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Mittagsblatt.
Reichspoſt.
Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns.

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Nr. 53 Wien, Montag, den 22. Februar 1909. XVI. Jahrgang.

Die internationale Lage.

Die ſerbiſchen Konflikte.

Die ſchon für den vorigen Sonntag angekündigte, dann aber behördlich unterſagte Proteſtverſammlung gegen den großſerbiſchen Hochverratsprozeß in Agram hat geſtern in Belgrad nun doch ſtattgefunden, ohne daß es jedoch zu mehr als den üblichen Entrüſtungs - und Rachetiraden gekommen wäre. Bemerkenswert iſt dabei nur die Anweſenheit eines ruſſiſchen Journaliſten, der die Verſammlung namens des ruſſiſchen Volkes mit einer auſtachelnden Rede begrüßte, recht im Gegenſatze zu der von Rußland immer betonten friedlichen Ein - flußnahme auf Serbien.

Gegenwärtig liegt das Schwergewicht der Ent - ſcheidungen in der Belgrader Regierungskriſe. Nach der erfolgten Demiſſion des Kabinettes Velimirovic wird es kaum gelingen, einen Frieden zwiſchen den beiden einander leidenſchaftlich befehdenden Parteien den Alt - und Jungradikalen herbeizuführen. Es wird vorausſichtlich zur Bildung einer altradikalen Regierung kommen, die aber allzu ſchwankend ſein wird, um den Friedensbeſtrebungen einen ſtarken Rückhalt zu geben. Vor allem wäre es eine Täuſchung, von einem alt - radikalen Kabinett Paſic die Beilegung der Konflikte mit Oeſterreich-Ungarn zu erwarten; Paſic ſtand bisher hinter allen Intrigen und Machenſchaften gegen Oeſter - reich, er wird auch in Zukunft kein anderer werden. Ein Kabinett Paſic bedeutet nur eine Ver - langſamung, auf keinen Fall aber eine Be - ſeitigung des Konfliktes mit Oeſterreich. Nun halten auch die Offiziöſen nicht mehr zurück, an die ſerbiſche Adreſſe zu verſtehen zu geben, daß es höchſte Zeit iſt, in Belgrad Ordnung zu machen. So ſchreibt der Peſter Lloyd bezüglich des Verhältniſſes zu Ser - bien: Serbien iſt Herr ſeines Schickſales. Es kann, wenn es will, die Freundſchaft Oeſterreich-Ungarns ſofort gewinnen, wenn es das Gegenteil von all dem tut, was es bisher getan. Es wird aber gewiß die donnernde letzte Mahnung von der Monarchie empfangen, wenn dieſer Wandel nicht ſehr bald eintritt.

Die heute vorliegenden Depeſchen melden:

Heute vormittag fand das von den Hochſchülern einberufene Proteſtmeetinggegen den Agramer Hochverratspro - zeß ſtatt, woran gegen 5000 Perſonen teilnahmen. Die Redner hoben die rein politiſchen Motive hervor, welche die Machthaber in Oeſterreich-Ungarn bewogen hätten, unſchuldigen Bürgern einen ſchmach - vollen Prozeß zu machen. Dieſes Vorgehen gereiche der ziviliſierten Welt des 20. Jahrhunderts zur Schande. Die Reden wurden mit ſtürmiſchen Hochrufen auf die Serben Kroatiens und auf ein freies Königreich Kroatien, ſowie mit Abzugrufen auf Oeſterreich - Ungarn aufgenommen.

Hierauf nahm die Verſammlung einſtimmig eine Reſolution folgenden Inhaltes an: Die Verſammlung weiſt mit Entrüſtung die Verleumdungen (!) zurück, welche anläßlich des Agramer Hochverratsprozeſſes von Wien und Peſt aus gegen Serbien, das ſerbiſche Volk, den ſerbiſchen Staat und die ſerbiſche Dynaſtie verbreitet wurden. Die Verſammlung iſt überzeugt, daß die Serben in Kroatien nur deshalb verfolgt werden, weil ſie treue Söhne ihrer Heimat (?) und die wahren Verteidiger ihres (?) Vaterlandes ſind, welche im Vereine (!) mit ihren kroatiſchen Brüdern für die primitivſten Menſchenrechte und für die Freiheit ihres gemeinſamen Vaterlandes kämpfen müſſen. Auf dem Standpunkte des anerkannten Rechtes der Natio - nalität und der Humanität ſtehend, erhebt die Verſammlung den energiſcheſten Proteſt gegen die inquiſitoriſchen Mißhandlungen, welchen die unſchuldigen ſerbiſchen Opfer in den Agramer Kerkern ausgeſetzt ſind. Indem die Verſammlung an die humanen, ziviliſierten Völker Europas appelliert, lenkt ſie die Aufmerkſamkeit derſelben auf dieſen Prozeß. Nach Annahme der Reſolution begrüßte der hier weilende ruſſiſche Journaliſt Fürſt Amiradjiki (?) die Ver - ſammlung numens des ruſſiſchen Volkes, welches die ſlaviſche Solidarität zu wahren wiſſen werde. Ueber Aufforderung des Präſidenten des Meetings, Ingenieur Jovanovic, löſte ſich ſodann die Verſammlung in voll - kommener Ruhe auf.

Das Belgrader Preßbureau, das durch ſeine Unwahrheiten berühmt iſt, verbreitet, daß die Nachrichten der öſterreichiſchen und der unga - riſchen Preſſe über außerordentliche militäriſche Vor - kehrungen, über eine Steigerung der kriegeriſchen Stimmung und über eine kritiſche Lage des Königs Entſtellungen des wahren Sachverhaltes ſeien. Tat -ſächlich habe ſich in der letzten Woche nichts ereignet was zu alarmierenden Meldungen Anlaß geben könnte.

(Privattelegramm.) Die Tribuna veröffentlicht unter dem Titel Der Friede wird nicht geſtört einen längeren, offenbar inſpirierten Artikel, der mit folgenden Worten ſchließt: Die Notwendigkeit einer ſchleunigen Löſung liegt auf der Hand. Eine Lage, wie die gegenwärtige, kann nicht ohne Schaden verlängert werden. Ebenſo liegt es auf der Hand, daß weder für Oeſterreich noch Ungarn noch für Serbien der Krieg eine logiſche Löſung der Lage iſt. Darum können wir ſicher ſein, daß die Diplomatieſchließlich das letzte Wort behalten wird.

Die Belgrader Regierungskriſe.

(Privattelegramm.) Lebhaft beſprochen wird in Belgrad die Tatſache, daß König Peter, bevor er einen der aktiven radikalen Politiker zu ſich berief, mit dem ehemaligen Miniſterpräſidenten Awakumovic eine Beratung über die politiſche Situation pflog. Wie aus der Umgebung des Königs verlautet, riet Awakumovic dem Könige, mit der Bildung des Kabinetts nur einen friedlich geſinnten Politiker zu betrauen. Als ſolcher käme in erſter Linie Paſic in Betracht, da er in den letzten Tagen ſich wiederholt in friedlichem Sinne geäußert habe. Wünſchens - wert wäre es, in das zu bildendé Kabinett die Vertreter aller Parteien einzubeziehen. Sollte ſich dies als unmög - lich erweiſen, ſo würde es nach Anſicht des Awakumowic dem Paſic auch mit einem rein altradikalen Kabinett ge - lingen, den Frieden zu retten.

(Privattelegramm.) Nach - dem geſtern das Miniſterium Velimirovic demiſſioniert hat, wird heute Paſic zum Könige be - rufen werden. Wie verlautet, ſoll Paſic mit der Bildung der neuen Regierung betraut werden. In das Miniſterium Paſic ſollen auch die Führer der Fort - ſchrittlichen und der Nationalliberalen eintreten.

Die Ereigniſſe in der Türkei.

Die Unterzeichnung des Verſtändigungsprotokolls verſchoben.

Die Meinung, das Verſtändigungsprotokoll werde noch am Schluſſe der abgelaufenen Woche unterzeichnet werden, die ſich in einem hieſigen liberalen Blatte ſogar

[9]. Folge.

Nachdruck verboten.

Die verhängnisvolle Fahrt.

Wenn ſie die Tiere nicht noch vor dem Teufel - ellenbogen in die Gewalt bekommt, ſo wird ſie wohl verunglücken, erwiderte der Kutſcher. Jene Ecke iſt ſchon unter günſtigen Umſtänden ein verflucht gefährlicher Punkt, mit durchgehenden Pferden aber iſt dort eine Kataſtrophe unvermeidlich. Und es ſind Frauen dabei es muß irgend etwas geſchehen, fuhr er, die Hände an die Stirne preſſend, fort. Eine Möglichkeit iſt übrigens noch vorhanden. Hier, Jack, nehmen Sie die Zügel! rief er und zog in fliegender Haſt ſeinen Kutſchermantel aus. Sie müſſen weiter - fahren, aber treiben Sie die Tiere nicht an und berühren Sie um Gottes willen das vordere Handpferd nicht mit der Peitſche. Ich will über den Berg laufen und verſuchen, den Wagen vor dem Hohlweg einzu - holen.

Noch während des Sprechens war er davongeeilt, ſetzte über einen naheliegenden, mit Waſſer gefüllten Graben und begann nun mit den langen, gleichmäßigen Schritten eines erfahrenen Läufers den Abhang zu erklimmen.

Der Teufel ſoll mich holen, wenn das nicht eine famoſe Idee iſt! murmelte der Mann mit den Zügeln. Wäre ich doch auf dieſen Gedanken gekommen aber Terence iſt immer ſo flink mit ſeinen Entſchlüſſen. Fort - geſchoſſen iſt er wie ein Pfeil und läßt mich hier mit einem zappeligen, aufgeregten Viergeſpann ſitzen. Hoffentlich gehen ſie mir nicht auch durch. Dann wandte er ſich zu den Inſaſſen des Wagens und fragte ſcherzend: Hat vielleicht jemand Luſt zu kutſchieren?

Aber niemand wollte ſich dazu verſtehen. Nachdem die Reiſenden dann eine kurze Strecke zurückgelegt hatten, bemerkten ſie einen verſtört ausfehenden Herrn, der in atemloſer Haſt auf ſie zugelaufen kam und keuchend dieWorte hervorſtieß: Der Wagen der Wagen der andere Wagen, haben Sie ihn nicht geſehen, wo iſt er?

Auf der Landſtraße, eine Meile weiter nach Bally - bay zu.

Meine Frau und meine Schwägerin ſind darin. Sind ſie unverletzt?

Na, ich denke wohl, erwiderte der ſtellvertretende Roſſelenker. Der Kutſcher dieſes Poſtwagens iſt über den Berg gelaufen, um den Weg abzuſchneiden und die Pferde womöglich zum Stillſtehen zu bringen. Wenn dies irgend einer in ganz Irland zuſtande bringen kann, ſo iſt er es.

Was für einen Weg ging er?

Hier die Schafweide hinauf. Hoffentlich iſt er zur rechten Zeit hingekommen.

Beim Himmel, wenn nicht, ſo ſind ſie jetzt alle maufetot, ſagte ein behäbiger Pächter, denn kein Pferd der Welt kann die Ecke am Teufelellenbogen im Galopp nehmen. Sir Greville hörte dieſe tröſtliche Bemerkung wohl kaum mehr. Schon rannte er wieder vorwärts, und zwar in einer Gangart, bei deren Anblick ſeine Londoner Freunde vor Erſtaunen Mund und Augen aufgeſperrt hätten.

Fünftes Kapitel.

Die endlos erſcheinende Anhöhe übte ſchließlich doch eine beruhigende Wirkung auf die Pferde aus. Die nicht mehr ganz jungen Stangenpferde fingen an, ſich ihres Ungeſtüms zu ſchämen, nur der Schecke und das über - mütige Sattelpferd hatten ſich noch nicht ganz von der Einwirkung des roten Sonnenſchirms erholt. Trotzdem hoffte Maureen, daß die größte Schwierigkeit nun über - wunden und ſie imſtande ſein werde, das Fuhrwerk ſiegreich an ſeinen Beſtimmungsort zu führen voraus - geſetzt natürlich, daß ſich kein weiterer Zwiſchenfall er - eignete. Als ſie die Anhöhe erreicht hatten, wandte ſie ſich zu ihrem vor Angſt zitternden Gefährten und ſagte: Ich glaube, ich kann die Pferde jetzt anhalten. Bitte ſteigen Sie ab und legen Sie den Hemmſchuh an.

Ich verſtehe nichts von Hemmſchuh, brummte er.

Mit Aufbietung all ihrer Kräfte brachte Maureen die Pferde endlich einen Augenblick zum Stillſtehen und ſagte dann mit zorniger Miene und in gebieteriſchem Tone: Verlaſſen Sie ſogleich den Wagen.

Das war ohnedies meine Abſicht, antwortete er, blitzſchnell vom Wagen ſpringend. Kaum fühlte er feſten Boden unter den Füßen, ſo brach er in wütende Ver - wünſchungen über das erbärmliche Fuhrwerk und über die ganze Poſteinrichtung aus.

Warten Sie nur, mein liebes Fräulein, ich will den Hemmſchuh ſchon anlegen, rief der alte Pfarrer. Raſch und geſchickt führte er ſofort ſeinen Vorſatz aus, während die beiden vorderen Pferde ungeduldig tänzelten und Lady Fanſhawe mit weinerlicher Stimme bat: O, Maureen, Maureen, laß mich ausſteigen.

Aber das Geſpann hatte ſich bereits wieder in Be - wegung geſetzt und trabte jetzt ruhig und langſam bergab. Schon war mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt, als der Schecke in plötzlich wiedererwachendem Uebermut ausſchlug und den Kopf des hinteren Pferdes traf, worauf dieſes über den Strang ſchlug. Im Nu entſtand ein unlösbar erſcheinender Wirrwarr unter den vier Pferden, bei deſſen Anblick auch Maureens Mut zu ſchwinden begann. In dieſem verhängnisvollen Augen - blick gewahrten die Reiſenden einen Herrn, der in höchſter Eile quer über die Felder daherlief, ſich über eine Hecke ſchwang und, ehe man ſich’s verſah, den beiden Vorder - pferden in die Zügel fiel. Die Wirkung war verblüffend. Beruhigend ſprach er auf den Schecken ein, ſtreichelte deſſen aufgeregten Kameraden, richtete ein ermutigen - des Wort an die Stangenpferde und ſchwang ſich auf den Bock.

Nun iſt alles in Ordnung , rief er, ſich nach rück - wärts wendend. Die Tiere kennen mich und werden jetzt ſo fromm gehen wie die Lämmer. Sie brauchen ſich nicht im geringſten mehr zu ängſtigen.

(Fortſetzung folgt.)

2Wien, Montag Reichspoſt 22. Februar 1909. Nr. 53

zu der poſitiven Behauptung verdichtet hatte, die Unter - zeichnung ſei ſchon erfolgt war, wie ſich jetzt zeigt, verfrüht; die Verhandlungen dauern noch an; im Weſen ſeien die beiden Parteien zwar einig, doch beſtünden noch Differenzen hinſichtlich zweier Punkte: erſtens des künftigen Verhältniſſes der in der Monarchie, beziehungsweiſe in der Türkei lebenden Bosnier zu den betreffenden Staaten und zweitens hin - ſichtlich einer handelspolitiſchen Frage. Es ſei aber zu hoffen, daß die Unterzeichnung in dieſer Woche erfolgen werde. Man wird ſich alſo noch weiter in Geduld faſſen müſſen; auch betreffs des Boykotts, der einer Konſtantinopler Depeſche an die Direktion des Oeſter - reichiſchen Lloyd zufolge heute eingeſtellt werden ſoll. Man ſieht: ob Kiamil Paſcha oder Hilmi Paſcha; die Parole bleibt dieſelbe: Geduld!

Die Anerkennung der bulgariſchen Königs - würde.

Am Goldenen Horn iſt man über Rußlands eigen - mächtigen, einſeitigen Schritt hinſichtlich der Anerkennung König Ferdinands offenſichtlich ſehr verſtimmt und hält daran feſt, daß die Anerkennung nur im Ein - vernehmen mit der Pforte hätte erfolgen dürfen. England ſtellt ſich in dieſer Frage ganz auf die Seite der Türkei. Daß die durch dieſe Aktion Rußlands verurſachte Verſtimmung auf die türkiſch-bulgariſchen Be - ziehungen nur ſtörend einwirken kann und ſie verzögern, wenn nicht gar gefährden könnte, ſteht wohl außer Frage; jedenfalls hat der ruſſiſche Vermittlungsvorſchlag unter ſolchen Verhältniſſen wenig Ausſicht, von der Türkei angenommen zu werden. Rußland hat mit ſeiner neueſten Ueberraſchungspolitik, wie ſich zeigt, nicht viel Glück; anſtatt die Entente der Mächte zu fördern, hat Herr v. Iswolski ſie gefährdet. Auch die für Rußland ſo wertvolle Freundſchaft mit England ſcheint auf dem Spiele zu ſtehen; jedenfalls iſt es das erſtemal, daß ſich zwiſchen dieſen zwei Mächten, die in der jüngſten Balkankriſe immer ein Herz und ein Sinn geweſen ſind, verſchiedene Auf - faſſungen zeigen. Eine Wendung in der Stellung und Gruppierung der Mächte hinſichtlich der Balkanfrage wäre in der nächſten Zukunft ſonach keineswegs aus - geſchloſſen.

(Privattelegramm.) Die Blätter melden aus Konſtantinopel: Nach dem Beſuche des ruſſiſchen Botſchafters Sinowjeff bei dem Großvezier traten die Miniſter zu einer Beratung zuſammen, worauf längere Inſtruktionen an den Bot - ſchafter in Petersburg, ſowie an die übrigen Botſchaſter ergingen. Die Pforte vertritt den Stand - punkt, daß die Anerkennung Bulgariens im Wider - ſpruche zu den Berliner Abmachungen ſtehe und daß die Großmächte verpflichtet geweſen wären, vorher eine Verſtändigung mit der Pforte anzubahnen. Der hieſige engliſche Botſchafter äußerte ſich gegenüber verſchiedenen diplo - matiſchen Perſönlichkeiten dahin, England würde die Unabhängigkeit und die Proklamierung Bulgariens zum Königreiche nichteher anerkennen, als bis dies auch ſeitens der Türkei geſchehen iſt.

Flucht des Führers der Liberalen aus Konſtantinopel.

(Privattelegramm.) Die Blätter melden aus Konſtantinopel: Der Milchbruder des Prinzen Sabah Eddin, Fazly Bey, der als Führer der liberalen Partei betrachtet wird, iſt nach dem Sturze Kiamil Paſchas, wiejetzt bekannt wird, plötzlich aus Konſtantinopel ver - ſchwunden und ins Ausland gereiſt. Man glaubt, daß er zu dieſer fluchtartigen Abreiſe durch Drohungen des Komitees für Einheit und Fortſchritt bewogen wurde, welche ihn für ſeine perſönliche Sicher - heit fürchten ließen. Wie es heißt, hat ſich Fazly Bey nach Paris begeben.

Tod des Metropoliten von Monaſtir.

(Privattelegramm.) Aus Konſtantinopel wird gemeldet: Der Metropolit von Monaſtir, Joachim Phoropulos, der während der mazedoniſchen Wirren zweimal von der Pforte von ſeinem Amtsſitze weg gewaltſam nach Konſtantinopel gebracht wurde und jetzt als Mitglied der ökumeniſchen Synode in Konſtantinopel weilte, iſt plötzlich geſtorben. Die griechiſchen Blätter widmen dem Verſtorbenen ehrende Nachrufe.

Der Boykott.

Geſtern abend erhielt die Direktion des Oeſterreichiſchen Lloyd von ihrer Konſtantinopler Agentie ein Telegramm, wonach mit Beſtimmtheit verlautet, daß morgen die Löſcharbeiten auf den Lloyddampfern auf - genommen werden.

Der Boykott iſt auch in Santi Quaranta offiziell eingeſtellt worden.

Politiſche Rundſchau.

Oeſterreich-Ungarn.

Der Wiederzuſammentritt des Reichsrates.

Die Beſprechungen, die in dieſer Woche zwiſchen dem Miniſterpräſidenten und den Parteiführern ſtattfinden werden, dürften Gewißheit über das Ergebnis des Ver - ſuches der Regierung bringen, den Reichsrat zur recht - zeitigen Erledigung der Vorlagen über das Rekruten - kontingent, die Annexion und die Eiſenbahnenverſtaat - lichung einzuberufen. Wie wir erfahren, iſt für den Fall, als das Experiment gelingt, beabſichtigt, wenigſtens die parlamentariſchen Ausſchüſſe ihre Arbeiten fortſetzen zu laſſen, damit nach der Herſtellung der Arbeitsfähigkeit des Hauſes dieſes ſofort mit den fertigen Beſchlüſſen und Arbeiten der Ausſchüſſe beſchäftigt werden kann.

Die Unſtimmigkeiten im Polenklub.

Der Lemberger Kurjer Lwowski greift in ſeinem geſtrigen Leitartikel in der heftigſten Weiſe den Miniſter für Galizien David v. Abrahamowicz an und er - klärt, daß von einem weiteren Verbleiben des Miniſters im Kabinette abſolut keine Rede mehr ſein könne. Der Polenklub müſſe ſich vielmehr mit der Frage befaſſen, ob Ritter v. Abrahamowicz überhaupt noch Mitglied des Parlaments bleiben könne. In der ganzen parlamentariſchen Aera habe kein Mitglied des Polen - klubs derart die Solidarität, das Anſehen und die Be - deutung des Polenklubs in der Oeffentlichkeit herab - geſetzt, wie Ritter v. Abrahamowicz, der ſich krankhaft an ſeinen Miniſterſtuhl anklammere. Miniſter Ritter v. Abrahamowicz hatte nämlich den Herren Glabinski, Stapinski und Ge - noſſen vorgeworfen, daß ſie nach der Miniſterſchaft ſtreben. Wenn einer von einem Poſten, den andere an - ſtreben, nicht gehen will, ſo gibt es eben Konflikte, wie ſie jetzt im Polenklub an der Tagesordnung ſind.

Heute Mittag ſoll eine Konferenz des Miniſters für Galizien R. v. Abrahamovicz mit dem Miniſter - präſidenten Freiherrn v. Bienerth ſtattfinden.

Abg. Kuhn gegen die gewalttätige tſchechiſche Obſtruktion.

Die Bezirksvertretung Döbling hat in ihrer vorgeſtern abgehaltenen Sitzung eine vom BR. Schönwetter beantragte Reſolution angenommen, in welcher das Bedauern darüber ausgeſprochen wird, daß durch eine kleine Anzahl von Abgeordneten die Tätigkeit des Abgeordnetenhauſes lahmgelegt wurde, und zugleich dem BV. Rabg. Kuhn für ſeine parla - mentariſche Tätigkeit der Dank votiert wird. BV. Kuhn beantwortete dieſe Kundgebung mit einer längeren Rede, in der er u. a. ſagte: Es iſt gewiß höchſt bedauerlich, daß zwanzig Mann imſtande waren, die Tätigkeit des auf den breiteſten demokratiſchen Prinzipien auf - gebauten Volksparlaments unmöglich zu machen. Den einen Vorwurf mache ich uns ſelbſt: daß nämlich wir arbeitswilligen Parteien nicht imſtande waren, dieſe Störenfriede hinauszuweiſen. Die Obſtruierenden haben gezeigt, daß ſie nicht einmal eine Ausſprache über die Sprachenfrage wünſchen. Wer den ehrlichen Willen zur Löſung der Sprachenfrage hat, hätte eine ſolche Ausſprache ermöglicht. Das Verhalten der Tſchechen im Parlament beweiſt, daß ihre Gelüſte noch weiter gehen. Sie wollen auch in Niederöſterreich feſten Fuß faſſen. Deshalb müſſen wir mit allem Nach - druck verlangen, daß die Lex Axmann Geſetz werde. (Lebhafter Beifall.) Es iſt der feſte Wille unſerer Partei, daß dieſes Geſetz zur Tat wird. Eines aber weiß ich beſtimmt: Wenn das Haus wieder zuſammenberufen wird, können Sie ganz ruhig ſein; eine derartige neuerliche Störung der Verhandlung wird man ſich nicht gefallen laſſen! (Stürmiſcher Beifall.)

Sanktionierung der Landtagswahlreform in Steiermark.

Wie das Amtsblatt meldet, hat die vom Landtage in Steiermark beſchloſſene Landtagswahlordnung die kaiſerliche Sanktion erhalten. An dem Geſetze ſind vorher vom hiezu ermächtigten Landesausſchuſſe einige Aenderungen vorgenommen worden. Dadurch hat ſich die längſt erwartete Sanktion verzögert.

Die Chriſtlichſozialen Salzburgs haben die am 18. Februar erfolgte Ausſchreibung der Landtags - wahlen ſchon am 20. Februar mit der Veröffentlichung ihrer Bewerberliſte in der Salzburger Chronik beant - wortet. Ein Zeichen, daß die Parteileitung in ſtiller, zielbewußter Arbeit ſich für den Kampf gerüſtet hat. Tags zuvor ſchrieben die liberalen Provinzblätter, daß die Landtagswahlen ſich im Zeichen des Kompromiſſes vollziehen würden, weil keine Partei für ſich allein das unbedingte Bewußtſein genügender Kraft habe, um den Wahlkampf mit ſicherer Ausſicht auf Erfolg aufnehmen zu können. Dieſes Bewußtſein einer ge - wiſſen Schwäche drückt dem bevorſtehenden Wahlkampf ein charakteriſtiſches Merkmal auf. (Linzer Tagespoſt , Innsbrucker Nachrichten .) Nun, auf das Bewußtſein der Schwäche deutet das kampfbereite Auf - treten der Chriſtlichſozialen gerade nicht hin, ſie ſind ja, wenn ſie auch für Bürgerſtand, Bauernſtand und Arbeiterſchaft geſonderte politiſche Organiſationen haben, eine ein - heitlich geſchloſſene Partei, wie die prompte Aufſtellung ihrer Wahlwerber beweiſt.

Für die Wahlen iſt die erſte Hälfte Mai be - ſtimmt: Die 4. Kurie wählt am 3. Mai, die Land - gemeinden am 7., die Städte und Märkte am 11. und der Großgrundbeſitz am 15. Mai. Die Kandidaten für die Stadt Salzburg und den Vorortewahlbezirk Maxglan - Gnigl werden aus taktiſchen Gründen noch nicht ge -

Literariſche Poſt.

Walter von Molo, Klaus Tiedemann der Kaufmann. Roman. Berlin 1909. F. Fontane. (234) broſchiert Kronen 3.60.

Vom Wiener Aeſthetentum, wie es ſich etwa in Hugo von Hofmannsthals ganzer dichteriſchen Art am deutlichſten ausprägt, bis zur gegenſtändlichen Erzählungskunſt eines Walter von Molo iſt ein weiter Weg. Wurzelt die Kunſt jemals in Traum und Vergangenheit und zeigt ſich ihre ſprachliche Seite von allen Wundern des ſinnlichen Zaubers erfüllt, ſo ſteht dieſer mit beiden Beinen auf dem harten Boden der Wirklichkeit und des Alltags und nimmt ſeine Stoffe aus der gärenden Maſſe drängender Zeitprobleme, die er mit einfachſten ſprachlichen Mitteln vor uns ent - faltet. Molos erſter Roman Wie ſie das Leben zwangen aus dem Jahre 1906 war ein ſtarkes Verſprechen auf die Zukunft, das im vorliegenden Werke glänzend eingelöſt erſcheint. Es führt in nicht gerade erfreuliche Verhältniſſe hinein, aber es packt das Problem bei der richtigen Seite und weiß es ſpannend durchzuführen. Walter von Molo erweiſt ſich als ein her - vorragender Erzähler, der den Hauptfaden in raſchem Tempo abwickelt und alles unnötige Rankenwerk mit un - barmherziger Hand wegbiegt. Ein großer Teil der Er - zählung verläuft in faſt dramatiſcher Wechſelrede, die eine ſtarke Begabung für die Bühne durchblicken läßt. Alles Lob verdient die mit wenigen Strichen Charaktere von ſchärfſter Plaſtik ſchaffende Geſtaltungskraft und die ſatiriſche Be - leuchtung innerlich hohler Geſellſchaftstypen. Der Kern des Romans iſt der Gedanke der durch nichts beirrten Pflicht gegen Familie und Nebenmenſchen, deren Vernachläſſigung den Helden des Romans in ſein tragiſches Geſchick treibt.

Franz Ranegger.

Mitteilungen der Kunſtſektion der Oeſterreichiſchen Leogeſellſchaft. 1. Heft. Praktiſcher Führer auf dem Gebiete chriſtlicher Kunſt in Oeſterreich. Samt einer Auswahl neuerer Werke. Seit Jahren arbeitet die Kunſtſektion der Oeſterreichiſchen Leo - geſellſchaft mit ungemeinem Eifer an der Hebung der chriſtlichen Kunſt, insbeſondere durch die Förderung einesmöglichſt direkten Verkehres zwiſchen Auftraggeber und Künſtler mit Ausſchluß jedes Zwiſchenhandels. Die in früheren Jahren veranſtalteten diesbezüglichen Ausſtellungen im Künſtlerhauſe und in den Räumen des Hauſes der Leogeſellſchaft zeitigten jedoch, weil Veranſtaltungen nur lokaler Natur, offenbar keinen wünſchenswerten Erfolg, und ſo wendet ſich nun die Kunſtſektion mit vorliegender Publikation an einen größeren Intereſſentenkreis, ins - beſondere an den katholiſchen Klerus, indem ſie in der - ſelben mit lapidaren Sätzen die Notwendigkeit des direkten Verkehres zwiſchen Auftraggeber und Künſtler darſtellt, ſich durch die zu dieſem Zwecke gegründete Geſellſchaft für chriſtliche Kunſt (Wien, 1. Bezirk, Bäckerſtraße 14) als un - entgeltlicher Vermittler aubietet und gleichzeitig in einer größeren Auswahl von Abbildungen neuere Werke lebender öſterreichiſcher Künſtler vorbildlich vor Augen ſtellt. Es ſind darin zunächſt 38 Künſtler, und zwar 11 Architekten, 13 Bildhauer und 14 Maler vertreten, dies derart, daß von jedem derſelben ein oder mehrere Werke in der Ab - bildung und eine kurze Beſprechung ſeines Wirkens nebſt Angabe ſeiner Adreſſe im Text Aufnahme fanden. Die Publikation erhebt keineswegs Anſpruch auf irgendwelche Vollſtändigkeit, noch weniger auf eine ſtreng kritiſche Aus - wahl unter den Werken der Künſtler dies war und iſt ja nicht der Zweck derſelben. So muß es der Anhänger der retroſpektiven Stilübung hinnehmen, daß auch die Werke ſolcher Künſtler aufgenommen ſind, welche ſich ganz der Moderne hingegeben haben, und umgekehrt. Auch ſind ebenſo wohl ganz hervorragende, bereits allgemein be - kannte Kunſtwerke, wie auch ſolche des ſtillen Schaffens dargeſtellt. Der Zweck und Erfolg dieſes Führers kann aber nicht an dieſem erſten Heft, ſondern wohl nur im Zu - ſammenhange mit ſeinen Nachfolgern erreicht und kritiſch unterſucht werden; nur was gewollt wird, zeigt dasſelbe und dies iſt ſicher ein großer Schritt vorwärts zum Guten. Nachdem dieſe Publikation mit Unterſtützung des k. k. Miniſteriums für Kultus und Unterricht erfolgte, iſt damit das wohlwollende Intereſſe desſelben für die Hebung der chriſtlichen Kunſt und die Sache der katholiſchen Künſtler anerkennenswert dokumentiert. Möge ſie nun auch im Kreiſe des Klerus und der katholiſchen Bevölkerung eine weite Verbreitung finden und gute Früchte zeitigen.

Einführung in die Volkswirtſchaft,

von Dr. Eugen Schwiedland, ordentlicher Profeſſor der Politiſchen Oekonomie und Hofrat im Miniſterium für öffentliche Arbeiten. Wien 1909, Manzſcher Verlag.

Wenige Wiſſenszweige, die für die Allgemeinheit von ſo weittragender Bedeutung ſind, wie die Lehre von der Volkswirtſchaft, werden bei uns in ſolchem Maße vernachläſſigt. Zwar können wir nicht über einen Mangel an Lehrern, nicht einmal über Mangel an tüchtigen Lehrern klagen; eher über einen Mangel an Schülern, denen die Möglichkeit gegeben wäre, ſich mit dieſer Wiſſenſchaft ſo intenſiv zu beſchäftigen, wie es ihre praktiſche Bedeutung und ihr Umfang verlangen. Nur etwa ein Sechſtel der Studienzeit an den rechts - und ſtaats - wiſſenſchaftlichen Fakultäten iſt der Volkswirtſchaftslehre zugemeſſen.

Daß wir aber den Mangel an geſchulten National - ökonomen im wirtſchaftlichen wie im politiſchen Leben ver - ſpüren, bedarf für den Einſichtigen keiner Betonung. Dem Ungenügen einer Studienorganiſation ließe ſich aber ge - dankenmäßig durch die Literatur abhelfen. Tatſächlich muß dies ja für alle jene geſchehen, welche bei uns Nationalökonomie ſtudieren wollen. Aber gerade der Anfänger ſtößt auf einen Wall, der am beſten durch mündlichen Vortrag überwunden werden könnte. Die Grundbegriffe und Grundideen, die dem Zünftigen ſelbſt - verſtändlich ſind und mit denen er als tägliches Handwerk - zeug mühelos hantiert, bereiten dem Neuling das größte Hindernis; der Zuſammenhang zwiſchen der Wiſſen - ſchaft und dem Leben, zwiſchen der abſtrakten Lehre und der lebendigen Anſchauung, die auch der Ungeſchulte kennt, iſt bisher durch wenige wiſſenſchaftliche Werke ge - ſchaffen. Tatſächlich bietet auch gerade das Ausfüllen dieſer Lücke bedeutende Schwierigkeiten, da für den Zünftigen alle Dinge, die dem Novizen erſt klar werden müſſen, als Schwierigkeiten gar nicht zum Bewußtſein kommen und weil der wiſſenſchaftliche Trieb bisher Abſtraktionen liebte.

Dieſem Mangel hilft nun die vorliegende Ein - führung ab.

Ein merkwürdiges Buch! Wer es aufſchlägt und weiß, daß der Verfaſſer Inhaber eines Ordinariates, alſo An - gehöriger der Zunft iſt, mag erwarten, daß er es mit einer jener Einführungen in die Volkswirtſchaftslehre zu tun

3Nr. 53 Wien, Montag Reichspoſt 22. Februar 1909.

nannt. Die Parteileitung will erſt den Ausfall der Gemeindewahlen im März abwarten. In der Stadt Hallein, dann in den Märkten des Lungau und des Pinzgau wird ſie die Bewerber der Deutſchen Volkspartei unterſtützen. In Radſtadt ſtellte ſie einen Lehrer (!) auf: Oberlehrer Schintel - meiſter. Man darf begierig ſein, ob auch andere Parteien Lehrer kandidieren. Die Märkte des Tennengau ſollen dem bisherigen Vertreter Bürgermeiſter Huber von Kolling geſichert werden und die Märkte des Flachgau und des Pongau hofft man zu erobern, jene mit dem Spengler - meiſter Bachner in Oberndorf, dieſe mit dem Bürger - meiſter Nitſch von Biſchofshofen. Die Mandate der Landgemeinden ſind der Partei ſicher, dank der uner - müdlichen Organiſationsarbeit des Bauernbundes. Der Großgrundbeſitz, bisher in liberalem Beſitz, wird hoffent - lich ſo vernünftig ſein, ſich dem Bauernbunde anzu - ſchließen.

Das Hauptintereſſe wendet ſich naturgemäß der neuen vierten Kurie zu. Wahlkreis I (Stadt Salzburg) und II (Hallein, Radſtadt und ſämtliche Märkte nebſt Badgaſtein, Maxglan und Gnigl) bilden eine Intereſſen - kurie der früher nicht Wahlberechtigten ohne Wahlpflicht, die Wahlkreiſe III bis IV (Landgemeinden) wählen nach dem allgemeinen gleichen Wahlrechte mit Wahl - pflicht, Die erſten beiden betrachten die Sozial - demokraten als ihren Beſitz, die vier letzteren gehören dem Bauernbunde. Dieſer aber man kann ſeine politiſche Einſicht und ſeine Parteidisziplin nicht hoch genug rühmen tritt von dieſen vier ſicheren Mandaten drei der organiſierten Arbeiterſchaft ab und gibt ihr noch ein Mandat der Zenſuskurie im Pinzgau, ſo daß die chriſtlichſoziale Arbeiterſchaft mit vier ſicheren Mandaten rechnen kann. Abg. Dr. Stölzl hat ſeiner Partei auch eine deutſchbewußte Arbeiterorganiſation geſchaffen. Welches ſichere Mandat wird die deutſch - freiſinnige Koalition ihren Arbeitern abtreten? Für die vier ſicheren Mandate werden kandidiert: der penſionierte Eiſenbahner und Mitglied des Verkehrsbundes Jakob Miglbauer in Steindorf; Präſes des Katholiſchen Arbeitervereines in St. Johann im Pongau Kooperator Michael Neureiter; Fabriksarbeiter Joſef Mühl - mann, Obmann des Katholiſchen Arbeitervereines in Lend, und Joſef Rainer, ehemals Holzarbeiter und jetzt Gemeindeſekretär in Saalbach. Dazu kommen zwei Kampfkandidaten: für die Stadt Salzburg der Kleingewerbetreibende Baldinger, welcher lange Jahre Obmann des katholiſchen Arbeitervereins war, und für die Städte und Märkte Redakteur Franz Schmitz, Zentralpräſes der katholiſchen Geſellenvereine. Letzterer iſt in allen Märkten bei den Arbeitern als tüchtiger Redner und Organiſator bekannt, ſtammt aus einer Arbeiterfamilie und leitet ſeit Jahren die ſozialen Kurſe in Salzburg. Wenn jemand, ſo iſt er geeignet die Arbeiterſchaft auch wiſſenſchaftlich zu vertreten. Das vierte Mandat der allgemeinen Kurie hat der Bauernbund dem den Leſern der Reichspoſt gut bekannten Doktor Franz Hofer angetragen, der als Hausbeſitzer in Schwarzach im Pongau zu den Salzburgern gerechnet werden kann. So müſſen auch die Gegner zugeſtehen, daß die Kandidatenliſte der Chriſtlichſozialen allen be - gründeten Anforderungen an eine Volkspartei gerecht wird.

Liberale Vermutungen.

Aus Olmütz, 21. d., wird uns berichtet: In einer Wählerverſammlung er - ſtattete der Präſident der Olmützer Handels - und Gewerbekammer, Abg. Primaveſi, heute hier ſeinen Rechenſchaftsbericht und erklärte u. a., er habe das innere Empfinden, daß das neue Miniſterium des Frei - herrn v. Bienerth zu einem größeren und geheimeren Zwecke berufen wurde, als nach außen hin mitgeteilt wird. Es ſei nicht ausgeſchloſſen,daß Freiherr v. Bienerth die Abſicht hat, das Abgeord - netenhaus für den Fall, als es ſich neuer - lich als arbeitsunfähig erweiſen ſollte, aufzu - löſen und für den Fall, als auch das neue Haus die Sprachenfrage nicht erledigen ſollte, das Sprachengeſetz mit dem § 14 durchzuführen. Zahnarzt Dr. Kraus polemiſierte gegen Primaveſi und meinte, es ſei hoch an der Zeit, die Sprachenvorlagen ſo raſch als möglich aus der Welt zu ſchaffen, da ſie jede andere poſitive Arbeit im Reichsrate hindere. Es ſei daher notwendig, daß ſich die Deutſchen mit den Tſchechen einigen. Der Vorſitzende GR. Föhner trat Dr. Kraus entgegen. Schließlich wurde eine Reſolution beſchloſſen, in der dem Abg. Primaveſi das Vertrauen ausgeſprochen und er erſucht wird, dahin zu wirken, daß die deutſche Gemeinbürgſchaft unver - brüchlich aufrecht erhalten und weiter ausgeſtaltet werde.

Die Alttſchechen und Ackerbauminiſter Braf.

Aus Prag, 21. d., wird uns gemeldet: Das alttſchechiſche Exekutivkomitee hielt heute unter Vorſitz des Herrenhausmitgliedes Dr. Mattus eine zahlreich beſuchte Verſammlung ab, in welcher die allgemeine politiſche Situation beſprochen und die Stellung der Partei gegenüber der jetzigen Regierung erörtert wurde. Das Exekutivkomitee faßte ſeine Anſichten in eine Re - ſolution, in welcher erklärt wird, daß einer Regierung, die die größte Zahl der Reſſorts mit ausgeſprochenen Feinden des tſchechiſchen Volkes beſetzte, kein Vertrauen entgegengebracht werden könne. Die alttſchechiſche Partei erblickte in der Berufung eines ihrer beſten Parteigenoſſen und aufrichtigen Sohnes des tſchechiſchen Volkes, Profeſſor Brafs zum Ackerbauminiſter gegenwärtig nichts anderes als die Tatſache, daß eine außerordentliche wiſſen - ſchaftliche Potenz für die ſtaatliche Verwaltung gewonnen wurde. Obwohl der Eintritt Profeſſor Brafs in das Miniſterium ohne Vorwiſſen des Exekutivausſchuſſes vollzogen wurde, hegt die alttſchechiſche Partei die feſte Ueberzeugung, daß Profeſſor Braf in ſeiner Eigenſchaft als Ackerbauminiſter nur das beſte für das tſchechiſche Volk anſtreben werde, daher begrüße die Partei den Ackerbauminiſter. Immer die alte Melodie: Nieder mit der Regierung, hoch die Portefeuilles!

Hribar ſucht Konfliktsſtoff.

Aus Laibach, 21. d. wird uns gemeldet: Der Gemeinderat beſchloß in ſeiner geſtrigen Sitzung eine Reſolution, in der die Regierung aufgefordert wird, daß in Hinkunft alle Zu - ſchriften in Angelegenheit des übertragenen Wirkungs - kreiſes, die an die Stadtverwaltung gerichtet ſind, in ſloveniſcher Sprache abgefaßt ſein ſollen. Den Vorſchlag des Landesausſchuſſes, die Stadtgemeinde möge das ſloveniſche Theater in Laibach in eigene Regie über - nehmen, wird der Gemeinderat in ſeiner nächſten Sitzung beraten.

Ausland.

Die Norddeutſche Allgemeine Zeitung ſchreibt in ihrer geſtrigen Wochen - rundſchau:

Die von König Eduard bei dem Empfange der engliſchen Kolonie ausgedrückte Erwartung, daß der ihm und der Königin hier gewordene herzliche Empfang jenſeits der Nordſee einen lebhaften Widerhall finden werde, iſt in reichem Maße in Erfüllung gegangen. Von der Ueberzeugung, die der König bei der Eröffnung des Parlaments äußerte, daß der herzliche Willkomm dazu beitragen werde, die freundſchaftlichen Gefühle zwiſchen beiden Nationen zu ſtärken, ſind in Deutſchland Regierung und Volk gleich erfüllt, welche ſich eins wiſſen in dem Wunſche, die Beziehungen der beiden Nationen zu einander im Sinne unausgeſetzter freundſchaftlicher Entwicklung fortſchreiren zu ſehen. Das Blatt betont dann, daß die Adreßdebatte in beiden Häuſern des engliſchen Parlaments ſich im Einklange mit den Aeußerungen des Königs befand, und erklärt, daß man

hat, die für alle jene geſchrieben ſind, die ſich ſchou ſeit Jahren mit dieſer Wiſſenſchaft befaſſen. In muſterhafter Weiſe hält indes dieſe Arbeit an dem Grundſatz feſt, wirklich einzu - führen. Der Stil iſt von ſeltener Lebendigkeit, die Aus - drucksweiſe in allem durchaus klar und durchſichtig. Keine ſeichten, aber auch keine dunklen Stellen. Die einfache Formel, die ſich für komplizierte Dinge ſo ſchwer finden läßt, wird klar herausgehoben. Die Grundlinie, die auf - gezeigt werden ſoll, iſt nirgends durch Details verwiſcht, die nicht in eine Einführung gehören und ſo geht der Faden der Erkenntnis nirgends verloren.

Die Zuſammenhänge zwiſchen der Wirtſchaft und den übrigen Faktoren der Geſellſchaft ſind hier in außerordentlich gelungener Weiſe aufgezeigt, und es wäre daher zu wünſchen, daß dieſes Buch in den Kreis der Studierenden den Eingang fände. Um es zu dieſem Zwecke noch brauch - barer zu geſtalten, würden ſich vielleicht im § 7 (über die Bevölkerung) gewiſſe Kürzungen empfehlen, die es möglich machten, das Buch auch Heranwachſenden in die Hand zu geben.

Nehmen wir alles in allem, ſo kann dahin geurteilt werden, daß das Buch den Zweck erfüllt, den der Verfaſſer in einer Vorbemerkung aufſtellt: eine Anſchauung vom wirtſchaftlichen Leben zu geben, deſſen Grundlagen darzu - ſtellen und ein Leſebuch für Studierende und Gebildete zu ſein. f. r.

Neu eingelaufene Bücher.

Große und kleine Kinder. Erzählung für die Jugend von Gräfin Marie Corniani-Ouvaroff. Freie Bearbeitung von Gräfin Erika Maria v. Pfeil. Mit ſiebzehn Bildern von H. K. Günther. (VIII u. 248) Freiburg 1909. Herderſche Ver - lagsbuchhandlung. Mark 2. ; in Originalleinwandeinband Mark 2.80.

Der franzöſiſche Kulturkampf. Bon Profeſſor Dr. Holzer. 139 Seiten. Schilderung der Entſtehung, Entwicklung und Folgen der jetzigen religiös-politiſchen Wirren in Frankreich, Verlag Opitz, Warnsdorf. Preis Kronen 1.20.

Mitteilungen des k. k. Archivs für Niederöſterreich. Herausgegeben im Auftrage des Statthalters Grafen Kielmans - egg durch die Direktion des Archivs von A. Starzer, Archiv - direktor. I. Jahrgang, Heſt 4. Verlag Fromme, Wien.

Der König der Panduren. Roman aus der Zeit Maria Thereſis. Band 23 und 24 der Pohlſchen Volks - bücherei. Verlag Pohl, Prachatitz. Preis per Band Kronen .50.

Schädlicher und nützlicher Einfluß der Feſtungen auf die Kriegführung. Dargeſtellt an den Kriegsereigniſſen im Bereiche des venetianiſchen Feſtungs - vierecks von 1796 bis 1866. Von P. Rath. Verlag Seidel & Sohn, Wien.

Zeitſchriften: Die chriſtliche Frau. Zeitſchrift für weibliche Bildung und chriſtliche Frauentätigkeit in Familie und Geſellſchaft. Zugleich Organ für die katholiſche Frauenbewegung. Herausgegeben vom Charitasverband für das katholiſche Deutſch - land. Jährlich 12 Hefte. Preis Mark 5. . Charitasverlag zu Freiburg i. Br., Belfortſtraße 20. Der Ordensdirektor. Korre - ſpondenzblatt für Direktoren des III. Ordens. Jeden zweiten Monat ein Heft. Preis Kronen 3.20. Verlag Franziskanerkloſter Innsbruck. Jung-Oeſterreich , Monatsſchrift herausgegeben vom katholiſchen Jünglingsverein Mariahilf , Preis Kr. 2.60. Verlag des genannten Vereines, Wien, 7. Bez., Weſtbahn - ſtraße 40. Die Schulreform , Zeitſchrift zur Förderung einer Neuordnung unſeres Unterrichts und Erziehungsweſens und der Pflege der Jugend - und Kinderfürſorge. Abonnementspreis Kronen 4. . Verlag Habacher-Gmunden. Hiſtoriſch-politiſche Blätter . Jahrgang 1909. Eigentum der Familie Görres. In Kommiſſion der Literariſch-artiſtiſchen Anſtalt (Riedel) - München. Die katholiſchen Miſſionen . Illuſtrierte Monatſchrift. 37. Jahrgang. (Oktober 1908 bis September 1909.) 12 Nummern. Preis Mark 4. . Verlag Herder-Freiburg. Stimmen aus Maria-Laach . Katholiſche Blätter. Jahrgang 1909, Jährlich 10 Hefte. Preis Mark 10.80. Verlag Herder-Freiburg. Weckrufe an das katholiſche Volk. Vereinszeitſchrift herausgegeben vom Dr. Kaſpar Schwarz, Jährlich 12 Nummern. Preis Krone 1. . Verlag des Katholiſchen Schulvereines-Wien, 1. Bez., Stefans - platz 6. Allgemeine Rundſchau . Wochenſchrift für Politik und Kultur. Herausgegeben von Dr. Armin Kauſen in München. Preis per Quartal Mark 2.40.

deutſcherſeits der Auffaſſung Crewes vollauf beipflichte, daß die freundſchaftliche Geſtaltung der Beziehungen Deutſchlands und Englands zu einander nicht eine Gefährdung der zwiſchen einem von ihnen zu dritten Mächten beſtehenden Bündniſſe oder Ver - ſtändigungen vorausſetze oder anſtrebe. Ebenſo könne man mit Crewe vom deutſchen Standpunkt aus die Ueberzeugung teilen, daß Deutſchland und England imſtande ſein ſollten, jedes gegenüber dem anderen die Gelegenheit zu einträchtigem Zu - ſammenwirken zu ergreifen, nicht nur zur Aufrechterhaltung des Friedens, ſondern auch zur Förderung der vielen Intereſſen beider Länder, die einander nicht widerſtreiten. In dem Maße, wie ſolche Auffaſſungen auf beiden Seiten der Nordſee Gemeingut immer weiterer Kreiſe werden, werde ſich die Grundlage feſtigen, die durch die Berliner Feſttage ge - ſchaffen worden iſt, und auf dieſer Grundlage würden ſich dann die Beziehungen zwiſchen beiden Stationen in erſprießlicher Weiſe zu einem ſtets ſtärker werdenden Friedensfaktor entfalten können.

An den deutſchen Kaiſermanövern werden, wie aus Berlin vom 21. d. M. berichtet wird, in dieſem Jahre das 12. und 14. Armeekorps teil - nehmen ſowie das 1. und 3. bayriſche Armeekorps und die 4. bayriſche Diviſion.

Die franzöſiſchen Marinekredite ſind, wie aus Paris vom 21. d. M. gemeldet wird, in dem Samstag abgehaltenen Miniſterrate vom Finanz - miniſter Caillaux in 3 Kategorien eingeteilt worden, nämlich die unerläßlichen Kredite im Betrage von 85 Millionen Franken; in die Kredite, die ſolange zurückgeſtellt werden müßten, bis weitere Aufſchlüſſe über ihre Verwendung erteilt würden, ihre Höhe beläuft ſich auf 25 Millionen Franken und die Kredite (113 Milli - onen Franken), die zurückgeſtellt werden müßten, da ſie den Beginn des neuen Programmes bilden.

Ueber den Expräſident von Vene - zuela Caſtro meldet die Aſſociated Preß aus Caracas vom 21. d.: Der Bundesgerichtshof hat nach Prüfung der gegen den Präſidenten Caſtro er - hobenen Anklage wegen Teilnahme an dem zur Ermordung des Vizepräſidenten Gomez geſchmiedeten Komplott dahin entſchieden, daß ge - nügende Beweiſe vorliegen, um die weitere Verhandlung dem Kriegsgerichte zu überweiſen. Gleichzeitig erklärte der Bundesgerichtshof, daß Caſtro verfaſſungsgemäß von der Präſidentſchaft ſuspendiert worden ſei.

In Teheran wurde, wie aus Berlin vom 21. d. gemeldet wird, eine große Zahl vom Bomben von der Polizei beſchlagnahmt. Es wurden viele Ver - haftungen vorgenommen.

Tagesbericht.

* Kalender für Dienstag den 23. Februar 1909.

Katholiken: Romana. Griechen (10. Februar): Charal. Sonnenaufgang 6 Uhr 56 Minuten morgens. Sonnenunter - gang 5 Uhr 33 Minuten abends. Mondesaufgang 8 Uhr 48 Minuten morgens. Mondesuntergang 9 Uhr 37 Minuten abends.

* Geſchichtskalender für den 23. Februar.

1685. Georg Friedrich Händel, der Großmeiſter des Oratoriums in Halle geb. 1813. Franz Delitſch, Theolog und Sprachforſcher, in Leipzig geb. 1834. Der Afrikareiſende Guſtav Nachtigal in Eichſtedt bei Stendal geb. 1855. Tod des Mathematikers Joh. Friedr. Gauß in Göttingen. 1863. Der Maler Franz Stuck in Gettenweis (Niederbayern) geboren. 1879. Der Generalfeldmarſchall und preußiſche Kriegsminiſter Albrecht von Bonn in Berlin geſt. 1908. Der Chirurg Friedrich v. Ermarck in Kiel geſt. Der tſchechiſche Dichter Svatopluk Cech in Prag geſt. Der tſchechiſche Geſchichtsſchreiber und Staatsmann Dr. Johann Palacky in Prag geſt.

* Auszeichnungen und Ernennungen.

Der Kaiſer hat dem Hofrechnungsrate Andreas Neidhart anläß - lich der Verſetzung in den Ruheſtand das Ritterkreuz des Franz-Joſefordens, den Staatsbahndirektorſtellvertretern Moritz Tiſchler und Karl Ritter von Liſtowski aus Anlaß der Uebernahme in den Ruheſtand den Titel eines Hofrates verliehen, den Miniſterialſekretär im Eiſen - bahnminiſterium Dr. Georg Younga Ritter v. Lenie ſowie den Oberinſpektor der öſterreichiſchen Staatsbahnen Heinrich Steininger zu Staatsbahndirektorſtell - vertretern in der ſechſten Rangsklaſſe der Staatsbeamten, und zwar erſteren unter Belaſſung des Titels eines Sektions - rates und letzteren unter gleichzeitiger Verleihung des Titels eines Regierungsrates ernannt. Der Oberſt - kämmerer hat an der Hofbibliothek den Aſſiſtenten Dr. Ferdinand Scherber zum Kuſtosadjunkten und den wiſſenſchaftlichen Hilfsarbeiter Dr. Franz Martin Haberditzl zum Aſſiſtenten ernannt. Der Miniſter für Kultus und Unterricht hat den Uebungsſchullehrer am Landeslehrerſeminar des Pädagogiums in Wien Siegmund Müller zum Hauptlehrer an der Lehrerinnenbildungs - anſtalt in Wien ernannt. Der Handelsminiſter hat zu Poſträten ernannt die Poſtſekrekäre Erwin Natterer in Wien, Dr. Adrian Müller in Graz, Johann Jurasky in Brünn, Johann Dobuſch in Prag für Wien, Hugo Dörfel in Prag, Karl Schwarzer in Prag, Dr. Anton Kaſtner in Innsbruck, Viktor Streichert in Graz und Rudolf Skliba in Prag, ferner die Oberpoſtkommiſſäre Karl Schleſinger in Wien und Dr. Viktor Wranitzky in Graz. Der Handelsminiſter hat den Poſtkontrollor Lorenz v. Mirkovic in Zara zum Oberpoſtkontrollor in Cattaro ernannt.

* Perſonalnachrichten.

Der Miniſter für öffentliche Arbeiten Auguſt Ritt hat ſich geſtern abend auf mehrere Tage nach Innsbruck begeben

* Beeidigungen.

Der Kaiſer hat heute vormittag den neuernannten Oberſthofmeiſter der Erzherzogin Adelgunde, Grafen Paul Forni, und den General-Oberſtabsarzt Dr. Joſef R. v. Uriel in ihrer Eigenſchaft als geheime Räte beeidigt.

* Fremde Fürſtlichkeiten.

Herzog und Herzogin Nikolaus von Leuchtenberg ſind am 20. d. M. von hier nach Paris abgereiſt.

* Hoftrauer.

Auf kaiſerliche Anordnung wird für Wladimir Alexandrowitſch Großfürſten von Rußland die Hoftrauer von Montag den 22. Februar angefangen4Wien, Montag Reichspoſt 22. Februar 1909. Nr. 53durch zehn Tage ohne Abwechſlung bis einſchließlich 3. März getragen.

* Die Soirée dansante bei Hofe.

An Stelle des Balles bei Hof wurde auch heuer eine Soiree dansante in der Hofburg abgehalten, der der Kaiſer nicht beiwohnte. Das Ballfeſt, das geſtern ſtattfand, bot die traditionelle Prunkentfaltung; der Neue Saal, in bem ſich die relativ wenigen Gäſte einfanden, war mit den ſchönſten Pflanzen der Schönbrunner Glashäuſer geziert, auf den Stiegen lagen koſtbare Teppiche und im Neuen Saal war das Auge geblendet vom Glanze der Toiletten, des wertvollſten Schmuckes und der reich dekorierten Uniformen. Um 9 Uhr abends erfolgte der Einzug des Hofes in den Saal; unter dem Vortritte des Oberſtzeremonien - meiſters Grafen Choloniewski kamen in den Ballſaal: Erz - herzogin Maria Annunziata, Erzherzogin Maria Joſefa, Erzherzog Leopold Salvator, Erz - herzogin Blanca, Erzherzogin Iſabella, Erzherzogin Maria Thereſia, Erzherzogin Eleonora, Prinz Kuniyoſhi Kuni, Herzogin Thyra von Cumber - land, Prinzeſſin Olga von Großbritannien, Prinz Auguſt Leopold von Sachſen-Coburg, Prinzeſſin Karoline von Sachſen-Coburg, Prinz Don Miguel von Braganza. Vom Hofſtaat waren anweſend: Erſter Oberſthofmeiſter Fürſt Montenuovo, Oberſthofmarſchall Graf Cziraky und Gräfin Cziraky - Eſterhazy, Oberſtküchenmeiſter Auguſt Graf Bellegarde und Tochter, Oberſtjägermeiſter Maximilian Graf Thun und Gräfin Thun-Lobkowitz und Töchter, Erſter Stallmeiſter Ferdinand Graf Kinsky und Gräfin Kinsky-Auersperg, Flügeladjutant Oberſtleutnant Freiherr Karl von Bronn und Baronin Bronn-Czernin, Flügeladjutant Major Heinrich Graf Hoyos und Gräfin Hoyos-Tranttmansdorf. Vom Hofſtaat der Erzherzoge und der Erzherzoginnen waren ge - kommen: Oberſthofmeiſter GM. Johann Graf Noſtitz mit Gemahlin und Töchter, Oberſthofmeiſter Auguſt Altgraf Salm mit Gemahlin, Kammervorſteher Oberſtleutnant Prinz Zdenko Lobkowitz, Leutnant Franz Graf Walthersdorf, Oberleutnant Johann Graf Palffy, Linienſchiffsleutnant Theodor Graf Hartig und Gemahlin, Oberſthofmeiſterin Karoline Gräfin Attems, Hofdamen Kreszenze Markgräfin Pallavicini und Sofie Gräfin Zamoyska, Graf und Gräfin Friedrich Wurmbrand, Kammervorſteher Auguſt Prinz Lobkowitz, Oberſthofmeiſterin Karoline Gräfin Wimpffen, Kammervorſteher Philipp Graf Cappy, Hofdamen Eleonore Gräfin Zamoyska, Maria Thereſia Freiin v. Ludwigsſtorff, Baronin Maltzing, Hofmarſchall Baron Grotte, Gräfin Schlick-Hohenlohe, Hofdame Gräfin Huyn, der japaniſche Oberſt Nachachira Kurita, Rittmeiſter Franz. Um 9 Uhr begann der Tanz. Hofballmuſikdirektor C. M. Ziehrer ſpielte mit ſeiner Kapelle zum Tanze auf. Um ¾12 Uhr wurde das Souper genommen; es dauerte bis ½1 Uhr. Darauf trat wieder der Tanz in ſeine Rechte. Bis ½2 Uhr wurde unermüdlich bei Ziehrers aufmunternden Weiſen getanzt. Darauf wurde der Ballgeſellſchaft der Tee ſerviert. Nach 2 Uhr früh war die Soiree zu Ende.

* Herrenhausmitglied Julius Ritter v. Gomperz geſtorben.

Aus Brünn wird vom 21. März telegraphiert: Herrenhausmitglied und Präſident der Brünner Handels - und Gewerbekammer Julius Ritter v. Gomperz iſt heute nacht nach kurzer Krankheit im Alter von 85 Jahren geſtorben.

* Staatsbahnoffiziantentag in Wien.

In der Volkshalle des Neuen Rathauſes fand geſtern ein maſſeu - haft beſuchter Offiziantentag der Staatsbahnen ſtatt, welcher die einmütige Forderung nach Erlangung des Beamten - charakters aufſtellte. Zur Tagung waren Offizianten aus vielen Städten Oeſterreichs eingetroffen.

* Erdbeben.

Der Draht meldet aus Madrid vom 21. d.: In Elche wurden mehrere Erdſtöße wahr - genommen, die die Bevölkerung in Schrecken verſetzten. Das Publikum floh aus der Kirche. Mehrere Frauen und Kinder wurden in dem Gedränge niedergeſtoßen und ver - letzt. Auch in Crevillente wurden Erdſtöße verſpürt.

* Unfall eines Vrunnengräbers.

Aus Amſtetten wird uns gemeldet: Am Donnerstag den 18. d. war man heim Bgm. Joſef Zarl in Allersdorf bei Amſtetten mit dem Tiefergraben des Hausbrunnens beſchäftigt. Unten im Brunnen arbeitete der Brunnenarbeiter Franz Kern, welchem die Aufgabe oblag, die Schuttmaſſen in einen Eimer zu verladen. Als man den entleerten Eimer wieder in den Brunnen hinablaſſen wollte, fiel derſelbe um und ſtürzte, da auch der Zughaken, an welchem er befeſtigt war, ausfiel, auf den in der Tiefe arbeitenden Kern hinab. Der Unglückliche wurde von dem zirka 15 Kilogramm ſchweren, eiſenbeſchlagenen Eimer zu Boden geſchmettert und blieb bewußtlos unter demſelben liegen. Der die Arbeiten leitende Brunnenmeiſter Hebenſtreit ließ ſich ſofort in den Brunnen hinab und es gelang ihm, nach harter Mühe den Schwer - verletzten emporzuziehen. Stadtarzt Dr. Heinrich Zemsky leiſtete ihm ärztlichen Beiſtand. Dieſer konſtatierte den Bruch dreier Rippen ſowie einen ſchweren Nervenchok.

* Warnung vor der ungariſchen Klaſſenlotterie.

Im Hinblicke auf die ungeachtet wiederholter amtlicher Kundmachungen immer wieder wahrgenommene, vielfach auf Unkenntnis zurückzuführende Beteiligung des Publikums an dem Spiele der ungariſchen Klaſſenlotterie muß vor dem Ankaufe von Loſen derſelben, der in Oeſterreich auf Grund der geltenden Geſetze unbedingt verboten iſt, nach - drücklichſt gewarnt werden. Die Treffer dieſer Lotterie unterliegen gemäß § 444 des Gefällsſtrafgeſetzes dem Verfall und werden zugunſten des Staatsſchatzes eingezogen. Der Verkauf und Beſitz von Loſen dieſer Lotterie iſt nach dem bezogenen Geſetze mit empfindlichen Geld -, beziehungsweiſe Arreſtſtrafen bedroht. Nicht ohne Intereſſe iſt die Tatſache, daß ungariſche Unternehmer, welche die Vevölkerung durch marktſchreieriſche Reklame, Einſendung nicht beſtellter Lotterieſcheine uſw. zum Ankaufe von Loſen der Klaſſenlotterie zu verleiten ſuchen, wie in einzelnen Fällen amtlich konſtatiert wurde, die eventuell erzielten Treffer in der Regel nicht bar aus - zahlen, ſondern ſtatt des Gewinſtes neue Loſe über - ſenden.

* Unfälle von Sportsleuten.

Beim Rodeln im Fuchsloch im 16. Bezirke kam der Schloſſersſohn Alfons Sobeck mit dem Rodel dadurch zu Falle, daß ein Paſſant trotz Zurnfes nicht auswich. Er erlitt einen offenen Bruchdes rechten Unterſchenkels. Die Kontoriſtin Elſa Klatſchko iſt geſtern in Payerbach beim Rodeln geſtürzt und brach den rechten Unterſchenkel. Der Maſchinentechniker Rudolf Windſchek ſtürzte geſtern vormittag beim Rodeln auf dem Roten Berg im 13. Bezirk und erlitt eine Gehirn - erſchütterung. Der Schneidersſohn Leopold Kamazin fuhr geſtern mit ſeiner Mutter, Linzerſtraße Nr. 406 wohn - haft, vom Satzberg in Hütteldorf mit dem Rodel hinab. Der Rodel ſtürzte um und ein nachkommender Fahrer fuhr über den Knaben, der einen Bruch des rechten Oberſchenkels erlitt.

* Der geſtrige Prager Sonntag .

Aus Prag, 22. d., wird gemeldet: Der geſtrige Bummel der deutſchen Studentenſchaft, der auf dem Wenzelsplatze ſtattfand, war mit Rückſicht auf die Faſchingsferien nur ſchwach beſucht und verlief bis ½12 Uhr ohne jede Störung. Als nach Schluß des Bummels 20 deutſche Couleurſtudenten den Wenzelsplatz verließen und durch die Torgaſſe gingen, wur - den ſie von einem großen Trupp nationalſozialer Demon - ſtranten verfolgt, beſchimpft und mit Schneeballen und Kot beworfen. Die dentſchen Studenten mußten in ein Haus flüchten. Polizei befreite die verfolgten Studenten und zer - ſtreute die Demonſtranten. Auch an anderen Punkten des Wenzelsplatzes kam es nach Schluß des Bummels zu kleineren Anrempelungen. Einige der Demonſtranten wur - den verhaftet.

* Die revolutionäre Militärorganiſation in Rußland.

Der Draht meldet aus Warſchau vom 21. d.: Das Kriegsgericht verurteilte fünf Offiziere wegen Zu - gehörigkeit zum allruſſiſchen Offiziersbund zu ſechs bis acht Jahren Zwangsarbeit. Außerdem wurden 19 Soldaten und zwei Gymnaſiaſten wegen Teilnahme an der revolutionären Militärorganiſation teils zu Zwangsarbeit, teils zu anderen Strafen verurteilt.

* Bürgermeiſterwahl in Marienbad.

Man tele - graphiert uns aus Marienbad vom 22. d.: Bei der Wahl des Stadtvorſtandes wurde der bisherige Bürger - meiſter Dr. Reiniger einimmig wiedergewählt.

* St. Elmsfeuer.

Aus Marienbad wird uns geſchrieben: Eine ſeltene Naturerſcheinung wurde am 20. d., 11 Uhr nachts vom Gendarmeriepoſtenführer Kirſch auf ſeinem Patrouillengange vom Regensteich gegen Flaſchenhütte beobachtet. Kirſch fühlte plötzlich, daß ſein aufgepflanztes Gewehr ſurre und die Spitze des Bajonetts eine etwa vier Zentimeter lange bläuliche Flamme aus - ſtrahle. Die Bäume rings umher trugen gleichfalls bläu - liche Lichtkronen. Dieſe Erſcheinung ein St. Elmsfeuer war während eines heftigen Scheeſturmes aufgetreten und hielt ſo lange, bis plötzlich Windſtille eintrat. Im ſelben Momente erloſch die Erſcheinung, die auch von einem Poſtenführer in der Richtung gegen Hochofenhäuſeln wahr - genommen wurde, der das Phänomen als einen bläu - lichen Lichtſchein ſchilderte, welcher über der Landſchaft lagerte.

* Die geängſtigten Klofacianer.

Aus Prag wird uns vom 21. d. berichtet: Abg. Dr. Hejn hat namens der tſchechiſchen ſtaatsrechtlichen Partei an den Abg. Udrzal als derzeitigen Obmann des tſchechiſchen Nationalverbandes die Aufforderung gerichtet, die parla - mentariſche Kommiſſion des Tſchechenklubs ſofort einzube - rufen, um gegenüber der Verfolgung von Abgeordneten und Parteizugehörigen der nationalſozialen Partei Stellung zu nehmen.

* Faſtenhirtenbrief des Feldbiſchofs.

Der geſtrige Korps - und Landwehrkommandobefehl verlautbarte die Faſtenordnung für das Jahr 1909 / 10 und das oberhirtliche Schreiben des k. u. k. apoſtoliſchen Feldvikariates an alle katholiſchen Angehörigen des k. u. k. Heeres und der k. u. k. Kriegsmarine. Er ſpricht von der Hoffnung, die in allen Menſchen lebt, und weiſt auf Gott hin, deſſen Güte un - endlich, deſſen Macht unbegrenzt und deſſen Treue un - zweifelhaft iſt.

* Myſteriöſer Tod.

Man telegraphiert uns aus Chemnitz vom 21. d.: Der Gutsbeſitzersſohn Pempter iſt am vergangenen Sonntag in Kleinhartmanns - dorf geſtorben. Der Arzt konſtatierte bei der Leichenſchau, daß der Tote zum Skelett abgemagert war und ein Gewicht von kaum 40 Pfund hatte. Die Freiberger Staats - anwaltſchaft ordnete die gerichtliche Obduktion der Leiche an, weil ſchwere Verdachtsmomente gegen den 72jährigen Vater des Pempter vorlagen. Der Tote, welcher ein Alter von 42 Jahren erreichte, war ſchon viele Jahre von den Bewohnern von Kleinhartmannsdorf nicht mehr geſehen worden und ſoll von ſeinem Vater in einer Kammer jahrelang eingeſperrt gehalten worden ſein. Pempter wurde über Anordnung der Staatsanwaltſchaft verhaftet.

* Ein fechzehnjähriger Räuber.

Aus Wiener-Neu - ſtadt, 21. d., wird uns berichtet: Der ſechzehnjährige Heinrich Wappel unternahm geſtern auf die Tabaktrafikantin Marie Nehiba in der Zehnergaſſe ein Raubattentat. Er ging in die Trafik und benützte die Abweſenheit der Trafikantin, um die Geldlade aufzureißen und daraus zu nehmen, was ihm in die Hände fiel. Auf den Lärm hin eilte die Trafikantin Frau Nehiba herbei. Es entſpann ſich zwiſchen den beiden ein heftiger Kampf. Der Junge würgte die Frau und packte ſie an der Bruſt. Die ſtarke Frau zerrte den Burſchen bis zur Türe und rief laut um Hilfe. Der benachbarte Friſeur Joſef Wagenhofer und der Gepäcksträger Johann Kornfeld kamen der Frau zu Hilfe und nahmen den Räuber feſt. Wappel hat im Laufe der letzten Zeit auch an zwei anderen hieſigen Geſchäftsleuten, nämlich bei der Gemiſchtwaren - händlerin Anna Dominig und bei Joſef Wolf auf die gleiche Art Raubattentate verübt und die Geldladen aus - geraubt. Der Burſche war beim Polizeiverhör geſtändig und gab an, daß er die Tat vollführte, um einen verſetzten Anzug auslöſen zu können. Er wurde dem hieſigen Kreis - gerichte eingeliefert.

* Erkrankung des neugewählten Labg. Simon Pinggera.

Aus Kloſterneuburg, 21. d., wird uns berichtet: Der erſt am 15. d. neugewählte Labg. Simon Pinggera iſt ſeit einigen Tagen an einer Rippenfell - und Lungenentzündung ſchwer erkrankt. Der - ſelbe ſteht in Behandlung des Stadtarztes Dr. Pietſch. Um ſein Beſinden gibt ſich allgemeine Teilnahme kund.

* 32 Jahre geſchlafen.

Schwediſche Blätter melden, daß am Dienstag eine Dame in Stockholm, Karoline Karlsdatter, die ſeit 32 Jahren ununterbrochen geſchlafen hat, plötzlich erwacht iſt. Mit 13 Jahren verfiel ſie indieſen Schlaf, um mit 45 Jahren wieder zum erſten Male die Auqen aufzutun. Während der 32 Jahre erfolgte natürlich künſtliche Ernährung, zweimal täglich wurde der Schlafenden konzentrierte Fleiſchbrühe eingeflößt. Die 45jährige Perſon hat ein ältliches Geſicht, ihre Geſtalt iſt aber die eines Kindes geblieben. Die Aerzte glauben übrigens nicht, daß Karoline Karlsdatter am Leben bleibt; ſie erwarten einen neuen Schlafanfall oder ihren Tod.

* Entgleiſung des Wien Lemberger Schnell - zuges.

Man telegraphiert uns aus Lemberg vom 21. d.: Der Wien-Lemberger Schnellzug iſt in der Nähe der Station Radymno infolge Bruches einer Eiſen - bahnſchiene entgleiſt, ohne jedoch beſonderen Schaden zu erleiden. Der Zug konnte mit einer vierſtündigen Ver - ſpätung ſeine Weiterfahrt fortſetzen.

* Der Gerſthofer Maskenzug.

In Gerſthof wurde am geſtrigen Sonntag unter der herkömmlichen Maſſen - beteiligung des Publikums der Faſchingsmaskenzug ab - gehalten. Unter den vielen Typen und Gruppen gefielen beſonders den Zuſchauern zwei Gruppen mit etwas Be - rechtigung für den Titel der Aktualität: die eine verhöhnte den modernen Damenhut mit ſeinen rieſigen Dimenſionen, die andere ſtellte eine Hochzeitsreiſe im Luftballon vor; bemerkenswert iſt, daß dieſe Gruppe vom Preisrichter - kollegium mit dem erſten Preiſe bedacht wurde. Selbſt - verſtändlich wurde mit der glücklich überwundenen Waſſernot viel Ulk getrieben; dann gab es ferner noch Gruppen, wie die Erſte Wiener Hirnreinigungsanſtalt u. dgl. m.

* Schneeverwehungen.

Aus Lemberg wird unterm Geſtrigen telegraphiert: Infolge der anhaltenden Schneeverwehungen treffen faſt ſämtliche Eiſenbahnzüge aus Stanislau, Czernowitz, Podwolo - czyska und Wien hier mit Verſpätungen ein. Auf den Strecken Lemberg Jaworow, Lemberg Kurowice und Borki Grzymalow, ſowie auf ſämtlichen Kolomeaer Lokalbahnen wurde der Bahn - verkehr gänzlich eingeſtellt. Der Verkehr der hieſigen elektriſchen Stadtbahn kann nur mit Mühe aufrechterhalten werden. Ein Telegramm aus Villach vom Geſtrigen meldet: Wegen andauernden ſtarken Schneefalles wurde der geſamte Verkehr auf der Strecke Eiſenerz Vordernberg (Markt) wieder eingeſtellt. Aus Kiew wird telegraphiert: Auf den Südweſtbahnen iſt der Güterverkehr infolge Schnee - ſturmes auf einer Strecke von 3000 Werſt ganz eingeſtellt. 20 000 Arbeiter ſind beſchäftigt, die Linien von dem Schnee zu ſäubern. Im Laufe von zwei Tagen ſind dreißig Züge ſtecken geblieben. Einige Züge ſind entgleiſt. Die Billett - ausgabe nach Orten im Süden iſt eingeſtellt. Das Schnee - geſtöber iſt heute ſchwächer.

* Schweres Straßenbahnunglück in Neapel.

Der Draht meldet aus Neapel vom 21. d. M.: Abends ſtieß ein Wagen mit der zwiſchen Caivano und Capo di Chino verkehrenden elektriſchen Straßenbahn zuſammen. Zwei Perſonen wurden getötet und 27 verletzt; von dieſen liegen drei im Sterben.

* Der Prozeß gegen den Mörder Syczinski.

Man telegraphiert uns aus Lemberg vom 20. d. M.: Dem Mörder des Statthalters von Galizien Grafen Potocki Myroslaw Syczinski, deſſen Geiſteszuſtand von den Pſychiatern als geſund erklärt wurde, iſt heute vom Unter - ſuchungsrichter LGR. Dr. Berſon der Anklageakt zugeſtellt worden. Falls gegen denſelben kein Rekurs erhoben werden wird, wird der zweite Prozeß gegen Syczinski in der zweiten Hälfte März hier ſtattfinden.

* Der myſteriöſe Verwundete.

Die anfänglich ſo geheimnisvoll erſcheinende Affäre des Angeſchoſſenen, der am 19. d. M. früh im Einſpänner Nr. 366 bei der Rettungsgeſellſchaft um Hilfe erſuchte, iſt nun endgültig geklärt. Das Stadtkommiſſariat hatte noch am 19. d. M. nachts feſtgeſtellt, daß es ſich um einen planmäßig inſzenierten Ueberfall im Café Ilka Ulrich, Fleiſchmarkt Nr. 6, handle. In dieſem Café war kürzlich der Markfierant Joſef Anetzberger, ein alter Raufbold, wegen Verdachtes des Falſchſpieles mißhandelt worden. Aus dieſem Grunde hatte er am 19. d. M. früh mit dem Kellner Franz Weiß, dem Kutſcher Martin Wultſch und Theodor Mayerhofer und dem Tapezierergehilfen Rudolf Seidler die Einrichtung zu demolieren begonnen und als man ihn energiſch zur Ruhe verwies, mit einem großen Schnappmeſſer gedroht. Aus Notwehr gab der Buchdrucker Joſef Fabritzky vier Revolverſchüſſe ab, deren einer Anetz - berger in den Oberſchenkel traf. Er flüchtete mit den Be - gleitern und fuhr zur Rettungsgeſellſchaft, wo er ſich Pferdehändler Berger nannte und ſich verbinden ließ. Nach - dem nun alle Begleiter Anetzbergers und auch Joſef Fabritzky in Haft waren, iſt am 20. d. auch Anetzberger, der den Spitznamen der Blaue führt und in Hernals, Weißgaſſe 18 wohnt, verhaftet worden. Da nach der Er - hebungen der Ueberfall planmäßig war, wurde die ganze Geſellſchaft wegen Hausfriedenbruches, Fabritzky wegen ſchwerer körperlicher Beſchädigung dem Landesgericht eingeliefert.

Möbel.

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Letzte Telegramme.

Der bosniſche Landtag.

(Privattelegramm.) Für die Tagung des bosniſch-herzegoviniſchen Landtages werden der Feſtſaal des Rathauſes und eine Reihe von Neben - räumlichkeiten adaptiert. Hier wird der Landtag bis zur Errichtung eines eigenen Landtagsgebäudes ſeine Tagungen abhalten.

Türkiſche Kriegsbefürchtungen.

Die Pforte verfolgt die politiſche Situation in Belgrad ſowie die ſerbiſchen und montenegriniſchen Kriegsvorbereitungen mit wachſender Beſorgnis. Die öffentliche Meinung befürchtet, daß ein Krieg mit Serbien nicht lokaliſiert werden und weitere innere und äußere Möglich - keiten für die Türkei zeitigen könnte, wie der ſerbiſche Krieg vom Jahre 1876.

5Nr. 53 Wien, Montag Reichspoſt 22. Februar 1909.

Bluttat in Favoriten.

Eine entſetzliche Bluttat hat heute nacht ein junger Mann in Favoriten verübt. Erſchoß ſeine Braut und deren Vater an und verletzte beide ſchwer. Der Schauplatz der Tat war das Haus Laaerſtraße Nr. 61. Dort wohnt der Platzmeiſter der Wienerberger Ziegelfabriksaktiengeſellſchaft Alois Kocarnik. Er hat eine Tochter Marie, die mit dem Tiſchler Franz. Müller, Laaerſtraße Nr. 20 wohnhaft, verlobt war. Der Vater und die Tochter hatten mit dem Bräutigam geſtern abend eine Faſchingſonntagunterhaltung in einem benachbarten Gaſt - haus beſucht und waren in beſter Stimmung gegen Mitternacht heimgekehrt. Müller begleitete die Braut nach Hauſe. In der Wohnung angelangt, zog er plötzlich einen Revolver und ſchoß auf die Braut und deren Vater. Drei Projektile trafen den Platzmeiſter Kocarnik. zwei die Braut. Im Revolver ſtak noch eine Patrone, und auch dieſe wollte Müller noch abfeuern. Trotz ſeiner ſehr ſchweren Verletzung ſtürzte ſich der Vater auf den Raſenden und kämpfte mit ihm um den Beſitz der Waffe. Nach verzweifeltem Ringen überwältigte Kocarnik den Müller und drängte ihn zur Türe hinaus. Der Täter verließ das Haus und ſtellte ſich ſelbſt dem Polizeikommiſſariat Favoriten. Die Aerzte fanden Vater und Tochter ſchwer verletzt. Von anderer Seite erfahren wir: Müller hatte im Gaſthaus vier Krügel Bier getrunken. Er iſt ſehr eiferſüchtig veranlagt. Im Gaſthaus hatte es keinen Streit gegeben. Man war auch ohne jeden Verdruß heimgekehrt. Er hat von dem Mädchen an - geblich einen Kuß verlangt und die Braut ſoll ſich geſträubt haben. Dieſe Weigerung ſoll der Grund des Attentats ſein.

Reichsverbandstag der Schuh - machergenoſſenſchaften.

Der Reichsfachverband der Einzelverbände der Schuhmachergenoſſenſchaften Oeſterreichs hielt geſtern Sonntag ſeine Generalverſammlung ab, der auch Rabg. Magiſtratsrat Dr. Heilinger und Genoſſenſchaftsinſtruktor Muuß beiwohnten. Nach der Begrüßung der Ver - ſammlung durch den Präſidenten Zeſewitz und der Erledigung der geſchäftlichen, internen Verbands - angelegenheiten wurde Verbandspräſident Zeſewitz zum Mitglied des Gewerberates gewählt und verſprach, ganz in den Intentionen des Gewerbes zu arbeiten. (Beifall.) Landesverbandsobmann Schwarz (Mödling) verlangte, daß die Zahl der Mitglieder des Gewerberates entſprechend den Bedürfniſſen des Gewerbeſtandes ver - mehrt werde. Ueber ſeinen Antrag wurde beſchloſſen, bei der Konſtituierung des Gewerberates die Forderung nach Vermehrung ſeiner Mitglieder zu ſtellen. Sodann wurde die Sozialverſicherung in Beratung ge - zagen. Delegierter Fidrant (Wien) bemerkte, daß der Gewerbetreibende viel beſſer daran ſei, wenn er im Bedarfsfalle ins Verſorgungshaus gehe, als eine ſo lächerliche Rente zu beziehen, wie ſie im Entwurfe gedacht ſei, und dabei jahrzehntelang hindurch eine un - erhörte Belaſtung zu ertragen. Lieber wollen die Gewerbetreibenden gar keine Altersverſicherung als eine ſolche. (Zuſtimmung.)

Delegierter Wimaſal (Wien) verlangte Schaffung einer allgemeinen Altersverſicherung. (Zuſtimmung.) Delegierter Kauber (Wien) kritiſierte in eingeyender Weiſe den Geſetzentwurf und erklärte, es ſei unbe - greiflich, wie ein Gewerbetreibender mit einer Rente von 160 bis 246 Kronen leben ſoll. Er verlangte unter anderen die Ausdehnung der Verſicherungspflicht auf alle Selbſtändigen ohne Rückſicht auf Arbeiter und Ein - kommen. Landesverbandsobmann Vorſteher Pöll (Linz) forderte die Gewerbetreibenden auf, ſich nicht abſolut gegen die Sozialverſicherung auszuſprechen, doch müſſe verlangt werden, daß die Verſicherung den Bedürfniſſen der Gewerbetreibenden angepaßt werde. Er ſchlug eine Reihe von Abänderungen, vor allem die Erweiterung der Verſicherungspflicht auf alle Gewerbe - und Handeltreibenden ohne Unterſchied des Einkommens vor und beantragte ſchließlich eine Reſolution, in der die Verbandsverſammlung es mit Befriedigung begrüßt, daß in dem Geſetzentwurfe betreffend die Sozial - verſicherung zum erſtenmal das Prinzip der obligatori - ſchen Altersverſicherung für Kleingewerbe und Klein - handel unter Gewährung eines ſtaatlichen Zu - ſchuſſes anerkannt wird und als einen beſonderen Vorzug des Geſetzentwurfes, daß es geſtattet ſein ſoll, durch freiwillige Einzahlungen die ſpärlichen Verſicherungsleiſtungen des Geſetzes zu erhöhen. Eine Invalidenfürſorge bei vollkommener Erwerbsunfähigkeit hält die Verſammlung für eine unbedingte Notwendigkeit, wogegen es keinem Bedenken unterliegt, nach einer ge - wiſſen Uebergangsfriſt die Wartezeit für die Alters - verſicherung auszudehnen. Dagegen ſteht der Selbſt - ſtändigenverſicherung gegenüber die Verſammlung auf dem Standpunkte, daß der Gewerbe - und Handelsſtand für die Verſicherungsleiſtungen durch ſeine Prämien auch voll aufkommen und er lehnt es aber ab, mit den Prämien des Gewerbeſtandes für die Verſicherung der Kleinbauern beizutragen, und fordert ſie dagegen, daß im Geſetze die Bürgſchaft geboten wird, daß die Beiträge der Gewerbe - und Handeltreibenden auch nur für deren Verſicherung be - nützt werden, ferner daß die Verſicherungspflicht auf alle Gewerbe - und Handeltreibenden ohne Unterſchied des Einkommens ausgedehnt werde. Von den Landesverwal - tungen erhofft man, daß ſie durch ausgiebige Zuſchüſſenach belgiſchem Muſter zur freiwilligen Mehr - verſicherung aneifern. An die gewerbe - freundlichen Abgeordneten, insbeſondere die freie gewerbliche Vereinigung des Abgeordnetenhauſes wird nun die nachdrückliche Bitte gerichtet mit allen Miteln darauf hinzuwirken, daß die Alters - und Invaliditätsverſicherung der Gewerbe - und Handels - treibenden ſobald als möglich zur Verwirklichung ge - lange. Die Reſolution wurde angenommen.

Delegierter Chriſtof (Graz) beſprach hierauf das Kartellweſen und ſagte, daß ein Kartell für Schuhmaterialien gebildet worden ſei und eine ſchwere Schädigung des Schuhmacherhandwerkes bedeute. Man ſolle die kartellierten Materialien meiden. Es ſei eine ſtramme Organiſation notwendig, um der Kartellbildung Einhalt zu tun.

Er brachte eine Reſolution zur Verleſung, in der von der Regierung die Schaffung ein es Kartellgeſetzes verlangt und das Verbandspräſidium beauftragt wird, bei Wieder - zuſammentritt des Abgeordnetenhauſes diesbezüglich die entſprechenden Schritte zu unternehmen.

Ueber Antrag des Vorſtehers Pöll (Linz) wurde beſchloſſen, an die Regierung und Abgeordnrten mit dem Erſuchen heranzutreten, das Vertragsverhältnis der Fach - lehrer und Werkmeiſter der Gewerbeförderungsinſtitute aufzuheben und es in definitive Anſtellung umzuwandeln.

Einer Einladung desſelben Delegierten zum Beſuche der im September in Linz ſtattfindenden Handwerker - und Induſtrieansſtellung verbunden mit einer Reichs - handwerkertagung entſprechend wurde beſchloſſen, einen Sonderzug dorthin zu arrangieren. Nach fünfſtündiger Dauer ſchloß Präſident Kammerrat Zeſewitz mit herzlichen Dankesworten die Tagung.

Die Meſſerſtecher von Berlin. Verhaftung eines Verdächtigen.

Geſtern nacht iſt ein Mann verhaftet worden, in dem man einen der geſuchten Meſſerſtecher vermutet. Gegen Mitternacht erſtattete ein Arbeiter auf der Polizei die An - zeige, daß er von einem Burſchen überfallen worden ſei. Der Täter wurde in der Perſon des 22jährigen arbeits - loſen Kochs Kurt Leo ausgeforſcht und verhaftet. Tat - ſächlich paſſen die Perſonsbeſchreibungen, die von den Meſſer - ſtecher gemacht wurden, auf Leo.

Die Leichenfeier für den Groß - fürſten Wladimir Alexandrowitſch.

Erzherzog Friedrich iſt heute früh hier eingetroffen und wurde im Bahnhofe vom Großfürſten Nikolai Nikolajewitſch empfangen, wo auch die kaiſerliche Suite und das Perſonal der öſter - reichiſch-ungariſchen Botſchaft mit dem Botſchafter an der Spitze ſich eingefunden hatten. Nachdem der Groß - fürſt den Erzherzog begrüßt hatte, ſchritt der hohe Gaſt die aufgeſtellte Ehrenwache der Leibgarde des Ismailow - regimentes ab, deren Muſikkapelle die öſterreichiſche Volks - hymne ſpielte. Hierauf fuhr der Erzherzog in Be - gleitung des Großfürſten ins Winterpalais, wo für ihn die Appartements hergerichtet ſind.

Heute früh traf hier König Ferdinand von Bulgarien ein, dem General - adjutant Strukow und Flügeladjutant Graf Scheremetew im Kaiſerzuge bis an die Grenze entgegengefahren waren. Im Auftrage Kaiſers Nikolaus begrüßte Groß - fürſt Konſtantin den hohen Gaſt im Bahnhofe. Als der Zug hielt, beſtieg der Großfürſt den Waggon. Beim Erſcheinen des Königs ſpielte die Muſikkapelle der am Perron aufgeſtellten Ehrenwache der Leibgarde des Semenow - regimentes die bulgariſche Hymne. König Ferdinand ſchritt die Front der Ehrenwache ab, an deren Spitze ſich der Kommandant des Gardekorps und der Brigade - kommandant befanden. Nach Vorſtellung der beiderſeitigen Suiten in den Kaiſergemächern des Bahnhofes fuhr König Ferdinand mit dem Großfürſten in die Peter - Paulskirche zur Beiſetzung des Großfürſten Wladimir.

Heute um 2 Uhr nachmittags fand nach einem feierlichen Trauergottes - dienſte, dem Kaiſer Nikolaus, die Großfürſten und Großfürſtinnen, die hier eingetroffenen aus - ländiſchen Fürſtlichkeiten, das diplomatiſche Korps der Miniſterrat, die Mitglieder des Reichsrates, die Hofchargen und viele hohe Würdenträger beiwohnten, im Mauſoleum der Peter-Paulskathedrale die Beiſetzung des verſtorbenen Großfürſten Wladimir Alexandrowitſch ſtatt.

Trauergottesdienſt in Wien.

In der ruſſiſchen Botſchaftskirche im 3. Bezirke iſt am Sonntag ein feierlicher Trauergottesdienſt für weiland Großfürſt Wladimir Alexandrowitſch von Rußland abge - halten worden. Das Requiem hielt Erzprieſter Nikola - jewsky ab. Der Trauerfeier wohnten bei: Der vormalige k. u. k. Botſchafter in St. Petersburg Franz Prinz Liechtenſtein, der Miniſter des Aeußern Freiherr von Aehrenthal, faſt ſämtliche Botſchafter der fremden Staaten und die Mitglieder der ruſſiſchen Botſchaft voll - zählig.

Ein Begnadigungsverſuch für Hilsner abgewieſen. Der blamierte Verein zur Abwehr des Anti - ſemitismus.

Nachdem der 2. Dezember 1908 vorüberging, ohne daß der nach Fug und Recht zu lebenslänglichem Kerker veurteilte Meuchelmörder Leopold Hilsner begnadigt wurde, worauf er nach der Meinungder ihm konfeſſionellen verwandten Kreiſe un - bedingt vor allen anderen Mördern Anſpruch hatte, weil er ein Jude iſt, hielt ſich der Verein zur Abwehr des Antiſemitismus für berufen, ein Gnadengeſuch beim Kaiſer für den den Mörder einzureichen. Dieſe unerhörte An - maßung des Vereines iſt erfreulicherweiſe in der ge - bührenden Form zurückgewieſen worden. Auf das Begnadigungsgeſuch iſt nämlich folgende Antwort des Kreisgerichtes Piſek eingelaufen.

Das k. k. Kreisgericht Piſek, Abtlg. VII, hat nach Anhörung des k. k. Staatsanwaltes das von Seite des Vereines zur Abwehr des Antiſemitismus in Wien eingebrachte, mit dem Erlaſſe des k. k. Juſtizminiſteriums vom 21. Jänner 1909, GZ. 1466 / 9, reſpektive 5. Februar 1909, GZ. 3774 / 9, gemäß § 411 StPO anher zur weiteren Verfügung abgetretene Geſuch ſamt Nachtrag, in welchem die Bitte geſtellt wird, womit dem Leopold Hilsner, welcher mit dem Urteile des k. k. Kreis - als Schwurgerichtes in Piſek vom 14. November 1900, G. -Z. Nr. 171 / 776 / 00, des in den §§ 134, 135, Z. 4, und § 136 StG. bezeichneten Verbrechens des gemeinen Meuchelmordes, ſowie des im § 209 StG. bezeichneten Verbrechens der Verleumdung ſchuldig erkannt und deshalb nach § 136 StG. zur Todesſtrafe verurteilt wurde, dem jedoch dieſe Strafe von Seiner k. u. k. Apoſtoliſchen Majeſtät mit Allerhöchſter Entſchließung vom 11. Juni 1901 allergnädigſt nach - geſehen worden iſt, worauf der k. k. Oberſte Gerichts - und Kaſſationshof über Leopold Hilsner die Strafe des lebenslangen ſchweren Kerkers zu verhängen befunden hat, dieſe Strafe im Wege der Allerhöchſten Gnade nachgeſehen werde, zurückgewieſen, da der genannte Verein zur Ueberreichung des oberwähnten Gnaden - geſuches nicht legitimiert iſt.

K. k. Kreisgericht Piſek, Abt. VII, am 13. Februar 1909.

(Unterſchrift.)

Wenn der Verein zur Abwehr des Antiſemitismus nun wegen Ueberſchreitung ſeiner Kompetenzen nicht be - hördlich aufgelöſt wird, was ja nach dem Vereinsgeſetze möglich iſt, ſo bleibt ihm wohl nichts übrig, als den Meuchelmörder Hilsner zu ſeinem Ehren - mitgliede zu ernennen.

Schiffskataſtrophe. 200 Tote.

Der Dampfer Preſidente Roca hat auf der Fahrt von der ſüdargentiniſchen Küſte nach Buenos Aires zwiſchen San Antonio und Puerto Madrin infolge eines an Bord ausgebrochenen Brandes Schiffbruch ge - litten. Man glaubt, daß alle Paſſagiere, zwei - hundert an der Zahl, und die Bemannung hiebei den Tod gefunden haben. Der Dampfer ſoll ge - ſunken ſein.

Sportnachrichten.

Winterſportfeſt in Mürzzuſchlag.

An tauſend Sport - freunde wohnten dem geſtern in Mürzzuſchlag abgehaltenen Winterſportfeſt bei, für Oeſterreich eine erfreuliche Rekord - ziffer. Ueber die Ergebniſſe der bei dem denkbar beſten Wetter veranſtalteten einzelnen Konkurrenzen wird uns aus Mürzzuſchlag berichtet: Jugendlaufen: 1. Ab - teilung: Anton Schmidt 1., Gottfried Bauer, Ferdinand Radoſch, Karl Deininger, Ernſt Lampe; 2. Abteilung für Vorgeſchrittene: Joſef Zuadritſch 1., Johann Graf, Johann Buchner, Adolf Bauer, Karl Kollerus. Juniorenſprung: Matthäus Daxeo (Kitzbühel) 1., Heinrich Rydiger (Graz), Paul Giger (St. Moritz in der Schweiz), Egon Hampfſtängel (München). Außer Kon - kurrenz ließ ſich der Norweger Thorleiftas ſehen. Was Sicherheit der Form anbelangt, kommt ihm keiner gleich; er ſpringt mit Grazie und erregte allgemeine Be - wunderung. Auch der Schweizer Kapitti, welcher in die Schanze trat, brillierte mit ſeinen Sprüngen. Sein geſtandener Sprung mit 23 Metern wurde bejubelt. Schließlich bot noch Schneider (St. Anton), der beſte Skilehrer Oeſterreichs, gelungene Leiſtungen. Das Ereignis des Tages bildete der Meiſter - ſchaftslauf des Oe. S. -V. (1. Teil) und der Seniorenſprunglauf, welcher in zwei Klaſſen aus - getragen wurde. Zur Meiſterſchaft erfolgten vier Nennungen. Die Reſultate ſind folgende: Oskar Blich (Chriſtiania) Note 1·166, zwei geſtandene Sprünge, weiteſter Sprung 27 Meter, 1. ; Fritz Miller (Innsbruck) Note 1·666, zwei geſtandene Sprünge, weiteſter Sprung 16 Meter, 2. ; Alfred Walter (München) Note 1·89, ein geſtandener Sprung, weiteſter Sprung 19·5 Meter, 3. ; Lutter (München) Note 1·97, ein geſtändener Sprung, weiteſter Sprung 18 Meter, 4. Sodann folgte der Seniorenſprung - lauf. Das Reſultat war folgendes: Joſef Filzer (Kitzbüchel) 1., Richard Baumgartner (Graz), Arno Kirſchten, Guſtav Jahn (Wien), Matthäus Taxei.

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6Wien, Montag Reichspoſt 22. Februar 1909 Nr. 53
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7Nr. 53 Wien, Montag Reichspoſt 22. Februar 1909
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8Wien, Montag Reichspoſt 22. Feber 1909 Nr. 53
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Herausgeber Dr. F. Funder, Wien. Verantwortlicher Redakteur Heinrich Ambros, Wien. Druck von Ambr. Opitz Nachfolger, Wien.

About this transcription

TextNr. 53, 22.02.1909.
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationNr. 53, 22.02.1909. . OpitzWien1909. Reichspost

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IDS Mannheim

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; mkhz2

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Editorial principles

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: keine Angabe; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;

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