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Telephon 1828.
Das Ratenhandelsgeſetz iſt im Herrenhauſe ſeiner werthvollſten Beſtimmungen beraubt worden, das Trunkenheitsgeſetz liegt noch im Abgeordnetenhauſe und kann nicht leben und nicht ſterben, die Wahlreform - frage wird im Ausſchuß behandelt, als gelte es ein völlig neues, noch niemals in der Welt behandeltes Problem zu löſen, nur noch vier Wochen trennen uns vom Jahresſchluß und es hat noch nicht einmal der Budgetausſchuß recht mit ſeinen Arbeiten begonnen, geſchweige denn, daß das Haus etwa ſchon an das Budget gegangen wäre, kur[z], die parlamentariſche Maſchinerie arbeitet zwar unaufhörlich, aber ſie er - zeugt nichts. Trotz der Coalition ſagen die Einen, wegen der Coalition die Anderen.
Die Haupturſache der Stockung ſcheint nns in der Frage der Wahlreform zu liegen. Im Augen - blick, da dieſe aufgerollt war, war das jetzige Wahl - ſyſtem und war das jetzige Parlament zum Tode ver - urtheilt. Wer nicht ein Brett vor den Kopf und Scheu - leder vor den Augen und Ohren hat, erkannte das auf den erſten Blick. Auch viele Abgeordnete fühlten das und daher kam ja eben die furchtbare Wuth gegen den Grafen Taaffe und den Dr. Steinbach. Was am 10. October v. J. geſchehen iſt, läßt ſich nicht mehr ungeſchehen machen, läßt ſich nicht mehr aus dem Bewußtſein, nicht mehr aus der Geſchichte ſtreichen. Die Wahlreform muß gemacht werden, das ſehen allgemach ſelbſt Graf Stadnicki, ſogar Herr Joſef Kopp ein. Im Augenblicke, da aber das feſtſteht, ſteht auch feſt, daß das jetzige Abgeordnetenhaus zum Tode ver - urtheilt iſt. Zu glauben, daß man Hundertauſende von neuen Wählern ſchaffen und dieſe dann in das alte Parlament hineinwählen laſſen könnte, ſo wie etwa ein armer Mann auf einen zerriſſenen ſchwarzen Rock einen braunen Fleck aufſetzt, das gehört zu den Dingen, die ſich zwar ein Coalierter, der für ſein Mandat zittert, wünſchen kann, die aber vernünftige Leute nicht ernſthaft discutiren. Es iſt auch noch niemals, in keinem Lande der Welt, je vorgekommen, daß nach einer umfaſſenderen Aen - derung des Wahlgeſetzes das alte Parlament hättefortbeſtehen dürfen. Immer war die erſte Folge der Wahlreform die ſofortige, unmittelbare Auf - löſung des beſtehenden Parlamentes und die Aus - ſchreibung von Neuwahlen nach dem neuen Wahlgeſetz. So hat man es in dieſem Jahrhundert dreimal in England, dreimal in Frankreich, zweimal in Italien, einmal in Belgien gemacht. Niemals iſt es noch irgendwo anders gemacht worden. Ein Parlament iſt keine alte Hoſe, die man ausflickt.
Die Mitglieder des gegenwärtigen Abgeordneten - hauſes haben nun das Bewußtſein, daß ſie verurtheilt ſind und daß nur die Execution noch aufgeſchoben iſt. Daher die Friktionen, welche die gedeihliche Arbeit ver - hindern. Dafür gibt es eben nur eine Löſung, die Wahlreform fertig machen und dann ſo raſch als möglich auflöſen und das neue Parlament zuſammen - berufen. Wir möchten alſo dem Miniſterium nahe - legen, das Arbeitsprogramm des gegenwärtigen Abge - ordnetenhauſes auf ein Minimum zu beſchränken; man erledige das Budget und dergl. und mache die Wahlreform. Alles andere iſt Zeitvergeudung, weil man es wohl in Angriff nehmen, aber nicht fertig machen können wird. Alſo — über Bord mit dem Ballaſt und an die Wahlreform gegangen! Dieſe muß gemacht werden, alſo mache man ſie ſo ſchnell als möglich. Das neue, aus breiteren Volksſchichten hervorgegangene Parlament wird mit friſchen Kräften an ſeine Aufgabe gehen können, das jetzige hat aus - gedient, und je eher es den blauen Bogen bekommt, deſto beſſer.
iſt außerordentlich unklar und zeigt die Tendenz noch unklarer zu werden. Herr Wekerle hat im miniſteriellen Parteiclub mitgetheilt, daß Se. Majeſtät ihm zugeſagt habe, die bereits votirten kirchenpolitiſchen Vorlagen zu ſanctioniren. So weit wäre formell alles in der Ordnung. Daß Herr Wekerle in einer ſolchen Sache nicht die Unwahrheit geſprochen haben kann, liegt auf der Hand. Er wäre, hätte er das gethan, heute nicht mehr Miniſter. Alſo der Monarch hat die Sanc - tionirung der Vorlagen zugeſagt, und zwar, wie HerrWekerle ausdrücklich betonte, dem jetzigen Cabinet. Seither iſt mehr als eine Woche verfloſſen, die Sanc - tionirung iſt nicht erfolgt. Was geht da vor? Oder was iſt da vorgegangen? Hat Herr Wekerle doch an - dere zu täuſchen geſucht? Oder hat er ſich ſelbſt getäuſcht?
Mittlerweile wird die Situation des Cabinetes Szilagy, genannt Wekerle, von Tag zu Tag eine unbehaglichere. Es kann nicht leben und es kann nicht ſterben. Daß es das Vertrauen der Krone nicht beſitzt, weiß Jedermann, daß es das Vertra en der Krone auch nicht verdient, geben im Stillen nicht wenige ſeiner Freunde zu. Es hat aber auch alle Autorität im Parlamente verloren. Am Montag hat das Abgeordnetenhaus eine wichtige Vorlage des Miniſteriums mit einer Majorität von 4 Stimmen verworfen. Das Miniſterium wird jetzt die Votirung eines Budgetproviſoriums verlangen müſſen und dabei wird es zu politiſchen Stürmen kommen, die dem Cabinet leicht neue Niederlagen zuziehen können. Man ſteht wirklich einem Räthſel gegenüber. Hier hat man ein Miniſterium, das das Vertrauen der Krone nicht genießt und das im Parlament keine ſtabile Majorität hat, und doch hält es ſich. Wie geht das zu? Welche Kräfte halten ein Cabinet, das oben keinen Stützpunkt und unten keine Baſis hat?
Von Budapeſt und Wien aus wird in den letzten Tagen von gewiſſer Seite her mit Hochdruck gearbeitet um — ſagen wir es deutlich heraus — die Sanction der kirchenpolitiſchen Vorlagen zu erpreſſen. Bis jetzt noch ohne Erfolg. Darf das chriſtliche Volk noch hoffen? Wird ſich die Situation auch zum Beſſeren wenden laſſen? Man kann unmöglich über - ſehen haben, daß die Leute, die Wekerle und Szilagyi Gefolgſchaft geleiſtet und deren bisherige politiſche Erfolge ermöglicht haben, im Grunde genommen nichts ſind, als die ungariſche Revolutions - partei, die Partei, die Ungarn von den Dynaſtie und der Monarchie losreißen will. Soll dieſe Partei Millionen von Getreuen in allen ihren Empfindungen kränken dürfen?
Wir wiederholen, was wir dieſer Tage ſagten: Die Dinge ſtehen trotz alledem noch gar nicht ſo arg, als man meint. Sie könnten noch ſchlimmer ſtehen,
Von einer competenten und daher glaubwürdigen Perſönlichkeit in Rußland erhalten wir eine Mitthei - lung, welche geeignet iſt, allgemeines Aufſehen zu er - regen. Es ſollen nämlich die in Rußland lebenden 5 Millionen Juden mit den Ruſſen chriſtlich-orthodoxen Glaubens gleichgeſtellt und zu dieſem Zwecke zum Chriſtenthum bekehrt werden. Die Bekehrung ſolle aber nicht eine mit Gewaltmitteln verbundene, er - zwungene, ſondern eine auf friedlichen Wegen durchzu - führende, freiwillige ſein. Die Idee der Bekehrung und Gleichberechtigung der Juden in Rußland ſoll von dem Hofe des Kaiſers Nicolaj II. naheſtehenden hohen ruſſiſchen Perſönlichkeiten ausgehen und von dem jetzigen Kaiſer Nicolaj II. gutgeheißen worden ſein. Um dieſe Idee zu verwirklichen, werden in allen Städten Rußlands, in welchen Juden leben, Vereine gegründet, welche den Zweck haben werden, die be - reits bekehrten oder noch zu bekehrenden Juden moraliſch und materiell zu unterſtützen, ihnen An - ſtellungen und dergleichen zu verſchaffen, für die Aus - bildung ihrer Kinder zu ſorgen und ſie vor An - feindungen, Verfolgungen u. ſ. w. zu ſchützen. Ein ſolcher Verein habe ſich bereits in Odeſſa unter dem Namen „ Verein zur Unterſtützung der Juden, welche den orthodox-chriſt - lichen Glauben angenommen haben “conſtituirt und ein zweiter gleicher Verein ſei gegen - wärtig in Warſchau im Entſtehen begriffen. Warſchau und Odeſſa ſeien die Mittelpunkt der zwei Rayons in Rußland, in welchen die meiſten Juden leben.
Die ruſſiſche Perſönlichkeit, welche uns dieſe Mit - theilung zukommen ließ, ſandte uns gleichzeitig eine Nummer des Warſchauer amtlichen ruſſichen Blattes „ Warſchowskij Dnewnik “vom 7. November l. J., an deren Spitze ein Artikel über dieſen Gegenſtand ver - öffentlicht ſteht. Dieſer Artikel des ruſſiſchen Amts - organes iſt ſo intereſſant, daß wir nicht umhin können, denſelben hier vollinhaltlich wiederzugeben:„ Die Gründung dieſes Vereines, “heißt es da unter Anderem wörtlich, „ erſcheint vollkommen zeitgemäß in Anbetracht der reformatoriſchen Be - ſtrebungen und der Gährung, welche gegenwärtig in der jüdiſchen Bevölkerung unſeres Staates vor ſich gehen. Unter den gebildeten Juden reift nun immer mehr die Ueberzeugung heran, daß unſer Judenthum einen un - möglichen Anachronismus in allen Beziehungen bildet und daß deſſen Reform unauſſchiebbar und nothwendig ſei. Projecte der Reform des Judenthums werden von ſehr vielen gebildeten Juden im Ueberfluß gemacht und einige der energiſchen Vertreter dieſer reformatoriſchen Bewegung haben, ohne ſich auf die Entwürfe dieſer Projecte zu beſchränken, Anhänger dieſer Ideen unter den Juden geworben und neue jüdiſche Secten ge - bildet. “
„ Die jüdiſchen Reformatoren geben zu und er - klären, daß noch niemals, ſelbſt in den für das Judenthum ſchwierigſten Epochen die Lage desſelben ſo gefahrdrohend geweſen ſei, wie in der jetzigen Zeit. Das Judenthum habe auch in den früheren Zeiten gelitten, dasſelbe haben aber deſſen Glaube und deſſen Solidarität gerettet, was jetzt nicht mehr da ſei. Das Judenthum werde nicht von Außen bedroht, ihm drohe das in ihm anwachſende innere Uebel — die in ihm immer mehr zunehmende Schwächung ſeines Glaubens, welche es im Laufe ſo vieler Jahrhunderte zu einem feſten und widerſtandsfähigen Ganzen vereinigte. Dieſes Einigungsmittel beginne unter dem Ein - fluße der das Judenthum umgebenden Geſellſchaft und einer anderen Cultur zu zerfallen, und die frühere Solidarität der Juden wird Dank dem engherzigen, perſönlichen Egoismus und der moraliſchen Verdor - benheit immer lockerer. In den Juden niſten Mängel, die nur dieſem Volksſtamme eigen ſind und die in deren Charakter, in deren geiſtigen Anlagen und in deren moraliſchem Weſen Wurzel gefaßt haben. So lange die Juden iſolirt waren, waren dieſe Mängel weniger bemerkbar; ſeitdem ſie aber mit der übrigen Welt in unmittelbare, nächſte Berührung gekommen ſind, werden ihre Mängel umſo mehr empfunden und fallen umſo ſtärker auf. In Folge deſſen wird die Lage der Juden immer unnormaler. “
„ Wie mächtig aber die Ueberzeugung der aufge - klärten Juden von der unaufſchiebbaren Nothwendig - keit der Reformirung des Judenthums durch die Be - lebung des religiöſen Gefühls in den Juden und durch die Reinigung deren Lehren von einer Menge ver - ſchiedener ſchädlicher Fälſchungen, die in dem Juden - thum im Laufe der langjährigen Herrſchaft des Faua - tismus, des Aberglaubens und der talmudiſchen Pſeudo-Caſuiſtik Wurzel gefaßt haben, auch iſt, die Erfolge der Reform inmitten des Judenthums ſind bis jetzt derart unbedeutend, daß man an deren Zu - kunft zweifeln muß. Eine ſolche ſkeptiſche Beurtheilung des Erfolges der zeitgenöſſiſchen jüdiſchen Reforma - toren wird durch deren Entzweiung und die Nichtig - keit der von ihnen thatſächlich erreichten Reſultate ge - rechtfertigt. Ihre Entzweiung zeigte ſich an dem Auf - tauchen einiger jüdiſchen Secten mit einer geringen Anzahl Proſeliten, welche ſich von der neuen Lehre hinreißen ließen. Weder die „ Bibliſche Bruderſchaft “(in Jeliſſawetgrad), noch das „ Neue Iſrael “(in Odeſſa), noch die Kiſchinewer Anhänger Rabinowitſch’s, welche ſich „ Iſraeliten des neuen Bundes “nennen, konnten die in ihren religiöſen und ſocialen Traditionen verſampfenden jüdiſchen Maſſen erſchüttern und alle Reſultate ihrer Propaganda beſchränkten ſich auf den Abfall einer ſo geringen Anzahl von Juden, daß man in derſelben keine Symptome der Möglichkeit der Reform des Judenthums in unſerer Zeit erblicken kann. “
„ Doch wie gering auch die Erfolge der Reform des Judenthums ſind, dieſelben zeigen, mit vielen noch nicht verwirklichten Projecten zuſammengeſtellt, daß unter den Juden immer mehr die Ueberzeugung platz - greife und erſtarke, daß ein weiteres unbewegliches Verharren der Juden in den alten, abgelebten Formen des Cultus und des ſocialen Daſeins unmöglich ſei. Die Juden ſuchen einen Ausweg aus dem Dunkel der Verirrung und des Fanatismus und daher müſſen wir das Entſtehen eines orthodoxen Vereines, welcher ſich zu dem Zwecke organiſirt, um den zu unſerem heiligen Glauben bekehrten Juden zu helfen, mit beſonderer Freude begrüßen. Die Organiſation einer ſolchen Hilfe, auf der
2Wien, Donnerſtag Reichspoſt 6. December 280und, wenn das katholiſche Volk ſich nicht ſelbſt auf - giebt, ſo werden ſie beſſer werden. Die Reihen der Beſſerung kann man ſchon ſehen. Das Miniſterium Wekerle-Szilagyi mag noch einen Schlußtriumph feiern, ſein Schickſal iſt beſiegelt. Mene, Tekel, Phares. Man braucht kein chaldäiſcher Zeichendenter zu ſein um die Inſchrift an der Wand richtig zu deuten.
Aron vulgo Alexander Scharf iſt unter die „ Cor - ruptionsriecher “gegangen. Das iſt wohl das ſenſa - tionellſte Ereigniß des vorgeſtrigen Tages. Aron Scharf will in Wien ein Panama entdeckt haben, Aron Scharf kämpft, Feder ſträube dich nicht, an der Seite eines Drummont, gegen den Drachen Panama.
Aber während Drummont durch ſeinen Zug gegen das echte und originale Panama ſich den Zorn und den Haß des, im Lager der Finanzmächte ſtehenden Theiles von Frankreich zuzog, arbeitete Aron Scharf unter lebhafter und keineswegs ſchmeichelhafter Heiter - keit der „ Alpiniſten “. Worum es ſich handelt, was wir meinen? Das iſt ſchnell erklärt.
Vorgeſtern fand eine Generalverſammlung der Alpinen Montangeſellſchaftſtatt, bei der es ſich um „ Be - ſchlußfaſſung über die Emiſſion von neuen Actien handelte. Nachdem der Generaldirector die Nothwendigkeit der vom Verwal - tungsrathe vorgeſchlagenen Operation „ gründlich “dar - gelegt hatte, meldete ſich bei der daran ſchli[e]ßenden Discuſſion, Aron Scharf zum Worte. Wenn wir dem, in allen Fragen der „ Börſentechnik “erfahrenen Ge - währsmann Szeps glauben dürfen, ſo wäre Aron Scharf das, was man einen „ jungen Actionär “nennen könnte.
Er erklärte, „ daß er gegen die Emiſſion der neuen Actien proteſtire, denn dieſelbe erinnere ihn unwillkürlich an die — Panama-Affaire. (Unruhe.) Er proteſtire, obwohl er wiſſe, daß der Proteſt in dieſer Verſammlung zwecklos ſei; allein er müſſe proteſtiren, in der Erwägung, daß die Ver - größerung des Actiencapitals einer Geſellſchaft, wie der Alpinen Montan-Geſellſchaft, von höchſt verderb - lichen Conſequenzen ſein müſſe. Bei dem derzeitigen Zinsfuße habe eine Geſellſchaft ganz andere Mittel, um ſich Credit zu verſchaffen, als durch eine Emiſſion neuer Actien. Dem Antrage des Verwaltungsrathes könne nur eine Börſenſpeculation zu Grunde liegen (Oho!), und er erkläre hiermit feierlich, daß er ſich ſeine Regreßanſprüche an die Verwaltung der Oeſterreichiſchen Alpinen Montan-Geſellſchaft vor - behalte “, worauf er, wie Szeps und nach ihm Andere berichten, unter lebhafter Heiterkeit ſchloß, jedoch ſpäter noch Gelegenheit fand, auszuſprechen, daß die ſeine Ausführungen widerlegenden Behauptungen des Ge - neraldirectors und eines zweiten Actionärs „ Unwahr - heiten “ſeien.
Aron Scharf hat eine feine Witterung, er hat das Wort „ Panama-Affaire “ausgeſprochen. Der Bann iſt gebrochen, und wir müſſen erwarten, dieſem Worte in Oeſterreich noch häufiger und an anderer Stelle zu begegnen. Das Wort wird ſich bald das Bürgerrecht in unſerer Banken - und Actionärſprache erworben haben. Aron Scharf brüſtet ſich bekanntlich damit,daß er gegenüber den Gerichten kugelſicher ſei, weil er nur Behauptungen aufſtelle und Anwürfe erhebe dort, wo er den Wahrheitsbeweis antreten kann. Er hat die Alpine Montan-Geſellſchaft geradezu heraus - gefordert. Wird auch ſie an die Richter in Oeſterreich appelliren? Wie Wetterleuchten fährt das Wort Aron Scharf’s in die Welt der Banken und Actionäre. Was Ferneſtehende nur ahnen und ehrliche, weiter blickende Leute ſchon längſt befürchteten, es ſcheint plötzlich immer näher zu rücken: die Entdeckung irgend eines „ Panamas “in Oeſterreich.
Es ſind jetzt faſt 20 Jahre her ſeit der gewiſſen etwas heißen und aufgeregten Bilanzirungs-Epoche. — Damals fuhren noch heute lebende „ Publiciſten “gar häufig beim frühen Morgengrauen bei den Verwaltungs - räthen der bilanzirenden Geſellſchaften vor, weckten die Herren aus dem ſanften Schlummer und bewieſen mit den Bürſtenabzügen von „ Fachartikeln “in der Hand, daß dem Herrn Oberbuchhalter ein Lapſus in Form einer Verſtellung der wichtigſten Ziffern paſſirt ſei. Dank den überzeugenden, gewöhnlich ſchwer ins Gewicht fallenden Argumenten der Räthe der Verwaltungen gelang es dann in der Regel aus Sauluſſen Pauluſſe zu machen und die „ Gefahr “abzuwenden.
Bei mancher Geſellſchaft mag aus dieſer Zeit der Anfang eines Miniatur-Panamas datiren.
Wer könnte den Muth haben, aufzutreten wie Aron Scharf, wer wollte Worten ohne Beweiſen glauben? Aron Scharf hat lange Zeit zur Entdeckung eines angeblichen Panamas bei der „ Alpinen “ge - braucht, er, der von ſeinem Obſervatorium aus ſeit einem Jahre, ſeit dem Cursſtande von 57 die Alpi - niſten bei ihrem Werke der Curstreiberei in den ihm und der Polizeidirection nächſtgelegenen Winkelbörſen beobachten konnte. Seinem ſcharfen Auge wird wohl keine Phaſe der Entwicklung des Curſes auf 107 fl. entgangen ſein. Ihm war gewiß bekannt, daß man noch vor einem Jahre die uſancemäßig zuläſſige kleinſte Dividende — wie ſagen wir nur — pro forma feſtſetzen mußte, um die Alpinen überhaupt in dem Courszettel zu erhalten. Damals ſchlief das Gewiſſen des Aron Scharf, es erwachte erſt, als der Curszettel 107 zeigte. Wie wird Aron Scharf mit dem in ihm nagenden „ Gewiſſenswurm “fertig werden?
Zwei Momente in der Geſchichte der Alpinen Montangeſellſchaft wollen wir noch feſthalten.
1797 wurde der damalige Abt von Admont durch Verleihung eines hohen Ordens und des Adelſtandes ausgezeichnet, wegen ſeiner Verdienſte um die im Intereſſe der öſterreichiſchen Eiſen - und Stahlinduſtrie erfolgte Schaffung der Innerberger Hauptgewerkſchaft, einer freien Vereinigung bedeutender Gewerke.
1894 weckt in einer Generalverſammlung der alpinen Montangeſellſchaft, in derem Beſitze ſich jetzt faſt ſämmtliche in der erwähnten freien Vereinigung ver - treten geweſenen Werke befinden oder doch befanden, der „ junge Actionär “und „ alte Volkswirth “die Er - innerung an die „ Panama-Affaire “.
Das „ N. Wr. Tagblatt “fällt in ſeiner geſtrigen Nummer über den Abg. Pernerſtorfer mitwirklich „ blinder “Wuth her. Pernerſtorfer ſtellt im Parlamente gewiſſermaßen den Socialdemokraten vor, er liebäugelte früher ſtark mit den Liberalen, ſcheint aber in der letzten Zeit, beſonders ſeit der Haltung der großen „ Freiheitsmänner “in der Wahlreformfrage auf ſeine früheren Freunde nicht am Beſten zu ſprechen zu ſein. In einer vorgeſtern abgehaltenen Arbeiter - verſammlung ſchlug Pernerſtorfer dem Faſſe den Boden aus. Er erklärte nämlich den Grafen Hohen - wart zu achten, weil dieſer immer feudal und clerical geweſen ſei, für die Liberalen aber fände er ein ſolches Gefühl nicht, denn ſie ſuchten heute aus egoiſtiſchen Gründen ein „ Unterſchlupf im feudalen Raubneſte “.
Wir haben wirklich in ſehr vieler Beziehung keine Urſache, mit Herrn Pernerſtorfer zu ſympathiſiren, aber eigenthümlich bleibt es immerhin, daß dieſer Ab - geordnete deshalb mit ſeinen früheren Freunden bricht, weil ſich deren angebliche Freiheitsliebe als bloßes Aushängeſchild, oder um actuell zu ſprechen, als unreeller Wettbewerb herausgeſtellt hat. Wir ſtimmen, wie geſagt, nicht oft mit Herrn Pernerſtorfer überein, aber das gewiſſe „ andere Ge - fühl “, als Achtung, das er für die Liberalen hegt, das theilen wir allerdings vollſtändig und wir ſtehen da - mit durchaus nicht allein.
Bei den geſtern ſtattgefundenen Wahlen aus dem erſten Wahlkörper in den Grazer Gemeinderath wurden vier liberale und zwei antiliberale Gemeinde - räthe gewählt. Nach dem Verlaufe und Ergebniſſe der letzten Gemeindewahlen in Graz iſt nicht zu verkennen, daß auch in dieſer Stadt der Liberalismus abge - wirthſchaftet hat und die chriſtlich-ſociale Idee ſich langſam aber ſicher Bahn bricht
Bezüglich des Botſchafterwechſels in Peters - burg ſchreibt die „ Pol. Corr. “: Die Audienz, welche der bisherige öſterreichiſch-ungariſche Botſchafter am ruſſiſchen Hofe, Graf Wolkenſtein-Troſtburg, vorgeſtern beim Kaiſer Nicolaus II. hatte, trug den Charakter eines Abſchiedsbeſuches. Zur Ueberreichung eines Abberufungsſchreibens war kein Anlaß vorhanden, da Graf Wolkenſtein bei dem gegenwärtigen Czaren überhaupt noch nicht accreditirt war. Der neu er - nannte öſterreichiſch-ungariſche Botſchafter am ruſſiſchen Hofe, Fürſt Liechtenſtein, wird im Laufe des December auf ſeinem Poſten eintreffen.
Die geſtrige Debatte im Sabranje brachte der Regierung einen großen Erfolg. Es handelt ſich um die Wahl in Bela-Slatina. Am 11. (23.) September ſoll daſelbſt, wie behauptet wird, Dragan Zankow gewählt worden ſein, doch wird im dies - falls aufgenommenen Act erklärt, daß die Wahl wegen vorgefallener Gewaltthätigkeiten gegen das Wahlbureau gar nicht ſtattgefunden habe. Am 18. (30.) September wurde in wiederholter Wahl der ſpätere Miniſter Tontſchew gewählt, welcher ſeither demiſſionirt hat und als Deputirter niemals in der Kammer er - ſchienen iſt. Die Debatte über dieſe Wahl wurde ſeit Eröffnung der Seſſion mit Ungeduld erwartet, weil man ſie als einen Prüfſtein für die Solidität der
gemeinſamen Arbeit und der Opferwilligkeit der dieſem heiligen Werke ergebenen Perſonen organiſirt, erſcheint außerordentlich zeitgemäß, und wir können nur wün - ſchen, daß das gute Beiſpiel der Odeſſaer Initiatoren nicht ohne Widerhall und Nachahmung überall dort, wo dieſes ſich als nothwendig erweiſen wird, bleiben möge. “
Der Artikel ſchließt dann folgendermaßen: „ Am wichtigſten von dem oben mitgetheilten Programm des Odeſſaer Vereins erſcheint uns die Aufgabe desſelben, die Kinder armer Juden im Geiſte des orthodoxen Glaubens zu erziehen und zu bilden. Auf dieſe Weiſe wird die jüdiſche Bevölkerung Rußlands am leichteſten und am eheſten ruſſificirt und mit der Stammbevöl - kerung verſchmolzen werden. Wir ſind überzeugt, daß zur Erreichung dieſes Zweckes ſich genügende Mittel finden werden, die man am beſten zur Errichtung ſolcher Schulen verwenden kann, in welchen die der ruſſiſchen Sprache nicht beſonders mächtigen Kinder dieſe Sprache gründlich erlernen und hierauf ihre Ausbildung in den allgemeinen Lehranſtalten erhalten würden Natürlich iſt das eine Sache der Zukunft; wir geben uns aber der Hoffnung hin, daß wir nicht lange auf die guten Reſultate dieſer Vereine zu warten haben werden und wünſchen denſelben herzlich die raſcheſten und vollſten Erfolge. “
Von Dr. Joſef Hermann, penſ. Primararzt am k. k. Kranken - haus Wieden in Wien.
Mein alter Grundſatz „ Alle Krankheiten, welche ohne Medicamente heilen, heilen auch unter jedem Medicamente “— drängt die Frage in den Vordergrund: Wenn Alles — Hydro — Homöopathen, Naturärzte, Chirurgen, Heilungen der Diphtheritis bekanntgeben: welche Methode enthält danndas Heilmittel, und welche Ingredienz iſt denn das Heil - mittel gegen Diphtheritis? Aus dem Chaos diesbezüglicher Meinungen geht nur die eine Wahrheit hervor, daß die Wiſſenſchaft bisher ein Heilmittel gegen Diphtheritis nicht kenne. Demgemäß kann alſo die Heilwirkſamkeit des Serums in der Diphtheritis, da hiezu der wiſſenſchaftliche Nachweis bisher vollſtändig fehlt, nur Sache des Glaubens, oder allen - falls noch eines frommen Wunſches ſein. Nun ſind es zwei Dinge, welche ſelbſt der Glauben an das Heilſerum als Heilmittel vom Grunde aus erſchüttern: erſtens die Re - ſerve, daß das Heilmittel nur in den erſten drei Tagen der Krankheit wirke und von da ab wirkungslos ſei und zweitens die Berufung auf die durch das Heilſerum be - wirkte Abnahme des Sterblichkeitspercentes.
Iſt es ſchon um die Heilwirkſamkeit eines Mittels an und für ſich ſchlecht beſtellt, wenn es an eine Zeit der An - wendung gebunden iſt, wo der Arzt oft noch kaum eine exacte Diagnoſe ſtellen kann, oder wo die Indolenz der Menſchen dieſe Friſt verſtreichen läßt, — ſo muß ich mit aller Entſchiedenheit erklären, daß die Statiſtik gerade in der Diphtheriris abſolut nicht geeignet ſei, eine Abnahme des Sterblichkeitspercentes mathematiſch richtig zu ſtellen. — In keiner Krankheit iſt eine ſtatiſtiſche Zuſammenſtellung ſo wenig verläßlich, als in der Diphtheritis; — unter den ſtatiſtiſch angegebenen Diphtheritisfällen figuriren ſo viele Erkrankungsformen, welche Alles, nur keine Diphtheritis ſind, oder entbehrt die Thatſache der Wahrheit, daß die Aerzte ſo häufig Follicularentzündungen, katarrhaliſche, mercurielle, tuberculoſe Geſchwüre und andere Exſudate an der Rachenſchleimhaut für Diphtheritis anſehen, ja daß ſie in der Letztzeit ſogar behördlich verhalten werden, auch Bräune (Croup) und Diphtheritis, zwei doch ſo weſentlich verſchiedene Krankheitsformen, in eine Rubrik zu vereinigen? Welchen Werth hat dann eine ſolche Statiſtik und wird nicht der Percentſatz der Sterblichkeit derart alterirt, daß in den einzelnen Berichten die widerſprechendſten Zahlen ans Tageslicht kommen?
Weiterhin ſchreibt man dem Heilſerum die Eigenſchaft zu, durch Einimpfung desſelben Immunität gegen Diphtheritis herbeizuführen, und ſomit auf demſelben Wege und an - geblich mit demſelben Erfolge, wie bei den Blattern die Schutzimpfung mit der Kuhpocke. — Alſo auf der Prämiſſe, daß die Impfung gegen Blattern immun mache, baut man die Immunitätslehre gegen Diphtheritis. Iſt nun aber die Immunität durch die Schafpockenimpfung eine allgemeine wiſſenſchaftliche Wahrheit? iſt ſie unbeſtritten ein Dogma? oder iſt dieſelbe durch die Wiſſenſchaft durchaus nicht er -wieſen, ſeit ihrem Beſtehen von den geiſtreichſten Aerzten und Laien aller Culturſtaaten bekämpft und als hinfällig erklärt — auch nur wieder eine Sache des Glaubens? — Und da will man auf dieſem morſchen Grunde einen Bau aufführen, welcher die Menſchheit von der Geißel der Diphtheritis befreit?
In der That! auf die größte Lüge des Jahrhunderts, Immunität durch Schafpockenimpfung, pfropft man ein neues Reis, eine neue Lüge — Immunität gegen Diphth eritis.
Man möge doch hier Eines bedenken: Alle bisherigen Verſuche, auf dem Wege der Impfung Heilung und Im - munität zu erzielen, nehmen ein klägliches Ende.
Die Lehre Jeltſchinsky’s, durch Blatternimpfung Syphilis zu heilen, fand ſchon an der Wiege ihres Ent - deckers in Rußland ein vorzeitiges Ende; — die Syphili - sation, Impfung mit ſyphilitiſchen Secrets, von Sporino in Italien inaugurirt, verſchwand ſchon nach etwa zwei De - cennien mit ſehr zweifelhaftem Rufe vom Schauplatze; — Ferrand’s Choleraimpfung wagte ſich kaum über die Grenze Spaniens und endete ihre ephemere Exiſtenz, nachdem ſie mehr Unheil anſtiftete, als die Cholera ſelbſt. — Paſteur’s Impfung gegen die Wuth (Lyſſa) liegt bereits an einem unheilbaren Siechthum darnieder; ſie friſtet noch ihr Daſein durch die vermeintliche Immunität gegen eine Krankheit, welche kein Arzt und kein Thierarzt weder kliniſch noch anatomiſch kennt, welche zweifelsohne nicht Wuth, ſondern Starrkrampf iſt, abgeſehen davon, daß dieſe Art Impfung die Gefahr in ſich ſchließt, ſchwere, ſelbſt lethale Krankheitsformen zu erzeugen; — Kochs Theorie iſt vollſtändig im Abſterben; ſein Kommabazillus iſt entſchieden nicht der Erreger, ſondern das Product des Krankheitspro - ceſſes; die Cholera bürgert ſich allgemein in Europa ein uud bedarf keines Heimatſcheines aus Indien mehr; ſie wird überall eine ſtändige Krankheit, wo ſie die Elemente für ihre Entſtehung und Entwicklung vorfindet; Koch’s Tuberkulin zählt bereits, nachdem es zahlloſe Hoffnungen vernichtet und viele Opfer an Leben gefordert, zum Glücke für die Menſchheit unter die Todten, ohne jegliche Ausſicht auf eine Wiederaufftehung.
Und nach allen dieſen Niederlagen der glorreichen Ent - deckungen und Erfindungen des Jahrhunderts ſollte das Heilſerum das Wunder der Immunität hervorbringen? Nimmermehr und ſchon deshalb nicht, weil ja ſchon der Begriff „ Immunität “außerordentlich dehnbar und ohne allen logiſchen Haltpunkt iſt.
Regierungs-Coalition anſah. Das Sabranje nahm nun mit großer Mehrheit den Antrag der Commiſſion an, die Wahlen vom 11. und 18. September zu annulliren. Es machte großen Eindruck, daß faſt alle Zankowiſten mit der Majorität gegen ihren Chef ſtimmten.
In ihrem Beſtreben, ſich beim Czar Nicolaus ins günſtigſte Licht zu ſetzen, greifen die engliſchen Blätter — und mit Recht — die türkiſche Regierung ſcharf an wegen der Chriſtenverfolgung durch türkiſches Militär im Diſtricte Saſſun. Lord Kimberly, melden die „ Times “, habe der Pforte bereits ſehr energiſche Vorſtellungen gemacht; ſie fordern eine eingehende, unabhängige Unterſuchung und exemplariſche Beſtrafung der Schuldigen.
Die Socialdemokraten im belgiſchen Abge - ordnetenhauſe beantragten allgemeine Amneſtie aller wegen politiſcher und Streikevorgehen verurtheilten Perſonen. Der Juſtizminiſter erſuchte die Kammer namens der Regierung, den Antrag nicht in Erwägung zu ziehen.
Mit einem wahren Heißhunger ſtürzten ſich die freimaureriſchen Blätter auf den belgiſchen Miniſter - präſidenten de Burlet, den ſie beſchuldigten, einen ſehr übel beleumundeten ſocialdemokratiſchen Wahlagitator gekauft zu haben, um in ſeinem Wahl - bezirke die Liberalen zu bekämpfen Am lauteſten und unverſchämteſten ſchrien der „ Etoile Belge “und der „ Petit Bleu “und gegen dieſe beiden ſtrengte de Burlet eine Verleumdungsklage an. Wie ſehr der Miniſterpräſident aber auch darauf drang, den Proceß noch vor den Wahlen durchzuführen, die Advocaten der beiden Logen-Blätter wußten ihn ſo lange hinauszuziehen, bis die ſchändliche Verleumdung ihren Dienſt bei den Wahlen gethan. Der „ Etoile Belge “gab ſelbſt zu, daß mit jener Lüge die Wähler ſo beeinflußt wurden, daß de Burlet durchfiel. Am 28. v. M. nun kam es endlich zur Schlußverhandlung in dem Proceſſe, der mit der Verurtheilung zu hohen Geldbußen und Veröffentlichung des Urtheils in fünf Zeitungen endete. In dem Urtheile wird ausdrücklich die mala fides, die verleumderiſche Abſicht hervorge - hoben. Da auch öſterreichiſche Logen-Blätter die Lüge ihrer belgiſchen Collegen ausgeſchrotet, verdiente der letzteren Züchtigung auch in Oeſterreich Erwähnung.
Wie ſehr ſich die jüdiſchen Journaliſten die Finger wundſchreiben, um ihren Connationalen, den wegen Landesverrathes verhafteten Hauptmann Dreyfus, wenn auch nicht ganz „ herauszureißen “, ſo doch in einem ſehr milden Lichte erſcheinen zu laſſen, zeigt folgende Notiz in der „ Frankfurter Zeitung “:
Die militärgerichtliche Unterſuchung gegen den Haupt - mann Dreyfus iſt abgeſchloſſen. Bei dieſer Gelegenheit verweiſt ein Leſer des „ Temps “auf den zum Mindeſten bemerkenswerthen Zufall, daß in einem der Schauer - romane des „ Petit Journal “, „ Die beiden Väter “, ſich eine am 22. Juni veröffentlichte Stelle befindet, in der die Geſchichte eines Generalftabs Officiers erzählt wird, den ſeine Feinde dadurch beſeitigen wollen, daß ſie geheime Documente der Landesvertheidigung in ſeiner Kanzlei ent - wendeten (!), ſie in einen Briefumſchlag ſteckten, der die Adreſſe eines Spions trägt, das Ganze nach der Wohnung des läftigen Gegners befördern und dann ſeinen Vorge - ſetzten benachrichtigen. Die Schrift des Officiers iſt ſo gut (!) nachgemacht, daß alle Welt ſich dadurch täuſchen laſſen muß. Die Analogie zwiſchen dem Roman und dem Falle Dreyfus iſt in der That auffällig genug, und ſchon wiederholt (!) hat es geheißen, Dreyfus ſei das Opfer einer ſehr bös - artigen (!) Intrigue.
In der geſtrigen Sitzung des Gemeinderathes wurde ein Beitrag von 1000 fl. zur Vergrößerung des St. Joſef - Aſyls in Breitenſee und 100 fl. für die Weihnachtsbe -
Wenn aber beiſpielsweiſe in Wien bei ſehr ſtrenger Durchführung der Kuhpockenimpfung im Jahre 1882 noch 808, im Jahre 1883 nur 73, im Jahre 1884 auch nur 94, dagegen im Jahre 1885 — wieder 875 Todesfälle an Blattern amtlich conſtatirt ſind, wo bleibt dann die Im - munität und wo die Abnahme der Sterblichkeit?
Wenn Tauſende von Aerzten zeitlebens keinen einzigen Fall von Lyſſa ſahen und wenn von Tauſenden von Hun - den Gebiſſenen unter ihrer Beobachtung nicht ein Fall an Lyſſa erkrankte: wie kann man da mit geſundem Menſchen - verſtande die Schlußfolgerung ziehen, daß heute die Impfung Paſteurs die Immunität gegen Lyſſa bewirke?
Wenn heute in einer zahlreichen Familie ein Kind an Diphtheritis erkrankt, die anderen durch Heilſerum immuni - ſirt würden, und wenn von den immuniſirten Kindern keines mehr an Diphtheritis erkrankt, iſt da die Immunität exact und zweifellos erwieſen? Gewiß nicht; denn es ſtehen dieſer Thatſache hundertfache Erfahrungen gegenüber, daß in einer Familie nur ein oder mehrere Kinder an Diphtheritis erkranken, während alle übrigen ohne Immuni - firung geſund bleiben.
Was jedoch ſchließlich dem Heilſerum in den Augen vorurtheilsloſer und urtheilsfähiger Menſchen den Todesſtoß gibt, das iſt die fabriksmäßige Production mit horrenden Preiſen, eine fanatiſierende Reclame, Terroriſierung jeder oppoſitio - nellen Meinung, die raſtloſe Haſt nach öffentlichen Sammlungen und Anderes, was dieſer letzten traurigen Errungenſchaft der Gegenwart das Gepräge eines geſchäftlichen Betriebes gibt und was ſich mit wahrer Humanität nicht vereinigen läßt. Wer denkt da nicht an den Wahrſpruch des im Kampfe gegen den Schwindel ſeiner Zeit müde gewordenen Römers: » Decipi vult vulgus profanum, ergo decipiatur! «*)Die Welt will betrogen ſein, mag ſie betrogen werden.
ſcherung im communalen Kindergarten in Gaudenzdorf ohne Debatte bewilligt. Das Pfarramt Fünfhaus erhält für die Abhaltung des Gottesdienſtes in der Capelle in der Bein - gaſſe eine Subvention von 300 fl. die freiw. Feuerwehr in Speiſing 200 fl., in Ober-Sievering 150 fl., in Kaiſer - Ebersdorf 250 fl., in Dornbach 200 fl., Breitenſee 248 fl. und der Kirchenmuſikverein in Fünfhaus einen Beitrag von 60 fl. Beim Referat über die Abänderung der Baulinie in der Mittelgaſſe im 15. Bezirke beantragt GR. Dr. Uhl die Rückverweiſung an den Stadtrath mit dem Auftrage die Baulinie derart auszumitteln, daß die Mittelgaſſe im Sinne des Generalbaulinienplanes in der Richtung auf die Kirche Maria vom Siege verlängert werde. GR. Havranek und Bärtl ſprechen im gleichen Sinne, wobei erſterer eine Heiterkeit erregende Anſpielung auf die bemerkenswerthe Vereinbarlichkeit von Bauſpeculation und Gemeinderaths - mandat macht, wie GR. Dehm vor kurzer Zeit bei der Bau - linienbeſtimmung nächſt dem Franz Joſefsbahnhofe an ſich demonſtrirte. Dem Thierſchutzvereine wird für das Abtransportiren geſtürzter Pferde eine Subention von je 500 fl. für die Jahre 1895, 1896 und 1897 bewilligt, zu welchem Gegenſtand die GR. Weitmann, Bärtl und Steiner ſprechen, welch’ letzterer empfiehlt, den Thierſchutz - verein auf die Pferdemarter bei der Wiener Tramway auf - merkſam zu machen.
Weiters wird dem Bezirksverein „ Wien “des deutſchen Schriftſtellervereines ein Betrag von 500 fl., dem Guten - bergdenkmal-Comite eine Subvention von 1000 fl. bewilligt.
Das Heilſerum.
Ueber das Meritum des Serums veröffentlichen wir an anderer Stelle den Aufſatz eines Fachmannes, ſo daß wir über die Berathung des Stadtrathsantrages, zur Beſchaffung von Heilſerum zum Zwecke ärztlicher Behandlung diphtherie - kranker Kinder einen Betrag von 15.000 fl. zu votiren, ohne weitere Beſprechung des Gegenſtandes berichten können.
Gegenüber jenem Stadtrathantrage beantragt Stadtrath Boſchan nur 5000 fl. zu bewilligen. GR. Gregorig ſpricht gegen den Referentenantrag, wobei er auf die Wirkungsloſigkeit der Impfung und auf die Täuſchung mit dem Kochin hinweiſt. Die Judenpreſſe verhimmele das Serum, folglich müſſe man Mißtrauen hegen. Es mache den Eindruck, daß es ſich mehr um ein Heilgeſerres, als um Heilſerum handle.
GR. Strobach verlangt, man ſolle mit einer Geld - bewilligung warten, bis das Mittel erprobt ſei, nachdem die Fachmänner ſelbſt über deſſen Nützlichkeit nicht einig ſind. Es gehe nicht an, die Kinder der Armen, welche doch in erſter Linie in die Spitäler kommen, gewiſſermaßen zu Verſuchskaninchen zu machen.
GR. Dr. Rader ſpricht als Arzt gegen den Referenten - antrag, indem er auf die ungenügenden Erſcheinungen mit dem Serum hinweiſt und bemerkt, daß ſich auch ſchon be - denkliche Folgeerſcheinungen, Nierenentzündungen ꝛc. bei deſſen Anwendung gezeigt haben. Nach Citirung des abſälligen Urtheiles des deutſchen Gelehrten Hanſemann über das Serum erklärt Redner gegen den Referentenantrag zu ſtimmen. Im gleichen Sinne ſprechen die Gemeinde - räthe Jedliczka, Schneeweiß und Brauneiß.
StR. Lueger bezeichnet es als Pflicht des Staates, für die Beſchaffung des Serums zu ſorgen; die Gemeinde habe weder die Mittel noch die Aufgabe dies zu thun.
GR. Scholz beantragt einen unbeſchränkten Credit für die Beſchaffung von Heilſerum zu eröffnen; wahr - ſcheinlich hofft er damit eine ganze Reihe ſolcher „ ſchwerer Diphtheritisfälle zu kuriren, wie jener war, der ihm wegen Ausbleiben von der Sitzung beinahe das Mandat gekoſtet hätte.
GR. Stern läßt das Serum ganz bei Seite, um in ſeiner Eigenſchaft als Mitglied der Alliance Iſraelite ein Schimpf - und Fluchlexicon über Gregorig auszuſchütten, um das ihn Rabbi Bloch zur Zeit ſeiner Autorität mit Recht hätte beneiden müſſen. Trotzdem fand der Vorſitzende keinen Anlaß einzuſchreiten, jedenfalls ſchien ihm der Kreis der Sterne und Cohnſorten ſo » exclusiv «, daß es da nichts mehr auszuſchließen gab.
Stadtrath Dr. Nechansky ſcheint leider unſere kürz - liche Anſpielung, er habe den Stein der Weiſen gefunden, ernſt genommen zu haben, denn er erklärte geſtern, daß viele geſcheidte Männer dieſen Stein geſucht, aber nicht gefunden hätten. Die Erklärung, daß auch er ihn nicht ge - funden habe, war gerade geſtern etwas überflüſſig, denn nach ſeiner Rede, die in dem Satze gipfelte, man müſſe für den Referentenantrag ſtimmen, gerade weil die Nützlichkeit des Serums zweifelhaft ſei, hat wohl Niemand an einen ſolchen Fund geglaubt.
GR. Dr. Geßmann verwahrt ſich dagegen, daß die Gemeinde dazu berufen ſei, auch Irrthümer zu unterſtützen. Das Geld der Wiener Steuerträger dürfe nicht zum Fenſter hinausgeworfen werden. Dem Vorredner ſei dies vielleicht gleichgiltig, weil er ſelbſt einen großen Gehalt von der Ge - meinde beziehe. Er werde gegen den Antrag des Referenten ſtimmen.
Schließlich wird der Referentenantrag abgelehnt, da - gegen der Antrag Boſchan angenommen und die Sitzung nach der Bekanntgabe, daß die für Freitag anberaumte Sitzung entfällt, geſchloſſen.
Unter den Auträgen erwähnen wir den des GR. Mareſch wegen Durchführung der Römergaſſe in die Ottakringerſtraße und Eröffnung der Seiterberg - und Lilien - feldergaſſe für den Wagenverkehr, ſowie den Antrag des GR. Jedliczka wegen Herſtellung einer öffentlichen Garten - anlage zwiſchen der Staud - und Antongaſſe im achtzehnten Bezirke auf einem Theile des fürſtlich Czatoryski’ſchen Parkes.
verhandelte geſtern über die Regierungsvorlage, betreffend die Meliorationscredite und beſtellte den Abg. Dr. Ritter v. Milewski zum Referenten. Den zweiten Gegenſtand der Berathung bildete der Dringlichkeitsantrag Herk und wurde die Styliſirung einer diesbezüglichen Re - ſolution der nächſten Sitzung vorbehalten.
Im Sanitäts-Ausſchuß gelangte geſtern die vom Abg. Pernerſtorſer überreichte Petition des Allgemeinen öſterreichiſchen Frauenvereines wegen der Errichtung öffent - licher Häuſer zur Verhandlung. — Nach einer lebhaften vertraulich geführten Debatte wurde die Berathung abge - brochen.
Im Wahlreform-Ausſchuſſe gelangte geſtern nach dem Abg. Graf Pininski der Abg. Dr. Slavik zum Worte. Derſelbe richtete an den Miniſterpräſidenten die Anfrage, ob die Ungerechtigkeit der beſtehenden Wahlordnung in Bezug auf die Landgemeinden auch in der neuen Wahlordnung er - halten bleiben ſollen oder ob die Regierung die Abſicht habe, bei der neuen Abgrenzung der Wahlbezirke die länd - lichen in Betreff der Bevölkerungszahl und der Steuerlaſt den ſtädtiſchen gleichzuſtellen. Redner interpellirt weiter die Regierung, ob ſie einem das Wahlrecht der Handels - kammern aufhebenden Beſchluß ihre Zuſtimmung geben werde. Das Wahlrecht der Großgrundbeſitzer beſprechend, findet Redner dasſelbe mangels eines Corrollars der Gruppe der kleinſten Steuerträger ungerecht. Angeſichts ſolcher Unge - rechtigkeiten werde man daran gehen müſſen, entweder eine gerechtere Wahlordnung zu ſchaffen — dann werde man jedoch den Standpunkt des politiſchen Beſitzſtandes verlaſſen müſſen, oder man werde dieſen Standpunkt feſthalten und dann kommt keine gerechte Wahlordnung zu Stande. Wenn man eine fünfte Curie errichtet, dann werden einzelne Wahlbezirke an hunderttauſend Wähler zählen, welche zu - ſammen dasſelbe Recht hätten, wie neun Wähler in einer anderen Gruppe. Bei Erwägung dieſer Fragen müſſe man dahin gelangen, daß der geeignetſte Wahlmodus jener des allgemeinen gleichen und directen Wahlrechtes ſei. Schon der belgiſche Miniſterpräſident Beernaert habe nachgewieſen, daß das allgemeine gleiche Wahlrecht das conſervativſte ſei, und die belgiſchen Wahlen haben ihm Recht gegeben.
Abg. Dr. Rutowski erklärt, es handle ſich heute nicht um einen vollſtändigen Neu-Aufbau des Wahlrechtes, ſondern lediglich um die Vornahme jener Aenderungen an dem geltenden Wahlſyſtem, welche den Bedürfniſſen der Zeit ent - ſprechen. Redner tritt dem Vorſchlage entgegen. die Arbeiter - ſchaft, welche ſich im Gegenſatze zu allen beſtehenden geſell - ſchaftlichen und politiſchen Gruppen als ſelbſtändige Claſſe organiſirt hat, noch officiell von ſtaatswegen zu patentiren. Wenn man den jetzigen politiſch Enterbten ein Wahlrecht geben will, ſo muß man ſich hiebei insbeſondere nach den - jenigen Elementen umſehen, welche an der alten Geſell - ſchaftsordnung und an den beſtehenden Geſellſchaftseinrich - tungen feſthalten. Der Weg hiezu ließe ſich leicht im Anbau einer fünften Wählerclaſſe finden, Redner bekämpft eingehend die Befürchtung, daß in dieſer Wahl - claſſe die ſocialiſtiſch organiſirten Arbeiter prävaliren könnten.
Abg. Brzorad verwahrt ſich gegen den Vorwurf, daß der jungczechiſche Antrag auf Einführung des allgemeinen Wahlrechtes tactiſchen Gründen entſpringt.
Abg. Romanczuk ſpricht ſich gegen ein Subcomite aus und beantragt, die poſitiven Anträge des Abg. Slavik, ſowie die Beſprechung der Erweiterung des Wahlrechtes vorerſt auf die Tagesordnung der weiteren Berathung zu ſetzen.
Abg. Graf Stadnicki ſchließt ſich der Erklärung des Grafen Pininski an, wonach die Partei des Redners mit dem Vorgehen der Regierung einverſtanden ſei.
Redner beſpricht nach einer Begründung dieſes Stand - punktes die Frage der Wahlreform vom national-polniſchen Standpunkte, wobei er bemerkt, daß ſich unter den ob - waltenden Verhältniſſen das nationale Gefühl der Polen im Einklange mit der öſterreichiſchen Staatsidee befinde. Dieſe Staatsidee erheiſche eine Wahlreform und da würden ſich die polniſchen Abgeordneten dann bemühen, dasjenige zu erzielen, was ihnen aus nationalen Gründen zweckmäßig erſcheint. Der Redner ſpricht ſchließlich für den Rutowski’ſchen Vorſchlag.
Die Verhandlung wurde ſodann abgebrochen und wird heute Abends fortgeſetzt werden.
Der Präſident eröffnet die Sitzung um 11 Uhr 15 Minuten
Vom Handelsminiſter iſt der Entwurf eines Ge - ſetzes eingelangt, womit die Regierung zur weiteren proviſoriſchen Regelung der Handelsbeziehungen mit Spanien ermächtigt wird.
Es wird hierauf die Specialdebatte über das Straf - geſetz bei § 1 fortgeſetzt und ergreift
Abg. Dr. Slama das Wort. Er weiſt den Vorwurf, als ob ſeine Partei durch die große Zahl von Abänderungs - anträgen das neue Geſetz umbringen wollte, zurück. Die Oppoſition dieſes Hauſes ſei überhaupt nicht gar ſo böſe, wie ſie von der Regierungsbank geſchildert werde. Als die Linke in der Oppoſition war, kam es gar nicht zur Generaldebatte. Redner beſpricht ſodann die Ein - theilung des Entwurfes und bemerkt, daß er die Zwei - Theilung in Verbrechen und Uebertretungen, oder nach dem Muſter des italieniſchen Geſetzes, in Ver - gehen und Uebertretungen vorziehen würde. Die Frage der Todesſtrafe wolle er nicht weiter erörtern. Sein Standpunkt ſei der, welchen auch der Ausſchuß beim zweiten Entwurfe vertrat; er ſei nämlich der Meinung wie der damalige Ausſchuß, welcher mit 11 gegen 4 Stimmen die Aufhebung der Todesſtrafe beſchloſſen hat, daß die Todesſtrafe nicht erforderlich iſt, um die bürgerliche Geſell - ſchaft gegen die ſchwerſten Ausſchreitungen zu ſchützen und daß ſie, wenn auch nicht abſolut ſo doch relativ dem Rechte widerſpreche. Redner begründet ſeine Abänderungsanträge und wendet ſich insbeſondere gegen die Bemerkung des Berichterftatters, daß es nothwendig ſei, ſtatt des Wortes Kerker das Wort Zuchthaus zu wählen, da man etwas Neues einführen wolle. Weiters begründet Redner ſeinen Antrag, wonach die Beſtimmung des § 8, daß die Todesſtrafe durch den Strang vollzogen wird, nicht in dieſes Geſetz, ſondern in die Strafproceßordnung aufge - nommen werden ſoll.
Abg. Dr. Fux (Neutitſcheiner) erklärt, für die Beibe - haltung der Todesſtrafe ſich ausſprechen zu müſſen, und beſpricht einige Morde die ſich in der Umgebung von Neutitſchein (Mähren) ereignet haben.
Abg. Dr. Pacak hält ſich für verpflichtet, das Wort zu ergreifen, weil er den Antrag geſtellt habe, die Todes - ſtrafe aufzuheben und an Stelle des aus der deutſchen Ge - ſetzgebung entnommenen Wortes „ Zuchthaus “das bisher übliche Wort „ Kerker “zu ſetzen; im Falle die letztere Abänderung angenommen würde, hätte dies natürlich die Rückverweiſung des Entwurfes an den Ausſchuß zur Folge.
(Schluß Seite 6.)
4Wien, Donnerſtag Reichspoſt. 6 December 1894. 280Der Streit in der deutſchländiſchen Socialdemo - kratie wird zwar von einigen Blättern (ſo der „ Nord. Allg. Ztg. “, dem „ Hamb. Correſp. “) als eine Spiegel - fechterei bezeichnet, die nur den Zweck habe, das ge - plante Umſturzgeſetz als unnöthig und als gegen eine uneinige Partei gerichtet zn Fall zu bringen; wer aber die Dinge etwas weniger oberflächlich und mit etwas mehr Ernſt zu betrachten gewohnt iſt, wird ſich der Ueberzeugung nicht verſchließen können, daß es ſich um einen ſehr ernſten, ſehr tief gehenden und ſehr folgen - ſchweren Streit innerhalb der ſcheinbar ſo wohl ge - feſtigten deutſchländiſchen Socialdemokratie handelt. Es dreht ſich der Streit auch keineswegs nur um die beiden Rufer im Streite, um den norddeutſchen Bebel und den ſüddeutſchen Vollmar, es ſteht eine vollſtändige Mauſerung, eine gänzliche Neubildung in Sicht innerhalb der Partei, deren Cardinalpunkt allerdings der Abgeordnete für München II Herr von Vollmar iſt.
Das Zerwürfniß Bebel-Vollmar datiert ja nicht von geſtern, nicht vom diesjährigen Parteitage zu Frankfurt am Main her, es iſt viel älter und trat zuerſt offen 1891 auf dem Parteitage zu Erfurt hervor. Ausgetragen wurde damals der Zwiſt ebenſo wenig, wie er jetzt — wenn nicht ſeiner tückiſchen Krankheit Herr von Vollmar unterliegt — ſein Ende finden wird, aber ſeit Erfurt iſt der Anhang des bayeriſchen Führers bedeutend gewachſen. Bebel, deſſen herriſches, rechthaberiſches Weſen ſchon viele vor den Kopf geſtoßen, fürchtet, daß Vollmar ihm das Heft aus der Hand winden wird, daß die Vollmar’ſche Richtung ſchließlich die Socialdemokratie beherrſche. Und das dürfte der Fall ſein, wenn Voll - mar auch im Reichstage, dem er bis jetzt gefliſſentlich fern geblieben, eine führende Rolle, die ihm als dem hervorragendſten Süddeutſchen zukommt, anſtrebt. Bebel iſt der Mann der Theorien, der Held der Phraſe, Vollmar der Mann der Praxis, der That. Und darin allein liegt der große Erfolg dieſes Mannes.
Vollmar erkannte, daß nach dem Sturze Bis - marck’s die Partei neue Pflichten erhalten habe, daß ſie praktiſch etwas für die Arbeiter anſtreben müſſe, mit dem ewigen Declamiren und Demonſtriren ſei nichts gethan. Er ſtellte damals ein ganz beſtimmtes Programm für die nächſte Zeit auf, welches lautete: Weiterführung des Arbeiterſchutzes, Erringung eines wirklichen Coalitionsrechtes, Ent - haltung der Behörden von den Streitigkeiten zwiſchen Unternehmern und Arbeitern, Verbot der Truſts und Cartelle, Beſeitigung der Lebensmittelzölle. Und nach dieſen Zielen hat der Mann raſtlos geſtrebt und ſich dadurch ſo viele Anhänger erworben. Außerdem iſt Vollmar vermögend, er lebt nicht von der Partei, be - anſprucht nichts für ſich — warum ſollen ſeine Bayern ihm nicht folgen.
Nun iſt nicht zu leugnen, daß, wenn die Voll - mar’ſche Richtung ſich conſequent weiter entwickeln würde, aus ihr eine radicale demokratiſche Volks -partei ſich entwickeln, daß ſie allmählich den ſocial - demokratiſchen Boden verlaſſen würde, ſo wenig Herr von Vollmar dieſes auch jetzt noch gelten laſſen will. Bebel behauptet, daß auch die Regierung dies bereits erkannt habe und deshalb die Vollmar’ſche Richtung zu ſtärken ſuchen werde. Das iſt natürlich ein gutes Agitationsmittel gegen Vollmar, aber ſeine Anwendung wird ſofort zum Beweis, daß in der Partei ein Zwiſt ausgebrochen iſt, der dieſelbe bis in ihre Grundfeſten erſchüttert, der nicht beigelegt werden wird, wenn Herr v. Vollmar auch diesmal ſeine Krankheit über - windet. (Nach einem heutigen Telegramme iſt Herr v. Vollmar bereits in Berlin eingetroffen; ſeine Krank - heit iſt alſo behoben.)
Eines hat Vollmar in ſeinen Antworten auf Bebel’s Angriffe allerdings unbeantwortet gelaſſen, was uns freilich als die Hauptſache erſcheinen würde: wie er ſich den Fortbeſtand des Bauern - ſtandes denkt. Vollmar fühlt offenbar, daß hier der wunde Punkt ſeiner Stellung ſogar in Bayern liegt und es wird wohl noch längere Zeit vergehen, bis er nochmals zu dieſer für Bayern wichtigſten Frage Stellung nimmt. In Frankfurt hat er ſich für den Fortbeſtand ausgeſprochen, weil er nur unter dieſer Vorausſetzung glaubt, unter den Bauern Anhänger ge - winnen zu können.
Bebel wiederum hat ein recht werthvolles Zeug - niß für unſere ſchon oft vertretene Behauptung abge - geben, daß bei weitem nicht alle Socialdemokraten ſind, welche für deren Candidaten ſtimmen. Nachdem er Vollmar perſönliche Gehäſſigkeiten ins Geſicht ge - worfen, ihn „ Kloſterſchüler “(mit Anſpielung auf ſeine Erziehung) und wiſſentlichen Verbreiter von Unwahrheiten genannt, wendet er ſich gegen das Ein - dringen „ Unverläßlicher und Halber “in die Partei. Vollmar befördere dieſes Eindringen. Er führt für die Nothwendigkeit einer zielbewußten Kritik auch an den „ großen Haufen “, der in einer ſo raſch ſich vergrößernden Partei wie der Socialdemokratie ſich befinde und der „ ſich Socialdemokrat nennt, ohne irgend nähere Kenntniß von den eigentlichen Zielen der Partei zu haben. “ Bebel erblickt hierin ſogar „ eine Gefahr, die progreſſiv zunimmt, wie die Partei ſich vergrößert und der Haufe der Unklaren immer mehr wächſt “.
Die beiden Unzertrennlichen, Bebel und Lieb - knecht (ein Volkswitz nennt ſie „ Liebbebelknecht “), ſind in dieſer Frage einmal nicht einig. Liebknecht verurtheilt ſowohl Ton wie Inhalt der Bebel’ſchen Reden und erklärt, er werde ſein Möglichſtes thun, den Streit einzudämmen und beizulegen. Dazu reicht aber die Kraft Liebknecht’s nicht aus, der Bruch iſt diesmal zu gründlich. Nur ein Mittel gibt es, die beiden zu einen: ein neues Socialiſten - geſetz! Das ſollten ſich alle Parlamentarier vor Augen halten, wenn ſie in den nächſten Wochen die ſogenannte Umſturzvorlage zu berathen haben werden.
Ebenſo wie der Berliner ſchleppt ſich auch der Braunſchweiger Bierboycott, ohne für die Socialdemokraten den gewünſchten Erfolg zu erzielen, träge weiter. Eine hübſche — Geſchichte deckte jüngſt der dortige „ Volksfreund “auf: die beiden Leiter desBoycotts ſeien von einer nichtboycottirten Brauerei in Deſſau für Geld angeſtellt worden, den Boycott zu ſchüren und aufrecht zu erhalten. Die beiden ſauberen „ Genoſſen “haben die Richtigkeit dieſer Beſchuldigung zugegeben und ſind aus der Boycottcommiſſion aus - getreten. Damit dürfte dieſer Bierboycott ſein Ende gefunden haben.
Die Berliner Bierboycott-Commiſſion hat die Frage erörtert, ob Genoſſen, welche Wiener Cafees beſuchen, in denen boycottirtes Bier ausgeſchänkt wird, ſich der Zuwiderhandlung gegen den Boycott ſchuldig gemacht haben, auch wenn ſie in ſolchen Cafes kein Bier trinken. Es handelt ſich dabei u. A. um die Ab - geordneten Liebknecht (!) und Bebel (!) und andere Führer. Die Commiſſion hat jedoch die Frage einſt - weilen offen gelaſſen, wohl wegen der — „ Führer “!
Den ſocialdemokratiſchen Studenten und Aka - demikern ſoll in Berlin ein Fachblatt gegründet werden unter dem Titel „ Der ſocialiſtiſche Aka - demiker “. Das Intereſſanteſte an dieſer Gründung iſt die Perſon des Redacteurs; derſelbe iſt ein — Sattlergeſelle. Wenn die Studenten und Akademiker ſich von einem Sattler ihr geiſtiges Brot vorſchneiden laſſen, dann haben ſie die in dieſem Um - ſtande liegende Hochachtung der Socialdemokratie vor den „ Akademikern “, die auf dem letzten Parteitag in Frankfurt zu oftmaligem Ausdrucke kam, redlich ver - dient.
Die Zahl der belgiſchen Kohlenberg - leute betrug im Jahre 1893 insgeſammt 116.861, von denen 30.556 über Tage, 86.305 unter Tage beſchäftigt ſind. Die Zahl der Frauen und Mädchen unter 21 Jahren, die unter Tage ver - wandt werden, iſt von 2968 im Jahre 1891 auf 1549 im Jahre 1893 zurückgegangen in Folge des Geſetzes vom December 1889, wodurch ihre Arbeit unter Tage vom 1. Januar 1891 verboten wurde. Eine Ausnahme wurde gemacht für diejenigen, die bereis beſchäftigt waren. Die Zahl der Knaben unter 14 Jahren, die unter Tage beſchäftigt werden. iſt in dem gleichen Zeitraum von 2535 auf 1638 zu - rückgegangen. In Folge ausgedehnter Streiks be - trug die durchſchnittliche Zahl der Arbeitstage 285 gegenüber 292 im Jahre 1892. Die Löhne beliefen ſich insgeſammt auf 50 Millionen Gulden oder 2 55 Gulden für die Tonne geförderter Kohlen oder 1·14 Gulden täglich für einen Arbeiter über Tage und 1·59 Gulden für einen Arbeiter unter Tage, abzüglich der Beiträge zu Hilfscaſſen und der Strafgelder. Die Geſammtförderung an Kohlen be - trug 1893 in Belgien 19,410 519 Tonnen gegen 19,583.173 im Vorjahre. Der Preis der Tonne be - trug 1893 am Schacht 9·75 Frcs., 1892 dagegen 10·69 Frcs.
Im Saale zum „ goldenen Widder “fand geſtern eine vom obigen Vereine einberufene Frauenverſammlung ſtatt, die ſehr ſtark befucht war. Obmann Oppenberger eröffnete die Verſammlung und erſuchte Se. Durchlaucht den Reichsrathsabgeordneten Prinzen Liechtenſtein das
Allein Roſenbaum, ſein Haupt-Geldleiher und ſein Haupt Gläubiger war noch immer nachſichtig, denn die Summe, die ihm der Lieutenant ſchuldig blieb, wurde von Tag zu Tag größer, die hohen Wucher - zinſen ſchwollen an — und der Lieutenant war immer mehr in ſeiner Gewalt und mit ihm das Vermögen des Profeſſors, auf welches der Jude bereits ſpecu - lirte. Er hatte es längſt heraus, wie hoch es ſich un - befähr belaufen mußte, und es war, wenn auch nicht viel, immerhin eine Summe. Sie reichte eben aus, um ſeine Forderung zu decken. Aber Lieutenant von Finken - ſtein hatte noch andere Gläubiger zu befriedigen, be - ſonders die Cohen und Seligmann, mit denen er ſpielte und die ihn, mit Roſenbaum in geheimem Bunde, ſtets drängten und gerade dadurch ihn immer wieder zum Spielen verleiteten. Wie er ſie demnächſt befriedigen wurde, Max von Finkenſtein wußte keinen Rath, Salomon Roſenbaum aber wußte einen, und als der Lieutenant eines Tages zu ihm kam, um ein neues Dar - lehen zu erbitten, ſagte der alte Jude mit den weißen Schmachtlocken und der langen, tiefgebogenen Naſe über dem großen, mit ſpärlichem Haar bedeckten Mund in der ſchmutzigen Stube, die er als Geldwechsler in einer entlegenen Straße der Stadt offen hielt, zu ihm: „ Ja, Herr Lieutenant, aber heute zum letzten Male. Werde in Zukunft kein Geld mehr borgen ohne Deckung. “
„ So wollen Sie mich dem Ruin preisgeben? “erwiderte Max von Finkenſtein.
„ Wie können Sie ſo was glauben, Herr Lieute - nant, von Ihrem wärmſten Freund, der ich bin? Aber ermuntern will ich Sie, zuzugreifen. “
„ Wo — wie ſoll ich zugreifen, Salomon? “
„ Wie haißt wo — wie? Wiſſen Sie doch ganz gut, daß Sie nur brauchen mit dem Finger zu winken und es ſitzt ein goldener Ehering drauf. “
„ Und wenn ich dieſe Wallig heirathe und mit des Alten Gelde eben meine Schuld an Sie abtragen kann, edler Freund — wovon ſollen wir nachher leben? “
„ Thun Sie doch nicht ſo unſchuldig, Herr Lieute - nant “, und der alte Jude grinſte lächelnd in ſeinen Bart. „ Sie wiſſen ganz gut, Herr Lieutenant, daß ich nicht ſpreche von Mathilde Wallig. “
„ Und von wem ſprechen Sie denn? “
„ Gott der Gerechte, muß ich es Ihnen wirklich ſagen? Haben Sie nicht längſt gemerkt, daß die Baroneſſe von Clairville .... “
„ Schweig, Salomon — woher weißt Du? “
„ Weiß es doch in der Judenſchaft jedes Jüngelchen ... “
„ Schweig, ſage ich Dir nochmals. Wenn man erfährt, daß Officiere bei ihr verkehren, wenn der Oberſt ... “
„ Seien Sie doch ganz ruhig, Herr Lieutenant. Iſt ja doch durchaus anſtändiger Verkehr. Sie iſt Witwe, reich, macht ein Haus. Warum ſollen nicht verkehren dürfen Officiere in dieſem Haus? Und ſchön iſt ſie, dieſe Clairville, Herr Lieutenant ein Weib, wie für Sie geſchaffen. “
„ Was faſeln Sie da, Salomon, zuſammen? Wer ſagt Ihnen, daß ſie überhaupt zu haben iſt? “
„ Na, weiß es doch die ganze Judenſchaft, daß die Baroneſſe offen hält ihre Salons, nur um zu fangen wieder einen Fiſch in die Netze ihrer Schönheit. “
„ Na, ich denke, Salomon, ſie macht ohnehin einen reichen Fiſchzug. Aber daß ſie heirathen will — Salomon, wer glaubt das? “
„ Wenn ſich findet ein adeliger Cavalier, ſchön und flott, wie Sie, wird ſie heirathen. “
„ Und das wiſſen Sie? “
„ Das weiß die ganze Judenſchaft. “
„ Und Sie wollen nun ein Geſchäft machen, ſchlauer Salomon? Sie wollen mich verkuppeln an die Clairville? Nicht wahr? “
Der Jude lachte. „ Wie haißt ä Geſchäft? Ein Paar Percentchen für die Vermittelung. Im übrigen meine ich’s gut mit Ihnen. Greifen Sie zu, HerrLieutenant, und es iſt Ihnen aus aller Verlegenheit geholfen, und ich komme zu meinem Geld. “
„ Und Mathilde? “
„ Was wollen Sie ketten Ihre Exiſtenz an das Mädel! “
„ Aber ich habe ihr mein Wort gegeben. “
„ Wie haißt Wort geben? Erſt leben, dann ... “
„ Dann Wort halten, meinen Sie. Sie haben im Grunde recht, Salomon. Ich mache Sie und mich unglücklich. Wie komme ich aber los von ihr? “
„ Sind Sie doch ein erfindungsreicher Kopf, Herr Lieutenant. Erzählen Sie ihr irgend eine Geſchichte, daß die Verhältniſſe ſich geändert, daß der Onkel nicht erlegen will die Caution, Zuſchuß zurückzieht — oder das Beſte iſt “— und der Jude grinſte wieder mit dem häßlichſten Lachen von der Welt — „ ſagen Sie ihr, Onkel habe in ſeinen alten Tagen wieder gehei - rathet, Erbe ſei verloren, eheliche Verbindung un - möglich. “
Max von Finkenſtein’s Züge hellten ſich auf. „ Sie ſind ein Erzhallunke, Salomon, ein geriebener Kerl! “
„ Danke für das Compliment. Gott der Gerechte, man thut, was man kann, um ſeinen guten Kunden und Freunden zu helfen. Ueberlegen Sie ſich die Sache! “
Max von Finkenſtein überlegte ſie ſich auch. Er hatte es längſt gemerkt, daß das ſtattliche, herrliche Weib, welches vor einigen Monaten erſt nach der Stadt gekommen war, dort zuerſt in tiefſter Trauer und Zurückgezogenheit in ihren Appartements im erſten Stocke eines der feinſten Häuſer gelebt und dann auf einmal ihre Salons für adelige und nicht adelige Herren aus der beſten Geſellſchaft offen hielt, ihn vor der übrigen Geſellſchaft bevorzugte. Aber daß ſie er - warte, er werde ihr einen Antrag machen, das war ihm neu. Das mußte ihm erſt der Jude ſagen! Er wunderte ſich nun ſelbſt darüber, daß ihm der Ge - danke nicht gekommen war.
(Fortſetzung folgt.)
5280 Wien, Donnerſtag Reichspoſt 6. December 1894.Wort zu ergreifen. Prinz Liechtenſtein (ſtürmiſch begrüßt) hielt einen längeren Vortrag über die Aufgabe der Frau im Hauſe, und ſchloß mit einem warmen Appell, die Weih - nachtseinkäufe nur bei Chriſten zu beſorgen. Redacteur Reiſchl ſprach ſodann über das Verhältniß der Alten zu ihren Frauen und Knechten. Reichsrathsabgeordneter Mſgr. Dr. Scheicher erklärte vorerſt das Sprichwort „ Sand in die Augen ſtreuen “, und beſprach ſodann die Weltbeſſerungs - theorie zweier deutſcher Philoſophen. Warme Worte fand der Redner für die chriſtliche Preſſe. „ Wenn Sie Ihr geiſtiges Brod von den Juden beziehen, dann glaubt der Jude, Sie müſſen auch alles übrige, was Sie benöthigen, bei ihm kaufen und der chriſtliche Geſchäftsmann — wird verſchwinden. Unter ſtürmiſchen Beifall forderte der Redner die anweſenden Frauen auf, chriſtliche Mütter zu ſein, und aus ihren Söhnen chriſtliche Männer heranzubilden. Herr Vereinspräſident Zuleger hielt ſodann einen kurzen Vor - trag über die Organiſation und Thätigkeit des Vereines. Jedem Beſucher wurde beim Eintritt in den Saal der vom Bereine herausgegebene „ Wegweiſer “(chriſtliche Firmen) überreicht, der heuer in einer Auflage von 23.000 Exem - plaren erſchienen iſt.
Wir werden um Aufnahme folgender Zuſchrift erſucht: Nachdem das Gremium der Hoteliers in Wien mit Ueberwindung außerordentlicher Schwierigkeiten eine eigene Krankencaſſe für die Hotelangeſtellten errichtet hat, iſt es ein lebhafter Wunſch vieler Hotelgehilfen, die Errichtung dieſes humanitären Inſtitutes durch einen Gottesdienſt und ein Gründungsfeſt würdig zu feiern. Der Feſtausſchuß beehrt ſich anzuzeigen, daß am 11. De - cember, Vormittags halb 10 Uhr, in der Domkirche zu St. Stefan eine Feſtmeſſe und Abends im Etabliſſement ronacher ein Gründungsfeſt veranſtaltet wird. Das Er - trägniß des Gründungsfeſtes wird einem Fonds zugeführt zur ausgiebigen Unterſtützung ſchwerkranker Gehilfen und Gehilfinnen, welche einer Badecur bedürftig ſind. Für jeden Berufscollegen iſt es Ehrenſache, den Erfolg dieſes Feſtes nach beſten Kräften zu fördern und zu zeigen, daß im Gremium der Hoteliers Principale und Angeſtellte ein trächtig beſtrebt ſind, Gutes zu ſchaffen. Leopold Seiler, Vorſteher; Ferd. Slowaczek, Gehilfen-Obmann; Fr. Hack, Obmann der Krankencaſſe. Bureau des Feſtausſchuſſes: 4. Bezirk, Hotel Zillinger.
Zu neuerlicher Beantwortung dieſer wiederholt geſtellten Frage, müſſen wir ein Capitel aus den Geheimniſſen der Weinfabrikation erzählen. Wie bekannt hatte ſich vor Kurzem unter der Anklage der Weinverfälſchung und des Verkaufes von Kunſtwein der Weingroßhändler Simon Abeles, der in der Inneren Stadt und in Nußdorf ausgedehnte Kelle - reien beſitzt, zu verantworten. Die Anklage legte ihm zur Laft, er habe ſeinen Weinen, welche von ſeimen Tranſito - Kellereien in Floridsdorf nach Wien kamen, Tamarinden beigemengt. Es wurden große Weinmengen durch Finanz - organe ſaiſirt und der chemiſchen Unterſuchung zugeführt. Der Sohn des Angeklagten, welcher die Verantwortung auf ſich nahm, erklärte, die Tamarinden, die ihm von ſeinem „ Einkäufer “in Trieft zur Probe geſchickt worden ſeien, hätten nur zu einem Verſuche verwendet werden ſollen; außerdem ſei die Beimengung von Tamarinden, wie ihm von Fachleuten verſichert worden ſei, nicht nur nicht geſundheitſchädlich, ſondern für Süßweine — um ſolche handle es ſich hier — ſogar von Nutzen. Dieſe „ Süß - oder Medicinalweine “ſeien ausſchließlich für den Export und zwar vorzugsweiſe für Deutſchland beſtimmt. Hätte ſich der Wein mit den Tamarinden als unbrauchbar erwieſen, ſo wäre er zur Cognac-Fabrication an eine ungariſche Fabrik geſchickt worden. Der ſtaats - anwaltſchaftliche Functionär bemerkte darauf: „ Dann wäre eben der Cognac geſundheitsſchädlich geweſen. “ Der als Sachverſtändiger vernommene Gerichtschemiker gab ſein Gutachten dahin ab, daß der mit Tamarinden vermengte Wein den Conſumenten nur dann ſchädlich ſei, wenn die - ſelben ihn in größeren Quantitäten, etwa 2 bis 3 Liter, genießen; an ſich ſei die Beimengung van Tamarinden, in geringeren Quantitäten, nicht geſundheitsſchädlich. Der ſtaatsanwaltſchaftliche Functionär vertrat die Anſicht, daß über die Frage der Geſundheitsſchädlichkeit des mit Tama - rinden vermengten Weines auch ein Arzt gehört werden müßte. Die Verhandlung endete mit der Verurtheilung des Abeles.
Aus Waſhington, 3. December telegraphirt man: Die Botſchaft des Präſidenten Cleveland an den Congreß erklärt, die von Belgien bei der Einfuhr gewiſſer Nahrungsmittel auferlegten Beſchränkungen ſeien unnöthig, da die ſtrenge Ueberwachung in Amerika einen genügenden Schutz gegen die Ausfuhr kranken Viehes und Fleiſches biete und beklagt den ver - nichtenden Krieg zwiſchen den mächtigſten Nationen des Oſtens. Die Botſchaft erwähnt ſodann, daß die deutſche Re - gierung gegen die Beſtimmung der Tarifgeſetze, welche einen Differentialzoll von ⅒ Cent auf Zucker aus den eine Ausfuhrprämie zahlenden Ländern legt, proteſtirte. Der Präſident empfiehlt die Aufhebung desjenigen Theiles des Geſetzes, der dieſen Differentialzoll auferlegt, befürwortet entſchieden die Zollfreiheit für Kohlen und Eiſen und ſpricht ſich für die Beſeitigung jedweden Differentialzolles auf raffinirten Zucker aus.
Der Präſident empfiehlt die Beſeitigung des beſtehenden Hinderniſſes für die Theilnahme Amerikas an dem fremden Transportverkehre auf der See und erörtert ſodann in aus - führlicher Weiſe die Währungsfrage und den beſtändigen Goldausfluß aus dem Schatzamte und erklärt ſich ent - ſchloſſen, die Ausgabe von Schatzobligationen für den Fall fortzuſetzen, als eine Erhöhung des Goldbetrages im Schatz - amte zur Aufrechterhaltung des Credits des Landes noth - wendig werden ſollte. Der Präſident legt hierauf die Haupt - punkte der von ihm und dem Schatzmeiſter befürworteten Bankreform dar, welche den Zweck haben ſoll, ein elaſti - ſcheres Umlaufsmittel zu ſchaffen und den Staatsbanken das Recht zu verleihen, unter gewiſſen Beſchränkungen ſteuerfreie Umlaufsnoten auszugeben. Es ſei beabſichtigt, alle Geſetze aufzuheben, welche die Deponirung der Unions - fonds als Sicherheit für die Umlaufsmittel beſtimmen undden Nationalbanken zu geſtatten, Noten bis zum Betrage von 75 Pertent des eingezahlten Capitals unter der Voraus - ſetzung zu emittiren, daß ſie bei der Regierung eine Summe in geſetzlichen Währungsmitteln hinterlegen, welche 30 Per - cent der Noten, die ſie auszugeben beabſichtigen, gleichkomm[e].
Aus Budapeſt wird ge - meldet: Der Geſammtgewinn der Inſtitute bei der im Vor - jahre durchgeführten Converſion beträgt fl. 11,600.000. Hie - von entfallen u. A. auf die Oeſterreichiſche Creditanſtalt 2 Millionen Gulden, etwas weniger auf die Ungariſche Creditbank. Die Peſter Commercialbank participirt mit einer Quote von fl, 350 000.
Die amtlichen Notirungen lauteten:
Feſtverſammlung Sonntag, 9. December, 7 Uhr Abends, im Feſtſaale des niederöſterreichiſchen Gewerbevereines, Wien, 1. Bez., Eſchenbachgaſſe 11. Aus dem Programm heben wir hervor: Rede des Hofcaplan Dr. Auguſtin Fiſcher - Colbrie; Vortrag des Herrn Rudolf Grafen Collo - redo-Mels; Anſprache des Vereinsbeirathes, des P Anton M. Schwartz, Superiors der Congregation der frommen Arbeiter. Eintritt frei gegen Karte.
Im Sofienſaale findet Freitag, 7. December, um halb 8 Uhr, die Gründungsliedertafel unter gefälliger Mitwitwirkung des Frl. Joſefine von Statzer, Concert - ſängerin, ſowie der vollſtändigen Muſikcapelle des Infan - terie-Regimentes Nr, 3 ſtatt. Hiebei gelangen Chöre von Mozart, Schubert, Horn, Treidler, Rheinherger und Hand - werg zum Vortrage.
Der Rotundenſaal der Gartenbau Geſellſchaft war am letzten Sonntag wieder dicht gedrängt beſetzt, als Herr A. Trabert Mſgr. Dr. Albert Wieſinger das Wort zur Fortſetzung ſeines Vortrages „ Alt-Wien “ertheilte. Der hochw. Redner beſprach die Geſchichte Alt-Wiens vom Kaiſer Carl dem Großen bis zum letzten Babenberger und flocht eine Reiye Sagen ein. Je näher der hochw. Redner dem Ende ſeines wiederholt mit ſtürmiſchem Beifalle aufge - nommenen Vortrages kam, wurde den Zuhörern das Alte Wien bekannter und allſeits war nur ein Wunſch, Herrn Dr. Wieſinger recht bald wieder an dieſer Stelle zu hören.
Unter Direction des Prof. Nentwich findet jeden Donnerſtag Abends 8 Uhr Schulerſtraße 20 (Turnſaal) Uebung im Männergeſang ſtatt. Stimmbegabte Herren werden zum Beitritt eingeladen.
Verfloſſenen Sonntag fand die Conſtituirung dieſes Losvereines ſtatt. Die chriſtlichen Männer Wiens, welche beizutreten gewillt ſind, werden erſucht, ihre Adreſſe an den Obmann Julius Prochazka 3. Bezirk, Beatrixgaſſe 20 gelangen zu laſſen. Die erſte Einzahlung findet im Jänner ſtatt und wird Näheres bekannt gegeben. Monatseinzahlung 2 fl.
Der „ Erſte Margarethener humanitäre Nicolobrüder-Verein “nahm Montag, den 3. d. M. die Betheilung von 56 armen, chriſtlichen Schul - kindern vor. Dieſe erhielten vollſtändige Winteranzüge, Wäſche, wurden mit einer Jauſe bewirthet und mit Na - turalien beſchenkt. Das Feſt beehrten u. A. Reichsraths - abgeordneter Herr Dr. Carl Lueger, die Herren Ge - meinderäthe Becker ſammt Frau und Strobach mit Familie, die Herren Bezirksausſchüſſer Pfiſter und Schwarz, der hochw. Herr Pfarrer Grünwald u. ſ. w. Der hochw. Herr Pfarrer Joſef Grünwald hielt eine form - vollendete Anſprache und der Obmann Herr Guſtav Schmolek gab einen Bericht über den Verein.
haben geſpendet: Frau Erzherzogin Marie Valerie25 fl., die chriſtliche Tiſchgeſellſchaft im Caſe Schäffler für Kinder des Vereins 4 fl. 75 kr.
13. Bez, Breitenſeer - ſtraße Nr. 104: Feſtfeier, Samſtag, den 8. December um 3 Uhr Gottesdienſt in der neu benedicirten Anſtalts-Capelle, darauf im neuen Speiſeſaale die eigentliche Feſtfeier, bei welcher die Feſtrede Se. Hochw. Rudolf Graf Mels - Colloredo halten wird.
Man ſchreibt uns aus Orth a. d. Donau. Sonntag, den 2. d. M. hielt die hieſige Pfarrgruppe ihre erſte Jahresverſammlung. Obmann Pfarrer Zorn begrüßte die Verſammlung und nachdem er die Angriffe eines hieſigen Lehrers, die derſelbe in der „ Oeſterr. Schulzeitung “gegen den Verein gerichtet hatte, treffend widerlegt, regte er die Gründung einer eigenen Frauen-Ortsgruppe an, die auch bereits in ſichere Ausſicht geſtellt iſt. Dann ergriff Monſignor Schöpfleuthner das Wort zu dem Thema: „ Warum verlangen wir Katho - liken die confeſſionelle Schule und warum ſind wir für den katholiſchen Schulverein “. Als Redner am Schluſſe zur Einigkeit bei den nächſten Wahlen, die von ganz beſonderer Bedeutung ſein würden, aufforderte, belohnte reichlicher Beifall die trefflichen Ausführungen. Nach einer ganz kurzen Pauſe betrat Reichsrathsabgeordneter Dr. Albert Geßmann die Rednerbühne und verbreitete ſich in ge - wohnter, kraftvoller Weiſe über das Thema: „ Die chriſtliche Schule und das praktiſche Leben “. Als der Vorſitzende dem Danke der Verſammlung an die beiden Redner Ausdruck gegeben, wurde vom Herrn Gemeindeſecretär Gigler der Rechenſchaftsbericht abgelegt, der einen Mitgliederſtand von 52 Perſonen auswies. Der bisherige Vorſtand wurde wieder - und Cooperator Hintſchik zum Schriftführer neu ge - wählt. 18 neue Mitglieder traten ſofort in den Verein ein, viele andere verſprachen ihren ſpäteren Eintritt.
Die - jenigen Herren, welche geneigt ſind, dem vorbereitenden Comite des „ Vereines der chriſtlichen Jugend in Wien “beizutreten, werden freundlichſt erſucht, ihre Adreſſe ehe - baldigſt an nachſtehende Herren zu ſenden. Für das engere Comite: Maximilian Köpfner, Ferdinand Ehrmann, Carl Slezak. Zuſchriften ſind zu richten an die Herren: Maximilian Köpfner, Ciſeleur, 2. Bez., Leſſinggaſſe 23, 3. Stock, und Ferdinand Ehrmann, Privatbeamter, 8. Bez., Piariſtengaſſe 58.
Am 8. d., am Feſte der unbefleckten Empfängniß Mariens, findet um 7 Uhr Früh in der Univerſitätskirche die Generalcommunion für Männer ſtatt, welche durch den hochw. P. Heinrich Abel vorgenommen werden wird. Aus dieſem Anlaſſe ſtellt die Centralleitung des kath. Schulvereines an die P. T. Mitglieder (Männer) das ergebene Anſuchen, ſich an derſelben recht zahlreich betheiligen zu wollen.
findet Samſtag den 8. d. M., Nachmittags halb 2 Uhr die Vorſtellung von „ Sündige Liebe “und „ Es läutet “mit den Damen Schratt und Adele Sandrock und den Herren v. Sonnenthal, Tewele, Kutſchera, Nhil und Eppens, zu Gunſten des Maria Thereſia-Frauen - Hoſpitals, ſtatt. Die noch vorhandene Anzahl von Orcheſter, Balkon - und Parketſitzen wird an den Tagescaſſen aus - gegeben.
finden Freitag den 7. d. die Premieren von „ Des Pfarres Geburtstag “, Genrebild in einem Aufzuge von Eduard Dorn mit den Damen Nieſe und Schönchen und den Herren Fröden, Göſtl, Groß, Kirſchner, Seydl und Straßmayer, ſowie von „ Heine’s junge Leiden “, Luſtſpiel in drei Acten von A. Mels mit den Damen Clemens, Furlami, Scholz und den Herren Bach, Brandeis, Heding und Wachtel in den Hauptrollen ſtatt. In Szene geſetzt wurde erſteres Stück von Herrn Lang - kammer, letzteres von Regiſſeur Herrn Wachtl. — Heute ge - langt im Raimund-Theater das zugkräftige Märchenſpiel „ Es war einmal ... “zum 17. Male zur Aufführung.
hatte geſtern bei ſeiner Premiere ein volles Haus, was dem Umſtande zuzuſchreiben iſt, daß die beſtens bekannte Frau Directorin Czerniawski-Löwe die Haupt - und Titelrolle ſpielte. Es iſt ſchade, daß dieſe gewandte Schauſpielerin ihr ſtarkes Talent an der Rudolfsheimer Bühne leuchten laſſen muß. „ Gabriele Marcu “— dies der Titel des Schauſpieles — iſt eine nach Rumänien verſetzte Cameliendame, iſt auf dem Wege dahin recht ſtark papricirt worden und hat ſelbſt - verſtändlich an ſittlichem Gehalt nichts eingebüßt, da der vollſtändige Mangel eines ſolchen eine Einbuße unmöglich machte. An dem Beifalle nahmen außer der Frau Direc - torin Fräulein Rene, welche die einzige erträgliche Rolle ſehr gut wiedergab, und Herr Romani theil.
Katholiken: Nicolaus. Griechen: (24 November) Katharina. Sonnenaufgang 7 Uhr 37 Minuten Morgens. Sonnenuntergang: 4 Uhr 5 Min. Abends. Mondesaufgang: 12 Uhr 53 Minuten Abends. Mondesuntergang: 12 Uhr 6 Minuten Morgens. Tageslänge 8 Stunden 28 Minuten. Nachtlänge 15 Stunden 32 Min. 340 — 26.
Der Kaiſer iſt in Begleitung des Generaladjutanten Grafen Paar vor - geſtern in Wels eingetroffen und wurde auf dem Bahn - hofe von dem Erzherzog Franz Salvator und der Erzherzogin Marie Valerie begrüßt. — Erzherzogin Alice, Großherzogin von Toscana, die mehrere Tage in Schwarzau zum Beſuche des Herzogs und der Herzogin von Parma geweilt hat, iſt vorgeſtern Nachmittags wieder in Wien eingetroffen. — Die Herzogin von Cumber - land dürfte Samſtag nach Gmunden zurückkehren. — Vorgeſtern kam Prinzeſſin Thereſe von Baiern, die Schweſter des Prinz-Regenten, hier an und ſetzte Abends mit der Weſtbahn die Reiſe nach München fort. — Der Reichs-Kriegsminiſter G. d. C. Edler v. Krieghammer iſt vorgeſtern aus Arco in Trient eingetroffen. Nachmittags ſetzte der Kriegsminiſter die Reiſe nach Wien fort. — Der Landescommandirende in Agram, G. d. C. Freiherr von Berchtholsheim, iſt vorgeſtern von hier auf ſeinen Poſten zurückgekehrt. — Der ruſſiſche Botſchafter in Wien,6Wien, Donnerſtag Reichspoſt 6. December 280Fürſt Lobanow, iſt vorgeſtern Nachmittags aus Peters burg hier angekommen.
Der Conſul Alois Pogacar wurde zur Leitung des Conſulates in Port-Said, der Viceconſul Johann Freiherr von Leon - hardi zu dem Generalconſulate in New-York berufen. — Dem Beſtallungsdiplome des k. ſpaniſchen Conſuls in Trieſt Jaime R. de Baguer wurde das Exequatur ertheilt und dem Thürhüter des Oberſten Gerichtshofes Carl Körner das ſilberne Verdienſtkreuz mit der Krone verliehen. — Der Statthalterei-Secretär Dr. Siegfried Ritter Manger von Kirchsberg wurde zum Bezirkshauptmann in Steiermark, der Bezirksgerichts-Adjunct Franz von Webern in Wolfsberg zum Gerichtsadjuncten in Graz und der Auscultant Carl Eduard Wilhelm zum Bezirks - gerichts-Adjuncten in Wolfsberg ernannt.
Vor - geſtern Nachmitags trafen König Georg und Königin Olga von Griechenland und Prinz Georg von Griechenland auf der Rückreiſe von Petersburg in Wien ein. Auf dem Nordbahnhofe hatten ſich zur Begrüßung der griechiſche Geſchäftsträger Manos, der Inſpections - commiſſär Remek und Stationsvorſtand Kutik eingefunden. Die griechiſche Königsfamilie reiſt heute Abends nach Athen weiter.
zeichnete geſtern Mittags das k. k. Poſtſparcaſſen - amt mit ſeinem Beſuche aus und unterzog dasſelbe einer zweiſtündigen eingehenden Beſichtigung; beſonders inter - eſſirten ihn die Schreibmaſchinen und die Wohlfahrts - einrichtungen des Amtes, unter welch’ Letzteren vor Allem die Vorkehrungen für plötzliche Erkrankungsfälle ſeinen Bei - fall fanden.
In der Villa des Directors des Fran - cisco-Joſephinum, Regierungsrath Dr. von Gohen in Möd - ling wurde dieſer Tage ein frecher Einbruch verübt. Es wurden Möbel im Werthe von 200 fl. geſtohlen, die, wie eruirt wurde, in Meidling um ſechs Gulden verkauft wurden.
Wie wir geſtern bereits in den Telegrammen meldeten, iſt in der Nacht zum 3. d. in München der hochw. Herr päpſtliche Hausprälat und Stadtpfarrer Dr. Anton Weſtermayer nach längerer Krankheit im 78. Lebensjahre geſtorben. Mit Dr. Weſter - mayer iſt eine der bekannteſten Perſönlichkeiten von München dahingeſchieden. Der Verſtorbene war ein überaus eifriger Prieſter, war auch publiciſtiſch thätig und vertrat längere Zeit den Wahlkreis München II im bayeriſchen Landtage und im deutſchen Reichstage. In geſelligen Kreiſen war der Stadtpfarrer von St. Peter durch ſeinen urgemüthlichen, echt altbayeriſchen Humor überdies beliebt.
Im Magazine des Galanterie-Waaren-Er - zeugers Nicolaus Poppovic kam geſtern ein Feuer zum Ausbruche. Die Centrale und die Filiale Wieden der ſtädtiſchen Feuerwehr rückten aus und konnten die Flammen nach längerer Anſtrengung unterdrücken. Der Schaden be - trägt 3000 fl.
Die für den 9. d. um 2 Uhr Nachmittags in die Volkshalle einberufene Gehilfen Verſammlung der Bäcker iſt vom Magiſtrate unter - ſagt worden.
Aus Reggio die Calabria wird be - richtet: Die Beunruhigung dauert fort, nachdem ſich auf angeblich beobachtete Anzeichen von Erdbeben das Gerücht verbreitet hat, daß neue Erdſtöße möglich ſind. Die ganze Bevölkerung hält ſich in den Straßen auf. Die officielle Lifte der durch das Erdbeben getödteten Perſonen weiſt 86 Opfer auf. Mehrere Verletzte ſtarben nachträglich. Die Zahl der Verwundeten reicht an 600 heran.
Man ſchreibt uns: In der feierlichſten Weiſe hat in der Pfarrkirche zu Sitzendorf, wo ſich eine Zweigniederlaſſung der Töchter der chriſtl. Liebe vom heil. Vincenz von Paul befindet, am 27., 28. und 29. November das Triduum zu Ehren der unbefleckten Jung - frau von der wunderbaren Medaille unter großer Theilnahme der Bevölkerung ſtattgefunden. P. Mathias Wieſer, Rector der Redemptoriſten in Eggenburg hielt die Predigten. Die hochw. Herren Pfarrer der Umgebung halfen zur Verherrlichung der Feier mit. Nach Ertheilung des päpſtlichen Segens am Schlußtage hielt der hochw. Herr Dechant Carl Latzin umgeben von 8 Prieſtern ein » Te Deum « ab.
Dieſer im Verlage der beſtens bekannten Firma G. Freytag u. Berndt erſchienene Plan von Wien iſt der erſte, der ſämmtliche neuen und alten Straßenbenennungen enthält. In demſelben iſt auch die Anlage der Stadtbahn berückſichtigt. Der Preis des elegant gebundenen Planes beträgt nur 80 Kreuzer.
Die Ausſtellung von kunſtgewerblichen Objecten, die nach orientaliſchen, engliſchen und franzöſiſchen Vor - bildern von Kunſtgewerbetreibenden der Provinz unter der Leitung der Fachſchulen hergeſtellt werden, erfreut ſich leb - hafteſten Zuſpruches. In den letzten Tagen wurde die Aus - ſtellung vom Erzherzog Ludwig Victor, dem Handelsminiſter Grafen Wurmbrand und anderen Herrſchaften beſucht und wurden ſehr nennenswerthe Verkäufe und Beſtellungen verzeichnet.
Aus Fiſchamend wird uns geſchrieben: In Folge eines Blitzſchlages in der Nacht vom 27. Juli d. J. ging unſer Kirchthurm und ein Theil des Kirchendaches in hellen Flammen auf und ſämmt - liche Glocken ſchmolzen. Seitdem iſt der Thurm neu erſtanden, ein neues Thurmkreuz geſchaffen und neue Glocken gegoſſen. Die Weihefeier nahm einen würdigen Verlauf. Hochw. Herr Dechant Jacob Greger nahm unter Aſſiſtenz dreier Prieſter die Weihe der Glocken und des Kreuzes vor. Die Glocken erhielten die Namen: Michael, Florian, Maria, Anna. Nach vollendeter Weihe ward das geweihte Kreuz in feierlicher Proceſſion um die Kirche ge - tragen. Darauf ward das Kreuz aufgezogen. Nun verſam - melte ſich die Volksmenge abermals in der Kirche zum feier - lichen Hochamte, bei welchem die deutſche Meſſe von Schubert in exacter Weiſe aufgeführt wurde. Um 3 Uhr wurden be - reits die vier neuen Glocken, die Peter Hilzer in Wiener - Neuſtadt goß, zum Segen geläutet. Das Geläute iſt wunder - bar; Peter Hilzer hat auch hiet einen Beweis ſeiner Tüch - tigkeit geliefert.
Es gibt viele Leute, die glauben, das Färben der Haare entſpringe einzig und allein der Eitelkeit. Weit gefehlt! Wie viele gibt es, die jung erſcheinen müſſen, um ihr Fortkommen zu finden! Faſt in allen Branchen findet man Beiſpiele, beim Militär ſowohl als auch beim Civil. Das junge oder wenigſtens jung ausſehende Element avancirt, das alte wird penſionirt. Wie oft iſt aber der Penſionnung dadurch vorgebeugt worden, daß die betreffende[Per]ſönlichkeit ein gutes, halt - bares, natürliches, dabei unſchadliches Haarfärbemittel ange - wendet hat. „ Czerny’s Tanningene “iſt ein ſolches! Es gibt nichts Einfacheres, Unſchuldigeres und Beſſeres als dieſes. Die Firma Anton J. Czerny (Wien, Stadt, Wall - ſiſchgaſſe Nr. 5), welche für ihre Erzeugniſſe ſchon viele Auszeichnungen erhalten hat, gibt gerne jede Auskunft hier - über gratis und ſei hiemit beſtens empfohlen.
Der Hilfsarbeiter Jo - bann Marek ſtieg voegeſtern auf dem Frachtenbahnhofe der Nordweſtbahn in eine Grube, in der unmittelbar vorher eine neue Gasſchließe eingerichtet worden war, die aber noch keinen gasdichten Verſchluß hatte. Marek achtete nicht auf das ausſtrömende Leuchtgas und wurde durch das Einathmen desſelben plötzlich ohnmächtig. Paſſanten be - merkten ihn jedoch ſogleich und brachten ihn außer Gefahr. — Auf dem Holzplatze des Joſef Eisler wurden geſtern Vormittags zwei herrenloſe Ochſen, die ſich wahrſcheinlich von einem Trieb verlaufen hatten, aufgefunden. Die Ochſen ſind deutſcher Race und tragen die Bezeichnung „ F. K. “und „ T. K “— Vorgeſtern fuhr ein mit Zünd - hölchen in Kiſten beladener Wagen über die Freyung. In Folge Reibung entzündete ſich der Inhalt einer Kiſte und Flammen ſchlugen hervor. Es gelang, die Flammen zu löſchen. — Sämmtliche ſechs Lehrlinge des Goldarbeiters Johann Nowotny wurden vorgeſtern dem Landesgerichte eingeliefert, da ſie ſeit längerer Zeit von dem ihnen vom Meiſter zur Verarbeitung zugewieſenen Gold geſtohlen, das Edelmetall zu Ringen verarbeitet und dieſe verſetzt haben. — Der Glaſergehilfe Edmund Damiſch trank vorgeſtern Abends eine Phosphorlöſung und zog ſich ſchwere innere Verletzungen zu. Damiſch wurde ins Spital der Barm herzigen Brüder gebracht.
Der Steinbrener’ſche Verlag in Winterberg gibt einen Kalender „ zu Ehren des heiligſten Herzen Jeſu heraus. Im Annoncentheile finden wir aber empfohlen: Die Vorftadt-Jüdin, und folgende Firmen Mittelbach, Fekete, B. Sachſel, Sonnenſchein, M. Muhr, Fleiſchl u. a. m. Sollte da nicht aufgeräumt werden? Juden ſcheinen ſich im chriſtlichen Neſte ſehr wohl zu fühlen.
der, wie wir ausführlich berichteten, vor einigen Wochen nach Unterſchlagung von 200.000 Francs aus Bukareſt flüchtig wurde, hat ſich nach Budapeſt begeben und wird dort eifrig geſucht. Major Ponnaru iſt groß, corpulent, etwas kahl, hat hohe Stirn, hinkt am rechten Fuße und be - dient ſich eines Stockes oder zweier Krücken.
Cardinal Fürſterzbiſchof Schönborn hat die Decanalkirche zu St. Niklas in Eger zur Würde einer Erzdecanalkirche und das Bene - ſicium zur Erzdechantei erhoben und den derzeitigen ſehr verdienten Egerer Curaten Johann Schuh und alle ſeine Nachfolger mit dem Titel und der Würde eines Erzdechanten ausgezeichnet.
Am 2. d. M. ver - übte Graf Victor Baworowski einen Selbſtmord, in - dem er ſich mit einem Raſirmeſſer den Hals durchſchnitt. Das Motiv der That war Verzweiflung über ſeine begin - nende Erblindung. Victor Graf Baworowski wurde im Jahre 1825 geboren und ſtand ſomit im 69. Lebensjahre. Er war Beſitzer der Herrſchaften Myszkowice, Luka, Kro - winka, Loszniow und Baworow im Tarnopoler Kreiſe, mehr - facher Millionär und einer der reichſten Großgrundbeſitzer Galiziens; er genoß in den polniſchen literariſchen Kreiſen als Ueberſetzer der Werke Goethe’s, Schiller’s, Wieland’s und Byron’s großes Anſehen.
Der „ P. L. “läßt ſich aus Berlin telegraphiren: „ Börſen - kreiſe klagen, daß das Telephon Wien — Berlin in ſeiner gegenwärtigen mangelhaften Einrichtung mehr ſchade als nütze, da es einzelnen Firmen ermöglicht werde, ſich zum Schaden der übrigen Intereſſenten telephoniſch zu verſtän - digen. So ſtiegen Creditactien letzten Samſtag plötzlich in Berlin um 1½ Percent durch umfaſſende Käufe telephon - benützender Firmen, die von der Wiener Cursſteigerung wußten, währeud Anderen dies noch ein Geheimniß blieb. Allgemein wird eine ſchleunige Vermehrung der Telephon - leitungen verlangt. “— Seh’ der an da, das Telephon im Dienſte der Credit-Hauſſe.
(Schluß von Seite 3.)
Wenn es nicht zuläſſig wäre, bei einem Geſetze, bei dem das abgekürzte Verfahren beſchloſſen wurde, Anträge zu ſtellen, ſo würde das ſo viel bedeuten, als daß die Coalition Alles zu glauben hat, was die Regierung ſagt, und Alles zu thun hat, was die Regierung wünſcht. Die Dauer und Intenſität der Freiheitsſtrafe ſei von größerer Wirkung als die Androhung der Todesſtrafe. Ein zum Tode Verurtheilter, der dann zu lebenslänglichem Kerker begnadigt wurde, hatte dem Redner als ſeinem ex offo-Vertheidiger den Vorwurf gemacht, warum er das Gnadengeſuch eingebracht habe, da es ja weit vernünftiger ſei zu ſterben, als das ganze Leben im Kerker zu verbringen. Dr. Fux hat ſich leicht über die Frage hinweggeſetzt, indem er ſagt, bei unſerer Rechtſprechung iſt das nicht möglich. Redner erinnert an einen in Wien verübten Mord, bei welchem eine Frau irrthümlicher Weiſe als Mörderin verurtheilt wurde. Die Sache hat ſich allerdings aufgeklärt und ſie wurde frei - gelaſſen; aber wie weit war ſie davon entfernt, auf das Schaffot zu kommen! Die Bezeichnung der Todes - ſtrafe als eines Actes der Nothwehr ſei gleichfalls unrichtig. Davon könnte man nur dann ſprechen, wenn die Geſellſchaft keine anderen Mittel zur Abwehr hätte. Redner begründet hierauf ſeinen Antrag, das Wort „ Zucht - haus “durch das bisher in Uebung befindliche Wort Kerker zu erſetzen und richtet ſodann an den Juſtizminiſter die An - frage, ob er, wenn das Strafgeſetz beſchloſſen ſei, auch wirklich die entſprechenden Strafanſtalten zu ſchaffen ge -denke. Wenn dies nicht geſchehe, ſo bleibe das Geſetz auf dem Papier.
Bei der Abſtimmung über den § 1 des Straf - geſetzentwurfes wurden ſämmtliche Abänderungsanträge abgelehnt und die Beibehaltung der Todesſtrafe mit 146 gegen 66 Stimmen beſchloſſen Ebenſo wurde § 8 angenommen. Gegen § 2 exiſtiren keine Einwen - dungen. Darauf wurden § 4 ff in Debatte gezogen.
Gewiſſe Blätter machen ſich, wie man zu ſagen pflegt „ ein Freſſen “aus dem Proceß gegen Pfarrer Scherzer. Wir möchten denſelben noch einen anderen Proceß empfehlen, der ſich jetzt allerdings in Frank - reich abſpielt. Vor den Geſchworenen in Toulouſe ſteht jetzt eine Anzahl ſocialdemokratiſcher Wahlagenten wegen Fälſchung von Stimmzetteln, Wählerliſten u. ſ. w. Mit - ſchuldig iſt der frühere Präfect des Departements, der be - reits caſſirt wurde. Er heißt — Cohn, dieſer jüdiſche radicale Präfect, ohne deſſen Duldung die groben Geſetz - widrigkeiten ganz undenkbar geweſen wären, wurde aller - dings, da der Scandal allzu arg war, abgeſetzt und der Gemeinderath ſuspendirt; Polizei und Staatsanwalt aber ließen ſowohl den Generalſecretär der Präfectur, wie ein - flußreichen Mitglieder der bisherigen hochrothen Gemeinde - vertretung unbehelligt, obwohl es klar zu Tage liegt, daß die zur Verantwortung gezogenen Individuen — zumeiſt arme Teufel — nur in ihrem Auftrag, auf Grund ſpecieller Weiſungen, die Namen gegneriſcher Wahlberech - tigter ausradirt und durch diejenigen nichtwahlberechtigter Perſonen erſetzt, unliebſame Stimmzettel entwendet, die Stimmzählungen „ berichtigt “und ähnliche Manipulationen vorgenommen hatten. Die Beſchuldigten machen aus ihrem Treiben auch gar kein Hehl; ſie berufen ſich entweder dar - auf, daß ſie nur den Befehlen von höherer Stelle gehorcht oder aber um des täglichen Brotes willen geſündigt hätten. auf die Vorhaltung des Vorſitzenden des Gerichtshofes, daß er ſich grober Ungeſetzlichkeiten ſchuldig gemacht habe, er - widerte einer der Angeklagten: „ Mein Gott, Herr Präſi - dent, man muß doch leben. “ Die in Frankreich am Ruder beſindliche Partei betrachtet ein wenig Fälſchung zu Un - gunſten des Gegners übrigens als etwas geradezu Selbſtverſtändliches.
Joſef Hartmann, Wein - gartenbeſitzer in Erdberg, ein paſſionirter Wilderer, ſtand geſtern vor den Geſchwornen zu Korneuburg unter der An - klage des Mordes. Am 4. October verließ der Jäger des Herzogs von Sachſen-Koburg-Gotha, Johann Brandl ſein Haus, um einem Wilderer in den Kögelberger Revieren nachzuſpüren, kehrte aber nicht wieder zurück. Am 6. October fand man ſeine Leiche in einem Weingarten, mit Kukurutz bedeckt, und fand an derſelben Schußwunden am Kopfe, an der Naſe, Wange, Bruſt, am Bauche und an der rechten Hand, die in ihrer Geſammtheit abſolut tödtlich waren. Volkes Stimme bezeichnete Hartmann als den Mörder, dieſer leugnete anfangs, gab aber ſpäter zu, von Brandl beim Wildern ertappt worden zu ſein. Der Jäger habe raſch nach ſeinem Gewehre (einem Hinterlader) gegriffen, dieſes ſei los - gegangen und dem Jäger ſei die Kugel in die Hand ge - drungen. Sofort habe er ausgerufen: „ Hartmann, Du kannſt nichts dafür, ſchuld bin ich ſelber! “ Der Angeklagte habe um Hilfe eilen wollen, da habe der vor Schmerzen gepeinigte Jäger ihm zugerufen, er möge ihn nicht länger leiden laſſen und ihn dringendſt gebeten, er möge ihn erſchießen, damit er erlöſt ſei! Auf das hin habe er zuerſt mit dem Gewehrkolben nach dem Schädel des Jägers losgeſchlagen, dann aber mit dem Gewehre des Jägers zur Beſchleunigung ſeines Todes denſelben in den Kopf und in die Bruſt ge - ſchoſſen. Er habe ſich dann in Miſtelbach ſelbſt dem Gerichte ſtellen wollen, hievon aber Umgang genommen. Dieſe Ver - antwortung, die Hartmann auch vor dem Geſchworenen aufrecht erhielt, veranlaßte den Gerichtspräſidenten zu folgenden Worten: „ Hören Sie, das was Sie uns hier erzählen, iſt ſo unglaublich und unwahrſcheinlich, daß mir der richtige Ausdruck dafür mangelt! Das ſollen Ihnen Ihre Richter glauben? Hoffen Sie dies wirklich? “— Angekl. (pflegmatiſch): „ Es iſt aber ſo! Es iſt wahr! “ Die Geſchworenen ſchenkten dieſer Erzählung keinen Glauben, ſondern erkannten den Augeklagten des Mordes, des Wilddiebſtahles und der Uebertretung des Waffen - patentes ſchuldig und verurtheilte ihn zum Tode durch den Strang. Hartmann nahm das Urtheil mit groſſer Faſſung entgegen. Sein Vertheidiger Dr. Jeſch legte Für - bitte ein, daß der Gerichtshof den Verurtheilten der alerhöchſten Gnade empfehle.
In der Nähe der Naza - rethkirche wurde geſtern Abend an der ſechsjährigen Anna Mosler ein Luſtmord verübt. Der bei der Leiche ertappte Mörder nennt ſich Biſchoff und iſt Schuhmacher.
Nach Privatnachricht haben General Gurko und Sohn gleich nach ihrer Rück - kehr aus Petersburg um ihre Entlaſſung nachgeſucht.
Die Thronrede, mit welcher der Kaiſer den Reichstag eröffnete, lautet in ihren weſentlichſten Sätzen nach einer Einleitung:
„ Möge Gottes Segen auf dem neuen Hauſe ruhen, möge die Größe und Wohlfahrt des Reiches das Ziel ſein, welches alle zur Arbeit in ſeinen Räumen Berufenen in ſelbſtverleugnender Treue anſtreben! Dieſen Wunſch empfinde ich beſonders lebhaft im Hinblick auf die wirthſchaftlichen und ſocialpolitiſchen Auf - gaben, welche zur Löſung zu bringen ſind. Getreu den Ueberlieferungen der Vorfahren, betrachten meine hohen Verbündeten und ich es als die vornehmſte Aufgabe des Staates, die ſchwächeren Claſſen der Geſellſchaft zu ſchützen und ihnen zu einer höheren wirthſchaftlichen und ſittlichen Entwicklung zu verhelfen Die Pflicht, dieſes Ziel mit allen Kräften anzuſtreben. wird umſo zwin7280 Wien, Donnerſtag Reichspoſt. 6. December 1894gender, je ernſter und ſchwieriger der Kampf um das Da[-]ſein für einzelne Gruppen der Nation ſich geſtaltet hat - Von der Ueberzeugung getragen, daß es der Staatsgewalt obliegt, gegenüber den ſtreitenden Intereſſen der verſchie - denen Elemente das Geſammtintereſſe des Ge - meinweſens und den Grundſätzen der ausgleichen - den Gerechtigkeit zur Geltung zu bringen, werden die verbündeten Regierungen fartfahren in dem Beſtreben, durch Milderung der wirthſchaftlichen und ſocialen Gegen - ſätze das Gefühl der Zufriedenheit und der Zuſammen gehörigkeit im Volke zu erhalten und zu fördern. Soll aber dieſes Beſtreben, bei welchem ich Ihre rückhalts - loſe Unterſtützung erhoffe, in ſeinem Erfolge geſichert werden, ſo erſcheint es geboten, dem verderblichen Gebahren jener wirkſamer als bisher entgegenzutreten, welche die Staatsgewalt in der Erfüllung ihrer Pflicht zu ſtören verſuchen. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die be - ſtehende Geſetzgebung nicht die erforderlichen Hand - haben hiezu bietet. Die verbündeten Regierungen erachten deshalb eine Ergänzung unſeres gemeinen Rechtes für geboten. Es wird Ihnen unverzüglich ein Geſetzentwurf vorgelegt werden, welcher vornehmlich durch Erweiterung der geltenden Strafvor - ſchriften den Schutz der Staatsordnung verſtärken will. Behufs Beſeitigung einiger Mängel der Strafproceß - ordnung wird Ihnen ein Geſetzentwurf vorgelegt werden bezüglich die Entſchädigung unſchuldig Verurtheilter. Die beſtehenden Einrichtungen im Börſenweſen reichen nicht aus Gefahren abzuwenden, denen der Volkswohlſtand durch die mißbräuchliche Be - nützung der börſenmäßigen Formen des Handelsverkehrs ausgeſetzt iſt. Ein diesbezüglicher Geſetz - entwurf wird Ihnen noch in dieſer Tagung vorgelegt werden. Dasſelbe gilt von einem Geſetzesvorſchlage zum Schutze des Handels - und Gewerbeſtandes gegen den un - lauteren Wettbewerb. Das finanzielle Verhältniß der Einzel - ſtaaten zum Reich hat ſich in einem für die erſteren bedenk - lichen Umfange verſchoben. Während die Einzelſtaaten ein Jahrzehnt lang bedeutende Mehrüberweiſungen vom Reich empfingen, iſt das Reich gegenwärtig genöthigt, zur Deckung ſeiner eigenen Bedürfniſſe erhebliche Zuſchüſſe von den Einzelſtaaten zu fordern. Dieſem drückenden Uebelſtande abzuhelfen, kündigt die Thronrede die Vorlage eines Geſetzentwurfes über die anderweitige Beſteueruug des Tabaks an. Nicht minder halten die verbündeten Regierungen feſt an der Förderungeiner organiſchen Auseinanderſetzung der Reichs - und der Einzelſtaaten, um die Finanzwirthſchaft des Reiches ſelbſtſtändig zu machen und die Einzelſtaaten wenigſtens für längere Zeit vor ſchwankenden und ſteigenden Anforderungen zu ſchützen. Indeſſen haben ſich die verbündeten Regierungen entſchloſſen, auf die im Vorjahre zu Gunſten der Einzelſtaaten gefor - derten Mehrüberweiſungen zu verzichten. In den letzten Jahren hat zu meiner lebhaften Befriedigung die Zuverſicht in die Erhaltung des europäiſchen Friedens neue Kräftigung erfahren. Getreu dem Geiſte unſerer Bündniſſe pflegen wir mit allen Mächten gute und freundliche Beziehungen. Zwei uns benachbarte Reiche ſind im Laufe der letzten Monate von erſchütternden Ereigniſſen heimgeſucht worden. Deutſchland hat ſich auf - richtig der allſeitigen Theilnahme angeſchloſſen, welche von Neuem Zeugniß ablegt von einer Solidarität menſch - licher Gefühle und friedlicher Wünſche. In dem heimgegangenen Kaiſer Alexander III. von Rußland betrauere ich einen Freund und bewährten Mitarbeiter an den Werken des Friedens. Geehrte Herren! Indem ich Sie nunmehr erſuche, in Ihre Arbeiten einzutreten, mögen Sie Zeugniß ablegen dafür, daß von der Einmüthigkeit, mit welcher die deutſchen Stämme vor nun bald 25 Jahren für die Gründung des Reiches eintraten, ihre Vertreter auch bei dem weiteren Ausbau unſerer vaterländiſchen Einrich - tungen geleitet werden. “
Bei der Leichenfeier der Mutter Garaſchanin’s ließ ſich König Alexander durch ſeinen Adjutanten Tſchiric vertreten; Exkönig Milan war perſönlich erſchienen.
Die zur Berathung der Regierungsvorlage in Betreff der Vermehrung der Wahl - bezirke für den Folkething eingeſetzte Commiſſion des Folkething erſtattete heute Abend ihren Bericht. Die aus Mitgliedern der Rechten und der gemäßigten Linken zu - ſammengeſetzte Commiſſionsmehrheit hat ſich dahin geeinigt, eine Vermehrung der Wahlbezirke von 102 auf 114 vorzu - ſchlagen. Von den neuen Bezirken ſollen ſechs auf Kopen - hagen nebſt deſſen Vorſtädten entfallen. Sieben ſollen Stadt - kreiſe, fünf Landkreiſe ſein.
Wie die Blätter melden, ſei China auf Grundlage einer 4½percentigen Goldan - leihe, welche durch die verfügbaren Einnahmen der Handelshäfen garantirt würde, jede Summe angeboten worden, die Japan mit Zuſtimmung der Mächte als Kriegs - entſchädigung verlangen würde.
Wie die „ Times “aus Kobe melden, griffen mehrere tauſend Tonghaks am 28. v, M. die japaniſche Streitmacht bei Kongu in Süd-Korea an, wurden jedoch mit großen Verluſten zurückgeſchlagen. Zwei Anführer wurden getödtet.
Die ſocialdemokratiſchen Deputirten werden in der Kammer eine Erklärung verleſen des Inhalts, daß ſie gegen die Civil - liſte ſtimmen werden, weil die Bewilligung derſelben ihren republikaniſchen Ueberzeugungen zuwider wäre und die Civilliſte das Budget ſchwer belaſte. Für dieſen Betrag, heißt es in der Erklärung, könnten 7000 alte Arbeiter verſorgt werden.
Der Nationalrath beauftragte den Bundesrath die Verhandlungen bezüglich einer inter - nationalen Regelung der Arbeiterſchutz - fragen wieder aufzunehmen.
Die Börſe in nicht feſt, ſie iſt aber auch nicht ſchwach; „ flau ſan mer “hört man im Börſenſaal — „ ober der Curs 200 in Creditactien muß bald kommen. “— Uns iſt alles recht. Flau iſt alſo die Bezeichnung der heutigen Börſe. Der Verkehr war ein geringer, abwartend eher wie ablehnend.
Um 2 Uhr 30 Min. notirten Credit 396.75, Ung. Creditactien 491.75, Anglo 181.79, Union 312.50, Banl - verein 152.25, Länderbank 280.80, Boden 542.25, Tabak 231.50, Mairente 100.05, Silberrente 100. —, Oeſt. Krenenr. 100 05, Ung. Kronenr. 98. —, Oeſt. Goldrente 124 40, Ung Goldrente 123.30, Staatsbahn 390.75, Lombarden 109 25 Galizier —. —, Elbethal 273.50, Nordweſtb. 245. —, Czernow. 294 75, Kaſchauer 195.50, Buſchtiehrader A., 1385, Buſchtehrader B. 538. —, Bömiſch. Nordb. 317.50, Böhmiſche Weſtb. 408. —, Köflacher 280 50, Nordbahn 3520. —, Localb. 210. —, Werndl 321. —, Tramway 432. —, Neue Tramway 95. —, Dampfſchiff 525. —, Lloyd 547. — Communal 175. —, Ungarl. 159.25, Theißl 143.25, Türken 71.80, Waggonl. —. —, Alpine 105.80, Prager Eiſen 660. —, Draſche 320. —, Rima 274 25, Trifailer 169. —, Brüxer 179. —, Weſtb. Kohle 129. —, Rubel 134.75, Marknoten 61.05 bis 21. —, Napoleons 991· — P. Dux 85. —, Wiener Bau 106.50, Allg. Bau 133. —.
Herausgeber und[Ver]leger A. Weimar, Wien. —[S]prechſtunden von 9 — 11 Uhr vorm. — Verantwortlicher Redakteur Franz Winter. Druck von Ambr. Opitz, in Wien
Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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