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Telephon 18082.

XIII. Jahrgang. Wien, Dienstag, 18. September 1906. Nr. 212.

Die Früchte der Koalitions - herrſchaft. (Von einem Mitarbeiter in Ober-Ungarn.)

Daß mit der Uebernahme der Regierung durch die magyariſche Koalition für die Nationalitäten Ungarns eine neue Periode noch größerer Leiden beginne, daß wußte jeder vorurteilsloſe Beobachter unſeres öffentlichen Lebens. Aber wenigſtens hoffte man allgemein, daß mit der Vernichtung der durch und durch korrupten liberalen Partei reinere Elemente zur Geltung kommen und damit gegenüber dem jüdiſch-freimaureriſchen Geiſte der liberalen Aera leichter der chriſtliche Gedanke zum Durchbruche ge - langen werde. Die Leitung der Wahlen in den Nationalitätengebieten und alle bisherigen Taten der jetzigen Machthaber bezeugen aber, daß alles verſinkt in den Gelüten eines bis zur Glühhitze erhitzten Chauvinismus.

Als wähend der letzten Reichstagswahlen ein hervorragende Magyare hörte, welchen Vandalismus ſich die Neutaer Behörden und Liberalen, die nun - mehr Koſſuhiſten geworden ſind, den Slovaken gegenüber[er]laubten, da meinte er mit gelaſſener Offenheit: Den Nationalitäten gegenüber halte ich jedes Mitte für erlaubt und ich glaube, daß die magyariſche Geſellſchaft mir darin Recht geben wird. Die Ausrottung der Nichtmagyaren auf allen Gebietet, das ſcheint jetzt in der Tat das zu - nächſt angeſtrbte Ziel der magyariſchen Politik zu ſein. Zur Illiſtrierung wollen wir einige Fälle aus der jüngſten Vergangenheit anführen.

In dem nördlichſten, ärmſten, rein ſlovakiſch - polniſchen Komitate Arva liegt das ſlovakiſche Dörfchen Zubcec; es zählt rund 1000 Einwohner. Das -ſelbe erhielt einen Lehrer, der ein Kernmagyare von Ge - burt, kein Wort Slovakiſch verſteht. Seine Lehrmethode war nun in dem Konſumvereine der genannten Gemeinde Gegenſtand einer Kritik und ein gewiſſer Julius Banjari äußerte darin, einen ſolchen Lehrer, der ſich mit den Schulkindern nicht verſtändigen könne und dieſelben noch obendrein unbarmherzig prügle, ſollte man aus der Schule jagen. Der Mann hatte im Grunde recht, in Ungarn war es aber ſehr unbe - dacht, ſolche Worte auszuſprechen. Seine Aeußerung brachte Banjari vor das Roſenberger Gericht, wo ſie ihm dieſer Tage wegen Aufreizung drei Monate Staatsgefängnis, eine Geldſtrafe und Deckung der Gerichtskoſten eintrug.

Wozu ſich in dem magyariſchen Freiheitslande ſelbſt die kleinſten Beamten verſteigen, das zeigt ein Fall, der ſich am 8. September in der Gemeinde Novotj zugetragen hat. Der Reichstags-Abgeordnete Szycak berief in das Haus, beziehungsweiſe den Hof eines Parteigängers ſeine Wähler ein, um. ihnen einen Rechenſchaftsbericht zu erſtatten. Einige Schritte vor ihm ſtellten ſich zu Beginn der Verſammlung Gendarmen auf, ſeitwärts aber ein Notär, mit einem Stock bewaffnet. Der Abgeordnete hatte kaum ſeine Rede angefangen und einige harmloſe Redens - arten vorgebracht, als[er v]om Notär mit der Be - merkung unterbrochen wurde, daß er dem Abgeordneten das Wort entziehe und die Verſammlung ſchließe, weil der Abgeordnete gegen die Behörden aufreize. Jeder Einwand, daß nicht das leiſeſte darauf hin - deutende Wort gefallen ſei, war vergebens. Mit der Berichterſtattung des ſlovakiſchen Abgeordneten war es zu Ende ... Dazu kommen noch die immer - währenden Einſchüchterungen des Volkes durch Tendenzprozeſſe und ſtrenge Verhöre. Oft ſtehen in Roſenberg ganze Scharen Angeklagter vor demHauſe des Bezirkshauptmannes. So ſetzt man die Dörfer harmloſer Menſchen in Furcht und Schrecken vor der Allgewalt des neuen Regimes.

Auf einer größeren oberungariſchen Bahnſtation ſprach kürzlich ein Slovak einen Beamten der Eiſen - bahn in ſlovakiſcher Sprache an Dieſer wurde ganz verlegen, führte den Bekannten auf die Seite und ſprach: Ich bitte Sie, mich nicht ſlovakiſch anzu - ſprechen. Wenn dies mein Vorgeſetzter hört, ſo werde ich mit 4 Kronen geſtraft. So etwas geſchieht auf einem Territorium, auf dem zwei Millionen Slovaken in dichten Maſſen beiſammen wohnen.

Die ſchlimmſte von allen Heimſuchungen iſt aber die Verwirrung, welche die unteren Schichten des Volkes dadurch ergriffen hat, daß ſie die an ihrer Seite ſtehenden Seelſorger verfolgt, diszipliniert, zum Schweigen verurteilt ſieht. Das Volk wird vielfach irre an der Unabhängigkeit der kirchlichen Adminiſtration und gerät dadurch unter verhängnisvolle Einflüſſe. Was ſich jetzt in Nord - ungarn vorbereitet, die Verführung dieſes ſchlichten, argloſen Volkes zur Sozialdemokratie, iſt eine Er - ſcheinung, die leider nicht erklärt werden kann ohne das viele Unrecht, das hier aufgehäuft worden iſt. Es ſei hier nur ein kennzeichnender Fall angeführt: Unter der Leitung des früheren Preßburger Kaplans, des jetzigen Reichstagsabgeordneten Dr. Jehlicka, erſtarkte die chriſtliche Arbeiterbewegung in Preß - burg derart, daß die von dem katho - liſchen Arbeiterverein gemieteten Lokalitäten zu klein wurden. Es wurde ſogar in der Vorſtadt Blumental eine Filiale für die ſlovakiſchen Arbeiter eröffnet. Dr. Jehlička wurde nun in eine rein ma - gyariſche Gemeinde verſetzt, da man ihn politiſch lahmlegen wollte. Nun verfiel die chriſtliche Arbeiter - bewegung in Preßburg. Es fand ſich keine geeignete

Feuilleton.

Nachdruck verboten.

Heinrich Laube zu ſeinem hundertſten Geburtstag.

Laubes Lbensgeſchichte iſt ein Spiegel ſeiner Zeit. Er wurde geboren, als die deutſche Romantik noch in voller Blüte ſtand; ſeine Knabenzeit fiel in die ſtürmiſchen Tage der Befreiungskriege; als Jüngling ſah er die Re[a]ktion und die Brutalitäten der Dema - gogenhetze:[d]er junge Mann warf ſich daher den kecken Phanta[ſi]en der jungdeutſchen Bewegung mit Begeiſterung in die Arme, um ſich freilich dieſem zügel - loſen Ueberſch[w]ung allmählich zu entfremden, bis er endlich nach niederholter politiſcher Kerkerhaft in den ruhigen Hafen konſervativer Lebenskunſt einlief.

Heinrich Laube war am 18. September 1806 in Schleſien zu[S]prottau geboren. Seine Schulbildung genoß er auf den Gymnaſien in Glogau und Schweidnitz. In Halle und Breslau ſtudierte er Theologie. Seit 1832 lebte er in Leipzig als unab - hängiger Schriftſteller. Seine Sympathie für die Rück - wirkung der Julirevolution auf Deutſchland zog ihm eine Unterſuchung zu, auch wurde er in die Demagogen - affaire verwidelt und ſo wurde er 1834 in Leipzig ver - haftet er[w]ar eben mit Gutzkow von einer Reiſe aus Italien zurüchekehrt, aus Sachſen ausgewieſen und in Berlin in der Hausvogtei neun Monate gefangen ge - halten. Seine politiſchen Anſichten aus dieſer Zeit enthält der ſtürmiſche Roman Das junge Europa , der von 1833 bis 1837 in fünf Bänden erſchien. Der Roman gliedert ſich in drei Teile: Die Poeten, die Krieger und die Bürger. Im erſten Teile legt er ſeinerevolutionären Lebensanſichten dar. Er hält die Inſtitutionen der Kirche und des Staates für völlig veraltet und verderbt. Sie müſſen umgeſtaltet oder ausgerottet werden. Ueber die Mittel und Wege dieſer Welterneuerung war Laube ſich ebenſowenig im klaren wie die zahlloſen Unzufriedenen unter ſeinen Zeitgenoſſen. Zu einem zuſammenhängenden Syſtem hat er es nie gebracht. Nach ſeiner Freilaſſung lebte Laube mehrfach auf Reiſen. Im Jahre 1836 vermählte er ſich mit der Witwe des Profeſſors Hänel in Leipzig. Seine Frau folgte ihm, eine rechte Lebensgenoſſin, nach Muskau in die Kerkerhaft, als er nach kurzer Zeit von den preußiſchen Gerichten zu einjähriger Haft verurteilt wurde; weil er in einer Geſchichte Polens gegen den ruſſiſchen Kaiſer heftige Anklagen erhoben hatte. Einige Jahre vorher hatte er in Heidelberg auf Grund eben dieſer Schrift den philoſophichen Doktorgrad erworben. Eine Frucht ſeines Aufenthaltes in Muskau war ſeine Geſchichte der deutſchen Literatur, die 1840 in vier Bänden erſchien. Im Jahre 1838 griff er mit einer anonymen Broſchüre Görres und Athanaſius in die großen kirchenpolitiſchen Wirren ein, die 1837 durch die empör - enden Gewaltmaßregeln der preußiſchen Regierung gegen den edlen Kölner Erbiſchof Droſte-Viſchering verurſacht worden waren. Joſef v. Görres, der alte Vorkämpfer für Freiheit und Recht, hatte darauf mit ſeinem Atha - naſius ganz Deutſchland für die katholiſche Sache ent - flammt.

Im Jahre 1839 bereiſte Laube Frankreich und Algier und ließ ſich dann in Leipzig nieder. Als er neun Jahre ſpäter vom böhmiſchen Wahlkreiſe Elbogen in die deutſche Nationalverſammlung entſandt wurde, hielt er zur erbkaiſerlichen Partei. Sein politiſches Programm war im Laufe der Jahre ein ganz anderes geworden. Seine Parteigängerſchaft für Heine warlängſt vorbei, er zog ſich von Jungdeutſchland zurück. In ſeinem Roman Das junge Europa zeigt ſich in den ſpäteren Teilen ſeine allmähliche innere Entwick - lung. Vom feurigſten Umſturz kam er ſchließlich zur kühlſten Auffaſſung der beſtehenden Verhältniſſe. Wie die Stürmer und Dränger, wie die Romantiker, ſo kehrte eben auch Laube im reiferen Alter zu gemäßigterer Lebensanſchauung zurück. Das iſt ja eine pſychologiſche Metamorphoſe, die man bei vielen Männern beobachten kann; als Feuerköpfe ſtürmen ſie hinaus in das Leben und gelangen dann erſt langſam zur Beſonnenheit. Dem großen Görres, dem Max Klinger und unſeren Weimarer Klaſſikern iſt es genau ſo ergangen, Laube geriet bezüglich der Kaiſerfrage mit ſeinen Wählern in Widerſpruch und trat daher im März 1849 von ſeiner Wahlſendung zurück. Sein Buch Das erſte deutſche Parlament (1849, 3 Bände) ſchildert die Ereigniſſe jener bewegten Tage.

Noch im ſelben Jahre wurde Laube durch die Vermittlung des öſterreichiſchen Reichsminiſters v. Schmerling als Direktor des Hofburgtheaters nach Wien berufen. Damit begann ein neuer Abſchnitt in ſeinem an Wechſelfällen reichen Leben. In den Jahren 1849 bis 1867 leitete Laube das Wiener Burg - theater. Von 69 bis 70 war er in Leipzig Direktor des dortigen Stadttheaters, dann kehrte er wieder nach Wien zurück. Im Jahre 1872 veranlaßte er die Gründung des Wiener Stadttheaters, das er von 72 bis 79 leitete. In Wien ſtarb er auch am 1. Auguſt 1884.

Als Schriftſteller hat ſich Laube auf verſchiedenen Gebieten der Literatur verſucht. Der Roman und die Novelle wie das Drama lockten ihn in gleicher Weiſe. Er beſaß große Anmut des Stils, geiſtige Gewandtheit und lebendige Phantaſie. Er war kein ſchöpferiſches

Note:
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Die beutige Nummer iſt 12 Seiten ſtark.
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2Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906 212

Perſönlichkeit, die die Arbeiter aller drei Nationali - täten zuſammenzuhalten im Stande geweſen wäre. Insbeſondere für die ſlovakiſche Filiale fehlte ein geeigneter Leiter. Denn der magyariſche Fana - tismus ſieht überall, wo Slovaken ſind, eine Gefahr fürs Vaterland.

Die Filiale wurde geſperrt und das ſlovakiſche Theaterſtück, welches in dem katholiſchen Arbeiter - verein hätte aufgeführt werden ſollen, wurde am 8. September unter der Patronanz des ſozialdemokratiſchen Vereines Vorwärts von denſelben katholiſchen Arbeitern dargeſtellt, die bisher Anhänger der chriſtlichen Organiſation geweſen waren. Ein Teil der katholiſchen Arbeiter iſt ins ſozialdemokratiſche Lager übergegangen. Das iſt aber nur der Anfang einer Bewegung, welche durch die nationale Unduldſamkeit der magyariſchen Macht - haber erzeugt iſt. Die Sozialdemokratie reißt vor den überall verfolgten kleinen Leuten nichtmagyariſcher Nationalität angelweit die Türen auf und die Ge - hetzten ſtrömen hinein. Die ſozialdemokratiſche Preſſe iſt die einzige, die nicht die Reden der nationaliſtiſchen Abgeordneten unterſchlägt und nicht in das Freuden - geheul über jeden wegen Aufreizung gegen die ungariſche Nation Unſchuldigverurteilten einſtimmt nicht aus Gerechtigkeitsliebe, aber aus kluger Berechnung.

So wird der magyariſche Chauvinismus zum Pfadfinder für die Internationale. Doch bis heute dämmert ihm noch kein Strahl des Erkennens, wie ſehr er ſich damit ſelbſt verſpottet und höhere Güter zerſtört, als er jemals dem ungariſchen Staate geben kann.

Politiſche Rundſchau.

Oeſterreich-Ungarn.

Zur Wahlrechtsdiskuſſion in Ober - öſterreich.

Abg. Etz ſetzt in ſeinem Organe die Propaganda für das Pluralwahlrecht fort und zwar zitiert er zunächſt neuerdings aus einer ver - alteten Auflage des Staatslexikons der Görres - geſellſchaft. (In der neuen Ausgabe dieſes Werkes iſt übrigens auch die diesmal von Abg. Etz an - gerufene Stelle geſtrichen und heißt es im Gegen - ſatze zu ſeiner Auffaſſung: Ein offenſichtlicher Widerſpruch des Abgeordneten mit den Anſichten der Mehrheit ſeiner Wähler kann daher geeignet ſein, ihn zu veranlaſſen, ſeine Stelle niederzulegen. Eine rechtliche Verpflichtung dazu kann natürlich nicht in Frage kommen. Geklagt kann er freilich nicht werden.) Dann ruft Abg. Etz den Verfaſſer der Wanderungen durch die Geſellſchaft (erſchienen 1896), alſo Landes - hauptmann Dr. Ebenhoch als Zeugen auf, zwar nicht für das Pluralwahlrecht, wohl aber als Zeugen gegen das allgemeine Wahlrecht. Denn dahätte Abg. Etz füglich ſagen müſſen, daß ſich Abg. Dr. Ebenhoch gegen das Plural wahlrecht ſchon in der genannten Broſchüre in folgender Weiſe (Seite 86 87) ausge - ſprochen hat:

Es iſt dara uf hinzuweiſen, daß beim Plurali - tätsſyſtem die Beſitzloſen formell zwar das Wahlrecht haben, aber ein Wahlrecht, das durch die Mehrſtimmen der Qualifizierten tatſächlich illuſoriſch gemacht wird; es kann daher die ſozialdemokratiſche Partei unmöglich befriedigen (der Verfaſſer führt dies Motiv ſeparat an, weil eben diskutiert wurde, ob nicht einerſeits durch Einführen des allgemeinen Wahlrechts den Forderungen der Arbeiterſchaft Rechnung getragen, andererſeits durch gewiſſe Kautelen, die dann zu befürchtende ſozialdemokratiſche Gefahr abgelehnt werden könne. Anm. der Rp. ) und wird nur neue Kämpfe herauf - beſchwören. Was aber die höhere Qualifikation des Be - ſitzes betrifft, ſo ſcheint es bedenklich, das Privateigen - tum, das ohnedies den Gegenſtand und das Endziel des Angriffes der Sozialdemokratie bildet, mit Rechten auszuſtatten, welche demſelben an ſich nicht zukommen, und es wäre wahrſcheinlich, daß der Haß gegen das Privateigentum ein noch viel tieferer und der Kampf ein viel erbitterterer werden würde.

Es war alſo unvorſichtig, in einem Artikel, der für das Pluralwahlrecht Propaganda machen ſoll, ſich auf ein Buch zu ſtützen, in dem das Pluralwahlrecht ſo ſcharf bekämpft wird. Richtig iſt, daß ſich Abg. Dr. Ebenhoch in ſeiner 1897 erſchienenen Broſchüre noch gegen das allgemeine und gleiche Wahlrecht ausſpricht. Aber die be - treffenden Stellen in der genannten Schrift ſind durch die große Rede, die Abg. Dr. Ebenhoch im Parlament im Frühjahr 1906, alſo ein Dezennium ſpäter, als Generalredner über die Wahlreform gehalten hat, längſt überholt und korrigiert worden, ähnlich wie die Auflage des Staatslexikons, aus der Abg. Etz zitiert. Ja, bereitet es denn dem ober - öſterreichiſchen Anhänger des Pluralwahlrechtes ein gar ſo großes Vergnügen, ſich auf lauter ver - altetes Material zu berufen? Die Welt iſt ſeit 1896 doch nicht ſtille geſtanden und Anſchauungen, die damals noch berechtigt oder wenigſtens be - greiflich waren, ſind es heute nicht mehr. Uebrigens hat ſich in jenem Buche Dr. Ebenhoch wiſſen - ſchaftlich für das berufsgenoſſenſchaftliche Wahl - recht ausgeſprochen; es iſt kein Widerſpruch, daß der Politiker die akademiſch aufgeſtellte Theſe momentan durchführbar ſieht und danach ſeine Taktik einrichtet. Der[a]bſoluten Wahrheiten gibt es in der Politik herzlich wenige, gerade hier iſt das Richtige bedingt durch die Entwicklung, die Verhältniſſe und Ereigniſſe. Darin beſteht ja die Kunſt des Politikers, daß er jederzeit das Ent - ſprechende zu finden vermag. Sonſt bedürften die Parteien keiner weitblickenden Führer, es ge - nügte ein allgültiges Regel - und Nachſchlagebuch. Wenn Abg. Dr. Ebenhoch ſich genötigt geſehen hat, ſeinen vor einem Dezennium vertretenen Standpunkt aufzugeben, ſo iſt es vom Herrn Abg. Etz nicht ſehr klug, dieſen aufgegebenen Poſten mit Fanfarenklängen zu beziehen.

Der Antrag Starzynski.

Es wird ab - gewiegelt. Die Deutſchfreiſinnigen bemühen ſich,um ihre allzeit deutſchbewußten Freunde von den Verfaſſungstreuen. die mit den Slaven ſtimmten und dadurch die Annahme des autonomiſtiſchen Antrages herbeiführten, herauszuhauen, die Sache als bedeutungslos hinzuſtellen ſo die Deutſchn. Korr. und die freiſinnigen Blätter , den Polen ſelbſt aber bangt bereits vor den Folgen ihres Erfolges, den ſie gar nicht erhofft hatten. Sie wollen im Wahlreformausſchuſſe erklären, daß ſie ihren Antrag eigentlich ſo gemeint hätten, wie es der abgelehnte Verwicklungsantrag des Abge - ordneten Dr. Geßmann am klarſten zum Aus - drucke gebracht habe; das eingeſetzte Subkomitee ſolle ſich demnach lediglich auf die admini - ſtrative Kompetenzfrage der Land - tage in Landes kultur-Angelegen - heiten beſchränken. Die ſchönen Hoffnungen, die von den Wahlreformfeinden an die Freitags - abſtimmung geknüpft wurden, dürften ſich alſo glücklicherweiſe nicht erfüllen.

Für den Obmann des Wahlreform - ausſchuſſes.

Auf eine wichtige taktiſche Frage macht Abg. Profeſſor Dr. Schöpfer im Tiroler aufmerkſam. Die Wahlreformgegner hoffen nämlich, daß der Antrag auf Feſtſetzung des Pluralitätsprinzips die Mehrheit im Aus - ſchuſſe erlange, wenn auch für eine beſtimmte Art des Pluralwahlrechts keine Mehrheit vorhanden iſt. Die Gefahr, daß durch Annahme des Pluralitätsprinzips zur weiteren Verhandlungs - baſis die Wahlreformaktion in eine Sackgaſſe ge - leitet werde, zu umgehen, muß alſo die größte Sorge der Wahlreformfreunde ſein. Abgeordneter Dr. Schöpfer führt in dem Artikel aus:

Wird zuerſt über das gleiche Wahlrecht abgeſtimmt und erhält dieſes die Majorität, ſo iſt es angenommen und die Abſtimmung über das Plural - wahlrecht entfällt. Lange nicht ſo einfach liegt die Sache, wenn das Pluralwahlrecht (als Ab - änderungsantrag) zuerſt zur Abſtimmung gelangt. Es gibt nun ſolche, denen jedes Pluralwahlrecht lieber iſt als das gleiche. Es gibt aber auch andere; die wollen nur eine beſtimmte Form des Pluralwahl - rechtes und ſind dafür, daß z. B. der Familienvater oder der Grundbeſitzer zwei Stimmen bekommt; vom Doppelwahlrecht der Steuerträger wollen ſie nichts wiſſen. Dringt ihre Forderung nicht durch, ſo ſtimmen ſie an zweiter Stelle für das gleiche Wahl - recht. Kommt das Pluralwahlrecht zuerſt zur Abſtimmung, ſo hat das gleiche nur dann noch eine Ausſicht, wenn das erſtere die Mehrheit nicht erhält. Wenn es nun im Wahlreformausſchuſſe über dieſen Gegenſtand zur Abſtimmung kommt, werden die Gegner der Wahlreform verlangen, daß zuerſt über das Prinzip des Pluralwahlrechts abgeſtimmt werde, obwohl zwiſchen Pluralwahlrecht und Pluralwahlrecht die größten prinzipiellen Unterſchiede vorhanden ſind. Die Freunde der Wahlreform werden dagegen proteſtieren und verlangen, daß ſofort über jede einzelne Form des Pluralwahlrechtes der Reihe nach die Frage geſtellt werde. Der Obmann kann dieſem Verlangen nicht widerſprechen. Bekommt dann eine beſtimmte Form des Pluralwahlrechtes die Mehr - heit, ſo iſt die Sache erledigt; bekommt keine die Mehrheit, ſo lſt die Sache erledigt; bekommt keine die Mehrheit, ſo bleibt am Schluß die Frage über das gleiche Wahlrecht übrig; und dann iſt wohl kein Zweifel, daß es die Majorität erhält.

Genie, doch war er ein eleganter geiſtreicher Schrift - ſteller. Dem Sinn fürs Schöne blieb er immer treu, auch in ſeiner erſten Zeit. Geſchmackloſe Widerlichkeiten hat er ſich nie zu Schulden kommen laſſen, obwohl er damals beſonders unter Heines und Börnes literariſchen Einfluß ſtand. Sein erſtes Werk war die Farce Zaganini , gegen Paganini gerichtet. Von ſeinen Jugendwerken iſt der politiſche Zeitroman Das junge Europa zu nennen. Ebenfalls hiſtoriſch - politiſchen Inhaltes ſind die zwei Bände Skizzen: Das neue Jahrhundert (1832 und 1833). Die im Jahre 1835 erſchienenen Modernen Charakteriſtiken enthalten politiſche, ſoziale und literariſche Charakterbilder. Im Jahre 1843 er - ſchien der dreibändige Roman Die Gräſin Chateau - briand ; von ſeinen anderen Romanen ſei genannt Der deutſche Krieg (1863 66) ein Gemälde des 30jährigen Krieges. Auch Novellen ſchrieb er, ſo die Schauſpielerin , Das Glück , Der Prätendent , ferner die Reiſenovellen .

Einige Zeit hindurch war Laube Redakteur der Zeitung für die elegante Welt und der Mitternachts - zeitung . Seit dem Jahre 1841 widmete er ſich beſonders dem Drama, doch war er ſchon früher mit dem Drama Guſtav Adolf hervorgetreten. Von ſeinen ſpäteren dramatiſchen Arbeiten ſind zu nennen die Tra - gödie Monaldeſchi (1845) das Luſtſpiel Rokoko (1846), ein gelungenes Kulturbild und die Tragödie Struen - ſee . In die trübe Zeit der Hexenverfolgungen griff er zurück mit der Bernſteinhexe . Dieſe Stücke ge - wannen zu ihrer Zeit die Gunſt des Publikums, doch heute ſind ſie ſo wie ſeine Romane faſt gänzlich dem ewigen Schlafe der Bibliotheken verfallen. Nur zweiſeiner Stücke haben ſich bis heute die öffentliche Gunſt bewahrt, die Karlsſchüler und ſein Graf Eſſex . Die Karlsſchüler (1847) behandeln in ſchöner Darſtellung und edlem Pathos die Flucht des jungen Regimentsarztes Schiller aus Stuttgart; es iſt eines der beſſeren literariſchen Schauſpiele, die wir haben. Der Graf Eſſex (1856) behandelt das Schickſal des unglücklichen Günſtlings der Königin Eliſabeth, des Grafen Robert Devereux von Eſſex, der 1601 in London enthauptet wurde, weil er ſich die Gunſt ſeiner Königin verſcherzt hatte. Eſſex galt als ſeine beſte Tragödie.

Laubes Bedeutung als Dichter iſt jedoch durchaus nicht ſo groß als ſein Verdienſt um das deutſche Theater. Auf dieſem Gebiete hat er ſein Beſtes geleiſtet. Die langjährige Tätigkeit als Direktor an den Bühnen Wiens und Leipzigs war die beſte Schulung für ſein dramaturgiſches Talent. Die reiche Bühnenerfahrung, das gründliche techniſche Können und ſeinen künſtleriſchen Geſchmack lauter Dinge, die er ſich kaum irgendwo ſo leicht erwerben konnte als am Wiener Hofburgtheater, der erſten Bühne des deutſchen Volkes , dies alles legte er in ſeinen dramaturgiſchen Schriften nieder. Hieher gehören Das Burgtheater (1868), Das norddeutſche Theater (1872) und Das Wiener Stadttheater (1875). Unter ſeiner Leitung ſtand das Wiener Burg - theater auf der Höhe ſeines Ruhmes. So - wohl ſeine Vorgänger Schreyvogel, Deinhardſtein und Holbein, als auch ſeine Nachfolger Hahn, Dingel - ſtedt und Wilbrandt waren ausgezeichnete Drama - turgen. Die Zeit Laubes war aber die Glanzzeit dieſer Bühne. Seine Kunſt, ein glänzendes Enſemble undein wahrhaft künſtleriſches Zuſammenſpiel der ein - zelnen Kräfte zu gewinnen und zu erhalten, ſcheint ſeinen ſpäteren Nachfolgern unerreichbar zu ſein. Und noch dazu war das jene glänzende Zeit, als unſere Heimat eine Reihe tüchtiger Dramatiker aufweiſen konnte, das Zeitalter des Grillparzer, der Hebbel, Hahn und Bauernfeld. Und Laube wußte den Wert einheimiſcher Kunſt zu würdigen, er ſuchte nicht im Ausland nach neuen, fremden Größen. Gerade um Grillparzer hat er ſich bedeutende Verdienſte er - worben. Er war es, der in den Sechziger - jahren die faſt vergeſſenen Stücke des alternden Mannes zur oft wiederholten Aufführung brachte und ſo den Dichter wieder verſöhnte, der ſich ſeit dem be - leidigenden Mißerfolg des Web dem, der lügt im Jahre 1838 verbittert von der Oeffentlichkeit zurück - gezogen hatte. Nach Grillparzers Tod gab Laube mit Weilen 1873 deſſen ſämtliche Werke in 10 Bänden heraus und ſchrieb 1884 ſeine Biographie. (Laubes Tätigkeit als Direktor des Burgtheaters ſoll damit nicht als in jeder Beziehung einwandfrei bezeichnet werden. A. d. R.)

Laubes hiſtoriſche, belletriſtiſche und dramatiſche Werke werden allmählich ganz in Vergeſſenheit ſinken. Aber ſein künſtleriſch verſtändnisvolles Wirken am Wiener Burgtheater iſt eine große Leiſtung von dauerndem Wert. Darin beſteht ſeine literarhiſtoriſche Bedeutung für Oeſterreich wie für das deutſche Schrift - tum überhaupt.

3212 Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906

Die Juduſtriellen als Partei?

Der ſtändige Ausſchuß der zentralen induſtriellen Körperſchaften (Bund öſterreichiſcher Induſtrieller, Induſtrieller Klub, Zentralverband der Induſtriellen Oeſterreichs) hat den Beſchluß gefaßt, ſich als Komitee zur Vorbereitung der bevorſtehenden Neuwahlen zu konſtituieren und die induſtriellen und kommerziellen Körperſchaften hievon mit dem Beifügen zu benachrichtigen, daß dem Eintritte derſelben in das Komitee im gegebenen Zeitpunkte entgegengeſehen wird. Der ſtändige Ausſchuß hat gleichzeitig verſchiedene, die Vorbereitung der Neu - wahlen betreffende Maßnahmen beſchloſſen und es wird bereits in der allernächſten Zeit ein Aufruf an die induſtriellen Kreiſe ergehen. In allen politiſchen Kreiſen dürfte man dieſem Aufruf mit einiger Spannung entgegenſehen. Seit in Ober - öſterreich die Induſtriellen offiziell auf dem Parteitage der geeinigten deutſchfreiſinnigen Par - teien vertreten waren und erklären ließen, ſie würden im kommenden Wahlkampfe gemeinſam mit den Freiſinnigen vorgehen, iſt gegenüber poli - tiſchen Rüſtungen der unpolitiſchen induſtriellen Verbände gewiß Vorſicht am Platze.

Das Erwachen der Alttſchechen.

Aus Prag, 17. September, wird telegraphiert: Das Exekutivkomitee der Nationalpartei (Alt - tſchechen) hielt geſtern eine zahlreich beſuchte Sitzung ab. Zunächſt wurde die Zuſchrift des tſchechiſchen Nationalrates beſprochen, welche zu einer Beratung über die geplante Konzentration der Parteien einladet. Nach längerer Debatte wurde einhellig beſchloſſen, das Exekutivkomitee möge an den in Vorſchlag gebrachten Beratungen ſich beteiligen. Zu Delegierten wurden Doktor Karl Mattus und Doktor Johann Sedlak gewählt. Hierauf entſpann ſich eine Diskuſſion über den bisherigen Fortgang der parlamentariſchen Aktion bezüglich der Wahlreform. Nach längerer Beſprechung wurde einſtimmig eine Kundgebung beſchloſſen, in der es heißt: Die Wahlreform entſpricht in der Haupt - ſache nicht den Anforderungen der Nationalpartei weil die Wahl der Abgeordneten durch die Land - tage der Königreiche und Länder umgangen wird. Aber abgeſehen davon vermiſſen wir in der Regierungsvorlage jene ſoziale Gerechtigkeit, welche unter Wahrung des Prinzips des allgemeinen Wahlrechts eine gerechte Vertretung der haupt - ſächlichſten Geſellſchaftsſchichten und der produzieren - den Volksklaſſen ſichert. Das größte Unrecht be - geht aber die vorgeſchlagene Wahl - reform an unſerem Volke damit, daß in den Ländern der böhmiſchen Krone auf einen Abgeordneten der anderen Nationalität durchſchnittlich um zehn - tauſend weniger Wähler entfallen als auf einen tſchechiſchen Abgeordneten. Weiters wurde die Debatte über den neueſten Verſuch einer tſchechiſch - magyariſchen Verſtändigung eröffnet. Es ge - langte mehrſeits die Meinung zum Ausdruck, daß dieſe Angelegenheit ohne gehörige Vorbereitung von einzelnen Perſönlichkeiten in die Oeffentlichkeit ge - langte, daß dieſelbe keinen ernſten Hintergrund beſitze. Zum Schluſſe wurde der Bericht über die weitere Organiſation der Partei erſtattet.

Die Sozialdemokraten in Zürich.

[Von unſerem Schweizer Korreſpondenten.]

Die jetzige Arbeiterbewegung, wie ſie von den Sozialdemokraten proklamiert und geleitet wird, ſtellt ſich bereits als eine Erſcheinung dar, die unſere Staatsmänner und die herrſchende liberale Partei mit Grauen zu erfüllen beginnt. Während des abgelaufenen langen Sommers war beſonders die Stadt Zürich der Tummelplatz ſozialiſtiſcher Umtriebe. Mit einem unaufhörlich zäh geführten Maurerſtreik begonnen, ergriffen die Arbeitseinſtellungen nach und nach alle Berufs - arten und wenn die Tramangeſtellten eingewilligt hätten, wäre es mitten in der Hochſaiſon zum Generalſtreik gekommen. Die Unruhen nahmen aber dennoch eine ſo bedrohliche Geſtalt an, daß die Regierung zu Militäraufgeboten genötigt war und man kann ſagen, daß die Ruhe nur durch die bewaffnete Macht wieder hergeſtellt wurde. Unter den Angeklagten blieben zwei Sozialiſten hängen, ein Schweizer, der ein antimilitariſtiſches Flugblatt erfaßt und ver - breitete und der Redakteur des führenden ſozial - demokratiſchen Blattes Volksrecht in Zürich, welcher, ein Deutſcher von Geburt (ein ſchriften - loſer Refraktär), wegen Aufhetzung der Maſſen aus - gewieſen wurde. Wie viel Schaden dem Staat und dem Einzelnen aus dieſen Wirren erwuchſen, iſt kaum zu berechnen. Und nun iſt der agreſſive[Kampf]der Sozialdemokraten auch nur für einmalniedergeſchlagen, hinter den Türen und auf den Arbeitsplätzen dauert er fort, und früher oder ſpäter wird man noch viel Schlimmeres zu erleben haben. Nach kaum einem Dezennium wird Zürich ſozialiſtiſch ſein.

Soweit iſt es gekommen in einer Stadt, wo ſeit Zwinglis Zeiten man auf liberale Grundſätze pochte, daß eine liberale Regierung das eid - genöſſiſche Heer um Schutz anrufen muß gegen ſeine eigenen Söhne. Wer die Augen offen hat, dem ſcheint die Entwicklung ganz natürlich. Seit lange haben die Liberalen die Sozialdemokraten gehätſchelt und ſie für politiſche Spekulationen benützt (à la bloc in Frankreich), daneben im Kampf gegen Rom und jeder poſitiven Bekenntnis ſo viel getan als nur immer möglich. Von den Kathedern der Hochſchule und den Kanzeln proteſtantiſch reformeriſcher Geiſtlichen wurde das ſozialiſtiſche Programm ver - kündet. Hatte ehedem die Arbeiterbewegung ſich mit rauher Stimme gegen den ſelbſtſüchtigen Kapitalismus, die rückſichtsloſe materialiſtiſche und egoiſtiſche Ausbeutung der Arbeitskräfte und die Verkennung des Rechts der Perſönlichkeit erhoben, wobei ſie viel Gutes geſchaffen hatte, iſt ſie heute in ein Stadium geraten, in welchem nichts mehr gilt als der erbittertſte Klaſſenkampf, der die Geſell - ſchaft zur Hölle, die Kulturen zu Brandſtätten umwandelt. Eine Umkehr täte dringend not. Aber wäre ſie noch möglich? Iſt das Unheil nicht ſchon zu weit fortgeſchritten? An der Möglichkeit iſt nicht zu verzweifeln, aber am guten Willen. Der verblendete Liberalismus glaubt, die Sozial - demokratie mit brutalem Kampf niederzuwerfen und vermehrt dadurch ihre Reihen. Daß das wirkliche Glück des Menſchen und ſeine Befrie - digung in der chriſtlichen Religion, in einem Familienleben begründet iſt, daß dieſes Glück die Vorausſetzung der Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Sparſamkeit und Treue hat, wird weder der Liberalismus noch die Sozialdemokratie je anerkennen wollen.

Die Entwicklung der Dinge hat eine be - ſonders ſcharfe Wendung genommen, ſeit die Arbeitgeber auf die Streike mit der Aus - ſperrung antworten. Sie iſt eine zwei - ſchneidige Waffe und vergiftet den Krieg noch mehr. Von Frieden, man mag ſtaatlicherſeits mit Einigungsämtern und Schiedsgerichten zu ſchlichten ſuchen, kann bei den jetzigen Verhältniſſen gar keine Rede ſein. Hüben und drüben wird ſchwer, ſehr ſchwer gefehlt.

Irland und die Liberale.

Seit Gladſtones Tagen gehörte die Re - form der iriſchen Verwaltung zum unerſchütter - lichen Beſtand des Programms der engliſchen Liberalen. Aber der Plan einer Selbſtverwaltung, der « Home rule » ſcheiterte an dem erbitterten Widerſtand der engliſchen Wählerſchaft. Als die konſervative Partei am Ruder war, befaßte ſich eines ihrer Mitglieder, Lord Dunraven, mit der Ausarbeitung eines ähnlichen Entwurfes, der aber nicht den Namen « Home rule », ſondern den der « Devolution for Ireland », des Heimfalls an Irland , in Anſpruch nahm. Der Konſervatis - mus kam nicht mehr dazu, dieſe Anſchauung für offiziell zu erklären. Die zur Herr - ſchaft gelangten Liberalen dagegen griffen den guten Gedanken auf und nach einigem Zögern verkündete der iriſche Unterſtaatsſekretär Sir Anthony Mc Donnell bei einem Feſteſſen, daß nach ſeinem feſten Glauben das kommende Jahr 1907 die Verwirklichung von vielen Hoff - nungen bringen werde, die die beſten Iren ſeit Jahren gehegt hätten. Es möchte vielleicht noch nicht alles ſein, was die Iren erwartet hätten, aber es werde ſicherlich die Quelle, aus der ſich die Erfüllung aller Hoffnungen entwickeln würde. Die Grenzen dieſer Devolution ſind noch nicht abgeſteckt, aber da Unterſtaatsſekretär Mc Donnell ein katholiſcher Ire bei ſeinen Landsleuten hohes Anſehen genießt, darf man gewärtigen, daß er alles zur reichlichen Befriedigung ſeiner Landsleute aufbieten werde.

Tagesbericht.

* Kalender für Monntag den 18. September.

Katholiken: Thomas, Rich. Griechen (5. Sep - tember): Zacharias. Sonnenaufgang 5 Uhr 41 Min. morgens. Sonnenuntergang 6 Uhr 07 Minuten abends. Mondesaufgang 5 Uhr 12 Minuten morgens. Mondesuntergang 6 Uhr 26 Minuten abends.

* Auszeichnungen und Ernennungen.

Der Kaiſer hat dem Berghauptmanne in Krakau Heinrich Wachtel aus Anlaß der Verſetzung in den Ruhe - ſtand das Ritterkreuz des Leopold-Ordens, dem Ge - neralkonſul Joſef von Hurter-Amann anläßlich der Verſetzung in den Ruheſtand das Komturkreuz des Franz Joſef-Ordens verliehen, den Oberbergrat Dr. Edmund Riel zum Berghauptmanne für Krakau ernannt und ihm den Titel eines Hofrates ver - liehen. Der Miniſter für Kultus und Unterricht hat dem Profeſſor am Staatsgymnaſium in Wiener - Neuſtadt Dr. Johann Czerny eine Lehrſtelle an der erſten Staatsrealſchule im 2. Wiener Gemeinde - bezirke und dem wirklichen Lehrer am Staats - gymnaſium in Radautz Dr. Franz Sobalik eine Lehrſtelle am Staatsgymnaſium in Wiener-Nen - ſtadt verliehen, ferner den Supplenten am Staats - gymnaſium in Saaz Friedrich Süßner zum wirk - lichen Lehrer am Staatsgymnaſium in Radautz er - nannt, dem Profeſſor am Staatsgymnaſium in Brüx Dr. Anton Jettmar eine Lehrſtelle am Sofien - Gymnaſium in Wien verliehen, ferner den provi - ſoriſchen Lehrer an der Staatsrealſchule mit deutſcher Unterrichtsſprache in Pilſen Robert Mayer zum wirklichen Lehrer am Staatsgymnaſium in Brüx und den Supplenten an der griechiſch-orientaliſchen Realſchule in Czernowitz Joſef Lipburger zum proviſoriſchen Lehrer an der Staatsrealſchule mit deutſcher Unterrichtsſprache in Pilſen, den Supplenten am fünften Staatsgymnaſium in Sokal, den provi - ſoriſchen Lehrer am Sofien-Gymnaſium in Wien Dr. Auguſt Ritter von Kleemann zum proviſori - ſchen Lehrer am Akademiſchen Gymnaſium daſelbſt ernannt. Der Statthalter im Erzherzogtume Oeſterreich unter der Enns hat im Stande der Be - amten der Wiener k. k. Krankenanſtalten den Offizial Franz Packes zum Verwaltungsadjunkten, die Kanzliſten Alfred Walter und Ludwig Ehn zu Offizialen, den Amtspraktikanten Joſef Hofmeiſter und den Oberleutnant d. R. Wenzel Hetz zu Kanz - liſten ernannt.

* Majeſtäten auf Reiſen.

Man depeſchiert aus Biarritz: Der König von Spanien kam mittels Automobils am Sonntag hier an und ſtattete dem Grafen Val de la Grana einen Beſuch ab. Mittags kehrte der König nach San Sebaſtian zurück. Aus Paris meldet eine Depeſche: Der König der Hellenen iſt aus Aix-les-Bains hier eingetroffen. Der König wird nach zweitägigem Aufenthalte die Reiſe nach Kopenhagen fortſetzen.

* Neuerliche Erdſtöße in Südamerika.

Ein Telegramm meldet aus Buenos-Aires vom Sonntag: Das Blatt Nacion meldet aus Falca: Hier wurden vorgeſtern und geſtern neuerliche Erd - ſtöße verſpürt. Der geſtrige Erdſtoß ſetzte die Be - völkerung derart in Schrecken, daß ſie die Nacht in den Straßen verbrachte.

* Der neue Aſſiſtent der deutſchen Jeſuiten - provinz.

Man meldet uns aus Rom: In einer fünfſtündigen Generalkongregation wurden die fünf Aſſiſtenten für den Jeſuitenorden ernannt. Für die Aſſiſtenz Italien wurde P. Freddi, für Frankreich P. Fine wiederum beſtätigt. Neugewählt wurden für die Aſſiſtenz Deutſchland an Stelle des P. Meſchler der bisherige Provinzial von Galizien P. Graf Ledochowski, ein Neſſe des verſtorbenen Kardinals Ledochowski; ferner für Spanien P. Abad, bis vor kurzem Rektor in Ouna; für England P. Hayes, bisher Rektor in Liverpool.

* Die Freie Schule gegen die ſtaatlichen Schulgeſetze.

Das Blatt Dr. Kornkes, das ſich mit Eifer dem Amte eines Plakatenträgers des jüdiſchen Logentums unterzieht, meldet von der Wiener Schulanſtalt der Freien Schule:

Die Religion wird den Kindern von einem von den kirchlichen Oberbehörden nicht dazu berech - tigt erklärten weltlichen Lehrer gelehrt. Der Verein lehntees bisherab, für ſeine Lehrer, die Religion lehren, die Genehmigung der kirchlichen Oberbehörden einzuholen. Eine beſondere Behandlung in bezug auf Religion wird von nun an den Kindern konfeſſionsloſer Eltern zuteil werden. Dieſe Kinder, die nicht an den katholiſchen Religions - ſtunden teilnehmen, werden von nun an nach franzöſiſchem Muſter in der Moral - lehre unterrichtet werden. Dieſe Einführung hält die Leitung der Freien Schule für notwendig, weil der Anſtalt wegen dieſer Kinder eventuell noch Schwierigkeiten bereitet werden könnten.

Wenn der Herr Unterrichtsminiſter Marchet etwa glauben ſollte, es paſſieren laſſen zu können, daß die Freie Schule ſich gegen die Geſetze ſtemmt, dann wird er ſich irren.

* Alfred Graf Hompeſch.

Der um ſeine Partei hochverdiente Vorſitzende der Zentrumsfraktion des deutſchen Reichstages, Kammerherr und preußiſches Herrenhausmitglied Alfred Graf von Hompeſch-Rurich, beging Sonntag auf Schloß Rurich ſeinen achtzigſten Geburtstag. Er iſt, wie die Germania ſchreibt, der einzige unter den noch aktiven Mitgliedern des Reichstages, der ſchon der Eröffnung des konſtituierenden Reichstages des Norddeutſchen Bundes am 24. Februar 1867 bei - gewohnt hat, als Vertreter des rheiniſchen Wahl - kreiſes Erkelenz-Heinsberg-Geilenkirchen. Und auch damals war er kein parlamentariſcher Neuling. Im preußiſchen Herrenhaus ſitzt er auf Präſentation des Grafenverbandes der Rheinprovinz ſelt 23. November 1863 und ſteht ſohin ſeinem 50jährigen Parlamen -4Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906 212tarier-Jubiläum nicht mehr fern. Inzwiſchen beging er am 13. Juli 1904 bereits den Jubiläumstag, an welchem er 30 Jahre hindurch den rheiniſchen Wahlkreis Düren-Jülich ununterbrochen im deutſchen Reichstage vertreten hat. In rühmlicher Weiſe trat ſchon während der erſten Kulturkampfdebatten ſein parlamentariſcher Name an die Oeffentlichkeit, als er dem Miniſterpräſidenten Grafen v. Roon, der von Uebergriffen der römiſchen Kirche geſprochen hatte, kurz und bündig die Erklärung gegenüber - hielt: Wir Katholiken kennen nur eine katholiſche Kirche, die ihr Oberhaupt in Rom hat.

* Die Aerzteorganiſation.

Am 28. Sep - tember wird in Wien die konſtituierende Verſammlung des Reichsverbandes öſterreichiſcher Aerzteorgani - ſationen ſtattfinden.

* Friedenskongreß in Mailand.

Vom Samstag meldet man aus Mailand: Heute nachmittag wurde in Gegenwart der Vertreter des Miniſters des Aeußern, der Behörden und der Stadt ſowie zahl - reicher Delegierter aller Länder, darunter Freiin von Suttner für Oeſterreich und General Türr für Ungarn, der Allgemeine Friedenskongreß eröffnet. Im Namen Tittonis begrüßte Bollati den Kongreß, zu dem der Miniſter leider nicht verſönlich habe erſcheinen können. Er erinnerte an die Worte Tittonis in der Kammer, womit er ſich der edlen Initiative Englands im Sinne der Abrüſtung anſchloß.

* Kaiſerlicher Rat Blazincic geſtorben.

Geſtern iſt in ſeiner Wohnung, Neubau, Stiftgaſſe Nr. 81, kaiſerlicher Rat und Kommerzialrat Joſef Blazincic im 61. Lebensjahre geſtorben. Er fun - gierte auch als Inventur - und Schätzungskommiſſär und als beeideter Schätzmeiſter. Der Verblichene war Ritter des Franz Joſef-Ordens und Beſitzer des goldenen Verdienſtkreuzes mit der Krone und der großen Salvatormedaille. Das Leichenbegängnis findet morgen ſtatt.

* Selbſtmord eines Bankbeamten.

Der Be - amte eines hieſigen Bankinſtitutes, Johann Urpani, hat ſich heute nachts aus einem Fenſter des fünften Stockwerkes ſeiner Wohnung, Landſtraße, Haupt - ſtraße Nr. 86, auf das Pflaſter geſtürzt und iſt mit zerſchmetterten Knochen ſofort tot geblieben. Die Motive des Selbſtmordes ſind noch nicht be - kannt.

* Von einem Zuge überfahren.

In der Station Floridsdorf der Nordbahn wurde heute der Hilfsarbeiter Richard Bartſch beim Ueberſchreiten des Gleiſes von der Lokomotive eines Laſtzuges erfaßt und überfahren. Bartſch, welcher eine voll - ſtändige Zermalmung des linken Oberarmes und des linken Schulterblattes, ſowie Rißwunden im Geſichte, an beiden Händen und am Kopfe erlitten hat, wurde von der Freiwilligen Rettungsgeſellſchaft in das Spital der Barmherzigen Brüder gebracht.

* Ein Gattenmord.

Anton Bedrai hat am Samstag in Lanzendorf bei Pettau in Steiermark ſeine Gattin ermordet und iſt dann flüchtig geworden. Bedrai iſt von großer, magerer Statur, hat tief - liegende Augen, ſchütteren Backenbart, dunklen Schnurr - bart und große Naſe. Beim Sprechen ſtottert er ein wenig.

* Unfall bei den deutſchen Manövern.

Eine Privatdepeſche meldet uns aus Berlin vom 16. September: Der Kommandeur der 7. Diviſion Generalleutnant Bernholdi ſtürzte während einer Uebung bei Salzwedel vom Pferde und wurde von dem nachreitenden 16. Ulanenregiment überritten.

* Ermordung eines Oeſterreichers in China.

Aus Tientſin wird berichtet: Der Sekretär des öſterreichiſchen Konſulats, Emil Thiele, der im Begriffe war, die Heimreiſe nach Europa anzutreten, iſt von Eingebornen getötet und einer Summe von 5000 Kronen beraubt worden. Einzelheiten fehlen noch. Thiele war ein geborner Hamburger.

* Ein ſozialdemokratiſcher Defrandant.

In Altrohlau bei Karlsbad iſt der Lagerhalter des ſozialdemokratiſchen Konſumvereines Vorwärts , Anton Weſp, mit nicht weniger als 3093 K. 72 H. durchgegangen. Er wird vom Kreisgerichte Eger ſteckbrieflich verfolgt. Es geht ja ganz ſchön vorwärts in dieſem Verein!

* Das drahtloſe Telephon.

Wie aus Paris gemeldet wird, ſind alle Verſuche, die der Ingenieur Maiche mit ſeinem Apparat für drahtloſe Telephonie bisher anſtellte, gelungen. Der berühmte engliſche Phyſiker William Crookes kam jüngſt eigens nach Saint-Germain, um die Verbeſſerungen zu erproben, die Maiche vorgenommen hatte. Der neue Maiche - Apparat, der ohne Zwiſchenſtellen bis zu 600 Meter Entfernung über allerlei Hinderniſſe und Hügel hin - weg funktioniert, beſteht aus zwei Eiſendrähte ent - haltenden Holzrahmen mittlerer Größe, dem Geber - rahmen und dem Empfängerrahmen. Durch einen Transformator eigener Erfindung erfolgt die Strom - vermittlung von Rahmen zu Rahmen. Ein gewöhn - liches Mikrophon vervollſtändigt den Apparat. Man hört zwar noch immer ſchwach, aber genügend deutlich.

* Ein faſt unglaublicher Schulſkandal.

An der Schule in Williſan im Kanton Genf, an welcher Knaben und Mädchen gemeinſchaftlich erzogen werden, iſt ein großer Skandal zu Tage getreten. Ein Profeſſor bemerkte ſeit einiger Zeit, daß einige Schüler und Schülerinnen ſich eine allzu große Aufmerkſamkeit widmeten. Es wurde der Argwohn in ihm wach und er begann ein ſcharfes Verhör,deſſen Ergebnis ein niederſchmetterndes war. Bei 50 Knaben und Mädchen unterhielten ein unerlaubtes Verhältnis mit einander, welches bei ſieben Mädchen nicht ohne Folgen blieb. Der Profeſſor meldete ſeine Erhebungen ſofort der Anſtaltsleitung; aber noch bevor dieſe einſchreiten konnte, erfuhren es die Mütter der Betroffenen. Natürlich gab es da einen großen Aufruhr und die Sache wird vor Gericht ein Nachſpiel haben.

* Aus der Gaſtwirtegenoſſenſchaft.

Der Vorſteher-Stellvertreter der Wiener Gaſtwirte - genoſſenſchaft fordert in einem offenen Schreiben alle Gaſtwirte Wiens auf, zu der am 21. d. ſtatt - findenden Wahl eines Vorſtehers zu erſcheinen.

* Der heurige Hummerfang in der Nordſee.

Die heftigen Weſtſtürme, welche der Juli brachte, gaben der Hummerfiſcherei einen Schlag, da viel Gerätſchaften verloren gingen; es iſt kaum zu hoffen, daß die Ausbeute dieſen Verluſt decken wird. Wohl hat man im Auguſt ſo große Silberſtreifen von Makrelen und Heringen geſehen, wie kaum zuvor, aber ſelten waren die betreffenden Fiſcher im Beſitz der nötigen Gerätſchaften, während anderſeits die Hummerfiſcher oft vergeblich warten mußten. Der Preis, welcher zu Beginn des Monats 105 Oere betrug, iſt jetzt auf 130 Oere pro Pfund geſtiegen.

* Aus der Unfallschronik.

Die Köchin Thereſe Leder wurde am Sonntag nachmittags, als ſie an der Halteſtelle der ſtädtiſchen Straßenbahnen in der Gentzgaſſe einen Motorwagen beſteigen wollte, von dem Automobil A. 860 niedergeſtoßen. Thereſe Leder erlitt außer einer Blutbeule am Hinterhaupt keine äußeren Verletzungen, klagte jedoch über Unwohlſein. Sie wurde von Paſſanten in ihren Dienſtort ge - führt. Gegen den Chauffeur wurde die Strafamts - handlung eingeleitet, weil er links, mithin auf der vorſchriftswidrigen Seite am Straßenbahnenzug vorbeigefahren iſt. Der Kutſcher Joſef Lahody, Wolfganggaſſe Nr. 33 wohnhaft, fuhr geſtern mit einem Streifwagen von Vöslau nach Wien. Auf der Altmannsdorferſtraße riß ihm Abend ein Windſtoß den Hut vom Kopf. Lahody bückte ſich nach ihm, fiel vom Wagen und wurde überfahren. Er erlitt einen offenen Bruch des rechten Unterſchenkels und wurde von der Filiale Mariahilf der Freiwilligen Rettungsgeſellſchaft verbunden und ins Eliſabeth - ſpital gebracht.

* Blauſäure in den Mandeln.

Es iſt wohl allgemein bekannt, daß bittere oder nicht ſüße Mandeln ziemlich bedeutende Mengen eines Giftes, nämlich Blauſäure, enthalten. Auch den Haus - frauen iſt das im allgemeinen nicht unbekannt und dennoch verwenden ſie die gefährlichen Früchte bei vielen Speiſen, beſonders bei Kuchenteig. Vermut - lich befinden ſie ſich dabei in dem Glauben, daß in der Hitze, der die Speiſen oder der Teig beim Kochen oder Backen ausgeſetzt ſind, die giftige Sub - ſtanz zerſtört und in unſchädliche Beſtandteile auf - gelöſt wird. Das iſt aber nicht richtig. Sorgfältige Unterſuchungen haben ergeben, daß, wenn bittere Mandeln nicht bis auf 103 Grad erhitzt ſind, gar keine Blauſäure zerſtört wird, und die letzte Spur des Giftes wird erſt dann beſeitigt, wenn die Er - hitzung bis auf 170 Grad getrieben wird. Im haus - wirtſchaftlichen Betriebe werden aber ſolche Temperaturen niemals erreicht, man muß alſo ſtets bedenken, daß wir mit den bitteren Mandeln auch in den gekochten Speiſen ſtets die gefährliche Blauſäure uns zuführen.

* Eine amtliche Unterſtützung der Sozial - demokratie.

Die kaiſerlich deutſche Poſt - und Tele - graphenverwaltung hat in Mannheim für die Zeit der Tagung des ſozialdemokratiſchen Parteitages eine eigene Poſt -, Telegraphen - und Telephonſtelle für die ſozialdemokratiſche Tagung errichtet. So ſorgt demnach das kaiſerliche Amt dafür, daß die Worte der ſozialdemokratiſchen Redner möglichſt ſchnell ver - breitet werden.

* Unbegründete Angſt.

Beim Leuchtbrunnen am Schwarzenbergplatz: Die Frau fagt zu ihrer Tochter: Minnerl, geh aus dem Weg; wenn ein Wind kommt, ſpritzt er Dir’s Waſſer aufs Kleid und Du weißt ja, wie ſchwer die Farben aus dem Stoff herausgehen.

* Beſtialiſche Roheit.

Das Opfer eines Aktes unglaublicher Roheit wurde am Samstag der Straßenarbeiter Max Walliſch. Er war in Meidling mit einem Cabskutſcher in Streit geraten und wurde von dieſem in unflätiger Weiſe beſchimpft. Walliſch wollte, um gegen ihn vorgehen zu können, ſein Nationale feſtſtellen. Er ſuchte die Nummer des Wagens, um ſie zu notieren. Das brachte den Cabskutſcher in derartige Wut, daß er wie ein Raſender auf Walliſch losſtürzte, ihn beim Kragen packte und ihn mit dem Kopfe in das Wagenrad ſtoßen wollte. Walliſch hielt in ſeiner Todesangſt den rechten Arm vor und ergriff die Speichen des ſich umdrehenden Rades und ſtemmte ſich feſt, um nicht mit dem Kopfe hineinzugeraten. Bei ihrer Um - drehung erfaßten die Speichen Walliſch Unterarm und riſſen ihn mit. Der arme Burſche erlitt einen Armbruch und eine ſchwere Rißwunde in der rechten Hohlhand. Der Cabskutſcher wurde zum Polizei - kommiſſariate geſtellt.

* Bilder auf Paketen und Adreſſen.

Zu - folge Handelsminiſterial-Erlaſſes iſt im inländiſchen Verkehre geſtattet, auf Paketen (mit Ausnahme ſolcher, die Geld, Wertpapiere oder Pretioſen ent -halten), ferner auf Poſtbegleitadreſſen und Poſtanweiſungen Aufklebungen bild - licher Darſtellungen anzubringen. Sie müſſen ſich wie die Aufklebungen auf Briefſendungen von den Brief - und Stempelmarken in Form, Farbe und ſonſtiger Ausſtattung auffällig unterſcheiden und mit der ganzen Fläche befeſtigt ſein. Auf Paketen iſt die Anbringung nur inſoweit geſtattet, als dadurch die Deutlichkeit der Adreſſe nicht leidet und die An - bringung der poſtamtlichen Klebezettel und Vormerke keinen Eintrag erfährt. Bei Poſtbegleitadreſſen und Poſtanweiſungen ſind ſolche Aufklebungen nur auf dem für die ſchriftlichen Mitteilungen beſtimmten Raume in einer Größe zuläſſig, die über dieſen Raum nicht hinausreicht; wenn ſie auf der Vorder - ſeite angebracht werden, muß Platz für die Adreſſe des Abſenders bleiben.

Wetter.

Wetterprognoſe.

Veränderlich. Mäßige Winde. Schön. Heiteres aber nicht beſtändiges Wetter.

Wetterbericht vom 17. September.

Eine ausgedehnte Depreſſion mit Zentrum über der Adria und an der Nordſee beherrſcht Zentraleuropa; hoher Druck hat ſich von Finnland her über Ruß - land ausgebreitet, ebenſo liegt hoher Druck im Weſten über dem Atlantiſchen Ozean. In Oeſterreich herrſcht vorwiegend trübes, regneriſches und kühles Wetter. Im Süden ſind zahlreiche Gewitterregen gefallen.

Morgens 7 Uhr melden: Prag 9·7°, Krakau 12·0°, Lemberg 11·4°, Feldkirch 7·6°, Iſchl 8·2°, Wien 9·4°, Graz 8·9°, Klagenfurt 7·0°, Ofen - Peſt 11·4°, Szegedin 13·4°, Hermannſtadt 9·8°, Sarajevo 17·9°, Trieſt 14·0°, Leſina 22·0°, Riva 13·3°, Görz 13·6°, Schmittenhöhe 1·8°, Glocknerhaus · °, Obir 3·2°, Schneeberg °, Semmering 5·0°, Sonnblick · ° Celfius.

In Dalmatien herrſcht Schirokko, die Adria iſt bewegt.

Aus dem Gebiete der k. k. öſterreichiſchen Staatsbahnen: Eger 8·8°, SW 2, Regen, Czernowitz 11·0³, 0, trüb; Jaroslau 11·6°, SE 5, halb be - wölkt; Mähriſch-Schönberg 8·0°, 0, Regen; Budweis 8·7°, S 2, dreiviertel bewölkt, Tabor 7·6°, S 1, trüb; Neumarkt 4·4°, 0, trüb; Scheibbs 9·0°, W 1, trüb.

Niederöſterreich.

Römerfund.

Vor kurzem wurde in der Schottergrube des Baumeiſters Ignaz Schrems in Kremsdorf ein Skelett aufgefunden, an dem ſich Spangen, Ketten und Ringe befanden. Man vermutet, daß das Gerippe aus der Römerzeit ſtamme. Es iſt dies bereits das vierte Skelett, welches an dieſer Stelle ausgegraben wurde. Die ſeinerzeit dort ebenfalls ausgegrabenen Münzen ſtammen aus dem Jahre 265 nach Chriſti Geburt.

Eine agnoszierte Selbſtmörderin.

Aus Emmersdorf bei Krems wird uns ge - ſchrieben: Am linken Donauufer bei Emmersdorf wurde bekanntlich vorige Woche eine unbekannte Frauensperſon aus der Donau gezogen. Die Er - hebungen ergaben, daß die Ertrunkene mit der ab - gängigen Kaſſierin Fanny Leber aus Neunkirchen identiſch ſei. Ihr letzter Wohnort war Kalksburg bei Wien. Am 30. v. M. kam ſie nach Klein - Pöchlarn, ging in ein Gaſthaus, frühſtückte, dort und ſchrieb zwei Briefe, wovon einer an ihre Mutter nach Neunkirchen adreſſiert war. Sie äußerte ſich, daß ſie nach Maria-Taferl wallfahren gehen möchte und ging von Klein-Pöchlarn fort, gegen Krumm - nußbaum zu. Das Motiv der Tat war eine Liebes - geſchichte.

Tirol. Eine zerſtörte Schutzhütte.

Aus Trient, 17. d., wird uns telegraphiert: Die auf der Paganella neu errichtete Schutzhütte, welche am 23. d. feierlich eröffnet werden ſollte, wurde geſtern durch einen gewaltigen Sturmwind zum größtenteile zerſtört. Die zu dieſer Zeit in der Schutzhütte weilenden Touriſten und Arbeiter mußten die Hütte ſchleunigſt verlaſſen, da das einſtürzende Dach ihr Leben bedrohte.

Böhmen.

Der Bergarbeiterſtreik

aufgegeben. Aus Prag, 16. September, wird telegrahiert: Heute wurden in Brüx, Dux und Bruch große Meetings der Bergarbeiter abgehalten, in welchen nach längeren Auseinanderſetzungen der Be - ſchluß gefaßt wurde, die Arbeit wieder auf - zunehmen. Tatſächlich wurde Montag früh, wie telegraphirt wird, in allen Schichten des nordweſt - böhmiſchen Kohlenbeckens normal eingefahren. Der Streik ſcheint ſomit beendet.

Der Geburtstag Dr. Pazaks.

Bei dem Miniſter Dr. Pazak erſchien Samstag, bald nach ſeiner Ankunft in Kuttenberg der neugewählte Stadt - rat, um den Miniſter zu ſeinem 60. Geburtstag zu beglückwünſchen. Abends brachte der Kuttenberger Geſangsverein Tyl ein Serenade dar. Sonntag erſchienen als Gratulanten der Bezirksausſchuß und der Ausſchuß des hieſigen Sokolvereines, deſſen Ob - mann Dr. Pazak durch lange Jahre war. Den Abend verbrachte der Miniſter in Geſellſchaft ſeiner Freunde.

Ungarn. Enthüllung des Waſhington - Denkmals.

Aus Ofen-Peſt, 17. September, wird offiziell gemeldet: Bei der geſtrigen Feier der Enthüllung des Waſhington-Denkmals hielt5212 Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906Magnatenhausmitglied Eugen Rakoſi eine ſchwung - volle, mit Beifall aufgenommene Feſtrede. Nach - mittags fand ein Bankett ſtatt, an welchem Kultus - miniſter Graf Apponyi, die Biſchöfe Prohazka und Varady, Bürgermeiſter Barczy, der Ofen-Peſter Generalkonſul der Vereinigten Staaten F. D. Cheſter und viele andere Notabilitäten teilnahmen. Den erſten Trinkſpruch brachte Bürgermeiſter Barczy auf den Präſidenten der Vereinigten Staaten aus, worauf Generalkonſul Cheſter ſein Glas auf das Wohl des Kaiſers und Königs Franz Joſef I. leerte. Graf Apponyi be - tonte in ſeinem Trinkſpruche, daß die Statue Waſhingtons die Vaterlandsliebe der zu amerikaniſchen Bürgern gewordenen ungariſchen Auswanderer verkünden werde. Dieſe Vaterlands - liebe, fuhr Redner fort, können wir nur billigen, da unſere Stammesgenoſſen dem ungariſchen Namen nur dann Ruhm verſchaffen, wenn ſie in den Ver - einigten Staaten kein totes Gewicht bilden, ſondern an dem Aufblühen des ruhmvollen amerikaniſchen Volkes mitarbeiten. Die Statue verkündet aber auch, die Liebe unſerer jenſeitigen Stammesgenoſſen zur ungariſchen Nation und bildet hiedurch eine Klammer zwiſchen der ungariſchen und der amerikaniſchen Nation.

Wien im Blumenſchmuck. Die Preisverteilung.

Das vom Gemeinderat eingeſetzte Preisgericht für die Beurteilung der geſchmackvollſten Aus - ſchmückung der Fenſter und Balkone mit Blumen hat Freitag ſeine Schlußſitzung abgehalten und nach eingehender Beratung und Prüfung der der Beſichtigung unterzogenen Objekte die Preiſe, wie folgt, zuerkannt:

Den erſten Preis im Betrage von 100 Kronen dem Architekten Emil Reitmann für die Aus - ſchmückung der Häuſer im 13. Bezirk, Lainzer - ſtraße Nr. 3 und 5. Ausgeſchmückt war die ganze Front der beiden zweiſtöckigen Häuſer und auch am Hauptgeſimſe waren Kaſſetten mit Blumen ange - bracht. Der Geſamteindruck war ein vorzüglicher, ebenſo die Pflege und die Farbenzuſammenſtellung.

Die fünf zweiten Preiſe im Betrage von je 50 Kronen erhielteu: Der Verein der Gärtner und Gartenfreunde in Hietzing (Balkon, Hietzing, Am Platz 5); Dr. A. Scholz (6 Fenſter und 1 Bal - kon, 18. Bezirk, Hofſtattgaſſe 21, Ecke Dittesgaſſe); Gebrüder Böhler A. G. (Balkon im 2. Stock, Eliſabethſtraße 12); Paul Dumont (ſämtliche Bal - kons und Fenſter an den Häuſern, 3. Bezirk, Untere Viaduktgaſſe 35, Kegelgaſſe 5, Bechardgaſſe 14 und 16 ſamt eingeſchloſſenem Straßenhof); Poſtſparkaſſenreviſor Otto Slavik (ganze Front des einſtöckigen Hauſes Hietzinger Hauptſtraße 148.)

Zehn dritte Preiſe zu je 30 Kronen: Frau Marie Marinic (Balkon und 4 Fenſter, 9. Bezirk, Fuchsthalergaſſe 2, Ecke Nußdorferſtraße); Thereſe Gerbert v. Hornau (62 Fenſter und 1 Balkon, 2. Bezirk, Engertſtraße 235); Dr. Pleßner (3 Bal - kons, 4. Bezirk, Rainerplatz 1); Ludwig Laufer (ſämtliche Fenſter im 1. und 2. Stock, 1. Bezirk, Karls - platz 2); Karoline Sagmüller (Balkon, 2. Bezirk, Hillerſtraße 7); Oskar Lechner (17 Fenſter, 1. Bezirk, Deutſchmeiſterplatz 4): Franz Medved (Balkon, 6. Bezirk, Ufergaſſe 8); Emilie Prokop (Fenſter, 5. Bezirk, Margaretenſtraße 102); Marie Daim (Bal - kon, 17. Bezirk, Hauptſtraße 13); Joſef Haſchek (2 Fenſter, 16. Bezirk, Lerchenfeldergürtel 39); zehn vierte Preiſe zu je 20 Kronen: Marie Holz - apfel (3 Fenſter, 2. Bezirk, Halmgaſſe 3); Johann Köckenbauer (Fenſter, 3. Bezirk, Dißlergaſſe 7): A. Kalcher (5 Fenſter, 5. Bezirk, Schönbrunner - ſtraße 119); Joſef Halicka (6 Fenſter, 19. Bezirk, Springſiedelweg 30); Alois Ebeſeder (Geſchäfts - portale, 1. Bezirk, Opernring 9); Karl Beck und Ko. (Balkon, 1. Bezirk, Kärntnerſtraße 58); Ottilie Nekula (Fenſter, 12. Bezirk, Arndtſtraße 87); Julius Roſt (2 Fenſter, 18, Bezirk Sternwarteſtraße 4 und Semper - ſtraße 46); Roſa Füßl (5 Fenſter, 5. Bezirk, Pilgram - gaſſe 24); W. Zimmer (Baluſtrade und Balkons, 17. Bezirk, Dornbach, Promenadegaſſe 53). Sämtliche Prämiierten erhalten außer dem Geldpreiſe noch ein Anerkennungsdiplom.

Anerkennungsdiplome erhielten: Mansfeld - Janal (Balkons und Fenſter, 17. Bezirk, Promenade - gaſſe 39); Dr. Friedrich Ehmann (Balkon, 1. Bezirk, Opernring 9): Stanislava Hartwich (2 Fenſter, 19 Bezirk, Pantzergaſſe 24); Fanny Liebl (Fenſter, 3. Bezirk, Sofienbrückengaſſe); Leopoldine Grünbeck (Erker, 17. Bezirk, Hauptſtraße 68); J. A. Raſocha (7 Fenſter, 11. Bezirk, Kaiſer-Ebersdorferſtraße 298).

Die Verteilung der Preiſe und Anerkennungs - diplome wird durch den Bürgermeiſter in feierlicher Weiſe im Rathauſe vorgenommen werden.

Der Todesſturz aus dem Lift. [Eine momentane Geiſtesſtörung.]

Der Geſchäftsdiener Johann Hawiger, der ſeit zehn Jahren in der Fabrik Lederer, Zoller - gaſſe Nr. 8 bedienſtet iſt, war am Samstag von der Gattin ſeines Firmachefs beauftragt worden, ein Dienſtmädchen für ſie zu ſuchen. Der Diener traf in der Siebenſterngaſſe eine etwa 40jährige Frau, die den Poſten annehmen wollte, ging mitihr in das Haus ſeiner Vorgeſetzten und wollte mit dem Lift in die im 4. Stock gelegene Privat - wohnung der Frau Chef fahren, um dort den neuen Dienſtboten vorzuſtellen. Diener und Frauensperſon ſtiegen in den von der Haus - beſorgerin Anna Eder bedienten Lift. Als der Aufzug zwiſchen dem erſten und dem zweiten Stockwerke ſchwebte, vernahm die unten ſtehende Hausbeſorgerin plötzlich ein furchtbares Krachen, und gleich darauf fiel der Körper der unbe - kannten Frau mit dumpfem Fall auf den Boden des Aufzugſchachtes. Dem Körper ſtürzten einige Bretter des Bodens des Aufzuges nach und blieben auf der Frau liegen. Die Abgeſtürzte wurde lebensgefährlich verletzt ins Sofienſpital gebracht und iſt dort bald darauf geſtorben, ohne das Bewußtſein wiedererlangt zu haben. Die Verunglückte hat die Türe des Aufzuges während der Fahrt mit Gewalt geöffnet, glitt ab und blieb mit den Füßen zwiſchen dem Randſtein des erſten Stockwerkes und dem Aufzug ſtecken. In - folge dieſer Einzwängung zog ſie, als der Körper durch ſein Gewicht fiel, die unteren Bretter des Aufzuges mit. Beim Eintritt in den freien Schachtraum erfolgte kopfüber der Todesſturz. Hawiger, der den beſten Leumund genießt, ſtellt mit aller Entſchiedenheit jede Schuld an dem Unglücksfall in Abrede, und auch die eingeleiteten Erhebungen haben nicht die mindeſten Indizien für einen Verdacht gegen ihn ergeben. Es iſt nicht ausgeſchloſſen, daß das Unglück dadurch verſchuldet wurde, daß die Frau einen plötzlichen Nervenanfall erlitten hat. In dieſem Falle dürfte es ſich um eine momentane Sinnesverwirrung einer hochgradig hyſteriſchen Perſon handeln, die vielleicht durch die ungewohnte Situation, durch das Fahren im regen Aufzug, die Nähe eines ihr völlig fremden Mannes und die ſcheinbar ſo myſteriöſe Art der Aufdingung ganz aus dem Gleichgewicht gebracht, die Beſinnung verlor und nur den Wunſch hatte: Hinaus aus dem Aufzug! Die Staatsanwalt - ſchaft wurde von dem Unfall in Kenntnis geſetzt. Der Aufzug iſt behördlich geſperrt und der Schlüſſel vom Polizeikommiſſariat Neubau in Verwahrung genommen worden, um für einen eventuellen landesgerichtlichen Augenſchein das Beweismaterial ſicherzuſtellen. Die Leiche wird gerichtlich obduziert werden.

Großes Eiſenbahnunglück in Kärnten.

Aus Klagenfurt, 16. September, wird uns gemeldet: Der Zug Nr. 417, der nachmittags ½5 Uhr aus der Station Pörtſchach am Wörtherſee zu früh abgelaſſen worden war, ſtieß zwiſchen Pörtſchach und Krumpendorf mit dem Zuge Nr. 418 zuſammen. Mehrere Waggons wurden zertrümmert, drei Perſonen getötet und ſieben ſchwer verletzt. Unter den Toten ſoll ſich ein Geiſtlicher befinden. Der Materialſchaden iſt bedeutend.

Infolge des Unfalles und da ein Umſteige - verkehr in der Nacht bei ſtrömendem Regen unmöglich war, wurde der ſonntägige Puſtertaler Schnellzug Ala Wien nur bis Villach geführt. Die Fahrgäſte dieſes Zuges wurden erſt Montag mit dem ſogenannten Wörtherſee-Schnellzug weiterbefördert.

Die Getöteten ſind nach einer ſpäteren Meldung die Kondukteursfrau Bertha Kemperle, Pfarrer Bolvary aus Peſt und Lokomotivführer Franz Kranner, der durch die aus dem Tender auf ihn fallenden Kohlen verletzt wurde und während des Transportes in das Klagenfurter Spital ſtarb. Unter Leitung des Eiſenbahn-Oberinſpektors Piſtner ging ſofort aus Villach eine Rettungsexpedition ab, ebenſo traf ſofort die Rettungsanſtalt der Klagen - furter freiwilligen Feuerwehr mit den Vorſtänden Kudera und Suppé an der Unfallſtelle ein. Die fieben Schwerverletzten wurden in das Spital nach Klagenfurt, die Leichen der drei Verunglückten nach Pörtſchach gebracht.

Große chriſtlich-ſoziale Verſammlung im Viertel Unter dem Mannhartsberg.

Aus Retz wird uns berichtet: Einberufen vom Chriſtlich-Sozialen Vereine für Retz und Umgebung fand geſtern hier eine maſſenhaft beſuchte Verſammlung ſtatt, zu der ſowohl aus allen Gemeinden des Bezirkes Retz, wie auch von Korneuburg, Ober-Hollabrunn, Stockerau, ja ſelbſt von der Franz Joſefs-Bahnſtrecke ſich zahlreiche Bürgermeiſter und andere öffentliche Funktionäre eingefunden hatten. Der größte Saal in Retz, die Znaimer Bierhalle, war dicht gefüllt.

Nachdem Direktor Arthold die Verſammlung begrüßt hatte, nahm zunächſt Reichsratsabgeordneter Kühſchelm das Wort zur Tätigkeit des Abgeordneten - hauſes. Er betonte bei dieſer Gelegenheit, daß der gegenwärtige Miniſterpräſident in Zukunft in einer Reihe von der landwirtſchaftlichen Bevölkerung außer - ordentlich wichtigen Angelegenheiten eine andere Haltung einnehmen werden müſſen, als in ſeiner Stellung als Sektionschef des Ackerbauminiſteriumsgetan habe. (Lebhafter Beifall.) Hierauf berichtete Landtagsabgeordneter Liſt unter viel Beifall über die Tätigkeit der chriſtlich-ſozialen Partei im niederöſter - reichiſchen Landtage. Landesausſchuß Dr. Geß - mann ſprach über die Wahlreform und das Ver - hältnis zu Ungarn; mit aller Entſchiedenheit müſſe auf der Wahlpflicht beſtanden werden. Was die Frage des Ausgleiches mit Ungarn betrifft, ſo erſcheint der Abſchluß eines ſolchen mit den gegenwärtig in Peſt herrſchenden Kreiſen nahezu ausgeſchloſſen. Aber ebenſo ausgeſchloſſen erſcheint die Durchführung der Perſonalunion. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß im Verlaufe der diesbezüglichen Verhandlungen Ergebniſſe eintreten müſſen, welche zu einer vollſtändig neuen Geſtaltung der ſtaatsrecht - lichen und wirtſchaftlichen Verhältniſſe führen müſſen. Für die chriſtlich-ſoziale Partei, welche gewiß im neuen Hauſe eine ganz andere Rolle zu ſpielen berufen erſcheint, als dies bisher der Fall war, liegt vor allem die Pflicht vor, für die materielle Wohlfahrt in erſter Linie und damit auch für die idealen Ziele des deutſchen Volkes in Oeſterreich einzu - ſtehen; ſie wird in der Betätigung eines groß - zügigen ſozialen Programms den Beweis er - bringen, daß man auf dem Chriſtentum fußend, der Gegenwart und der Zukunft am beſten Rechnung tragen kann. Den Ausführungen des Redners folgte ſtürmiſcher Beifall, worauf eine vom Vorſitzenden vorgelegte Re - ſolution zur einſtimmigen Annahme gelangte, in welcher der chriſtlich-ſozialen Partei und den anweſenden Abgeordneten das volle Vertrauen ausgeſprochen wurde.

Der Bodenſee als Stauweiher.

In einem Hinweis auf die Waſſerkräfte des Rheins wird von der Schweizer Bauzeitung eines Projektes gedacht, das von Ingenieur Ru - dolf Gelbke aufgeſtellt wurde, und hoffentlich wenn auch vorausſichtlich erſt nach langen Kämp - fen zur Ausführung gelangt, nämlich die Re - gulierung des Bodenſeewaſſerſtandes. Der Boden - ſee weiſt zwiſchen Niederwaſſer und einem hohen Mittelwaſſer eine Niveauſchwankung von 1·8 Meter auf. Da ſeine Oberfläche mit dem Unterſee bei - nahe 590 Quadratkilometer beträgt, zeigt ſich, daß im See ſelbſt, ohne Aufſtauung, d. h. nur durch Regelung des Abfluſſes, eine Milliarde Kubik - meter Waſſer geſammelt werden kann. Dieſe Auf - ſpeicherung kann erreicht werden durch eine Schützen - anlage bei Hemmishofen. In Zeiten von mehr als 200 Sekundenkubikmeter Zuflußmenge in den See würde das Seebecken gefüllt und ſein Niveau ſich ſo geſtalten, daß bei Eintritt des Niederwaſſers der Seeſpiegel auf der höchſten Kote ſtünde. Es könnte dann während einer Periode von 115 Tagen das Niederwaſſer rund um 100 Kubikmeter in der Sekunde vermehrt werden. Eine ſo lang anhaltende Niederwaſſerperiode iſt aber noch nie am Bodenſee beobachtet worden.

Die Waſſerkräfte des Rheins können hienach ohne weſentlich vermehrte Auslagen für die herzu - ſtellenden Werke um rund 15.500 × 6 = 93.000 Pferdekräfte vermehrt werden, oder für die Schweiz und das Großherzogtum Baden um je die Hälfte dieſer Zahl. Jedem dieſer beiden Staaten ſtänden im ganzen auf dieſer Strecke 99.400 + 46.500 = 145.900 Pferdeſtärken zu Gebote. Die glücklichen Folgen einer ſolchen Stauung wären unüber - ſehbar. Zu dem gewaltigen Zuwachs an Trieb - kraft wäre ein gut Teil der Hochwaſſergefahr beſeitigt, die Schiffahrtsverhältniſſe des Rheins wären weſentlich dadurch gebeſſert uſw. Kurz, die Vorteile dieſer Stauung ſind ſo einleuchtend, daß am endlichen Gelingen dieſes verhältnismäßig nicht teuren Rieſenplanes kaum zu zweifeln iſt.

Eine ſolche Stauung des Bodenſees wäre dann wohl in ganz Europa für lange Zeit das größte derartige Werk, das bei allerdings hohen Herſtellungskoſten einen ſehr großen Nutzen gewähren würde, der ebenſowohl auf volkswirt - ſchaftlichem wie auf induſtriellem Gebiete liegen würde, ohne daß dabei Naturſchönheiten beein - trächtigt würden, wie das oft bei der Gewinnung großer Waſſerkräfte der Fall iſt.

Ein Proteſt aus Amerika.

Zur ſelben Zeit, als in Ungarn unter viel Reden auf das freundſchaftliche Verhältnis der unga - riſchen Auswanderer zum Mutterlande ein Waſhington - Denkmal enthüllt wird, klingt aus Amerika herüber ein Proteſt gegen die barbariſche Wirtſchaft des magyariſchen Chauvinismus.

Bei uns traf heute die in Wilkes Barre, in Pennſylvanien, erſcheinende Zeitung » The Wilkes Barre Record « ein, die ausführlich und in zahlreichen Bildern das rieſige Meeting ſchildert, das die katho - liſchen Slovaken Amerikas am 3. September in Wilkes Barre abhielten, um gegen die Unterdrückung ihrer Volksgenoſſen in der Heimat zu proteſtieren.

An dem Volksaufzuge, an dem die ſlovakiſchen Vereine von Port Griffith, Olyphant, Nantiroke, Glen Lyon, Wilkes Barre und Rhone, mehrere6Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906 212Muſikbanden, der Präſident der katholiſchen ſlova - kiſchen Nationalgeſellſchaft in New-York, A. S. Ambroſe, der Führer John Porubsky, Vertretungen aus Bingbempton, Newark, Süd-Bethlehem uſw., ſowie die Repräſentanten verſchiedener ſlovakiſcher Zeitungen Amerikas teilnahmen, beteiligten ſich viele tauſend Menſchen. In der Eröffnungsanſprache erklärte der Geiſtliche Murgas: Wir brauchen von Ungarn nichts mehr. Wir fliehen aus dem alten Lande wir fliehen unſeren böſen Bruder Eſau und ſuchen Schutz und Schirm bei Amerika, unſerm Onkel Laban. Können wir deshalb getadelt werden, wenn dieſer Onkel uns teurer wird, als der Bruder Eſau?

In der Verſammlung ſprach auch der Biſchof Michael John Hoban, ein Engländer, der in feurigen Worten ſeine Sympathie für die um ihre Rechte kämpfenden Slovaken ausſprach.

Der nächſte Sprecher, Dr. Dianiska aus Plymouth, erklärte: Die jetzige ungariſche Regierung iſt zur Verwaltung ganz unfähig, ſie befriedigt nicht einmal die Magyaren ſelber. Sie beſchützt eigentlich nur die Juden und iſt als in Wahrheit nicht ma - gyariſch, ſondern nur jüdiſch!

Es ſprachen außerdem noch die Geiſtlichen Fürdek und Vloſſak. Der Kongreß faßte eine energiſche Proteſtentſchließung gegen die nationalen Vergewaltigungen in Ungarn und wies es zurück, daß man den Slovaken Nordamerikas infinuiere, ſie planten einen Abfall von der katholiſchen Kirche, der ſie treu ergeben ſeien.

Telegramme.

Der kubaniſche Bürgerkrieg.

Nach einer Meldung aus Newport ſind die Linienſchiffe Louiſtana und Virginia mit je 800 Mann an Bord mit verſiegelten Orders in See gegangen.

Nach Beratung mit den gefangenen Verſchworenen und den Ab - geſandten der Aufſtändiſchen kündigte die Re - gierung die Einſtellung der Feindſeligkeiten auf unbeſtimmte Zeit an, in der Abſicht, vor dem Eintreffen des amerikaniſchen Kriegs - ſekretärs Taft oder der Intervention der Vereinigten Staaten Frieden zu ſchließen.

Englands Außenpolitik.

Kriegsminiſter Haldane kam bei der heute in Newcaſtle von ihm gehaltenen Rede über die Heeresangelegenheiten auch auf die auswärtigen Beziehungen zu ſprechen und ſagte: Unſere Beziehungen zu Frankreich ſind enger, intimer wie je zuvor, ſie haben uns in freundliche Be - ziehungen zu der ruſſiſchen Regierung gebracht, ungeachtet der gegenwärtigen Schwierig - keiten. Unſere Beziehungen zu Deutſchland ſind beſſer, als ſie vor kurzem waren. Eines der Vorkommniſſe, die auf die Neigung Englands und Deutſchlands hindeuteten, ſich zwar als Rivalen, aber doch als freundliche Rivalen zu betrachten, ſei Zurückziehung nahezu der Hälfte der deutſchen Streitkräfte aus Südafrika ſeitens Deutſchlands. In Zwecken des letzten Krieges hätten die Deutſchen 75.000 Mann in Südweſtafrika gehabt, was eine gewiſſe Mißſttmmung bei nervöſen Leuten in England habe entſtehen laſſen. Er (Haldane) habe keinen Augenblick daran ge - dacht, daß dabei irgend etwas Unnatürliches war, aber nun ſtellte es ſich heraus, daß mit Beginn des nächſten Monates 7000 Mann deutſcher Truppen zurückgezogen werden ſollen. Das müſſe Englands Werk in Südafrika erleichtern.

Gegen die Anarchiſten.

Anläßlich des Wiederbeginnens der Tätigkeit der Gerichtshöfe hielt der Juſtizminiſter Komanones eine Rede, in welcher er die abſolute Notwen - digkeit hervorhob, die Anhänger der theo - retiſchen Anarchie ſtrenge zu beſtrafen, welche gefährlicher und feiger ſei als die An - archie ſelbſt, da die Propaganda der Tat von der theoretiſchen Anarchie ihren Urſprung nehme.

Die dalmatiniſchen Land - und Seemanöver.

Die Reiſe des Erzherzogs Franz Ferdinand.

Der letzte Manövertag (Samstag) endete mit einem vollen Sieg der Südarmee unter General - major Schemua über die Nordarmee, die aus den Brigaden Größl, Ubaldini und Ivanoſſic beſtand. Erzherzog Franz Ferdinand wartete die weitausholende Umgehungsbewegung der Nord - partei, die auch zu einem Frontalangriff unter un -günſtigen Verhältniſſen geworden wäre, nicht ab, ſondern ließ um 9 Uhr 10 Minuten abblaſen.

Erzherzog Franz Ferdi - nand verließ Samstag nachmittags Raguſa, um ſich nach Gravoſa zu begeben.

In der Landeshauptſtadt.

Bei der Ankunft des Erzherzogs in Zara herrſchte ſtürmiſcher Schirokko. Der Erzherzog wurde vom Statthalter und dem Militärkommandanten begrüßt. Statthalter Nardelli ſtellte den Bürgermeiſter von Zara Dr. Ziliotto, den Landtagspräſidenten Dr. Ivčević, den Erz - biſchof-Metropoliten von Zara, Dvornik, den griechiſch-orientaliſchen Biſchof Dr. Milaš und den Leiter der Bezirkšhauptmannſchaft in Zara, Statt - haltereirat Jarabek vor.

In dem eigens errichteten Pavillon richtete der Bürgermeiſter an den Erzherzog eine längere Anrede in italieniſcher Sprache.

Der Erzherzog erwiderte:

Es würde Seine Majeſtät ſehr gefreut haben, nach langen Jahren die Hauptſtadt des Königreiches Dalmatien wieder zu ſehen und ſich perſönlich von dem Aufſchwung derſelben zu überzeugen, der für den erfreulichen Fleiß ihrer Bürger Zeugnis ablegt. Der wirtſchaftliche und bürgerliche Fortſchritt der Stadt Zara wird immer der Gegenſtand der väterlichen Für - ſorge Seiner Majeſtät ſein, und der projektierte aller - höchſte Beſuch dieſer Stadt ſpricht für den Anteil, den Seine Majeſtät an ihren Schickſalen nehmen. Die lebhaften Gefühle der Untertanentreue und Anhäng - lichkeit der Bevölkerung von Zara, welche Sie, Herr Bürgermeiſter, verdolmetſcht haben, werden unſerem allerhöchſten Herrn zur großen Genugtuung gereichen. (Italieniſch): Pel festoso e cordiale ricevimento esprimo a lei pregandola di recarli ai suoi concittadini i miei piu caldi ringraziamenti.

Die Antwort wurde mit jubelnden Evviva - und Zivio-Rufen aufgenommen.

Im Statthaltereigebäude empfing der Erzherzog die Hofwürdenträger, den Klerus, die dienſtfreien Offiziere ꝛc. Landtagspräſident Dr. Ivcevic richtete an den Erzherzog eine Huldigungsanſprache, auf die dieſer deutſch erwiderte.

Auf die Anſprache des Erzbiſchofs von Zara Dvornik erwiderte Erzherzog Franz Ferdinand:

Mit beſonderer Genugtuung vernehme ich die Verſicherung der Treue und Anhänglichkeit an Seine kaiſerliche und königliche apoſtoliſche Majeſtät, der Sie im Namen des Epiſkopates des katholiſchen Sekular - und Regularklerus Dalmatiens Ausdruck gegeben haben. Die Intereſſen der katholiſchen Kirche und ihres Klerus werden Sr. Majeſtät ſtets am Herzen liegen und die allerhöchſte Gewogenheit genießen. Gebe es Gott, daß das paſtorale Wirken des dalma - tiniſchen Klerus geſegnete Früchte trage und in den Herzen der Gläubigen die Gefühle chriſtlicher Liebe, des Friedens und der Eintracht befeſtige. Ich bin über - zeugt, daß auch in Hinkunft Ihr Klerus bei dem ge - treuen dalmatiniſchen Volke neben dem religiöſen Ge - fühle auch die Anhänglichkeit an Se. Majeſtät den Kaiſer und König, an ſein Haus und die Monarchie pflegen wird. Hvala liepa. Grazie.

Auf die Anſprache des griechiſch-orientaliſchen Biſchofs von Zara Dr. Milas antwortete der Erz - herzog:

Ich danke Ihnen, Herr Biſchof, für die in ſo warmer Weiſe zum Ausdruck gebrachten Gefühle. Ich bin überzeugt, daß ſich die Ihrer Fürſorge anvertraute Geiſtlichkeit bei der eifrigen Erfüllung ihres erhabenen Berufes ebenſo wie das Volk Ihrer Eparchie ſtets durch Treue und Ergebenheit für Se. Majeſtät den Kaiſer und König und ſein Haus auszeichnen werden. (Serbokroatiſch: Budite uvjereni o Milosti i blagona - klonosti njegovog Veličanstva.

Auf der Rückreiſe.

Erzherzog Franz Ferdinand iſt an Bord des Erzherzog Karl , begleitet von der Eskader, um 8 Uhr abends im Kriegshafen eingetroffen. Um Uhr fuhr er im Galaboote entlang den feſtlich beleuchteten Kriegs - ſchiffen und der prächtig illuminierten Riva zur Landungsbrücke, lebhaft akklamiert. Auf dem Eliſabethmolo betrachtete der Erzherzog die mit bengaliſchem Lichte feenhaft beleuchtete Arena und das Feuerwerk auf dem Monte Ghiro.

Sodann verabſchiedete ſich der Erzherzog vom Marinekommandanten Admiral Grafen Monte - cuccoli und nahm die Abmeldung des Kriegs - hafenkommandanten Vizeadmirals v. Ripper und des Bezirkshauptmannes Freiherrn v. Reinlein entgegen. Dem Podeſtà Dr. Stanich gegenüber drückte der Herr Erzherzog ſeine Befriedigung und Freude über den Empfang und die Illumination aus. Um 9 Uhr erfolgte die Abfahrt des Hofzuges. Die Manöveroberleitung trifft nachts mit dem Dampfer Gödöllö in Pola ein und ſetzt morgen nachmittags die Reiſe nach Wien fort.

Der Kaiſer hat für die Armen von Pola 4000 Kronen geſpendet.

Die Ereigniſſe in Rußland.

Die Zarenreiſe.

Kaiſer Nikolaus fühlt ſich auf ſeiner Finn - landsreiſe ziemlich wohl, wenn auch alle Vor - kehrungen getroffen ſind, um die Oeffentlichkeit über die beabſichtigten Bewegungen des Herrſchers nichtin Kenntnis kommen zu laſſen. Das Feſtland hat der Kaiſer noch nicht betreten, obwohl man ſeinem Beſuch in Björkö entgegenſieht. Doch meldet das Schwediſche Telegraphenbureau von einem Tagesaus - flug des Kaiſers auf die Kalfholmen-Inſeln, bei dem der Zar ſogar Geld unter die Bevölkerung verteilte. Es wird angegeben, daß die kaiſerliche Familie Montag nach Peterhof abreiſen, dann aber wieder zu den finniſchen Inſeln zurückkehren werde. Sehr erſchüttert hat den Kaiſer der

Tod des Generals Trepow,

der Samstag eintrat, nachdem der General längere Zeit an Angina pectoris gelitten hatte. Dimitri Trepow ſtand im 51. Lebensjahre. Er war der Sohn des Stadthauptmanns Trepow von Petersburg, den, ein Findelkind, eine deutſche Dame auf der zu ihrem Hofe führenden Treppe aufgeleſen und Trepphof genannt hatte, welchen Namen der noch mals berühmt Gewordene zu Trepow ruſſifiziert hatte. Vater und Sohn waren wegen ihrer Strenge Gegenſtand unzähliger Attentate. Der nun verſtorbene General war 1896 Ober-Polizeiminiſter von Moskau und wurde 1905 Generalgouverneur von St. Petersburg, am 5. November desſelben Jahres ernannte ihn der Zar zum Kommandanten ſeines Palaſtes. Trepow war wohl, wegen ſeiner grauſamen Strenge und eiſernen Konſequenz, der meiſtgehaßte Mann im Zarenreich und es iſt ſehr charakteriſtiſch, daß die Judenblätter, die mit den jüdiſchen Aufrührern von Siedlce ſo widerlich aufdringliches Mitleid äußerten, Trepow durchaus für ermordet ausgeben wollen, während er tatſächlich eines durchaus natürlichen Todes ſtarb. An Stelle Trepows wurde der bis - herige Kommandeur des Gendarmeriekorps, General Dedjulin, zum Palaſtkommandanten er - nannt.

Die Situation in Warſchau.

In der Hauptſtadt Polens kamen die Behörden einem neuen jüdiſch-revolutionären Anſchlag auf die Spur und um die Oeffentlichkeit zu täuſchen, beeilen ſich die Juden, über Vorbereitungen zu einem Pogrom , einer Verfolgung, zu heulen. Folgende Meldung liegt hierüber vor:

Geſtern um 6 Uhr nachmittags umzingelte Militär den ganzen 6. Stadt - bezirk und unternahm eine allgemeine Reviſion in ſämtlichen Häuſern. Die Tore der Häuſer wurden ge - ſchloſſen und der Verkehr mußte ganz eingeſtellt werden. Die Unterſuchung dauerte bis 4 Uhr nachmittags. 1730 Perſonen wurden verhaftet und in die Militärkaſernen abgeführt. 700 von den Ver - hafteten, die verdächtig erſchienen, wurden unter ſtarker Bedeckung in die Zitadelle gebracht. Die anderen wurden freigelaſſen. Solche Reviſionen ſollen nun auch in den anderen Stadtbezirken durchgeführt werden.

Kämpfe mit Bauern.

(Privat-Tele - gramm.) In das Dorf Rubnikow im Gouvernement Grodno kam ein Polizeikommiſſär mit fünfzehn Soldaten und zwei Poliziſten, um ſieben Bauern zu verhaften. Die Dorfbewohner ſuchten die Ver - haftung gewaltſam zu verhindern und griffen das Militär an. Dieſes machte von der Waffe Gebrauch. Acht Bauern wurden erſchoſſen und 60 verwundet.

Auf dem Gute Arſha - now haben die Bauern ſchwere Ausſchreitungen be - gangen. Sie verhandelten zunächſt über den Land - pacht ſchlugen dabei einen Gutsbeamten, dann eilten auf ihr Signal etwa 700 Mann mit Gewehren und Bomben herbei und begannen das Gut zu zerſtören. Die Weiber ſteckten das Gebäude und die Heuvorräte in Brand und die Män - ner plünderten. Auf das Feuer der Gu[t]swache antworteten die Bauern mit Bombenwürfen. Die Bomben fielen jedoch, ohne zu explodieren, ins Waſſer. Eine Anzahl Bauern wurde getötet oder verwundet. Nach Arſhanow ſind Truppen abge - gangen.

Eine Manifeſtationskundgebung der Steuerbeamten.

Ueber Einberufung des Verdandes der öſter - reichiſchen Steueramtsbeamtenvereine fand geſtern abends, im großen Saale des I. allgemeinen öſter - reichiſchen Beamtenvereines in der Inneren Stadt eine Manifeſtationskundgebung der k. k. öſterreichiſchen Steueramtsbeamten ſtatt, der unter anderen Abge - ordneter Dr. Geßmann beiwohnte. Es war dies die erſte Kundgebung dieſer Standesgruppe, dazu veran - ſtaltet um öffentlich ihre Wünſche bekannt zu geben. Parallel laufend fanden in zirka 40 öſter - reichiſchen Provinzſtädten gleichfalls Kund - gebungen der Steuerbeamtenſchaft ſtatt, in welchen die gleichlautenden Reſolutionen zum Beſchluſſe er - hoben wurden. Bezüglich der Avancements - verhältniſſe verlangten die Verſammlungen ein graduales Vorrücken. Eine zweite Reſolution verlangte die Einführung der 35jährigen Dienſtzeit für den Steueramtsdienſt; eine dritte Reſolution befaßte ſich mit der Dienſtespragmatik und hier wurde ge - fordert: Oeffentliches mündliches Disziplinarver - fahren, Alimentation bis zur Erledigung des Gnadengeſuches ꝛc. ; ſchließlich ſoll es jeden Beamten geſtattet ſein, einer beliebigen politiſchen Partei an - zugehören. Nach der einſtimmig erfolgten Annahme dieſer Reſolutionen wurde die Tagung geſchloſſen.

7212 Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906

Parlamentariſches. Das Abgeordnetenhaus

hält morgen, Dienstag, um 11 Uhr vormittags die erſte Sitzung nach den Ferien ab. In parlamentariſchen Kreiſen verlautet, daß morgen zwei Dringlichkeitsanträge eingebracht werden dürften; der einein Angelegenheit der Troppauer Vorgänge, der zweite bezüglich der Sonderſtellung Galiziens. Bekanntlich kündigte Abg. Stein im Wahlreformausſchuſſe an, er werde im Falle der Annahme des Antrages Starzynski im Abgeordnetenhauſe einen Dringlich - keitsantrag über die Sonderſtellung Galiziens ein - bringen.

Aus dem Gerichtsſaale.

Ein jüdiſcher Mörder.

Der achtzig - jährige Jude Jakob Stern, Schankwirt in Bialobrzegi, wurde vom Schwurgericht Rzeszow des Mordes am Bauern Valentin Grigar ſchuldig erkannt und zum Tode durch den Strang verurteilt. Grigar war am Morgen des 30. April unweit der Schenke des mit ihm ver - feindeten Stern erſchlagen aufgefunden worden. Stern, der Tat beſchuldigt, leugnete, aber der Bauer Thomas Balawander erklärte, in der Nacht genau geſehen zu haben, wie der Jude von der Mordſtelle zu ſeinem Hauſe ging. Drei Zeugen, die ausſagten, Stern ſei zur Tatzeit zu Hauſe geweſen, ſtanden wegen falſcher Ausſage gleichfalls vor Gericht, wurden aber freigeſprochen, Stern dagegen zum Tode verurteilt. Der rüſtige Greis appellierte durch den ihm ſtammverwandten Krakauer Unwerſitätsprofeſſor Roſenblatt; der Kaſſationshof verwarf die Nichtigkeitsbeſchwerde, ordnete aber eine neue Verhandlung an.

Geſinnungsgenoſſen! Gedenket Eurer Preſſe.

Letzte Nachrichten.

Demonſtrationen in Trieſt.

Im Anſchluſſe an den hier ſtattgefundenen Kongreß italieniſcher Hochſchüler Oeſterreichs zu Gunſten der Errichtung einer italieniſchen Univerſität in Trieſt kam es geſtern nachmittags nach einem Demonſtrationszuge der Studenten durch die Stadt zwiſchen etwa 60 italieniſchen Hoch - ſchülern ſowie Mitgliedern der ſozialiſtiſchen Partei, welche vor dem Café Municipio ſaßen, einerſeits und Mitgliedern der Lega Patriotica andererſeits zu einem Zuſammen - ſtoße, wobei zwei Scheiben des Kaffeehauſes durch Steinwürfe zertrümmert wurden. Die Polizei ſtellte die Ruhe wieder her und nahm hiebei ſechs Ver - haftungen vor.

Blitzſchlag.

Während eines Gewitters, das geſtern hier niederging, ſchlug der Blitz in die Batteriekammer der Hauptpoſt in Villach ein und zerſtörte die Leitungen. Die Verbindung iſt unterbrochen.

Die Ausgleichsverhandlungen.

Das Ungariſche Telegraphen-Korreſpondenzbureau meldet: Heute vormittags fand eine Miniſterkonferenz ſtatt, in welcher die Inſtruktionen für die Fachreferenten, die ſich zur Konferenz nach Wien begeben, endgültig feſtgeſtellt worden ſind. Staatsſekretär Popovic reiſt bereits heute nachmittags wieder nach Wien, um mit dem öſterreichiſchen Finanz - miniſter Ritter v. Korytowski über das gemein - ſame Budget zu konferieren. Morgen früh begeben ſich die übrigen Fachreferenten nach Wien. Nach - mittags wird die erſte Sitzung der Fachkommiſſion ſtattfinden, in welcher die Delegierten ihren prinzipiellen Standpunkt darlegen werden. Die zweite Sitzung des Fachausſchuſſes dürfte in Ofen-Peſt ſtattfinden.

Cataloniſche Unruhen.

Dem Eelair wird aus San Sebaſtian gerüchtweiſe gemeldet, daß in Catalonien eine Erhebung ausgebrochen ſei. In verſchiedenen Dörfern ſei es zu blutigen Zuſammenſtößen gekommen. Die Karliſtenchefs, darunter General Moore, hätten ſich aus Furcht vor Verhaftung aus Barcelona geflüchtet.

Eine Exploſion in Monfancon.

Bei dem Unglücks - falle, der ſich im Fort Monfaucon infolge des Blitz - ſchlages ereignete, wurden Wege aufgeriſſen und Bäume entwurzelt. Das Fort iſt vollſtändig zer - ſtört. Unter den neun Getöteten befindet ſich ein Landwirt namens Farny, der in einer Entfernung von 250 Metern vom Fort jagte und dem durch einen Felsblock der Kopf zerſchmettert wurde. Es heißt, daß 80.000 Kilogramm Pulver in die Luft flogen. Von den Kaſematten, deren Mauern 1 Meter ſtark waren und die von einer 10 Meter dicken Erdſchichte umgeben waren, iſt keine Spur mehr vorhanden. Der ange - richtete Schade beträgt annähernd Millionen Franken.

Zentralviehmarkt St. Marx.

Schlachtviehmarkt. Zu Markte geſtellt waren heute: 3254 Stück ungariſches, 136 Stück galiziſches, Stück Bukowinaer und 805 Stück deutſches, zu - ſammen 4195 Stück Schlachtvieh, worunter ſich 2570 Stück Maſtvieh, 503 Stück Weidevieh und 1122 Stück Beinlvieh befanden. Außer Markt 883 Stück.

Es notierten: Ungariſche Maſtochſen von Kr. 68. bis Kr. 90. , Prima Kr. . bis Kr. 95. , galiziſche . bis . , Prima von Kr. 90. bis〈…〉〈…〉 6. , ausnahmsweiſe . bis . ; deutſche Maſtochſen von Kr. 76. bis 92. , Prima bis 102. , Hoch - prima von 104. bis 108. , extrem , untergeordnete Maſtqualitäten von 60. bis 70. ; Weideochſen von . bis . , Stiere von 64. bis 88. , ausnahmsweiſe . bis . , Kühe von K. 64. bis 88. , Büffel von Kr. 60. bis 70. . alles per Meterzentner Lebendgewicht, erkluſive Verzehrnugs - ſteuer.

Amtliche Schlußkurſe der öffentlichen Wiener Börſe vom 17. September 1906.

GeldWare
Staats-Anlehen.
Mai-Rente p. K. ... 4 %98.8599.05
Februar-Rente p. K. 4·2 %100. 100 20
Silb. -R. Jan. -Julip. K. 4 %9〈…〉〈…〉 .8〈…〉〈…〉99.05
S. -R.[A]pr. -Okt. p. K. 4·2 %100. 100.20
1860er Staatsloſe 500 fl.157.40159.40
1860er Staatsloſe 100 fl.215. 220.
1864er Staatsloſe 100 fl.275. 277.
1864er Staatsloſe 50 fl.275. 277.
Dom. -Pfandbr. à 120 fl.289.25291.25
Oeſt. Goldrente, ſtfr.,. 4 %116.65116.85
dto. Rente in Kr. -W .. 4 %99.1099.30
Inveſt. -Rente .. %88.9589.15
Albrecht-B. in S. 100 u. 1000 fl ....... 4 %99.60100.60
Eliſabethb. in G., ſtfr. 4 %117.50118.50
Franz Joſef-B. i. S. %123.85124.85
Pilſen-Prieſen-Bahn. 4 %99.60100.6〈…〉〈…〉
Rudolfsbahn in Kr. -W. 4 %99.25100.25
Ung. -ga[l]. Eiſenb. ... 5 %112.25113.2〈…〉〈…〉
dto. Em. 1887 200 fl. 4 %99.45100.45
dto. Em. 1908 ... %91.1592.15
Vorarlberger Bahn .. 4 %99.50100.50
Eliſabethbahn ... %461. 463.
dto. Linz-Budweis 200 fl. öſt. W. Silber .. %435. 437.
dto. Salzburg-Tirol 200 fl. ö. W. Silber ... 5 %426.50428.
Albrechtbahn 300 fl. S. 5 %106. 107.
dto. 200 u. 1000 fl. S. 4 %. .
Böhm. Weſtb. 400,2000 K 4 %99.60100.60
Cliſab. -B. 600 u. 3000 M 4 %116.50117.50
dto. 400 u. 2000 M[k].. 4 %117.35118.35
Franz Joſef-Bahn Cm. 1884 in Silber ..... 4 %99.50100.50
Galiziſche Karl Ludwig-B. 1890 ....... 4 %99.55100.55
Pilſen-Prieſen-Bahn 150 fl. Silber ...... 4 %99.60100.60
Rud. -B. (Salzkg. ) f. 400 Mark ....... 4 %116.90117.90
dto. Em. 1884 D. St. 4 %99.40100.40
Vorariberger-Bahn E. 1884 in Silber ..... 4 %99.30100.30
4 % ung. Goldrente 100 fl.112.60112.80
4 % ung. Re[nt]e in Kr. -W.94.7594.95
Ung. Präm. -Anl. à 100 fl.207.50209.50
Ung. Präm. -Anl. à 50 fl.206.50208.50
Theiß-Regul. -Loſe .. 4 %153.75155.75
Kroat. -Slav. Schankr. -E. - O[bl]. ...... %101. 102.
Kroat. -Slav. 100 fl ... 4 %94.4595.45
Ungarn (für 100 fl. ö. W.) dto. ....... 4 %96. 97.20
Andere öffentliche Anlehen.
Bosn. Landes-Anl. .. 4 %94.2095.20
〈…〉〈…〉eniſch-herzeg. E. -B.-L. - Anl. ...... %100.25100.75
Donau-Regul. -Anl. 1878 v. 100 fl. ...... 5 %105.60106.60
dto. Anl. 1899 .... 4 %98.9099.90
Wien. Berk. -Anl. E. 1900 4 %99.05100.05
〈…〉〈…〉. Land. -Anl. ... 4 %98.6099.60
Batow. Prop. -Schuidv. 5 %101.25102.25
Gal. Prop. -Schuld〈…〉〈…〉. 1889 4 %98.9599.95
Mahr. Land. -Anl. 1890 4 %99.05100.05
Oberöſt. Lan[d]. -Anl. 1887 4 %100.25100.50
〈…〉〈…〉. A. S. 1891 ....... 4 %99.40100.40
〈…〉〈…〉. 1890 4 %99.50100.50
GeldWare
Brünn 1883 verl .. %101. .
Anleihe der Stadt Budapeſt v. 1903 ...... 4 %93.8594.85
Anl. d. Stadt Graz 1876 verl. ....... 6 %. .
dto. v. J. 1902 ... 4 %99.30100.30
Anl. d. Stadt u Handelsk. Trieſt ....... 4 %99.05100.
Anl. d. St. Wien v. J. 1867 verl. ....... 5 %121.40122.40
dto. v. J. 1894 .... 4 %97.1098.10
dto. v. J. 1898 .... 4 %98.9099.85
dto. (Elektr. ) 1900 (verl.) 4 %99.20100.20
Neue ſtädt. Inveſt. -Anl. 4 %99.10100.10
Bulgar. Staats-Eiſb. -Hyp. - Anl. ....... 6 %117.90118.90
dto. 1892 f. 100 fl. Gold 6 %118.95119.95
Ruſſ. Staatsanl., 100 K 5 %77.7578.25
Pfandbriefe ꝛc.
Oeſterr. Bodenkr. in 50 J. verl. ....... 4 %99. 99.45
Böhm. Hyp. -Bank verl. 5 %102.80103.80
dto. verl. ...... 4 %99.4599.85
Zent. -Bodenkr.-B.öſt. %101.25102.25
dto. 50 J. ..... 4 %99.80100.80
dto. 65jähr. ..... 4 %99.80100.80
Komm. -B., Peſterung. %100. 100.45
dto. Komm. -Obl. m. 10 % Pr. ....... %103.20103.20
dto. 50½ i. 5 % Pr.. 4 %98.2599.25
dto. 50 i. ...... 4 %97. 98.
Hermannſtädter Sparkaſſe IV. E. ..... %10〈…〉〈…〉 .75109.75
Cal. A. -Hypoth.-B. m. 10 % Pr. ....... 5 %110.50111.50
dto. 50 ...... %100.10101.10
〈…〉〈…〉al. Bodenkreditverein 4 %98.2599.25
Mähr. Hypothek. in 36 J. v〈…〉〈…〉 rl. ....... 5 %104.50.
dto. verl. ...... 4 %99. 99.80
Mahr. Sparkaſſe, erſte 4 %99.2099.40
N. -O. L. -Hyp.-Anſt. verl. 4 %99.70100.70
dto. Kom. Schuldſch. %9〈…〉〈…〉. 93.
dto. 4 %99.60100.60
Oeſt. Hypothekenb. verl. 4 %99.50100.50
Oeſterr. -ung. Bank 50jähr. verl. ....... 4 %99.35100.35
Spark. 1. öſte[r]r. (verl.) 4 %100.65.
Spark. Budapeſt .. %100. 100.25
dto. 50 J. verl. ... 4 %96.2597.25
Spark. ung. Land. -K. %100. 100.30
[Ste]ierm. Spark. 53jähr. 4 %99. 100.
Ung. Booentr. -Inſt. verl. 4 %9〈…〉〈…〉 .2599.25
〈…〉〈…〉. - u. Bodenan. -Pfdor. 50 J ........ 4 %9〈…〉〈…〉 .7597.75
Hypotheten-Bank in Peſt〈…〉〈…〉 ½ J. v. ... %100. 100.30
dto. Kom. -Obl. in Kronen - Wahrung .... %100·35101.35
dto. Komm. -Oblig. 10 % 50 J. ....... 4 %97. 98.
Ungar. L. -B.-K. -〈…〉〈…〉. f. K. gr. B. ..... %101.85102.85
Ungar. Agrar - u. R. -B. -〈…〉〈…〉. -Sch ...... %100. 100.50
Ung. Agrar-Pſandor. %100. 101.
Prior[i]ätſ - O[bligat]ionen.
Bozen -〈…〉〈…〉 Bahn, 4 %99.25100.25
B. -〈…〉〈…〉 Bahn C. 1889 ..... 4 %94.3095.30
GeldWare
Buſchtehr. Bahn 1896 4 %99.50100.50
Dux-Bodenb. E. 1891 S. 4 %108.80109.40
Ferd. -Nordb. E. 1886. 4 %100.15101.15
dto. Em. 1887 .... 4 %100. 101.
dto. 1888 .... 4 %100.25101.25
dto. 1891 .... 4 %100. 101.
dto. 1898 .... 4 %100.20101.20
dto. 1904 .... 4 %100. 101.
Graz-Köflacher-B. 1902 4 %98.5099.50
Kaſchau-Oderb. E. 1889 4 %99. 100.
dto. E. 1891 .... 4 %99. 100.
dto. (öſt. Str.) E. 1889 4 %99.40100.40
Lemb. -Czern.-Jaſſy-Eiſen - bahn-G ....... 4 %90.6091.60
dto. Em. 1884 .... 4 %98.4099.40
Leob. -Vordernb. Eb. Em. 1893 ....... 4 %98.9099.90
Donau-Damp[f]ſch. -Geſ. 6 %
dto. ........ 4 %115.50116.50
dto. Em. 1886 .... 4 %115.50116.50
Lloyd, öſterr. .... 5 %120.25121.25
Em. 1884 ..... %120.25121.
Em. 1887 ...... 4 %113.75114.75
Montang., öſt. -alp .. %96 4097.40
Oeſterr. Nordweſtbahn 5 %105.85106.85
dto. lit. B .... 5 %105 25106.25
dto. Em. 1874 ... 5 %123.75125.75
dto. Em. 1885 ... 4 %99.90100.90
dto. Em. 1903 .. %107.25108.25
Oſtrau-Friedl. Eiſenb. 5 %99.50100.
Prag-Eiſenind. E. 1873 5 %. .
Staats-E. -G. .... 3 %424. 426.
dto. Em. 187〈…〉〈…〉 ... 3 %407. 409.
dto. 10. Em. 1885 .. 3 %397. 400.
dto. Erg. -Netz .... 3 %403. 405
dto. 1. Em. .... 5 %. .
dto. 2. Em. 1874 .. 5 %. .
Steir. Eiſenind. -Geſ .. 6 %103.60104.60
Sdb. -G. Jän. -Juli .. 3 %318. 319.
dto. April-Oktober ...318. 319.
dto. S. o. G. ... 5 %124.35125.35
dto. ........ 4 %112.75113.75
Ungar. Weſtbahn ... 4 %99.75.
Wien-Aſpang. Eiſb. S. 4 %99. 100.
Diverſe Loſe
(Per Stück.)
A. Verzinsliche Loſe.
Oeſterr. Bodenkr. -Präm. - Schuldv. 1880 ... 3 %282.50291.50
dto. 1889 ..... 3 %288. 297.70
Donauregul. 1870 .. 5 %258. 266.
Hypotherenb., ung., Präm - Schuldverſchr. ... 4 %258. 267.
Serb. Präm. -Anl. .. 2 %96. 104.
B. Unverzinsliche Loſe.
Baſilica (Dombau) ...22. 24.
Kredit-Anſt. ſ. Hand. u. Gew.454. 464.
Clary-Loſe 40 fl. K. -M ..138. 146.
Innsbrucker Stadt-Anlehen78. 83.
Kratauer Lotterte-Anlehen87. 92.
Laibacher Prämien-Anlehen56. 64.
Ofen, Stadtgemeinde ..169. 179.
Palffy-Loſe .......169. 179.
Rote Kreuz, öſterr. ...48.7550.75
Rote Kreuz, ung. ....29.5031.50
Rudolfſtifrung ......57. 61.
Sa〈…〉〈…〉 m-Loſe .......198. 204.
Salzburger Präm. -Anl ..76. 76.
Türk. Eiſenb. -Anl. ....161.75162.75
GeldWare
Wiener Komm. -Loſe 1874505. 514.50
Gew. -Sch. der 3 % Präm. - Schuldv. d. Bodenkredit - Anſtalt Em. 1880 ...48. 54.
dto. v. 1889 ......91. 98.
4 % detto der 4 % Präm. - Anl. d. ung. Hypoth. -Bk.37. 42.75
Bank-Aktien.
Anglo-öſterreichiſche Bank.317. 317.50
Bankverein Wiener ...550. 551.
Bodenkredit-Anſt., öſt ...10411044
Zentral-Bodenkreditb., öſt.559. 560.
Comm. -Bank, Peſter ung.32973301
Kredit-Anſtalt f. H. u. G.668.50669.50
Kredit-Bank, ung. allg.808.50809.50
Depoſitenbank, allgemeine454. 456.
Eskompte-Bank, böhm .... .
dto. mähr ...380. 382.
dto. ſteiriſch ..610. .
Eskompte-Geſ., nied. -öſterr.571. 575.
u. Wechslerb., ung.515. 517.
Galiziſche Akt. -Hypotheken - bank .........575. 580.
Giro - u. Kaſſenverein, Wr.458. 462.
Hypothekenbank, öſterr ..296. 298.
dto. ung. ..518. 520.
Kroat. -ſlav. Land. -Hyp.-Bk.227. 229.
Länderbank, öſterreichiſche438.75439.75
Merkur , Wechſelſt. -A.-G.632. 637.
Ob. -öſt. u. Salzb Bank.566. 571.
Oeſterreichiſch-ungar. Bank17671776
Unionbank .......553. 554.
dto. böhm .....245.50246.
Verkehrsbank, allgemeine.337. 338.
Zivnostenska banka ..242. 243.
Aktien von Transport - Unternehmungen.
Adria, k. u. Seeſch. -G. ..444. 446.50
Auſſig-Tepl. Eiſenb. ...24762486
Böhmiſche Nordbahn ...368. 370.
Buſchtehrader Eiſenbahn,29933003
dto. lit. B... .
Donau-Dampfſchiffahrt-Geſ.10571059
Dux-Bodenb. Eiſenb. ..565. 567.50
Ferdinands-Nordbahn ..55805620
Fünfkirchen-Barcs. Eiſb ..428. 431.
Graz-Köfl. Eiſ. u. Bergb. -G.491. 493.
Kaſchau-Oderberg. Eiſv. -G.378. 380.
Lemb. -Czern.-Jaſſy-Eiſen - bahn-Geſ. ......581. 584.
Leoben-Vordernbg. Eiſenb.2460.
Lloyd, öſterr., Trieſt ...757. 765.
Oeſterr. Nordweſtbahn ..452. 454.
dto. lit. B. .....450. 451.50
Prag-Duxer Eiſenbahn ..225. 226.
dto. Pr. -A. ...296. 297.
Staatseiſenb. -Geſ .....672.50673.50
Südbahn-Geſellſch ......
Südnorddeutſche Verbdgsb.410. 410.25
Samozsthal-Eiſenb. Pr. -A.980. 1005
Tramway-Geſ., neue Wr., Prioritäts-Aktien ....
Tramway-Geſ., neue Wr., Stamm-Aktien ..... .
Transp. -Geſ. intern. ..200. 201.
Ung. -galiz. Eiſenbahn, erſte. .
Ung. Weſtb. (Raab-Graz)407. 409.
Wien-Pott. -Wr.-N.-B .... .
GeldWare
Induſtrie-Aktien.
Baugeſ. allg. öſt. ....150. 150.50
dto. d. 1. Allg. Beamtenv.165. .
Brüxer Kohlenbergb. -Geſ.727. 731.50
Brunner Branerei-A. -G ..179. 181.
Eiſenbahnw. -Leihg. Erſte.208. 210.
Elektr. -Geſ., allg. öſterr ..457. 459.
Elektr. -Geſ., intern ....596.50598.
Jute-Spinnerei - u. Web., 1. öſterr ........740. 760.
Montan-Geſ., öſterr. -alpine605. 606.
Nadrager Eiſeninduſtrie-G.765. 790.
Neſſelsdorfer-Wagenbau - Fabrik-G. ......765. 780.
Nordböhm. Kohlenw-G ..14421450
Nordung ver. Kohlenbergb. - Geſ. .........290. 293.
Perlmooſer hydr. Kalk - u. Portl. ........450. 455.
Prager Eiſeninduſtrie-Geſ.28212831
Rimamurany-Sálgo-Tarj. Eiſw. ........582. 583.
Roſſitzer Bergbau-Geſellſch.376. 378.
Sálgo-Tarj. Steinkohlen-B.627. 629.
Trifailer Kohlenwerks-Geſ.278. 281.
Türk. Tabakregie-Geſ. ..407.50409.50
Union-Baugeſellſchaft ..195. 197.50
Union-Baumater. -Geſ ...229. 230.50
Waffenfabriks-Geſ., öſterr.580. 584.
Wagg. -Leih-A.-G. intern ... .
Waggon-Leih-Geſ. in Peſt. .
Weſtböhm. Bergb. -A.-Ver.301. 304.
Wiener Bangeſellſchaft ..164. 165.
Wienerb. Ziegel - u. Baugeſ.846. 849.
Verſicherungsanſtalten
Anker, Lebens - u. Renten - Verſ. -G. .......60006200
Assicurazioni generali.15.000.
Donau , öſterr. V. -A.-G.770. 800.
Unfall-Ver. -G., 1. öſt. allg.65007000
Wr. Lebens - u. Rentenverſ. - Anſtalt ........760. 780.
Wr. Verſicherungs-Geſ ...490. 508.
Deviſen.
Amſterdam 100 fl. holl .. 3198.35198.60
Brüſſel f. 100 Frcs. .. 4. .
Deutſche Bankpl. 100 M.. 5117.45117.65
London f. 10 Pfd. Sterl.. 4239.95240.25
New-York f. 100 Dollars 5. .
Italieniſche Bankplätze 100 L. it. (Fr.) ... 595.2595.40
Paris f. 100 Francs .. 395.2895.43
Petersburg f. 100 Rubel 8252. 253.
Schweizer Pl. f. 100 Frcs 595.2395.43
Valuten.
Kaiſerliche Münzdukaten.11.3511.39
Kaiſerliche Randdukaten.11.3111.35
Zwanzig-Franks-Stücke ..19 1019.13
Zwanzig-Mark-Stücke ..23.4623.54
Sovereigns .......23.9424.02
Türk. Goldliren ...... .
Deutſche Reichsbanknoten für 100 R. -Mk. .....117.45117.65
Ital. Banknoten f. 100 Lire95.2895.48
Papier-Rubel .....2.522.53
〈…〉〈…〉
8Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906 212
〈…〉〈…〉

Herausgeber Dr. F. Funder, Wien. Verantwortlicher Redakteur Franz Winter, Wien. Druck von Ambr. Opitz Nachfolger, Wien.

9212 Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906

Streiflichter.

Die Macht der Preſſe.

Die Geſamtzahl der jährlich verausgabten Zeitungsnummern iſt nach einer neueren Statiſtik auf etwa 12.000 Millionen Exemplare zu ſchätzen. Um ſich einen Begriff von dieſer ungeheueren Menge zum machen, ſei nur geſagt, daß man mit dieſen Zeitungen eine Fläche von nahezu 30.000 Quadratkilometern bedecken könnte. Das Papier - gewicht beträgt rund 780.000 Tonnen. Sollte dieſe Auflage von einer einzigen Maſchine gedruckt werden, ſo würde die Geſamtauflage, wenn pro Sekunde eine Zeitung gedruckt würde, nach 333 Jahren endlich erſcheinen können. Aufeinander - geſchichtet würde ſie die anſehnliche Höhe von rund 80.000 Metern erreichen. Angenommen, der einzelne Menſch widme dem Leſen ſeiner Zeitung nur fünf Minuten im Tag, ſo würde die Zeit, die von der Geſamtbevölkerung der Erde zum Leſen ihrer Zeitung pro Jahr verbraucht wird, gleich ſein 100.000 Jahren. Eine ganz hübſche Studierzeit, um aus ſchlechten Zeitungen Schlechtes, aus guten Zeitungen Gutes aufzunehmen! Und nun ſtelle man ſich vor, daß das internationale Judentum immer mehr ſich dieſes Rieſeninſtrumentes der Preſſe bemächtigt und durch dasſelbe zu den Völkern ſpricht. Man zeige uns eine Gefahr, ähnlich groß für die ariſchen Völker!

Die Kreuzelſchreiber vom Extrablatt .

Das Interpellationsrecht im Gemeinderat von Wien iſt in der letzten Sitzung dieſer Körper - ſchaft von einem Mitglied der autonomen Ver - tretung der Stadt zu einer Anfrage über den neuen Kurs im Jubiläums-Stadttheater benützt worden und dieſe Anfrage iſt bei den Liberalen Alt und Jung ſtark in die Glieder gefahren. Ihre Zeitungen regen ſich darüber gewaltig auf und beim Illuſtrierten Wiener Extrablatt , dem jüngſten Adoptionskind der Elbemühl, knittert und kracht es bis ins Gebälke des Leitartikels hinauf. Es kommt dem politiſchen Kreuzelſchreiber vom Extrablatt ſo vor, als wären die Sieb - ziger-Jahre wieder da mit ihrem Kulturkampf. Beim Leſen der Interpellation Laux iſt ihm deren geheimer Zuſammenhang mit den Katholiken - tagen in Eſſen und Eger offenbar geworden. Ob man denn vor den Herren Bauer und Baſch etwas verheimlichen könnte! Die Menſchheit kann froh ſein, daß ſie ſolche Seismo - graphen hat, die mit einem aus dem Orient im - portierten Feingefühl geheime Umſturzbeſtrebungen ahnen und rechtzeitig vorher anzeigen. Der Feind ſchläft nicht, meint der liberale Kreuzelſchreiber, er interpelliert und fährt dann dem Steinklopfer - hanns in die Haare. Er verhängt die Horizonte. Schröcklich, ſchröcklich! möchte man ſagen. Was doch alles vorgeht in der Welt, ohne daß Un - eingeweihte eine Ahnung haben! Der Mann vom Montag-Journal iſt auch ein kluger Kopf, da er literarhiſtoriſch feſtſtellt, daß Goethe nicht an die chriſtlich-ſoziale Bewegung in Wien gedacht hat, als er den Fauſt ſchrieb, und Anzengruber nicht, als er den Pfarrer von Kirchfeld zu Papier brachte. Das ſind beachtenswerte Auf - ſchlüſſe über das Schaffen unſerer Klaſſiker und Nachklaſſiker. Aber am beſten wiſſen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft doch die Kreuzelſchreiber und Leitartikelſchreiber vom Extrablatt zu deuten. Daß Anzengruber ſolche Fürſprecher bekommt, daß hat er doch nicht verdient.

Auch bei uns beherzigenswert.

Verſchiedene deutſchkonſervative Abgeordnete, u. a. der Abg. Etz, haben ſich darauf berufen, daß in der Zentrumspartei Deutſchlands eine Ab - neigung gegen das allgemeine gleiche Stimm - recht beſtehe, und haben daraus den Schluß ge - zogen, daß auch in Oeſterreich chriſtliche Volks - parteien nicht für das allgemeine gleiche Wahlrecht ſtimmen dürften; ſie verlangten vielmehr, daß dem mit Beſitz oder Bildung begabten Wähler zwei oder mehr Stimmen anſtatt einer verliehen werden. Wie falſch die Berufung auf die An - ſchauung unter den Katholiken Deutſchlands iſt, geht aus einem Aufſatze der Köln. Volksztg. (Nr. 740) hervor, die einigen in einem Nicht - parteiblatte erſchienenen Einwendungen gegen das allgemeine gleiche Wahlrecht mit folgendem er - widert:

An und für ſich, meint er (der Verfaſſer jener Einwendungen), ſei es ein Unſinn, daß der dümmſte ungebildete Trottel mit dem intelligenteſten Manne das gleiche Wahlrecht hat . Solche Einwände gehen von einer vollſtändigen Verkennung derprinzipiellen Grundlage des allgemeinen Wahlrechtes aus. Das allgemeine und gleiche Wahlrecht iſt ein - fach die politiſche Folgerung aus der allgemeinen Rechtsgleichheit der Bürger im modernen Staate, und dieſe iſt wieder das notwendige Seitenſtück zur Gleichheit der Pflichten. Auch mit dem Einwurf darf man uns nicht kommen, daß doch auch die Steuer - pflicht keine gleiche ſei, und daß alſo zum wenigſten nach der Steuerleiſtung auch das Wahlrecht abgeſtuft werden müſſe. Steuerleiſtung und Wahlrecht oder politiſche Intelligenz ſind durchaus keine ver - gleichbaren oder innerlich zuſammenhängenden Dinge ... Bildung iſt ja nicht gleichbedeutend mit Intelligenz, am allerwenigſten mit politiſcher Intelligenz. Niemand wird zum Beiſpiel beſtreiten können, daß aus dem Arbeiterſtande verhältnis - mäßig ſehr viele Leute mit hoher politiſcher Befähigung hervorgegangen ſind. Aber auch der Handwerkerſtand und Bauernſtand haben ſolche führenden Köpfe hervorgebracht und eine Partei wie das Zentrum, die ſtolz darauf iſt, ſolche Männer in die Parlamente entſandt zu haben, wäre gewiß die letzte, die berufen wäre, Wahlrechtsbeſchränkungen für Ungebildete zu befürworten. Wie ſoll nun dieſe Intelligenz nachgewieſen werden? Etwa durch ein politiſches Intelligenz - oder Bürgerexamen? Oder durch eine der beſtehenden Prüfungen nach Art des Ein - jährigen ? Ganz abgeſehen davon, daß zur Vorbereitung auf ſolche Examina auch wieder Geld gehört, ein Bildungsvorrecht alſo in ſehr vielen Fällen nur ein verkapptes Geldprivileg iſt, werden durch alle Examina der Welt niemals die künftigen politiſchen Führer aus der großen Maſſe herausgeſiebt werden. Und ander - ſeits wird die größere politiſche Intelligenz unter einigermaßen normalen Verhältniſſen auf dem politiſchen Fechtboden ſich ſtets Geltung verſchaffen, auch wenn ſie im Examen bloß Note 4 erhalten haben ſollte. Damit iſt denn auch bereits die Anſicht widerlegt, als ob das gleiche Wahlrecht ein Unrecht gegen die größere Intelligenz wäre. Dieſe verleiht ihrem Beſitzer, wenn er will, einen weit größeren politiſchen Einfluß als ein Wahlrecht.

Die katholiſche Zentrumspartei Deutſchlands will, wie man alſo aus dieſen Worten ihres be - deutendſten Blattes erſieht, mit dem Pluralwahl - recht nichts zu tun haben. Was den Katholiken Deutſchlands recht iſt, kann uns in Oeſterreich gewiß nur billig ſein.

Antiduellerfolge in Spanien.

In Spanien, das oft das klaſſiſche Land des Duells genannt wurde, hat ſich die allgemeine Meinung über das Duell ſo vollſtändig geändert, daß derjenige, welcher ein Duell ablehnt, anſtatt der unliebſamen Konſequenzen, die er ſich durch ſeine Ablehnung noch vor zwei Jahren zugezogen hätte, allgemeiner Billigung ſicher ſein kann. Anſtatt der Zeichen von Verachtung erhält er die Glückwünſche der vornehmen Welt. Von vielen Beiſpielen ſei das des Herrn Euſebius Guell in Barcelona, der ſich im Monat Jänner dieſes Jahres im Prado in Madrid mit dem Senator Ferrer y Vidal hätte ſchlagen ſollen, erwähnt. Herr Guell lehnte ab und kehrte nach Barcelona zurück, wo bei ihm Tauſende von Gratu - lationskarten abgegeben wurden. Aufang Februar griff der Herausgeber der Militärzeitung Ejercito y Armada ( Heer und Flotte ), Hauptmann Pinnel in einem Artiel die Katalonier an. Da die Zeitungen Diario Mercantil (liberal), Correo Catalon (karliſtiſch) und Dilu vio (antiklerikal-republikaniſch) gegen die Anſchuldigungen proteſtiert hatten, forderte Haupt - mann Pinnel die Herausgeber: aber die drei Herren lehnten es ab, ſich zu ſchlagen, und jeder einzelne motivierte ſeinen Entſchluß nach ſeinen Ueber - zeugungen. Die Zuſtimmung war allgemein, ebenſo das Intereſſe, mit dem man die Darlegungen dieſer Herren, welche in ihren Prinzipien ſo verſchieden waren und auf verſchiedenen Wegen zu demſelben Punkt der Uebereinſtimmung gelangten, verfolgte. Wenige Monate ſpäter wurde der Heraus - geber der Zeitung Ejercito y Armada , der nämliche Hauptmann, ein enthuſiatiſcher Anhänger der Antiduelliga und veröffentlichte am 20. Juni einen ſchönen Artikel in ſeinen Zeitungen: er tritt jetzt beſtändig für dieſe Sache ein. Ende Februar wurde gelegentlich einer Polemik zwiſchen zwei Zeitungen in Barcelona einer der Herausgeber von dem andern gefordert, aber er antwortete, daß er zum erſtenmal in ſeinem Leben, um ſich Genug - tuung zu verſchaffen, einen wirkſameren Weg ein - ſchlagen würde; er ſandte den beleidigenden Artikel dem Strafgericht. Ebenſo handelte ein anderer Jour - naliſt, der ſeinen Kollegen vor Gericht zitierte, wo jener vollſtändige Satisfaktion gab, indem er ſeine beleidigenden Worte widerrief. Jüngſt erſt hat der Herausgeber einer kataloniſchen Zeitung einen andern Herausgeber, mit dem er eine Preßpolemik geführt hatte, mit Stockſchlägen traktiert; dieſer fand es für töricht, ſeine Karte dem Angreifer zu übergeben, er rief einfach einen Polizeimann herbei und ließ den Angreifer arretieren. Der Gouverneur ließ beide Herren kommen und legte ihnen in einem Vortrag über den Zwiſchenfall ſeine Anſicht offen dar, worauf ſich der Schuldtragende ins Bureau ſeines Kollegen begab, um ſich bei ihm zu ent - ſchuldigen, und in dieſer Weiſe wurde die Angelegen - heit befriedigend erledigt. Die Regierung, welche der Strömung der öffentlichen Meinung folgt, iſt noch mehr in der Lage als dieſe, ihre Maßregeln gegen die Duelle zu ergreifen, welche der größteTeil der intelligenten Kreiſe für eine verbrecheriſche Dummheit erklärt, und beweiſt dies auch in den offiziellen Dokumenten. Die Spitzen der Regierung griffen bald in ihrer amtlichen Eigenſchaft, bald als private Mittelsmänner ein, um die Duelle, welche in ſchweren Fällen im Parlament drohten, zu ver - hindern. Wir geben ein Beiſpiel von der erſten der beiden Formen ihres Vorgehens: Am 16. Fe - bruar hatten der Deputierte Doval und der Ex - deputierte Segni am Schluſſe der Sitzung einen heftigen Streit und nannten ſich ſofort ihre Zeugen. Der Präſident des Parlaments, Canalejas, der von dieſer Affäre verſtändigt worden war, gab dem Zivilgouverneur von Madrid, Ruiz Jimenez, den Befehl, das Duell um jeden Preis zu verhindern. Den gleichen Auftrag gaben der Miniſterpräſident Moret und der Staats - miniſter. Jimenez, welcher beide Herren ſchon vor - geladen hatte, befahl, ſie unverzüglich zu verhaften, und da ſie nicht verſprechen wollten, ſich nicht zu ſchlagen, blieben ſie trotz ihrer Vorrechte als Ab - geordnete ſo lange in Haft, bis ihre Zeugen dem Statthalter die geſchriebene und unterzeichnete Er - klärung vorwieſen, durch welche die Frage freund - ſchaftlich erledigt worden. Dasſelbe geſchah bei einer Affäre zwiſchen Caſtro und dem Abgeordneten Gaſſet. Dieſe wurden im Moment, da ſie den Kampfplatz betraten und obwohl ſie alle Vorſichts - maßregeln getroffen hatten, um das Duell vor den Behörden zu verheimlichen, überraſcht und mit Gewalt in die Statthalterei gebracht, wo ſie ſo lange verblieben, bis ſie ihr Ehrenwort gaben, daß ſie ſich nicht duellieren würden. Schon im Dezember 1905 verhinderte der Gouverneur von Barcelona, der Herzog von Bibona, daß das Duell zwiſchen den beiden Fechtlehrern Del Grece (Italiener) und Kirchhoffer (Franzoſe) auf ſpaniſchem Boden ſtattfand. In einer der Parlamentsſitzungen im Monat März gab es einen ſchweren Zwiſchenfall zwiſchen einem Deputierten und einem Sohne eines Miniſters: erſterer griff in einer Rede dieſen Miniſter an, der zweite antwortete mit Stockſchlägen. Der Deputierte fragte den Herzog von Pamames um ſeinen Rat; dieſer erwiderte, daß ſeiner Anſicht nach ein Deputierter, der in ſeinem parlamentariſchen Berufe inſultiert oder beleidigt worden iſt, niemals zu einem Duell greifen dürfe. Der Herzog wiederholte dies am nächſten Tage im Parlament, und der De - putierte erklärte, er vertraue ſeine Ehre dem Herzog von Pamames an.

Fahnenweihefeſt.

Der Wiener katholiſche Jünglingsverein Maria Hilf hatte am geſtrigen Sonntag einen Ehrentag zu feiern. Es galt der Weihe einer Fahne für die unter ſeiner Leitung ſtehenden Knaben - patronage. Durch ein am Samstag der Fahnen - patin, der Gemahlin des Bezirksvorſtehers Herrn kaiſerlichen Rates Weidinger dargebrachtes Ständchen nahm die Feier ihren Anfang. Sonntag früh zogen die Knabenpatronagen vom 20., 13. und 17. Bezirk auf, welche ſich dem Feſtzuge anſchloſſen, der mit Muſikbegleitung ſich zur Wohnung der Fahnenpatin bewegte, wo ſie abgeholt und zur Schottenfelder Kirche geleitet wurde. In der Kirche fanden ſich der Jünglingsverein Hernals und die Männerkongregation Fünfhaus mit Fahne ein, ſowie Gemeinderat Ahorner, Bezirksvorſteher-Stellvertreter Ohr - fandl, die Bezirksräte Dr. Kuhn, Völkl, Köck, Hold, Schöner und Kieſel, ſowie die Armenräte Schubert und Obenaus. Die Feſtpredigt hielt P. Viktor Kolb S. J., der in altgewohnter Weiſe die Herzen aller an ſich zog und in kurzen Zügen die Entſtehung und Ent - wicklung der Patronage ſchilderte, ſowie in warmen Worten der Gönner und insbeſondere der Sankt Vinzenzkonferenz St. Laurenz am Schottenfeld gedachte. Nach beendeter Predigt nahm Herr Prälat Roſt von den Schotten unter zahlreicher Aſſiſtenz die Weihe der Fahne vor, worauf Prälat Roſt, Herr und Frau Weidinger, P. Kolb, P. Norbert, Pfarrer Womatſchka und Lehrer Mizerofsky die Nägeln einſchlugen. Hierauf zele - brierte Prälat Roſt das Hochamt, wobei der Cäcilien - chor des Vereines unter Leitung des Kapellmeiſters Peterlini die Herz Jeſu - Meſſe von Mitterer in trefflicher Weiſe zur Aufführung brachte. Nun be - wegte ſich der Zug, an deſſen Spitze die Vereins - kapelle marſchierte, durch einzelne Gaſſen des Be - zirkes Neubau zurück zum Vereinshaus, wo der zirka 200köpfigen Schar von Knaben ein Imbiß ge - reicht wurde. Nachmittags fand im Baumgartner Kaſino ein animiertes Feſt ſtatt, das trotz des ſchlechten Wetters zahlreich beſucht war.

Soziale Rundſchau.

Eine Reform des Unfallgeſetzes.

Die Abgeordneten der chriſtlich-ſozialen Partei werden beim Wiederzuſammentritt des Reichsrates einen Geſetzentwurf einbringen, welcher die Re - form des Unfallgeſetzes ſpeziell für das Eiſen - bahnperſonal bezweckt und gegebenen Falles für die Eiſenbahnangeſtellten ein Ausnahmsgeſetz verlangt. Die Hauptforderungen, die im Geſetz - entwurf erhoben werden, ſind: 1. Eine gründliche10Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906 212Reform in der prozentualen Bemeſſung und Zu - erkennung der Heilverfahrens - und Schadenerſatz - rente; 2. die endgültige Belaſſung der einmal zu - erkannten ſogenannten dauernden Renten; 3. die pollſtändige Gleichſtellung des Betriebsunfalles mit dem Verkehrsunfall hinſichtlich der Renten - bemeſſung; 4. eine Reform des Schiedsgerichtes und eine Unterordnung der in Oeſterreich beſtehen - den acht Schiedsgerichte unter die Judikatur des Oberſten Gerichtshofes.

Von den Hochſchulen.

Einhebung eines Bibliotheksbeitrages von den Univerſitäts-Studierenden. Eine Verord - nung des Miniſters für Kultus und Unterricht beſtimmt, daß vom nächſten Studienjahre an jeder zum Beſuche von Univerſitätsvorleſungen zugelaſſene Studierende gelegentlich ſeiner Inſkription (als ordentlicher oder außerordentlicher Hörer, Hörerin, Frequentant oder Hoſpitantin) bei der Univerſitäts - quäſtur einen Bibliotheksbeitrag zu entrichten hat, welcher für die dem öſterreichiſchen Staats - verbande angehörigen Studierenden mit einer Krone, für alle übrigen Stu - dierenden mit zwei Kronen für das Semeſter bemeſſen iſt; Befreiungen von dieſem Bibliotheksbeitrage finden nicht ſtatt. Die reichlichere Dotierung der Univerſitäts - bibliotheken wird den Studierenden, namentlich den minder bemittelten, die ſich die nötigen Lehr - behelfe nur ſchwer beſchaffen könnten, ſelbſt wieder zuſtatten kommen, und es iſt von dem Herrn Miniſter für Kultus und Unterricht den Uni - verſitätsbibliothekaren nahegelegt worden, für die regelmäßige Anſchaffung einer genügenden Anzahl der von den Studierenden zumeiſt begehrten Lehr - bücher, Autorentexte und Nachſchlagwerke, ſowie ſonſtiger für den Studienbetrieb nötiger Bücher Sorge zu tragen. Auch iſt ſeitens der Unterrichts - verwaltung geplant, bei einer in Ausſicht ſtehenden Reviſion der ſchon vielfach veralteten Entlehnungs - vorſchriften für die Univerſitätsbibliotheken in den Ausleihbefugniſſen der Studierenden und Prü - fungskandidaten, namentlich ſoweit es ſich um die häusliche Benützung der entlehnten Werke handelt, alle tunlichen Erleichterungen eintreten zu laſſen.

Die katholiſche Univerſität Freiburg in der Schweiz. Man ſchreibt uns aus Frei - burg in der Schweiz: Freiburg iſt ein reizendes Univerſitätsſtädtchen, das leider bei uns Oeſter - reichern noch zu wenig bekannt iſt. Mitten in proteſtantiſcher Umgebung liegt der katholiſche Kanton Freiburg mit der gleichnamigen Hauptſtadt; und dieſes kleine Städtchen mit dem gerade nicht allzu reichen Kanton hat das, was unſer großes Oeſterreich haben möchte, ſchon ſeit 17 Jahren: eine katholiſche Univerſität. Die Opferwilligkeit ſeiner Bürger hat dieſes große Werk zuſtande gebracht. Abgeſehen von dem durchaus katholiſchen Charakter muß jeder, der auch nur ein Semeſter dort zu - gebracht hat, zugeben, daß Freiburg eine der angenehmſten Univerſitätsſtädte iſt. Freiburg vereint nämlich die verſchiedenſten Vorzüge. Wer fleißig arbeiten will, dem wird Freiburg beſſer paſſen als manche andere Stadt; die Nachteile der Großſtadt fallen hier weg, die faſt kleinſtädtiſche Ruhe raubt niemanden, der es nicht will, die Sammlung. Doch ſoll dies keineswegs beſagen, daß es ein langweiliges Leben wäre, daß man dort lebt. Zahlreichen geſunden Freuden iſt dort Gelegenheit geboten: Seine ſchöne Lage, nahe den Hochalpen, ſein kräftiges Klima machen es dem Freunde der Berge beliebt; Tagespartien, wie an den Genfer See, Lauſanne und Montreux, das Paradies der Schweiz, in die Freiburger und Berner Alpen, die altehrwürdige und hoch inter - eſſante Stadt Bern kaum dreiviertel Stunden Bahnfahrt entfernt, Schnee - und Eisſport im Winter, Naturfreuden an Wald und Au im Sommer, das macht es für jenen entzückend, der ein oder zwei Semeſter verbummeln oder doch unter leichterer Arbeit nur zubringen will. Eine liebenswürdige Bevölkerung, ein ſchönes Zu - ſammengehen zwiſchen Profeſſoren und Studenten, überhaupt der geſunde Geiſt, der die letzteren auch beſeelt, das iſt einer der größten Reize Freiburgs. Auch die Lebensverhältniſſe da - ſelbſt ſind eher billig als teuer zu nennen. Beſonders aber iſt es jenen anzuraten, die ſich in der franzöſiſchen Sprache vervollkommen wollen oder ſie erſt zu lernen gedenken, alſo für Neu - philologen, denen ja auch nach unſerem Lehrplane zwei Semeſter im Auslande geſtattet ſind. Man ſpricht ſehr viel franzöſiſch in Fribourg, alſo Ge -legenheit genug für den, der ernſtlich lernen und praktiſch üben will. Man erſpart Paris. Wer aber das Franzöſiſche nicht beherrſcht, der wird faſt überall mit dem Deutſchen durchkommen, denn die Univerſität, Profeſſoren ſowie Studenten, ſind zur guten Hälfte deutſch. Ferner ſind faſt alle Nationen Europas vertreten, auch viele Amerikaner ſind zu treffen und gerade dieſer internationale Charakter iſt für den Studierenden ein Vorteil. Auch für Theologen wäre es ſehr anzuraten, ob ſie nun in einem der vielen Konvikte oder frei für ſich leben wollen. Die theologiſchen und philoſophiſchen Lehrkräfte verdienen alle Anerkennung für ihre großen Leiſtungen; Scholaſtik, vereint mit den wahren Errungenſchaften des modernen Wiſſens blüht hier als wahre chriſtliche Philoſophie, der man weder Verknöcherung und Rückſtändigkeit noch auch das Verworrene und Zielloſe der mo - dernen, ungläubigen Philoſophie vorwerfen kann. Es iſt die Neu-Scholaſtik von Freiburg und Löwen. Sehr wichtig und nicht zu vergeſſen ſind die Sozialwiſſenſchaften; Namen, wie Decurtius und Beck, deren Ruf bekannt iſt, ſprechen genug. Auch die Studentenſchaft arbeitet fleißig auf ſozialpolitiſchem, auch praktiſchem ſozialwiſſen - ſchaftlichem Gebiete. Mediziniſche Falkultät iſt noch keine errichtet, dafür ſind die Naturwiſſenſchaften als getrennte vierte Fakultät behandelt. Lehrpro - gramme verſendet gerne auf Anfragen die Univer - ſitätskanzlei Freiburg in der Schweiz. Was ſchließ - lich das kleine Städtchen ſelbſt mit ſeinen alten Bauten und Türmen, mit ſeinen hängenden Brücken, die ſich hoch in der Luft über die grünen Wogen der ſchäumenden Sarine ſchwingen, und anderer - ſeits mit den modernen Neubauten und Anlagen draußen in Perolles, betrifft, ſo kann man nur ſagen, das man es lieb gewinnen muß.

Theater, Kunſt und Muſik.

Carl-Theater.

Aller Anfang kann ſchwer ſein, aber er braucht nicht ſchlecht zu ſein. Das hätte die Direktion bedenken ſollen, als ſie dem Publikum die erſte Neuheit nach der Wiedereröffnung vorführte. Die Saiſon iſt ein eben erſt geborenes zartes Kind - lein und ihr mit einer ſolchen Operette zu kommen wie das vorgeſtern gehörte Mutzi iſt eine Kindesmißhandlung, um welche die Kinderſchutz - ſtationen ſich annehmen ſollten. Die Muſik von Joſef Hellmesberger allerdings iſt recht hübſch, aber eine Operette beſteht, wie ziemlich bekannt iſt, aus zwei Teilen: Text und Muſik. Und nur eine ſchlechte Tradition hat dazu geführt, das Libretto einer Operette für eine Nebenſache zu erklären. Gerade das Carl-Theater hat in der letzen Zeit einige Operetten hervorgebracht, die muſikaliſch und textlich gut waren. So die Schützenlieſel , Hugdietrichs Brautfahrt und Krieg im Frieden . Was aber Samstag ſich als Libretto gegeben hat, iſt ein ſo ungenügendes Mach - werk, daß man ſich fragen mußte: Wie konnte Hellmesberger dieſes Buch annehmen und die ſonſt ſo geſchickte Theaterleitung dazu ihren Segen geben? Die Handlung iſt nicht nur ſehr dünn, ſondern auch unitereſſant, weil ſtark abgebraucht. Der Dialog zieht ſich ſtrudelteigartig in die Länge und enthält teils keine, teils alte Witze, dafür aber mehrere Monologe, Reden der Bedienten in Gegenwart der Herrſchaft und ähnliche Schönheiten. Der Gang der Handlung iſt ſo geſchickt geführt, daß die Soubrette des Stückes im erſten Akt gar nicht und im letzten nur kurze Zeit und da ganz überflüſſiger Weiſe auf die Bühne kommt. Zwei Komikerpartien beſtehen aus einer beziehungsweiſe zwei Szenen im erſten Akt. Dann ſieht man die beiden Komiker nicht mehr. Das ganze Stück ſoll neben Frau Zwerenz Herr Guttmann halten und zwar werden dieſe beiden Kräfte zu ganz geſchmackloſen, ja unfeinen und widerſinnigen Tänzen genötigt. Herr Guttmann verläßt ſich überhaupt immer mehr und mehr auf ſeine langen Beine und zieht bei der Ausübung ſeines Kunſthandwerks den Verſtand immer weniger zu Rate. Auch Frau Zwerenz übertreibt noch mehr, als ſie ſich auf Grund ihrer Beliebtheit erlauben darf. Blaſel und Waldemar, auf deren Er - ſcheinen man ſich immer freut, haben die zwei oben erwähnten kurzatmigen Rollen. Sie ſingen ein Entree-Duett, das muſikaliſch gut iſt, und verſchwinden für den ganzen weiteren Teil des Abends. Sie werden förmlich fallen gelaſſen, wie wenn die Autoren des Stückes ſich’s nachträglich mit ihnen anders überlegt hätten. Dafür bleibt dem Publikum Herr Kunſtadt. Haßt ein Erſatz, wie man in der Leopoldſtadt ſagt. Herr Kumpa iſt unangenehm vordringlich und ſchreit ins Publikum hinein, wie ein Prater-Rekommandeur. Die Damen Merviola und Löwe waren ſo gut, als ſie in dieſem Stück und in ihren Rollen ſein konnten. Frau oder Fräulein Carneri haben wir nur zwei Worte zu ſagen: Lieber nicht! So war denn der ganze Abend nicht erfreulich und man kann nur hoffen, daß bald andere luſtige, feſcheund nicht freche Operetten uns den 15. September vergeſſen machen werden. Direktor Aman iſt ein guter Theaterfeldherr und verfügt über tüchtige Truppen, warum hat er ſich diesmal darauf kapriziert, eine Niederlage zu erleiden? a. v. b.

Das Jubiläumstheater

hat am Samstag für das neue Vierteljahr mit einer wohlgeſtimmten Harmonie eingeſetzt. Figaros Hochzeit fand eine Aufführung, die nichts zu wünſchen übrig ließ. Sie war tadellos. Der enthuſiaſtiſche Beifall, den die Damen Muſil, Petko, Kellersperg und Wenger fanden, war durchaus verdient und auch die Herren Hofbauer, Lordmann und Waſch - mann entledigten ſich ihrer Aufgabe mit Erfolg. Es war ein trefflicher Abend. Das unter der tüch - tigen Führung Zemlinskys ſtehende Orcheſter hat eine Verſtärkung erhalten, die ſehr angenehm auf - fiel; die orcheſtrale Leiſtungsfähigkeit wurde dadurch auf eine vornehme Höhe gebracht. F.

Jubiläumstheater.

Drängte ſich nicht immer wieder das Bedauern heran, daß die Bühne am Währin - ger Gürtel ihrem urſprünglichen, mit ſolchem Stolz in der Bruſt, ſiegesbewußt und hochtönenden Worten aller Welt verkündetem Zwecke dank der Ungeſchicklich - keit und Halbſchlächtigkeit des erſten und der Ge - wandtheit des gegenwärtigen Direktors untreu und aus einer Bühne, die wir einſt froh die unſere nannten, einfach eine Bühne unter den Bühnen ge - worden iſt, die Freude an der geſtrigen Carmen - Aufführung wäre eine ungemiſchte. Man hatte das Gefühl, die Hofopernleitung möge nur ruhig nach dem Beiſpiel der Grubenbeſitzer und Fleiſchhauer die geplante Preiserhöhung ein - treten laſſen, die Bevölkerung Wiens wird deshalb nicht um ſeine Opern kommen. Was geſtern am Währinger Gürtel geboten wurde, das war nicht Notbehelf oder Auskunftsmittel, das war vollwertige Konkurrenz und Erſatz. Das Orcheſter unter der umſichtigen Leitung des Schweriner Hofkapellmeiſters Karl Gille ſpielte mit Schwung und Feuer, die nach den erſten Takten des Vorſpiels ſchon echteſte Carmen-Stimmung ins Haus bannten. Und auf der Bühne: Fr. Stagl gab in Spiel und Geſang mit Meiſterſchaft das Rätſelvolle, Raſſige der Titel - heldin wieder; Frl. Wengers Micaela ließ Stimmittel hören, die für einen viel größeren Raum ausreichten, als ihn die Volksoper beſitzt. Der Escamillo des Herrn Melms war eine kaum zu überbietende Leiſtung. Sein Auf in den Kampf elektriſierte die Zuhörer. Den Don Joſé ſang und mimte das mimte verdient eine Betonung der Gaſt Wallnöfer, deſſen Können von Szene zu Szene in hellerer Beleuchtung er - ſtrahlte. Die Damen Muſil und v. Kellersperg, (Zigeunermädchen), die Herren Markowsky (Zuuiga), Bara (Morales) Richter und Kracher (Schmuggler) führten ihre Nebenrollen in durchaus befriedigender Weiſe durch. Ein Speziallob gebührt dem Chor. Die neuen Dekorationen und Koſtüme machen Bizets Werk zu einem Ausſtattungsſtück. Man muß bekennen: die Abkehr vom urſprünglichen Zweck der Bühne wird ſehr verſüßt. a .

Bürgertheater.

Das Mantelkind , ein Luſtſpiel von Walter Harlau. Erſtaufführung Samstag den 15. September. Ein Kapitän hat einer reichen Kunſtmäcenatin die Hand gereicht und ſeine frühere Liebe mit ſeinem Kinde im Stiche ge - laſſen. Das iſt kein Vorwurf für ein Luſtſpiel; dieſen Titel rechtfertigte auch die Handlung nicht und ſo wartete das Publikum vergebens darauf, daß endlich die traurigen Geſichter auf der Bühne verſchwinden: Nein, fünf Akte lang ſtückelt die Heldin Liſe Eckhoff (Elſe Heller), den Beweis der Untreue der Gattin des Kapitäns zuſammen, um ihren Geliebten wieder zu erobern, der felſenfeſt ſeiner Frau vertraute und die verlaſſene Geliebte in faſt brutaler Weiſe behandelte. Eine gut getroffene Figur iſt die des Bildhauers Jaſper Kaſpari, der von der Kunſtmäcenatin lebt, ein Menſchenexemplar mit den verblüffendſten An - ſchauungen. Geſpielt wurde mit aller Aufopferung beſonders von Fräulein Heller, Fräulein Hüter und Max Brückner. Das traurige Luſtſpiel wird nicht lange auf dem Repertoire bleiben.

Deutſches Volkstheater.

Samstag den 22. d. M. findet die erſte Aufführung des drei - aktigen Dramas Marie Friedhammer von Heinrich Lilienfein ſtatt.

Luſtſpieltheater.

Am Dienstag werden die En-suite-Aufführungen von Wäſchermädel unter - brochen, um einer Neuaufführung der Parodie Margarete und Fäuſtling von Julius Hopp und des einaktigen Schwankes Andulka von Ludwig Wolff, Platz zu machen. In beiden Stücken iſt Hanſt Nieſe in hervorragenden Rollen beſchäftigt.

Kirchliches.

Kirchenrenovierung.

Am 9. d. M. fand in Hennersdorf bei Wien anläßlich der glücklich vollendeten Renovierung der Pfarrkirche eine ſehr ſchöne Feierlichkeit ſtatt. Herr Dechant Emil Purſch hielt in der Kirche eine herrliche Anrede an die zahlreich verſammelten Pfarrkinder, in welcher er ſeiner Freude Ausdruck gab, daß es dem unermüd - lichen Beſtreben des hochw. Herrn Pfarrers Sigmund Feilbogen gelungen ſei, der Pfarrkirche ſolchen11212 Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906Schmuck zu geben. Nach der kirchlichen Feier fand im Pfarrdofe ein kleines Mahl ſtatt, bei welchem der Herr Pfarrer dem allſeits verehrten Herrn Dechanten ſeinen Dank ausſprach für deſſen aner - kennende Worte, worauf der Herr Dechant es rühmend hervorhob, daß es bereits die dritte Kirche ſei, welche durch den Herrn Pfarrer renoviert wurde. Monſignore Eiſterer, der als Nachbarpfarrer zur gro en Freude der Anweſenden erſchienen war, bat beſonders die Vertreter der Gemeinden Hennersdorf und Leopoldsdorf, das Beſtreben ihres Herrn Pfarrers zu unterſtützen. Der Patronatsherr der Pfarre Hennersdorf, Baron Rudolf von Wächter, die Herrn Verwaltungsräte Joſef und Amand Dachler, ſowie Bürgermeiſter Michael Dachler in Leopoldsdorf, Herr Dr. Joſef Müller in Hennersdorf haben ſehr viel für die Kirchenrenovierung getan.

Verloſungen.

Fürſt Palffy-Loſe. Bei der geſtrigen Ver - loſung fiel der Haupttreffer mit 84.000 Kronen auf Nr. 40256, der zweite Treffer mit 8400 Kronen auf Nr. 42737, der dritte Treffer mit 4200 Kronen auf Nr. 248. Je 840 Kronen gewannen Nr. 50500 und 90621. Je 420 Kronen gewannen Nr. 895 3059 18293 18496 25190 26232 29901 36432 44004 53178 53949 57170 62453 80022 und 92659.

Serbiſche Staats-Tabakloſe. Bei der vor - geſtrigen Prämienziehung ſiel der Haupttreffer mit 75.000 Franks auf S. 1300 Nr. 98, der zweite Treffer mit 2000 Franks auf S. 7510 Nr. 57. Je 500 Franks gewannen S. 3393 Nr. 14 und S. 8103 Nr. 96. Je 100 Franks gewannen: S. 1777 Nr. 18, S. 1938 Nr. 19, S. 2882 Nr. 49, S. 2971 Nr. 50, S. 4297 Nr. 67, S. 5163 Nr. 96, S. 8155 Nr. 54, S. 9039 Nr. 97, S. 9387 Nr. 21 und S. 9834 Nr. 92. Je 50 Franks gewannen: S. 1017 Nr. 83, S. 1665 Nr. 4, S. 2961 Nr. 30, S. 3064 Nr. 73, S. 3499 Nr. 74, S. 4524 Nr. 99, S. 4657 Nr. 46, S. 4682 Nr. 40, S. 4868 Nr. 97, S. 4994 Nr. 36, S. 5〈…〉〈…〉 40 Nr. 35, S. 5820 Nr. 35, S. 6164 Nr. 62, S. 6371 Nr. 50, S. 6510 Nr. 76, S. 6581 Nr. 100, S. 6[8]60 Nr. 91, S. 7231 Nr. 82, S. 7839 Nr. 97 und S. 9528 Nr. 67. In der folgenden Tilgungs - ziehung wurden die Serien 1356 1714 1895 2546 2735 4023 4781 4811 5273 5863 5969 6256 6555 6648 und 8122 gezogen, welche je die Nummern 1 bis 100 enthalten und mit dem Betrage von je 13 Franks eingelöſt werden.

Volkswirtſchaftlicher Teil.

Die Preisſteigerung der Lebensmittel.

Das fortdauernde und ſtetige Steigen der Preiſe der wichtigſten Lebens - und Genußmittel gibt berechtigten Anlaß, ſich mit den eigentlichen Gründen dieſer Erſcheinung zu befaſſen. Von ver - ſchiedenen Seiten wurde der Zwiſchenhandel in erſter Linie hiefür verantwortlich gemacht. Gewißträgt die Tatſache, daß das Produkt durch eine Reihe von Händen geht, bis es zum Konſum gelangt, dazu bei, den urſprünglichen Preis zu erhöhen. Das iſt aber eine faſt unausweichliche Er - ſcheinung, welche in den komplizierten Einrichtungen des modernen Handels ihre Erklärung findet. Da das Produkt durch die örtliche Trennung einen Weg durch verſchiedene Hände bis zum Kon - ſumenten zurückzulegen hat, ſo iſt es begreiflich, daß dieſer Weg Koſten und damit eine Verteuerung des Produktes verurſacht. Dieſe Verteuerung iſt indes keine ſehr bedeutende, und insbeſondere rechtfertigt dieſe Urſache der Preisſteigerung nicht deren gleichmäßiges und ununterbrochenes Wachs - tum. Daß vielmehr die Preisſteigerungen auch dort eintreten, wo ſich der Zwiſchenhandel mit kleinerem Gewinne gegen früher zufrieden geben muß, läßt die eigentlichen Urſachen anderswo ſuchen. Und da dürfte man nicht fehlgehen, wenn man als die Hauptſache der unausgeſetzten Preis - ſteigerungen der Lebensmittel die ebenſo konſtante Steigerung der Arbeitslöhne bezeichnet.

Die Steigerung der Arbeitslöhne, die dem zunehmenden Induſtrialismus zu verdanken iſt, verteuert naturgemäß auch die landwirtſchaftliche Arbeitskraft. Der landwirtſchaftliche Arbeiter ſteigert überall dort, wo ihm beſſer zahlende Induſtriezentren erreichbar ſind, ſeine Lohnforderung. Er ſteigert aber nicht nur ſeine Lohnforderung, ſondern er ver - ringert auch ſeine Arbeitsleiſtung. Wo eine Fabrik mit 12 -, 11 -, 10ſtündiger Arbeitszeit entſteht, bewirkt ihr Beſtand bald nicht nur das Beſtreben in der landwirtſchaftlichen Arbeiterſchaft, einen an - nähernd oder völlig gleichen Arbeitslohn zu er - langen, ſondern auch die Länge ihres Arbeitstages dem der induſtriellen Arbeiterſchaft anzupaſſen. So erklärlich dieſes Beſtreben nun auch iſt, ebenſoſehr erſchwert es den landwirtſchaftlichen Betrieb überall dort, wo die Induſtrie auftritt. In welche Lage kommt da der Landwirt! Zunächſt iſt er bei den meiſten Produkten nicht ſogleich imſtande, die Mehr - erzeugungskoſten durch eine entſprechende Preis - ſteigerung auf den Konſumenten zu überwälzen. Das gilt beſonders von den Brotfrüchten, deren Preiſe nicht von den lokalen Geſtehungskoſten abhängig ſind, da das leicht transportable Getreide von überallherr, wo noch billige Arbeitskraft iſt, be - zogen werden kann. Darum iſt auch die Steigerung der Brotpreiſe, beziehungsweiſe Mehlpreiſe nicht ſo bedeutend.

Anders bei der Fleiſchproduktion. Da iſt der lokale Markt maßgebender. Die Fleiſch - zufuhr in der Form des lebenden oder getöteten Tieres iſt nicht leicht durchführbar, wenn es ſich um entfernte Produktionsländer handelt. Darum wirkt hier die Steigerung der Arbeitslöhne ſchon fühlbarer.

Der Steigerung der Arbeitslöhne geht aber parallel der durch den Induſtriealismus bewirkte Arbeitermangel in der Landwirtſchaft. Bewirkt die Lohnſteigerung eine Verteuerung durch die Er - höhung der Entſtehungskoſten, ſo wirkt der Arbeiter - mangel viel intenſiver auf den Preis ein durch die Verminderung der Produktion und damit des Angebotes. Dieſes bleibt immer mehr hinter der Nachfrage zurück und dies treibt die Preiſe leider immer mehr hinauf. Auf der einen Seite eine ſtets wach ſende Bevölkerung, auf der anderen Seite eine keineswegs im gleichen Maße wachſende Pro - duktion der Lebensmittel! Die Verteuerung der Lebensmittel führt aber wieder zu Lohnmehrfor - derungen der konſumierenden Induſtriearbeiter und damit auch zu neuen Forderungen des landwirt - ſchaftlichen Perſonals, wodurch neuerlich Stei - gerung der Produktenpreiſe und vermehrter Abfluß der Landbautreibenden zur Induſtrie erfolgt.

So iſt ein Kreislauf hergeſtellt, deſſen Ende kein erfreuliches ſein kann. Alle Bemühungen, zu - gleich den Induſtrialismus zu fördern, und die Landwirtſchaft zu ſtützen, ſind eitel, wenn ſie neben - einander aufgeſtellt werden. Sie vertragen dieſes Nebeneinander nicht. Vorübergehenden Vorteilen folgt dauernder Nachteil. Die Induſtrie in den Ackerbaudiſtrikten findet ſchließlich auch nicht jene Vorteile, welche die Verkehrs - und Induſtriezentren bieten; ihr Vorhandenſein in dieſen Diſtrikten hat aber jedenfalls offenbare Nachteile für die Land - wirtſchaft, die wiederum auf die Induſtrie ihre Rückwirkung äußern.

Regierungen und Parlamente aber ſind be - ſchäftigt mit Sprachenzwiſt, mit Obſtruktionsſpielen und dem Fortfretten von einem Tage zum andern; ſie überſchen dabei, daß ſich auch bei uns eine Agrarfrage entwickelt, die der ruſſiſchen nicht un - ähnlich iſt. Dort fehlt dem Bauer der Boden, hier fehlt dem Boden der Bebauer, und in der ſozialen Wirkung bleibt ſich das ziemlich gleich!

Bruch zwiſchen Zucker - und Spiritus - induſtriellen?

Aus Prag wird vom 10. Septem - ber berichtet: Infolge der Herabſetzung des Melaſſe - preiſes ſeitens der kartellierten großinduſtriellen Spiritusfabrifen von 7 auf 5 Kronen hat unter den Zuckerſabrikanten eine große Bewegung platzgegriffen, welche nichts weniger als den definitiven Bruch zwiſchen der Zucker - und der Spiritusinduſtrie an - ſtrebt. Es iſt beabſichtigt, auf genoſſenſchaftlicher Baſis neue Spiritusfabriken der Zuckerinduſtriellen zu kreieren.

Lottoziehungen vom 15. September.

Linz6557465579
Trieſt4649753662

63 Nachdruck vebroten.

Bezahlte Schuld.

Ich ſehe es Ihnen an, daß Sie abſolut erſt etwas zu ſich nehmen müſſen, rief Jim eifrig. Heute mittags haben Sie nicht ſoviel gegeſſen, daß ein Spatz davon leben könnte. In dieſem Punkte müſſen Sie mir den Willen tun, Ferrol, fuhr er fort, dieſem einen beinahe drohenden Blick zuwerfend. Setzen Sie ſich und laſſen Sie Ihre Tochter in Ruhe eine Taſſe Tee trinken. Die Frauenzimmer ſind alle egal: ſie können nicht ohne ihren Tee leben, ebenſo wenig wie wir ohne unſeren Branntwein fertig werden. Schenke ein, Sal!

Es lag für Marion etwas unausſprechlich Abſtoßendes in der zudringlichen Bewunderung, mit welcher ihr Gaſtherr ſie betrachtete, doch in dieſem Augenblicke konnte ſie nicht anders, als ihm dankbar ſein für die zuvorkommenden Auf - merkſamkeiten, womit er ſie umringte. Ihr Kopf - ſchmerz halte ſich beinahe ganz verloren, und ſie fühlte, daß die Taſſe Tee, welche er ihr auf - drängte, in der Tat jetzt für ſie ein dringendes Bedürfnis war. So nahm ſie dieſelbe denn mit einem freundlichen Lächeln aus ſeiner Hand ent - gegen, doch dieſes Lächeln erſtarb unmittelbar darauf auf ihren Lippen, als ihr bäueriſcher Verehrer ſich zu ihr herabbeugte und ihr mit einem zärtlichen Blick zuflüſterte, daß er mit Ber - gnügen hundert Meilen weit reiten würde, um eine ſolche Belohnung zu verdienen.

Ein hübſcheres Mädchen, als Sie gibt’s in ganz Kanada nicht, daß iſt ſo ſicher, als daß zwei mal zwei vier iſt, fuhr er fort, da Marion nicht antwortete. Ich gehe jetzt, um Blitz zu ſatteln;das Vergnügen, Sie ein Stück Weges zu begleiten, muß ich haben.

Mit einem ſelbſtzufriedenen Schmunzeln ver - ließ er das Zimmer. Sal Peters hatte ſich die kleine Szene mit zornfunkelnden Augen und feſt zuſammengepreßten Lippen angeſehen und brach jetzt plötzlich in ein ſchrilles Gelächter aus, in welches Ferrol einſtimmte.

Das Blut ſtieg Marion zu Geſicht; ſie wußte, das höhniſche Lachen galt ihr, doch ver - gebens fragte ſie ſich, wie oder wodurch ſie zu demſelben Anlaß gegeben haben könnte. Wieder tauſchten ihr Vater und Jim Murdocks Haus - hälterin vielſagende Blicke aus, um dann aufs neue in ein unbändiges Gelächter auszubrechen. Eine Weile kämpfte Marion tapfer an gegen die in ihr aufſteigende Empörung, endlich erhob ſie ſich und, mit Aufbietung ihrer ganzen Willens - kraft das Beben ihrer Stimme unterdrückend, ſagte ſie ſcheinbar ruhig:

Ich glaube, es iſt beſſer, daß ich draußen vor dem Hauſe auf das Anſpannen des Wagens warte, Vater. Da ich den Grund dieſer Heiterkeit nicht kenne und dieſelbe folglich nicht teilen kann, ſo wird meine Gegenwart hier jedenfalls als eine Störung empfunden.

Geduld, Miß, Geduld, Sie werden es ſchon noch erfahren, worüber wir lachen; nicht wahr, Ferrol! rief Sal kichernd. Wie Ihre Augen funkeln! Ich bin froh, Miß. Seien Sie nicht gar zu ſtrenge mit den armen Teufeln, ich bitte Sie darum! Wenn eine ſo feine Dame im Hauſe das Kommando führt, dann wird alles ganz von ſelbſt wie am Schnürchen gehen. Wo wollen Sie denn hin, Miß? Sie brauchen nicht ſo zu rennen: Jim iſt noch nicht da.

Was wollen Sie damit ſagen? fragte Marion ſtehen bleibend.

Fragen Sie nicht ſo dumm! kicherte Sal. Als ob wir nicht ganz gut wüßten, weshalb Sie es ſo eilig haben, hier fortzukommen! Aber es nützt Ihnen nichts: Jim iſt noch im Stall.

Vater, ich erwarte, daß Du mich gegen die Frechheit dieſer Perſon beſchützeſt, rief Marion.

Etwas, wie Scham, regte ſich in dem ver - knöcherten Herzen des Mannes, dem ein ſolches Gefühl ſeit Jahren fremd geworden war, und er ſchlug die Augen nieder vor dem vorwurfsvollen Blicke ſeiner Tochter.

Es iſt Deine eigene Schuld, ſagte er, während er langſam aufſtand und, ihren Arm in den ſeinigen ziehend, ſie aus dem Zimmer und dem Hauſe führte. Die Leute hier laſſen ſich nicht von oben herab behandeln und Sal hatte ihr Auge auf Jim Murdock geworfen, mein liebes Kind, und muß jetzt ſehen, daß der Fiſch, den ſie ſchon im Netze zu haben glaubte, ihr ent - ſchlüpft.

Die Privatangelegenheiten dieſer Leute kümmern mich nicht, entgegnete Marion hoch - mütig.

Unſinn! O, da kommt Jim Murdock!

Jim ſaß in ſtolzer Haltung auf ſeinem Lieblingspferde, einem prachtvollen Braunen, und abgeſehen von dem dreiſten Blick ſeiner dunklen Augen machte er in der Tat keinen üblen Ein - druck. Bei Marions Anblick ſprang er aus dem Sattel, und die Zügel dem Manne zuwerfend, welcher vorher mit am Tiſche geſeſſen hatte und der ſich jetzt grinſend die Begegnung anſah, trat er Marion entgegen.

Kommen Sie, Miß, ich helfe Ihnen auf den Wagen , rief er eifrig. Aber erſt muß ich Ihnen zeigen, was ich für Sie getan habe. Ich denke, ich verdiene eine Belohnung.

(Fortſetzung folgt.)

12Wien, Dienstag Reichspoſt 18. September 1906 212
〈…〉〈…〉

Herausgeber Dr. F. Funder, Wien. Verantwortlicher Redakteur Franz Winter, Wien. Druck von Ambr. Opitz Nachfolger, Wien.

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TextNr. 212, 18.09.1906.
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationNr. 212, 18.09.1906. . OpitzWien1906. Reichspost

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ClassificationZeitung; ready; mkhz2

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