PRIMS Full-text transcription (HTML)
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[2]. Jahrgang.

[Redac]tion, Adminiſtration, Expedition und Druckerei VIII., Joſefſtädterſtraße 14

[St]tadtexpedition I., Wollzeile 15 Zeitungsbureau Weis.

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Ankündigungs-Bureau: VIII., Joſefſtädterſtraße 14,[ſowie]bei dem Annoncenbureau für[kath.]. -conſerv. Blätter, Hubert Friedl, Wien, V. / 1.

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Erſcheint täglich 3 Uhr nachm. [mit]Ausnahme der Sonn - und Feiertage.

Wien, Dienſtag 10. December 1895.
Reichspoſt.
Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns.

Nr. 283.

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Telephon 1828.

Der Ball der Stadt Wien.

Wir müſſen heute in dieſem ſonſt der Erörterung der großen politiſchen Tagesfragen gewidmeten Theile des Blattes von einer Angelegenheit ſprechen, die eigentlich in die Ball - und Faſchingschronik gehört. Wie man weiß, hat in den letzten Jahren regelmäßig ein ſogenannter Ball der Stadt Wien im Rath - hauſe ſtattgefunden, bei dem der Bürgermeiſter gewiſſermaſſen als Hausherr fungirt und dem Se. Majeſtät der Kaiſer und die Mitglieder des allerhöchſten Kaiſerhauſes, ſoweit ſie gerade in der Reichshauptſtadt weilten, beizuwohnen pflegten. Ein großes Ballcomite und ein Patroneſſencomite beſorgten das eigentliche Arrangement und man kann nur ſagen, daß das genannte Ballfeſt wirklich ein Feſt des Wiener Bürgerthums war, obgleich gewiſſe Elemente, die wir nicht näher bezeichnen wollen, ſelbſtverſtändlich auch nicht fehlten. Sie ſind eben in Wien leider unvermeidlich.

Wien’s Autonomie iſt derzeit ſuspendirt und es liegt auf der Hand, daß das Wiener Bürgerthum daraus die entſprechenden Conſequenzen ziehen wird und ziehen muß. Herr v. Friebeis hat bereits An - ſtalten getroffen, daß das ſchöne Feſt, wie alljährlich auch heuer ſtattfinde. Wir begreifen dieſe Abſicht des Herrn v. Friebeis, ſie iſt natürlich, ja ſie iſt von ſeinem Standpunkte aus betrachtet ſogar löblich, aber ſie iſt unrealiſirbar. Der Wiener Bürgerball denn das iſt ja der Ball der Stadt Wien wird nicht ſtatt - finden, er kann nicht ſtattfinden und er darf nicht ſtattfinden. Seine Abhaltung wäre einfach ein Skandal.

Es iſt immer gut in gewiſſen Dingen deutſch und deutlich herauszuſprechen. Die Autonomie der Gemeinde iſt derzeit ſuspendirt. Wir erörtern weiter gar nicht, wieſo das herbeigeführt wurde. Wir tadeln nicht, wir conſtatiren nur, Wiens Autonomie iſt ſuspendirt, das bedeutet, daß es nicht am Platze iſt, in einem communalen Gebäude Freudenfeſte abzuhalten. Das ſchickt ſich einfach nicht. In einem Hauſe, in dem die Mutter ſchwer krank liegt, pflegen die Söhne und Töchter ſich nicht zum Tanzen aufſpielen zu laſſen. Thäten ſie es dennoch, ſo verdienten ſie nein was ſie dann verdienten, das wollen wir weiter gar nicht ausſprechen. In Wien herrſcht der com - munal-politiſche Ausnahmszuſtand, da iſt kein Raum für Geigen und Flöten.

Der Ball der Stadt Wien iſt eine moraliſche Unmöglichkeit. In einem Trauerhauſe wird nicht getanzt; und ſollte Jemand pietätlos und unanſtändig genug ſein, das thun zu wollen, ſo geben ſich an - ſtändige Männer und achtbare Frauen da - zu nicht als Staffage her. Ein Ball der Stadt Wien während die Autonomie Wiens ſus - pendirt iſt, iſt eine moraliſche Unmöglichkeit und es wird die Pflicht des Wiener Bürgerthums, das ſich ſelbſt achtet, ſein, dafür zu ſorgen, daß die moraliſche Unmöglichkeit auch die materielle Unmöglichkeit bedeutet.

Herr von Friebeis hat leider bezüglich der Ver - anſtaltung des Balles bereits entſcheidende Schritte gemacht, er hat drei liberale Ehrenbürger Wiens andere als Liberale wurden ja vom Cliqueregime nicht in’s goldene Buch aufgenommen zu Protec - toren des Balles deſignirt, als Vicepräſidenten des Comites zwei ehemalige liberale Gemeinderäthe nomi - nirt, kurz er hat etwas gethan, was das chriſtliche Bürgerthum der Reichshauptſtadt nicht ruhig hin - nehmen wird. Es mögen auf dem Balle jene orienta - liſchen Damen glänzen, von denen der Alliancehäupt - ling Stern verlangte, daß ihre Schleppen wegen der antiſemitiſchen Wahlen nicht mehr durch die Salons fegen ſollen, die chriſtlichen Bürgersfrauen werden ſich ferne halten vom Prachtſaale im Rathhauſe, bis wieder eine gewählte, eine autonome Verwaltung darin amtirt.

Es gibt noch Adel in Oeſterreich.

Mit Bezug auf den von uns unter obigem Titel gebrachten Artikel erhalten wir aus ariſtokratiſchen Kreiſen folgende Zuſchrift: Der Krach vom 9. November hat ziemlich viele hochadelige Familien mitgenommen,deren Mitglieder ſich von ſogenannten Bankgeſchäften zu großartigen Börſeſpeculationen hatten verführen laſſen. Sie büßen es um ſo ſchwerer, als Noblesse oblige und die Differenzen ohne Widerrede bezahlt werden; von einem Ausbleiben dieſer hochadeligen Speculanten nach dem Beiſpiele jüdiſcher Jobber iſt keine Rede.

Namentlich eine Familie, deren Name edlen ſpaniſchen Klang hat, iſt in Folge rieſiger Differenzen an den Rand des Ruins gerathen. Nicht umſonſt hatte der Familienchef jahrelang freundſchaftliche Be - ziehungen mit dem Chef der größten Gelddynaſtie der Erde gepflogen und letzterer übernimmt nun auf demütiges Bitten des erſteren gegen gute Sicher - ſtellung die allmälige Rangirung des hochadeligen Hauſes.

Ein anderer Hochadeliger, der ſeit Jahren in Verbindung mit geographiſchen Unternehmungen und nur zuvielen anderen, unvortheilhaften Angelegenheiten genannt wird, hat eine kleinere Differenz zu zahlen, eine halbe Million. Da er und Nachkommenſchaft das Patrimonium ſchon zu ſehr angegriffen haben, wußte ſich der edle Herr diesmal nicht mehr anders zu helfen, als daß er ſeinen alten Freund, den Chef der zweilgrößten Gelddynaſtie (welcher Chef durch ſeine orientaliſchen Raubzüge berüchtigt iſt) gegen Sicher - ſtellung um ein Darlehen von 500.000 Francs an - bettelte. Es wurde ihm großmüthig gewährt gegen Zuſage von Gegengefälligkeiten. Welcher Natur dieſe ſind, wird gleich nachfolgende Erzählung zeigen. Die fragliche Gelddynaſtie hat unter der verrotteten franzöſiſchen und engliſchen Ariſtokratie längſt feſten Fuß gefaßt, aber der öſterreichiſche Hochadel und Hof blieben für ſie unnahbar. Nun fungirte vor Jahren durch eine ungezählte Reihe von Faſchingen in den höchſten Kreiſen ein äußerſt beliebtes aber ebenſo verſchuldetes Gräflein als Vortänzer. Dieſem ſagte unſer jüdiſcher Milliardär: Oeffnen Sie mir durch Ihren Einfluß die mir jetzt verſchloſſe - nen hochariſtokratiſchen Thüren, ſo zahle ich Ihnen alle Schulden. Denn in dem Geldjuden brannte der Ehrgeiz und außerdem konnte es ja nur im Ge - ſchäft nützen. Wochenlang agitirte und intriguirte das Gräflein, fuhr vom Fürſten X. zur Gräfin Y. und zum ... Herzog Z., endlich mußte er ſeinem Juden - gönner betrübt melden, Alles ſei vergeblich, er könne ihm die Aufnahme in die hochadelige Geſellſchaft Oeſterreichs nicht vermitteln. Aus der Schulden - zahlung wurde nichts, aber der Milliardär ſchenkte dem Gräflein für ſeine Mühe eine ſchöne Jagdflinte. Das war anno dazumal. Vielleicht wird der Judenbaron jetzt in Folge des 500.000 fl. -Darlehens die langerſehnte Aufnahme erreichen?

Graf Badeni für das böhmiſche Staatsrecht.

Der Herr Miniſterpräſident hat bereits die beſte Abſicht, ſich über die hiſtoriſchen Grundlagen der ſtaatsrechtlichen Aſpirationen der Jungezechen ſtreng ſachlich und genau informiren zu laſſen. Zu dieſem Zwecke wurde ein czechiſcher Beamter im Miniſterium des Innern, Bezirkscommiſſär Peter Schlachta, Ritter von und zu Wsſchrtsky Wsſch[r]d beauftragt, ſich in das Studium der geheimen Archivs-Acten des Miniſteriums zu vertiefen und aus denſelben hervor - zuholen, was am ſogenannten böhmiſchen Staatsrechte Wahres und Nicht Wahres iſt. Veranlaſſung ſoll hiezu ein in der Zeitſchrift Zeit erſchienener Artikel über das höhmiſche Staatsrecht gegeben haben, welcher zwar von dem Reichsraths-Abge[o]rdneten Dr. Kramar ver - faßt wurde, dem Grafen Badeni aber trotz aller neuen Freundſchaft für die Jungczechen nicht objectiv genug erſcheint. Der Herr von Wsſchrtsky-Wsſchrd wird in dieſer Sache zweifellos objectiv ſchreiben. (??)

Bezeichnend iſt, daß dieſe Nachricht gerade jetzt auftaucht, wo die böhmiſchen Blätter den unmittelbar bevorſtehenden Rücktritt des Grafen Thun anzeigen und von wichtigen Unterredungen zwiſchen dem Grafen Badeni und jungezechiſchen Abgeordneten zu berichten wiſſen. Man ſieht aus Allem, daß Graf Badeni eifrig um die Gunſt der Jungczechen buhlt die deutſche Linke wird dies freilich nicht abhalten für den Grafen Badeni auch weiterhin zu ſchwärmen und, wenn er be - fiehlt ſelbſt für das böhmiſche Staatsrecht zu ſtimmen.

Keſſeltreiben gegen den Nuntius.

Wir entnehmen dem Budapeſter Tagblatt die folgende intereſſante Wiener Correſpondenz:

Ich weiß nicht, ob Sie bemerkt haben, daß in den letzten Wochen ein förmliches Keſſel - treiben gegen den päpſtlichen Nuntius Mſgr. Agliardi in Scene geſetzt wird. Daß die An - griffe, die auf ihn gerichtet werden, keine zu - fälligen ſind, das geht wohl aus dem Paralle - lismus und aus der Gleichzeitigkeit derſelben hervor. Angefangen hat das Concert in Rom. Dort wußte der Popolo Romano , das verbreitetſte Blatt der ewigen Stadt, zu erzählen, daß zwiſchen Oeſterreich - Ungarn und dem Batican eine ernſthafte Spannung beſtehe, an der der Umſtand Schuld trage, daß Mſgr. Agliardi noch nicht abberufen ſei. Gleich darauf wußte ein Berliner Blatt eine große Intrigue zu enthüllen, die von Mſgr. Agliardi angezettelt worden ſei. Es handle ſich darum, den Dreibund zu ſprengen. Cardinal Rampolla wolle das eigentlich ſelbſt nicht, aber es ſchien, daß der Papſt und ein Erz - herzog ihn dazu drängten! Das eigentliche Werk - zeug ſei Mſgr. Agliardi (!), da aber dieſer ſich nicht vorwagen dürfe, ſo bediene er ſich des Feldbiſchofs Mſgr. Belopotoczky und des Abgeordneten Grafen Sylva-Taroucca. Angeſtrebt werde der Umſturz der dualiſtiſchen Verfaſſung, die ſociale Revolution und natürlich die Sprengung des Drei - bundes. Man wird zugeben, daß das für einmal etwas viel iſt. Aber der Appetit kommt bekanntlich im Eſſen. Dieſer läppiſche Artikel nun circulirt in den meiſten vom Preßbureau abhängigen kleinen Blättern Oeſterreichs und ſcheint auch in einigen mehr ab - hängigen ungariſchen Blättern Eingang gefunden zu haben.

Nun wird aber auch mit groben Geſchützen gearbeitet. Man ſchreibt den Times aus Wien, daß zwiſchen Wien und Rom eine ernſte Spannung beſtehe, daß Graf Revertera, unſer Botſchafter beim Vatican, nicht eher nach Rom zurückkehren werde, bevor nicht Mſgr. Agliardi abberufen ſei. Minder diplomatiſch, aber immerhin ehrlicher als ſeine römiſchen und Berliner Collegen, läßt der Wiener Correſpondent der Times die Katze aus dem Sack, indem er erklärt, daß in Bezug auf öſterreichiſche Angelegenheiten zwar auch allerlei Gravamina gegen den Nuntius beſtänden, daß aber ſelbſtverſtändlich die Ein - miſchung des Nuntius in ungariſche Angelegenheiten die Urſache ſei, weshalb ſeine Abberufung verlangt werde. Nachdem die katholiſche Sache in Ungarn endgiltig geſchlagen (» finally defeated «) ſei, ſo habe man die Abberufung als etwas Selbſtverſtändliches erwartet. Daß ſie nicht erfolgt ſei, beſtärke die Ueberzeugung, daß der Vatican die umſtürzleriſchen Elemente in beiden Hälften der Monarchie beeinfluſſe, um die beſtehenden Be - hörden in Verlegenheit zu bringen! Jetzt alſo wiſſen wir es wenn Socialdemokraten und Agrarſocialiſten irgendwo ſich rühren, ſo kommt das Schlagwort und der Befehl von Rom und das Geld kommt vom Grafen Sylva-Taroucca, der als ein Mann, der eine Million Gulden Jahresrevenue hat, ſozuſagen der ge - borene Alliirte der Communiſten iſt. Das Keſſel - treiben gegen den Nuntius hat einen unzweifel - haft klaren Zweck. Wohin es tendirt, iſt vollkommen klar, intereſſant wäre es nur feſtſtellen zu können, von wo es ausgeht. Denn hier wenigſtens ſchieben die Leute des Grafen Badeni die Ver - antwortung dem Grafen Goluchowski, und die Leute des Grafen Goluchowski hinwiederum die Verantwortung dem Baron Banffy zu. Viel - leicht ſchiebt Baron Banffy dieſelbe wieder auf den Grafen Badeni. Die Frage bleibt alſo offen: Woher?

In der nächſten Nummer beſchäftigt ſich das Budapeſter Tagblatt abermals mit dem päpſtlichen Nuntius in Wien und ſchreibt:

Wie man in den Kreiſen der ungariſchen Re - gierungspartei ſehr geheimnißvoll erzählt, ſteht die Reiſe Baron Deſider Banffy’s nach Wien, welche der Miniſterpräſident Ende dieſer Woche antreten will, auch mit der Agliardi - Affaire in Verbindung. Es ſoll wieder eine Interpellation geplant ſein, in welcher Baron Bauffy ſeiner ſattſam bekannten Liebe für den Wiener Nuntius Ausdruck zu geben gedenkt. 2Wien, Dienſtag Reichspoſt 10. December 1895 283Vorher wird jedoch das Wiener Terrain ſondirt, und falls Graf Goluchowski nichts dawider einzuwenden hat, wird man bald wieder das Duett Terenyi-Banffy zu hören bekommen, das in der diplomatiſchen Welt bekanntlich ſeit dem Sturze Kalnoky’s einen guten Klang hat.

Faufare und Chamade.

Caſimir der Gerechte, womit wir nicht jenen König Caſimir II. von Polen meinen, der dieſen ehrenvollen Beinamen führte, ſondern unſer Caſimir, der ſchon deshalb nicht der II. ſein kann, weil er der Einzige iſt, alſo Caſimir der Ge - rechte und Einzige hat ein Kreuz mit unſeren Statt - haltern. Wie man weiß, iſt die Stellung der Statt - halter in Oeſterreich in den letzten Jahren der Aera Taafſe und in der Zeit des Coalitions-Miniſteriums ziemlich verändert worden. Früher war der Statt - halter der erſte Beamte des Landes, der gewiſſe Ehrenrechte genoß, ſchließlich aber doch nur der erſte Beamte. Jetzt iſt das vielfach anders. An Stelle der Beamten ſind die Vicekönige ge - treten. Jeder derartige Vicekönig hat ſein Land in General-Entrepriſe übernommen und macht dort ſo ziemlich, was er will und kann. Jedenfalls macht er Politik auf eigene Fauſt. Ein ſolcher Vicekönig war Graf Badeni ſelbſt in Galizien, ein ſolcher in Graf Thun iſt Böhmen, iſt Graf Kiel - mansegg in Niederröſterreich, Herr v. Rinal - dini im Küſtenlande.

Zwei dieſer Vicekönige nun haben dem Grafen Badeni große Verlegenheiten zugezogen. Graf Kiel - mansegg hat ihm die Wiener Frage einge - brockt. Graf Thun hat ihm die ſchwere Niederlage bei den Landtagswahlen in Böhmen auf den Hals geladen. Es iſt nun intereſſant zu ſehen, wie ſich Caſimir der Gerechte zu dieſen verſchiedenen Statt - haltern verſchieden ſtellt. Den Grafen Kielmans - egg behandelt er geradezu unbarmherzig. Er hat ihn in der Wiener Frage desavouirt, er hat ihn nun - mehr zum drittenmale in der Frage des Beamten - erlaſſes desavouirt. Das letzte Desaveu iſt ſo ſchroff, daß man eigentlich annehmen ſollte, es werde dem Grafen Kielmansegg als etwas zu ſtarker Tabak er - ſcheinen und er werde um ſeine Entlaſſung bitten.

Aus einem ganz anderen Tone wird dem Grafen Thun gegenüber geblaſen. Graf Kielmansegg iſt ein ſimpler, hinauf - avancirter Beamter, und da er Proteſtant, Ausländer und mit einer Ausländerin verheiratet iſt, hat er keinerlei beſondere Verbindungen oder Stützen in der öſterreichiſchen Geſellſchaft. Anders liegen die Dinge beim Grafen Thun. Er iſt reich, er iſt vornehm von Herkunſtk viel vornehmer als Graf Badeni, durch ſeine Heirat mit einer Prtnzeſſin Schwarzen - berg gehört er der Elite der europäiſchen Ge - ſellſchaft an. Mit ſolchen Leuten bindet Caſimir der Gerechte nicht gerne an. Die Römer hatten eine Redensart, die beſagt, daß man die Unterworfenen ſchonen und die Stolzen vernichten müſſe. Caſimir der Einzige huldigt den entgegengeſetzten Maxmen. Er iſt unerbittlich und ſchonungslos gegen die Schwachen, aber ſehr verträglich mit Solchen, von denen er glaubt, daß ſie ſich eventuell als ſtärker er - weiſen könnten, wie er ſelbſt. So zieht er denn dem Grafen Thun gegenüber ganz andere Saiten auf, als gegenüber dem Grafen Kielmansegg. Er läßt ihm durch das Fremdenblatt zwar einen väterlichen Verweis in dem Sinne ertheilen, daß der Herr Vicekönig künftighin nicht mehr auf eigene Fauſt Politik machen könne, aber er vermeidet alles was den Grafen Thun verletzen oder brüskiren könnte. Der Situation würde es entſprechen, daß Graf Thun zurücktritt und zwar aus Rückſicht auf die Jungczechen, die für die Dauer nur, zu gewinnen ſind, wenn man den Ausnahms-Starhalter opfert. Graf Badeni weiß das Gewiß auch, aber er hat nicht den Muth an den Grafen Thun zu rühren, weil er ſich nicht ſtark genug fühlt mit dem böhmiſchen Hochadel zu brechen. Gegen den Grafen Kielmannsegg läßt er eine Fanfare ertönen, vor dem Grafen Thun ſchlägt er Chamade. Klug mag das ſein, nur iſt es nicht eiſern und auch von der Führung läßt ſich dabei wenig ſehen.

Inland.

Oeſterreich.

Der ruſſiſchen Novoje Wremja wird aus Wien berichtet, daß es dem Grafen Badeni gelungen iſt, die czechiſche Oppoſition zu ſpalten und daß es ihm mit Hilfe verſchiedener Verſprechungen auch gelingen wird, alle Czechen für ſich zu gewinnen. Auf die Anregung des Miniſterpräſidenten ſoll in Wien vom Neujahr ab ein Journal Die ſlaviſche Poſt herausgegeben werden, welches zur Aufgabe haben ſoll, die öſterreichiſchen Slaven zu überzeugen, daß ſie eine Beſſerung ihrer politiſchen Lage nur dann zu erwarten haben, wenn ſie ſich der polniſchen Führung überlaſſen.

Die Prager Politik brachte geſtern einen Leit - artikel, in welchem ſie die Jungczechen zur Führer - ſchaft in dem Kampfe für die Wahrung der Intereſſen Oeſterreichs anläßlich der Erneuerung des Aus - gleiches mit Ungarn auffordert, mit der Begründung,daß Dr. Lueger, der zuerſt die Fahne in dieſem Kampfe entfaltete, zu ſehr durch die Wiener Frage präoccupirt ſei. Da iſt die Politik nicht gut informirt, denn gerade bei der ſich entwickelnden großen Volksbewegung gegen die Präponderanz und die Uebergriffe Ungarns iſt Dr. Lueger der natürliche Führer und die Wiener Frage wird ihn nicht abhalten, ſeine bewährte Kraft in die Dienſte dieſer wahrhaft öſterreichiſch-patriotiſchen Bewegung zu ſtellen. Man wird jeden Bundesgenoſſen bei dieſem Kampfe mit Freuden begrüßen, aber den Mann bei Seite ſchieben zu wollen, den man gewiſſermaſſen als Opfer dem transleithaniſchen Wärwolf hinwerfen wollte, das wäre einfach unverſtändig, ja eine Gefahr für die gute Sache. Die chriſtliche Bevölkerung nicht blos Wiens, ſondern ebenſo der Kronländer hat in dieſer Frage bereits Stellung genommen, ſie will den braven Patrioten an ihrer Spitze ſehen und er wird ſie in dieſem Kampfe zum Siege führen.

Zur gewaltigen Kundgebung der Wiener Be - völkerung gegen die jüdiſch-liberale Preſſe vom 59. v. M. ſchreibt » Le Bien du Peuple « (Lüttich) vom 4. d. Am Abend des 29. v. M. fanden 19 Wählerverſammlungen ſtatt. Ueberall folgte eine große Volksmenge geſpannt den Ausführungen der chriſtlich-ſocialen Redner.

Die Tagesordnung war in allen Verſammlungen die gleiche: Proteſt gegen die Nichtbeſtätigung des ge - wählten Bürgermeiſters Dr. Lueger und Organiſirung eines unerbittlichen Kampfes gegen den mächtigſten Feind des chriſtlichen Volkes, die jüdiſch-liberale Preſſe. Dieſer Kampf wurde in allen Verſammlungen ein - ſtimmig beſchloſſen.

Ueberall wurden die Anträge der Redner, kein einziges jüdiſch-liberales Blatt durch Abonniren, Leſen, oder durch Inſertion zu unterſtützen, mit lebhaftem Beifall ſeitens der enormen Zahl der Theilnehmer angenommen. Krieg der feindlichen, Schutz und För - derung der chriſtlichen Preſſe! Das iſt ein ausge - zeichneter taktiſcher Anfang einer wahrſcheinlich ſehr bewegten Wahlperiode. Auch der Reichspoſt gedenkt das Blatt im Weiteren:

Das Hauptorgan der chriſtlich-ſocialen Bewegung, die vor kaum zwei Jahren gegründete Reichspoſt ſieht ſich gezwungen, ihr Format zu vergrößern, ſich in größeren, entſprechenderen Räumen zu inſtalliren, und mit Hilfe vollkommenerer Maſchinen zwei Mal des Tages zu erſcheinen. Dieſe unaufhörlichen Fort - ſchritte beweiſen den Fortſchritt des chriſtlichen Ge - dankens.

Es gibt aber nichtsdeſtoweniger noch Unzufriedene. Katholiſche Organe, deren Vergangenheit ſehr ver - dienſtlich iſt, beklagen ſich, voll ſcheeler Eiferſucht, über die junge chriſtlich-ſociale Partei. Wenig nur fehlt, und ſie würden mit ihr ſtrenger ins Gericht gehen, als gegen die hartgeſottenſten Liberalen. Hoffen wir, daß die Erbitterung der Alten nachläßt, ohne Boden - ſatz zurückzulaſſen!

Bezüglich der Poſition des Statthalters Grafen Franz Thun in Prag bemerken die Nar. Liſty , das Verbleiben desſelben auf dem böhmiſchen Statt - halterpoſten nach Eröffnung des neuen Landtages würde das Fehlſchlagen der ganzen Politik Badeni’s bedeuten.

Für die bevorſtehenden Gemeindewahlen in Brünn haben auch die Czechen 15 Candidaten nomi - nirt. In dem Wahlaufrufe wird geſagt, die Czechen wollen Brünn nicht etwa ſlaviſiren, ſondern nur die ſtricte Gleichberechtigung in Schule und Gemeindeamt durchſetzen. Uebrigens ſind die czechiſchen Candidaten nur als Zählcandidaten aufgeſtellt.

Wie aus Lemberg berichtet wird, wurde der Prälat Weber der dortigen Erzdiöceſe zum Biſchof von Temnos präconiſirt.

Ungarn.

Laut Meldungen ungariſcher Blätter wurden im Trencſiner Comitat faſt ſämmtliche Comitats - ausſchußwahlen, wo die Volkspartei geſiegt hat, annullirt, hingegen ſämmtliche liberale Ausſchuß - mitglieder approbirt, obwohl z. B. in Staßko das Wahlreſultat gar nicht verkündet war, nachdem die Liberalen ſelbſt jene Wahl als mißlungen bezeichnen mußten. Echt judenliberal.

Einem Budaveſter Blatte zu Folge ſollen in der nächſten Zeit (um Neujahr) mehrere ungariſche Honved - Generale penſionirt, reſpective durch Generale der gemeinſamen Armee erſetzt werden. Der FML. Zoltan wurde bereits durch den croatiſchen Brigadier Klo - bucar erſetzt, der zugleich zum Generalinſpector der Honvedcavalerie ernannt wurde, Die FML. Graf Schlippenbach und Wojnarovich werden gleichfalls penſionirt und durch die Generale Gaudernak und Szakonyi erſetzt. Von ſieben Diſtrictscommandanten werden fünf penſionirt und zwar die FML. Pokay, Janky, Say, Hild und Jelenſek und wegen der be - kannten Szemencz-Affaire ſoll auch der G. d. C. Fo - rimyak den blauen Bogen bekommen.

Ausland.

König Oscar

iſt geſtern für die Aufrechthaltung der ſkandinaviſchen Union perſönlich mit einer Rede an die Mitglieder des Unioncomites eingetreten. Das Ziel dieſes Comites müſſe, ſo ſagte der König, die Zuſammenhaltung der Union ſein, es ſei ja auch vomgemeinſamen König einberufen worden. Die Beſtim - mung der Unionsverfaſſung, daß die beiden Reiche unter Einem Könige vereint ſein ſollen, beſchränke thatſächlich die Souveränität ſowie die erforderliche Selbſtſtändigkeit der einzelnen Reiche auf gewiſſen Gebieten; darin liege aber gar nicht eine Herabſetzung für die einzelnen Reiche und auch die Gleichberechtigung der Bevölkerung werde dabei nicht vermindert. Das Uebereinkommen ſei ja freiwillig ſchon im Jahre 1814 abgeſchloſſen und ſpäter geſetzlich feſtgeſtellt worden. Mögen nur nicht die im voraus gefaßten Meinungen Jemanden hindern, ſeine Billigung vernünftigen Löſungen zu geben. Mögen nur nicht Gedanken an eine Oberhoheit oder eine Scheidung der Herrſchaft aufkommen, zum Schaden der Union. Möge Ihre Arbeit zu Vorſchlägen von klaren Verfaſſungs - Beſtimmungen führen, die ein glückliches Leben fördernkönnen.

Heute Mitternacht zog über Berlin ein heftiges Gewitter unter den grellſten Blitzen und heftigen Donnerſchlägen weg, gleichzeitig tratſtarker Schneefall ein.

Reuters Office meldet aus Conſtantinopel, Said Paſcha ſei Mittwoch Abends in Begleitung ſeines 12jährigen Sohnes bei dem engliſchen Botſchafter Sir Ph. Currie erſchienen und habe denſelben um ein Aſyl gebeten, das ihm ſofort gewährt wurde Der Sultan ſoll verſucht haben, Said Paſcha zur Wiederübernahme des Großvezierates und zum Bezuge der in dem Chalet des Yildigparkes gelegenen Wohnung Midhats Paſcha zu bewegen. Said Paſcha ver - weigerte beides, gewiß aus ernſten Beweagründen. Man glaubt, daß dieſes Ereigniß zu einem Wende - punkte in der Geſchichte der Türkei werden könnte. Der Sultan habe dann verſucht, durch Tewfik Paſcha und ſpäter durch den engliſchen Bot - ſchafter Said Paſcha unter Schutzverſprechungen zur Rück - kehr in ſeine Wohnung zu bewegen. Sir Currie lehnte jede Einmiſchung ab. Said Paſcha fürchtet wohl nicht mit Unrecht für ſein Leben, denn der Sultan hält ihn für das Haupt der revolutionären Bewegung.

Die Botſchafter ſind heute bei dem franzöſiſchen Botſchafter Cambon zu einer Berathung der Lage zuſammengetreten.

Reichsrath.

Abgeordnetenhaus. Sitzung am 9. December.

Die vorliegenden Nothſtands-Dringlichkeitsanträge werden der Regierung zur Einleitung von Erhebungen, eventuell zur Inanſpruchnahme eines Credits wegen Ver - hinderung des Nothſtandes abgetreten und hierauf das Berginſpectorengeſetz in dritter Leſung angenommen.

Sodann wird in die Generaldebatte über den Staats - voranſchlag und das Finanzgeſetz pro 1896 eingegangen.

Abg. Dr. Strausky ergreift das Wort.

Gemeindezeitung.

Liberale Wahlvorbereitungen .

Wie wir bereits gemeldet haben, hat ſich der deutſch-fortſchrittliche Verein Hietzing, von wo ſo triumpfirend die Wiedereroberung Wiens proclamirt wurde, über Rücktritt des Obmannes Dr. Seidler aufgelöſt und iſt die liberale Partei im 13. Bezirke ohne Führung. Für die Auflöſung lagen viele Gründe vor, erſtens die Unpopularität, überhaupt der rapide Schwund der Mitglieder, und last not least der ungemeine Terrorismus der Parteigrößen. Männner wie Dr. Seidler, geweſener Stadtrath von Götz, der durchgefallene Can - didat Wenzel Richter der Antiſemitenfreſſer Lang - ſteiner und zuletzt Salomon Beer haben in der Be - völkerung jeden Anklang verloren; dazu kam noch, man ſollte es nicht glauben, der Mangel an Kleingeld. Das bei - ſpielloſe Fiasco der letzten Wahlcampagne wirkte wie be - täubend und der Reſt iſt eine Flucht wie ſie nur Liberale zu Stande bringen. Die gemachten Verſuche, den Verein zuſammen zu leimen, mißlangen vollſtändig. Er ruhe in Frieden!

Verſammlungen.

Eine Verſammlung in Zwittan.

Wie mächtig die antiliberale Bewegung auch in der Provinz aufflammt, dafür iſt die geſtern in der nord - mähriſchen Stadt Zwittau abgehaltene geradezu großartige Verſammlung ein ſprechender Beweis. Dieſelbe wurde als freie Verſammlung von einem Bürgercomite einberufen und fand im größten Local der Stadt, dem ſtädtiſchen Schützenſaale, ſtatt. Von den ſtädtiſchen Sicherheitsorganen wurde eine Zählung der Theilnehmer vorgenommen. Wohl - gezählte 1268 Perſonen füllten den Saal, der bis aufs letzte Plätzchen beſetzt war. Die ſpäter kommenden vielen Hunderte mußten unverrichteter Dinge abziehen. Nach der Begrüßung durch den Eröffner, dem hochw. Herrn Schinzel, wurde das Präſidium der Verſammlung gewählt und der Eröffner mit dem Vorſitze betraut. Zum erſten Punkte der Tagesordnung, Die Lage der Kleingewerbe - treibenden, der Bauern und Arbeiter und die großen ſocialen Fragen der Gegenwart , ergriff Herr Julius Axmann aus Wien das Wort und ſchilderte eingehend die Sünden, welche der Liberalismus an dieſen Ständen be - gangen und denen die Hauptſchuld an dem rapiden Verfalle des Mittelſtandes zufällt. Hierauf beſprach der Redner die Ziele der ſocialdemokratiſchen Partei, die er einer ver - nichtenden Kritik unterzog, und ſchloß mit der ausführlichen Darſtellung des chriſtlich-ſocialen Programmes. Minuten - langer Beiſall folgte dieſen Ausführungen. Und obwohl zahlreiche Anhänger der Socialdemokratie und einige notoriſche Liberale in der Verſammlung anweſend waren, meldete ſich doch Niemand zur Erwiderung zum Worte, obwohl der Vorſitzende mehrmals eine diesbezügliche Auf - forderung ergehen ließ. Nun betrat, ſtürmiſch begrüßt, Herr Reichsraths-Abgeordneter Dr. Geßmann die Redner - tribüne, um über die gegenwärtige politiſche Lage zu ſprechen. Er ſchilderte die Thätigkeit des jetzigen Abge - ordnetenhauſes auf wirthſchaftlichem Gebiete, wie für die3328 Wien, Dienſtag Reichspoſt 10. December 1895großen, producirenden Stände ſo gut wie gar nichts ge - ſchehen ſei, obwohl deren Nothlage immer greller zu Tage trete. Ein Antrag auf Gewährung von 500.000 Gulden als Subvention für die nach Millionen zählenden Klein - gewerbetreibenden ſtoße auf große Schwierigkeiten ſeitens der Regierung und finde keine Unter - ſtützung ſeitens der großen Parteien, während die Bewilligung der Subvention für den Lloyd und die Donaudampfſchiffahrt im Betrage von 50 Millionen Gulden von dieſem Hauſe ſofort bewilligt wurde. In ein - gehender Weiſe ſchilderte dann der Redner die Verlogenheit der liberalen Partei in Beziehung auf die nationale Idee, die in unerhörter Weiſe für die ſelbſtſüchtigen Intereſſen einer Clique mißbraucht wurden, während die große Maſſe des Volkes der Verelendung und Verarmung anheimfiel. Zum Schluſſe gab der Redner eine eingehende Schilderung der Wiener Verhältniſſe und ſchloß unter geradezu be - geiſtertem Jubel der Verſammlung mit dem Appell zur Organiſation aller ehrlichen Freunde des chriſtlichen und deutſchen Volkes. Hierauf wurde, da Niemand ſich zum Worte meldete, die Verſammlung mit Hochrufen auf die Redner geſchloſſen.

Die Organiſation der antiliberalen Partei in Zwittau erwies ſich bei dieſem Anlaſſe als eine geradezu muſterhafte. In der Verſammlung ſelbſt waren alle Stände, von den Honoratioren der Stadt bis zur Arbeiterſchaft der Cigarrenfabrik, ver - treten. Das Hauptverdienſt daran gebührt dem hochw. Herrn Cooperator Schinzel, der einen katholiſchen Arbeiter - verein leitet, der weit über 700 Mitglieder zählt, in ſeinem großen Heim ein Theater errichtet hat und gegenüber der Socialdemokratie unbedingt die Oberhand hat. Auch um die Vorbereitung der chriſtlichen Preſſe hat ſich derſelbe die größten Verdienſte erworben, welchem Umſtande die Verbreitung des Deutſchen Volksblattes und der Reichs - poſt in der dortigen Gegend zu danken iſt.

Hinaus mit der Judenpreſſc!

Geſtern fanden in verſchiedenen Bezirken Verſammlungen chriſtlicher Frauen ſtatt. Der Zweck dieſer Verſammlungen iſt bekannt. Jetzt vor Weihnachten ſollen ſich die Frauen erinnern, daß ſie ſich ſelbſt, ihrem Volke und der chriſtlichen Sache überhaupt, den größten Dienſt und zugleich das ſchönſte Weihnachtsgeſchenk machen können, wenn ſie jetzt vor Weihnachten ihre Einkäufe nur bei Chriſten beſorgen, und aus dem Hauſe, aus ihrer Familie die Schand - und Schundpreſſe entfernen. Die Frauen müſſen beginnen, wenn die Frauen einſtimmen in den Ruf: Hinaus mit der Judenpreſſe! ſo ſind wir ſicher, daß ſich der Sieg endlich an unſere Fahnen knüpfen wird. Im Saale zum grünen Baum , auf der Marlahilferſtraße, fand die für die Bezirke Neubau-Mariahilf einberufene Verſammlung ſtatt, in welcher die Reichsrathsabgeordneten Fürſt Liecheenſtein und Dr. Lueger, ſowie Herr Zuleger unter ſtürmiſchem Jubel Anſprachen hielten. Im Saale der Reſſource hatten ſich die Joſefſtädter Frauen verſammelt. Hier ſprachen die geweſenen Gemeinderäthe Hochwürden Herr Adam Latſchka, Dr. Neumayer und Dr. Kupka. In Hernals fand in den Klein’ſchen Sälen die Verſammlung ſtatt, in der Dr. Lueger, Fürſt Liechtenſtein, Gemeinderath Rauſcher, vor vielen Tauſenden chriſtlichen Frauen redeten. In Währing ſprachen. Pfarrer Dr. Ignaz Winkelmayer, Dr. Ludwig Pfenner und Herr Gebhart.

Tagesbericht.

* Kalender für Dienſtag, den 10. December

Ratholiken: Judith. Griechen (28. No - vember): Stephan. Sonnenaufg. 7 Uhr 40 Minuten Morgens. Sonnenuntergang 4 Uhr 5 Minuten Abends. Mondesaufgang 11 Uhr Minuten Abends. Mondesuntergang 8 Uhr 9 Minuten Morgens. Tageslänge 8 Stunden 23 Minuten. Nachtlänge 15 Stunden 37 Minuten. 347 22.

* Cardinalsdiner.

Geſtern Abends fand beim apoſtoliſchen Nuntius Eczbiſchof Agliardi ein großes Diner ſtatt, an welchem Cardinal Gruſcha, Cardinal Sembratovics, Cadinal Haller, die beiden päpſtlichen Delegaten, die Mitglieder der Nuntiatur und der Secretär des Cardinals Gruſcha, Dr. Pfluger, theinahmen. Cardinal Haller begibt ſich heute Abends nach Salzburg zurück.

* Verſonalnachricht.

Der Führer der katholiſcheu Volkspartei in Ungarn, Geheimrath Graf Ferdinand Zichy iſt geſtern aus Peſt hier angekommen.

* Aus Steiermark.

In einem größeren Markte iſt ein Oberlehrer angeſtellt, der ſeine religiösfeindliche Geſinnung offen zur Schau trägt. Eine brave Magd, die bei ihm ſchon lange dient, hat ſchon lange die Ab - ſicht dem dortigen Jungfrauen-Vereine beizutreten. Der Oberlehrer verbot es ihr unter Androhung der Entlaſſung aus dem Dienſte. Das ſoll ein Jugend - erzieher ſein, der bei jeder Gelegenheit nur mit dem ſchlechten Beiſpiele vorangeht?

* Frauenverſammlung des 7. Bezirkes Neuban.

Sonntag 15. December 2 Uhr Nachmittags findet in Wimberger’s Saallocal täten eine Frauenverſammlung nach - ſtehender Tagesordnung ſtatt: Organiſation der chriſtlichen Frauen zum Schutze des chriſtlichen Volkes. Ueber die geiſtigen Kampfesmittel in der Gegenwart. Die jüngſten Ereigniſſe, Beſprechung, eingeleitet von Frau Gatſcharek, Herrn Dr. Carl Lueger und Herrn Dr. Albert Geß mann. Um eine Ueberfüllung der Localitäten zu ver - hüten, werden nur 1500 Karten ausgegeben und blos Damen der Eintritt geſtattet. Karten ſind zu haben: bei Joſef Gregorig, 7. Bez, Mariahilferſtraße 22, bei Anton J. Singer, 7. Bez., Burggaſſe 46, bei Andreas Weitmann, 7. Bez., Lerchenfelderſtraße 145, bei Carl Stehlik, 7. Bez, Lerchenfelderſtraße 33, bei Franz Zeininger, 7. Bez., Ulrichs - platz 2, bei Johann Pichler, 7. Bez., Stuckgaſſe 8.

* Recht und treu , Lied der katholiſchen Arbeiter.

Im Verlage von Böhm und Sohn, Augsburg und Wien (1. Bez., Wollzeile-Eſſiggaſſe[3]), iſt das dem kalholiſchen Arbeiterverein in Würzburg gewidmete Arbeiterlied erſchienen. Der Text ſtammtvon Erzbiſch[o]f Clemens von Köln, die Muſik von K. H. Weinberger. Ein erhebender Text bot dem Componiſten eine treffliche Unterlage für eine ebenſo markige als ſchwungvolle Muſik. Wir würden uns freuen, dieſes Lied recht bald in den katholiſchen und chriſtlich-ſocialen Arbeitervereinen zu hören.

* Verhafteter Defrandant.

Der 29jährige Elektriker Johann Theyner der vom Kreisgerichte in Ried wegen Veruntreuung eines Betrages von ungefähr 4000 fl. ſteck brieflich verfolgt wird, iſt heute in der Wohnung ſeiner Gattin, Leopoldſtadt, Valerieſtraße 2, von Polizetagenten ausgeforſcht, verhaftet und dem Landesgerichte eingeliefert worden. Er war Leiter der Filiale der Elektricitätsfirma Kremenetzky, Mayer u Comp. in Ried.

* Der moderne Parlamentarismus, das Unglück des XIX Jahrhunderts

betitelt ſich das ſoeben erſchienene V. Heft des bekannten ſocial-reformatoriſchen Werkes: Rettung aus dem ſocialen Elend von Dr. L. Pſenner, Präſident des Chriſtlich-ſocialen Vereines in Wien im Selbſtverlage des Verfaſſers (Wien 8. Bez., Buchfeldgaſſe 8. Preis 20 kr. und 2 kr. Porto). Dieſe, für die chriſtlich - ſociale Partei äußerſt wichtige Schrift wird den Ge - ſinnungsgenoſſen auf das wärmſte zur weiteſten Ver - breitung empfohlen.

* Einbruchsdiebſtahl.

In der Kaſerne am Renn - weg wurde Samſtag im Hofe an einen Baum gelehnt eine kleine eiſerne Caſſe offen vorgefunden. Bei näherer Be - ſichtigung ſah man, daß die Caſſe mit Hilfe von Einbruchs - werkzeugen aufgeſprengt worden war, und Eigenthum des 2. Kaiſerjäger-Regiments war, aus deſſen Ubicationen dieſelbe geſtohlen wurde. In der Caſſe ſollen 1800 fl. bar und Werthpapiere bewahrt geweſen ſein. Seitens der Vorgeſetzten wurde ſofort eine ſtrenge Viſitation einge - leitet. Keiner von der Mannſchaft durſte die Caſerne ver - laſſen, allein die Nachforſchungen nach dem Thäter blieben bisher reſultatlos.

* Seelenamt.

Heute Vormittags um 10 Uhr wurde in der Capelle des kaiſerlichen Stiſtungshauſes auf dem Schottenring, wie jedes Jahr, ein feierliches Requiem für das Seelenheil der Opfer des Ringtheaterbrandes abge - balten. Das Traueramt celebrirte Hof - und Burgpfarrer Prälat Dr. Laurenz Mayer. Dem Gottesdienſte wohnten die Mitglieder des Ringtheater-Curatoriums und die Hinterbliebenen der unglücklichen Opfer bei.

* Eine brennende Korbwaarenfabrik.

Samſtag Abends um ½6 Uhr brach im Magazin der Prag - Rudniker Korbwaarenfabrik Carl und Franz Kraus, Neubaugaſſe Nr. 56 ein Feuer aus, das bald rieſige Dimenſionen annahm nnd den ganzen Dachſtuhl in Flammen ſetzte. Die Fabrik beſteht aus drei Tracten. Der Straßentract und der zweite Hoftract ſind dreiſtöckig. In L[e]tzterem, in dem bis in den dritten Stock hinauf Korbwaaren und Kunſtblumen in den Magazinen lagern, brach das Feuer im zweiten Stocke aus. Die Arbeiter verließen raſch die Fabrik, denn im Nu ſchlugen die Flammen über den Dachſtuhl zuſammen. Der herrſchende Wind fachte den Brand noch mehr an und durch den Funkenregen, der nach allen Seiten hin ſprühte, waren auch die Nachbarhäuſer gefährdet. Die Centrale der ſtädtiſchen Feuerwehr erſchien mit einem Dampflöſchtrain, die Filialen Wieden, Margarethen, Mariahilf, Neubau und Joſefſtadt mit ihren vollſtändigen Trams. Die Dampfſpr[i]tze konnte jedoch nicht in Action treten, da die Zufahrt in Folge der Einrüſtung des erſten Hoftractes, der noch einen Stock erhalten ſoll, unmöglich war. Von der Burggaſſe aus wurden die Waſſerſtrahlen in den praſſelnden Flammenherd geſandt. Um 7 Uhr war jede weitere Gefahr für die Nachbarhäuſer beſeitigt, aber erſt um ¾8 Uhr Abends war der Brand gänzlich unterdrückt. Das Waare[n]lager im zweiten und dritten Stockwerke iſt gänzlich zerſtört. Der Geſammiſchaden beläuft ſich auf 25. [0]00 Gulden. Wie das Feuer entſtand, iſt nicht bekannt. Der Betrieb des Geſchäftes wurde durch das Feuer nicht geſtört.

Telegramme.

Privat-Telegramme der Reichspoſt .

Katholiſche Volkspartei.

Das hieſige Collegiats - capitel mit dem hochwürdigſten Propſt Mſgr. J. Wieſer an der Spitze hat dem allverehrten Obmann des Clubs der katholiſchen Volkspartei, Herrn Baron Dipauli, ſeine begeiſterte Zuſtimmung und beſten Glückwünſche ausgedrückt. Der ganze hieſige Clerus, ohne eine einzige Ausnahme hat ſich freudigſt dieſer Kundgebung angeſchloſſen.

Pfarrer Franz Döller überſendete an die kalhol. Volkspartei im Namen von 22 Prieſtern des Decanates Waidhofen a. d. Thaya ein Begrüßungs - ſchreiben. Der Waldviertler Bauern - verein gibt ſeiner Freude über die Conſtituirung des Clubs der kathol. Volkspartei Ausdruck.

Telegramme des Correſvondenz-Bureaus.

Der Kaiſer genehmigte das Ab - ſchiedsgeſuch des Miniſters des Innern, Köller, unter Belaſſung des Titels und Ranges eines Staatsminiſters, und verlieh demſelben den Rothen Adlerorden 1. Claſſe. Gleichzeitig wurde der Regierungspräſident Von der Recke zum Staatsminiſter und Miniſter des Innern ernannt.

In maßgebenden Kreiſen gilt die Ernennung des Regierungspräſidenten in Düſſeldorf, Freiherrn Von der Recke von der Horſt, zum Miniſter des Innern als unmittelbar bevor - ſtehend.

Geſtern fanden die Kammerwahlen aus dem erſten Wahlcollegium ſtatt. Es wurden gewählt: 3 Conſervative und 72 Liberale.

Der Independance zu Folge iſt eine Verſtändigung zwiſchen England und dem Congoſtaate zu Stande gekommen, der zu Folge Lo - thaire zuerſt vor dem Gerichte in Boma und dannvor dem Obergerichte des Congoſtaates in Brüſſel er ſcheinen ſoll.

Reuter’s Bureau meldet aus Conſtantinopel: Als der Sultan geſtern nach dem Selamlik die Moſchee verließ, gelang es einem Manne in türkiſcher Kleidung, der eine Bittſchrift in der Hand hielt, den Truppencordon zu durchbrechen. Der Mann ſtürzte bis zum Wagen des Sultans vor, wurde aber ſofort verhaftet. Der Sultan war durch den Vorfall höchſt erſchreckt und ſehr bleich. Der Inhalt der Bittſchrift iſt nicht bekannt.

Vorgeſtern Nachts wurden in den mohammedaniſchen Quar - tieren zahlreiche P[l]akate vorgefunden, welche gegen das gegenwärtige Regierungs-Syſtem ſchwere Anklagen erheben und zu einer Vereinigung der Ulemas, Militärs und Beamten, ohne Unterſchied der Nationalität und Religion, ſowie zur Entſendung von Deputationen an die Provinz - Gouverneure und die Pforte auffordern, um die Stimmung und Wünſche der Osmanlis kund zu machen. Die Plakate tragen die Unterſchrift: Das ottomaniſche Comite für Fortſchritt und Einigkeit. Es wurden zahlreiche Ver - haftungen vorgenommen und die in letzter Zeit üblichen militäriſchen und ſonſtigen Vorſichtsmaßregeln erheblich verſtärkt.

Der Präfect von Madrid hat zwar die Abhaltung des Meetings auf dem Prado geſtattet, aber alle Zuſammenrottungen in den Straßen entſchiedenſt verboten. Die Garniſon wird in den Kaſernen conſignirt ſein; außerdem wird zur Hintanhaltung eventueller Unruhen an verſchiedenen Orten Cavallerie Aufſtellung nehmen.

Im Abgeordnetenhauſe be - ſprachen die Abg. Hollo, Makfalvay und Pechy die Stampfener Wahl. Sie proteſtiren gegen das inhu - mane und geſetzwidrige Vorgehen. Abg. Olay ſchloß ſich im Namen der Koſſuth-Fraction den Ausführungen an. Miniſter des Innern, Perczel, warnte das Haus, ein - ſeitigen Informationen Glauben zu ſchenken; unter großem Lärm des Hauſes machte er den vielbelachten Verſuch, das ſcandalöſe Vorgehen bei der Wahl zu rechtfertigen.

Zwiſchen dem Ober - geſpan des Neograder Comitates Budnay und dem Vicegeſpan desſelben Comitates, Scttooszky, fand heute ein Piſtolenduell ſtatt, bei welchem keiner der Duellanten verletzt wurde.

Briefkaſten.

Sch. K. Wir empfehlen Ihnen die chriſtlichen ſoliden Specereifirmen: T. J. Fels, Trieſt, und R. Freudenreich, Wien, 5. Bezirk, Hundsthurmerſtraße 51. Für die Ar - beiterbewegung von D. v. G. 5 fl. Für den Ar - beiter-Rechtsſch[u]tzverein von Ungenannt 50 fl. Nach Leopoldsdorf. Der Bürgermeiſter von Wien muß nicht Doctor der Rechte ſein, Wien hatte wiederholt Bürgermeiſter und Vicebürgermeiſter, die Nichtjuriſten waren. Nach Kirnberg und Mank. Die Firma S. Schein iſt jüdiſch, die Firma Kaliwoda chriſtlich. Abonnent Hernals. Es iſt nicht wahr, daß die angegebenen Firmen jüdiſch ſind. Ihre Informationen ſind gänzlich unrichtig. Wir inſeriren keine einzige jüdiſche Firma.

Wahlfonds der Chriſtlich-Sorialen.

Fr. H., Trebersdorf: Viel Glück zum Siege 2 fl 50 kr. Ottenthal b. Kirchberg am Wagram 4 fl. Franz der Stramme von Margarethen 1 fl. Dr. v. G. 5 fl. Ungenannt 50 fl. B. D., F F., P. A. J. G., M. W., Stift T[e]pl mit dem Motto: Das Größte, was dem Menſchen begegnen kann, iſt es wohl, in der eigenen Sache die allgemeine zu vertheidigen. Dann er - weitert ſich das perſönliche Daſein zu einem welthiſtoriſchen Moment. Leopold v. Ranke. 16 fl. P. R., Aſchach, 2 fl. Ein donnerndes Hoch der Katholiſchen Volks - partei und ihrem Vater. 5 fl. Mit dem Motto: Aus - halten und zuſammenhalten! 2 fl. Ungenannt aus Sievering 3 fl. Von zwei Gurkthalern dem Dr. Lueger als Wanzenpulver 5 fl. Anonymus, Stift Zwettl 5 fl. Von einigen Korneuburger Geſinnungsgenoſſen unter dem Motto: Gott führe das Banner der ver - einigten Chriſten zum Siege! 6 fl. 85 kr. P. T., Lilienfeld, 5 fl. Aus Hörnſtein mit dem Motto: Hoch Dr. Lueger 5 fl. J. G. Zautke 50 kr. Aus Inns - bruck mit dem Motto: Stehet feſt und treu zuſammen, ſchiemt das Erbe Euerer Ahnen: Glaube, Freiheit, Vater - land! 10 fl. Aus Linz: Bravo Kaltern! Hoch Lueger! 1 fl. Von einer Tiſchgeſellſchaft in Weitra 7 fl. 50 kr. Ungenannt, Wien I., 2 fl. F. G., Luſtenau, Vorarlberg 3 fl. H, Teſchen, 3 fl. 7 Kronen mit dem Motto: Gott beſchütze die Führer des chriſtlichen Volkes und helfe ihnen zum Siege. Wenn Lueger hoch und Judenliberal nieder, kommen beſſere Zeiten wieder[. ]Bft. 5 fl, R. 1 fl. 50 kr., H. 50 kr., F. 1 fl., A. 1 fl., B. 1 fl, W. 1 fl. Mit dem Mot[t]o: Warum ſind die wichtigſten Miniſterien in den Händen der Polen? 1 fl. Vom Clerus der Stadt Jägerndorf: Möge Gott der gerechten chriſtlichen Sache bald dauerden, ausgiebigen Sieg verleihen! 15 fl. J. K. 1 fl. Zuſammen 175 fl. 85 kr. Mit den bereits ausgewieſenen 896 fl. 58 kr. und 2 Ducaten, im Ganzen 1072 fl. 43 kr. und zwei Ducaten.

Spenden.

J. Kauf, Hallſtadt 50 kr. Kichler Carl Cooperator, Petzenkirchen, 50 kr. J. R. N. als Gruß aus judenliberaler Gegend Weitböhmens 50 kr. K. Elbl, Prag, 50 kr. Peter F., Taufers, Hoch die Katholiſche Volkspartei 1 fl. P Hermann, Pernica, Heiligenkreuz 50 kr. Pſarrer Bauer, Peran, 50 kr. E. J. Aſch 1 fl. 50 kr. Von den Kleinen aus Altzetliſch 3 fl. Max N. Lieſing, 50 kr. B. D., F. F., P. A., J. G. M. W., Stift Tepl 16 fl.

Berichtigung.

Die in Nr. 280 vom 6. December unter dem Mo[tt]o: Als Steinchen in den Stiefel Badeni’s für ſeine Gerechtigkeit an Dr. Lueger ausgewieſene Spende iſt nicht von P. E. L. in Lanzen[d]orf, ſondern von M. B. in Lainz. Das Motto des Spenders: P. E. L. in Lanzen - dorf lautete: Eine kleine Gabe für die gute Sache , was wir hiermit berichtigen.

4Wien, Dienſtag Reichspoſt 10. December 1895 283

Volkswirthſchaftlicher Theil.

Die Mißwirthſchaft bei der Allgemeinen Arbeiter-Kranken - und Unterſtützungs-Caſſe in Wien .

II.

Fch. In dem Jahresberichte der allgemeinen Arbeiterkranken-Unterſtützungscaſſe für 1894; deſſen Ausfolgung, ſo nebenbei geſagt, der Redaction der Reichspoſt ſchon einmal verweigert worden war, findet ſich auf der erſten Seite folgende Stelle:

Ein Syſtem der Zerfahrenheit und Gedanken - loſigkeit durchſetzt mit Corruption war ſoeben zuſammengebrochen. Fünf Beamte in Vertrauens - ſtellung mußten dem Strafgerichte ausge - liefert, andere müſſen entlaſſen werden. Von Arbeit konnte man viel weniger, als von dem Be - mühen, die Arbeitsſtunden todtzuſchlagen, reden.

Die Genoſſen Kanzleiproletarier entblödeten ſich alſo nicht, ſich an den Kreuzern ihrer arbeitenden Genoſſen zu vergreifen, beziehungsweiſe auf deren Koſten ein Faullenzerleben zu führen.

Man darf aber nicht glauben, daß die neue Ver - waltung in einem Momente ſittlicher Entrüſtung dieſe Gebahrungsweiſe feſtnagelte. O nein! Seit die regie - renden Socialdemokraten genöthigt waren, allen ſocial - demokratiſchen Principien zum Hohn, einige Genoſſen dem Staatsanwalt auszuliefern, ſeit der Zeit ſprach man in Genoſſenkreiſen und darüber hinaus allerlei, was die Caſſenleitung zwang, Farbe zu bekennen und Sündenböcke zu ſuchen.

Der ziffermäßige Nachweis der Höhe der De - fraudationen ſtellt feſt, daß die erwähnten fünf Genoſſen fl. 17. 601·09 defraudirten, hiezn kommt noch ein in den Ortsgruppen Atzgersdorf, Brunn und Pottendorf veruntreuter Betrag von fl. 444·75, ſo daß ſich insgeſammt ein Manco von fl. 18. 045·84 ergeben hat. Dazu wird bemerkt, daß wegen Vernichtung älterer Belege, zu der Niemand den Auftrag ertheilt haben will, über das Jahr 1893 zurück die Ausgaben nicht verfolgt werden können. Im Einſchreibeort Kaiſermühlen wurde ein theilweiſe bereits gedeckter Abgang von fl. 210·45 entdeckt. Außerdem ſoll auf ein ſchon früher feſtgeſtelltes Manco im Betrage von fl. 999·61 ein Theilbetrag hereingebracht worden ſein. Ueber eine von einem Genoſſen Pamelzig entwendete Summe, ſowie über noch andere ſoll der 1895er Bericht Auf - ſchluß geben.

Es herrſchten alſo in der allgemeinen Arbeiter - kranken - und Unterſtützungscaſſe Zuſtände, die erſt ſeit dem wohl etwas verſpäteten Einſchreiten des Staats - anwaltes der Sanirung zugeführt wurden.

Bezeichnend für die Entlohnung, wie ſie von den ſocialdemokratiſchen Arbeitsgebern bei der Caſſe ihren Beamten gewährt wurde, iſt das Eingeſtändniß im Jahresberichte:

Man mußte ſich ſagen, daß zum Theil die Möglichkeit von Defraudationen durch die bis dahin jammervolle Beſoldung geſchaffen wurde .

Wir bitten die Leſer, dieſen Paſſus im Gedächtniß zu behalten, denn wir werden ſpäter von den Ge - hältern der Leiter ſprechen, wie wir im letzten Auf - ſatze von den Wochenlöhnen der Führer geſprochen haben. Die bei der Caſſe proviſoriſch Angeſtellten hatten 45 fl., die deſinitiv Angeſtellten 50 fl. Monatsgehalt. Herr Reumann, HerrSchumeier und Herr Walecka aber beziehen dieſelbe Summe als Wochenlohn .

Unter der neuen Verwaltung wurden die Löhne gebeſſert. Dieſes Capitel der Gehalte und der Ver - waltungsauslagen überhaupt, wird ſeparat nach caſſen - ämtlichen Quellen behandelt werden. Dann ſoll auch die Verwaltung einer Kritik unterzogen werden. Dieſes letztere, in der oft genannten Broſchüre Die Corruption in der öſterreichiſchen Social - demokratie (Verlag der Volkswehr , V / 2) leider nicht ausführlich genug behandelte Thema, dürfte unter unſerer Behandlung manchen nicht ganz verbohrten Genoſſen die Augen öffnen und die Behörden noch - mals zu dem Verſuch der Vornahme einer Ueber - prüfung der Geſchäftsgebahrung, im Intereſſe der Mitglieder veranlaſſen. Im Zeitalter der eiſernen Hand dürften auch unſere Behörden den Muth, der ſie ſchon ſo oft wirthſchaftlichen von Socialdemokraten geleiteten Inſtitvtionen gegenüber verlaſſen hat wieder finden. Und nun geben wir wieder dem Broſchüren - ſchreiber das Wort. Er ſagt:

Heute iſt die Leitung dieſes Inſtitutes, welches von Arbeiterkreuzern und Fabrikanterſpenden, ſowie von Landes - und Sparcaſſen-Subventionen aufgebaut wurde, in ſocialdemokratiſchen Führerhänden. Leute, wie Herr Schumeier z. B., die vom Vereinsgelde (wozu ja auch die capitaliſtiſchen Spenden gehören) jährliche Pfründen, pardon Functionärsgehalte, be - ziehen, die halten wüthende Brandreden gegen die Capitaliſten, gegen die Regierung, die den Verein ſubventionirt und ſomit in die Lage verſetzt, daß Herr Schumeier eine jährliche Pfründe von 400 fl. als Obmann bezahlt erhalten kann, trotzdem er ohnehin 50 fl. Wochenlohn hat von der Partei.

Dürfte es da nicht eines ſchönen Tages paſſiren, daß man dem Verein, deſſen Obmann doch ſo wüthend gegen Capital und Regierung donnert, die Subvention entzieht mit der Motivirung: Wenn das Vereinshaupt gegen uns, werden auch die Glieder gegen uns ſein. Was ſollen wir da geben? Würde das dem Vereine nicht rieſigen Schaden bringen?

Herr Walecka iſt Secretär. Sein Jahres - gehalt iſt 2400 fl. Alſo beinahe 7 fl. per Tag, gerade ſo viel als ein mittlerer Arbeiter in Wien per Woche Lohn erhält. In der Caſſe ſind 69 Beamte angeſtellt ſammt drei Diener 72 Perſonen mithin, die zuſammen einen jährlichen Gehalt von über Achtundſech - zigtauſend Gulden beziehen. An Proviſionen aber werden nebenbei über Sechzehntauſend Gulden ausbezahlt. Für Reiſeſpeſen entfallen 1700 fl.

Wir wollen nicht unterſuchen, wie es kommt, daß neben den Löhnen noch ſo viele Proviſionen , die man füglich Trinkgelder nennen könnte, ausgezahlt werden. 16.000 fl. Trinkgelder per Jahr verabreichen, das iſt doch ein bischen ſtark.

Freilich die angeſtellten Beamten, die Unteren , die participiren am wenigſten an dieſen Trinkgeldern, denn die Proviſionen erhalten meiſt die in den auswärtigen Ortsgruppen Nichtange - ſtellten Ortsgruppenleiter , welche zugleich die politiſchen Agitatoren für die Socialdemokratie ſind. Die Socialdemokratie iſt doch ſonſt gegen die Verab - reichung und ebenſo gegen die Trinkgelder-Annahme? Wie kommen da die Proviſionen in die Social - demokratie?

Dieſe Proviſionen ſpielen bei der Vergleichung der Ausgaben für die humanen Zwecke der Caſſe undjenen für Verwaltung eine ganz entſcheidende Rolle. Wir wollen darüber ebenfalls in einem nächſten Artikel ſchreiben und auch eines Memorandums gedenken, da die Beamten des ſocialdemokratiſchen Muſterſtaates an ihre zum Theile aus den verſchiedenen Maſtfonds ſchöpfenden Brotgeber richteten.

Die Vorſtehung des gewerblichen Bezirksver - bandes Braunau am Inn

hat im Einverſtändniß mit ſämmtlichen gewerblichen Bezirksverbänden Cisleithaniens an den Abgeordneten des W[a]hlbezirkes, Herrn Eduard Kyrle in Schärding ein Schreiben gerichtet, worin es heißt: Der Gewerbeſtand verlangt in entſchiedener Weiſe die en[d]liche Durchführung der zu ſeinem Beſtande noth - wendigen Reform des Gewerbegeſetzes und die Erfüllung ſeiner Forderungen. Der Gewerbeſtand Oeſterreichs hat in ſeinen im Verlaufe der letzten Zeit ſtattgeſundenen Ver - ſammlungen, bei welchen insgeſammt über 300.000 Ge - werbetreibende waren, einſtimmig nachſtehende Kundmachung an die Regierung ergehen zu laſſen beſchloſſen: Die Ge - werbepartei hält hinſichtlich der Abänderung des Gewerbe - geſetzes an den Beſchlüſſen der Gewerbe Congreſſe von Graz und Reichenberg feſt und fordert die ſchleunigſte Ein - bringung der von der hohen Regierung bereits fertig ge - ſtellten, im hohen Hauſe einſtimmig als dringlich erkannten Gewerbegeſetznovelle. Die Gewerbepartei beharrt auf der For - derung der Bildung einer Wahlcurie, in welcher die Mitglieder alle Gewerbe-Genoſſenſchaften ohne Unterſchied des Steuer - ſatzes inbegriffen ſind, verwahrt ſich jedoch, mit den Arbeitern in eine Wahlcurie einverleibt zu werden. Der Abge - ordnete wird dann erſucht, in der nächſten Reichsrathsſeſſion auf die ſchleunigſte Vorlage der bereits von der hohen Re - gierung ausgearbeiteten Gewerbegeſetznovelle mit allem Nachdrucke zu drängen, ſowie bei Berathung derſelben ſich für die bereits landläufig gewordenen Wünſche und For - derungen des Gewerbeſtandes Oeſterreichs einzuſetzen.

Die Bankfrage.

Wie man aus Budapeſt meldet, ſoll in den beiderſertigen Regierungskreiſen die Abſicht be - ſiehen, alsbald nach Beginn der parlamentariſchen Weih - nachtsferien der Bankſrage näher zu treten. Ob dies noch in dieſem Jahre, oder erſt zu Beginn des Jänner der Fall ſein werde, ſoll noch nicht endgiltig feſtgeſtellt ſein, doch ſoll es als zweifellos gelten, daß dieſe Frage im Lauſe der nächſten Wochen actuell werden wird.

Eine ſociale That.

Die im deutſchen Reiche von Reichswegen ein - geführte Krankenverſicherung hat ſich im Laufe der Jahre immer mehr als unzulänglich erwieſen. Die geſetzlichen Gemeinde -, Orts - oder Betriebs-Kranken - caſſen leiſten nicht im Entfernteſten das Höchſtmaß deſſen, was ſie zu leiſten im Stande wären, ſondern ſie beſchränken ſich auf die im Geſetze angegebene Mindeſtleiſtung und erfüllen dadurch ihren ſocialen Zweck in durchaus ungenügendem Maße. Dieſer Einſicht haben ſich weder die Arbeiter noch die arbeiter - freundlichen Socialpolitiker entziehen können.

Die natürliche Folge dieſer Erkenntniß war, daß zunächſt die Arbeiter ſelbſt ſich um einen Erſatz um - ſahen; es ſind denn auch ſchon mehr als eine Million Arbeiter bei anderen Krankencaſſen, alſo doppelt, verſichert, und zwar meiſtens in ſogenannten Zuſchuß - caſſen, welche faſt alle unter ſocialdemokratiſcher und antikatholiſcher Leitung ſtehen und ſomit eine Gefahr für die bei ihnen verſicherten katholiſchen Arbeiter bilden. Dieſe, beſonders ſoweit ſie Mitglieder katho - liſcher Vereine ſind, vor materiellem und ſittlichem Schaden zu bewahren, wurde allſeits als Pflicht der katholiſchen Arbeiterfreunde erkannt, und dieſe Er - kenntniß wurde, entſprechend der rühmenswerthen Thatkraft der katholiſchen Partei Deutſchlands, ent -

Die goldene Hoffnung.

65. Fort[ſ]etzung.(Nachdruck verboten.)

Agathe lauſchte dem Erzähler mit einer Art kind - licher Theilnahme. Nur Forsberg ließ ſeinen Blick auf ihr ruhen, während die Anderen unverwandt auf auf Arendt blickten, als ob er die einzige außer ihnen in der Cajüte anweſende Perſon wäre.

Vor allen Dingen ſuchten wir dann nach Waſſer und fanden es auch.

Ich weiß, wo, unterbrach ihn Stein. Es war lauwarm und ſchmeckte, als ob Schwefelhölzer darin abgekocht worden wären.

Ja, fuhr Arendt fort. Später merkten wir jedoch, daß der Schwefelgeſchmack ſich verlor, wenn wir das Waſſer einige Zeit ſtehen ließen.

Wir fanden auch einige Cocosnüſſe, ſowie Krebſe, und davon bereiteten wir uns eine Mahlzeit, zu der wir die Krebſe einfach auf einem Feuer röſteten, zu dem ich etwas trockenes Buſchwerk zuſammengetragen und es mit Hilfe eines Brennglaſes angezündet hatte. Letzteres hatte ich vom Schiff mitgebracht, wo ich es zum Anzünden meiner Pfeife benutzt hatte. Unſere Kleider ließen wir an der Sonne trocknen, und dann machte ich mich auf, die Inſel zu durchforſchen. Ich fand mehrere Höhlen, in die ich Gras und Laub zu - ſammentrug, damit Fräulein Fuchs doch wenigſtens eine Art von Lager und Obdach hätte.

Als ſie jetzt ihren Namen hörte, blickte Agathe lächelnd auf Forsberg, und alle hielten geſpannt den Athem an in der Erwartung, daß ſich vielleicht ſchon etwas in ihrer Erinnerung regte; aber das Lächeln erſtarb bald wieder auf ihren Lippen, und wiederum ſtützte ſie ſtill zuhorchend den Kopf auf ihre Hände.

Was es für eine Inſel ſein konnte, davon hatten wir keine Ahnung, waren wir doch 14 Tage lang auf dem offenen Meer umhergetrieben, ohne irgend welche Berechnungen oder Muthmaßungen über unſere Richtung anſtellen zu können. Von dem Gipfel des Hügels aus war nichts zu ſehen, uns umgab die leere Oede des Weltmeeres, und während der ganzen neun Monate, die wir auf dieſer Inſel zubrachten, habe ich auch nicht ein einziges Mal ein Segel entdeckt. Anfangs machten wir jeden Morgen ein großes Rauch - feuer und hielten es den Tag über an; dabei ver - brauchten wir den Vorrath an trockenem Holz ſehr ſchnell und beſchloſſen daher, unſere Feuerung nicht ferner zu vergeuden, ſondern zu ſammeln und auf - zuſtapeln und ſcharfen Auslug zu halten, das auf - geſpeicherte Holz aber nur noch zum Kochen oder richtiger zum Röſten der Schildkröten, Krebſe und anderen Thieren zu verwenden, die wir fingen und mit Hilfe eines aus harten Zweigen und Grasfaſern hergeſtellten ſcheerenförmigen Roſtes zur Nahrung zubereiteten. Die Dame grämte ſich ſchrecklich. Lange bemühte ſie ſich, muthig ihr Schickſal zu tragen, ruhig und zuverſichtlich zu bleiben, aber ihre Lage ſo allein mit drei Matroſen auf einer verlaſſenen Inſel und dann die immer wieder getäuſchten Hoffnungen, als Tag auf Tag ver - floß, ohne uns irgend eine Möglichkeit oder Ausſicht auf Rettung zu bringen darunter erlag ſchließlich ihre Kraft. Sie verzehrte ſich in Gram und ſchwand förmlich dahin. Oft nahm ſie auch einen ganzen Tag über keinen einzigen Biſſen Nahrung zu ſich. Dabei wurde ſie auch in ihrem Weſen ſehr zurückhaltend und wollte nicht mehr mit uns ſprechen, ſo daß ich ſchon zu fürchten begann, ſie möchte den Verſtand verlieren. Eines Morgens ich glaube, es war gegen das Ende der ſechſten Woche nach unſer Ankunft auf der Inſel theilte ſie mir mit, daß ſie vor dem einen der Matroſen ſich ängſtige.

Sie wollte bemerkt haben, daß er ſie ſtets in einer Weiſe anſchaue, die ſie in Schrecken ſetze, und in der letzten Nacht habe ſie im Licht des Mondes deutlich ſeine Geſtalt vor dem Eingang der Höhle, in der ſie ſchlief, ſich hin - und herbewegen ſehen. Sie fügte hinzu, daß ſie nicht gewagt habe, um Hilfe zu rufen, aus Furcht, daß er ſie auf losſtürzen würde. Da ich aber ſelber noch nichts Verdächtiges bemerkt hatte beide Matroſen ſchienen mir ſehr höflich gegen ſie zu ſein ſo hielt ich ihre Angſt für den Ausfluß ihrer be - ginnenden Geiſtesverwirrung, denn ich habe immer ge - hört, das erſte Symptom eintretenden Irrſinns beſtehe darin, daß die Erkrankten ſich vor Anderen fürchteten und ſich von ihnen bedroht glaubten.

Trotzdem aber nahm ich mir vor, ſcharf aufzu - paſſen, denn von Anfang an hatte ich mir ſelber das Gelübde gethan, der jungen Dame, möge auch kommen, was da wolle, treu zur Seite zu ſtehen, nicht nur um ihrer ſelbſt willen, obgleich mir nie eine beſſere, liebenswürdigere Dame begegnet iſt, noch auch wegen der ſchrecklichen Lage, in der ſie ſich befand, ſondern auch um meiner eigenen Gattin willen daheim und meiner Tochter willen, eines Mädchens von zwölf Jahren, und darin habe ich auch redlich mein Gelübde gehalten, Herr Doctor, und jene Zuneigung, die ſie für mich zu empfinden ſcheint, rührt nur daher, daß ſie in dem Zeitraum, über den hinaus ihr Gedächtniß nicht mehr zurückreicht, mich allein um ſich hatte, daß ich inzwiſchen ihr alleiniger Gefährte und treuer Be - ſchützer war. Das iſt der einzige Grund ihrer Zu - neigung zu mir.

Er hielt inne und blickte auf ſie, als ob er er - warte, ſie möchte ſeine Worte beſtätigen; aber ſie ſaß jetzt, in Gedanken verſunken, mit niedergeſchlagenen Augen da, ohne ihm die geringſte Beachtung zu ſchenken. Forsberg hingegen erhob ſich, um mit dankbarer Wärme dem Hochbootsmann die Hand zu drücken. (Fortſ. folgt.)

5283 Wien, Dienſtag Reichspoſt 10. December 1895

ſchloſſen in die That umgeſetzt: es wurde die Central - Krankengeld-Zuſchußcaſſe der katholiſchen Arbeiter - vereine Deutſchlands mit dem Sitze in Düſſeldorf gegründet.

Die Socialdemokraten Deutſchlands in der Ver - einsorganiſation Meiſter, haben ſich der Zuſchuß - caſſen in einem Grade bemächtigt, daß neue derartige Caſſengründungen faſt unmöglich ſind. Als Beiſpiel möge die Induſtrieſtadt Duisburg dienen, von der diesbezügliche genaue Angaben vorliegen. Dort gehören zu den zwei Filialen der Allgemeinen Kranken - und Sterbecaſſe der Metallarbeiter und der Central-Kranken - und Sterbecaſſe der deutſchen Wagenbauer mehr als 500 Mitglieder, von denen faſt zwei Drittel nicht Socialdemokraten. ſind; von den Mitgliedern der Centralcaſſe der Tiſchler gehörten ein Drittel nicht der ſocialdemokratiſchen Partei an; außerdem gibt es in Duisburg (60.000 Einwohner) noch 14 ſolche unter ſocialdemokratiſchen Einfluſſe ſtehende Caſſen, denen chriſtlich geſinnte Arbeiter in größerer Zahl angehören. Abgeſehen von einigen Schwindelcaſſen, die unter allerlei Vorwänden und Ausflüchten die Auszahlung der verſicherten Kranken - beträge verweigern.

Solchen Verhältniſſen gegenüber iſt die Gründung der Central Krankengeld-Zuſchußcaſſe der katholiſchen Arbeitervereine Deutſchlands mit vollem Rechte eine ſociale That zu nennen, die auch bei uns bekannt zu werden verdient Dieſe Caſſe wird nach Berufen oder Gewerben gegliedert und ſchließt durch ihre nach ſtatiſtiſchen Angaben der Krankheitsgefahren für die einzelnen Arbeiter - gruppen berechneten verſchiedenen Beiträge eine Weiter - entwickelung des Krankenverſicherungsweſens in ſich. Der Krankenbeſuch, eingerichtet nach St. Vincenz-Art auf Grundlage der Barmherzigkeit und Nächſtenliebe, hofft jede Simulation fernhalten zu können, ſo daß die neue Caſſe nicht nur zur religiöſen, ſittlichen und ſocialen Hebung des Arbeiterſtandes, ſondern auch zur Förderung des Vereinslebens dienen wird. Jede katholiſche Vereinigung der arbeitenden Stände (Arbeiter -, Geſellen -, Meiſter - u. ſ. w. Vereine, Congregationen ꝛc. ) kann eine örtliche Verwaltungs - ſtelle errichten.

(Für jene unſerer Leſer, die ſich für dieſe Einrichtung intereſſiren, ſei erwähnt, daß die Satzungen der Caſſe vom Präſes des chriſtlichen Ar[beite]r - und Handwerkervereines, Neumann in [ſſel]dorf bezogen werden können.

Reichsrath.

Abgeordnetenhaus.

(Schluß des Berichtes vom Samſtag.)

Nach längerer Debatte wurde das Berginſpectoren-Ge - ſetz in zweiter Leſung angenommen.

Zur Berathung gelangte ſodann der Dringlichkeits - antrag Bareuther betreffend den Schutz der Wahl - freiheit.

Abg. Dr. Bareuther bemerkt, daß das Bedürfniß nach einem Geſetz zum Schutze der Wahlfreiheit um ſo dringender iſt, als demnächſt wieder Gemeinderathswahlen in Wien ſtattfinden, aber auch Landtags - und Reichsraths - wahlen vor der Thür ſtehen und die Wahlbewegung in den letzten Jahren eine immer größere Ausdehnung genommen hat. Aber was helfen alle Wahlordnungen, wenn die ſchamloſeſten Wahlumtriebe ſtraflos bleiben? Einzelne Länder könnten ja ganze Folianten dazu liefern. (Rufe: Galizien!) Dalmatien u. ſ. w. Bei den letzten Wahlen in Böhmen hat ein Wahlcommiſſär die Ab - ſtimmenden aufgefordert, ihm ihre Stimmzettel offen vorzulegen. Die Leute ließen ſich e[inſ]chüchtern, wählten gar nicht oder wie der Commiſſär wollte. Anläßlich der letzten Reichsrathswahl auf der Landſtraße konnte die brutale Wahlbeeinflußung nach unſeren Geſetzen keinen Richter finden. Die Interpellation an die Regierung blieb unbeantwortet, evenſo die Anſrage des Abgeordneten Dr. Hofmann wegen der Vorkommniſſe bei der Leobener Wahl. Haarſträubende Fälle von Wahl - vergewaltigung ſind durch einen Abgeordneten aus Galizien zur Kenntniß gebracht worden. Seine Mit - theilungen blieben unwiderſprochen, man hat aber nichts davon gehört, daß gegen die Vergewaltiger eingeſchritten worden wäre. Anläßlich der Wiener Gemeinde - rathswahlen iſt an eine Anzahl von Unter - nehmern das famoſe Rundſchreiben ergangen, in dem ihnen nahegelegt wurde, die Abhängigkeit der von ihnen beſchäftigten Gewerbsleute zu benützen, um einen Druck auf die Abſtimmung derſelben auszuüben. Bei der jüngſten Gerichtsverhandlung gegen gewiſſe Möbelhändler lag ein Fall der craſſeſten Wahl - erpreſſung vor; das Gericht habe dies in der Urtheilsbegründung anerkannt, es konnte aber keine Schuldigſprechung ſtattfinden, weil nach dem beſtehenden Straſgeſetze der Fall nicht unter den Erpreſſungsbegriff fällt. Redner bittet, ſeinen Antrag, der im Intereſſe aller Parteien gelegen ſei, dem Strafgeſetz-Ausſchuſſe zu über - weiſen, damit dieſer in kurzer Zeit mit einem zuſtimmenden Berichte komme.

Juſtizminiſter Dr. Graf Gleispach: Zu dem Dring - lichkeitsantrag Bareuther wird ſich die Regierung entgegen - kommend verhalten. Sie glaubt ſich hierbei in voller Ueber - einſtimmung mit ſämmtlichen Parteien dieſes Hauſes zu befinden, wenn ſie Intentionen, welche dahin gehen, daß bei den Wahlen die wirkliche Abſicht der zur Wahl Berechtigten zum Ausdruck komme, ihre Unterſtützung ent - gegenbringt und die Hand dazu bietet, daß die diesfalls beſtehenden ſtrafrechtlichen Beſtimmungen eine Verſchärfung erfahren.

Abg. Dr. Graf Pininski beantragt, den Antrag Bareuther dem permanenten Strafgeſetz-Ausſchuß zu - zuweiſen.

Abg. Dr. Lueger betont, daß das Urtheil des Landes - gerichtes Wien in Sachen der Möbelhändler nicht auf dem Geſetze beruhe. In dieſem Falle ſei vielmehr die An - ſchauung des Staatsanwaltes die allein richtige und es liege das Verbrechen der öffentlichen Gewaltthä[t]igkeit durch Er - preſſung vor. Daß das vorliegende Geſetz dringend iſt, beweiſen gewiſſe Vorkommniſſe bei der letzten Reichsraths - wahl in Galizien. Wenn es wahr iſt, was unwiderſprochen in den Zeitungen ſtand, daß der Bezirkshauptmann ſelbſt Gelder geſammelt hat, damit Dr. Trachtenberg und nicht Dr. Bloch gewäht werde, daß Dr. Trachtenberg 700 Le - gitimationsurkunden zurückbehalten hat, damit dieſelben von den Blochianern nicht benützt werden können, iſt die Erledigung eines ſolchen Geſetzes unbedingt nothwendig. Auf das Geſetz übrigens allein kommt es nicht an; jetzt ſchon würden ſolche Mißbräuche nicht vorkommen, wenn die geltenden Geſetze entſprechend gehandhabt würden. Den Bezirkshauptleuten in Galizien iſt gegenüber den Bauern Alles erlaubt; es kommen Dinge vor, die geradezu haarſträubend ſind. Wir werden uns darüber übrigens noch unterhalten. Es bleiben die galiziſchen Landtagswahlen nicht ein ausſchließliches Privileg des galiziſchen Landtages. Wir werden ſie in den Bereich der Discuſſion im Reichsrathe ziehen, damit die Art und Weiſe, wie Graf Badeni verwaltet, etwas näher beleuchtet werde. Dr. Bloch, deſſen Freund ich gewiß nicht bin, war an - ſtändig genug, über das Drängen des Polenclubs ſein Mandat zurück zu legen. In unſerer Mitte aber befindet ſich immer ein Abgeordneter, von dem es heißt, daß er durch die Mittel der Corruption in das Haus gekommen iſt, daß er nicht ſo ſehr durch die Stimmen ſeiner Wähler, als durch die Würſtel, die die Partei für ihn gezahlt, hieher kam. Dr. Menger, der aus demſelben Kronlande gewählt wurde, hätte Grund, jeden Tag zu interpelliren, wann endlich einmal über dieſen Schandſleck Schleſiens im Hauſe referirt werden wird. (Brifall.)

Abg. Dr. Brzorad erklärt namens der jungczechiſchen Partei für den vorliegenden Antrag zu ſtimmen, deſſen Tendenz der Schutz der Wahlfreiheit iſt.

Abg. Dr. Barcuther erklärt ſich mit der Zuweiſung ſeines Antrages an den permanenten Strafgefetz-Ausſchuß einverſtanden. Bei der Abſtimmung wird der Antrag des Abg. Pininski angenommen.

Abg Dobernigg und Genoſſen fragen den Miniſter - präſidenten Grafen Badeni: Iſt die Regierung geneigt, eheſtens an die Durchführung des vom Abgeordnetenhauſe gefaßten Beſchluſſes auf Vorlage eines Geſetzentwurfes be -[h]ufs Schaffung der obligatoriſchen Altersverſorgung der Privatbeamten zu ſchreiten.

Der Ausſchuß für die Beamten-Dienſtpragmatik hielt Freitag Abends eine Sitzung ab, um über den Dringlichkeitsantrag Steinwender, die Aufhebung des Kielmansegg’ſchen Beamtenerlaſſes, zu berathen. Hiebet gab Graf Badeni die Erklärung ab, daß er den Beamtenerlaß des Grafen Kielmansegg nicht für geſetz - widrig, wohl aber für inopportun hält. Im Uebrigen iſt die Regierung der Anſchauung, daß mit dem Erlaſſe die ihm zugeſchriebene Abſicht, die Beamten und Lehrer unter polizeiliche Beaufſichtigung zu ſtellen, nicht verbunden war, und die einzelnen Reſſortminiſterien haben auch an die Unterbehörden die Weiſung ergehen laſſen, daß periodiſche Berichte über die Beamtenſchaft und Lehrerſchaft nicht gewärtigt werden. Zu der Frage der Dienſtpragmatik übergehend, bemerkt Graf Badeni, daß in Betreff einer Erhöhung der Beamtengehalte die Vor - arbeiten im Zuge und ſchon ſoweit gediehen ſind, daß die Fertigſtellung einer entſprechenden Vorlage nur von der Sicherſtellung der hiefür nöthigen Mittel abhängt, in Be - treff der Penſionen eine deren zeitgemäße Regelung bezweckende Vorlage noch vor der erſteren zur Einbringung gedeihen dürfte, in Betreff der Disciplinarvorſchriften ſeitens der Regierung die Competenz der Legislative anerkennt und ſich vorbehalten wird, eine dieſen Gegenſtand betreffende Vorlage nächſtens zur verfaſſungsmäßigen Behandlung ein - zubringen; was endlich eine Beförderungsvorſchrift anbe - langt, kann einer ſolchen von der Regierung keine beſondere praktiſche Bedeutung beigelegt werden.

Vereinsnachrichten.

§ Nicolobrüderverein.

Mittwoch, 11. d., Abend[&ſr]7 Uhr findet die Betheilung von 70 armen chriſtlichen Schulkindern (35 Knaben, 35 Mädchen) mit vollſtändigem Winteranzuge, Wäſche, einer Jauſe und eventuellen Naturalien durch den Erſten Margarethener humanitären Nicolobrüderverein in Franz Rieaer’s Sallocalitäten Zu den drei Engeln , 4. Bez., Große Neugaſſe 36, ſtatt.

§ Leo-Geſellſchaft.

Sitzung der phil. -theologiſchen Section, 11. d. (Mittwoch), Abends ½6 Uhr, 1. Bez., Annagaſſe 9. Vortrag des k. k. Univerſitäts-Profeſſors Herrn Dr. Bernhard Schäfer.

§ Euchariſtiſche Verſammlung.

Am 5. d. fand in Fels am Wagram eine euchariſtiſche Ver - ſammlung ſtatt. 15 Prieſter waren erſchienen. Dechant Rudolf Greipl, Mſgr. Schöpfleuthner u. A. betheiligten ſich daran. Der Zulauf des Volkes war groß - artig.

§ Katholiſcher Schulverein.

Dienſtag, den 10. d. finder in Döbling, Caſino Zögernitz, Hauptſtraße 76, ein Familienabend der Pfarrgruppe zum heil. Paulus mit folgendem Programm ſtatt: 1. Eröffnung durch den Ob - mann. 2. Meine Kriegserlebniſſe 1870 1871 von Sr. Hochw. Freiherrn von Berlichingen. 3. Ueber Lectüre vom Obmann. Die Mitglieder, ſowie Geſinnungs - genoſſen, Damen und Herren, ſind zu dieſem wie auch zu den folgenden, jeden zweiten Dienſtag im Monate ſtattfindenden Familienabenden höflichſt eingeladen. Ein - tritt frei. Beſondere Einladungskarten werden nicht aus - gegeben.

§ Maria-Troſter Spatzen .

Weihnachts-Betheilung von 62 armen Schulkindern Mittwoch, 11. December um halb 8 Uhr Abends im Saale des Hotel Wimberger, Neu - baugürtel. Muſik von der Elite-Capelle Sprowacker, unter Mitwirkung des Hainbacher Männerchor, ſowie vieler anderer Kunſtkräfte. Gäſte ſind willkommen. An der Caſſa iſt ein Programm à 20 kr. per Perſon zu löſen. EtwaigeSpenden zum Juxbazar werden im Spotzenneſt (Loidl’s Gaſthaus, 7. Bez, Ulrichsplatz 1, dankend entgegen - genommen.

Theater, Muſik und Kunſt.

Engen d’Albert

hat für ſein, Freitag 13. De - cember im Böſendorferſaale ſtattfindendes einziges Concert folgendes Programm feſtgeſtellt: Bach. Präludium und Fuge D-dur; Beethoven, Sonate op 111 C-moll; Schumann, Fantaſie C-dur; Weber. Sonate As-dur: Chop[in], Nocturne H-dur op 62 Nr. 1; Liszt, Don Juan-Fantaſie. Karten in Guttmann’s Hofmuſikalienhandlung.

Miß Fanny Davies,

eine hervorragende engliſche Pianiſtin, brillirte in ihrem ſtark beſuchten Concerte durch die intereſſante, oft ganz eigenartige Wiedergabe von Charakterſtücken von Scarlatti Mendelsſohn, Chopin, Liszt und Rubinſtein; reicher Beifall ward ihr zu Theil. Der jugendliche Violinvirtuos Carl Fleſch zeigte in ſeinem zweiten und zugleich letzten Concerte eine wohlausgebildete Technik, energiſche Bogenführung und große Sicherheit im Spiele. Nach der empfindſamen Seite iſt ſein Vortrag wohl noch ſehr der Vervollkommnung fähig. Unter allen äußeren Zeichen echt künſtleriſchen Erfolges und aufrichtiger Werthſchätzung gab Sonntag Hofballmuſikdirector Eduard Strauß im Muſikvereinsſaale ſein glänzendes Beneficeconcert. Dasſelbe bot eine Reihe der intereſſanteſten und beliebteſten Nummern ſeines reichhaltigen Repertoirs in der bekannten muſterbaften Ausführung, wie ſie nur dem Strauß-Orcheſter eigen iſt; alle Nummern wurden von unaufhörlichen Bei - fallsbezeugungen begleitet, welche bereits mit dem Eintritte des Beneficianten begannen. Als achte Nummer dirigirte Meiſter Johann Strauß die Ouverture zu ſeiner neuen Operette Waldmeiſter und hierauf das Marſch - Couplet aus derſelben Operette, welches er dreimal wieder - holen mußte. Auch Johann Strauß bildete den Gegenſtand rauſchender Ovationen.

Kleine Chronik,

* Hof - und Perſonalnachrichten

Erzherzogin Alice Großherzogin von Toscana iſt heute Nachmittags aus Schwarzau hieher zurückgekehrt. Erzherzogin Maria Immaculata iſt heute Vormittags aus Agram hier eingetroffen.

* Auszeichnungen und Ernennungen.

Ver - liehen wurde dem Feldmarſchall-Lieutenant des Ruheſtandes Carl Ritter von Ludwig der Freiherrn - ſtand, dem Civil-Ingenieur Eduard Fiſcher der Adel - ſtand mit dem Ehrenworte Edler , dem Bezirkscommiſſär Friedrich Schmid in Piſek der Titel und Charakter eines Bezirkshauptmannes. Ernannt wurde der Forſtmeiſter und Entomologe Friedrich Wachtl zum ordentlichen Profeſſor des Forſtſchutzes und der forſtlichen Entomologie an der Hochſchule für Bodencultur.

* Chriſtlich-ſocialer Verein in Wien.

Mittwoch den 11. December 1895 Abends halb 8 Uhr in Gſchwandner’s Saal-Localitäten im 17. Bez, Hernalſer Hauptſtraße außerordentliche Plenarverſammlung. Tages - ordnung: 1. Herr Reichsraths-Abgeordneter Dr. Alfred Ebenhoch über die gewerbliche Reform. 2. Hochw. Herr Wehinger Miſſionär aus Birma (Aſien) über Cultur, Sitten und Gebräuche der aſiatiſchen Völker. Die Parteigenoſſen, werden auf die beiden hochintereſſanten Vorträge beſonders aufmerkſam gemacht und insbeſondere werden die Gewerbetreibenden erſucht, durch zahlreiches Er - ſcheinen ihr Intereſſe an dem Zuſtandekommen der ge - werblichen Reſorm zu beweiſen.

* Das Elend der Unterlehrer und Unter - lehrerinnen.

Geſtern fand im Sitzungsſagle des alten Rathhauſes eine ſehr zahlreich beſuchte Verſammlung von Unterlehrern und Unterlehrerinnen ſtatt. Es handelte ſich darum, zu einigen Standesfragen Stellung zu nehmen. Der Referent Täubler beantragte die Annahme von vier Reſolutionen, von denen die erſte die Gewährung eines Quartiergeldes von jährlich 120 fl. an die proviſoriſchen Unterlehrer und Unterlehrerinnen verlangt; die zweite ſpricht die Erwartung aus, daß der Taglohn als Entſchä - digung für Lehrer gänzlich zu entfallen habe; die dritte betrachtet es als der Würde Wiens nicht entſprechend, daß die Gemeinde am 15. Juli proviſoriſche Aushilfslehrer oder Aushilfslehrerinnen ihres Dienſtes enthebt, um an dieſen fl. 66.66 die Ferienremuneration zu erſparen. Die vierte Reſolution bezeichnet es als ſchwere Schädigung des Standes, daß die Perſonal-Lehrerſtellen an den Wiener Schulen nicht definitiv beſetzt werden, trotzdem zahlreiche Gemeinderathsbeſchlüſſe vorliegen, welche die definitive Be - ſetzung dieſer Stellen ſordern. Sämmtliche Reſolutionen wurden einſtimmig angenommen. Der folgende Referent ſprach ſich für die Beſeitigung der Uebelſtände, welche ſich bei dem derzeit geübten Vorſchlagsrechte der Ortsſchulräthe geltend machen, aus und empfahl eine Centraliſation der 19 Wiener Ortsſchulräthe. Weiter beſchwert er ſich über die Nichtauszahlung der Quinquennien an die Unterlehrer und beklagte ſich, daß die Penſionsberechtigung erſt nach zehnjähriger Einzahlung in die Penſionscaſſe beginne Auch dieſe Reſolutionen wurden genehmigt. Der dritte Referent trat für die Abſchaffung des Unterlehrer-Titels ein. In liberalen Lehrerblättern begegnet man gar häufig noch Schilderungen über die Emlohnungsverhältniſſe der Lehrer in der dunklen Concordatszeit , die nur dazu dienen ſollen, die jüngere Generation der Lehrerſchaft das Gruſeln vor der confeſſionellen Schule zu lehren. Angeſichts der vorerwähnten Verſammlung fragen wir: Iſt man in Lehrerkreiſen ſich noch nie darüber klar geworden, daß es gerade die liberale Partei iſt, die in Wiener Schulangelegen - heiten ſeit langen Jahren das entſcheidende Wort führt, und die die Unterlehrer in einer noch nie dageweſenen, jeden - falls nicht von hoher Achtung vor Wiſſen und Bildung zeigenden Weiſe ausbeutet? Sind die liberalen Maul - helden unter der Lehrerſchaft nicht mit uns der Anſicht, daß ein 16 Jahre alter Unterlehrer der Fünfziger-Jahre, der bei ſeinem Oberlehrer Koſt, Quartier und einen Jahres - lohn von 24 fl. bezog, in glänzenderen ſocialen Verhält - niſſen lebte und weniger Hunger litt, als ein Unterlehrer der Reichshaupt - und Reſidenzſtadt Wien mit 330 fl. Jahresgehalt. U. A. w. g.

6Wien, Dienſtag Reichspoſt 10. December 1895 283
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7283 Wien, Dienſtag Reichspoſt 10. December 1895
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8Wien, Dienſtag Reichspoſt 10. December 1895 283
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Herausgeber und Verleger A. Weimar, Wien. Sprechſtunden von 9 bis 11 Uhr Berantwortlicher Rebacteur Franz Winter. Druck von Ambr. Opitz, Wien.

About this transcription

TextNr. 283, 10.12.1895.
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationNr. 283, 10.12.1895. . OpitzWien1895. Reichspost

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; mkhz2

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