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Die Umgeſtaltung unſeres Parla ments durch das gleiche Wahlrecht hat nun auch der Phyſiognomie der Regierung ihr Zeichen aufgedrückt. Das Kabinett Beck, das man vor den Maiwahlen füglich ein parlamentariſches nennen durfte, das aber nach den Wahlen nur mehr eine verhältnismäßig ſchwache Minderheit des Parla - ments repräſentierte, im übrigen ein reines Beamtenkabinett war, hat den Kräfteverhältniſſen des neuen Volkshauſes Rechnung getragen und ſich umgeſtaltet. Dem Volkhparlament ein Volks - miniſterium. Das Ideal des Parlamentarismus iſt zwar noch nicht erreicht, wir ſind ihm aber näher ge - kommen. Neben den „ Beamtenminiſtern “Baron Beck, Baron Bienerth, Dr. Klein und Dr. Marchet, von denen der letztere erſt durch die Wahlen im Mai die par - lamentariſche Marke verloren hat, ſitzen nun als Vertreter der Parlamentsmehrheit die vom Volke am Wahltage mit ſeinem Vertrauen ausgeſtatteten, „ parlamentariſchen Miniſter “Dr. von Derſchatta, Dr. Geßmann, Dr. Ebenhoch, Peſchka, Dr. Fiedler, Praſek und Abrahamywicz, welche daher im Kabinette ſelbſt über die knappe Mehrzahl der Stimmenverfügen.
Man kann alſo ſagen, daß das neue Miniſterium das erſte Volksminiſterium iſt. Möge ſein Wirken ein gedeihlicheres ſein, als das des erſten „ Bürgerminiſteriums “, das ſeinerzeit mit viel reklame - haftem Lärm und unbegrenzten Hoffnungen begrüßtworden iſt, aber alle dieſe Hoffnungen ſchmählich ent - täuſchte.
Es iſt charakteriſtiſch für die Umgeſtaltung unſerer ganzen politiſchen Machtverhältniſſe und vielleicht ein gutes Omen, daß im neuen Miniſterium zwei Bauern als Ver - trauensmänner der deutſchen und tſchechiſchen Nation ſitzen. Was den Akademikern und Theoretikern nicht gelungen iſt, vielleicht gelingt es dem geſunden Hausverſtande der Bauern: die nationale Verſtändigung zu erwirken. Niemand hat mehr unter den Folgen des natio - nalen Streites, der das Parlament ſeit mehr als einem Jahrzehnt lahmgelegt und impotent gemacht hat, zu leiden gehabt als gerade die ländliche Bevöl - kerung. Wie oft hieß es: Wir, die Völker, vertrügen uns ſchon, wenn man uns erſt fragen würde. Nun ſitzen zwei Bauern-Exzellenzen im Kabinett und zwar gerade als Repräſentanten des deutſchen und tſchechiſchen Volkes.
Dem nationalen Frieden, den wir erhoffen, voraus - gegangen iſt eine vorläufig Verſtändigung der maß - gebenden Parteien innerhalb der einzelnen Nationen. Die Friedensſtörer wurden ausgeſchaltet und kaltgeſtellt, unter den Deutſchen wie unter den Tſchechen, während unter den Polen eine der Wirklichkeit beſſer entſprechende Macht - verteilung ſtattfand.
Sämtliche Blätter von Samstag befaſſen ſich an leitender Stelle mit der Umgeſtaltung des Kabinetts. Das „ Fremdenblatt “führt u. a. aus:
Die weſentlichſte Neuerung hat ſich jedoch betreffs des deutſchen Parteiweſens ergeben. Die Partei, die als die weitaus ſtärkſte aus der Wahlurne hervorge - gangen, entſendet nun zwei Vertreter in die Regierung. Das erſtemal geſchieht es, daß die Chriſtlich -ſ’ozialen, die bisher im Vollbewußtſein ihres Macht beſtandes ſich ſcharf beobachtend verhalten hatten, jetzt aus dieſer Reſerve heraustreten. Die Wahlen haben den weiten Umfang ihres Beſitzſtan des er - wieſen, durch ihre Verſchmelzung mit den altkonſervativen Gruppen der Alpenländer hat ihre Machtſtellung eine weitere erhebliche Steigerung erfahren. Der Eintritt der Chriſtlichſozialen in die Regierung entſpricht als notwendige Konſequenz der parlamentariſchen Situation .... Die Chriſtlichſozialen haben ſich bisher als kampf - fähig erwieſen, im wildeſten Ringen, mittels einer energiſchen Propaganda ſind ſie emporgekommen; ſie haben dann zahlreiche Beweiſe ihrer Ver - waltungsfähigkeit in Stadt und Land gegeben. Jetzt iſt es an ihnen, ihre Regierungsfähigkeit zu erweiſen, indem ſie, wie dies allen ans Ruder gelangenden Parteien geboten iſt, extremſte Tendenzen vor den großen, über alle Fraktionspolitik hinwegragenden Notwendigkeiten des Staatslebens zurückſtellen und ſich maßvoll in das Geſamtwirken des Miniſteriums einfügen. Die Kraft, die ihrer Parteiorganiſation innewohnt, ſoll dem Miniſterium zugute kommen.
Die „ Neue Freie Preſſe “beſpricht — beklagt halb, halb verſpottet ſie — den Wandel im Polenklub:
Bei dieſem ernſten Wahrzeichen hiſtoriſchen Wandels fehlt auch die Stimmung zur Schadenfreude. Nur der Ge - danke wird dabei wieder angeregt, daß jede Partei, welche die Taktik höher ſtellt als die Grundſätze, die ſich nicht auf Volkstümlichkeit ſtützt, ſondern auf parlamentariſche Klüge - leien, die der Nation durch das Verwiſchen aller Grenzen der Ueberzeugungen unverſtändlich wird, ſich vor dem Verfall niemals retten kann.
Die „ Deutſche Zeitung “betont:
Die Chriſtlichſoziale Partei hat den Ausgleich nicht geſchloſſen, ſie hat bei den Verhandlungen nicht mitgewirkt, manche jener Forderungen und Ideen, die ſie, wenn gegenwärtig, zweifellos zur Geltung gebracht hätte, waren in den Konferenzen überhaupt nicht vertreten. Sie hatte alſo dem Ausgleich gegenüber keine Verpflich - tung, und ihre Führer haben dies auch offen aus - geſprochen. Wohl aber fühlte ſie, nicht zum wenigſten vermöge ihrer durch die Wahlen bewirkten erheblichen Zu -
10 [Nachdruck verboten.]
„ Sicherlich, “entgegnete ich. „ Aber ich gedenke es nicht zu tun. Ich will Dein Opernglas auf etwas viel Intereſſanteres richten als auf ſchöne Frauen. “
„ Biſt Du heute aber geheimnisvoll! Was iſt denn los? “
„ Ach, ich wollte, ich wüßte es! “
Der Kellner kam mit dem Opernglas, ich putzte die Linſen und beugte mich dann über das Geländer. Die Hand war noch da, mit Brotkrümchen ſpielend.
So unauffällig als möglich richtete ich das Glas auf die Hand oder vielmehr auf den Ring. Kein Zweifel, es war das Gegenſtück des Ringes, den Italia beſaß. Es war der weiße Stein, die zwei hoch - roten Kreiſe, die das in vier Felder geteilte Viereck einſchloſſen. Aber ein Unterſchied zwiſchen den beiden Ringen war doch.
In dem Italias befand ſich das Malteſerkreuz im rechten oberen Felde, bei dieſem im linken unteren.
Ich gab das Glas dem Kellner zurück und bat ihn, es wieder in den Ueberrock meines Freundes zu ſtecken. Dann wandte ich mich an Ralſton.
„ Ralſton, “ſagte ich, „ ich bin heute voll Launen und Grillen. Ich habe einen ausgeſprochenen Widerwillen gegen dieſen Tiſch. Da wir noch nicht zu eſſen begonnen haben, können wir ihn leicht gegen jenen dort drüben vertauſchen, für den ich wieder eine beſondere Vorliebe habe. “
Ich ſtand auf. Ralſton blieb eigenſinnig ſitzen; er ſah ſehr geärgert aus. Da der Kellner dabei ſtand, beugte ich mich zu ihm herab und ſagte leiſe: „ Es iſt eine wichtige Sache, mein lieber Junge. Dortunten ſitzt ein Mann, den ich beobachten muß. Von hier aus kann ich ihn nur ſehen, wenn ich mich über die Brüſtung lehne, und das möchte ich nicht, darum laß uns dorthin gehen. “
Ralſton ſtand jetzt raſch auf.
„ Aber natürlich, Aller! “ſagte er. „ Kellner, wir möchten lieber an dem Tiſche dort drüben ſitzen. “
Die Kellner trugen bereitwilligſt alles hinüber und wir ſetzten uns dort nieder.
„ Was iſt denn das für ein Geheimnis? “fragte Ralſton.
„ Dem will ich eben jetzt auf die Spur kommen, “entgegnete ich. Von dieſem Platze aus konnte ich jetzt den Eigentümer des Ringes bequem ſehen. Er ſaß allein an einem kleinen Tiſch, aß und trank gemächlich. Ich betrachtete ihn genau. Er war ein Mann von un - gefähr ſechzig Jahren, mit weißem Haar und Schnurr - bart und blaſſem Geſicht.
Dieſes Weiß wurde noch auffallender durch ſeinen ſchwarzen Rock, in deſſen Knopfloch ſich ein ſchmales rotes Bändchen befand. Er war ein ſtattlicher Mann von vornehmem Aeußern, und ich hielt ihn für einen Franzoſen wegen ſeiner Adlernaſe und ſeines Kinn - bartes. Er machte den Eindruck eines alten Soldaten, es war etwas Militäriſches in ſeinem raſchen, leb - haften Blick und in der Art, wie er ſeinem Kellner Befehle erteilte: ich bemerkte, daß ihn dieſer beſonders aufmerkſam bediente. Er war jedenfalls ein bedeutend und vornehm ausſehender Mann.
Was bedeutet wohl der Ring? Und was be - deutete Italias Ring, und was überhaupt dies merk - würdige Zeichen?
Ralſton plauderte, ich hörte ihn nicht. Nur ab und zu ſchlug der Name irgend eines früheren Kollegen an mein Ohr; ſo ſprach er wohl von unſerer Studien - zeit.
Der Mann mit dem Ring aß jetzt Eis und ſchlürfte einen Likör dazu. Was aßen denn wir eigent -lich? War das eine Kotelette auf meinem Teller? Hatte ich ſchon vorher etwas gegeſſen? Und warum füllte der Kellner mein Glas? Hatte ich es ſchon ein - mal geleert?
„ Du biſt heute in einer merkwürdigen Laune, “hörte ich jetzt Ralſton ſagen. „ Biſt Du verliebt? Ich glaube, Du haſt nicht ein Wort von dem gehört, was ich erzählt habe. “
Der Mann mit dem Ring war jetzt vom Eis zum Kaffee übergegangen. Ich mußte ihn im Auge behalten.
„ Mir tut es furchtbar leid, Ralſton, “ſagte ich, als ob ich zu jemand ſpräche, der tauſend Meilen entfernt war, „ ich kann nichts dafür, vergib mir, aber Du weißt, was es heißt — “
„ Schon gut, ſchon gut, alter Junge! Verteidige Dich nicht, aber ſag, warum ſtarrſt Du ſo ununter - brochen den alten Herrn an? “
Ich ſchüttelte den Kopf. Ich wollte weder ihm noch ſonſt jemand ſagen, was mich beſchäftigte. Ueber - dies reifte ein Plan in mir: ich wollte den Mann mit dem Ring anſprechen.
Während der vorhergegangenen vierundzwanzig Stunden hatte ich natürlich viel über Italias Miſſion nachgedacht — ich nannte ſie jetzt ſchon bei mir ſelbſt Italia und nicht Fräulein Romatti — und ich war zu der Ueberzeugung gelangt, daß der Ring das geheime Zeichen irgendeiner Geſellſchaft war, deren Mitglied ihr Vater geweſen, und daß ſein letzter Auftrag für ſie der war, einen Mann zu ſuchen, der einen ähnlichen Ring trug wie der, den er getragen, und den jetzt Italia tragen ſollte; dieſem Manne ſollte ſie dann das Paket mit dem geheimen Zeichen und wahrſcheinlich auch die gezeichneten Banknoten über - geben.
(Fortſetzung ſolgt.)
nahme, eine ſolche Verpflichtung gegenüber dem Volks - und dem Staatsintereſſe, und gegen dieſe höheren ethiſchen Rückſichten mußten die Erwägungen der Parteitaktik zurück - treten, mochten ſie an ſich noch ſo begründet erſcheinen.
Sehr intereſſant ſind die Ausführungen des deutſch - radikalen „ Wiener D. Tagbl. “:
Es iſt eine bewußte Fälſchung der liberalen Preſſe, wenn ſie behauptet, daß die Deutſchnationalen ſich unter das klerikale Diktat gebeugt, daß ſie den Chriſtlichſozialen in den Sattel geholfen haben. In den Sattel ge - hoben wurden die Chriſtlichſozialen von den deutſchen Wählern, die mehr als 90 Abgeordnete der konſervativen Richtung in den Reichs - rat entſendeten. Der Eintritt der Chriſtlichſozialen iſt das Kabinett Beck war nur eine Frage der Zeit. Auch der ſchärfſte Widerſtand der freiheitlichen deutſchen Parteien hätte dieſen Eintritt nicht hindern können. Wohl aber wäre ein ſolcher Widerſtand für die Deutſchnationalen und für das ganze dentſche Volk höchſt ſchädlich geweſen. Der dentſche Einfluß wäre geſchwächt, die Bildung eines neuen eiſernen Ringes in die Wege geleitet worden. In einer ſolchen Politik des Wahnwitzes mögen ſich die Herren Baron Hock und Kuranda gefallen, eine deutſche Partei, die ſich ihrer Verantwortung bewußt iſt, kann ſie nicht mitmachen. Der Modus vivendi zwiſchen freiheitlichen und konſervativen Deutſchen, der durch die Schaffung des Zwölferausſchuſſes angebahnt, durch die Rekonſtruktion des Miniſteriums fortgeſetzt wurde, bedeutet einen nationalen Fortſchritt für die Deutſchen.
Das „ Deutſche Volksblatt “meint:
Wer Recht behalten wird, die Freunde oder die Gegner des Ausgleichs und der dualiſtiſchen Verfaſſung, wird die Zukunft zeigen; wenn uns aber etwas mit der Entwicklung der Dinge verſöhnen kann, ſo iſt es die bei dieſer Gelegen - heit erzielte nationale Einigung der deutſchen Parteien, die zu erhalten jeder Deutſche die Pflicht hat, weil in ihr die Zukunft unſeres Volkes eingeſchloſſen iſt.
Die „ Zeit “preiſt die erfolgte Demokratiſierung des Kabinetts und polemiſiert gegen die Zweifler:
Der demokratiſche Zug in der öſterreichiſchen Politik iſt noch eine zu neue Sache, ſo daß man im Volke ſelbſt noch kein rechtes Vertrauen dazu hat und ſich lieber an die guten alten öſterreichiſchen Gewohnheiten der öſterreichiſchen Zweifelſucht und Spottluſt hält. Aber bei der ängſtlichen oder heiteren Erwartung all der Blamagen, die den neuen Männern bevorſtehen ſollen, vergißt man eines: daß ſchließlich das neue Syſtem und die neuen Männer doch nur darum notwendig geworden ſind, weil eben das alte Syſtem und die alten Männer ſich ſo ſchlecht bewährt haben.
Das konſervative „ Vaterland “ſagt, das Kabinett Baron Beck habe ſich drei große Aufgaben geſetzt (Wahlreform, Ausgleich und die Löſung des nationalen Problems, von denen die zwei erſteren Aufgaben bereits gelöſt, bezw. der Erfüllung ent - gegengehen.
Man weiß auch, mit weſſen Hilfe er dieſes Ziel erreicht — mit den Chriſtliſozialen, deren zeitgemäßes und energiſches Eingreifen dem langandauernden Intriguen - ſpiel ein raſches Ende bereitet und den Ausgleich gerettet hat. Daß es Baron Beck gelang, den genialen Führer der Chriſtlichſozialen, Dr. Lueget, zum Eingreifen zu be - wegen, zeigt, wie gut er die Bedeutung dieſes Parteiführers und Staatsmannes gekannt und geſchätzt hat. Es iſt nicht ganz gleichgültig für die Entwicklung unſerer innervolitiſchen Verhältniſſe, daß die chriſtlichſoziale Partei ſowohl bei der Wahlreform als auch jetzt beim Aus - gleich die Entſcheidung herbeigeführt; damals war Dr. Geßmann und jetzt iſt Dr. Lueger der „ Nothelfer “der Regierung. Und wir werden uns kaum täuſchen, wenn wir hoffen und annehmen, daß die chriſtlich - ſoziale Partei auch bei der Löſung der dritten Auf gabe eine ausſchlag gebende Rolleſpielen wird und das umſomehr, als ohne ihre Mitwirkung das nationale Problem in Oeſterreich nicht gelöſt werden kann. Denn nur eine katholiſche Grundlage kann das Fundament des nationalen Ausgleiches bilden.
Die „ Arbeiter-Zeitung “möchte gern aus der Geſtaltung der Dinge agitatoriſchen Nutzen ziehen, es will ihr aber nicht recht gelingen. Sie tobt:
„ Herr Dr. Geßmann hat auf das berühmte „ Mein lieber Dr. Geßmann! “ſo zielbewußt hingearbeitet, daß es geradezu ein äſthetiſches Vergnügen bereitet, dieſe voll - kommene Streberkunſt zu verfolgen. Um auf den Miniſter - ſtuhl zu gelangen, mußte die Partei ihren loyalen Cha - rakter abſtreifen, ſich über die Luegerſche Bezirksgerberei erheben und Einfluß im Reiche zu gewinnen ſuchen. Das war nur möglich, wenn die Schranken der Kurie fallen: alſo wurde Geßmann ein Träger der Wahlreform, die der wieneriſchen Politik die Ausbreitungsfähigkeit im Staate erſt möglich machte. “
Wie originell! Die chriſtlichſoziale Partei wäre alſo eigens nur deshalb groß geworden, weil Dr. Geßmann Miniſter werden wollte. Man weiß jetzt wenigſtens, wer die Wahlreform gemacht hat: Dr. Geßmann! Das ſozial - demokratiſche Organ erklärt es ſelbſt. Auch in der Folge bleibt das Organ der allwiſſenden Genoſſen höchſt originell. Es behauptet, die Chriſtlichſozialen hätten zwanzig Jahre lang los von Ungarn! „ gebrüllt “. Wahr iſt bekanntlich, daß die Chriſtlichſozialen immer dieſes Ziel der koſſuthiſtiſchen und alldeutſchen Politik bekämpft haben, wie aus hunderten von Reden Dr. Luegers über dieſe Frage leicht nachzuweiſen iſt. Auch das Eggenburger Partei - programm verwirft die Formel „ los von Ungarn “aus - drücklich. Gar ſo unwiſſend ſollte das Hauptorgan einer 87 Mannpartei nicht ſein. Freilich haben die Sozial -demokraten viel zu verbergen. Eine Partei, die ſich hin - ſichtlich Ungarns vom koſſuthiſtiſchen Ellenbogen-Programm zum Dr. Renner-Programm bekehrt hat und den Aus - gleich Beck-Wekerle nur deshalb ablehnt, weil die ſozial - demokratiſche Partei beim Abſchluſſe nicht als dritter mit - beſchließender Faktor beigezogen wurde, ſollte gerade in dieſer Frage hübſch den Mund halten.
Heute um 10 Uhr wurden die neuernannten Miniſter vom Kaiſer in Schönbrunn empfangen und in Eid genommen.
Bei dieſem feierlichen Akte intervenierten der Oberſtkämmerer Leopold Graf Gudenus und der Miniſterpräſident Freiherr v. Beck. Die Eidesformel murde vom Miniſterialrate Freiherrn v. Willani verleſen.
Aus Lemberg wird uns telegraphiert: Die hieſigen Blätter beſchäftigten ſich geſtern mit den Vorgängen im Polenklub und berichten aus Wien: Geſtern ſind nahezu ſämtliche polniſche Reichsrats - abgeordneten in Wien eingetroffen, auch der Statthalter Graf Potocki, der den ganzen Tag über mit den leitenden Perſönlichkeiten der verſchiedenen polniſchen Gruppen konferierte. Abends fand eine Beratung der demokratiſchen Union des Polenklubs ſtatt, um zu der heutigen Obmannwahl Stellung zu nehmen. Während urſprünglich die Ausſichten des Allpolen Abg. Profeſſor Glombinski beſſere als die ſeines Gegenkandidaten Dr. von Dulemba waren, iſt die Situation für Glombinski durch einen Brief, den der Führer der polniſchen Volkspartei, Abg. Stapinski, an den Polenklub richtete, ungünſtiger geworden. In dieſem Briefe wird ausdrücklich darauf hingewieſen, daß die Polniſche Volks - partei ihre Abſicht, in den Polen - klub einzutreten, auf geben müßte, wenn an der Spitze des Klubs Dr. Glombinskiſtünde. (Wir haben ſchon in der Sonntagsnummer dieſe Sachlage dargelegt. D. R.). Zur Vorgeſchichte der Kriſe im Polenlub melden die polniſchen Blätter noch folgende Details: Die „ Demokratiſche Union “hatte für Frei - tag abends eine Verſammlung einberufen und der - ſelben eine Deklaration zur Unterſchrift vorgelegt, welche vor allem als eine Polemik gegen die konſer - vativen und radikalen polniſchen Blätter aufzufaſſen war und die eigentlichen „ Ziele der Union “dargelegt. Da viele Mitglieder der „ Union “von Wien abweſend waren, wurden deren Unterſchriften telegraphiſch m[it]dem Bemerken eingeholt, daß es ſich um eine „ Mit - teilung “für die Blätter handle. Zu ihrer größten Ueberraſchung aber erfuhren dieſe polniſchen Abgeordneten nach ihrer Rückkehr nach Wien, daß die Mitteilung noch einem anderen, vielwich tigeren Zwecke zu dienen hatte. Nach der Sitzung der „ Demokratiſchen Union “hatten ſich die Abgeordneten Glombinski und Petelenz zu dem Obmanne Ritter v. Abrahamowicz be - geben und ihm die Erklärung der „ Union “überreicht, wobei ſie ihm zu verſtehen gaben, daß es nun an ihm ſei, die Konſequenzen daraus zu ziehen. Ritter v. Abrahamowicz zögerte keinen Augenblick, dies zu tun. Durch die Art des Vorgehens der „ Union “iſt auch unter einzelnen demokratiſchen Mitgliedern des Polenktubs eine Mißſtimmung ausgebrochen.
„ Narodni Liſty “greifen in ihrem geſtrigen Artikel die tſchechiſche Dele - gation, da ſie ohne poſitive Abmachungen in die Regie - rungsmajorität eingetreten ſei, ſcharf an:
„ Unſere parlamentariſchen Delegierten dienen der Regie - rungsmajorität, ohne die geringſte Aenderung des deutſchen zentraliſtiſchen Syſtems erlangt zu haben. Das iſt nach unſerer Ueberzeugung ein ſchwerer Fehler, den ſich zum Schaden des tſchechiſchen Volkes die tſchechiſchen Agrarier, die Katholiſchnationalen und die Jungtſchechen zuſchulden kommen ließen. Ein ſolcher folgen - ſchwerer Fehler wurde ſeinerzeit auch von den Alttſchechen im Jahre 1879 begangen, als dieſe ohne Garantien in die Regierungsmajorität des Grafen Taaffe eintraten. Wir halten es für unſere nationale Pflicht, rechtzeitig unſere Nation auf die auf Abwege führende Richtung der Politik der tſchechiſchen Delegierten aufmerkſam zu machen, mit welcher wir auf keinen Fall übereinſtimmen und die wir nicht unterſtützen werden. Wir ſind und bleiben ein unabhängiges Blatt, das nur der tſchechiſchen Sache dient und darum können wir auch nicht unſere perſönlichen Freunde auf dem Wege begleiten, den wir als un - richtig, irrig und gefährlich erachten.
Auch die Tſchechiſchradikalen benützen die günſtige Gelegenheit, um das Süpplein ihrer Par - tei zu kochen. Wie uns aus Prag, 11. d., telegra - phiert wird, legten geſtern in einer Verſammlung in den Weinbergen die Abgeordneten Dr. Hejn, Choc und insbeſondere Klofac in der heftigſten Weiſe gegen das Zurückſtellen der Poſtulatenpolitik durch die miniſterialiſierten tſchechiſchen Gruppen los und nannten dieſe Gruppen „ Verräter am tſchechiſchen Volke. “— Das ſtand zu erwarten. Die tſchechiſche Nation wird zu beweiſen haben, ob ſie politiſch reif iſt oder noch immer radikalen Schreiern und Spekulanten nachläuft.
Sonntag empfing der Kaiſer um 11 Uhr vormittags in Schönbrunn den ungariſchen Miniſter - präſidenten Dr. Wekerle in einſtündiger beſonderer Audienz. Dr. Wekerle, der zum letztenmale Mitte September in Audienz empfangen worden war, er - ſtattete bei dieſer Gelegenheit über den ganzem Kom - plex der politiſchen Lage in Ungarn Bericht und unter - breitete diesbezügliche Vorſchläge. Um 5 Uhr nach - mittags kehrte der Miniſterpräſident nach Ofen-Peſt zurück. Nach Meldungen Agramer Blätter überreichte der ungariſche Miniſterpräſident Dr. Wekerle u. a. dem Monarchen die mit dem Banus v. Rakodzay vereinbarte Liſte der neuzu - ernennenden Sektionschefs und Obergeſpäne zur Ge - nehmigung. Es ſollen ernannt werden: zum Sektions - chef des Innern Univerſitätsprofeſſor Dr. Franz Spevec, zum Sektionschef für Juſtiz Dr. Gideon Avakamovic, zum Sektionschef für Kultus und Unter - richt Dr. Krisvovic; zu Obergeſpänen ſollen ernannt werden für das Komitat Agram Dr. Sljepcevic, für Ogulin der ehemalige Abg. Dedovic, für Poſega der derzeitige Obergeſpan von Ogulin v. Kraljevic, für Goſpic der Gerichtsrat Cekir, für Wlka-Krbva Bela v. Adamovich und für Warasdin der Vizegeſpan v. Beleſevich. Die zu ernennenden Perſönlichkeiten ge - hören zu den nationalen und unioniſtiſchen Parteien.
Geſtern Sonntag, vormittags 11 Uhr, fand im Deutſchen Haus in Wien ein deutſchradikaler Partei -[t]ag ſtatt, dem außer Parteigenoſſen aus den Kron - ländern die Reichsratsabgeordneten Wolf, Kroy, Lößl, Pacher, Dr. Sommer und von Stransky, Landes - ausſchuß Dr. Freißler beiwohuten. Nach ſiebenſtündiger eingehender Erörterung, in welcher der Ausgleich nach jeder Richtung beleuchtet wurde, fand folgende Entſchließung einhellige Annahme: „ Die deutſch - radikale Partei hält an ihrem Programmpunkte der Lostrennung von Ungarn unver - rückbar feſt und verwirft den Aus - gleich nicht nur in der vorliegenden, ſondern in jeder Form. “ Viele zum Parteitag eingelangte Kund - gebungen ſprachen ſich ebenfalls gegen den Ausgleich aus.
In der geſtern in den Engelſälen ſtatt - gehabten Feſtverſammlung des Freundſchaftsverbandes „ Lueger “, die zugleich eine Luegerfeier war, hielt Abg. Prinz Liechtenſtein die Feſtrede. Prinz Liechten - ſtein ſchilderte, wie er Dr. Lueger vor nun mehr als 30 Jahren kennen gelernt, als in Wien noch ſcheinbar unbezwingbar der Geſchäftsliberalismus herrſchte und dann ſagte der Feſtredner:
„ Im alten Rom, wo die Sklaven die ungeheure Mehr - zahl bildeten, hatten die Herren, ein kleines Häuflein, ihnen verboten, eine eigene Tracht, ein Abzeichen ihres Standes zu tragen, wie es im Geſetze hieß: „ Ne se numerent — damit ſie ſich nicht zählen “, und an ihrer Menge ihre Kraft erkennen. So war es im damaligen judenbeherrſchten Wien verpönt, ſich als Chriſt und Arier zu fühlen und zu bekennen. Erſt Lueger und ſeine Antiſemiten haben den Bann gebrochen, der uns niederhielt, erſt ſeine mutige offene Agitation von einem Verſammlungslokale ins andere hat dem Wiener Volke die un[ü]berwindliche Kraft vor Augen geſtellt, welche in den Maſſen liegt, wenn ſie eines Sinnes und Willens ſind. (Großer Beifall.) Vom erſten Augenblicke an wurde Lueger inſtinktiv als der geborene Führer durch das Wiener Volk erkannt und ohne auch nur einen Augenblick zu ſchwanken, hat es ihm die Treue bisher bewahrt. Die Macht der Rede, die Kraft der Ueberzeugung, die Reinheit des Charakters vereinigen ſich in ihm mit einer Staats - klugheit und einer Vorausſicht, welche von weitem jede uns drohende Gefahr auftauchen ſieht und ihr bei Zeiten ſtets vorbeugt. (Stürmiſcher Beifall.) Mit den Erfolgen wachſen ſeine Ziele. Jeder Sieg wurde die Staffel zu neuen Errungenſchaften. Nach - dem Wien befreit war, ging es an die Eroberung des Stammlandes der Monarchie; nach dem Gemeinderate ge - wann er uns den Landtag. Seine Popularität und der Ruf von Rührigkeit und Energie, den die Partei ihrem Führer3273 Wien, Montag Reichspoſt. 11. November 1907verdankt, hat uns den Weg in die Provinzen geebnet. Wir ſind jetzt die ſtärkſte Partei im Reichsrate, dem einer der unſerigen präſidiert. (Stürmiſcher Beifall.) Allerdings, ſagte Prinz Liechtenſtein weiter, jeder Kampf fordert Opfer auch vom Sieger. Was Dr. Lueger in dieſen langen Jahren ſeiner aufreibenden Tätigkeit zugeſetzt hat, iſt ſeine Geſundheit, ſie iſt erſchüttert, aber Gott ſei dank nicht verloren, die Fügung des Himmels erhält ſie uns. Richelieu, der große Staatsmann, der ſein Vaterland aus den Wirren und der Ohnmacht der Bürger kriege gerettet hat, iſt frühzeitig körperlich gealtert. Als er einſt den Degen, den er als Jüngling geſchwungen hatte, zu heben verſuchte, verſagte ihm der Arm und er brach in Tränen aus über die Entkräftung der Muskeln. Ein Freund, der ihm zugeſehen hatte, rief ihm zu: Tröſte Dich, andere mögen das Schwert führen, Du führſt Frankreich und Du führſt es gut! So rufen auch wir, die Partei der geeinigten Chriſtlichſozialen, ſechsundneunzig Volksvertreter des öſterreichiſchen Parlamentes, Dr. Lueger zu: Mag auch die Körperkraft der Jugend nachlaſſen, Dein Geiſt, Deine Erfahrung, Dein ungebrochener Mut, der ſtolze Wille, das bedrohte Vaterland zu retten, ſind Dir geblieben, führe uns, dann ſind wir des Sieges gewiß. “ Lang - auhaltender ſtürmiſcher Beifall folgte dieſen Worten.
Unſer oberungariſcher Kor - reſpondent berichtet: Der vom Biſchof Parvy abgeſetzte Roſenberger Pfarrer Hlinka ſendet von Brünn an eine ſlovakiſche Zeitung ein Schreiben, in welchem er die Vorgeſchichte des Maſſen - mordes erörtert. Aus dieſem entnehmen wir einiges, was auch weitere Kreiſe intereſſieren dürfte:
„ Die Gemeinde Cernova erbaute die Kirche mit meiner Hilfe. Das Volk opferte viel und ich gab und bettelte, wie ich konnte. Die Kirche bauten unſere ſlovakiſchen Architekten Harminc und Jantſchek. Schon dieſer Umſtand brachte das Bauſyndikat von Roſenberg in Aufruhr. Sie verdächtigten mich in ihren Blättern, daß ich das Volk um 7000 Kronen verkürzt habe, obwohl ſie wußten, daß ich die Bänke beſtellt und auf die Schuld 6000 Kronen daraufgezahlt habe. Ich erwiderte darauf nicht, ſondern arbeitete unermüdet an der Vollendung des Werkes. Das Volk ſah dies und deswegen war es durch die häßlichen Ausbrüche des Haſſes meiner Feinde bis aufs tiefſte beleidigt. Das waren größtenteils Prieſter von Roſenberg und Umgebung, an der Spitze Janovcik und Fiſcher. Ich freute mich über das vollendete Werk und das Volk frohlockte in der Hoffnung, daß die Einweihung den Biſchof Parvy erweichen würde. Als kein Geld da war, nahm mein Bruder eine Wechſel - ſchuld von 30.000 Kronen auf ſich. Auf Wunſch der Cernovaer ſchrieb ich an den Biſchof eine ehrfurchtsvolle Bittſchrift um Vornahme der Einweihung. — Auf einmal verbreitete ſich das Gerücht, daß der Biſchof die Kirche weihen werde. Freude ergriff das Volk und es verlangte meine Rehabilitierung, eventuell die Verhandlung meines kanoniſchen Prozeſſes.
In Rom ſagte man mir ſeinerzeit, daß meine Anweſen - heit das Volk aufreizt und verlangte, daß ich für einige Zeit die Diözeſe verlaſſe. Es verging ein halbes Jahr und mein Prozeßſtockte, offenbarinfolge des Eingreifens des Biſchofs und der Regie - rung. Der Biſchof hätte über mich zu Gericht ſitzen und irgend ein Urteil fällen ſollen; und ich hätte es er - tragen. Dieſes Vorgehen empörte das feine Gefühl des Volkes, welches ſah, daß ich für ſein Wohl und ſeine Rechte vor keinem Opfer zurückſchrecke, keine Arbeit ſcheue. Dieſes Volk ſah, daß ich als Prieſter, Menſch und Politiker tadellos arbeite und daß der Biſchof mein Gegner war. Dadurch wurde es unwillig und läßt ſich durch niemanden, auch nicht durch Gewehre und Vajonetteüberreden, daß ich ein Sünder oder Aufwiegler ſei.
Am 16. Oktober ging ich nach Mähren, um am 17. in Ungariſch-Hradiſch einen Vortrag zu halten. “ Pfarrer Hlinka erfuhr erſt in Olmütz, daß die Einweihung der Kirche für den 27. Oktober beſtimmt iſt. Der Dechant lud ihn zu dem Feſte ein, aber Hlinka lehnte ab. Der Haupt - grund ſeines Fernbleibens war, daß der Biſchof ſeine An - weſenheit nicht wünſchte. Dann ſetzt er alſo fort: „ Wie ich aus glaubwürdiger Quelle erfahren habe, war es ſein be - ſtimmter Wunſch, daß die Kirche dann geweiht werde, wenn ich im Kerker ſein werde, alſo ohne mich. “
Das iſt der erſte Grund des Maſſenmordes; der zweite iſt die Rückſichtsloſigkeit Fiſchers, der ſah, daß ihn das Volk nicht wünſche; dennoch wollte er von Bajonetten begleitet die Kirche weihen. Die Kirche hat er nicht geweiht, aber Menſchenblut floß in Strömen. Er mag dafür Rechen - ſchaft ablegen vor Gott und den Menſchen. “ Spektator.
Eine bedenkliche Entſcheidung, die in die kaum einigermaßen beruhigte Situation neue Er - regungen hineinzutragen droht, gelangte, wie uns aus Eger telegraphiert wird, geſtern, Sonntag, an das Egerer Kreisgericht ſeitens des Prager Oberlandes - gerichtes herab, durch welche der jahrelange Kampf um die Anerkennung der tſchechiſchen Sprache in Eger als Gerichtsſprache zugunſten der Tſchechen entſchieden wurde. Der Prager Advokat Dr. Lohota hatte bereits vor einigen Monaten bei dem hieſigen Bezirksgerichte eine tſchechiſche Klage eingereicht, die jedoch zurückgewieſen wurde. Der dagegen beim Oher - landesgerichte in Prag eingebrachte Rekurs wurde an das Egerer Kreisgericht zurückgeleitet. Dieſes wies die Beſchwerde zurück, da im Sinne der Beſtimmungen der Gerichts - ordnung in Eger nur die deutſche Sprache als gerichts - üblich anzuſehen ſei. Damit mußte ſich Dr. Lohoda zufriedengeben und die betreffende Klage in deutſcher Sprache einbringen.
Um eine Entſcheidung des Prager Oberlandes - gerichtes zu provozieren, ſchlug nun Dr. Lohoda einen anderen Weg ein; er überreichte beim Egerer Kreis - gerichte eine (fingierte) Wechſelklage in tſchechiſcher Sprache, bei der es ſich um einen Sichtwechſel, der nur 4 Tage Laufzeit hatte, handelte. Da das Kreis - gericht dieſe tſchechiſche Klage zurückwies, erhob Doktor Lohoda den Rekurs an das Prager Oberlandesgericht. In der heute herabgelangten Entſcheidung wird nun das Egerer Kreisgericht angewieſen, die in tſchechiſcher Sprache überreichte Wechſelklage nicht nur anzunehmen, ſondern auch in tſchechiſcher Sprache zu erledigen. Alle auf dieſe Klage Bezug habenden Aus - fertigungen und Protokollierungen ſind in tſchechiſcher Sprache vorzunehmen, ja ſogar im Einlaufsprotokoll die Klage in tſchechiſcher Sprache zu verzeichnen, da „ die tſchechiſche Sprache in Eger als gerichtsüblich an - zuſehen ſei “. In einer Sitzung der deutſchen Ver - trauensmänner wurde beſchloſſen, ſofort eine um - faſſende Proteſtaktion gegen dieſe Entſcheidung ein - zuleiten und von derſelben alle deutſchböhmiſchen Abgeordneten und den deutſchen Volksrat für Böhmen zu verſtändigen. Auch die Stadtvertretung wird ſich mit der Angelegenheit beſchäftigen und hiebei auch an alle anderen deutſchböhmiſchen Städte appellieren.
Wie uns aus Lemberg gemeldet wird, fand dort Samstag abends in einem Hörſaale der Univerſität eine von allpolniſchen Studenten einberufene Proteſtverſammlung gegen die den Ruthenen in Wien von der Regierung gewährten Zugeſtändniſſe ſtatt. Zu der Verſammlung hatten ſich zirka 200 allpolniſche Studenten, ſowie eine große Anzahl von Sozialdemokraten (!) eingefunden. Der Referent der Verſammlung, Student Meybaum — ganz gewiß ein Allpole! — wandte ſich in hitzigen Worten gegen den Verſuch, „ die Uni - verſitätsfrage zum Gegenſtand von politiſchen Verhandlungen zwiſchen den einzelnen parla - mentariſchen Parteien in Wien zu machen und erklärte, daß die polniſchen Studenten es nie und nimmer zulaſſen werden, daß die Autonomie der Univerſität und deren ausſchließlich polniſcher Charakter angetaſtet werde. Trotzdem der in der Verſammlung anweſende Profeſſor Dembinski auf Grund authentiſcher Informationen die Verſamm - lung zu beſchwichtigen ſuchte, wurde eine aufgeregte Proteſtreſolution gegen die Verhandlungen der Re - gierung mit den Ruthenen mit großer Mehr - heit angenommen. Man darf wohl erwarten, daß die Regierung weiß, was ſie mit ſolchen Kundgebungen zu tun hat. Die Politik der Minderjährigen hat ſchon einen allzu breiten Raum eingenommen.
Die Agrargeſetzgebung in Rumänien, die durch die letzten Bauernunruhen beſchleunigt wurde, naht ſich ihrer Vollendung. Die parlamentariſche Kommiſſion beendigte die Beratung über den Geſetz - entwurf betreffend die landwirtſchaftlichen Pacht - verträge und begann geſtern mit der Verhandlung des Geſetzentwurfes betreffend die Monopoliſierung der geiſtigen Getränke in den Landgemeinden.
Der Krieg gegen die chriſtlichen Schulen in Frankreich dauert ungeſchwächt fort. Wer ſich dagegen muckſt, wird durch Strafen eingeſchüchtert. Soeben verurteilte das Zuchtpolizei - gericht in Choley den Notar Bretaut und den Gutsbeſitzer George de Tou, die bei der Schließung der von Geiſtlichen geleiteten Mittelſchule in Beaupré gegen das Eindringen der Polizeimacht Stellung genommen hatten, zu je zehn Tagen Gefängnis.
Die Gärung in Perſien iſt noch nicht beruhigt. Samstag verhandelte das perſiſche Parla - ment lange über verſchiedene auf rühr eriſche Ar - tikel der Teheraner Preſſe, in denen von der Mög - lichkeit der Einmiſchung fremder Mächte in Perſien geſprochen und das engliſch-ruſſiſche Abkommen als ein Eingriff in die Unabhängigkeit Perſiens bezeichnet wird. Man einigte ſich dahin, daß Maßregeln gegen die Preſſe ergriffen werden müßten.
In einer Samstag auf dem Guidehall-Baukett gehaltenen Rede gedachte Premierminiſter Bannerman des Beſuches des deutſchen Kaiſerpaares und ſagte: Die fremden Beſuche werden immer häufiger und ſie können nur Gutes leiſten, wenn nur begriffen wird, daß ſie keine politiſchen Pläne decken. Wir werden den deutſchen Kaiſer und die Kaiſerin herzlichſt willkommen heißen, beſonders zu einer Zeit, wo der Kaiſer der Ruhe bedarf. Der Miniſterpräſident beſchäftigte ſich auch mit derHaager Konferenz und ſagte: Wir ſind von ihren Ergebniſſen, was die Einſchränkung der Rüſtungen betrifft, zwar enttäuſcht, doch hat ſie einige Ergebniſſe gezeitigt, die nicht unbedeutend ſind. Der Premier - miniſter ging ſodann zur Beſprechung des eng - liſch-ruſſiſchen Vertrages über, den er als eine bedeutende, weitere Sicherheit für den Welt - frieden betrachtet und erinnerte hierauf an die in - diſchen Unruhen, die ſicherlich die Aufmerkſam - keit forderten. Die Unordnung ſei mit feſter Hand zu unterdrücken und dabei gleichzeitig die freie Meinungs - äußerung zuzulaſſen, ſoweit ſie nicht den Umſturz bezweckt, das entſpreche den Wünſchen der Bewohner Indiens Ueber den Kongoſtaat müſſe Redner mit großer Reſerve ſprechen, weil das belgiſche Parlament kürzlich gefragt wurde, unter welchen Bedingungen es den Kongoſtaat übernehmen wolle. Die britiſche Regierung habe nicht die Abſicht, ſich einzumiſchen, ſei aber tief von dem Gefühl der Verantwort - lichkeit durchdrungen, welche ſie mit anderen dafür übernommen hat, daß der Kongo wie die Kolonien anderer Nationen regiert werde. Admiral Fiſcher pries die Tüchtigkeit der engliſchen Flotte und fuhr ſo - dann fort, von einer deutſchen Invaſion zu ſprechen, wäre Unſinn. Er gedachte in ſympathiſchen Ausdrücken des Beſuches Kaiſer Wilhelms, den die engliſche Marine mit Stolz zu ihren Admirälen zähle.
(Regierung und Duma. — Taktik der Oktobriſten. — Die Kadetten und die Polen.)
Aus Petersburg wird der „ Reichspoſt “ge - ſchrieben:
Ihr Korreſpondent fühlt ſich Herrn Milukow gegenüber zu ganz beſonderem Dank verpflichtet. Der Kadettenführer empfing Ihren Mitarbeiter und gab ihm mit der größten Freundlichkeit die gewünſchten Auskünfte.
„ Zur Zeit — äußert Herr Milukow — ſind von den Kadetten und den ihnen befreundeten Fortſchrittlern ungefähr ſiebzig gewählt worden. Das iſt verhältnis - mäßig eine ganz ſtattliche Zahl. Zählt man die zur extremen Linken gehörenden 14 Abgeordneten dazu, dann betragen die Kräfte der Oppoſition 80 bis 84 Abgeordnete. Bei der konſervativen Mehrheit wird der Schwerpunkt naturgemäß bei den Oktobriſten liegen. Die letzteren werden mit ihren 70 Abgeordneten eine entſcheidende Rolle ſpielen, da es von ihnen abhängen wird, der Oppoſition oder der Reaktion zum Siege zu verhelfen. “
„ Meiner Anſicht nach können wir in zwei Fragen ganz beſtimmt auf ein Zuſammengehen der Oktobriſten mit der Oppoſition rechnen: die erſte betrifft die Rückkehr zur alten Staatsform vor dem 30. Oktober; die zweite die Frage der lokalen Autonomie. Ich bin feſt überzeugt, daß die Oktobriſten nicht mit Hand anlegen werden zur gänzlichen Vernichtung der noch beſtehenden Selb - ſtändigkeit der einzelnen Länder. Sollten meine Hoff - nungen ſich nicht bewähren und die Oktobriſten ſich mit der Regierungspartei vereinigen, dann wird die Lage eine ſehr traurige werden. Die Rückkehr zu den alten Dingen wäre nur noch eine Frage der Zeit. Uebrigens haben ſich meine Vorausſetzungen betreffs der Wahl - ergebniſſe erfüllt. Sowohl die Wähler der Linken als der Rechten haben ſich uns bedeutend genähert. Die Wahlergebniſſe ſind der beſte Beweis dafür, daß die linken Parteien immer mehr unter den breiten Maſſen an Kredit verlieren. Das Land hat genug von all dieſen Unruhen und beſonders von der Revolution mit ihrem Geſchrei, ihren Miſſetaten, Bomben, Utopien und unſäglichem Chaos.
Nach der Auflöſung der zweiten Duma ſah die Mehrheit der Bevölkerung ein, daß die Taktik der linken Parteien keine Kritik aushalte, daß ihre Ver - ſprechen zwar anziehend, aber unausführbar ſind “...
„ Geſtatten Sie die Bemerkung, daß auch die Kadetten einiges verſprochen haben, das ſich ſpäter als unaus - führbar erwies? “—
„ Vor der zweiten Duma haben wir, abgeſehen von der parlamentariſchen Formulierung unſerer Tätigkeit, keine Verſprechen gemacht. “—
„ Und vor der erſten Duma? “
‚ Sie werden verſtehen, daß uns damals die Linke unbekannt ſein konnte. Haben wir doch erſt in der erſten Duma die Bekanntſchaft der Trudowiks machen können. “
„ Sie halten alſo die Niederlage der Linken keineswegs als eine Folge der neuen Wahlgeſetz - ordung? “
„ Nein, nein! Die Klaſſenwahlen in Peters - burg unterſcheiden ſich nur wenig von der früheren und laſſen ſich nur durch die politiſche Reife der Petersburger erklären, die uns den Sieg zuführten. “
4Wien, Montag Reichspoſt. 11. November 1907 273Eine den Miniſterkreiſen nahe ſtehende Perſönlichkeit teilte mir folgendes betreffs der Stellung der Regierung zur Duma mit:
„ Vor allem muß das Verhältnis der Regierung zur Duma von ihrem Verhältnis zu den einzelnen in derſelben vertretenen Parteien wohl unterſchieden werden. Die Wahlen haben die von der Regierung begehrte Mehrheit, wie es den Anſchein haben könnte, nicht zuſtande gebracht. Dieſe große Maſſe gibt noch keine Garantie für die Annahme einer ſtarken homogenen Regierungs - partei. Das Kabinett kann ſich auf die Kadetten nicht ſtützen, ſchon deshalb nicht, weil dieſe Partei nur zu oft zahlreichen äußerlichen Wandlungen unter - liegt. Die wandelbare Taktik dieſer Partei ſchließt dieſe Annahme aus, obwohl die Regierung auf tat - kräftiges Mitwirken ſeitens der Kadetten zur Be - ſchleunigung des gegenſeitigen Verſtändniſſes rechnet. Jedoch wird die Regierung nicht zuerſt dieſen Weg betreten. “
„ Ebenſo bleibt die Möglichkeit einer Regierungs - partei der Oktobriſten bis auf weiteres aus - geſchloſſen, weil ihr Programm mehr nach links, als nach der Regierungsſeite ſteht und viele gemeinſame Punkte mit den Grundſätzen der Kadetten aufweiſt. “
Die linken Parteien können, wie alle anderen Volksvertreter, auf denſelben Empfang rechnen, was jedoch kein Zugeſtändnis zugunſten der Freiheitsbe - wegung bedeuten ſoll. — Unter der unbeſtimmbaren Maſſe der Deputierten befindet ſich eine bedeutende Gruppe, die zwiſchen Oktrobiſten und der extremen Rechten ſteht, die ‚ Monarchiſten, ‘‚ Konſervative, ‘‚ Rechte‘ heißen. Dieſe ſcheinen die geſuchte Gruppe zu ſein, auf welche ſich die Regierung ſtützen zu können meint. “
Der nahe Termin zur Einberufung der dritten Duma zwingt die verſchiedenen Parteien, ihren Stand - punkt zur Regierung und den verſchiedenen Parteien und Gruppen zu klären. Zu dieſem Zwecke werden in den nächſten Tagen Zuſammenkünfte der Oktobriſten und der Kadetten ſtattfinden, die erſte in Peters - burg, die zweite aller Wahrſcheinlichkeit nach in Finnland.
Die Zuſammenkunft der Kadetten ſoll von über 300 Delegierten beſucht werden. Das Provinzial - komitee von Petersburg entſendet allein 25 Delegierte. Es wird beabſichtigt, die durch das neue Wahlgeſetz geſchaffene Lage und die Stellung der Kadetten zu den anderen Parteien zu beſprechen. Der „ Verband des ruſſiſchen Volkes “iſt ſeinerſeits gewillt, in allen Fragen, mit Ausnahme der jüdiſchen, zuſammen mit den Oktobriſten zu ſtimmen. Der Verband beabſichtigt ferner der ruſſiſchen Geiſtlichkeit für die paſſive Stellung während der Wahlen ſeine Mißbilligung auszuſprechen, weiters für die Einführung des obligatoriſchen Unterrichts zu ſtimmen, wobei die pädagogiſche Tätigkeit den Pfarrkirchen überwieſen werden ſoll, jede Diskuſſion über Amneſtie ſoll im Keime erſtickt werden.
Katholiken: Martin B. — Griechen (29. Oktober) Anaſtaſia. — Sonnenaufgang 7 Uhr 1 Minuten morgens. — Sonnenuntergang 4 Uhr 27 Minuten abends. — Mondesaufgang 12 Uhr 46 Minuten abends, — Mondes - untergang 8 Uhr 39 Minuten abends.
Der Kaiſer hat dem Landesgerichtspräſidenten in Graz Karl Somma - vila anläßlich der Penſionierung das Ritterkreuz des Leopold-Ordens, dem Vorſtande der techniſchen Abteilung der Direktion für den Bau der Waſſerſtraßen, Hofrate Johann Mraſick das Ritterkreuz des Leopold-Ordens mit Nachſicht der Taxe, dann den Bauräten dieſer Direktion Johann Pachnik und Otto Edlen Schneller von Morthal den Titel und Charakter eines Oberbaurates, ferner den Bauräten dieſer Direktion Emil Zimmler und Johann Czerwinski das Ritterkreuz des Franz Joſef - Ordens, dem Landesgerichtsrate Eduard Rode in Rovigno aus Anlaß der Verſetzung in den Ruheſtand das Ritterkreuz des Franz Joſef-Ordens, dem Landesgerichtsrate des Kreisgerichtes in Königgrätz Joſef Pospiſchil anläß - lich der Verſetzung in den dauernden Ruheſtand das Ritter - kreuz des Franz Joſef-Ordens verliehen. Ferner dem Hof - rate Albin Feichtinger in Graz, dem Hofrate Doktor Joſef Böhm von Bawerk in Wien und dem Landes - gerichtsrate Napoleon Kümmerlin von Eichenan, allen aus Anlaß ihrer Verſetzung in den Ruheſtand, den beiden erſteren den Ausdruck der Anerkennung bekannt - gegeben, dem letzteren den Titel eines Oberlandesgerichts - rates verliehen, dem Vertreter des Pilſener bürgerlichen Brauhauſes Joſef Staus in Prag den Titel eines kaiſer - lichen Rates, den Bezirks-Inſpektoren der Sicherheitswache in Wien Joſef Biſtrinetz, Guſtav Unterthurner und Franz Wenzel Krebs anläßlich der Verſetzung in den dauernden Ruheſtand das Goldene Verdienſtkreuz mit der Krone verlieben.
Herr Erzherzog Franz Sal - vator und Frau Erzherzogin Marie Valerieſind heute mittags aus Wallſee in Penzing eingetroffen. Herr Erzherzog Franz Salvatoa begleitete ſeine Gemahlin nach Schönbrunn und fuhr dann in die Hofburg.
Der Kaiſer hat heute um ½12 Uhr vormittags den königl. ungariſchen Miniſterpräſidenten Dr. Wekerle, der Samstag um 9 Uhr 50 Minuten abends aus Ofen-Peſt hier einge - troffen iſt, in beſonderer Audienz empfangen. Heute wird der Kaiſer die neuernannten Miniſter in Schönbrunn in beſonderer Audienz empfangen und in Eid nehmen, weiters wird der Kaiſer Dienstag den 12. d. M., vormittags um 11 Uhr, den abberufenen kaiſ. deutſchen Botſchafter G. d. K. Grafen Wedel in Abſchiedsaudienz empfangen und ſein Abberufungs - ſchreiben entgegennehmen.
Auf tragiſche Weiſe iſt geſtern abends der Generalin - ſpektor der Tabakregie Hofrat Dr. Arthur Muſſil von einem plötzlichen Tod ereilt worden. Hofrat Dr. Muſſil hat während des dichten Nebels mit ſeinem Neffen Dr. Waldemar Tiſcher einen Spaziergang unternommen. Als er an die Ecke des Schwarzenbergplatzes und des Heumarktes kam, wurde er plötzlich von heftigem Un - wohlſein befallen. Er wankte, Dr. Tiſcher ſtützte ihn, doch der Hofrat ſank ihm leblos in die Arme. Die Rettungsgeſellſchaft wurde berufen. Der Inſpektionsarzt ſtellte den durch Herzſchlag erfolgten Tod feſt.
Am 15. hält der Katholiſche Schul - verein im großen Muſikvereinsſaale (Dumbagaſſe 3) ſeine zwei Feſtverſammlungen. Feſtredner ſind: Abgeordneter Dr. v. Baechlé, Abg. Dr. Drexel, Landeshaupt - mann Rhomberg, Präſident Dr. Schwarz, Prinz Alois Liechtenſtein und Univerſitäts-Profeſſor Hofrat Hilgenrainer.
Aus Krakau wird uns unterm 10. d. berichtet: Der hieſige „ Glas Narodu “ſchildert in einem Wiener Artikel die Vorgänge im Parlament, ins - beſondere den Zuſammenſchluß der deutſchen Parteien im Zwölferausſchuß und ſagt: „ In dieſem Verband ſind über 170 Abgeordnete vertreten. Die Hauptrolle fällt naturgemäß der chriſtlichſozialen Partei zu und Dr. Lueger iſt nun tatſächlich der Führer der Deutſchen in Oeſterreich. Unter großem Gezeter wird dies faſt ausnahmslos auch im gegneriſchen Teile der Wiener Preſſe zugeſtanden. Doch noch eines muß vermerkt werden. In der Mitte der Deutſchnationalen und der deutſchagrariſchen Partei befinden ſich noch Mitglieder, die nur des gelegenen Zeitpunktes harren, um offen zu der chriſtlich ſozialen Partei überzutreten und da wird man wohl begreifen, über welche numeriſche und moraliſche Kraft dieſe Partei zu verfügen in der Lage iſt. “
Das Amtsblatt meldet heute, daß der Kaiſer dem Direktor des Gymnaſiums der Benediktiner zu den Schotten in Wien Anton Sauer den Titel eines Regierungsrates und dem Profeſſor an dieſer Anſtalt Erneſt Spreitzenhofer den Titel eines Schulrates verliehen hat.
Die Ortsgruppe Hernals des Pius - vereines veranſtaltet heute den 11. November in A. Hellingers Saal, 17. Bez., Hauptſtraße 26, eine Wanderverſammlung. Redner: Obmannſtellvertreter Herr Hans Bauer, Hochw. Herr Robert Metelka und Kanzlei - leiter Herr Franz Heinzlmeyer. Beginn ½8 Uhr abends. Am Schluſſe der Verſammlung heitere Vorträge durch Herrn Rudolf Dworak.
Im Saale des Hotels „ zur Poſt “fand geſtern die konſtitu - ierende Verſammlung des „ Vereines der Privatbeamten in Oeſterreich “ſtatt, die einen ſehr bewegten Verlauf nahm. Kurz nach der Wahl der Vereinsleitung kam es zu einer derart tumultuariſchen Szene, daß der Vorſitzende ſich veranlaßt ſah, die von mehreren hundert Perſonen beſuchte Verſammlung vorzeitig zu ſchließen. Veranlaſſung zu den Tumulten gab die Rede eines Herrn Richard Weiß, der die Vereinsgründung für überflüſſig bezeichnete, da der ſozialdemokratiſche Zentralverein der kaufmänniſchen Angeſtellten Oeſterreichs ohnehin auch für die Intereſſen der Privatbeamten eintrete.
hielt am Abend des 9. d. in Matzingers Reſtauration, 6. Bezirk, eine Eiſenbahner - verſammlung ab, in welcher Herr Adjunkt Eiſenbeißer über „ Koalition und Kartell “, Herr Rabg. Profeſſor Schmid über die „ Lohnregulierung bei der St. -E.-G. “, Herr Sekretär Tſchulik über „ Organiſation und Preſſe “und Herr Zahlſtellenobmann Trötter über „ Unfallver - ſicherung “wirkungsvolle Referate erſtatteten. Seit dem letzten Lohnkampfe der Eiſenbahner mehren ſich die Bei - tritte zum „ Verkehrsbunde “in erfreulicher Weiſe.
In Czernowitz iſt die „ Neue freie Lehrerzeitung “endlich eingegangen, obwohl ſie ſchon lange mit Druckereiſchulden und an - deren Beſchwerden zu kämpfen hatte. Das Blatt war ein Revolverblatt ſchlimmſter Sorte und in der ganzen Bukowina berüchtigt. Von Erziehungslehre, fachlichen Aufſätzen war nie etwas zu finden, bloß politiſche Kampf - artikel und eine verbiſſene Hetze gegen die „ römiſchen Pfaffen “. Schade, daß die Bukowinaer Lehrerſchaft für dieſes Blättchen ſoviel geopfert hat.
Geſtern zogen etwa 1500 Wiener Männer unter Führung P. Abels nach Kloſterneuburg. Um drei Uhrnachmittags fand dort der feierliche Einzug mit Muſik ſtatt, worauf die Wiener vom Komitee namens der Kloſterneuburger begrüßt wurden. In der Stiftskirche hielt P. Abel eine zündende Anſprache, worin er die Bedeutung der chriſtlichen Preſſe betonte und bemerkte, der Piusverein möge bald die Zentralorganiſation der Katholiken Oeſterreichs werden. Hierauf führte Chorherr Profeſſor Ludwig die Wallfahrer in den neuen Stiftskellerſaal, wo P. Abel in anregender Weiſe Organiſationsfragen und den bevorſtehenden Katholiken - tag beſprach.
Am Mittwoch, den 13. November wird in der philoſophiſch-theologiſchen Sektion der Leo-Geſellſchaft (Bäckerſtraße 14, 1. Stock, 6 Uhr abends), Exzellenz Dr. Joſef Teodorowicz, Erzbiſchof von Lemberg rit. arm. über: „ Die neueſte Enzyklika und der wiſſenſchaftliche Fortſchritt “ſprechen.
Man meldet aus Venedig vom 10. d.: Im Prozeſſe gegen die Mörder des Grafen Komarowski wurde geſtern das Verteidigerkollegium gebildet. Für den die Attentäter Naumoff wurde Dr. Leopoldo Bizio, für Dr, Prilokoff, Dr. Ceſare Luzzatti und für die Gräfin Tarnowska Dr. Adriano Diena als Verteidiger beſtimmt. Der verhafteten Zofe der Gräfin, Frl. Perier, werden die Verteidiger Dr. Salvatore Jacchia und Dr. Alberto Muſatti zur Seite ſtehen. Wie verlautet, wird ſich die Mutter des erſchoſſenen Grafen Komarowski für deſſen unmündige Erben als Privatbeteiligte dem Prozeſſe an - ſchließen.
Wie aus Nervi an der Riviera ge - meldet wird, iſt dort der Direktor der ungariſchen Staats - bahnen, Béla Hendel, geſtorben — In Przemysl iſt der bekannte und beliebte Schulmann Kanonikus Heinrich Biega geſtorben. Beinahe dreißig Jahre Religions - lehrer an der höheren Mädchenanſtalt der Benediktinerinnen, erzog er eine ganze Generation von Frauen und Lehrerinnen. Wie hohe Verdienſte ſich der Verewigte zu ſchaffen verſtand, bewies der wahrhaft impoſante Leichen - zug, unter Führung des römiſch-katholiſchen Biſchofes des geſamten lateiniſchen und griechiſch-katholiſchen Kapitels und der Bürgerſchaft. — In Dornbirn wurde Frau Katharina Drexel, Mutter des Herrn Reichsrats - und Landtags-Abgeordneten Dr. Karl Drexel beſtattet. Herr Dekan Rudigier führte unter Aſſiſtenz von 24 Prieſtern den Kondukt. Eine große Menge Andächtiger und der chriſtliche Arbeiterverein gaben der Dahingeſchiedenen das letzte Geleite.
Am 8. d. M. früh wurden die Kellner des Gaſtwirtes Franz Glanz in der Wollzeile, die neben dem Gaſtzimmer in einem Kabinett ſchliefen, durch ein Geräuſch geweckt. Sie ſprangen auf, machten Licht und entdeckten, daß alle Türen der Reſtaurationsräume offen und die Laden eines Kaſtens hinausgezogen waren. Ein Dieb mußte im Lokal ſein. Man durchſuchte jeden Winkel und ent - deckte ſchließlich in der Holzkammer einen Mann, der ſich dort verſteckt hatte. Der Mann wurde angehalten und zum Stadtkommiſſariat gebracht, wo man ihn als den am 24. v. M. aus der Zwangsarbeitsanſtalt Znaim entſprungenen Hilfsarbeiter Johann Skala erkannte. Skala, der einen Einbruchsdiebſtahl ausführen wollte, wurde dem Landesgericht eingeliefert.
Geſtern Sonntag vormittags wurde in der Göllnergaſſe im III. Bezirke das nach Plänen des Architekten Titus Neugebauer neuerbaute erſte katholiſche Arbeiterheim, das aus zwei in dieſer Straße gegenüber befindlichen Häuſern beſteht, in feierlicher Weiſe ein - geweiht. Mit dem Bau dieſes Arbeiterheims wurde erſt im Frühjahre dieſes Jahres begonnen. Den feierlichen Weiheakt vollzog Weihbiſchof Dr. Godfried Mar - ſchall, der kurz vor 10 Uhr dort eintraf und vom Vizepräſidenten des Komitees Kooperator Schmidt an der Spitze der zur Feier ſich eingefundenen Geiſtlichkeit empfangen wurde. Nach vorgenommenem kirchlichen Weiheakt ver - ſammelten ſich die Feſtgäſte, darunter der Landmarrſchall Prinz Alois Liechtenſtein, Bürgermeiſter Dr. Lueger, Rabg. Prochazka, ferner mehrere Gemeinde - und Bezirks - räte im Feſtſaal, der ſchön geſchmückt und mit einem proviſoriſchen Altar verſehen war. Weihbiſchof Dr. Marſchall hielt eine der Feier entſprechende Rede. Profeſſor Leb ſprach über die Geſchichte und Entſtehung des Arbeiterheims, worauf Bürgermeiſter Dr. Lueger mit einigen Worten erwiderte. Kooperator Schmidt zelebrierte dann am obbezeichneten Altar eine Meſſe, worauf mit dem katholiſchen Lied der Arbeit die Feier geſchloſſen wurde.
Man ſchreibt aus Porto Ferrajo vom 10. d.: Aus allen Gegenden der Inſel Elba kommen Nachrichten über heftige Stürme, welche auf dem Lande arge Verwüſtungen angerichtet und ſtellenweiſe die Straßen ungangbar gemacht haben. Die Gemeinden Marciano und Marciana Marina ſind über - ſchwemmt worden, wobei, wie bisher feſtgeſtellt wurde, ſechs Menſchen ums Leben kamen.
Man ſchreibt uns aus Troppau vom 10. d.: Der Streik im Sileſia-Schachte in Dziedzitz iſt beigelegt. Der Ausſtand im Eleonoren-Schachte in Dombrau wurde geſtern früh auf den Bettina-Schacht ausgedehnt. Bei der Früh - und bei der Nachmittagsſchicht iſt nur ein geringer Bruch - teil der Arbeiter eingefahren. Die Beilegung des Streiks wird bis Montag erhofft.
5273 Wien, Montag Reichspoſt 11. November 1907Aus Graz, 8. d., wird der „ Reichspoſt “geſchrieben: Die Grazer katholiſchen Frauen werden gegen die ſcheußliche Verhöhnung der Menſch - werdung Chriſti zuerſt öffentlich proteſtieren. Die katho - liſche Frauenorganiſation für Steiermark hat den Beſchluß gefaßt, am Mittwoch, den 13. November, in Graz eine große Proteſtverſammlung abzuhalten und ladet dazu ſoeben mit einem Aufrufe ein, in dem es heißt: „ Katholiſche Frauen und Jungfrauen! Eine unerhörte Beleidigung iſt unſerer heiligen Religion widerfahren, indem eine religionsfeindliche Zeitung in Graz das von jedem Chriſten in Ehrfurcht verehrte heilige Geheimnis der Menſchwerdung unſeres Herrn und Heilandes Jeſus Chriſtus mit den Vorgängen bei der Züchtung eines Tieres in Verbindung gebracht und ſo nicht nur das Gefühl jedes gläubigen Katholiken, ſondern das Gefühl jedes anſtändigen Menſchen aufs tiefſte verletzt wurde. “ An anderer Stelle heißt es: Wir wollen und dürfen nicht dulden, daß dieſer Frevel um ſich greift und vielleicht gar in unſere Familien eindringt. Denkt an Eure lieben Angehörigen, denkt an die Kinder ..... “ Die Einladungen werden in Graz maſſenhaft verbreitet. Es wäre wünſchenswert, wenn dieſes wachere Beiſpiel der katholiſchen Frauen von Graz auch andernorts bei ähnlichen Anläſſen nachgeahmt würde.
Am 8. d. fand im großen Mödlhamer-Saale in Salzburg eine vom „ Deutſchnationalen Handlungs - gehilfen-Verbande “einberufene Verſammlung ſtatt. Die - ſelbe war ſehr gut beſucht, allerdings meiſt von Sozial - demokraten, welche mit Hausknechten, Packern und aller - hand raufluſtigen Leuten gekommen waren, die es von allem Anfang an darauf abgeſehen hatten, einen ruhigen Verlauf der Verſammlung zu verhindern. „ Gauvorſteher “Gründahl hielt ſeine Rede; wurde aber oft unterbrochen und ſchießlich erhoben die „ Genoſſen “ein lautes Gejohle. Ein ohrenbetäubender Lärm und Tumult entſtand, ſo daß der Regierungsvertreter, Dr. Mark, ſich ver - anlaßt ſah, die Verſammlung aufzulöſen und die Ver - ſammlungsteilnehmer aufzufordern, das Lokal zu ver - laſſen. Dieſe Anordnung des Regierungsvertreters wurde anfangs gar nicht beachtet. Erſt als eine größere Abordnung von Sicherheitswachmännern im Saale er - ſchien und nach zweimaliger erfolgloſer Aufforderung, das Lokal zu räumen, Gewaltanwendung angedroht wurde, leerte ſich langſam der Saal. So werden die Deutſchradikalen von den Genoſſen behandelt; ob ſie ſich die erhaltenen Prügel merken werden?
Als Präſident des nächſten Samstag beginnenden IV. allgemeinen öſterreichiſchen Katholikentages war Landeshauptmann Dr. Ebenhoch auserſehen ge - weſen. — Wie das „ Linzer Völksblatt “mitteilt, ver - hindern der Amtsantritt und die damit verbundenen Arbeiten den neuen Miniſter, die Präſidentſchaft zu übernehmen.
Am Sonntag um Mitternacht wurde der kleine Blumen - verkäufer Friedrich Ottawa auf dem Graben vom Auto - mobil A 490 niedergeſtoßen. Er erlitt eine Gehirnerſchüt - terung und eine Quetſchung im rechten Hüftgelenk und wurde von der Rettungsgeſellſchaft ins Leopoldſtädter Kinderſpital gebracht.
Der Ber - liner „ Lokalanzeiger “meldet aus Warſchau: Die Ge - heimpolizei entdeckte den Verrat militäriſcher Geheim - niſſe. Die Affäre wird noch ſtrenge geheimgehalten. Mehrere höhere Offiziere ſind in die Affäre verwickelt. Es handelt ſich um eine Anzahl von Be - feſtigungsplänen, welche an Oeſterreich ausgeliefert worden ſein ſollen. Die Polizei nahm in dieſer Affäre mehrere Verhaftungen vor. Weitere Verhaftungen ſtehen bevor.
Aus Athen wird uns gemeldet: Wie die hieſigen Blätter melden, wird das Schloß Achilleion auf Corfu für Kaiſer Wilhelm II., der daſelbſt von Ende Jänner n. J. bis Ende April 1908 zu verweilen gedenkt, adaptiert.
Man ſchreibt uns aus Czernowitz vom 10. d.: Heute fand hier in Anweſenheit des Landespräſidenten Ritter v. Bleyleben, des Bürgermeiſters Freiherrn v. Fürth, der Mitglieder des Gemeinderates und den Spitzen der Be - hörden die feierliche Enthüllung des vor dem Stadttheater errichteten Schiller-Denkmals ſtatt. Der Schöpfer des Denkmals iſt der Wiener Bildhauer Georg Leiſek.
Man meldet aus Paris vom 9. d.: Lord Francis William Kilmaine, Pair von Irland, der vorübergehend hier weilte, hat ſich in einem Anfalle von Neuraſthenie aus dem Fenſter geſtürzt und blieb ſofort tot.
Aus Perchtoldsdorf wird uns berichtet: Aus Anlaß der behördlichen Auflöſnng der Gemeinde - verwaltung von Perchtoldsdorf berief die ſozialdemokra - tiſche Partei für geſtern eine Volksverſammlung ein, die eine Proteſtkundgebung gegen dieſe Verfügung zum Zweck hatte. Das Aufgebot der Arbeiterſchaft war ein außer - ordentlich großes; doch hatten ſich auch chriſtlichſoziale Wähler eingefunden, die mit der erwähnten Maßnahme ſich einverſtanden erklärten, wodurch die Verſammlung ſtellenweiſe einen ſtürmiſchen Charakter annahm. Der ſozialdemokratiſche Hauptredner Korzinek ſtellte die Auf - löſung der Gemeindeverwaltung als einen Racheakt derChriſtlichſozialen dar, die damit den ihnen mißliebigen Bgm. Greiner treffen wollten, weil derſelbe als angeblicher Chriſtlichſozialer gegen den offiziellen chriſtlichſozialen Reichsratskandidaten aufgetreten iſt. Als nach weiteren heftigen Angriffen der folgenden ſozialdemokratiſchen Redner der Beirat Bayerl namens der chriſtlichſozialen Wähler das Wort ergriff, kam es zu ſtürmiſchen Szenen und Auseinanderſetzungen zwiſchen beiden Parteien. Der genannte Sprecher der Chriſtlichſozialen wies darauf hin, daß die Gemeinde vor wenigen Jahren überhaupt keine Schulden hatte und jetzt mit über eine Million Kronen belaſtet iſt und vor der Erhöhung der Gemeinde - umlagen ſteht. Die Mehrheit der Verſammlung beſchloß einen Proteſt gegen die Auflöſung der Gemeindever - waltung.
Das öſterreichiſche Budget für 1908 ſieht für das Land Vorarlberg als einen der Poſten den Betrag von 656.880 Kronen zur Rheinregulierung vor.
Der Kaiſer hat dem vom Landtage des Königreichs Böhmen beſchloſſenen Entwurfe eines Geſetzes, womit der Stadt - gemeinde Reichenberg die Bewilligung zur Aufnahme eines Darlehens von 3,400.000 Kronen erteilt wird, die Sanktion erteilt.
Amtlich wird uns heute berichtet: Das Handelsminiſterium hat dem von der Direktion für den Bau der Waſſerſtraßen ausgearbeiteten Projekte für die Regulierung und Kanaliſierung der Elbe im Stadtgebiete von Kolin die Genehmigung erteilt. Die Statthalterei in Prag wurde bereits angewieſen, die erforderlichen Einleitungen wegen eheſter Durchführung der politiſchen Begehung und Enteignungsverhandlung mit aller Beſchleunigung zu treffen, um die baldige Inangriffnahme dieſer Arbeiten zu ermöglichen.
Dem Vernehmen nach haben ſich der Durchführung des be - kannten Projektes betreffend Herſtellung eines Straßen - zuges Akademieſtraße — Laurenzerberg bedeutende Schwierigkeiten entgegengeſtellt. Die koſt - ſpieligen Häuſereinlöſungen, die erforderlich wären, ſtünden demzufolge in keinem Verhältnis zu dem Effekt, der einer Parallelſtraße des Parkringes gleichkäme. Da - für wendet ſich neueſtens verſtärktes Intereſſe dem Pro - jekte einer Durchquerung Stubentor — Schotten - tor zu, die einem intenſiven Verkehrsbedürfniſſe ent - ſpräche. Man gedenkt, bei der Demolierung des alten Kriegsgebäudes die Eventualität eines Straßen - zuges via Bognergaſſe in Betracht zu ziehen. Es iſt auch ſchon erörtert worden, die Straßenfront des Mölkerhofes durch einen Arkadengang zu durchbrechen, um das Trottoir der Schottengaſſe zur Er - weiterung der Fahrſtraße zu verwenden.
Der 17jährige Eisverkäufer Joſef Z. ſprang am 10. d. nachts aus einem Mezzaninfenſter in den Hofraum. Er fiel zunächſt auf ein Glasdach auf, durchſchlug dasſelbe und glitt dann zu Boden. Der Burſche, welcher mehrere Schnitt - wunden am linken Unterſchenkel erlitten hat, wurde vom Inſpektionsarzte der Freiwilligen Rettungsgeſellſchaft verbunden und in das Spital der Barmherzigen Brüder gebracht. Als Motiv der Tat gab er Kränkung darüber an, daß ſein Vater ihm das Nauchen noch nicht geſtattet, während alle ſeine Kameraden dies ſchon tun dürfen.
Ein Buch, das 362 Kilo wiegt, beſitzt das britiſche Muſeum. Es iſt ein geographiſcher Atlas von gewaltigem Umfange, der alle Karten von Holland in wunderbarer Zeichnung enthält. Dieſes Buch ruht in einem rieſigen Umſchlage, den nur drei Mann zuſammen fortzuſchaffen vermögen. Der in Leder ge - bundene und reich mit Gold gezierte Rieſenband hat eine Höhe von etwa 2·15 Meter. Er wurde 1660 dem König Karl II. geſchenkt, als er ſich in Holland ein - ſchiffte, um nach London zurückzukehren.
Aus Graz wird uns folgendes nettes Geſchichtchen mitgeteilt: Eine den beſten Ständen angehörige Frau lebte viele Jahre glücklich mit ihrem freigewählten Manne, dem ſie ſogar durch manches Krankheitsjahr eine ſorgſame Pflegerin war. Der Mann ſtarb, die junge Witwe ſetzte ihrem „ Unvergeßlichen “einen ſchönen Leichenſtein auf dem St. Leonhard-Fried - hofe — und heiratete in kurzer Friſt zum zweiten Male. Auch dieſer Mann ſtarb unerwartet früh. Die zum zweiten Male Witwe gewordene Frau ließ nun den ſchönen Leichenſtein vom Grabe ihres erſten Gatten holen, ihn abſchleifen und, mit neuer „ unvergeßlicher “Inſchrift verſehen, am Grabe des zweiten, „ leider viel zu früh verſtorbenen “Gatten aufſtellen. Ob wohl der Leichenſtein noch einmal als „ Gabe treuer Erinnerung “wandern wird?
Die letzte Nummer des in Bozen erſcheinenden „ Tiroler “wurde konfisziert. Die Redaktion des genannten Blattes teilt ihren Leſern folgendes mit: „ Wer die konfiszierte Notiz leſen will, der leſe das amtliche Blatt „ Bote für Tirol und Vorarlberg “, und zwar die Donnerstagausgabe! Auch in vielen Wiener und Provinzblättern ſteht die Notiz. So handhabt ein aus dem vorigen Jahrhundert ſtammen - der Staatsanwalt in Bozen ein aus dem vorigen Jahr - hundert ſtammendes Geſetz. Heute muß in Bozen die Polizei den „ Tiroler “konfiszieren, damit die Leſer dieſe Notiz nicht leſen können. Der amtliche „ Bote für Tirol und Vorarlberg “und ſo manche andere Zeitung liegt mit der gleichen Notiz im gleichen Kaffee -oder Gaſthaus auf und der Staatsanwalt weiß es. Wenigſtens, daß die Notiz im „ Bote für Tirol und Vor - arlberg “ſtand, hätte er wiſſen ſollen — als k. k. Beamter. „ Oderleſen auch die Beamten die Amts - blätter nicht? “
Amtlich wird uns berichtet: Aus Anlaß der an zwei Stellen des nordweſtböhmiſchen Braunkohlenrevieres vorgefallenen Schwimmſandeinbrüche hat das Ackerbauminiſterium an - geordnet, daß bei allen Bergwerksbetrieben im Amts - gebiete der Berghauptmannſchaft in Prag, in welchen die Gefahr von Schwimmſand - oder Schlammeinbrüchen beſteht, von den Bergbehörden unter Berückſichtigung der Erfahrungen, die bei den letzten Einbrüchen gewonnen wurden, die für den Fall und zur Verhütung ſolcher Er - eigniſſe beſtehenden Maßnahmen überprüft und die nach dem Ergebniſſe der bezüglichen Erhebungen etwa not - wendigen weiteren Schutzvorkehrungen ohne Auf - ſchub getroffen werden. Das Ackerbauminiſterium hat ferner verfügt, daß ſich die Erhebungen vornehmlich auch darauf erſtrecken ſollen, ob die getroffenen Schutzvor - kehrungen die Belegſchaft der Grube gegen die Folgen des Einbruchs in ausreichendem Maße zu verſichern ver - mögen.
Das geſtern nachmittags ſtattgefundene Leichen - begängnis des Vorſtehers der Wiener Fiakergenoſſenſchaft, Handelskammerrates Franz Himmelmayer gab einen Beweis, welch großer Beliebtheit ſich der Verſtorbene erfreute. Mehr als zweitauſend Leidtragende waren trotz des ſchlechten Wetters im Trauerhauſe, 18. Bezirk, Martinsſtraße Nr. 96, erſchienen, um dem beliebten Manne die letzte Ehre zu erweiſen. Unter den vielen Trauergäſten ſah man u. a.: P. Abel, die Handels - kammerräte Kitſchelt und Zeſewitz, Rabg. Genoſſenſchafts - inſtruktor Pabſt, Bezirksvorſteher Abg. Baumann, die Gemeinderäte Obriſt, Dechant, Hütter, viele Bezirksräte, Volksdichter Merkt, Polizeikommiſſär Dr. Köllner, die Genoſſenſchaftsvorſtehung der Einſpänner mit Herrn Pollak an der Spitze. die Genoſſenſchaft der Fiaker mit dem Stellvertreter Herrn Rößner und ſämtlichen Ausſchüſſen, Beamten ꝛc. mit umflortem Genoſſenſchaftsbanner, die Vorſtehung der Lohnfuhrwerksbeſitzer und der Kleinfuhr - leute mit den Vorſtehern Reuter und Hafner, die Gehilfenvertretung der Fiaker und Einſpänner mit den Obmännern Hawelka und Streit und dem Obmann der Gehilfen Stark, Handelskammerrat Scholz, der Obmann der Dienſtmännergenoſſenſchaft Schlatz - müller, der ehemalige Vorſteher Kiſelak, viele Vorſteher anderer Genoſſenſchaften, die Fiakerſchule mit dem Direktor ꝛc., die bekannten Fiakereigentümer Beck, Seidl, Wollner, Hoffmann, Engl, Schneider, Kaltenbaumer, Kandl, Schmidt, Fuchs, Kreipl, Waſſerburger, Hausmann, Konrad, Krempl, Nowak, Kretſchmayer, Jungreithmayer, Schöll, die Grabenfiaker Hirſchmann und Brandl, ferner der Deutſchmeiſter - Franz, der Reſtaurateur Krantſtoffel, viele Fiaker - und Einſpännerkutſcher, Wirte, Reſtaurateure, Cafetiere mehrere Wohltätigkeitsvereine, Mitglieder der Bürger - vereinigung, des chriſtlichen Frauenbnndes, der Unter - ſtützungsvereine der Fuhrwerker ꝛc. Die in einem Metall - ſarg ruhende Leiche wurde in der Währinger Pfarrkirche „ zum heiligen Laurenz und Gertrud “von Pfarrer Treml unter geiſtlicher Aſſiſtenz feierlich eingeſegnet und ſodann mittels vierſpännigen Galaleichenwagens der „ Pietät “auf den Pötzleinsdorfer Friedhof überführt, wo die Beiſetzung im Familiengrabe erfolgte. Zwei Blumenwagen bargen 70 prachtvolle Kranzſpenden und eine große Anzahl Blumenbuketts.
Wie der Polizeibericht der Reſidenzſtadt München kürzlich mitteilte, tranken in einer dortigen Wirtſchaft ein 28jähriger Maler aus Nieder bayern und ein 24jähriger Geſchäftsreiſender in Münche-n je zwanzig Liter Bier. Bei dieſer Gelegen - heit verkaufte der Geſchäftsreiſende infolge Geldmangels in der Wirtſchaft Hut, Rock, Weſte, ſeine Schuhe und ſeinen Ruckſack. Dann ging er nachts gegen 2 Uhr mit ſeinem Freunde zur Polizei, um ein Obdach zu erbitten. Dort machten ſich aber plötzlich die Wirkungen des Alkohols bemerkbar; denn die anfängliche feucht-fröhliche Stimmung der beiden Zechkumpane verwandelte ſich in eine exzeſſive. Sie gingen dem dienſttuenden Beamten zu Leibe, während deſſen Kollege ſich ſoeben in einem anſtoßenden Raum zur Ruhe begeben hatte. Dem ſofortigen Eingreifen herbeieileuder Schutzleute, gelang es, den Beamten vor Verletzungen zu ſchützen. Der Maler, der in einen tobſuchtähnlichen Zuſtand verfiel, mußte in die Pſychiatriſche Klinik geſchafft werden.
Die eben erfolgte Geburt eines zweiten Sohnes des deutſchen Kronprinzenpaares wird von den Berliner Blättern als Anlaß genommen, das Zeremoniell des Hofes jetzt und einſt zu beſprechen. Man zitiert da auch die Rohrſche „ Zeremonialwiſſenſchaft “, in der es heißt: „ Viel Not machte das Finden einer Amme, die ge - wöhnlich die Sorge für die Ernährung des Kindleins übernehmen mußte. Schon zu Ende des Mittelalters war von ariſtokratiſch geſinnten Schriftſtellern die Anſicht aus - geſprochen worden, daß die Ammen aus den höchſten Geſchlechtern ausgewählt werden müßten, damit das vornehme Geblüt keinen Schaden erleide, ein Königskind alſo dürfe nur von einer Herzogin ein Herzogskind nur von einer Gräfin uſw. geſäugt werden. Doch dieſe Anſchauungen drangen an den6Wien, Montag Reichspoſt. 11. November 1907 273Fürſtenhöfen nicht durch, ſo daß noch ſpäter ein Dichter klagte, das wichtige Ammenamt werde aus Erſparnis - rückſichten in vornehmen Häuſern an niedere Dienerinnen und Schäferinnen vergeben. Man ſah alſo allgemein bei der Amme weniger auf hohe Herkunft, als auf Geſundheit und äußere Vorzüge. “
Die Tempe - ratur hält ſich zwiſchen 3 und 5 Grad, alſo ſo ziemlich auf dem normalen Monatsmittel. Für die Wiener Gaſtwirte, Cafetiers, Vergnügungsetabliſſements, Theater u. ſ. w. war ein veritables, goldenes Sonntagswetter. Auch die Heurigenſchänken wurden ſtark frequentiert. Der Sonntag abends eingefallene Nebel verdichtete ſich nachts in beträchtlichem Maße und ge - ſtaltete ſich heute früh in der Stadt zu einem widerlichen, den Atem beklemmenden Nauchnebel, der noch um 9 Uhr vormittags ſo dicht war, daß die Straßenbahnen be - leuchtet fuhren. Nach der allgemeinen Wetterlage iſt eine Wetterbeſſerung zu erwarten.
An die ſo glanzvoll verlaufene Feſtfeier des Schotten - gymnaſiums, über die wir in unſerer letzten Nummer ausführlich berichtet haben, ſchloß ſich am Samstag - Abend ein im Feſtſaale des Hotels „ Continental “abge - haltenes Bankett, welches einen überaus erhebenden Verlauf nahm. Mehr als 400 ehemalige Schüler des jubilierenden Gymnaſiums hatten ſich eingefunden und acht aufgeſtellte Tafeln vermochten kaum die Gäſte zu faſſen. Im offiziellen Teil des Banketts ſprachen Doktor Wittek, der mitteilte, daß vom Kaiſer auf die Huldigungs - depeſche vom Vormittage folgende Antwort eingetroffen ſei: „ Seine k. u. k. Apoſtoliſche Majeſtät danken den Teilnehmern an der heutigen erhebenden Jahrhundert - feier allergnädigſt für die dargebrachte Huldigung und begleiten die weitere gedeihliche Entwicklung des unter der erfolgreichen Leitung des Schottenſtiftes ſtehenden Gymnaſiums mit den aufrichtigſten Wünſchen. Im Allerhöchſten Auftrage: Der Kabinettsdirektor Schießl. “ Dr. v. Wittek ſchließt ſeine Rede mit einem begeiſtert aufgenommenen Toaſt auf den Kaiſer.
Dann ſprachen noch Prälat Roſt und Statthalter Graf Kielmansegg. Dem offiziellen Teile folgte eine flotte Exkneipe.
Sonntag vormittags feierten die gegenwärtigen Frequentanten aller Klaſſen das Jubiläum. Unter ihnen befand ſich auch der jüngere Sohn weiland des Erz - herzogs Otto, der im 13. Lebensjahr ſtehende Erz - herzog Max.
Die Feier wurde in der Schottenkirche um halb 9 Uhr vormittags mit einer vom Schottenprieſter Dr. Philipp Heberdey zelebrierten feierlichen Meſſe eingeleitet, worauf ſämtliche Schüler des Gymnaſiums ſich in den Prälatenſaal begaben.
Im Hintergrunde des Saales war ein mit der Büſte des Kaiſers und mit Pflanzen und Blumen reich - geſchmücktes Podium errichtet. Klaſſenweiſe waren die Schulen aufgeſtellt. Der Feier wohnten bei: der Abt des Schottenſtiftes P. Leopold Roſt, der Landesſchulinſpektor Stefan Kapp, der Direktor des Schottengymnaſiums Regierungsrat P. Anton Sauer mit ſämtlichen Pro - feſſoren und andere Feſtgäſte. Unter der Leitung des Gymnaſialprofeſſors P. Benedikt Loſert wurde von einem aus Schülern zuſammengeſetzten Chore in vortrefflicher Weiſe der Chor „ Die Ehre Gottes “zu Gehör gebracht.
Hierauf hielt Direktor Sauer die Feſtrede. Er ſchloß: „ So wollen wir denn noch zum Beweiſe unſerer tiefſten Verehrung und Ergebenheit die Feier in den Ruf ausklingen laſſen, „ Unſer allergnädigſter Herr und Kaiſer Se. Majeſtät hoch, hoch, hoch! “ Stürmiſche und be - geiſterte Hochrufe folgten dem Schluſſe und der ober - wähnte Chor ſtimmte hierauf die Volkshymne an. — Hierauf hielt noch Landesſchulinſpektor Kapp eine An - ſprache, in welcher er in ſeiner Einleitung den Direktor und den geſamten Lehrkörper in warmen Worten be - glückwünſchte.
An dieſe Feier ſchloß ſich dann die „ General - probe “zu der heute Montag, nachmittags 3 Uhr, im Prälatenſaale des Schottenſtiftes von den Schülern dieſes Gymnaſiums zu veranſtaltenden Feſtakademie.
Samstag und Sonntag (9. und 10. November) fanden im Markte Niklasdorf und der Stadt Zuckmantel zwei maſſenhaft beſuchte Verſammlungen ſtatt. In jeder derſelben waren ungefähr 400 Männer anweſend. In Niklasdorf führte Herr GR. Gröger, in Zuck - mantel der Obmann des Chriſtlichſozialen Vereines Gerichtsadjunkt Dr. Bruckl den Vorſitz. Rabg. Wohlmeyer entwickelte in längerer, oft von Beifall unterbrochener Rede den Werdegang der öſter - reichiſchen Volkswirtſchaft, beſprach die Steuer - und Schuldenmiſere, das Kartellunweſen, die Handwerker - frage, die Schäden der Unfallverſicherung und die allgemeine Altersverſorgung. Beſonderes Intereſſe fanden ſeine Ausführungen über die Teuerung und den Ausgleich mit Ungarn. Profeſſor Habel entwickeltenun das Parteiprogramm und erörterte unter begeiſtertem Beifall die Forderungen der chriſtlichſozialen Partei für Bauern - und Gewerbeſtand und für die Arbeiterſchaft. Hinweiſend auf die bisherigen Leiſtungen der Partei in Land und Stadt zeigte er die Forderungen der Zu - kunft. Nachdem Redner noch die Lügen der Gegner über die Partei zurückgewieſen hatte, wurde unter demoſtra - tivem Beifall folgende Reſolution einſtimmig ange - nommen:
„ Die heute tagende Verſammlung proteſtiert gegen alle jene Beſtrebungen, welche darauf gerichtet ſind, die materiellen Intereſſen des Volkes zu ſchädigen; ſie proteſtiert aber auch gegen jene Beſtrebungen, die dem chriſtlichen Volke die idealen Güter zu rauben ſuchen, die die chriſtliche Familie zerſtören, unſern Kindern das Chriſtentum aus den Herzen reißen wollen, und fordert alle Abgeordneten auf, alle dieſe Beſtrebungen zu bekämpfen und begrüßt es aufs lebhafteſte, daß die chriſtlichſoziale Partei den Kampf aufgenommen und auch in einigen Kronländern ſiegreich durchgeführt hat. Sie begrüßt es, daß dieſe Partei auch in Schleſien das Volk aufzuklären ſucht und wir jubeln ihr mit freudigem Dank entgegen. “ Nachdem ſich der Beifall gelegt hatte, interpellierte ein Sozialdemokrat, wurde aber von Profeſſor Habel ſchneidig abgeführt. Mit Hoch - und Heilrufen auf die Partei, auf Kaiſer und Papſt, wurden dieſe impoſanten Kundgebungen geſchloſſen.
Heute mittags fand in der Vorhalle der Univerſität eine arge Rauferei ſtatt. Die Italiener kamen in ge - ſchloſſenem Zuge und ein Redner beanſpruchte für die Italiener dieſelben Rechte, wie ſie die Deutſchen haben. Er wurde aber niedergeſchrieen und im Nu ſah man Stöcke und Fäuſte drohend erhoben. Die Italiener wurden von allen deutſchen Studenten hinausgetrieben, wobei mehrere blutige Köpfe davontrugen. Das eiſerne Torgitter wurde geſchloſſen, worauf die Italiener noch die Glasſcheiben des Tores in Trümmer ſchlugen. Beide Parteien ſchloſſen ihre „ Tätigkeit “mit nationalen Liedern.
Wir erhalten folgende Depeſche:
Aus der Gegend von Karatag kommt die Meldung über eine neuer - lichefurchtbare Erdbebenkataſtrophe, welche alle um Karatag gelegenen Ortſchaften vernichtet haben ſoll. Ebenſo ſei das ganze Bekat Denau zerſtört, wobei über 1000 Menſchen ums Leben gekommen wären.
Es iſt demnach dieſes von Nomadenvölkern bis - her bewohnte Gebiet ein Erdbebenherd, von deſſen Gefährlichkeit man bisher faſt nichts wußte. Karatag, die ſogenannte Hauptſtadt, iſt vor ganz kurzer Zeit erſt der Vernichtung geweiht worden. Soviel man der vorliegenden Depeſche entnimmt, hat das Erdbeben eine Gegend betroffen, die ſo groß iſt wie ein kleines Kron - land unſeres Reiches.
Die Verhaftung des Schiffsfähnrichs Ullmo gab zu einer eingehenden Nachforſchung Anlaß, in deren Verlauf man auf eine mit Ullmo allerdings nicht zuſammen - hängende Spionagegeſellſchaft ſtieß, die planmäßig und als Geſchäft die Ausſpähung und den Verrat von mili - täriſchen Geheimniſſen betrieb.
Ein aus Paris hier ein - getroffener Sicherheitsinſpektor hat über eine neue Spionageaffäre die Unterſuchung eingeleitet und vier Verhaftungen vorgenommen. Es handelt ſich um eine Spionagegeſellſchaft, die durch die Unterſuchungen in der Affäre Ullmo aufgedeckt worden iſt. Dieſe Unterſuchungen haben zutage gefördert, daß gewiſſe Individuen in Marſeille, Toulon und Ventimiglia ihre Tätigkeit entwickelt haben. Gleichwohl ſcheint Ullmo mit dieſer Geſellſchaft nichts zu tun gehabt zu haben und es iſt nicht möglich, herauszubringen, ob ein Zuſammenhang zwiſchen dieſen beiden Affären beſteht. Bis jetzt ſind fünf Verhaftungen vorge - nommen worden, und zwar eine in Toulon, die übrigen in Marſeille. Das in Toulon verhaftete Individuum iſt ein Franzoſe, der längere Zeit im Auslande ge - lebt hat.
Aus Rom wird uns vom 10. d. geſchrieben:
In Porto maggiore wurde in den Lokalitäten der dortigen Ortsgruppe des Feldarbeiter - bundes ein großes Waffendepot entdeckt. — „ Popolo romano “ſchreibt hiezu: Die Entdeckung iſt eine derartige, daß ſie die ernſteſten Beſorgniſſe ein - flöſſen müſſe. Schon ſeit längerem iſt es bekannt, daß der Feldarbeiterbund unter dem Vorwande einer wirtſchaftlichen Organiſation nichts anderes betreibt, als eine Organiſation für einen bewaffnetenpolitiſchen Aufſtand. Hiefür ſei die Ent - deckung des Waffendepots der beſte Beweis und eine Hausdurchſuchung bei den anderen Ortsgruppen würde ein ähnliches Reſultat liefern. In der Kammer wurde bereits eine Interpellation eingebracht, welche die ſtrengſten Maßregeln gegen die vom Feldarbeiterbunde betriebene Vorbereitung eines bewaffneten Aufſtandes fordert.
Um etwaigen Kund - gebungen am Eröffnungstage der Duma vorzubeugen, hat der Stadthauptmann eine Bekanntmachung er - laſſen, worin erklärt wird, daß keinerlei Verſamm - lungen, Umzüge oder ſonſtige Kundgebungen zuge - laſſen werden würden.
Wie „ Nowoje Wremja “erfährt, hat der Verteidiger Gurkos gegen deſſen Verurteilung Berufung eingelegt.
In Beirut wurde ein peſtverdächtiger Erkrankungsfall feſtgeſtellt.
Aus Mogador wird be - richtet, daß der Miniſter des Aeußern des Gegenſultans Muley Hafid den franzöſiſchen Konſul Kuri in Mogador für die anderen Konſuln beſtimmte Briefe mit dem Erſuchen überſendete, ſie ſeinem Kollegen zu übermitteln. Der franzöſiſche Konſul hielt ſich nicht für berufen, dieſem Erſuchen zu entſprechen und ſandte die Briefe an den Geſandten Regnault mit der Bitte um andere Weiſungen. Die fremden Konſuln hielten daraufhin eine Konferenz ab, in der beſonders der ſpaniſche und der engliſche Konſul ihren Un - willen hierüber ausſprachen und in welcher der Proteſt des Konſularkorps zu Protokoll gegeben wurde.
Der bisherige Miniſter für öffentliche Arbeiten, Emanuele Gianturco, iſt heute nachmittags geſtorben.
In Vaſſojevich wurde heute der türkiſche Untertan Andrjia Vukajlow Panto - vich verhaftet. In ſeinem Beſitze wurden ſechs Bomben gefunden. Er ſoll ein Genoſſe des nach Belgrad ausgewanderten ehemaligen montenegriniſchen Deputierten Vaſſo Tſchulaſich geweſen ſein.
Das Vorbezugsrecht der Stifter, Gründer und unterſtützenden Mitglieder der Geſell - ſchaft der Muſikfreunde für das erſte außerordentliche Geſellſchaftskonzert (Guſtav Mahlers zweite Sinfonie) kann vom 11. bis 13. d. M. an der Konzertkaſſe, 1. Bezirk, Canovagaſſe 4, ausgeübt werden; der allgemeine Ver - kauf beginnt am 16. d. M. Die Preiſe der Plätze für dieſes Konzert, deſſen Reinerträgnis dem Orgelfonds der Geſellſchaft der Muſikfreunde zugeführt wird, ſind mit 20, 16, 12, 10, 8, 6, 4 und 3 Kronen feſtgeſetzt.
Geſtern fand die diesjährige Wiener Renn - ſaiſon ihren Abſchluß. Leider verdarb das ſchlechte Wetter den Abſchied von der Rennbahn, die aber immerhin recht gut beſucht war. In mehreren Kennen gab es Siege großer Außenſeiter. Nachſtehend die Ergebniſſe des Tages:
Maiden-Handicap der Zweijährigen. 3000 Kronen. 1100 Meter. Herrn Vonwillers br. H. Braeciano, 60 Kg. (Pis) 1., Forfert 2., Validol 3. Bocaccio, Kellner, Ifjaß - zony, Harnnakin, Vilja. Tot. 212: 10 (73: 5). Platz 97, 47, 39: 20.
Verkaufsrennen. 2400 Kronen. 1600 Meter. Hetrn Meichls 5jähr. br. St. Foglalo, 52·5 Kg. (Gulyas) 1., Janos vites 2, Nemes 3. Tot. 15: 10 (8: 5).
Jägerhausrennen. 4000 Kronen. 1800 Meter. Herrn V. v. Mautners 6jähr. br. W. Bator, 56·5 Kg. (Heidt) I., Taltos 2., Biſamberg 3. Jeanette. Tot. 44: 10 (26: 5). Platz 36, 25: 20.
Schlußhandicap. 6500 Kronen. 900 Meter. Bar. Alf. Rothſchilds dbr. H. Armand, 51·5 Kg. (Cockeram) 1., Su - perba 2., Pengot 3. Tilos, Bella, Sodoma, Stromboli, Floridsdorf, Julietta, Edua, Dorca. Tot. 122: 10 (55: 5). Platz 91, 72, 120: 20.
Verkaufsrennen der Zweijährigen. 2400 Kronen[.]1000 Meter. Bar. Uechtritz’ FSt. Cſilla, 46 Kg. (Gulyas) 1., Haluska 2., Flower ſeller 3. Glanure. Tot. 35: 10 (17: 5). Platz 33, 54: 20.
Herausgeber Dr. F. Funder, Wien. — Verantwortlicher Redakteur Heinrich Ambros, Wien. — Druck von Ambr. Opitz’ Nachfolger, Wien.
Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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