Ihren soeben empfangenen Brief beantworte ich so - gleich um Ihnen zu sagen, wie sehr Sie mich durch die ihm entströmende Wärme des ganzen Tons und einer Anerkeñung, die ich in vollem Maße zu schätzen weiß, erfreut haben. Als fleißiger Benutzer meines WörterbuchsSanders, Daniel: Wörterbuch der deutschen Sprache. Mit Belegen von Luther bis auf die Gegenwart. Leipzig 1860-1865.Erster Band. Online verfügbar: GoogleBooks, abgerufen am 11.12.2018.Zweiter Band. Erste Hälfte. Online verfügbar: GoogleBooks, abgerufen am 11.12.2018.Zweiter Band. Zweite Hälfte. Online verfügbar: GoogleBooks, abgerufen am 11.12.2018.1 wissen Sie, daß ich Ihre vortrefflichen Schriften im̃er mit der verdienten ins Einzelnste eingehenden Aufmerksamkeit gefolgt bin. Ihr Aufsatz in Lindau‘s„ Gegenwart “Gutzkow, Karl: Kleines grammatikalisches Scherzo. In: Lindau, Paul (Hg.): Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben. Achter Jahrgang, Nr. 21. Berlin 1875, o. A.2 hatte gleich beim Lesen den Vorsatz rege gemacht, daran ein ergänzendes Wort zu knüpfen und bei dieser Ge - legenheit auch Ihrer sorgsamen Feile? Und Durcharbeitung die Anerkeñung zu zollen, die ihr in Deutschland doppelt gebührt, wo Schreibende und Lesende so vielfach kaum eine Ahnung vondem[1v]dem Werth und der Würde der Sprache und von der auf ihre kunstmäßige Behandlung zu erwartenden Sorgfalt haben. Lassen Sie mich gestehen, daß ohne Ihren Brief ich meinen Vorsatz, wie so manchen an - dern, im Überdrang der Arbeit vielleicht unausgeführt gelassen haben würde, weil ich in dem Wahne stand, daß auch ohne mich Ihrem so verdienstlichen Streben die verdiente Anerkeñung in vollem Maße zu Theil werden oder vielmehr schon geworden sein wird. Nun aber werde ich sicher die erste freie Stunde dazu benutzen, anknüpfend an Ihren Aufsatz in der „ Gegenwart “Gutzkow, Karl: Kleines grammatikalisches Scherzo. In: Lindau, Paul (Hg.): Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben. Achter Jahrgang, Nr. 21. Berlin 1875, o. A.3 auch über die sorgsame Aus - und Durcharbeitung Ihrer Werke öffentlich ein kurzes Wort zu sagen[.]Ferner soll Ihr Brief mir eine An - regung sein, bei etwas mehr Muße einmal die ältere und die neuere Ausgabe im Einzelnen⟨ zu⟩ vergleichen und daraus für eine mich jetzt beschäftigende Arbeit (die etwa den Titel führen soll: „ Deutsche Sprachbriefe “Sanders, Daniel: Deutsche Sprachbriefe. Berlin 1879.Online verfügbar: BSB digital, abgerufen am 11.12.2018.4) reichen Gewinn zu ziehen.
Lassen Sie mich nun aber auch einen mir schmei - chelhaften, aber doch schädlichen Irrthum berichtigen, wonach Sie glauben, daß meine Bestrebungen bereits von Reichswegen[eine] Anerkeñung gefunden hätte. Ich weiß wohl, daß man meine Arbeiten höheren Ortes nicht unbeachtet lässt und – lassen Sie mich ganz offen sprechen – nicht ganz unbeachtet lassen[2r] kañ; aber um gegen das Sturmreñen der „ phonetischen Schule “durchzu[-]dringen, die – nur nach der entgegengesetzen Richtung – auch die geschicht - liche Entwicklung der neuhochdeutschen Schrift und Sprache so wenig Rücksicht nim̃t, wie die rückschrittliche, die sich gern und geflissentlich als die „ historische “zu bezeichnen liebte, – um gegen die phonetische Schule durchzudringen, die unsere bestrebende Schriftweise, die deutschen Buchstaben, die großen Anfangsbuchstaben für die Hauptwörter und alle Verdeutlichungs - und Unterscheidungszeichen gern mit einem Mal über den Haufen werfen möchte und jedenfalls alles Feststehende möglichst zu erschüttern sucht, dazu bedarf ich der Unterstützung gerade von Seiten der leitenden Schriftsteller wie Sie. – Prof[.] vonHoltzendorffschreibt mir ganz richtig neulich:
„ Mir scheint, daß die deutsche Presse den Beruf hat, für diese Angelegenheit der Rechtschreibung thatkräftig einzustehen. Die Schulmeister allein dürften damit nicht fertig werden, schon deswegen nicht, weil denselben das von Ihnen richtig betonte politische Moment unverständlich bleibt, wonach das Bestehende und die Gewohnheit im Volksleben auch ein bestimmtes Recht hat und dem kritisierenden In - dividualismus nicht aufgeopfert werden darf.
Und so bitte ich Sie deñ wiederholt, über mein „OrthographischesWörterbuch “Sanders, Daniel: Orthographisches Wörterbuch oder alphabetisches Verzeichnis aller deutschen oder im Deutschen eingebürgerten Wörter mit schwieriger oder fraglicher Schreibweise in endgültiger Feststellung. Leipzig 1875.Online verfügbar: Internet Archive, abgerufen am 11.12.2018.5 (mit dem zugleich ein Auszug für Volks - und Bürger - schulen unter dem Titel: „OrthographischesSchul-Wörterbuch “Sanders, Daniel: Orthographisches Schul-Wörterbuch. Leipzig 1875.6 erschienen) öffentlich ein Wort zu sagen, vielleicht in der Berliner National[-]Zeitung “oder in Lindau's„ Gegenwart “Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben. Herausgegeben von Paul Lindau, Theophil Zolling, Richard Nordhausen, Heinrich Ilgenstein. Berlin 1872 – 1931.7 oder, wo es Ihnen sonst angemessen erscheint. Gerade von Ihnen, der Sie die Bedeutsamkeit und Wichtigkeit der Frage in vollem Umfang zu ermessen[2v] ermessen wissen und dem das deutsche Schriftthum so viel verdankt, wird eine Anzeige und Besprechung von der größten Wirksamkeit sein. Bei Ihrem Interesse für die Sache und für mich selbst hoffe ich auf sichere Erfüllung meiner wiederholten Bitte.
Sebastian GöttelNote: Herausgeber. Linda MartinNote: Transkription und TEI-Textannotation. CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Current
Handschrift
Dieses Werk wurde in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
Distributed under the Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 International license.