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Morgen oder übermorgen ſoll der Streik der frei - ſinnigen Studenten an allen öſterreichiſchen Univerſitäten beginnen, das heißt, es ſoll zur Einſtellung jeder Tätigkeit an den Univerſitäten gebracht werden und wo dies nicht ſofort erreicht wird, dort wird, wie die Fichtegäßnerin, die ſonſt ſo beredte Verkünderin der feinen Lebensart und der Ziviliſation, triumphierend vorausſieht, die freiſinnige Studentenſchaft die einzelnen Kollegien durch Demonſtrationen ſo lange ſtören, bis der betreffende Profeſſor die Vorleſung abbricht. Man rechne damit, daß die Univerſitäten ſofort beim erſten Anſturm geſperrt werden, ſchon deshalb, weil ja im gegenteiligen Falle ſcharfe Zuſammen - ſtöße mit den „ klerikalen “Studenten unvermeidlich wären und offene Raufereien zu verhindern, liege vor allem auch im Intereſſe der maßgebenden Univerſitäts - behörden.
Der Streik ſoll Herrn Profeſſor Wahrmund unter den Schutz der freiſinnigen Studentenſchaft ſtellen und ihn gegen alles ſchützen, was einer Maßregelung dieſes Mannes ähnlich ſähe. — Die Entfernung Profeſſor Wahrmunds iſt heute zwar von allen erwachſenen Leuten von Bildung und Geſchmack als unerläßlich angeſehen worden und gerade aus dem deutſchnationalen Lager haben ſich in der letzten Zeit die offenen, vorbehaltloſen Ablehnungen Wahrmunds in großer Zahl eingeſtellt, aber die Herren deutſchfreiſinnigen Studenten haben eine andere Meinung und ſo gehen ſie unter dem Beifall der Wiener jüdiſchen Preſſe daran, dieſe Meinung der ganzen Oeffentlichkeit zu diktieren. Darin, daß ſich auch die tſchechiſchen Studenten der Maſarykſchule dieſem jugendlichen Erpreſſungsverſuche angeſchloſſen haben, findet die „ Neue Freie Preſſe “eine „ impoſante Erſcheinung, wie ſie vielleicht noch nie erlebt worden iſt und deren Be - deutung in die Augen ſtechen muß “.
Es iſt wirklich ſehr impoſant, wenn an unſeren Hochſchulen die Univerſitätsprofeſſoren — freiſinnige Männer von der erprobten Geſinnung eines v. Scala und ſeiner Inns - brucker Freunde! — zu Nullen werden und nichts mehr zu reden haben, wenn die Regierung und die Volksver - tretung gehorſam die Obhut der ihnen anvertrauten Intereſſen abzutreten haben und die liebe Jugend dieZügel der Staatsführung ergreifen und diktieren möchte, was ſie für freiſinnig, fortſchrittlich und zur Verteidigung der Wiſſenſchaft für notwendig hält!
Die Art, wie bei uns ſtudentiſche Parteien in wichtige Fragen des öffentlichen Lebens hineinſprechen dürfen, war ſeit langem eine beſchämende. Mehr als einmal wurden durch irgend einen Univerſitätsſkandal, der mitunter den nichtigſten Anläſſen entſprungen war, politiſche Arbeiten erſten Ranges vereitelt. Nun iſt man mit dieſem Syſteme, daß man für den Staat die Obervormundſchaft der Minderjährigen anerkannte, ſo weit gekommen, daß einer Univerſität mit Gewalt ein Mann aufgehalſt werden ſoll, der ſich wiſſen - ſchaftlich ſchwer kompromittiert und die Sitten der An - ſtändigkeit gröblich verletzt hat, ein Mann, für deſſen Ent - fernung ſofort in einer Volksabſtimmung Millionen von Stimmen aufzubringen ſind und den auch in Erkenntnis der Tatſachen die freiſinnigen Profeſſoren und Abgeordneten fallen gelaſſen haben.
Dieſer Verſuch gewiſſer gewalttätiger Fraktionen der Studentenſchaft, ſich ſelbſt das Recht der Berufung an die Univerſitäten anzueignen und geſtützt auf die Herrſchaft des Prügels dem Staate zu kommandieren, muß das Maß der Geduld, mit dem man bisher die Univerſitäts - angelegenheiten behandelt hat, überfließen machen. Es gibt ausreichend Mittel, um dieſer traurigen Abirrung einzelner Teile der ſtudierenden Jugend zu be - gegnen: Man ſperre ruhig die Univerſitäten, ſtelle in den Dekanaten feſt, wer ſich aktiv und freiwillig an dem Streik beteiligt, ſtreiche dieſen das jetzige Sommerſemeſter und ändere die Handhabung des Vereinsweſens an unſeren Univerſitäten, indem man die Verantwortlichkeit der akade - miſchen Vereine erhöhe und damit eine Handhabe ſchaffe, die Anſtifter derartiger Bewegungen zu treffen. Die rück - ſichtsloſe Auflöſung der ſchuldigen Korporationen und die Beſtrafung ihrer Leitungen wird bald die Ordnung wieder - herſtellen.
Es ſteht diesmal wirklich viel in Frage: Ob in Oeſterreich vor aller Welt Regierung und Parlament zu - gunſten einer Schar gewalttätiger junger Herren abdanken wollen oder nicht.
Zur Wahrmundaffäre erfährt die „ Salzburger Chronik “aus beſter Quelle folgende Einzelheiten:
Das Unterrichtsminiſterium will demnächſt die außer - ordentlichen Profeſſoren an der Czernowitzer Univerſität Dr. Kogler und Dr. Robert Mayer zu ordentlichen Pro - feſſoren ernennen. Profeſſor Robert Mayer ſollte bekanntlich nach Innsbruck kommen und war vom Senate der Czerno - witzer Univerſität ſelbſt dahin empfohlen worden. [Als]man aber in Innsbruck hörte, Profeſſor Robert Mayer ſe[i]katho - liſcher Geſinnung, da legten die „ freiheitlichen “Clique-Pro - feſſoren Verwahrung gegen deſſen Berufung ein und ihre ſtudentiſchen Nachbeter drohten mit Demonſtrationen. Die Berufung unterblieb. Das ſcheint jetzt Unterrichtsminiſter Marchet einigermaßen gut machen zu wollen. Was aber ge - ſchieht mit Wahrmund, deſſen Rückkehr auf die Inns - brucker Lehrkanzel ausgeſchloſſen iſt? Die Regierung plant, ihn nach — — — Graz zu berufen, wohl in der berechtigten Vorausſicht, daß Wahrmund zu ſeinen dortigen Kollegen aufs beſte paſſen wird. Wenn das Unterrichtsminiſterium dieſen Plan durchführt, ſo wird das katholiſche Volk Steiermarks auch ein Wort dreinreden. Freilich iſt noch ſehr die Frage, ob die Grazer Profeſſoren, die an ihrer Hochſchule Zündſtoff in Maſſen lagern haben, der jeden Augenblick explodieren kann, Luſt haben werden, dieſen durch einen Wahrmund noch zu ver - mehren.
Der Kaiſer wird, wie wir erfahren, Donnerstag den 14. d., vormittags vor Beginn der all - gemeinen Audienzen den neuernannten Miniſter Geheimen Rat Heinrich Prade beeidigen.
Wie die „ Deutſche Wehr “meldet, wurde kürzlich einem deutſchen Advokaten in einer Strafſache vom Troppauer Landesgerichte als Berufungsgericht ein tſchechiſcher Beſcheid zugeſtellt, in welchem über Rekurs des Gegners der von dem Advokaten vertretenen Partei ein ihm in erſter Inſtanz auferlegter Koſtenerſatz als nicht gerechtfertigt erklärt wird. Die Beſchlußausfertigung iſt vom Oberlandes - gerichtsrate Hruby unterſchrieben. Die „ Narodni Liſty “melden: Vor kurzem hat das Bezirksgericht in Petſchau eine Entſcheidung über die Tagfahrt zur Zeugeneinvernahme in dem durchgeführten Prozeſſe be - treffend eine Wohnungskündigung an das Bezirksgericht Deutſchrod in deutſcher Sprache erlaſſen. Da - gegen haben zwei tſchechiſche Advokaten in Deutſchbrod den Rekurs an das Egerer Kreisgericht er - hoben, den Landesgerichtsrat Johann Augſten
38. Folge.Nachdruck verboten.
Er ſtieg leichtfüßig auf einen breiten, überhängenden Felsblock und winkte mit der Hand.
Nehmen Sie ſich in acht! rief Collinſon erſchrocken. Dieſe Felſen ſind mächtig kitzlich, und der gerade ganz beſonders. Eine einzige kleine Berührung bringt ſie manchmal zum Kippen.
Chivers ſprang eilig herunter, winkte noch einmal und verſchwand in der Richtung nach dem Hauſe.
Aber Collinſon fühlte ſich nicht mehr einſam. Bisher hatten ſeine Träumereien der Vergangenheit gegolten; es waren Erinnerungen, die allein das Gedächtnis wachrief, bei denen die Hoffnung aber nur ſehr wenig Raum fand. Unter dem Zauber von Chivers Worten begann nunmehr ſeine Phantaſie ſich zu regen. Er dachte daran, wie ſeine Frau wohl jetzt ausſehen, wie es ihr ergehen mochte — vielleicht war ſie krank, irrte verzweifelnd umher, wohl gar in Lumpen und mit wunden Füßen; oder hatte ſie ſich — wenn ſie ihn für tot hielt — ebenſo geduldig in ihr Geſchick ergeben wie er ſeit der Nachricht von ihrem Tode in das ſeine? Das Bild, welches ihm hiebei vorſchwebte, war aber nicht ſeine alte Sadie, nein, die hatte ganz anders ausgeſehen. Eine leiſe Furcht, ein Schatten von Zweifel durchzitterte zum erſtenmal ſein ſtarkes Herz und traf es mit eiſiger Kälte. Er ſchulterte ſeine Waffe und ſchritt raſch nach dem Rande des Waldes. Die Düfte des Lorbeers und der Sproſſenfichte, welche der Sonnenſchein des langen Tages durchglüht hatte, wehten ihm noch warm entgegen. — Merkwürdig, was es doch hier für wunder - bar ſchnell wechſelnde Temperaturveränderungen gab! Bald heiß, bald kalt wehte es ihm beim Auf - und Ab - ſchreiten an. Es ſchien ihm ſo verkehrt, daß er jetzt nach ihr ſuchen ſollte, anſtatt daß ſie zu ihm kam. Sie wiederzufinden fern von dem Haus, das er für ſie ge -baut, würde freilich ganz anders ſein, als wie er es ſtets erträumt hatte. — Er wanderte hin und her und warf immer von neuem einen Blick hinunter auf die alte Mühle drüben an der Felswand. Friedlich übergoß der Mond ſie mit ſeinen weißen Strahlen und dämpfte das Blinken der Lichter in den Fenſtern; aber das rohe Singen und Lachen, welches bis zu ihm her - über drang, berührte ſeine ſonſt eben nicht verwöhnten Ohren wie ein widriger Mißklang. Raſtlos ſchritt er vor dem dichten Walde auf und ab. Plötzlich blieb er ſtehen und horchte.
Kein anderes Ohr als ein an die Einſamkeit der Berge gewöhntes würde etwas vernommen haben. Aber, vertraut mit all den unzähligen Geräuſchen, die die Stille des Waldes unterbrechen, ſtutzte Collinſon jetzt doch bei einem ſich wiederholenden Ton, der keinem der übrigen Laute glich. Es kam ihm vor wie ein ge - dämpftes, in ungleichen Pauſen ſich erneuerndes Pochen, das immer, wenn es wieder vernehmbar wurde, denſelben regelmäßigen Takt beibehielt. Er erkannte es als den leichten Galopp eines Pferdes. Die Pauſen entſtanden jedenfalls durch die ſtellenweiſe den Weg bedeckenden Blätter. Die mitunter veränderte Gangart des Pferdes konnte man wohl dem Geſtrüpp und anderen Hinder - niſſen zuſchreiben. Augenſcheinlich verfolgte der Reiter den geheimen Pfad, der ihm, Collinſon, zur Be - wachung übertragen war. Nach dem öfteren Richtungswechſel, den der Klang der Hufe ver - riet, hatte der Reiter offenbar große Schwierigkeit, ſich in dem Gewirr zurechtzufinden. Trotzdem zeugten aber die immer wieder beſchleunigt erklingenden Hufſchläge von Eile und Entſchloſſenheit.
Collinſon machte ſich ſchußfertig und unterſuchte ſein Zündhütchen. Als der Ton näher kam, trat er hinter eine junge Sproſſenfichte am Rande des Dickichts. Das Haus zu alarmieren oder die anderen Poſten heran - zurufen erſchien ihm unnötig. War es doch nur ein einziger Reiter und mit dem würde er allein fertig. Er wartete ruhig und mit ſeiner gewöhnlichen Geduld, aberſogar in dieſem Augenblick ſchweiften ſeine Gedanken zu ſeiner Frau zurück.
Der Reiter kam jetzt dicht heran. Die Büſche teilten ſich. Staunen und Verwunderung erfaßten Collinſon — auf ſchweißtriefendem, aber nochmutigem Pferd kam ein Weib zum Vorſchein. — Halt! rief er vortretend.
Das Pferd prallte zur Seite und warf die Reiterin beinahe ab. Collinſon ſprang herzu und ergriff die Zügel. Die Frau hob mechaniſch die Peitſche, hielt ſie aber zit - ternd in der Luft, als ſie in dem vergeblichen Beſtreben, ihren verlorenen Sieg wiederzugewinnen, haltlos aus dem Sattel glitt. Sie wäre gefallen, doch Collinſon, ſchnell zur Hand, umfaßte ſie mit kräftigem Griff und ließ ſie auf den Boden nieder. Ein Aufſchrei entfuhr ihr.
Collinſon ſtand wie vom Schlage getroffen!
Sadie! keuchte er.
Seth! zitterte es tonlos von ihren Lippen.
Wie betäubt ſtarrten ſie einander an. Aber Collinſon fand raſch ſeine Faſſung wieder. Der Mann von ein - facher Geradheit und ohne Arg ſah nichts, als daß ſein Weib vor ihm ſtand — etwas atemlos, etwas verwirrt und vom ſchnellen Ritt zerzauſt, ſo, wie er ſie auch früher manchmal geſehen hatte, im übrigen aber unver - ändert. Auch er war unverändert, er nahm ſie auf, wie er ſie verlaſſen hatte. Sein ernſtes Geſicht verzog ſich zu einem Lächeln und ſtrahlte in lang entbehrtem Glück, als er ihre beiden Hände in den ſeinen hielt.
Hab’ ich Dich endlich wieder! O mein Gott! Und noch eben erſt dacht’ ich, morgen Dich ſuchen zu gehen, Sadie!
Sie blickte ſcheu umher. Mich — mich ſuchen? ſtammelte ſie ungläubig.
Ja freilich; ſieh doch, ich wollt’ nüber nach dem Kloſter, um dort nach dir zu fragen.
Im Kloſter? wiederholte ſie mit Schreck und Verwunderung.
(Fortſetzung folgt.)
in Petſchau als befangen abgelehnt, und gleichzeitig die Aufſichtsbeſchwerde an das Oberlandesgericht in Prag überreicht. Am 8. Mai l. J. erhielt nun einer der beſchwerdeführenden Advokaten zwei deutſche Erledigungen des Kreisgerichtes Eger, in denen gemäß des § 13 a. b. G. B. der Ablehnung des Landesgerichtsrates Johann Augſten nicht ſtattgegeben als auch der Rekurs, betreffend die Entſcheidung des Be - zirkesgerichtes Petſchau abgewieſen wird. — Wie die „ Narodni Politika “aus abſolut glaubwürdiger Quelle erfährt, weilte dieſer Tage ein Sekretär des Handels - miniſteriums in Prag und beauftragt die maßgebenden Faktoren der Poſtbeamtenſchaft dahinzuwirken, daß die eutſche innere Amtsſprache wenigſtens im Verkehr mit den deutſchen Städten wiedereingeführt werde. Der Gebrauch der tſchechiſchen Sprache ſolle vor - läufig ausſchließlich bei Sendungen in tſchechiſche Orte gehandhabt werden. In einer vertraulichen Ver - ſammlung der Poſtambulanzbeamten, die vergangenen Freitag ſtattgefunden hat, wurde beſchloſſen, ſich dieſer gegebenen Anordnung zu fügen. — Wie den „ Narodni Liſty “aus Wien mitgeteilt wird, hat der Oberſte Gerichtshof in ſeiner Sitzung am 5. Mai zwei neue Urteile in Angelegenheiten der Sprachen - frage bei den Gerichten in Böhmen gefällt. Im erſten Falle hatte das Kreisgericht Eger als Rekurs - gericht einen Erlaß des Bezirksgerichtes Marienbad be - ſtätigt, durch welchen ein Geſuch eines Advokaten ab - gewieſen wurde, weil es in tſchechiſcher Sprache abgefaßt war. Gleichzeitig ordnete das Kreisgericht Eger an, daß die Erledigung des Rekurſes ebenfalls in deutſcher Sprache zu erfolgen habe. Der Oberſte Gerichtshof wies den Reviſionsrekurs des klägeriſchen Advokaten, inſoweit es ſich um die Abweiſung der Klage durch das Marien - bader Bezirksgericht handelt, als unzuläſſig ab, da be - reits zwei gleiche Urteile erfloſſen ſind. Dagegen hob er die Entſcheidung des Rekursgerichtes, welche dahingeht, daß die Erledigung des Rekurſes in deutſcher Sprache zu erfolgen habe, auf, und zwar unter Hinweis auf den Artikel 19 St. G. G., auf den § 13 A. G. B. G. und auf die Gleichberechtigung der Landesſprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben, endlich unter Hinweis auf den Stremayrſchen Sprachenerlaß. Ein gleiches Urteil fällte der Oberſte Gerichtshof in einer Rechtsangelegenheit des Viehhändlers Joſef Hoſtoimsky in Alt-Straſchnitz gegen die Vorſchußkaſſe für das Egerer Gebiet in Eger.
Der bisher der allpolniſchen Gruppe des Polenklubs angehörende Rabg. Dr. Stanislaus Bialy iſt, wie eine Korreſpondenz meldet, aus derſelben ausgetreten und gehört nunmehr der polniſchen Volkspartei an. Von den 71 Mitgliedern, die der Polenklub nach dem Beitritt der polniſchen Volks - partei zählt, gehören nunmehr nur noch 15 Abgeordnete der allpolniſchen Gruppe an.
Wie uns aus Freiheit in Oſtböhmen geſchrieben wird, fand dort dieſe Tage eine gut beſuchte Verſammlung des chriſtlichſozialen Verbandes für Deutſchböhmen ſtatt, in welcher nach einem Referate des Parteiſekretärs Böhm aus Trautenau, welcher dem verſtorbenen deutſchen Landsmannminiſter Peſchka einen warmen Nachruf hielt und über die politiſche Lage und die aktuellen Fragen ſprach, und nach einer Rede des Pfarrers Mayer über den ſogenannten deutſchen „ Volkstag “in Kalſching ein -ſtimmig eine Entſchließung angenommen wurde, in der auf das entſchiedenſte gegen die ſeitens mehrerer deutſchfreiſinniger Abgeordneter, insbeſondere aber durch den Abg. Kaſper auf dem Volkstage in Kalſching gegen die deutſchen Chriſtlich - ſozialen ausgeſprochenen Verdächtigungen proteſtiert wurde, daß die chriſtlichſoziale Partei keine deutſche Partei ſei und das Bildungsniveau des deutſchen Volkes herab - drücken wolle. Bei dem Umſtande, heißt es in der Reſo - lution, als die Chriſtlichſozialen ſtets für die Intereſſen des deutſchen Volkes in Oeſterreich eingetreten und den anderen deutſchen Parteien nie in den Rücken gefallen ſind, und es nicht die Chriſtlichſozialen ſind, welche einen „ Kulturkampf “heraufbeſchworen haben, weiſen die Ver - ſammelten dieſe ungerechtfertigten Angriffe gegen die chriſtlichſoziale Partei umſo entſchiedener zurück, als es ein Volksverrat iſt, in den jetzigen ſchweren Zeiten neuen Unfrieden in die Reihen des deutſchen Volkes zu tragen und geben der beſtimmten Hoffnung Ausdruck, daß auch jene vernünftigen, deutſch - freiſinnigen Abgeordneten, welche die Intereſſen des deutſchen Volkes im Auge haben, mit den gefallenen Aeußerungen des Abg. Kaſper nicht einverſtanden ſind.
In Gurahumora fand, wie uns von dort berichtet wird, am 3. d. eine zahlreich beſuchte Lehrer - verſammlung ſtatt, in der zu der durch liberale Intrigen vereitelten Sanktion des vom Landtage zweimal be - ſchloſſenen Lehrergehaltsgeſetzes Stellung genommen werden ſollte. Nach einer langen Debatte, in der Abg. R. v. Onciul, Oberlehrer Kozarkiewicz, Notar Prunkul, die Lehrer Cozmiuc, Kipper ſen. und jun., Manz, Coroma, die Landwirte Horn, Bilei und Pascowici und Inſpektor Dolinſchi geſprochen hatten und das Verhalten der freiſinnigen Abgeordneten in äußerſt ſcharfer Weiſe beſprochen wurde, während der chriſtlich - ſozialen Partei von den meiſten Rednern wärmſte Anerkennung gezollt wurde, fanden eine Reihe von Reſolutionen einmütige Annahme, darunter eine, in der die Ausarbeitung eines neuen ſektionsweiſen Lehrer - gehaltsgeſetzes befürwortet wird. Die Stimmung der Bukowinaer Lehrerſchaft, die das falſche Spiel der Libe - ralen ſattbekommen hat, ſchildert am beſten folgende auf Antrag des Lehrers Ripper jun. einſtimmig ange - nommene Reſolution:
Die Lehrerſchaft der Bukowina ſieht ſich in der Lehrer - gehaltsfrage von den maßgebenden Faktoren ſchmählich betrogen und hintergangen. Die tagende Ver - ſammlung konſtatiert, daß der Herr Unterrichtsminiſter ſein der Lehrerſchaft gegebenes Verſprechen nicht gehalten hat und daß die von der Unterrichts - verwaltung ſelbſt offiziell in Bezug auf die Sanktionsvorlage des Lehrergehaltsgeſetzentwurfes und die Bedeckungsfrage ge - machte Zuſicherung nicht eingehalten wurde. Ferner konſtatiert ſie bei einzelnen Landtagsabgeordneten in Frage der Lehrergehaltsregulierung Wortbruch und Uebelwollen. Sie ſpricht dieſen Männern ihre ſchärfſte Mißbilligung aus. Die Lehrerſchaft wird und muß es als ihre heilige Pflicht anſehen, Politiker, die im Solde der Korruption und im Dienſte an - derer Volksausbeuter und Volks - verber ſtehen, vor dem Volke zu demaskieren und politiſch unmöglich zu machen.
Dieſe derbe Brandmarkung dürfte die doppelzüngigen freiſinnigen „ Lehrerfreunde “umſo ſchwerer treffen, alsder Antragſteller Ripper jun., wie er ausdrücklich er - klärte, durchaus kein Chriſtlichſozialer iſt.
Die Erſatzwahl in Dundee für das eng - liſche Unterhaus verlief mit folgendem Reſultat: Gewählt wurde der Liberale Churchill mit 7079 Stimmen, in der Minderheit blieben der Unioniſt Baxter mit 4370, ferner der Kandidat Stuart der Arbeiterpartei mit 4014 Stimmen.
Der neue Gendarmeriechef für Maze - donien. Graf de Robilant, iſt geſtern in Konſtantin - opel eingetroffen und nach dem Yildiz gefahren, um ſich anzumelden.
Die Aufſtandsbewegung in Britiſch - Indien hat die engliſche Regierung veranlaßt beim Emir von Afghaniſtan Vorſtellungen zu machen bezüglich des Anteiles afghaniſcher Untertanen am Grenzaufſtand. Der Emir hat nunmehr geantwortet, er habe bündige Befehle erteilt, alle Afghanen, die ſich mit den aufrühre - riſchen Stämmen vereinigt hätten, zurückzurufen, und auch ſeine Beamten angewieſen, Afghanen am Ueber - ſchreiten der Grenze zu hindern.
Geſtern hat in Anweſenheit des Fürſten Niko - laus, der Prinzeſſinnen, des diplomatiſchen Korps, der Mitglieder der Regierung, der Würdenträger und einer überaus zahlreichen Menſchenmenge die feierliche Grund - ſteinlegung der neuen montenegrini - ſchen Reſidenz in Antivari ſtattgefunden. Der Fürſt hielt eine Rede, worin er auf die hohe Bedeutung hinwies, die er darauf lege, Antivari ſich entwickeln und ein Mittelpunkt des Handels und der Induſtrie werden zu ſehen und betonte, daß alle ſeine Bemühungen auf dieſes Ziel gerichtet ſeien. Der Fürſt erklärte, daß Rußland, von wo er erſt jüngſt ſehr be - friedigt zurückgekehrt ſei, über das Aufblühen Montenegros ſich freuen werde. Er ſei überzeugt, daß Kaiſer Nikolaus und Rußland niemals Montenegros vergeſſen werden. Der Fürſt gab weiters der Ueberzeugung Ausdruck, daß Montenegro auch in Zukunft des Wohlwollens ſeines mächtigen Nachbarreiches Oeſterreich-Ungarn werde teil - haft bleiben, das ſtets den wirtſchaftlichen Aufſchwung Montenegros begünſtigt habe. Er gedachte mit Dankbar - keit Italiens, von wo Kapitaliſten gekommen ſeien, um den Unternehmungsgeiſt Montenegros zu heben und die wirtſchaftliche Entwicklung dieſer Küſte des Adriatiſchen Meeres zu för - dern, und erklärte ſchließlich, daß alle bei dieſer Feier vertretenen Staaten mit ihren Völkern das neue Induſtrie - zentrum, das in Antivari nunmehr im Entſtehen begriffen ſei, unterſtützen werden.
In einer der Aprilnummern des C. d. S. war ein ſehr intereſſanter Artikel enthalten, der in lebhaften
Unter dieſer Ueberſchrift veröffentlichte Dr. Wilhelm Oehl in den Nummern 104 und 105 der „ Reichspoſt “vom 15. und 16. April ein Feuilleton*)Wir erachten es als unſere Pflicht, in der Angelegenheit des „ Gral “, die in Nr. 104 und 105 der „ Reichspoſt “im Feuilleton unter dem Titel „ Der Kampf um den Gral “von Dr. Wilhelm Oehl vertreten wurde, bei Wahrung unſerer vollen Objektivität auch der anderen Seite Gelegenheit zur Ausſprache zu geben. D. R., demgegenüber das audiatur et altera pars zu gerechter Beurteilung unerläßlich iſt. Wollte ich mich auf eine Berichtigung der mannigfachen Schiefheiten in Dr. Oehls Darſtellung hier einlaſſen, ich müßte nahezu den gleichen Raum in Anſpruch nehmen. Da die Fehde indes nicht in der „ Reichspoſt “auszutragen iſt, ſo beſchränke ich mich hier nur auf einige mich ganz per - ſönlich treffende Behauptungen und verweiſe alle, die ſich eingehender informieren wollen, auf meine Kritik der Kampfesweiſe des „ Gral “in Nr. 5 und 6 des „ Hochland “(S. 603 und 217, 1908) und auf meine Duplik an die be - ſondere Adreſſe R. v. Kraliks.
Dr. Oehl beginnt ſeine Ausführung gleich mit einer ſchiefen Behauptung. Denn von einem „ bedeutſamen Prin - zipienkampf “zwiſchen „ Gral “und „ Hochland “kann gar keine Rede ſein, nachdem ich einen ſolchen ausdrücklich abg - gelehnt (Siehe: „ Hochland “, Heft 5, S. 603) und mich lediglich darauf beſchränkt habe, die Art und Weiſe zu kennzeichnen, mit der der „ Gral “ſein Programm an - preiſt, ausführt und verteidigt. Wer dieſe Methode ge - ſchmackvoll und dauernd wirkſam findet, mit dem will ich nicht ſtreiten, aber Tatſache iſt, daß ich nur dieſe Methode mit ihren Auswüchſen von Liebloſigkeit, eitler Selbſtan - preiſung und widerſpruchsvollen Behauptungen gekennzeich - net, nicht aber einen „ Prinzipienkampf “aufgenommen habe. Wohl aber habe ich mir für eine noch in dieſem Jahre erſcheinende Sonderſchrift die Er - örterung gewiſſer literariſcher Grundſätze und Pro - grammpunkte vorbehalten, es jedoch abgelehnt, dieſe Erörterung mit dem „ Gral “zu pflegen, da mir ſeine Kampfesweiſe für eine jede ſachliche Austragung allen - fallſiger Meinungsunterſchiede ungeeignet erſcheint. Wenn ſogar Dr. Oehl, ein Gralbündler und geſchworener Partei - gänger Kraliks, gegen die von Kralik und anderen im „ Gral “beliebte „ polemiſche Form “Vorbehalte für nötig findet, ſo wird auch der nicht allſeitig orientierte Leſerden Eindruck gewinnen, daß meine Zurückhaltung guten Grund haben muß.
Gegenüber dem tendenziöſen Bericht über meine Gral - kritik und ſpeziell meine Kritik des Kralikſchen Verhaltens kann ich diejenigen Leſer der „ Reichspoſt “, denen es um wahre und ſachliche Orientierung zu tun iſt, nur auf meinen Hochlandartikel verweiſen. Die Redaktion des Hochland ſchickt ihn gern ohne weiteres an alle Intereſſenten, die ihn erbitten. Die Behauptung Dr. Oehls, Kralik habe mir in ſeiner Replik Entſtellung von Zitaten und Verkehrung des Sinnes „ durch Weglaſſung einzelner Worte “u. dgl. nachgewieſen, beruht auf einer unbegreif - lichen Selbſttäuſchung, um nicht zu ſagen groben Täuſchung der „ Reichspoſt “leſer. Kralik hat, wie ich in meiner Duplik feſtſtelle, ein einziges Zitat von mir in dieſem Sinne gegen mich auszuſpielen verſucht, damit aber nur bewieſen, daß er nicht einmal die Tragweite ſeiner eigenen Worte ab - zuſchätzen vermag. Was er ſonſt gegen meine „ Methode “vorbringt, ſind Worte, Worte, Worte! — Ich habe nicht ein einziges Zitat zu korrigieren noch mich wegen Miß - brauchs zu entſchuldigen.
Allen Grund hiezu hat aber Dr. Oehl, wenn er mich durch zwei Sätze, die er aus einer 1905 von mir ge - ſchriebenen Würdigung Kraliks herausreißt, in Widerſpruch zu ſetzen wähnt mit meiner heutigen Stellungnahme gegen Kralik.
Von einem Widerſpruch kann gar keine Rede ſein. Denn wenn ich damals ſchrieb: „ Kralik ſteht hoch, ſehr hoch, das aber erklärt die Einſamkeit, “ſo galt dieſe Ein - ſchätzung, wie ein einziger Blick in den Zuſammenhang er - gibt, nur in bezug auf gewiſſe äſthetiſche Anſchauungen ſeines „ Kunſtbüchleins “. Ich ſtelle daſelbſt die Frage, woran es liege, daß Kraliks äſthetiſche Anſchauungen bis jetzt ſo wenig Einfluß ausgeübt hätten und fahre dann fort:
„ Wenn es nicht wie ein Tadel klingen würde, möchte ich ſagen: An Kraliks äſthetiſcher Unduldſamkeit. Ich verſtehe das Wort im Gegenſatz zu jenen toleranten Bemühungen auf dem Gebiete der äſthetiſchen Kritik, ſo charakterloſen und meiſt flachen Erſcheinungen wie dem bürgerlichen Schauſpiel, dem Sittenſtück, dem Problem - und Unterhaltungs - roman noch immer das Recht künſtleriſcher Be - deutung zuzuſprechen. Ich erinnere zum Beiſpiel nur an den philiſtröſen Widerſtand, der ſich vor einigen Jahren erhob, als ich den Verſuch machte, an den heute be - liebten Roman höhere Maßſtäbe anzulegen als die gang - baren. Nur weil unter dieſem einzig berechtigten Vorgehen das literariſche Anſehen einer nicht unbedeutenden Reihe von Werken, worauf katholiſche Kritiker ſtolz zu ſein pflegten, zu ſchwinden drohte, glaubte man ſo hohe Maßſtäbe ab - lehnen zu dürfen. Auch Kralik hat damals in den Meinungs -ſtreit eingegriffen. Aber höchſt vorſichtig und allgemein. Hätte er wie ich konkret werden und ſich nicht nur mit Prinzipien, ſondern auch mit den Schriftſtellern und ihren Werken beſchäftigen wollen, ſein Urteil wäre ſo herb und herber ausgefallen als das meine. Es kommt eben nur darauf an, wo einer ſteht. “
In dieſem Zuſammenhang folgen dann die obigen Worte. Wo iſt da ein Widerſpruch mit dem, was ich heute gegen Kralik vorzubringen durch dieſen ſelbſt gezwungen wurde? Viel leichter wäre es, Kralik eines inkonſequenten Verhaltens zu zeihen, inſofern als er dieſen hohen Forde - rungen in concreto keinen Nachdruck verlieh, ſondern durch literaturpolitiſche Erwägungen ſich ſeines hohen theoretiſchen Standpunktes in der Praxis begab. Wenn ich in meiner Abwehr der Gralangriffe meinen Zweifel an der Fähigkeit der „ ſchaffenden Autoren “des „ Gral “und ins - beſonders des Dichters Kralik ausſprach, „ auch nur den hundertſten Teil deſſen wahr zu machen, was ſie uns ſo volltönend als nahezu verwirklicht aufreden wollen “, ſo bin ich dabei meinem früheren Urteil in bezug auf den letzteren durchaus treu geblieben. Denn auch 1905 habe ich, trotz meines perſönlichen Wohlwollens und trotz des beſonderen Feſtcharakters meiner Würdigung, es nicht über mich gebracht, mein Urteil über den Dichter Kralik in noch mildere Formen zu kleiden, als mit folgenden Worten geſchehen:
„ Ein eigenes Kapitel wäre dem Dichter Kralik zu widmen. Aber auch nur die Titel der zahlreichen epiſchen, lyriſchen und dramatiſchen Dichtungen aufzuführen, fehlt hier ja ſchon der Raum. So ſehr ich mich von vielen theoretiſchen Anſchauungen Kraliks eingenommen bekenne, ſo wenig hat mich der Dichter in ſeinen Kreis gebannt. Das ſoll nicht heißen, daß ich ſeine poetiſchen Gaben etwa nicht ſchätze. Von dem Geiſt, der darin ſteckt, möchte ich ſogar unſeren meiſten zeitgenöſſiſchen Dichtern ein erklecklich Teil wünſchen. Nicht umſonſt hat Kralik ſich in die großen Geiſter der Vergangenheit von Pindar bis zu Calderon ver - ſenkt. Seine Myſterienſpiele ſind tiefſinnig, ſeine Lieder und Kantaten formſtreng und ſchön, in ſeinen Dramen (Türken vor Wien, Maximilian) iſt ein großer Zug, aber es fehlt doch allem das undefinierbare Etwas des aus geheimſten Lebenstiefen entſprungenen Dichteriſchen, die bezwingende Kraft des ſeeliſch Erlebten. “
Wer nunmehr verdient, tendenziöſer Zitierung be - ſchuldigt zu werden, Dr. Oehl oder ich, das mögen ſich die Reichspoſtleſer ſelber beantworten.
Zum Schluß lege ich Wert darauf, zu wiederholen: der Streit wurde vom Zaun gebrochen durch den „ Gral “, in den erſten Stunden ſeines Erſcheinens. Monatelang habe ich geſchwiegen; ſchließlich forderte die Selbſtachtung
Farben den Segen ſchilderte, welchen italieniſche Kultur und italieniſches Kapital dem Lande der Schwarzen Berge gebracht haben. Insbeſonders aber werden die Hafen - und Hotelanlagen ſowie die nach dem Skutariſee führende Bahn als Kunſtwerke hingeſtellt, deren Er - bauer — natürlich italieniſche Ingenieure — als die größten Genies der Jetztzeit geprieſen wurden. Natürlich fehlte es dabei nicht an boshaften Seitenhieben auf den öſterreichiſchen Nachbar. Dieſer Artikel reizte meine Neu - gierde und raſch entſchloſſen trat ich meine Fahrt nach dem Hafen jenes Landes an, in welchem der „ Fremde von Diſtinktion nur durch Selbſtmord der Verleihung des Daniloordens entgehen kann. Was ich ſah, gereichte keines - wegs zum Lobe italieniſchen Unternehmungsgeiſtes, noch der ſo warm geprieſenen Tatkraft. 400 Meter der groß - artig angelegten Hafenrampe ſollen fertiggeſtellt ſein, ſo hieß es in dem betreffenden Aufſatze. In der Tat beträgt aber das „ Banchino “nur 187 Meter und beſteht aus — Felsblöcken, die man einfach ins Meer warf, ohne bisher Zeit gefunden zu haben, Grundmauern aufzuführen und die Oberfläche zu planieren. Um da hinüber zu kommen, bedarf es faſt touriſtiſcher Gewandtheit ... Und erſt das ſo pompös angekündigte Hotel! Eine elende Bretterbaracke, deren Gäſte die paar Hafenarbeiter darſtellen, präſentiert den ſtolzen Bau, allerdings bis auf weiteres nur, denn ein wirkliches iſt im Bau begriffen. Wann deſſen Vollendung erfolgen wird, kann man allerdings nicht angeben. Und trotzdem weiß die Phantaſie des Berichterſtatters des C. d. S. den Leſern von einem im Betriebe ſtehenden erſtklaſſigen Hotel zu erzählen. Aber er geht noch weiter und beſchreibt, „ mit welchem Eifer die Hafenbauten ihrer Vollendung ent - gegengeführt werden ... “ Merkwürdigerweiſe aber iſt der Bau bis auf weiteres ſiſtiert. Der Bauunternehmer Seguich — ein Oeſterreicher — hatte mit der Compagni d’Antivari verſchiedene Differenzen, welche die Einholung von Sachverſtändigengutachten erforderlich machten und nun einer gerichtlichen Austragung entgegenſehen, während welcher Zeit die Bauarbeiten natürlich eingeſtellt ſind. Und erſt die Bahn! In Italien dämmert es den Geldgebern immer mehr und mehr auf, daß das Projekt ein gänzlich verfehltes iſt. Die zum Skutariſee hinauf - führende Bahn iſt eine Schmalſpurbahn von 75 Zenti - meter Geleisweite, die auf 22 Kilometer Länge einen Niveauunterſchied von mehr als 700 Meter zu über - winden hat. Trotz der drei ſehr kräftigen von einer deutſchen Firma gelieferten Lokomotiven kann die Bahn nur Züge von höchſtens 70 Tonnen alſo lächerlich ge - ringe Laſten, transportieren, während der Materialver - brauch ein enormer iſt.
Das Fiasko liegt klar zutage. Nichtsdeſtoweniger aber ſucht Italien Montenegro im Widerſtand gegen das öſterreichiſche Bahnprojekt zu beſtärken, das von Cattaro über Zelenich nach Antivari geplant iſt, da hiedurch Antivari dem öſterreichiſchen Waffenplatze Cattaro um ein Bedeutendes näher gerückt und der Ausbau dieſer Linie dem eben in Konſtruktion begriffenen Schienen - ſtrange Wirbaſer-Antivari eine ſchwere Konkurrenz be - reiten würde, gleichwie wenn San Giovanni di Medua als Ausgangspunkt der Donau-Adriabahn gewählt würde und nicht Antivari, wie es die Montenegriner wünſchen.
Ende April und Ende Mai ſind in der Regel i der Schweiz die politiſch bewegteſten Zeiten des Frühjahrs. So auch heuer. Im Kanton Zürich, wo bei den Wahlen in den Regierungsrat und in das kantonale Parlament die Sozialdemokraten einen Vorſtoß machten, erlitten dieſe zwar keine ausgeſprochene Niederlage, doch beweiſen die Abſtimmungsreſultate, wie früher ſchon, daß ſie keine Fortſchritte gemacht, ſondern daß in ihrem Vormarſche ein gewiſſer Stillſtand einge - treten iſt. Dies iſt inſofern von einiger Wichtigkeit, als dadurch unzweifelhaft dargetan wird, daß die Sozial - demokraten im kommenden Herbſt bei den Wahlen in das eidgenöſſiſche Parlament (Nationalrat), für die ſie ſchon einen kräftigen Vorſtoß beſchloſſen, eben - falls ſchlecht abſchneiden werden. Eine Niederlage für die Sozialdemokraten im Kanton Zürich bedentet dann aber die Annahme eines Streikgeſetzes. Durch dieſes Geſetz ſollen namentlich die Arbeitswilligen gegenüber Streikenden geſchützt, überhaupt das Streiken möglichſt erſchwert werden. Mag man auch gewiſſe Be - ſtimmungen dieſes Geſetzes, die eigentlich juriſtiſche Kurioſitäten darſtellen, verurteilen, muß doch zugegeben werden, daß die Sozialdemokraten durch ihr häufiges, freches und gewalttätiges Benehmen bei Streiks nach dieſem Geſetz geradezu gerufen haben, indem ſie dadurch die bürgerlichen Parteien, die allerdings dann auch wieder von gewiſſen reaktionären Intereſſengruppen ſtark beeinflußt werden, in eine förmliche Abwehrſtellung drängten. Dieſe ſind aber nach dem Urteil erſter Strafrechtslehrer wie erſter Politiker, die allen Gelegenheits - und Ausnahme - geſetzen abhold ſind, zu weit gegangen, weshalb auch die junge aufſtrebende chriſtlichſoziale Partei zum großen Aerger der Sozialdemokraten dieſes Geſetz bekämpfte.
In den Urkantonen fanden zu gleicher Zeit die Landsgemeinden ſtatt, die das älteſte demokratiſche Inſtitut Europas ſein dürften. Die Landsgemeinde - kantone beſchließen über Geſetze, Vorlagen und Wahlen nur einmal im Jahre in freier Gemeinde unter freiem Himmel. Im konſervativen Kanton Obwalden, wo verkappte Liberale ſeit Jahren ſchon durch alle möglichen demagogiſchen Mittel ans Staatsruder kommen wollen, gab es diesmal einen heftigen Sturm. Unter der Maske der Vermehrung der Volksrechte, die einen eigentlichen Konfuſionsſtaat ſchaffen müßten, in dem morgen um - geſtürzt werden könnte, was heute beſchloſſen wurde und ſo ad infinitum, machte die oppoſitionelle Partei einen erneuten Sturmlauf gegen das Inſtitut der Lands - gemeinde, der aber glücklicherweiſe abgewieſen wurde. Immerhin gingen die Stimmen ſo nahe, das das dortige konſervative Regiment dem geſunden Teil der Begehren der Oppoſitionellen einigermaßen Gehör ſchenken muß, wenn es nicht Gefahr laufen will, einmal über - rumpelt zu werden. Viehverſicherungsgeſetze drangen in Obwalden wie in Schwyz nicht durch. Es ſcheint, daß die Bauernſchaft dort eine Geſetzesreglementiererei, welch wohltätige Folgen die genannten Geſetze auch noch mit ſich zu bringen verſprachen, von Grund aus verabſcheut,
eine Abwehr. Ich ſehe heute noch nicht ein, wo der ſachliche Grund zu den Gralangriffen gelegen iſt. Glaubten die Gralbündler wirklich, daß ſie nicht hätten ſchaffen können ohne dieſe voraufgehenden Zänkereien? Sie tuen ſich auf ihr poſitives Programm ſoviel zu gut; warum haben ſie es mit ſoviel Negation umgeben, anſtatt unbefangen ſeine Verwirklichung in Angriff zu nehmen? Und dann dieſe Polemik! Wer ſo oſtentativ die „ katholiſche Fahne “entrollt, ſollte der nicht auch doppelt beſorgt ſein, dem hohen Ideal ſchon allein durch den Ton ſeines Wirkens Ehre zu machen? Iſt dieſe „ polemiſche Form “die äſthetiſche Frucht eines Programms, das im Zeichen des Grals, als des Symbols höchſten Seelenfriedens ſteht? Kralik meint zwar in den von Dr. Oehl zitierten Sätzen, daß von all dieſen Erörterungen eine Zerſplitterung unſerer Kräfte nicht zu befürchten wäre. Das ſind billige Beruhigungsworte, die nicht darüber hinwegtäuſchen können, daß es ſich eben gar nicht um ſachliche Erörterungen handelte, ſondern um verſteckte Angriffe, vag adreſſierte Beſchuldigungen und ver - bitternde Denunziationen. Wahrlich, wem es bewußt iſt, wie ſehr wir gerade in den gegenwärtigen Zeitläuften allen Grund hätten, unſere Kräfte nicht zu zerſplittern, ſondern, wo es not tut, ſogar mit Selbſtverleugnung, den Frieden und die Einigkeit wenigſtens nach außen zu wahren, der muß das Vorgefallene tief beklagen. Was in dieſem Sinne an ruhiger Zurückhaltung geſchehen konnte, glaube ich getan zu haben und ich kann nur wiederholt erklären, daß ich den „ Kampf “, der nicht „ um den Gral “, ſondern von dem Gralaus geführt wird, nur gezwungen fortſetzen werde.
Das Jubiläumsjahr unſeres Kaiſers hat, wie zu erwarten war, eine Anzahl größerer und kleinerer auf die Regierung Kaiſer Franz Joſefs bezug - nehmende Werke zutage gefördert, umfangreiche, erſchöpfende und koſtſpielige wie anderſeits kleinere für den Maſſenver - trieb beſtimmte Werke. Zwiſchen beiden hält das im be - kannten Verlage Gerlach und Wiedling in Wien erſchienene Kaiſerbuch von Hanny Brentano, der den Leſern unſeres Blattes beſtens bekannten Mitarbeiterin der „ Reichspoſt “, die richtige Mitte. Was Frau Hanny Bren - tano hier zuſammengefaßt, trägt den Stempel warmer Vaterlandsliebe und zeigt uns Kaiſer Franz Joſef I. als den mit Oeſterreichs Völkern in Freud und Leid eng ver - bundenen Fürſten; eine Reihe teils ernſter, teils humor - voller Züge, aus des Kaiſers Alltagsleben herausgegriffen, gewinnt dem greiſen Herrſcher aller Herzen von neuem. Die bildlichen Beilagen entſtammen der Porträtſammlung derk. k. Familienfideikommißbibliothek und bringen in acht Voll - bildern und 25 Textilluſtrationen eine Anzahl vorzüglicher, teilweiſe bisher noch nicht veröffentlichter authentiſcher Por - träts. Im ganzen ein wahrhaft patriotiſches Buch für unſer Volk und würdig, in Haus und Schule verbreitet zu wer - den. Ladenpreis (in elegantem Leinenband) 4 Kronen.
Zu beziehen durch die Buchhandlung „ Reichspoſt “, 8. Bezirk, Strozzigaſſe 41.)
Das Mittelalter. Von Dr. Guſtav Schnürer. 16. Heft der Sammlung „ Glaube und Wiſſen “. 96 Seiten, 8°. München, Münchener Volksſchriftenverlag. Preis 60 Heller.
Soziale Revue. Zeitſchrift für ſoziale Fragen der Gegenwart. Begr. von Dr. Joſ. Burg. Herausgege von Dr. Anton Retzbach. Verlag Fredebeul u. Koenen, Eſſen-Ruhr. Erſcheint viermal jährlich (über 500 Seiten. Großoktav). Jährlich M. 4.40.
Durch die moderne Wiſſenſchaft zu Gott. Von W. L. von Waldthurm. Verlag Braumüller, Preis 60 Heller.
Kaiſer Franz Joſef I. 1848 — 1908. Von Hanny Brentano, Wien, Gerlach und Wiedling.
Lieder für das Kaiſerjubiläum: Braun, „ Dem Kaiſergilts! “ Partitur 80 Heller, Singſtimmen 80 Heller.
Mitterer: „ Dem Jubelkaiſer! “ Partitur 1 Krone, Singſtimmen dazu 80 Heller, Blechharmonie - Stimmen 1 Krone. Verlag kath. -polit. Preßverein Briren.
Am Morgen des Lebens. Von Herbert Lukas S. J. 8° (VIII und 194) Freiburg 1907, Herder Verlag, M. 2. —; geb. in Leinwand M. 2.80.
Sturm und Steuer. Von Dr. Konſtantin Holl. 12° (VIII und 290) Freiburg 1908, Herder Verlag, M. 1.80, geb. in Leinwand M. 2.40.
Freiburger Gaudeamus. Taſchenliederbuch für die deutſche Jugend. Von Dr. Karl Reifert. 12° (XVI, 222). Freiburg 1908, Herder Verlag, Geb. in Orig. -Leinwand M. 1.20.
Der Bericht über den VI. Allg. öſterr. Katholikentag. Verlag Opitz, Wien, VIII., Strozzi - gaſſe 41. Preis Kr. 3. —, franko durch die Poſt Kr. 3.30.
Theologiſche Zeitfragen. Von Chriſtian Peſch S. J. Vierte Folge gr. 8° (VIII und 244) Freiburg 1908, Herder Verlag, M. 3.40.
Enzyklika Leo XIII. über die Arbeiter - frage. 6. Büchlein der „ Sozialen Bücherei “. Preis broſchiert M. — .50, fein kartoniert M. — .70. Verlag: Buchhandlung es Verbandes ſüddeutſcher kath. Arbeitervereine.
während letzten Sonntag der Bergkanton Uri ein ſolches Geſetz mit großer Mehrheit annahm. In Nidwalden ſchickte man ohne viel Diskutierens ein Beamten - beſoldungsgeſetz in den Orkus; ein gleiches tat der mehr - heitlich freiſinnige Kanton Thurgau, wo die Minderheits - parteien obſtruktionierten, weil ihnen die Mehrheitspartei den Proporz, das Verhältniswahlverfahren nicht gewähren will. Die Abſtimmung erbrachte den Beweis, daß die Mehrheitspartei bei einer Obſtruktion der Minderheiten nichts Poſitives mehr leiſten kann, wodurch ſie, wie ſehr es auch dem freiſinnnigen Herzen zuwider ſein wird, gezwungen werden dürfte, einem gerechteren Wahl - verfahren die Tore zu öffnen. Intereſſant iſt auch, daß der in überwiegend großer Mehrheit landwirtſchaftliche Bergkanton Appenzell-Außerrhoden ein neuzeitliches Arbeiterinnenſchutzgeſetz mit großer Mehrheit annahm.
Katholiken: Gangolf. — Griechen (28. April): 9 Märtyr. — Sonnen - aufgang 4 Uhr 28 Minuten morgens. — Sonnenunter - gang 7 Uhr 25 Minuten abends. — Mondesaufgang 2 Uhr 3 Minuten abends. — Mondesuntergang 2 Uhr 50 Minuten morgens.
1686. Otto v. Guerike, Phyſiker, geſt. Hamburg. — 1778. William Pitt, der Aeltere, engliſcher Staatsmann, geſt. Hayes, Kent. — 1825. Guſtav v. Moſer, Bühnendichter, geb. Spandau. — 1841. Ernſt Poſſart, Schauſpieler und Theaterintendant, geb. Berlin. — 1859. Johann, Erzherzog von Oeſterreich, deutſcher Reichs - verweſer, geſt. Graz. — 1878. Attentat Hödels auf Kaiſer Wilhelm I. in Berlin. — 1885. Ferdinand Hiller, Komponiſt, geſt. Köln. — 1907. Die portugieſiſche Deputiertenkammer wird aufgelöſt.
Der Kaiſer hat dem Rechnungsdirektor bei der Statthalterei in Linz, Regierungsrat Anton Bauer den Orden der Eiſernen Krone dritter Klaſſe, dem Kanzleidirektor des Handels - gerichtes in Prag Wenzel Kaplan anläßlich der Ver - ſetzung in den Ruheſtand das Ritterkreuz des Franz-Joſef ordens verliehen, den außerordentlichen Profeſſor Dr. phil. Karl Beth zum ordentlichen Profeſſor ernannt, dem Poſt - rate Franz Schaefer in Prag den Titel und Charakter eines Oberpoſtrates, dem Hauptlehrer an der Lehrerbil - dungsanſtalt in Troppau Alois Meixner anläßlich der Uebernahme in den Ruheſtand den Titel eines Schulrates. dem Kanzleioberoffizial des Bezirksgerichtes in Zizkov Joſef Nozicka anläßlich der Verſetzung in den dauernden Ruhe - ſtand das Goldene Verdienſtkreuz mit der Krone, dem in Dienſten des Erzherzogs Friedrich ſtehenden Aufſeher Martin Szigeti anläßlich ſeiner Uebernahme in den Ruheſtand das Silberne Verdienſtkreuz mit der Krone, dem Schleifereileiter der Porzellanfabrik der Firma Fiſcher und Mieg in Pirkenhammer Joſef Lumbe, dann der Abtei - lungsleiterin der Bunt - und Zigarettenpapierfabrik von Chriſtian Schütz in Wien Aloiſia Preiß, den Buchbinder - gehilfen der Firma F. Rollinger, Geſchäftsbücherfabrik, Raſtrieranſtalt, Buch -, Stein - und Kunſtdruckerei in Wien, Alois Verilly und Georg Lichtenecker und dem Drechſlergehilfen der Firma Georg Gubinger in Wien Johann Schorſch das Silberne Verdienſtkreuz verliehen. Der Miniſter für Kultus und Unterricht hat den pro[v]iſo - riſchen Lehrer an der Staatsrealſchule im 9. Wiener Ge - meindebezirke Ernſt Schmidt zum wirklichen Lehrer an dieſer Anſtalt ernannt. Der Ackerbauminiſter hat im Staude der forſttechniſchen Beamten der Direktion der Güter des Buk. gr. -or. Religionsfonds die Forſtaſſiſtenten Arkadius Procopovici nnd Aurelian Zurkan zu Forſt - und Domänenverwaltern ernannt.
Sonn - tag abends um 9 Uhr 24 Minuten iſt mit dem Schnellzuge der Nordweſtbahn der König Friedrich von Dänemark im ſtrengſten Inkognito aus Kopenhagen hier eingetroffen. Der däniſche Geſandte am Wiener Hofe Graf Ahlefeldt und der däniſche Generalkonſul Adolf Wieſenburg, Edler von Hochſee waren zur Begrüßung des Königs auf dem Bahnhofe erſchienen. König Friedrich, in deſſen Begleitung ſich Kammerherr Hauptmann O. Bull und Kammerjunker E. O. N. von Caſtonier befinden, ſtieg im „ Hotel Imperial “ab. Er dürfte zwei oder drei Tage in Wien verweilen. Dienstag den 12. d., abends 6 Uhr, findet beim Kaiſer in der kleinen Galerie in Schönbrunn zu Ehren des Königs eine Tafel ſtatt.
Die Erzherzoge Leopold Salvator und Franz Salvator ſind am 10. d. nach Neuberg abgereiſt.
Abg. Walther R. v. Troll iſt zum Kurgebrauch nach Brixen abgereiſt.
Schon ſeit Ende dieſes Jahres werden ſowohl bei den Kaſſen der Oeſterr. - ungar. Bank wie bei den Staatskaſſen keine Silbergulden mehr ausgegeben, die einfließenden dagegen zurückgehalten und an die Bank abgeführt, welche Ende vorigen Jahres bereits einen Beſtand von 124·3 Millionen Stück dieſer Münze beſaß. Infolgedeſſen ſind die Gulden im Verkehr ſchon relativ ſelten geworden. Am 30. April iſt weiter eine Verordnung des Finanzminiſteriums erſchienen, welche den Gewerbetreibenden verbietet, die Preiſe ihrer Waren in Guldenwährung bekannt zu machen und die am 1. Juli in Kraft treten ſoll. Uebertretungen werden unter Berufung auf eine andere Miniſterialverordnung mit Geldſtrafen be - droht; deren Höhe iſt jedoch nicht angegeben: ſchlägt man nach, ſo findet man, daß dieſe vom 30. September 1857 ſtam - mende Miniſterialverordnung die Stufen in eben denſelben Silbergulden berechnet, deren Nennung jetzt im Verwal - tungswege verpönt wird. Dieſes ſcherzhafte Zuſammen - treffen hat aber doch einen tieferen Sinn. Es beweiſt, daß die neue Verordnung im Grunde keine Baſis in der Ge - ſetzgebung beſitzt, denn ſonſt wäre es nicht nötig geweſen, ſie auf eine Regierungsmaßnahme zu ſtützen, welche 50 Jahre zurückliegt und welche die Inkraftſetzung der alten Währung begleitet hatte. Der Silbergulden wurde mit dem Patent vom 19. September 1857 ins Leben gerufen!
4Wien, Montag Reichspoſt 11. Mai 1908 Nr. 130Am 19. d., vormittags um ½11 Uhr, findet zu Wien bei St. Stephan die Vermählung der Gräfin Maria Pauline Bellegarde mit dem Reichs - grafen Franz Kinsky von Wchinitz und Tettau, k. und k. Kämmerer und Leutnant i. d. R. des Dragoner - regiments Fürſt zu Windiſchgrätz Nr. 14, ſtatt. Die Braut iſt die Tochter des Oberſtküchenmeiſters Auguſt Grafen Bellegarde und weiland Henriette Gräfin Bellegarde, gebornen Gräfin zu Lariſch-Moennich. Der Bräutigam iſt ein Sohn weiland des Reichsgrafen Friedrich Karl Kinsky und der Reichsgräfin Sofie Kinsky, gebornen Gräfin Mensdorff-Pouilly.
Samstag den 16. d. feiert Geheimrat Graf Hans Wilczek mit ſeiner Gemahlin Gräfin Anna Wilczek auf ſeiner Beſitzung in Seebarn das Feſt der goldenen Hochzeit.
Aus Perg wird uns berichtet: Am 8. d M. ſah der Nauführer Joſef Sommer in Au eine Zille auf der hochgehenden Donau abwärts treiben. Darin ſaß ein Mann, der gegen die anſtürmenden Wellen verzweifelt kämpfte und im Waſſerfahren vollkommen ungeübt war. Die Gefahr erkennend, in der der Ruderer ſchwebte, ſprang Sommer in ein am Ufer verankertes Floß und wartete hier auf das Vorbeikommen des gefährdeten Fahrzeuges. Zum Glück gelang der Rettungsverſuch. Der Nauführer warf ſich platt auf das Floß nieder, zog beim Vorüber - kommen die Zille mit dem waghalſigen Ruderer in das Floß und rettete ſo dem Unbekannten das Leben. Der Gerettete gab an, Matthias Mayer zu heißen und aus Linz zu ſtammen. Zwei geſprengte Schlöſſer an der Zille zeigten, daß das Fahrzeug von ſeinem Verankerungsplatz gewaltſam entfernt worden war. Der Zweck der Fahrt war ein raſches Vorwärtskommen aus Furcht vor der Arretierung bei einer Fußreiſe. Dem herbeigeholten Gendarm gegenüber legitimierte ſich Mayer als Matthias Marx aus Feteny in Ungarn gebürtig, Bäckergehilfe. Er wurde dem hieſigen Bezirksgericht eingeliefert.
Der Inſpektor des Jokeyklubs für Oſterreich Adolf Limlay, Gemahl der Hofopernſängerin Frau Eliſe Elizza iſt heute früh in ſeiner Wohnung, III. Hintere Zollamtsſtraße 3, plötzlich geſtorben. — In Abbazia, wo er mit mehreren Freunden zur Erholung weilte, iſt geſtern abends der Herausgeber und Chefredakteur der Brauer - und Hopfenzeitung „ Gambrinus “, kaiſerlicher Rat Adolf Lichtblau, kurz vor Vollendung ſeines 64. Lebensjahres einem Schlaganfall erlegen.
Man meldet aus Frankfurt a. M. vom 10. d.: Heute, am Jahrestage der Unterzeichnung des Frankfurter Friedens, fand die feierliche Enthüllung des Bismarck-Denk - mals an der Promenade gegenüber dem Schauſpiel - hauſe ſtatt.
Aus Catania wird gemeldet: Hier iſt der Dampfer „ Helvetia “aus Genua auf der Fahrt nach dem Piräus eingetroffen. An Bord befanden ſich zehn deutſche und engliſche Anarchiſten, welche von der Genueſer Polizei ausgewieſen worden waren. Da der Dampfer in Catania drei Tage Aufenthalt nehmen mußte und Fluchtgefahr beſtand, wurden die Anarchiſten trotz ihres energiſchen Proteſtes von der Polizei in Haft ge - nommen.
Ein höchſt aufregender Vorfall erregte Sonntag früh am Ufer des Donaukanals rieſiges Aufſehen. Um 7 Uhr ver - urſachte der Hilfsarbeiter Karl Foitl anf der Landſtraße, Schlachthausgaſſe, einen argen Exzeß. Er ſollte deshalb arretiert werden, verſetzte jedoch dem Sicherheitswachmann einen Stoß und benützte ſeine Wirkung, um ſich loszu - reißen, zum Ufer des Donaukanals zu eilen und ins Waſſer zu ſpringen. Foitl ſchwamm dem gegenüberliegenden Ufer zu. Zwei Wachmänner, die vom Praterufer her die Szene mitangeſehen, machten ſofort eine Zille los und rudertem dem Schwimmer entgegen. Als Foitl die Wachmänner ſah, änderte er ſofort ſeine Fluchtrichtung und ſchwamm den Donaukanal hinab. Die Wachen ruderten ihm nach, erreichten ihn und brachten ins ans Land. Der von Näſſe Triefende begann nun mit den Wachleuten wieder zu raufen. Er zerrte die Wachleute an den Uniform - röcken gegen das Ufer hin, ſo daß ſie in Gefahr waren, ins Waſſer zu fallen. Mit Mühe konnte Foitl überwältigt und gefeſſelt werden. Er wurde aufs Polizeikommiſſariat gebracht. Während dieſer Amtshandlung iſt der Hilfs - arbeiter Leopold Poſpiſchil arretiert worden, weil er die Menſchenmenge, die ſich angeſammelt hatte, aufgefordert hatte, den Foitl nicht arretieren zu laſſen. Foitl wurde dem Landesgericht eingeliefert.
Man meldet uns aus Kloſterneuburg: Geſtern nach - mittags iſt das Seil bei der fliegenden Brücke zwiſchen Kloſterneuburg und Korneuburg geriſſen und die Brücke ſelbſt ſtromabwärts bis zum Pionierdepot getrieben worden, wo die Anker Grund faßten. Verletzt wurde bei dieſem Unfall niemand.
In einem Nichtrauchercoupé 3. Klaſſe wurde am 10. d. M. früh um 5 Uhr 40 Minuten beim Eintreffen des Trieſter Zuges ein Burſche bewußtlos auf der Bank liegend aufge - funden. Er hatte ſich aus einem ſechsläufigen Revolver eine Kugel in die Herzgegend gejagt, wodurch er ſich lebens - gefährlich verletzte. Auf Grund einer Zeitkarte der Ver - bindungsbahn, die der junge Mann bei ſich hatte, wurde ſeine Identität mit dem Schloſſergehilfen Wenzel J. feſt - geſtellt. J., welcher den Selbſtmordverſuch wegen unglück - licher Liebe verübt haben ſoll, wurde auswaggoniert und in das Wiedener Krankenhaus gebracht.
Aus Kloſterneu - burg wird unter dem 9. d. gemeldet: Samstag nach - mittags gegen 3 Uhr fand der in der Martinſtraße wohn - hafte Fleiſchermeiſter Theodor Brunner, von St. Andrä - Wördern kommend, außerhalb der Irrenanſtalt Kierling - Gugging, im Straßengraben liegend, einen Mann, der nur mit den Unterkleidern bekleidet war und um den ſich bereits zwei Aerzte, die auch zufällig des Weges gekommen waren, bemühten, da er von ſchweren Herzkrampf - anfällen befallen wurde. Ueber Erſuchen der beiden Doktoren nahm Brunner den unbekannten Mann, der der deutſchen Sprache nicht mächtig war und anſcheinend bosnia - kiſcher Abſtammung iſt, mit nach Kloſterneuburg und führteihn ins allgemeine Krankenhaus. Daſelbſt gab der Un - bekannte einem herbeigerufenen Dolmetſch an, Jakob Ragetto zu heißen und von Hamburg zu kommen. Ueber weiteres Befragen erzählte er, er habe ſich auf dem Platze, wo er gefunden wurde, ſtark ermüdet ge - fühlt und ſich ſeitwärts der Straße niedergelegt, um aus - zuruhen, wobei er eingeſchlafen ſei. Plötzlich ſei er von drei Burſchen überfallen worden, die ihn mit Steinen ſo lange auf den Kopf ſchlugen, bis er ohnmächtig wurde. Als er wieder zu ſich kam, war er ſeines Oberrockes, Hutes, ſeiner bei ſich gehabten Dokumente und eines Betrages von 130 Mark Bargeld, welche er angibt in Hamburg vom Konſulate erhalten zu haben, beraubt.
Man ſchreibt uns aus Littau: Am 17. d. M. wird in Chudwein bei Littau, Mähren, eine impoſante Jubiläumsfeier gehalten, bei welcher Weihbiſchof Dr. Wisnar pontifizieren, Abg. Dr. Stojan predigen, nachmittags in der Feſtverſammlung die Abgeordneten Schramek, Dr. Hruban, Kadlcak, Sillinger ſprechen werden.
Man meldet aus Ca - tania vom 10. d.: In den Ortſchaften Malati, Guzzi, Mortaro und Scilichente des Diſtriktes Acireale wurden geſtern mehrere Häuſer durch einen ſehr ſtarken Erdſtoß ſchwer beſchädigt. Einige Mauern ſtürzten ein. Menſchenleben ſind nicht zu be - klagen.
Am Samstag den 9. d., abends kurz vor 11 Uhr, iſt in einem Sanatorium in Hietzing der Direktor des Raimundtheaters Karl Roſenheim im 51. Lebensjahre verſchieden. Direktor Roſenheim war vor zwei Wochen an einem Darm - leiden erkrankt und befand ſich ſeit etwa Wochenfriſt in dem Sanatorium, wo er ſich vor mehreren Tagen einer ſchwie - rigen Operation unterziehen mußte. Die Operation ſchien bereits glücklich überſtanden, doch Samstag abends ſtellte ſich Herzſchwäche ein, der der Kranke erlag. Die Leiche wurde nach dem Zentralfriedhofe überführt und heute (Montag) mittags dort beſtattet werden.
Im Uhrmacher - geſchäfte des Heinrich Stock, Taborſtraße Nr. 55, iſt in der Nacht auf Montag ein verwegener Einbruchsdiebſtahl ver - übt worden, bei dem Pretioſen um etwa 20.000 Kronen geſtohlen wurden. Die Gauner ſind von einem Keller aus in das benachbarte Pfaidlergeſchäft eingebrochen und ge - langten dann, nachdem ſie die gemeinſchaftliche Mauer durchbrochen, in das Juwelengeſchäft. Einen an die Wand genagelter Kaſten, der minderwertige Sachen enthielt, warfen ſie um. Die Schaukaſten ſperrten ſie auf und nahmen drei Tabletten herab. Von dieſen ſtahlen ſie den geſamten Schmuck. Die leeren Tabletten legten ſie auf dem Verkaufspult übereinander. Dann ſtahlen ſie die Pretioſen, die zur Reparatur gegeben waren. Nach dem Diebſtahl zogen ſich die Gauner durch den Pfaidlerladen wieder in den Keller zurück, gingen dann über die Stiege in die Einfahrt, öffneten das Haustor mit Nachſchlüſſel und er - griffen die Flucht.
Aus Trieſt, 10. d., wird uns gemeldet: Ein aufſehenerregender Vorfall ſpielte ſich geſtern abends, wie dem „ Piccolo “ge - meldet wird, in der Marinekaſerne in Pola ab. Beim Rapport ließ ſich der Marineoffizier Dietrich von Sachſenfels den Marineſoldaten (Profeſſioniſten) Franz Janke von der 15. Kompagnie vorführen, den der taghabende Korporal zum Rapport gemeldet hatte, weil Janke ſich geweigert hatte, ſeinem Befehl gemäß die Montur zu putzen. Janke, ein gewalttätiges Individuum, benahm ſich dem Offizier gegenüber höchſt diſziplinwidrig und weigerte ſich unter anderem, die vorgeſchriebene Habt - Acht-Stellung einzunehmen. Als der Offizier ihm ſieben Tage ſtrengen Arreſt diktierte, ſtieß Janke wüſte Schimpf - worte aus und ſtürzte ſchließlich mit geballten Fäuſten auf den Offizier los. Dieſer zog ſeinen Säbel und verſetzte dem Soldaten einen Hieb über den Kopf, ſodaß Janke zu Boden ſtürzte. Janke wurde ins Marineſpital gebracht. Seine Ver - letzung iſt nicht ſchwer. Nach ſeiner Geneſung wird er ins Marinegefängnis gebracht.
Am Sonntag vormittags wurde an dem Neubau des Hauſes Alſerſtraße, Ecke Skodagaſſe, eine Gedenktafel für den Dichter Joh. Nep. Vogl enthüllt, der in dem früher dort befindlichen Hauſe am 16. November 1866 geſtorben iſt. Zur Feierlichkeit fanden ſich ein: Sektionschef v. Heſch, Polizeipräſident Brzeſowski, Statthaltereivizepräſtdent Tils, Präſident des Abgeordnetenhauſes Dr. Weis - kirchner, Landesſanitätsreferent Statthaltereirat Neto - litzky, Reichsratsabgeordneter Dr. Heilinger, die Vize - bürgermeiſter Dr. Neumayer und Hierhammer, Stadtrat Gſottbauer, Landesſchulinſpektor Doktor Rieger, Bezirksvorſteher Antenſteiner mit ſeinem Stellvertreter Schneeweiß, Statthaltereirat Baron Winkler, der Vorſtand des Wiener Männergeſangvereines Dr. Krückl, Geſangsdirektor Weltner, Schulrat Profeſſor Haßlwander, Rechnungsrat Fetzmann, die Bezirksräte Oskar Appel, Oberrechnungsrat Walter, Kaller, Bart und Partch, der Obmann des Armeninſtitutes Joſefſtadt Hermann Reſch, Uni - verſitätsprofeſſor Johann Wilibald Nagl und Profeſſor Dr. Caſtle, Schottenprofeſſor Meinrad Sadil, Bezirksamtsleiter Magiſtratsrat Dr. Stibitz, Gemeinde - rat Stangelberger u. ſ. w. Von der Familie Vogls war ſeine Stieftochter Frl. Oeſterlein erſchienen.
Die Feier wurde mit dem Vortrage von Beethovens „ Ehre Gottes “eingeleitet. Dann beſtieg der Vorſtand des Wiener Sängerbundes Magiſtratsrat Haniſch die Rednerbühne und hielt die Gedenkrede, in der er Vogls Lebenslauf ſchilderte und einen Appell an die ſtädtiſchen und Schulbehörden richtete, die volkstümliche Geſamtaus - gabe der Voglſchen Werke, die demnächſt erſcheinen werden, anzukaufen. Magiſtratsrat Haniſch bat dann den Vizebürger - meiſter Dr. Neumayer, das Zeichen zur Enthüllung zu geben. Dr. Neumayer entſchuldigte die Abweſenheit des Bür - germeiſters Dr. Lueger und hielt dann eine Anſprache, in der er die längſte Zeit ſeines Lebens zugebracht hat. Er verdiene den Dank der Stadt Wien im vollſten Maße. Dr. Neu - mayer gab dann das Zeichen zum Fallen der Hülle. Imzweiten Stockwerke ſenkte ſich ein Vorhang und die Marmor - tafel mit der Goldſchrift: „ An dieſer Stelle ſtand das Wohnhaus des Dichters Dr. Johann Nep. Vogl. Er ſtarb hier am 15. November 1866. “wurde ſichtbar. Die Sänger ſtimmten Vogls „ Letzte Treue “, vertont von A. M. Storch, an und ſangen dann noch, begleitet vom Waldhornquartett Lehner, Vogls „ Grün “, gleichfalls vertont von A. M. Storch. Dann ſprach noch BV. Anten - ſteiner einige Worte des Dankes, und um ¾12 Uhr ſchloß die ſchlichte Feier.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde in der Tandelmarktgaſſe, wenige Schritte vom Polizeikommiſſa - riate Leopoldſtadt, eine grauenhafte Mordtat verübt, de[r]eine unter ſittenpolizeilicher Kontrolle ſtehende Frauens - perſon zum Opfer fiel. Der Täter iſt ein achtzehnjähriger Burſche, der ſich am Morgen nach dem Morde ſelbſt der Polizei ſtellte.
Innerhalb weniger Monate ſind alſo in Wien zwei Attentate unter ganz gleichen Umſtänden verübt worden von denen das erſtere bekanntlich nicht mit dem Tode des Opfers endete; dieſe raſche Aufeinanderfolge und di[e]Gleichartigkeit der Bluttaten wirft ein grelles Licht auf die Sittlichkeitsverhältniſſe Wiens. In beiden Fällen waren die Täter junge Burſche, die erſt kurze Zeit der Schule entwachſen ſind und von ihrem Verdienſte kaum ihren Lebens - unterhalt decken konnten, dabei aber ſchon einen erſchrecken - Tiefpunkt moraliſcher Verkommenheit und Verlotterung er - reicht hatten; und bei jedem der Attentate erſcheinen als die Opfer verworfene käufliche Frauensperſonen der niedrig - ſten Sorte, Angehörige des Schandgewerbes, in deſſen Sumpfe die Moral und auch die bürgerliche Exiſtenz ſo vieler junger Leute aus den unteren Ständen zu - grunde geht.
Ueber die Tat wird berichtet:
Der Schauplatz des Mordes iſt das Haus der Tandel - marktgaſſe Nr. 20. Außer dem Hausherrn und der Hausmeiſterin wohnen dort bloß Mädchen, die unter Kontrolle der Sittenpolizei ſtehen. Charakteriſtiſch für das Haus iſt der Umſtand, daß nicht einmal die Gas - beleuchtung eingeführt iſt und daß die Mädchen zur Be - leuchtung des hölzernen Ganges noch wie in der Vorzeit Laternen verwenden. Im zweiten Stocke des Hauſes wohnte die 24jährige Roſa Goldſtein. Sie hatte ein armſeliges Quartier mit dürftiger Einrichtung und gehörte zu jener Sorte von Mädchen, die ſich des Nachts in der Tabor - ſtraße und ihrer Umgebung herumtreiben und ſich Beſucher mitbringen. Ihr gegenüber wohnte eine Freundin Joſefine Schwarz. Durch dieſe wurde das Verbrechen eigentlich entdeckt.
Die Lampe auf dem hölzernen Gang war verlöſcht und die Schwarz, die das bemerkte, wollte ſie wieder an - zünden. Sie hatte keine Zündhölzchen in der Wohnung und wollte daher die Goldſtein um Zündhölzchen bitten. Als ſie zu ihrer Wohnung kam — es war 1 Uhr morgens — be - merkte ſie die Türe einen Fingerbreit offen ſtehen. Sie ver - ſuchte zu öffnen, glaubte jedoch, einen Widerſtand von innen zu ſpüren, als ob jemand die Türe von innen zuhielte. Sie kehrte ſich weiter nicht daran und ging in ihre Wohnung zurück. Gegen ½3 Uhr früh machte ſie zum zweiten Male den Verſuch, von der Goldſtein Zündhölzchen zu bekommen. Diesmal konnte ſie die Türe öffnen. Sie ſah ins Zimmer und bemerkte, daß die Lampe brenne und daß Kleidungs - ſtücke der Goldſtein auf dem Tiſche liegen. Das rief Bedenken wach und ſie alarmierte die vor dem Hauſe patrouillierenden Mädchen, die im Vereine mit einem Mann in die Wohnung drangen und auf dem Divan den lebloſen Körper der Goldſtein fanden.
Man glaubte zuerſt, daß die Goldſtein von Ohnmacht befallen worden ſei. Man rief ſie an, doch kein Zeichen von Leben war zu bemerken. Als eines der Mädchen ſie berührte, zeigte es ſich, daß der Körper bereits kalt war, und nun gab es keinen Zweifel mehr, daß ſie tot ſei.
Die Mädchen des Hauſes eilten zum nahegelegenen Polizeikommiſſariate Leopoldſtadt, und zuerſt begaben ſich Sicherheitswachinſpektor Erler und Sicherheitswachmann Jokſch in das Haus. Sie entdeckten bei näherer Beſich - tigung der Toten, daß Roſa Goldſtein um den Hals ein ziemlich feſt geknotetes Bändchen geſchlungen hatte. Obwohl Wiederbelebungsverſuche ausſichtslos erſchienen, wurde doch ärztliche Hilfe requiriert, der Inſpektionsarzt konnte jedoch nur mehr feſtſtellen, daß der Tod ſchon nach 1 Uhr nachts eingetreten ſein dürfte. Am Halſe der Leiche fanden ſich zahlreiche Kratzwunden.
Indeſſen hatten ſich vom Polizeikommiſſariat Leopoldſtadt Bezirksleiter Regierungsrat Kenda und ein Polizeikommiſſär mit dem Polizeiarzt und eine Anzahl Polizeiagenten eingefunden und auch Re - gierungsrat Stukart fand ſich alsbald ein und leitete die Erhebungen, während die Polizeiagenten die Mäd - chen einvernahmen. Schon der erſte Augenſchein hatte einen Mord als nahezu feſtſtehend erſcheinen laſſen, und als Mörder konnte nur ein junger Mann mit blondem Haar in Betracht kommen, der zuletzt in Geſellſchaft der Goldſtein geſehen worden iſt. Durch verſchiedene Ein - vernahmen konnte eine annähernde Perſonsbeſchreibung feſt - geſtellt werden, die unverzüglich allen Wachorganen zuging. Auch die Staatsanwaltſchaft wurde verſtändigt und ſchon in den frühen Morgenſtunden fand ſich eine Gerichts - kommiſſion, beſtehend aus dem Gerichtsadjunkten Dr. Schaupp, Staatsanwaltsſubſtitut Dr. Langer und Pro - feſſor Habrda, mit einem Schriftführer auf dem Tatorte ein. Der Lokalaugenſchein ergab, daß die Unglückliche von rückwärts mit den bloßen Händen erwürgt worden war. Die Abdrücke der Nägel waren auf dem Halſe wahrzunehmen. Den Tod der Gold - ſtein dürfte lediglich das Würgen verurſacht haben. Erſt als ſie ſchon tot war, mußte der Mörder das Band um den Hals geſchlungen haben.
Während die Suche nach dem Mörder in vollem Gange war, hat ſich dieſer der Polizeidirektion ſelbſt ge - ſtellt. Gegen 5 Uhr früh trat nämlich ein Burſche, der auffallend blaß ausſah und an allen Gliedern zu zittern5Nr. 130 Wien, Montag Reichspoſt 11. Mai 1908ſchien, auf den Sicherheitswachpoſten vor dem Gebäude der Polizeidirektion zu und teilte ihm mit, daß ihm ſchlecht ge - worden ſei. Der Wachmann, der ſchon im Zirkularwege Kenntnis von dem Verbrechen und die Perſonsbeſchreibung des Täters hatte, faßte den Burſchen ins Auge und ſah, daß er im Geſichte friſche, blutige Kratzwunden hatte. Das fiel dem Wachmann auf und er fragte den Burſchen, ob er denn nicht gerauft habe. Da teilte der Burſche ohne Zwang mit, er habe ein Mädchen ermordet. Der Wachmann packte den Burſchen am Arme, brachte ihn ins Hauskommiſſariat und führte ihn dem dienſthabenden Polizeikommiſſär vor, der ihn ſofort in Verwahrungshaft nahm. Er gab an, Joſef Karczmarczik zu heißen, im Jahre 1890 zu Liepnik in Galizien geboren zu ſein und bei ſeinem Oheim, dem Schneidermeiſter Karl Schweinberger, Hernals, Schellhammer - gaſſe 4, zu wohnen. Er iſt bei Frau Fanny Schindler, Neubau, Kirchengaſſe 3, bedienſtet. Er iſt ein ſchwächlicher Burſche von knabenhaftem Ausſehen, aber ein äußerſt gefährlicher jugendlicher Verbrecher. Wegen gefährlicher Drohung und Veruntreuung wurde er bereits im heurigen Jahre mit zwei Monaten Kerkers abgeſtraft. Erſt vor vier Wochen iſt er nach Verbüßung der Kerkerſtrafe in Freiheit geſetzt worden. Die Abſicht eines Mordes ſtellt er entſchieden in Abrede und will glauben machen, daß es ſich um ein im Affekt begangenes Delikt handle.
Karczmarczik hatte bei Frau Schindler 16 Kronen Wochenlohn. Davon mußte er 11 Kronen wöchentlich an den Oheim für Koſt und Wohnung abführen. 5 Kronen wöchentlich blieben ihm für ſeine anderen Bedürfniſſe.
Ueber die Tat befragt, gab Karczmarczik an, er ſei um etwa 12 Uhr nachts durch die Taborſtraße gegangen und habe die Goldſtein getroffen. Dieſe habe ihn aufgefordert, mit ihm in die Wohnung zu gehen. Dort kam es wegen der Bezahlung zu einem Streit. Dadurch ſei das Mädchen in Wut geraten und habe ihn beſchimpft. Sie haben dann gegenſeitig aufeinander losgeſchlagen. Plötzlich habe er das Mädchen leblos auf den Divan ſtürzen geſehen. Er habe nicht gewußt, was mit ihm vor - gehe, er habe die 2 Kronen, die er dem Mädchen gegeben, zu ſich geſteckt und ſei davon gelanfen. Daß er die Unglück - liche gewürgt habe, will er nicht wiſſen. Nach dem Mord ließ er ſich das Haustnr aufſperren und ging wieder in den Prater. Um ¼3 Uhr früh wurde er noch von ſeinem in einem Pratergaſthauſe bedienſteten Bruder Ladislaus ge - ſehen. Dieſer ſah ſogleich die Kratzwunden, die ihm die Goldſtein im Todeskampfe beigebracht hatte. Ahnungslos fragte er den Bruder: „ Haſt wieder eine Rauferei gehabt? “ Er erwiderte, „ ſie “habe ihm gekratzt und er habe „ ſie “ge - ſchlagen und geſtochen, dann ſei er weggegangen. „ Ich komme, “ſchloß er die Mitteilung, „ ins Landesge - richt! Geh’, bring mir eine neue Hoſe hinein! “ Damit ſchied der Mörder vom Bruder, trieb ſich noch einige Zeit in den Straßen herum und ſtellte ſich dann der Behörde.
Karczmarczik wird dem Landesgericht eingeliefert. Die gerichtliche Obduktion der Leiche der Ermordeten iſt ange - ordnet.
Laut eingelaufenen Nachrichten ſind die Unruhen, über welche wir ſchon im allgemeinen berichtet haben, auf Grund - ſtreitigkeiten zurückzuführen, die dadurch entſtanden, daß auf einem Grundſtück Häuſer gebaut wurden, deſſen Benützungs - recht ſtrittig iſt. Es kam bereits am Ende vorigen Monates zu ernſten Reibungen zwiſchen den das Nutzrecht aus - übenden Grundherrn und den Bauern und zu Vorſtellungen und Klagen bei der politiſchen Behörde. Die ſtreitenden Parteien ſind Mohammedaner und Serben. Es wurde unter Gendarmerieaſſiſtenz ein Beamter mit einem Geometer hinausgeſendet, um bezüglich des ſtrittigen Grund - ſtückes Feſtſtellungen vorzunehmen. Eine etwa zweihundert Köpfe ſtarke, ſehr erregte Menge nahm eine drohende Haltung gegen die Beamten ein, die ein - geſchüchtert, ihre Sachen zuſammenpackten und nach Rogatica wieder zurückkehrten.
Dieſes Nachgeben, ſowie der Umſtand, daß der Bezirksvorſteher von Rogatica nicht einſchritt, hatte die Folge, daß die Menge die Häuſer und Grund - zäune niederriß. Ganz Rogatica und Umgebung ſtand unter dem Eindrucke dieſer politiſch inſpirierten Vorfälle.
Als das Militär von Sarajevo dort einrückte, erfolgte die Verhaftung der Rädelsführer, die ſich wegen öffentlicher Gewalttätigkeit zu verantworten haben werden. Der Bezirksvorſteher ſoll vom Dienſte ſuspendiert worden ſein.
Von einer Perſönlichkeit, die aus ihrer Amts - tätigkeit Rogatica kennt, wird uns geſchrieben: Die Stadt Rogatica zählt etwa bei 3000 Einwohner, 8% davon ſind Moslims, der Reſt Serben und Spaniolen, der Bezirk Rogatica zählt bei 30.000 Einwohner, zur Hälfte Serben und zur Hälfte Moslims. Die Moslims gehören zu den älteſten adeligen Familien des Landes an, ſo die einſt mächtigen Familien: Seinpaſic, Brankovic, Sokolovic uſw. Rogatica liefert die meiſten Ulemas und Scheriatsrichter. Die Moslims in Rogatica und Umgebung ſind ſehr religiös und korantreu, jedoch ſehr brave und anſtändige, frenndliche und entgegenkommende Leute. Die Serben in der Stadt und Umgebung ſind aus Serbien und Montenegro im vorigen und in dieſem Jahrhundert eingewanderten Bauern, welche in den wüſten Ländereien von den Begs angeſiedelt wurden. Trotzdem aber beſteht ſeit jeher ein Haß zwiſchen Serben und Moslim, welcher auch nach der Okkupation[o]ft zutage trat, da häufig moslimitiſche Güter in Brand geſteckt wurden, namentlich am Glaſinae und in Praca in den Jahren 1889 — 1894. In Sarajevo glaubte man das Uebel dadurch ausrotten zu können, daß man zur Beruhigung der Serben einen ſerbiſchen Bezirksleiter nach Rogatica gab, nämlich Konſtantin Cukovic, einen ver - unglückten Kaufmann. Seit ſeiner Ankunft in Rogatica im Jahre 1905 war die Haltung der Serben gegen die Moslim noch feindlicher als vorher: Brände türkiſcher Häuſer, Tot - ſchläge, Verweigerung der Abgabe an die Begs kamen noch im größeren Maße als früher war. Daß es diesmalzu ernſteren Verwicklungen kommen könnte, glauben wir nicht.
Der New-Yorker Korreſpondent des „ Corriere della Sera “meldet ſeinem Blatte eine neue Verſion über die myſteriöſen Leichenfunde in Laporte, die jetzt aufgetaucht iſt und die, wenn ſie ſich bewahrheiten ſollte, geeignet wäre, der ſchaurigen Affäre eine ganz andere Löſung zu geben. Danach wäre Frau Guineß, die bekanntlich die Er - mordung ihrer drei Kinder und zahlreicher anderer Perſonen beſchuldigt wird, keine Mörderin, ſondern eine ſehr achtbare, ehrſame Frau, die ihre Kinder zärtlich liebte und ſich dadurch ihren Unterhalt verdiente, daß ſie die Leichen, welche die amerikaniſchen Studenten der Medizin in den anatomiſchen Inſtitution ſezierten und zerlegten, ſich zuſenden ließ und deren Beerdigung beſorgte. Das Begraben von Leichen außerhalb der Friedhöfe iſt nach amerikaniſchem Geſetze nicht ſtrafbar. Unterſtützt wird dieſe Hypotheſe durch die Tatſache, daß ſämtliche im Garten der Guineß vergrabenen Leichen zerſchnitten ſind und daß die Zerlegung derſelben ganz zweifellos von fach - kundiger Hand ausgeführt wurde.
Aus Grünbach am Schneeberg, 11. d., wird uns berichtet: Geſtern nachmittags verunglückte auf dem Kanzelſteig auf der Hohen Wand ein Wiener Touriſt und wurde ſehr ſchwer verletzt. Der Wiener Touriſtenverein „ Die Naturfreunde “veranſtaltete geſtern eine Partie auf die Hohe Wand, an welcher ſich un - gefähr 600 Perſonen beteiligten. Einige Teilnehmer machten die Kletterpartie auf den Kanzelſteig. Durch Los - löſung des Geſteins wurde eine andere dieſer Kletterpartie nachfolgende Geſellſchaft getroffen und infolge des Stein - ſchlages ein gewiſſer Guſtav Wiener, in Wien, 17. Bezirk wohnhaft, ſehr ſchwer verletzt. Es wurden ihm einige Rippen gebrochen, da große Stein - ſtücke auf ihn herabfielen. Wiener konnte ſich nicht mehr von der Stelle bewegen und mußte von der Geſell - ſchaft unter ſchwierigen Verhältniſſen nach Höflein ge - bracht werden. Daſelbſt wurde der Gemeindearzt von Grünbach Dr. Felgenhauer geholt, welcher dem Ver - letzten erſte Hilfe leiſtete und ihn von Höflein per Wagen nach Grünbach transportieren ließ. Der Verunglückte wurde abends von Grünbach nach Wien befordert.
Aus Mailand wird uns vom 10. d. berichtet: In Pallanza bei Mailand wurden geſtern nachts die Einwohner plötzlich durch drei fürchterliche Detonationen aus dem Schlafe geweckt. Die erſchreckten Bewohner eilten auf die Straße und da ſtellte ſich heraus, daß ein neues Gebäude, das von der Familie Tacchini in der Nähe der Kirche erbaut und erſt vor kurzer Zeit fertiggeſtellt worden war, in Trümmern lag. Die polizei - lichen Erhebungen ergaben, daß das Haus mit Dynamit in die Luft geſprengt worden war. Da nun der Eigen - tümer des Hauſes in Konkurs geraten war und das Haus demnächſt zur exekutiven Feilbietung kommen ſollte, der Sohn des Beſitzers aber verſchwunden iſt, ſo nimmt die Polizei an, daß der Sohn Tacchinis die Tat aus Groll darüber verübt hat, daß das Haus in fremde Hände kommen ſoll. Glücklicherweiſe iſt kein Menſchen - leben zu beklagen und auch niemand verletzt worden.
Das offizielle Organ der Unabhängigkeitspartei und zugleich erklärte Leibblatt des ungariſchen Handelsminiſters Koſſuths „ Budapeſt “, bringt geſtern auf der erſten Seite ein Bild „ Das große Jubiläum “, in dem das Regierungsjubiläum unſeres Monarchen und insbeſondere die Huldigung der deutſchen Fürſten in ſchändlicher Weiſe verhöhnt wird. Die Gratulation der deutſchen Majeſtäten wird in folgender Weiſe bildlich verſpottet: Die deutſchen Fürſten erſcheinen als bezopfte Kartenkönige in Schönbrunn, das als ein Kartenhaus dargeſtellt iſt, und huldigen einem auf den Throne ſitzenden — die erhabene Geſtalt unſeres Monarchen wagte der freche Zeichner des Koſſuthorganes doch nicht zu bringen — abſcheulich karikierten Doppel - aar, der das äußere eines ſchrecklich zerzauſten, dem Ver - enden nahen Aasgeiers bietet. Man verſteht die ver - brecheriſche, ſchamloſe Symbolik der Zeichnung.
Es iſt überflüſſig, ein Wort der Kritik über dieſe Schamloſigkeit des Blattes Koſſuths zu verlieren, der die Majeſtät, deren Miniſter und Geheimrat er iſt und die ihn erſt vor kurzem in ihrer unendelichen Nachſicht mit einem hohen Orden ausgezeichnet hat, ſo unflätig und auf aller Ritterlichkeit hohnſprechende Weiſe verunglimpfen läßt.
Der „ Magyar Hirlap “, das Organ des Grafen Andraſſy, teilt mit, daß er die Behauptung, welche Baron Aehrenthal in einem „ lendenlahmen Communiqué “widerruft, vollſtändig aufrecht halte. „ Magyar Hirlap “will nicht allein für das Faktum, daß Baron Aehrenthal wirk - lich dieſe Aeußerung gemacht, ſondern auch dafür unbe - dingteinſtehen, „ daß im öffentlichen Leben Ungarns viele Individuen Rollen ſpielen, die bezahlte Agenten einer aus wärtigen Regierungſeien, und daß die ausländiſchen Agen - ten auch anviele magyariſche Abgeord - nete herankommen. Es verkehren Individuen in Kreiſen des politiſchen Lebens, die von Petersburg, Paris und ganz beſonders Belgrad regelmäßigen Sold beziehen und nicht nur einzelne Abgeordnete, ſondern auch ganze Parteiſchattierungen für den Dienſt dieſer Intereſſen zu gewinnen trachten.
Der ungariſche Ackerbauminiſter Daranyi und die beiden Staatsſekretäre im Ackerbauminiſterium Mezöſſy und Ottlik ſind geſtern abends in Wien eingetroffen.
(Privattelegramm.) Der deutſch - nationale Abg. Weidenhoffer hielt geſtern in einer liberalen Verſammlung eine Brandrede gegen die Chriſtlich - ſozialen. Bezüglich der Wahrmundaffäre, meinte er, werde die Siſtierung der Vorleſungen über Kirchenrecht, welche Skandale verhindern ſollte, nun erſt recht zu Skan - dalen führen, da ſich die freiſinnigen Studenten eine ſolche Maßnahme nicht gefallen laſſen können. Vom Deutſchtum der Chriſtlichſozialen halte er (Dr. Weidenhoffer, der den ſozialdemokratiſchen Tſchechen von Stockerau ſeine Wahl verdankt!) nichts. Kürzlich habe Dr. Lueger an Dr. Chiari den bekannten Brief ge - richtet, in welchem die Chriſtlichſozialen erklären, daß ſie in nationaler Beziehung mit den Deutſchfreiheitlichen Schulter an Schulter kämpfen wollen.
Als vor einigen Tagen bei dem Bankett der Stadt Prag für die Teilnehmer am Leichenbegängniſſe des jungtſchechi - ſchen Abg. Dr. Herold von den dortigen Slaven aller Nationalitäten die allſlaviſche Solidarität gegen die Deut - ſchen proklamiert wurde, haben die Chriſtlichſozialen ruhig (!) daran teilgenommen. Ja ſelbſt als Beſchimpfungen der Deutſchen vorkamen, ſeien die Vertreter der chriſtlichſozialen Partei nicht weggegangen, im Gegenteil, der Abg. Kienzl habe den Tſchechen noch gedankt. (Das iſt eine dreiſte Enſtellung. Kienzl hat den Tſchechen eine ge - hörige Lektion gegeben. Daß die anweſenden deutſchen Chriſtlichſozialen die tſchechiſchen Reden nicht ſofort verſtanden, iſt doch kein Grund zu Verdächtigungen. Weidenhoffer ſollte ſich lieber mit ſeinen deutſchen Burſchaftern befaſſen, die ſich offen mit den ärgſten tſchechiſchen Hetzern gegen die deutſchen Chriſtlichſozialen und gegen die — deutſchfreiſinnigen Profeſſoren verbrüdern!)
(Privattelegramm.) Wie der Maſarykſche „ Cas “meldet, hätten die freiſinnigen Kreiſe der tſchechi - ſchen Studentenſchaft die Frage erwogen, in welcher Weiſe ſie in den Kampf für Wahrmund einzugreifen hätten. Es wurde beſchloſſen, abzuwarten, ob die deutſchfreiſinnige Studentenſchaft in den nächſten Tagen wirklich in den Generalſtreik eintreten werde. Jedenfalls werden bereits in den allernächſten Tagen einige Proteſtverſammlungen ſlaviſcher Studenten in dieſer Angelegenheit ſtattfinden. Die tſchechiſche Studentenſchaft hoffe, die Affäre Wahrmund werde die Aktion zur Abtren - nung der theologiſchen Fakultäten von den Univerſitäten (!) beſchleunigen und verſchärfen. Jedenfalls ſeien ſtürmiſche Vorgänge an den Univerſitäten zu erwarten. Der Delegat der Inns - brucker Burſchenſchaften, welcher dieſer Tage hier weilte, habe auch mit den tſchechiſchen Studenten Verhandlungen gepflogen, um ſie für den Streik zu gewinnen. (Und da wagt es die freiſinnige Preſſe, den Kampf gegen das Studium als eine deutſche, nationale Angelegenheit hinzuſtellen!)
Wirklicher geheimer Rat Graf Pahlen wurde zum Geſandten im Haag ernannt.
Der „ Figaro “meldet aus verläß - licher Quelle, das der ruſſiſche Miniſter des Aeußern Is - wolsky gegen Ende Mai nach Berlin kommt, um dort in einer diplomatiſchen Konferenz, die ſich mit der Bal - kanfrage beſchäftigen wird, den Vorſitz zu führen.
Bei den engeren Wahlen für den Pariſer Munizipalrat wurden 18 bisherige und 7 neue Munizipalräte gewählt. Die Zuſammenſetzung des neuen Munizipalrates dürfte vom parteipolitiſchen Standpunkte die gleiche bleiben wie bisher. Einige geeinigte Sozial - demokraten verloren ihre Sitze an Radikale. In der Stadt herrſcht Ruhe.
Bei den Stichwahlen für die Munizipalräte in den Departements erlitten die Sozialdemokraten weitere Verluſte. In Saint Etienne verloren ſie die Mehrheit, welche auf die Liberalen überging. In Toulouſe errangen die Sozialiſtiſch-Radikalen, in Breſt die fortſchrittlichen Liberalen die Majorität. In Lyon verloren die Sozial -[d]emokraten ſechs Sitze. In Lille wurden die fortſchritt - lichen Liberalen gewählt. Auch in Roubaix unterlagen die geeinigten Sozialdemokraten. Dagegen behaupteten die Sozialdemokraten St. Quentin und gewannen die Majorität in Nimes. In Marſeille beſteht der Munizipalrat zu gleichen Teilen aus Sozialdemokraten und Progreſſiſten.
Im Konvente der Barmherzigen Brüder in der Leopoldſtadt wird gegenwärtig das Provinzwahlkapitel abgehalten, wozu P. Kaſſianus Maria Gaſſer aus Rom hier eingetroffen iſt. Unter ſeinem Vorſitze wurde geſtern den 10. d. M. von den ſämtlichen Prioren der Provinz der bisherige Provinzial P. Eduardus Stur für das nächſte Triennium einſtimmig wiedergewählt.
6Wien, Montag Reichspoſt 11. Mai 1908 Nr. 130Trotzdem es das Wetter diesmal mit dem ſonſt ſehr verwöhnten Trabrennverein nicht beſonders gut meinte, hatte derſelbe aus Anlaß des geſtrigen zum fünfundzwanzigſten - male zur Entſcheidung kommenden Traberderbys einen Rekordbeſuch von 25.000 zahlenden Zuſchauern auf - zuweiſen. Von bekannten Perſönlichkeiten ſah man auf der Rennbahn: Den erſten Stallmeiſter Grafen Ferd. Kinsky, den Oberlandesgerichtspräſidenten aus Galizien Withold v. Hausner, die Prinzen Leopold Croy und Theodor Ypſylanti, den Markgrafen Bela Pallavicini, die Grafen Dominik und Franz Hardegg, Revertera Max Herberſtein, Anton Auerſperg, Karl Eſterhazy, George Steckau und Aurel Deſſewffy, Schauſpieler v. Ceska, Pallenberg, die Maler Karl von Dombrowski und Koch. Auf der Komiteetribüne amtierte anfangs Franz v. Wertheim als Zielrichter, bis dann ſpäter Reichsgraf Rudolf Wrbna-Kaunitz erſchien.
Und nun einiges vom Derby ſelbſt: Wenige 100 Meter nach dem Start hatte Grete N., wie man das ja bei ihrer Schnelligkeit vorausſehen mußte, bereits die Führung und hinter der an zweiter Stelle liegenden Pepus tauchte auch ſchon Willy auf, der dann vis-à-vis den Tribünen ſich neben die Führende legte. Kopf an Kopf rangen nun dieſe beiden Pferde um das heißerſehnte Siegesreis und dicht hinter ihnen lagen alsbald Zufall und Dulla R., die verſchiedentlich ſo nahe zu den beiden erſten Pferden auf - kamen, daß man glaubte, ſie würden mit in das Endgefecht eingreifen. Von den Führenden hatte bald Grete N., bald Willy die Naſe ferne, doch hatte jene den weitaus günſti - geren Platz an der Innenſeite der Bahn und ihr Fahrer Dieffenbacher kam auch nicht eine Sekunde aus der Ruhe, ſondern nahm nur gerade ſoviel aus ſeinem Pferde heraus, wie unbedingt notwendig war. So ging es immer näher dem Ziele zu. Noch bei der letzten Biegung konnte niemand vorherſagen, wem der Siegeslorbeer beſchieden ſein werde und unter geradezu fieberhafter Spannung ſahen die Zehn - tauſende dem Schlußkampf entgegen. Da hatte plötzlich Penneck die Peitſche hoch und nun zog Grete N. einigeLängen nach ferne, während Willy erſichtlich mit ſeinem Können zu Ende war. Er paſſierte als guter Zweiter den Richter, während Dylla und Zufall auf der Geraden knapp vor dem Ziele einſprangen, wodurch Inn vor ihnen zu dem dritten Gelde kam. Stürmiſcher Jubel wurde nach dieſem ſchönſten Derbykampf, der ſich je hier abgeſpielt, über den großen Rennplatz laut und wenig Minuten ſpäter fuhr Herr Dieffenbacher mit mächtigem Lorbeerkranz geſchmückt aus dem Platze am Richterpavillon wieder über die Bahn den Stallungen zu, wobei ihn neuerlicher Jubel umbrauſte. Die Zeit der Siegerin betrug für den Kilometer 1: 30·3, für die geſamte Diſtanz 4: 57·9, während das Rennen im vorigen Jahre von Dora in 4: 59·1 gewonnen wurde. Es gingen ferner Willy 4: 59·1, Inn 5: 00·3.
Die Reſulte der einzelnen Rennen waren:
Endymionrennen. 2000 Kr. 2300 Met. Herrn Morgenſterns SchSt. Mailüfterl (1: 36·7) 1., Pandur 2., Egeria 3. Spullerin, Firſtclaß, Heckenroſe, Helen P., Tingl Tangl, Jelinek, Akropolis, Feri, Dongo B., Dillon, Keltveſem, Erin. Tot. 246: 10. Platz 91, 29, 42: 20.
Mai-Handicap. 2200 Kr. 2600 Met. Mr. Charlies 7j. br. W. Bajazzo (1: 32·5) 1., Robert 2., Champion Bourbon 3. Lauriene, Derby, Aga, Draga II, Lucretia, Mader P, Prince Gayton, Admiral, Abba, Ernſtl, Muſa, Rigoletto, Iſter Fred Warwick, Bandit. Tot. 163: 10. Platz 78, 63, 64: 20.
Preis von Berlin. 4000 Kr. 2700 Met. Herrn Hauſers 5j. FH. Charley (1: 27·4) 1., Rablo P 2., Lord Simon 3. Top Boy, Virginia Jay, Liſelotte, Alton, Komteſſe Caid, Levente. Tot. 72: 10. Platz 47, 58, 133: 20.
Oeſterreichiſches Traberderby. 60.000 Kr. 3300 Met. Herrn Bantenſteins br. St. Grete N (1: 30·3) 1., Herrn L. Winans br. H. Willy 2., Herrn Puchs FH. Inn 3. Pepus, Excelſior, Zufall, Dylla R, Imperator, Keſerves. Tot. 32: 10. Platz 26, 26, 35: 20.
Ermunterungsrennen. 2000 Kr. 2700 Met. Geſt. Körmends 6j. br. St. Cyprienne (1: 33·2) 1., Willy Allen 2., Matador 3. Babette, Meltoſagos, Buſſerl, Szittya, Bariton, Demiſſion, Ifero. Tot. 43: 10. Platz 37, 42, 68: 20.
Pancoaſtrennen. 2500 Kr. 2200 Met. Geſt. Puszta Berenyis br. St. Indiana (1: 31·9) 1., Jeanette 2., Eſperenza 3. Pepſi Gava. Tot. 20: 10. Platz 22, 23: 20.
Muſeumspreis. 3000 Kr. 2600 Met. Geſt. Kör - mends 4j. RH. Elemer (1: 32·2) 1., Herta 2., Tutti frutti 3. Anita, Sieß P, Hanſi C, Panni, Interval B, Brigadier (als zweiter disqualifiziert.) Tot. 27: 10. Platz 31, 66, 57: 20.
Zweiſpänniges Herrenfahren. 2000 Kr. 4400 Met. Bövetſegs Marta-Vesztes (1: 39·6) 1., Zaza - Zavieja 2., Galgotzi-Wachtelkönig 3. Neun Geſpanne ſtarteten Tot. 28: 10. Platz 25, 28, 26: 20.
Rennen zu Prag. Vereinsſteeplechaſe. Herrenreiten. 7000 Kr 4000 Met. Rittm. Ed. Kolleris 6j. br. H. Panicz 76·5 Kg., Be - ſitzer Gf. Ottok, 1., Weſtphalens 4j. FSt. Cſendilla 63·5 Kg., Ltn. Stärz, 2., Maj. A. Wuthenaus 4j. dbr. W. Versbau 60·5 Kg., Lin. Strattman 3. Sicher halbe Länge. Tot. 115: 46. Platz 40: 59. Viſion, Medier, Sabina, Mohrenſeele.
Rennen zu Ofen-Peſt. Das wertvollſte Rennen Oeſterreich - Ungarns, der Königspreis hat geſtern dem Favorit Peregrin einen glänzenden Triumph gebracht, womit er nun zum Aus - erwählten des Derbywettmarktes avancierte. Unſer Derbyjahr - gang muß ein vorzüglicher ſein, denn drei Längen zurück wurde ein zweiter Dreijähriger, Fantome, Zweiter vor dem ausge - zeichneten alten Pferde Roter Stadl. — Matka enttäuſchte Königspreis. 125.500 Kr. Diſt. 1800 Met. Bar. G. Springers 3j. FH. Peregrin (Taral) 51 Kg. 1., Herrn L. Egyedis 3j FH. Fantome (Miles) 51 Kg. 2., Herrn Bar. A. Rothſchilds 5j. br. H. Roter Stadl (Carslache) 66½5 Kg. 3., Matka, Taltos, Langolo, Jalouſe, Rentier. Leicht 3 — eine Länge. Tot. 21: 10. Platz 28, 90, 36: 20.
Rennen zu Paris. Prix La Rochette. Für Hengſte. 30.000 Fr. 2200 Met. E. Dechamps Quintette 1., W. K. Vanderbilts Schuyler 2., H. Delamarres Kinhajou 3. Kenil - worth. Tot. 17, 12, 10: 10.
Die Fußballmatches vom Sonntag. Die Reſultate de[r]geſtrigen Fußballwettkämpfe waren: W. A. C. ſchlägt auf ſeinem Platze die Kricketer 3: 0. W. A. C. erzielt in jede[r]Spielhälfte ein Goal, Kricketer verſchulden ein Eigengoal. Dem Wettkampfe wohnten über 3000 Zuſeher bei. — Wiener Sportklub ſchlägt Ofen-Peſter Tornaklub 7: 0 in Dornbach. — Vienna gegen Rapid 1: 1, ein über - raſchendes Reſultat, da man allgemein auf den Sieg Rapids gerechnet hat. — Viktoria gegen Rudolfshügel 1: 0. — In Prag ſpielten die Gewinner des Liga-Champions - hip, Mancheſter United gegen Slavia 2: 0. Die Engländer führten den Kampf mit nur zehn Mann durch, die Tſchechen betrieben ein ausgeſprochenes Verteidigungsſpiel.
Mancheſter United in Wien. Die engliſche erſtklaſſige Mannſchaft Mancheſter United wird in Wien folgende Wett - kämpfe austragen: 13. d. Hohe Warte gegen Sportklub. Sport - platz, 15. d. gegen Athletiker und 17. d. gegen ein kombiniertes Team.
Herausgeber Dr. F. Funder Wien. — Verantwortlicher Redakteur Heinrich Ambros, Wien. — Druck von Ambr. Opitz’ Nachf. Wien.
Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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