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Telephon 1828.

VI. Jahrgang. Wien, Dienſtag, den 24. Jänner 1899. Nr. 19.

Charakteriſtiſche Zeichen.

Wenn ſich wirklich ernſte, einſchneidende Ver - änderungen anbahnen, dann kann man dies in der Regel an kleinen, charakteriſtiſchen Zeichen er - kennen. Alle Welt fühlt, daß etwas in der Luft liegt; die politiſchen Taktiken gehen zwar ihren alten Gang, die Gegner ſtehen ſich womöglich mit noch größerer Bärbeißigkeit gegenüber, aber für den Kenner zeigt ſich an hundert Kleinigkeiten, daß ſich, wie man ſagt, etwas anſpinnt . Ein beſonderes Kennzeichen ſolcher kritiſcher Tage in der Politik iſt die Verwir - rung in der Preſſe. Iſt die politiſche Lage gegeben, die Conſtellation der Parteien, die Stellung der Regierung eine momentan feſte, ſo wird je nach der Parteiſtellung oder ſonſtigen Zugehörigkeit der Standpunkt der Majorität oder Oppoſition oder einzelnen Fraction vertreten, da iſt es nicht gar ſo ſchwer, ſchreibender Politiker zu ſein.

Ganz anders, wenn politiſche Erdbeben im Anzuge oder bereits in Thätigkeit ſind, wenn ſich Verſchiebungen der politiſchen Lage oder der Stellung der Parteien unter einander und zur Regierung anbahnen, wenn kleine Riſſe in ein - zelnen Gruppen ſelbſt ſich in klaffende Spalten zu erweitern ſtreben, da tritt der ſinnverwirrende Einfluß der Erdbeben auch in der Preſſe zu Tage, die unſinnigſten Gerüchte werden col - portirt, Feinde umarmen ſich, Freunde ſchlagen aufeinander los und damit auch die immer ſpecu - lirende Schlechtigkeit nicht fehle, kommen die Pächter der journaliſtiſchen Vornehmheit , um in der allgemeinen Aufregung für ihre ſpeciellen Zwecke Capital zu ſchlagen.

Dieſe Verwirrung in der Preſſe haben wir heute vor uns. Wir ſehen die hitzigſten Preß -kämpfen milde Verſöhnung predigen, wir ſehen, wie die profeſſionellen Verſöhnungsmeier ſich in - dignirt wegen Verletzung ihres Patentes zurück - ziehen, ja ſogar dieſer oder jener Partei ziemlich unverblümt nahelegen, wie man die Ueber - zeugungstreue manche Leute nennen es Dickkopf auch an den wichtigſten Wendepunkten nicht vergeſſen dürfe. Wir ſehen aber auch, wie Blätter, welche ſelbſt zur Zeit der ſchärſſten Oppoſition ihre Informationen aus Regierungsgebäuden bezogen haben, auf einmal durch ihre Unwiſſenheit über die Pläne der Regierung glänzen, während andere ſonſt nicht ſo gut geſtellte Colleginnen mit dem geſunden Menſchenverſtand das Richtige treffen. Soll man ſich nicht Gedanken machen, wenn die Narodni Liſty z. B. behaupten, der Reichsrath werde aufgelöſt werden, eine ſo unwahrſcheinliche Vorausſage, daß ſie ſelbſt im Grazer Tag - blatt überraſchen würde. Iſt es nicht Erdbebenwahnſinn, wenn in einem Blatte mit anſcheinend wirklichem Ernſt geſchrieben wird, man erwarte, daß Dr. Lueger mit ſeiner Partei ſich mit der Katholiſchen Volkspartei coaliren und auf dieſe Weiſe die derzeitige Majorität verſtärken werde . Soll es nicht charakteriſtiſch ſein, daß thatſächlich faſt bei allen Parteien eine gewiſſe Friedensſehnſucht vorherrſcht, ihre Preſſe dagegen wo möglich noch mehr in die Kriegs - trompete ſtoßt, und auf der parlamentariſchen Bühne ſogar der Zeitungsſtempel obſtruirt wird? Und damit auch das letzte Charakteriſticum nicht fehle, ſo fehlt auch der Verſuch nicht, die große nationale und wirthſchaftliche Frage von Deutſchthum und Ausgleich auf ein perſön - liches Gebiet überzuſpielen zum doppelten Zwecke der Erſchwerung oder Hintertreibung der Verſöhnung und eventuellen Zuſchanzung vonMiniſterportefeuilles an die judenliberale Clique. Es ſind alſo genug charakteriſtiſche Zeichen vor - handen, und wir ſind überzeugt, daß ſie auch wirklich Symptome eines großen Wendeproceßes ſind. Da aber halten wir zum guten Verlaufe des Proceſſes vor allem Eines für nothwendig: daß man den natürlichen Heilproceß nicht ſtöre, daß keine unglücklichen Hände ſich einmengen. Man mag ja dieſe und jene Gründe für eine Bertagung des Reichsrathes eben im Intereſſe einer Be - ſchleunigung des Proceſſes anführen; uns wollen die Gründe nicht einleuchten, uns will es ſcheinen, als ob gerade unter dem parlamentariſchen Schlacht - gewühle, beinahe hätten wir geſagt, von demſelben gedeckt, am leichteſten die Verſtändigungsſaat auf - gehen könnte, uns will es ſcheinen, als ob in der Vertagung gerade leicht die Bethätigung der ſtörenden Hand erblickt werden könnte. Darum beſſer, ruhig zuſehen, die Verſtändigung macht ſich von ſelbſt.

Neu Babylon.

Die von uns bereits kurz ſkizzirte Brochüre des Grazer Abgeordneten Dr. v. Hochenburger iſt in allen Kreiſen bereits Gegenſtand der lebhafteſten Aufmerkſamkeit geworden. Von den nationalen Blattern wurde dieſe Brochüre als eine programmatiſche Er - klärung der Deutſchen, als ein Wegweiſer zur Löſung der Sprachenfrage angeſehen. Im Eingange der Brochüre beſpricht der Abg. v Hochenburger die Ent - wicklung der ſprachlichen Verwirrung, die durch Badeni geſchaffen wurde. Wäre Graf Badeni noch auf dem Standpunkte des überlieferten Centralismus geſtanden, ſo hätte er einſehen müſſen, daß die Zuläſſigkeit des Gebrauches der deutſchen Sprache in rein czechiſchen Gebieten ſich nicht aus der thatſächlich gar nicht ge - gebenen Landesüblichkeit dieſer Sache ableiten läßt, ſondern einzig und allein aus dem Umſtande, daß ſich in einem auf deutſch-centraliſtiſcher Grundlage beruhen - den Staatsweſen jede Partei, welchem Volksſtamm ſie

Feuilleton.

Huß.

II.

Zum Erzbiſchof von Prag wurde jetzt Zbynek Zajik von Haſenburg gewählt, der den Deutſchen nicht günſtig geſinnt war und Huß zum Synodalprediger ernannte; gleichzeitig gab er ihm den Auftrag, alle kirchlichen Mißſtände ihm anzuzeigen. Huß ging weit über den Auftrag hinaus, indem er jetzt begann, dieſe Mißſtände öffentlich vor dem Volke aufs Schärfſte zu geißeln. Nicht blos das! Der Papſt forderte den Erz - biſchof auf, mit aller Entſchiedenheit gegen die in Prag ſich verbreitenden Wyclef’ſchen Irrlehren, insbeſondere betreffend das Altarsſacrament, aufzutreten. Huß und ſeine Anhänger wollten aber überhaupt nicht gelten laſſen, daß Wyclef je kirchlich verurtheilt worden war. Sie ſandten den Prager Faulfiſch nach Oxford, um über die Verurtheilung Wyclef’s Nachforſchungen anzu - ſtellen. Derſelbe brachte eine Urkunde mit, worin ſogar der Rechtgläubigkeit Wyclef’s das höchſte Lob geſpendet wurde. Allein dieſe Urkunde war gefälſcht, was ſich freilich erſt ſpäter herausſtellte. Huß wies ſie begeiſtert ſeinem Volke zu und rief aus: Möchte meine Seele da ſein, wo Wyclef’s Seele iſt! Auf päpſtlichem Befehl mußte der Erzbiſchof das Verbreiten der Wyclef’ſchen Irrlehren verbieten, und der Clerus erhob immer ſchärfere Klagen beim Erzbiſchof gegen Huß. Deshalb enthob derſelbe Huß ſeiner Stelle als Synodal - prediger und verlangte als Kanzler der Univerſität, die czechiſche Nation ſolle dem Urtheile der übrigen Nationen betreffend die 45 Wiclef’ſchen Artikel beitreten; allein die Czechen nahmen nur den Satz an: es ſolle kein Czeche einen dieſer Artikel in ketzeriſchem, irrigem oder anſtößigem Sinn lehren, was eine ſophiſtiſche Umgehung der Verurtheilung war. Theils um König Wenzel zu gefallen, theils aus Schwäche und falſcher Friedensliebe gab ſich der Erzbiſchof mit dieſer Er - klärung zufrieden.

Aber auch das half nichts. Neuer Zwieſpalt ſollte kommen. König Wenzel verlangte bezüglich der beidenGegenpäpſte Gregor XII. und Benedict XIII., die ſich auf dem Concil zu Piſa 1409 gegenüberſtanden, vom Erzbiſchof und der Univerſität zu Prag Neutralität. Während die Czechen Wenzels Antrag unterſtützten, Huß allen voran, hielten der Erzbiſchof und die drei anderen Nationen der Univerſität an Gregor XII. feſt, von dem Wenzel nicht viel Gutes zu hoffen hatte. In dieſer Gegenaction der Czechen mußte der Erzbiſchof eine Auflehnung erblicken, er unterſagte daher allen Prager Magiſtern, welche ſich für die Neutrali - tät erklärten, die Ausübung geiſtlicher Func - tionen in der Erzdiöceſe. Damit war der nationale Streit auf’s Neue erwacht. Dies bot den Anlaß für Huß, neuerdings gegen das bisherige Stimmenverhältniß an der Univerſität die Agitation einzuleiten. Man verſuchte es, den König Wenzel dafür zu gewinnen; dieſer gerieth Anfangs in Zorn, daß Huß und Hieronymus von Prag immer wieder neuen Aufruhr erregten, bald jedoch ſtimmten ihn ſeine Günſtlinge am Hofe wieder um, und nun decretirte der König 1409, daß die Czechen an der Univerſität in Zukunft drei, die anderen Nationen zuſammen nur eine Stimme haben ſollten. Als aller Widerſtand der drei unterdrückten Nationen nichts half, und ihnen ſchließlich mit aller Gewalt ein Rector aufgedrängt wurde, verließen die deutſchen Magiſtri, Baccalaurei und Studenten, deren Zahl verſchieden bis zu 20.000 angegeben wird, Prag und zogen auf andere deutſche Univerſitäten. Das war in jeder Beziehung ein ſchwerer Schlag für Prag. König Wenzel war auch empört darüber, Huß aber feierte jubelnd den Sieg von der Kanzel der Bethlehem-Capelle als einen Sieg der sacrosancta natio bohemica. Thatſächlich war das aber nicht bloß ein Sieg der Czechen über die Deutſchen, ſondern auch ein Sieg der Wyclef’ſchen Häreſie an der Univerſität. Da der König und die Czechen nach wie vor die Anhänger Gregor XII. drangſalirten und ſogar mit Strafe gegen ſie vorgegangen wurde, verhängte der Erzbiſchof das Interdict über Prag und Umgegend. Huß und die Wyclefiten beachteten aber dasſelbe gar nicht, und Huß predigte ſogar direct gegen den Erz - biſchof. König Wenzel verfolgte die Geiſtlichen, welchedas Interdict hielten, derart, daß viele flüchteten, worauf deren Güter der Confiscation anheimfielen; andere wurden vom Adel verjagt, oder vom Volke ausgeplündert, mißhandelt, ins Waſſer geworfen oder vertrieben. Dieſe Wirren endeten erſt, als der Erz - biſchof endlich den vom Concil zu Piſa gewählten Papſt Alexander V. anerkannte. Huß wurde nun zum Rector der Univerſität gewählt; nach dem neuen Stimmenverhältniß war das ſelbſtverſtändlich. Auch wurde er königlicher Hofcaplan. Die Czechen hatten jetzt die Alleinherrſchaft in Prag. Gelobt ſei der allmächtige Gott , rief Huß aus, daß wir die Deutſchen ausgeſchloſſen haben! Gott hat nun einmal den Czechen dieſes Land zu - getheilt, wie einſt Iſrael das gelobte Land. Huß wurde der Meiſter in Iſrael , der König und Mittler Böhmens genannt.

Auf der Höhe des erſtrebten Zieles angelangt, kamen aber jetzt Spaltungen ins czechiſche Volk ſelbſt, da immer mehr erkannt wurde, daß Huß auf dem Boden der Revolution gegen die Kirche ſtand. Der Erzbiſchof unterſagte nämlich, einem Befehle des Papſtes folgend, dem Huß das Predigen. Huß kümmerte ſich aber nicht um dies Ver - bot, im Gegentheil verklagte er den Erzbiſchof beim Papſte Gregor XII. Papſt Alexander V. befahl je - doch dem Erzbiſchof, entſchieden gegen die Irrlehren einzuſchreiten, und Huß wurde ſelbſt nach Rom citirt, die Wiclefitiſchen Schriften ſollten abgeliefert werden. Huß verweigerte den Gehorſam, und predigte ſogar gegen des Erzbiſchofs Anordnungen. Das verhetzte czechiſche Volk ſtand zu ihm. Der Erzbiſchof verhängte den Kirchenbann über Huß. Da ſtand das Volk mit Gewalt auf und verhinderte die Verkündigung des Bannes in den Kirchen. König Wenzel ließ dem Erz - biſchof die Einkünfte ſperren. Der Erzbiſchof verhängte abermals das Interdict über Prag und ließ, von Rom beſtärkt, den großen Bann in friedlichſter Form gegen Huß verkünden. Um nach dem Tode König Ruprecht’s wieder als König in Deutſchland anerkannt zu werden, wünſchte jetzt Wenzel eine Ausſöhnung zwiſchen dem Erzbiſchof und Magiſter Huß. Ein Vergleich

Note:
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Die heutige Nummer iſt 10 Seiten ſtark.
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2Wien, Dienſtag Reichspoſt 24. Jänner 1899 19

immer angehören möge, im Verkehr mit Behörden der Staatsſprache, alſo in unſerem Falle der deutſchen Sprache als der allgemeinen Vermittlungsſprache zu bedienen berechtigt iſt. Statt deſſen ſchafft aber Graf Badeni in offenbarem Widerſpruche mit dem Artikel 19 St. -G.-G. vom 21. December 1867, Nr. 142 R. -G.-Bl., der den Begriff der Landes - üblichkeit einer Sprache an das Wohnſitzgebiet des betreffenden Volksſtammes knüpft, einen ganz neuen Begriff landesüblich und ſichert damit der czechiſchen Sprache in deutſchen Theilen Böhmens und Mährens Rechte, die ihr nur dann ge - bühren würden, wenn ſie in dieſen beiden Kron - ländern die Stauung einer Staatsſprache innehätte. Graf Badeni hat ſomit in ſeinen Sprachenverordnungen den deutſch-centraliſtiſchen Standpunkt verlaſſen und ſich dem autonomiſtiſch-föderaliſtiſchen Standpunkte der Czechen genähert, welche für die ſo - genannten Länder der böhmiſchen Krone (Sudetenländer) der czechiſchen Sprache die Stellung einer Staatsſprache zuerkannt wiſſen wollen, vorerſt noch unter Wahrung der Gleichberechtigung der deutſchen Sprache, auf deren Zurückdrängung und ſpätere Enteignung man die Hoffnungen für die Zukunft aufbaut. Nur in einem Punkte hat Graf Badeni die Erinnerung an die deutſch - centraliſtiſchen Grundſätze wenigſtens zum Theile bewahrt. Im wechſelſeitigen dienſtlichen Verkehre der ſtaatlichen Behörden in Böhmen und Mähren, ſowie letzterer mit ſtaatlichen Behörden anderer Kronländer, iſt der deutſchen Sprache noch eine gewiſſe bevorrechtete Stellung erhalten geblieben, die freilich, ſoweit der dienſtliche Verkehr unter den ſtaatlichen Behörden in Böhmen einerſeits, in Mähren andererſeits in Betracht kommt, mannigfachen Ausnahmen zu Gunſten der czechiſchen Sprache unterworfen iſt.

Baron Gautſch ging einen Schritt weiter. Noch weiter ging aber Graf Thun, der für Böhmen und Mähren die letzten Reſte der deutſchen Staatsſprache tilgen und die Entſcheidung darüber, welche Sprache als innere Amtsſprache (Dienſt - ſprache) dienen ſoll, der Hauptſache nach davon ab - hängig machen wollte, ob der Sprengel der betreffenden Behörde ein deutſcher, ein czechiſcher oder gemiſcht - ſprachiger iſt. Graf Thun that noch ein Uebriges: er behandelte nämlich, obwohl er in Böhmen fünf, in Mähren nur drei Sprachzonen aufſtellte, Böhmen und Mähren in ſprachlicher Beziehung als ein Gebiet und ſuchte damit die Zuſammengehörigkeit dieſer beiden Länder zum Mindeſten zu markiren . Das wäre eine verhängnißvolle Conceſſion an das böhmiſche Staats - recht. Geſtützt auf den § 9 des Staatsgrundgeſetzes könnte man zu Auffaſſungen auf dem Sprachengebiete kommen, die an die Zeiten des babyloniſchen Thurm - baues erinnern. Auf dieſem Wege käme man dazu, daß alle Sprachen Oeſterreichs in allen Theilen der Monarchie Bürgerrecht genießen würden.

Der Grundfehler aller Sprachenverordnungen war, daß das natürliche Recht und Vorrecht der deutſchen Sprache nicht gewahrt wurde. Es müßte daher ein Sprachengeſetz geſchaffen werden, welches dieſes Vorrecht berückſichtigt. Damit aber ein ſolches zu Stande kommt, hält Hochenburger ein geſchloſſenes Auftreten und Zuſammenwirken der deutſchen Parteien für unbedingt nothwendig. Mit leeren Streitigkeiten über alte undneue Taktik werden die Deutſchen niemals zu ihrem Rechte kommen.

Hochenburger beklagt ſich auch, daß gerade von deutſch-radicalen Kreiſen der Kampf gegen den Verſuch, die deutſchen Parteien zu gemeinſamer Thätigkeit zu einen, mit beſonderer Heftigkeit geführt wird. Würden dieſe Kreiſe eine richtige Vorſtellung vom eigentlichen Weſen eines deutſchen Intereſſen dienenden Radicalismus beſitzen, ſo müßten gerade ſie das treibende Element in der Ver - folgung aller auf Sicherung des deutſchen Beſitzſtandes abzielenden Beſtrebungen ſein. Statt deſſen beſteht jedoch ihr Radicalismus lediglich in der Form des zumeiſt gegen andersdenkende Stammesgenoſſen geführten poli - tiſchen Kampfes und in dem kleinmüthigen Hoffen auf baldige fremde Hilfe. Germaniſche Sinnesart und germaniſcher Trotz iſt darin nicht zu erblicken. Aber auch dem großdeutſchen Standpunkte entſpricht dieſes Hoffen nicht. Gerade die von uns gemeinten deutſchradicalen Kreiſe ſollten doch das offene Ge - heimniß kennen, daß das deutſche Reich aus ſehr triftigen Gründen der inneren wie der äußeren Politik weder Willens noch in der Lage iſt, die ge - wünſchte baldige Hilfe zu bringen. Nicht in der Selbſtſucht auf Koſten anderer Stammesgenoſſen, ſondern in der Selbſtzucht kann noch das Heil des deutſchöſterreichiſchen Volkes liegen. Der Boden, auf dem ſich dasſelbe zu erhalten und zu behaupten hat, iſt und bleibt Oeſterreich, ſo lange mindeſtens, als ſich dieſer Staat nicht ſelbſt um ſeine Daſeinsmöglichkeit bringt, wozu er allerdings am Wege zu ſein ſcheint.

Zum Schluſſe tritt der Verfaſſer für die Erhaltung und Sicherung des centraliſtiſchen Syſtems ein.

Politiſche Rundſchau.

Oeſterreich-Ungarn.

Die Sprachenverordnungen für Schleſien.

Es wird uns aus Teſchen geſchrieben: Die Sprachenverordnungen für Schleſien ſind nun erlaſſen. Eine düſtere Stimmung des Un - muthes und des Grolles bemächtigt ſich der Bevöl - kerung unſerer Stadt. Bis vor wenigen Jahren hat man in Oſtſchleſien, wenn wir vom Friedecker Bezirke abgeſehen, nur ſelten ein czechiſches Wort gehört. Jetzt wird das Czechiſche mit Amtsſprache. Einer Unzahl von Beamten wird ein fremdartiges Idiom zur zwingenden Nothwendigkeit gemacht, wollen ſie nicht von ihren czechiſchen Amtscollegen in der Carrière überflügelt werden. Es iſt demnach ganz begreiflich, daß die Unzufriedenheit und die tiefſte Erbitterung gegen die gegenwärtige Regierung immer weitere Kreiſe erfaßt. Nur die Handvoll Czechen, die übrigens Fremdlinge in unſerer Stadt ſind, jubeln, ſehen ſie doch die Hoffnung auf die Czechiſirung Schleſiens um ein Bedeutendes näher gerückt. Der czechiſche Löwe brüllt denn auch in Oſtſchleſien immer vernehmlicher. Ob ſich auch die Polen freuen? Wir vermögen dies nicht zu entſcheiden. Der Freudenſchrei, den das hieſige polniſche Wochenblatt » Gwiazdka Cieszynska « unter dem erſten Eindrucke der frohen Botſchaft ausſtieß, will eigentlich nicht recht und ganzzur Geltung kommen. Bange Ahnungen halten die freudige Stimmung nieder. Wohl haben die neuen Sprachenverfügungen den Polen die lang - erſehnte Gleichberechtigung in Oſtſchleſien gebracht, ſie wiſſen aber nur zu gut, daß dieſe neuen Sprachen - erläſſe eigentlich nur die weitgehendſte Conceſſion an die Czechen bedeuten, welche bei ihrem Streben nach der Vereinigung von Böhmen, Mähren und Schleſien unter der czechiſchen Krone kaum geſonnen ſein dürften, vor dem Beſitzſtande der Polen ſtehen zu bleiben. Das es demnach zu einem erbitterten ſlaviſchen Bruderkrieg in Oberſchleſien kommen muß, iſt klar. Das Präludium dazu bilden bereits die nationalen Streitigkeiten in den Kohlengebieten von Dombrau, Orlau und Polniſch - Oſtrau. In der polniſchen Gemeinde Dombrau führen die dort eingewanderten, aus einigen Beamten be - ſtehenden Czechen mit unerhörter Unduldſamkeit den Kampf bis aufs Meſſer gegen die dort von Haus aus anſäſſigen Polen und bedrohen den dortigen Pfarrer, weil er für ſeine faſt durchwegs polniſchen Pfarrkinder den Gottesdienſt pflichtgemäß in polniſcher Sprache ab hält, ſogar mit dem Tode. In Lazy (Orlau), Michalkowitz (Polniſch-Oſtrau) u. A. werden die nach vielen Tauſenden zählenden Polen von Lehrern und Beamten mit rückſichtsloſer Brutalität czechiſirt. Nichtsdeſtoweniger betheuern die Czechen den Polen gegenüber unverbrüchliche Freundſchaft auch die Herren Abgeordneten des Polenclubs, ſowie der übrigen polniſchen Fractionen beſorgen noch immer, auf die Ehrlichkeit ihrer Brüder vertrauend, für ſie die Arbeit des Kaſtanienholens aus dem Feuer, ohne dabei auf die Brandwunden zu achten, die ſie dabei ſelbſt erleiden. Es iſt dies recht ſymptomatiſch für die künftige Geſtaltung der Dinge. Am empfind - lichſten werden durch die neuen Sprachenverfügungen für Schleſien die Deutſchen getroffen. Sie ſind ſich auch ihrer ſchweren Lage wohl bewußt. In ihrer harten Bedrängnis ſuchen ſie nach den Urſachen ihres Un - glückes, und ſie finden, daß ſie keine deutſchen Prieſter haben. Mit einer falſchen Logik machen ſie die katho - liſche Kirche dafür verantwortlich und ſchieben ihr überhaupt ſlaviſche Tendenzen in die Schuhe, weil Oſtſchleſien faſt durchwegs ſlaviſche Prieſter hätte. Sie vergeſſen jedoch dabei, daß nicht die katholiſche Kirche, ſondern die einzelnen Familien die Prieſter liefern und daß gerade die Deutſchen in ihrer zumeiſt religionsfeindlichen Preſſe ſeit einer Reihe von Jahrzehnten den katholiſchen Prieſterſtand in ſyſtema - tiſcher Weiſe verhöhnten und beſchimpften und dadurch, ſowie durch eine zumeiſt unchriſtliche Erziehung ihrer Kinder bewirkten, daß nur wenige ihrer Söhne ſich dem geiſtlichen Stande widmeten. Die katholiſche Kirche kann aber nicht im Mindeſten für die unverkennbare Zurückdrängung der Deutſchen in Oeſterreich und auch in Oberſchleſien verantwortlich gemacht werden, ſowie ſie auch keine Schuld daran trägt, daß die Katholiſche Volkspartei im Reichsrathe mit den huſſitiſchen Jung - czechen in einer Majorität ſteht zum Nachtheile der Deutſchen; denn die katholiſche Kirche dictirt nicht der Katholiſchen Volkspartei ihre politiſche Richtung, auch iſt letztere weder Mandatsträgerin der Kirche noch ihr officielles Organ. Vielleicht wird dieſer Sturm gegen die deutſche Nation in Oeſterreich auch ſein Gutes haben. Er wird ihnen ihre Gemeinſamkeit und Zu - ſammengehörigkeit umſo beſſer zum Bewußtſein bringen

kam auch zu Stande, Huß ſollte ſich dort vom Verdacht der Ketzerei reinigen, der Erzbiſchof ſoll nach Rom berichten, daß in Böhmen keine Häreſie mehr beſtehe, der König aber ſoll dem Clerus die ent - riſſenen Güter zurückſtellen. Allein der Vergleich wurde nicht gehalten, worüber der Erzbiſchof ſelbſt perſönlich in Rom klagen wollte. Auf der Reiſe dahin ſtarb der Erzbiſchof. Sein Nachſolger wurde der Leibarzt Wenzels, Albicus.

Damals wurde der Ablaß zum Kreuzzuge gegen die Neapolitaner, welche der von Ladislaus be - drängte Nachfolger des ſchon im Jahre 1410 geſtorbenen Papſtes Alexander V., Johann XXIII. ausſchrieb, in Prag verkündet. Huß predigte gegen den Ablaß und veranſtaltete an der Univerſität eine Disputation über denſelben. Nunmehr trennten ſich viele ſeiner beſten und angeſehenſten Freunde von Huß, der aber von Hiero - nymus von Prag unterſtützt wurde. Das czechiſche Volk hielt größtentheils zu Huß, ja der Ablaß wurde ſogar durch Spottaufzüge auf der Straße verhöhnt, der Papſt als Ketzer ausgerufen. Der Magiſtrat ließ drei junge Aufrührer, um ein Exempel zu ſtatuiren, hinrichten, obſchon Huß an der Spitze von 2000 czechiſchen Studenten vor das Rathhaus gezogen war, um deren Schonung zu erzwingen. Nun war die Er - regung aufs Höchſte geſtiegen, ſie breitete ſich immer mehr aus, ebenſo naturgemäß die Häreſie. Männer von höchſtem wiſſenſchaftlichen Ruf, früher Hauptanhänger des Huß, wie Stefan Palec und Stanislaus von Znaim, trennten ſich von Huß trotz des Terrorismus der Huſſiten und dem Zorn des Königs, dem ſie ſich ausſetzten. Eine öffentliche Beſprechung über die 45 bekannten Artikel auf dem Rathhauſe blieb erfolglos. Huß wollte aus der Schrift oder mit Vernunftgründen widerlegt ſein, eine Methode, die bei derartigen Gegnern bekanntlich niemals gelungen iſt, nie gelingen wird. In Rom wurde abermals der Bann gegen Huß aus - geſprochen, Huß appellirte ſtolz an Jeſus Chriſtus ſelbſt. Jetzt forderte Wenzel, um etwas Ruhe zu ſchaffen, Huß auf, Prag eine Zeit lang zu meiden. Huß fügte ſich und begab ſich zu ihm getreuen Adeligen aufs Land. König Wenzel berief dann eine Synode, auf der es zukeiner Einigung kam. Auch ein Schiedsgericht war ergebnißlos. Die Huſſiten machten zu allen Vergleichs - ſätzen Clauſeln, welche die Katholiken nicht zulaſſen konnten. Das hielt Wenzel für Halsſtarrigkeit der Letzteren und er verbannte vier czechiſche, dem Huß feindliche Proſeſſoren aus Böhmen, ſodaß jetzt die Prager Univerſität nicht bloß ganz czechiſch, ſondern auch ganz huſſitiſch war. Ferner wurden zwei Häupter des anti - huſſitiſchen Magiſtrates hingerichtet. Der Magiſtrat ſelbſt wurde vom König derart czechiſirt, daß derſelbe nicht mehr aus ſechzehn Deutſchen und zwei Czechen wie bisher, ſondern aus ſechzehn Czechen und zwei Deutſchen beſtand.

Inzwiſchen veranſtaltete Huß draußen nahe bei Prag Volksverſammlungen und Volkspredigten, ver - faßte ſeine böhmiſche Poſtille und zahlreiche reforma - toriſche Schriften, beſonders ſein Hauptwerk von der Kirche. Sein Aufenthalt auf dem Lande dauerte Jahre; im Jahre 1414 kehrte er nach Prag zurück. Seine Lehre war nun aber auch ſchon in Mähren, Polen und Deutſchland verbreitet, die huſſitiſche Gefahr eine allgemeine geworden. Inzwiſchen war das Conſtanzer Concil zuſammenberufen, um das Papſt - Schisma zu löſen, die Kirchenreform in Angriff zu nehmen und die Glaubensſpaltungen zu heben. König Sigismund lud Huß vor dasſelbe unter dem Ver - ſprechen des freien Geleites. Huß konnte nicht anders, er mußte ſich dem Concil ſtellen. Er kündigte es den Böhmen und aller Nationen durch Anſchlag an die böhmiſche Burg (Ueberall tritt das Nationale hervor!) an, fügte aber hinzu, nach Conſtanz möge ſich auch ein Jeder begeben, der ihn im Verdacht ketzeriſcher Lehren hat, wird er mich (!) dort eines Irrthums oder vom Glauben abweichender Lehren überweiſen (!), ſo bin ich bereit, jede Strafe eines Ketzers zu tragen. Huß wurde auf ſeiner Reiſe überall gut behandelt. Er ſelbſt lobt es. Und doch hatte er früher ſich geweigert, nach Rom zu kommen, weil er angeblich Gefahr für ſein Leben fürchte! Am 3. November 1414 zog Huß unter großem Menſchenauflauf in Conſtanz ein.

Mit der vom Concil bewirkten Abdankung Johannes XXIII., der Abdankung Gregors XII., derAbſetzung und dem Tode Benedict XIII. und der Wahl des Papſtes Martin V. wurde das unſelige Papſt - Schisma endlich beendet. Schon ſofort nach der Abdankung Johanns XXIII. (1415) wurde die Huß’ſche Irrlehre vom Concil in Angriff genommen. Dr. Weiß ſchreibt in ſeiner Weltgeſchichte: Huß, der ſich auf das Concil berufen, ward nun von demſelben angeklagt, verhört und verurtheilt. Bisher ſtand er vor bewundernden Zuhörern in Böhmen, jetzt vor dem Areopag Europas. In Böhmen hatte Huß durch politiſche Agitation jeden Widerſtand zum Schweigen gebracht, zuerſt die Deutſchen, dann die Czechen, die nicht ſeine Lehre nachbeten wollten, von der Univerſität verdrängt. In Conſtanz ſtand ihm kein von ihm erhitztes Volk mit ſeinen Fäuſten zu Gebote, hier war rein der Gehalt ſeiner Lehre entſcheidend und der Bericht über ſein Treiben in Böhmen. Dieſes Concil konnte nur zur Verurtheilung der Lehre Huß führen. Es iſt nicht unſere Aufgabe, die weiteren Stadien dieſes Proceſſes vor dem Concil zu ſchildern. Genug, daß Huß aller Strenge und aller Güte, die ihm reichlich von den Vätern des Concils zu Theil ward, ſtolz und hartnäckig begegnete. Der Geleitsbrief, den Huß erhalten hatte, war ein Reiſepaß, der ihn ſchützte, nicht aber eine Verſicherung gegen eine Verurtheilung des Concils. Sonſt hätte es ja keinen Sinn gehabt, Huß vor das Concil zu berufen. Huß wurde verhaftet, das verlangten ſeine Ankläger aus Böhmen, und Huß ſelbſt trug dazu bei, da er trotz der über ihn verhängten Suspenſion in ſeinem Hauſe Meſſe las und gegen Papſt, Cardinäle und die Kirche eiferte.

Die Verhandlungen gegen ihn begannen. Ungünſtig auf dieſelben wirkten die Ankunft, Flucht und Gefangen - nahme ſeines Freundes Hieronymus von Prag, dann die Annahme des Kelches von Seiten der Czechen, wo - mit die ſpäter noch ſo unheilvolle utraquiſtiſche Be - wegung entſtand. Zunächſt wurden vom Concil 45 Sätze Wiclef’s verurtheilt, dann die Lehren des Huß ſelbſt in drei Verhören, von denen das letzte öffentlich und entſcheidend war. Das Urtheil lautete: Huß ſollte bekennen, er habe ſich geirrt, eidlich geloben, ſeine Irrlehre nicht mehr zu lehren und zu predigen, wider -

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und auch dem deutſchen katholiſchen Prieſter in ihren Reihen Platz finden laſſen, er wird ſie zu der Er - kenntniß bringen, daß ein Volk nur dann groß und ſtark werden kann, wenn Religion und Tugend ſeine Grundlage bilden.

Die Verſtändigung und das Parlament.

Nach den neueſten Verſchiebungen in der Lage ſcheint eine nicht gerade günſtige Conſtellation eintreten zu wollen. Wie die Wr. Neueſten Nachrichten ver - ſichern, iſt Graf Thun der Anſchauung, daß die Friedensaction ohne Parlament viel beſſere Aus - ſichten habe. Das Haus ſoll alſo vertagt werden. Aehnliche Stimmen werden wer wüßte nicht warum? auf czechiſcher Seite laut. Es herrſcht auf dieſer Seite eine ſchlecht verhohlene geheime Freude über die Vertagungsabſichten, weniger über die Ver - ſtändigung ſelbſt. Der « Hlas Naroda » verſichert, daß auch die Regierung nicht viel von einer Verſtändigung halte. Als Majoritätstaktik ſchlägt das Blatt vor, noch einige Zeit abzuwarten, wie ſich die Obſtructioniſten weiter verhalten werden. Würde alle parlamentariſche Arbeit unmöglich gemacht werden, dann würde der Reichsrath auf einige Zeit vertagt werden und innerhalb dieſer Zeit ein entſcheiden - der Schritt geſchehen. Würde es nöthig werden, den Reichsrath längere Zeit geſchloſſen zu halten, ſo würde während dieſer Zeit im Geiſte der Rechten regiert werden. Die allgemeine Stimmung ſcheint ſich alſo auf eine Vertagung vorzubereiten. Daß eine Verſtän - digungsaction nach der Vertagung lahmgelegt und, ſo - weit ſie bisher zu Ergebniſſen geführt, ſogar zerſtört werden würde, iſt eine ſo ſichere Vorausſicht, daß wir kaum glauben möchten, daß man ſich oben derſelben entziehen könnte.

Der unſchuldige Polenclub.

Wenn es irgend - wo in einer Partei nicht ganz ſtimmt, wiederholt es ſich ſtets mit mathematiſcher Regelmäßigkeit, daß die entſprechende Preſſe verſichert, daß Alles ſtimme. Ebenſo ergeht es jetzt dem Polenclub, der in dem Czas ſeinen Vertheidiger findet. Dieſer glaubt be - tonen zu müſſen, es ſei Heuchelei, die weitere Tagung des Parlamentes zu fordern und ſich dabei als Gegner abſolutiſtiſcher Experimente auszuſpielen. Auf der anderen Seite ſei es ganz falſch, als ob Diejenigen, welche auf der weiteren Tagung des Parlamentes beharren, dabei in erſter Linie die Herbeiführung einer wirk - lichen Pacification in Böhmen in Augen hätten. In Wirklichkeit handelt es ſich hier um ganz andere Abſichten, nämlich um die Lockerung des Majoritätsverbandes. Es ſei aber gar gar keine Gefahr vorhanden, daß der Polenclub dieſe Tendenzen fördern werde. In der Zeit könne der Polenclub umſo ruhiger einer Vertagung des Hauſes zuſtimmen, als er zu der Regierung ein volles Ver - trauen habe.

Der Czas geſteht auf dieſe Weiſe ziemlich un - verhohlen ein, warum man ſich neueſtens für die Ver - ragung einſetzt man will die Majorität tetten und nicht den Frieden!

Die Compromißverhandlungen in Ungarn werden fortgeführt.

Am Samſtag erſchienen die Führer der Diſſidenten beim Miniſterpräſidenten, um ihm die Antwort der Oppoſition auf die Friedens - bedingungen mitzutheilen. Das Elaborat der Oppo - ſition enthält noch weitergehendere Forderungen und kann als neues Friedensprogramm angeſehen werden. Als erſte Forderung wird die Demiſſion Banffy’s

rufen und das Gegentheil annehmen, ſchreiben und predigen. Huß erklärte ſtolz, dies nur dann thun zu können, wenn er eines Beſſeren belehrt ſei. Nun wurde zunächſt die Austheilung des Laienkelches für unerlaubt erklärt und die Schriften des Huß zum Feuer verdammt. Huß ließ man Zeit zur Einkehr. Allein er blieb unerſchütterlich. Er wußte, daß das Concil ihn als Ketzer verurtheilen müſſe, und machte ſein Teſtament. Das geſchah denn auch am 6. Juli in Gegenwart des Königs Sigismund. Er wurde als wahrer und offener Häretiker und als Verführer des Volkes zur Depoſition, Degradation, und Ueberlieferung an den weltlichen Arm verurtheilt. Ueberall ſtand im Strafrecht des Mittelalters Todesſtrafe auf Häreſie. Der Schwaben - ſpiegel, der hier in Betracht kam, beſtimmte im § 313 den Feuertod für Ketzer. Huß ſelbſt hatte dieſe Strafe immer vorausgeſagt, wenn ſeine Lehre als irrig befun - den wurde, die er natürlich für wahr hielt und als ſolche verkündete. Nachdem das Urtheil er - floſſen, ſagte König Sigismund zum Pflalzgrafen: Weil wir das weltliche Schwert führen, ſo nehmet hin dieſen Johannes Huß und thut ihm als einem Ketzer! Die Uebergabe an den weltlichen Arm ge - ſchah mit der Bitte von Seite des Concils, man möge den Verurtheilten nicht tödten, ſondern ihm dauernden Kerker geben. Das war die übliche Formel. Die Strafe des Feuertodes war aber nach der ſtrengen Handhabung des Rechtes unausbleiblich. Huß erlitt auf dem kleinen Brühl , einem Hügel bei Conſtanz, den Feuertod, ohne daß er widerrufen oder auch nur die Abſolution empfangen hätte, da er ohne Widerruf ſeiner Irrlehren dieſelbe nicht erhalten konnte. Er ſtarb mit der Erklärung, er fühle ſich unſchuldig und ſterbe gern für die erkannte und verkündigte Wahr - heit. Er wollte als Martyrer ſterben, und die Huſſiten unter den Czechen verehren ihn auch als[ſ]olchen. Welche Saat aus den Thaten des Huß auf -[g]ing, beweiſen die folgenden Huſſitenkriege.

aufgeſtellt; ſolange er am Ruder iſt, will die Oppoſi - tion die vier Proviſoriumsvorlagen nicht erledigen. Die Regierung will aber, daß die Erledigung der Provi - ſoriumsvorlagen dem Rücktritt Banffy’s vorangehe. Dieſes perſönliche Moment und die Reviſion der Hausordnung erſchweren das Zuſtandeknmmen eines Compromiſſes. Obwohl man Banffy nachſagt, daß er die Friedensaction zu vereiteln beabſichtige, ſo hat er doch erklärt, daß die Regierung die Compromißver - handlungen fortzuführen gedenke. Zu dieſem Entſchluſſe wird ihn hauptſächlich die Friedens - ſtimmung in der liberalen Partei bewogen haben. Die Zahl der Friedensfreunde in der liberalen Partei ſoll täglich zunehmen und mit ungefähr achtzig beziffert werden. Zum Lager der Friedensfreunde ge - hören auch ſolche Abgeordnete, die Baron Banffy bisher zu ſeinen intimſten Freunden und Anhängern gezählt hat, und die entſchloſſen ſind, wenn von der Regierung die Friedensaction vereitelt wird, aus der Regierungspartei auszutreten. Der nächſte Donnerſtag, an welchem Tage die Conferenz der Regierungspartei ſtattfinden ſoll, wird endlich eine Entſcheidung bringen. Koloman Szell, der geſtern vom Kaiſer hier in Audienz empfangen wurde, und der als der kommende Mann in Ungarn angeſehen wird, hat erklärt, daß er bei der Donnerſtag-Sitzung von der Regierung Auf - klärungen verlangen werde. Man ſieht daher dieſer Conferenz mit der größten Spannung entgegen. Die Audienz, die geſtern Szell beim Kaiſer hatte, gilt als ein Ereigniß, welches in der ungariſchen Kriſe eine baldige Wendung herbeiführen wird.

Der croatiſche Landtag

ſetzte am Samſtag die Budgetdebatte fort. Abg. Zorics beſprach den Ausgleich mit Ungarn und nahm den Clerus gegen den Abgeordneten Sekulics in Schutz und ſagte, daß der Clerns ſeinen prieſter - lichen und patriotiſchen Pflichten ſtets nachkommen werde, ohne gegen das Geſetz zu verſtoßen. Aber die Regierung möge ſich vor Denen in Acht nehmen, die ihr ſchmeicheln, denn dieſe wollen ſie ausnützen. Sie möge mehr auf Jene hören, welche die Wahrheit ſagen. Unſer Budget wird nie zur rechten Zeit verhandelt, und dies iſt eine Folge davon, daß unſer Budget vom gemeinſamen Budget ab - hängig iſt, und darum hat Dr. Brestyensky Recht mit dem, was er geſtern ſagte. Die außergeſetzlichen Zuſtände im Lande ſind eine Folge des ungerechten dualiſtiſchen Syſtems, weil dieſes zu einer Aenderung drängt, nicht bloß diesſeits, ſondern auch jenſeits der Leitha. Im weiteren Verlaufe ſeiner Rede kritiſirt Redner die Verwaltung und fordert die Beſchleunigung der Urbarialſegregationen, ſowie eine billige Geldquelle für den Bauernſtand und wendet ſich ſchließlich gegen die Wahlpraxis, welche indirect zur Ver - breitung ſocialiſtiſcher Ideen führe. Es ſolgen hierauf mehrere Interpellationen, darunter eine des Abgeordneten David Starcsevics betreffend die Errichtung einer croatiſchen Militär-Erziehungsanſtalt für croatiſche Landwehr - Offiziere.

Deutſches Reich. Ein Proteſt der Münchener Amerikaner.

Wie die Münchener Neueſten Nachrichten melden, haben die im Repräſentantenhauſe in Waſhington gefallenen provociren - den Aeußerungen gegen Deutſchland die Veranlaſſung ge - geben, daß einige maßgebende amerikaniſche Perſönlichkeiten in München den Beſchluß gefaßt haben, der amerikaniſchen Regierung eine Proteſtkundgebung aller in München weilen - den Amerikaner zu übermitteln, worin die von einem Mit - gliede des Senates in Waſhington geführte Sprache auf das Schärfſte mißbilligt wird. Die Vorbeſprechungen werden in den nächſten Tagen ſtattfinden.

Italien. Ein Handſchreiben Kaiſer Franz Joſefs.

Wie das Fremdenblatt meldet, hat unſer Kaiſer bei Verleihung des Goldenen Vließes an den Herzog Aoſta ein Handſchreiben gerichtet, worin er die Befriedigung über die denkbar herzlichſten Beziehungen zu Italien ausdrückt. Gleichzeitig ladet Kaiſer Franz Joſef den Herzog zu den Frühjahrsmanövern ein. Die Annahme ſeitens des Herzogs wird gleich nach erklärtem Ein - verſtändniß der Regierung erfolgen.

Serbien. Die Skupſchtina

beſchloß ein neues Steuer - geſetz mit genaueren und ſtrengen Beſtimmungen über die Eintreibung der Steuern. Nach Votirung der geringen Anzahl der noch ausſtehenden Geſetzentwürfe dürfte der Schluß des Parlamentes am 27. Jänner erfolgen.

Afrika. Die Lage in der Erythräa.

Aus Maſſana wird berichtet, daß am Mittwoch in der Kirche von Edanariam der Friede beſchworen wurde, vorbehaltlich der Genehmigung ſeitens des Neugs, an den man Boten entſendet hat. Es ſcheint, daß Ras Man - gaſcha um Frieden gebeten habe, als ihm die Be - ſetzung des Paſſes von Alequa durch Ras Makonnen die Vertheidigung von Adagamus als gewagt erſcheinen ließ. Die Truppen Ras Makonnen’s fangen an gegen Süden zu marſchiren, ſcheinen alſo ihre Abſicht, in Agame zu bleiben, aufgegeben zu haben. Die Häuptlinge von Tigre kehren in ihre Ge - biete zurück.

Auſtralien. Die Samoafrage.

Wie aus Waſhington gemel - det wird, hat der deutſche Botſchafter Dr. v. Holleben dem Staatsſecretär Hay zwei wichtige aus Berlin ein - gegangene Depeſchen überreicht und mit ihm im Anſchluſſe daran eine lange Unterredung gehabt. Die Depeſchen enthalten eine ausführliche Darſtellung der letzten Vorgänge in Samoa, die ſich in vielen weſent - lichen Einzelheiten von den bisher veröffentlichten Dar - ſtellungen unterſcheidet. Nach der Conferenz zwiſchendem Botſchafter und dem Staatsſecretär äußerte ſich eine Perſönlichkeit von hoher diplomatiſcher Stellung, das Ausſehen, welches die Angelegenheit neuerdings angenommen habe, laſſe eine friedliche Beilegung desſelben als möglich, ja ſogar als wahrſcheinlich erſcheinen. In maßgebenden Kreiſen wird poſitiv erklärt, daß bis heute Mittags weder von den Vereinigten Staaten allein noch in Verbindung mit England Proteſt er - hoben worden ſei. Es könne als ſicher behauptet werden daß, wenn die über die Vorkommniſſe ver - öffentlichten Berichte den Thatſachen entſprechen, die Handlungen Doctor Raffel’s und des deutſchen Generalconſuls Roſe nicht das Ereigniß von Inſtructionen aus Berlin waren. Man iſt der Anſicht, daß dieſe Handlungen, ſoweit ſie eine Vertrags - verletzung in ſich ſchließen, nicht die Billigung der deutſchen Regierung finden werden. Eine Meldung aus Wellington in Neuſeeland beſagt, es ſei das Kriegsſchiff Royaliſt nach Samoa abgeſendet worden

Gemeindezeitung.

Hintanhaltung des Beſuches der Kinder in Verſammlungen.

Der Wiener Bezirksſchulrath hat anläßlich der wiederholt gemachten Wahrnehmung, daß ſchulpflichtige Kinder von ihren Eltern oder Angehörigen zur Theilnahme an Verſammlungen aller Art heran - gezogen werden, an jene Organe, welche bei derlei Ver - ſammlungen als Vertreter der Behörde zu interveniren haben, die Weiſung ergehen laſſen, die Theilnahme ſchulpflichtiger Kinder mit allen geſetzlichen Mitteln hintanzuhalten. Die Arbeiter-Zeitung iſt ſo gnädig, daran die Bemerkung zu knüpfen: Wir ſind ſehr ein - verſtanden, wenn man die Schüler von den Verſamm - lungen, auch den ſocialdemokratiſchen fernhält; denn die Politik iſt nicht für Kinder. Wir dürſen alſo er - warten, daß die Socialdemokraten nicht wieder den Chriſtlich-Socialen Waſſer predigen und ſelbſt Wein trinken.

Schulleiterſtellen.

Im Wiener Schulbezirk kommt je eine Directorſtelle an der Knaben-Bürgerſchule, Leopoldſtadt, Wasnergaſſe 33 und an der Knaben - und Mädchen-B[ü]rger - ſchule Meidling, Hetzendorferſtraße 66, ferner eine Oberlehrer - ſtelle in der Mädchen-Volksſchule Leopoldſtadt, Wintergaſſe 14 zur Beſetzung. Geſuche ſind bis längſtens 15. Februar l. J. an den Stadtrath zu richten.

Der Gemeinderath

hält am Freitag den 27. d. M., der Stadtrath am Mitwoch, Donnerſtag und Freitag Sitznngen ab.

Ein Vortrag über die niederöſterreichiſche Laudes-Brandſchaden-Verſicherungsanſtalt

wird am Mittwoch, den 25. d. M., um 8 Uhr Abends, in Dreher’s großem Saale, 3. Bez., Landſtraße, Hauptſtraße 97, ab - gehalten. Auskünfte über Verſicherungsabſchlüſſe werden täglich in der Bezirksausſchußkanzlei, 3. Bez., Gemeinde - haus, 1. Stock, während der Amtsſtunden von 8 bis 2 Uhr ertheilt, woſelbſt auch Beitrittserklärungen entgegen - genommen werden. Auskunftsſtellen befinden ſich in der Bezirkausſchußkanzlei aller Bezirke.

Die Ausgeſtaltung des Carlskirchenplatzes.

Die Projecte für die Ausgeſtaltung des Carlskirchenlpatzes werden von Mittwoch, den 24. d. M., an durch vierzehn Tage im nördlichen Rauchſalon nächſt der ſtädtiſchen Bibliothek im Rathhauſe zur Beſichtigung öffentlich aus - geſtellt.

Die Regulirung des Donaucanales.

Die Schleußenbauten am Donaucanal ſind nunmehr unter der Leitung des Oberbaurathes Tauſſig fertiggeſtellt. Die neue Hafenabſperrvorrichtung wird heute zum erſten Male in Function geſetzt werden und probeweiſe mehrere Tage in Action bleiben.

Tagesbericht.

* Kalender für Dienſtag, den 24. Jänner

Katholiken: Timoth. Griechen (12. Jänner.) Tatiana. Sonnenaufgang 7 Uhr 40 Minuten Morgens. Sonnenuntergang 4 Uhr 46 Minuten Abends. Mondesaufgang 2 Uhr 37 Minuten Abends. Mondes - untergang 6 Uhr 09 Minuten Morgens.

* Hof - und Perſonalnachrichten.

Die Erz - herzoge Heinrich Ferdinand und Franz Salvator ſind aus Enns hier eingetroffen. Ge - heimer Rath Hermann Freiherr von Löbl iſt nach Lem - berg abgereiſt. Der Präſident der Handelskammer in Reichenberg Alois Neumann, welcher vorgeſtern hier eingetroffen iſt, kehrte geſtern wieder nach Reichenberg zurück. Der königlich ungariſche Miniſterpräſident Baron Banffy iſt heute Früh aus Budapeſt hier eingetroffen.

* Auszeichnungen und Ernennungen.

Der Kaiſer hat dem Oberrechnungsrathe der Forſt - und Domänen - direction in Lemberg Joſef Hirſchberg das Ritterkreuz des Franz Joſeph-Ordens, dem Rechnungsrathe derſelben Direction Cyprian Wagrzynovicz den Titel und Charakter eines Oberrechnungsrathes, dem mit dem Titel eines Rechnungsrathes bekleideten Rechnungsrevidenten der - ſelben Direction Michael Pawulski das goldene Ver - dienſtkreuz mit der Krone, dem Landesgerichtsrathe in Wien Dr. Carl Frühwald den Titel und Charakter eines Oberlandesgerichtsrathes, dem Director der Lehrerinnen - Bildungsanſtalt in Trient, Franz Holzer, den Titel eines Schulrathes, dem Zolloberamts-Controlor Johann Breitfel der in Wien und dem Director der Filiale der galiziſchen Hypothekenbank in Czernowitz, Ferdinand Mayer den Titel eines kaiſerlichen Rathes, dem Zoll - Oberamtsverwalter Johann Detoni in Raguſa das goldene Verdienſtkreuz mit der Krone verliehen, den Privat - docenten an der Wiener Univerſität Dr. Ant. Pelikan zum außerordentlichen Profeſſor der Mineralogie an der deutſchen Univerſität in Prag und den Bezirkshauptmann Benjamin Dorna in Cles zum Statthaltereirathe bei der4Wien, Dienſtag Reichspoſt 24. Jänner 1899 19Statthalterei in Innsbruck ernannt. In Anerkennung ſeines unerſchrockenen Verhaltens bei der Unterdrückung des Brandes eines Laboratoriums erhielt der Gefreite Joſef Vale des Pionnier-Bataillons Nr. 15 das ſilberne Ver - dienſtkreuz.

* Beſtellter Gattenmord.

Marie Zörer, Gaſtwirthin in Gratwein, richtete an den ihr be - kannten Südfrüchtenhändler Stampler in Göſting ein Schreiben, worin ſie ihn aufforderte, ihren Gatten zu erſchießen. Gleichzeitig mit dem Schreiben überſandte ſie einen ſcharf geladenen Revolver. Stampler erſtattete die Anzeige, worauf Marie Zörer zum Landesgerichte in Graz vorgeladen und nach der Einvernahme ſofort in Haft behalten wurde.

* Zweiunddreißig Perſonen von einem wüthenden Hund gebiſſen.

In Szecſenyi (Neograder Comitat) hat, wie von dort gemeldet wird, ein toller Hund, während er verfolgt wurde, 32 Per - ſonen gebiſſen. Dieſelben wurden in das Paſteur’ſche Inſtitut in Budapeſt gebracht.

* Begnadigte Secundanten.

Im vorigen Jahre fand in Czernowitz zwiſchen dem Rechtshörer Skorski und einem Officier des 41. Infanterieregiments ein Säbelduell ſtatt, bei welchem Erſterer ſo ſchwer ver - wundet wurde, daß er nach kurzer Zeit ſtarb. Bei der darauffolgenden Verhandlung vor dem Czernowitzer Landesgerichte wurden die Secundanten Concepts - praktikant Franz Newed und der Rechtshörer Derer wegen Theilnahme an dem Verbrecheu des Zweikampfes zu viermonatlichem, reſpective zweimonat - lichem Kerker verurtheilt. Nun hat der Kaiſer den beiden Verutheilten die über ſie verhängte Kerkerſtrafe nachgeſehen.

* Gegen den Hetzruf Los von Rom .

Eine äußerſt zeitgemäße Broſchüre, betitelt: Die Wahrheit , eine Antwort auf den Ruf Los von Rom , erſchien ſoeben im Verlage A. Opitz in Warnsdorf, in einer Auflage von 7000 Expl. Dieſe auf Veranlaſſung des Caniſius-Preßvereines für die Diöceſe Leitmeritz von berufener Seite meiſterhaft geſchriebene, 54 Seiten um - faſſende Broſchüre wurde als Nr. 14 der Broſchüren - Sammlung Volksaufklärung herausge - geben. Dieſelbe entſpricht einem bei der gegenwärtigen von Deutſchradicalen und Altkatholiken betriebenen Abfalls-Propaganda tief gefühlten Bedürfniſſe der Ka - tholiken. Sie widerlegt namentlich die von altkatholiſcher Seite erhobenen Vorwürfe gegen die katholiſche Kirche in ſachlicher, objectiver und gründlicher Weiſe, indem ſie einerſeits die im Kampfe gegen Rom beſonders in Frage kommenden katholiſchen Lehren und Einrichtungen (Primat ꝛc. ), anderſeits die heute üblichſten kirchenfeind - lichen Phraſen kurz und beweiskräftig behandelt. Die Broſchüre hat demnach, obwohl die augenblickliche Zeit - ſtrömung in Böhmen mehr berückſichtigend, allgemeinen und dauernden Werth. Sie iſt katholiſchen Vereinen, Prieſtern und Laien ſehr zu empfehlen. Preis einzeln 5 kr. (fr. 7 kr. ), 50 Expl. 2 fl. 40 kr., 100 Expl. 4 fl. 40 kr. ; von 500 Expl. an 25 % Rabatt.

* Ein geſtochener Sicherheitswachmann.

Geſtern um ¼12 Uhr Nachts provocirte im Tanzlocale des Gaſt - wirthes Mudera, Laxenburgerſtraße Nr. 59, der Tag - löhner Wilhelm Bohaty, der als Trunkenbold, Raufbold und Gewaltthäter ein polizeiliches Renommé genießt, den dort auf Inſpection befindlichen Sicherheitswachmann Anton Tſchipp ſo lange, bis dieſer nicht umhin konnte, den Bohaty für arretirt zu erklären. In dieſem Augenblicke packte Bohaty den Wachmann an der Bruſt, und ein zweiter Alkoholiker der 42jährige Taglöhner Auguſt Schimmel, Waldgaſſe Nr. 29 wohnhaft, aſſiſtirte ihm, indem er Tſchipp von rückwärts faßte. Die beiden Männer riſſen den Wachmann zu Boden und wollten mit einem Literglas auf ihn losſchlagen. Der hartbedrängte Wachmann konnte ſich angeſichts der drohenden Gefahr ſeiner Gegner nicht anders erwehren, als indem er von der Waffe Gebrauch machte und mit dem Säbel bei de Gewaltthäter, und zwar Bohaty am Oberſchenkel, Schimmel am Kopfe verletzte. Erſt durch die Intervention der Sicherheitswachmänner Franz Pils und Bruno Wlach wurde Wachmann Tſchipp von ſeinen Angreifern befreit. Bei dieſer Action iſt Sicher - heitswachmann Wlach durch einen Meſſerſtich am Bauche verletzt worden. Dem Wachmann Pils wurde der Helm beſchädigt. Die überwältigten Gewaltthäter ſind in das Wiedner Krankenhaus gebracht worden.

* Ein Fahrraddieb.

Geſtern um ſechs Uhr begab ſich der Clavierlehrer Raimund Heller in die Maria - hilfer Pfarrkirche und ließ ſein mit einer Sperrkette verſehe - nes Fahrrad im Werthe von 150 fl. vor dem Thore ſtehen. Als Zeller wieder auf die Straße trat, war das Rad ver - ſchwunden. Paſſanten ſagten ihm, ſie hätten einen Mann geſehen, der ſich am Rade zu ſchaffen machte. Sie wieſen dem Beſchädigten die Richtung, in der ſich der Mann ent - fernt. Zeller theilte dies auf der Kreuzung Gumpendorfer - ſtraße-Windmühlgaſſe dem Sicherheitswachmann Grad - nitzer mit, der den jungen Mann mit dem Rad ſchon früher im Auge behalten hatte, da er ihm verdächtig vor - gekommen war. Der Burſche war eiligſt davongelaufen, doch verfolgte ihn der Wachmann durch die Windmühlgaſſe. Als der Dieb die Verfolger auf den Ferſen ſah, warf er das Rad, das ihn behinderte, weg und ſuchte über die Theobaldſtiege am Geländer abwärts gleitend, zu ent - kommen, fiel aber zu Boden und wurde vom Sicherheits - wachmann mit Hilfe eines Paſſanten feſtgenommen und auf das Polizeicommiſſariat Mariahilf gebracht. Der Ver - haftete, der 27jährige Eiſendrehergehilfe Carl Scholta, Hietzing, Einwandgaſſe Nr. 35 wohnhaft, wurde dem Landesgerichte eingeliefert.

* Eine chriſtlichſociale Verſammlung der Staats - diener.

Dienſtag den 24. d. M. 10 Uhr Abends findet in der Volkshalle des neuen Wiener Rathhauſes eine vom Reichsraths-Abgeordneten Prochazka einberufene Verſammlung der Staatsdiener ſtatt. Faſt alle chriſtlich - ſocialen Abgeordneten werden erſcheinen. Staatsdiener erſcheint in Maſſen!

* Vom Zuge abgeſprungen.

Geſtern Früh um ½8 Uhr iſt ein Hof - und Gerichtsadvocat nächſt der Station Meidling-Hauptſtraße der Stadtbahn durch Leichtſinn verunglückt. Der Advocat wollte nämlich in genannten Station den Zug verlaſſen, erinnerte ſich aber daran erſt, als der Train bereits in Bewegung war. Kurz entſchloſſen ſprang der Advocat vom rollen - den Zuge ab, ſtürzte nieder und zog ſich einen offenen Schenkelbruch am rechten Bein zu. Der Verunglückte wurde in das Wiedener Krankenhaus gebracht.

* Verunglücktes Kind.

Am 21. d. M. Nachmittags um 4 Uhr befand ſich die Handarbeiterin Caroline Kordoch, Meidling, Pohlgaſſe 6 wohnhaft, mit ihren 18 Monate alten Töchterchen Caroline in der Wohnung der Privaten Leopoldine Hutter, Meidling, Roſalien - gaſſe 26 wohnhaft. Caroline Kordoch entfernte ſich auf einige Minuten aus dem Zimmer und in der Zwiſchenzeit war ihr Töchterchen in ein mit heißen Waſſer gefülltes Schaff gefallen. Das arme Kind hatte am ganzen Körper lebens - gefährliche Brandwunden erlitten. Die Kleine iſt in das Carolinen-Kinderſpital gebracht worden.

* Erdbeben in Griechenland.

Aus Athen wird telegraphirt: Heute (22.) Früh wurde auf dem Peloponnes ein Erdbeben beobachtet. Zwei Ortſchaften wurden zerſtört. In Philiatra, wo Häuſer Riſſe erhielten wurden dieſelben geräumt. Es iſt nicht bekannt, ob ein Verluſt von Menſchenleben zu beklagen iſt. Der angerichtete Schaden iſt ein beträchtlicher.

* Sturm in England.

In verſchiedenen Theilen des Landes herrſchte, wie aus London gedrahtet wird, in der vergangenen Nacht ein heftiger Sturm. Mehrere Flüſſe ſind ausgetreten. Der zwiſchen Calais und Dover ver - kehrende Poſtdampfer machte wiederholt vergebliche Verſuche, die Landungsſtelle in Dover oder in Folkeſtone zu erreichen und landete ſchließlich in letzterem Orte. Der Dampfer - dienſt im Canal war während der Nacht eingeſtellt.

* Die ſanitären Verhältniſſe in Wien

illuſtrirt eine ſtatiſtiſche Tabelle, die der Convent der barmherzigen Brüder über einzelne Krankheiten, die in dieſem Hoſpitale znr Behandlung kamen, zuſammen - geſtellt hat. Während die Krankheitsformen der Selbſt - morde, der Verletzungen, des Nervenſyſtems zu nehmen, hat der Typhus rapid abgenommen. Im Jahre 1848 kamen auf je 1000 Kranke 70·6 Typhus-Kranke, im Jahre 1858, 39·8, im Jahre 1865, 25·8, im Jahre 1878, 19·7, im Jahre 1888, 8·9 und im vorigen Jahre 8·1. Was die Selbſtmorde anlangt, ſo begann die Lebensmüdigkeit in einem Falle ein Alter von 11 Jahren. Es folgen mit 14 Jahren 4 Fälle, mit 15 Jahren 2 Fälle, mit 16 Jahren 3 Fälle, mit 17 Jahren 12 Fälle, mit 18 Jahren 5 Fälle, mit 19 Jahren 3 Fälle, mit 20 Jahren 10 Fälle. In der Alters - grenze 21 30 Jahre liegen 24 Fälle, 31 40 Jahre weiſen 10 Fälle auf, 41 50 Jahre 11 Fälle, 51 bis 60 Jahre 2 Fälle, das Alter von 62 und 68 Jahren erreichten 2 derartige Fälle. Der Confeſſion nach waren 62 Lebensmüde katholiſch, 3 evangeliſch und 4 moſaiſch, dem Stande nach 72 ledig, 14 verehelicht und verwitwet. Was die Motive zum Selbſtmord an - langt, ſo haben unter den 89 im Berichtsjahre ausge - wieſenen ſolchen Fällen als Motive: 10 unbekannt, 25 Lebensüberdruß, 4 körperliche Leiden, 6 Leiden - ſchaften, 2 Laſter, 13 Zwiſt und Aerger über Familien - angehörige, 14 Kummer über Vermögensverhältniſſe, 6 Unzufriedenheit mit der Lage und 9 Furcht vor Strafe.

* Ein neuer Original-Roman der Reichs - poſt

beginnt in der morgigen Nummer. Unter dem Titel Erna’s Geſchick bietet uns eine Kennerin des weiblichen Herzens und der ariſtokratiſchen Ver - hältniſſe eine bis zum Schluſſe ſpannende und pſycho - logiſch vertiefte Erzählung, deren Heldin eine liebens - würdige, edle, aber leidenſchaftliche Natur iſt, die ſich aber in den ſchwerſten Lagen des Lebens nur nach den größten Verſuchungen doch immer wieder ſelbſt findet, weil ſie gehalten iſt durch den Adel ihres Charakters. Dieſer Roman wird umſo größeres Intereſſe erregen, als er in heimiſchen Gauen, in Wien und Graz, ſowie im ſonnigen Italien ſpielt. Die Verfaſſerin iſt Helene Baronin v. Falkenhauſen. Es iſt zu hoffen, daß es nicht die letzte literariſche Gabe iſt, mit der ſie die Reichspoſt beſchenkt.

* Verunglückt.

Im Keller der Reſtauration Lehninger, Johannesgaſſe Nr. 2, war heute Vormittags nach 9 Uhr der 20jährige Kellerburſche Alois Fink beſchäftigt, einen Kohlenſäuredruckapparat, der mit einem Bierfaß in Ver - bindung ſtand, zu öffnen. Plötzlich explodirte das Faß und die Trümmer desſelben flogen Fink auf den Kopf. Er erlitt eine ſchwere Gehirnerſchütterung und mußte in das Spital der Barmherzigen Brüder gebracht werden.

* Feuer.

Im Souterrainlocal der Pilſenetzer Bierhalle, Stubenbaſtei Nr. 1, woſelbſt ſich die Schlafſtellen der weiblichen Bedienſteten befinden, ent - ſtand am 21. d. M. Nachts nach ½ 12 Uhr ein Feuer. Eine Riegelwand war in Brand gerathen. Das Feuer wurde ſogleich entdeckt und konnte bald gelöſcht werden. Geſtern Früh um 7 Uhr iſt die Verkaufs - hütte der Victualienhändlerin Anna Slanka auf dem Laaerberg Nr. 230 in Brand gerathen und von den Flammen nach kurzer Zeit verzehrt worden. Der Schade beträgt 140 fl.

* Selbſtmordchronik.

Heute Früh um ¼7 Uhr trank die 24jährige Proſtituirte Roſa U., Novaragaſſe 4 wohnhaft, eine Löſung von Phosphorzündhölzchenköpfchen und zog ſich ſchwere innere Verletzungen zu. Man brachte ſie in das Rudolfſpital. Streit mit dem Geliebten iſt das Motiv des Selbſtmordverſuches. Wegen Lebensüberdruß durchſchnitt ſich geſtern Abends um ¼11 Uhr die 59jährige Private Eva K., als ſie allein in der Küche ihrer Wohnung, Schönburggaſſe 28, weilte, mit einem Raſirmeſſer den Hals und das linke Handgelenk und verletzte ſich ſchwer. Die Lebensmüde wurde in das Wiedener Spital gebracht. Der 27jährige Zuckerbäckergehilfe Joſef H. trank heute wegen eines häuslichen Zwiſtes eine Laugenſteinlöſung und zog ſich hierdurch ſchwere Verätzungen im Munde zu. Er wurde in das Rudolfſpital gebracht. Heute Früh, kurz vor 7 Uhr hat ſich der Juwelier Louis Abel in ſeiner Wohnung, Technikerſtraße 9, noch im Bette liegend, aus einem Revolver eine Kugel in den Kopf gejagt und ſich ſo - fort getödtet. Kränkung über den Niedergang ſeines Ge - ſchäftes iſt der Grund des Selbſtmordes. Das Geſchäft war im Jahre 1835 gegründet und befindet ſich Wiedener Haupt - ſtraße 3.

* Feſtgenommener Schwindler.

Von dem Sicherheitsbureau der Polizeidirection wurde am 21. d. der 20jährige Kutſcher Franz Wallner verhaftet. Derſelbe hat nämlich in den letzten Wochen Kindern und Lehrlingen, Packete und Waaren, welche ſie ab - liefern ſollten, unter liſtigen Vorſpiegelungen heraus - gelockt. Er ſchickte die Kinder unter einem lügenhaften Vorhaben in ein Haus, verſprach mittlerweile das Packet zu halten, verſchwand aber immer, kaum daß ſein Opfer das Haus betreten hatte. Bisher wurden dem Schwindler elf Betrügereien nachgewieſen.

* Eine internationale Gaunerin.

Die von den Gerichten in Landshut, München, Linz, Ansbach und Wien wegen Diebſtahles, Majeſtätsbeleidigung und Betrug bereits abgeſtrafte 52jährige Handarbeiterin Anna Haimerl, in Kehlheim geboren, wurde am 21. d. wegen bedenklichen Beſitzes von Futterſtoffen verhaftet. Sie geſtand, die Stoffe geſtohlen zu haben, weigerte ſich aber den Beſchädigten zu nennen.

* Brandgeruch im Theater in der Joſef - ſtadt.

Sonntag Abends kurz vor Schluß der Vorſtellung Wie man Männer feſſelt im Theater in der Joſef - ſtodt wurde von einigen Beſuchern im Parterre ein Brandgeruch verſpürt. In Folge der nun entſtandenen Unruhe erhoben ſich mehrere Perſonen von ihrem Sitze, von denen einige ſogar ſchnell das Schauſpielhaus ver - ließen. Nach nur wenigen Minuten beruhigte ſich jedoch wieder das Publicum, da eine eingehende Unterſuchung des Bühnenraumes, welche vorgenommen worden iſt, ergeben hat, daß nicht der geringſte Anlaß zu einer Gefahr vorliegt. Der Regiſſeur Herr Groß, die In - ſpectionsbeamten der k. k. Polizeidirection und des Stadtbauamtes erſchienen auf offener Scene und theilten dem Publicum mit, daß ein Grund zur Beunruhigung nicht vorhanden ſei. Die Vorſtellung wurde nun ohne weiteren Zwiſchenfall zu Ende geführt.

* Lebensretter und Taſchendieb.

Der 24jähr. Schloſſergehilfe Leopold Weidler, wiederholt abge - ſtraft, wurde am 21. d. M. Abends in der Brigittenau wegen eines verübten Taſchendiebſtahles feſtgenommen. Der Burſche aber widerſetzte ſich mit Gewalt, biß den Wachmann in den Finger und konnte nur mit Hilfe von drei anderen Wachmänner und einem Verpflegs - ſoldaten überwältigt werden. Weidler hatte einige Stunden früher mit einem zweiten Arbeiter jenes Mädchen, welches ſich von der Brigittabrücke in den Donaucanal geſtürzt hatte, lebend den Wellen entriſſen.

* Sterbefall.

Am 22. d. M. Mittags iſt der bekannte Hotelier Heß (Mitbeſitzer des Hotels König von Ungarn 1. Bezirk, Schulerſtraße Nr. 10, im 67. Lebensjahre ge - ſtorben.

* Ein Durchgegangener.

Dem Tiroler Volksblatt wird aus Meran folgendes ergötzliche Ge - ſchichtchen geſchrieben: Ein hier zur Kur weilender Profeſſor wollte ſich ſeinen Hund von München nach - ſchicken laſſen. Als nun das Thier die Station Kuf - ſtein paſſirte, dort wegen der Zollreviſion einen Aufenthalt von einer halben Stunde zu gewärtigen hatte, erbarmte ſich ein Conducteur über das arme Hunger und Durſt leidende Thier, ließ dasſelbe aus ſeinen Käfig und gab ihm im reichlichen Maße zu eſſen und zu trinken. Nachdem der Hund ſich etwas geſtärkt und die Gegend betrachtet hatte, war er aus Dankbarkeit aber auch ſchon davon und der arme Conducteur hatte das Nachſehen. Die Zeit zur Abfahrt war heran - gerückt und der Hund war aber nicht mehr zu ſehen. In der größten Angſt und Verzweiflung packte der Conducteur den erſt beſten Hund am Perron, ſteckte dieſen in den Käfig und der Zug gerieth ins Rollen. Herr N. N. bekam nun das Bahn - aviſo zur Auslöſung ſeines Hundes und begab ſich ſelbſt zum Bahnhof um ſeinen Liebling zu empfangen. Aber welch ein Erſtaunen über die ſo plötzliche Ver - änderung ſeines Hundes, welcher ſofort wieder ver - laden und retour geſandt wurde, nachdem ſich der Zufall aufgeklärt hatte. Herr N. N. iſt aber bis heute noch nicht in den Beſitz ſeines eigentlichen Hundes.

* Wetter.

Das Wetter bleibt vorausſichtlich vor - wiegend heiter, mild und ruhig.

Aus den Kronländern.

Krain. Laibach.

(Die Südſlaven und die Majorität.) Jüngſt erſchien in dem Organ des Krainer Katholiſch-nationalen ein geharniſchter Artikel, der den Austritt der katholiſchen Südſlaven aus der Majorität verlangte und Lärm ſchlug, als habe das letzte Stündlein der Majorität ſchon geſchlagen. Doch im Südſlavenclub rührte ſich nichts, im Gegentheil man ſagte lachend, mit dem Artikel der Slovener habe man nichts zu ſchaffen. Nun erklärt der Süden dieſe Erſcheinungen und ſagt, zwei Strömungen im chriſtlich-ſlaviſchen Verband drohten die Einigkeit zu ſtören. Beide Strömungen , ſagt das citirte Blatt er - ſtreben wohl dasſelbe Endziel, aber mit verſchiedenem519 Wien, Dienſtag Reichspoſt 24. Jänner 1899Temperamente und dem denſelben entſprechenden ver - ſchiedenen Wegen. Die Abgeordneten des Reichsrathes müſſen in der von uns eben geſchilderten Atmoſphäre ihre Thatkraft verringern, die Hinderniſſe und die Reibungsflächen mit den anderen Gruppen des Hauſes influenciren ſie direct, vielleicht auch wieder Willen, aber ſie müſſen mit denſelben rechnen, da unſere Politiker am heimatlichen Boden dieſe Hinderniſſe unterſchätzen oder mit einem gewiſſen Elan über die - ſelben hinwegzukommen glauben. Innerhalb der er - forderlichen Grenzen gehalten, iſt der friſche kräftige Vorſtoß aus der Heimat von Nutzen und es verhallt gewiß nicht ungehört in unſerem Verbande und den mit ihm befreundeten Gruppen, aber in dem Chaos, das am Beginne der Reichsrathsſeſſion ſich ent - wickelt, könnte es bald geſchehen, daß ein unbedachter Vorſtoß ſtatt einer Klärung einen Umſturz herbei - führt. Auf denſelben lauern unſere nationalen Feinde, und ſpeciell wenn es uns beifallen könnte, die auf autonomiſtiſcher Grundlage vereinte Rechte zu veranlaſſen, würden den warmen Platz ſehr gerne die Italiener beziehen. Wir müſſen daher in der Rechten eine Klärung der Beziehungen zur Regierung, eine offene Ausſprache derſelben über ihre Pläne und ihre Taktik verlangen und durch die Rechte unſere nationalen Forderungen befriedigt zu er - halten ſuchen. In dieſer Hinſicht gibt es kein Entweder Oder! Die Gruppe des Herrn Dr. Suſterſic hat damit einen deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl bekommen, daß die Herren in Wien durchaus regierungsfähig bleiben wollen. Das haben ſie mit ihren jungczechiſchen Bundesgenoſſen gemein.

Mähren.

Brünn.

(Im Prügelcafé . Der ideale Agitator. Kaizl-Concert. Von unſeren rothen Geiſter - ſehern.) Das deutſche Haus in Brünn öffnet ſeine gaſtlichen Pforten ſowohl den Deutſchen, als auch den Teutſchen und den Daitſchen. Kein Wunder daher, wenn große Prügeleien bei Ver - mengung dieſer drei verſchiedenen Arten von Deutſchen zu entſtehen pflegen. Saß da ein teutſcher Student mitten unter ſeinen Commilitonen. Er hatte wohl ſchon zehn Humpen zu Ehren Bismarck’s, den elften zu Ehren Wolff’s und den zwölften zu Ehren Schönerer’s geleert und ſaß jetzt im Duſel traurig da und beneidete einen Saujuden um die ſchöne Maid , in deren Geſellſchaft ſich dieſer Unwürdige befand. Er hatte ſeinem Neid und Grolle in der be - reits angedeuteten Weiſe etwas zu laut Ausdruck ver - liehen und ſo beſchloß denn der Hebräer färchterliche Rache zu nehmen. Er ſtellte ſich dem Jünglinge gegenüber auf und fixirte ihn. Der junge völkiſche Mann, der wohl einmal der Stolz der völkiſchen Gliederung in Mähren ſein wird, verträgt und er - trägt viel, beim 15. Humpen ſchließlich alles Mögliche, aber das kann er doch nicht ertragen, daß ſolch ein frecher Jude ihn betrachtet. Es dauert nicht lange, und es beginnt die denkwürdige Schlacht zwiſchen Teutſchen und Daitſchen. Während die Namen vom Jordan den Makkabäern alle Ehre machten und wie Löwen kämpften, zeigten die Teutſchen nicht die bewährte Kraft ihrer Altvordern und wurden mit Hilfe von Hausknechten hinausbug - ſirt .... Nun ſitzen ſie beim Humpen, betrachten wehmüthig ihr Antlitz, das einer czechiſchen Trikolore auffallend ähnlich ſieht. In dem Caſſabericht der deutſchen ſocialdemokratiſchen Wahlkreisorganiſation des VI. mäh - riſchen Wahlkreiſes finden wir unter den Ausgaben für die Zeit vom 1. September bis 30. November 1898 auch folgende Poſt: Für Agitation an den Ge - noſſen Hanuſch 130 fl. Er verdient ’s ja eigentlich! Wenn man das Uebermaß von Bildung (?) und Aufklärung in Betracht zieht, das dieſer Genoſſe den Nordmährern bereits zugewendet hat, begreift man den Idealismus des braven Genoſſen nicht, der für 2 Monate nur eine Poſt von 130 fl. ſtehen hat ... Den Brünner Socialdemokraten kann man bei dem Beſtreben, etwas mehr Humor in’s politiſche Leben hineinzubringen, nicht eine gewiſſe Originalität abſpre - chen. Die Agitation gegen den Zeitungsſtempel wurde auf Brünner Boden eifrig geführt. Nun pflegt jeden Sonntag zwiſchen 11 bis 12 Uhr Vormittags in den Glacisanlagen ein Militärconcert ſtattzufinden, bei dem ſich namentlich die jüdiſche Bourgeoiſie koſtet es ja keinen Kreuzer ihr Rendezvous zu geben pflegte. In der letzten Zeit vertheilten nun die Genoſſen Flugblätter folgenden Inhalts:

Socialdemokraten Brünns, Achtung! Sonntag, den 8. Jänner 1899 findet um 11 Uhr Vormittags in den Glacisanlagen ein Promenadeconcert zu Gunſten der mißhandelten Preßfreiheit ſtatt: Programm: 1. Hymne an die Preßfreiheit. 2. Klagelieder über die Confiscationspraxis. 3. Varia - tionen über den § 23. 4. Weg mit dem Zeitungs - ſtempel , Trauermarſch von Dr. Kaizl. 5. Galopp, ausgeführt von ſämmtlichen Mitwirkenden unter Po - lizeibegleitung. Um Zuſpruch bittet die ſocialdemokrati - ſche Partei Brünns. Sonntag, den 8. ergriff zunächſt die Militärmuſik vor den Zeitungsſtempelmuſikern die Flucht, dann wurden die vier Programmpunkte glück - lich erledigt, an der Erledigung des fünften Punktes hatte unſere Polizei rühmlichen Antheil genommen. Wie wäre es denn geweſen, wenn man etwa Herrn Graf Dzieduszycki zum Galopp nach Brünn ein - geladen hätte, dem bekanntlich jedes eilige Marſch - tempo in der Frage der Aufhebung des Zeitungs -ſtempels zuwider iſt? Wir glauben, der Mann hätte bei Punkt 5 des Programmes ein ſo eiliges Marſch - tempo eingeſchlagen, wie noch nie in ſeinem Leben. Nun was nicht iſt, kann ja noch werden! Unſere Genoſſen wittern jetzt überall Verrath. Seitdem die czechiſchnationalen Arbeiter alle möglichen Schandthaten dieſer braven Sippſchaft ans Tageslicht gebracht, können ſich die davon Be - troffenen nicht beruhigen. Bei einer in der letzten Zeit in Brünn abgehaltenen ſocialdemokratiſchen Parteiconferenz, der auch der rühmlichſt bekannte Krapka-Pawliſchowski aus Wien bei - wohnte und auf der Genoſſe Habermann, von dem man nicht mit Sicherheit weiß, ob er nicht den Auſſtand auf Cuba mitgemacht habe, die erſte Violine ſpielte, wurde beſchloſſen, in Organiſations - Verſammlungen keine (im Prügeln ?) ungeübte Elemente hineinzulaſſen, um ſo die abfällige Kritik in gegneriſchen Organen zu vermeiden. Da muß es alſo ſchon tüchtig ſtinken , wenn die Herrſchaften hinter Schloß und Riegel ihre geheimen Conventikel abhalten wollen und die Kritik der Gegner ſo ſehr fürchten.

Olmütz.

(Der jungczechiſche Radica - lismus an der Arbeit.) Eine mähriſche Corre - ſpondenz weiſt im Vaterland auf die kirchenfeindlichen Wühlereien hin, die in Mähren von radical - czechiſcher Seite gegen die katholiſchen Inſtitutionen und ſpeciell gegen den Olmützer Fürſtbiſchof ſyſtematiſch ver - übt werden. Seit dem 8. November v. J., der als Wahl - tag des gegenwärtigen Fürſtbiſchofs gilt, vergeht ſo ſchreibt man dem citirten Blatte kein Tag, wo der Kirchenfürſt nicht in der gemeinſten Weiſe mit Koth be - worfen würde; und zwar deshalb, weil er nicht ſo national geſinnt iſt, wie die radicalböhmiſchen (czechiſchen) Blätter es fordern. Und da iſt dieſen Leuten kein Mittel, keine Ver - dächtigung, keine Beleidigung, keine Injurie zu gemein, um ihren fanatiſchen Haß zur Geltung zu bringen. Man ver - ſchreit ihn als einen Germaniſator, man ſchont ſeine Be - amten und Bedienſteten nicht und ſpielt ſie einmal gegen ihn, ein andermal ihn gegen ſie aus ... Es iſt das ein merkwürdiges Zeichen der Zeit, wohin wir ſteuern. Die radicalböhmiſche Partei, die man noch vor kurzer Zeit in Mähren gar nicht kannte, ſie erhebt heute ihr Haupt mit einer Unverfrorenheit, die zu ernſten Befürchtungen Anlaß gibt. Frech greift ſie die Religion an, indem ſie über die Heiligen - verehrung, die Beicht, die Volks - miſſionen, ja ſelbſt das aller - heiligſte Altarsſacrament in unglaublich frivoler Weiſe ſich ausſpricht und mit ihrem Hohn und Spotte alle, alle Leute zu terroriſiren ſucht. Daß die Bösgeſinnten auch des Kaiſers Majeſtät nahe treten iſt dabei ſelbſtverſtändlich, und auch Majeſtätsbeleidi - gungen werden dort, wo man es gar nicht vermuthen ſollte, auf die leichte Achſel genommen. Wir glauben zur Orien - tirung der Leſer anführen zu müſſen, daß die radicale Partei an den Fürſterzbiſchof von Olmütz geradezu Forderungen ſtellt, die er zu befriedigen verpflichtet ſei. Vor Allem muß er vergeſſen, daß er ein katholiſcher Biſchof iſt und eine große Erzdiöceſe leitet, die Slaven und Deutſche umfaßt, und ſoll er ſich mit Leib und Seele der radicalen Partei verſchreiben; er muß das Prieſterſeminar in Olmütz und das Clericalſeminar zu Kremſier nach Vorſchrift der Radicalen einrichten und die Prieſterſtandscandidaten an erſter Stelle zu Apoſteln der Nationalidee heranbilden laſſen; er muß ſeine Einkünfte, die doch nach der Vorſchrift der Kirche in erſter Linie zu Liebeswerken verwendet werden müſſen, ausſchließlich für nationale Zwecke widmen und die böhmiſche Univerſität in Mähren errichten und dotiren; er muß ſeine Beamten und Bedienſteten, die er von ſeinem Vorgänger übernommen und die als treue Diener ihres Herren und nicht als politiſche Agitatoren gelten wollten, entlaſſen und radicalböhmiſche junge Leute anſtellen, die dann das Hoch - und Erzſtift in nationaler und adminiſtrativer Richtung regeneriren werden; er muß ſeinen Prieſtern vorſchreiben, daß ſie ſie mit dem Wenigen, das ſie nach dem Ableben hinterlaſſen, ganz und gar nicht kirchliche, ſondern nationale Zweae fördern, wobei der Kirchenfürſt buchſtäblich in den radicalen Blättern der Erb - ſchleicherei geziehen wird; er darf Canonicatsſtellen oder überhaupt Kirchenpfründen nicht den nach ſeiner oberhirt - lichen Meinung Würdigſten, mag der Prieſter böhmiſch oder deutſch ſprechen, vergeben, ſondern er muß zuerſt bei den radicalen Elementen anfragen, ob dies genehm iſt oder nicht ... So berichtet man dem Vaterland . Man darf nicht vergeſſen, daß die Jungczechen Mährens unter der Führung des Juden Dr. Stransky ſtehen.

Böhmen.

Prag.

(Neue czechiſche Partei - gebilde.) Wiederholt ſchon iſt über finanzielle und wirthſchaftliche Mißwirthſchaft des nationalczechiſchen Stadtregimentes geklagt worden. Die neueſten Actionen in Sachen der elektriſchen Straßenbahnen, des Prager bürgerlichen Bräuhauſes, des Huß-Denkmals ꝛc. haben in verſchiedenen Kreiſen den Unmuth gemehrt. Damit hängen die Beſtrebungen zuſammen, daß im Schoße des Prager Stadtverordneten-Collegiums aus einer Reihe von Abgeordneten ohne Unterſchied der politiſchen Geſinnung eine neue Partei bloß auf Grund der bürgerlichen Freiheit und des Vertrauens der Wähler gebildet werde. In dieſe Partei, ſo erklären Katolické Liſty , ſollen nur ſolche Stadtverordnete aufgenommen werden, die weder geſchäftlich mit der Prager Stadt - gemeinde in Verbindung ſtehen, noch Actienſpeculanten unter dem Schutze des Wappens und der Firma der Stadt Prag ſind. Dieſe Partei würde nach dem citirten Blatt das Grab des Compromiſſes zwiſchen Jung - und Altczechen, beziehungsweiſe der Fäulniß im Altſtädter Rathhauſe werden. ... Als die jungczechiſche Partei vor acht Jahren den Einfluß der Altzechen brach, verbündeten ſich mit ihr die ſogenannten Realiſten , deren Organ der Prager Czas iſt. Dieſe von Profeſſor Maſaryk geführte Richtung machtſchon ſeit längerer Zeit aus ihrer wachſenden Un - zufriedenheit mit der politiſchen Haltung und wirth - ſchaftlichen Unfruchtbarkeit der Jungczechen kein Hehl mehr; neueſtens aber droht ſie offen mit ihrem Abfall und fordert, daß die Realiſten ſich als ſelbſtſtändige national-czechiſche Partei formiren. Der Prager Czas ſchreibt diesfalls: Organiſiren wir uns! Alle Fractionen organiſiren ſich. Der Verfall des Jungczechenthums fordert dazu auf. Es mahnen uns Viele: Organiſirt Euch, Ihr Realiſten ebenfalls! Auch Viele von den Unſerigen ſagen: Organiſiren wir uns! Ihr werdet ſehen, daß wir ſtärker ſind, als Ihr glaubt. Unſere Organiſation muß auf neuen Männern begründet ſein, auf Männern, welche von der Wurzel auf in den Anſchauungen des Realismus aufgewachſen ſind, auf Männern der Zukunft, welche unfähig ſind, mit der Vergangenheit zu pactiren. Sollen wir uns aber auf der Baſis des Realismus organiſiren, ſo muß noch eine letzte Vorbereitung getroffen werden. Es müſſen unſere Hauptgrundſätze und Erfahrungen in ein feſtes Programmſyſtem zuſammen - gefügt werden, damit auch das jüngſte und das breiteſte Leſepublikum ſogleich wiſſe, was wir wollen und nicht wollen. Dieſe Arbeit unternehmen wir ſoeben. Dann werden wir zu den breiten Schichten ſagen können: So ſind wir! Wenn Ihr wollt, kommt mit uns! Der Jungczechismus bröckelt ab; er zeigt ſehr früh die Spuren der Alters - ſchwäche des Zerfalls. Von der einen Seite machen neue radicale Parteigebilde von der einen Seite, und chriſtlich - nationale Parteiformationen von der anderen Seite ihre Erbanſprüche geltend.

Prag.

(Die Erregung dauert fort.) Am 21. d. Abends gab es in der Neuſtadt wiederum Straßenaufzüge des nationalen Mob. Mehrere Hundert Excedenten ſchaarten ſich zuſammen und zogen, von der Polizei verfolgt, lärmend in den Stadttheil Weinberge , von da aber, bedrängt durch die Polizei, wiederum zurück in die Stadt. An der Ecke der Korngaſſe ſtieß die Rotte auf zwei deutſche Studenten, deren Einer, ein Mediciner, alsbald einen Stockhieb über den Hut und einen Fauſtſchlag ins Geſicht erhielt, während dem andern, einem Juriſten, der Ueberrock zerriſſen wurde. Beide deutſche Studenten mußten ſich eilig in ein Haus flüchten, wo die Polizei ſie gegen den Pöbel ſchützte und dann nach Hauſe geleitete Dem Militär iſt in Folge der wiederholten Straßenexceſſe und der Gewaltthaten gegen Deutſche wieder Bereitſchaft commandirt. Auch am Sonntag, den 22. d. Abends, kam es auf dem Wenzelsplatze zu Zuſammenrottungen czechiſcher Elemente; doch konnten ſich die Haufen gegenüber der ver - ſtärkten Polizeiwachmannſchaft nicht beiſammenhalten; ſie wurden auseinandergejagt und zerſtreut, ehe ſie wieder Unheil angerichtet hatten. Im Laufe des Sonntags wurden in Prag drei czechiſche Arbeiterverſammlungen abgehalten, von deren einer in Michle die Theilnehmer maſſig gegen die innere Stadt zogen; ſie wurden aber von der Polizei vorher zerſtreut. In der deutſchen Preſſe erheben ſich Beſchwerden darüber, daß am 21. d. M. der Stadtgemeinde Saaz die Pflicht auferlegt wurde, aus eigenen Mitteln die Schäden der nächtlichen Ruheſtörungen vom 28. November 1897 und die Koſten der Schadenerhebungscommiſſionen zu erſetzen, während der Commune Prag bis heute ein ſolcher Schaden-Erſatz für die Maſſen-Zerſtörungen an deutſchem Hab und Gut aus den Schreckenstagen vom 30. November und 1. December 1897 noch nicht auferlegt iſt. In der Aula der Univerſität hielten die czechiſchen Studenten am 22 d. M. eine Verſammlung ab, in welcher beſchloſſen wurde, es ſei dahin zu ſtreben, daß den deutſchen Stu - denten das Tragen farbiger Abzeichen in Prag verboten werde, anderſeits aber ſei eine Organiſirung der czechiſchen Studentenſchaft nach dem Muſter der deutſchen Studenten in Ausſicht zu nehmen, letztere jedoch nicht zu provociren.

Eger.

Eine Lehrerverſammlung Weſtböhmens, beſucht von mehreren hundert Theilnehmern, beſchäftigte ſich am 22. d. mit den Forderungen der Lehrerſchaft auf Gehaltserhöhung und eine Reihe weiterer Standes - anſprüche. Dieſe in acht Punkten zuſammengefaßten Forderungen fanden einhellige Annahme. Auch die weſt - böhmiſchen Abgeordneten des Reichsrathes und Land - tages waren zu dieſer Berſammlung geladen, und es waren dazu Dr. Zdenko Schücker, Röhling, Iro, Jintl und Dr. Reiniger erſchienen. Dieſelben ſagten in kürzeren Anſprachen zu, die Anſprüche der Lehrer in den geſetz - gebenden Körperſchaften kräftig zu unterſtützen und ernteten dafür großen Beifall.

Telegramme.

Die Dreyfus-Affaire.

Das Journal erklärt, es habe vom Präſidenten der Strafkammer, Löw, die Beſtätigung erhalten, daß die Unterſuchung über das geſammte Actenmateriale des Reviſions - proceſſes vor dem 15. Februar beendet ſein könnte. Nach der Einvernahme Eſterhazy’s werde die Straf - kammer nur noch das Borderau zu prüfen haben. Die Vernehmung der Experten ſei abgeſchloſſen.

Eſterhazy wird heute vor dem Caſſationshofe erſcheinen.

Eine Anzahl von Gelehrten (!) veröffentlichen im Figaro einen Aufruf, in welchem alle guten Franzoſen aufgefordert werden, ſich im Intereſſe Frankreichs im Vorhinein vor der Entſcheidung des Caſſationshofes zu beugen.

Kriſe in Belgien.

Das Journal Le Patriote beſtätigt die Gerüchte über Meinungs - verſchiedenheiten zwiſchen dem König und einigen Miniſtern hinſichtlich der Wahl - reform und fügt hinzu, heute würden ſich im6Wien, Dienſtag Reichspoſt 24. Jänner 1899 19Miniſterium Veränderungen vollziehen, indem Miniſter - präſident Smet de Nayer und Arbeitsminiſter Nyſſens ihre Demiſſion geben würden.

Von den Philippinen.

Nach einer Depeſche aus Manila beſchloß eine in Malolos abgehaltene Ver - ſammlung von Aufſtändiſchen, die in Haft befindlichen Civilperſonen in Freiheit zu ſetzen. Die Freilaſſung der Militärperſonen wird demnächſt erfolgen.

Die Regierung der Ver - einigten Staaten kündigt an, daß ſie im Begriffe ſei, Schritte zur Freilaſſung der ge - fangenen Spanier auf den Philippinen einzuleiten.

(Meldung des Reuter’ſchen Bureau.) In autoritativen Kreiſen wird verſichert, daß die Philippinen Com - miſſion keine Executivgewalt haben, ſondern im vollen Sinne des Wortes lediglich ein be - rathender Körper ſein werde. Admiral Dewey und General Otis könnten jedoch, jeder in ſeiner amt - lichen Eigenſchaft als Commandant der See - bezw. der Landſtreitkräfte, die von der Commiſſion feſtgelegte Politik ausführen.

Die macedoniſche Bewegung.

Den hieſigen Botſchaftern gingen von Kaptſchen und Anderen ge - zeichneten Zuſchriften des macedoniſchen Comités in Sofia zu, in welchen eine Intervention bezüglich der in Macedonien und im Vilajet Adrianopel ein - zuführenden Reformen verlangt wird, widrigenfalls der Ausbruch von Unruhen als unvermeidlich an - zuſehen wäre.

Die neue Verwaltung des Sudan.

Der Sudan wurde für Verwaltungszwecke in vier Bezirke erſter und drei Bezirke zweiter Claſſe eingetheilt. Die Bezirke erſter Claſſe ſind Omdurman bis Abu-Haras blauen und Abu-Haſer am weißen Nil, Sennaar, Kaſſala und Faſchoda, jene zweiter Claſſe Aſſuan, Wadi-Halfa und Suakim. Kitſchener Paſcha wurde zum General-Gouverneur des Sudan er - nannt.

Die Nicaragua-Vill.

Die geſtern vom Senate angenommene Canal-Vor - lage entſpricht von einigen allerdings weſentlichen Abänderungen abgeſehen der Morgan-Bill. Darnach behält die Geſellſchaft den Namen Maritime Canal - Company bei. Die Vorlage beſtimmt die Ausgabe von 100 Millionen Dollars in Antheilen zu 100 Dollars, wovon die Vereinigten Staaten 92,500.000 Dollars übernehmen. Es ſollen ſieben Directoren ernannt werden, und zwar fünf aus den Vereinigten Staaten, einer aus Nicaragua und einer aus Coſtarica. Der Canal ſoll in ſechs Jahren fertig ſein und nicht mehr als 115 Millionen Dollars koſten, die vom Schatzamte auszuwerfen ſind. Die Bill fordert die Abſchaffung aller dem Canalbaue hin[de]rlichen Verträge und ge - währleiſtet die Neutralität des Canals.

Die Unruhen in China.

Wie die Times aus Shanghai meldet, hätten die Unruhen in der Provinz Nyanhwei die Geſtalt eines organiſirten Aufſtandes angenommen. Die von der Regierung angeordneten Maßnahmen deuten darauf hin, daß ſie die Lage als ernſt betrachte.

Wie die Tribuna meldet, ſollen die Schiffe Elba und Aetna in der nächſten Zeit in den chineſiſchen Gewäſſern ſtationiren. Was die Beſitzergreifung eines chineſiſchen Hafens betrifft, ſo ſei die Nachricht mindeſtens verfrüht.

Die Zuſtände am Congo.

Das Journal « Le Pa - triote » ſpricht in einem die Zuſtände im Congo behandelnden Artikel von neuen Kämpfen mit den Aufſtändiſchen, wobei europäiſche Offi - ciere und zahlreiche Soldaten getödtet worden wären. Die Aufſtändiſchen von der Mongola, welche zahlreiche Gewehre und Patronen beſitzen ſollen, hätten durch die benachbarten Stämme Verſtärkungen er - halten. Ein Theil der Wahrheit wurde verſchwiegen und die Verluſte ſollen beträchtlicher ſein als mit - getheilt wurde. Der ganze Landſtrich zwiſchen dem Zuſammenfluß des Ubayhi mit dem Congo und dem Tanganikaſee ſoll in höchſter Gährung begriffen ſein. Die Auf - ſtändiſchen von Luluaburg ſeien noch nicht vernichtet und ſetzen den Kampf fort. Die Truppen ſcheinen weitere Anfſtände zu fürchten, da das Anſehen der Europäer ſehr erſchüttert ſei. Das Blatt conſtatirt zum Schluſſe ſeiner Ans - führungen, daß der Congoſtaat ſich in ſchwieriger Lage befinde und im Innern, ſowie von Außen bedroht ſei.

Der Run auf der galiziſchen Sparcaſſa.

Der Andrang bei der Galiziſchen Sparcaſſa iſt heute viel geringer als in den letzten Tagen. Es hat den Anſchein, daß nunmehr Beruhigung im Publicum platz - greifen werde.

Die Währungsfrage in den Vereinigten Staaten.

Der Währungs - ausſchuß des Repräſentantenhauſes nahm durch Parteiabſtimmung eine Vorlage an, deren Hauptzüge die nachdrückliche Empfehlung der Goldwährung und die allmälige Einziehung der Greenbacks ſind.

Die Times meldet aus Philadelphia über die vom Münzausſchuſſe des Repräſentantenhauſes angenommene Bill, dieſelbe verbiete die Prägung von Silberdollars aus anderen als den gegenwärtig im Staatsſchatze befindlichen Sil - berbullions und ſehe die Einziehung von Greenbacks und Schatznoten vor mit der Beſtimmung, daß dieſelben, wenn ſie einmal in Gold eingelöſt ſind, nur gegen Gold wieder ausgegeben werden können.

Herrenhausmitglied und Landtags-Abgeordneter Graf Stefan Zamoyski iſt auf ſeinem Gute Wyſacko im Alter von 61 Jahren geſtorben.

Die Agenzia Stefani meldet aus Maſſauah: Ras Makonnen räumte Agame und begab ſich mit ſeinen Truppen in der Richtung nach Aguddi im Süden von Adigrat.

Der Lieutenant-Gonverneur des franzöſiſchen Congo, Doliſie, iſt in Orleans an einer Lungenentzündung geſtorben.

Der Reichstagsabgeord - nete Guſtav Groisz iſt heute geſtorben.

Die preußiſche Officiersdeputation unter Führung des Oberſten Schwarzkoppen iſt hier eingetroffen.

Mit Rückſicht auf die Umtriebe armeniſcher Banden an der perſiſchen Grenze wurde mit der Aufſtellung zahlreicher Block - häuſer daſelbſt begonnen.

General Annen - kowe, der Erbauer der transkaſpiſchen Eiſenbahn, iſt geſtorben.

Ueber dringende Bitte Salmeronde und anderer Republikaner verſprach Miniſter - präſident Sagaſta, dem nächſten Miniſterrathe einen Entwurf, betreffend die Begnadigung der im Gefängniſſe von Montjuich internirten Anarchiſten vorzulegen.

Das am Freitag Abends von Oſtende abgegangene Packetboot landete heute Nach - mittags Paſſagiere und Poſt in Queenborough, nach - dem es mehr als 24 Stunden vergeblich verſucht hatte, in Dover anzulegen. Auch ein zweites belgiſches Packet - boot legte in Queenborough an.

Theater, Kunſt und Muſik.

Deutſches Volkstheater.

Halbe Menſchen , Komödie in drei Acten von Richard Nordmann (Frau Langkammer) iſt am Samſtag Abends bei der Première durchgefallen und derart ausgeziſcht worden, daß auch nicht ein einziges Mal irgend einer der Darſteller auf den ſich öfters regenden Applaus der Claqueure vor den Vorhang zu treten wagte. Es müßten auch halbe Menſchen ſein, die ſich ſolch ein Stück gefallen ließen, in dem von Handlung keine Spur, dagegen eine Fülle faden, immer wiederkehrenden geiſtreich ſein ſollenden Ge - redes und eine Unſumme von Blödſinn enthalten iſt. Der Adel ſoll perſiflirt werden, der jetzige Wiener Adel aber wie?! Um ein Weib, das vor lauter Geld Langeweile hat und ſich unglücklich fühlt, ſchlagen ſich zwei verheiratete und zwei unverheiratete adelig halbe Menſchen , die auch nichts Anderes und Beſſeres zu thun haben. Jeder von ihnen macht ſich dabei lächerlich und ſie nacheinander glücklich und wieder unglücklich und umgekehrt, bis die Frau er - kennt, daß ſie es eigentlich doch noch am beſten bei ihrem eigenen Manne habe, der nichts thut als ſchlafen und eſſen, ſie aber in Ruhe läßt. Das iſt die Idee das heißt das ſoll die Idee der Komödie ſein, die zur Tragödie wurde und zur Komödie der Irrung für die Direction und die Frau Odilon. Beide haben ſich nämlich in große Koſten geſtürzt, erſtere mit der Inſcenirung, letztere mit vier neuen Toiletten, eine ſchöner als die andere, das Schönſte am ganzen Stück. Eine Premiere beſuche ich nicht wieder am Deutſchen Volks - theater , ſagte eine Dame, als ſie das Theater verließ. Wir begriffen dieſen Schmerz. Frau Odilon hat ganz ausgezeichnet die von Glück zu Unglück, von Lebensziel zu Lebensziel beſtändig taumelnde gelangweilte Dame der Welt geſpielt und geſprochen. Die übrigen Darſteller plagten ſich mit ihren thörichten carrikirten Rollen auch redlich ab, ohne Erfolg natürlich. Darin ſind ſie nicht Schuld, aber den ſämtlichen Darſtellern des Deutſchen Volkstheaters müſſen wir auch aus dieſem Anlaß wie ſchon öfter den Vorwurf machen, daß ſie fortgeſetzt ſo undeutlich als möglich ſprechen, ſo daß man in einiger Entfernung von der Bühne nur etwa ein gutes Drittel verſteht, etwas wenig für den, der ſein Eintritts - billet ganz bezahlen muß. Wenn wir zum Schluß noch bemerken, daß Richard Nordmann auch die Verfaſſerin der gefallenen Engel iſt, ſo thun wir es, um der Hoffnung Raum zu geben, daß auch Frau Langkammer jetzt zu den definitiv gefallenen Engeln gehören werde. Ihr Stück hat nicht gefallen, aber es iſt gefallen.

Raimundthcater.

Samſtag gab es wieder eine Premierevorſtellung: Fr. Radler’s Volksſtück: Quitt . Ein Volksſtück im Sinne der guten alten Zeit, aber doch mit einigen, allerdings von Lascivitäten freien Anklängen an die moderne Richtung. Wir haben dabei die ſtark realiſtiſche Herausarbeitung einzelner Scenen, insbeſondere auch die der materialiſtiſchen Zeit - ſtrömung Rechnung tragende Schlußſcene im Auge. Ein reicher Fabrikant hatte in ſeiner Jugend einMädchen verführt und wird nach Jahren von dem Bruder der Betrogenen, der als verkommenes Indivi - duum aus Amerika zurückkehrt, daran erinnert. Der Fabrikant erwehrt ſich der Erpreſſungsverſuche des Abenteurers und dieſer ſchwört fürchterliche Rache. Es gelingt ihm, den Aufenthaltsort des unehelichen Sohnes des Fabrikanten zu eruiren, der das Werk - zeug ſeiner Rache ſein ſoll. Der Fabrikant trifft mit ſeinem Sohne, den er todt geglaubt hat, vor ſeiner Wertheimiſchen zuſammen, die der junge bis dahin brave und unbeſcholtene Mann über Anleitung des amerikaniſchen Onkels ſoeben erbrochen hat. Die Scene, wo Vater und Sohn unter ſo eigenthümlichen Ver - hältniſſen ſich finden, iſt von großer Wirkung. Der Onkel aus Amerika ſieht durch die Verſöhnung zwiſchen Vater und Sohn ſeinen Racheplan geſtört, er hält Ab - rechnung mit ſeinem verfehlten Leben, ein Schuß und der Verbrecher hat geendet. Quitt iſt des Selbſt - mörders letztes Wort. Um die Darſtellung machten ſich Fräulein Nieſe, die Herren Polandt, Popp, Krug, Straßmayer, Natzler und Godai verdient. Sie fanden reichen Beifall. Der Verfaſſer wurde nach jedem Actſchluß hervor - gerufen. Der Aufführung wohnten Bürgermeiſter Dr. Lueger und die beiden Vicebürgermeiſter bei. Der Autor iſt nämlich ein höherer Magiſtratsbeamter.

Im Münchner Hoftheater

fand, wie von dort depeſchirt wird, Sonntag die Erſtaufführung von Siegfried Wagner’s Bärenhäuter ſtatt, der zahlreiche Muſikſchriftſteller, ſowie auch franzöſiſche und engliſche Be - richterſtatter beiwohnten und die einen durchſchlagenden Erfolg erzielte.

Wohlthätigkeitsconcert.

Sonntag, den 5. März, um 2 Uhr Nachmittags wird im Dreher-Park zu wohl - thätigen Zweck eine volksthümliche Aufführung von Joſef Haydn’s Oratorium der Schöpfung veranſtaltet. Ihre gütige Mitwirkung haben bereits mehrere bedeutende Soliſten und viele hervorragende Orcheſtermitglieder der k. k. Hofoper zugeſagt. Um den Chor möglichſt glanzvoll zu ge - ſtalten, ergeht an die Sängerinnen und Sänger Wiens die freundliche Aufforderung möglichſt zahlreich mitzuwirken. Die Chorproben werden im Saale Ehrbar abgehalten. Schriftliche Anmeldungen nimmt bis 5. Februar entgegen der Dirigent des Concerts, Herr Joh. Strasky, Mitglied der k. k. Hofoper, 12. Bez., Haſchkagaſſe 3.

Nochmals das Huß-Denkmal.

Unter dieſem Titel erklärt das Linzer Volksblatt am 22. d. M. in einem längeren Artikel, daß die Katholiſche Volkspartei durch die bisherigen Er - klärungen des Prager Bürgermeiſters Dr. Podlipny in Sachen des Huß-Denkmals nicht beruhigt ſei. Es verlangt, daß die Jungczechen die Hußfrage wenigſtens zurückſtellen , ſo lange ſie mit der Katholiſchen Volkspartei beiſammen ſeien. Weniger vom Standpunkte kirchlicher Grundſätze kann wohl die Katholiſche Volkspartei nicht fordern. Das Linzer Blatt äußert ſich, nachdem es die Ausführungen der Reichspoſt diesfalls citirt hat, alſo:

Die Katholiſche Volkspartei iſt durch die Erklärung (Pod - lipny’s) nicht beruhigt, ſie ſieht nach wie vor in der Er - richtung des Hußdenkmals eine Provocation der Katholiken und der Deutſchen. Wenn jemals die Errichtung des Hußdenkmals zur Thatſache würde, ſähe ſich die Katholiſche Volkspartei ſogleich genöthigt, die Conſequenzen zu ziehen. Dies möge man in Böhmen beherzigen. Die Reichspoſt mag aber daraus erſehen, daß unſere Partei wirklich entſchloſſen iſt, innerhalb der Majorität nichts zu dulden, was ein Unrecht oder Schimpf gegen die katholiſche Kirche oder das deutſche Volk wäre. In Prag ſelbſt aber möge man aus der Begier, mit der ſich die deutſch-oppoſitionelle Preſſe dieſes Falles bemächtigt hat, und aus dem Eifer, mit dem ſie einen Keil zwiſchen die Majoritätsparteien zu treiben ſucht, erkennen, daß man mit dem Feuer geſpielt hat. Die Hußfrage muß, ſolange die Jungczechen auf ein gutes Einver - nehmen mit der Katholiſchen Volks - partei Gewicht legen, zurückgeſtellt werden. Mit derlei Fragen können ſie ſich unter einem deutſch - czechiſchen Bürgerminiſterium beſchäftigen, aber nicht zu einer Zeit, wo die Majorität zum weitaus größeren Theil conſer - vativ iſt. Wir begreifen überhaupt nicht, wie ſich eine ge - ſunde politiſche Partei für eine Ehrung des Huß begeiſtern kann. Der Huſſitismus iſt doch ein Tiefpunkt im Leben und der Entwicklung der czechiſchen Nation, und wäre der Geiſt des Huß nicht von ihr gewichen, ſo wäre ſie längſt ausgerottet worden. Von dem Augenblicke an, da dieſer Geiſt wieder Macht gewinnt, wird es mit der czechiſchen Nation auch wieder abwärts gehen. Es wäre doch traurig, wenn die Czechen keine anderen Männer zu feiern hätten, wie den Huß,

Die Jungczechen haben nun Gelegenheit, zu zeigen, wie viel Werth ſie auf die Bundesgenoſſenſchaft der Katholiſchen Volkspartei legen. Dieſelbe hat auch in dieſem Falle an die Neuhuſſiten die ſicher gelindeſte Anforderung, nämlich die der bloßen Zurück - ſtellung der Huß-Frage auf beſtimmte Zeit, ge - ſtellt, alſo nicht einmal die Bekehrung derſelben vom Huß-Cultus beanſprucht. Nachſichtiger kann gewiß nicht vorgegangen werden. Die Jungczechen ſtehen am Scheidewege und vor der Wahl, ihre Grund - ſätze wenigſtens zeitweiſe zu verleugnen, oder auf die Bundesgenoſſenſchaft der Katholiſchen Volkspartei zu verzichten. Nun haben die maßgebenden jungczechi - ſchen Factoren das Wort.

Gewerbegerichtswahlen.

Geſtern fanden in ſämmtlichen Wiener Gemeindebezirken und in Floridsdorf-Stadlau die Wahlen für das Wiener Gewerbegericht, und zwar für den Wahlkörper der Arbeiter, IV. Gruppe (Leder -, Textil -, Bekleidungs - und chemiſche Induſtrie), ſtatt. Die Wahlen endigten mit einem Siege der von der ſocialdemokratiſchen Partei aufgeſtellten Candidaten. 719 Wien, Dienſtag Reichspoſt 23. Jänner 1899Die 19 Wahlbezirke, ferner Floridsdorf-Stadlau, waren in 15 Wahlſectionen eingetheilt und wurden in denſelben ins - geſammt 6[3]26 Stimmen abgegeben, wovon 6697 Stimmen auf die ſocialdemokratiſchen und 229 auf die chriſtlich - ſocialen Candidaten entfielen.

Die Wahlen vollzogen ſich ohne jeden Zwiſchenfall, nur in der III. Section, das war der 2. Bezirk, verſuchte ein Mann mit einer ungiltigen Legi[t]imation zu wählen.

Das Reſultat dieſer Wahl zeigt wieder die bedauerliche Thatſache, daß die chriſtlich-ſociale Agitation dort, wo es ſich um Wahlen für die Vertretungskörper der Arbeiterſchaft handelt, viel zu läſſig betr[i]eben wird. In der IV. Gruppe hätten ſich bei etwas gutem Willen wohl mehr als 229 Anhänger der chriſtlich-ſocialen Parteien zur Wahlurne führen laſſen. Es muß bei dieſer Gelegenheit erwähnt werden, daß wir bis Samſtag Abends noch nicht im Beſitze der Candidatenliſte waren.

Die Wahlen für die 6. Gruppe (Handel) des Wiener Gewerbegerichts finden für den Wahlkörper der Unter - nehmer am 30. d. M., die eventuelle engere Wahl am 1. Februar l. J. von 8 Uhr Vormittags bis 2 Uhr Nach - mittags, für den Wahlkörper der Arbeiter am 29. d., die eventuelle engere Wahl am 5. Februar l. J. von 9 Uhr Vormittags bis 3 Uhr Nachmittags ſtatt. Der Wahlkörper der Unternehmer wählt in vier, jener der Arbeiter in ſechs Sectionen. Hoffentlich wird die Agitation der chriſtlich - ſocialen Partei für die Wahlen in dieſer Gruppe etwas eifriger und mit mehr Geſchick betrieben werden.

Wunderbare Rettung eines Kindes.

Auf dem Schottenring, unmittelbar vor dem Ge - bäude der Polizeidirection, ſpielte ſich Samſtag Abends gegen ½8 Uhr eine aufregende Scene ab. Das zehn - jährige Söhnchen eines Landesgerichtsrathes, welches mit ſeinen Eltern den Schottenring überſetzen wollte und einem raſch daherfahrenden Fiaker auswich, gerieth unter einen elektriſchen Motorwagen. Tauſende von Menſchen hatten ſich innerhalb weniger Minuten im weiten Umkreiſe der Unfallsſtelle ange - ſammelt. Vom Hauscommiſſariate der Polizeidirection waren ſofort der Polizei-Bezirksleiter Polizeirath Jerabek, der dienſthabende Commiſſär Felkel, Bezirksinſpector Joſt und Polizei-Vezirksarzt Doctor Popper, ſowie eine Abtheilung Sicherheitswach - männer herbeigeeilt, wenige Minuter ſpäter fand ſich Inſpector Leiſching mit einer Abtheilung Feuer - wehrmänner, und die Freiwillige Rettungsgeſellſchaft an Ort und Stelle ein, um die Rettungsaction raſch in Angriff zu nehmen. Man überzeugte ſich bald, daß der Knabe ſich am Leben befinde und in der Richtung der Fahrt, mit dem Geſichte zur Erde gekehrt, liege. Erbat, man möchte ihn raſch aus der fürchterlichen Situation befreien. Der Kopf und die rechte Hälfte des Körpers lagen rechts außerhalb des Schienenſtranges, die Schutzvorrichtung war in der Kniekehle des linken Fußes, ſo daß die linke untere Extremität im rechten Winkel abgebogen war. Von der Schutzvorrichtung wurde der Körper des Kindes nach vorwärts geſtoßen Der linke Unterſchenkel mit dem Fuße befand ſich unter der Schutzvorrichtung.

Das Publikum verlangte unge - ſtüm, daß der Motorwagen nachrückwärts ge - ſchoben werden möge, man glaubte dadurch das arme Kind freizumachen. Die Sicherheitswachmann - befahl aber, daß dieſem Verlangen nicht entſprochen werde, da die Getahr nahe lag, daß erſt jetzt durch eine Bewegung des Wagens das Kind getödtet werden könne. Die Polizeidirection hat nämlich erſt kürzlich eine Verordnung herausgegeben, daß bei Unglücksfällen durch electriſche Motorwagen, dieſer, ſobald er zum Stehen gebracht worden iſt, nicht mehr in Be - wegung zu ſetzen ſei, weder nach vorne noch nach rückwärts, weil durch ein neuerliches Rollen der Räder die Gefahr für den Betroffenen dadurch wächſt, daß der durch das Rollen freigewordene elektriſche Strom auf den Verunglückten einwirken kann. Die Rettungsaction ging verhältniß - mäßig ſchnell vor ſich. Den Motorwagen mittelſt Winden zu heben, wurde nicht, wie man zuerſt plante, durchgeführt, weil auch dadurch eine Gefahr für den Knaben erwachſen wäre. Es wurde daher ein hölzener Theil der Schutzvorrichtung, unter welcher das Kind lag, theils ausgeſägt, theils ausgemeißelt und nach einer bangen halben Stunde hatte die Feuerwehrmannſchaft dieſe Arbeit vollendet. Der Knabe wurde raſch hervor - gezogen und von der Sanitätsmannſchaft der Freiwilligen Rettungsgeſellſchaft mittelſt Tragbettes in das Hauscommiſſariat der Polizeidirection gebracht.

Hier warteten die verzweifelten Eltern auf das Reſultat der Rettungsaction. Er lebt und ſcheint nicht ſchwer verletzt zu ſein, wurde denſelben zugerufen. Durch die ärztliche Unterſuchung des Knaben, welcher bei vollſter Beſinnung war, wurde feſtgeſtellt, daß derſelbe nur eine ungefähr 20 Centi - meter lange Rißquetſchwunde der Haut und der Muskeln nnterhalb der linken Knieſcheibe erlitten hat, und zwar dadurch, daß er einige Schritte weit auf dem Steinpflaſter von der Schutzvorrichtung geſchleift worden war. Nachdem die Aerzte den Knaben ver - bunden hatten, wurde er in häusliche Pflege gebracht.

Mitleid erregte auch der Führer desMotorwagens. Der Arme, den kein Ver - ſchulden an dem Unfalle trifft, zitterte am ganzen Leibe und war derart aufgeregt, daß man befürchtete, er werde zuſammenbrechen. Er war, da das fürchter - liche Ereigniß ſich unmittelbar vor der Halteſtelle zu - getragen hatte, im Schritt gefahren und hatte, als das Kind unter den Wagen zu liegen gekommen war, dieſen ſofort zum Stehen gebracht.

Der Frauenmord in Ottakring.

Im hieſigen Garniſonsgerichte befindet ſich ſeit einigen Tagen ein Deſerteur in Haft, von welchem das Sicherheitsbureau der Polizeidirection auf Grund ſchwerwiegender Indicien glaubt, das er der Mörder der Franziska Hofer ſei. Der Mann war vor einigen Tagen gelegentlich der Aufhebung einer Diebsbande verhaftet worden, der auch die Hand - arbeiterin Anna Mühllechner angehörte, welche, wie gemeldet, in einem Pfaidlergeſchäft in der Alſer - ſtraße einen Diebſtahl vollführt hatte und ſich bei ihrer Verhaftung mit dem Meſſer zur Wehr ſetzte. Dieſer Burſche ſoll nämlich vor 3 Jahren über Anzeige der Hofer wegen Einbruchsdieſtahls zu 3 Jahren ſchweren Kerkers verurtheilt worden ſein und hatte, wie ſeine Mithäftlinge angaben, derſelben tödtliche Rache geſchworen.

Es ſoll bereits auch weiters erhoben ſein, daß er am zweiten Weihnachtstage an welchem bekanntlich die Francisca Hofer ermordet wurde einen Anzug trug, welcher der Beſchreibung gleicht, die eine Freundin der Hofer von dem Aeußern des Mannes angibt, in deſſen Geſellſchaft die Hofer zuletzt geſehen wurde.

Auch die Perſonsbeſchreibung, die ein anderer Burſche von dem Manne gibt, der angeblich ein in Zeitungspapier eingewickeltes Packet, in welchem die Pfandſcheine der Hofer gefunden wurden, in der Calvarienberggaſſe niedergelegt haben ſoll, würde auf den verhafteten Deſerteur, der ein gelernter Fleiſchhauer iſt, paſſen.

Die Defraudation bei den Schwarzenberg - Veterauen.

Die Verſammlung des Veteranenvereines Fürſt Schwarzenberg , die geſtern in Rokſch’s Eichenſälen ſtattfand, und an der ſich 1000 Perſonen betheiligten, erhob gegen das bisherige Gebahren in der Vereins - leitung energiſch Proteſt. Es wurde von dem Maler Emminger eine Aenderung der Statuten und der Vereinsleitung verlangt. Welch nette Zuſtände in der Vereinsleitung herrſchen, darüber berichtete der Vereinsrath Potſtantny, an den das Erſuchen geſtellt wurde, als die Malverſation bekannt wurde, dieſelbe zu vertuſchen, mit der Motivirung, daß anderswo auch geſtohlen wird. In einem Caſſabuch figurirt z. B. ein Betrag von 650 fl. für Brillanten - ringe, welche vertheilt wurden. Der Rechnungsbeamte Stefan Timmling betonte, daß die Satzungen umgeändert werden müſſen, denn ein Verein, der ein Vermögen von 10.000 fl. aufweiſe, worüber nur der Vorſtand ohne von den Mitgliedern controlirt zu werden, verwal - tet, könne für die Dauer nicht beſtehen. Znm Schluße der Verſammlung wurden Candidaten für die Aus - ſchußwahl vorgeſchlagen.

Biſchofsweihe des Hof - und Burgpfarrers Dr. Laurenz Mayer.

In der Hofburgpfarrkirche iſt geſtern Vormittags um 10 Uhr die Biſchofsweihe des Hof - und Burgpfarrers Dr. Laurenz Mayer vorgenommen worden. Präciſe 10 Uhr bewegte ſich die Proceſſion in die Kirche. Vorerſt kamen der f. e. Ceremoniär Dr. Pfluger, dann die Hofgeiſtlichkeit, dann Biſchof Dr. Laurenz Mayer mit den beiden Con - ſecratoren: zur Rechten der Biſchof in Linz Dr. Doppel - bauer (ſtatt des erkrankten Biſchofs Rößler) zur Linken Weihbiſchof Dr. Schneider. Hierauf folgte der Apoſtoliſche Nuntius Erzbiſchof Mſgr. Emilio Taliani begleitet von dem Uditore Locatelli und dem Secretär Mſgr. Averza. Unmittelbar darauf fanden ſich im Hof - oratorium Ihre k. und k. Hoheiten die Frauen Erzherzoginnen Maria Thereſe, Maria Annunciata, Eliſabeth, Marie Valerie und Maria Raineria ſowie Herr Erzherzog Franz Salvator ein, worauf die heilige Handlung ihren Anfang nahm. Hof - caplan Dr. Weiß verlas das Apoſtoliſche Mandat. Biſchof Dr. Mayer gelobte dem Oberhaupte der Kirche und ſeinen rechtmäßigen Nachfolgern eidlich Treue und Gehorſam. Nach Ablegung des Glaubensbekenntniſſes begann die heilige Meſſe. Seine Majeſtät der Kaiſer hatte ſich um ¼12 Uhr, unmittelbar vor dem Beginn des Te Deum im erſten Hof-Oratorium eingefunden und war bis nach Beendigung der heiligen Handlung geblieben. Nach dem Graduale zählte dem neuen Biſchof der Nuntius die Pflichten eines Biſchofs auf. Dr. Mayer warf ſich auf ſein Angeſicht nieder, während die Allerheiligen-Litanei gebetet und der dreifache Segen ertheilt wurde. Das offene Evangelienbuch wurde ihm auf den Nacken gelegt, und der Nuntius und die beiden Biſchöfe legten ihm die Hände auf das Haupt. Der Nuntius ſtimmte das » veni creator spiritus « an und ſalbte das Haupt und die Hände des neuen Biſchofs mit heiligem Chryſam. Hirtenſtab, Ring und Evangelienbuch wurden ihm gereicht. Biſchof Dr. Mayer kehrte zu ſeinem Altar zurück und ſetzte mit dem Nuntiusdie Meſſe fort. Er brachte dieſem zwei Kerzen, zwei Brode und zwei Gefäße mit Wein zum Opfer dar und feierte dann mit dem Nuntius die heilige Meſſe an einem Altare. Beide genoßen von derſelben Hoſtie und tranken aus demſelben Kelche. Nach dem Schluß - ſegen ſetzte der Nuntius dem Neugeweihten die Mitra aufs Haupt, legte ihm die Handſchuhe an, ſteckte ihm den Ring an, und mit den biſchoflichen Inſignien geſchmückt ließ ſich Dr. Mayer auf dem biſchöflichen Throne nieder und empfing von den Geiſtlichen den Handkuß Der Nuntius ſtimmte das Te deum an, Biſchof Dr. Mayer durchſchritt die Kirche und ertheilte dann vom Altare aus zum erſten Male den feier - lichen biſchöflichen Segen. Die kirchliche Feier ſchloß um 12 Uhr Mittags. Um 2 Uhr Nachmittags fand in den tech - niſchen Appartements der H[o]fburg eine Tafel ſtatt.

Der I. Congreß der nichtſocialdemokra - tiſchen Loh - und Rothgerbergehilfen fand, zahlreich beſucht, in letzter Zeit in Mar - burg ſtatt. Der Tag nahm einen ſehr würdigen Verlauf. Delegirte waren erſchienen aus Marburg, Graz, Laibach, Villach, Ober-Laibach, Wilhelmsburg, Wien und Goldkirchen. Zuſtimmungsſchreiben ſandten die Gehilfenſchaft von Krainburg, Klagenfurt, Naſen - fuß, Bozen, Linz, Urfahr, Wels und Wiener-Neuſtadt. Das erſte Referat über Organiſation führte Gehilfe Spurey aus Marburg, welcher in ausführlicher Weiſe gegen die ſocialdemokratiſche Organiſation polemiſirte und ſchließlich die Gründung eines Fachverbandes für ganz Oeſterreich beantragte. Nach längerer Debatte wurde dieſer Antrag eiuſtimmig angenommen. Hierauf referirte der Delegirte Bartholomäus Pec[n]ik aus Wien, über die Art und Weiſe des Vorgehens der ſocialdemokratiſchen Gewerkſchaft und ihres Organes, das ſich in Lügen und Beſchimpfungen völlig erſchöpft. Er regte die Gründung eines eigenen Fachblattes an. Des weiteren verbreitete er ſich auch über die Forderungen der Gerbergehilfenſchaft, die insbeſo[n]dere in dem Schutze der gelernten Arbeiter gipfeln müſſen, weil nur dann die wirkungsvoller Kampf geführt werden könne, wenn man nicht befürchten muß, daß einem die ungelernten Arbeiter zu Hunderten als Schmutzconcurrenten in den Rücken fallen. Auch hierüber entſpann ſich eine längere Debatte, an ner ſich ein als Gaſt zugelaſſener Socialdemokrat betheiligte, der aber von Herrn Plecnik ordentlich abgefertigt wurde, als er glaubte, für ſeine Genoſſen eine Lanze brechen müſſen. Anſchließend an dieſes Referat wurde die Gründung eines eigenen Fachblattes be - ſchloſſen und folgende Reſolution einſtimmig ange - nommen: Der zu den Weihnachtsfeiertagen in Marburg tagende Gewerbetag ſpricht ſich mit aller Entſchiedenhéit gegen das ſchädliche Treiben der Gewerkſchaft und ihres Organes aus.

Er verwahrt ſich entſchieden gegen die niederträch - tigen Beſchimpfungen, welche in dieſem Blatte gegen die Bruderſchaften und ihre Mitglieder erhoben werden und weiſt ſelbe als elende Verleumdungen zurück.

Der Gerbertag erblickt insbeſondere in dem Schutze der gelernten Arbeiter ein vornehmlich anzu - ſtrebendes Ziel und fordert alle Gerbergehilfen auf, für die Erreichung desſelben nach Kräften thätig zu ſein. Ebenſo erwartet er, daß ſie die zu gründen beſchloſſene Organiſation auf’s werkthätigſte im In - tereſſe des ganzen Standes unterſtützen werden. Mit der Durchführung der gefaßten Be - ſchlüſſe und den hiezu nothwendigen Vorarbeiten wurde die Loh - und Rothgerber-Bruderſchaft in Wien betraut.

Letzte Nachrichten.

Eine neue Wendung in der ungariſchen Kriſe.

Die Nachricht von der Reiſe Baron Banffy’s nach Wien wird ſicherlich die poli - iſchen Kreiſe in höchſtem Grade überraſchen. Heute wurde bereits der Miniſterpräſident Banffy vom Kaiſer in Audienz empfangen Die Entſcheidung in der Kriſe ſoll nun bevorſtehen. Das Barometer zeigt auf Sturm. Der Kampf zwiſchen Regierung und Oppoſition wird in neuer Schärfe entbrennen. Der geſtrige Miniſterrath beſchäftigte ſich mit dem Elaborate Apponyi’s, welches ſogar die Anführer der Friedenspartei im liberalen Club ſtutzig gemacht haben ſoll. Banffy wird nicht ohne weit - gehende Vollmachten Wien verlaſſen. Man ſpricht von einer Vertagung oder Auflöſung des Hauſes. Das Gerücht von Conceſſionen, die die Regierung den Oppoſitionsparteien gewähren ſoll, iſt bereits verſtummt.

Ein hitziger Zuſammenſtoß.

Aus Trieſt erhält ein Wiener Blatt folgende Meldung unter dem 22. d. M. Zur Wahl des Vorſtandes der Bezirks - krankencaſſe erſchienen von den Arbeiterdelegirten 35 Liberale und 25 Socialiſten, welch letztere die Ma - jorität beſchimpften und die Wahlurnen zu zer - trümmern verſuchten. Der Wahlact konnte nicht ſtattfinden.

Brieſkaſten.

Guſtavus. Antwort morgen. Heute aus techniſchen Gründen nicht mehr möglich. M. Sch. in St. Weisk. Nichts gezogen.

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8Wien, Dienſtag Reichspoſt 24. Jänner 1899 19
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Druck, Herausgabe und Verlag Ambr. Opitz, Wien. Verantwortlicher Redacteur Hermann Hikiſch, Wien.

919 Wien, Dienſtag Reichspoſt 24. Jänner 1899

Streiflichter.

Die Criminalität der Juden,

deren hoher Percentſatz für Oeſterreich ſtatiſtiſch jüngſt nachgewieſen wurde, iſt umſo auffallender, als die Juden im Allge - meinen, mit Ausnahme von Galizien, meiſt nicht darben, vielmehr vermögend bis reich ſind. Wenn Rabbi Bloch neuerdings ſpeciell für Berlin aus dem Jahrbuch der Stadt Berlin eine verhältnißmäßig geringe Betheiligung des jüdiſchen Elementes am Ver - brechen nachweiſen zu können glaubt, ſo liegt die Ur - ſache gerade in Berlin großentheils an dem Umſtande, daß die Berliner Juden, die nur 5% der Bevölkerung ausmachen, überwiegend in guten wirthſchaftlichen Ver - hältniſſen ſind. Daß Armuth, Noth und Elend zum Verbrechen vielfach den Anlaß geben, iſt bekannt.

Socialdemokratiſcher Terrorismus

anders kann man es nicht nennen was die Genoſſen an einem armen Mitgenoſſen verübt haben, der zu fünf Monaten Gefängniß verurtheilt worden war und nach drei Monaten Haft vom Fürſten von Reuß ä. L. Be - gnadigung erbeten und erhalten hatte. Der Genoſſe , Expedient Schenderlin, wurde wegen dieſes Verbrechens nämlich aus der Partei ausgeſchloſſen. Ein rechter Socialdemokrat darf nie um Begnadigung bitten.

Ein Troſt für die Juden.

Rabbi Bloch hat einen ſolchen im Briefkaſten ſeiner Wochenſchrift auf Lager. Er ſchreibt dem Profeſſor M. N.: Wenn der ſchwerhörige Treitſchke und der blinde Dühring die Meinung vertraten, daß man von den Juden weder Gutes höre noch ſehe, ſo können ſich die Juden über dieſes abfällige Urtheil wohl tröſten. Der Troſt iſt allerdings ſehr hinfällig; denn der blinde Dühring hat eben von den Juden nichts Gutes gehört und der ſchwer - hörige Treitſche an den Juden nichts Gutes geſehen. Zudem konnte Treitſchke trotz ſeiner Schwerhörigkeit viel Schlechtes von den Juden hören, denn manche ihrer Thaten ſchreien zum Himmel.

Wohin ſollen die Schönerianer ab - fallen?

Dem Ruf: Los von Rom! folgt die Frage: Wohin abfallen? auf dem Fuße. Von Rom ſollen ſie abfallen, weil die katholiſche Kirche verjudet und vom Papſte abhängig ſein ſoll. Ironiſch bemerkt Rabbi Bloch in ſeiner Wochenſchrift: Da die meiſten Juden, die ihrer Religion abtrünnig werden, ſich zum Pro - teſtantismus bekehrten (namentlich in Deutſchland), werden die Schönerianer ſich ſchließlich doch einen eigenen Wotan-Cultus zurechtlegen müſſen. Der Rabbi hat ja ſo Recht, aber er vergißt, daß die Schönerianer neuerdings den Abfall zum Altkatholicismus propa - gieren. Sie wollen z. B. in Böhmen lieber vom Czechen Milos-Czech ſich commandiren laſſen als vom Papſte in Rom. Auch recht leicht macht es ja der Alt - katholicismus den Uebertretenden. Die Oſtdeutſche bedeutet ja den Abfallslüſternen, daß die altkatholiſchen Seelſorger von ihnen keine perſönliche Beitritts - erklärung, ſondern nur eine ſchriftliche ver - langen. Wenn jetzt dem Altkatholicismus durch die frommen Schöneriauer nicht auf die Strümpfe ge - holfen wird, dann wiſſen wir ihm wirklich nicht mehr zu rathen und zu helfen.

Vereinsnachrichten.

§ General - und Feſtverſammlung des Vereines zur Heranbildung katholiſcher Lehrer (Werk des ſel. Johann Baptiſt de la Salle). Dieſelbe findet Donnerſtag, den 2. Februar, um ½7 Uhr Abends im großen Muſikvereins - ſaale mit nachſtehendem Programm ſtatt: Eröffnung durch den Präſidenten des Vereines Robert Prinz Windiſch - grätz; Rede, gehalten von Reichsraths-Abgeordneten Alois Prinz Liechtenſtein; Rechenſchaftsbericht über das verfloſſene Vereinsjahr 1898; Rede, gehalten von P. Heinrich Abel S. J.; Neuwahl des Verwaltungs-Comités und des Damen-Hilfscomités; Schlußworte des Präſidenten. Die Zwiſchenpauſen werden von der k. u. k. Hofballmuſikcapelle unter perſonlicher Leitung des Herrn k. u. k. Hofballmuſik - Directors Eduard Strauß, der dieſelbe in liebens - würdigſter Weiſe unentgeltlich zur Verfügung geſtellt hat, ausgefüllt. Während der Verſammlung werden durch die Mitglieder des Damen - und Herren-Comités Liebesgaben zur Förderung des Werkes des ſel. Joh. Bapt. de la Salle entgegengenommen. Beim Präſidententiſche können auch Anmeldungen neuer Vereinsmitglieder ſtattfinden. Der mindeſte Mitgliedsbeitrag iſt jährlich fl. 1.20. Karten ſind erhältlich: In der Vereins-Centrale, Wien, 15. Bez., Tellgaſſe Nr. 6; im k. k. Waiſenhauſe, Wien, 9. Bez., Waiſenhausgaſſe 5; bei Herrn Tuchhändler Johann Leb, Wien, 1. Bez, Wollzeile 3; bei Herrn Joh. Heindl, 1. Bez., Stephansplatz; im St. Norbertus-Bildergeſchäft, Wien, 1. Bezirk, Curhausgaſſe 1; bei dem Bilderſtand vor der Lazariſtenkirche in Wien, 7. Bezirk, Kaiſerſtraße; bei Herrn Laurenz Fuchs, Pfarrmeßner an der Paulanerkirche, Wien, 4. Bezirk; bei Herrn Joſef Janauſchek u. Cie., Singerſtraße 18; in der St. Norbertus - Druckerei, Wien, 3. Bezirk, Seidlgaſſe 8.

§ Frauen-Pfarrgruppe zu den hl. Schutzengelu des Katholiſchen Schulvereines. Die Jahresverſammlung dieſer Pfarrgruppe findet Donnerſtag, den 26. d. um 6 Uhr Abends im Gemeinde - rathsſaale, 4. Bez., Schäffergaſſe 3 mit nachſtehender Tages - ordnung ſtatt: Eröffnung durch den Conſulenten der Pfarr - gruppe, Hochw. Franz Kaſché, Pfarrer bei den heiligen Schutzengeln ; Anſprache des P. Georg Freund C. SS. R.; Rechenſchaftsbericht; Neuwahl des Ausſchuſſes; Rede des Präſidenten Dr. Caſpar Schwarz; Anſprache des hochw. Profeſors am Lehrerſeminar in Strebersdorf, Johann Dörfler. Die hl. Vereinsmeſſe wird jeden erſten Freitag im Monate um 8 Uhr Früh in der Pfarrkirche zu den hl. Schutzengeln für alle lebenden und verſtorbenen Mitglieder der Frauen-Pfarrgruppe geleſen.

§ Pfarrgruppe St. Leopold in Gerſthof des Katholiſchen Schulvereines. Mittwoch, den 25. und Samſtag, den 28. Jänner 1899, um ½8 Uhr Abends finden in Kratzer’s Gartenſalon, 18. Bez., Gerſt - hoferſtraße 14[8]Faſchings-Unterhaltungen ſta[t]t. Zur Aufführung gelangt: Da Kletzenwabi ſei Friedl . Bauerncomödie mit Geſang von Joſef Schlicht. Samſtag, den 28. Jänner zum Schlnſſe Tanzkränzchen. Die Tanzmuſik beſorgt die Vereinscapelle. Eintritt am 25. Jänner 30 kr., am 28. Jänner 50 kr. Karten ſind zu haben bei ſämmtlichen Vorſtandsmitgliedern, in der Sacriſtei und im Pfarrhof.

§ Ortsgruppe Währing des Chriſtlichen Wiener Frauenbundes. Freitag, den 10. Februar findet im Apolloſaal , 18. Bez., Gentzgaſſe Nr. 54 ein Unterhaltungsabend verbunden mit einem Tanzkränzchen. einem Juxbazar und einer Juxpoſt ſtatt. Das Reinerträgniß wird zur Anſchaffung einer Ver - einsfahne verwendet. Preis der Karte im Vorverkaufe 40 kr., an der Caſſa 60 kr.

§ Verein der Hausbeſitzer im 5. Bezirke. Dienſtag. den 24. Jänner, Abends ½8 Uhr findet in Hamberger’s Saallocalitäten, 5. Bez., Schloßgaſſe Nr. 5 die ordentliche Generalverſammlung des Vereines ſtatt. Auf der Tagesordnung befindet ſich u. A. auch ein Vortrag über Verſicherungsweſen von Herrn Carl Krauſe, Beamter der niederöſterreichiſchen Landes-Brand - ſchaden-Verſicherungs-Anſtalt.

Aus dem Gerichtsſaale.

Eine Jüngerin Diefenbach’s des Diebſtahls angeklagt.

Die Poſtmanipulantin Mathilde Oborny in Hütteldorf war längere Zeit hindurch Mitglied der Diefenbach’ſchen Familie am Himmelhof. Als ſie dieſelbe verließ, wurde gegen ſie die Anzeige erſtattet, daß ſie eine Mantille entwendet habe. Das Bezirks - gericht Hietzing verurtheilte die Poſtmanipulantin wegen Veruntreuung zu 24 Stunden Arreſts, wogegen ſowohl dieſe, als auch der ſtaatsanwaltſchaftliche Functionär die Berufung anmeldeten, Letzterer deshalb, weil die Oborny nicht des Diebſtahls ſchuldig erkannt wurde. Ueber die Berufung wurde vor einem Appellſenate unter Vorſitz des Landesgerichts-Viceprä - ſidenten Dr. Böhm verhandelt, wobei Meiſter Dieſenbach als Zeuge angab, Mathilde Oborny (welche inzwiſchen wieder in die Colonie zurückgekehrt iſt), ſei nach der in der Familie geltenden Güter - gemeinſchaft nicht in der Lage geweſen, zu erkennen, daß ſie durch die Mitnahme der Mantille ein Unrecht begehe. In Folge deſſen fällte der Gerichtshof ein freiſprechendes Urtheil.

In einer höchſt ſonderbaren Weiſe

gab der Hausbeſitzer Mathias Kitzberger in Urfahr ſeiner Abneigung gegen die Hebamme Aloiſia Bayreder Ausdruck. Er nahm nämlich, als er ſie eines Tages be - gegnete, den Hut ab, kniete nieder, machte das Kreuz und ſchlug ſich an die Bruſt. In dieſem Vorgehen erblickte die Linzer Staatsanwaltſchaft ein Vergehen der Religionsſtörung, weil Kitzberger durch ſeine Verſpottung der Hebamme paro - diſtiſch die Verehrung beim Verſehgang dargeſtellt und hiermit die Gebräuche der katholiſchen Kirche herab - gewürdigt habe. Das Gericht verurtheilte den geiſt - reichen Hausbeſitzer zu ſechs Wochen ſtrengen, mit Faſt - tagen verſchärften Arreſts, welches der Oberſte Gerichts - hof beſtätigte.

Wegen Beleidigung des Abg. Mitter - mayer

wurde vom Schwurgerichte der Herausgeber der Oeſterr. Kellner-Zeitung , Hans Rothbach, zu drei Monaten ſtrengen Arreſts verurtheilt. In dem incriminirten Artikel war nämlich Abg. Mittermayer von ſeinem eigenen Bruder Leopold verſchiedener Vergehen gegen das Eigenthum beſchuldigt worden. In der gegen dieſes Urtheil ergriffenen Nichtigkeitsbeſchwerde führte Dr. Porzer aus, daß der Gerichtshof die einer Gegenklage Rothbach’s gegen Mittermayer zu Grunde liegenden Artikel nicht verleſen ließ, wodurch die Geſchwornen ſich kein richtiges Bild vom Kläger Mittermayer machen konnten. Mittermayer führte ſeine Sache ſelbſt und ergriff nun das Wort, um dem Caſ - ſationshof darzulegen, daß er nicht der ſchreckliche Mittermayer ſei, ſondern der verfolgte , und wenn Recht und Gerechtigkeit exiſtire, dann müſſe der Schreiber dieſes Artikels, durch den er und ſeine Fa - milie ruinirt ſei, verurtheilt werden. Der Senat unter Vorſitz des Präſidenten Dr. Steinbach ver - warf die Beſchwerde und zwar mit folgender Be - gründung: Dem Nichtigkeitsgrunde hätte Folge ge - geben werden können, wenn das öſterreichiſche Straf - geſetz eine Compenſation bei gegenſeitigen Ehrenbeleidigungsklagen kennen würde Dies ſei jedoch nicht der Fall, da über jede Injurie ſelbſtſtändig judicirt werden muß. Es wäre ſogar bedenklich ge - weſen und hätte zur Irreführung der Geſchworenen führen können, die der Gegenklage zu Grunde liegen - den Artikel zu verleſen, weil die Geſchworenen ſich hätten veranlaßt fühlen können, eine Art Compen - ſation der Ehrenbeleidigungen vorzunehmen. Daher waren die Schriftſtücke, als zur Sache nicht gehörig, auch nicht zu verleſen.

Sportnachrichten.

Eine beherzigenswerthe Bitte an die Rad - fahrer

veröffentlicht die Allgemeine Thierſchutz-Zeitung : Das Zweirad hat ſich bei uns eingebürgert, und wir haben nichts dagegen zu erinnern; nur bemerken wir manchmal auf Seiten der Radfahrer eine Gedankenloſigkeit, die wegen der damit verbundenen Grauſamkeit eine ſo un - ſchuldige und heilſame Körperübung nicht entſtellen ſollte. Der Radfahrer kann weiter und ſchneller rennen als das Pferd; zuweilen aber vergißt er, daß das, was für Pferde unmöglich und für ihn leicht iſt, für einen Hund beinahe tödtlich ſein kann. Radfahrer ſollten ihre Hunde zu Hauſe laſſen. Die gewöhnliche Schnelligkeit in der Stunde (15 bis 18 Kilometer), mit der ſie ſich unter vollkommſter Behaglichkeit fortbewegen und die ſie ohne Mühe ſtundenlang beibehalten können, über - ſteigt die Kräfte eines Hundes, und ſelbſt wenn ſie lang - ſamer fahren, ſtrengt die gewöhnliche Fahrt den Hund auf’s Aeußerſte an. Es hat uns geſchmerzt, ſehen zu müſſen, wie nicht wenige Hunde ihren Herrn oder (was oft genug vorkommt) ihren Herrinnen mühſam mit Zeichen offenbarer Erſchöpfung folgen, und das Alles geſchah, davon ſind wir überzeugt, nicht mit Abſicht oder aus Grauſamkeit, ſondern aus reiner Gedankenloſigkeit. Sollten wir da nicht die Radfahrer bitten, zu bedenken, daß der Hund kein paſſender Gefährte für einen Radfahrer iſt?

Fürſt Scipio Borgheſe als Hochtouriſt.

Bei dem Verſuch, den Adamellogipfel zur Winterszeit von Pinzolo aus zu erſteigen, gerieth Fürſt Seipio Borgheſe aus Rom mit ſeinen Führern auf dem Gletſcher von Salarno in einen Schneeſturm. Der Führer Collini und der Träger Cherigini retteten den Fürſten mit der größten Mühe, erfroren ſich aber dabei die Füße derart, daß Amputationen nöthig waren. Collini verlor alle Zehen beider Füße und die Schienbeinknochen, Cherigni den rechten Unterfuß und die Zehen des linken Fußes.

Schachwettkampf Petersburg-Wien.

Der zwiſchen der Petersburger Schachgeſellſchaft und dem Wiener Schachclub auf telegraphiſchem Wege um den Betrag von 2000 Francs ausgetragene Wettkampf endete nach 13 monatlicher Dauer mit : ½ zu Gunſten des Wiener Schachclubs. Dieſer Erfolg iſt umſo höher anzuſchlagen, als die Petersburger nach ihren Siegen über London (1887), Steinitz (1891) und nach dem unentſchiedenen Kampfe gegen Paris (1895) im Rufe der Unüberwindlichkeit ſtanden.

XX. Krummholz-Kranzchen.

Der Kartenverkauf für dieſes, am Samſtag. 4. Februar, ſtattfindenden alpinen Ball feſt hat bereits begonnen und befindet ſich das Comitélocal Wien, 6. Bezirk, Gumpendorferſtraße 9, woſelbſt mündlich und ſchriftlich Auskünfte ertheilt werden. Die diesjährige Saaldecoration wird ein Meiſterſtück moderner Decorationskünſte ſein. Der Maler Herr Beneſch hat eine zweimalige Tour in das Ennsthal nicht geſcheut, um an Ort und Stelle eine der ſchönſten Anſichten derſelben im Bilde feſtzuſtellen, während Herr Porteletto hiebei den Aufbau und die übrige Ausſtattung übernimmt. Die hochalpinen Damenſpenden dürfen wir natürlich nicht verrathen, doch können ſich die Kränzchenbeſucherinnen ſchon jetzt auf eine ſehr hübſche ſinnige Ueber - raſchung vorbereiten.

Verſammlung des chriſtlichen Wähler - Vereines in Korneuburg.

Die liberale Gemeindevertretung hatte dem chriſt - lichen Wählervere ine am 13. Jänner zur Abhaltung einer Vereinsverſammlung den Rathhausſaal überlaſſen, aber 24 Stunden vor der Verſammlung hatte der geſchäftsführende Gemeinderath, Advocat Dr. Jeſch, die Bewilligung der Benützung nur mit dem Grunde ver - weigert, daß er nicht dulden könne, daß der Rathhaus - ſaal zu politiſchen Zwecken mißbraucht werde. Es mußte deshalb die Verſammlung in Swoboda’s Saal abgehalten werden. Der Beſuch derſelben war trotz dieſer in der letzten Stunde erfolgten Abſage des Locales ein glänzender und ohne Ausnahme der Parteien waren die Beſucher über die Rückſichtsloſigkeit der herrſchenden Clique in der Gemeinde entrüſtet.

Nachdem nun der Vorſitzende des Vereines, Herr Fetty, dieſen Vorgang der Gemeindevertretung ent - ſprechend gekennzeichnet hatte, ergriff Landesausſchuß Dr. Geßmann das Wort und beſprach zunächſt die Verſicherungsaction des niederöſterreichiſchen Land - tages in eingehender Weiſe. Er behandelte dann aus - führlich die ſociale Bedeutung der Alters - und Invali - ditäts-Verſicherung und beſprach die Frage der genoſſen - ſchaftlichen Organiſation des Gewerbe - und Bauern - ſtandes. Hierauf ging er auf die großen wirthſchaft - lichen Fragen über, welche der Reichsrath zu behandeln hätte und die leider in Folge des heftigen nationalen Kampfes völlig in den Hintergrund gedrängt wurden.

Hierauf beſprach er die innerpolitiſche Lage und fchilderte in großen Zügen die unglückſelige Politik, welche von allen Miniſterien in Oeſterreich ſeit 1861 in nationalen Fragen betrieben worden war. Vor 1879 hatte die damals herrſchende judenliberale Clique unter dem Schlagworte des Deutſchliberalismus die Geſchäfte des großen jüdiſchen Capitals beſorgt; nach 1879 ſpielten die folgenden Miniſterien eine Nation gegen die andere aus und verurſachten ſo jenen furchtbaren Nationalitätenkampf, der die Grund - lage des Staates zu erſchüttern droht.

Wer wahrhaft national ſein wollte, müßte vor Allem für eine Verbeſſerung der materiellen Lage der breiten Volksſchichten eintreten. Man müſſe ſich namentlich vor dem gefährlichen Irrthum hüten, zu glauben, eine nationale Politik ſei ohne die innigſte Antheilnahme der breiten Volksſchichten überhaupt ein - zuhalten. Für die Maſſen des deutſchen Volkes, wie aller übrigen Völker aber ſind die wirthſchaftlichen Probleme von der größten Bedeutung, und wer deren Bedeutung nicht erkenne und ſie nicht im Sinne der großen Volksmaſſen zu löſen ſuche, der werde gewiß auch mit dem Verſuche einer nationalen Politik in kürzeſter Zeit ſcheitern.

Darum habe die chriſtlich-ſociale Partei mit aller Strammheit, mit der ſie für die politiſchen und ſprachlichen Rechte des deutſchen Volkes in Oeſterreich eintrete, doch nie auf die volle Wahrung der wirth - ſchaftlichen Intereſſen des deutſchen Volkes im weiteſten Sinne vergeſſen, und gerade darin liege ihre Macht10Wien, Dienſtag Reichspoſt 24. Jänner 1899 19nnd Stärke auch gegenüber der Socialdemokratie, der alle bürgerlichen Parteien zumeiſt rathlos gegenüber - ſtehen.

Schon während ſeiner Rede wurde Abg. Dr. Geß - mann oft von ſtürmiſchem Beifall unterbrochen, der ſich am Schluſſe ſeiner Ausführungen zu einer ſtürmiſchen Kundgebung für den Redner geſtaltete.

Hierauf ergriff Herr Köcher (Schönerianer) das Wort, der unter theilweiſer Anerkennung der vom Vor - redner entwickelten Grundſätze für eine angebliche Frie - denspolitik auf dem Gebiete der communalen Thätigkeit der Stadt Korneuburg ſich einſetzte. Er gab dem Ge - danken Ausdruck, daß im Wege eines Compromiſſes zwiſchen allen Parteien, wobei der politiſche Standpunkt vollſtändig bei Seite zu laſſen wäre, am eheſten eine gute Wahl der Gemeindefunktionäre zu erreichen wäre.

Als jedoch nach ihm Herr Jung gleichfalls in ſachlicher Weiſe und ohne jeden perſönlichen Angriff die cummunalen Angelegenheiten Korneuburgs beſprach, ſchien dies den anweſenden Schönerianern ſehr gegen den Strich zu gehen, offenbar in der Erwägung, daß Herr Jung, der die Geheimniſſe der communalen Thä - tigkeit des geweſenen Bürgermeiſters Schaumann aufs Genaueſte kennt, den offenbar mit den Schaumanerianern in Verbindung ſtehenden Schönerianern ſehr unangenehm werden könnte. Deshalb meldete er ſich noch einmal zum Worte und erging ſich trotz ſeiner vorhergehenden Frie - densverſicherung in den heftigſten perſönlichen Angriffen gegen Jung, dem er Wechſel der Geſinnung vorwarf, ohne zu bedenken, daß der Vorwurf gerade in ſeinem Munde höchſt unpaſſend war, nachdem er vor 6 Jahren in den vorderſten Reihen der Gegner Schaumann’s ge - kämpft hatte, und daß ſeine angebliche Friedensliebe gegenüber dem Orts-Paſcha Schaumann nunmehr einen höchſt eigenthümlichen Eindruck hervorrufen möchte.

Was eigentlich hinter dieſer Haltung der Schönerianer ſteckt, zeigte ſich ganz deutlich, als der berü hmte Gemeinderath und Hafnermeiſter Gamringer einer der getreueſten Knappen Schaumanns, ſofort in ſehr lärmender Weiſe den Herrn Köcher bei ſeinen An - griffen auf den Vorredner ſecundirte. Da Köcher in ſeinen perſönlichen Angriffen fortfuhr, entzog ihm der Vorſitzend das Wort, worauf die Schönerianer, ſechs Mann hoch, unter lärmenden Proteſten das Local ver - ließen.

Mit Rückſicht auf die vorgeſchrittene Stunde es war indes ¼11 Uhr geworden, wurde die Ver - ſammlung von den Vorſitzenden mit der Ankündigung geſchloſſen, daß demnächſt ſpeciell über die Wahlen eine neue Verſammlung einberuſen werde.

So zeigt ſich auch in Korneuburg neuerlich, wie die Extremnationalen, uneingedenk ihrer früheren Haltung und der Intereſſen der Bevölkerung, ſich zur Förderung des liberalen Cliqueweſens herbeilaſſen, auch wenn dasſelbe in ſo abſtoßender Form auftritt, wie dies in Korneuburg der Fall iſt.

Verſammlung chriſtlicher Fleiſchſelcher - gehilfen.

Da am 24. d. M. die Wahl für den Gehilfen - ausſchuß der Fleiſchſelcher ſtattfinden ſoll, beginnen die chriſtlichen Fleiſchſelchergehilfen bereits hiefür Vor - bereitungen zu treffen. Aus dieſem Grunde berief das Wahlcomité für letzten Donnerſtag eine Verſammlung ein, an der 300 Gehilfen ſich betheiligten, und welcher auch Abg. Prochazka beiwohnte. Nachdem der Referent Bogner das Programm der chriſtlichenPartei beſprochen, wurden als Candidaten aufgeſtellt, und zwar: Rudolf Stark zum Obmann-Stellver - treter; Joſef Riha, Joſef Kolmann, Johann Bogner, Johann Wirth zu Ausſchüſſen; weiters 3 Erſatzmänner derſelben, 4 Mitglieder und 3 Erſatz - männer für das Schiedgericht, 6 Delegirte für die Genoſſenſchaftsverſammlung, 8 Mitglieder und 4 Erſatz - männer für die Krankencaſſe, 2 Mitglieder und 2 Er - ſatzmänner für den Ueberwachungsausſchuß der Kranken - caſſe, ſowie 54 Delegirte für die Generalverſammlung der Krankencaſſe.

Volkswirthſchaftlicher Theil.

Die Abbaue der Nordböhmiſchen Kohlen - werksgeſellſchaft im ärariſchen Grubenfelde bei Brüx.

Ueber die Vorgänge, deren Schauplatz das Revier der Nordböhmiſchen Kohlenwerksgeſellſchaft in der letzten Zeit geweſen, erhält das Fremdenblatt von maßgebender Seite authentiſche Mittheilungen, denen wir entnehmen, daß am 10. December v. J. in der Grube des ärariſchen Schachtes Julius IV beim Vortrieb zweier längs des Bialafluſſes in weſtlicher Richtung getriebener Parallelſtrecken die nördliche derſelben mit fremden Grubenbauen im eigenen Gruben - beſitze des k. k. Aerars durchſchlägig wurden. Er war ſofort offenkundig, daß dieſe Grubenbaue von einem Ueber - bau der Nordböhmiſchen Kohlenwerksgeſellſchaft herrühren und es wurde dieſe Geſellſchaft von der k. k. Berg - direction aufgefordert, über den Umfang und die Lage ſolcher Eingriffe in den ärariſchen Beſitzſtand einen beſtimmten Aufſchluß zu ertheilen.

Auf Grund der in Folge dieſer Aufforderung vom Director Scholz der k. k. Bergdirection am 15. December v. J. vorgelegten Kartenſkizze und auf Grund der nachträglichen Zeugenausſagen wurde nun conſtatirt, daß dieſe Ueber - baue von größerer Ausdehnung ſind und in der Zeit vom Jahre 1887 bis 1893 ausge - führt worden waren. Dieſe Abbaue ſind noch nicht auf der Tagesfläche in die Erſcheinung getreten, waren daher auch ober Tags bisher durch Augenſchein nicht conſtatirbar und es fehlte ſonach auch jede Möglichkeit, von dem Vor - handenſein derſelben durch Veobachtungen an der Tages - oberfläche Kenntniß zu erlangen.

Die Darſtellung des Fremdenblattes , die offenkundig den Zweck hat, die k. k. Bergbehörde rein zu waſchen, ver - ſucht dann nachzuweiſen, daß eine frühere Aufdeckung der Ueberbaue nicht möglich war, findet es aber auf - fallend, daß von einem ſolchen Vorgange auch die in den betreffenden Bauabtheilungen beſchäftigten Beamten, Auf - ſeher und Arbeiter keine Ahnung gehabt haben ſollten. Die Darſtellung ſchließt: Jedenfalls konnte die Führung einer unvollſtändigen Grubenkarte allein zur Ver - heim lichung des Ueberbaues nicht ausreichen und es wird Sache der weiteren Erhebungen ſein, auch über dieſen Punkt vollkommene Klarheit zu ſchaffen.

Submiſſionsweſen.

Der Peſter Lloyd tritt in einem Artikel In - und ausländiſche Lieferungs - fragen für ein gemeinſames Vorgehen der Verwal - tungen beider Reichshälften bei Submiſſionen im Aus - lande ein. Wenn Oeſterreich und Ungarn auch ſtreng genommen kein einheitliches Wirthſchaftsgebiet bilden, ſo hätten ſie doch als einheitliches Handelsgebiet dem Auslande gegenüber gewiſſe gemeinſame Inter - eſſen. Insbeſondere ſei der Export in die Balkan - ſtaaten eine Lebensfrage der beiderſeitigen indu - ſtriellen Production. Ganz richtig conſtatirt der Peſter Lloyd , daß dort die politiſche Einflußſphäre derMonarchie liegt, dort könne ſich auch der handels - politiſche Einfluß am wirkſamſten geltend machen, wenn nicht ein einſeitiges disparates Vorgehen der beiden Regierungen bei Lieferungen in dieſen Ländern herrſchen würde.

Unſer Außenhandel in den Monaten Jänner bis incluſive December 1898.

Im Monate December 1898 betrug (ausſchließlich des Edelmetallverkehres) die Ein - fuhr 72·2 Millionen Gulden ( 6·6 Millionen Gulden im Vergleiche mit dem December 1897) und die Ausfuhr 70·3 Millionen Gulden (+ 9·8); es ergibt ſich ſomit für dieſen Monat ein Ueberſchuß der Einfuhr über die Aus - fuhr von 1·9 Millionen Gulden (gegen einen Ueberſchuß der Einfuhr über die Ausfuhr von 18·3 Millionen Gulden im Vorjahre). Während der Monate Jänner bis incluſive December 1898 bezifferte ſich die Einfuhr (ausſchließlich des Edelmetallverkehres) auf 830·9 Millionen Gulden (+ 75·6) und die Ausfuhr auf 808·8 Millionen Gulden (+ 42·6); das hieraus reſultirende Paſſivum der Handelsbilanz beträgt demnach 22·1 Millionen Gulden (gegen ein Activum von 10·9 Millionen Gulden im Vorjahre). Der Menge nach ſtellte ſich während der genannten Monate die Einfuhr auf 107·0 Millionen Metercentner und die Ausfuhr auf 166·2 Millionen Metercentner; es wurden daher um 59·2 Metercentner mehr ausgeführt. Während der gleichen Zeitperiode weiſt der werkehr in den wichtigſten Waaren im Millionen Gulden gerechnet, nachſtehende Er - gebniſſe auf: in der Einfuhr: Colonialwaaren 26·0 ( 3·4 gegen die gleiche Periode des Vorjahres), Getreide 81·6 (+ 41·4), Reis 9·2 (+ 1·3), Obſt 3·5 ( 1·4), Schlachtvieh 14·5 (+3 ·3), Süßwaſſerfiſche 2·8 (+ 1·2), Geflügeleier 15·5 (+ 2·1), Felle und Häute 19·0 ( 3·1), Wein 19·1 (+ 1·1), Kohlen und Coaks 40·9 (+ 3·7), Baumwolle 53·7 (+ 3·0), Flachs, Hanf, Jute ꝛc. 21·6 (+ 2·5), Schafwolle, Kammzeug ꝛc. 45·3 (+ 6·8, Wollen - garne 1 6·1 ( 2·8), Seide und Seidenwaaren 37·3 f (+ 4·2), Kupfer roh 11·8 (+ 1·8); in der Aus -[f]uhr: Zucker 67·1 (+ 5·7), Getreide 31·7 ( 8·3), Bohnen 7·0 (+ 2·7), Obſt 8·8 (+ 3·2), Schlachtvieh 24·6 (+ 4·3), Pferde 20·6 ( 4·6), Holz 96·0 (+ 12·0), Kohlen und Coaks 39·1 (+ 4·9), Baumwolle, Garne und Waaren daraus 10·1 ( 1.8), Wollenwaaren 20·7 (+ 2.2), Eiſen und Eiſenwaaren 17·1 (+ 2·3).

Einſtellung der Frachtgüter-Abgabe

in der Station Wien-Hauptzollamt der Wiener Ver - bindungsbahn während des Bahnhofumbaues. In Folge der durch den fortſchreitenden Umbau des Bahnhofes in Wien - Hauptzollamt verurſachten ganz außerordentlichen Erſchwer - niſſe bei der Abwickelung der Gütermanipulation des im zollämtlichen Magazine XIV in Wien-Hauptzollamt derzeit untergebrachten Eil - und Frachtgut-Expedites wird bis zur Fertigſtellung des Magazines im künftigen Güterbahnhofe ab 6. Februar 1899 nebſt den bereits ſeit 15. Jänner 1897 ſiſtirten Frachtgüter-Aufgabe, nunmehr auch die Fracht - güter-Abgabe für gewöhnliche Frachtgutſendungen eingeſtellt. Hievon ſind jedoch Zollgutſendungen ausgenommen, welche zur Stellung an das k. k. Hauptzollamt Wien angewieſen, oder bei demſelben erliegend, von den Verfügungsberech - tigten wettergeſendet werden.

Inſolvenznachrichten.

Der Creditorenverein meldet folgende Inſolvenzen: B. Felſenburg, protokollirte Leder -, Nähmaſchinen - und Juwelengeſchäftsfirma in Szentes; Anton Szemian, Hutmacher in Eſſegg; Camilla Dux, Handelsfrau in Prag; Johanna Krausz, Modiſtin in Ungvar; Sigmund Schwarz, Manufacturwaarenhändler in Devanya; Franz Komloſi, Kaufmann in Gyorok; Fauſt Lurion, protokollirter türkiſcher Großhändler in Wien, 2. Bez., Praterſtraße 65; Gregor und Thereſia Heniſchel, Flachshändler in Oberwelkersdorf; Franz Gottwald, Glaſer in Ungariſch-Oſtra; Louis Heppergen, Hotelier in Gnadenwald.

Note: (64. Fortſetzung.)

(Nachdruck verboten.)

Die Dame mit dem Todtenkopf.

Wanda und Olga ſind Freundinnen geworden und wenn ich nicht irre, ſo bringt Wanda ihre Freundin her ich höre die Stimmen

Im Vorzimmer wurden Schritte und heitere Stimmen hörbar. Georg wußte nicht, wie ihm geſchah die Gräfin lächelte ſo geheimnißvoll verheißend, ihr Auge ſtrahlte ſo glücklich erwartungsvoll, aber er ſollte nicht dazu kommen, ſich faſſen zu können.

Wanda und Olga traten ins Gemach. Das Billet der Gräfin, welches Wanda hatte perſönlich Olga bringen müſſen, beſchied dieſelbe zu ihr in dringender Angelegenheit. Olga war auf eine Ueber - raſchung vorbereitet, aber gewiß nicht darauf, Ge - Georg v. Trota bei der Gräfin zu finden, ſie konnte ia nicht ahnen, daß derſelbe nach Berlin zurück - gekehrt ſei.

Die Verwirrung der beiden Liebenden mag der Leſer ſich ſelbſt ausmalen, die Gräfin machte jedoch kurzen Proceß, ſie wußte von Beiden, was Einer dem Anderen nicht zu geſtehen wagte und ſie war glücklich, den Verſchämten zu helfen.

Feſt und innig umſchlang Georg ſeine Braut, der er das Jawort von den Lippen geküßt. Beiden war es wie ein Traum und ſelig ſtrahlte jedes Auge, wenn er in den Blicken des Anderen las, daß es Wirklichkeit ſei, was ihre Herzen mit Wonne be - rauſchte.

Die Gräfin T. ließ es ſich nicht nehmen, das Paar auszuſtatten, ſie war ja Georg eine faſt mütter - liche Freundin geworden. Georg nahm ſeinen Abſchied aus dem Staatsdienſt, da ihm die Aerzte jede an -ſtrengende Beſchäftigung in geſchloſſenen Räumen am Schreibtiſch verboten und Aufenthalt in friſcher Land - luft empfohlen. Er widmete ſich der Bewirthſchaftung eines Gutes, deſſen Annahme er der Gräfin nicht hatte abſchlagen können, und trat erſt nach langen Jahren, als Friedrich Wilhelm IV. den Thron beſtieg und liberalere Tendenzen zur Geltung kamen, als Landrath wieder in den Dienſt des Vaterlandes.

Herr Sperber hat keine Carrière gemacht, er iſt in untergeordneten Verhältniſſen zu Grunde gegangen, das Ungeſchick bei der Verfolgung Murskoff’s hatte ihm die Ungnade des Herrn v. Tſchoppe zugezogen. Letzterer ſelber aber mußte nicht nur erleben, daß er überflüſſig wurde, als die neue Aera unter Friedrich Wilhelm IV. begann, ſondern auf ihn entlud ſich auch der ganze Haß und die Ver - achtung, welche das Volk gegen die Menſchen hegte, welche als Werkzeuge der Reaction ihren Ruhm darin geſucht, ihre Nebenmenſchen zu verdächtigen und die Gefängniſſe anzufüllen, während einer Periode, von der zu wünſchen und zu hoffen iſt, daß ſie niemals wieder - kehren möge.

Die Prinzeſſin Luiſe Radziwill erlag ihrem Leiden, ſie welkte dahin, der man den Sonnenſchein geraubt.

Am Abend des 29. November 1830 ent - ſtanden plötzlich in der Stadt Warſchau zwei große Feuersbrünſte, deren ſchauerliche Gluth den Ver - ſchwörern das Signal zum Auſſtande gab. Die Em - pörer ſtürmten das Schloß, in dem der Großfürſt auf ſeinem Feldbett lag. Die Fürſtin Lowicz ſtürzte ſich den Empörern entgegen und flehte um das Leben ihres Gatten, halb angekleidet entweicht Conſtantin, eine geheime Treppe begünſtigt ſeine Flucht; die Liebe der Polin, welche durch ihr Flehen ihre Aufrührer einen Moment aufgehalten, hat ihm das Leben ge - rettet.

Ein Theil der Truppen ſchließt ſich den Em - pörern an, die übrigen werden aus der Stadt gejagt. Ganz Polen iſt im Aufſtande, die lange vor - bereitete Empörung hat den erſten Triumph erfochten.

Fürſt Michael Radziwill ward zum Generaliſſimus der Polen ernannt, General Chlopniki ihm zur Seite geſtellt, die Unabhängigkeit Polens erklärt. Wenige Monate ſpäter, nachdem man den Feldmarſchall Diebitſch zurückgeſchlagen, erſchien nach dem Tode des ruſſiſchen Heerführers der General Paskiewitſch mit der con - centrirten Macht Rußlands vor den Thoren Warſchaus, erſtürmte die Stadt und ſchon am 5. October 1831 ſtreckten die Trümmer der polniſchen Armee die Waffen, der polniſche Aufſtand war niedergeſchmettert.

Während der Kampf noch tobte, ſtarb der Groß - fürſt Conſtantin plötzlich an der Cholera wenige Monate ſpäter folgte ihm ſeine Gemalin, die Fürſtin v. Lowicz.

Auf den Wällen von Praga ſtarb auch Felix K. den Heldentodt, er opferte ſein Blut für die verlorene Sache, der er in fanatiſcher Begeiſterung ſein Leben geweiht.

Und die Dame mit dem Todtenkopf? Die geheimnißvolle Gräfin verſchwand aus Deutſchland, nachdem ſie Olga den Myrtenkranz in’s Haar gedrückt, ihr folgten die Segenswünſche Georgs. Man erzählt ſich, daß ſie ſpäter einen ruſſiſchen Fürſten geheiratet, auf dem das Unglück ruhte, daß er in Folge eines Schuſſes, der ſeine Augen geſtreift, erblindet war, daß ſie aber glücklich an ſeiner Seite gelebt, ihn treu ge - pflegt und ihn glücklich gemacht habe. Wanda iſt un - verheiratet geblieben und hat ſich nie von ihrer Wohl - thäterin getrennt.

Ende.

Druck, Herausgabe und Verlag Ambr. Opitz, Wien. Verantwortlicher Redacteur Hermann Hikiſch, Wien.

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TextNr. 19, 24.01.1899.
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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