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Telephon 18082.
[Es wird fortgeſpitzelt. — Kulturkämpfer im Richter - amte. — Die Großen und die Kleinen. — Die Denkmal - wut. — Vergünſtigungen des Judentums. — Unan - gebrachter Kleinmut. — Der König von Spanien in Verdacht.]
Man fragt ſich heute, warum Combes und Kriegsminiſter André eigentlich gegangen ſind. Es iſt ja doch alles beim alten geblieben. Als die ſchmählichen Denunziationsgeſchichten ans Licht kamen, da herrſchte große Entrüſtung in ganz Frankreich. Der „ Freundſchaftsbund alter Offiziere von Côte d’Or “ſtieß den Kriegsminiſter ſofort aus ſeiner Mitte und wurde deshalb aufgelöſt, doch immer höher und höher ſchwoll die Entrüſtung; bis ſie Combes und André hinweggeſchwemmt hatte. Der Nachfolger Rouvier proteſtierte mit großem Wort - ſchwall gegen das Spitzeltum, welches Monſieur Combes inſtalliert hatte, aber insgeheim hegt und pflegt er doch dasſelbe Syſtem. So wurde in Le Randon ein Diener, der um Verlegung ſeiner Waffenübung eingereicht hatte, von einem Abgeſandten des Prä - fekten über ſeine politiſchen und religiöſen Anſichten befragt und ihm ganz offen erklärt, daß er nicht auf eine günſtige Erledigung ſeines Geſuches rechnen dürfe, wenn ſeine Antworten nicht befriedigen. Aehnliche Fälle werden trotz der feierlichen Er - klärung Rouviers und Etiennes aus Olivet und Ham berichtet. Ein weiteres Opfer des Entrüſtungs - ſturmes war Profeſſor Crescent in Lyon. Dieſer gelehrte Herr hat es ganz gut mit ſeiner Standes - ehre vereinbar gefunden, ſeine beſten Bekannten dem Groß-Orient zu denunzieren. Um einer ſchmählichenEnthebung auszuweichen, reichte er damals ſein Urlaubsgeſuch ein. Und jetzt — da die Wogen ſich etwas geglättet haben — wagt es dasſelbe Miniſterium, das ſich noch vor kurzem ſo ſchön moraliſch entrüſten konnte, dieſen edlen Herrn an die Schule Colbert nach Paris zu berufen, eine Verſetzung, die einem Avancement gleichkommt.
Das Miniſterium geht noch weiter. Es hat nun auch den Leiter der ganzen Denunzianten - Organiſation, den General Peigné, der nach Auf - deckung der Skandale ſofort aus der Armee ausſcheiden mußte und den man nach ſeinen Schandtaten für endgiltig abgetan hielt, zum Mitglied des techniſchen Artillerie-Komitees befördert, mit der Ausſicht, in einigen Monaten Präſident dieſes Komitees zu werden. Die Freimaurerei hatte befohlen, ihre getreuen Diener wieder in Amt und Würde einzu - ſetzen und das Miniſterium hat gehorcht.
Welchen Erfolg hat man alſo mit dieſem Mi - niſterwechſel erzielt? In der Frage der Trennung der Kirche vom Staate haben die neuen Männer denſelben gehäſſigen Eifer bewieſen, wie ihre Vor - gänger, das Denunziationsſyſtem wird insgeheim luſtig weitergeführt, man belohut die Denunzianten, und jene ehrenhaften Offiziere, welche damals laut ihre Entrüſtung kundgaben und dafür kaſſiert wurden, bleiben kaſſiert. Kann ſich Monſteur Combes wünſchen, daß ſein Vermächtnis treuer behütet wird?
Selbſt die Gerichtshöfe ſind ſchon von dem Geiſte unduldſamer Verfolgung erfüllt. Den Leſern der „ Reichspoſt “dürfte noch der intereſſante Fall erinnerlich ſein, der noch immer den Lyoner Gerichts - hof beſchäftigt. Am 8. Dezember 1904 feierten dieKatholiken Lyons dieſen Tag durch feſtliche Be - leuchtung und eine großartige Prozeſſion. Dies brachte die „ Freidenker “und ihr Organ „ Fortſchritt “in Raſerei. Infolgedeſſen beriefen ſie ſämtliche Apachen Lyons zu einer Gegendemonſtration. Es kam zu einem Zuſammenſtoße, bei welchem ein Kaufmann, Vater von fünf Kindern, getötet wurde. Trotz der eifrigen Bemühungen der Polizei, den Mörder nicht zu entdecken, wurde er zwei Monate ſpäter verhaftet und geſtand ſeine Tat. Obwohl auch eine überaus belaſtende Ausſage eines jungen Mannes, namens Franchet, vorlag, bemühten ſich Präſident und Staatsanwalt, den Angeklagten frei - zuſprechen. Da der Zeuge Franchet ſich nicht ein - ſchüchtern ließ, rief ihm der Präſident ſchließlich erbittert zu: Vous êtes un misérable! „ Sie ſind ein elender Kerl! “ Der beleidigte Zeuge verlangte, daß dieſe Worte zu Protokoll genommen werden, was auch geſchah. Trotz allem wurde der angeklagte Mörder freigeſprochen. Franchet aber erhob, geſtützt auf das Protokoll, beim Lyoner Gerichtshof die Ehrenbeleidigungsklage, verlangte einen Franken Schadenerſatz und Veröffentlichung des Urteils in hundert Zeitungen. Bei der Verhandlung lehnte der Angeklagte die Kompetenz des Gerichtshofes ab, fand jedoch bei ſeinen Kollegen keine Zuſtimmung. Das Urteil wird erſt in einigen Tagen publiziert werden.
Wenn die Großen bei Tag in Kirchen und Klöſter einbrechen und gleich ganze Häuſer in Be - ſchlag nehmen, ſo holen ſich die Kleinen den Profit bei Nacht, wie es im Verlaufe eines Monats drei - mal in den Kirchen von Bordeaux geſchah. Oder ſie gönnen ſich wenigſtens die Unterhaltung in Ville - franche-Saint-Phal ein kunſtvolles Kreuz bei Nacht
Es geſchieht uns Oeſterreichern eigentlich recht mit dem, was uns täglich geſchieht: Wir ſelber machen aus uns nichts, wir blicken zu gerne erſchauernd auf die fremde Größe und überſehen zu leichtfertig das eigene Gute und die andern fühlen ſich nicht verpflichtet, uns eine Gerechtigkeit widerfahren zu laſſen, die wir in der Regel ſelbſt nicht zu beanſpruchen pflegen. Nur ſo konnte es geſchehen, daß im Deutſchen Reiche und namentlich in Preußen leider nur zu oft ſchon auch ernſte Autoren ſich eine einſeitige Darſtellung hiſtoriſcher Ereigniſſe zurechtlegen und wir Oeſterreicher zu - ſehen müſſen, wie man uns nachgerade ſyſtematiſch aus geſchichtlichen Ehrenplätzen expropriiert. Wenn auch nicht alle ſoweit gehen, wie jenes deutſche Flottenbuch, das die Ruhmestaten eines Tegetthoff in eine nur die Flotte des Deutſchen Reiches umfaſſende Darſtellung einreiht, ſo hat ſich doch ſchon in gewiſſen Partien der Geſchichts - forſchung eine Schulmeinung eingebürgert, die nichts iſt als ein preußiſches Landesprodukt und als ſchlimmes Vorurteil dann allgemein in den Gemeinbeſitz übergeht.
Die verdienſtvolle Allgemeine Verlagsgeſell - ſchaft in München hat kürzlich mit der Herausgabe einer illuſtrierten Weltgeſchichte*)„ Illuſtrierte Weltgeſchichte. “ Allgemeine Verlags - geſellſchaft, München. 40 Hefte à 1 Mark. Heraus - gegeben von Dr. S. Widmann, D. P. Fiſcher und Dr. W. Felten. begonnen; das Werk iſt inhaltlich wie in der Ausſtattung als ein erſtklaſſiges Werk gedacht und mit prächtigenPorträts, Fakſimilien und einem durchwegs wert - vollen Buchſchmuck ausgeſtattet. Das in vier Bänden erſcheinende Werk wurde mit der Geſchichte des neunzehnten Jahrhunderts begonnen, deſſen Bearbeitung der königliche Gymnaſialdirektor S. Widmann, ein Autor von gutem Ruf, über - nommen hat. Die Darſtellung iſt eine glänzende; von dem düſteren Hintergrunde der napoleoniſchen Epoche hebt ſich eine friſche, farbenkräftige Einzel - malerei ab, die geſchickt den Gang der großen Ereigniſſe belebt.
Da iſt die Zuſammenkunft in Erfurt vom Jahre 1808. Napoleon ſieht ſchon auf der Höhe ſeiner Macht, Deutſchland iſt tief erniedrigt; ſchon ein Jahr iſt es her, daß die Dresdener, demütig die Köpfe in den Staub gedrückt, den Eroberer mit der ſchmählichen Lobinſchrift empfingen: Nationis Alemannicae Protector, Orbis Legislator, Europae Ordinator Napoleon. Selbſt der Zar huldigt geblendet. Abends ſpielt zu Erfurt der berühmte Talma „ vor einem Parterre von Königen “und als er im » Oedipe « zu der Stelle kommt: » L’amitié d’un grand homme est un bienfait de dieu « „ die Freundſchaft eines großen Mannes iſt eine Gnade Gottes “, da erhebt ſich der Zar Alexander und reicht Napoleon unter dem donnernden Beifall der Höflinge und Fürſten die Hand. — Und Napoleon behandelt ſie alle, die 34 Könige und Regenten, um ſich herum, mit der herablaſſenden Kälte des rückſichtsloſen Tyrannen und hinab bis zum letzten Soldaten zeigt jeder, daß alles, was hier verſammelt iſt, nur das gedemütigte, entmannte Europa darſtellt.
Zufällig hält einmal die Wache den Wagen des Königs von Württemberg für einen kaiſer - lichen und läßt dreimal die Trommel zur Ehren - bezeugung rühren, da donnert der dienſthabendeOffizier, den Irrtum des Poſtens erkennend, den Trommler an: Taisez-vous, ce n’est qu’un roi! „ Still damit, es iſt bloß ein König! “
Und damals in dieſer Zeit der allgemeinen Erniedrigung ruhten die Hoffnungen des deutſchen Volkes auf Oeſterreich, das noch einmal zum Kriege gegen den Tyrannen Europas rüſtete. Widmann gibt dem Engländer Seeley recht, wenn dieſer mit Bitterkeit ſagt, „ der fernere Verlauf der deutſchen Geſchichte würde ein anderer geweſen ſein, wenn Preußen und Oeſterreich im Jahre 1809 ihre Eiferſucht in einem ruhmreichen Widerſtand gegen Napoleon begraben hätten “. Der preußiſche König reichte aber nicht die Hand zum Bunde und Widmann ſagt vorwurfsvoll: Sonderpolitik hatte Preußen ins Verderben geſtürzt, ſeine Sonderpolitik trug auch Mitſchuld an dem Miß - lingen der öſterreichiſchen Erhebung im Jahre 1809. Daran ſchließt Widmann aber das Urteil, der Krieg hätte auch ohne Preußen einen anderen Ausgang haben können, „ wäre nicht der tapfere, aber zu vorſichtige, in veralteter Feldherrnkunſt verharrende und zu raſch verzagte Erzherzog Karl der Führer geweſen. “
Verblüfft ſteht man vor dieſem Urteil, ſich fragend, wie denn ein Mann, deſſen wohlwollendes und nach einer gerechten Erfaſſung jeden Ver - dienſtes ſtrebendes Urteil ſonſt überall erſichtlich wird, gegenüber einem der edelſten Helden unſerer vaterländiſchen Geſchichte zu einem derart herben Schluſſe kommt. Seine Darſtellung der Schlacht bei Aſpern erklärt alles. Dieſe glänzende Waffen - tat, die den Ruhm der Unbeſieglichkeit Napoleons brach und geradezu die Erhebung des tiefgebeugten Deutſchland vorbereitete, ſtellt Widmann mit folgenden Sätzen dar: „ Völlig entmutigt verharrte Erzherzog Karl in unbegreiflicher Untätigkeit, als
zu demolieren oder in Nevy-sur-Seille eine Lieb - frauenſtatue von der Brücke in den Fluß zu werfen.
In Paris haben die Freidenker noch ein anderes Vergnügen entdeckt. Für September iſt von ihnen die Enthüllung des Denkmals für den Chevalier de la Barre, einen gänzlich unbekannten Herrn, der vor 150 Jahren die Todesſtrafe wegen Gottesleugnung nach damaligen Geſetzen erlitt, in Ausſicht genommen. Doch was würde man bis dorthin anfangen? Große Plakate luden deshalb in den letzten Tagen alle Mit - bürger ein zur „ großen antireligiöſen Manifeſtation “, welche Sonntag den 6. d. M., 2 Uhr nachmittags, auf dem Platz Maubert zu Ehren „ Etienne Dolets “ſtattfindet. Beſagter Herr Dolet wurde im Jahre 1509 zu Orleans geboren und im Jahre 1546 von der Sorbonne und dem Pariſer Parlament wegen häretiſcher Schriften, in welchen er den Atheismus und Materialismus verteidigte, zum Tode verurteilt. In Vollſtreckung des Urteiles wurde er am 5. Auguſt aufgehängt und ſein Leichnam verbrannt. Für dieſes Verdienſt errichtete ihm die Gemeinde Paris auf dem Platz Maubert 1889 ein Monument, und die Freidenker, verbunden mit den Sozialiſten, führen nun um dasſelbe ihre Tänze auf.
Köſtlich iſt es, daß der Aufruf zur Feier mit den Worten ſchließt: Vive la séparation des églises de l’état! „ Es lebe die Trennung der Kirchen vom Staate! “ Sollte das vielleicht eine Aenderung des Programmes be - deuten? Denn bis jetzt richtete ſich der Kampf einzig und allein gegen eine Kirche, gegen die katholiſche, während man die proteſtantiſche ruhig Proſelyten machen ließ und die Juden offen begünſtigte. Wie wäre es ſonſt möglich, daß in einer kommunalen Schule täglich die Rabbiner aus - und eingehen? Im vierten Arrondiſſement, rue des Hospitalières, St. Gervais, befindet ſich eine Schule, deren Lehr - kräfte und Schüler faſt durchwegs Juden ſind. Das iſt erlaubt. Unerlaubt iſt, daß regelmäßig die Rabbiner dieſe Schule aufſuchen und die Schüler ermahnen, dem Gottesdienſt in der Synagoge beizuwohnen. Welches Geſchrei würden ſämtliche Blätter des Block erheben, wenn ein katholiſcher Prieſter dergleichen wagte!
Die Regierung hat ſich inzwiſchen bei be - ſtimmten Anläſſen eine ſchöne Symmetrie zurecht - gelegt: Am 14. Juli, am Tage des Nationalfeſtes, pflegt jährlich ein ausgiebiger Ordensregen die Männer der Republik zu beglücken. Wie man erſt jetzt der offiziellen Liſte entnehmen kann, wurden zu Rittern der Ehrenlegion ernannt: ein Pfarrer, ein Paſtor — und ein Rabbiner. Abgeſehen davon, daß die Proportionalität etwas wackelt, da Frankreich mehr als 35 Millionen Katholiken und eine ver -ſchwindend kleine Zahl von Proteſtanten und Juden zählt, wäre noch die Frage zu erwägen, ob ein katholiſcher Pfarrer vom gegenwärtigen Regime überhaupt eine Dekoration annehmen darf. Jeden - falls wäre es ehrenhafter dieſe Gnade zurückzu - weiſen.
Jedoch der Klerus iſt leider nicht immer tadel - los. So veröffentlicht die „ Libre parole “kürzlich eine Reihe von Zuſchriften verſchiedener Landpfarrer, in welchen, ſtatt daß ſie in Hinblick auf die gegen - wärtige Lage die Katholiken zu mutiger Verteidigung und Einigung aufforderten, nichts als troſtloſe ver - zweifelte Klagen zu hören waren: „ Wenn kein Wunder geſchieht, “ſchreibt einer, „ ſo iſt die Religion in Frankreich fertig. “ Ein anderer geht noch weiter: „ Eine Reaktion iſt unmöglich! Bevor ein Vierteljahrhundert ver - gangen iſt, wird die Kirche in Frankreich vorbei ſein, vernichtet von einem ſklaviſchen Klerus, der ſich nur um ſeinen Vorteil kümmert! “ Derartige Verzagtheit im Klerus entmutigt die Katholiken, die gerade jetzt eifrig arbeiten und — leider — vielfach bei den Berufenen nicht die nötige Unterſtützung finden.
Doch um bei den Ordensverleihungen zu bleiben: Es wurde auch der frühere Generalgouverneur von Algier, Revoil, zum Kommandeur der Ehrenlegion ernannt auf Grund eines nun ſchon zweieinhalb Jahre alten Dekretes vom 2. März 1903. Monſieur Combes hatte ſich nämlich geweigert, dieſe Ernennung zu be - ſtätigen, weil Herr Revoil der Neffe des Redakteurs Baragnon iſt, der zuerſt die famoſe Kartäuſer - Millionenaffäre des Herrn Combes vor der Oeffent - lichkeit zur Sprache brachte. Einem Offizier, Vater von acht Kindern, der das Kreuz der Ehrenlegion vor drei Jahren hätte erhalten ſollen, wurde es erſt heuer verliehen, weil er — in die Kirche ging und deshalb von den Freimaurern denunziert worden war.
Trotzdem können die heftigſten Kirchenfeinde mitunter die Kirche nicht ganz entbehren. Einer von dieſer Sorte, der Quäſtor des Senats Bonnefoy Sibour, hat für ſeine Tochter ausdrücklich die kirchliche Trauung gewünſcht und ſogar horribile dictu! — derſelben beigewohnt. Wenn ihn nur nicht der hohe Rat des Freimaurerordens in Acht und Bann erklärt? Ein Gleiches könnte übrigens dem König von Spanien paſſieren. Denn daß er im Automobil fährt, iſt ja ganz recht, daß er über die Grenze nach Frankreich kommt, iſt noch netter, daß er nach Lourdes kam, das iſt ſchon ein bischen heikler, daß er dort einer Meſſe beiwohnte, iſt ent - ſchieden „ klerikal “(an einem Wochentage auch noch!), daß er von der Menge ſtürmiſch akklamiert und vom Biſchof begrüßt wurde, läßt auf ein royaliſtiſch -klerikales Komplott ſchließen, daß er aber gar eine Flaſche Waſſer von der Lourdes-Quelle mitnahm, das iſt einfach unerhört! Es war ein Glück für ihn, daß er noch am ſelben Tage nach Spanien zurück - kehrte.
Miniſterpräſident Dr. Baron Gautſch und der Chef des Generalſtabs Baron Beck ſind im Verlaufe des geſtrigen Nachmittags in Iſchl eingetroffen. — Aus Iſchl, 7. Auguſt, wird tele - graphiert: Miniſterpräſident Dr. Freiherr v. Gautſch, welcher in Begleitung des Miniſterialkonzipiſten Grafen Attems hier eingetroffen iſt, wurde um 11 Uhr vormittags von Sr. Majeſtät in Audienz empfangen und wird nachmittags am Allerhöchſten Familiendiner teilnehmen.
Der jüdiſche Jungtſchechenführer in Mähren, Abgeordneter Dr. Stransky, benützt die Erledigung der ſchleſiſchen Parallelklaſſenfrage, mit der ſich die übrigen tſchechiſchen Politiker zufriedengeben — ſie haben alle Urſache dazu — zu einem heftigen Ausfall auf die dermalige Taktik des Jung - tſchechenklubs. Dr. Stransky erklärt in ſeiner „ Lidove Noviny “, daß Abg. Hruby nicht bevoll - mächtigt war, namens der Tſchechen dem Baron Gautſch irgend eine Erklärung abzugeben. Dem Baron Gautſch werde ein ſolches Vergnügen nicht mehr zuteil werden, weil ihm nicht mehr werde Gelegenheit geboten werden, die tſchechiſchen Ab - geordneten „ anzuſchmieren “. Schon heute könne erklärt werden, daß der Tſchechenklub noch heuer geſprengt werde, da ein Teil der Abgeord - neten der mähriſchen Wahlbezirke, von den Reizen des Barons Gautſch nicht geblendet, ſeine eigenen Wege gehen werde. — Man ſieht, Abg. Dr. Stransky arbeitet mit Händen und Füßen, um aus der Kaltſtellung, in die er geraten iſt, wieder herauszukommen. Ob ihm die mähriſchen Jungtſchechen auf dem Wege der Scharfmacherei folgen werden? Was ſoll man ſich übrigens über den plötzlichen radikalen Anfall Dr. Stranskys denken, wenn in Prag, wie eine Prager Depeſche beſagt, das Gerücht verbreitet iſt, daß Doktor Stransky ſein Organ, das Brünner Blatt „ Lidove Noviny “, verkaufen wolle und zum Leiter des neuen jungtſchechiſchen großen Tag - blattes berufen werden ſoll! Die Finanzierung des neuen Blattes ſoll von der » Zivnostenska banka « durchgeführt werden. Will man Doktor Stransky ſaturieren, damit er endlich ſeinen Mund hält, oder ſchreit Dr. Stransky ſo laut,
Napoleon am 21. Mai unterhalb Wiens den breiten Strom überſchritt, ohne die Nähe des ihm weit überlegenen feindlichen Heeres zu ahnen, und die nördlich der Inſel Lobau liegenden Dörfer Aſpern und Eßling beſetzte. Erſt am Nachmittag begann Karl mit dem Angriff auf die Dörſer, welche die Franzoſen unter Maſſena und Lanne mit ungeheurer Zähigkeit verteidigten, während die tapferen Oeſterreicher Sturm auf Sturm unternahmen ... Der Ober - befehlshaber ſetzte das in Reſerve ſtehende Grenadierkorps nicht ein. So erreichte er nicht, was er mit ſeiner Uebermacht, 87.000 Mann und 258 Geſchütze gegen etwa 32.000 Mann und 48 Geſchütze bei größerer Planmäßigkeit und Kraft der Leitung unbedingt hätte er - reichen müſſen, daß der Gegner, nachdem er ungehindert über den Strom gekommen war, in dieſen zurückgeworfen und vernichtet wurde. In der Nacht ſtellten die Franzoſen die von den Wogen zerſtörte Brücke wieder her, nahmen in der Frühe des 22. Mai das verlorene Aſpern wieder und ſchritten nun in der Stärke von 63.000 Mann ihrerſeits ſo kräftig zum Angriff, daß Erzherzog Karl an Rückzug dachte und nur auf das Drängen anderer Generale die tags zuvor nicht verwandten Grenadierbataillone zur Wieder - herſtellung des Gleichgewichtes eingreifen ließ. Tapfer warf er ſich im Augenblicke der Gefahr ſelbſt in den wogenden Kampf, brach ihn aber, ohne ihn zum wirklichen Sieg fortzuführen, vor - zeitig ab, obgleich er noch Truppen zur letzten Entſcheidung verfügbar hatte, während dem Gegner die abermalige Zerſtörung der Brücke jede Ausſicht auf Nachſchub abſchnitt. Es war, als ob der zum Siegen Auserſehene nicht hätte ſiegen wollen. Tatſächlich betrachtete Karl die ganze Schlacht nur alsVerteidigungskampf und ließ ſich ſo die beſte Gelegenheit entgehen, welche die Umſtände je einem Gegner Napoleons in die Hände gaben, einen entſcheidenden Sieg, ja den Vernichtungs - ſieg zu erringen. Für die bloße Abwehr waren die Opfer zu koſtbar, 24.000 Mann, während Napoleon wohl gegen 18.000 Mann verlor “.
Da alſo Napoleon bei Aſpern nicht vernichtet worden, hat der Herr königliche Gymnaſialdirektor wenigſtens den Erzherzog Karl vernichtet. Wie ver - halten ſich zu ſeiner Darſtellung die Tatſachen? Berichtigen wir zuerſt die Stärkeverhältniſſe, da Widmann behauptet, dem Heere Napoleons ſei auf dem linken Ufer der Donau ein weit überlegenes Heer gegenüber geſtanden. Die Mitte Mai bei Wien verſammelte Armee Napoleons zählte, beſtehend aus kaiſerlichen Garden, dem 6. Kavalleriekorps und dem 2., 3. und 4. Armee - korps 105.900 Mann, 14.000 Reiter und 181 Geſchütze, die öſterreichiſche Armee 105.500 Mann, 16,200 Reiter und 447 Geſchütze; Napoleon hatte am 22. Mai morgens nach dem erſten Schlachttage 73.430 Mann und 10.230 Reiter mit 126 Geſchützen über die Donau gebracht, nachdem die Oeſterreicher 80.000 Mann und 15.020 Reiter und 300 Ge - ſchütze in Aktion gebracht hatten. Die Schlacht war von Anfang an nicht eine Defenſiv - ſondern eine Angriffsſchlacht der Oeſterreicher nach dem Plane Erzherzog Karls, der in ſeiner Angriffs - diſpoſition ausdrücklich es als die Hauptabſicht erklärt, „ den Feind ganz über die erſten Arme der Donau zurückzuſchlagen, ſeine Brücken über ſolche zu zerſtören und das Ufer der Lobau mit einer zahlreichen Artillerie, beſonders Haubitzen, zu beſetzen “.
Erzherzog Karl wollte alſo den Gegner aufder Lobau einſperren, nachdem er ihn zuerſt über den Strom gelaſſen, und ihn dann auf der Inſel durch ein ſtarkes Artilleriefeuer vernichten.
Mit Erſtaunen hörten die Korpskommandanten am Morgen des 21. Mai, als ſie ſich um 10 Uhr in Gerasdorf vor dem Erzherzog verſammelten, daß aus der von ihnen erwarteten Verteidigungs - ſchlacht nach der Abſicht des Armeeführers ein Angriff werden ſollte. Zwei Stunden ſpäter ſetzte ſich das ganze öſterreichiſche Heer gegen den Feind, deſſen Uebergang man bis kurz zuvor von Nußdorf aus erwartet hatte, in Bewegung. Die geſamte Reſerve Erzherzog Karls, die Grenadier - regimenter, deren Eingreifen Widmann als ent - ſcheidend erachtet hätte, betrug 17 Bataillone, alſo nur 8800 Mann, das Minimum einer Reſerve, die ſehr begreiflicherweiſe für den zweiten Schlachttag aufgeſpart wurde. Auch am zweiten Tage, gegenüber dem dritten Durchbruchsverſuche Napoleons, bleibt es Befehl des Erzherzog Karl, Aſpern zu nehmen, „ es koſte, was es wolle “. Von einem Zögern keine Spur, obwohl Napoleon ſchon frohlockt und den Sieg ſchon in ſeiner Hand wähnt. Um 9 Uhr am Pfingſtmontag entſchließt Napoleon ſich zum Rückzug, um 10 Uhr läßt Erzherzog Karl gegen ihn die Armeereſerve eingreifen, die jedoch unter ſchweres Feuer, von Eßlingen hervor, gerät und durch den Sturz ihres Führers FML. d’Aſpre in Verwirrung kommt, von Erzherzog Karl aber wieder geſammelt wird, um vorerſt Eßlingen zu nehmen. Mittags ordnete Napoleon den Rückzug über die Lobau an, eine Bewegung, die von dem öſterreichiſchen Heere nur deshalb nicht ausgenützt werden konnte, weil ſchon ſeit vormittags empfindlicher Munitionsmangel eingetreten war — es waren pro Geſchütz 170 Schuß abgegeben worden! — und ein plötzliches Steigen der Donau und die Ueberſchwemmung der waldigen Uferauen die Ver -
damit er ſaturiert werde und als Chefredakteur des künftigen offiziellen Jungtſchechenorgans die Parteipeitſche in die Hand bekomme?
Gegenüber der Nachricht des „ Bud. Hirlap “, daß die öſter - reichiſche Regierung den dalmatiniſchen Landtag im kommenden Herbſte nicht einzuberufen beabſich - tige, angeblich weil ſie befürchtet, die dalmatini - ſchen Abgeordneten könnten einſtimmig die Ein - verleibung Dalmatiens in Kroatien verlangen, erfährt der Zaratiner „ Nar. Liſt “, daß der dal - matiniſche Landtag vorausſichtlich im September zuſammentreten werde, falls nicht unvorhergeſehene Ereigniſſe in Ungarn einen früheren Zuſammentritt notwendig machen.
äußert ſich in der „ Oeſterr. Volkspr. “in einem mit „ Dreierlei Deutſchtum “überſchriebenen Artikel der Landes - ausſchuß und Gemeinderat H. Bielohlawek: „ .... Die Unzufriedenheit einiger Fleiſchhauer be - züglich der Großſchlächterei wird nicht hinreichen, die Ideen des deutſchnationalen (!) Gemeinderats, der heute noch nicht ſeinen Austritt aus dem chriſtlich-ſozialen Bürger - klub des Wiener Gemeinderates angemeldet hat, zu fördern. Für Wien und für deſſen denkende Bevölkerung kommen, das mögen ſich die Patent - nationalen zum hundertſtenmale geſagt ſein laſſen, nicht öde nationale Phraſen in Betracht, den Wienern imponiert nicht die Abſingung der „ Wacht am Rhein “, es iſt den Wienern vollkommen gleichgültig, wie das Bier - krügel gehalten wird, ob mit der ganzen Hand oder mit dem kleinen Finger, ob Heil oder Heilo gebrüllt wird, die Wiener Bevölkerung verlangt echt patriotiſche und nationale Betätigung, wie ſie unwiderleglich ſeitens der chriſtlich-ſozialen Partei ſowohl im Lande als auch in der Kom - mune ſtets geübt wurde und geübt wird und verzichtet auf alle Anbiederungen ſogenannter Nationaler, denen es ja tatſächlich nicht um das Deutſchtum, ſondern nur um die Erringung der politiſchen Macht zu tun iſt. “— Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir glauben, aus dieſen kräftigen Zeilen die Verſicherung herausleſen zu dürfen, daß ſich der Bürgerklub demnächſt mit dem „ Fall Dr. Kornke “befaſſen und reinen Tiſch machen werde.
Der Ausſchuß des Verbandes der katholiſch-nichtpolitiſchen Vereine des deutſchen Nordoſtböhmens hat, wie uns aus Trau - tenau geſchrieben wird, in ſeiner am 6. d. in Trantenau abgehaltenen Sitzung eine Reſolution angenommen, in der er den katholiſchen Studenten - verbindungen für die unerſchrockene Betätigung ihrer Grundſätze die größte Hochachtung und den innigſtens Dank ausdrückt und zugleich aufs Schärfſte das niederträchtige und bübiſche, die deutſche Sitte ſchändende Vorgehen der alldeutſchen Wegelagerer anläßlich des Ferialfeſtes in Stern - berg verurteilt.
Aus Prag wird uns unterm Geſtrigen
folgung in der Lobau erſchwerte. Die Verluſte Napoleons waren nicht ungleich geringer, als die der Oeſterreicher, wie Widmann angibt, ſondern betrugen 35 — 40 Prozent, indeſſen die Oeſter - reicher bei 25 Prozent Tote und Verwundete hatten. *Vergl. „ Die Schlacht bei Aſpern und Eßlingen. Von Guſtav Smekal, k. u. k. Major des Generalſtabs - korps. Wien. Verlag Seidl. 1899.
Von der Darſtellung Widmanns bleibt alſo kaum ein korrekter Satz übrig. Der Verfaſſer mag dies dem Umſtande danken, daß er ſich auf die Erzeugniſſe jenes preußiſchen Kritizismus verlaſſen hat, der gerade bei Militär ſchriftſtellern eingeriſſen iſt und mit einer beinahe krankhaften Verneinungsſucht jeden Kranz zu zer - pflücken ſucht, von welchem preußiſche Kriegs - kunſt nicht wenigſtens einen kleinen Zweig bean - ſpruchen kann. So hat man es auch gegenüber dem öſterreichiſchen Siege von Aſpern gemacht. Geſchichte aber darf nicht einſeitig betrieben werden, ſelbſt auf die Gefahr hin, daß nicht in allen Teilen der Weltgeſchichte die Spitze der Pickelhaube als der höchſte kulminierende Punkt erſcheint. Dieſer Einſeitigkeit muß umſo entſchiedener dort begegnet werden, wo ſie ein Volk um eine ſeiner erhabenſten und glorwürdigſten Erinnerungen zu ſchmälern droht.
telegraphiert: Die Sozialdemokraten veranſtalteten heute zwei große Verſammlungen zugunſten der Einführung des allgemeinen Wahlrechts für den böhmiſchen Landtag, in denen gleichlautende Re - ſolutionen zugunſten des allgemeinen Wahlrechtes angenommen wurden. Nach Schluß der Verſamm - lungen unternahmen die Theilnehmer einen De - monſtrationsumzug durch die Straßen der Stadt und brachen wiederholt in Pfuirufe auf die pro - jektierte Kurienwahlordnung aus. Sowohl unſer Privattelegramm als auch der Bericht des „ Korr. B. “verſichert, daß die Polizei keinen Anlaß fand, einzuſchreiten, denn die Demonſtration verlief „ ruhig “und „ ohne Zwiſchenfall “. Dachten wir es uns doch gleich, daß die von Adler und Kon - ſorten angekündigten „ Revolutionen “nicht einmal einen Prager Polizeimann aus der Wachſtube zu locken vermögen.
Der ſozialdemo - kratiſche Abgeordnete Joſef Hannich (V. Kurie des Bezirkes Reichenberg-Kratzau-Friedland) hat ſein Reichsratsmandat niedergelegt, angeblich mit Rückſicht auf ſein fortſchreitendes Augenleiden. Die nach allen Richtungen vorbauende Form des Mandatsverzichtes läßt vermuten, daß es ſich hiebei weniger um die böſen Augen des Herrn Hannich als um die ſchönen der übrigen Parla - mentsgenoſſen gehandelt hat. Es iſt ja noch nicht lange her, ſeit der ſchlichte Hannich von den „ Adler-Sozialiſten “der „ Arbeiter-Zeitung “an - geflegelt wurde, da er mit ſeinen „ ſchwachen Augen “die weiſe Taktik der Pernerſtorfer-Gruppe nicht einzuſehen vermochte.
In den Blättern in Paris, London und Berlin iſt jetzt viel von einer Zuſammenkunft des Königs Eduard VII. mit Kaiſer Wilhelm II. die Rede. Die amt - liche Beſtätigung der Nachricht ſteht zwar noch aus, aber ſie ſtützt ſich auf Angaben „ wohl - informierter diplomatiſcher Perſönlichkeiten “. Aus Magdeburg wird uns hiezu depeſchiert: Die „ Magdeb. Ztg. “berichtet aus London: Hier verlautet, daß die Zuſammenkunft Königs Eduard mit Kaiſer Wilhelm tatſächlich ge - plant iſt. Es ſtellen ſich derſelben allerdings große Schwierigkeiten entgegen, da ſehr einfluß - reiche engliſche Kreiſe bemüht ſind, dieſelbe zu hintertreiben. Indeſſen ſehen auch die Führer der engliſchen Deutſchenfeinde bereits die Nutzloſigkeit ihrer Intrigen ein, was daraus hervorgeht, daß ſie jetzt der Entrevue jede politiſche Bedeutung abſprechen.
Die Gerüchte wollen nicht verſtummen, daß in der allernächſten Zeit größere Truppennachſchübe nach den im Aufruhr befindlichen deutſchen Kolonien ſtattfinden ſollen. Man ſpricht von 5000 Mann, von denen ein Teil auch dazu beſtimmt ſein ſoll, die teilweiſe Erhebung der Eingeborenen der Matunbisberge zu unterdrücken. Wenn tat - ſächlich größere Truppenentſendungen notwendig werden ſollten, müßte an die Einberufung des Reichstages noch vor dem Herbſte geſchritten werden. — Der „ Tag “bringt eine längere Aus - laſſung des zur Zeit in England weilenden Barons Nikolaus von Nettelbladt, der ſeit einer Reihe von Jahren Leiter eines Unter - nehmens in Deutſchſüdweſtafrika und ein gränd - licher Kenner der deutſchen und engliſchen Kolonien iſt. Baron Nettelbladt ſagt unter anderem über den Wert der deutſchen Kolonien in Südafrika: „ Ich mache ... das Geſtändnis ..., daß nach meiner Meinung ganz Südweſtafrika nicht mehr als 40 — 50.000 Menſchen zu ernähren vermögen wird und daß die 20 Millionen Pfund Sterling (400 Millionen Mark), die Deutſchland ſchon an die Unterdrückung des Aufſtandes gewendet hat, ſo und ſo viel Mal den Wert der ganzen Kolonie betragen. “
(Von unſerem römiſchen Korreſpondenten.) Wie das „ Giornale d’Italia “meldet, beabſichtigen mehrere römiſche Gemeinderäte der katholiſchen Partei die von den Jeſuitenpatres herausgegebene Zeitſchrift „ La Civiltà Cattolica “beziehungsweiſe den Ver - faſſer eines Artikels in derſelben zu verklagen, durch welchen ſie ſich beleidigt fühlen. Wie man ſich erinnern wird, hatte die genannte Zeitſchrift einzelne katholiſche Gemeinderäte aufs Heftigſte angegriffen und ihnen Mangel an Einſicht und Energie ſowie ihr Wahlbündnis mit dem Liberalen vorgeworfen. Jedenfalls dürfte dieſer Prozeß, wenn er zur Durchführung kommt, eine etwas eigentümliche Einleitung zu der ſogenannten ge -meinſamen politiſchen Aktion ſein, welche Pius X. den italieniſchen Katholiken in ſeiner letzten Enzyklika vorgeſchrieben hat. — In Neapel wird demnächſt eine neue „ chriſtlich-demokratiſche “Zeitung, „ Battaglie d’oggi “(„ Der Zeitkampf “) genannt, erſcheinen, deren Hauptinſpirator der Prieſter Romolo Muni ſein wird. Das Blatt ſoll alle vierzehn Tage erſcheinen.
Entgegen den Vorſchlägen, welche Madrid als den Konferenzort in Ausſicht nehmen, werden nun ſehr wichtige Stimmen für Tanger laut. Nach einer Depeſche des „ Petit Pariſien “hat vor allem der Sultan von Marokko ſelbſt in aller Form die Abſicht ausgeſprochen, daß die Marokko - Konferenz in keinem anderen Orte als in Tanger tagen ſolle und der „ Temps “meldet, daß die ſpaniſche Regierung damit und mit der Fixierung des Termines auf Ende Oktober einver - ſtanden wäre.
Aus Tanger wird unterm Geſtrigen telegraphiert: Der Vertreter des Sultans für auswärtige An - gelegenheiten erhielt eine Nachricht, wonach am 3. d. M. bei Ayoun Sidi Mulook zwiſchen den kaiſerlichen Truppen und den Anhängern des Prätendenten eine Schlacht ſtattgefunden haben ſoll. Da über den Ausgang nichts bekannt iſt, iſt anzunehmen, daß die Schlacht für die Truppen ungünſtig war. Dies iſt umſo wahrſcheinlicher, als Berichte in Tanger eingegangen ſind, wonach der Prätendent und Buamama ſich ausgeſöhnt und ihre Streitkräfte vereinigt haben ſollen.
Aus Waſhing - ton, 6. d. M., wird uns telegraphiert: Der amerikaniſche Generalkonſul in Schanghai hat dem Kriegsdepartement gemeldet, daß die chineſiſche Handelskammer in Schanghai ſich gegen die Fortdauer der Boykottierung amerikaniſcher Waren ausgeſprochen habe. Ferner iſt dem Staatsdepartement die Mitteilung zugegangen, daß der amerikaniſche Geſandte in Peking die Unterſtützung der chineſiſchen Regierung zur Be - endigung der antiamerikaniſchen Bewegung er - langte, die ſich in China und weiter ſüdwärts bis zur Straße von Malakka bemerkbar gemacht hatte.
Der Wiener Stadtrat hält in der kommenden Woche am Freitag, um 10 Uhr vormittags und um 4 Uhr nachmittags Sitzungen ab.
In der abgelaufenen Woche wurden bei der Ausführung der Wiener Verkehrsanlagen 190 Arbeiter verwendet; hievon waren 164 beim Bau des Wehres und der Schleuſe beim Kaiſer - bad, 26 bei der Wienfluß-Regulierung beſchäftigt; außerdem ſtanden in Verwendung: am erſt - genannten Arbeitsplatze 2 Fuhrwerke und 4 Dampf - maſchinen und am letztgenannten Arbeitsplatze 6 Fuhrwerke.
Katholiken: Zyriakus. — Griechen (26. Juli): Hermolaus. — Sonnenaufgang 4 Uhr 45 Minuten morgens. — Sonnenuntergang 7 Uhr 25 Minuten abends. — Mondesaufgang 1 Uhr 28 Minuten nachmittags. — Mondesuntergang 11 Uhr 33 Minuten abends.
Der Kaiſer hat dem ordentlichen Profeſſor der klaſſiſchen Philologie an der böhmiſchen Univerſität in Prag, Hofrat Dr. Johann Kvičala aus Anlaß der Uebernahme in den Ruheſtand das Ritterkreuz des Leopold-Ordens, dem Oberinſpektor der öſterreichiſchen Eiſenbahnen Karl Ballak den Orden der Eiſernen Krone dritter Klaſſe, dem Baurate im Eiſenbahn - miniſterium Anton Stohl anläßlich der Ueber - nahme in den Ruheſtand das Ritterkreuz des Franz Joſef-Ordens, dem ordentlichen Profeſſor der Geo - logie an der böhmiſchen Univerſität in Prag Doktor Johann Woldřich aus Anlaß der Uebernahme in den Ruheſtand den Titel eines Hofrates verliehen und den Kanzleivorſtand der deutſchen techniſchen Hochſchule in Brünn Wilhelm Jaumann zum Sekretär dieſer Hochſchule in der achten Rangsklaſſe ernannt. — Der Miniſter für Kultus und Unterricht hat den Supplenten am Zivil-Mädchen-Penſionat in Wien Dr. Ignaz Seipel zum Religionslehrer an dieſem Inſtitute ernannt.
4Wien Dienstag Reichspoſt 8. Auguſt 1905 179Man depeſchiert uns aus Iſchl: Die ruſſiſchen Militärattachés Oberſt Roop und Oberſileutnant Martſchenko ſind am Sonntag hier eingetroffen. Sie wurden um 11 Uhr vormittags vom Kaiſer in Audienz empfangen und nachmittags dem Familiendiner beigezogen. Abends reiſten die Militärattachés wieder ab. — Der Kaiſer wird in den nächſten Tagen den Gouverneur von Abeſſinien Hadji Abdulahi Ali Sadik in Audienz empfangen.
Man depeſchiert uns aus Sinaia: König Karol empfing am Sonntag im Schloſſe Peleſch eine Abordnung des 6. öſterreichiſch-ungariſchen Infanterieregimentes, welche die Geſchenke aus Anlaß des 25. Jahrestages ſeiner Ernennung zum Inhaber des Regimentes überreichte. An den Empfang ſchloß ſich ein Feſtdejeuner im Schloſſe, woran auch die Mitglieder der öſterreichiſch-ungari - ſchen Geſandtſchaft teilnahmen. Beim Deſſert toaſtierte der König in herzlichen Worten auf ſein Regiment, wobei er daran erinnerte, daß er in dieſem Regimente im Jahre 1864 in Schleswig gekämpft habe. Er ſei glücklich, ſeit fünfundzwanzig Jahren das Ehrenkommando über dieſes Regiment zu führen. Der König trank in ſeinem ſowie im Namen des ganzen Landes und ſeiner Armee auf das Wohl des Kaiſers Franz Joſef. Die Muſikkapelle intonierte dann die öſterreichiſche Hymne. Regimentskommandant Oberſt Liſt erwiderte in bewegten Worten und brachte die Geſundheit des Königs von Rumänien aus. Hier fiel die Kapelle mit den Klängen der ru - mäniſchen Hymne ein. Im Laufe des Vormittags kraf ein in herzlichen Ausdrücken gehaltenes, langes Glückwunſchtelegramm des Kaiſers an den König ein. König Carol ſpendete dem Regimente einen Tafelaufſatz mit den Bildern der beiden Monarchen in Email.
Der Bezirksvorſteher des 21. Bezirkes Anton Anderer hat einen ſchweren Verluſt erlitten. Geſtern um 6 Uhr abends iſt ſeine Mutter nach längerem Leiden im 82. Lebensjahre geſtorben. Die Ver - ſtorbene, eine Dame von ſeltener Herzensgüte hat durch ihr ſtilles und eifriges Wirken im Dienſte der Armen und Notleidenden viele Tränen getrocknet. An der Bahre trauern außer dem Bezirksvorſteher Anderer ein Bruder desſelben, der in der Leopold - ſtadt beſtbekannte Glaſermeiſter Herr Georg Anderer, und eine Schweſter Fräulein Fanny Anderer. Allge - meine Teilnahme wendet ſich dem hart betroffenen Herrn Bezirksvorſteher zu, der mit inniger Liebe an ſeiner Mutter hing. Das Leichenbegängnis findet am Dienstag den 8. d. M. um 3 Uhr nachmittags vom Trauerhauſe Floridsdorf, Hauptſtraße 33, aus ſtatt.
Geſtern nachmittags iſt in ſeiner Wohnung, Joſefſtadt, Florianigaſſe 19, der vor - malige Polizei-Chefarzt Regierungsrat Dr. Andreas Witlacil im 88. Lebensjahre geſtorben. — Die Leiche des Schriftſtellers Paul Schönthan Edlen v. Perwald wurde geſtern Sonntag auf dem Dorn - bacher Friedhofe zur Ruhe gebettet. Die Einſegnung der Leiche hatte Herr Kooperator P. Ratzek in der Pfarrkirche zu St. Karl Borromäus vorgenommen.
hat mit 1. Auguſt einen vierwöchentlichen Urlaub angetreten und ſich nach Edlacherhof bei Reichenau begeben. Auf die Dauer der Abweſenheit des Miniſters hat Sektionschef FML. Arthur Pino Ritter v Friedenthal die Leitung der Amtsgeſchäfte übernommen.
iſt, wie man uns aus Rom meldet, dort angekommen. Es handelt ſich dabei nur um den gewöhnlichen Sommer - urlaub, welchen der päpſtliche Diplomat in ſeiner Heimat zuzubringen pflegt.
Heute früh wurde der Fragner Leopold Pointner, Waſſer - gaſſe 6 wohnhaft, von Tobſucht befallen. Er ergriff ein Meſſer und brachte ſich mit demſelben zahlreiche bis auf den Knochen reichende Schnittwunden vom Scheitel bis in die Stirne bei. Zwei Sicherheits - wachmänner, die man gerufen hatte, konnte nur mit größter Anſtrengung den Kranken überwältigen. Auch die Gattin Pointners, welche ihm das Meſſer entreißen wollte, hat ſich eine Schnittwunde am rechten Zeigefinger zugezogen. Pointner wurde der pſychiatriſchen Klinik übergeben.
Aus Marien - bad wird uns geſchrieben: Dienstag den 8. d. M. findet hier ein Wettgehen der Dicken ſtatt. Der Start iſt um 7 Uhr früh beim Ferdinandsbrunnen und der Weg geht über Mantal, Schwarzenberg - Weg, Forſtwarte, Rübezahl und Panorama zur Waldquelle. Die Teilnehmer werden zuerſt gewogen werden und nur Herren und Damen, die mindeſtens 90 Kilo Gewicht aufweiſen, dürfen ſich daran be - teiligen. Für je fünf Kilo Uebergewicht werden 5 Minuten vorgegeben, auch iſt auf dem Wege eine halbſtündige Frühſtückspauſe geſtattet. Bei der Wald - quelle wird die Jury verſammelt ſein, welche die ſchönen Preiſe an die Sieger zur Verteilung bringen wird. Begreiflicherweiſe gibt ſich unter dem Kurgaſt - publikum für dieſes neueſte ſportliche Unternehmen, das im Weltbade der Dicken, ſo überaus am Platze iſt, das größte Intereſſe kund.
Im Gewölbe des Schuhmacher - meiſters Eduard Doucha, Weintraubengaſſe Nr. 17,entſtand geſtern früh aus bisher unbekannter Urſache ein Feuer, das den ganzen Warenvorrat und die Möbel einäſcherte und ungefähr tauſend Kronen Schaden anrichtete. — Am 5. d. M. nachts iſt im Geſchäfte des Tapezierers Johann Macher, Meidling, Schönbrunnerſtraße Nr. 151, ein Brand zum Aus - bruch gekommen. Er ergriff auch die Verbindungs - ſtiege und pflanzte ſich in das Magazin im erſten Stockwerke fort. Der Schade beträgt mehrere tauſend Kronen. — Geſtern nachmittags iſt im Hauſe Favoriten, Gudrunſtraße Nr. 143, die Decken - konſtruktion in allen Stockwerken in Brand geraten. Urſache des Brandes war ſchadhafte Kaminanlage.
Sonntag nachmittags, während des heftigen Gewitterregens, drang das Waſſer durch mehrere Lücken des gegenwärtig in Reparatur befindlichen Daches in die Sakriſtei der Stephanskirche und floß von dort in das Mittelſchiff des Domes. Da ſich mehrere Lachen gebildet hatten, die bis in die Nähe der Kanzel reichten, wurde Feuerwehr berufen, welche die Lücken auf dem Sakriſteidache verdeckte und das Waſſer aus der Kirche entfernte.
Man depeſchiert uns aus Malaga: Infolge einer heftigen Polemik und wegen Nichtannahme einer Herausforderung kam es in den Räumlichkeiten des hiefigen Kauf - männiſchen Klubs zwiſchen vier Gemeinderäten zu einem Renkonter, in deſſen Verlaufe ſie Revolverſchüſſe gegen einander abgaben. Ein Gemeinderat wurde getötet und zwei ſchwer verletzt.
Der 10. Bezirk erhält durch die in bemerkenswert kurzer Zeit hergeſtellte, ihrer Vollendung entgegengehende Straßenunterfahrung unter den Geleiſen der Staats - eiſenbahn-Geſellſchaft einen neuen intereſſanten Straßenzug. Dieſe im Zuge der Gudrun — Geiſel - bergſtraße gelegene Straße iſt von gewaltigen Stützmauern eingefaßt und gewähren die hohen, mit Mauthauſener Granit verkleideten Mauerflächen und Stiegenanlagen einen impoſanten Anblick, Nach Fertigſtellung der Unterfahrt wird die heute be - ſtehende, den dortigen ſtarken Straßenverkehr empfindlich ſtörende Niveaukreuzung der Geleiſe der Staatseiſenbahngeſellſchaft aufgelaſſen und damit ein ſeit Jahren beſtehender Wunſch der angrenzenden Bezirke erfüllt.
Aus Rom wird uns depeſchiert: Am Samstag nachts brach in den Magazinen des Termini-Bahnhofes ein Brand aus, der einen Teil der Gebäude ſowie eine Anzahl Waggons einäſcherte.
Im Juli l. J. haben ſich im Wiener Polizeirayon 41 Per - ſonen, davon 13 weiblichen Geſchlechtes, das Leben genommen, und zwar 15, davon 2 Frauen, durch Erſchießen, 15, davon 3 Frauen, durch Erhängen, 5, davon 3 Frauen, durch Gift, 1 Mann und 4 Frauen durch Ertränken und 1 Frau durch Sturz von der Höhe. Im Juni l. J. zählte man 34, im Juli v. J. 44 Selbſtmorde.
Der Maſchinenmeiſter Joſef Wittmer, Johnſtraße Nr. 21 wohnhaft, iſt Samstag abends im Ordinations - zimmer des genoſſenſchaftlichen Krankenkaſſenarztes Dr. Frey plötzlich geſtorben.
Ein Juſtiz - ſoldat hatte einen Arreſtanten, den vielfach ſchon beſtraften Heinrich Werſtadt, in das Bezirksgericht Favoriten zu bringen. Als dieſe Eskorte eben beim Hauſe Favoritenſtraße 61 vorüberkam, ſtürzten ſich plötzlich zwei Männer auf den Soldaten, um den Arreſtanten zu befreien; es entſtand ein heftiger Kampf, in dem jedoch der Juſtizſoldat Sieger blieb. Die Genoſſen des Verhafteten, zwei oft beſtrafte Individuen mit Namen Soukup und Grimmel, wurden dem Landesgerichte eingeliefert.
Die Hof - und Kammerlieferanten haben beſchloſſen, anläßlich des 75. Geburtsfeſtes unſeres Kaiſers eine Stiftung zu ſchaffen, aus der arbeitsunfähig gewordene Ange - ſtellte von Hof - und Kammerlieferanten unterſtützt werden ſollen.
Aus Paris wird uns geſchrieben: Dem Schah von Perſien, der dieſer Tage die franzöſiſche Hauptſtadt verlaſſen hat, wird Paris in nicht allzu angenehmer Erinnerung bleiben. So wie hier, wird man noch ſelten irgendwo ver - ſucht haben, ihn zu prellen. Bei einer ſeiner Wagenfahrten ins Bois de Boulogne, kehrte er in einem Etabliſſement ein und trank ſamt Suite Tee; darauf verrechnet der Kellner ihm 150 Franks, alſo 120 Kronen. Der perſiſche Zahlmeiſter legte ihm jedoch ruhig drei Louisd’or hin, indem er lächelnd ſagte: „ Eine Taſſe Tee iſt nicht mehr wert als zwei Franks (1 Krone 60 Heller). Wir ſind 20 Perſonen, das macht 40 Franken. Die übrigen 20 Franken ſind Trinkgeld! “— Der Pariſer Kellner war über dieſes kleine Trinkgeld ſehr ungehalten.
Aus Kan - gra in Indien wird berichtet, daß durch einen Bergrutſch ein großer, zwei bis drei engliſche Meilen langer See gebildet ſei. Nach dem Erdbeben im April iſt der Abfluß des Beas River ſo verſtaut, daß eine Seebildung die notwendige Folge war. Der große Waſſerzufluß droht nun die in aller Eile er - richteten Dämme zu zerreißen und die Dörfer zu vernichten. Eine Telegraphenſtation wurde errichtet,um ſofortige Nachrichten über eine eventuelle Kata - ſtrophe geben zu können. Wachtpoſten wurden auf - geſtellt, die durch Raketenſignale die Dorfbewohner im Falle der Gefahr warnen ſollen. Derartige Bildungen von Seen wurden in den Himalayatälern namentlich ſchon öfters beobachtet und haben bereits eine große Anzahl von Menſchenleben gefordert. Im Jahre 1893 fiel bei Gohna faſt der ganze Maſthanahügel in den Fluß und bildete ſo einen großen, tiefen See. Ein Jahr ſpäter durchbrach der See den Damm. Aber auch damals hatte die eng - liſche Regierung Vorſichtsmaßregeln getroffen, ſo daß trotz großer Verwüſtungen kein Menſchenleben zu be - klagen war.
In ſehr vielen Wiener Straßen konnte man in den letzten Tagen die Wahrnehmung machen, daß das Asphalt - und Holzſtöckelpflaſter unter der Einwirkung der Hitze ganz weich geworden iſt, ſo daß man wie auf einem Sumpfboden geht. In der Aula der Wiener Univerſität hat ſich ſogar das Steinpflaſter in be - trächtlicher Ausdehnung geworfen und wird ganz friſch eingepaßt werden müſſen.
Am Samstag mittags wurde im 1. Bezirk, Schottengaſſe 2, ein modernes Fahrrad (Greger-Modell) weiß emailliert, Knopfbremſe mit voller Zahnradſcheibe und geätztem Namen („ Hubert Proſſer, Wien “) geſtohlen. Rad - fahrer wie auch das Publikum werden erſucht, den Raddieb, der im Beſitze dieſes Rades betroffen wird, eventuell aufzuhalten. Dem Zuſtandebringer des Rades wird eine Belohnung zugeſichert.
Heute früh putzte die Magd Marie Jakumović auf dem Gange des zweiten Stockes in der Berggaſſe Nr. 11 Kleider. Ein Wind - ſtoß ſchlug die offengelaſſene Tür zu und da die Magd den Schlüſſel nicht angeſteckt hatte, wollte ſie vom Gangfenſter aus, welches eine Ecke bildet, auf das anſtoßende Küchenfenſter ſteigen, um in die Küche zu gelangen. Sie ſtürzte jedoch in den Hofraum, er - litt mehrfache Beinbrüche, einen Bruch des Schädel - grundes und Brüche der Ober - und Unterkiefer - knochen. Das Mädchen ſtarb, bevor der Transport in das Allgemeine Krankenhaus durchgeführt werden konnte.
Man depeſchiert uns aus Gmünd: In der geſtrigen Hauptſitzung des 19. niederöſterreichiſchen Landes-Feuerwehrtages in Gmünd, dem unter anderen die Abgeordneten Fiſſel - thaler und K. Schwarz beiwohnten, führte Landes - ausſchuß Mayer aus, wie ſehr der Landesausſchuß und der Landtag dem Feuerwehrweſen wohlgeſinnt ſind; ein Beweis ſeien wohl in erſter Linie die mit großen Koſten durchgeführte Haftpflichtverſicherung, dann die Projekte der Stiftung eines Ehrenzeichens, Ausgeſtaltung des Telephons im Rettungsdienſte ꝛc. Schließlich warnte der Redner die Anweſenden, ſich nicht zu teuren Beſtellungen verleiten zu laſſen. Es ſprachen dann noch Bezirkshauptmann Fiſche, Ge - meinderat Plöſchl (Gmünd), dann wurden die Wahlen in den Ausſchuß des Landes-Feuerwehrverbandes mit folgendem Reſultat vorgenommen: Aus dem Landes - gerichtsſprengel Wien: Johann Pfeiffer (Hernals), A. J. Agnedter (Bruck); Kreisgerichtsſprengel Kor - neuburg: Reutter (Ravelsbach), K. Schmid (Rabens - burg); Sprengel Wiener-Neuſtadt: J. Schwarz (Wiener-Neuſtadt), F. Kramlinger (Neunkirchen); Sprengel Krems: J. Mitterbauer (Krems), J. Meindl (Gmünd); Sprengel St. Pölten: J. Eberſtaller (Ybbs), K. Malzadner (Lilienfeld). Aus dem Plenum wurden gewählt: Profeſſor K. Schneck (St. Pölten), Dr. A. Prüfer (Wiener-Neuſtadt), J. Baumann (Leopoldau), J. Kirchner (Horn) und L. Berger (Kloſterneuburg).
Veränderliches Wetter mit Niederſchlägen, mehr oder weniger windig, mäßig warm. Beſſeres aber noch nicht beſtändiges Wetter in Ausſicht.
Der hohe Druck hält ſich im Weſten, der niedrige im Oſten. Das Wetter iſt im Weſten meiſt trüb, regneriſch mit ſehr großen Niederſchlägen mit Gewittern und kühl. Im Oſten heiter und ſehr warm.
Morgens 7 Uhr melden: Prag 15·1°, Krakau 21·6°, Lemberg 22·1°, Bregenz 13·4°, Iſchl 13·0°, Wien 16·8°, Graz — · — °, Klagenfurt 12·7°, Ofen - Peſt 19·1°, Hermannſtadt 27·2°, Szegedin 18·9°, Sarajevo 17·7°, Leſina 24·0°, Trieſt 19·8°, Riva 15. 0°, Obir 4·5°, Schmittenhöhe 2·3°, Sonnblick 3·2°, Schneeberg 11·4°, Semmering — · — °, Glockner - haus 4·0° Celſius. — Die Adria iſt leicht bewegt.
Man ſchreibt uns: Die Frequenz des Kurortes Baden ſteigt täglich. Die letzte Kurliſte vom 1. Auguſt ver - zeichnet die ſtattliche Ziffer 17.422. Insbeſondere zeigt ein Vergleich mit den letzten Jahren, daß die Frequenzziffern dieſes Jahres die der Vorjahre weit übertroffen. — Auch die politiſchen Verhältniſſe des Kurortes ſcheinen ſich günſtiger geſtalten zu wollen. Der Deutſchradikale Herzog iſt ſichtlich beim Ab - wirtſchaften angelangt. Für letzten Sonntag hatte er ſeine Anhänger zu einer Verſammlung geladen. Sie erſchienen vollzählig, nämlich — zwei Mann ſtark. 5179 Wien, Dienstag Reichspoſt 8. Auguſt 1905Der geplante ſoundſovielte „ Proteſt “gegen die nichtſchönerianiſche Gemeindevertretung mußte daher unterbleiben. Es verlautet, daß von den vierzehn nationalen Vertretern nur mehr ſechs ſich mit Herzog ſolidariſch erklären und von dieſen ſich zwei ebenfalls noch öffentlich losſagen wollen. Dann iſt Herr Herzog wohl fertig.
Das Unglück, welches ſich in der vorigen Woche hier ereignete und zwei blühende Menſchenleben den Tod in den Wellen finden ließ, hat überall tiefen Ein - druck gemacht. Graf Hardegg hat die Leichen der beiden Mädchen auf ſeine Koſten aufbahren und be - erdigen laſſen. Schuld an dem tragiſchen Vorfall trägt, wie uns geſchrieben wird, auch der Umſtand, daß die Kabinen für Nichtſchwimmer weder eine Stange, noch ſonſt eine Vorkehrung haben, woran ſich die Badenden in der Kabine feſthalten können.
Aus Budweis wird uns berichtet: Der Gaſtwirt Anton Koppelhuber in Lang - ſtrobnitz (Bezirk Gratzen) fand beim Grund - ausheben etwa 1½ Meter tief in der Erde eine Aſchenurne. Achtlos warf er ſie auf einen Stein - haufen, wo ſie zerbrach. Später ſchickte er die Scherben der Urne an das Muſeum in Budweis, wo man feſtſtellte, daß die Urne aus einem mittel - alterlichen Heidengrabe ſtamme. Die Scherben wurden kunſtgerecht zuſammengekittet und die auf dieſe Weiſe rekonſtruierte Aſchenurne dem Budweiſer Muſeum einverleibt.
(Erzherzog Eugen auf der Inſpizierung. — Die Woh - nung des Kaiſers, beſtehend aus blos zwei Zimmern. — Die Umgebung des Monarchen. — Deutſche und italieniſche Vertreter bei den Manövern. — Der Telegraphen - und Telephonverkehr. — Frau Erz - herzogin Marie Valerie auf der Mendel.)
Der Korpskommandant in Innsbruck, Herr Erzherzog Eugen, bereiſte mit Automobil das Manöverterrain. Gelegentlich dieſer Rundfahrt beſuchte er die Station der Manöverübungs - leitung, Cavareno, wo der Erzherzog ſelbſt mit ſeinem Stabe für die Dauer der Manöver unter - gebracht ſein wird, und Romeno, das kaiſerliche Hauptquartier und der Sitz der Manöver - oberleitung. In Romeno beſichtigte der Herr Erzherzog alle für militäriſche Zwecke in Ausſicht genommenen Objekte, insbeſondere die Gen - darmeriekaſerne, das Abſteigequartier des Kaiſers. Dieſelbe präſentiert ſich in vielfach würdiger Weiſe.
Durch Unterabteilungen und Scheidewände wurden bewohnbare Räume für den Leibarzt des Kaiſers, die Kammer - und Dienerſchaft geſchaffen. Der Kaiſer wird bloß zwei Zimmer im erſten Stockwerk bewohnen. Das Schlafzimmer iſt klein und in Holztäfelung gehalten. Das zweite, groß, tapeziert und mit Damaſtmöbeln eingerichtet, dient als Schreib - und Empfangs - zimmer. Im zweiten Stockwerke der Kaſerne wohnen die beiden Generaladjutanten und der Chef des Generalſtabes FZM. Freiherr v. Beck. Zu ebener Erde ſind Räume für die Wache und die Fußgarden.
Der zur Begrüßung des Kaiſers vom König von Italien deſtgnierte General, Feſtungs - kommandant von Verona Gobo, der nach Romeno kommt, die militäriſchen Miniſter, der deutſche Militärattaché Major von Bülow und die anderen militäriſchen Funktionäre werden teils in Gaſthöfen, teils in Privat - wohnungen untergebracht werden. Das Hof - ſpeiſezelt ſteht auf einer Wieſe gegen - über der Gendarmeriekaſerne. Vom Manöverfelde wird man direkt nach Wien und überhaupt inter - urban ſprechen können.
Romeno iſt jetzt der Anziehungspunkt für alle Fremden, die ſich im Mendel - und Nonstale aufhalten. Alles will die Unterkunft des Kaiſers ſehen. Alles wundert ſich über die verblüffende Einfachheit in allem und jedem. Von der Mendel verkehren jetzt direkte Fahrgelegenheiten nach Romeno und zurück. Die Straße S. Michele an der Etſch, Mezzolombardo, Tajo, Romeno wird ſchon ſeit vorigen Tagen von den großen Hoftransportwagen, welche die Ein - richtungen aus Wien bringen, befahren. Gegen - wärtig macht die k. u. k. Militär-Brieftauben - Station Trient in Romeno Verſuche und Uebungen.
Gerüchtweiſe verlautet, daß auch Frau Erz - herzogin Marie Valerie während der Dauer der Manöver auf der Mendel Aufenthalt nehmen wird und es ſoll ſchon für die Kaiſerstochter im Hotel Mendelhof Quartier gemacht worden ſein.
Das Manöververpflegsmagazin, die Militär - Feldbäckerei und die Militär-Schlächterei werdenin Cavareno errichtet. Für die Dauer der Manöver wird der Statthalter von Tirol, Baron Schwartzenau, in Romeno wohnen.
In Prag wurde in der verfloſſenen Nacht der Nachtwächter Wenzel Sanel im Kunſtgewerbe - muſeum von einem Dieb, der ſich eingeſchlichen hatte, ermordet. Der Dieb raubte hierauf aus den Vitrinen koſtbare Gegenſtände und ſprang ſodann aus dem Fenſter in den Garten, wobei er ſich ſchwer verletzte. Er erkannte, daß ihm jede Möglichkeit der Flucht benommen ſei, und um der irdiſchen Gerechtigkeit zu entfliehen, beging er einen Selbſt - mord. Er ſchleppte ſich zu einem Gitter und erhängte ſich dort mit ſeinem Riemen. Der Täter, der in der Frühe als Leiche aufgefunden wurde, iſt niemandem bekannt. Er ſcheint den gebildeten Ständen anzuge - hören, trug einen goldenen Zwicker und hat ein bartloſes Geſicht. Er wurde in der letzten Zeit ſehr oft im Muſeum geſehen. Er zeichnete dort und erkundigte ſich ſehr oft nach der Perſon eines Aſſiſtenten.
Der geſtrige Tag brachte endlich die lang erſehnte Abkühlung, die Temperatur iſt von 32 auf 18 Grad geſunken. Schon in der Mittags - ſtunde umwölkte ſich der Himmel und ein heftiger Wind ſauſte durch die Straßen und Gaſſen. Allgemein „ tipte “man auf ein kommendes Ge - witter und der Regenſchirm kam für die Ausflügler wieder zu Ehren. Dieſe Vorſicht war gerechtfertigt, denn um 4 Uhr nachmittags zog ein Gewitter herauf und ein Sturmwind ſetzte ein. Bald darauf kam ein zweites Gewitter und nun ging ein wahrer Sturzregen nieder, den der Wind über die Dächer peitſchte. Das Queckſilber ſank inzwiſchen um acht Grade herab. Gegen ½6 Uhr wurde es ſo finſter, daß die Lampen angezündet werden mußten. Doch gegen 8 Uhr war der ſtarke Regen zu Ende. Das Gewitter hat ſich über die ganze Monarchie erſtreckt und namentlich am Semmering, in Graz, Wiener-Neuſtadt, Amſtetten und Seiten - ſtetten großen Schaden verurſacht. Aus der Gegend von Tullnerbach wird uns ſtarker Hagel - ſchlag gemeldet. Heute beträgt die Temperatur 18 Grad, es iſt ein erfriſchend kühler Tag.
Das Unwetter hat zahlreiche Telephon - ſtörungen verurſacht. Alle jene Telephon - verbindungen, für welche nur eine oder zwei Linien beſtehen, wurden geſtern nachmittags ge - ſtört und ſind bis heute vormittag noch nicht hergeſtellt. Der Telephonverkehr mit dem ganzen Norden der Monarchie, ausgenommen Böhmen, in welches ſieben Telephonlinien führen, ſowie mit dem ganzen Süden, für welchen nur zwei Linien beſtehen, iſt vollkommen unterbunden. Die telephoniſche Verbindung mit Böhmen iſt in der Zeit von geſtern nach - mittags bis heute nachts geſtört geweſen und iſt erſt heute früh wieder behoben worden. Auch von den nach Ungarn führenden Telephonlinien ſind mehrere durch Gewitter beſchädigt worden.
(A. R.) Nach unerträglich heißen Tagen ging geſtern nachmittags um 2 Uhr ein orkanartiges Unwetter nieder. Der Stadtpark wurde entſetzlich verwüſtet und viele mächtige Bäume wurden abgeknickt. Auch der Augarten und der Volksgarten bilden ein gleiches Bild der Ver - wüſtung. Von der Militär-Reitſchule in der Rößl - mühlgaſſe wurde ein Teil des Blechdaches vom Sturm abgetragen. Der Tramwayverkehr mußte teilweiſe eingeſtellt werden.
Geſtern abends und im Laufe der Nacht ging über die Stadt ein andauern der Regen nieder. Auch aus zahl - reichen Teilen des Landes langen Meldungen über Niederſchläge ein.
Großer Exzeß auf einer Kegelbahn. — Eine Platte, die mitſpielen will. — Meſſerhelden, die dann die Flucht ergreifen. — In der Brigittenau wird ein Meſſerheld gelyncht.
Auf der Kegelbahn eines Gaſthauſes in der Pezzlgaſſe in Hernals vergnügte ſich geſtern um die Mittagszeit eine Geſellſchaft mit Kegelſpiel. Da trat eine Rotte von 5 bis 6 jungen Burſchen ins Lokal und verlangte, man ſolle ſie mitſpielen laſſen. Einer der Gäſte lehnte ab und das wardas Signal zu gegenſeitigen Stichelreden. Bald danach kam es zu Tätlichkeiten. Erſt wurden Ohr - feigen ausgeteilt, dann flogen Bierkrügel, ſchließlich wurde mit ausgeriſſenen Seſſelbeinen losgeſchlagen und zum Schluſſe behielt das Meſſer recht. Von den anweſenden Gäſten der Kegelbahn haben zwei in dem Getümmel ernſtere Verletzungen er - litten. Es ſind dies der Möbelpacker Johann Kaſtner und der Gerüſter Franz Breiſinger. Der Erſtgenannte wurde übel zugerichtet. Als die Eindringlinge ſahen, daß Blut floß, er - griffen ſie die Flucht, doch ſind ihre Namen be - kannt, ſo daß ihre Ausforſchung bevorſteht. Die Verletzten wurden ins Stephanieſpital gebracht.
In der Brigittenau, Wintergaſſe, wurde Samstag abends der Kutſcher Heinrich Kropik von einem Burſchen, mit dem er in einen Streit geraten war, durch einen gegen die linke Bruſt - ſeite geführten Meſſerſtich ſchwer verletzt. Paſſanten fielen über den Meſſerhelden her und mißhandelten ihn durch Fauſtſchläge derart, daß er faſt be - ſinnungslos zu Boden fiel. Der Täter iſt dem Polizeikommiſſariat Brigittenau übergeben worden.
Man ſchreibt uns aus Italien: In Catania, wo bekanntlich die Sozialiſten herrſchen und einen kleinen Muſterſtaat eingerichtet haben, geht alles drunter und drüber. Der dortige Bürgermeiſter de Felice hat es verſtanden, ein wahres Schreckens - regiment einzuführen. Die Reaktion konnte ſelbſt - verſtändlich nicht ausbleiben; ſo taten ſich denn die gemäßigten Liberalen mit den Monarchiſten zu - ſamen, um den gemeinſamen Feind zu bekämpfen. Da geſchah nun das Merkwürdige, daß nämlich der Präfekt von Catania auf die Seite der Umſturzparteien trat, was beſonders deutlich am 30. Juli zutage trat, als die ſtaatlichen Behör - den ruhig mit anſahen, wie die Sozialiſten gleich den Wilden gegen die politiſchen Gegner vorgingen. Nun fand eine, von vielen hunderten Bürgern be - ſuchte Proteſtverſammlung ſtatt, in welcher ein - ſtimmig eine Tagesordnung angenommen wurde, durch welche die Abberufung des Präfekten gefordert wird. Nützen dürfte das allerdings nicht viel, aber es zeugt doch wenigſtens vom guten Willen der Bürgerſchaft Catanias, das ſozialiſtiſche Joch abzu - ſchütteln.
Eine der ſeltſamſten Geſchichten, die man wohl in den Annalen der Kriminaliſtik verzeichnet findet, iſt eine Anklage auf Mord, die in New - York gegen einen Mann namens Carlton wegen Tötung ſeines Weibes durch Inſekten mit einem tödlichen Anſteckungsſtoff erhoben wird. Es iſt ſeine zweite Frau, die ebenſo wie ſeine erſte unter merkwürdigen Umſtänden ſtarb, wodurch das Mißtrauen der Polizei erregt wurde. Carlton iſt 44 Jahre alt und hat mehrere Jahre Medizin ſtudiert. Beſonders im Miſchen von Giften und Bereiten von allerlei Tränken war er ſehr geübt und trug nach einer Ausſage ſtets eine Anzahl von Phiolen und Schachteln bei ſich. Bald nach der Verheiratung mit ſeiner zweiten Frau Jennie Smyth veranlaßte ſie Carlton, ihr Leben mit 8000 Mark zu ver - ſichern. Nach der feſten Verſicherung ihres Vaters war ſie bei ihrer Verheiratung völlig geſund, und er war ſehr überraſcht, als er plötzlich hörte, daß ſie krank war, und gleich darauf ihren Tod erfuhr mit der Angabe, ein Kinnbackenkrampf ſei die Urſache geweſen. Carlton gab in den Briefen an Mr. Smyth ſpäter nicht weniger als drei Todes - gründe an; einmal ſchrieb er, ſeine Frau habe ſich mit einer Nadel geſtochen, dann wieder, ſie ſei barfuß auf der Straße gegangen, dann, ſie habe ſich mit einem Nagel verletzt. Jedoch iſt man der Meinung, daß er zunächſt ſeine Haus - katze mit einem tödlichen Anſteckungsſtoff geimpft habe, und daß dann dieſe Mikroben von dem kranken Tier in das Blut der Frau übertragen worden ſind. Da Mrs. Carlton an einer ge - heimnisvollen Vergiftung am rechten Arm im Krankenhaus ſtarb, die Katze einige Tage vorher gleichfalls an einer Vergiftung geſtorben war und eine Zeugin angab, daß ſie Carlton an dem Arm ſeiner Frau Injektionen unter der Hand habe ausführen ſehen, ſo hat der Angeklagte wenigſtens die Möglichkeit einer Anſteckung ſeiner Frau durch die Katze zugegeben, behauptet aber, daß dieſelbe davon herrühren müſſe, daß ſeine Frau mit bloßer Hand auf das Geſchwür der Katze Vaſeline ge - bracht habe.
Gedenket Eurer Preſſe!
6Wien, Dienstag Reichspoſt 8. Auguſt 1905 179Anläßlich des Exzeſſes der Kroaten hatten die Sozialdemokraten des ganzen induſtriereichen Traiſen - tales für geſtern Sonntag einen Demonſtrations - umzug in Traiſen beſchloſſen, an dem von den Werken in Traiſen, Marktl, Lilienfeld. Wilhelms - burg, Hainfeld, St. Pölten, Schrambach ꝛc. insge - ſamt 5000 Arbeiter teilnehmen ſollten. Man be - fürchtete ernſthafte Unruhen.
Am Freitag nachts wurde das Infanterie - regiment Nr. 84 in Bruck an der Leitha — das Regiment war erſt vor wenigen Tagen aus Krems dort angelangt — alarmiert und Samstag mit einem 45 Wagen langen Separat - zug nach Scheibmühl gebracht. Da das Regiment derzeit durch die Reſerviſten verſtärkt iſt, zählt es 1300 Mann, 60 Offiziere und 30 Pferde. Zugleich kamen zwei Eskadronen der in Wiener - Neuſtadt garniſonierenden Dragoner in Scheibmühl an. Von hier aus erfolgte der Abmarſch der Truppen nach Traiſen, wo die Einquartierung vorgenommen wurde. Traiſen glich mit einem Male einem Feld - lager. Die Bevölkerung nahm die Soldaten freudig und beruhigt auf.
Tatſächlich verlief der Sonntag ruhig. Die Streikenden in Traiſen — es ſind blos 191 Familien - väter und 60 ledige Arbeiter in Traiſen — rüſteten ſich Mittags zum Empfange ihrer Genoſſen. Um 1 Uhr ertönten Hornſignale und auf dem Hauptplatze ſammelten ſich zwei Bataillone In - fanterie, die am rechten Traiſenufer Aufſtellung nahmen, ein Bataillon poſtierte ſich hinter der Fabrik des Alfred von Lenz, vor der zwanzig Gen - darmen ſtanden. Während dieſes Aufmarſches ging ein heftiger Regen nieder, der bis Abends anhielt. Zwei Stunden nach dem Aufmarſch kamen etwa 3000 Sozialdemokraten aus dem ganzen Traiſentale und — flüchteten vor den Regengüſſen in die Wirts - häuſer. Ein kleiner Teil hörte am Hauptplatze dem Schuhmeier zu, dann gab es die uſuellen Pfuirufe. Um 5 Uhr zogen die Sozialdemokraten ab. Der Regen und das Militäraufgebot hatten die Ruhe aufrecht erhalten.
Geſtern nach - mittags iſt der König auf einem Spazierritt vom Pferde geſtürzt, ohne Schaden ge - nommen zu haben.
Bei der geſtrigen Skupſchtina-Nachwahl in Prokuplje wurde ein Nationaliſt gewählt.
Wie der „ Figaro “aus Longwy meldet, iſt es in Saulnes zwiſchen Truppen und Bergarbeitern zu einem Zuſammen - ſtoß gekommen, bei welchem mehrere Per - ſonen verwundet wurden.
Heute wurde der erſte internationale Kongreß für Anatomie eröffnet. An demſelben nahmen 260 Perſonen teil, dar - unter Vertreter der großen Vereinigungen Deutſch - lands, Frankreichs, Englands, Amerikas und Italiens.
Heute ſind acht Perſonen an gelbem Fieber geſtorben. Dreißig neue Fälle wurden angezeigt.
Baron Podmaniczky, der rücktrittslüſterne Präſident der lebensmüden liberalen Partei, hat die Mitglieder derſelben auf den 23. d., 3 Uhr nach - mittags, zu einer Beratung einberufen, nachdem Graf Tisza erklärt hatte, am 17. d., auf welchen Tag die Abtrünnigen eine Konferenz gewünſcht hatten, an einer Konferenz nicht teilnehmen zu können. Alſo am 23. Auguſt und nicht am 17. iſt der große Lostag, an welchem nicht nur über das Schickſal der liberalen Partei in Ungarn ent - ſchieden, ſondern auch die ungariſche Kriſe in das Stadium der Entſcheidung treten wird.
Aus der Zuſchrift, die von den liberalen Se - zeſſioniſten an den Polizeipräſidenten gerichtet wurde, erfährt man auch authentiſch die Namen jener, die mit dem Austritt gedroht haben. Es ſind dies die Abgeordneten Baron Ernſt Daniel, Emerich Szivak, Graf Stephan Wenckheim, Edmund Miklos, Franz Nagy, Baltaſar Semſey, Dr. Viktor Iſſekutz, Baron Simon Revay, Aladar Raisz, Stephan Cſepreghy, Dr. Koloman Fodor, Baron Tibor Daniel, Koloman Mikszath, Paul Sandor, Julius Vancſo, Peter Apathy, Bela Ragalyi, Franz Juſth, Nikolaus Osztro -louczky, Gregor Kardebo, Baron Ivan Sztojanovics, Eugen Radiſich, Koloman Demko.
Der Abgeordnete Emerich Szivak äußerte ſich über die Motive und Tragweite der liberalen Sonderaktion: „ Ich glaube, daß aus unſerer Partei ſich höchſtens zwei oder drei Abgeordnete der Un - abhängigkeitspartei anſchließen werden. Der Zweck und das Weſen der ganzen Aktion in der liberalen Partei iſt ja doch, daß unſere Partei die 67 er Grundlage rette. Die gegenwärtige Situation war ohnedies unhaltbar. Es konnte ja ein Ab - geordnetenkandidat mit dem liberalen Programm gar nicht mehr auftreten, ſo ſehr war die ganze Partei im ganzen Lande in Mißkredit gebracht worden. Die 23 Abgeordneten der liberalen Partei, die jüngſt zuſammengetreten ſind und mit denen noch ſehr viele Mitglieder der liberalen Partei vollkommen eines Sinnes ſind, haben deshalb die Bewegung in Fluß gebracht, welche vorausſichtlich die ganze Partei mit ſich reißen wird. “
Wie aus Ofen-Peſt unterm Heutigen tele - graphiert wird, iſt unterdeſſen wieder der Abgeord - nete Ladislaus Lazar aus der liberalen Partei ausgetreten.
liegt nun auch eine Aeußerung des letzteren im „ Magyar Hirlap “vor. Graf Andraſſy erklärte: „ Weder ich noch Baron Banffy wollten jemals und wollen auch heute nicht außerhalb der Koalition oder gar gegen dieſelbe vorgehen. Die Koalition hat ihr Programm. Dieſes iſt für uns bindend und auf deſſen Grundlage müſſe im Intereſſe der Löſung der Kriſe vorgegangen werden. Von einer Vereinigung der Diſſidenten mit der Neuen Partei war keine Rede und iſt keine Rede .... Wir wünſchen die Auflöſung der liberalen Partei und deren Annäherung an die Koalition. “— Sehr ungehalten iſt Graf Andraſſy natürlich über die Wahlreformgedanken des Miniſters Kriſtoffy, die er verächtlich — vielleicht leider nicht mit Unrecht — ein „ taktiſches Spiel “nennt.
Auch Baron Banffy erklärt im nämlichen Blatte, daß er nur in und mit der Koalition arbeiten wolle. Er ſehe die Entwirrung nur auf Grundlage des Programms der Koalition und Grundlagen der künftigen Geſtaltung in der durch ihn vertretenen 1867er Politik. Er ſchwärme für die 48er Ideen, aber die reale Grundlage ſei in der 1867er Politik enthalten und auf dieſer könne man weiter bauen. Die Hauptſache iſt, daß die liberale Partei aufhört, welche in Wien den irrigen und gefährlichen Glauben erwecken könnte, daß man in Ungarn ohne die Koalition proſperiereu könne und daß hinſichtlich der nationalen Forderungen nicht ſämtliche Ungarn eines Sinnes ſeien.
In Szolnok hielten geſtern, wie von dort telegraphiert wird, die Sozialiſten ein Volksverſamm - lung ab. Es wurde eine Reſolution einſtimmig an - genommen, wonach die Verſammlung die in der Mehrheit befindliche Koalition auffordert, die Kabinettsbildung unter Ausſchaltung der Forderung der ungariſchen Kommandoſprache, die in ihr Pro - gramm gar nicht aufgenommen war, zu übernehmen und das verſprochene allgemeine geheime Wahlrecht durchzuführen.
Mit der Entdeckung der Attentäter iſt es nichts, wenn auch jeden Tag eine andere Verſion über den Urheber des Attentats gemeldet wird. Nach einer Meldung, die aber bereits widerlegt iſt, habe der verhaftete Belgier Yoris zuge - ſtanden, daß er, obwohl er bereits einen Paß vom belgiſchen Konſulate erhalten hatte, zwei Monate ſpäter einen zweiten Paß verlangte und den erſten dem eigentlichen Attentäter abgetreten hatte; letzterer ſoll ein Mitglied des armeniſch - revolutionären Komitees ſein. — Wäre man wirklich ſchon ſo weit, dann wäre der Tadel unnötig geweſen, den der erſte Sekretär des Yildiz Tahſin-Paſcha namens des Sultans in einem Brief an den Polizeiminiſter richtete, in welchem geſagt wird, der Sultan bedauere ſehr, daß die Polizei den Attentäter nicht eruieren konnte. Der Brief wurde allen Unterabteilungen der Polizei mitgeteilt. Einige Polizeiagenten wurden verhaftet, weil ſie mit einem gewiſſen Ariſtides, der geflüchtet iſt und der den Wagen, auf dem die Bombe explodierte, beim Zollamte ausgelöſt hatte, freundſchaftlich verkehrten.
Sehr drohend klingt es, daß man in Yildiz - kreiſen, alſo in der Umgebung des Sultans, be - hauptet, daß die die Unterſuchung führende Yildizkommiſſion bereits alle Per - ſonen, welche das Attentat verübten, kenne und jetzt nach deſſen Urhebern forſche. Die Kommiſſion ſei bereits deswegen mit der aus - ländiſchen Polizei in Verbindung getreten.
Sollte die Yildizkommiſſion mehr wiſſen als die Polizei und, wenn ſie mehr weiß, warum ſagt ſie es nicht, wer der Schuldige iſt? Es müſſen hohe und vermögende Herren dabei be - teiligt geweſen ſein. Darauf weiſt auch folgende myſteriöſe Geſchichte hin, die in der „ Köln. Vztg. “mitgeteilt wird: Vierzehn Tage vor dem in Salonichi erfolgten Attentate habe der Bankier Mehemed Kapandſchi in Salonicht ein der Sekte der Dönmeh, der ſeit 1650 zum Islam über - getretenen Juden, angehöriger Millionär, einen Brief in bulgariſcher Sprache mit der An - kündigung eines Attentats auf den Sultan er - halten. Er möge deshalb — Kapandſchi beſitzt noch eine Bank in Konſtantinopel und beſorgt u. a. die Geſchäfte der Tabakregie — für die Sicherheit ſeines Hauſes Vorſorge treffen. Dieſes Schreiben, von dem Kapandſchi ſofort nach Konſtatinopel berichtete, iſt zweifach merkwürdig. Der jüdiſch-türkiſche Bankier hat gar keine Beziehungen zu bulgariſchen Kreiſen. Bulgaren hatten alſo auch keine Urſache, den Mann vor Schaden zu bewahren, da er noch keine bulgariſchen Gelder in Gewahrſam hat. Wohl aber konnten Leute, die an der Regie beteiligt ſind, eine ſolche Urſache haben. Da findet ſich nun, daß Abbedin Paſcha, jetzt einer der einflußreichſten Männer im Yildizpalaſt, noch einer der erſten Aktionäre der Tabakregie iſt. Er iſt ein Derwiſch, ein Gelehrter, der u. a. eine große Er - läuterung zum Mesceewi des Dſchellaleddin Rumi geſchrieben hat, iſt aber dabei ſehr habgierig und geizig. Ein ſolcher Hauptaktionär hatte ſehr wohl Urſache, ſein Bankhaus bei ausbrechenden Unruhen vor Schaden zu bewahren. Er, der Palaſt - mann, konnte auch wiſſen, daß ein An - ſchlag geplant war, und er oder jemand ſeiner Umgebung konnte die Warnung erlaſſen. Daß man ſie bulgariſch ſchreiben und nach Salo - nicht ſchicken ließ, war geſchickt. Die Warnung konnte dann als vom hieſigen Komitee ausgegangen bezeichnet, die Bulgaren verdächtigt und die Auf - merkſamkeit von den Türken abgelenkt werden. Von dem Bankier aber, einem angeſehenen Kauf - mann, konnte man erwarten, daß er alles getreulich nach Konſtantinopel melden werde, was auch ge - ſchah. Kurz — der Anſchlag ſoll von türkiſcher Seite geplant und ausgeführt worden ſein. Es ſtimmt dies mit den Annahmen unſeres Korre - ſpondenten in Konſtantinopel überein.
Die Meldung eines ungariſchen Blattes, daß eine Armenierin namens Petroff das Attentat im Yildiz verübt hätte, iſt falſch. Nach dem bisherigen Ergebnis der Unterſuchung der Yildizkommiſſion werden nicht weniger als 11 Ausländer und 32 Inländer der Täterſchaft oder der Mithilfe bei dem Attentat im Yildiz verdächtigt. Die Auswahl iſt alſo anſehnlich genug. Von Ausländern iſt nur der Belgier Jauries verhaftet.
Mit dem denkbar komplizierteſten Zeremoniell vollzieht ſich die Reiſe der Friedensdelegierten und Rooſevelt iſt peinlich beſtrebt, auf Gereizt - heiten und Schwächen Rückſicht zu nehmen. Glück - lich hat er die Platzfrage hinter ſich und bei einer Anſprache verbat er ſich die Erwiderung, damit nur ja kein herbes Wortes falle und die Verhandlungen beeinfluße. Die Delegierten kamen zum erſtenmal Samstag in der Oiſterbay zuſammen, wo ſie Präſident Rooſevelt auf der Jacht „ Mayflower “begrüßt: „ Ich bringe einen Toaſt aus, auf den keine Antwort erfolgt, und welchen ich Sie erſuche, ſtillſchweigend und ſtehend anzuhören. Ich trinke auf die Wohlfahrt der beiden Souveräne und der beiden großen Nationen, deren Vertreter ſich auf dieſem Schiffe begegneten. Ich hoffe aufrichtigſt und es iſt mein Gebet, daß im Intereſſe nicht nur dieſer beiden großen Mächte, ſondern im Intereſſe der geſamten Menſchheit ein gerechter und dauernder Friede zwiſchen ihnen bald abgeſchloſſen werde. “
Nach der Frühſtückstafel verließ der Präſident die „ Mayflower “, die japaniſchen Delegierten be - gaben ſich an Bord des „ Delphin “, um nach Portsmouth zu fahren.
Als die Vertreter Japans und Rußlands heute zuſammentrafen, reichten ſie einander die Hände. Ebenſo herzlich war die Begrüßung, als ſie auseinandergingen. Die Japaner ſprachen ſich ſehr befriedigt über das Zuſammentreffen aus.
7179 Wien, Dienstag Reichspoſt 8. Auguſt 1905Nach dem Empfang begab ſich Witte von New-Pork aus zu Lande mit der Eiſenbahn nach Portsmouth, dem Verhandlungsorte, die Japaner benützten den Seeweg. Der Ort der Verhand - lungen iſt der Schiffsbauhof von Portsmouth, New-Hampſhire. Er liegt auf einer Inſel, die nur durch eine Brücke mit dem Lande verbunden iſt und im Piscataquafluß, unmittelbar am Ozean, liegt. Dieſer Fluß, welcher die Grenz - ſcheide zwiſchen den Staaten Maine und New - Hampſhire bildet, mündet hier in den Atlantiſchen Ozean. Das Marinearſenal auf der Inſel, wo die Beratungen ſtattfinden ſollen, iſt eben fertig - gebaut und noch nicht benutzt. Es iſt ſehr groß, vier Stock hoch, aus Ziegeln und Braunſtein erbaut. Alle Maßregeln ſind getroffen, um Zeitungsberichterſtatter fernzuhalten. Wollen ſie die zur Inſel führende Brücke paſſieren, ſo wird ihnen von Marinepoſten heimgeleuchtet; ein hoher Beamter ſoll geſagt haben, auf Land würden ſie von Marineſoldaten vertrieben werden und zu Waſſer von Unterſeebooten. Trotzdem ſchwören die amerikaniſchen Journale ihren Leſern, daß ſie doch alles „ herauskriegen “würden. Alle Mittel, die amerikaniſcher Findigkeit zu Gebote ſtehen, ſollen angewandt werden, um die geheimſteu Ge - heimniſſe öffentlich zu machen. Das Staats - departement verbürgt ſich, daß die Zeitungen nichts erfahren ſollen, und die Journaliſten ver - bürgen ſich, ſie würden trotzdem alles erfahren. Wer gewinnen wird?
Das „ Echo de Paris “meldet aus Petersburg: Der Peſſimismus be - züglich der Friedensverhandlungen iſt im Schwinden begriffen. Witte habe aus ſeiner Unterredung mit dem Präſidenten Rooſevelt den Eindruck em - pfangen, daß ein Arrangement mit Japan nicht aus - geſchloſſen erſcheine.
(Priv.) Die „ Kölniſche Ztg. “berichtet aus London, New-York und Petersburg, daß dort die peſſimiſtiſche Auffaſſung über den Erfolg der Friedensverhand - lungen noch immer vorherrſcht, und daß eine diesbezügliche Aenderung nicht erwartet wird.
Von zuverläſſiger Seite verlautet, die Japaner hätten den politiſchen Gefangenen, die ſie in der Strafabteilung auf der Inſel Sachalin ge - funden, erlaubt, wenn ſie wünſchen ſollten, nach anderen Ländern auszuwandern.
Der Kommandant von Wladiwoſtok forderte im Hinblick auf den Belagerungszuſtand alle ausländiſchen Kaufleute auf, die Stadt zu verlaſſen. Einige von ihnen erhielten die Erlaubnis, in Chabarowsk zu bleiben.
(Priv.) Die japaniſche Regierung hat beim amerikaniſchen Stahltruſt die Lieferung von 50 Lokomotiven, 2000 Waggons und 350 Stahlbrücken für die projektierte Bahn vom Jalufluß nach Soeul in Auftrag gegeben.
(Priv.) Nach Berichten aus Niutſchwang haben die Japaner die ruſſiſchen Eiſenbahnen in der Mandſchurei nicht nur wieder in Stand geſetzt, ſondern auch ein weitver - breitetes Netz neuer ſchmalſpuriger Eiſen - bahnlinien geſchaffen, auf welchem japaniſches Militäreiſenbahnmaterial Verwendung findet. Die vorhandenen Lokomotiven reichen jedoch für die großen Anforderungen nicht aus. Es mußten daher zirka 150 Stück Zwillingslokomotiven, ähnlich den Deutſchen Militärlokomotiven, bei der Firma Arthur Koppel in Berlin beſtellt werden. Dieſelbe Firma hat übrigens auch bereits für Rußland Lieferungen ausgeführt. Die Maſchinen werden bereits im Herbſt zur Ablieferung gelangen.
Wie heutige Telegramme uns berichten, ſoll das Bulyginſche Volksvertretungsprojekt nunmehr mit geringer Mehrheit im Kronrate angenommen worden ſein.
Wie die „ Nowoje Wremja “erfährt, beſtehe in den leitenden Kreiſen die Abſicht, ein Miniſterium zu errichten, dem die Vorberatungen der in der Reichsduma anzu - bringenden Vorlagen obliegen ſolle.
[Priv.] Das „ Berliner Tageblatt “meldet aus Lodz: Der dem Gouver - neur von Petrikau attachierte Beamte für beſondere Aufträge, Kaſteles, wurde in Warſchau ver - haftet, da ſich herausſtellte, daß er ein aus Sachalin entwichener Häftling und berüch - tigter Meuchelmörder ſei. Es wurde kon - ſtatiert, daß Kaſteles eigentlich Michailow heiße und wegen eines Mordes nach Sachalin verſchickt worden war. Nach ſeiner Flucht von dort hatte er den Lubliner Gerichtsbeamten Kaſteles ermordet, ſich ſeine Papiere angeeignet und ſodann ſich deſſen Namen beigelegt.
Der Mörder des Stadthauptmannes Schu - walow, Kulikowsky, wurde heute vom Kriegs - gerichte zum Tode durch den Strang verurteilt.
Geſtern haben in mehreren Städten des ſächſiſch-thüringiſchen Induſtriebezirkes, in welchem ſämtliche Weberei - und Färbereiarbeiter in den Ausſtand getreten oder ausgeſperrt worden ſind, Verſammlungen ſtattgefunden, in welchen die wirtſchaftliche Lage der Arbeiter beſprochen wurde. In Weida ſprach der Arbeiterführer Bretſchneider aus Gera, deſſen Ausführungen die Arbeiter entmutigte, da er mitteilte, daß der Textil - arbeiterverband von der Ausſperrung über - raſcht worden ſei. Mit den 1½ Millionen Mark, welche dem Verbande zur Verfügung ſtehen, können nicht für lange Zeit Unterſtützungen gewährt werden.
(Privat.) Die dem ſächſiſch - thüringiſchen Fabrikantenverbande nicht angehörigen Unternehmer haben den von den Färberei-Arbeitern geforderten Minimallohn von 15 Mark per Woche bewilligt.
Die Bemühungen der Behörden von Greiz, eine Vermittlung zwiſchen den Arbeitern und Fabrikanten herbeizuführen, ſind bisher erfolglos geblieben. Die Situation iſt kritiſch.
Dem Londoner Korreſpondenten des „ N. W. Tagbl. “teilte Lord Knolly, der Privatſekretär des Königs, wie heute aus London telegraphiert wird, auf eine Anfrage aus Cowes, mit, daß ihm von einer demnächſt bevorſtehenden Begegnung des Königs Eduard mit Kaiſer Wilhelm ab - ſolut nichts bekannt ſei.
Die Skupſchtina iſt heute zuſammengetreten. Nach der Wahl des Verifikations - Ausſchuſſes, zu deſſen Präſidenten Nikola Nikolitſch gewählt wurde, wurde die Sitzung geſchloſſen.
Die notierten Kurſe verſtehen ſich in Kronenwährung. Die Notierung ſämtlicher Aktien und der „ Diverſen Loſe “verſteht ſich per Stück. In den Rubriken A — F werden die auf K ö. W. oder Silber lautenden Effekten für 100 K = 50 fl.,[d]ie auf K. -M. oder Goldgulden lautendenfür 50 fl. des betreffenden Nominales, die auf Mark, Franks, Lire oder Liv. Sterl. lautenden für 100 Mark, Franks, Lire oder 5 Liv. Sterl. notiert. — Die aus[na]hmsweiſe per Stück gehandelten Effekten dieſer Rubriken ſind beſonders bezeichnet.
Umrechnungsſätze für Zinſen
1 fl. ö. W. oder Silber = 2 K, 1 fl. K. -M. = 2 K 10 h, 1 Gold - gulden = 2 K 40 h, 1 Mark = 1 K 18 h, 1 Franks oder 1 Lira = 96 h, 1 Liv. Sterl. = 24 K.
| Geld | Ware | |
| A. Allgemeine Staats - ſchuld. | ||
| Mai-Rente p. K .... 4% | 100.55 | 100.75 |
| Februar-Rente p. K. 4·2% | 101.15 | 101.35 |
| Silber-Rente Jänner-Juli p. K ........ 4% | 100.50 | 100.70 |
| Silber-Rente April-Oktober p. K ....... 4·2% | 101.15 | 101.35 |
| 1860er Staatsloſe 500 fl. | 157.25 | 159.25 |
| 1860er Staatsloſe 100 fl. | 191.50 | 193.50 |
| 1864er Staatsloſe 100 fl. | 293.25 | 295.50 |
| 1864er Staatsloſe 50 fl | 293.50 | 295.50 |
| Dom. -Pfandbr. à 120 fl. | 294.25 | 296.25 |
| B. Staatsſchuld der im Reichsrate vertretenen Königreiche u. Länder. | ||
| Oeſt. Goldrente, ſtfr., 100 fl. per Kaſſa ..... 4% | 119.40 | 119.60 |
| dto. Rente in Kronenwähr. ſtfr., per Kaſſa ... 4% | 100.60 | 100.80 |
| dto. dto. per Ultimo. 4% | 100.50 | 100.70 |
| Oeſterr. Inveſtitions-Rente ſtfr. per Kaſſa .. 3½% | 92.90 | 93.10 |
| Eiſenbahn-Staatsſchuld - verſchreibungen. | ||
| Eliſabethb. in G., ſtfr. zu 10.000 fl ..... 4% | 118.75 | 119.75 |
| Franz Joſef-Bahn i. Silber (div. St.) .... 5¼% | 128.30 | 129.30 |
| Karl Ludwigbahn .. 4% | 100.53 | 101.55 |
| Rudolfbahn in Kronenwhr. ſtfr. (div. St.) ... 4% | 100.90 | 101.90 |
| Vorarlberger Bahn i. Krwh. ſtfr. 400 K .... 4% | 100.70 | 101.70 |
| Zu Staatsſchuldverſchrei - bungen abgeſtempelte Eiſenbahn-Aktien. | ||
| Eliſabethbahn, 200 fl. KM., 4¾% von 400 K ... | 499. — | 502. — |
| dto. Linz-Budweis 200 fl. öſt. W. Silber .. 5¼% | 457. — | 459. — |
| dto. Salzburg-Tirol 200 fl. ö. W. Silber ... 5% | 440. — | 444. — |
| Vom Staate zur Zahlung übernommene Eiſenbahn - Prioritäts-Obligationen. | ||
| Böhm. Weſtbahn, Em. 1895 400 K ...... 4% | 100.80 | 101.80 |
| Geld | Ware | |
| Eliſabethbahn 600 u. 3000 Mark .... 4 ab 10% | 116.90 | 117.90 |
| Eliſabethb. 400 u. 2000 Mk. | 119.10 | 120.10 |
| Franz Joſef-B., Em. 1884 (div. St.) Slb. .. 4% | 100.75 | 101.75 |
| Galiziſche Karl Ludwig-B. (div. St.) Slb. .. 4% | 100.65 | 101.65 |
| Vorarlberger B., Em. 1884 (div. St.) Slb. .. 4% | 100.60 | 101.60 |
| C. Staatsſchuld der Länder der ungariſchen Krone. | ||
| 4% ung. Goldrente p. K. | 115.85 | 116.05 |
| 4% dto. Rente in Kronen - währung, ſtfr. per Kaſſa | 96.75 | 96.95 |
| dto. dto. per Kaſſa 2½% | 87.40 | 87.60 |
| 3% Prämien-Anl. à 100 fl. | 217.85 | 219.85 |
| dto. à 50 fl ....... | 215.75 | 217.75 |
| Theiß-Regul. -Loſe .. 4% | 165.90 | 167.90 |
| Ung. Grundentl. -Oblig. 4% | 96.40 | 97.40 |
| kroat. u. ſlavon. dto .. 4% | 97.30 | 68.30 |
| D. Andere öffentliche Anleihen. | ||
| Bosn. Landes-Anl. div. 4% | 97.20 | 98.20 |
| Donau-Reg. -Anl. 1878 5% | 106.40 | 107.40 |
| Wiener Verkehrs-Anleihe. | 100.40 | 101.40 |
| Anlehen der Stadt u. Han - delskammer Trieſt. 4% | 100. — | 101. — |
| Anlehen der Stadt Wien | 103.70 | 104.70 |
| dto. dto. (Silber od. Gold) | 121.80 | 122.80 |
| dto. dto. (1894) ..... | 99.25 | 100.25 |
| dto. dto. (1898) ..... | 100.55 | 101.55 |
| Bulgar. Staats-Eiſ. -Hyp. - Anl. 1889 ..... 6% | 117.60 | 118.60 |
| Bulgar. Staats-Hyp. -Anl. 1892 ....... 6% | 118.40 | 119.40 |
| E. Pfandbriefe ꝛc. | ||
| Bodenkredit-Anſt. allg. öſt. innerh. 50 J. verl. 4% | 100.20 | 101.20 |
| Bodenkredit-Inſt. allg. ung. innerh. 63 J. verl. 3½% | 87·40 | 88·40 |
| Böhm. Hyp. -Bank .. 5% | 102.75 | 103.75 |
| N. -öſt. L. -Hyp.-Anſt .. 4% | 100.30 | 101.30 |
| Ob. -öſt. L. -Hyp.-Anſt. 4% | 100.50 | 101.50 |
| Oeſt. -ung. Bank, innerhalb 50 Jahren verlosb. ö. W. | 100.90 | 101.90 |
| dto. innerhalb 50 Jahren verlosbar, K ... 4% | 101.35 | 102.35 |
| Sparkaſſa erſte öſterr. inh. 60 Jahren verlosbar 4¼ | 101.45 | 102.45 |
| Steierm. Sparkaſſa .. 4% | 100.60 | —. — |
| Geld | Ware | |
| F. Eiſenbahn-Priori - täts-Obligationen. | ||
| Bozen-Meraner Bahn. 4% | 100.45 | 101.40 |
| Buſchtehrader Bahn .. 4% | 100.90 | 101.90 |
| Dux-Bodenbacher Bahn, I. Emiſſion 1869 ... 5% | 109. — | 109.40 |
| Ferdinands-Nordbahn, Em. 1886 (div. St.) .. 4% | 101.30 | 102.30 |
| Öſterr. Nordweſtbahn. 5% | 108.65 | 109.65 |
| dto. lit. B. ..... 5% | 108.60 | 109.50 |
| Staatsbahn per Stück. 3% | 424.50 | 426·50 |
| dto. X. Em. 1885 per St. | 414. — | 415.50 |
| dto. Ergänzungsnetz p. St. | 417.50 | —. — |
| Südbahn Jänner-Juli per Stück ....... 3% | 319.35 | 321.35 |
| dto. April-Oktober .. 8% | 318.85 | 320.85 |
| Südnorddeutſche Verbin - dungsbahn ..... 4% | 100.60 | 101.60 |
| Ung. -galiz. Bahnen .. 5% | 112. — | 113. — |
| Unterkrainer Bahn (diverſe Stücke) ...... 4% | 99.50 | 100. — |
| Valſugana Eiſenbahn-Geſ. 200 K ...... 4% | 99.80 | 100.80 |
| Wien-Aſpang Eiſenbahn 200 Silber .... 4% | 99·75 | 100.50 |
| Wiener Lokalbahnen-Aktien - Geſellſchaft, 400 K. 4% | 97. — | 98. — |
| Wien-Pottend. -Wr.-Neuſt. Bahn, 200 Silber. 5% | 108. — | —. — |
| Ybbstalbahn 200 fl. und 1000 fl. ö. W .... 4% | 99.40 | 100.40 |
| Lloyd, öſterr., Em. 1901, 2000 K, 2100 Franks, 1700 Mark Gold .. 4% | 96. — | 97. — |
| G. Diverſe Loſe. (Per Stück.) | ||
| Bödenkr. -Loſe Em. 1880 3% | 301.30 | 310. — |
| „ „ Em. 1889 3% | 302. — | 310. — |
| Donau-Regulier. -Loſe. 5% | 270. — | 276. — |
| Serbiſche Prämien-Anleihe à 100 Franks ... 2% | 102. — | 107.90 |
| Dombau, Budapeſter ... | 26. — | 27.50 |
| Kredit-Loſe 100 fl. ... | 476. — | 483. — |
| Clary-Loſe 40 fl. .... | 156. — | 164. — |
| Innsbrucker Stadt-Anlehen | 78. — | 83. — |
| Krakauer Lotterie-Anlehen | 88.25 | 94.25 |
| Laibacher Prämien-Anlehen | 65.50 | 69.50 |
| Ofner Loſe 40 fl. ö. W.. | 170. — | 179. — |
| Palſſy-Loſe 40 fl. K. -M .. | 175. — | 185. — |
| Geld | Ware | |
| Roten Kreuz, öſterreichiſche Geſellſchaft v. 10 fl. ö. W. | 54. — | 55.70 |
| Roten Kreuz, ungar. 5 fl. | 34.75 | 36.75 |
| Rudolfſtiftung 10 fl. ö. W. | 62. — | 66. — |
| Salm-Loſe 40 fl. K. -M .. | 214. — | 222.30 |
| Salzburger Prämien-Anl. 20 fl. ö. W. ..... | 74. — | 78. — |
| Türk. Eiſenb. -Anl., Präm. - Obl. à 400 Franks p. K. | 141.50 | 142.50 |
| Wiener Kommunal-Loſe v. Jahre 1874 100 fl. ö. W. | 535. — | 542. — |
| Gew. -Sch. der 3% Präm. - Schuldv. d. Bodenkredit - Anſtalt Emiſſion 1889 | 101. — | 110. — |
| Aktien. | ||
| H. Transport-Unter - nehmungen. | ||
| ‚ Adria‘, k. u. Seeſch. -G. 10. — | 433.50 | 434. — |
| Auſſig-Tepl. Eiſenb. 500 fl. | 2305 | 2315 |
| Böhmiſche Nordbahn 150 fl. | 374. — | 378. — |
| Buſchtehrader Eiſenbahn, | 2950 | 2970 |
| dto. lit. B. per Ultimo | 1095 | 1099 |
| Donau-Dampfſchiffahrt-Geſ. | 998. — | 1000 |
| Dux-Bodenb. Eiſenb. 400 K | 524. — | 525. — |
| Ferdinands-Nordbahn .. | 5855 | 5875 |
| Lemb. -Czern.-Jaſſy-Eiſen - bahn-Geſ., 200 fl. S.. | 583. — | 584. — |
| Lloyd, öſterr., Trieſt ... | 730. — | 734. — |
| Oeſterr. Nordweſtbahn .. | 430. — | 431 — |
| dto. lit. B. per Ultimo | 449.50 | 451.50 |
| Prag-Duxer Eiſenbahn .. | 219.40 | 220.40 |
| Staatseiſenb. -Geſ. p. Ult. | 676.25 | 677.25 |
| Südbahn-Geſellſch. p. Ult. | 89.25 | 90.25 |
| Südnorddeutſche Verbdgsb. | 418. — | 421. — |
| Tramway-Geſ., neue Wr., Prioritäts-Aktien ... | 17. — | 19. — |
| Ung. -galiz. Eiſenbahn, erſte | 414.50 | 416.50 |
| Wiener Lokalb. -Aktien-Geſ. | 140. — | 160. — |
| I. Banken. | ||
| Anglo-öſterreichiſche Bank. | 309.75 | 310.25 |
| Bankverein Wiener p. Ult. | 554.75 | 555.75 |
| Bodenkredit-Anſt., allg. öſt. | 1032 | 10〈…〉〈…〉 6 |
| Kredit-Anſtalt für Handel und Gewerbe pev Kaſſa | 670.75 | 671.75 |
| dto. per Ultimo ..... | 670. — | 671. — |
| Kredit-Bank, ung. allg. | 785.50 | 786.50 |
| Depoſitenbank, allgemeine | 475. — | 478. — |
| Eskompte-Geſ., nied. -öſterr. | 542. — | 543.50 |
| Geld | Ware | |
| Giro - und Kaſſenverein Wiener ....... | 442. — | 445. — |
| Hypothekenbank, öſterr .. | 292. — | 295. — |
| Länderbank, öſterreichiſche | 453.80 | 454.80 |
| Oeſterreichiſch-ungar. Bank | 1631 | 1641 |
| Unionbank ....... | 544.50 | 545. — |
| Verkehrsbank, allgemeine. | 360.50 | 361.50 |
| K. Induſtrie-Unter - nehmungen. | ||
| Bau-Geſellſchaft, allg. öſt. | 166. — | 168.50 |
| Bau-Verein, nied. -öſt. 16·50 | 340. — | 342. — |
| Eiſenbahnw. -Leihgeſ., erſte | 205. — | 207. — |
| Elbemühl, Papterf. u. V. -G. | 138.50 | 140. — |
| Elektr. -Geſ., allg. öſterr .. | 474.50 | 475.50 |
| Elektr. -Geſ., intern .... | 600. — | 604. — |
| Lieſinger Brauerei .... | 304.50 | 306.50 |
| Lokomotiv-Akt. -Geſellſchaft Wr. ...... 25. — | 685. — | 695. — |
| dto. v. G. Sigl, Wr. -N. 16· — | 480. — | 490. — |
| Montan-Geſ., öſterr. -alpine | 581.75 | 532.75 |
| Prager Eiſeninduſtrie-Geſ. | 2690 | 2700 |
| Trifailer Kohlenwerks-Geſ. | 2[88]. — | 285 — |
| Türk. Tabakregie-Geſ. p. Ult. | 379.50 | 381. — |
| Waffenfabriks-Geſ., öſterr. | 550. — | 557.50 |
| Waggon-Leih-Geſellſchaft allgem. in Peſt .... | 615. — | 620. — |
| Wiener Baugeſellſchaft .. | 161. — | 162. — |
| Wienerberger Ziegel - und Baugeſellſchaft .... | 860. — | 866. — |
| L. Debiſen. | ||
| Deutſche Bankplätze ... | 117.25 | 117.45 |
| London ......... | 240.05 | 240.30 |
| Italieniſche Bankplätze .. | 95.43 | 95.55 |
| Paris ......... | 95.48 | 65.60 |
| Schweizer Plätze .... | 95.45 | 95.60 |
| M. Valuten. | ||
| Kaiſerliche Münzdukaten. | 11.35 | 11.39 |
| Zwanzig-Franks-Stücke .. | 19.10 | 19.12 |
| Zwanzig-Mark-Stücke .. | 23.47 | 23.55 |
| Sovereigns ....... | 23.95 | 24.03 |
| Deutſche Reichsbanknoten für 100 R. -Mk. ..... | 117.2[5] | 117.45 |
| Ital. Banknoten f. 100 Lire | 95.40 | 25.55 |
| Rubelnoten ....... | 2.53 | 2.54 |
Heransgeber Dr. F. Funder, Wien. — Berantwortlicher Redakteur Franz Winter, Wien. — Druck von Ambr. Opitz’ Nachfolger, Wien.
Wir haben kürzlich die Ziffern der Ehe - ſchließungen in Wien mitgeteilt, die ſich ſeit Jahren ziemlich gleichmäßig auf derſelben Höhe halten. In Deutſchland iſt das Zählungsergebnis nicht ſo günſtig. Danach ermäßigte ſich, während auf je 1000 Einwohner in den Jahren 1899 und 1900 durchſchnittlich 8·5 Eheſchließungen entfielen, dieſer Satz in den beiden folgenden Jahren auf 8·2 und 7·92. Im Jahre 1903 war die Zahl 7·91 vom Tauſend. Man iſt mancherorts geneigt, für dieſen Rückgang der Eheſchließungen die Frauen-Emanzipation verantwortlich zu machen. Profeſſor Gotthold Schellenberg richtet in Bezug auf die Emanzipation beherzigenswerte Worte in der „ Straßburger Poſt “an eine Mutter. Scharf beleuchtet er den Kampf, den die Frauenrechtle - rinnen führen, um die Frau in allen Berufen dem Manne gleichzuſetzen. Profeſſor Schellen - berg iſt wohl durchaus kein unbedingter Gegner des Frauenſtudiums, aber er möchte es nur als Ausnahme gelten laſſen. Die Frau ſoll gewiß als ein geiſtig ebenbürtiges Weſen an der Seite des Mannes ſtehen; aber ſo lange der phyſiologiſche Unterſchied beſtehe, ſei eine praktiſche Gleichſtellung eine Utopie. Die Frau ſoll nicht ſtudieren, ſondern heiraten. — Man ſoll die Frau nicht ſtudieren laſſen, damit ſie eventuell einem ebenfalls ſtudierten Manne gefalle. Denn der würde ſie doch nicht ihrer Ge - lehrſamkeit wegen nehmen, ſondern wegen ihrer ſonſtigen Eigenſchaften. Ganz unrichtig ſei die Auffaſſung, daß das Studium für die Frau ſpäter einmal als Mutter von Gymnaſiaſten von beſonderem Vorteil ſein könne. „ Wer ſeine Kinder ohne Latein nicht erziehen kann, der bringt es auch nicht mit Latein fertig. Wenn ſich einzelne geiſtig und körperlich günſtig veranlagte Mädchen dem Studium widmen wollen, ſo iſt nichts dagegen einzuwenden, im allgemeinen rate ich ab. “ Und ſo ſollen denn die Töchter in erſter Linie für die Ehe erzogen werden. Das ſoll aber nicht heißen, daß ſie nun die Zeit bis zu ihrer Verheiratung mit unnützen Dingen toiſchlagen ſollen. Gewiß mag ſie ſich einem Beruf ergeben, aber nur einen, der ihrer Neigung entſpricht, und der auch der ſpeziell weiblichen Veranlagung näher kommt. Da iſt das Lehrerinnenſeminar, da ſind — wenn Talent vor - handen iſt — die ſchönen Künſte; und in reiferem Alter iſt auch die Erlernung der Krankenpflege ratſam. Vor allem aber das Studium des Haushalts. Man denke nur ja nicht gering von der Arbeit des Hauſes, als ſei ſie einer Frau von Geiſt unwürdig. Auch ein großer Teil des Dienſtbotenjammers habe ſeinen Grund darin, daß die Frau vielfach vom Mädchen Dinge verlangt, die ſie nicht ver - ſteht. Scharf geht Schellenberg gegen die Mütter vor, die ihre Töchter um jeden Preis an den Mann bringen wollen: „ Zum Heiraten kommt man am beſten durch Vorbereitung zum Nicht - heiraten. Ihre Tochter ſoll heiraten, aber nicht heiraten müſſen. “ Und darum ſei es notwendig, die Erziehung ſo zu geſtalten, daß das Mädchen einmal auf eigenen Füßen ſtehen kann. Doch nicht nur die Töchter ſollen für die Ehe erzogen werden, auch die Söhne. „ Am beſten erreichen wir das, indem wir ihnen das Beiſpiel einer guten Ehe vorleben. “
Durch verſchiedene deutſchvolkliche Blätter geht jetzt eine tiefweiſe Betrachtung der Vorgänge in Traiſen. Es heißt da mit Hinweis darauf, daß Kroaten und Slovaken derzeit den Beſtand der Arbeiter in jener Fabriken ausmachen: „ Der Slave tritt ſofort an die Stelle des deutſchen Arbeiters und ringt ihn nieder. Wenn den türkiſchen Zuſtänden im Streikgebiet nicht ein raſches Ende gemacht wird, ſo werden ſich in dieſer urdeutſchen Gegend ſehr bald ſlaviſche An - ſiedler bemerkbar machen, die nie mehr fortzu - bringen ſind. In der Weiſe wurden in den letzten Jahrzehnten Tauſende von deutſchen Orten von Slaven übervölkert und blühende deutſche Indu - ſtriebezirke, in denen Eintracht und bürgerlicher Wohlſtand herrſchte, in von erbitterten nationalen Kämpfen umſtrittene Gebiete umgewandelt. “
Sehr richtig, dieſe Wahrheit iſt unumſtößlich. Merkwürdig iſt nur, daß derjenige, der nach Traiſen die ſlaviſchen Arbeiter gerufen hat, Herr Fabrikant Lenz, der Führer der deutſchvolklichen Abfallsbewegung im Traiſentale war. Die Anklage der deutſchnationalen Preſſe iſt alſo gegen einen ihrer intimen Geſinnungsgenoſſen gerichtet.
Die Bevölkerung von Wien hat nach der Er - höhung der Fleiſchpreiſe eine Aktion der Kommune erwartet und ſie iſt nicht enttäuſcht worden. Der unſerem Bürgermeiſter eigenen Raſchheit und kräftigen Initiative iſt es zu danken, daß bereits ein energiſcher Schritt gegen die Verteuerer unter - nommen wird. Vorläufig wenigſtens iſt ihnen ein „ Bisherund nicht weiter “zugerufen. Allerdings konnte eine momentane Herabſetzung der Fleiſchpreiſe durch die Kommune nicht durchgeführt werden, allein es läßt ſich die Hoffnung ausſprechen, daß eine Herabſetzung erfolgen und eine abermaligePreisſteigerung — wie ſie von den Fleiſchhauern bereits angedroht worden iſt — unmöglich ge - macht wird.
Die kommunale Aktion beſteht laut Stadt - ratsbeſchluß in der Errichtung von Detail - ver kaufsſtänden der Großſchlächterei-Aktien - geſellſchaft; ferner wird mit jenen Fleiſchhauern, die auf Gemeindegründen ihre Stände be - treiben, verhandelt werden und ſchließlich ein Verzeichnis jener Fleiſchhauer angelegt werden, die in ungerechtfertigter Weiſe die Preiſe hinauf - geſchraubt haben. Die Beſchlüſſe lauten:
1. Die Großſchlächterei-Aktiengeſellſchaft wird aufgefordert, mit der Errichtung von Detail - fleiſchverkaufsſtänden in den einzelnen Bezirken, in erſter Linie im 10., 16. und 20. Be - zirke, eheſtens vorzugehen und wird die Gemeinde die erforderlichen Plätze gegen den üblichen Pacht - zins zur Verfügung ſtellen.
2. Der Magiſtrat wird beauftragt, mit jenen Fleiſchhauern und Fleiſchverſchleißern, welche ihre Stände auf Gemeindegründen betreiben, zu verhandeln, damit keine ungerechtfertigten Preiserhöhungen von denſelben vorgenom - men werden, und über das Ergebnis an den Magiſtrat zu berichten.
3. Der Magiſtrat wird beauftragt, nach den einzelnen Bezirken namentliche Verzeich - niſſe der Fleiſchhauer und Fleiſchverſchleißer anzulegen und bei jedem anzugeben, ob eine ungerechtfertigte Preiserhöhung des Fleiſches in ſeinem Verkaufsſtande vorgenommen wurde oder ob die Preiſe konſtant geblieben ſind.
Im großen und ganzen war der Haupt - grund, der dieſe Beſchlüſſe ſchuf, die Erkenntnis des Mangels der Berechtigung der Fleiſch - hauer, neuerlich, nach den Steigerungen im April, Mai und Juni, die Preiſe zu erhöhen. Im April und Mai wer der Preis für das Kilogramm Rindfleiſch um fünf Heller an einzelnen Ständen erhöht worden. Im Juni waren 196 Verkaufs - ſtellen dieſem Beiſpiele gefolgt und hatten wohl als „ Entſchädigung “dafür, daß ſie nicht ſchon im April ihren Kunden höhere Preiſe vorge - ſchrieben hatten, die Preiſe um acht bis zehn Heller erhöht. Und nun im Anguſt ließen weitere 226 Fleiſchhauer, beziehungsweiſe Fleiſchverſchleißer eine Preiserhöhung eintreten, die ſich mit 20, 30, ſogar 40 Heller per Kilogramm beziffert. Dieſe Steigerung iſt nun nach Angaben der Vertreter der Aktien-Großſchlächterei nicht gerechtfertigt, denn ſie wäre zu vermeiden geweſen, wenn die Fleiſchhauer ihren Bedarf bei der Großſchlächterei decken wollten. Aber das wollen ſie nicht und ſie haben ſich auf dieſe Weiſe eine Rechnung zuſammengeſtellt, die von der Bevölkerung bezahlt werden ſoll. Das
Am 4. d. iſt die Wirtin der „ Göſtingerhütte “bei Graz hochbetagt geſtorben. Von ihr erzählt ein Touriſt in der „ G. Tp. “einige nicht üble Anekdoten: Zur Zeit, als das Stubenberghaus auf dem Schöckel noch nicht eröffnet war, pflegten manche Touriſten eine ſogenannte „ Krainerwurſt “, mitzunehmen, um ſie ſich in der „ Göſtingerhütte “, die ſehr be - ſcheidene Unterkunft bot, wärmen zu laſſen. Einſt ſaßen einige Gäſte in der niedrigen Stube, denen ſich bald ein weiterer zugeſellte. Der zuletzt Ge - kommene entnahm ſeinem Ruckſack eine geſelchte Wurſt und bat die alte Frau, ſie ihm heiß zu machen. „ Gebn S’ nur her, i hab eh grad a Teewaſſer aufgeſtellt! “ So bekamen die einen ihren „ geſelchten “Tee, in dem die Fettaugen herum - ſchwammen, der andere eine „ Teewurſt “. Es ſoll ihnen aber nicht geſchadet haben. — Einſt erklomm ein Berliner die Alm. Er hätte gern etwas zu eſſen beſtellt, wußte aber als Fremder nicht recht, was er begehren ſollte. Da ſah er, wie ſich ein anderer Bergſteiger Schwarzbrot mit Butter ſchmecken ließ. „ Sie jute Frau, jeben Se mir och mal ſo’ ne Butterſtulle! “ſprach er die Alte an. Die Göſtingermutter rührte ſich nicht. „ Nanu, haben Se nich jehört? Ick möchte och mal ſone Butterſtulle haben! “ Die Angeredete blickte den Berliner groß an, ſchüttelte den Kopf und ſtrickte weiter. „ Jetzt möchte ick doch wiſſen, ob ick ſone Butterſtulle kriejen kann oder nich! “ Nun kam Leben in die Alte. „ Sö, wann S’ auf die Olm gengan, müaßn S’ deutſch reden. Ihna Kaudawelſch vaſteh i net! “
Aus London wird uns berichtet: Man lieſt bisweilenin Märchen, daß die Zauberer ſich an irgend einem unterirdiſchen Ort oder auf der Höhe eines nie betretenen Berges verſammeln, um über die Geſchicke der armen Menſchenkinder Gericht zu halten. Dieſe Phantaſie der Märchen wird jetzt in London zur Wahrheit. Zauberer kommen von Weſten, von Süden, aus allen Teilen der Welt und ſchließen ſich zu einer Geſellſchaft zuſammen, die der Nachwelt unter dem Namen „ Der Magier - kreis von Großbritannien “bekannt ſein wird. Freilich ſind dieſe Zauberer nur „ Profeſſoren der Geheimkünſte “, Taſchenſpieler und Jongleure, die, wie es in ihrem Programme heißt, „ eine Ver - einigung der Magier aus allen Ländern erſtreben, um ihre Kunſt zu vervollkommen und ſie auf die Höhe einer der ernſten Wiſſenſchaft zu heben “. Die Geſellſchaft wird ihre wöchentlichen Zuſammen - künfte haben, in der die Zauberer, fern von profanen Augen, ihre neuen Tricks bereden, ihre Geſchicklichkeit gegenſeitig bewundern und ihre gemein - ſamen Intereſſen vertreten. Dieſer Tage fand die Hauptverſammlung ſtatt. Ein großer Saal war angefüllt mit den berühmteſten Beſchwörern, Magiern und Illuſionskünſtlern, die man heut - zutage bewundert, mit Leuten, die Papierblumen aus dem Nichts hervorblühen laſſen, Goldſtücke und Meerſchweinchen aus der Luft herunterholen, eine Dame verſchwinden laſſen und durch einen Schuß mit der Piſtole die Beſucher der Galerie in ſchauernde Ehrfurcht verſetzen. Trotzdem verlief der Kongreß in völlig ruhiger und ſachgemäßer Weiſe, von keinem außergewöhnlichen und zauber - haften Ereignis unterbrochen. Weder Meer - ſchweinchen noch Goldſtücke fielen herunter. Der Vorſitzende äußerte ſich dahin, daß der Haupt - zweck der Verſammlung ſei, den häufig auftreten - den Verſuchen entgegenzuſteuern, die das Publikum mit den Methoden der Zauberkunſt bekannt zu machen ſuchen. Es wurde folgende Reſolution an -genommen: „ Jedes Mitglied des ‚ Magierkreiſes‘, das einen Zaubertrick dem Publikum in irgend einer Weiſe enthüllt, ſoll ausgeſtoßen werden “.
Frau M. Eagar, welche ſechs Jahre die Stelle einer Gouvernante am gegenwärtigen ruſſiſchen Hofe einnahm, erzählt in der engliſchen Monatsſchrift „ The leisure hour “(„ Müßige Stunden) eine Reihe außerordentlich intereſſanter Erinnerungen. Einen großen Teil der Erinnerungen nimmt ganz ſelbſtverſtändlich das Leben der kaiſerlichen Kinder und deren Spielgenoſſen ein. Aber auch an anderen Epiſoden aus dem ruſſiſchen Hof - leben iſt die Veröffentlichung der Frau Eagar reich genug. So erzählt die Dame beiſpiels - weiſe folgendes von einer großen Hoffeſtlichkeit: „ Die Saiſon des Jahres 1903 war außerordent - lich glänzend. Ihr größtes Ereignis war der berühmte Koſtümball, welcher zuerſt in dem alten Teil des Winterpalaſtes gegeben, und dann auf Wunſch verſchiedener Ge - ſandtſchaften im neuen Teil des Palaſtes wieder - holt wurde. Alle Anweſenden trugen Koſtüme wie ſie zur Zeit des Kaiſers Alexis, des Vaters Peters des Großen getragen wurden. Die Kaiſerin hatte ſich wie Alexis erſte Frau gekleidet und ihre Hofdamen hatten ihre Trachten auf Grund alter Gemälde und Koſtüme anfertigen laſſen, die zu jener Zeit am Hofe getragen wurden. Das Kleid der Kaiſerin war geradezu wundervoll. Es war mit Gold und echten Perlen garniert, die ganze Vorderſeite war mit koſtbaren Steinen geſchmückt und zwei ſtarke Perlenſchnüre hingen von jeder Seite herab. Kleid und Juwelen hatten zuſammen einen Wert von über eine Million Rubel.
Eine ſehr berechtigte Kritik knüpft die „ Nordd. Allgem. Ztg. “an die Vorliebe mancher Bühnenkünſtlexinnen für merk -
Regiſter hat aber ein Loch, die Rechnung iſt unrichtig, die Fleiſchhauer ſind zu dieſer Erhöhung nicht berechtigt. Umſomehr komiſch klingt dann die Verſicherung der Genoſſenſchaft der Fleiſchhauer, die lautet:
„ Die Bevölkerung von Wien wird trotz aller Entſtellungen der Sachlage auf die Seite eines Gewerbes teten, das unter der Ungunſt der Zeiten und der Gehäſſigkeit ſeiner Gegner einen verzweifelten Kampf um ſeine Exiſtenz führt. Zur Beſeitigung der wahren Urſachen der Fleiſchteue - rung werden die Wiener Fleiſchhauer ſtets Schulter an Schulter mit der Bevölkerung Wiens kämpfen! “
Dieſe Aufforderung zum gemeinſamen Kampf — wohl gegen die Aktien-Großſchlächterei — klingt wie eine Ironie. Die Bevölkerung, die ſie höhere Preiſe zahlen laſſen, ſoll jetzt die Fleiſch - hauer retten! Die allgemeine Zuſtimmung, welche die Aktion der Kommune findet, iſt die ent - ſprechende Antwort.
Es erübrigt ſchließlich noch, den Stadtrats - beſchlüſſen einige Worte zu widmen. Es wird die Errichtung von Detailverkaufsſtänden in den ſogenannten Arbeiterbezirken vorgenommen. In Favoriten, Ottakring und in der Brigittenau, wo gerade die ärmeren Schichten der Stadt unter den Laſten der Teuerung zu leiden haben. Dort kommt in vielen Familien nicht einmal täglich Fleiſch auf den Tiſch. Allein auch in manchem anderen Viertel der Stadt Wien würde man die Detailverkaufsſtände begrüßen. Die beiden übrigen Punkte beweiſen wohl deutlich, daß man im Rathauſe Ernſt macht und zu den ſchärferen Mitteln greift. Die Berechtigung dazu iſt vor - handen, auch zur Anlegung einer Liſte der Fleiſchhauer, die ungerechtfertigt mit den Preiſen in die Höhe gingen, oder — nach ihrem Fach - ausdruck — „ verkaufen, wie ſie wollen. “ Das Gros der Bevölkerung, vielleicht mit alleiniger Ausnahme der Fleiſchhauergenoſſenſchafts-Mit - glieder, begrüßt die Aktion der Kommune, die es wenigſtens vor weiteren Steigerungen ſchützen wird.
Als erſte Première der kaum geborenen Saiſon kam das alte kon - feſſionelle Verſöhnungsdrama „ Deborah “von Moſenthal zur Aufführung. Die liberale Preſſe ſchmunzelt behaglich dazu, wie ſie es jedes - mal tut, wenn „ Nathan der Weiſe “über die Bretter geht und wie ſie es kürzlich getan, als man im Luſtſpieltheater „ Einer von unſere Leut’ “
würdige Vornamen. Ehedem warteten es die Damen vom Theater ab, bis das Publikum ſie liebgewann und ſie dann mit ihrem Vornamen oder gar mit einem Schmeichelnamen bezeichnete. Jetzt ſtellen ſie ſich ſofort mit einem ſolchen vor. Sie erteilen ſich gewiſſermaßen ſelbſt eine Aus - zeichnung, die ſie ſich vom Publikum doch erſt zu erwerben hätten. Die Vornamen, auch der be - rühmteſten Sängerinnen pflegte man früher nicht zu nennen. Von Adeline Patti ſprach man nur, um ſie von der Schweſter Carlotta zu unter - ſcheiden. Doch wurde es allmählich Brauch, die Vornamen anzuführen. Dann erſchienen ſie aber ſtets in ihrer richtigen Form. Die Sontag nannte ſich nicht Jetty, Jettchen oder Jetka, ſondern Henriette, die Wagner nicht Hanſi, ſondern Johanna, die Schröder nicht Wilma, ſondern Wilhelmine, die Lucca nicht Pauli, ſondern Pauline. Bald aber fings mit den Koſe - und Kindleinnamen an. Und nun ergoß ſich eine ganze Flut von Schmeichel - namen über uns, mit denen Bildnerinnen be - zeichnet zu werden wünſchten — Lola, Lula, Lolo, Lulu und Lu, Nuſcha, Mizzi und Lizzi, Pepi und Poldi, Tilly und Milly, Mia und Lia, Otti und Marga. Die ſchon zehn Jahre lang als Hedwig geſungen hatte, bekam über Nacht den Einfall, ſich von jetzt ab als Heddy auf den Zettel ſetzen zu laſſen. Man kann nur immer wiederholen, daß es unſeren ganz großen Künſtlern beiderlei Geſchlechts immer mehr darauf ankam, eine melodiſche Stimme als einen melodiſchen Namen zu haben! Und es iſt ihnen auch immer noch ſo gegangen wie es einmal Lord Byron von Grillparzer prophezeit hat: Der Name iſt ſchwer auszuſprechen, aber man wird ſich ihn merken müſſen! “
ausgrub. Aber die Wiener werden ſich auch durch die Parfümierung der älteſten Bühnenliteratur nicht von ihrem Antiſemitismus bekehren laſſen. Frl. Reingruber und die Herren Bauer und Popp ſpielten gut.
Samstag ſahen und hörten wir das „ Unterbrettl “, ins Pechſchwarze überſetzt. Was einſt „ Sereniſſimus “war, iſt jetzt der König von Borneo mit dem ſchönen etwas an Lerchenfeld gemahnenden Namen „ Schiabidennetean “. Auch er hat an der Spitze ſeiner Leibgarde einen vielverwendbaren Mentor, welcher echt borneſiſch „ Kochmitgas “heißt, ſich aber von ſeinem europäiſchen Vorläufer Kinder - mann dadurch unterſcheidet, daß er, ſobald eine Bemerkung ſeinem königlichen Herrn nicht gefällt, ſofort ordentlich „ triſchakt “wird. Der König und ſein Faktotum nehmen in einer Loge Platz, gegenüber in der anderen Loge ſitzen der Privatier Futter - bandl und ſeine Tochter Lori, die beide vom König zu ſich herübergewinkt werden. Futterbandl iſt hierüber ſo geſchmeichelt, daß er ſich und der Lori bevor ſie der Einladung folgen, mit Schuhwichſe das Geſicht tätowiert. Dann erſt begeben ſich Vater und Kind in die Loge des Königs und nun beginnt unter den Gloſſen Futterbandls und des Königs die Unterbrettl - Vorſtellung, welche teils von den wirklichen Niggern, welche Direktor Steiner jetzt engagiert hat, teils von angeſtrichenen Europäern beſorgt wird, die dem Wiener Theaterbeſucher nicht ganz unbekannt ſind: Gottsleben, Rakowitſch, Greisnegger, Godai, Becker, Neumann ꝛc. Die Schwarzen und die Pſeudoſchwarzen tanzen und ſingen dabei ſo flott, daß man ſie auf Grund ihrer Leiſtungen kaum von einander unterſcheiden kann. Schließlich tauchen zur allgemeinen Heiterkeit auch im Zuſchauerraum alle möglichen Afrikaner und Solche, die es ſcheinen wollen, auf und ein großer Zug bewegt ſich auf mehreren Treppen über die Köpfe der Muſiker hinweg auf die Bühne. Alles tanzt Cake-Walk, natürlich auch der König, Futterbandl ꝛc. und unter allgemeinen Halloh fällt der Vorhang. a. v. b.
In Hamburg ſoll im November d. J. ein Kongreß der Bühnen - angehörigen Deutſchlands abgehalten werden. Für dieſen Kongreß, zu dem auch General-Intendant von Hülſen ſein Erſcheinen zugeſagt hat, werden ſchon jetzt die Vorbereitungen getroffen.
Der hochwürdige Herr Kanonikus und Propſt der St. Mauriz-Kirche in Olmütz, Freiherr von Grimmenſtein, wurde zum päpſtlichen geheimen Kämmerer ernannt. — Der Kaiſer hat den Pfarrer in Hörſching Ernſt Laninger zum Probſtpfarrer in Mattighofen ernannt.
Einer der älteſten Geiſt - lichen von Ofen-Peſt, Pfarrer, Titularbiſchof Bela Moritz Kanovich, iſt geſtorben. Im vorigen September feierte Abtpfarrer Kanovich ſeine goldene Meſſe, aus welchem Anlaſſe ihm die Würde eines Titularbiſchofs verliehen wurde.
Der ſeit dem Jahre 1847 beſtehende Maria Drei-Eichen-Verein unternimmt am Mon - tag den 14. d. M. eine Sühn-Prozeſſion nach Maria Drei-Eichen. Fahrpreis tour und retour mittels Sonderzuges, ſamt kirchlichen Auslagen Kronen 4.40. Näheres enthalten die an den Kirchen affichierten Plakate.
Am 23. Juli unternahm der Beamte der Autorengeſellſchaft, Franz Kutſchera, in Begleitung zweier Freunde, einen Ausflug nach Mödling und kehrte in dem Gaſthauſe des Franz Tiſchler ein, in welchem Wiener Muſik ſpielte. Plötzlich erſchien der Gaſtwirt Tiſchler bei dem Tiſche, an welchem die drei Freunde Platz genommen hatten und richtete an Kutſchera die Frage, ob es wahr ſei, daß er Beamter der Wiener Autorengeſellſchaft iſt. Kutſchera gab es unumwunden zu. Daraufhin begann Tiſchler, der zu jenen Gaſtwirten gehört, die ihren Gäſten wohl das neueſte Muſikprogramm bieten, aber keinerlei Tantièmen zahlen wollen, in der derbſten Weiſe auf die Autorengeſellſchaft zu ſchimpfen. Kutſchera forderte ihn in ruhigem Tone auf, ſich zu mäßigen, was jedoch den Wirt nur noch mehr aufbrachte. Endlich verließen die drei Freunde das Lokal. Als ſie einige hundertSchritte von dem Gaſthauſe entfernt waren, be - merkten ſie, daß ihnen zwei Männer aus dem Gaſthauſe folgten. Sie wurden von denſelben bald eingeholt und attackiert. Auf die ruhige Aufforderung der Herren, ſie in Ruhe zu laſſen, nahmen die beiden Männer eine drohende Haltung ein. Während es den beiden Freunden Kutſcheras gelang, das Weite zu ſuchen, wurde Kuiſchera in der roheſten Weiße miß - handelt. Die Männer ſtürzten ſich auf ihn, warfen ihn zu Boden, ſchlugen ihn ins Geſicht, traten ihn mit Füßen, entwanden ihm ſeinen Spazierſtock, den ſie zerbrachen und über eine Planke auf das Bahngeleiſe ſchleuderten und dann erſt kehrten ſie lachend ins Wirtshaus zurück. Kutſchera, der Verletzungen am Kopf, im Geſicht, an beiden Armen und am linken Oberſchenkel er - litten hatte, ſchleppte ſich mühſam bis Mödling, wo er ſich von Dr. Nappa ein ärztliches Parere ausſtellen ließ und bei der Gendarmerie die An - zeige erſtattete. Die beiden Angreifer wurden von der Gendarmerie bald eruiert. Es ſind die in Mödling wohnhaften Handwerker Johann Dorn und Johann Pürkner. Vorgeſtern hatten ſich Beide vor dem Bezirksgerichte in Mödling zu verantworten. Sie verſuchten es, die Sache ſo darzuſtellen, als ſeien ſie von Kutſchera und ſeinen Freunden provoziert worden. Dieſer Verſuch miß - glückte jedoch gänzlich und Dorn und Pürkner wurden zu einer Geldſtrafe von je 30 Kronen, eventuell 48 Stunden Arreſt, ferner zum Erſatz der Gerichtskoſten und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an Kutſchera verurteilt.
Im Einvernehmen mit dem Finanzärar hat die Juſtizverwaltung ein Projekt entworfen, das die Verlegung des derzeit im Juſtizpalaſte untergebrachten Handelsgerichtes und des ebendort befindlichen Exekutionsgerichtes in einen an Stelle des uralten Jakoberhofes zu errichtenden neuen Monumentalban bezweckt. Noch im Laufe dieſes Jahres ſoll mit der endlichen Demolierung des eine bedeutende Area umfaſſen - den Reſtes vom Jakoberhof begonnen werden, nachdem für die Unterbringung der im Hauſe noch vorhandenen Amtsabteilungen anderweitig vorgeſorgt ſein wird. Das neue Gerichtsgebäude wird das Handelsgericht, das Exekutions - gericht und eine neue große Exekutions - halle enthalten, in der ſämtliche vom Ge - richte bewilligten Verſteigerungen in Zukunft abgehalten werden ſollen. Es iſt auch beſchloſſen worden, das derzeit in der Hegelgaſſe befindliche Franz Joſefs-Gymnaſium in einen der Trakte des Neubaues zu verlegen. Für die beſchriebene Trans - aktion war maßgebend, daß die Jakoberhofrealität hinſichtlich ihrer Lage im Stadtzentrum ſich ganz beſonders für die Errichtung eines Zentralgerichts - gebäudes eignet. Andererſeits war es der Raum - mangel im Juſtizpalais, der notwendig entſprechende Abhilfe erforderte.
Bekanntlich iſt der wegen Bigamie zu vier Mo - naten einfachen Kerkers verurteilten Frau Lützow - Hervay die Haft in vier Wochen Arreſts umge - wandelt worden. Die Verurteilte hat an das Kreisgericht ein Geſuch eingebracht, in welchem ſie um Siſtierung des Strafvollzuges bittet. Sie macht ihren krankhaften Gemütszuſtand als Grund geltend und hat mehrere ärztliche Atteſte beigelegt, in denen dies beſtätigt wird. Das Gericht beſchied dieſes Geſuch abſchlägig und forderte Frau Lützow-Hervay auf, am 1. Sep - tember die Strafe anzutreten. Es iſt wirklich die höchſte Zeit, daß man mit dieſer Abenteurerin zu Ende kommt.
Die Orts - gruppe Joſeſſtadt ladet alle Mitglieder ein, zu der am Mittwoch um ½9 Uhr abends in Haindls Reſtauration „ zum Senator “, Reichsratsſtraße 19, ſtattfindenden außerordentlichen Verſammlung zu er - ſcheinen. Die Tagesordnung wird jedem Mitgliede zugeſendet werden.
Pfarrgruppe Breitenfeld. Am Sonntag um 7 Uhr abends findet in J. Simſons Reſtaura - tionsgarten, Ottakringerſtraße 24, die Monatsver - ſammlung mit gemütlichen Unterhaltungen unter Mitwirkung der „ Deutſch-chriſtlichen Volksbühne “ſtatt.
veranſtaltet am Sonntag den 13. Auguſt bei ſchöne[m]Wetter in Waidringers Gaſthausgarten 16. Bezirk Neulerchen - felderſtraße Nr. 92 ein Gattenfeſt. — Bei ungünſtiger11179 Wien, Dienstag Reichspoſt 8. Auguſt 1905Witterung findet das Feſt am 15. (Feiertag) oder am 20. Auguſt ſtatt. Entree im Vorverkauf 50 Heller an der Kaſſa 60 Heller. Um zahlreichen Zuſpruch wird gebeteu. Alle Zuſchriften und Anfragen ſind an Franz Müller 16. Bez., Neulerchenfelderſtraße Nr. 74 zu richten.
Namens des Subkomitees des zu einer ſo traurigen Berühmtheit gelangten Dualismus - ausſchuſſes haben die Abgeordneten Dr. Prade und Dr. Tollinger ſoeben einen Bericht über die finanzielle und volkswirtſchaftliche Bedentung der gemeinſamen Zolleinnahmen im Staatshaushalte der Monarchie und Oeſterreichs fertiggeſtellt. Die Beitragsleiſtungen Ungarns zu den gemeinſamen Staatsſchulden und die Gemeinſamkeit der Er - trägniſſe des Zollgefälls blieben im Laufe der Jahre trotz der Aenderungen der Quote unver - ändert. Erſt die Surtaxe auf Zucker ſtörte dieſes Verhältnis und machte den Anfang zu einer Zwiſchenzollinie. Auch die aus dem Jahre 1820 ſtammende unter dem Namen „ Tiroler Ge - treideaufſchlag “bekannte Konſumſteuer müſſe als dem Zoll - und Handelsbündniſſe nicht entſprechend aufgehoben werden. Der Bericht weiſt dann nach, daß Oeſterreich von den Zolleinnahmen 80%, an Quote 66 $$\nicefrac{46}{49}$$ % bezahlt, dazu kommen noch die Surtaxe auf Zucker, die Teilung der Erträgniſſe der Oeſterreichiſch - ungariſchen Bank. Eine eventuelle Trennung des gemeinſamen Wirtſchaftsgebietes würde ſich nur unter einer wirtſchaftlichen und finanziellen Kriſe vollziehen. Dieſe Kriſis würden wir in Oeſterreich leichter überſtehen als die Ungarn. Uns bleiben für den Fall der wirtſchaftlichen Trennung 80% der geſamten Zolleinnahmen, ja, dieſe Einnahmen werden durch das Erträgnis der gegen Ungarn errichteten Zollinie noch erhöht, die Ueberweiſungen aus den Verzehrungsſteuern hören auf und unſere Quote muß nach der Rekrutenziffer auf 52% des Erforderniſſes für Armee und Marine ſinken. Die Trennung der Bank, wenn auch dieſe durchgeführt wird, führt zu einer Ver - billigung des Zinsfußes bei uns, zu einer Erhöhung desſelben in Ungarn. Weiter ſpricht für uns der größere Nationalreichtum. Endlich kommt uns der weſentliche Umſtand zugute, daß die ſoziale Gliederung unſerer Bevölkerung beſſer durchgebildet iſt als die Ungarns. In Oeſterreich leben etwa 55% der Bevölkerung von der Land - und Forſtwirtſchaft und 45% von Gewerbe, In -duſtrie und Handel, die Bevölkerung Ungarns iſt faſt ganz auf die Landwirtſchaft angewieſen, eine einzige ſchlechte Ernte bringt daher dort ſchon eine weitgehende Erſchütterung des Staats - haushaltes und ein Sinken der Konſumkraft und der Lebenshaltung der Bevölkerung mit ſich, wie eine vergleichende Zuſammenſtellung der Zollein - nahmen aus den Jahren 1904 und 1903 ergibt, wo das Erträgnis der gemeinſamen Zollein - nahmen gegenüber dem Jahre 1903 im Jahre 1904 in Getreide (Tarifklaſſe VIa) um 50·7% geſtiegen iſt, während das Zollerträgnis der Tarifklaſſe XIII (Getränke) in derſelben Zeit um 93·4% geſunken war.
In den letzten Jahren ertönten vielfach Stimmen, die auf eine langſamere Förderung im Steinkohlenbergbau drängten, weil möglicher Weiſe in nicht allzuferner Zeit der Vorrat unſerer Kohlenfelder zu Ende gehen könnte. Man ſchlug deshalb vor, daß namentlich die Ausfuhr ins Ansland unterbunden werden möge, um ſo wenigſtens die „ ſchwarzen Diamanten “zu ſparen. Sicherlich wird dasjenige Land in Zukunft den Konkurrenten auf dem Weltmarkte überwinden, das am längſten ſeiner Induſtrie billiges Heizmaterial liefern kann. Man denke ſich bloß einmal, daß die geſamte Induſtrie auf die heimiſchen Wälder an - gewieſen wäre. Längſt ſtände kein Stamm mehr in irgend einem deutſchen Walde. Woher ſollte auch allein zum Beiſpiel die Holz - kohle für die Rieſenhochöſen unſerer Eiſeninduſ[tri]e geholt werden! Doch die Geologen und Bergbau - kundigen verſichern, daß auf abſehbare Zeit an eine Verſiegung der Kohlenquellen Deutſchlands nicht zu denken iſt. Nach bergbehördlicher Auf - ſtellung genügen die jetzigen Kohlen-Aufſchlüſſe für mindeſtens 200 Jahre; es iſt hiebei aber wohl nur der im Abbau gewonnene Teil der deutſchen Kohlenfelder in Betracht gezogen. Große Kohlenfelder liegen noch unver - ritzt, ſie ſind wohl mit der vorſchriftsmäßigen Mutung belegt. Anders liegt die Sache aber, wenn die Frage der Kohlenverſorgung vom Standpunkte der Geſchäftsintereſſen des Kon - ſumenten geſtellt wird. — Unſtreitig iſt wohl in keinem europäiſchen Bergwerkslande die Syndizierung der Grubenproduktion ſo weit fortgeſchritten wie in Deutſchland. Die Klagen der Abnehmer über rigoroſe Bezugsbedingungen ſeitens der Syndikate wollen nicht verſtummen. Den Rat, ſich eigene Kohlenquellen zu eröffnen, können die benachteiligten Konſumenten ſelbſt dannnicht oder nur höchſt ſelten befolgen, wenn ſie hinreichend kapitalkräftig ſind. Es muß nämlich volkswirtſchaftlich mit der ſchwerwiegenden Tat - ſache gerechnet werden, daß die im Erdinnern lagernden Kohlenſchätze ſich entweder ſchon ganz in feſten Händen befinden oder nur noch nicht zu einem minimalen Teil. In Oberſchleſien iſt faſt gar kein kohlenhaltiges Gelände mehr frei. Hier nimmt der Privatregalbezirk des Fürſten Pleß den größten Raum ein. Ein Fünftel der Kohlenfelder beſitzt der Fiskus. Das andere Terrain iſt her - vorragend im Beſitz der Adelsgeſchlechter Donners - marck, Tiele-Winkler, Balleſtrem, Schaffgotſch, Matuſchka u. ſ. w. und der Induſtie-Aktiengeſell - ſchaften Laurahütte, Donnersmarckhütte u. ſ. w.
Aus Danzig erhielten wir unterm Geſtrigen folgende Privatdepeſche: Anläßlich der hier ſtattfindenden 50. Jubiläumsverſammlung deutſcher, öſter - reichiſcher und ungariſcher Bienenzüchter wurde in Gegenwart der Spitzen aller Behörden eine große internationale Fachausſtellung eröffnet, die auch aus Oeſterreich und Ungarn beſchickt wurde. 250 Delegierte der beteiligten Staaten ſind zu der Verſammlung eingetroffen.
Aus Paris wird der „ Reichspoſt “geſchrieben: Aus verſchiedenſten Gegenden Frankreich meldet man, daß es heuer eine großartige Weinernte geben dürfte. Infolgedeſſen ſind die Weinbauern be - müht, in ihren Kellern Platz zu ſchaffen und ver - kaufen den Wein zu äußerſt billigen Preiſen. Von 20 Centimes (15 Heller) aufwärts bekommt man bereits einen Liter echten Wein in Paris. Feinen Wein von 75 Centimes aufwärts, einen Liter echten Bondeaux um einen Franken.
Das k. k. öſter - reichiſche Handelsmuſeum gibt nachſtehende Fallimente bekannt: In Belgrad: Milorad S. Markovic, Alerinac, Rajko M. Popovits, Belgrad, Mihajlo O. Zſirkovits, Palanka; in Niſch: Anta Gj. Miſchtovic, Pirot, Milorad S. Markovie, Alexinac. — Die Erportabteilung der niederöſterreichiſchen Handels - und Gewerbekammer teilt die folgenden Konkurſe in der Schweiz mit: Fran Heß-Bean in Zürich, Ganz Jean in Zürich, Malermeiſter, Trepte Ernſt in Zürich, Baumeiſter, Störy A. in Goldau, elektro - techniſches Inſtallationsgeſchäft, Petitjean-Baumann Alfons in Baſel, Baumeiſter.
Linz 4 76 32 82 11
Trieſt 44 11 41 64 9
48 Nachdruck verboten.
Ein Offizier, welcher der Republik dient, iſt eben Republikaner; wir haben nur das Recht, darüber zu urteilen, ob er als Soldat ſeine Pflicht tut oder nicht. Aber wir dürfen unſer Urteil nicht durch die Erwägung beeinfluſſen laſſen: iſt der Mann guter Repubikaner oder nicht? Das iſt meine unerſchütterliche Meinung. Die Offiziere werden mich fragen, warum ich ſo lange mit meinem Urteil hintangehalten habe. Das erklärt ſich ſehr einfach. Ich wollte ſehen, wieweit die Abhängigkeit des Offizierskorps von der jeweiligen politiſchen Strömung geht, und ich habe mit Bedauern geſehen, ſie geht ſo weit, daß ſie der Ritterlichkeit, die jedem Offizier innewohnen ſollte, unwürdig iſt. So, wie meine Offiziere geſtimmt haben, ſtimmen Leute, die im Gehorſam gegen den Nationalkonvent und deſſen Kommiſſare aufgehen. In politiſchen Dingen laſſe ich mir das gefallen, in militäriſchen laſſe ich mir nicht dreinreden. Eine gleiche Auffaſſung bekundigte der Angeklagte, Major Bonneval als er bei der Belagerung Lerochers durchaus ſelbſtändig verfuhr. Wir kommen nun zu folgendem ſonderbarem Ergebnis: meine Offiziere alle, die dem Kriegsgericht zuge - hören, erklären ihn für ſchuldig und verurteilen ihn zum Tode. Ich, der Vorſitzende ſpreche ihn frei, ja lobe ſein Verhalten. Ich ſuspendiere da - her das Urteil und berichte an das Kriegs - miniſterium in Paris. “
Die Wirkung der langen Rede des Komman - dierenden auf die Offiziere war eine ungeheure. Der General, der wegen ſeines erbarmungsloſen Haſſes gegen die Ariſtokraten bekannt war, unter deſſen Augen ſich die Greuel in Nantes vollzogen, die an Scheußlichkeit die Blutorgien von Parisübertrafen, nahm den hochgeborenen Major in Schutz, der um eines royaliſtiſchen Vicomtes willen einen Soldaten der Republik getötet hatte! Aber es war der General, der ſprach, der General, der, bei aller Gemütlichkeit im Verkehr in den dienſtfreien Stunden, als Vorgeſetzter von unerbitterlicher Strenge war. Und der hatte ſich in der ſchärfſten Form gegen ſie alle ausgeſprochen — und hatte er nicht recht? Nur daß ſie ſich die Sachlage vorher nicht ſo eingehend klar gemacht hatten wie der General, der ſich bei ſeinem republikaniſchen Feuereifer doch noch einen objektiven Geſichtspunkt bewahrt hatte.
Eine längere Erörterung begann. Mit großem Geſchick wußte Broſſard, der Wortführer der Offiziere, es dahin zu bringen, daß ſich alle Offiziere der Anſicht des Generals anſchloſſen; die Sache war zwar peinlich, aber nachdem Broſſard das erlöſende Wort geſprochen, tönte ihm lebhafter Beifall entgegen.
Canclaux nahm die Sinnesänderung mit Gleichmut entgegen und diktierte dem Protokoll - führer: Nachtrag. Nach eingehender Diskuſſion wird der Angeklagte, Major Bonneval, nicht nur völlig freigeſprochen, ſondern auch wegen ſeines Verhaltens gelobt. —
„ Ich könnte die Sitzung aufheben, “fuhr der General fort, „ aber es iſt an mich ein Schreiben ſeitens des Konventskommiſſars Eyrioux gekommen mit der Bitte, ihm die Ermächtigung zu erteilen, den Major Arthur Bonneval wegen verſtockter royaliſtiſcher Umtriebe vor das Revolutions - tribunal zu ſtellen. Ich bitte, hierüber abzu - ſtimmen. “
Sämtliche Offiziere verſagten die Ermächtigung.
„ Ich aber, “rief Canclaux aus, „ überliefere Bonneval dem Tribunal, wenn ihm das verfaſſungs - mäßige Recht gewährt wird, ſich ſelber einen Ver - teidiger zu ſtellen. “
Arthur ſtand vor dem Revolutionstribunal und verantwortete ſich. Der Kommiſſar Eyrioux fragte ihn, und als Beiſitzer war Leon, Arthurs Haldbruder, zugegen, der denndoch wenigſtens ſo viel Scham hatte, das offene Auge Arthurs zu meiden. Die Dinge, deren Arthur beſchuldigt wurde, waren lächerlich im Auge des Unbefangenen; dem Gegner er - ſchienen ſie gewichtig. Und wer in jenen grauſen Tagen nur den Verdacht erregte, kein geſinnungs - treuer Republikaner zu ſein, war ſchon verloren. Das Schlimmſte, deſſen man Arthur beſchuldigen konnte, war, daß er den Mädchen Breſſuires in ſeinem Schloſſe eine Zuflucht gewährt habe, und jede Frage, die hierauf Bezug hatte, ward von Arthur mit Feſtigkeit und einer Art inneren Stolzes beantwortet.
Eyrioux ließ ſeine kleinen Augen in dem Saale, in dem die Verhandlung ſtattfand, umher - ſchweifen.
„ Wünſcht noch jemand für den Angeklagten das Wort zu ergreifen? “fragte er in geſchäfts - mäßigem Tone, ſicher, daß ſich niemand melden werde.
Aber ein kräftiges „ Ich! “erſcholl und General Canclaux erhob ſich nach vorne. Allge - meines Erſtaunen, allgemeine Aufregung.
Canclaux warf das ganze Gewicht ſeiner Perſönlichkeit in die Wagſchale und ſelbſt der Konventskommiſſär erbleichte, als der hier all - mächtige General ungeduldig mit dem Säbel raſſelte. Sein Eintreten hatte eine überraſchende Folge. Arthur ward freigeſprochen.
Ein kurzes Billett beſtellte Arthur zum General Canclaux. Er ging zu ihm und fand einige Wvrte des Dankes für ſein hochherziges Eintreten.
„ Ihr ſeid mir keinen Dank ſchuldig “, er - widerte Canclaux, „ Ihr verdankt Eure Rettung lediglich Eurer Perſönlichkeit. Als Ihr Euch zum Dienſt bei mir meldetet, da ſah ich Euch mit Mißtrauen entgegen und hoffte, offen ge - ſtanden, daß Ihr in eine der vielen Fallen, die Euch geſtellt wurden, geraten würdet.
(Fortſetzung olgft.)
Herausgeber Dr. F. Funder, Wien. — Verantwortlicher Redakteur Franz Winter, Wien. — Druck von Ambr. Opitz’ Nachfolger, Wien.
Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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