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Mittagsblatt.
Reichspoſt.
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Nr. 67 Wien, Montag, den 8. März 1909. XVI. Jahrgang.

Von der Drinagrenze. (Von unſerem Spezialberichterſtatter.)

Knapp vor mir liegen die etwa 300 Meter hohen Ausläufer des ſerbiſchen Berglandes. Nur die Drina trennt uns. Ein breiter Fluß, deſſen Waſſer im Sommer herrlich ſtahlgrün ſind. Heute fließt er wie ein Strom unſchön gefärbten Milchkaffees gegen Nord ab Raca zu wohin er im Herbſt die mit Zwetſchken reich beladenen Frachtſchiffe zu tragen hat.

Die Ausläufer des Bobije, der Veliki Stijena Lapja, Höhen bis zu 700 Metern, fallen hier ſteil gegen das rechte Drinaufer ab, deſſen Hänge ſtark bewaldet ſind. Trotzdem iſt hier die Gegend für einen ſerbiſchen Ueberfall nicht günſtig. dies weiß man auch jenſeits im Königreich und maſſiert ſich alſo mehr drinaaufwärts ſo gegenüber von Srebrenica, dann noch weiter längs des ſerbiſchen Grenzſtriches hinab. Summa Summarum, reguläres Militär und Banden, die vereint als Wegelagerer unſere Grenzſoldaten aus Hinterhalten anſchießen und dann regelmäßig behaupten, die Schwabas hätten zuerſt gefeuert. So geſchah es erſt jüngſt im Fall des Gendarmen Kovacevic, von dem ich bereits depeſchierte. Der Mann wurde von einem ſerbiſchen Stahlmantelgeſchoß getroffen! Das Projektil trat durch die Lende ein, paſſierte die Eingeweide des Mannes und blieb im Magazin ſeines Hinterladgewehres ſtecken. Der bosniſch - herzegoviniſche Gendarm war alſo mit einem ſerbi - ſchen Militärgewehr getötet worden. Trotz - dem hätte man auf ſerbiſcher Seite gerne eine einfache Bauernſchießerei daraus gemacht. Als dies aber nicht mehr möglich war, weil inmitten einer k. u. k. öſter - reichiſch-ungariſchen und königlich ſerbiſchen Kommiſſion das Todesopfer lag, ſo ſtellte man bei den Serben die verlogene Behauptung auf, unſere Soldaten hätten mit dem Schießen begonnen. Auch dieſe Ausrede iſt ver - geblich. Bis jetzt ließen ſich die k. u. k. Grenzpoſten durch keine Beſchimpfungen, Drohungen u. a. m. in der gleichmütigen Pflichterfüllung ſtören. Als am 3. Märzwieder eine Patrouille angeſchoſſen wurde und der Infanteriſt Kiſſeli einen Serben darauf niederſtreckte, hatte ſich der Mann vom Kommandanten die Erlaubnis erbeten, Antwort geben zu dürfen .

Dieſe Zurückhaltung iſt nicht immer leicht. Auf eine kürzlich hier im engen Drinatale marſchierende k. u. k. Patrouille führten Abteilungen ſerbiſchen Militärs regelrechte Ziel - und Anſchlag - übungen aus, dabei die Unſern verhöhnend und durch allerlei Gebärden verſpottend. Man blieb kalt. Aber mein Gewährsmann meinte: Auch die Geduld eines k. u. k. Infanteriſten oder Strafunis iſt nur menſchlich. Es kann einmal jäh damit zu Ende ſein!

Ueber die Volksſtimmung bei den hieſigen Moslims ſagte mir im Odmar Han der greiſe Arif Aga Saltovic: Wir Mohammedaner wiſſen nun, daß die Monarchie Bosnien vom Sultan abgetreten bekam, damit hat alles ein Ende. Wir ſind jetzt Kinder des Zars in Wien und bleiben es, wir ſind auch mit unſerem Schickſal ganz zufrieden. Sicher aber bleibt, daß die Serben von ſogenannten Rechten in Bosnien nichts zu ſuchen haben. Und wem’s unter Franz Joſef nicht gefällt, der ſoll ans andere Ufer gehen. Wir Moslims wiſſen es, daß es uns unter keinem Herrſcher beſſer gehen könnte, wie gerade unter ihm. Die Serben meinen es übrigens nicht aufrichtig mit ihrem Geſchrei nach König Peter. Das ſerbiſche Volk, ſchloß der Aga mit Bitterkeit, verrät niemals ſeine allerinnerſten Gedanken, wohl aber mancher Serbe, wenn es ihm vorteilhaft iſt, dafür den eigenen Bruder.

Drei mohammedaniſche Bauern, Kmeten, die nebenan ſaßen, ſtimmten dem Aga mit ernſtem Kopfnicken bei.

Auch in Zwornik bezeugte man mir überall die Ehrlich - keit der Geſinnungen der Moslims. Ein Herr meinte: Im Kriegsfall ſollte man die Katholiken und Moslims als Landſturm bewaffnen. Sie würden der Armee gegen das kriegführende und etwa im Land revolutionierende Serbentum große Beihilfe ſein!

Der Geſchäftsverkehr und das ſonſtige öffentlicheLeben ſpielt ſich hier an der Grenze bisher ganz normal ab. Auf dem ſerbiſchen Ufer aber ſind Banden aufge - taucht und ganze Familien treten drüben, der Beſchwer - niſſe einer winterlichen Reiſe trotzend, Ueberſiedlungen in das Innere des Landes an, um den befürchteten kommenden Greigniſſen an der Grenze zu entgehen.

Zahlreiche Vorbereitungen weiſen darauf hin, daß Serbien an eine friedliche Löſung nicht denkt!

Der ſerbiſche Konflikt.

Von Serbien liegt noch keine Antwort auf die Eröffnungen des Grafen Forgach vor. Man läßt ſich Zeit und überlegt. Wollte man in Belgrad wirklich den Frieden, wie der Miniſter des Aeußern Milovanovic beteuert, ſo wäre eine umgehende Antwortserklärung das Natürlichſte und Leichteſte geweſen. Man wird aber wiederum ausweichen. Es kommt der Belgrader Regierung offenkundig darauf an, noch zwei Monate Zeit zu gewinnen, um die begonnene Um - formung der Gewehre und Geſchütze fertigzuſtellen und indeſſen die Haltung des unſchuldig bedrohten Friedfertigen anzunehmen. Die bedeutenden Steuer - laſten die Einführung eines dreißigprozentigen Zuſchlages zu allen bisherigen Steuern beſchweren ſo außerordentlich die ſerbiſche Volkswirtſchaft, daß ein zum Frieden entſchloſſener Staat je eher, deſto lieber dieſen Druck wegnehmen müßte. Man hat aber andere Dinge im Kopf. Die Belgrader Regierung entrüſtet ſich ſehr heftig gegen das Waffendurchfuhrverbot der Pforte und geht bis zu offenen Kriegsdrohungen. Auch in Montenegro verharrt man in der kampfgerüſteten Stellung. Das montenegriniſche Amtsblatt kündigt ſogar an, jetzt würden die ſerbiſchen Staaten mit Oeſterreich-Ungarn geradeſo um Bosnien-Herzegovina kämpfen müſſen, wie bis 1878 mit der Türkei, deren Rechts - nachfolger die Monarchie auch in dieſer Richtung ſei ... In Belgrad klammert man ſich übrigens

23. Folge.

Nachdruck verboten

Die verhängnisvolle Fahrt.

Na, das wundert mich, denn es war eine noble Raſſe ſchon vor Hunderten von Jahren, die bis in unſere Zeit hinein blühte. Nun, und wie es denen ging, ähnlich ging’s uns allen auch. Meilenweit im Umkreis gehörte dem alten Desmond der Grund und Boden. Er war ein vornehmer Herr, hielt ſich koſtbare Hundemeuten und hatte die Offiziere von Dublin oft ganze Winter lang als Jagdgäſte bei ſich. Das Schloß war voll Dienerſchaft, Wachskerzen brannten überall, wo man ſie nur anbringen konnte, und Eſſen und Trinken gab’s für alle in Hülle und Fülle. Ja, das waren noch Zeiten! Von der Art. wie dieſe Herren auftraten, von dem Glanz, den ſie bei ihren Jagden entfalteten, und von ihrem Mut, davon kann man ſich heutzutage keinen Begriff mehr machen. Einmal zum Beiſpiel ich war noch ein kleiner Junge da nahm der Fuchs ſeinen Lauf mitten in die Berge hinein, in die ſteilſten, gefährlichſten Schluchten, aber trotzdem ver - loren die Hunde die Fährte nicht. In wildem Lauf ging’s durch Mr. Desmonds Gebiete, dann wieder zurück ins Flachland, bis der Fuchs, den ſchließlich nur noch zwei Hunde und der alte Desmond verfolgten, in der Dunkel - heit erlegt wurde. Zwanzig Meilen weit, durch drei Grafſchaften hatte ſich die Jagd ausgedehnt, ohne daß jemand vor nachts elf Uhr etwas zu eſſen bekommen hätte.

Maureens Augen glänzten vor Begeiſterung und begegneten zufällig denen des Kutſchers. Auch ſein Blick hatte bei der Erzählung aufgeleuchtet, aber ſeine Züge waren blaß und finſter oder ſchien es ihr in dem kleinen, düſteren Raume nur ſo?

Das war ja großartig! rief Sir Greville.

Ja, und der alte Desmond befand ſich immer unter den Vorderſten. Beim Himmel, er war wieder wilde Jäger, wenn er auf dem Gaul ſaß! Er hatte zwei Söhne und drei Töchter die ſchönſten Mädchen in ganz Irland. Im Winter gingen ſie immer nach Dublin auf die Bälle, wo ſie ver - teufelt viel Geld losgeworden ſein ſollen. Der alte Desmond hat nun jeder der Töchter ein großes Ver - mögen vermacht. Da aber nach ſeinem Tode kein bares Geld vorhanden war, mußte das Gut mit jener Summe belaſtet werden. Als die Töchter dann heirateten und der Sohn das Geld ausbezahlen ſollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als eine Hypothek auf das Gut aufzunehmen. Verſtehen Sie das?

Vollkommen, ſtimmte ihm Sir Greville bei. Bei uns in England iſt leider ganz dieſelbe Geſchichte.

Daraufhin wollte Maſter Desmond eigentlich ſeinen Hausſtand vereinfachen und die Hundemeuten abſchaffen, aber die Zeiten waren verhältnismäßig noch gut, und ſo tat er es ſchließlich eben doch nicht. Damals wußte man noch nichts von auſtraliſchen Hammeln und amerikaniſchen Ochſen, und das Vieh ſtand noch hoch im Preis.

Sir Greville nickte.

Er ließ nun einen Mann von Dublin kommen, um ſein Land einſchätzen zu laſſen, und das Ende vom Liede war, daß alle unſere Pachtzinſe erhöht wurden.

Hier machte Flagherty eine längere Pauſe, räuſperte ſich und ſchaute im Kreiſe umher, um zu ſehen, ob man ihm auch aufmerkſam zuhöre.

Na, wir taten unſer Möglichſtes, um die Zinſen aufzubringen, fuhr er dann fort, und manchen gelang es, manchen aber auch nicht. Maſter Desmond heiratete eine Dame aus Dublin, das ſchönſte, lieblichſte Geſchöpf, das ich jemals ſah, aber ſie brachte ihm keinen roten Heller mit in die Ehe, und ſie bekamen eine ſtarke Familie. Einige Kinder ſtarben klein, andere blieben am Leben, und dieſe verſtanden alle das Geldausgeben welcher Desmond hätte das auch nicht verſtanden? Am ſchlimmſten von allen aber hauſte im Geldpunkt die alte Madame Desmond, ich meine Mr. Desmond Mutter,ſo daß der arme Maſter bald nahezu vor dem Bankrott ſtand. Die Jagdpferde und Hunde hatte er ſchließlich alle verkauft, und es war zum Erbarmen, wenn man ihn auf ſeinem alten Schimmel, dem einzigen Pferde, das er noch im Stalle hatte, daherreiten ſah. Bald mußte er eine neue Anleihe auf ſein Gut aufnehmen, und damit hatte er ſo ziemlich den letzten Groſchen, den die Beſetzung wert war, erſchöpft. Auch die Pächter konnten immer weniger ihren Pachtverpflichtungen nach - kommen, da die Viehpreiſe von Jahr zu Jahr ſanken.

Pat und der junge Burſch auf dem Tiſch nickten verſtändnisvoll.

Und als dann Maſter Desmond nicht einmal mehr die Zinſen für die Gläubiger aufbringen konnte, pfändete man ihn aus, und das überlebte er nicht.

Du lieber Gott, das war eine böſe Geſchichte! rief Sir Greville teilnehmend.

Die Söhne ſtarben alle, außer einem, dem jüngſten, der mit ſeinem Regiment in Indien war und die ganze Angelegenheit ſeinen Sachwaltern Watts und Humphrey in Dublin überließ, die überall als Schurken bekannt waren. Sie haben gewiß auch ſchon von ihnen gehört?

Nein, niemals.

Um ſo beſſer für Sie.

Eine große Aufregung entſtand nun in der ganzen Gegend; niemand wollte mehr ſeinen Pachtzins bezahlen, als man erfuhr, daß kein Pfennig davon in die Taſche des jungen Desmond gelangte, ſondern alles von jenen Schurken, die die Hypotheken beſaßen, eingeſackt wurde.

Das war aber eigentlich eine recht ſonderbare Auf - faſſung dieſer Pächter.

Warum? Zum Henker, wir wollten es eben nicht bezahlen, und wird taten’s auch nicht, die Watts und Humphrey mochten uns drängen, ſo viel ſie wollten nicht einen roten Heller bekamen ſie ſeit vier Jahren.

Da haben Sie ja ein recht gutes Geſchäft ge - macht, bemerkte Sir Greville etwas höhniſch.

(Fortſetzung folgt.)

2Wien, Montag Reichspoſt 8. März 1909. Nr. 67

noch immer hartnäckig an die Konferenzidee, von der man ſich gute Dinge verſpricht, eine Hoffnung, die ſich ſchwer verwirklichen wird. Pariſer Blätter erklären ſogar ſchon das Zuſtandekommen einer Konferenz für aus - ſichtslos.

Die auf Klarheit drängenden Eröffnungen des Grafen Forgach in Belgrad finden bei den Mächten teilweiſe offene Zuſtimmung, teilweiſe jene reſervierte Zurückhaltung, welche ein unangenehmer, aber für un - vermeidlich gehaltener Schritt hervorruft. Die offiziöſe Nordd. Allg. Ztg. ſieht in ihm einen Beweis des Entgegenkommens Oeſterreich-Ungarns und eine Wider - legung der von ruſſiſchen, engliſchen, franzöſiſchen und leider auch deutſchen Blättern erhobenen Be - ſchuldigung ſeiner Intranſigenz. Durch dieſes Vorgehen der Monarchie werde die allge - meine Lage eine Erleichterung erfahren, was im Hinblick auf die noch immer verſchleierten Abſichten der ſerbiſchen Regierung beſonders wünſchenswert ſei. Auch der Pariſer Temps äußert ſich über die Aktion Baron Aehrenthals günſtig und vermag darin weder ein Ultimatum, noch eine Bedrohung, noch eine Falle zu erblicken. Oeſterreich-Ungarn habe damit ſein aufrichtiges Beſtreben nach einer friedlichen Löſung der ſerbiſchen Frage bekundet.

Der laufenden Woche kommen in dem ſerbiſchen Konflikte wichtige Entſcheidungen zu. Man kann erwarten, daß über den Frieden in dieſer Woche beſtimmt wird, wenn auch die Folgen dieſer Beſtimmung ſich erſt ſpäter nach der einen oder anderen Richtung äußern werden.

(Privattelegramm.) Angeſichts der Erklärungen einzelner Miniſter in hieſigen und in auswärtigen Blättern, daß von einem Verzichte auf die territorialen Kompenſationen keine Rede ſein könne, wird mit fieberhafter Spannung die für die nächſten Stunden angekündigte Antwort Serbiens auf die freundſchaftlichen Vorſtellungen des ruſſiſchen Geſandten Sergejew erwartet. Man glaubt jedoch allgemein, daß die Antwortnote großen Wert darauf legen werde, zu beteuern, daß Serbien keineswegs aggreſſive Abſichten habe und entſchloſſen ſei, ſich dem Votum der geplanten europäiſchen Konferenz zu unterwerfen. Unter allen Umſtänden legt jedoch die ſerbiſche Regierung auf das Zuſtande - kommen einereuropäiſchen Konferenz den größten Wert und hat Rußland die Bitte unter - breitet, in dieſer Beziehung ſeinen Eifer nicht erlahmen zu laſſen. Die ſerbiſchen Politiker ſcheinen zur Ueber - zeugung gekommen zu ſein, daß ſie nur von einer europäiſchen Konferenz etwas zu hoffen haben, weil es nur in dieſem Falle möglich wäre, einen Druck auf die Türkei dahin aus zu üben, daß Serbien ein ſchmaler Landſtrich durch den Novi - bazar eingeräumt würde, der es mit Montenegro und damit mit der Adria verbinden würde. Die radikalen Politiker und die radikalen Preßorgane verweiſen nach wie vor auf die bekannte Reſolution der Skupſchtina, welche ein Abweichen von den in ihr aufgeſtellten Forderungen unter keinen Umſtänden zuläßt. Der Miniſter des Aeußern Milovanovic hat ſich nach hieſigenZeitungsberichten, einer Reihe von Deputierten gegenüber dahin geäußert, daß er der Anſicht ſei, daß der tote Punkt überwunden ſei und er einen kriegeriſchen Konflikt mit der Monarchie für ausgeſchloſſen erachte. Zweifellos werde die ſerbiſche Regierung bereits in den aller - nächſten Tagen der öſterreichiſch-ungariſchen Re - gierung eine Antwort auf den ihr durch den Geſandten Grafen Forgach notifizierten Schritt Oeſterreich-Ungarns zukommen laſſen. Man hofft, daß es in dieſem Falle möglich ſein werde, ſofort in direkte Verhand - lungen mit den öſterreichiſch-ungariſchen Unterhändlern behufs Abſchließung eines Handels - vertrages einzutreten, der Serbien größere Vorteile bieten ſolle, als es durch den bisherigen der Fall war.

(Privattelegramm.) Gegenüber den Andeutungen ſerbiſcher Politiker, ſich mit der Er - langung eines Streifens durch den Sandſchak Novi - bazar zu begnügen, wodurch ein Korridor zur Adria hergeſtellt würde, wird nach Berichten hieſiger Blätter aus Konſtantinopel darauf verwieſen, daß in dem Ver - ſtändigungsprotokoll zwiſchen Oeſterreich-Ungarn und der Türkei die Integrität des Sandſchaks Novibazar ausdrücklich verbürgt wurde und daher dieſer Plan kaum für diskutabel an - geſehen werden könnte.

Eine Unterredung mit Dr. Milovanovic.

Ein Telegramm der Südſlaviſchen Korreſpondenz aus Belgrad berichtet: Der Miniſter des Aeußern Milovanovic äußerte ſich über den Stand der öſterreichiſch-ungariſch - ſerbiſchen Frage folgendermaßen: An einen be - waffneten Zuſammenſtoß zwiſchen Serbien und Oeſterreich - Ungarn glaube ich nicht, ſchon aus dem Grunde, weil Europa alles daran ſetzt, den Ausbruch eines kriegeriſchen Konfliktes zu vermeiden. Ich kann der Hoffnung Aus - druck geben, daß die ſerbiſche Frage ohne Blutvergießen gelöſt werden wird, daß ſich die Beziehungen zwiſchen Oeſterreich-Ungarn und Serbien wieder verbeſſern und freundſchaftlicher geſtalten werden. Die Situation zwiſchen Serbien und der Monarchie dürfte ſich günſtiger geſtalten, ähnlich wie die Beziehungen zwiſchen Deutſchland und Frankreich nach dem Marokko - Uebereinkommen. Serbien dachte niemals daran, Oeſterreich-Ungarn anzugreifen. (!) Als Beweis für dieſe Behauptung verweiſe ich auf den Umſtand, daß wir unſere Truppen an der öſterreichiſch-ungariſchen Grenze nicht verſtärkt haben. (?) In den Zeitungen konnte man ja gewiß Gegenteiliges leſen, wofür aber eben nur die betreffenden Zeitungen verantwortlich ſind. Ebenſowenig, als wir Oeſterreich-Ungarn anzugreifen gedenken, kann dies andererſeits Oeſterreich-Ungarn tun. Hier ſprechen die Dispoſitionen Europas entſcheidend mit. Man weiß in Wien gut, daß ein Krieg mit Serbien die Aufrollung der ſüdſlaviſchen Frage bedeute.

Auf die Frage: Was gedenkt die ſerbiſche Regierung zu tun? entgegnete Dr. Milovanovic: Vorläufig werden wir das Wort Europas abwarten. Unſere Hoff - nungen richten ſich auf die europäiſche Konferenz, deren Zuſtandekommen ſehr wahr - ſcheinlich iſt. Die Konferenzfrage ſteht jedenfalls mit im Vordergrunde der diplomatiſchen internationalen Arbeit. Sollte aber die Konferenz nicht zuſtande kommen, ſollten wir alſo von Europa keine Entſcheidung erhalten, ſo werden wir daran weiter feſthalten, unſere Forderungen zu ſtellen. Wir hoffen auf Europas Wohlmeinung für die ſerbiſche Sache.

Die Eventualität eines Zollkrieges mit Serbien.

(Privattelegramm.) Die Voſſiſche Zeitung meldet aus Wien: Von unterrichteter Seite wird mitgeteilt, daß für den Fall, als die ſerbiſche Regierung bis zum 31. d. M. die von Oeſterreich - Ungarn verlangte Verzichtleiſtung auf die bekannten Forderungen nicht abgeben ſollte, ſofort, nicht der vertragsloſe Zuſtand bei der Handhabung des auto - nomen Zolltarifes, ſondern der Zollkrieg gegen Serbien beginnen würde.

Die Konferenzidee ausſichtslos.

(Privattelegramm.) Nach Berichten der hieſigen Blätter gilt der Gedanke der Einberufung einer Konferenz trotz der engliſchen Befürwortung dieſes Projektes für ausſichtslos. Der hieſige öſter - reichiſch-ungariſche Botſchafter verſtändigte den Miniſter des Aeußern Pichon, daß Oeſterreich-Ungarn unter keinen Umſtänden auf einen der artigen Plan einzugehen gedenke. Wie verlautet, beabſichtigt Frankreich den engliſch-ruſſiſchen Schritt nicht zu unterſtützen.

Die ſerbiſchen Rüſtungen.

(Privattelegramm.) Die Kölniſche Zeitung meldet aus Semlin, daß man von dort allerlei militäriſcher Maßnahmen von ſerbiſcher Seite, namentlich andauernde und geſtern ſogar durch Kavallerie verſtärkte Beſetzung der Zigeunerviertel und Anhäufung von Truppen in der Vorſtadt von Sukaritza bei den Zucker - fabriken und anderen Etabliſſements wahrnehmen könne. Man hört aus Belgrad, daß die Bevölkerung den Ge - danken nicht ſchwinden laſſe, daß trotz aller halb - amtlichen Erklärungen der Krieg bald aus - brechen könnte.

Demſelben Blatte wird ferner aus Belgrad vom 7. März berichtet: Der Finanzausſchuß der Skupſchtina beſchloß, das Budget des Kriegsminiſteriums per 1909 um 15 Millionen Dinars zu erhöhen; das Geld ſoll nicht den Barmitteln entnommen, ſondern durch einen neuen Steuerzuſchlag von 30 % aufgebracht werden. Die 15 Millionen gehören nicht zu dem bekannten 33-Millionenkredit, den der Kriegsminiſter für die Bewaffnung des Heeres verlangt.

Jeni Gazetta meldet: Der ſerbiſche Geſandte Nenadovic wollte geſtern den Großvezier ſprechen. Derſelbe verſchob jedoch die Unterredung auf Montag, worauf Nenadovic darauf drang, empfangen zu werden, da er Wichtiges mitzuteilen habe. Jeni Gazetta ſagt, die Pforte habe erklärt, daß ſie die Durchfuhr ſerbiſchen Kriegsmaterials nicht mehr geſtatten könne. Nenadovic habe nun Order erhalten, mitzuteilen, welch ſchlechten Eindruck dies auf die ſerbiſche Regierung gemacht habe, und zu verlangen, daß die Pforte ihren Beſchluß annulliere. Die unklaren Erklärungen, welche das Großvezierat vor zwei Tagen gegeben habe, daß die Pforte wahrſcheinlich momentan die Erlaubnis für ge - machte Lieferungen geben werde, habe Serbien nicht als genügend betrachtet und eine definitive Erlaubnis verlangt. Unter dem Kriegsmaterial befinde ſich auf Dynamit für Minenzwecke, auf deſſen Durchſuhr die Geſandtſchaft aber nicht beſtehe. Die Pforte betrachtet die bisher gegebene Erlaubnis als genügend und erklärt, daß ſie nicht mehr derlei Ausnahms - erlaubniſſe geben könne.

Jeni Gazetta fügt dieſen widerſprechenden In - formationen folgendes bei: Wenn man den delikaten Charakter unſerer auswärtigen Relationen und die Be -

Literariſche Poſt.

Ueber das Adriatiſche Meer hin und her. Reiſeeindrücke, geſchildert von Wilh. Frank, Mitglied des deutſchen Reichstages. Mit 59 Illuſtrationen. Verlag der Sonntagsglocken , Berlin. Preis Mark 1.50. Der Verfaſſer bietet uns eine Beſchreibung einer Reiſe durch Dalmatien nach Montenegro. Er ſchildert und erläutert an der Hand prächtiger Illuſtrationen Land und Leute, und iſt bemüht, einem Thema, das ſchon durch andere gediegene Berichte behandelt wurde, neuen Reiz und Intereſſe ab - zugewinnen. Mag dem Verfaſſer ſein redliches Bemühen auch nicht überall vollſtändig gelungen ſein, ſo bietet ſeine Schrift dennoch eine erquickende Lektüre, die wir nur empfehlen können. Nicht allzu verwöhnte Leſer würden gewiß auch an dieſer Reiſebeſchreibung Gefallen finden. A.

Kalender für den kath. Klerus Oeſterreich - Ungarns 1909. Von Roman G. Himmelbauer. In Leinwand gebunden 3.20 Kronen. Verlag Karl Fromme-Wien. Jeder Stand und jedes Gewerde hat heutzutage, wie ſein eigenes Vereinsorgan oder Fachblatt, ſo auch ſeinen eigenen Fachkalender, der Juriſt, Arzt, Techniker oder Bauer ebenſo gut als der Lehrer oder Geiſtliche. Der vorſtehende Kalender nun, für den öſterreichiſch-ungariſchen Klerus berechnet, ſcheint ſeinem Zweck recht gut zu entſprechen; er birgt auf 284 Seiten Taſchenformat des Nützlichen, Intereſſanten und Guten ſehr viel; außer dem gewöhnlichen Kalendarium die Hierarchie der katholiſchen Kirche, die Generalvorſtände der kirchlichen Männerorden, die Kirchenprovinzen, ſowohl von Oeſterreich-Ungarn wie auch der europäiſchen und außer - europäiſchen Außen - oder Miſſionsländer, woraus wir er - ſehen, daß die Geſamtſumme der hierarchiſchen Titel augen - blicklich 1717 beträgt. Ferner enthält der Kalender u. a. praktiſche Winke bei Unglücks - und Erkrankungsfällen, nützliche Angaben über Poſt und Telegraph, Coupons, Lotterien und Stempelmarken, Vorlagen für Stunden - pläne, Schulkataloge, Tagebuch ꝛc. Zuletzt kommt eine Anzahl reeller Bezugsquellen Wiens und Oeſterreichs für die verſchiedenen Gegenſtände. Was den Kalender noch beſonders wertvoll macht, iſt die jährlicheBeigabe einer oder mehrerer recht nützlicher Abhandlungen in Separatheftchen, eine Art Standard-works en miniature für den katholiſchen Klerus. Die diesjährige Ausgabe auf 116 Seiten enthält folgende vier Abhandlungen: Die ge - ſchlechtlichen Verirrungen und ihre Folgen, die Baulaſt des kirchlichen Pfründners, die Bedeutung der Agrarfrage für den Klerus, praktiſche und künſtleriſche Geſichtspunkte für die Anlage katholiſcher Kirchen. Die betreffenden Aufſätze ſind ſämtlich von Fachmännern bearbeitet und es befinden ſich darin wirklich recht praktiſche Hinweiſe und Gedanken. Der Kalender ſei beſtens empfohlen.

Mödling. P. Wg. M. Ibler.

Konkurrenzen der deutſchen Geſell - ſchaft für chriſtliche Kunſt. II. Mit der Ver - anſtaltung von künſtleriſchen Wettbewerben für vor der Ausführung ſtehende Werke hat die Geſellſchaft für chriſt - liche Kunſt in München bereits mehrmals erfolgreich ge - wirkt. Dies ſoll in den Publikationen über dieſe Wettbewerbe der Oeffentlichkeit beiſpielgebend vor Augen geführt werden. Heft II enthält den Wettbewerb über ein Grabdenkmal für Erzbiſchof Doktor von Schenk im Dome zu Bamberg (20 Abbildungen), über eine neue katholiſche Kirche in der Vorſtadt St. Johann - Neuregendorf in Nürnberg (47 Abbildungen) und über eine neue katholiſche Kirche nebſt Pfarrhof in Ham - burg (51 Abbildungen). Der Text beſchränkt ſich auf ein kurzes Vorwort die Ausſchreibungen und die Urteile der Preisgerichte. Zunächſt erkennen wir, daß derartige Wettbewerbe den Bauherren oder Auftraggebern eine ungemein reiche Auswahl an Ideen bietet. Was ſpeziell die Wettbewerbe für die beiden gedachten Kirchenneu bauten betrifft, ſo muß anerkannt werden, daß durchwegs wohldurchdachte künſtleriſch reiche Projekte in Sicht kamen. Andernteils iſt bei der Mehrzahl derſelben vielmehr ein Anlehnen an vorhandene Ideen als die Fortentwicklung ſolcher zu beobachten und auf das Maleriſche der äußeren Anſicht ſcheint mitunter etwas gar zu viel Wert gelegt zu ſein. Nachdem Kirchenneubauten in unſerer Zeit meiſt im Bannkreiſe moderner Regulierungen und Zinskäſten erſtehen, müßte im allgemeinen wohl dahin Bedacht genommen werden, denſelben eine wirkſamere, den Zweck klar zum Ausdruck bringende Monumentalität zu verleihen auch die Wahl des Materiales müßte mit -unter etwas charakteriſtiſcher hervortreten damit ſoll den edlen Abſichten der Veranſtalter wie Künſtler kein Abbruch getan ſein. Der billige Preis (Mark 2.50) macht die weite Verbreitung dieſer wertvollen Publikation leicht möglich. Architekt Paul Geppert.

Lehrbuch der Moraltheologie von Dr. Franz M. Schindler, Profeſſor an der k. k. Univerſität in Wien. Zweiter Band, erſter Teil. Wien 1909. Ambr. Opitz Nachf., VIII. 365 S. Erſt der erſte Teil des zweiten Bandes, der Schlußteil wird uns dabei noch für 1909 ver - ſvrochen. Deutlich ſpringt aus dieſem Teil der Plan des ganzen zweiten Bandes in die Augen: das chriſtliche Leben des Menſchen in Beziehung auf Gott, in Rückſicht auf ſich ſelbſt, endlich dieſer Teil fehlt noch in Be - ziehung auf den Nächſten, auf die Geſellſchaft. 13 Bogen des vorliegenden Buches ſind dem erſten Pflichtenkreis ge - widmet, eine auch dogmatiſche grundſolide Erörterung jener Pflichten und Vergehungen, die ſich auf die gött - lichen Tugenden und die Gottesverehrung einſchließlich der Sonntagsheiligung beziehen; die übrigen zehn Bogen erörtern unter den Pflichten des Menſchen für ſich ſelbſt nicht nur die geordnete Ausnützung der leib - lichen und geiſtigen natürlichen Gaben, ſondern auch den Gebrauch der übernatürlichen Hilfsmittel; daher iſt auch die Abhandlung über den Gebrauch der Sakramente und Sakramentalien (ſoweit eben der Empfänger, nicht der Ausſpender, in Frage kommt), über Askeſe, Faſten und dergleichen einbezogen. Der Inhalt iſt reich, ſehr reich und trotzdem ſehr wenig darunter, was nur der Tradition zuliebe mitgenommen würde, Theorie und Einzelnilluſtration geht dem noch Aktuellen nach. Kein Prunken mit Literaturkenntniſſen, von der nur die aus - ſchlaggebenden Werke genannt werden, aber überall die reife Frucht eingehender Studien; kein Auf - gehen in kaſuiſtiſcher Kleinkrämerei, aber auch keine ſchönredneriſchen Allgemeinheiten, mit denen der Leſer im Einzelnfalle nichts anzufangen weiß. Bei kontroverſen Fragen ſuchte ich nach Möglichkeit einen Standpunkt in der Mittellinie, ich war nie ein Freund ſcharfer Auseinanderſetzungen, zu denen die Moraltheologie ihren Vertretern öfters Anlaß gegeben hat, meint der Verfaſſer. Wer ſeine Soziale Frage oder den 1. Band dieſes Werkes geleſen, kennt dieſen noblen, allen kleinlichen

3Nr. 67 Wien, Montag Reichspoſt 8. März 1909.

mühung der Pforte für die Erhaltung des Friedens in Betracht zieht, iſt es unmöglich zu leugnen, daß dieſer Beſchluß gerecht iſt!

Gegenüber dieſen Angaben der Jeni Gazetta erklärt man auf ſerbiſcher Seite, daß der Großvezier geſtern zwar geſagt hat, er wolle das Verſprechen der früheren Regierung möglichſt einhalten, müſſe aber auf der Empfindlichkeit Oeſterreich-Ungarns Rechnung trugen, worauf Nenadovic darauf hinwies, welche gefährliche Konſequenzen eine ſolche Abſperrung Serbiens für die Erhaltung des Friedens haben könnte. Das ſerbiſche Volk könnte aus Ver - zweiflung hierüber zum Kriege gedrängt werden. Schließlich verſprach der Großvezier, der heutige Miniſterrat werde die Frage beraten.

Ikdam meldet, Nenadovic habe geſtern dem Großvezier erklärt, die territorialen Entſchädigungen, welche Serbien reklamiere, beträfen nicht Oeſterreich-Ungarn.

Nenadovic dementierte dies.

Sabah meldet: Die Pforte hat dem Kriegsminiſterium mitgeteilt, Serbien und Montenegro hätten Verſicherungen gegeben, daß die außerordentlichen Kriegsvorbereitungen nicht gegen die Türkei gerichtet ſeien.

Montenegriniſche Reklamationen.

Das Amtsblatt beſpricht in einem Leitartikel das zwiſchen Oeſterreich-Ungarn und der Türkei bezüglich Bosniens und der Herzegovina zu - ſtandegekommene Uebereinkommen. In dem Artikel heißt es unter anderem: Wir überlaſſen den Mächten das Urteil darüber, ob es einem Mandatar geſtattet iſt, ſich dasjenige, was ihm anvertraut iſt, anzueignen. Wir ſtellen jedoch im gegenwärtigen Augenblick feſt, daß die Mächte auf dem Berliner Kongreß Oeſterreich-Ungarn Bosnien und die Herzegovina anvertrauten, um dieſe Länder zu verwalten, in einem Zeitpunkte, wo dieſe Provinzen ein Streitobjekt zwiſchen den ſerbiſchen Fürſtentümern und der Türkei bildeten, wodurch alſo dieſer Streit unbeendet blieb. Infolgedeſſen iſt nach dem nunmehr erzielten Uebereinkommen mit der Türkei Oeſterreich-Ungarn an den Platz des türkiſchen Reiches in dieſem noch nicht beendeten Streite gegen die ſerbiſchen Staaten getreten und Oeſterreich-Ungarn daher durch das erwähnte Ueber - einkommen nicht Eigentümer, ſondern nur Partei gegen die ſerbiſchen Staaten geworden. Dieſe Feſtſtellung zwingt ſich uns durch das Jubelgeſchrei der öſter - reichiſchen und der ungariſchen Preſſe nach der Unter - zeichnung des Uebereinkommens mit der Türkei auf. Sie wollen uns glauben machen, daß nunmehr auf Seiten Oeſterreich-Ungarns in der bosniſch-herzego - viniſchen Frage ſich nicht nur die Macht, ſondern auch das Recht befindet, womit ſie zugeben, daß vor dem Uebereinkommen Oeſterreich-Ungarn kein Recht zur Annexion hatte. Welcher Art dieſes Recht aber war, das iſt hinreichend durch unſere vorhergehenden Be - merkungen erhärtet.

Katzbalgereien abholden Sinn des Verfaſſers, kennt auch jene großzügige Vergangenheit und Gegenwart umfaſſende, echt katholiſche Weltauffaſſung und männlich-reife Lebens - anſchauung, deren Geiſt auch über dieſem 2. Bande ſchwebt.

Was ich aber bereits bei der Beſprechung des 1. Bandes in dieſen Blättern erwähnt, muß ich wieder - holen: Spazierwege ſind es nicht immer, die uns der Verfaſſer führt; auch hier verlangt die ſpekulative Begründung oft geiſtige Kletterübungen. Schindler hat außerdem lieber harten Felſen - als blumigen Wieſengrund unter den Füßen, er führt ſichere, aber nicht eben bequeme Pfade, kurz geſagt: nicht immer der Stil der Schule, aber immer der Stil des Gelehrten. Darf ich die Sätze mit Schritten vergleichen, ſo möchte ich ſagen: nicht ſelten lange Schritte bei viel Gepäck.

Schon in dieſem Teile der ſpeziellen Moraltheologie begegnet uns ſpeziell öſterreichiſcher Brauch und Sitte; öſterreichiſches Zivil - und Strafrecht wird als Berater an - gezogen. Das wird im zweiten (Schluß) Teil noch viel häufiger der Fall ſein, gerade dieſer Teil geht uns Oeſter - reichern in deutſcher Sprache ab. Der hochwürdige Ver - faſſer darf uns dieſen Teil, wohin immer ſein Lebensweg ihn führen mag, nicht ſchuldig bleiben, wir freuen uns darauf ganz beſonders; er wird die Freude und den Dank beſonders der öſterreichiſchen Theologiebefliſſenen gegen den Verfaſſer dieſes gründlichen moraltheologiſchen Lehrbuches voll machen.

Neu eingelaufene Bücher.

Logik und Noetik. Ein Leitfaden für akademiſche Vorleſungen ſowie zum Selbſtunterricht. Von Dr. G. Hage - mann, weiland Profeſſor der Philoſophie an der Akademie zu Münſter. Achte Auflage, durchgeſehen und ſtellenweiſe neu be - arbeitet von Dr. Ad. Dyroff, Profeſſor an der Univerſität Bonn. Verlag Herder, Freiburg. Preis broſchiert Mark 3.40, ge - bunden Mark 4. .

Deutſch-öſterreichiſche Klaſſiker Biblio - thek. 7. Band. Adalbert Stifter. Ausgewählte Werke. Heraus - gegeben und mit Einleitung verſehen von Dr. Otto Rommel; 8. Band. Anaſtaſius Grün. Ausgewählte Werke. Herausgegeben, mit Einleitung verſehen von Dr. Otto Rommel. Elegante Aus - ſtattung. Verlag Prochaska, Teſchen.

Die Höflich keit. Zwanzig Konferenzen, den Zög - lingen des biſchöflichen Konvikts zu Luxemburg gehalten von Johann Bernhard Krier. Verlag Herder, Freiburg. Preis broſchiert Mark 1. , gebunden Mark 1.60.

Galileo Galilei und das kopernikaniſche Weltſyſtem. Von Adolf Müller S. J. Profeſſor der Aſtro - nomie und höheren Mathematik an der Gregorianiſchen Uni - verſität und Direktor der Sternwarte auf dem Janikulum zu Rom. Verlag Herder, Freiburg. Preis broſchiert Mark 3.40.

Die Haltung der Mächte. Blätterſtimmen zur Intervention des Graſen Forgach.

(Privattelegramm.) Die geſamte Preſſe beſchäftigt ſich fortgeſetzt mit dem Schritte des öſterreichiſch-ungariſchen Geſandten Grafen Forgach in Belgrad und gibt ihrer Ueberzeugung dahin Ausdruck, daß Serbien nunmehr zur Vernunft kommen und die ihm dargebotene Hand nicht zurückweiſen werde.

Zu dem geſtrigen Schritte des öſterreichiſch-ungariſchen Geſandten in Belgrad bemerkt die Norddeutſche Allgemeine Zeitung : Zweifellos iſt dieſer verſöhnliche Schritt der öſterreichiſch-ungariſchen Politik ein Beweis des Ent - gegenkommens. Er zeigt aufs neue, wie unbegründet die von ruſſiſchen, engliſchen, franzö - ſiſchen und leider auch einigen deut - ſchen Zeitungen erhobenen Klagen über eine angebliche Intranſigenz des Wiener Kabinetts ſind. Wir können nur wünſchen, daß Serbien die ihm gebotene Hand ergreift. Die allgemeine Lage würde damit eine Erleichterung erfahren, was umſo mehr zu begrüßen wäre, als ſie bis zur Stunde noch immer unter dem Mangel an Klarheit über die wirklichen Abſichten der ſerbiſchen Staatsmänner gelitten hat.

Der Temps beſpricht den geſtrigen Schritt des öſterreichiſch-ungariſchen Geſandten in Belgrad und ſagt, man dürfe darin weder ein Ultimatum, noch eine Bedrohung, noch eine Falle erblicken. Es ſcheine vielmehr, daß Freiherr von Aehrenthal aufrichtig ſeinen Teil zur Erzielung einer Verſtändigung beitragen wolle. Serbien, welches durch den Verzicht auf ſeine ungerechten Forderungen die Sympathie Europas wiedergewonnen habe, ſollte die Intereſſen Oeſterreich-Ungarns in Erwägung ziehen.

Der Slowo beſpricht in einem Leitartikel die Balkankriſe und ſagt, dieſelbe habe jetzt die Grenzen des Möglichen erreicht. Es obliegt dem Konzert der Mächte, Oeſterreich-Ungarn und Serbien zu einem Kompromiß zu veranlaſſen.

Rjetſch betont die Notwendigkeit einer Einfluß - nahme der Mächte auf Oeſterreich-Ungarn.

(Privattelegramm.) Die hieſigen Blätter wenden ſich in auffälliger Weiſe gegen Frankreich und werfen den für die aus - wärtige Politik verantwortlichen Faktoren eine be - denkliche Annäherung an den Dreibund vor. Auch in den hieſigen politiſchen Kreiſen macht ſich ein gewiſſes Unbehagen über die Oeſterreich-Ungarn freundliche Haltung der franzöſiſchen Politik maßgebend.

Politiſche Rundſchau.

Oeſterreich-Ungarn.

Zu den Salzburger Wahlen wird uns aus Salzurg geſchrieben: Während die Deutſchfreiſinnigen Altliberale, Deutſche Volkspartei, Deutſchradikale und Alldeutſche ſich noch nicht über ein gemeinſames Vorgehen gegen Schwarz und Rot einigen konnten, weil von den Alldeutſchen und von der freiſinnigen Beamtenſchaft hauptſächlich eine Kandidatur des bis - herigen Landesausſchuſſes Dr. Stölzl entſchieden bekämpft wird, haben die Sozialdemokraten ihre Kandidatenliſte für die ſechs Mandate der vierten Kurie bekanntgegeben. Da ſie den Chriſtlichſozialen Arbeiter - feindlichkeit vorwarfen, weil dieſe angeblich nur einen Arbeiter unter ihren Kandidaten hätten, nämlich den Fabriksarbeiter Mühlmann von Lend, war man geſpannt, wie viel Arbeiter denn auf der ſozialdemokratiſchen Liſte ſtehen würden. Hier die Liſte: Privatbeamter und Gewerkſchaftsſekretär Prokſch, Redakteur und Sekretär Preußler, Sekretär Kloitſchnig, Gutsbeſitzer Reiſchl, Grundbeſitzer und Gemeindevorſteher. Viehauſer und Eiſenbahnkondukteur Ramſauer. Nun ſind zwar die drei Erſtgenannten einmal Arbeiter geweſen, es iſt freilich ſchon lange her; wenn die Sozialdemokraten aber die chriſtlichſozialen Kandidaten Baldinger, der es aus einem Arbeiter zum Kleingewerbetreibenden, und Rainer, der es aus einem Holzknecht zum Ge - meindeſchreiber gebracht hat, nicht als Arbeitervertreter gelten laſſen wollen, ſo müſſen ſie auch ihren drei Parteibeamten dieſen Ehrentitel abſprechen. Die ſo - genannten deutſchen Arbeiter , eine vom Abg. Doktor Stölzl im Vereine mit dem italieniſchen Maurermeiſter Crozzoli ins Leben gerufene gelbe Organiſation, die hauptſächlich in Maxglan einigen Anhang hat, kandidieren im Wahlbezirke Stadt Salzburg der vierten Kurie ihren Führer Sindinger, der natürlich nicht die geringſte Ausſicht gewählt zu werden hat. Aus dieſer Kandidatur können die ſoge - nannten deutſchen Arbeiter die praktiſche Arbeiter - freundlichkeit der Deutſchfreiſinnigen erkennen: während die Chriſtlichſozialen ihrer organiſierten Arbeiterſchaft drei ſichere Mandate einräumen (Neureiter, Mühl - mann, Rainer), laſſen die Deutſchfreiſinnigen ihren Arbeiterführer in einem ſicheren Durchfallsbezirke kandidieren. Zur Charakteriſierung dieſer deutſchen Arbeiter mag noch angeführt werden, daß ihre Wortführer in einer Vertrauensmännerverſamm - lung aller Deutſchfreiſinnigen bittere Beſchwerde führten, daß man ſie nicht zum antiklerikalen Kartell zugelaſſen habe, weil nämlich die Sozialdemokraten gegen ihren Eintritt ein Veto eingelegthätten. Als ob das Heil der deutſchen Arbeiter von der offiziellen Teilnahme an der Religionshetze abhänge! Die Chiſtlichſozialen Salzburgs haben für die Gemeinderatswahl im dritten Wahlkörper das ihnen vom deutſchnationalen Bürgerklub angebotene Wahlkompromiß angenommen, und da auch der etwas weiter links ſtehende Wirtſchaftsklub ſich dieſem Kompromiß angeſchloſſen hat, ſo ſtehen wir vor der erfreulichen Tatſache, daß die drei bürgerlichen Parteien geſchloſſen gegen den Anſturm der Sozialdemokraten vorgehen. Ein gutes Zeichen für die Zukunft. Von den fünf zu vergebenden Mandaten erhalten die Chriſtlichſozialen zwei, der Bürgerklub ebenfalls zwei und der Wirt - ſchaftsklub eins. Darin tritt die Erſtarknng der chriſtlich - ſozialen Partei, welche bisher nur einen Vertreter im Gemeinderate hatte, deutlich hervor. Ihre Kandidaten ſind die bekannten Parteigenoſſen Dochterzeuger Bal - dinger und Färbermeiſter Preis, beide aus den chriſtlichen Arbeiterorganiſationen hervorgegangen. Die Kandidaten des Bürgerklubs ſind Gaſtwirt Haubner und Gärtner Chriſtanell, der Kandidat der Wirtſchaftspartei iſt Buchhändler Winber.

Eine intereſſante Rede des Exminiſters Abg. Dr. Pacak.

Der ehemalige tſchechiſche Lands - mannminiſter Abg. Dr. Pacak hat geſtern in Brandeis a. D. in einer Wählerverſammlung eine Rede gehalten, deren Zweck anſcheinend war, die tſchechiſche Oeffentlichkeit für eine Taktik zu gewinnen, die ein Zuſammenge hen aller Slaven im Parlamente erm ögliche. Die Rede enthält einige ſehr intereſſante Stellen, die verdienen, dem Gedächtniſſe eingeprägt zu werden. Abg. Dr. Pacak beſprach zunächſt die Politik des Kabinetts Baron Beck, deſſen Chef den Tſchechen durchaus günſtig geſinnt geweſen ſei. Pacak bedauerte den Sturz dieſes Kabinetts: Es ſei ſchade, daß ſeine (Baron Becks) Politik im Intereſſe des Reiches fowie im Intereſſe der Dynaſtie kein größeres Verſtändnis und keine größere Unterſtützung an den kompetenten Stellen und bei verſchiedeuen Faktoren gefunden hat, die ſonſt nicht genug mit ihrem Patriotismus‘ prahlen können. Dr. Pacak würdigte dann das gegenwärtige Kabinett, dem die wirklichen Feinde des tſchechiſchen Volkes , Baron Haerdtl und Dr. v. Hochen - burger, angehören und verwies dann auf die Grün - dung der Slaviſchen Vereinigung. Ein grelles Streiflicht auf das Verhältnis der Sozialdemo - kraten zu den Parlamentszertrümmerern wirft folgende Aeußerung Pacaks: Neben dieſer ſlaviſchen Union ſind da aber noch die tſchechiſchen Sozialdemo - kraten, welche unter der Elementargewalt des tſchechi - ſchen Volkes gezwungen ſein werden, die ſlaviſche Union in alltſchechiſchen Fragen zu unter - ſtützen. Zwiſchen Choc und Nemec und zwiſchen ihren beiden Gruppen beſteht eben die engſte Ge - ſinnungsverwandtſchaft und da die Adlergruppe der Sozialdemokraten ganz im Banne der Nemecgruppe ſteht, iſt das mehr als ſeltſame Verhalten der Sozial - demokraten zu den tſchechiſchen Nebelhornbläſern ver - ſtändlich. Dr. Pacak ſuchte in ſeiner Rede auch die Ruthenen und Polen durch allerlei Schmeicheleien für das allſlaviſche Projekt zu gewinnen. Von den Ruthenen ſagte er, er ſei feſt überzeugt, und die Zu - kunft werde es beweiſen, daß in dem Augenblicke, in welchem wirklich die Würfel fallen werden und in dem es ſich wirklich um die Sache aller Slaven handeln werde, die Ruthenen wie ein Mann hier ſein werden, damit ſie der Stimme ihres Herzens und der der großen ſlaviſchen Familie Oeſterreichs folgen. Demnach handelt es ſich alſo derzeit nicht wirklich um die Sache aller Slaven, was wiederholt von tſchechiſcher und auch ſüdſlaviſcher Seite behauptet worden iſt. Schließlich forderte Pazak die tſchechiſche Journaliſtik auf, nicht eine Taktik nur mit Rückſicht auf die Intereſſen irgend einer tſchechiſchen Partei zu diktieren. Es müſſe vielmehr eine Taktik gewählt werden, die allen ſlaviſchen Parteien das Mittun ermögliche. Deshalb gedenken die vereinigten tſchechiſchen Klubs ſowie auch die Slaviſche Union, ſo weit ihnen die Unterſtützung aller Slaven verbürgt iſt, behufs Erlangung ihrer berechtigten Wünſche vorläufig nicht zu den ſchärfſten parlamentariſchen Waffen, zur Obſtruktion, zu greifen; die tſchechiſche Delegation würde nur dann zur Obſtruktion greifen, wenn ſie iſoliert wäre und wenn jemand einen Verſuch mit der klaren Tendenz wagen ſollte, gegen die Tſchechen zu regieren.

Die Tſchechiſchradikalen und das Rekruten - kontingentsgeſetz.

Aus Prag, 7. d., wird uns berichtet: Das Exekutivkomitee der Tſchechiſchradilalen beſchloß heute in Anweſenheit der Abgeordneten Hejn, Hubka und Baxa die tſchechiſchradikalen Abgeordneten aufzufordern, ſowohl die Sprachenvorlagen als das Rekrutenkontingent und die Annexionsvorlage mit allen Mitteln zu verhindern. Der tſchechiſchradikale ſtaatsrecht - liche Partei erwartet, daß auch die anderen tſchechiſchen Abgeordneten einig mit den tſchechiſchen Staatsrechtlern vorgehen werden. Die Partei proteſtierte gegen die Kriegsgefahr (ob dieſer Proteſt auf die Kriegsgefahr wohl einen großen Eindruck machen wird? D. R.) die durch die Annexion heraufbeſchworen worden ſei und begrüßte die allſlaviſche Einigkeit. Der Appell an die anderen tſchechiſchen Abgeordneten und an die allſlaviſche Einigkeit , da die Tſchechiſchradikalen durch ihren Beſchluß vorgreifen, iſt wohl nur taktiſche Rück - zugsdeckung. Die Herren Choc und Baxa wollen ſich auf4Wien, Montag Reichspoſt 8. März 1909. Nr. 67die Haltung der anderen und auf die allſlaviſche Einigkeit ausreden können.

Die Deutſche Agrarpartei und die Chriſt - lichſozialen.

Gegenüber der andeutungsvollen tenden - ziöſen Meldungen der N. Fr. Pr. von Verhandlungen der Deutſchen Agrarpartei mit den chriſtlichſozialen Agrariern erklärt die Korr. Auſtria : Wahr iſt ledig - lich, daß Abg. Graf Kolowrat an die Mitglieder der Deutſchen Agrarpartei ein Rundſchreiben richtete, in dem er dieſe zur Vereinigung mit den chriſtlichſozalen Agrariern aufforderte, da die beſtehende internationale Agrariſche Vereinigung ihre geplanten Zwecke bisher nicht erreicht hätte. Die weiteren Behauptungen ſind Phantaſie und Kombination. In dem Rundſchreiben Graf Kolowrats iſt auch mit keinem Worte von irgend einem Zuſammenhang zwiſchen der Ernennung Doktor Weiskirchners zum Handelsminiſter und ſeiner Tätigkeit als Präſident, noch von der in durchſichtiger Abſicht behaupteten angeblichen Mißſtimmung der chriſt - lichſozialen Agrarier die Rede. Verhandlungen zwiſchen den deutſchfreiheitlichen und chriſtlichſozialen Agrariern wurden eigentlich nicht geführt, ausſchließlich Abg. R. v. Pantz betrieb ſolche für ſeine Perſon, ohne indes damit Anklang bei ſeinen Partei - genoſſen zu finden. Insbeſonders nahm auch der geſchäftsführende Obmann der großen Agrariſchen Vereinigung Abg. Fink an ſolchen ſogenannten Ver - handlungen nicht teil. Die chriſtlichſoziale Partei iſt gerne bereit, mit den deutſchfreiſinnigen Agrariern ſowie mit jeder anderen Gruppe des deutſchen Nationalverbandes bei nationalen oder wirtſchaftlichen Aktionen zuſammen - zuarbeiten. An eine organiſche Verbindung beider Parteien wäre jedoch nur zu denken, wenn ſich die deutſchen Agrarier an die chriſtlichſoziale Partei an - ſchließen.

Ausland.

Kaiſer Wilhelm begrüßte, wie aus Berlin vom 7. März gemeldet wird, die Kaiſerin-Witwe von Rußland auf der Durchreiſe nach London im Schleſiſchen Bahnhof und geleitete ſie bis Charlottenburg.

König Eduard iſt heute vormittag einer Meldung aus Paris vom 7. d. M. zufolge nach Biaritz abgereiſt. Mit Rückſicht auf ſein Inkognito, war nur der engliſche Botſchafter Bertic im Bahnhofe erſchienen.

Die Gerüchte von einem Komplott gegen König Georg von Griechenland ſind, wie aus Athen vom 7. d. M. berichtet wird, abſolut unbegründet.

Die italieniſchen Kammerwahlen fanden, wie der Draht vom 7. d. M. aus Rom meldet, geſtern in ganz Italien ſtatt. Sie vollzogen ſich ohne beſondere Zwiſchenfälle. Bisher liegen folgende Berichte vor: In Rom wurde im erſten Wahlbezirke der Repu - blikaner Mazza gegen den Konſervativen Tenerani, im zweiten Wahlbezirte der Sozialiſt Biſſolati gegen den Konſervativen Santini, der bisher dieſem Bezirk vertreten hatte, gewählt. Im dritten Wahlbezirke wurde der Miniſterielle Guido Baccelli wiedergewählt. Im vierten Wahlbezirke iſt eine Stichwahl zwiſchen den beiden Miniſteriellen Prinz Leo Caetani und Gabrielli wahr - ſcheinlich. Im fünften Wahlbezirke wurde der Repu - blikaner Barzilai wieder gewählt. Ferner wurden die ehemaligen Miniſter Luzzatti und Fortis wiedergewählt.

Bevorſtehender Einmarſch ruſſiſcher Truppen in Perſien.

Die Vorgänge in Perſien, deren Bedeutung hinter den internationalen Verwicklungen in Europa bisher nicht zu voller Geltung gekommen iſt, lenken die Auf - merkſamkeit immer mehr auf ſich. Nach der heute vor - liegenden Meldung aus Petersburg ſcheint eine militäriſche Intervention Rußlands bevorzuſtehen. Es heißt darin: Die Nachrichten aus Perſien lauten über - aus beunruhigend. In maßgebenden Kreiſen wird die Notwendigkeit einer Einmiſchung Rußlands betont. Der ruſſiſche Generalkonſul in Dſchulfa ſtellte den kämpfen - den perſiſchen Parteien eine Art Ultimatum des Inhalts, daß die ruſſiſchen Truppen einmarſchieren würden, falls ſich die Kämpfenden nicht aus dem Grenzgebiet zurückziehen. In Marand finden Maſſenhinrichtungen ſtatt.

Dieſe Nachricht kann keineswegs überraſchen, denn es war ſchon lange zu erkennen, daß Rußland in Perſien Beſonderes vorhabe; ſchon ſeit Monaten wurde darüber zwiſchen den Kabinetten von Petersburg und London verhandelt, und ſchon wiederholt iſt angedeutet worden, daß eine Intervention Rußlands bevorſtehe, trotzdem anderſeits immer verſichert wurde, man werde den perſiſchen Wirren gegenüber das Prinzip der Nicht - einmiſchung befolgen. Das Einſchreiten Rußlands in Perſien gewinnt im Hinblick auf die Nachbarſchaft der Türkei beſondere Bedeutung und dürfte auch auf die europäiſche Politik des Zarenreiches nicht ohne Einfluß bleiben.

Die Angelegenheiten der Türkei.

Das türkiſch-bulgariſche Abkommen.

(Privattelegramm.) Nach Berichten aus Konſtantinopel ſteht die Unter - zeichnung des türkiſch-ruſſiſch-bulgariſchen Abkommens unmittelbar bevor. Man hofft von dieſem Schritte eine weſentliche Entſpannung der Lage auf dem Balkan.

Der türkiſche Miniſter des Aeußern Rifaat Paſcha iſt nach Berlin ab - gereiſt.

Bedenkliche Vorgänge bei der Yildiz-Beſatzung.

Geſtern hat ein Soldat der zweiten Diviſion, welche die Yildiz-Beſatzung beiſtellt, nachdem er von einem Offizier beſtraft worden war, mit herbeigerufenen Kameraden vor dem Tore des Yildiz unter Hochrufen auf den Sultan demonſtriert. Die Manifeſtanten wurden mit Mühe beruhigt.

(Privattelegramm.) Wie die Blätter aus Konſtantinopel melden, kam es im Yildiz - kiosk zwiſchen den Offizieren der jüngeren Gene - ration, die nach der Verfaſſungserteilung auf Vorſchlag des jungtürkiſchen Komitees dahin kommandiert wurden, und den Offizieren des früheren Regimes zu ernſten Konflikten. Die Truppen ſollen für die älteren Offiziere eingetreten ſein. Unter den Rufen: Es lebe der Sultan! wurde die Entfernung der jüngeren Offiziere gefordert. Der Großvezier und der Kriegs - miniſter wurden ſofort nach dem Palais berufen. Nähere Einzelheiten fehlen noch.

Die Beduinenüberfälle auf die Hedſchasbahn.

Die Ueberfälle der Beduinen auf die Hedſchasbahn und die Telegraphen dauern fort, da zur Bewältiguug der Beduinen langwierige Expeditionen nötig wären. Die Pforte iſt bemüht, durch Verhandlungen Frieden zu ſtiften.

Die Koalitionskriſe in Ungarn.

Ungarn und die Handelsverträge.

Ueber Einladung der Peſter Lloydgeſellſchaft fand heute in der Frage der mit den Balkanſtaaten abzuſchließenden Handelsverträge eine Ver - ſammlung ſtatt, an der die Handels - und Gewerbe - korporationen, ſowie andere Intereſſenten teilnahmen. Die Verſammlung nahm eine Reſolution an, in der unter anderem ausgeführt wird: Sämtliche Zweige der ungariſchen Volkswirtſchaft erfordern eine Regelung der Handelsbeziehungen mit den Balkan - ſtaaten, beſonders mit Rumänien, Serbien, Bulgarien und der Türkei, durch Tarifverträge mit längerer Dauer. Den Erzeugniſſen der ungariſchen Induſtrie müſſen die Abſatzmärkte in den be - nachbarten induſtriearmen Orientländern durch Tarif - verträge geſichert werden. Die Balkanſtaaten würden gegen Gewährung günſtiger Zollſätze für ihre landwirtſchaftlichen Artikel auch Ungarn günſtige Zollſätze bieten können. In Ergänzung des Beſchlußantrages wurde gegen den geplanten rumäniſchen Geſetzentwurf, be - treffend die prohibitive Beſteuerung des rumäniſchen Holzexportes Proteſt erhoben, da hiedurch die intereſſierten ungariſchen Unternehmer ge - ſchädigt werden würden.

Letzte Telegramme.

Die italieniſchen Kammerwahlen.

Bisher ſind 155 Wahlreſultate bekannt. Gewählt wurden 83 bisherige miniſterielle Deputierte und 22 neue. 19 bisherige Ab - geordnete der konſtitutionellen Oppoſition und ein neuer, 9 bisherige radikale Abgeordnete und 2 neue, 11 bisherige ſozialiſtiſche Abgeordnete und 5 neue, ferner 2 Katholiken. 22 Stichwahlen ſind erforderlich. Wiedergewählt wurden die Miniſter Arlando, Bartolini, Lacava, Carcano und Rava, die Unterſtaatsſekretäre Facta, Sanardelli, Dari, Fasce, Cottafari, Pompilli und Ciufelli, die ehemaligen Miniſter Salandra, Morelli, Qualtierotti, Capabelli, Martini, Guicciardini, Giuſſo und Chimirri und der Kammer - präſident Marcora. In beiden Wahlbezirken von Meſſina wurde Miniſterpräſident Giolitti gewählt, ebenſo in Dronero. In Trapani wurde Naſi wiedergewählt.

Die ſerbiſchen Rüſtungen.

(Privattelegramm.) Die Rüſtungen werden ohne irgend eine Einſchränkung fortgeſetzt. Bis Ende April ſoll die Armee ſchlag - fertig ſein. Der Kriegsminiſter ließ einen Plan zur Armierung der Belgrader Feſtung ausarbeiten. Den Zeitungen wurde verboten, weitere Einzelheiten über die Rüſtungen zu veröffentlichen.

Der Pfarrer Tremel ſuspendiert.

(Privattelegramm.) Der Pfarrer Tremel von Volsbach hat heute vom erzbiſchöflichen Ordinariat folgendes Schreiben erhalten: Nachdem Sie unſerer Aufforderung nicht nachkommen wollen und gleich - zeitig die Berufung zum hochwürdigen Ordinariat Würzburg angekündigt haben, ſind Sie ipso facto der suspensio[a]divinis verfallen. Wir ſehen uns daher zu unſerem tiefen Bedauern in die Notwendigkeit verſetzt, für die Pfarrei Volsbach einen Vikar quoad spiritualia auf Ihre Koſten aufzuſtellen, und zwar in der Perſon des Herrn Sub - präventievverweſers Kümmermann, der am Samstag den 6. d. in Volsbach eintrifft.

Das Vetorecht der Staaten bei der Papſtwahl.

(Privat.) Wie den Blättern aus Rom gemeldet wird, habe der Papſt an das Kardinals - kollegium eine Bulle g[e]richtet, in welcher das Vetorecht weltlicher Autoritäten bei der Papſtwahl aufgehoben und den Kardinälen bei Strafe der Ex - kommunikation verboten wird, eine direkte oder indirekte Beeinfluſſung während des Konklaves durch weltliche Auto - ritäten zu dulden.

Tagesbericht.

* Kalender für Dienstag den 9. März 1909.

Katholiken: Franziska. Griechen (24. Febr.): Enthauptung des hl. Johannes. Sonnenaufgang 6 Uhr 28 Minuten morgens. Sonnenuntergang 5 Uhr 55 Minuten abends. Mondes - aufgang 8 Uhr 20 Minuten abends. Mondesuntergang 7 Uhr 41 Minuten morgens.

* Geſchichtskalender für den 9. März.

1451. Amerigo Veſpucci, ital. Seefahrer, geb. Florenz. 1661. Tod des Kardinals und Miniſters Mazarin. 1749. Graf Mirabeau, franz. Redner, geb. Vignon bei Nemours. 1831. F. M. Klinger, Dichter ( Sturm und Drang ), geſt. Dorpat. 1832. Tod des Komponiſten Murio Clementi. 1888. Kaiſer Wilhelm I., geſt. Berlin. 1889. Kaiſer Johannes von Abeſſinien fällt bei Metemneh gegen den Mahdi. 1895. Leop Sacher-Maſoch, Schriftſteller, geſt. Lindheim, Heſſen. 1904. Auguſtus Lord Loftus, engl. Diplomat, geſt. London. 1906. Martin von Mathuſius, Theolog, geſt. Greifswalde als Profeſſor. 1908. Profeſſor v. Braumühl, bekannter Mathematiker, geſt. in München.

* Auszeichnungen und Ernennungen.

Der Kaiſer hat dem Miniſterialſekretär Ludwig Leon im Ackerbaumini - ſterium den Titel und Charakter eines Sektionsrates, dem Sekretär des Vereines für Güterbeamte Otto Ritter Egger von Möllwald den Titel eines kaiſerlichen Rates und dem gräflich Abensperg und Traunſchen Rentmeiſter Joſef Stagl in Groß-Schweinbart, dem Sicherheitswachmann der Wiener Polizeidirektion Joſef Hofmann II für die Rettung eines Menſchen vom Tode des Ertrinkens das Silberne Verdienſtkreuz verliehen. Der Miniſter für Kultus und Unterricht hat den Supplenten an der Handelsakademie in Graz Dr. Viktor Pöſchl zum wirklichen Lehrer an dieſer Anſtalt ernannt.

* Sanktionierte Geſetzentwürfe.

Der Kaiſer hat dem vom Landtage des Erzherzogtums ob der Enns be - ſchloſſenen Entwurfe eines Geſetzes, womit einige Para - graphen des Gemeindeſtatuts der Landeshaupt - ſtadt Linz abgeändert werden und dem vom Landtage der gefürſteten Grafſchaft Tirol beſchloſſenen Geſetzentwurf betreffend die Errichtung einer öffentlichen Mädchen-Bürger - ſchule in der Landeshauptſtadt Innsbruck die Sanktion erteilt.

* Beeidigung.

Der Kaiſer, welcher ſeit Donners - tag nachmittag in Schönbrunn weilte, iſt heute früh um ¾8 Uhr in der Hofburg eingetroffen und hat um ¾10 Uhr vormittags vor Beginn der allgemeinen Audienzen den neuernannten Miniſter Dr. Ladislaus Ritter v. Dulemba beeidigt.

* Eidesleiſtung der Neuaſſentierten.

Geſtern Sonn - tag um 10 Uhr vormittags fand in der Roßauerkaſerne, im Artilleriearſenal und in der Landwehrkaſerne im 5. Bezirk die feierliche Eidesabnahme der nach dem 1. No - vember v. J. zum Präſenzdienſt und zur militäriſchen Aus - bildung eingerückten Soldaten nach vorausgegangenem feierlichen Gottesdienſt ſtatt. In der Roßauerkaſerne war ein Bataillon mit Fahne und Muſik des Inſanterie - Regiments Nr. 67 geſtellt. Hier wohnte auch der Kom - mandant der 93. Infanteriebrigade GM. Schleyer der Eidesleiſtung bei.

* Handelsminiſter Dr. Weiskirchner bei Bgm. Dr. Lueger in Lovrana.

Aus Lovrana meldet man uns vom 6. d.: Heute traf hier der Statthalter von Trieſt Prinz Hohenlohe zum Beſuche des Handelsminiſters Dr. Weiskirchner und des Bgm. Dr. Lueger ein. Nachmittags machte der Handelsminiſter in Begleitung des Hofrates Pranter und der kaiſerlichen Räte Dr. Eder und Seis einen Spaziergang in die Altſtadt, wo er den neuerbauten Molo und das Poſtamt beſichtigte, deſſen Verlegung aus räumlichen Rückſichten dringend not - wendig erſcheint. Das geſtern hier herrſchende Schirokko - wetter hat das Befinden des Bürgermeiſters nicht ungünſtig beeinflußt. Im Laufe des heutigen Tages ſind auch noch Präſidialvorſtand Magiſtratsrat Dr. Bibl und General - direktor der Oeſterreichiſchen Länderbank L. A. Lohnſtein zum Beſuche des Bürgermeiſters eingelangt.

* Zuſammenkunft katholiſcher Philologen.

Heute Montag, 8 Uhr abends, findet in Trötters Reſtauration Zum Magiſtrat , 1. Bez., Lichtenfelsgaſſe 3, eine Zu - ſammenkunft der katholiſchen Philologen der Wiener Univerſität ſtatt, in welcher nach Erörterung von auf die geplante Vereinsgründung bezüglichen Angelegenheiten formaler Natur stud. phil. Otto Karl Spitz einen Vor - trag über die jungrömiſche Dichterſchule halten wird.

* Maſſenverhaftung von Studenten in Rußland.

Man telegraphiert uns aus Warſchau vom 7. d. M.: Geſtern nachmittag fand in der hieſigen Univerſität eine von 500 Studenten beſuchte Proteſtverſammlung gegen das Warſchauer Studentengeſetz ſtatt. Die Polizei ſchritt ein und forderte die akademiſche Jugend auf, die Univerſität zu verlaſſen., Die Studenten verſammelten ſich jedoch in einem Saale und weigerten ſich, die Univerſität zu ver - laſſen. Militär ſchritt ein, verhaftete die 500 Studenten und verteilte ſie in die Arreſte der verſchiedenen Polizei - bezirke. 142 der verhafteten Studenten müſſen in den nächſten 24 Stunden Warſchau und Kongreß-Polen über - haupt verlaſſen.

* Schwerer Rodelunfall.

Aus Mödling, 7. d., wird uns gemeldet: Geſtern nachmittag verunglückte hier auf dem Liechtenſtein der 25jährige Hausbeſitzersſohn Friedrich Maller aus Maria-Enzersdorf beim Rodeln und erlitt einen doppelten Bruch des linken Fußes. Maller wurde ins hieſige Krankenhaus gebracht. Der Unfall er - eignete ſich dadurch, daß Maller mit ſeinem Schlitten, in dem mehrere Perſonen ſaßen, an der Kurve bei der oberen Wieſe nächſt der Fürſtenſtraße einem zweiten Schlitten ausweichen wollte. Hiebei kippte die Rodel um und Maller geriet ſo unglücklich unter den ſchweren Schlitten, daß er ſich den Fuß zweimal brach.

* Krawalle bei den Krankenkaſſenwahlen in Aſch.

Man telegraphiert uns aus Aſch vom 7. d. M.: Anlä[ßl]ich der heute hier ſtattgefundenen Wahlen in den Ausſchuß der hieſigen Bezirkskrankenkaſſen kam es zwiſchen Sozialdemo - kraten und Deutſchnationalen zu großen turbulenten Sze[n]en. Die Wahlagitation wurde von beiden Seiten ungemein leb - haft betrieben. Die Sozialdemokraten waren bis mittag im Vorſprung, erſt nachmittags wurden die Ausſichten für die Deutſchnationalen günſtiger. Mittags kam es zwiſchen5Nr. 67 Wien, Montag Reichspoſt 8. März 1909.Sozialdemokraten und Deutſchnationalen vor dem Agi - tationslokale der letzteren zu einer großen Keilerei, in deren Verlauf die Sozialdemokraten die Deutſchnationalen in das Agitationslokale zurückdrängten, in welchem die Rauferei fortgeſetzt wurde. Die ſtreitenden Par - teien hieben mit Fäuſten und Stöcken aufeinander ein. Da die Situation immer kritiſcher wurde und die Polizei ſich als zu ſchwach erwies, um die Ruhe herzu - ſtellen, wurde Gendarmerie requiriert, welche die ſtreitenden Parteien trennte und das Aqitationslokal der Deutſch - nationalen beſetzt hielt. Von Seite der Sozialdemokraten wurde nun durch längere Zeit der Zugang zum Wahllokal geſperrt gehalten. Ueber Beſchwerde der deutſchnationalen Wähler ſchritten Polizei und Gendarmerie ein und hielten den Zugang zum Wahllokale frei. Auch wurde der Wahl - akt von Seite der Wahlkommiſſion bis 5 Uhr nachmittags verlängert. Erſt nach Schluß der Stimmenabgabe kehrte allmählig die Ruhe wieder ein. Von 3000 Wahlberechtigten haben ſich 2200 an dem Wahlakte beteiligt. Die Deutſch - nationalen rechnen damit, daß ihre Kandidaten mit 200 bis 300 Stimmen Majorität geſiegt haben dürften. Das definitive Wahlreſultat dürſte erſt morgen nachmittag be - kannt gegeben werden.

Ein Zwiſchenfall in der Schottenkirche. Demonſtration während der Faſten - predigt.

In der Schottenkirche hat ſich geſtern ein Fall von Religionsſtörung ereignet, ähnlich jenen empörenden Vor - fällen, die wir leider im Vorjahre in der Michaelerkirche und in Mödling zu verzeichnen hatten. Zwei junge Leute haben geſtern während der Faſtenpredigt in der Schotten - kirche Zwiſchenrufe gemacht und ſind von den erregten Kirchenbeſuchern aus der Kirche hinausgedrängt und der Polizei übergeben worden.

Ueber den Vorfall erfahren wir folgen des: Geſtern abend hielt zur gewohnten Stunde der Kapitular des Schottenſtiftes P. Wenzel Czeppa, die Faſtenpredigt, der ein zahlreiches Publikum beiwohnte. Gegen Schluß der Predigt, als der Geiſtliche die Schlußfolgerungen aus ſeinen Ausführungen zog, machten zwei junge Leute laute Zwiſchenrufe.

Trotz der Abmahnung der Nächſtehenden ſetzten die Bei - den die Zwiſchenrufe fort und geſtikulierten lebhaft gegen den Prediger. Nun wurde die Stimmung unter den Kirchenbeſuchern eine erregte; man drängte die Religions - ſtörer zur Kirche hinaus; vor der Kirche wurde durch die fortgeſetzte provokatoriſche Haltung der jungen Leute die Lage für dieſe ſehr kritiſch. Einige beſonnene Männer hielten die Volksmenge ab, an den Beiden Juſtiz zu üben und übergaben die Täter der Wache, die ſie zur Wachſtube in der Bankgaſſe brachte.

Von anderer Seite erfahren wir: Die beiden Religions - ſtörer gaben bei der Einvernahme durch die Polizei an, Ernſt und Rudolf Dick zu heißen, 19 beziehungs - weiſe 20 Jahre alt zu ſein und in privaten Dienſten zu ſtehen. In ſeiner Verautwortung ſtellte der eine der Brüder die Affäre als ungemein harmlos hin und meinte: Er habe bloß ſeinen Bruder aufgefordert, mit ihm nach Hauſe zu gehen; wenn man den Fall aufbauſche, ſo meinte der junge Burſche, ſo zeige ſich eben nur, daß hier wieder für die katholiſchen Zeitungen ein Freſſen bereitet werden ſolle. Der andere Bruder, der überwieſen wurde, daß er laut gelacht habe, gab an: Er habe deshalb gelacht, weil ſeine Anſichten mit jenen des Predigers nicht übereinſtimmten und ihm eben komiſch erſchienen; damals habe der Prediger gerade vom Phariſäertum und von der roten Inter - nationale geſprochen. Die beiden wurden wegen Verbrechens nach § 303 (Aergernis erregendes Benehmen während einer gottesdienſtlichen Handlung) dem Landes - gerichte angezeigt.

Sonntagsexzeſſe in Prag. Ein deutſcher Student ſchwer verletzt.

(Privattelegramm.)

Während der heutige Bummel der deutſchliberalen Studenten auf dem Graben ohne jede Störung verlief, kam es auf dem Wenzelsplatze zu bedrohlichen Angriffen gegen die deutſchnationalen und deutſchen katholiſchen Studentenverbindungen. Bis ½12 Uhr herrſchte vollkommene Ruhe und die auf dem Wenzels - platze anweſenden tſchechiſchen Studenten, die heute zum erſten Male nach längerer Zeit wieder in ihren ſchwarzen Sammtbaretts und geſchmückt mit ſlaviſchen Trikoloren erſchienen waren, ſowie die Vertreter der national-ſozialen Jungmannſchaft verhielten ſich bis zu dieſer Zeit voll - kommen ruhig. Als jedoch gegen die Mittagsſtunde die Demonſtranten aus den Vororten ſtarken Zuzug erhalten hatten, kam es bald oberhalb des Hotels Stefan zu bedrohlichen Angriffen auf die deutſchen Studenten. Die Demonſtranten umringten die Deutſchen und beſchimpften ſie. Als die Polizei Ruhe ſchaffen wollte, riefen ihr die Demonſtranten zu: Sucht lieber den Mörder aus den Weinbergen! Auch durch ſonſtige Schmährufe wurde die Polizei verhöhnt. Unterhalb der Mariengaſſe wurden etwa 80 Couleurſtudenten von den Demon - ſtranten umringt und zahlreiche Studenten geſchlagen. Vielen Studenten wurden die Kappen vom Kopfe ge - riſſen. Dem Mitgliede der Studentenverbindung Auſtria , S., wurde mit einem ſcharfen Inſtrumente die linke Wange bis zum Unterkiefer durchſchnitten. Als mutmaßlicher Täter wurde von einem Polizeioffizier der tſchechiſche Juriſt Pravda verhaftet und der Polizeidirektion eingeliefert. Erſt jetzt ſchritt ſowohl Fußpolizei als berittene Wache mit großer Energie ein und alsbald gelang es den behörd - lichen Anſtrengungen, die aufs Aergſte bedrohten deutſchen Studenten aus dem dichten Knäuel zu befreien und ihnen den Abzug gegen die Mariengaſſe zu verſchaffen, die ſofort abgeſperrt wurde, um ein Nachrücken der tſchechiſchen Demonſtranten zu verhindern. Die Demon -ſtranten drängten nunmehr zum Muſeum und nahmen hier eine derart exzeſſive Haltung gegen die Wache ein, daß die berittene Polizei eine Attacke unternahm und die Menge gegen die Weinberge drängte, wo ſie von Fußpoliziſten zerſtreut wurde.

Die deutſchen Studenten waren inzwiſchen unter polizeilichem Schutz ins deutſche Studentenheim geleitet worden. Nach ½1 Uhr trat wieder Ruhe ein. Im Laufe der Exzeſſe am Mittag wurden mehrere Ver - haftungen vorgenommen.

Harmloſer werden die Vorgänge im folgenden offiziöſen Berichte des K. k. Korr. Bur. geſchildert: Heute vormittag fanden ſich etwa vierzig deutſche Couleurſtudenten auf dem Graben ein, der infolge der Verkehrshinderniſſe nur eine ſchwache Frequenz aufwies, und es kam hier zu keinem Anſtand. Dagegen war die Frequenz auf dem oberen Wenzelsplatz zwiſchen der Heinrichsgaſſe und dem Stadtpark ſtark. Die Zahl der hier promenierenden Studenten betrug etwa hundert - vierzig. Der Verkehr wickelte ſich hier anfangs ohne Anſtand ab. Erſt als gegen ¾12 Uhr die Frequenz den Höhepunkt erreichte, ſah ſich die Sicherheitswache, um den Verkehr in Ordnung zu halten, veranlaßt, einen Teil der Menge vom Wenzelsplatz in die Jungmann - ſtraße zu drängen, was ohne Anſtand (?) geſchah. Einige junge Leute wurden behufs Sicherſtellung vor - geführt.

Das Wetter.

Die Natur gab geſtern den Wienern, die ſich durch die Unannehmlichkeit des Schneewatens nicht von einem Aus - fluge in den Wiener Wald abhalten ließen, eine herrliche Aufführung des Naturſchauſpieles: Kampf des Winters mit dem Frühling. Ueber ſchneebedeckte Berghänge wölbte ſich ein herrlich blauer Himmel, und die Sonne ſendete nur nicht glänzende, ſondern auch fühlbar wärmende Strahlen herab. Der Frühling blieb Sieger, wenn auch in der Dämmerungsſtunde ein ſcharfer Wind den Rückzug des Winters deckte. Tauſende von Ausflüglern erfreuten ſich in der näheren und weiteren Umgebung Wiens des herrlichen Wetters und ſcheuten die Unbequemlichkeit des teilweiſen Watens im ſchmelzenden Schnee nicht.

Leider hat aber der raſche Wetterübergang auch ſeine gefährliche Seite. Im Gebirge hatte die plötzliche Schnee - ſchmelze große Lawinenſtürze zur Folge, die auch geſtern und vorgeſtern wieder eine beträchtliche Anzahl von Menſchenopfern forderte. Sowohl im Anlauftale wie im Gaſtrintal wurden Bahnarbeiter von Lawinen überraſcht und von ihnen verſchüttet Die eingelaufenen Meldungen beſagen über die

Lawinenſtürze.

Im Abfalltalgraben vor der Station Böckſtein im oberen Gaſteintal ging heute um ½7 Uhr früh eine Lawine ab, die zwei Arbeiter - kochhütten mit ſich riß, in denen neunundreißig beim Tunnelbau beſchäftigte Arbeiter gerade frühſtückten. Bei den ſofort eingeleiteten Nachgrabungen wurden bis 8 Uhr abends zwölf Arbeiter gerettet und fünfzehn Tote zutage gefördert. Zwölf Arbeiter werden noch vermißt. Auf dem verhältnismäßig engen Lawinenfelde arbeiten 250 Mann an der Bergung der Ver - ſchütteten. Obwohl keine Hoffnung auf Rettung der Vermißten beſteht, werden die Arbeiten unaus - geſetzt mit ausreichenden und ſich ablöſenden Kräften fort - geſetzt. Für die Nacht treten wieder 250 friſche Arbeiter in Tätigkeit. Der Amtsleiter von St. Johann, Graf Kottulinsky, blieb an Ort und Stelle, um die Arbeiten, deren Leitung ein Ingenieur der Staatsbahnen führt, zu überwachen.

Im Anlauftal wurde eine Arbeiterbaracke, in der ſich 30 bis 40 Mann befanden, von einer Lawine verſchüttet. Bis 10 Uhr vor - mittags waren 17 Mann ausgegraben. Von dieſen ſind ſechs tot, die anderen ſchwer verletzt.

Aus Eiſenkappel in Kärnten berichtet man uns: Als am 4. d. M. der Graf Thunſche Holzmeiſter Rutter ſich in die drei Stunden entfernt liegende Ryawitra - klamm begab, um nach den Holzknechten zu ſehen, fand er weder die Holzknechte noch die Hütte, die dieſelben bewohnten, vor. Eine Lawine hatte die Hütte ſamt den drei darin wohnenden Holzknechten verſchüttet. Der ſofort erſchienenen Rettungsaktion gelang es, einen der drei Knechte noch am Leben anzutreffen. Er erzählte, daß die Lawine bereits am Montag den 1. März niedergegangen war und er 70 Stunden hindurch auf Rettung gewartet habe. Die übrigen beiden konnten noch nicht geborgen werden.

Der Zugsverkehr.

Auf der Strecke Klagenfurt Aßling wurde der Perſonenzugsverkehr mit Ausnahme der Schnellzüge geſtern aufgenommen. In der Strecke Villach Tarvis wird der Perſonenzugsverkehr mit Aus - nahme der Schnellzüge heute mit Zug Nr. 915 wieder auf - genommen. In den Strecken Villach Roſenbach und Tarvis Pontafel bleibt der Verkehr bis auf weiteres ein - geſtellt.

Der geſtern um ¾10 Uhr abends hier fällige Perſonenzug Biſtritz Olmütz iſt infolge von Schneeverwehungen in der Nähe der Station Olmütz entgleiſt.

Der Perſonen - und Eilgutverkehr in der Strecke Kriegsdorf Römerſtadt wurde geſtern mit dem Zug Nr. 1658 wieder aufgenommen.

Infolge heftigen Schneetreibens ſind hier zahlreiche Telegraphendrähte zerriſſen; der Schade an der Telephonleitung iſt bedeutend. Der elektriſche Straßen - baynverkehr wird nur mit großen Anſtrengungen aufrecht erhalten. Auch der Bahnverkehr iſt ziemlich erſchwert.

Infolge der letzten Schneefälle er - leidet der hieſige Bahn - und Telephonverkehr vielfache Unterbrechungen.

Große Schneefälle in England und Italien.

(Privattelegramm.) In ganz England herrſchten geſtern furchtbare Schneeſtürme. Insbeſonders aus den nördlichen Grafſchaften, ſpeziell aus Derbyſhire, kommen Nachrichten, daß daſelbſt zahlreiche Dörfer eingeſchneit und von jedem Verkehre mit der Außenwelt abgeſchnitten ſind.

In ganz Italien herrſcht ſchlechtes Wetter. Aus Mailand, Turin und Genua werden Schneefälle gemeldet, in Venedig, Florenz und Rom regnet es ſtark.

Aus dem Gerichtsſaale.

Räuberiſcher Ueberfall durch eine Frau.

Der ſeltene Fall, daß eine Frau wegen Verbrechens des Raubes angeklagt iſt, liegt heute den Geſchwornen zur Ent - ſcheidung vor. Als Angeklagte erſcheint die 25jährige Kleidermacherin Paula Peller, weil ſie am 3. Dezember v. J. der Trödlerin Marie Stephinger Salz in die Augen geſtreut und eine goldene Kette entriſſen hat. Den Vorſitz in dem Prozeſſe führt OLGR. Dr. Wach. Die von StAS. Dr. Kunz vertretene Anklage lautet auf Ver - brechen des Raubes und des Betruges. In den Gründen wird ausgeführt: Im Trödlergeſchäfte des Lorenz Stephinger, 8. Bezirk, Lerchenfelderſtraße 74, erſchien am 3. Dezember zwiſchen 3 und ½4 Uhr nachmittags eine Frauensperſon, welche ſpäter als die Paula Peller identifiziert wurde. Im Geſchäfte war nur die Gattin Stephingers anweſend. Paula Peller verlangte eine doppelgliedrige, goldene Herren - kette zu ſehen, und erzählte, ſie wolle damit ihrem Manne ein Weihnachtsgeſchenk machen. Sie wolle die Kette vor - läufig nur beſichtigen und werde wiederkommen, bis ſie vom Sparverein Geld erhalten habe. Als ſie nun hörte, daß die ihr vorgelegte Kette nur 60 Kronen koſte, meinte ſie, ihr Mann ſei ein Feinſchmecker, es müſſe ſchon etwas beſſeres ſein. Frau Stephinger zeigte ihr daraufhin eine Kette um 100 Kronen, und nach kurzer Prüfung des Schmuckſtückes erklärte Paula Peller, ſie werde die Kette kaufen, und entfernte ſich. Nach etwa acht Minuten erſchien Paula Peller wieder im Laden und ſagte, ſie wolle 10 Kronen Angabe leiſten. Die Trödlerin ſetzte ſich zum Schreibtiſch, um eine Beſtätigung auszufertigen. Da warf ihr plötzlich die Peller mit großer Gewalt Salz auf die linke Geſichtshälfte und riß ihr die Kette aus der Hand. Während Frau Stephinger heftig ſchrie, faßte ſie die Peller an der Friſur und am linken Ohr, der Ueberfallenen gelang es jedoch, ſich loszureißen. Sie eilte vor das Geſchäft und ſchrie aus Leibeskräften um Hilfe. Mehrere Paſſanten eilten herbei, auch ein Wachmann erſchien, der die Attentäterin verhaftete und ſie zur Polizei über - ſtellte. Kurz[v]orher hatte Paula Peller gebeten, man möge ſie nicht der Polizei übergeben, ſie habe die Ket[t]e bereits wieder zurückgeſtellt. Tatſächlich lag, als der Wachmann erſchien, das Schmuckſtück auf dem Ladentiſch. Paula Peller geſtand ſofort, daß ſie einen Raub geplant hatte. Sie habe die Tat aus Verzweiflung ausgeführt, weil ſie ſchon längere Zeit ohne Arbeit war, während ſie ihrem Manne erzählte, daß ſie mit Bluſennähen Geld verdiene. Die geraubte Kette wollte ſie verſetzen, ihrem Manne das Geld über - geben und ihn dadurch in dem Glauben zu beſtärken, daß ſie einen lohnenden Erwerb habe. Im Verlaufe des gericht - lichen Verfahrens wurde weiter erhoben, daß die Angeklagte von einer Reihe von Geſchäftsleuten ſeit Ende des Jahres 1907 Waren bezogen, die Gegenſtände jedoch ſo - gleich verkauft oder zum Teile verſetzt habe. Die Geſchäftsleute beziffern ihren hiedurch erlittenen Schaden mit zirka 400 Kronen. Paula Peller iſt auch diesbezüglich geſtändig. Die Angeklagte iſt vorſichtsweiſe auch von den Gerichtspſychiatern unterſucht worden, welche ihr Gutachten dahin zuſammenfaſſen, daß bei der Angeklagten zwar ge - wiſſe Eigenſchaften abnormer Art beſtehen, daß dieſe aber weitaus nicht die Grenzen der normalen Beſchaffenheit der menſchlichen Natur überſchreiten, und daß daher eine Geiſteskrankheit im Sinne des Geſetzes nicht vorliege.

Die von Dr. Walter Rode verteidigte Angeklagte blieb auch heute bei ihrem Geſtändniſſe, verantwortete ſich aber mit großer Notlage.

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Kirchliches.

In[ſt]allierung des neuen Pfarrers in Ober - St. Veit.

In der Pfarrkirche in Ober-St. Veit fand geſtern (Sonntag) vormittag die feierliche Inſtallierung des bisherigen Dechants des Dekanats Weigelsdorf und Pfarrers von Unter-Waltersdorf Franz Göſſinger als Pfarrer der obbezeichneten Pfarrkirche durch den Ehrenkanonikus des Metropolitankapitels zu St. Stefan, Pfarrer Franz Rolf, ſtatt.

Wiener Katechetenverein.

Die Hauptverſamm - lung findet am Mittwoch den 10. März, ½7 Uhr abends, I. Johannesgaſſe 2, ſtatt. Tagesordnung: Univerſitäts - profeſſor Dr. Seidl Willmann und die Kirchenväter (zum 70. Geburtstage Willmanns). Bericht der Rechnungs - prüfer. Kooperator K. Schwarz Bildung einer Kunſt - ſektion .

Das Dekret Ne temere . In Ungarn ſuſpendiert.

Der Alkotmany meldet an erſter Stelle: Der apoſtoliſche Stuhl hat über das Anſuchen der ungariſchen Biſchöfe um Aufhebung des Dekretes Ne temere bereits entſchieden. Die Entſcheidung beſagt, daß die Wirkung des genannten Dekretes in Ungarn ebenſo aufgehoben werde wie in einem deutſchen Bundesſtaate. Damit kehrt Ungarn zum status quo auch in bezug auf die gemiſchten Ehen zurück, wie er vor dem Erlaß des Dekretes beſtand. Damit6Wien, Montag Reichspoſt 8. März 1909. Nr. 67anerkennt der heilige Stuhl die ſpeziellen Verhältniſſe in Ungarn, welche die ungarländiſchen Biſchöfe veranlaßten, um die Suſpendierung des Dekretes einzukommen.

Sportnachrichten.

Die Bobmeiſterſchaft von Oeſterreich.

Am Semmering wurde geſtern wohl das großartigſte Winterſportfeſt begangen, das Oeſterreich zu verzeichnen hat; die Bobmeiſterſchaft von Oeſterreich wurde aus - getragen, und damit offiziell die Winterſaiſon beendet. Die Bobmeiſterſchaft von Oeſterreich wird bald ein Schau - ſpiel werden, das eine gleiche Anziehungskraft ausübt, wie die ſenſationellſten Sportfeſte in Wien. Der Beſuch des geſtrigen Rennens auf den Höhen des Semmerings war glanzvoll, das Wetter ſo herrlich wie nur möglich, ſchon das entzückende Landſchaftsbild entſchädigte die Beſucher für die Zeit - und Geldſpeſen einer Fahrt auf den Semmering. Die Anweſenheit des Herrn Erzherzogs Karl Franz Joſef verlieh dem Sportfeſte einen ganz beſonderen Glanz. Der jugendliche Prinz kam dies - mal zwar nicht offiziell, aber er kam als Sportsmann, der ſelbſt den ſchweren Mannſchaftsſchlitten ganz vorzüglich zu ſteuern weiß. Im vorigen Jahre hat er auf der Bobbahn lange Zeit fleißig und außerordentlich kuragiert trainiert und einmal ſogar nach Einbruch der Dunkelheit eine ſchon bei Tag gefahrvolle Fahrt unter - nommen. Im Vorjahre glaubte man in Sportkreiſen, daßder Prinz beim Rennen ſteuern werde. Doch begnügte er ſich damit, daß ſeine im Training erzielten Zeiten außer - ordentlich gut waren und knapp vor dem Rennen verließ er den Semmering zum Leidweſen der dortigen Sport - gemeinde. Heuer kam er zur Bobmeiſterſchaft. Der Winter - ſportklub hat ihn offiziell empfangen, von den Sportleuten wurde er mit ſichlicher Freude aufgenommen, iſt es doch mit ſein Verdienſt, daß der Winterſport auf dem Semmering nun ſchon in voller Blüte ſteht. Erzherzog Karl Franz Joſef nahm in einer Hofloge Platz, die für ihn neben der großen Tribüne errichtet war. In ſeiner Begleitung befanden ſich die Prinzen Franz Joſef und Miguel von Braganza, ferner Kammervor - ſteher Graf Waldersdorff. Ferner waren anweſend: Fürſt und Fürſtin Palffy, Prinz und Prinzeſſin Anton N. Eſterhazy, Graf und Gräfin Rudolf Chotek, Gräfin Sarolta Zichy, Graf Karl Revertera, Graf Karl Wenckheim, Baron und Baronin Biegeleben, Baron Berger, Baron und Baronin Schey, Familie Dittl von Wehrberg, Guido Freiherr von Somma - ruga, E. v. Riedl-Riedenſtein, Ritter von Gro - ſinski, Baroneſſe von Guretzky, Graf Potocki, Graf Apponyi, Bürgermeiſter Kammann von Wiener - Neuſtadt, Direktor Fiſcher der Daimlermotorenfabrik, Hof - ſekretär Ehrenreich, Bürgermeiſter Hans von Haid von Reichenau, Major Stölzle, Kurarzt Dr. Seha von Reichenau, Direktor Heß aus Wien, in Vertretung des Oeſterreichiſchen Skivereins Dozent Dr. Jencic und Dr. Fiſcher, Bezirkshauptmann Lorange von Mürz - zuſchlag und der Ausſchuß des veranſtaltenden Vereines Winterſportklub .

Im Rennen ereignete ſich ein bedauerlicher Unfall: Der Bob der Oedenburger Huſaren (die Mannſchaft beſteht aus Huſarenoffizieren, die in Oedenburg disloziert ſind, und zwar: Graf Wenkheim, v. Georgicits, v. Himmel und v. Mattyaſſovsky) ſtürzte um und Leutnant v. Mattyaſſovsky erlitt eine Gehirnerſchütterung. Der Meiſter vom Vorjahre, Etthofen, kam auf merkwürdige Weiſe um ſeine Siegeschancen; er hörte ſeinen Namensaufruf beim Start nicht und wurde um mehrere Sekunden beſtraft. Die Strafe iſt zwar rechtmäßig, aber vom ſportlichen Stand - punkte aus einfach unbegreiflich. Das Rennen gewann eine Mannſchaft aus Innsbruck. Die Reſultate waren: Polaczek (Innsbruck) 4: 28⅕ Erſter; er hat heuer die dritte Meiſterſchaft gewonnen, da er außerdem in Tirol und Steiermark Meiſter wurde. Zweiter wurde Roger de Ried - matten mit 4: 31〈…〉〈…〉. Harry Spanner, der als Favorit ins Rennen ging und im erſten Lauf alle bisherigen Rekords mit 2: 08 ſchlug, hatte im zweiten Lauf das Mißgeſchick, in ein Loch zu fahren und zu ſtürzen. Trotzdem placierte er ſich an dritter Stelle mit der Geſamtzeit von 4: 37⅕. Zu verzeichnen waren noch: Baron Mayer-Mellnhof 4: 39 Vierter, Ethofen 4: 45 Fünfter und Dr. v. Tauſſig 4: 50⅕ Sechſter. Die früheren Bahnrekords von 1908 1909 ſind Mandl 2: 26⅖, Spanner 2: 24⅖, Oedenburger Huſaren 2: 15〈…〉〈…〉 und zuletzt Spanner 2: 09, alſo eine ſtetige Verbeſſerung der Zeiten. Die übrigen Konkurrenzen hatten folgendes Ergebnis: Bobs - leighrennen um den Mühlhauſerpreis: Polaczek (Innsbruck) 4: 28〈…〉〈…〉 Erſter; Baron Mayer-Mellnhof Zweiter; Dr. v. Tauſſig Dritter. Skeletonrennen um den Kriſch - preis: Jack Gouſoy 2: 56⅖ Erſter; Poldi Eigl Zweiter; Viktor Zierhut Dritter. Das Bobsleighrennen um den Flär - ſcheimpreis hatte die Reſultate: Rolf Kinzl 2: 30⅕ Erſter; Mayer-Nagy Zweiter; F. Smutey Dritter.

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7Nr. 67 Wien, Montag Reichspoſt 8. März 1909
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8Wien, Montag Reichspoſt 8. März 1909 Nr. 67
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Herausgeber Dr. F. Funder, Wien. Verantwortlicher Redakteur Heinrich Ambros, Wien. Druck von Ambr. Opitz Nachfolger, Wien.

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TextNr. 67, 08.03.1909.
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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