen hinaus, und das bringt noch mehr Dünkel, Hoffart und Ueberhebung in dieſe ohnehin ſchon vom Höherhinauswollen verpeſtete Welt. Dagegen hüpft mir mein bürgerliches Herz im Leibe, wenn ich die ariſtocratiſchen Beſtrebungen dahin ge - richtet ſehe, daß Einer ein größerer Ochſe ſein will, als der Andere wie dies ja auch in den Maſtviehausſtellungen geſchieht ..... Dennoch verkenne ich keineswegs die Bedeutung der übri - gen Unternehmungen gleicher Art, z. B. der Kunſtausſtellungen, in welchen erſtens die Kame - radſchaft prächtige Orgien feiern kann, und zweitens junge Künſtler durch unverdiente Zurück - ſetzung einen mächtigen Sporn zum Weiterſtreben bekommen. Was aber die Weltausſtellungen be - trifft, ſo ſehe ich ihre Nothwendigkeit jetzt mehr als je ein. Jetzt, wo ſich die Staaten durch die ſinnreichſten Schutz - und Differenzialzölle von einander abſperren, iſt es überaus wünſchenswerth, im Auslande diejenigen Waaren zur Schau zu bringen, an deren Verkauf man ſpäterhin ver - hindert ſein wird. Scheint Ihnen das unklar? Ja, es iſt eben Nationalökonomie. Von ihrer erwähnten Nützlichkeit abgeſehen, ſind aber dieAusſtellungen auch etwas Angenehmes, beinahe ein Vergnügen wenigſtens für ſolche Perſonen, die den Strapazen eines tagelangen Herumwan - delns in menſchenvollen Räumen gewachſen ſind. Hinter den Schaufenſtern glitzern Koſtbarkeiten, die der Erweckung von Neid, Gier und Mißgunſt zu dienen berufen ſind. Und Triumphbogen, Siegesſäulen und Pyramiden, Renaiſſancepaläſte, geformt aus den obengenannten Materialien. Jawohl eine Weltausſtellung gemahnt an die Nationalſpeiſe der Spanier, an das große Ragout die olla potrida, in der die verſchiedenſten Fleiſch - ſorten und Gemüſe und andere unbekannte Kleinig - keiten, alle möglichen Chorizos und Garbanzos einträchtig durch einander dampfen.

So iſt denn gar wohl begreiflich, daß man auch in Barcelona die Chorizos und Garbanzos einer Weltausſtellung ſervirt hat. Eröffnet wurde dieſelbe durch Se. Majeſtät Alfonſo XIII. in Perſon, und dieſer heitere Umſtand bringt das eptlegene Land jedem Humoriſten von Proſeſſion näher. Es war die erſte Weltausſtellung, die der jugendliche Monarch mit ſeiner Gegenwart beehrte. Der nunmehr dreijährige Lebenslauf dieſes groß - mächtigen Herrn iſt ja bekannt. Unmittelbar nach ſeiner Geburt in einem Augenblicke, wo ihn die vielen neuen Eindrücke verwirrrn mußten, und er die ganze Tragweite einer ſo wichtigen Maßregel nicht überblicken konnte wurde ihm die Königskrone auf das zartbeflaumte Haupt geſetzt. Man hat ihn nicht befragt, ob er es nicht vorzöge, als ſchlichter Privatſäugling im Auslande zu leben. Vielleicht wäre ihm das lieber geweſen. Denn in dem Lande des Chorizios und

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wenn ſich nicht die unberechenbaren moraliſchen Folgen daran geknüpft hätten. Wird eine ſolche Wirkung auf die Dauer hintanzuhalten ſein? Daß der Kaiſer mit dem politiſchen Geſammtſyſtem nicht übereinſtimmt, daß er namentlich die geübte Wahlpraxis auf das ſchärfſte verurthei[l]t, war vor den letzten Ereigniſſen ſchon bekannt und iſt durch denſelben auf das nachdrücklichſte beſtätigt worden. Die bleiche Angſt der Reaction vor der Veröffentlichung des kaiſerlichen Schreibens über die Wahlfreiheit redet ganze Bände. Hierin liegt die Bedeutung der letzten Vorgänge und dieſe wird ſich früher oder ſpäter geltend machen. Je - denfalls wenn die freiſinnige Partei und Preſſe einigermaßen ihre Aufgabe erkennt und in ver - nünftiger und zweckmäßiger Weiſe ihre Schul - digkeit thut. Zweimal hat der Kaiſer gezeigt, daß er die Schichte, die zwiſchen ihm und dem freiſinnigen Volke liegt, durchbrechen will und das ſollte d[o]ch eine Mahnung an das deutſche Volk ſein, dieſen hochherzigen Intentionen des Monarchen aus eigener Kraft gerecht zu werden. Um die Stellung des Fürſten Bismarck braucht der Nation nicht bange zu ſein. Nicht nur kann es als ſicher gelten, daß auch Kaiſer Friedrich ſich von dem großen Staatsmanne nicht trennen will und nicht trennen wird; man gewinnt auch immer mehr den Eindruck, als betrachte Fürſt Bismarck die Zeit für gekommen, da man auch ohne die reactionären Parteien regieren kann. Der geniale Realpolitiker hat ſich niemals an Parteien und Syſteme gebunden und er wird die Politik der freien Hand auch fernerhin zu bethätigen wiſſen.

Politiſche Nachrichten.

(Aus dem Heeresausſchuſſe der unga - riſchen Delegation.)

Geſtern erſtattete, wie die Wiener Allg. Ztg. meldet, der Kriegsminiſter Baron Bauer ſein Expoſé im Heeres-Ausſchuß der ungariſchen Delegation. Die Rede des Kriegs - miniſters wurde als eine ſtreng vertrauliche er - klärt, weßhalb ſich nur über den äußeren Ein - druck berichten läßt. Seine Rede machte im Allge - meinen durch die treffenden Argumente, welche er anführte, den beſten Eindruck. Auch die oppoſi - tionellen Delegirten waren zufrieden, da der Kriegs - miniſter der ſtaatsrechtlichen Stellung der Armee auch den Ungarn gegenüber gerecht wurde. Aus dieſem Grunde dürfte das Heeres-Erforderniß auch bei der Oppoſition auf keine großen Hin - derniſſe ſtoßen. Der Kriegsminiſter erwähnte in ſeiner Rede, daß, wie die Delegirten ohnedies wiſſen, die Situation eine geſpannte ſei. Bei den Ausgaben für die Erhöhung des Officiersſtandes verweilte Baron Bauer längere Zeit. Dieſe Er - höhung, ſagte er, ſei eine nothwendige Vorſichtfür einen etwaigen ernſten Moment, womit nicht geſagt ſein will, daß ein ernſter Moment eintre - ten müſſe, aber er ſei immerhin möglich. Nach dem Tenor der ganzen Rede des Kriegsminiſters läßt ſich nur ſo viel ſagen, daß die Situation keine momentane Gefahr in ſich berge, was aber nicht ausſchließt, daß ſie ſich unerwartet in eine gefahrvolle verwandeln kann.

Nach dem Kriegsminiſter Baron Bauer er - hob ſich der Delegirte Beöthy, und erklärte, daß er zwiſchen dem Vorgehen des jetzigen und dem des früheren Kriegsminiſters einen großen Widerſpruch finde. Während Bylandt-Rheidt die Armee für vollendet erklärte, komme ein neuer Kriegsminiſter mit neuen Forderungen, ein Beweis, daß die Armee noch immer Verbeſſerungen haben müſſe.

Miniſter-Präſident Tisza erwidert, daß dieſer Widerſpruch nicht exiſtire, da die jetzigen Vorlagen nicht von Bauer, ſondern noch von Bylandt-Rheidt herrühren.

Der Delegirte Hegedüs will wiſſen, ob die Mehrerforderniſſe ſtabil ſeien oder blos in dieſem Jahre gefordert werden

Hierauf antwortete Miniſter-Präſident Tisza, daß das Erforderniß wegen der politiſchen Situa - tion nothwendig ſei und die bewilligten Mittel dazu beitragen, daß im Nothfalle die Armee um vierzehn Tage früher in Bereitſchaft zu ſein vermag.

(Nochmals der Rücktritt Puttkamers.)

Angeſichts der betrübenden Nachrichten über das Befinden Kaiſer Friedrich’s verlieren die Mel - dungen und Aeußerungen, welche auf den Rück - tritt Puttkamer’s Bezug haben, ihren augenblick - lichen Werth. Das Intereſſe vereinigt ſich in der Frage, wer den freigewordenen Poſten eines Miniſters des Innern übernehmen wird. Nach einer Mittheilung der Münchener Allg. Ztg. genehmigte der Kaiſer den Oberpräſidenten von Poſen, Grafen Zedlitz-Trützſchler, als Candidaten für das Miniſterium des Innern, doch ſteht die Antwort des Grafen auf die betreffende Anfrage noch aus. Inzwiſchen werden Stimmen laut, welche darauf hinweiſen, daß die Kriſe mit dem Rücktritt Puttkamer’s nicht abgeſchloſſen ſei. Be - zeichnend nach dieſer Richtung ſind die Ausfüh - rungen der Köln. Ztg. Das mit den Anſchau - ungen im Reichskanzleramt vertraute Blatt ſchreibt: Hinter dem albernen Reactionsgeſchrei, welches harmloſe Gemüther faſt zu dem Glauben ver - leiten könnte, wir hätten im Deutſchland des großen Kaiſers Withelm unter einer unerträg - lichen Knechtſchaft geſchmachtet, ſteckt nichts als die Sehnſucht einer gründlich abgewirthſchafteten Partei nach einer brauchbaren, das heißt, auf die Einfalt berechneten Wahlparole, und es iſt nur zu bedauern, wenn ſich am preußiſchen Hofe unver -antwortliche Berather finden ſollten, die kein Be - denken tragen, einem Eugen Richter in die Hände zu arbeiten. Zwar wird die Behauptung, daß nach Herrn v. Puttkamer’s Abgang noch andere Mitglieder des Cabinets ſich veranlaßt geſehen hätten, Entlaſſungsgeſuche einzureichen, in gut unterrichteten Kreiſen als unbegründet bezeichnet: dennoch können wir uns der patriotiſchen Beſorg - niß nicht entſchlagen, daß es den in dem officiöſen Artikel bezeichneten Hofkreiſen durch ihre fortge - ſetzten Mückenſtiche ſchließlich doch noch gelingen werde, dem Fürſten Bismarck die Amtsbürde, welche er unter ſchwierigen Umſtänden mit be - wundernswerther Opferwilligkeit weiterträgt, zu verleiden. Das deutſche Volk ſteht angeſichts der Vorgänge der letzten Monate unter dem trüben Eindrucke, daß es politiſch einer ganz unberechen - baren Zukunft entgegengeht.

(Ein Sieg der clericalen Partei in Velgien.)

In Belgien ſind vorgeſten die Er - gänzungswahlen für den Senat und die Reprä - ſentanten-Kammer entſchieden zu Gunſten der clericalen Partei ausgefallen. In Brüſſel iſt eine Stichwahl zwiſchen den Candidaten der gemäßig - ten Liberalen und den Independenten erforder - lich. Doch iſt aus den vorliegenden Telegrammen noch nicht zu erſehen, ob für alle Mandate (16 Abgeordnete und 8 Senatoren) oder bloß für eine Anzahl derſelben Stichwahlen nöthig ſind. Die nächſten Abgeordnetenwahlen für die andere Hälfte der Kammer finden erſt nach zwei Jahren die nächſten Senatswahlen in vier Jahren ſtatt. Die vorgeſtrigen Wahlen fanden in den Provin - zen Antwerpen, Brabant, Luxemburg, Namur und Oſt-Flandern ſtatt, welche zuſammen 69 Abge - ordnete an Stelle der ausſcheidenden zu wählen hatten. Von den Letzteren gehörten nur fünf der liberalen Partei an, die alſo in dem Wahlkampfe weit mehr zu gewinnen als zu verlieren hatte. Den - noch hat ſie zwei von den beſeſſenen fünf Sitzen verloren, einen in Oſtende und den anderen in Virton, und bleibt in der Minderheit, auch wenn ſie am nächſten Dienstag in Brüſſel vollſtändig ſiegen ſollte; denn in der bisherigen Kammer hatte ſie den 96 Stimmen der Rechten und der Unabhängigen, die im Senate ebenfalls die Mehr - heit behalten, nur 42 entgegenzuſtellen. Der vor - geſtrige Wahltag hat dem clericalen Regiment in Belgien neue Stärke verliehen, und ſteht eine weitere Zerſtörung des ſtaatlichen Schulweſens, wie es von der früheren liberalen Regierung ein - gerichtet worden war, zu erwarten. Ueberdies planen die Clericalen ein neues Wahlgeſetz, welches den ländlichen Wählern das Uebergewicht ver - ſchaffen und dadurch die Herrſchaft des Clericalis - mus feſtigen ſoll.

(Anruhen in Scutari)

In Albanien gährt es fortwährend. Der Pol. Corr. wird

Garbanzos verlieren die Könige unendlich raſch den Re[i]z der Neuheit, und das veränderliche Volk jagt ſie manchmal davon, noch bevor ſie ihre Lenden mit dem eben vom Schneider gebrachten neuen Hermelinſchlafrocke gürten konnten. Man kann es daher Alfolſo XIII. nicht verdenken, wenn er den wichtigſten Staatsactionen eine ge - wiſſe ſouveräne Gleichgiltigkeit entgegenbringt. Ich entnehme einem Bericht über die Eröffnungs - ceremonien von Barcelona folgende characteriſtiſche Einzelheiten:

Seine Majeſtät Alfonſo X[I]II. trug ein ſehr k[l]eidſames weißes Spitzencoſtüm. Dasſelbe war tief decolletirt und ließ auch die königlichen Arme, ſowie die allerhöchſten Beine vom Knie abwärts frei. Rückwärts an der Taille hatte der König eine große Roſamaſche ... Der Hofſtaat das diplomatiſche Corps, die erſten Würdenträger und Großen des Reiches, waren bereits voll - zählig verſammelt als der König geruhte, ſich die Eſtrade hinauftragen und auf den Thron - ſeſſel ſetzen zu laſſen. Hierbei ließ S. Maje - ſtät wiederholt ein allergnädigſtes Hottoh vernehmen. Dem gleichzeitigen Wunſche Höchſt - desſelben, ein wenig Pferdchen zu ſpielen, konnte jedoch aus politiſchen Gründen nicht ſofort Folge gegeben werden. Dies erregte ſeinen Allerhöchſten Unwillen, und der König ſtreckte gegen den Miniſterpräſidenten, ſowie gegen den Vorſitzenden des Senats die Zunge heraus. Glücklicherweiſe wurde jetzt ein Tuſch geblaſen, was den König wieder heiter ſtimmte. Er ſchlug die Händchen zuſammen, ſtrampelte mit den allerdurchlauchtigſten Beinen und lachtelaut auf. Während der officiellen Anſprachen unterhielt ſich Se. Majeſtät damit, die vor ihm auf einem Tabouret ſitzenden Infantinnen an den Haarzöpfen zu reißen. Anfangs ver - biſſen Ihre königlichen Hoheiten den Schmerz, endlich aber kniffen Höchſtdieſelben unbemerkt Se. Majeſtät in die Wade. Der König be - gann bitterlich zu heulen und die Feier - lichkeit mußte für kurze Zeit unterbrochen werden ...

Warum hat uns der officiöſe Telgraph eigentlich dieſe kleine Epiſode verſchwiegen? Ich finde ſie viel intereſſanter, als die ganze Welt - ausſtellung ...

( Berl. Tagblatt. )

Der Kampf wider den Tabak.

Als Friedrich Wilhelm, der große Curfürſt von Brandenburg, jene erſten Verſuche machte, das Banner der Hohenzollern auch an der weſt - afrikaniſchen Küſte einzubürgern, kamen ſeine neuen Unterthanen vom Stamme Chams gelegent - lich eines Austauſches von allerhand Freuudlich - keiten auch einmal nach Berlin. Es war jeden - falls wohl das erſte Mal, daß die Bewohner desſelben einen echten unverfälſchten Schwarzen in ihrer Mitte ſahen. Die Afrikaner mit dem Pomp ihrer bunten, ſteinverzierten Kleidung erregten daher auch kein kleines Anfſehen in der märkiſchen Hauptſtadt, jedoch das allergrößte ver - urſachte ein Umſtand, welcher den Leuten zwiſchen der Spree und Havel wie eine Ungeheuerlichkeit vorkam. Die Fremden führten nämlich einenbrennenden Stengel im Munde, welcher fortglomm, während ſie den Dampf aus ihren Lippen blieſen. Berlin gerieth ſchließlich aus Rand und Band ob dieſes Wunders, welches in ſeinen Mauern ſtattfand, und ſogar aus der Umgegend ſtrömte man in Schaaren herbei, um desſelben an - ſichtig zu werden. Inzwiſchen ſtolzirten die Schwarzen unabläſſig durch die Straßen Berlins, nicht wenig ſtolz auf das Staunen, welches ſie hervorriefen. Nichtsdeſtoweniger zeigten ſie ſich in hohem Grade zugänglich, und als ein Bäuerlein aus der Mark, welche gleichfalls auf die Kunde von dieſem Wunder nach Berlin gekommen war, Mund und Augen gar zu auffällig aufriß, ging ein Schwarzer in ſeiner Freundlichkeit ſogar ſo weit, daß er den dampfenden Tabakſtengel aus dem Munde nahm und ihn den Gaffer anbot. Der aber nahm, wie der gewiſſenhafte Chroniſt be - richtet, angſterfüllt Reißaus vor der Zumuthung, welche man an ihn ſtellte, indem er dabei in die Worte ausbrach: Nee, gnädijer Herr Düwel, (Teufel): Ick fräte (freſſe) keen Füihr (Feuer)!

Dieſer Kampf wider den Tabak wurde in den Ländern, wo heute die größten Conſumenten desſelben anſäſſig ſind, mit einer Energie geführt, welche unſere Generation kaum begreifen kann. Lag darin etwa die inſtinctive Ahnung, daß das an ſich ſo wohlfeile und leicht zu erzielende Kraut einmal ihren Werth finden würden, welchen die Menſchheit, ſobald ſie ſich erſt an den Genuß desſelben gewöhnt, kaum noch erſchwingen könne? Merkwürdigerweiſe diente der Tabak zuerſt keineswegs zu dem Zwecke, für welchen ihn heute die Menſchheit in ihrer großen Mehrheit beſtimmt.

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diesbezüglich aus Scutari geſchrieben: Während in den Bergen von Scutari gegenwärtig voll - ſtändige Ruhe herrſcht, bilden die Thäler dieſes Gebietes faſt täglich den Schauplatz von Räube - reien und Handlungen der Blutrache. Namentlich der miriditiſche Stamm befindet ſich im Zuſtande fortwährender Erregung, welche begreiflich erſcheint, wenn man erwägt, daß die wiriditiſche Bevölke - rung ſeitens der Regierung mannigfachen und ſchweren Bedrückungen ausgeſetzt iſt. Andererſeits recrutiren ſich gerade aus den Miriditen zahl - reiche Räuber, welche in den ihnen benachbarten Gebieten ihr Unweſen treiben. Die öffentlichen Sicherheitszuſtände in Scutari ſelbſt, ſowie in ſeinen Umgebungen nehmeu ſeit einiger Zeit einen ſehr beunruhigenden Character an, eine Erſchei - nung, welche bei der Läſſigkeit der hieſigen Be - hörden keine Verwunderung erregen kann. Der Vali Tahir-Paſcha iſt die verkörperte Indolenz; er hat ſich ſeit ſeinem Amtsantritte nie ſonderlich mit den Verwaltungs-Angelegenheiten befaßt und erſcheint ziemlich ſelten in den Amtsräumlich - keiten des Regierungsgebäudes. Die Verwal - tung des Vilajets iſt ſomit vollſtändig dem Gutdünken der Subaltern-Beamten überlaſſen, die unter dem Scepter eines ſo gutmüthi - gen Chefs im Allgemeinen mehr der Muß - pflegen, als ihres Amtes walten. Vollends wäh - rend des Ramazan-Monates erſcheint die Ver - waltung geradezu aufgehoben, die Aemter ſind geſchloſſen und man läßt das Vilajet ſich ſozu - ſagen ſelbſt regieren. Die Mohamedaner benützen dieſe Freiheit, um in den Straßen der Stadt den Chriſten gegenüber ſehr herausfordernd auf - zutreten, und ſie wandern bewaffnet nach dem Bazar, ohne daß es den Polizeiwachen einfiele, dagegen einzuſchreiten. Da die Waffen nicht ledig - lich zur Decoration, ſondern auch dazu verwen - det werden, um den Meinungen der Mohame - daner Nachdruck zu leihen, kann es nicht wun - dernehmen, daß der Ramazan noch eine größere Liſte von Verwundungen und Todtſchlägen auf - zuweiſen hat, als die übrigen Monate des Jah - res. Die vor einiger Zeit aus dem montenegrini - ſchen Gefängniſſe auf der Inſel Grmoſchut im Scutari-See geflüchteten Verbrecher ſind in dem von Orthodoxen bewohnten Dorfe Vrakka, anderthalb Stunden von Scutari entfernt, aufgetaucht und haben ſich von dort nachden Bergen von Kaſtratti zerſtreut. Die Flüchtlinge, unter denen ſich zwei Frauen befinden, ſollen im Ganzen 25 Köpfe zählen. Einer derſelben iſt mit dem montenegri - niſchen Officier Millic identiſch, der wegen Ver - breitung falſcher Gerüchte über die Ermordnung des montenegriniſchen Wojwoden Marco Mila - now von Kutſchi zu Kerkerhaft verurtheilt wor - den war. Die montenegriniſche R[e]gierung hat bisher keinen Schritt bei den ottomaniſchen Be -hörden gethan, um die Wiederverhaftung der Flüchtlinge zu erwirken, und die türkiſchen Be - hörden ſcheinen nicht gewillt, aus eigenen Stücken Montenegro Polizeidienſte zu leiſten.

Locales und Provinzielles.

(Zu den Olmützer Gemeindewahlen.)

Am 9., 11. und 15. October l. J. finden die Ergänzungswahlen in das Olmützer Stadtver - ordneten-Collegium ſtatt. Erledigt ſind, reſpective kommen zur Wiederbeſetzung ſiebzehn Mandate; es ſcheiden aus: im 3. Wahlkörper die

  • Herren:
  • Joſef v. Engel,
  • Ignatz Domes,
  • Mocitz Läufer,
  • Ernſt Melnitzky,
  • Wilhelm Lang,
  • im 2. Wahlkörper die Herren:
  • Carl Brandhuber,
  • Joſef Engliſch,
  • Heinrich Sachs,
  • Carl Buchberger,
  • Eduard Hamburger,
  • im 1. Wahlkörper die Herren:
  • Wilhelm Nather,
  • Moritz Primaveſi,
  • Otto Hübl,
  • Julius Trenkler,
  • Franz Mader.

An Stelle des verſtorbenen Stadtverordneten, Herrn Franz Hartwich iſt im 3. Wahlkörper ein Erſatzmann für die Dauer von zwei Jahren und im 2. Wahlkörper für den nach Brünn überſie - delten Herrn Statthaltereirath und Landesſani - tätsreferenten Med. Dr. Schöfl ein Erſatzmann, ebenfalls für die Dauer von zwei Jahren zu wählen.

(Abreiſe des Corps-Commandanten nach Mähr. -Schönberg.)

Geſtern Uhr Nach - mittags erfolgte die Abreiſe Sr. Excellenz des Corpscommandanten, Freiherrn v. Reinländer nach Mähr. -Schönberg. Zum Abſchiede hatten ſich vor dem Hotel Lauer der Jaterims-Diviſionär Ge - neralmajor, Freiherr v. Pfeiffer, Herr General - major Sembratowicz, die Herren Oberſtlieute - nante v. Reichlin-Meldegg und v. Pflügl, ſowie Hr. Generalſtabsmajor Pfiffer eingefunden.

(Vierzigjähriges Dienſtjubiläum.)

Dieſer Tage feierte der Herr Oberſtlieutenant Wibiral des 81. Inſanterie-Regiments in Iglau ſein vierzigjähriges Dienſtjubiläum.

(Militäriſches)

Se. Majeſtät der Kaiſer hat die Ueberſetzung des Oberlieutenants Guſtav Szekely de Doba des 54. Inft. -Rgts. in den Activſtand der Landwehr angeordnet und denLieutenant Albert Lemberger des 1. Genie-Rgts. zum Oberlieutenant ernannt. Der Genie - Hauptmann 2. Cl. Hugo Kruvicka wurde der Genie - und Befeſtigungsbau-Direction in P[r]zemyſl zugewieſen. Ueberſetzt wurden: der Militär-Rech - nungsrath Johann Ggieglo von der Intendanz des 10. Corps zu jener des 13. Corps, der Militär-Rechnungs Off cial 1. Cl. Georg Kitz - mantel vom Stande des Reichs-Kriegsminiſteriums zur Intendanz des 10. Corps, der Hauptmann 1. Cl. Rudolph Gall des Genie-Stabs zum 1. Genie. -Rgt. und die Lieutenants Johann Schick des 51. Inft. -Rgts. und Carl Haagner des 100. Inft. -Rgts. gegenſeitig. Dem Lieutenant i. d. R. Alois Heinzel des 3. Inſt. -Rgts. (Aufenthaltsort: Drifton, Pennſylvanien) wurde die erbetene Ent - laſſung aus dem Heeresverbande bewilligt.

(Die diesjährigen Manöver)

Wie wir bereits vor geraumer Zeit gemeldet haben, wer - den heuer aus Erſparungsrückſichten große Corps - manöver nicht ſtattfinden. Selbſtverſtändlich wer - den aber Diviſions-Manöver als Abſchluß der regelmäßigen Uebungen der einzelnen Truppen - körper im Herbſte abgehalten werden und wird Se. Majeſtät einigen dieſer Schlußmanöver bei - wohnen. Bisher iſt dießbezüglich noch keine end - giltige Dispoſition getroffen worden. Se. Maje - ſtät dürfte aber, wie wir hören, einem der Ma - növer in Nordböhmen und den Schlußübungen nächſt Belovár in Kroatien beiwohnen.

(Das Sommerfeſt der Ortsgruppe Ol - mütz des Bundes der Deutſchen Nord - mähreus )

findet, wie ſchon gemeldet, am 1. Juli und falls an dieſem Tage ungünſtiges Wetter eintreten ſollte, am 5. Juli im Schieß - ſtattgarten ſtatt. Behufs Veranſtaltung dieſes Feſtes, welches zur Erinnerung an die Authebung der Robot ſtat findet, hat ſich ein Comité gebil - det, welches heute ſeine erſte Sitzung hält. Das Comité wird ſich zunächſt an den hieſigen Männer - geſangverein und an den Turnverein mit der Bitte wenden, dieſes Feſt freundlichſt fördern zu wollen. Wir ſind überzeugt, daß unſere deutſchen Vereine nicht ſäumen werden, dieſer Aufforderung bereitwilligſt nachzukommen. Ebenſo wird man die deuſchen Landgemeinden zur Theilnahme an dieſem Feſte einladen. Das eigentliche Feſtprogramm wird erſt entworfen werden und ſoll ſeinerzeit darüber nähere Mittheilung erfolgen.

(Zur Excurſion des Olmützer Gewerbe - vereines nach Wien.)

Der Olmützer Gewerbe - verein plant, wie wir in der letzten Nummer un - ſeres Blattes mittheilen konnten, eine corporative Fahrt zum Beſuche der vom niederöſterreichiſchen Gewerbevereine in Wien veranſtalteten Jubiläums - ausſtellung. Da dieſe Ausſtellung nach den über - einſtimmenden Berichten ſämmtlicher Wiener Zei - tungen und Fachſchriften Alles übertrifft, was

Noch 1556 ſchrieb der Gelehrte Pancovius in ſeinem Kräuterbuche: Dieſes Kraut macht Nieſen und Schlafen, reinigt den Gaumen und das Haupt, vertreibt die Schmerzen und die Müdig - keit, ſtillet das Zahnweh, behütet den Menſchen vor der Peſt, verjaget die Läuſe, heilet den Grind, Brand, alte Geſchwüre, Schäden und Wunden. Auf dieſe mediciniſchen Eigenſchaften des Tabaks war man durch Einen jener Zufälle verfallen, welche in der Geſchichte bekanntermaßen ihre Rolle ſpielen. Zwei Perſonen im Gefolge des im Jahre 1550 zu Liſſabon beglaubigten franzöſiſchen Ge - ſandten Nicot eben desjenigen, welcher ſich in ſo hohem Maße mit der neuen eben aus Braſilien her bekannt gewordenen Pflanze beſchäftigte, daß ſie damals nach ihm Nicotiana genannt wurde kamen auf den Gedanken, ſie als Heilmittel zu gebrauchen. Der Eine litt an Naſenkrebs, der Andere hatte ſich ſo unglücklich in die Hand geſchnitten, daß die Pulsader ver - letzt worden. Beide Curen gelangen und das Kraut hatte damit ſeine unermüdlichſten Lobred - ner gefunden. Der Ruhm desſelben ging durch alle Lande, Jeder ſuchte ſich in den Beſitz dieſer wunderkräftigen Pflanze zu ſetzen. Es gab keinen Bau[e]rnhof, wo ſie nicht gedieh, keinen Kräuter - händler, welcher ſie nicht verkaufte. Sie war das Univerſalheilmittel, welches alle Wurzeln und Sprüche, auf deren Wirkung man bisher geſchwo - ren, mit einem Male um ihren Werth gebracht hatte.

Nur hin und wieder überliefert aus jener Zeit ein Berichterſtatter die Kunde, daß dieſe Arz - neiſtande auch zur Vergnüglichkeit der Men -ſchen dienen könne, wie unſer brandenburgiſcher Chroniſt, deſſen wir zu Anfang bereits gedacht haben. Aber meiſtens ſtößt ein ſolcher Bericht ſchon auf den Unglauben Deſſen, der ihn weiter überliefert, da das Rauchen immer noch eine Sel - tenheit war, ungeheuerlich für einen Jeden, wel - cher Augenzeuge dieſes Vorganges wurde. Ein Kräuterbuch aus dem Jahre 1570 ſagt: Schiffleute, ſo aus Indien und Portugal kommen, pflegen die Blätter dieſes Krautes gedörrt oder zuſammen - gerollt in ein Töpferlein oder Röhrlein, aus Pal - menblättern gemacht, zu ſtecken und zünden ſolches an einem Ende an, ſchöpfen, ziehen oder ſaugen den Rauch oder Dampf mit dem Munde in den Leib. Solches vertreibt ihnen den Hunger oder Durſt und gibt ihnen ſolche Kraft, daß ſie ganz fröhlich darnach werden und auch darnach ent - ſchlafen, als wenn ſie von Neuem trunken wor - den. Aber beinahe gleichzeitig mit dieſer Be - liebtheit, wie ſie ſich allmälig einbürgert, begin - nen auch ſchon die Kämpfe wider denſelben. Eng - liſche und holländiſche Matroſen bringen die Art und Weiſe des Genuſſes in ihre Heimat, wo nun der Zeter entſteht, welcher Jahrhunderte hindurch andauert. Zu den ärgſten Widerſachern des Ta - bakrauchens gehörte bekanntlich Jacob I., der Sohn der Maria Stuart auf dem Throne von England. Es gab für ihn kein größeres Laſter als Schnupfen und Rauchen. In der Unterdrückung dieſer Genüſſe entwickelte er einen Fanatismus, welcher lächerlich wäre, wenn er nicht ſo viele Grauſamkeiten im Gefolge hätte. Wie er ſelbſt den ganzen Apparat ſeines Wiſſens in Bewegung ſetzte, um dieſe Speiſe des Satans zu bekäm -pfen, mußte auch auf ſeinen Befehl und in ſei - ner Gegenwart die Univerſität Oxford eine öf - fentliche Disputation über die Schädlichkeit des Tabaks veranſtalten. Uebrigens hat Hippolyt Schaufert dieſe Abneigung des ebenſo närriſchen wie bigotten Monarchen wider die harmloſe Pflanze in dem prächtigen Luſtſpiel Schach dem König auch literariſch feſtgenagelt zum Ergötzen Aller, die das Stück kennen lernen.

Aber der Kampf hält an. In der Türkei, wo der ſchläfrige Osmane neue Lebensfreude erwirbt durch den Genuß des aromatiſchen Krautes, welches ihm die Kaufleute aus Genua oder Venedig zutrugen, unterſagt Amuret IV. im Jahre 1605 das Tabakrauchen bei Todesſtrafe. Die Henker ſcheinen nicht ausgereicht zu haben, die Schuldigen in das Jenſeits zu befördern, denn wenige Jahre ſpäter ſchon glaubt der Nachfolger des Profeten ſein Ziel beſſer zu erreichen, wenn er die Raucher lieber nur lächerlich macht. Allerdings kam die am goldenen Horn übliche Doſis Barbarei hinzu, indem den Schuldigen, welche im öffentlichen Aufzuge durch die Straßen von Conſtantinopel einherſchreiten mußten, vorher Etwas durch die Naſe geſtochen worden, was nach unſeren heutigen Begriffen etwa einer Cigarrenſpitze entſprechen würde. Aehnlich verfuhr man in Rußland. Väterchen glaubte dem Genuſſe, in welchem er einen Frevel wider die Religion erblickte, nicht beſſer ſteuern zu können, als indem er es mit dem Abſchneiden der Naſen beſtrafte. Solche Verbote liegen uns vor aus den Jahren 1634 und 1650, und es iſt bezeichnend für die Verhältniſſe des ſlaviſchen Muſterreiches, daß noch heute ſtrenggläubige

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bisher auf dem Gebiete des gewerblichen Ausſtel - lungsweſens in Oeſterreich geleiſtet worden iſt, und da die Ausſtellung ein geradezu überraſchen - des Bild des emſigen und großartigen Gewerbe - fleißes nahezu des geſammten Vaterlandes ge - währt, ſo dürfte das Project dieſer Excurſion bei unſeren Gewerbetreibenden und noch mehr bei den vielen Freunden der letzteren der wärmſten Sympathie begegnen und ſich deshalb einer be - ſonders regen Betheiligung und kräftigen Förde - rung erfreuen. Wenngleich nun aber die verſchie - denen Bahnverwaltungen Oeſterreichs den gewerb - lichen Vereinen für den Fall des corporativen Beſuches der Wiener Jubiläumsausſtellung ganz namhafte Fahrpreisermäßigungen gewähren, ſo wird es dennnoch vielen ſtrebſamen Gewerbetrei - benden, welche in allererſter Linie aus dem Be - ſuche der Ausſtellung den größten Vortheil zie - hen ſollen, da ſie durch die perſönliche Anſchau - ung der mannigfachen Gewerbeproducte ſich Be - lehrung und manche Anregung zu eigenem Schaf - fen holen können, ſchwer fallen, ſich an dieſer Excurſion zu betheiligen, da ein mehrtägiger Auf - enthalt in Wien ſelbſt bei ganz beſcheidenen An - ſprüchen mit nicht unbedeutenden, für manchen braven Handwerksmann ſogar unerſchwinglichen Auslagen verbunden iſt. Damit die projectirte Excurſion nicht nur eine große, ſondern auch eine zweckentſprechende und in ihren Erfolgen eine ſe - gensreiche werde, wird es demnach eine vornehme Aufgabe der Vereinsleitung ſein müſſen, darüber rechtzeitig eingehende Berathung zu pflegen, auf welche Weiſe die Mittel zu beſchaffen wären, um einer größeren Anzahl von ſtrebſamen aber unbemittelten Vereinsgenoſſen und weiters, der Intention des Actionsprogramms des Vereines gemäß, auch einer Anzahl von bra - ven, beſonders befähigten u. tüchtigen deutſchen Ge - werbegehilfen den Beſuch dieſer in jeder Bezie - hung mannigfaltigen und lehrreichen Ausſtellung zu ermöglichen. Es dürfte ſich zu dieſem Zwecke empfehlen nach dem Beiſpiele des tüchtigen ober - öſterreichiſchen Gewerbevereines einen Aufruf an alle Freunde des Kleingewerbes zu richten, um dieſe zu veranlaſſen, dieſes Unternehmen durch Geldſpenden zu unterſtützen. Es würde wohl auch weiters von Seite der Olmützer Gemeindever - tretung und von Seite der der Olmützer Han - dels - und Gewerbekammer, welche Körperſchaften ſtets alle gewerblichen gemeinnützigen Beſtrebun - gen in der humanſten und werkthätigſten Weiſe unterſtützt haben, die Bitte des Gewerbevereines um Gewährung von Subventionen der liberalſten Gewährung begegnen. Endlich ſollte der Olmützer Gewerbeverein aus Anlaß des vierzigjährigen Regierungsjubiläums aus Vereinsmitteln einen größeren Betrag für Geldſpenden zum Beſuche der Ausſtellung ſelbſt widmen. Schließlichmachen wir noch darauf aufmerkſam, daß ſich das hieſige Excurſionscomité wegen Beſchaffung von billigen und bequem gelegenen Quartieren mit dem von Seite der Redaction der Deutſchen Gewerbezeitung in Wien (IX. Kolin - gaſſe 1) ins Leben gerufenen Actionscomité ins Einvernehmen ſetzen möge, welches Comité über - haupt alle auf die Ausſtellung Bezug habenden Schritte unentgeltlich beſorgt.

(Maturitäts-Prüfungen.)

An der hie - ſigen k. k. Staatsoberrealſchule finden die münd - lichen Maturitätsprüfungen am 30. Juni ſtatt.

(Zur Einführung der electriſchen Be - leuchtung im Olmützer Stadttheater.)

Wie ſchon erwähnt, wird mit der Inſtallirung der electriſchen Beleuchtung im Olmützer Stadtthea - ter demnächſt begonnen werden. Zuerſt wird man zur Inſtallirung der Beleuchtung der Bühne ſchrei - ten und erſt dann jene des Zuſchauerraumes vor - nehmen. Bei dieſen Arbeiten wird eine transpor - table electriſche Bogenlampe in Anwendung kom - men, welche auf Drähten befeſtigt iſt und nach allen Richtungen hin leicht bewegt werden kann. Man hofft ſchon Anfaugs Auguſt die erſte Be - leuchtungsprobe vornehmen zu können.

(Die Liedertafel des Olmützer Männer - geſangvereins,)

welche am nächſten Sonntag im Schießſtattgarten ſtattfindet, wird ſich vor - ausſichtlich eines zahlreichen Beſuches erfreuen. Herr Capellmeiſter Labler hat wie wir bereits mittheilten, für dieſe Liedertafel ein hübſches und gewähltes Programm zuſammengeſtellt, welches durch die Vorträge der Militärcapelle des 54. Inft. -Regts. noch eine Bereicherung erfahren wird. Wir können mit Zuverſicht erwarten, daß ſich unſer Publicum, bei dieſer Liedertafel, mit welcher auch die 50jährige Jubelfeier des Deut - ſchen Liedes verbunden iſt, äußerſt zahlreich ein - finden werde.

(Vom Männergeſangverein.)

Morgen Freitag, den 15. Juni findet die Hauptprobe für die am Sonntag abzubaltende Liedertafel ſtatt, wozu die Herren Sänger vollzählig erſcheinen wollen.

(Die Badeſaiſon.)

Die hieſigen Schwimm - ſchulen werden ſeit dem Eintritte der heißen Jahreszeit ſtark frequentirt. Sowohl das Frauen - bad, wie die Civilſchwimmſchule ſind von Bade - gäſten überfüllt und dieß umſomehr als ſie in dieſen Bädern allen Comfo[r]t finden und doch nur billige Preiſe zu bezahlen haben.

(Nochmals Landesſchulinſpector Kots - mich und die Narodui Liſty. )

Das Prager jungtſchechiſche Organ hat mit ſeinen Enthüllun - gen über den zum böhm. Landesſchulinſpector ernannten Director des Olmützer ſlaviſchen Gym - naſiums, Herrn A. Kotsmich, den es zum ſo - genannten Auch-Tſchechea und Germani -ſator ſtempeln wollte, kein Glück gehabt. Von allen Seiten wird unſere Behauptung, daß der neuernannte Landesſchulinſpector ein richtiger Tſcheche und niemals mit den Deutſchen gegangen ſei, beſtätigt. Selbſt der hieſige Pozor gibt dem neuen Landesſchulinſpector das Zeugniß unver - fälſchten Tſchechenthums, indem er daran erinnert, daß Herr Kotsmich bereits 1861 in einer Enquete da - für plaidirte, das ſelbſtſtändige tſchechiſche Gymnaſien zu errichten ſeien. Der Prager Čech citirt einen ihm im vorigen Jahre zugekommenen Brief Kotsmich’s, worin dieſer verkündet, daß er jederzeit ein entſchiedener Tſcheche war und noch iſt, daß er nie unpatriotiſch gehandelt habe, daß er ein Mann von ſtreng conſervativen und katholi - ſchen Grundſätzen ſei. Dieſen Umſtand haben dem Čech auch mehrere Profeſſoren des Olmützer ſlaviſchen Gymnaſiums beſtätigt. Das Märchen der Narodni Liſty , daß Herr Kotsmich ein naher Verwandter des Brünner Bürgermeiſters und Reichsrathsabgeordneten Winterholler ſei, wird vom Tagesboten aus Mähren gründlich wider - legt.

(Aeberſiedlung.)

Der autoriſirte Bergbau - Ingenieur Herr Franz Toleczek hat ſeine Ueber - ſiedlung von Müglitz nach Olmütz der competenten Behörde angezeigt.

(Schwurgerichtsſeſſion.)

Die dritte Schwur - gerichtsſeſſion des heurigen Jahres beim hie ſigen Kreisgerichte wurde geſtern beendet. Dieſelbe hat bloß 9 Tage in Anſpruch genommen. Die nächſte Schwurgerichtsſeſſion findet Anfangs September ſtatt.

(Militär-Concert im Engliſch’ſchen Re - ſtaurationsgarten.)

Heute Abend findet im Re - ſtaurationsgarten des Hrn. Engliſch, Johannallee, ein Concert der Militärcapelle des 93. Inft. -Regts. mit folgendem Programm ſtatt: 1. Raida: Kamerun - Marſch. 2. Streuß: Zigeunerbaron Ouverture. 3. Robaudi: Alla stella confidente. Sole für das Flügelhorn. Romanze. 4. Millöcker: Am Nekarſtrand aus der Oper Die ſieben Schwaben. Walzer. 5. Wagner: Fantafie aus Lohengrin. 6. J. Strauß: Soldatenſpiel aus Simplicius. Polka franc. 7. a) Ohslislo: Ein Traum Solo für die Violine. b) Ridley: Concert-Czardas Solo für die Violine. 8. Schubert: Libelle Polka Mazur. 9. Komzák: Muſikaliſche Landparthie Potpourri. 10. Ziehrer: Weaner Mad’ln Walzer. 11. a) Gounod: Entréact und Bachantentanz aus der Oper Philemon und Baucis. b) Eilenberg: Wir ſpielen Soldat charakt. Tonſtück. 12. Schubert: Neu Brünn Marſch. Wir werden erſucht mit - zutheilen, daß dieſes Concert deshalb von der Militärcapelle des 93. Inft. -Regts. veranſtaltet wird, weil die Militärcapelle des 54. Inft. -Regts. welche dasſelbe abhalten ſollte, dienſtlich verhin -

Unterthanen desſelben keinen Tabak rauchen, weil durch den Dampf die Heiligenbilder beſudelt wür - den. Menſchlicher verfuhr man ſelbſtoerſtändlich in den Ländern des heiligen römiſchen Reiches deutſcher Nation, obwohl man hier im Allge - meinen dieſelbe ſchädliche Anſicht über den Tabak hegte. Schon damals mußte ſich dieſe Pflanze eine übermäßig hohe Steuer gefallen laſſen, wenn man dabei auch von einem anderen Geſichtspuncte ausging, als dieß heute der Fall iſt. Ein Bei - ſpiel von den vielen, welche angeführt werden könnten, ſei die Verordnung, welche der Magiſtrat von Ulm im Jahre 1642 erließ: Demnach der Thawackh allhier in ſehr ſtarkem und anſehnlichen Verſchleiß kommen und ſehr viel gebraucht und verkauft wird, davon bisher nichts gereicht wird, ſo hat der Rath beſchloſſen, daß die Kramer und Andere, ſo damit handeln, außer in den Apotheken, vom Thawackh, ſo ſie verhandeln, den halben Theil darauf ſchlagen und dem Rathe widerfahren laſſen ſollen. Wie man ſieht, iſt das eine Steuer, welche gepfeffert erſcheint.

Als die weltlichen Behörden nichts ausrich - teten, legte ſich die Geiſtlichkeit ins Mittel. Man ſoll ſie darum abſolut nicht verurtheilen; ſie ſchloß ſich eben nur dem Urtheile der Zeit an, in welcher man gerade lebte; übrigens muß man hervor - heben, daß ihre Thätigkeit ſich meiſtens wider die damals mehr als heute hervortretenden Ueber - ſchreitungen im Genuße des Tabaks richtete. Da hieß es vom Rauchen in nicht unſchönem Ver - gleiche, daß es den Hals zur Feuermauer mache und für den Teufel ein Feuerwerk ſei. Einer der prächtigſten Eiferer wider den Tabak war Phi -lander von Sittenwald; er ſchlug den Ton der teſtamentlichen Moral an und bekundete damit eine ſolche ſprachliche Geſchicklichkeit, daß man ge - radezu die Propheten des alten Bundes zu hören glaubt. Als ich Menſchen ſah Tabak trinken , ſagte er, ſprach der Herr zu mir Unwürdigen: Menſchenkind, ſiehſt Du den Gräuel der Ver - wüſtung, welche ſich in der Menſchen Herz ver - borgen geſetzt und anbeten läßt als einen Gott durch das vielfältig verdammte Tabaktrinken und Schnupfen, daran ſich bald alle Menſchen durch Betrug und Liſt des Teufels gewöhnt haben, und dieſen ſtinkenden Tabaksgott ohne Unterſchied an - beten und verehren. Wo man mit ſtrengem Tadelswort nichts ausrichtere, nahm man ſeine Zuflucht zum Spott. In Wort und Bild eiferte man auf dieſe Weiſe gegen das neue Genuß - mittel, meiſt in ſo köſtlicher Darſtellung, daß wir noch heute unſere Freude haben an der ſatiriſchen Bega - bung unſer Altvordern. Eines dieſer Blätter führt die ironiſch gemeinte Ueberſchrift Tabaklogia, das iſt Lobſpruch dies edlen und in aller Welt berühmten Krautes, von deſſen Vrſprung und Ankunfft, vnterſchilicheden Gebrauch, bey allerhand Perſonen ſampt deſſelben wahren Krafft und Wirkung ; ein anderes: Crafft, Tugend und wirkung des hochnutzbarlichen Tabak, durchs A B C gezogen ſein gröblich. Man darf ſich nicht wundern, daß auch die Päpſte, dem Strom der Zeiten ſich anſchließend, gegen den Tabak eiferten. Im Jahre 1624 belegte Innocenz VIII. Diejenigen mit dem Bann, welche zu Sevilla rauchen würden. Innocenz XIII. erneuerte ihn für Alle, welche während der Meſſe in der Peters -kirche in Rom dieß Stinkkraut gepulvert in die Naſe ſtopfen . Dies Verbot reichte bis in das Jahr 1724, wo Benedikt XIII., der ſelber Gefallen am Tabak gefunden hatte, den Genuß desſelben mit der Frömmigkeit wohl vereinbar fand.

Das wären ſo einige Federſtriche aus der Geſchichte der Leiden, welche der Tabak zu beſtehen hatte, ſeit er in den Boden der alten Dame Europa verpflanzt worden. Wir wiſſen, daß ſie noch heute nicht aufgehört haben. Nur daß ſie ſich in einer anderen Art geltend machen, indem der Genuß des Tabaks heute mit einer Steuer verbunden iſt, welche ungleich hoch erſcheint im Verhältniß zu dem eigentlichen Werth, welche die großblättrige Staude beſitzt. So erſcheint ſie ge - wiſſermaßen auch wie eine Strafe, welche die genuß - ſüchtige Menſchheit dafür zu erlegen hat, daß ſie ſich das Rauchen, Schnupfen, oder Kauen des Tabaks angewöhnt hat. Was derſelbe für das Steuererträgniß der modernen Culturſtaaten be - deutet, weiß Jeder, welcher auch nur eine ganz winzige Ahnung von den volkswirthſchaftlichen Fragen beſitzt. Die Finanzminiſter aber ſollten Demjenigen, welcher zuerſt darauf verfiel, das aromatiſche Kraut als Genußmittel zu verwerthen, ein Denkmal ſetzen, welches dauernder als Erz iſt. In jedem Falle aber bleibt die Art und Weiſe, wie man den Tabak heute beſteuert und vertheuert, ein Kampf wider denſelben, welcher natürlich wieder in weiterer Inſtanz Demjenigen gelten muß, welcher auf dies beliebteſte der mo - dernen Genußmittel nun einmal nicht verzichten mag.

( Grazer Tagespoſt. )
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dert iſt, daher Herr Capellmeiſter Schubert die Subſtituirung freundlichſt übernahm.

(Vierzigjähriges Dienſtjubiläum.)

Der hieſige k. k. Finanzbezirks-Commiſſär, Hr. Alois Madl, begeht demnächſt ſein vierzigjähriges Dienſtjubiläum.

(Das Schuellfahren der Fiaker.)

In Wien hat man jetzt energiſche Mittel ergriffen, um dem Schnellfahren der Fiaker vorzubeugen. Nachdem die Einhebung der Geldſtrafen von Seite der übermüthigen Roſſelenker nicht gefruch - tet hat die Strafe wurde zumeiſt von dem C[a]valier oder Finanzmann, der im Wogen ſaß, berappt wird man die Kutſcher von nun an nicht mehr zu Geldſtrafen, ſondern zu Arreſtſtra - fen verurthe[i]len und die Eigenthümer des be - treffenden Wagens mit dem Fahrverbote belegen. Der bei den Schnellfahrer - Verhandlungen als öffentlicher Ankläger fungirende Vertreter der Staatsanwaltſchaft wird in allen Fällen auf Ver - hängung einer Aereſtſtrafe plaidiren, und wenn eine Geldſtrafe verhängt wird, dagegen die Be - rufung anmelden. Das Bezirksgericht wird dem Wunſche der Staatsanwaltſchaft um ſo eher Rech - nung tragen, als die Anzahl der Schnellſahrer - Verhandlungen in wahrhaft erſchreckender Weiſe ge - wachſen iſt. Nachdem ſich in Olmütz ebenfalls die Herren Roſſetenker das Vergnügen machen, Schnell - fahrten zu veranſtalten und dadurch die Paſſanten in Gefahr zu bringen, ſo wäre es nur angezeigt, wenn das hieſige k. k. ſtädt. deleg. Bezirksgericht bei Schnellfahcer-Verhandlungen die ſcharfe Wiener Praxis annehmen und zur Verhängung von Arreſtſtrafen ſchreiten würde. Auch ſollte von Seite der Polizei verlangt werden, daß jeder Kut - ſcher, ehe derſelbe zu Fahrten zugelaſſen wird, eine Prüfung darüber abzulegen habe, daß er auch fahren könne und ſollten ein für allemal verboten werden, daß der Kutſcher, während der Fahrt, den Glimmſtengel im Munde hält.

(Selbſtmord.)

Geſtern Abends, gegen 8 Uhr, hat die Gattin des hieſigen Möbelhändlers, Herrn Waſſervogel, Frau Emma Waſſervogel, in ihrer Wohnung in einem Anfalle von Irrſinn durch Erſchießen ihrem Leben ein Ende gemacht. Die unglückliche Frau, welche bereits längere Zeit hindurch an Trübſinn litt, war erſt jüngſt aus einer Wiener Privatheilanſtalt, in der ſie ſich befand, angeblich geheilt entlaſſen worden und hieher zurückgekehrt. Für den vom Schickſale ſo ſchwer getroffenen Gatten, gibt ſich allgemeine Theilnahme kund.

(Gefunden.)

Am hieſigen Poſtamte wurden vor einiger Zeit ein Stock zurückgelaſſen und kann daſelbſt vom Eigenthümer in Empfang ge - nommen werden.

(Die k. k. Officiere der Kriegsſchule)

werden in den Monaten Juni bis Auguſt l. J. theilweiſe auch in Böhmen practiſche Uebungen vornehmen und beabſichtigen dieſelben nach Durch - führung der tactiſchen Uebungsreiſen noch die Schlachtfelder Böhmens zu beſichtigen.

(Hunde-Streitung.)

Der ſtädt. Waſen - meiſter veranſtaltete heute Morgens eine Strei - fung nach markenloſen Hunden. Im Ganzen wurden 10 Hunde ohne Marken betroffen und eingefangen.

(Verheerendes Gewitter.)

Aus Laſchkau wird geſchrieben: Am 7. d. ging über unſere Gegend ein heftiges Gewitter mit Hagelſchlag nieder. Der Blitz ſchlug in ein Gebäude der Ortſchaft Luderžow und zündete; in und um Laſchkau wurden die Felder ſo ſtark beſchädigt, daß viele Saaten ein - geackert werden müſſen. Der Blitz ſchlug in ein Stallgebäude des herrſchaftlichen Oeconomie-Pächters, verletzte ein Pferd und lähmte einen Mann an der Hand. Weiters fuhr ein Blitzſttahl in den herrſchaft - lichen Teich und tödtete viele Fiſche, außerdem wurden die Wege zerſtört und die Felder mit Ge - rölle bedeckt. In der herrſchaftlichen Brauerei ſtand das Waſſer fußhoch. Nur dadurch, daß die herr - ſchaftlichen Teiche viel des Waſſers aufnahmen und der ſolide Bau der Dämme den Durchbruch der Gewäſſer verhinderte, wurde eine große Ueberſchwem - mung verhütet.

(Exploſion.)

Man meldet aus Mähriſch - Oſtrau unterm 12. Juni: Heute Vormittags er - folgte auf dem hieſigen Nordbahnhofe beim Ausladen einer Partie Frictionszünder für Sprengzwecke die Exploſion einer Kiſte dieſer Zünder, ohne glücklicher - weiſe weiter um ſich zu greifen, was bei der großen Menge der vorhandenen Exploſionsſtoffe leicht ge -fährliche Dimenſionen hätte annehmen können. Drei Arbeiter wurden verletzt, jedoch nicht lebensgefährlich.

Vom Tage.

(Das Krouprinzenpaar in Bosnien.)

Aus Sarajevo, 13. Juni wird gemeldet: Bei herrlichſtem Wetter unter brauſenden Zurufen der geſammten Bevölkerung iſt das Kronprinzenpaar ſoeben in Bosniens glänzend geſchmückter Haupt - ſtadt eingetroffen. Vom Bahnhofe bis in die Stadt, eine halbe Meile lang, bildete das Mili - tär, die Vereine, die Beamten, Zöglinge des Mi - litärpenſionats, Schüler aller Confeſſionen und die Bevölkerung in den intereſſanteſten National - trachten ein dichtes Spalier. Vierundzwanzig Ka - nonenſchüſſe vom Caſtell verkündeten die Ankunft des Zuges im Bahnhofe. Auf dem Perron hat - ten ſich die Da en der höheren Functionäre, die Beamten, der Gemeinderath, die fremden Wür - denträger, die Stabsofficiere und die höhere Geiſt - lichkeit eingefunden. Der Kronprinzeſſin Stefanie, welche blühend ausſah und ein roſa Kleid mit weißen Sternen trug, wurde von Fräulein v. David ein Blumenbouquet überreicht. Die Kron - prinzeſſin ſprach dann die Damen an, welche ihr vorgeſtellt wurden, während der Kronprinz vom Bürgermeiſter Muſtapha Beg Fadil Paſic in bos - niſcher Sprache begrüßt wurde. Der Kronprinz antwortete deutſch, daß es ihn freue, Bosniens Hauptſtadt zu ſehen. Regierungsrath Hörmann überſetzte die Rede ins Bosniſche. Nachdem der Kronprinz noch einige Worte mit Erzbiſchof Stad - ler, Metropolit Nikolajevic und der Oberin der Schweſtern von Sacré Coeur gewechſelt, wurden die Wagen beſtiegen. Zuerſt fuhr der Bürger - meiſter, dann folgte ein großes berittenes Ban - derium bosniſcher Begs und reicher Serben, zum Theil mit prächtigen Waffen und auf reich orien - toliſch geſchirrten Pferden, dann folgten das Kron - prinzenpaar und Erzherzog Otto, das Gefolge und die Deputationen. Der Zug ging bis zum glänzend geſchmückten Gebäude der Landesregierung in der Cemaluſaſtraße, wo das Abſteigequartier ge - nommen wurde. Der Einzug glich einem Triumph - zuge. Wie Donner hallten die Hoch - und Zwio - Rufe durch die Straßen; dem ganzen Empfange ſah man an, daß das Herz des Volkes dem Kronprinzen entgegenjuble. Hauptſächlich die Mo - hamedaner waren zu Tauſenden erſchienen. Nach kurzer Ruhe verkündete Glockengeläute den Be - ſuch des ſerbiſchen Domes, worauf der Beſuch der Begowa Dſchamija und der katholiſchen Ca - thedrale und die Rundfahrt durch die Stadt folgte. Vom geſtrigen Tage wäre bezüglich der Fahrt von Banjaluka nach Gradiska zu er - wähnen, daß in Maglaj am Verbas die Vertre - tungen der italieniſchen und Tiroler Colonie und der deutſchen Colonie bei Maglaj, Windthorſt , erſchienen waren. In Gradiska wurde der ge - ſchmückte Dampfer Kulpa beſtiegen, mit dem die Fahrt bis Sikovac angetreten wurde, das ſich beſonders prächtig herausgeputzt hatte. Die Ufer - bevölkerung begrüßte überall enthuſiaſtiſch das Kronprinzenpaar. In Siekovac erwarteten Mini - ſter Kallay und Sectionschef Janſekovic das hohe Paar. Die Bahnfehrt verlief Nachts ohne Anſtand. In Doboj, wo die Höhen pracht - voll beleuchtet waren und das alte Caſtell, wel - ches illuminirt war, einen prächtigen Anblick bot, fand ein kurzer Aufenthalt ſtatt.

(Das Befinden des deutſchen Kaiſers.)

Die Lage iſt ernſt, ſehr ernſt geworden; daran iſt jetzt leider kein Zweifel mehr. Die Er - holungspauſe, die vorgeſtern Morgen dem ſchwer - kranken Kaiſer gegönnt war, erwies ſich als von nur ſehr kurzer Dauer. Die wiederholten Verſuche, die geſunkenen Kräfte des hohen Patienten durch flüſſige Nahrung zu heben, führten, wie das Berliner Tageblatt meldet, zu keinem genügenden Reſultat; Schluckbeſchwerden und Huſtenreiz ſtärkſten Grades verhinderten die Er - nährung auf natürlichem Wege. In Folge deſſen wurden dem Kaiſer ſtärkende Nahrungsmittel in flüſſiger Form mittels der Schlundſonde direct in den Magen geführt und ſo mindeſtens bewirkt, daß die Entkräftigung nicht allzu raſche Fortſchritte mache. Der hohe Patient verweilte noch einige Male für kurze Zeit auf der Schloßteraſſe, ſchlief auch Nachmittags einige Zeit und zeigte nach der Nahrungsaufnahme einige Kräftigung. Bald aber trat das Fieber in erhöhtem Grade auf, und Se. Majeſtät mußte ſich wieder zu Bette begeben. Beider Abend-Conferenz der Aerzte zeigte ſich der Puls raſch und ſchwach, das Fieber hochgradig, Kräftezu - ſtand und Allgemeinbefinden ſehr wenig befriedigend. An der Abend-Conferenz nahmen außer den ſtändig um den Kaiſer beſchäftigten Aerzten auch die Pro - feſſoren Krauſe und Leh〈…〉〈…〉 en Theil. Profeſſor Bardeleben wurde noch für ſpäter erwartet und dürfte wohl die Nacht über im Schloſſe bleiben. Geſtern eingetroffene Nachrichten aus Schloß Friedrichskron lauten ebenſo beunruhigend. Auch hiernach iſt die Lage ſehr ernſt, und mit höchſter Beſorgniß ſehen die behandelnden Arzte den nächſten Tagen entgegen. Das Fieber war am vorgeſtrigen Abend ſehr ſtark; nach den Schling - beſchwerden, welche am ganzen verfloſſenen Tage unvermindert fortdauerten, iſt die Speiſeröhre ſtark afficirt, doch konnte immerhin noch nicht feſtgeſtellt werden, ob das Grundübel auf dieſelbe übergegriffen hat. Der hohe Patient hatte trotz dieſes Zuſtandes kurze Zeit am Tage im Freien zugebracht; auch wurde demſelben eine flüſſige Nahrung zugeführt. Der ganze Zuſtand hat einen beträchtlichen Kräfteverluſt zur Folge gehabt. Eine um Mitternacht aus Potsdam kommende Meldung conſtatirt, daß in dem Befinden des Kaiſers eine weitere, wenn auch nicht allzu be - deutende Verſchlimmerung eingetreten ſei, und daß die behandelnden Aerzte ſchon für die nächſte Zeit in ſehr großer Beſorg - niß ſind. In Friedrichskron ſind die Aerzte Mackenzie, Wegener, Bardeleben und Hovell bei dem hohen Patienten.

Die Königin und der Prinz von Wales er - hielten Telegramme von Mackenzie, wonach der Kaiſer höchſt bedenklich rückfällig geworden. Der Prinz von Wales iſt bereit, jeden Augenblick nach Berlin zu reiſen. Derſelbe ſollte heute mit feier - lichem Prunke dem Ascot-Wettrennen beiwohnen, hat aber ſeine Theilnahme, nachdem das Tele - gramm von Mackenzie eingetroffen, abgeſagt. Sämmtliche Feierlichkeiten, verbunden mit dem Ascot Tag, unterblieben. Graf Hatzfeldt hatte eine lange Audienz bei Salisbury, dem er das letzte aus Berlin eingetroffene Bulletin mittheilte.

(Einquartierungs-Schwindel.)

Vor den Prager Geſchworenen begann geſtern ein ſenſa - tioneller, für nicht weniger als drei Wochen an - beraumter Betrugsproceß, in welchem ein ſehr bekannter Hotelier, Wenzel Povolny, noch heute Beſitzer des Hotels Zum Kaiſer von Oeſterreich in Prag und der durch Selbſtmord geendete Platzhauptmann, Franz Ludwig, die Hauptrolle ſpielen. Der Erſtere iſt angeklagt des Verbrechens des Betruges, begangen da[d]urch, daß er viele Jahre hindurch im Einverſtändniſſe mit dem ge - nannten Platzhauptmanne Tranſennalgebühren für nichtbequartierte Officiere behob und dadurch die Prager Stadtgemeinde um viele Tauſende Gulden in frauduloſer Weiſe ſchädigte. Am 16. März 1886 kam dieſe unlautere Manipulation an’s Tageslicht und wenige Tage ſpäter, am 23. März wurde Platzhauptmann Ludwig in ſeinem Bureau als Leiche aufgefunden; er hatte ſeinem Leben durch einen wohlgezielten Revolver - ſchuß ein Ende gemacht. Man betrauerte allge - mein das tragiſche Ende dieſes ebenſo ſtadtbe - kannten und überall hochgeachteten Officiers und erging ſich in den ſeltſamſten Vermuthungen über die Motive des Selbſtmordes. Bald jedoch ſollte das myſteriöſe Dunkel geklärt werden, indem eines ſchönen Tages der Hotelier Povolny zum Strafgerichte vorgeladen und ſofort dort behalten wurde. Die Anzeige von den betrügeriſchen Mani - pulationen des Hoteliers Povolny geſchah durch einen von dieſem entlaſſenen Diener. Dieſer ſagte zu einem gewiſſen Schuhbießer, daß in dem Hotel in manchen Monaten nur zwei bis drei Officiere einquartiert ſeien, daß aber Povolny die Ein - quartierungsgebühren für viele Officiere erhalte und einſtecke. Bekanntlich hat die Gemeinde die Koſten für die Durchzugs-Einquartierung der Armee-Angehörigen zu tragen, ſo daß durch derlei betrügeriſche Machenſchaften nur ihr ein Schade erwächſt. Es lag der Verdacht nahe, daß Platz - hauptmann Franz Ludwig, welcher die Einquar - tierungs-Anweiſungen auszufüllen hatte, mit Po - volny zum Schaden der Gemeinde im Einver - ſtändniß gehandelt habe, daß nämlich Ludwig auch auf die Namen ſolcher Officiere, von denen er wohl wußte, daß ſie bei Povolny nicht einquar - tiert werden, Anweiſungen ausſtellte, und daß Povolny dieſelben annahm, obwohl er wußte, daß ſie falſch ſeien. Die Affaire wurde dem Bürger -[6]meiſter Herrn Waliſch angezeigt und ſodann das Militärgericht hievon verſtändigt. Es wurde ſicher - geſtellt, daß Povolny die Gemeinde zum Schaden der Steuerträger um 28.815 Gulden verkürzt habe, daß der genannte Hauptmann Anweiſungen für Officiere ausgeſtellt habe, von denen er wußte, daß ſie bei Povolny nicht wohnen werden, über - haupt gar nicht in Prag geweſen, ja ſogar gar nicht exiſtirt haben.

(Blumen für Kaiſer Friedrich.)

Die Polizeibehörde von Potsdam hat Veranlaſſung genommen, eine Verordnung gegen das Werfen von Sträußen in den Wagen des Kaiſers zu erlaſſen, wobei zugleich auch die Ueberreichung von Bittſchriften auf dieſem Wege verboten wurde. Um aber der Bevölkerung die Freude, auch durch Blumenſpenden ihre Liebe zu beweiſen, nicht ganz zu nehmen, hat der Kaiſer angeordnet, daß der Kutſcher ſeines Wagens, ſobald er oder der auf dem Bock ſitzende Leibjäger bemerken, daß Per - ſonen die Abſicht haben, dem Kaiſer Blumen zu widmen, langſam fahre, die Betreffenden an den Wagen herantreten und dem Leib - jäger oder Kutſcher dieſelben überreichen kön - nen. Wir heben, ſo ſchreibt die Voſſiſche Zeitung , dies hervor, weil jene polizeiliche Verordnung bisher die Folge hatte, daß ſelbſt Perſonen, die an den Kutſcher Blumen für den Kaiſer überreichen wollten, von den dienſt[t]huen - den Polizeibeamten daran gehindert wurden.

(Mißbrauch der Kirche zu tſchechiſchen Wühlereien.)

Der nachſtehende Vorfall, welcher der Bohemia aus Neuern berichtet wird, wirft auf die nationalen Zuſtände in Böhmen ein grelles Licht; er zeigt namentlich, bis zu welchem Höhegrade Unduldſamkeit und Haß gegen die deutſche Bevölkerung bei einem Theile der katho - liſchen Geiſtlichkeit bereits geſtiegen ſind. Dieſe Claſſe von Prieſtern trägt gar kein Bedenken mehr, ſelbſt die katholiſche Kirche der tſchechiſchen Wühlerei dienſtbar zu machen. Der erwähnte Bericht aus Neuern vom 9. d. lautet:

Die zum Gerichtsbezirke Neuern gehörigen zum weitaus größten Theile deutſchen Ortſchaften Spiels und Krotiv ſind zu der Pfarre Droſau eingepfarrt. Vor einigen Jahren ſtiftete eine fromme Jungfrau aus Spiels, Namens Barbara Friſch, für die Droſauer Pfarrkirche einen ſogenannten Kreuzweg mit einem Aufwande von 400 bis 500 fl., welche Spende von dem damaligen Pfarrer Czerny trotzdem die Inſchriften auf den Kreuzwegbildern deutſch waren dankbarſt ange - nommen wurde. Dieſe deutſchen Inſchriften brach - ten aber das Blut der Droſauer Hoch - und Mittelſchüler in heftige Wallung und Pfarrer Götz, der Nachfolger Czerny’s, beeilte ſich, dieſer Stimmung Rechnung zu tragen, indem er für einen tſchechiſchen Kreuzweg eine Sammlung ein - leitete, die ſich auch auf die Droſauer Iſraeliten erſtreckte. Die Spenden liefen ſpärlich ein und ſo wollte denn Pfarrer Götz nach bekannten Prager Muſtern ohne vieles Aufſehen lediglich die deutſchen Inſchriften auf den Kreuzwegbildern durch ſolche in tſchechiſcher Sprache erſetzen laſſen. Dagegen verwahrte ſich aber der Vater der mitt - lerweile nach Amerika ausgewanderten Spenderin energiſch und ſo wird denn rührig weiter ge - ſammelt, um ganz neue tſchechiſche Kreuzwegbilder anſchaffen zu können. Dieſe ſollen aber nicht, wie man erwarten würde, neben den bisherigen Bildern aufgehängt werden, nein, die letzteren, weil deutſche Inſchriften enthaltend, ſind fortan dem tſchechiſchen Banne verfallen und ſollen den neuen Bildern weichen, das heißt, ſie ſollen dann einfach ent - fernt werden. Das iſt denn doch den Spielſern etwas zu ſtark und dieſelben bereiten Petitionen an das biſchöfliche Conſiſtorium und den Patro - natsfürſten von Hohenzollern-Sigmaringen vor, um einem ſolchen Mißbrauche einer Kirche zu rein tſchechiſchen Zwecken rechtzeitig vorzubeugen. Das einzig erfreuliche Moment in dieſer Sache iſt der Umſtand, daß durch die in derſelben an den Tag getretene Tendenz das Nationalgefühl der Spielſer Bevölkerung mächtig erregt wurde und daß man ſich dort mit der ernſten Abſicht trägt, die Aus - ſcheidung aus dem Pfarrſprengel Droſau und Zu - weiſung zu jenem von Depoldowitz anzuſtreben.

(Sie allein haben geholfen.)

Graz (Stei - ermark) Eggenberger Allee. Ew. Wohlgeboren! Ich gebrauchte die Apotheker Richard Brandts Schwei - zerpillen gegen Kopfleiden, denn ich leide ſeit Jah - ren an Blutandrang nach dem Kopf; mir wird oft beim nach vorwärts beugen z. B. beim etwas auf - heben ganz ſchwarz vor den Augen und im Kopfverſpüre ich einen ſtechenden Schmerz und ein Brauſen. Seitdem ich aber Schweizerpillen gebrauchte, hat ſich mein Leiden ſehr verringert, ich habe einen ru - higen Schlaf, welcher früher meiſt ſehr unruhig und durch ſchwere Träume derart gequält war, daß ich oft ermüdeter aufſtand, als ich mich niedergelegt halte. An Appetit hat es auch ſehr gemangelt, wel - cher jetzt ein ſehr geſunder iſt. Johann Bellak, Werkführer. Die Apotheker Rich. Brandts Schwei - zerpillen ſind in den Apotheken á Schachtel 70 kr. vorräthig, doch achte man genau auf das weiße Kreuz im rothen Felde und den Vornamen.

(Abgefertigt.)

Einſt ſaß der berühmte Kliniker Frerichs in einer vornehmen Geſellſchaft neben einer ebenſo ſchönen wie gebildeten Künſt - lerin, welche, das Angenehme mit dem Nützlichen verbindend, ihren Tiſchnachbar über ein Magen - leiden interviewte , von welchem ſie ſeit Jahren gequält würde. Bei der Beſchreibung ihrer Be - ſchwerden, welcher Frerichs, wie es ſein Art war, ſtumm zuhörte, wählte die Künſtlerin zwar korrekte, aber für die Gelegenheit und Stimmung nicht gerade angemeſſene Ausdrücke, weil ſie ihren Zuſtand dem berühmten Profeſſor recht deutlich zu machen wünſchte. Frerichs merkte die Abſicht und wußte ſich zu helfen. Als die Künſtlerin endlich die Frage an den großen Meiſter richtete, wie ihr zu helfen ſei, und mit ängſtlicher Erwartung an den Lippen ihres ſtillen Nachbarn hing, wel - che ſich nach ihrer Meinung nun zu einer aus - führlichen Ordination öffnen ſollten, ſagte der Konſultirte: Mein gnädiges Fräulein, Ihr Zu - ſtand iſt ein derartiger, daß ich Ihnen entſchieden empfehle, ſich in die Behandlung eines tüchtigen Arztes zu begeben.

(Eine ſeltſame Entführung.)

Aus Paris wird geſchrieben: Vor etwa zwei Monaten ver - ſchwand ein 15jähriges Mädchen aus gutem Hauſe, deſſen Eltern am Boulevard Haußmann wohnen. Man ſuchte überall, in der Morgue und in der Seine, aber von der Verlorenen entdeckte man keine Spur. Geſtern ſtellte ſich Lucile B. um die Frühſtücksſtunde bei ihren Eltern ein, in denſel - ben Kleidern, die ſie vor ihrem Verſchwinden ge - tragen, etwas blaß und leidend ausſehend. Das halb ſchwachſinnige Mädchen erzählte nun auf die an ſie geſtellten Fragen, ſie hätte den Drohun - gen einer ehemaligen Kammerfrau gehorcht und wäre mit ihr und einem Manne nach Trouville gegangen, wo die Familie B. eine Villa beſitzt. Der Hüter derſelben öffnete bereitwillig, als er die Tochter ſeiner Herr - ſchaft mit der ihm bekannten Kammerfrau ſah, und nun wurden dort die paar Wochen verlebt, bis die Zofe und ihr Liebhaber eines ſchönen Morgens das Mädchen in dem ausgeplünderten Hauſe zurückließen. Erſt jetzt unterrichtete Lucile, welche durch Drohungen in ſteter Furcht erhalten worden war, den Hüter der Villa von dem wah - ren Sachverhalt und ließ ſich von ihm das er - forderliche Geld zur Heimkehr geben.

(Aeußerſtes Zugeſtändniß.)

Richter: Nun, Fräulein, wie alt ſind ſie? (Keine Antwort.) Wie alt ſind Sie? Fräulein: Nun, drei - ßig! Richter: Wieviel dreißig? Fräu - lein: Nun, in die dreißig! Richter: Wiſ - ſen Sie was, ich will 39 ſchreiben dann kön - nen Sie aber zufrieden ſein!

Telegramme.

(Orig. -Telegr. des Mähr. Tagbl. )

Bei Hofe werden eifrige Vor - bereitungen für die Reiſe des Kaiſers nach Mittel - und Süd-Rußland getroffen. Der Stellvertreter des Miniſters des Innern und Chef der Polizei, General-Adjutant Durnowo, hat ſich geſtern nach Moskau begeben, um dort die nöthigen Sicher - heitsmaßregeln anzuordnen.

Heute iſt hier aus Moskan der dortige Höchſt - commandirende, General-Adjutant, Graf A. J. Brewernde-Lagardi eingetroffen, um den Kaiſer zu begleiten. Die Details der Reiſe, ſowie der Tag der Abreiſe des Kaiſers werden ſtreng ge - heim gehalten.

Fremdenliſte. (Hotel Birne.)

Hugo Stasuy Kfm. Wien. S. Rubin, Rſdr. Wien. Albert Gulemann, Rſdr. Trieſt. S. Kornblich, Rſd. Prag. Armin Wercz, Kfm. Wien E. Rebenfeld, Rſd. Prag. Alois Kors, Rſd. Prag. J. Spielmann, Rſd. B[r]ünn. Alois Dubsky, Rſd. Prag. N. Adler, Rſd. Wien. A. Fuchs, Rſd. Wien.

Bund der Deutschen Nordmährens

Einladung zu der Sonntag, 17. Juni 1888, Nachm. 2 Uhr, in Hohenſtadt, im Saale des Gaſthofes Ilgner ſtattfindenden II. Haupt-Verſammlung des Bundes der Deutſchen Nordmährens.

Tagesordnung:

1. Bericht der Bundesleitung: a) des Ge - ſchäftsleiters, b) des Zahlmeiſters.

2. Bericht des Aufſichtsrathes.

3. Anträge: a) der Bundesgruppen, b) der Bundesleitung.

4. Wahlen: a) von ſechs Mitgliedern in die Bundesleitung, b) von fünf Mitgliedern in den Aufſichtsrath, c) von fünf Mitgliedern in das Schiedsgericht.

Abends um 8 Uhr findet im Saale des Gaſthofes Ilgner eine Feſtkneipe ſtatt, zu der die Herren Vertreter, Gäſte und Bundesmitglieder eingeladen werden.

Mit deutſchem Gruß und Handſchlag! Die Bundesleitung: Hermann Braß, Obmann.

Joſef Jöhner, Schriftführer,

Cheodor Knaute, Geſchäftsleiter.

Telegraphiſcher Coursbericht des Telegraphen-Correſpondenz-Bureau vom 13. Juni 1888.

Rente, Papier ..79.
Ung. Papierente 5%86.50
Ung. Goldrente 4%98.72
5% Papierrente.94.
Silber-Rente ...80.90
1874. Wiener-Loſe136.25
Ung. Prämien-Loſe126.
Theiß-Loſe ...125.
Anglo-öſterr. Bank107
Wiener Bankverein90.
Credit-Actien ..282 45
Ung. Credit-Actien280.50
Länderbank ...212.50
Unionbank ...198.75
Nordbahn ...253.
Staatsbahn ..225.80
Südbahn ...83.75
Elbethal ....163.25
Nordweſtb. lit. A158 50
Carl-Ludwigsb.201.25
Lupkower ...161.
London ....126.50
Napoleon ...10. 02·5
Reichs-Mark ..62.02

(Getreide-Preiſe)

in der königl. Hauptſtadt Olmütz am Wochenmarkt den 13. Juni 1888. Weizen pr. Hectoliter 6.54, 6.75, 6.93, Korn, 4.87, 5.20, 5.49, Gerſte . , . , . , Hafer, . , 2 57, . , Proſſo. , . . , Erbſen . , . , . . Linſen . , . , . , Wicken . , . , . , Klee - ſamen . , . , . , Leinſamen . , . . , Mohn, 12 48, 12 97, 13.20, Heu, 100 Kilo . , 3.80, . . Stroh, ein Schock . , . , Stroh 100 K. . 2.21, .

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Herausgeber und verantworklicher Redacte[ur]Wilhelm Seethaler. Druck von Joſef Grak in Olmutz.

About this transcription

TextNr. 136, 14.06.1888.
Author[unknown]
Extent8 images; 9639 tokens; 4003 types; 74148 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T15:49:55Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T15:49:55Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T15:49:55Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationNr. 136, 14.06.1888. . Jakob RiemerCzernowitz1888. Mährisches Tagblatt

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; mkhz2

Editorial statement

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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