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Telephon 1828.

VIII. Jahrgang. Wien, Dienſtag, 22. Jänner 1901. Nr. 18.

Königin Virtoria von England

liegt im Sterben. Das war eine Frau! Und ſie ſoll nicht mehr ſein? Das war eine Königin, und ſie ſoll nicht mehr den Thron Englands zieren? Zweiundachtzig Jahre des Lebens hat der Herr dieſer Frau gegeben, und auf dreiundſechzig Jahre König - thum kann ihr brechendes Auge zurück ſchauen, und dieſes Auge ſoll ſich jetzt auf immer ſchließen? Eng - lands Größe iſt ihre Größe und England ward groß. weil es eine ſolche große Königin beſaß. Victoria von England war als Frau Königin und als Königiu Frau das iſt das Porträt ihres Charakters. Daß ſie das Ideal einer conſtitutionellen Königin war, iſt die Größe dieſer Frau, und daß ſie das Ideal einer Frau war, die Größe dieſer Königin. Man kann ſich England gar nicht mehr denken ohne ſie, wie wir uns Oeſterreich kaum denken können ohne Franz Joſef I. Und doch regiert er erſt 52 Jahre, ſie aber führt das Scepter Großbritanniens ein ganzes Jahrzehnt länger als er. Und erſt Englands Volk! Wie verehrte es dieſe Königin, die ihm als Frau faſt noch näher dem Herzen ſtand denn als Königin? Ein Vorbild weiblicher Tugend und aller Tngenden einer conſtitutioncllen Herrſcherin leuchtete ſie von der ſteilen Höhe des Thrones hernieder, und mit ihrem Volke denkend und fühlend, ſtand ſie doch mitten unter ihm, die größte Engländerin. Sie hat England groß gemacht. Als die jugendliche Königin Victoria im Jahre 1837 den Thron be - ſtieg, ſtreckte ſie ihr Scepter aus über ein Reich von 2,700.000 engliſchen Quadratmeilen mit 139,400.000 Einwohnern. Heute ängſtigen ſich um ihren Tod nahezu 400 Millionen ihrer Unter - thanen in dem britiſchen Reiche, das zu einem Um - fange von beinahe 11 Millionen Quadratmeilen ſich erweitert hat. Englands Landbeſitz hat ſich in den ſechs Jahrzehnten der Regierung Victorias alſo faſt vervierfacht, und die Zahl ihrer Unterthanen hat ſich verdreifacht. Daß die engliſche Politik des Länder - erwerbes vor dem Forum der öffentlichen Moral nicht in Allem einwandfrei daſteht, dafür die Königin verantwortlich zu machen, geht wohl nicht an; iſt doch die Verantwortlichkeit einer Königin in England ganz beſonders eingeengt durch eine ihr Wirken in den engſten Pflichtkreis bannende Conſtitution. Und das wird ihr ja Englands Volk noch in das Grab hinein nachrühmen, daß ſie, ob die politiſchen Richtungen der Cabinette und Parteien ſich noch ſo ſehr ablöſten, ob Whigs oder Tories in der Herrſchaft ſich folgten, ob conſervativ oder liberal Trumpf war, die Königin das Princip der Einigkeit der Nation und der freiheitlichen Ent - wickelung verkörperte. Es wäre unſtatthaft auch am Todesbette dieſer großen Herrſcherin, alles, was unter ihrer Regierung in England geſchah und von England unternommen wurde, hochzupreiſen oder auch nur zu eutſchuldigen. Die moderne Politik des nackten Egoismus kein Staat hat ſie ſo zum Princip erhoben und in die Praxis umgeſetzt wie England. Der Ausrottungs-Krieg gegen Transvaal ſteht ja dafür heute vor Aller Augen als Zeuge mit blutüberſtrömten Händen da. Wie weit aber die Ver - antwortlichkeit der Königin für all dies vor dem Throne der ewig waltenden Gerechtigkeit reicht, wer wagte das zu entſcheiden? Ihrem milden Herzen, das ſo ganz ein Frauenherz war, entſprach eine ſolche[P]olitik gewiß nicht; und wer weiß, ob nicht dietraurigen Nachrichten von dem nicht endenwollenden blutigen Kriege in Transvaal ſich auf ihr Gemüth gelegt und ſie jener düſteren Schwermuth überliefert hatten, die ſie in der letzten Zeit befiel, ſo daß man ſie oft heimlich weinend fand, und ob nicht dieſer Seelen - ſchmerz die Urſache der Schwächung ihrer ſonſt ſo ausdauernden Körperkräfte war, welche ſie an die Schwelle des Todes gebracht.

Das war eine Königin, die das Königthum würdig repräſentirte, die ihres Volkes Wohl vor allem im Auge hatte, da ſie es im Herzen trug, die als Herrſcherin war eine Frau, hilfreich, milde und gut und von jener vorbildlichen Reinheit, die ihr, ob ſie auch mehrfach Mutter war, eher den Titel der jung - fräulichen Königin verdient hätte als jener Eliſabeth. Unzählig ſind die Geſchichten, die im engliſchen Volk über ihre Gutherzigkeit und ihr echt menſchliches, ganz frauenhaftes Mitleid mit des Volkes Leid cur - ſiren. Wie ſie ſchon als kindliche Prinzeſſiu den Kna - ben, der das Unglück hatte in der Nähe von Wool - bridge-Cottage beim Spatzenſchießen dicht über ihr Haupt hinwegzuſchießen, ſtatt angedrohter Peitſchen - hiebe mit einem Kuſſe ihrer kindlichen Lippen für die ausgeſtandene Furcht entſchädigte, ſo zeigte ſich ihr gutes Herz auch als Königin. Als ihr der zwiſchen England und Madagaska[r]abzuſchließende Handels - vertrag zur Unterſchrift vorgelegt wurde, bemerkte die Königin, daß darin keinerlei Maßregel für die Sicherheit des Lebens der Chriſten, ihrer Unter - thanen vorgeſehen ſei. Ich fürchte , erwiderte der Miniſter, eine ſolche Clauſel wird nicht angenommen werden, da das Volk fanatiſch und blutdürſtig iſt. Wir wollen einmal ſehen , ent - gegnete Victoria und ſchrieb auf den Rand des Do - cumentes: Königin Victoria verlangt als perſön - liche Gunſt für ſich ſelbſt, daß die Königin von Madagascar keine Verfolgung der Chriſten geſtattet. Als der Vertrag zurückkam, enthielt er die nachſtehen - den Worte: In Uebereinſtimmung mit dem Wunſche der Königin Victoria verpflichtet ſich die Königin von Madagascar, keinerlei Chriſtenverfolgungen in ihrem Reiche zu geſtatten.

Und ſo war es auch das liebevolle und den inneren Frieden ihres Volkes über Alles ſchätzende Herz dieſer edlen Frau und Königin, der die Katho - liken des proteſtantiſchen England die freie Aus - übung ihrer Religion, die ungehinderte Thätigkeit ihrer Orden nnd Congregationen, den unge - ahnt ſo raſch ſich entfaltenden Aufſchwung katholiſchen Kirche verdankten.

Wie England in ſocial - und wirthſchaftlicher Beziehung unter ihrer Regierung vielfach vorbildlich geworden, wie ſich unter ihr Englands Handel ent - wickelt hat, das zu ſchildern iſt an dieſer Stelle nicht möglich. Königin Victoria war es, die ſpeciell allen humanitären Beſtrebungen das verſtändniß - und liebe - vollſte Intereſſe zuwandte.

Deutſchland vor Allem wird am Sarge dieſer Königin vor allen andern Staaten außer England, zumeiſt trauern. Sie gab ja dem ritterlichen Kaiſer Friedrich III. ihre Tochter zur Gemahlin, und deren Kind iſt der jugendkräftige Kaiſer, der an der Spitze des jungen deutſchen Reiches ſteht, deſſen Glanz auch über die Meere tragend, wo einſt England allein herrſchte und eroberte. Trotz aller Differenzen, die zwiſchen England und Deutſchland die Politik ver - nrſacht, iſt die Freundſchaft beider Mächte wohl vorübergehend getrübt, nicht aber geſtört worden. Und Kaiſer Wilhelm II. war es, ihr Enkelkind, der,die Feierlichkeiten des preußiſchen Kronjubiläums unterbrechend, mit dem Hofzuge an das Sterbebett ſeiner königlichen Großmutter geeilt iſt.

Eine ganze Welt harrt mit banger Trauer und trauerndem Bangen der Kunde, ob Königin Victoria der Agonie erlegen iſt oder noch durch ein Wunder des Himmels dem Leben erhalten wird. Wie immer die Botſchaft lauten mag, ſie wird das ruhmreiche Andenken dieſer Thron-Zierde des abgelaufenen Jahr - hunderts erneuern, und eine harmoniſche Stimme wird auf dem ganzen Erdkreiſe erſchallen: Es ſtarb eine große Frau, eine große Königin .

Wackelige Leute.

Ein früherer Miniſter fragte in der letzten Reichs - rathsſeſſion einen Abgeordneten: A propos, wieviel Abgeordnete zählt die Deutſche Volkspartei? Ein - undvierzig, Excellenz! Ah ja, ganz recht, ſie hat ja einundvierzig Fractionen. Dieſer Sarkasmus ſcheint auch leider für das neue Parlament wahr zu werden, einig war die Deutſche Volkspartei ſtets nur in der Angſt vor den Radicalen. Das Elend der Deutſchen Volkspartei im letzten Wahlkampfe hätte Steine erweichen können. Die Radicalen ſchienen ihre ganze Aufgabe darin zu ſehen, ihr das Leben zu ver - ſauern. In Schleſien ſtellten ſie gegen die älteſten Parlamentarier der Deutſchen Volkspartei Gegen - candidaten auf, in Steiermark machten ſie ſelbſt Herrn Walz, der ſich um das Sitzenbleiben bei Loyalitäts-Kundgebungen ſo große Verdienſte erworben hatte, durch die Gegeu-Candidatur Berger Schwierigkeiten, und in Salzburg wurde ſogar der ewige Secundant deutſchradicaler Paukanten, Herr Dr. Sylveſter von einem hitzigen deutſchradicalen Gegencandidaten angegriffen. Die deutſche Volkspartei mußte ſich überall die ſchimpflichſte Behandlung ge - fallen laſſen und bot dabei das Bild hilfloſer Ver - laſſenheit. Kaum ſind die Wahleu vorüber, ſo wirft ſich nun die Deutſche Volkspartei vor den Deutſch - radicalen auf die Knie, demüthiglich bittend, ihre Freundſchaft huldreichſt anzunehmen. In eincr Reihe von Organen der Deutſchen Volkspartei hören wir jetzt die Melodie variiren, wie ſüß an der Bruſt des Herrn K. H. Wolf zu ruhen iſt, desſelben K. H. Wolf, der die abgetakelte Profeſſorenpartei noch vor we - nigeu Wochen mit der Nilpferdpeitſche bearbeitete.

Am ſchönſten hat die Anbiederung ein neugewählter Abgeordneter der Deutſchen Volkspartei getroffen, der augenſcheinlich um ſeinen Antiſemitismus zu beweiſen, die Neue Freie Preſſe als ſein Organ und Sprachrohr auserkoren hat. Dieſer Herr antiſemitiſche Abgeordnete beſpricht alſo in dem Wiener Oberjudenblatte ſeine Erfahrungen aus der Wahlzeit: Seine Wählerſchaft habe einſtimmig das Verlangen nach der Arbeitsfähigkeit des Parla - mentes ausgeſprochen, und er werde deshalb zu jenen Abgeordneten zählen, welche Alles aufbieten, um das Parlament arbeitsfähig zu machen. Der Herr hält es weiters nach ſeinen Erfahrungen für nothwendig, daß die Deutſche Volkspartei mit der chriſtlich-ſocialen Partei unter gar keinen Umſtänden in die Gemeinbürgſchaft gehe, und es wäre im Intereſſe der Sache (!) gelegen, wenn ein Zuſammenarbeiten mit den anderen freiheit - lichen Parteien, ſpeciell mit der radical - nationalen Partei eheſtens zu Stande käme. Das Herz des neugewählten Abgeordneten zieht ihn alſo in eine Vereinigung mit den Liberalen und

Note:
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Die heutige Nummer iſt 12 Seiten ſtark.
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2Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1991 18

ſpeciell Radicalnationalen mit Ausſchluß der Chriſtlich-Socialen. Das wird eine ſchöne Geſell - ſchaft von Antiſemiten werden: die freiheitlichen Herren Noske, Wrabetz, Dr. Menger und Conſorten, ferner die ſchönerianiſchen Kampfgenoſſen Dr. Adlers und ſchließlich Abgeordnete der Deutſchen Volkspartei, die ihre Weisheit in der N. Fr. Preſſe verkünden laſſen. Das kann ja einen ganz netten Antiſemitis - mus der Deutſchen Volkspartei und der Deutſch - radicalen abgeben!

Wer will aber mehr verlangen? Die Herren ſind während der letzten vier Monate überall den Juden nachgelaufen, wo dieſen nur ein Stück Brot aus der Taſche ſah; in Wien und St. Pölten haben ſowohl Schönerianer als die gewiſſe radicale Gattung der Deutſchen Volkspartei mit den Juden unter einer Decke gegen die Chriſtlich-Socialen gearbeitet und nun ſoll der Antiſemitismus dieſer Leute auf einmal Kraftproben beſtehen? Wenn nicht Alles täuſcht, werden die Chriſtlich-Socialen bald die einzigen Antiſemiten ſein!

Politiſche Rundſchau.

Oeſterreich-Ungarn.

Die Einberufung des Reichsrathes.

Der Reichsrath wird für Donnerſtag den 31 Jänner einberufen; die morgige Wiener Ztg. wird das diesbezügliche allerhöchſte Handſchreiben verlautbaren. Die Entſcheidung, den Reichsrath noch für Ende dieſes Monats einzuberufen, iſt nach längerem Schwanken der Regierung in dem Miniſter - rath, der letzten Samſtag Nachmittags ſtattfand, be - ſchloſſen und dem Kaiſer in einer Audienz, die geſtern Sonntags Dr. v. Koerber hatte, zur Genehmigung unterbreitet worden. Die kommende Seſſion wird ſich vor Allem mit dem Recrutengeſetz, der Wahl der Quotendeputationen und Delegationen zu befaſſen haben. Letztere beiden Gegenſtände ſind raſch zu er - ledigen. Außerdem wird die Regierung nach der Verfaſſung alle Nothverordnungen dem Hauſe binnen vier Wochen zur Genehmigung vorzulegen haben, darunter auch das ganze Bündel der Aus - gleichsverordnungen. Das letztere wird für das Par - lament gefährlich wie Dynamit ſein. Daß die Regierung auch die Actiengeſetz - und Inveſtitions - Vorlage erneuern will, dürfte leider nur theoretiſchen Werth haben.

Die erſten Fragen, die das neue Haus beſchäf - tigen werden, wird die Beantwortung der Thronrede und die Präſidentenwahl ſein. Da die Regierung ohne jede feſte Mehrheit daſteht, wird es keine geringe Mühe koſten, eine Adreſſe zu vereinbaren, wenn nicht etwa der Polenclub eine vermittelnde Stellung einnimmt. Mit Rückſicht auf die ſtarke Betonung der Autonomie-Beſtrebungen, wie ſie von Seite der verblichenen Majorität in ihrer Adreſſe und auch ſpäter zur Schau getragen wurde, iſt eine ſolche Vermittelung ziemlich unwahrſcheinlich. Was die Präſidentenfrage anlangt, ſo ſtehen Aenderungen gegen die letzte Seſſion bevor. Für die Präſidenten - ſtelle wird u. A. Dr. Kathrein genannt. Von den zwei Vicepräſidentenſtellen würde dann eine der Deutſchen Volkspartei und eine wahrſcheinlich dem Polenclub zufallen.

Eine ehrbare Annäherung.

Wie ſich doch die Zeiten ändern! Vor einigen Monaten hat ſich das Brünner Deutſche Blatt auf vollkommen radical - nationale Baſis geſtellt und hat ſich mit der Deutſchen Volkspartei entzweit. Heute ſetzt ſich dieſes Organ für eine Vereinigung der deutſchfortſchritt - lichen Abgeordneten, die ſich mit ihrer Forderung der deutſchen Staatsſprache dem Linzer Programm ſehr genähert (!) haben, mit den Abgeordneten der Deutſchen Volkspartei und der deutſchradicalen Partei in einem gemeinſamen deutſchnationalen Ver - bande im Abgeordnetenhauſe ein. Es dürfte ein recht intereſſantes Bild im künftigen Abgeordnetenhauſe geben: Herr Leon Roſenzweig in demſelben Clubverband mit Herrn Schönerer und Wolff.

Die deutſchen Agrarier

werden, wie Baron Rokitansky in ſeinem Blatte verſichert, im neuen Ab - geordnetenhauſe eine Partei von ſieben Mann bilden und zwar beſtehend aus den Abgeordneten Bleikolm (Steiermark), Oraſch (Kärnten), Haider und Gmachl (Salzburg), Soukup, Peſchka und Nieſig (Böhmen). Wir ſind neugierig, wielang ſich dieſe Bauern - bündlerpartei halten wird. Bisher wetteiferten die Parteien, dieſe angeblichen Bauernbündler für ſich in Anſpruch zu nehmen.

Die Ausſichten des Reichsrathes

werden in einer Wiener Correſpondenz des Bud. Tagbl. für nicht gar ſo ungünſtig erklärt. Principiell, heißt es da, iſt keine Partei für die Obſtruction engagirt, weder die Jungczechen noch die Schönerianer. Es gibt keine Majorität und es läßt ſich weder die alte Rechte, noch die Coalitionsmajorität der Aera Windiſchgrätz, noch die alte Majorität der Linken von Anno dazumal herſtellen. Dafür aber gibt es auch keine Partei, die für die Regierung oder für eine Majoritätsbildung unentbehrlich wäre. Es geht eventuell ohne die Czechen, aber es geht eventuell auch ohne die deutſche Fortſchrittspartei oder die deutſche Volkspartei. Niemand iſt, beziehungs - weiſe wird im neuen Abgeordnetenhauſe unentbehrlich ſein, d. h. Niemand wird der Regierung und dem Hauſe Geſetze vorſchreiben können.

Dieſe Beurtheilung entſpringt einer ähnlichen Anſchauung wie einer von uns jüngſt geäußerten. Die Deutſchen werden diesmal klaren Kopf behalten müſſen; ſiegen auf ihrer Seite öſterreichfeindliche Tendenzen, dann freilich iſt es auch diesmal um den Reichsrath geſchehen.

Der Krakauer Czas ſchreibt zu mannigfachen formellen Schwierigkeiten, die mit Beginn des Reichs - rathes auftauchen werden: Die Regierung legt großen Werth darauf, daß das Haus möglichſt bald in Verhandlung über das Inveſtitionsbudget gelange. Die Frage iſt nur, ob das neu gewählte Hans nicht auch auf eine Adreßdebatte beſtehen wird, welche ſehr lange dauern und die beſtehenden Antagonismen nur noch mehr verſchärfen könnte. Die Thronrede wird wohl möglichſt farblos ſein, dennoch würde eine Adreßdebatte oder auch nur ein Antrag auf Abführung eiuer ſolchen Debatte die Erledigung des ganzen Arbeitsprogramms verſchieben. Die Re - gierung rechnet vorerſt auf gar keine politiſche Majorität und theilt diesbezüglich vollſtändig den Standpunkt des Polenclub. Wenn man aber andererſeits die Zuſammenſetzung des neugewählten Abgeordnetenhauſes ſtudirt, gelangt man zu der Con - cluſion, daß Mangels einer Differenzirung zwiſchen Majorität und Minorität in jeder einzelnen Frage kleinere Fractionen, wie Katholiſche Volkspartei und die Italiener, ja ſogar ganz kleine Gruppen, wie beiſpielsweiſe die Rumänen die Entſcheidung in Händen haben werden. Ein ſolches Verhältniß müßte aber ſeitens der Regierung, beziehungsweiſe ſeitens des Staates unaufhörli Conceſſionen und Conceſſiönchen erheiſchen und ließe ſich auch auf die Dauer nicht aufrecht erhalten. Uebrigens laſſen ſich die politiſchen Verhältniſſe heute noch durch - aus nicht überſehen, da viele der kleineren Parteien ihre Stellungnahme noch nicht klar präciſirt haben. Schließlich ſei noch erwähnt, daß der Cabinetschef die Abſicht hat, mit allen Parteiführern Fühlung zu nehmen, ſelbſt mit den Führern der radicalſten Gruppen. Wie oft hat man ſchon Fühlung genommen , ohne das richtige Gefühl für dasjenige, was Oeſterreich braucht, zu bekommen!

Herr Szell

hat ſich durch eine Interpellation des Abgeordneten Polonyi bewogen gefühlt, in der Sitzung des ungariſchen Abgeordnetenhauſes vom 19. d. M. zu der ſogenannten Baernreither’ſchen Formel Stellung zu nehmen. Herr Polonyi, der die Rufe Los von Rom und Ein beſſerer Aus - gleich mit Ungarn , die jetzt in Oeſterreich als Parole ausgegeben worden ſeien, in einen Topf warf, wies auf die von Bülow proclamirte Erhöhung der Agrarzölle hin und bemerkte, er könne nicht glauben, daß Kaiſer Wilhelm eine Strömung billige, welche Ungarn, das verläßlichſte Glied des Dreibundes, wirthſchaftlich exploitiren möchte. Der durch eine eventuelle Annahme des Baernreither - ſchen Vorſchlages, die parlamentariſche Be - handlung der Nothverordnungen, vor der Hand durch Beſchluß des Hauſes auszuſetzen und ungeſäumt mit Ungarn neue Vereinbarungen betreffend die gemein - ſamen Angelegenheiten und das uach gemeinſamen Grundſätzen zu regelnden Zoll - und Handelsbündniß, zu treffen geſchaffene Zuſtand würde noch ſchlechter ſein als die § 14-Wirthſchaft. In ſeiner Antwort erklärte Miniſterpräſident Szell die Baernreither - ſchen Vorſchläge für unannehmbar. Dies bedeutet bei dem ungariſchen Einfluſſe in Oeſterreich, daß die Baernreither’ſche Formel ein Vorſchlag bleiben wird.

Deutſches Reich.

Der allgemeine Judentag kommt nicht zu Stande. Eine jüngſt in Berlin abgehaltene Ver - ſammlung, in der ſich die angeſehenſten Vertreter der größten jüdiſchen Gemeinden befanden, ſprach ſich gegen den Zionismus aus und lehnte mit erdrückender Mehrheit die Einberufung eines allgemeinen Juden - tages ab. Gegen eine ſolche Einberufung ſtimmten geſchloſſen ſämmtliche Vertreter aus Süddeutſchland, ſowie die große Mehrheit der Vertreter der nord - deutſchen jüdiſchen Gemeinden und die politiſchen Perſönlichkeiten. Dagegen wurde beſchloſſen, eine allgemeine Organiſatiou innerhalb der jüdiſchen Bevölkerung Deutſchlands in der Form zu ſchaffen, daß aus den Vertretern des Rabbinerverbandes, des Verbandes jüdiſcher Lehrer und des Centralverbandes jüdiſcher Staatsbürger, der großen jüdiſchen Gemeinden ꝛc. Delegirte ernanntwerden, deren Obliegenheit es ſein ſoll, gelegentlich in gegebenen Fällen für die Intereſſen der jüdiſchen Bevölkerung einzutreten.

Eine allgemeine deutſche Rechtſchreibung ſtrebt ein Antrag an, der im deutſchen Reichs - tage von der freiſinnigen Volkspartei eingebracht wurde. Der Antrag lautet: Der Reichstag wolle beſchließen, den Reichskanzler zu erſuchen, baldigſt geeinete Schritte zu thun, um für das Reichsgebiet und, ſoweit angrenzend, auch für die benachbarten deutſchen Sprachgebiete von Oeſterreich-Ungarn und der Schweiz eine möglichſt gleichmäßige deutſche Rechtſchreibung zu erzielen.

Der württembergiſche Landtag hat mit 53 gegen 29 Stimmen (gegen Demokratie und Social - demokratie) beſchloſſen, die Thronrede nicht mit einer Adreſſe zu beantworten.

Prinzregent Luipolt von Bayern beabſich - tigt, eine große Anzahl von Perſonen, die wegen nicht ehrenrühriger Vergehen verurtheilt ſind, nach Anträgen des Juſtizminiſters zur Feier der Vollen - dung ſeines 80. Lebensjahres zu begnadigen. Die bayeriſche Regierung hat bei der preußiſchen den Antrag auf Eröffnung der Verhandlungen über Ab - ſchluß eines Staatsvertrages wegen der Main - Canaliſation geſtellt.

Prinz Alfons von Bayern iſt vom Prinz - regenten Luitpold ſeiner Bitte entſprechend von dem Commando der 1. Cavalleriebrigade, unter Be - laſſung à la suite des 1. ſchweren Reiterregiments, Beförderung zum Generallieutenant und Verleihung des Großcomthurkreuzes des Militärverdienſtordens, enthoben. So lautet die amtliche Meldung eines Vorfalles, der in Bayern das höchſte Aufſehen her - vorruft. Denn trotz der Rangeserhöhung zum Generallieutenant iſt die Enthebung des Prinzen vom Commando eine Maßregelung. Man führt ſie auf Folgendes zurück: Den Beiſetzungsfeierlichkeiten des Großherzogs Alexander von Sachſen-Weimar wohnte Prinz Alfons als Vertreter des Prinz-Regenten bei. Dabei iſt es wegen des Vortrittes zu Meinungsver - ſchiedenheiten mit dem preußiſchen commandirenden Ge - neral v. Wittich, dem Vertreter des Kaiſers, gekommen. Prinz Alfons, geboren 24. Juni 1862 zu Madrid, iſt der jüngſte Sohn des verewigten Prinzen Adal - bert von Bayern, Bruders des Prinzregenten, uud vermält ſeit 16. April 1891 mit Louiſe, Herzogin von Alençon. Er iſt einer der populärſten Prinzen im Volke wie im Heere. Die Münchener Neueſten Nachr. geben als Grund des ſenſationellen Vor - ganges Differenzen mit dem an Stelle des erkrankten Prinzen Arnulf in den Herbſtmanövern des I. Armeecorps commandirenden Generaliieutenant Freiherrn von Könitz an. Letzterer ertheilte deshalb in dem Berichte an das Corpscommando dem Prinzen Alfons eine ſchlechte Qualification, worin er durch den Prinzen Arnulf und den Kriegsminiſter unterſtützt wurde. Wahrſcheinlich ſind beide ange - führten Gründe richtig. Zwiſchen den beiden Prinzen Alfons und Arnulf beſtehen ſchon lange Mißhellig - keiten. Prinz Alfons hat aber das Volk auf ſeiner Seite, während Prinz Arnulf als zu preu - ßiſch gilt.

Tagesbericht.

* Kalender für Dienſtag, den 22. Jänner 1901.

Katholiken: Vincenz. Griechen (9. Jänner): Polyeuctes. Sonnenaufgang 7 Uhr 42 Minuten Morgens. Sonnenuntergang 4 Uhr 42 Minuten Abends. Mondesaufgang 8 Uhr 16 Minuten Morgens. Mondesuntergang 7 Uhr 26 Min. Abends.

* Hof - und Perſonalnachrichten.

Erzherzogin Maria Joſefa beſuchte Samſtag Nachmittags die gewerbliche Fortbildungsſchule für Mädchen in Favo - riten, Erlachgaſſe. Erzherzog Joſef Ferdinand iſt aus Salzburg, Erzherzog Peter Ferdinand und Gemahlin Erzherzogin Marie Chriſtine ſind aus Linz und Erzherzog Franz Salvator und Ge - mahlin Erzherzogin Marie Valerie aus Enns hier eingetroffen. Hofcapellmeiſter Richard Strauß und Gemahlin ſind geſtern Abends aus München mit dem Orient-Expreßzuge in Wien angekommen und wurden vom kaiſerlichen Rathe Hofmuſikverleger Gutmann am Weſtbahnhofe empfangen. Beim Feldbiſchof Dr. Bolopotoczky fand geſtern ein Diner ſtatt.

* Auszeichnungen und Ernennungen.

Der Kaiſer hat dem Gutsbeſitzer Joſef Hajos von Dömſöd, dem Gutsbeſitzer, Oberlieutenant in der Re - ſerve des Infanterie-Regiments Markgraf von Baden Nr. 23 Joſef v. Köszeghy, dem ungariſchen Reichs - tagsabgeordneten Gutsbeſitzer Alexander v. Köszeghy und dem Gutsbeſitzer, Miniſterial-Viceſecretär a. D. Michael Horwáth von Nagyvárad die Käm - mererswürde und dem in der Druckerei der Wiener Zeitung bedienſteten Carl Zandt das ſilberne Ver - dienſtkreuz mit der Krone verliehen, ferner den Finanz - rath Adolf Pawlowski zum Oberfinanzrathe für den Bereich der Finanz-Landesdirection in Lemberg ernannt.

* Der Königsſee zugefroren.

Wie aus Berchtesgaden gemeldet wird, iſt ſeit dem 16. d. der Königsſee ganz zugefroren, und es kann bis St. Bartholomä mit dem Schlitten gefahren werden, wo jeden Nachmittag Wildfütterung ſtattfindet.

318 Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901

* Heiteres aus einem Amtsblatte.

Im Amtsblatt der k. k. Bezirkshauptmannſchaft Wiener - Neuſtadt Nr. 2, vom 12. Jänner 1901, ſteht auf S. 8 wörtlich Folgendes: Bezirksſchulrath. Schul - ſpenden: ... Der Schule in Schwarzenbach ſpendeten Herr J. Oberger eineu ausgeſtopften Schwarzſpecht und die Herren M. Oberger. L. Gruber und M. Fuhl einen entſprechenden Beitrag zur Düngung des Schulgartens ..... Honny soit, qui mal y pense!

* Verhaftung in einem Hotel.

In einem Hotel im 2. Bezirke iſt Samſtag Vormittags ein junger Mann von einem Polizeiagenten wegen Be - denklichkeit als verhaftet erklärt worden. Der Burſche war als Georg Müller, Privatſecretär aus Berlin, gemeldet. Das Sicherheitsbureau der Polizeidirection ſtellte feſt, daß der angebliche Müller mit dem von der Oberſtadthauptmanuſchadt in Ofen-Peſt wegen Verbrechens der Veruntreuung ſteckbrieflich verfolgten 26jährigen Privatbeamten Hugo Ringelheim identiſch iſt. Der junge Mann war in Ofen-Peſt bei dei der Filiale der Wiener Actiengeſellſchaft Gebrü - der Böhler u. Co. angeſtellt und hatte die Caſſe - gebahrung zu beſorgen. In dieſer Vertrauensſtellung hatte Ringelheim Zahlungen, welche Kunden vor dem ihnen gewährten Zahlungstermine geleiſtet, nicht ab - geführt, ſondern für ſich behalten. Am 7. d. M. ent - nahm Ringelheim, der die bevorſtehende Entdeckung fürchtete, der Caſſe die Summe von 4900 K und flüchtete damit aus Ofen-Peſt. Er reiſte über De - breczin, Marmaros-Szigeth nach Stanislau, hielt ſich dort nur kurze Zeit auf, fuhr von dort über Czerno - witz nach Lemberg und unternahm ſchließlich den Ab - ſtecher nach Wien, der ihm ſeine Freiheit koſtete. Im Beſitze des Defraudanten fand man noch 2460 K.

* Feuer in der Reindorfgaſſe.

Samſtag Abends um 10 Uhr gerieth das Geſchäftslocal des Pfeifendrechslers Vincenz Cezek, Rudolfsheim, Rein - dorfgaſſe Nr. 13, in Brand. Die Flammen verzehrten den größten Theil der Einrichtung und verurſachten einen Schaden von 13.600 K. Das Feuer dürfte da - durch entſtanden ſein, daß eine Kunde einen brennen - den Cigarrenſtumpf oder ein Streichholz im Geſchäfts - locale weggeworfen hatte, wodurch Papierabfälle in Brand geriethen.

* Denkmal für Wilhelm Herzog von Württemberg.

Dem Helden von Magenta und Oeverſee, dem Herzog Wilhelm von Württem - berg, ſoll in Graz ein Denkmal geſetzt werden. Zu dieſem Zwecke hat ſich ein Comité gebildet, an deſſen Spitze der Landeshauptmann von Steiermark, Graf Edmund von Attems ſteht und welches einen Auf - ruf um Beiträge für dieſes Deukmal erlaſſen hat. Allfällige Spenden wollen an die Wechſelſtube der ſteiermärkiſchen Escomptebank in Graz gerichtet werden.

* Warnung vor Auswanderung nach Rußland.

Laut eines an das k. und k. Miniſterium des Aeußern erſtatteten Berichtes des k. u. k. General - Conſulates in Moskau mußten in den letzten Monaten häufig vollſtändig mittelloſe Angehörige der öſterreichiſch-ungariſchen Monarchie, größtentheils aus den ſlaviſchen Gegenden ſtammend, welche in der Hoffnung, in Rußland lohnende Beſchäftigung zu finden, ohne entſprechende Geldmittel die weite Reiſe dahin angetreten hatten, in ihre Heimat abgeſchoben werden. Da unſere heimiſchen Profeſſioniſten in Folge der großen Concurrenz in Rußland, insbeſondere bei Unkenntniß der ruſſiſchen Sprache nur ungemein ſchwer eine ihren Anſprüchen entſprechende Be - ſchäftigung finden, meiſtens aber entweder dem dortigen öſterreichiſch-ungariſchen Hilfsvereine oder, da der Hilfsverein naturgemäß nur über geringe Mittel verfügt, den Generalconſulate zur Laſt fallen, hat dasſelbe angeregt, daß in der geeigneten Weiſe, namentlich bei der Ausſtellung von Reiſepäſſen vor dem Zuzuge mittelloſer Arbeiter nach Rußland ge - warnt werde, es ſei denn, daß ſie ſich nicht ſchon vor Antritt der Reiſe eine Arbeitsſtelle contractlich geſichert haben.

* Jugendliche Verbrecher.

Der 18jährige Handlungspraktikant Johann Leonhardt in Düſſel - dorf geboren, iſt im December vorigen Jahres ſeinem Chef, dem Firmainhaber Anton Reitzner’s Nach - folger, Neubau, Kirchengaſſe 22 mit einem Be - trage von 640 K, welchen er mittelſt Poſt be - fördern ſollte, durchgegangen. Leonhardt, welcher am 18. d., nachdem er das Geld in leichtſinniger Weiſe bis auf den letzten Kreuzer ausgegeben hat, nach Wien zurückgekehrt iſt, wurde am Neubau verhaftet. Bei der Tramway-Halteſtelle auf dem Kärutner - ring wurde am 18. d. Abends die vierzehn - jährige Angela Trdy, in Biteſch in Mähren ge - boren, bei ihrer Mutter Anna Dietrich, Himberger - ſtraße 24 wohnhaft, in dem Augenblicke feſtgenommen, als ſie einer in einen elektriſchen Tramwaywagen einſteigenden Dame eine Geldbörſe mit 5 K, einen goldenen Ring und verſchiedenen Zetteln aus der Kleidertaſche geſtohlen hatte. Durch die eingeleiteten Erhebungen wurde feſtgeſtellt, daß die jugendliche Taſchendiebin in den letzten Tagen elf Börſen mit 80 K, 13 K, 37 K, 120 K und mit kleineren Beträgen ge - ſtohlen hat. Auch ihrem früheren Dienſtgeber, demSchneider Spevak, Jovannesgaſſe 2 wohnhaft, hat die Angela Trdy von Briefen, welche ſie zur Poſt geben ſollte, die Marken abgelöſt und die Briefe ver - nichtet. Nach einer hier eingelangten telegraphiſchen Mittheilung des Poſtamtes in Bruck an der Leitha iſt am 18. d. Mittags der 24jährige Poſtmanipulant Hubert Kuntſcher flüchtig geworden. Er iſt drin - gend verdächtig, einen größeren Geldbetrag unter - ſchlagen zu haben.

* Ein verunglückter Marineofficier.

Der 37jährige Schiffslieutenant Franz Lauſer, der Marineſection in Wien zugetheilt, ſtürzte Samſtag Abends auf dem Wiener Eislaufplatze nieder und erlitt eine ſchwere Gehirnerſchütterung.

* Ein Artiſt als Betrüger.

Der Circus - beſitzer A. Davigne, welcher ſich gegenwärtig in Kiew aufhält, hat die hieſige Polizeidirection brieflich verſtändigt, daß der im December v. J. hier im Hotel Zum rothen Stern in der Leopoldſtadt ein - logirt geweſene Artiſt A Back, Leiter der Künſtler - truppe Les figaros in Zeitungen um Erlangung eines Engagements Inſerate hatte einrücken laſſen. Davigne iſt mit Back in Verbindung getreten und wollte mit ihm ein Engagement für Kiev abſchließen. Der Leiter der erwähnten Truppe verlangte Reiſe - vorſchüſſe, welche ihm erſt unter Leiſtung gewiſſer Cautelen überſendet werden ſollten. Nach längerer Correſpondenz ließ ſich Back herbei, ſeinen Koffer nach Kiew abzuſchicken und nun erhielt er einen Reiſevorſchuß von 100 Rubeln zugeſichert. Im Poſt - wege ſchickte er den Frachtbrief an Davigne, worauf dieſer an Back 100 Rubel ſandte. Als der Koffer in Kiew eintraf, wurde feſtgeſtellt, daß ſich in demſelben nicht die declarirten Coſtüme befanden, ſondern daß er gar nichts enthielt. Back wurde Samſtag in der Großen Mohrengaſſe in der Leopoldſtadt verhaftet. Auch dem Circusdirector Joſef Möller in Oerebro in Schweden, hat Back auf gleiche Weiſe 300 K herausgelockt.

* Der Director der Staatsdruckerei ge - ſtorben.

Geſtern Früh iſt in ſeiner Wohnung, Rennweg Nr. 16 der Director der Hof - und Staats - druckerei Oberſt in der Reſerve Hofrath Othmar von Volkmer nach kurzem Leiden eines plötzlichen Todes geſtorben. Director Volkmer war der einzige Oberſt der Reſerve in der Armee und zwar war er im 8. Corpsartillerie-Regimente. Er war Hofrath und Director der k. k. Hof - und Staatsdruckerei, Präſident der photographiſchen Geſellſchaft und des wiſſen - ſchaftlichen Vereines Skioptikon , Vicepräſident des elektrotechniſchen Vereines, Ehrenmitglied ver - ſchiedener Fachvereine ꝛc .. Er war am 7. Mai 1830, zn Linz in Oberöſterreich als Sohn des Oberfeuer - werkers Albert Volkmer, damals Commandant eines der Maximilianiſchen Thürme und ſpäter Eiſenbahn - ingenieur geboren.

* Die Leiche im Canale.

Am 19. d. Nach - mittags wurde von den Hilfsarbeitern Guſtav Scheibenpflug und Johann Tomann in einem unterhalb des Kobingerſteges in Meidling gelegenen Canal der ſtark verweſte Leichnam eines jungen Mannes aufgefunden. Die an Ort und Stelle er - ſchienene Commiſſion fand die Leiche vollſtändig ent - kleidet, auf dem Rücken und mit gekreuzten Beinen liegend auf. Die Leiche war an den Boden ange - froren. An den von der Verweſung verſchonten Stellen waren keine Verletzungen ſichtbar. Die Leiche dürfte vielleicht mehrere Monate an der Fundſtelle gelegen ſein und wurde in die Todtenkammer des Meidlinger Ortsfriedhofes gebracht.

* Ein Fenſterzertrümmerer.

Der 29jährige Riemergehilfe Albin Knibl, Kettenbrückengaſſe 6 wohnhaft, hat geſtern Vormittags boshafter Weiſe durch einen Fauſtſchlag eine große Spiegelſcheibe der Auslage des Kaufmanns Adolf Raphael, Joſef - ſtädterſtraße Nr. 18 zertrümmert. Knibl hatte die Nacht vorher einem Coſtümkränzchen beigewohnt und war bei ſeiner Verhaftung noch im ſteiriſchen Coſtüme.

* Ein feſtgenommener internationaler Taſchendieb.

Im Foyer des Raimund-Theaters wurde am 20. d. M. Abends unmittelbar vor Be - ginn der Vorſtellung ein Mann feſtgenommeu, welcher dem Beamten im Ackerbauminiſterium Otto von Salvadori eine Brieftaſche mit 1500 K aus der Rocktaſche gezogen hatte. Der Langfinger, offenbar ein internationaler Taſchendieb, wohnte hier ſeit einigen Tagen in einem Hotel in der innereu Stadt und hatte ſich als Carl Friedrich Wallin, Kaufmann, aus Skaraborg in Schweden geboren, in Stockholm etablirt, gemeldet.

* Vergiftung durch Leuchtgas.

In Folge eines Gebrechens des Hauptrohres der Gasleitung iſt am 19. d. M. Früh in die Wohnung des Süd - bahnrevidenten Martin Stix, Meidling, Ehrenfels - gaſſe Nr. 16, Leuchtgas gedrungen. Stix, ſeine Gattin Anna und ſeine drei im Alter von 2 bis 14 Jahren ſtehenden Kinder, welche die ſchädliche Luft eingeathmet haben, ſind an Kopfſchmerzen und Er - brechen erkrankt. Der Arzt Dr. Emil Wagner, der ſogleich gerufen wurde, brachte ſie noch im Laufe des Vormittags außer Gefahr. Das Gebrechen an der Leitung wurde bald behoben.

* Vater und Sohn Rockmarder.

Dem Zahlkellner Joſef Breſſina, Ottakring, WichtelgaſſeNr. 31 wohnhaft, wurde am 19. d. M. Abends aus dem Extrazimmer ein Winterrock geſtohlen. Bald nachher wurden der 48jährige Schuhmachergehilfe Otrzonski und ſein 18jähriger Sohn Michael Otrzonski, Ottakring, Klopſtockgaſſe Nr. 20 wohn - haft, ſowie der 26jährige Schuhmachergehilfe Carl Szymik als die Thäter ausgeforſcht und verhaftet.

* Attentat einer Studentin auf einen Pro - feſſor.

Aus Paris wird gemeldet; Nach Schluß der Vorleſung des Profeſſors Emil Deschanel, des Vaters des Kammerpräſidenten, hat eine ruſſiſche Studentin, Namens Vera Gelo, ein Revolver - Attentat gegen denſelben verübt. Deschanel wurde nicht verwundet. Die Kugel traf eine andere ruſſiſche Studentin, welche neben Deschanel ſtand, in die Bruſt. Die Attentäterin gab an, ſie habe ſich an Deschanel rächen wollen, der ſie angeblich beleidigt hat. Ihre verwundete Collegin heißt Alexandrine Zelinine. Vera Geld iſt offenbar irrſinnig. Sie iſt zu Odeſſa geboren und traf in Paris am 8. December aus Genf ein, wo ſie früher ſtudirte. Die Verwundung der Zelinine iſt nicht lebensgefährlich.

* Trinker’s Ende.

Der 28jährige Privatbeamte Carl Körmecker, Ottakring, Richard Wagnerplatz Nr. 15 wohnhaft, wurde Samſtag nach Mitternacht auf Grund einer vom ſtädtiſchen Arzte ausgeſtellten Spitalsanweiſung von der freiwilligen Feuerwehr in Neulerchenfeld auf das Polizei-Commiſſariat Ottakring gebracht, um wegen chroniſchen Alkoholismus der pſychiatriſchen Klinik übergeben zu werden. Körmecke iſt aber nach wenigen Minuten unter den Händen des Polizei-Bezirksarztes infolge eines Schlaganfalles ge - ſtorben.

* Unter der Schutzvorrichtung der Elek - triſchen.

Geſtern Früh um 7 Uhr wollte die Ge - miſchtwarenverſchleißerin Magdalena Gindl, 41 Jahre alt, Wieden, Kolſchitzkygaſſe 7 wohnhaft, die Favoriten - ſtraße überſetzen, als eben ein Geſchäftswagen und mit dieſem parallel ein Motorwagen der elektriſchen Straßenbahn die Straße hinauffuhren. Die Frau glitt zu ihrem Unglücke eben vor der elektriſchen Tramway aus; wohl hatte der Motorführer Michael Jedryka den Sturz ſogleich bemerkt, doch war die Frau, ehe er halten konnte, ſchon unter die Schutz vorrichtung gerathen und mehrere Schritte weit geſchleift worden. Als ſie von Paſſanten hervorgezogen wurde, war ſie bewußtlos. Sie hatte den Symptomen nach, eine Gehirnerſchütterung und ausgebreitete Contuſionen erlitten. Man brachte ins Wiedener Krankenhaus. Die ausgerückte Feuerwehr trat nicht in Action.

* Sterbefälle.

Die Mutter des ehemaligen Ab - geordneten und Gutsbeſitzers Franz v. Zallinger - Stillendorf, Frau Joſefa v. Zallinger, iſt in Stillendorf bei Bozen im 87. Lebensjahre verſchieden. In Ridka in Böhmen iſt die Sternkreuzordens - dame Barbara Gräfin Brandis, geborene Gräfin Kinsky, die Witwe des im Februar v. J. verſtorbenen Herrenhausmitgliedes und geweſenen Führers der conſervativen Partei im Abgeordnetenhauſe, Grafen Heinrich Brandis, geſtorben.

* Ein Maſſenmörder.

Der im Belgrader Bezirksgericht internirt geweſene Häftling Marics, der unter dem Verdacht verhaftet wurde, in Dees eine aus vier Perſonen beſtehende Familie ermordet zu haben, hat den Kerkermeiſter Georg Pevacs und dann deſſen Frau und drei Kinder ermordet. Marics ergriff ſodann die Flucht, wurde aber in der Bahn - ſtation Belgrad verhaftet.

* Verunglückt.

Der 52jährige Magazinsarbeiter Franz Prettel, Martinſtraße Nr. 85 wohnhaft, ſtürzte heute Vormittags auf dem Frachtenbahnhof der Franz Joſefsbahn von dem Trittbrette eines Waggons herab und erlitt erhebliche Contuſionen.

* Feuer im Miniſterrathspräſidium.

In einem Zimmer im Gebäude des Miniſterrathspräſi - diums, Herrengaſſe Nr. 7, iſt heute Vormittags ein Feuer zum Ausbruche gekommen, das von der unter Commando des Inſpectors Jeniſch ausgerückten ſtädtiſchen Feuerwehr im Verlaufe einer halben Stunde unterdrückt werden konnte, ehe es großen Schaden angerichtet hat.

* Wetter.

Regneriſch.

Die Wohnung de[ſ]Maſſenmörders Wanyek.

Wenn nicht Alles trügt, iſt es den umfaſſenden Erhebungen des Sicherheitsbureaus gelungen, die Wohnung des Einbrechers und Maſſenmörders Stephan Wanyek zu ermitteln. Es ſcheint ſo gut wie erwieſen, daß Wanyek mehrere Monate bei dem Viehtreiber Joſef Pfanenſchwarz in Meidling, Wilhelmſtraße Nr. 64, mitleidigen Unterſtand hatte. In dieſem hauſe iſt erſt kürzlich der Einbrecher Leopold Blüh verhaftet worden. Im zweiten Stock - werke des Hauſes dürfte Wanyek bei Pfanenſchwarz vom 27. Juli bis 20. December v. J. gewohnt haben. Bei dem Viehtreiber war nämlich ein Mann zur Miethe, der ſich Franz Holub, Kellner, zu Ra - domow in Ungarn geboren, 24 Jahre alt, gemeldet hatte. Nicht nur der Umſtand, daß der angebliche Holub Radimow, die augebliche Heimatsſtadt Wanyek’s als ſeinen Geburtsort nannte, ſpricht für die Identität auch die vollkommene Uebereinſtimmung der4Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901 18[Per]ſonsbeſchreibung Wanyek’s mit dem angeblichen[H]olub ſpricht für die Richtigkeit der Annahme. Eine[he]ute erfolgende Confrontation des Ehepaares Pfanenſchwarz mit dem Maſſenmörder wird vermuth - lich Gewißheit bringen. Pfanenſchwarz hat den Wanyek zufällig im Juli im Kaffeehaus kennen gelernt. Der Letztere ſchilderte ihm ſeine traurige Lage, wie er ſchon lange ohne Beſchäftigung ſei, keinen Unterſtand und nichts zu eſſen habe. Der Viehtreiber erbarmte ſich ſeiner und nahm ihn zu ſich ins Quartier. Durch nahezu fünf Monate gab er ihm, ohne einen Heller zu verlangen, Koſt und Obdach. Die Geſammtſchuld Wanyek’s belief ſich ſchließlich auf 120 K. Die ein - zige Gewähr für ſpätere Bezahlung bot das Ver - ſprechen Wanyek’s, im Falle er zu einer Beſchäftigung komme, die Summe für Eſſen und Wohnen zu zahlen. Doch damit hatte es ſeine guten Wege. Zwiſchen dem Ehepaar Pfanenſchwarz kam es wegen des un - nützen Koſtgängers zu Zank und Hader. Die Frau war keineswegs der Anſicht, daß man den Müßig - gänger bei ſich behalte. In der Wohnung des Vieh - treibers lebte Wanyek ſehr ſolid. Er war nur wenig, faſt gar nicht außer Hauſe, und wenn er wegging, kehrte er immer vor 10 Uhr heim. Am 20. December hat ſchließlich doch die Frau ihren Mann überſtimmt, und Wanyek mußte das Haus verlaſſen. Er war elend und herabgekommen, in der äußeren Erſcheinung und in ſeinem Ausſehen. Trotzdem hat ihn wenige Tage ſpäter eine im Hauſe Wilhelmſtraße Nr. 64 wohnende Tiſchlergehilfensgattin durch Zufall auf dem Meidlinger Bahnhof in vollſtändig neuer Kleidung geſehen. Sie wunderte ſich ſehr darüber und ſprach den Kellner Holub an, wieſo ſich denn ſeine Lage ſo raſch geändert. Der Burſche er - widerte, er habe wieder Beſchäftigung bekommen.

Cardinal-Fürſterzbiſchof Dr. Gruſcha über die Kirchenbauten und die Los von Rom - Bewegung.

Generalverſammlung des Allgemeinen Wiener Kirchenbauvereines .

Der unter dem allerh. Protectorate des Kaiſers und unter dem Präſidium des Cardinals Dr. Gruſcha ſtehende Allgemeine Wiener Kirchenbauverein hielt geſtern Abends im Feſtſaale des Katholiſchen Geſellen - vereines in der Gumpendorferſtraße ſeine VIII. ordent - liche Generalverſammlung ab. Unter den zahlreich Er - ſchienenen bemerkte man: Cardinal-Fürſterzbiſchof Dr. Gruſcha, Weihbiſchof Dr. Schneider, Herrenhaus - mitglied Dr. Haßlwanter, Univerſitätsdecan Profeſſor Dr. Swoboda, die Domcapitulare Graf zur Lippe und Gemeinderath Schöpfleuthner, Canonicus Dr. Pfluger, Gemeinderath Platter, zahlreiche Mitglieder des Clerus u. ſ. w. Vicepräſident Domcapitular Schöpfleuthner führte den Vorſitz und ſagte in ſeiner Begrüßungs - anſprache u. A.: Die communalen Behörden Wiens wiſſen, daß der weitaus größte Theſl der Bevölkerung ebenſo kaiſertreu, patriotiſch als auch gläubig iſt und deshalb nicht bloß dem Kaiſer geben will, was des Kaiſers iſt, ſondern auch Gott geben will, was Gottes iſt. Darum verlangt die Wiener Bevölkerung mögen auch Andere anderer Meinung ſein nach größeren und mehr Gotteshäuſern. Das zu erreichen, iſt der Zweck unſeres Vereines. (Beifall. ) Vereinsdirector fürſterzbiſchöflicher Ordinariatsſecretär Dr. Kamprath erſtattete hierauf den Rechenſchaftsbericht über das ab - gelaufene Vereinsjahr. Den Einnahmen per 339.864 K 34 h ſtehen Ausgaben in der Höhe von 338.772 K 47 h gegenüber; davon wurden für den Bau der Sanct Antoniuskirche im 10. Bezirk und des Pfarrhofes bei derſelben 333.503 K 92 h beigeſtellt. Unter den Ein - nahmen befindet ſich auch das Guthaben per 40.000 K, welches der Verein beim n. . Religionsfonds hatte und welches von demſelben dem Vereine zurückgezahlt wurde. Der Berichterſtatter dankte ſchließlich für alle Spenden. Religionsprofeſſor Dr. Schranzhofer führte ſodann aus, daß es traurig iſt, daß man in dem herr - lichen Wien, welches immer mehr aufblüht, blos nur Paläſte, Häuſer, Fabriksſchlote u. ſ. w. aber weit und breit keine Gotteshäuſer ſieht, und fuhr fort: Wir fordern neue Kirchen im Namen der Gerechtigkeit und Billigkeit, wir fordern ſie mit Rückſicht auf die Schule, mit Rückſicht auf die chriſtliche Geſellſchaft, mit Rückſicht auf die Kunſt und mit Rückſicht auf die allermodernſten Zeitverhältniſſe. Es hat auch der Staat und die Ge - meinde ein hervorragendes Intereſſe daran, daß die Sittlichkeit gepflegt wird, und ganz beſonders in den unteren Ständen. Wäre es nicht gerecht, wenn der Staat einmal in ſeinen Säckel greifen und dort Kirchen bauen würde, wo das Volk die Mittel hiezu nicht mehr aufbringen kann? Man thut dies bei Brücken und anderen Wohlfahrtseinrichtungen, auch eine Kirche iſt eine Wohlfahrtseinrichtung. Der Redner beſprach die bekannte Entſcheidung des Verwaltungsgerichtshofes und ſagte: Wen ſollen wir anklagen? Den, der von ſeinem Rechte Gebrauch gemacht hat? Wir ſollen dahin trachten, daß wir ſolche Geſetze bekommen, welche eben der immenſen Mehrheit der katholiſchen Be - völkerung Rechnung tragen. Daher lautet unſer Ruf: Reviſion der kirchenpolitiſchen Geſetze in Oeſterreich! (Beifall.)

Cardinal Fürſterzbiſchof Dr. Gruſcha ſagte unter anderem: Ich ſchließe mich der Forderung nach Gottes - häuſern nicht bloß als katholiſcher Wiener oder als Mitglied des Kirchenbau-Vereines an, ich fordere als Oberhirte die Gotteshäuſer, nicht in un - geſetzlicher, ungebührlich dringender Weiſe, aber im Ge - wiſſen eines Oberhirten an der Spitze des katholiſchen Volkes, als Biſchof einer Millionenſtadt, die in ihrer überwiegenden Mehrheit katholiſch iſt. Ich ſtelle als Oberhirte die Bitte, den Wunſch und das Verlangen[an]alle jene Factoren, die dazu verpflichtet ſind, unsKirchen bauen zu helfen. (Beifall.) Wir wollen mitein - ander vereint arbeiten an der Zukunft unſeres katho - liſchen Glaubens, denn es handelt ſich nicht etwa bloß darum, uns los von Rom und vom Papſt zu trennen ſondern los von Chriſtus, vom Chriſtenthum, von jen[e]m Staate und Regenten, der noch Gelobt ſei Jeſu[ſ]Chriſtus! zu ſeinen Völkern ſpricht. Das iſt die Parole des Antichriſtenthums, in die nicht bloß Männer an - derer Confeſſionen, ſondern auch glaubensfeige, ab - gefallene katholiſche Prieſter einſtimmen. Darum müſſen wir umſo höher unſern Chriſtengruß halten. (Stürmiſcher Beifall.)

Vicepräſident und Domcapitular Schöpfleuthner dankte hierauf in warmen Worten allen Gönnern, Freunden und Wohlthätern des Vereines und bat die Anweſenden, dem Vereine neue Freunde zuzuführen. Der Vorſitzende bat auch, dafür zu ſorgen, daß aus jeder Pfarre ein Mitglied womöglich ein Prieſter in dem Vorſtande der Vereinsabtheilungen der ein - zelnen Bezirke vertreten iſt, und daß in den einzelnen Pfarrſprengeln und Bezirken Verſammlungen für die Zwecke des Kirchenbauvereines abgehalten werden. (Beifall.) Nachdem noch Cardinal Fürſterzbiſchof Dr. Gruſcha den Verſammelten den Segen geſpendet hatte, wurde die Verſammlung, in deren Pauſen der Chor des katholiſchen Geſellenvereines unter der be - währten Leitung des Chormeiſters Lüftl Chöre zum Vortrage brachte, geſchloſſen.

Arbeiterbewegung.

Generalverſammlung des Fachvereines der Loh - und Rothgerbergehilfen Niederöſter - reichs. Zu einer der beſten Organiſationen in der in den erſten Anfängen befindlichen chriſtlichen Ge - werkſchaftsbewegung Oeſterreichs gehört der Fach - verein der Loh - und Rothgerbergehilfen, der am Sonntag, den 20. Jänner d. M., in Nowot - ny’s Gaſthaus ſeine I. Generalverſammlung abhielt. In dem Thätigkeitsberichte hob der Obmann, Herr Pečnik, hervor, daß es bei dem einjährigen Be - ſtande dem Vereine bereits gelungen ſei, zwei Orts - gruppen, u. zw. in Wilhelmsburg und Wiener - Neuſtadt, zu gründen. Die ſocialdemokratiſchen Gegner von der Gewerkſchaft ſuchen zwar den Fachverein umzubringen, ſie ſeien redlich beſtrebt, die Fachvereinler aus den Fabriken zu verdräugen, was ihnen trotz ihrer redlichen Bemühungen bisher nicht gelingen konnte. Dem Fachvereine werfe man von dieſer Seite vor, er ſei ein Spar - verein ; es ſei aber immer beſſer, daß der Fach - verein Geld in der Caſſe habe, daß man einem Arbeitsloſen auch den ihm gebührenden Betrag aus - zahlen könne, als daß dieſelbe Wirthſchaft wie bei den Gegnern herrſche, die kein Geld zu haben pflegen, wenn ein Arbeitsloſer komme. Der Fachverein habe vor einem Jahre mit 19 Mann angefangen, heute zähle die Centrale über 100 Mitglieder. Die Mit - glieder der ſocialdemokratiſchen Gewerkſchaft würden nicht zu den Fachvereinlern übergehen, wenn ſie nicht wiſſen würden, daß ſie viel beſſer daran ſind, als bei der Gewerkſchaft. Ans dem Berichte iſt noch hervorzuheben, daß der Fachverein gegenwärtig einen Vermögensſtand von 770 K aufzuweiſen hat. Die Ausgaben betrugen 518 K, dte Einnahmen 1288 K. Auch die Ortsgruppen Wilhelmsburg und Wiener Neuſtadt, die bei der geſtrigen Generalverſammlung, durch je einen Delegirten vertreten waren, haben ſeit ihrem Beſtande einen erfreulichen Aufſchwung zu verzeichnen. Die Generalverſammlung beſchloß auch, daß der Fach - verein dem Verbande der nichtpolitiſchen Ver - einigungen chriſtlicher Arbeiter Niederöſterreichs bei - treten ſolle. Der Fachverein der Loh - und Roth - gerbergehilfen iſt der beſte Beweis dafür, daß die chriſtlichen Gewerkſchaften auch in Oeſterreich eine Zukunft beſitzen; es wäre daher wünſchenswerth, daß man endlich der Frage der Gründung chriſtlicher Ge - werkſchaften nähertrete und dieſelbe einer gedeihlichen Löſung entgegenführe.

Telegramme.

Ungariſches Abgeordnetenhaus.

Das Abgeordneten - haus ſetzt die Specialdebatte über das Budget des Miniſteriums des Innern fort. Abg. Carl Szalay ſpricht gegen das Budget.

Die Trauung des geweſenen Miniſter - präſidenten Graf Thnn.

In der fürſterzbiſchöflichen Hauscapelle fand heute Vormittags die Trauung des geweſenen Miniſterpräſidenten Franz Graf Thun - Hohenſtein mit der Gräfin Erneſtine Wratislav - Mitrovitz, geborenen Thun-Hohenſtein, ſtatt. Die Trauung, der nur wenige Hochzeitsgäſte, darunter vornehmlich die Verwandten des Brautpaares bei - wohnten, vollzog Fürſterzbiſchof Freiherr von Skrbensky. Als Trauzeugen fungirten: Graf Carl Buquoy, Graf Max Thun, Graf Max Wratislaw und Graf Jaroslaw Thun.

Der Aufſtand in Engliſch-Weſtafrika.

(Amtlich.) Die britiſchen Truppen beſetzten morgens ohne Widerſtand Salli - keni am nördlichen Ufer des Gambiaflußes und machten 6 Führer der Eingeborenen, die ſich gegen die Briten erhoben hatten, zu Gefangenen

Das Staatsdeparte - ment ſtellt in Abrede, daß der amerikaniſche Geſandte in Venezuela ermächtigt ſei, ein Ultimatum zu überreichen; er ſei bis jetzt nur angewieſen, gegen die Verletzung amerikaniſcher Rechte Einſpruch zu erheben.

Heute vormittags fand zwiſchen Robert Freiherrn von Rothſchild und dem Grafen Luberſac ein Degeuduell ſtatt, in welchem Letzterer am Arme ſchwer verwundet wurde.

Die vom oberſten Sanitätsrathe für Provenienzen aus Conſtantinopel angeordnete ärztliche Unterſuchung wurde wieder aufgehoben.

Einer amtlichen Mit - theilung zufolge iſt Großherzog Wilhelm Ernſt an Maſern erkrankt.

Die Krankheit des Groß - herzogs Wilhelm Ernſt nimmt einen normalen Verlauf. Complicationen ſind nicht vorhanden.

Der Herzog von Broglie iſt geſtern Abends geſtorben.

Herzog Jaques Victor Albert von Broglie wurde am 13. Juni 1821 zu Paris geboren. Er be - theiligte ſich ſchon frühzeitig am öffentlichen Leben und war auch publiciſtiſch thätig. 1862 wurde der Herzog Mitglied der Académie Français und 1871 in die Na - tionalverſammlung gewählt, wo er ſich dem rechten Centrum anſchloß. Nach London als Geſandter ge - ſchickt, ſuchte er England zu einer Intervention zu Gunſten Frankreichs zu beſtimmen. Bei der Vereinigung der monarchiſchen Parteien der Republik ſpielte der Verſtorbene eine hervorragende Rolle. Während der Präſidentſchaft Mac Mahons übernahm der Herzog von Broglie 1873 die Vicepräſidentſchaft und das Miniſterium des Aeußern, dann des Innern, mußte aber am 16. Mai 1874 demiſſioniren. 1876 wurde der Herzog in den Senat gewählt. 16. Mai 1877 ſtand er an die Spitze eines Coalitions-Cabinets. Als die Wahlen im republikaniſchen Sinne ausfielen, demiſſio - nirte er am 20. November abermals. Seit dieſer Zeit blieb der Herzog dem politiſchen Leben fern. Dafür entfaltete er eine große ſchriftſtelleriſche Thätigkeit auf hiſtoriſchem Gebiete und gab auch die Erinnerungen ſeines Vaters und die Briefe ſeiner Mutter heraus.

General Geslin de Bourgogne wurde wegen der von ihm gehaltenen antirepublikaniſchen Rede in Disponibilität verſetzt.

Im Departement Ille-et - Vilaine wurde General Saint Garmain (Na - tionaliſt) mit 583 Stimmen zum Senator gewählt.

Ueber das Befinden des Honvedminiſters Baron Fejervary wird um 7 Uhr Abends gemeldet: Puls etwas ſchwächer. Patient klagt über Darmkrämpfe. Um 11 Uhr Nachts war der Zuſtand des Miniſters unverändert; der Patient ſchief ruhig.

Aus Südafrika.

Das Reuterſche Bureau meldet aus Capſtadt vom Geſtrigen: Drei Es - cadronen der Johannesburg-Mounted Rifles griffen einen Vorpoſten der Boeren bei Springs uuweit von Johannesburg an und nahmen ihn gefangen. Später wieſen die Mounted Pifles einen ſtarken Angriff der Boeren zurück.

Die Boeren er - beuteten bei Balmoral einen mit Materialien beladenen Eiſenbahnzug.

Der Vertreter der Friedenscommiſſion der Boeren, welcher am 18. d. M. von hier nach Delanzesdrift ab - gegangen war, um mit den Boeren des Oranje - Freiſtaates zuſammenzutreffen, iſt hiehcr zurück - gekehrt und meldet, die Boeren hätten reich - liche Nahrungsmittel ſowie Munition und für ihre Frauen und Kinder ſorgen die Briten; ſie hätten daher nicht die Abſicht, den Frieden unter den von den Briten geſtellten Bedingungen an - zunehmen. Steyn halte ſich, wie er glaube, im Lager der Boeren auf.

Ein jugendlicher Raubmörder. (Ein Wort zum Raubmorde in der Neuſtiftgaſſe.)

Der neueſtens wieder von einem 19jährigen Burſchen verübte Raubmord hat nunmehr im Schwur - gerichtsſaale ſeine verdiente Ahndung gefunden; der junge Thäter wandert zur weiteren Beſſerung auf 18 Jahre ins Zuchthaus, dem Rechte iſt Genüge ge - leiſtet worden, nnd die Sache formell beendet. Allein dieſe Begebenheit hat für jeden Kenner der modernen Strafrechtspflege und ihrer Wirkſamkeit auch noch eine andere intereſſante, wenn auch überaus traurige Seite. Denn der genannte Fall, d. h. das in der Anklageſchrift kurz angeführte curriculum vitae des Verurtheilten iſt geradezu typiſch für den Lebens - lauf faſt aller unſerer ſtets ſich mehrenden zahlloſen jugendlichen Verbrecher, wenn auch nicht in jedem Falle, wie im vorliegenden, gerade ein Mord den Abſchluß bildet.

Die Anklage ſagt, der in Rede ſtehende jugend - liche Raubmörder ſei noch als Kind plötzlich in ſchlechte Geſellſchaft geratheu . Was die löbliche k. k. Staatsanwaltſchaft bei dieſer faſt in allen An -518 Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901[k]lageſchriften gegen jugendliche Verbrecher wieder -[ke]hrenden Phraſe ſich gedacht hat, wiſſen wir natür -[l]ich nicht. Wahrſcheinlich wollte ſie damit auf die allerdings zweifellos richtige und allgemein aner - kannte Thatſache hinweiſen, daß bei der Entwicklung beſonders der jugendlichen Verbrecher ſtets die ſocialen Verhältniſſe, in denen ſie leben uud aufwachſen, oder wie die Criminaliſten ſagen das ſogenannte ſociale Milieu die erſte und entſcheidende Rolle ſpielt Damit allein iſt uns jedoch nicht gedient, wir möchten doch auch näher wiſſen, wie denn eigentlich der junge Verbrecher ſeinerzeit in dieſe ſchlechte Geſellſchaft gerathen iſt, und wie es kommt, daß heute gar ſo oft ſelbſt auch gut geartete und wohlerzogene Kinder aus in guten und geordneten Verhältniſſen lebenden Familien ſo plötzlich in ſchlechte Geſellſchaft ge - rathen . Darüber wollen wir hier einige Worte ſagen, wenn es auch aus verſchiedenen Gründen nicht immer möglich iſt, die ganze Wahrheit zu enthüllen, und wenn wir auch gerne anerkennen, daß es auch andere Wege gibt, auf denen das Kind in ſchlechte Geſellſchaft geräth, wie der, den wir als den typiſchen hinzuſtellen beabſichtigen.

Bis zu ſeinem dreizehnten, beziehungsweiſe vier -[z]ehnten Lebensjahre, dem Alter der vollen geſetz - lichen Strafmündigkeit, hat ſich der genannte junge Raubmörder, wie wir aus den Verhandlungs - berichten entnehmen, durchaus normal verhalten und war ein folgſames, braves, fleißiges und ſittſames Kind; ſelbſt die Anklageſchrift ſtellt ihm für dieſe ſeine Lebensperiode ein gutes Zeugniß aus. Nun kam er in das gefährliche Alter der Entwicklung; er begieng irgend einen jugendlichen Streich, ließ ſich vielleicht ſogar zu einem kleinen Diebſtahl verleiten oder machte ſonſt einen polizeiwidrigen Unfug und fiel ſo, wie es mit Tauſenden ſeiner Altersgenoſſen täglich geſchieht, in eine der zahlloſen Schlingen der modernen Straf - geſetze und Polizeivorſchriften.

Selbſtverſtändlich legte die Strafjuſtiz ſofort ihre ahndende Hand an ihn: er wird angezeigt, ver - urtheilt und wandert zum erſten Male auf einige Tage oder Wochen in den Arreſt. Damit iſt alſo der Anfang gemacht, die moderne Beſſerung im Gefängniſſe hat begonnen an ihm ihr Werk zu zu thun, eheſtens werden auch ihre Reſultate zu Tage treten. Das Kind büßt ſeine kurze Gefängnißſtrafe ab und kehrt ins Elternhaus zurück. Aber bald bemerkt man nun eine eigenthümliche, ſehr unangenehme Ver - änderung an dem beſtraften Knaben, die ſich ſelbſt in ſeinem Geſichtsausdrucke offenbart. Die frühere ruhige Klarheit und Unſchuld ſeiner Augen iſt verſchwunden, ſeine Blicke ſind unruhig und verſchloſſen, ein Schimmer von beginnender Verkommenheit und ver - ſtockter Bosheit läßt ſich in ſeinen Geſichtszügen be - obachten. Er folgt nicht mehr, wird immer ſtörri - ſcher, iſt grob und brutal gegen Eltern und Geſchwiſter, führt gemeine und unreine Reden, hält nichts mehr auf ſeine Kleidung und ſcheint laſterhafte geheime Gewohnheiten zu haben; er lernt nichts mehr und wird immer arbeitsſcheuer, bleibt gegen ſeine frühere Gewohnheit oft ſtundenlang ja ſchließlich vielleicht auch Tage lang vom Elteru - hauſe weg, ohne daß man etwas Anderes über ſeinen Aufenthalt erfahren kann, als daß er hie und da in intimer Geſellſchaft mit verdächtigen Individuen ge - ſehen wurde, deren Bekanntſchaft er wahrſcheinlich im Arreſte gemacht hat.

Nicht lange dauert es, ſo begeht er ein neuer - liches Delict; aber dieſes zeigt bereits einen ganz anderen Charakter, als ſein erſtes früheres Vergehen; es iſt nicht mehr ein harmloſer oder unbeſonnener Jugendſtreich, ſondern es offenbart ſich in der ganzen That bereits eine routinirte Ueberlegung und energiſche Bosheit; er muß irgendwo Schule gemacht haben; vielleicht wiſſen der Herr Staatsanwalt und der Kerkermeiſter, wo dies geſchehen iſt?

Selbſtredend wird er nun, und zwar diesmal wirklich von Rechtswegen, wieder beſtraft und von da an folgen Strafe auf Strafe; alle Bemühungen ſeiner Angehörigen, ihn wieder auf einen ordentlichen Lebensweg zurückzubringen, ſind vergebens, er kommt aus den diverſen Arreſten und Kerkern, Zwangs - arbeits - und Beſſerungshäuſern faſt gar nicht mehr heraus. Im Alter von 19 Jahren wird er endlich über Bitten der Mutter der Freiheit wiedergegeben. Da er natürlich in den verſchiedenen Gefängiſſen und Beſſerungshäuſern kein Handwerk oder Gewerbe gelernt hat, ſondern, wie der Bericht lautet, nur zu verſchiedenen Arbeiten verwendet, meiſtens aber wohl überhaupt nicht beſchäftigt wurde, wird er nun - mehr in die Lehre gegeben Nun ſoll ſich zeigen, wie weit er es unter der beſſernden Fürſorge der Strafjuſtiz gebracht hat. Näheres darüber wiſſen wir nicht; Thatſache iſt, daß er knrze Zeit nach ſeiner Freilaſſung einen Raubmord begeht.

Aus dem Geſagten wollen wir nun kurz das Schlußergeqniß ziehen. Wie in zahlloſen anderen Fällen der Schreiber dieſer Zeilen könnte aus ſeiner eigenen Praxis hunderte von ſolchen aufzählen war offenbar auch bei dem in Rede ſtehenden jungen Verbrecher die erlittene kurzzeitige Gefängniß - ſtrafe der entſcheidende Wendepunkt ſeines Lebens - laufes. Dies iſt ſowohl aus dem zeitlichen Zu - ſammentreffen wie aus allen anderen begleitenden Umſtänden zu entnehmen; ja man könnte gewiſſer - maßen ſagen, dieſe erſte Einſperrung in die Arreſte wie man dieſe moraliſchen Zuchtmittel nennt war auch die erſte Urſache des jetzt von ihm began - genen todeswürdigen Verbrechens, denn ſie war es in erſter Reihe, welche ihn auf jene ſchiefe Laufbahn brachte, die nunmehr vorläufig mit einem Morde ge - endet hat.

Gewiß ſoll ja auch im kindlichen bezw. jugend - lichen Alter jeder wirkliche Fehltritt beſtraft werden, dieſe Beſtrafung muß jedoch eine dem Fehltritt und dem jugendlichen Alter angemeſſene ſein. Daß aber die modernen Staaten, mit wenigen Ausnahmen, über gar keine anderen Strafmittel gegen jugendliche Perſonen verfügen, als nur das Gefängniß und immer wieder nur das Gefängniß, und zwar, wie es unter den obwaltenden Umſtänden nicht anders mög - lich iſt, gerade die moraliſch allergefährlichſte Gemein - ſchaftshaft in den von den Criminaliſten aller Länder übereinſtimmend als wahre Hochſchulen aller Laſter bezeichneten Gefängniſſen, das iſt wirklich traurig. Umſo mehr aber iſt dies zu bedauern, wenn noch da - zu, wie es heute tagtäglich in zahlloſen Fällen überall geſchieht, dieſes mehr als gefährliche Strafmittel ohne Unterſcheidung ſelbſt bei ganz geringfügigen kindlichen Fehltritten mechaniſch in Anwendung gebracht wird, wo oft eine ernſte Rüge oder einige Hiebe vollkommen genügen würden. Das iſt die traurigſte Frucht des blinden Doctrinarismus, der auf keinem Gebiete ſo unumſchränkt herrſcht, wie eben in der modernen Strafgeſetzgebung und Strafrechtspflege.

Aehnlich dem über die ſproſſenden Saaten ſich legenden ſcharfen Froſte zerſtören erfahrungsgemäß die an Kindern und jugendlichen Perſonen vollzogenen, wenn auch nur kurzzeitigen Gefängnißſtrafen jede Unſchuld und alle Willenskraft zum Guten, machen alle bisherige Erziehung zu Nichte und pflanzen dafür die Peſtkeime der ſchädlichen Laſter in das zarte, für alle äußeren Eindrücke beſonders ewpfängliche jugend - liche Weſen. In Wien allein werden jährlich Tauſende von unreifen Kindern und jugendlichen Perſonen in die faſt ſtets überfüllten Gefängniſſe des Landesgerichtes, der Bezirksgerichte und der Polizei zur Vollſtreckung von Freiheitsſtrafen oder zur vorläufigen Detention eingeſchloſſen; man findet ja kaum mehr eine Zelle, in der nicht wenigſtens ein jugendlicher Häftling zwiſchen den erwachſenen Sträf - lingen ſich befände. Auch von dieſen nicht ſelten aus guter und höhergeſtellten Familien ſtammenden unglück - lichen Kindern wird einſt wohl oft die Anklage ſagen: Er gerieth in ſchlechte Geſellſchaft. Wo und wie dies vor Allem geſchieht, weiß man wohl; vielleicht wiſſen es auch der Herr Juſtizminiſter und der Staatsanwalt, wenn ſie auch nicht gerne davon ſprechen oder ſprechen hören.

Wir unſererſeits wollen darüber nichts Weiteres mehr bemerken, denn ſonſt könnten wir vielleicht auch noch nach irgeudwelchem Paragraphen belangt werden und ſo auch iu ſchlechte Geſellſchaft ge - rathen. Sapienti sat! Dr. Z.

Vereinsnachrichten.

§ Geſellſchaft vom Blauen Kreuz.

In Mark - graf-Neuſiedl entwickelt ſich rege Thätigkeit auf dem Bauplatze der Geſellſchaft vom Blauen Kreuze, da nunmehr die wackeren Landwirthe daſelbſt die für das Dienſtboten-Greiſinen heim gehörigen Ziegel vom Bahnhof zum Bauplatz unentgeltlich befördern. Die benöthigten 250.000 Ziegel kommen von Frattings - dorf aus der Ziegelei des Herrn Steingaßner, welcher für den Bau dieſes Kaiſermonumentes die Ziegel zum Selbſtkoſtenpreis liefert. Der Schlußſtein wird am 4. October d. J. gelegt werden. Es muß aber dem Bau auch Leben eingehaucht werden; dies geſchieht dadurch, daß in dieſem Monumentalbau mehrere würdige greiſe Dienſtboten bis an ihr Lebensende unentgeltlich gepflegt werden, welche täglich desjenigen dankerfüllten Herzen gedenken, zu deſſen Ehren ihnen die Wohlthat einer Altersverſorgung zu Theil wurde. Es iſt noch viel Geld nöthig, um dieſe Inſtitution unſeres großen Kaiſers würdig zu geſtalten. Die Präſidentin Joſefine v. Szivos, 9. Bez., Berggaſſe 20, bittet daher, zum Monumentalbau in Markgrafneuſiedl je nach dem Dictate ihrer edel veranlagten Herzen beizuſteuern. Größere Spenden werden auf der Marmortafel im Veſtibule des Kaiſermonumentes in goldenen Lettern der Nachwelt zur Kenntniß gebracht.

§ Katholiſches Handels-Caſino.

Das katholiſche Handels-Caſino in Wien veranſtaltet ſeine diesjährige Faſchings-Unterhaltung am Faſchingmontag den 18. Februar 1901 im Saale des Hotels Bayriſcher Hof , 2. Bez., Taborſtraße Nr. 39, und ladet alle Freunde des Caſinos zum Beſuche herzlich ein. Für ein eminentes Programm hat die Vereinsleitung beſtens vorgeſorgt. Nach Schluß der Vorträge Tanzkränzchen. Karten à 1 K ſind im Secretariate des katholiſchen Handelscaſinos, 1. Bez., Singerſtraße 18, erhältlich.

§ Politiſcher Fortſchrittsverein Eintracht 3. Bezirk.

Am Montag, den 11. Februar veran - ſtaltet der politiſche Fortſchrittsverein Eintracht im 3. Bezirk zu Ehren ſeines Ehrenmitgliedes Bürger - meiſter Dr. Carl Lueger abermals das in allen Geſellſchaftskreiſen beliebte Lueger-Kränzchen wie immer ſo auch diesmal in Drehers Sälen, 3. Bez. Hauptſtraße 97. Nachdem das diesmalige Kränzchen in der Reihe der veranſtalteten Kränzchen das 25. iſt, ſo wird dasſelbe zugleich als das 25jährige Jubiläums-Lueger-Kränzchen gefeiert und be - reitet das Kränzchen-Comité alles vor, um dasſelbe zu einem recht glänzenden zu geſtalten.

§ St. Severinus-Verein.

Die Mitglieder werden hiermit höflichſt aufmerkſam gemacht, die Jahres - beiträge nicht in der Kanzlei, 1. Bezirk, Annagaſſe 9, ſondern an den Caſſier Franz Pololanik jun. 1. Be - zirk, Johannesgaſſe 17, erlegen zu wollen, wo auch Beitritts-Erklärungen entgegengenommen werden.

§ Pfarrgruppe Maria Treu in der Joſefſtadt

des Katholiſchen Schulvereins. Sonntag den 27. d. Abends ½7 Uhr findet in Buchingers Reſtauration, Alſerſtraße 63 die Jahresverſammlung ſtatt. Sprechen werden: Hochw. Joſef C. Heidenreich und Abg. Dr. R. Weiskirchner. Geſangs und Muſikvorträge.

§ St. Petrus Claver-Sodalität.

Samſtag den 2. Februar um ¾3 Uhr Nachmittags, Vortrag über Afrika-Miſſion, gehalten von P. Gieſe aus dem Miſſionshauſe St. Gabriel, im Concertſaale des Anna - hofes, 1. Bez., Annagaſſe 3. Eintritt frei ohne Karten

Die Königin von England liegt hoffnungslos zwiſchen Leben und Sterben. Geſtern (Sonntag) 10 Uhr Morgens war folgendes Bulletin ausgegehen:

Ihre Majeſtät verbrachte eine ziemlich ruhe - loſe Nacht. Sonſt iſt keinerlei Veränderung ſeit dem letzten Bulletin eingetreten.

Um 3 Uhr Nachmittags hieß es in London, eine Depeſche der Tochter der Königin, Prinzeſſin Beatrix, ſei iu London eingetroffen, daß der Zuſtand der Königin ernſt jedoch nicht hoffnungslos ſei. Allein um 5 Uhr traf aus Osborne ein Bulletin ein. In demſelben erklärten die Leibärzte Powell und Reid: Der Kräftezuſtand der Königin iſt tagsüber im Gleichen verblieben und es iſt keinerlei Fortſchritt im Auflöſungsproceß eingetreten; aber die Symptome ſind fortgeſetzt beſorgnißerregend.

Um ½12 Uhr Nachts lautete das Bulletin: Der Zuſtand Ihrer Majeſtät iſt im Laufe der letzten Abendſtunden ernſter geworden, da der Kräfte - verfall zunimmt und die Fähigkeit, Nahrung zu ſich zu nehmen, ſich vermindert.

Um ½1 Uhr lautete es: Das um Mitternacht in Osborne ausgegebene Bulletin conſtatirt fort - ſchreitenden Kräfteverfall.

Bei der Wiener großbritaniſchen Bot - ſchaft ſind heute aus Osborne Depeſchen des In - haltes eingetroffen, daß der Zuſtand der Königin un - verändert iſt, daß ſich ſehr bedrohliche Symptome gezeigt haben. Alle Mitglieder des Allerhöchſten Kaiſerhauſes, die Hof - und Staatswürdenträger zogen Erkundigungen auf der Botſchaft ein.

Das Reuter’ſche Bureau veröffentlicht folgende Depeſche aus Osborne von 8 Uhr Abends: Die Königin liegt in Agonie. Der Eintritt der Kataſtrophe iſt ſtündlich zu erwarten.

Der Prinz von Wales begab ſich von Cowes nach London, um den Kaiſer Wilhelm zu empfangen, deſſen Ankunft im Charing - croß-Bahnhofe für 6 Uhr Abends erwartet wird.

Kaiſer Wilhelm iſt um 5 Uhr Nachmittags in Port Victoria eingetroffen. Der Prinz von Wales iſt in London angekommen.

Kaiſer Wilhelm und Herzog von Connaught ſind um 6 Uhr 20 Minuten Abends im Charingcroß-Bahnhofe eingetroffen und wurden vom Prinzen von Wales, Herzog von York uud dem Prinzen Chriſtian von Schleswig-Holſtein empfangen. Kaiſer Wilhelm begab ſich nach dem Buckingham-Palaſte.

Das Mitternachts über das Befinden der Königin ausgegebene Bulletin be - ſagt: Der Zuſtand der Königin hat ſich im Laufe des Abends verſchlimmert. Die Schwäche nimmt zu; die Nahrungsaufnahme iſt erſchwert.

Die ge - ſammte königliche Familie iſt im Sterbezimmer ver - ſammelt. Der Eintritt des Todes wird jeden Augenblick erwartet.

Kaiſer Wilhelm, der Prinz von Wales, ſowie die Herzoge von Connaught und York ſind um 8 Uhr Früh vom Victoria-Bahn - hofe nach Osborne abgereiſt.

Königin Victoria, I. Alexandra, wurde am 24. Mai 1819 als einzige Tochter des Herzogs von Kent und deſſen Gattin, der Prinzeſſin Louiſe Victoria von Sachſen-Saalfeld-Coburg, verwitweten Fürſtin Leinigen geboren. Der am 23. Jänner 1820 ver - ſtorbene Herzog von Kent war der Bruder des Königs Wilhelm IV. Als dieſer am 20. Juni 1837 kinder - los ſtarb, wurde ſeine Nichte Victoria zur Thronfolg[e]in Großbritanien berufen und am 28. Jänner 1838 zur Königin gekrönt. Am 10. Februar 1840 ver[-]mählte ſich die Königin, dem Zuge des Herzens fo[l]gend, mit dem Prinzen Albrecht von Sachſe[n]Coburg-Gotha. Am 14. December 1841 ſtarb Pri[nz]Albert. Der Ehe des Königspaares, die ei[ne]muſtergiltige war, entſtammen neun Kinder, dere[n]älteſtes, Prinzeſſin Victoria, mit Kaiſer Fried[-]rich III. vermählt war und die Mutter de[-]derzeit regierenden dentſchen Kaiſers Wilhelm II6Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901 18iſt. Der älteſte Sohn der Königin, der gegenwärtige Thronfolger Prinz Albert Eduard von Wales, der am 9. November 1841 geboren wurde, vermählte ſich am 10. März 1863 mit der Prinzeſſin Alexandra, Tochter des Königs Chriſtian von Dänemark. Ein Enkel der Königin, Herzog Leopold von Albany, hat nach dem Tode ſeines Oheims, des kinderloſen Herzogs Alfred von Sachſen-Coburg-Gotha, den Thron dieſes Landes beſtiegen. Die Königin iſt mit den meiſten europäiſchen Herrſcherhäuſern verwandt.

In das erſte Regierungsjahr der Königin fiel die Abtrennung Hannovers, wo nur das männliche Erbrecht galt, von Großbritanien. Hannover erhielt in Herzog Ernſt Auguſt, dem älteſten Bruder des verſtorbenen Oheims der Königin Victoria, den erſten König. Zur Zeit des Regierungsantrittes der - nigin herrſchten in England die Whigs, von welchen ſich ein radicaler Flügel abgetrennt hatte, der eine vollſtändige Umgeſtaltung der ſocialen und politiſchen Verhältniſſe ins Auge faßte. Heftige Kämpfe entſpannen ſich um die Volkscharte, worin allgemeine directe Wahlen ohne Cenſus, jährliche Parlamentswahlen, Abſchaffung des Armengeſetzes, Verminderung der Abgaben ꝛc. ꝛc. gefordert wurden und um die Peel’ſche Kornbill (1842). Im Jahre 1846 wurde nach Beſeitigung der Kornzölle, das Syſtem des Freihandels, das Großbritannien zur Blüthe führte, proclamirt. Die radicale Bewegung, die im Volke feſten Fuß gefaßt hatte, ließ den Aus - bruch von Unruhen im Jahre 1848 befürchten, doch blieb es, da inzwiſchen die wirthſchaftlichen Verhältniſſe eine Beſſerung erfahren hatten, bei unſchädlichen Demon - ſtrationsverſuchen und Aufzügen.

In der auswärtigen Politik, die in dieſem Zeit - raum von Palmerſton geleitet wurde, war nicht immer günſtig für England. So wurde das Inſel - reich bei dem Unternehmen, die Pforte gegen die ruſſiſchen Eroberungspläne zu ſchützen, in den Krim - krieg verwickelt. Glücklicher waren die Engländer in ihrer Colonialpolitik. Sie erzielten bedeutende Erfolge in Indien, wo nach Unterdrückung des Sipoys-Auf - ſtandes 1858, das Land direct unter die Herrſchaft der Krone geſtellt wurde. Von China erzwang man 1842 das ſpäter in verwerflichſter Weiſe ausgeübte Recht des Opiumhandels, die Abtretung der Inſel Hongkong und die Eröffnung von fünf Häfen. Auch ſpätere Kriege gegen China 1857 / 58 und 1860 mit Hilfe Frankreichs endeten vortheilhaft für den engli - ſchen Handel.

In das Jahr 1867 fällt die Durchführung einer dem conſervativen Miniſterium Derby-Disraeli von den Liberalen aufgezwungenen Parlamentsreform, die den Cenſus herabſetzte. Die Annahme eines Antrages Gladſtone’s auf Aufhebung der engliſchen Hochkirche in Irland im Unterhauſe, veranlaßte den Rücktritt des Miniſteriums und die Berufung Gladſtone’s zur Leitung der Regierung. Dieſer ſchritt energiſch an die Löſung der iriſchen Frage, die eine brennende geworden. Gladſtone verſuchte die von den geheimen Geſellſchaften, beſonders von den Geheimbund der Fenier genährte Empörung zu beruhigen. Gladſtone ſetzte zunächſt die Entſtaatlichung der anglikaniſchen Kirche in Irland durch; die Kirchenbill von 1869 verdrängte die Staatskirche aus dem ausſchließlichen Beſitze des iriſchen Kirchenvermögens und dotirte dasſelbe mit einem Capitale von 12 Millionen Pfund Sterling. Eine gleichzeitige erlaſſene Agrarbill ſollte die iriſchen Pächter gegen die Willkür der Gutsherrn ſchützen. Die iriſche Frage war aber dadurch nicht gelöſt, ſie beſchäftigte in hervorragender Weiſe auch die ſpäteren Regierungen.

Auch unter dieſem Miniſterium Gladſtone war die auswärtige engliſche Politik eine engherzige, von den Intereſſen des Großhandels beſtimmte Krämerpolitik. Großbritannten griff nicht in die Ereigniſſe der Jahre 1864, 1866 und 1870 ein. Auf der Londoner Con - ferenz im März 1871 wurden die Schranken beſeitigt, die engliſcher Einfluß nach dem Krimkriege der Flotte Rußlands im Schwarzen Meer und ſeiner Einfahrt gezogen hatte. Unter dem conſervativen Miniſterium Disraelt, das von 1874 1880 die Ge - ſchäfte führte, griff England mit rauher Hand in die Verhältniſſe Egyptens ein, es kaufte die Actien des Suezcanales auf und übernahm die Ordnung der zerrütteten Finanzverhältniſſe des Landes, wodurch es ſich ſeinen Einfluß ſicherte und das Protectorat vorbereitete. Im ruſſiſch-türkiſchen Kriege 1877 bis 1878 trat England aus egoiſtiſchen Gründen für die Pforte ein und verſtärkte ſeine Poſition im Mittelmeere durch die 1878 erfolgte Beſetzung Cyperns. In das Jahr 1876 fällt die Verkündigung der Bill in London, durch welche der Königin von England der Titel einer Kaiſerin von Indien ver - liehen wurde. Das gewaltſame Vorgehen gegen die Zulus, ſowie die unrechtmäßige Beſetzung von Trans - vaal, die einen Aufſtand der Boeren hervorrief, brachten Disraeli’s Politik in Mißeredit und bei den Neuwahlen kamen die Liberalen wieder ans Ruder. Gladſtone, der von 1880 bis 1885 die Regierung führte, gab Afghaniſtan und Transvaal wieder auf, gerieth aber bald mit den Iren in Schwierigkeiten, da die halben Maßregeln gegen die terroriſtiſch auf - tretende Landliga nicht den gewünſchten Erfolg hatten. In raſcher Reihenfolge löſten ſich Gladſtone und Lord Salisbury in der Führung der Geſchäfte[ab]und jeder war vergebens bemüht, Ordnung in dieiriſchen Wirren zu bringen. Unter Salisbury wurde die Politik der Repreſſion durch Zwangsbills wieder aufgenommen. Die Verhaftungen parnellitiſcher Abgeordneter ſteigerte die Aufregung derart, daß ſelbſt Beſchwichtigungsverſuche des Papſtes und der Biſchöfe erfolglos blieben. Die Spaltung in der iriſchen Partei, die den Plänen der Regierung förder - lich war, nahm mit Parnell’s Tode ein Ende und es kam zu einem engen Zuſammenſchluſſe der Gruppen. Im Jahre 1890 gelang es Salibury die znr Schaffung eines ſelbſtändigen iriſchen Bauernſtandes beſtimmte Landbill durchzubringen.

Im Jahre 1892 wurden, da die Majorität der Regierung im Unterhauſe von der Gefolgſchaft der iriſchen Abgeordneten abhing, die iriſchen Verbrecher - acte aufgehoben, durch deren energiſche Durchführung das Miniſterium Salisbury die Ruhe auf der Inſel nothdürftig hergeſtellt hatte. Im Jahre 1893 brachte Gladſtone eine neue Homerulebill ein, die wohl vom Unterhauſe angenommen, vom Oberhauſe jedoch ab - gelehnt wurde. Demſelben Schickſal verfiel auch eine ſpätere Vorlage der Regierung. Im Jahre 1895 ge - langte eine Bill, welche weitere Erleichterungen für die Umwandlung des Pachtverhältniſſes in ein Eigen - thumsverhältniß einführte und verhindern ſollte, daß die von den Pächtern in ihren Gütern vorgenommenen Meliorationen zur Erhöhung der Pachtſumme benützt werden, zur parlamentariſchen Erledigung. Einen weſentlichen Fortſchritt in der inneren Entwicklung Irlands bedeutet die im Auguſt 1898 ins Leben getretene iriſche Selbſtverwaltungsbill, die ſich in allen weſentlichen Punkten den engliſchen und ſchottiſchen Geſetzen anſchloß.

In die letzten Regierungsjahre der Königin fallen die durch eine vom Krämergeiſt inſpirirte Er - oberungspolitik geführten Kriege in Afrika. In dieſem Welttheil hat England eine Mehrung ſeiner Gebiete nicht immer auf friedlichem Wege gefunden. Wir erinnern nur an die Kämpfe im Sudan und in Südafrika, wo um der Intereſſen einiger weniger aber mächtiger Speculanten willen, ein erbitterter Vernichtungskampf gegen freie Völker ge - führt wird, ein Kampf, der England die letzten Sympathien der civiliſirten Welt raubte. Es fehlte aber auch nicht an Verſuchen der Kolonien das Mutterland zu ſchwächen, ſich von ihm loszumachen. Dahin ſind die Be - ſtrebungen zu zählen, die ihren vorläufigen Abſchluß in der Errichtung des auſtraliſchen Staatenbundes gefunden haben. Jedenfalls nimmt England nicht mehr den Rang unter den europäiſchen Staaten ein, den es noch bei Beginn der Regierungszeit der Königin Viktoria inne hatte.

Letzte Nachrichten.

Auch ein Vorſchlag.

In den Tiroler Stimmen ſchreibt ein conſervativer Wähler: Die Einen rathen der Katholiſchen Volkspartei: mehr Be - tonung des nationalen Elements in der Zukunft; in chriſtlich-ſocialen Blättern lieſt man ſogar: ſtärkere Hervorkehrung des antiſemitiſchen Standpunktes. Mir ſcheint, gegenüber dem allſeitigen Anſturm gerade auf die katholiſchen Poſitionen gibt es znnächſt nur Eine wirkſame Gegenaction: Zuſammenſchluß aller katholiſchen Elemente und Feſtigung dieſer Poſition. Es handelt ſich dabei nicht etwa um die Verſchmelzung der katholiſchen Volkspartei mi[t d]en Chriſtlich-Socialen; eine ſolche V[er]- ſchmelzung liegt heute fe[rn]er als je. Es können auch die katholiſchen Ab - geordneten des böhmiſchen Großgrundbeſitzes für dieſen Zuſammenſchluß derzeit nicht in Betracht kommen. Als Cryſtalliſationspunkt ſind die Parteien gedacht, die ſich bisher Katholiſche Volks - partei und Centrum nannten. Es iſt wohl ſelbſtverſtändlich, daß ein Name gefunden werden muß, unter dem ſich dieſe beiden Gruppen vereinigen. Der Club, der aus der Vereinigung hervorgeht, wird dann gleich ſtark oder um einige Mann ſtärker ſein als die bisherige Katholiſche Volkspartei. Aber damit darf es nicht ſein Be - wenden haben. Die Katholiſche Volkspartei zählt heute 23 Mandate, das Centrum 6; macht zuſammen 29 Mandate für dieſen Zuſammenſchluß aller katholiſchen Elemente? Sein Vaterland muß größer ſein, möchten wir da mit Arndt ſprechen.

Politiſche Maulhelden.

Herr Schönerer ſcheint bei der czechiſchen Nation gelehrige Schüler gefunden zu haben. Die ſechs Mann hohe Partei der national-ſocialen Arbeiter kündigt in ihrem Prager Organ Ceska Demokracie der Regierung die lärmende Obſtruction an. Nachdem das Blatt die drei vom Parlament zuerſt zu erledigenden Staats - nothwendigkeiten Delegationswahlen, Recruten - bewilligung und 500 Millionen-Anleihe auf - gezählt, fährt es fort: Alles Andere will die Regierung zurückſtellen! Durchaus ſchöne Pläne; aber ganz andere Ver - hältniſſe müſſen exiſtiren, damit die Regierung auf Ruhe im Parlament rechnen könnte. Wir kennen nur eine Nothwendigkeit: Das iſt die Erhaltung der eigenen Exiſtenz. Alles Andere geht uns nichts an,und muß uns nichts angehen. Je kleiner eine Fraction iſt, deſto anmaßender iſt ſie. So glauben die fünf Nationalſocialen mit dem doppelgewählten Herrn Klofač an der Spitze, daß die öſterreichiſche Politik um ihre Wenigkeit ſich drehen wird.

Der Hagenbund aufgelöſt.

Bekanntlich iſt ein Theil der Mitglieder des Künſtlerbundes Hagen aus der Künſtlergenoſſenſchaft ausgetreten. Dieſe Seceſſion führte nun zu einer Auflöſung des genannten Bundes, welche auch bereits in der amt - lichen Wiener Zeitung verlautbart wird.

Eine Enthüllung des Vorwärts .

Der Berliner Vorwärts veröffentlicht ein vom Juni 1896 datirtes Schreiben des Generalſecretärs des Centralverbandes deutſcher Induſtriellen, Bück, an den bayeriſchen Reichsrath v. Haßler. Das ver - trauliche Schreiben conſtatirt, daß wir (die Groß - induſtrie) den Miniſter v. Berlepſch endlich doch klein bekommen haben, daß der Nachfolger Berlepſch, Herr Brefeld, ihn Bück gebeten habe, ſtets zu ihm zu kommen, wenn wir irgend etwas haben, daß man mit Brefeld überhaupt zu - frieden ſein könne. Der Miniſter ſei mit dem Kaiſer dahin einverſtanden, in der Socialreform mehr Ruhe eintreten zu laſſen. Die Lage der Ar - beiter könne als eine vollkommen befriedigende be - zeichnet werden. Entſtehende Klagen ſeien Unfug. Der Brief iſt ein erneuter charakteriſtiſcher Beweis der Intimität der Regierung und des Centralverbandes.

Die mediciniſche Facultät gegen den Staatsanwalt.

Das Wieuer mediciniſche Pro - feſſorencollegium hat in ſeiner letzten Sitzung be - ſchloſſen, in Folge der Kritik, welcher der Staats - anwalt Dr. Ritter v. Kleeborn das Gutachten der Facultät in Sachen des in erſter Inſtanz verurtheilten Frauenarztes Dr. Schoßberger unterzogen hatte, eine motivirte Beſchwerde an die Regierung, bezw. auf dem Wege des Unterrichtsminiſteriums an das Juſtizminiſterium zu richten. Anderſeits haben der Vor - ſtand der Wiener Aerztekammer und der Verband der Aerzte Wiens Reſolutionen angenommen, welche die Facultät zur entſchiedenen Abwehr des ſtaatsanwalt - ſchaftlichen Angriffes auffordern. In der Reſolution der Aerztekammer wird der Thatſache mit Befriedi - gung Ausdruck gegeben, daß die Facultät ent - ſchloſſen iſt, in entſprechender Weiſe gegen dieſes Vorgehen der Staatsanwalſchaft einzuſchreiten, durch welches ſich die geſammte Aerzteſchaft getroffen fühlt, deren wiſſenſchaftliche Vertretung die mediciniſche Facultät iſt.

Ein Grubenbrand in Mähriſch-Oſtrau.

In Mähriſch-Oſtrau brach geſtern Nachts, muthmaß - lich in Folge Brandlegung, im Eliſabeth-Flötze des mitten im Stadtgebiete gelegenen Carolinen-Schachtes der Witkowitzer Gruben in der Tiefe von 400 Metern Feuer aus, welches die Zimmerung einer Verbin - dungsſtrecke zum oberen Horizonte ergriff. Menſchen - leben waren nicht gefährdet. Die Löſcharbeiten dürften mehrere Tage in Anſpruch nehmen.

Wieder ein Zuſammenſtoß mit der Elek - triſchen.

Auf der Favoritenſtraße iſt am 20. d. um ¾8 Uhr Abends ein Motorwagen der elektriſchen Straßenbahn ſo heftig an das Einſpännerzeug Nr. 1132 angefahren, daß letzteres ganz zertrümmert wurde. Der Einſpänuerkutſcher Ignaz Kirchmayer wurde vom Bocke geſchleudert, hat aber keine Ver - letzungen erlitten.

* Verunglückt.

Geſtern Mittags iſt der beim Bau des Winterhafens beſchäftigte 38jährige Tag - löhner Carl Bauer am Praterſpitz beim Transport eines ſchweren eiſernen Rades auf dem Baggerſchiffe Vulkan zu Boden geſtürzt. Infolge des Druckes durch das Rad erlitt er eine gefährliche Quetſchung des Bauches und der rechten Hüfte. Die bekannte Volksſängerin Mizzi Panfy ſollte am 19. d. M. bends im Saale der Reſſource, Reichsſtraße Nr. 3, bei einem Vereinsabend mitwirken. Auf der in den Saal führenden Stiege ſtürzte ſie beim Eintritte und verſtauchte ſich den linken Fuß.

* Ueber einen Kampf mit Einbrechern

wird der N. Fr. Pr. aus Prag berichtet. Geſtern Mor - gens bemerkte ein Sicherheitswachmann, daß zwei Strolche in dee Belvederegaſſe einen Laden erbrachen um einen Raub zu verüben. Der Wachmann ſuchte die beiden Strolche feſtzunehmen, wobei ſich nun ein heftiger Kampf entſpann, in dem der Wachmann den Säbel zog und einem Einbrecher 4 Finger zerſchuitt. Der Wachmann ſelbſt erlitt durch mehrere Hiebe, die einer der Einbrecher mit einer Hacke gegen ihn führte, ſchwere Verletzungen. Die beiden Strolche ergriffen die Flucht, doch gelang es, einen zu verhaften.

* Betrügeriſche Crida.

Das Laibacher Landesgericht hat gegen den 42jährigen Bäckermeiſter Mathias Miklaye aus Selo einen Steckbrief wegen Betruges erlaſſen. Miklave hat vor der Concurs - eröffnung Vermögensſtücke bei Seite geſchafft, unter Anderem drei auf 3800 K lautende Sparcaſſebücher.

* Der Ball bei Hof abgeſagt.

In Folge der ſchweren Erkrankung der Königin von Eng - land findet auf allerhöchſte Befehl der Ball bei Hof am Dienſtag, 22. d., nicht ſtatt.

718 Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901

Briefkaſten.

K. L. K.

Als chriſtliche Firma wird uns genannt: Brunbauer und Sohn, 7. Bez., Zieglergaſſe 53.

Amtliche Waareneurſe der Wiener Börſe.

Zucker (per 100 Kilo), Rohzucker, ruhig, prompt, Frachtbaſis Auſſig K 24.40 G. K 24.50 W.; pro Februar Frachtbaſis Auſſig 24.45 G. 24.55 W.; Raffinade Ia, ruhig, prompt ab Wien in Ganzwaggons 84.75 G. 85. W.; Würfelzucker Ia, ruhig, per Jänner-Februar ab mähriſche Station tranſito 28.50 G. 29.25 W.; Piles Centrifugal Ia, ruhig, prompt ab Trieſt tranſito 26.75 G. 27.25 W.; per Jänner-März ab Trieſt tranſito 26.75 G. 27.25 W. Spiritus (per 10.000 Liter), unv., prompt contingent, ab Wien 41.60 G. 41.80 W. Rüböl (per 50 Kilo), ruhig, prompt ab Wien 40.50 G. 41.50 W. Leinöl (per 100 Kilo). ruhig, engliſches, prompt ab Wien 90. G. 91. W. Oelſaaten (per 50 Kilo), Kohlreps ab Wien . G. . W. Petroleum (per 100 Kilo), ruhig, Kaukaſiſches raff., ohne Faß, prompt ab Trieſt tranſito 11.50 G. 12. W.; galiziſches und white, prompt ab Wien per Waggon 39.35 G. 40.35 W.; detto waſſerhell prompt ab Wien per Waggon 40.35 G. 41.35 W. Fettwaaren (per 50 Kilo), befeſtigt. Schweinfett, inländ., incluſive Faß, prompt I. Koſten ab Wien 56.50 G. 57. W.; Speck, weiß, excluſive Packung, prompt I. Koſten ab Wien 48. G. 49. W.; Unſchlitt, Aus - ſchnitt, prompt, I. Koſten ab Wien 34.50 G. 35. W.

Letzte Depeſchen.

Zuckermarkt. Ruhig. Roh - zucker ab Prag prompt 23.80, ab Kolin 23.20, ab Auſſig24.40, per Februar 24.45, Raffinade Prima prompt und Jänner 84. / 84·5 feſt; Kartoffelſpiritus raffinirt ab Prag 111.90 / 112. , Rüböl per 50 Kilo 41. / 42.

Zuckermarkt. Kornzucker excl. 96 percentiger . , Kornzucker excl. 92 gr. . , Kornzucker excl. 88 gr. 10.05 / 10.25, Kornzucker excl. 75 gr. 7.95 / 8.05 ruhig. Gemahlene Raffinade mit Faß 27.95, Gemahlene Melis Prima 27.45 unverändert. F. a. B. Hamburg, Baſis 88° ruhig, Jänner 9.30, Februar 9. 32·5, März 9.40, April 9.45, Mai 9. 52·5.

(Eröffnung.) Kaffee. Santos good average, per laufenden Monat Frcs. 38.75, per 4 Monate 39.25.

Zuckermarkt. Centrifugal Pilés unv. 26¾ bis 27¼, per Jänner / März 26¾ bis 27¼. Kaffee per 50 Kg. Ruhig. Rio 41 / 50, Santos 39 / 50, Spiritus per Jänner / Februar öſterr. 20. G., 20¼ W.

Petroleum loco 6.90.

Petroleum loco 6.80. ruhig.

Petroleum (fehlt).

Rohrüben-Zucker, Baſis 88° matt, Jänner 9 / 2·25, März 9 / 3·75, Mai 9 / 5·25, Aug. 9 / 8, Continental-Granuladet-Kryſtall-Zucker 11 / 6, ruhig. Tates Cubes Raffinade 16 / , ruhig. Java-Zucker 12 / ruhig.

Rohzucker 88° disponibel 23.75 / 24.25 ruhig, Weißer Zucker per laufenden Monat 27⅜, per Februar 27·50, träge, Raffinade disponipel 101. / 101.50.

Fettwaaren, per 50 Kg. Peſter Schweinfett 54.50, Tafel-Speck 45.50, Speck ge - räuchert (fehlt).

(Productenmarkt. Baumwolle in New-York 10. Baumwolle in New -Orleans 9 $$\nicefrac{7}{16}$$ , per Jänner 9.76, per Februar 9.44, Raffinirtes Petroleum Standard White in New-York per Jänner 7.45, in Philadelphia per Jänner 7.40, Raffinade (in cases) in New-York 8.50, Petroleum Credit Balances at Oil City 1.17 Mehl (Marke Spring Clears ) 2.80 ſtetig, Weizen 79¼, per Jänner 78⅜, per März 78⅞, per Mai 79¼, Mais per März 47. , per Mai 44½. Zucker, Fair Reſining Muscovados 3 $$\nicefrac{18}{16}$$ , Raw Centrifugal 4 $$\nicefrac{5}{16}$$ , Rio Kaffee Nr. 7 , Getreidefracht nach London prompt und Jänner, Schmalz (Marke Wilcox) per Jänner 7.90, Schmalz (Weſtern Steam) 7.80, Baum - wollzufuhren 20.000 Ballen.

Centralviehmarkt St. Marx.

Schlachtviehmarkt. Zu Markte geſtellt waren heute: 3004 Stück ungariſches, 1099 Stück galiziſches, 1148 Stück deutſches, zuſammen 5251 Stück Schlacht - vieh, worunter ſich 4048 Stück Maſtvieh und 1203 Stück Beinlvieh befanden.

Mit Rückſicht auf das anhaltend reichliche Ange - bot iſt die Stimmung flau und neigen die Preiſe dem Nachgeben zu, doch ſind bei den wenigen bisher vor - gefallenen Abſchlüſſen nur geringe Preisabſchwächungen vorgekommen.

Es notirten: Ungariſche Maſtochſen von K 52. bis K 70, Prima bis 76. ; galiziſche von 54. bis 72. , Prima bis 79. , ausnahmsweiſe 80. ; deutſche von 56. bis 76. , Prima bis 84. , ausnahmsweiſe 85. ; untergeordnete Maſtqualitäten von 44. bis 52. ; Stiere und Kühe von 44. bis 66. . Alles per Metercentner Lebendgewicht excluſive Verzeh - rungsſteuer.

Curſe an der Wiener Börſe (nach dem officiellen Cursblatte) vom 21. Jänner 1901.

Die notirten Curſe verſtehen ſich in Kronenwährung. Die Notirung ſämmtlicher Actien und der Diverſen Loſe verſteht ſich per Stück. In den Rubriken A F werden die auf K, ö. W. oder Silber lautenden[Effe]ecten 100 K = 50 fl., die auf C. -M. oder Goldgulden lautenden für 50 fl. des betreffenden Nominales, die auf Mark, Francs, Lire oder Liv. St. lautenden für 100 Mark, Francs, Lire und 5 Liv. St. notirt. Die ausnahmsweiſe per Stück gehandelten Effecten dieſer Rubriken ſind beſonders bezeichnet.

[U]mrechnungsſätze für Zinſen: 1 fl. ö. W. oder Silber = 2 K, 1 fl. C. -M. = 2 K 10 h, 1 Goldgulden = 2 K 40 h, 1 Mark = 1 K 18 h, 1 Franc oder 1 Lira = 96 h, 1 Liv. St. = 24 K

GeldWaare
A. Allgemeine Staats - ſchuld.
Mai-Rente p. C. 4·2 %.98.2598.45
Februar-Rente p. C. 4·2 %98.1598.35
Silber-Rente-Juli p. C. 4·2 % .......98.1098.30
Silber-Rente-October p. C. 4·2 % ......98.1098.30
1854er Staatsloſe 250 fl..181. .
1860er 500 fl. ..136 75137.75
1860er 100 fl.166 167.50
1864er 100 fl.196.75197.50
1864er 50 fl.196.751〈…〉〈…〉 7.50
Dom. -Pfdbr. à 120 fl.301.75303.75
B. Staatsſchuld der im Reichsrathe vertrete - nen Königreiche und Länder.
Oeſt. Goldrente. ſtfr., 100 fl. per Caſſa .... 4 %117.45117.65
dto. Rente in Kronenwähr. ſtfr., per Caſſa .. 4 %98.3098.50
dto. dto. dto. p. Ultimo 4 %98.3098.50
Oeſt. Inveſtitions-Rente, ſtfr., per Caſſa. %84.6084.80
Eiſenbahn-Staats - ſchuldverſchrei - bungen.
Eliſabethb. in G. ſtfr., zu 100 fl. ..... 4 %113.60114.60
Franz Joſeph-Bahn i. Silber (div. St.) ... 5 %118.50119.40
Rudolf-Bahn in Kronenwh. ſtfr., (div. St.) .. 4 %95.3096.30
Vorarlberger Bahn i. Krwh. ſtfr. 400 Kr. ... 4 %95. 95.80
Zu Staatsſchuldver - ſchreibungen abge - ſtempelte Eiſenbahn - Actien.
Eliſabethbahn 200 fl. CM. % von 200 fl. ...487. 491.
dto. Linz-Budweis 200 fl. ö. W. S. ... 5 ¼ %445. 448.
dto. Salzbg. -Tir. 200 fl. ö. W. S. .... 5 %434. 436.
dto. Karl Ludwig-B. 200 fl. CM. 5 % von 200 fl..427.30428.30
Vom Staate zur Zah - lung übernommene Eiſenbahn-Prisritäts Obligationen.
Böhm. Weſtbahn, Em. 1885 400 Kr. 4 % ....96.2597.
GeldWaare
Eliſabethb. 600 und 3000 M. 4 ab 10 % .....113.50114.50
Eliſabethbahn 400 u. 200 M. 4 % .......115.65116.65
Franz Joſeph-B. Em. 1884 (div. St.) Silb. 4 % ..95.8596.85
Galiziſche Karl Ludwig-B. (div. St.) Silber 4 %.95.7096.50
Vorarlberger Bahn Emiſſ. 1884 (div. St.) Silb. 4 %96.2097.
C. Staatsſchuld der Länder der ungariſchen Krone.
4 % ung. Goldrente p. C.117.05117.25
4 % dto. Rente in Kronen - währ. ſtfr. per Caſſa ..92.2092.40
% dto. dto. dto. p. C.82 1082 30
Ung. St. -Eiſ.-Anl.-G. 100fl.120.50121.50
dto. dto. Silber 100 fl..100.50101.50
dto. Staats-Oblig. (Ung. Oſtb. ) v. J. 1876 ..120. 120.75
dto. Schankregal-Ablöſung - Obligation .....98.6099.50
dto. Prämien-Anl. à 100 fl. = 200 Kronen ....165 75166.75
dto. dto dto. à 50 fl. = 100 Kr. ......165.75166.75
Theiß-Reg. -Loſe 4 % ..140. 141.
4 % ung. Grundentl. -Oblig.91.5092.50
4 % croat. und ſlavon. dto.92.7593.75
D. Andere öffentliche Anlehen.
5 % Donau-Reg. -Anl. 1878106. 107.
Wiener Verkehrs-Anl. ..95.5095.90
Anlehen der Stadt und Han - delskammer Trieſt. 4 %95. 95.50
Anlehen der Stadt Wien103.50104.50
dto. dto. (Silber od. Gold)122. 122.50
dto. dto. (1894) ...93.6094.40
Anl. d. Stadt Wien (1898)95.5096.20
Börſebau-Anl. verlosb. 5 %99.50100 50
Bulgar. Staats-Eiſ. -Hyp. - Anl. 100 fl. G. = 240 Kr. ...... 4 %95. 95.60
Bulgar. Staats-Hyp. -Anl. 1892. 100 fl. G. = 240 Kr. ...... 6 %96.8097.40
E. Pfandbriefe ꝛc.
Bodencr. allg. öſt. in 50 J. verl. ..... 4 %93.9094.90
Böhm. Hyp. -Bank .. 5 %102.25103.25
N. -öſt. L. -Hyp.-Anſt. 4 %96.6097.60
Oberöſterr. Landes-Hyp. - Anſt. ..... 4 %98. 99.
GeldWaare
Oeſt. -ung. Bank 40[½]jähr. verl. .... 4 %98.2599.25
dto. 50jähr. verl .. 4 %98.2599.25
Sparcaſſa erſte öſterr., 60 J. verl. ..... 4 %98.2599.25
Steierm Sparcaſſa. 4 %94.5095.50
F. Eiſenbahn-Priori - täts-Obligationen.
Bozen-Meraner Bahn 4 %96. .
Buſchtehrader Bahn. 5 %101. 101.80
Dux-Bodenbacher B., I. E. 1869 .... 5 %. .
Ferd. -Nordb. E. 1886 4 %97.7098.40
Oeſterr. Nordweſtbahn 5 %107.60108.40
dto. lit. B. ... 5 %107.40108.40
Staatsbahn .... 3 %429. .
dto. X. Emiſſ. 1885.409. .
dto. Ergänzungsnetz ..424. .
Südbahn Jänner-Juli. 3 %341.50342.25
dto. April-October. 3 %341 50342.25
Südnorddeutſche Verbindg. - Bahn 4 % .....94.7595.75
Ung. -galiz. Bahn ...104.80105.60
4 % Unterkrain. -Bahn (div. St.) .......99.50100.
4 % Valſugana-Eiſenb. -G. 200 Kr. ......92 2593.
4 % Wien-Aſp. -Eiſenb.-Geſ. 200 fl. S. .....97. 97.70
4 % Wr. -Loc.-A.-G. 400 Kr.89.5090.50
5 % Wr. -Pott.-Wr.-N.-B. 200 fl. S. .....103.75104.75
4 % Ybbsthalb. 200 fl. und 1000 fl. 5. W. ..... .
G. Diverſe Loſe. (per Stück.)
3 % Bodencr. -Loſe Em. 1880239.60241.50
3 % Em. 1889234 235.50
4 % Don. -Dampfſch 100 fl.370. 385.
5 % Don. -Reg.-Loſe ...258. 260.
Serbiſche Prämien-Anleihe à 100 Frcs. .. 2 %78.5080.50
Präm. -Oblig. der türk. E. - B. 4000 Fr. p. C. ... .
dto. dto. p. M.104.75105.75
Credit-Loſe 100 fl. ...387. 390.
Clary-Loſe 40 fl. ....141. 143.
Dombau Budapeſter ...14.1515.15
Innsbrucker Stadtanl. ..75. 77.
Krakauer Anl. ....66.5067.50
Laibacher Pr. -Anl. ..58. 62.
Ofener Loſe 40 fl. ...150. 152.
Rothen Kreuz öſterr. Geſ. v. 10 fl. .....144. 146.
Rothen Kreuz ung. ...23. 24.
Rudolf-Loſe 10 fl. ..60. 61.50
Salm-Loſe 40 fl. ....180. 181.
GeldWaare
Salzburger Prämien-Anl.68. 72.
Stanislauer Prämien-Anl.160. .
St. -Genios-Loſe 40 fl. ..201. 203.
Wiener Communal-Loſe v. Jahre 1873 .....388. 389.
Gew. -Sch. der 3 % Präm. - Schuldv. der Bodencred. - Anſtalt Em. 1889 ...51. 52.
Actien.
H. Transport-Unter - nehmungen.
Auſſig-Tepl. Eiſenb. 500 fl.30603069
Bau - und Betriebs-Geſ. f. ſtädt. Straßenb. in Wieu lit. A ......244. 245.
Bau - und Betriebs-Geſ. f. ſtädt. Straßenb. in Wien lit. B ......238. 239.
Böhmiſche Nordbahn 150 fl.415. 418.
Buſchtehrader Eiſ. 500 fl. CM. .......30853090
dto. (lit. B.) 200 fl. p. Ult.10841088
Donau-Dampfſchiffahrt-Geſ. 500 fl. CM. ....738. 742.
Dux-Bodenb. -Eiſenb. 400 K.600. 605.
Ferdinands-Nordb. 1000 fl. CM. .......62056225
Lemb. -Czern.-Jaſſy-Eiſen - bahn-Geſ 100 fl. S..528. 530.
Lloyd, öſt., Trieſt, 500 fl. CM. .......822. 826.
Oeſt. Nordweſtb. 200 fl. S.459.50461.50
dto. (lit. B.) 200 fl. S. p. U.469.50471.50
Prag-Duxer-Eiſenb. 100 fl. abgſt. .......178. 179.
Staatseiſb. 200 fl. per Ult.668.25669.25
Südb. 200 fl. Silb. p. Ult.109 50110.50
Südnorddeutſche Verbdgsb. 200 fl. CM. ....368.50369.50
Tramway-Geſ., neue Wr., Prioritäts-Actien 100 fl.200. 201.
Ung. -galiz. Eiſb. 200 fl. S.417.50418.50
Ung. Weſtbahn (Raab-Graz) 200 fl. Silber ....418.75420.
Wiener Localbhn. -Act.-Geſ.. .
I. Banken.
Anglo-Oeſt. Bank 120 fl..267.50268.50
Bankverein, Wiener 200 fl.456.50457.50
Bodencredit-Anſtalt, öſterr. 200 fl. S. .....860. 865.
Credit-Anſtalt für Handel u. Gewerbe 160 fl. per C.. .
dto. dto. per Ultimo ..660.50361.50
Creditbank, Allg. ung. 200 fl.663.50665.
Depoſitenbank, Allg. 200 fl.415. 416.
GeldWaare
Escompte-Geſellſch., Nied. Oeſt. 500 fl. ...,14501460
Giro - und Caſſenverein Wiener 200 fl. ....467. 473.
Hypothekenbank, öſterreich. 200 fl. 30 % E. ...197. 200.
Länderbank, öſterr. 200 fl.405.50406.50
Oeſterr. -Ung. Bank 600 fl.17011705
Union-Bank 200 fl. ...535. 537.
Verkehrsbank, Allg. 140 fl.320. 325.
K. Induſtrie-Unter - nehmungen.
Baugeſ., Allg. Oeſt. 100 fl.160. 152.
Egydyer Eiſen - und Stahl - Ind. in Wien 100 fl..208. 212.
Elektr. -Geſ. allg. öſterr ..459. 461.
Eiſenbahnw. -Leihg., erſte, 100 fl. ......337. 339.
Elbemühl , Papierf. V. -G.154. 156.
Lieſinger Brauerei 100 fl.310. 314.
Montan-Geſ., öſterr. -alpin.425.75526.75
Prager Eiſen-Ind. -Geſellſch. 200 fl. ......15901610
Salgo-Tarj. Steinkohlen 100 fl. .....630. 634.
Trifailer Kohlenw. -G. 70 fl.448. 453.
Türk. Tabakregie-Geſellſch. 200 Frcs. 5 % per Caſſa. .
dto. dto. Ulti[m]o295. 295 50
Waffenf. -Geſ., Oeſt. in Wien 100 fl. ......259. 26〈…〉〈…〉.
Waggon-Leihanſtalt fl. Allg. in Peſt 400 Kr. ...10101030
Wr. Baugeſellſch. 100 fl..146. 150.
Wienerberger Ziegelei-Act. - Geſellſchaft ....665. 669.
L. Deviſen.
Amſterdam .....199.38199.50
Deutſche Plätze ...117.60117.80
London .......240.55240.75
Italieniſche Bankplätze ..90.4590.55
Paris .......95.8096.90
Schweizer Plätze ....95.3095.45
M. Valuten.
Kaiſerl. Münzducaten ..11.3711.41
Kaiſerl. Randducaten ..11.3411.38
Zwanzig-Francs-Stückk ..19.1519.17
Zwanzig-Mark-Stücke ..23.5823.61
Sovereigns .....23.9924.06
Deutſche Reichsbanknoten für 100 Mark .....117.60117.75
Ital. Banknoten f. 100 Lire90.4590.60
Rubel-Noten .....2.542.55
〈…〉〈…〉
8Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901 18
〈…〉〈…〉

Druck, Herausgabe und Verlag von Ambr. Opitz, Wien. Verantwortlicher Redacteur Hermann Hikiſch, Wien.

918 Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901

Streiflichter.

Eine Monſtre-Lüge.

Durch die Wiener Judenpreſſe, ſo viel wir uns erinnern, auch durch die jüdiſche Arbeiter-Zeitung , ging die folgende Notiz:

Eine Statiſtik prieſterlicher Verbrecher in Italien. Der Berliner Volkszeitung‘ war kürzlich von ihrem römiſchen Correſpondenten geſchrieben worden, daß ſeit dem Regierungsantritt des neuen Königs 176 Geiſtliche beſtraft worden ſeien, und zwar wegen Verherrlichung des Königsmordes, wegen Sittlichkeitsvergehens und anderer gemeiner Verbrechen. Die ultramontanen Blätter waren nun gleich wieder mit dem Vorwurf der Lüge bei der Hand; das Blatt hat ſich jedoch durch ſeinen Correſpondenten beſtätigen laſſen, daß ſeine Angaben auf amtlichen Veröffentlichungen beruhen; es ſchreibt dazu: Die betreffenden Geiſtlichen wurden verurtheilt: wegen Anſtiftung zum Vatermord und zu zehn Meineiden; wegen Anſtiftung zum Verbrechen gegen keimendes Leben und Kindermord; wegen Unter - drückung und Fälſchung von Teſtamenten; wegen Unter - ſchlagung von Gut, Witwen, Waiſen und der Kirche gehörig; wegen Entführung und Verführung von Minderjährigen; wegen Unzucht mit Kindern; wegen Päderaſtie, Sodomie und Blutſchande, und wegen Verherrlichung des Königsmordes. Zwei volle Drittel dieſer Verurtheilungen entfallen auf ſchwere Sittlich - keitsverbrechen und erklären die tiefe Verachtung, welche der gebildete Italiener dem Prete tagtäglich beweiſt. Die damit zuſammenhängenden Vermögensbe - ſchlagnahmen aber ſammt der Sequeſtration der Ge - hälter haben die Amtsblätter der Miniſterien für Gnade nnd Juſtiz, für öffentlichen Unterricht und des Cultus und des Innern mit eintöniger Gewiſſen - haftigkeit verzeichnet. Die große Mehrzahl dieſer Ver - brechen im Einzelnen genau zu beſchreiben, iſt auch ohne lex Heinze nicht angängig. Alle die Verbrechen werden jetzt rückſichtslosveröffentlicht, während die Regierung früher dafür geſorgt hat, daß ſie nicht weiter bekannt wurden. Die Tage der Nachſicht, des Verſchweigens und Vertuſchens ſcheinen eben vorüber zu ſein.

Nun hat das Stuttgarter Deutſche Volks - blatt darüber in Rom genaue Erkundigungen anſtellen laſſen und von ſeinem Gewährsmann folgende Er - klärung erhalten:

Was dieſen Artikel betrifft, ſo kann ich mit größter Gewiſſenhaftigkeit feſtſtellen, daß er eine ganz gemeine Lüge iſt. Dieſe meine Be - hauptung beruht auf den genaueſten von mir an - geſtellten Nachforſchungen, nicht nur in den verſchiedenen vom Correſpondenten der Berliner Volkszeitung an - gegebenen Miniſterien, ſondern auch bei der Direction der italieniſchen Strafanſtalten ſowie bei der Direction der Statiſtik.

Dieſe allgemeine Erklärung des Gewährsmannes des Deutſchen Volksblattes wird von demſelben im Einzelnen ſo eingehend und ſo überzeugend mit Thatſachen unterſtützt die betreffenden Aus - führungen nehmen zwei Spalten in Anſpruch daß es dem römiſchen Correſpondenten der Berliner Volkszeitung nicht möglich ſein wird, dieſelben zu widerlegen. Der betreffende Gewährsmann des Deutſchen Volksblatt ſtellt ausdrücklich und jeden - falls in vollſtem Bewußtſein der Richtigkeit ſeinerErkundigungen und Behauptungen an den römiſchen Correſpondenten der Berliner Volkszeitung die öffentliche Aufforderung, ſeine Behauptungen zu widerlegen aber, wenn es ihm möglich iſt, mit Angabe der Quellen , indem er die öffent - liche Anklage wiederholt, ſein ganzer Bericht ſei eine ganz gemeine Lüge. Wir werden ja nun bald ſehen, ob die Berliner Volkszeitung die Wider - legung bringen wird und ob unſere Judenpreſſe ein - ſchließlich unſerer Arbeiter-Zeitung von dieſer Con - ſtatirung dieſer Monſtre-Lüge Notiz nehmen wird.

Ein Club geſchiedener Frauen

iſt in Wien in Bildung begriffen. Das enthüllt auch eine Nachtſeite des großſtädtiſchen Lebens. Es weiſt hin anf die große Zahl dieſer Ge - ſchiedenen und auf die Noth, in der ſie ſich be - finden. Es iſt leicht, über dieſe neue Clubgründnng zu witzeln. Wir finden in ihr eine ernſte Er - ſcheinung und in ihr vorwiegeud den Beweis, daß die allgemeine Einführung oder Erleichterung der Eheſcheidung in viel größerem Maßſtabe die Zu - ſtände herbeiführen würden, die zur Gründung dieſes Clubs geführt haben, und daß alle Be - ſtrebungen, welches das Band der Ehe feſtigen und ihm namentlich den Charakter religiöſer Weihe und ſittlicher Verpflichtung erhalten, auch dem Wohle der Geſellſchaft und des Frauen - geſchlechtes insbeſondere dienen.

Genoſſe Simon Katzenſtein

offenbar ein unverfälſchter rother Semit liegt der Parteileitung der Socialdemokratie ſchwer im Magen. Er war derzeit unter dem Chefredacteur der rothen Leipziger Volkszeitung , Herrn Abg. Dr. Schönlank, Mitredacteur Nun hatte das Buchdrucker - blatt: Der Correſpondent veröffentlicht: Ziel - bewußt ohrfeigte der Chefredacteur der Leipziger Volkszeitung ſeinen Mitredacteur. Das berichtigte nun Simon Katzenſtein im ſelben Blatte dahin, daß umgekehrt er den Chefredacteur Dr. Schönlank ge - ohrfeigt habe. Die Wahrheit wird ſein, daß ſich beide Genoſſen in der Redaction brüderlich geohr - feigt haben. Jedenfalls erhält Simon Katzenſtein nicht dafür vom Vorwärts einen Tadel, weil er etwa die Unwahrheit geſagt habe, ſondern nur dafür, daß er die Wahrheit über die Zuſtände in der ſocialdemokratiſchen Redaction und Partei an die Oeffentlichkeit gebracht hatte. Der Vorwärts ver - öffentlicht nämlich auf Erſuchen von zuſtändiger Seite folgenden Ukas gegen den Genoſſen Simon Katzenſtein:

Es iſt lebhaft zu bedauern, daß der Genoſſe Katzenſtein die unerquicklichen Vorgänge, die der Streit der Leipziger Parteigenoſſen mit dem Buchdrucker - verband gezeitigt hat, durch ſein perſönliches Ein - greifen in der erwähnten Art noch verſchärfte. So be - rechtigt der Unmuth des Genoſſen Katzenſtein gegen den Genoſſen Schönlank ſein mag, er hat weder die paſſende Form noch den richtigen Ort und Zeitpunkt gewählt, um ſeinen Unmuth wegen eines tadelns -werthen Vorganges, der eine Reihe Jahre hinter uns liegt, eine vermeintliche Genugthuung zu verſchaffen. Genoſſe Katzenſtein weiß, daß in der Partei Inſtanzen vorhanden ſind, die ſeiner Zeit von ihm hätten ange - rufen werden können. Die Parteigenoſſen ſollten bei Geltendmachung ihres Rechts gegen andere Genoſſen ſich ſtets vor Angen halten, was ſie der Partei ſchulden, zu der zu gehören ſie die Ehre haben, und daß ſie nicht durch eine von der Leidenſchaft dictirte Kampf - weiſe der Partei Schaden zufügen.

So ergeht es alſo einem Genoſſen , der es wagt, über einen Obergenoſſen die Wahrheit zu ſagen. Simon Katzenſtein wird dies Verbrechen büßen müſſen, noch unbekannt wie. Freiheitspartei was?!

Damen-Ringkämpfe

ſind die neueſte Tingel-Tangel-Senſation in Wien. Selbſt in der N. Fr. Pr. wird die Polizei getadelt, daß ſie ſolche, auf die roheſte Sinnlichkeit ſpeculirende Schauſtellungen duldet. Wir ſtimmen da ſelbſtverſtändlich mit der N. Fr. Pr. ſachlich über - ein, ſind aber der Anſicht, daß jene Schauſtellungen unſerer gewiſſen Theater und Varietés, die auf die ſogenannte feine Sinnlichkeit unſerer feineren Lebe - welt ſpeculiren und die von der N. Fr. Pr. verherr - licht werden, noch weit ſittlich verderblicher wirken als dieſe Damen-Ringkämpfe, ſo unwürdig dies Schauſpiel auch iſt. Wie es übrigens bei dieſen Ringkämpfen zuging, darüber haben die Wiener Blätter Folgendes enthüllt:

Die Kämpfe waren ſehr harmloſer Natur und der Impreſario der Ringerinnen hatte bei dem En - gagement ſeiner Damen an gar keine ſportliche Veran - ſtaltung gedacht, da es ſich ja lediglich um einſtudirte Poſen handelte, bei denen bald dieſe, bald jene Dame die Oberhand gewinnen ſollte. Der Impreſario mußte vorher unterſchreiben, daß er auf die Auszahlung der Preiſe von 3000, 2000 und 1000 K im Namen ſeiner Mitglieder unbedingt Verzicht leiſte; der Preis ſei nur Formſache: In Wirklichkeit beſtand der erſte und zweite Preis aus Goldſtücken im Werthe von 10 und 5 K, der dritte aus einem Silbergulden mit Inſchrift. Die Direction des Etabliſſements verlangte aber plötzlich einen ſportlich correcten Wettkampf. Die Damen mußten ſich fügen, wenn ſie das Engagement nicht verlieren wollten, und die Folge dieſer Maßnahme war, daß von nun ab ehrlich gerungen, das heißt ehrlich gerauft wurde. Nach Beendigung des Ring - kampfes fielen die Damen hinter der Scene völlig erſchöpft zu Boden. Der Arzt conſtatirte ſchwere Ohnmachtsfälle, ſtark blutende Wunden mußten verbunden werden, und die Bühne des Coloſſeums glich nach Schluß dieſe[r]beſonders wirkungvollen Variéténummer einem Lazaret[te]Meiſt wurden die Raufereien auch noch hinter dem Vorhang fortgeſetzt ... Schließlich wurde die Sache den Ringkämpferinnen ſelbſt zu gefährlich, und ein Theil von ihnen bat den Director, die Sache doch nicht ſo ernſt aufzufaſſen und zum Scheinringkampf, für den ſie ja lediglich engagirt wurden, zurückkehren. Im Intereſſe eines correcten Endreſultates konnte jedoch dieſem Erſuchen nicht nachgekommen werden. Nun aber erhob der Impreſario Proteſt gegen dieſe Umge - ſtaltung des Contracts, und da er damit kein Reſultat erzielte, wird er bei der Polizeidirection die Siſtirung dieſer gefährlichen Variéténummer erwirken.

Wird die Polizei ein Einſehen haben?

Ulrich von Hutten (1488 1533).

(Fortſetzung.)

Deutſche verrathen Deutſchland. Durch Hutten’s Vermittlung gab Albrecht gerade um 1518 dem franzöſiſchen Könige ein ſchriftliches Wahlverſprechen. (Janſſen 1. 574 2. 94). Das war die urdeutſche Ge - ſinnung Hutten’s, ſeine Treue und Wahrhaftigkeit, die er heuchelt um dieſelbe Zeit in einem Sendſchreiben an die deutſchen Fürſten, in welchem er aus[uf]t Nisi resipiscamus nihil est in Germania G[erm]anum (Böcking 5. 110). Zur Beurtheilung des jungen Albrecht von Brandenburg genüge, daß er die ſcho - laſtiſche Theologie, die er übrigens gar nicht kannte, als Barbarei haßte, daß Freigeiſter und Religionsſpötter an ſeinem Hofe das große Wort führten. Dieſer Albrecht bezeichnete noch 1519 den ſchmutzigen Hutten als ſeinen Freund, den er liebe, obgleich dieſer ſchon mehrere wüthende Schriften gegen Rom veröffentlicht hatte. (vide G. G. Evers Martin Luther. Mainz I. 161. 165. 1883.) Dabei war Hutten von beiſpiel - loſem Selbſtgefühle und Hochmuthe. So ſchrieb er in ſeinem Lebensprogramme, er wolle über ſeinen Studien nicht verſäumen, ſeinen angeborenen Adel durch perſönliches Verdienſt ſich erſt wahrhaft anzueignen, den Ruhm ſeiner Familie zu vermehren; er rechne bei ſeinem Plane auf das Glück . Unterdeſſen, meint er, wollen wir das Holz der Palme nachahmen, indem wir umſo beharrlicher emporſtreben und gegen die läſtigen Unterdrücker mit unbeugſamer Hartnäckigkeit uns erheben, je ſchwerer uns jene aufliegen. (Strauß 1. 323 330.) Kurz vorher hatte er gelegent - lich des Reichstages ſeine Türkenrede erſcheinen laſſen. (Ad Principes Germaniae, ut bellum Turcis inve - hant, exhortatio.) Darin fordert Hutten, der gerade mit dem franzöſiſchen König gegen den Kaiſer unter - handelt, die deutſchen Fürſten auf, deutſch zu ſein gegen das Oberhaupt der Kirche, und darin zugleich richtet er böswillige Angriffe gegen die deutſchenFürſten. Hutten’s Briefe ſind die eines Revolutionärs. So ſchreibt er 13. Jänner 1517: Längſt wird ein Brand vorbereitet, der zur rechten Zeit aufflammen ſoll. Hutten ſchnitt einmal zwei Dominikanern die Ohren ab. Strauß zählt das zu den kleinen Ritter - ſtreichen , wodurch Hutten ſich ſchadlos hielt für die Unmöglichkeit im Großen zu wirken. (Strauß, Ulrich von Hutten 2. 240.) Er iſt der Haupturheber der Ver - ſchwörung des Ritteraufſtandes. Mit Recht nennt Janſſen ihn den leidenſchaftlichſten und zugleich begabteſten unter jenen Anarchiſten, die es damals auf einen wilden Umſturz abgeſehen hatten. Seine Sprache gleicht der des verzweifelten Communards. Den Raubritter - häuptling Franz v. Sickingen nennt er einen Mann, wie ihn Deutſchland lange nicht gehabt. Was wir vorhaben, ſchreibt Hutten in einem Briefe (Böcking 1. 383 399), wird nicht ohne Mord und Blul - vergießen geſchehen. Und in einem anderen Brief ſagt er ausdrücklich, daß er mit ſeinen Schriften auf den Umſturz aller beſtehenden Ordnung hin - arbeite . Böcking 1. 374 : Fateor hoc mo scriptis conatum efficere, ut hic vertatur rerum orbis.

Große und überaus wichtige Pläne verfolge ich mit Sickingen, ſchrieb er an Melanchthon (Hutten an Melanchthon 1520 Böcking 1. 324). Ich hoffe, es wird ein übles Ende nehmen mit den Barbaren und mit Allen, die das römiſche Joch über uns bringen. Meine Dialoge: Die römiſche Dreiheit und Die Anſchauenden befinden ſich unter der Preſſe. ( Va - discus oder Trias Romana , Inspicientes , wo die laſterhafteſten Anſchuldigungen mit der frechſten Läſterzunge gehäuft werden.) Sie reden eine wunder - bar freie Sprache gegen den Papſt und die Ausſauger Deutſchlands. Gegen das Gift, ſagt Hutten im erſten Dialoge, aus dem Herzen des Papſtes gebe es keine Arznei, der Papſt iſt ein Bandit und die Rotte dieſes Banditen heißt Kirche. Was ſäumen wir noch? Hat denn Deutſchland keine Ehre? Hat es kein Feuer? Haben es die Deutſchen nicht, ſo werden es die Türken haben. Rom iſt der Sumpf aller Unreinigkeit, die Pfütze der Ruchloſigkeit, der unerſchöpfliche Pfuhl des Böſen und zn ſeiner Zerſtörung ſollte man nicht von allen Seitenzuſammenlaufen? Nicht mit Feuer und Schwert los - brechen? Werden da die Deutſchen nicht zu den Waffen greifen, nicht mit Feuer und Schwert an - ſtürmen? (Janſſen 2. 97 98, Strauß Geſpräche 98 183.) Dieſen Schriften folgte ein Opus nament - lich gegen den Erzbiſchof gerichtet: De schismate extinguendo et vera ecclesiastica libertate adserenda. In einem anderen Briefe: 100.000 Mann ſehe ich, an ihrer Spitze mein Gaſtfreund Franz (von Sickingen), den Göttern Dank! Deutſchland hat ſich ſeiner ſelbſt erinnert und will frei ſein. (Strauß U. v. H. 3 259. 60.) Man bedenke die ſociale Gährung, die durch Luther’s Auftreten bereits in Deutſchland Platz gegriffen hatte. Den Pfaffen, der allerruchloſeſten Räuberbande , ſollten zur Förderung der Frömmig - keit die Laſt des Reichthumes abgenommen, alles Gold und Silber in der Kirche ſollte ein - geſchmolzen, die Edelſteine verkauft und mit dem Geſammterlös Kriegsheere unterhalten werden. So wirkte Hutten auf Sickingen ein. Wir bemerken hier denen gegenüber, die ſo gerne über das Aus - ſaugen Dentſchlands durch Rom entrüſtet thun, was Luther ſagt (an den chriſtlichen Adel, ſämmtl. Werke 21. 295 ): Ja, es meinen etlichen, daß jährlich mehr denn 300.000 Gulden aus Deutſchland gen Rom kommen. Wahrlich eine kleine Summe gegenüber Sickingeu, der durch einen einzigen Raubzug in den Winkel eines Staates fünfmal ſo viel Schaden an - richtete, ſagt mit Recht J. Niemöller. Hutten kam es weſentlich darauf an, dem verweltlichten Charakter der Kirche ein Ende zu machen, ſagt Ullmann (S. 179). Ja, die Kirche in Deutſchland war ſehr reich und alle feindſeligen Elemente hofften auf irdiſchen Profit. Alle dem geiſtlichen Stande feindlich geſinnten und auf Raub ausgehen - den Deutſchen, ſo ſchrieb man ſchon im December 1520, hoffen durch Luther eine Gelegenheit zu er - langen, dieſen verhaßten und wohlhabenden Stand umzuſtürzen (Janſſen 2. 117). Nur aus dieſem Grund ſchloß ſich Hutten an Luther an. Um ſicherer zu ſein, ging er zuerſt zu Sickingen nach Landſtuhl und dann auf die Ebernburg. Hutten’s Umſturz - agitation hatte großen Erfolg. Fürchte Dich

10Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901 18

Römiſcher Brief.

Leo. XIII hat geſtern mit dem Empfange der beim päpſtlichen Stuhl beglaubigten Diplo - maten begonnen und nahm die Neujahrswünſche des öſterreichiſch-ungariſchen Botſchafters Grafen Revertera, ſowie diejenigen des bairiſchen Geſandten, Freiherrn von Cetto, entgegen. Die übrigen Bot - ſchafter, Geſandten und Geſchäftsträger werden eben - falls in dieſen Tagen von Leo XIII. empfangen werden. In Folge des Planes, die Engelsburg zu einem Muſeum einzurichten, haben die nöthigen Unterhandlungen wegen der Ausquartierung der im alten Caſtell wohnenden Militärmannſchaften, ſowie wegen der Verlegung der dort befindlichen Militär - gefängniſſe bereits begonnen. Auf dem hieſigen Marineminiſterium ſind die beiden von der Giava mitgebrachten chineſiſchen Fahnen angekommen, welche die italieniſchen Berſaglieri den Chineſen bei der Erſtürmung einiger Forts am 2. October v. J. abnahmen. Die Fahnenſtangen ſind aus Bambusrohr und ſind faſt 6 Meter lang; die Fahne ſelbſt iſt aus rother Seide hergeſtellt und mißt nicht weniger als neun Quadrat - meter. In der Mitte tragen beide Fahnen das chineſiſche Wappen in weißer Seidenſtickerei, ſowie eine ebenſolche Inſchrift, welche ſo etwas wie pro Patria bedeutet. Der Marineminiſter wird die beiden Fahnen ſeinem Collegen vom Kriege über - weiſen und dieſer ſie im Muſeum der Berſaglieri hierſelbſt aufhängen laſſen. Die ökonomiſche Kriſe, welche Italien gegenwärtig durchmacht, ſcheint eine der größten zu ſein, welche bereits in ſo großer Zahl auf einander gefolgt ſind. Nachrichten aus Livorno zu Folge fanden dort wiederum Proteſtverſammlungen und allerlei Zuſammenrottungen ſtatt, weil die dortigen großen Induſtrieetabliſſements von Neuem mehrere Tauſend Arbeiter entlaſſen hatten. Dasſelbe wird wenn auch in geringerem Maſſe aus Palermo und Ligurien gemeldet. Dabei hält das kalte Wetter an, die Kohlenpreiſe ſteigen in Folge deſſen fortwährend und der Feld - und Garten - bau ruht gegenwärtig vollſtändig.

Generalverſammlung des Vereines zur Heranbildung katholiſcher Lehrer.

Im Saale des niederöſterreichiſchen Gewerbe - vereines fand geſtern Abends unter ſtarker Betheiligung die diesjährige Generalverſammlung des Vereines zur Heranbildung katholiſcher Lehrer ſtatt. Der Präſident des Vereines Robert Prinz zu Windiſchgrätz er - öffnete die Verſammlung mit einer herzlichen Be - grüßung der Erſchienenen. Als nächſter Redner war Herr Eichinger berufen, die Nothwendigkeit der katholiſchen Erziehung in praktiſcher Weiſe darzuthun. Hierauf erſtattete der II. Vicepräſident des Vereines, Herr Janauſchek den Rechenſchaftsbericht, nach welchem ein Caſſenſtand erübrigt und dem zu ent - nehmen iſt, daß der Verein 19 Anſtalten mit 4135 Zöglingen theils erhält, theils unterſtützt. Die An - ſtalten vertheilen ſich auf Oeſterreich-Ungarn und das Ausland, insbeſonders die Balkanländer. Als zweiter Redner ſprach Hochw. P. Meßmann. Derſelbe be - tonte gleichfalls die Wichtigkeit der katholiſchen Erziehung und empfahl auch in warmen Worten die Unterſtützung des Vereines. (Großer Beifall.) Bei der hierauf vorgenommenen Neuwahl des Präſidiums wurden einſtimmig gewählt die Herren: Robert Prinz zu Windiſchgrätz alsPräſident, Bezirksvorſteher Dr. Mattis, I. Viceprä - ſident, Herr Janauſchek, II. Vicepräſident, ferner als Secretär Hochwürden Haubner, als Caſſier Herr Kallner, als Schriftführer Herr Größl. In das Damen-Hifscomité wurde Prinzeſſin Fanni Liechten - ſtein als Präſidentin entſendet und die übrigen Mit - glieder wiedergewählt. Prinz Robert Windiſchgrätz dankte ſodann allen Erſchienenen und ſchloß die Ver - ſammlung mit einem dreimaligen Hoch auf Kaiſer und Papſt, in welches die Verſammlung begeiſtert ein - ſtimmte. Die Muſikvorträge in den Zwiſchenpauſen beſorgte in trefflicher Weiſe die Capelle Lyra des katholiſchen Jugendbündniſſes Fünfhaus.

Gemeindezeitung.

Die Beamtenfreundlichkeit der chriſtlich - ſocialen Partei

gelangte in der Sitzung des Wiener Gemeinderathes vom 18. Jänner d. J. neuerdings zum Ausdruck durch die Annahme des Stadtrath-Antrages auf Einrechnung der zweiten Hälfte des Quartiergeldes in die Penſion der ſtädtiſchen Beamten und Diener. Die Durch - führung dieſes Beſchluſſes legt der Gemeinde Wien eine neue Laſt von 150.000 K auf. Der Gemeinde - rath hat aber trotzdem den Antrag gebilligt nm da - durch die Lage der Beamtenſchaft, der treuen Mit - arbeiter an der Gemeindeverwaltung, materiell zu beſſern. Noch vor den Wahlen wurden die judenlibe - ralen, die deutſchradicalen und die rothen Candidaten und die hinter ihnen ſtehende Preſſe nicht müde, der chriſtlich-ſocialen Partei, Beamtenfeindlichkeit vorzu - werfen. Die Entſtellungskünſtler und Lügenfabrikanten feierten wahre Orgien. Die Verhetzung der ſtädtiſchen Beamtenſchaft gelang nicht. In dieſen Kreiſen hat der Beſchluß des Gemeinderathes allgemein befriedigt. Eine Deputation ſtädtiſcher Beamten hat auch bei dem Bürgermeiſter Dr. Lueger vorgeſprochen, um ihm, dem Stadtrath und dem Gemeinderathe den Dank für den erwähnten Beſchluß des Gemeinde - rathes auszuſprechen.

Der Gemeinderath

hält in dieſer Woche am Freitag um 5 Uhr Nachmittags eine Plenarſitzung ab. Stadtrathsſitzungen finden am Diens - tag, Donnerſtag und Freitag ſtatt.

Eine Deputation der ſtädtiſchen Beamten

hat beim Bürgermeiſter Dr. Lueger vorgeſprochen und überbrachte ihm den Dank der Beamten an den Stadtrath und Gemeinderath für die erfolgte Zuer - kennung der zweiten Quartiergeldhälfte.

Die hohe Brücke.

Die Hauseigenthümer der Wipplingerſtraße haben ſich in einer Eingabe an den Gemeinderath gewendet, in der das dringende An - ſuchen geſtellt wird, den Ausbau der hohen Brücke in der Wipplingerſtraße entſprechend der gegen - wärtigen Straßenbreite, der ſtädtiſchen Baubehörde zur ſchleunigen Ausführung zu übertragen.

Armen-Lotterie.

Die am Faſchingdienſtag ſtatt - findende Ziehung der ſtädtiſchen Armen-Lotterie wird auch heuer im Volkskeller des Rathhauskellers ab - gehalten.

Ball der Stadt Wien.

Die Vorarbeiten ſchreiten rüſtig vorwärts. Se. Majeſtät, der dem Bür - germeiſter ſein Erſcheinen zugeſagt und auch die An - weſenheit zahlreicher Mitglieder des Hofes iſt zu er -

nicht, ſchreibt er an Eoban Heſſus, die Zahl der Schriftſteller, welche Aehnliches ſchreiben, iſt größer als Du glaubſt. Ihr werdet einmal ſehen, wie viel ich von denen, die etwas zu leiſten im Stande ſind, gewinnen kann. Luther fühlt ſich durch das kecke Auftreten Hutten’s ſelbſt ſicherer und ſchreibt an Johann Voigt: Sickingen ver - ſpricht mir durch Hutten Schutz gegen alle meine Feinde. Nun fürchte ich nichts mehr, ſondern gebe ſchon ein Buch in deutſcher Sprache gegen den Papſt heraus von der Kirchenſtaatsbeſſerung. Hier greife ich den Papſt auf das Heftigſte an, gleichſam als den Antichriſt. (de Wette 1. 475.) Hutten ſuchte nun in ſeinen Schriften beſonders Haß und Erbitte - rung gegen den Beſitz der Kirche anzufachen, worin Luther dann noch viel radicaler vorging. In dieſem Wirrwar, in dieſer Schreiberhetze kam es ſoweit, daß Luther offen erklärte: Wir halten dafür, daß uns gegen ſeinen (des Papſtes) Betrug und ſeine Bos - heit Alles erlaubt iſt. (de Wett 1. 476.) Luther er - klärt aber auch, ſowie Hutten, daß auch jede weltliche Gewalt, die ihre Abſichten wahre, Teufels Gewalt ſei . Gott ſelbſt , ſagt er, hat alle Schwierigkeit und alle Gewalt aufgehoben, wo ſie wider das Evan - gelium handelt. (de Wette 2. 192.) Wie entſetzlich verächtlich, wie gemein und verbiſſen Luther ſich nicht nur gegen die kirchliche Gewalt, ſondern gegen die Landesfürſten ausſprach, ſpottet jeder Beurtheilung. Hutten war hiebei der heimliche Agitator, der das Feuer ſchürte. So ſchrieb Hutten eine Klageſchrift an alle Stände deutſcherNation , die er zuerſt an die Churfürſten ſchickte, dann aber durch Ueberſetzung auch dem gemeinen Mann zugänglich machte.

Auf die Bannbulle Leo X. gegen Luther ant - wortete Hutten durch ſeine Bulla Leonis X. contra errores Marthini Lutheri et sequacium und In incendium lutheranum exclamatio . Letztere wurde ebenfalls ins Deutſche überſetzt. Ein wahres Pam - phlet, wodurch Hutten am meiſten die Gemüther reizte, war Klage und Ermahnung gegen die über - mäßige, unchriſtliche Gewalt des Papſtes zu Rom und der ungeiſtlichen Geiſtlichkeit.

Im Sommer 1519 ſchrieb Hutten mit Freuden: Sickingen gehe mit dem allerſchönſten Plane um. Aber bitter beklagt er ſich im Herbſte 1520 in einem Briefe, den er von der Ebernburg an Luther ſchreibt: Du würdeſt auch wahrlich bedauern, wenn Du Zeuge wäreſt von meinen Widerwärtig - keiten hier. So zuverläſſig iſt die Treue der Menſchen und vertröſtet Luther auf den Wormſer Reichstag. Dann wird Franz ſeine Pflicht thun. Im Winter 1520 21 las Hutten ſeinem Freund Sickingen Luthers Schriften vor und erklärte ſie ihm. Er öffnete ihm die Augen über den römiſchen Druck, dem Geiſt, Leib und Beutel des deutſchen Volkes bisher unterlegen. Hutten hörte übrigens nicht auf, durch ſeine eigenen Schrif - ten fort aufzuhetzen. So ſchrieb er an den päpſt - lichen Legaten Aleander: er werde Alles thun, daß er ohne Leben wie eine Leich hinausgeſchleppt werde. (Schluß folgt.)

warten. Die Stadträthe Dr. Deutſchmann und Dr, Krenn haben ebenſo wie die beiden dirigirenden Ca - pellmeiſter Johann Strauß jun. und Engelbert Sitter dem Comité Tanzſtücke widmen. Mit der Aus - ſendung der Einladungen wird noch im Laufe der kommenden Woche begonnen werden.

Kirchliches.

Inthroniſation des Lemberger Erzbiſchofs.

Geſtern fand in Lemberg in feierlicher Weiſe die Inthroniſation des neuernannten Erzbiſchofs, ritus latini, Dr. Bilczewski, ſtatt. An der Feier nahmen theil: Die Kirchenfürſten aller drei Riten, Statthalter Graf Pininski, Landmarſchall Graf Stanislaus Badeni, der Corpscommandant, der Bürgermeiſter mit den Gemeinderäthen, Univerſitätsprofeſſoren, die Spitzen der Behörden, zahlreiche Abgeordnete und andere Notabilitäten.

Vereinsnachrichten.

§ Der Sängerbund Dreizehnlinden

veranſtaltet morgen Dienſtag den 22. Jänner ſein diesjähriges Faſchingsfeſt im Prachtſaale zum Auge Gott[eſ ], 9. Bez., Nußdorferſtraße 73, unter Mitwirk[ung]einer Muſikcapelle. Zur Aufführung gelangt die[vier]actige burleske Oper Die Griechen vor Troja . Hierauf Tanzkränzchen. Eintrittskarten im Vorverkauf à 1 K bei: B. Herder Verlag, 1. Bez., Wollzeile 33, J. Ja - nauſchek u. Co., 1. Bez., Singerſtraße 18, Reſtauration Regensburgerhof , 1. Bez., Sonnenfelsgaſſe 2, Papier - handlung M. Kaunovsky, 4. Bez., Alleegaſſe 55, Re - ſtauration zum Auge Gottes , 9. Bez., Nußdorfer - ſtraße 73, Café Irrer, 9. Bez., Nußdorferſtraße 73. An der Abendcaſſa à 1 K 50 h.

Theater, Kunſt und Muſik.

Hofoperntheater.

Herr Leo Slezak vom Stadttheater in Breslau eröffnet kommenden Mitt - woch als Arnold in Roſſinis Wilhelm Tell ein Gaſtſpiel. Als zweite Rolle hat Herr Slezak den Jo - hannes Leyden in der Meyerbeer’ſchen Oper Der Prophet gewählt.

Kaiſerjubiläums-Stadttheater.

Morgen, Dienſttag ſpielt Herr Hofſchauſpieler Ferdinand Bonn zum zweiten Male den Shylock im Kaufmann von Venedig . Die nächſte Wiederholung des Märchenſpieles Aſchenbrödel oder Der gläſerne Pantofel findet übermorgen Mittwoch, Nachmittags ½3 Uhr ſtatt.

Raimundtheater.

Am Samſtag den 26. d. findet die Erſtaufführung des dreiactigen Schwankes Großſtadtluft von Oskar Blumenthal und Guſt. Kadelburg mit Dr. Rudolf Tyrolt als Gaſt ſtatt. Das von Herru Regiſſeur Raeder inſcenirte Stück kommt in folgender Beſetzung zur Darſtellung: Martin Schröter, Herr Krug. Sabine, Fräulein Petri. Walter Lenz, Herr Jenſen. Antonie, Fräulein Monati. Bern - hard Gempe, Herr Homma. Fritz Flemming, Herr Lackner. Dr. Cruſius, Herr Dr. Tyrolt als Gaſt. Frau Dr. Cruſius, Frau Anatour. Rector Arnſtedt, Herr Pollandt. Frau Rector Arnſtedt, Fräulein Lichten. Marthe, Fräulein Hirſchhuber. Tapezierer, Herr Knei - dinger. Diener, Herr Zeigenhofer.

Theater in der Joſefſtadt.

Morgen Dienſtag: Literariſcher Abend. Zur Aufführung gelangt das fünf - actige Schauſpiel Ohne Geläut , von Fedor von Zobeltitz. Dieſes intereſſante Stück hatte vor einigen Jahren am Berliner Leſſing-Theater bedeutenden Erfolg. Ohne Geläut wird am nächſten Freitag wiederholt.

Jantſch-Theater.

Das Theater hat jetzt ſehr bequeme Verbindungen nach allen Richtungen. Tram - way - und Omnibushalteſtellen befinden ſich direct beim Theater und in unmittelbarer Nähe die Stadtbahn - ſtation Praterſtern .

Ferdinand Bonn

hat für ſeinen am Freitag den 25. d. im großen Muſikvereinsſaale ſtattfindenden Vortragsabend folgendes Programm feſtgeſetzt: Goethe, Der Sänger , Hochzeitslied , Der Fiſcher ; Shakeſpeare, Monologe: 1. Heinrich V., 2. Jago, 3. Hamlet, 4. Richard III; Claſſiſche Scenen aus Shakeſpeare: 1. Othello-Jago, 2. Shylock-Antonio - Baſſanio, 3. Hamlet-Todtengräber. Zum Schluſſe folgen humoriſtiſche Vorträge und zwar Franz v. Kobell: Die G’ſchicht vom Boandelkramer und vom Brandner - kaſchper , und Carl Wilkowsky, Die fünf Sinne . Bonn recitirt Alles frei aus dem Gedächtniſſe. Zwiſchen den declamatoriſchen Vorträgen wird der Künſtler einige Violinpiecen ſpielen.

Die vierte Soirée des Böhmiſchem Streich - Quartettes

findet Freitag den 1. Februar im Böſen - dorferſaale ſtatt. Auf vielſeitiges Verlangen veranſtaltet das Böhmiſche Streich-Quartett eine außerordentliche Soirée zu populären Preiſen. Dieſelbe findet Samſtag den 2. Februar abends ½8 Uhr im Böſen - dorferſaale ſtatt. Oscar Nedbal, der bekannte Violaſpieler des Böhmiſchen Streichquartetts und Dirigent der philharmoniſchen Concerte in Prag hat vergangene Woche in Petersburg und Moskau mit dem Orcheſter der kaiſerl. ruſſiſchen Oper zwei Symphonie-Concerte dirigirt und hatte bei Publikum und Kritik großen Erſolg. Lula Gmeiner veranſtaltet in dieſer Saiſon einen einzigen Liederabend, welchen Dienſtag den 12. Februar im Böſendorferſaale ſtattfindet Karten in Gutmanns Hofmuſikalienhandlung.

K. k. Oeſterreichiſches Muſeum.

Montag, den 28. Jänner, 8 Uhr abends wird der Bibliothekar am1118 Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901königl. bairiſchen National-Muſeum in München Dr. Wolfgang M. Schmidt im Oeſterreichiſchen Muſeum einen Vortrag mit Projectionsbildern über die Gräber deutſcher Kaiſer im Dome zu Speyer und ihre Eröffnung im Jahre 1900 halten.

Ballchranik.

Ball der katholiſch-akade - miſchen Verbindung Norica im Ballſaale des Hotel Continental, 2. Bez., Taborſtraße 6, Damen - und Herrenkarten à 5 K, Officiers - und Studenten - karten à 2 K, Familienkarten (4 Perſonen) 15 K. Das Reinerträgniß fließt dem Verein zur Gründung einer freien katholiſchen Univerſität in Salzburg zu.

Narrenabend des Wiener Männergeſangvereines.

Der ſchon morgen, Dienſtag, den 22. d. M., im Sofienſaale unter der Serie Fideler Geiſter - abend ſtattfindende Narrenabend des Wiener Männergeſangvereines dürfte nach den vielen Gruppenanmeldungen und der großen Nachfrage nach Karten zu ſchließen, auch heuer wieder eines der luſtigſten und gelungenſten Feſte des Carnevals werden. Die wenigen, noch verfügbaren Karten gelangen heute und morgen in der Vereinskanzlei (1. Bezirk, Canova - gaſſe 4, Halbſtock) zur Ausgabe.

Aus dem Gerichtsſaale.

Ein Preßproceß

beginnt, wie aus Krakau gemeldet wird, am 5. Februar vor dem dortigen Schwurgerichte gegen das ſocialiſtiſche Organ Naprzod wegen Veröffentlichung einer Artikel - ſerie gegen die Garniſon in Przemysl. Angeklagt ſind faſt ſämmtliche Redacteure dieſes Blattes. Die Verhandlungen dürfen nahezu zwei Wochen in An - ſpruch nehmen.

Zigeuner-Romantik.

Unter den Häftlingen, welche vorgeſtern dem Strafricht der Leopoldſtadt vorgeführt wurden, befand ſich eine Frauensperſon mit einem Säugling am Arm, deren abenteuerliche Vergangenheit nicht unintereſſant erſcheint. Caroline Burand ſtammt aus einer Zigeunerfamilie, die ſich jetzt in der Nähe von Preßburg ſeßhaft gemacht hat und dem ordentlichen Erwerbe nachgeht. Sie wurde während des Wanderzuges ihres Stammes in Belgien geboren, kam in die Obhut einer fremden Zigeunerin und der Wandertrieb war bei ihr ſo groß, daß ſie es vorzog, mit einem fremden Stamm ziellos die Welt zu durchſtreifen, ſtatt ihren Eltern in die ungariſche Heimat zu folgen. Sie erlernte die Künſte ihrer Race, Muſicieren, Handlinienleſen und Wahrſagen, womit ſie ſich durchſchlug. Bei ihrer Bande befand ſich ein junger Muſikant, mit welchem ſie ſich in ein Liebes - verhältniß einließ, dem 2 Kinder entſproſſen. Dem Bandenführer wurde das Mädchen, das die Kinder zu pflegen hatte und deshalb ſich der Truppe nicht nützlich erweiſen konnte, unbequem und als Caroline Burand eines Morgens in einem Wäldchen bei Hamburg er - wachte, war die Truppe verſchwunden. Zu Fuß wan - derte das Mädchen mit ihren Kindern von Hamburg nach Preßburg, wo ſie den Geliebten zu finden hoffte. Da ſie ihn nicht fand, kam ſie nach Kagran, wo ge - rade Zigeuner ſich aufhielten. Auch dort fand ſie ihn nicht und als ſie das Wiener Gemeindegebiet betrat, wurde ſie verhaftet. Sie iſt nämlich vor Jahren aus Oeſterreich ausgewieſeu worden und beging durch die verbotene Rückkehr die Uebertretung des § 323. Der Richter, Secretär Dr. Künſtler, verurtheilte ſie zu vierzehn Tagen Arreſt.

Bauernrevolte.

Im Proceſſe wegen der Neu - Szent-Annaer Bauernrevolte wurde Samſtag in Arad das Urtheil verkündet. Es wurden elf Perſonen, darunter mehrere Frauen, wegen Ge - waltthätigkeit, eine wegen Aufreizung zu Zuchthaus in der Dauer von 2 bis Jahren, ferner ein An - geklagter zu einjährigem, die Uebrigen zu ſechs - monatlichem Kerker verurtheilt. Fünf Perſonen wurden freigeſprochen. Sowohl die Staatsanwaltſchaft als auch die Angeklagten meldeten die Berufung an.

Gewerbe.

Zur Gewerbereform in Ungarn.

Im Handelsminiſterium iſt ein Geſetzentwurf betreffend die allgemeinen Gewerbecorporationen in Vorbereitung, deren wichtigſte Beſtimmung dahin geht, daß im Ge - biete jeder Gewerbebehörde erſter Inſtanz eine allge - meine Gewerbecorporationen zu bilden ſei, der jeder Gewerbetreibende anzugehören hat.

Eine Ausſtellnng kunſtgewerblicher Er - zeugniſſe Oeſterreichs in London

wird im Jahre 1902 ſtattfinden. Eine Verſammlung öſterreichiſcher Kunſtgewerbetreibender hat geſtern Beſchlüſſe in dieſem Sinne gefaßt.

Ehrung eines Genoſſenſchafts-Commiſſärs.

Dem Magiſtratsrath Kienaſt, der nach 16jähriger Thätigkeit als Genoſſenſchafts-Commiſſär der Ge - noſſenſchaft der Plattirer zurücktritt, bereitet die Vor - ſtehung eine beſondere Ehrung durch Ueberreichung einer Dankadreſſe.

Volkswirthſchaftlicher Theil.

Das Centralcomité des Induſtrierathes

befaßte ſich in der Samſtag-Sitzung, mit den Vor - ſchlägen ſeiner Referenten über die geſetzliche Regelung des Cartellweſens. Die im Druck vorgelegten An - träge des Referenten Julius Reich haben wir bereits mitgetheilt. Die mündlich erſtatteten Vorſchläge des zweiten Referenten, des Abg. Urban, gipfeln in folgenden Principien: Die Cartelle ſeien als rechts - wirkſame Organiſationen anzuerkennen und demgemäß in geſetzliche Form zu bringen. Beſtand und Gründung der Cartelle unterliegen der Anzeigepflicht bei dem zu errichtenden Cartellamte, das auch als Gerichtsinſtanz zur Austragung aller aus dem Beſtande und der Thätigkeit der Cartelle entſtandenen privatrechtlichen Streitigkeiten zu fungiren hätte. Zur Bekämpfung der durch die Beſeitigung und Beſchränkung der freien Concurrenz auf ungebührliche Preisconcurrenz gerichteten mono - poliſtiſchen Tendenzen ſollen in der Zollgeſetzgebungund auf dem Gebiete des Tarifweſens entſprechende Maßnahmen vorgeſehen werden. Zum Zwecke der Berathung und Entſcheidung über die einſchlägigen Maßnahmen der Verwaltung ſoll ein Cartellrath ein - geſetzt werden, welcher als Conſultativorgan des Handelsminiſteriums gedacht iſt. Die Regierung ſoll erſucht werden, auf Grund der vom Cartellcomité beſchloſſenen Grundſätze des Cartellrechtes einen Ge - ſetzentwurf anszuarbeiten und dem Cartellcomité zur Berathung vorzulegen. Nach Erſtattung der beiden Re - ferate gelangte der Antrag auf Drucklegung derſelben und Verſendung an die Comitémitglieder zur An - nahme, worauf die Sitzung geſchloſſen wurde.

Oeſterreichiſch-ungariſche Bank.

In der heutigen Sitzung des Generalrathes wurden die Tagesordnung für die Generalverſammlung und der in derſelben zu erſtattende Geſchäftsbericht feſtgeſetzt. Nach Genehmigung des Antrages der Bankleitung, betreffend den Ankauf eines Baugrundes für ein in Székesfehévar (Stuhlweißenburg) aufzuführendes Bankgebäude, wurde beſtimmt, das Filiale Jaslo, von dem auch die Nebenſtellen Dukla und Gorlice reſſortiren werden, am 4. Februar l. J. zu eröffnen.

Der Landes-Obſtbau-Verein für Nieder - öſterreich

hält ſeine Monatsverſammlung am Donnerſtag den 24. Jänner 1901 um 5 Uhr Nach - mittags im n. . Landhauſe, Wien, 1. Bezirk, Herren - gaſſe 13, ab. Herr Joſef Löſchnig, Fachlehrer in Krems wird dabei einen Vortrag über Obſtverwerthung halten.

Die deutſche Branntweinſteuervorlage

wird demnächſt dem Reichstage zugehen. Durch theilweiſe Abänderung der Vorſchriften über die Veranlagung der Brennereien zum Contingent ſoll verhindert werden, daß gewerbliche Brennerei - Unternehmungen, die unter dem Deckmantel landwirthſchaftlicher Genoſſenſchafts - brennereien auftreten, unberechtigterweiſe ſich ein hohes Contingent verſchaffen. Es handelt ſich nicht mehr allein um Umwandlungen alter gewerb - licher Betriebe, ſondern auch um die Neugründung genoſſenſchaftlicher Brennereien, bei denen die Be - theiligung von Landwirthen überwiegend dem Ge - werbe dazu dient, für die gewerbliche Verarbeitung ausländiſchen Getreides ein hohes Contingent zu erlangen.

Inſolvenznachrichten.

Der Creditorenverein meldet folgende Inſolvenzen: L. Spitzer, Kaufmann in Lugos. Hans Rotter, Papierhandlung in Salzburg. G. Stenzel, Tuchhandlung,, und Herrenconfection in Hermannſtadt, Großer Ring 21. Zſigmond Stern, Kaufmann in Mako. Samuel Haas jun., Kaufmann in Roſenberg. Johanna Redl, Handelsfrau in Veszprim. Anaſtaſia Novak, Handelsfrau in Budweis, Landſtraße 7. Joſeſ Pelka, nichtregiſtrirter Schloſſer in Niemes. Benj. Sandner, Kaufman in Sambor. Mikſa Weiß, Kaufmann in Bük - kösd. Johann Baſe, Schneider in Jicin. Moſes Leiſten jun., in Tarnow. Moſes Springer in Dobromit.

Lottoziehungen vom 19. Jänner.

Wien: 69 88 72 12 6

Graz: 52 6 29 35 42

Trient: 76 70 81 48 61

17 [Nachdruck verboten.).

Opfer des Haſſes.

Sie werden mir ſtets treu bleiben, Mercy, ich weiß es.

Ich bleibe Ihnen treu, Mervyn, bis in den Tod, wenn wir nicht früher vereinigt werden.

Sie zitterte unter ſeinen Liebkoſungen und nur mit Mühe konnte ſie ihm ihren Kummer verbergen, damit ſie ihm nicht noch im letzten Augenblick die Faſſung raube und ihn vertrauend verlaſſe.

Als er von dannen gegangen war, eilte ſie zum Fenſter, von dort winkte ſie ihm, da er noch zurück - blickte, einen letzten Gruß mit der Hand zu, während ſie die andere Hand auf ihr Herz preßte, wo ſie einen ſchneidenden Schmerz empfand.

Und als er ſich entfernte mit feſtem Schritt, der wohl zeigte, daß er von friſchem Muth beſeelt war, ſtand ſie lange noch am Fenſter vor ſich hinſtarrend. Ihre Augen füllten ſich mit Thränen, trotz aller An - ſtrengung, dieſelben niederzukämpfen. Und in Ge - danken ſah ſie eine lange Leidenszeit vor ſich liegen, voll des Kampfes, der Trauer und des Harrens. Für einen Mann vergeht die Zeit raſcher. Seine Beſchäfti - gungen laſſen ihm nicht Muße, viel zu denken. Aber für ein Mädchen, wie endlos lange wird ihr in ſolchem Falle die Zeit des Harrens! Was nützte ihr all ihr Geld? Wie gerne hätte ſie mit jeder Bett - lerin, mit jeder Blumenverkäuferin an der Straßen - ecke getauſcht! In ihrem reich geſchmückten Heim in dem Bewußtſein, daß ein falſcher Menſch ſich ſtets zwiſchen ſie und ihre Mutter drängen würde, daß ſie immer ſeine verhaßte Gegenwart dulden mußte, hatte ſie wenig Ausſicht auf Glück.

Als ſie ſo daſtand, in Gedanken verſunken, fühlte ſie ſich plötzlich von zwei weichen Armen umſchlungen, und Lallu’s Köpfchen lehnte ſich ſchmeichelnd an ihre Schulter.

Iſt er fort? frug ſie leiſe.

Mercy wandte ſich um. Eine Thräne fiel auf Lallu’s Wange.

Jawohl, er iſt gegangen, Lallu, antwortete Mercy, durch Thränen lächelnd.

Aber, Du haſt ihn doch nicht kummervoll weg - gehen laſſen?

Ein Blick unausſprechlicher Angſt begleitete dieſe Worte.

Ich mußte ihn ziehen laſſen.

Aber er wird doch wieder kommen? frug Lallu eindringlich.

Mercy ſchüttelte traurig den Kopf und ſeufzte.

Das indiſche Mädchen ſchien ſie nicht zu ver - ſtehen. Sie brach zu Mercy’s Verwunderung in eine Fluth von Vorwürfen aus. Heftig und erbittert warf ſie ſich ſchließlich im Uebermaße ihrer Leidenſchaft auf den Boden, wehklagte und ſchluchzte, und klagte Mercy der Härte an, die Mervyn in den Tod treiben würde.

Mercy war ſo erſtaunt über ihr Benehmeu, daß ſie ein wenig von ihrem Kummer abgeleitet wurde.

Als das Mädchen nun ein wenig ruhiger ge - wordeu war, kniete Mercy an ihrer Seite nieder, half ihr aufſtehen und geleitete ſie zu einem Sitz. Hierauf holte ſie eine Eſſenz, rieb der Freundin die Schläfen und liebkoſte ſie wie ein krankes Kind, ihr beruhigende Worte zuflüſternd.

Als ſie ſich beruhigt hatte, frug Mercy: Was glaubſt Du denn eigentlich, Lallu?

Lalln öffnete ihre Augen, lächelte, küßte die Freundin, und, ihr Geſicht mit den Händen bedeckend, rief ſie: Ich bin von Sinnen Mercy. Ich weiß, ich bin zeitweiſe ganz verrückt, vergib mir!

Mercy umarmte ſie ebenfalls, bis ſich der Sturm in ihrem Innern wieder gelegt hatte, und ihr dunkles Geſichtchen ſeinen gewohnten Ausdruck wieder gewonnen hatte, IX. Capitel. Durchſchaut.

Als Oberſt Roca ſein Ziel erreicht und dieLiebenden getrennt hatte, benahm er ſich noch weiter ſehr ſchlau. Er verſäumte keine Gelegenheit, Mercy ſeine höchſte Ehrerbietung zu beweiſen, und verſuchte es auch einmal, Mercy zu verſichern, daß er mit ihrem Kummer nichts zu thun habe.

Ich wünſchte vor allem, Ihnen Kummer zu er - ſparen Mercy, ſagte er, als ſie einmal allein bei - ſammen waren. Ich war in argem Zweifel. Einer - ſeits wenn ich ſchwieg, würde ich Sie und Herrn Rhodes weiter in ihrer unhaltbaren falſchen Stellung zu einander gelaſſen haben. Hätten Sie ſich verliebt und hätte ich nach einer Zeit geſprochen, ſo wäre der Schlag für Sie um ſo ärger geweſen. Je ſpäter er gekommen wäre, deſto ärger wären die Folgen ge - weſen. Am ſchlechteſten wäre es wohl ausgefallen, wenn Sie einander geheiratet hätten, und die Sache wäre dann erſt herausgekommen. Was blieb mir zu thun übrig? Ich ging zu Herrn Rhodes, theilte ihm den Sachverhalt mit, mich verpflichtend, niemanden gegenüber ein Wort davon zu ſprechen. Konnte ich anders handeln? Sprechen Sie ſelbſt.

Ich weiß nicht, ſagte Mercy unfreundlich.

Ich weiß wohl, daß die Hand, welche einen Streich führt, ſchuldig oder unſchuldig, dafür ver - antwortlich gemacht wird. Nachdem ich derjenige war, der die ganze Sache ans Tageslicht gebracht hat, bringen Sie mich in die engſte Verbindung damit. Sie werden erſt ſpäter einſehen, daß ich nicht anders handeln konnte, und mir dann vielleicht Gerechtigkeit wiederfahren laſſen.

Sie trachteten uns zu trennen, und haben meinen Brief unterſchlagen, erwiederte Mercy kühl.

Ich geſtehe es. Was den Brief betrifft, habe ich ihn zufällig in meine Taſche geſteckt und es ſcheint nun, als hätte ich es gethan, um die Sache geheim zu halten. Was könnte ich für einen Grund haben, ſo zu handeln, als zu Ihrem Glück alles zu geſtalten?

Sie haben mir nicht die Wahrheit geſtanden, als ich Sie darum frug. [F. f.]

12Wien, Dienſtag Reichspoſt 22. Jänner 1901 18
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Druck, Herausgabe und Verlag von Ambr. Opitz, Wien. Verantwortlicher Redacteur Hermann Hikiſch, Wien

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TextNr. 18, 22.01.1901.
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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