PRIMS Full-text transcription (HTML)
ARCHIV FÜR NATURGESCHICHTE.
VIERTER JAHRGANG.
Erster Band.
MIT NEUN KUPFERTAFELN.
BERLIN1838. IN DER NICOLAI'SCHEN BUCHHANDLUNG.

Ueber den Manati des Orinoko von Herrn A. v. Humboldt.

(Aus dessen französischen Manuscripten übersetzt vom Herausgeber1)Herr v. Humboldt, dessen zoologische Tagebücher noch so manche ungedruckte Notizen enthalten, hat lange angestanden, mir dieses Fragment über den Manati des Orinoko mitzutheilen. Ein be - sonderes Interesse wird aber diese sorgfältige Beschreibung noch dadurch erhalten, daſs dieselbe in der Gestalt, in welcher wir sie hier geben, vor fast 40 Jahren am Orinoko selbst entworfen wurde. Sie war zu einer Abhandlung in dem Rec. d'Observ. d. Zool. bestimmt, und ist es mithin, auf welche sich Hr. v. Humboldt in seiner Voyag. aux rég equinox. VI. p. 235., als im zweiten Bande jenes Werkes er - schienen, bezieht. Herausgeber.[) ]

HierzuTaf. I. undII.

Man hat mit Recht den reisenden Naturforschern vorgewor - fen, daſs sie mehrere Arten gröſserer Säugethiere verwechselt hätten, während sie von Mollusken, Insecten und den klein - sten froschartigen Amphibien die ausführlichsten Beschreibun - gen geben. Es geht mit unserer Kenntniſs in der Zoologie eben so, wie mit denen in der Botanik. Eine unzählige Menge von Ixien, Cypripedien u. dergl. sind mit groſser Sorgfalt be - schrieben, während dieselben tropischen Länder, welche diese krautartigen Pflanzen verbergen, Bäume hervorbringen, deren colossale Gröſse an die der Anacardien, Cavanillesien und Hy - menaeen gränzt, und von welchen wir dennoch die Blüthen - theile gar nicht kennen. Und in der That, es ist eben so schwer, die Blüthen dieser Bäume von 30 40 Meter Höhe zu erreichen, als sich die groſsen Arten der Cetaceen, Amphi - bien-Säugethiere und Pachydermen zu verschaffen. Es ist noch nicht gar lange, daſs man den groſsöhrigen Elephanten Afrikas von dem indischen Elephanten mit vertiefter StirnIV. Jahrg. 1. Band. 12nicht zu unterscheiden wuſste, und daſs man alle Krokodile, welche die Flüsse der heiſsen Zone bevölkern, unter zwei Arten vereinigen zu müssen glaubte. Es ist eine der zahlrei - chen Entdeckungen Cuviers, zuerst die Existenz von 12 15 Arten dieser raubgierigen Reptilien nachgewiesen zu haben. Wie viel Ungewiſsheit herrscht nicht noch immer in der Be - stimmung der groſsen Phoken, Pottwalle, Wallfische und an - derer Cetaceen, welche das hohe Meer bewohnen.

Mehrere reisende Botaniker hatten die genaue Prüfung von Pflanzen der südlichen Hemisphäre vernachlässigt, von denen sie annahmen, daſs es dieselben Pflanzen seien, welche in Europa wachsen. Eben dieser Mangel an Sorgfalt ist es, welcher die Irrthümer veranlaſste, die sich in den Werken über geographische Verbreitung der Gewächse fortpflanzten. Man hat angegeben, daſs Pflanzen Lapplands auf den graniti - schen Felsen des Feuerlandes oder auf dem Gipfel der Anden wüchsen. Genauere Untersuchungen, welche man über diese Pflanzen von europäischer Form, oder, wenn man so sagen darf, von europäischer Physiognomie, anstellte, haben gezeigt, daſs hier nur eine Analogie, nicht eine Identität der Arten ob - waltet. Diese Quelle des Irrthumes war dieselbe für die Geo - graphie der Pflanzen und der Thiere. Die reisenden Zoolo - gen haben in den Thieren der heiſsen Zone des neuen Con - tinents dieselben Arten zu erkennen geglaubt, welche von Na - turforschern beschrieben wurden, die Afrika oder die Ufer des Ganges durchforschten. Wenn die Cataloge, denen wir den pomphaften Namen Systema naturae geben, für ein und das - selbe Thier die Aequinoctial-Länder verschiedener Continente als gemeinsames Vaterland angeben, dürfen wir mit gröſster Wahrscheinlichkeit voraussetzen, daſs verschiedene Arten un - ter demselben Namen verwechselt sind.

Das Thier, dessen Beschreibung der Hauptzweck dieser Abhandlung ist, gehört zu den groſsen Säugethieren, welche man in allen Reisebeschreibungen erwähnt findet, ohne daſs man dahin gekommen wäre, es durch scharfe Charactere von analogen Arten zu unterscheiden, welche dieselben Climate be - wohnen. Der Manati, welchen Namen dies Thier in den spanischen Colonien führt, wurde bekanntlich von Linné und andern Naturforschern zu dem Wallroſs (Trichechus) ge -3 stellt. Er unterscheidet sich von ihm schon allein durch den Mangel der hintern Gliedmaſsen. Das Wallroſs hat vier Glied - maſsen und einen ähnlichen Hals wie die Robben; beide sind fähig, ihren Kopf zu drehen. Der Manati hat nur vordere Gliedmaſsen und zeigt kaum eine Spur des Halses. Cuvier wies ihm, wie dem Dugong, die richtige Stelle bei den Ceta - ceen an. In Wahrheit ähnelt der Dugong, dessen zwei ge - waltige Vorderzähne gleich Stoſszähnen aus dem Munde her - vortreten, dem Wallroſs noch mehr als der Manati, dessen kahler Körper ganz die Gestalt eines zweihändigen Cetaceums darbietet. Beide verhalten sich in Beziehung zu den Robben und dem Wallroſs gewissermaſsen ebenso, wie die Siren la - certina zu den Salamandern.

Während Robben und Wallrosse, sowie die meisten der beschriebenen Cetaceen, das Meer bewohnen, giebt es unter den Manati eine Art, die sich nur in den Flüssen findet, welche das Innere des neuen Continents durchschneiden. Diese, der Manati des Orinoko, scheint durchaus verschieden von Linné's Trichechus manatus australis pedibus unguiculatis. Er ist gemein im Orinoko bis zu Atures (unterhalb der Catarac - ten, die er nicht zu übersteigen vermag), im Rio Meta, Apure und besonders im Caño del Manati. Wir zergliederten eines der gröſsten Weibchen zu Carichana. Es hatte 9′ 2″ Länge, 2′ 5″ Breite. Die Länge des Schwanzes betrug 2′ 3″, die Breite 1′ 1″. Dieser ist sehr flach, am Rande kaum ⅓″ dick, und wo er am dicksten ist, hat er nur 2″ Höhe. Die Entfernung des Afters von der Schwanzwurzel beträgt 9″, von dem After zur Geschlechtsöffnung 6″, von dieser zum Nabel, der in einer Spalte offen bleibt, 2′ 3″, vom Nabel zu den Zitzen 1′ 8″, von den Zitzen zur Spitze der Unterlippe 1′ 5″. Die Ober - lippe ragt über die Unterlippe 4″ hinaus. Die Breite der Schnauze beträgt am Ende 6″. Die Breite in der Gegend der Flossen 1′ 6″, am Bauche 2′ 5″. Die Höhe des Thieres 1′ 6″ am Bauche, an den Flossen aber 1′ 1″, die der abgestutzten Schnauze 4″. Der Körper hat eine eiförmig-oblonge Ge - stalt, ist oberhalb convex, auf der Unterseite verflacht, der wagerechte häutige Schwanz abgerundet. Die Farbe bläulich - grau. Der Körper ist nackt, doch ganz und besonders um den Mund, die Nasenlöcher und Flossen mit etwas steifen, ¾″1*4langen, gelblichen Borsten besetzt, wahren Schweinsborsten. Am Rücken stehen deren etwa, kaum 5 6 auf einem Zoll, an der Schnauze aber 45 60. Das Aeuſsere des Thieres ist gleichsam ein Gemisch von Pachydermen - und Fischbildung. Der Kopf gleicht etwas einem Schweinskopfe. Beim ersten Anblick begreift man es kaum, wie ein so ungeheueres Thier von 800 Pfd. Gewicht, gleichsam von einem Sacke umschlos - sen und ohne Gliedmaſsen schwimmen kann. Aber der hori - zontale Schwanz, welcher mehr als 3′ im Quadrat hält, und die Flossen, deren Bewegung, unterstützt von starken Mus - keln und Nerven, ungemein schnell ist, begünstigen sein Schwimmen. Die Hände bieten übrigens wenig Oberfläche. Es sind verkehrt eiförmige oder verkehrt keilförmige Flossen, am Ende schief abgestutzt, welche höchstens 40 Zoll mes - sen, da sie auf 1′ 4″ Länge höchstens 6″ in der Breite haben. Die vorragende bewegliche Schnauze gleicht in etwas einem Schweinsrüssel. Die Oberlippe ist quadratisch an ihrem Ende abgestutzt, oberhalb convex, innen am Rande umgeschlagen, so daſs sie hier fast gespalten erscheint (T. 1. F. 2. die Darstellung des Thieres von der Unterseite, und die Vorderansicht des Kopfes T. 2. F. 1.) Die Oberlippe ist um 4″ länger als die Unterlippe. Die ganze Schnauze hat eine sehr zarte, mit Papillen und Haaren besetzte Haut. Sie bildet einen zum Tasten taugli - chen Rüssel, geschickt die umgebenden Körper zu unterschei - den, ein Tastorgan, welches dem Manati äuſserst nöthig ist, da sein Körper in der Haut wie in einem Sacke steckt. Die Nasenlöcher sind halbmondförmig. Man kann abwärts 2 3″ tief in sie eindringen. Der Geruchsinn scheint recht fein zu sein. Ich entdeckte nichts, was einem äuſseren Ohre vergli - chen werden könnte, auch keine äuſsere Ohröffnung2)Nach Andern fehlt die äuſsere Ohröffnung nicht, sondern ist nur sehr klein. De la Condamine bei Büffon (Hist. nat. Tom. XIII. p. 388.) giebt ihr bei einem Fuſs langen Exemplare die Gröſse eines Nadelstiches (trou d'épingle), und weiter unten giebt er den Durchmesser auf höchstens eine halbe Linie an, und bemerkt, daſs das Thier sie enger zusammenziehen könne, und daher Adan - son sie beim Manati des Senegal übersehen habe. Auch G. Cuvier nennt sie in seiner Beschreibung un trou presque imperceptible. Herausgeber. . Die5 Mundhöhle ist sehr seltsam gebildet. Weder Vorder - noch Eckzähne sind vorhanden. Sechs abgestutzte, dicht gedrängte, wenig hervorragende Backenzähne finden sich jederseits im Oberkiefer, im Unterkiefer nur 5. Im Unterkiefer erblickt man eine röthliche, dicke, fleischige Zunge, von 5″ Länge und 1″ 5‴ Breite; sie ist aber ganz unbeweglich und durch Liga - mente befestigt. Sie ragt nach vorn ¾″ über die Zähne hin - aus. (T. II. F. 3. e. Durch g f sind die Gelenkfortsätze des Unterkiefers angedeutet.)

Das Thier tastet und sucht das Gras, von dem es sich nährt (el camelote), mit den Lippen, die es verlängert, vor - züglich mittelst der oberen. Es reiſst das Gras mit dem Gau - men ab, der verflacht ist und eine Erhabenheit, eine Art Pol - ster, und eine Vertiefung bildet, welchen im Unterkiefer eine Vertiefung und ein Polster entsprechen. Das fleischige Pol - ster der Oberkinnlade (T. II. F. 4. n und F. 2. d. c), von 2″ Länge, tritt in eine Aushöhlung des Unterkiefers (a. b. T. II. F. 3. oder o in F. 4.) Eben so tritt das Polster oder die Er - habenheit des Unterkiefers (T. II. F. 3. b c oder p in F. 4.) von 2½″ Länge in eine Concavität (e f F. 2. oder q F. 4.). Es findet sich mithin die Aushöhlung in der Unterkinnlade vor der Erhabenheit, und umgekehrt im Oberkiefer die Erha - benheit vor der Vertiefung. Die Vertiefungen sind mit einer chagrinirten Haut bekleidet, besonders die der oberen, welche von kleinen Ritzen durchzogen ist. Das Polster der Unter - kinnlade zeigt 3 4 Furchen. Die Länge von a bis g in F. 3. (T. II. ) beträgt 8″. Die vielleicht etwas bewegliche Spitze der Zunge, welche ein wenig vor den Backenzähnen hervorragt, verbirgt sich auch zum Theil in der Vertiefung cf, aber ihr gröſster Umfang entspricht dem nicht schwieligen Theile des Gaumens (f h). Die weit nach hinten gerückten dicht gedräng - ten Zähne (T. II. F. 2. h f und F. 3 e g), welche 3″ Länge einnehmen, dienen nur zum Zermalmen. Die Augen sind sehr klein, der Bulbus hat nur 2″. Sie sind von Haaren umgeben und besitzen nur eine Nickhaut.

Die beiden Zitzen sind Brustzitzen, erscheinen als 2½‴ lange, runzlige Höcker (tubercules), und stehen in der Ach - selgegend an der Insertion der Flosse. Sie entsprechen einer kleinen Drüsenmasse. Die Milch soll sehr gut und etwas6 warm sein. Die Lunge ist das, was am Manati am meisten Erstaunen erregt. Man würde sie, wenn man das Thier vom Rücken aus öffnete, unmittelbar zu oberst liegend finden. Denn sie liegt über dem Magen und den Eingeweiden, indem sie sich in zwei länglich-lanzettlichen Säcken jederseits neben dem Rückgrate unter den Rippen hin erstreckt. Man möchte sie ihrer Form und Lage nach für Schwimmblasen halten. Die Luftröhre hat da, wo sie sich in die beiden Bronchen theilt, 1¾″ im Durchmesser. Jeder Lungenflügel miſst 3′ in der Länge bei 7″ Breite, und bildet einen sich gegen die Bron - chen verengenden Sack. Bläst man Luft ein, so sieht man, daſs diese Säcke sehr weite Zellen und fast 4″ Höhe haben3)In seinem Reiseberichte (Voyag. aux rég. équin. VI. p. 237.) bemerkt Hr. v. Humboldt, daſs ihr Umfang, wenn sie mit Luft an - gefüllt sind, über 1000 Kubikzoll (alt französ. Maaſs) betrage. Herausgeber. . Der groſse leere Raum, welchen sie unter dem Rücken in der ganzen Körperlänge bilden, begünstigt vielleicht das Schwim - men des Manati.

In einer Entfernung von 2′ 6″ von der Unterlippe liegt ein wahres Zwerchfell, welches anfangs auf dieselbe Weise, wie bei den übrigen Säugethieren, die Ernährungsorgane von den Respirationsorganen als vertikale Scheidewand trennt, dann aber gegen den Rücken sich umschlägt und sich über dem Magen und den Eingeweiden der Länge nach unterhalb der Lunge hin erstreckt4)Daubenton in seiner Anatomie des Manatifötus (Buff. hist. nat. Tom. XIII. ed.. 4to und Tom. XXVII. p. 277. ed. 8.) deutet auch auf diese eigenthümliche Bildung hin: Il m'a paru que le diaphragme se prolongeoit en arrière entre les poumons et les autres viscères ainsi l'abdomen étoit sous une partie de la poitrine à l'endroit des faus - ses-côtes, qui étoit fort étendu la partie qui étoit sous les vraies côtes avoit fort peu d'étendue, et ne contenoit que le coeur, la tra - chée artère etc. Les poumons étoient en entier sous les fausses-cô - tes au dessus de l'abdomen. Herausgeber. . Die beigegebene ideelle Zeichnung (T. II. F. 5.) wird dies näher erläutern. In 1 ist das Herz, in 2 die Lunge, in 3 und 4 Magen und Darmkanal, in 5 das Zwerchfell angedeutet. Die Respiration scheint nach der Gröſse der Respirationsorgane und nach der Quantität des7 sehr rothen Blutes, die man überall antrifft, sehr vollkommen zu sein. Auch vermag der Manati nicht lange Zeit unter dem Wasser zu verweilen, jedoch tritt er über demselben nur mit dem Rücken und dem Kopfe hervor. Sollten aber die Be - wegungen der Lunge nicht durch die Verdauung behindert werden? Die Eingeweide sind von ungeheuerer Länge, wie bei den Wiederkäuern, und starke Blutgefäſse verbreiten sich auf ihnen. Es findet sich ein zweitheiliger Magen. Seine erste Hälfte bildet einen oberhalb convexen Sack von 1′ 4″ im Durchmesser, die zweite Hälfte hat nur 5″ Weite. Kaum kann man beide als einen durch Einschnürung getheilten Magen betrachten, obwohl in beiden Hälften die innere Ober - fläche von gleicher Art, nämlich etwas runzlig, aber ohne Blätter oder netzförmige Maschen ist. Die dünnen Därme haben 68′ Länge bei einem Durchmesser von 2″. Bei Oeff - nung des Magens fanden wir das in seinen beiden Hälften ent - haltene Gras noch wenig verändert. In den dünnen Därmen wurde es mehr stinkend und braun, und zwar um so mehr, als es sich dem Dickdarme näherte. Dieser ist 40′ lang, 4″ weit und aufgetrieben. Die Excremente bilden Kugeln von 3″ Durchmesser. Sie sind stinkend und gleichen denen des Och - sen. Man sieht sie öfter auf der Oberfläche des Wassers schwimmen. Fast der ganze Speisekanal, der Magen und die 108′ langen Därme waren ganz mit Camelote gefüllt, woraus man sich von der ungeheueren Grasmenge, welche der Manati auf einmal zu sich nimmt, einen ungefähren Begriff machen kann. Der Magen hat sowohl an seiner linken Hälfte als an seiner Einschnürung Anhänge; nur die beiden an letz - terer befindlichen Anhänge sind einfache Blindsäcke, der An - hang der linken Hälfte enthält dagegen eine harte Drüsen - masse, die auf dem Durchschnitte der arbor vitae ähnelt. Das Herz hat 6½″ Länge und 5″ Breite. Es ist von vielen Anhängen eines durchsichtigen Fettes umgeben, wodurch es auf seiner Oberfläche höckerig, gleichsam mit Beeren besetzt erscheint. Auch in seinem Innern zwischen den Muskelbal - ken fanden wir wahres Fett. Die Flossen gleichen den Ru - derfüſsen der Seeschildkröten, sind ganzrandig und zeigen äuſserlich keine Spur von Fingern. Im Innern erscheinen sie als vollkommene Hände.

8
Die Länge des Humerus7″
Vorderarmknochen6″,
die ganze Hand7″,
die Handwurzel1″,
Mittelhand3″ 5‴
erste Phalanx2″am längsten oder Mit - telfinger gemessen.
zweite Phalanx1″
dritte Phalanx 0,7‴

Die dritte Phalanx hat unläugbar ein Rudiment eines Nagels5)In seiner Reise (Voyag. etc. VI. p. 235.) hat sich Hr. v. Hum - boldt noch bestimmter über die Nägel ausgedrückt: Nous n'avons pas trouvé des vestiges d'ongles sur la face extérieure et le bord des nageoires, qui sont entièrement lisses; mais de petits rudimens d'ong - les paroissoient à la troisième phalange, lorsqu'on ôte la peau des nageoires. In einer Randnote zu diesem Manuscripte unterscheidet der Hr. Verf. den Manati des Orinoko durch die schwächere Behaa - rung und den Mangel äuſserer Nägel vom Manatus australis. Herausgeber. . Der Daumen ist sehr klein, miſst von der Handwurzel ab 4″. Viele Ligamente gehen von einer Phalanx zur andern, denn die Phalangen beugen sich nicht.

Im Ganzen findet sich nur wenig Muskelfleisch, das meiste am Rücken und gegen den Schwanz hin. Die Haut, mit Ein - schluſs des Fettes, zeigt eine Dicke von 1¾″.

Wir fanden 50 Wirbel6)Die Wirbelzahl scheint variabel. Daubenton giebt 6 Hals -, 16 Rücken - und 28 Kreuz - und Schwanzwirbel, also ebenfalls 50 an; Cuvier 6 Hals -, 16 Rücken - und 24 Kreuz - und Schwanzwir - bel, im Ganzen also 46. E. Home zählt 7 Hals -, 17 Rücken - und 24 Schwanzwirbel, also 48. Die Zahl der Rippenpaare ist nach Dauben - ton und Cuvier 16, nach Home 17, nach Robert beim Manatus senegalensis 16; daher ich fast vermuthen möchte, daſs die bedeu - tende Abweichung in Hrn. v. Humboldts Angabe auf einem Schreib - fehler beruhe und statt 16 hier 26 verschrieben sei. Herausgeber. , nämlich:

  • 7 sehr kleine Halswirbel,
  • 40 Rücken - und Kreuzwirbel mit Apophysen, und
  • 3 Schwanzwirbel ohne Apophysen.
  • 26 sehr breite Rippen.

Das Fleisch ist vortrefflich und gleicht sehr dem Schin -9 ken. Die Guamos und die Otomakos sind am meisten da - nach lüstern, und diese zwei Völker sind es auch, welche sich vorzüglich mit der Manati-Fischerei abgeben. Die Pi - raoos verabscheuen es; sie verbargen sich zu Carichana, um es nicht zu berühren. Sie behaupten, daſs man nach seinem Genusse sterbe, und daſs es Fieber hervorbringe, welche Erfahrung die Spanier nie gemacht haben. Das Fleisch wird eingesalzen und an der Sonne gedörrt, das ganze Jahr aufbewahrt, und da die Geistlichkeit dieses Säugethier unter die Fische zählt, so ist es während der Fastenzeit sehr begehrt. Der Manati hat ein sehr zähes Leben. Er wird, nachdem er harpunirt ist, gebunden, aber man tödtet ihn nicht eher, als bis man ihn in die Piroge ge - bracht. Dies geschieht, zumal wenn das Thier groſs ist, oft mitten im Strome, indem man die Piroge zu zwei Drittheil ihres Gehalts mit Wasser füllt, sie alsdann dem Thiere unter - schiebt und das Wasser mittelst einer Schale von Crescentia Cujete wieder ausschöpft. Der Fang dieser Thiere ist zur Zeit, wo die groſsen Ueberschwemmungen zu Ende gehen, am leichtesten: der Manati geht dann aus den groſsen Flüssen in die umlie - genden Seen und Sümpfe, und wenn die Wasser nun schnell fallen, so befindet er sich wie abgeschnitten in einem enge - ren Raume. Zur Zeit der Iesuiten-Herrschaft in den Mis - sionen am unteren Orinoko, versammelten sich die Iesuiten alljährlich in Cabruta, unterhalb der Mündung des Apure, um mit den Indiern ihrer Missionen, am Fuſse des Berges, wel - cher jetzt El Capuchino heiſst, eine groſse Manati-Jagd anzu - stellen. Das Fett des Thieres ist unter dem Namen Manteca de Manati bekannt und wird zur Unterhaltung der Kirchen - lampen benutzt. Man gebraucht es auch zur Zubereitung von Speisen. Es hat nicht den widrigen Geruch des Thranes der Wallfische oder anderer blasender Cetaceen. Die Haut der Seekühe wird in Riemen geschnitten und, gleich den Streifen der Ochsenhäute, zu vortrefflichen Stricken gebraucht, ist aber im Wasser der Fäulniſs unterworfen. In den spanischen Co - lonien werden Peitschen daraus verfertigt; auch sind die Worte latigo und manati gleichbedeutend. Diese Peitschen sind ein grausames Strafwerkzeug der unglücklichen Sklaven und selbst auch der Indianer in den Missionen. Mit den Manatikno -10 chen (den Felsenbeinen) treibt man viele Charletanerie. Das Gehirn ist sehr klein. Die Mundhöhle zeigt eine fühlbare Wärme.

Erklärung der Abbildungen.

  • Taf. 1. Fig. 1. Der Manati des Orenoko im Profil.
  • Fig. 2. von unten gesehen.
  • Taf. II. Fig. 1. Kopf von oben.
  • Fig. 2. Ansicht der Oberkinnlade von innen.
  • Fig. 3. Ansicht der Unterkinnlade von innen.
  • Fig. 4. Maulöffnung im Profil.
  • Fig. 5. Ideeller Längsdurchschnitt des Rumpfes.

Zusatz vom Herausgeber.

Auſser den wichtigen Aufklärungen, welche uns Herr v. Humboldt in vorstehender Beschreibung des südamerikani - schen Manati über dessen innere Organisation und besonders über die merkwürdige Bildung seiner Mundhöhle giebt, setzen es auch seine nach sorgfältigen Messungen entworfenen Ab - bildungen auſser Zweifel, daſs der Manati Südamerika's von denen der westindischen Gewässer specifisch verschieden ist. Hr. v. Humboldt hat hierauf nicht nur im Eingange dieses an Ort und Stelle verfaſsten Manuscripts hingedeutet, sondern es giebt sich diese seine Ansicht auch aus einer Anmerkung zu S. 235. des 6. Bandes seiner Reise zu erkennen, wo er, auf den 2. Band seines Rec. d'Observ. d. Zool. verweisend, den Manati des Orinoko als vom westindischen Manati ver - schieden aufführt7)Voyage aux rég. équin. etc. Tom VI. p. 235. note: Voyez sur le Lamantin de l'Orénoque et celui des Antilles etc. .

Freilich ist die Verschiedenheit beider Thiere schon frü -11 her ausgesprochen, aber sie gründete sich nur auf vage Ver - muthungen, da man einen specifischen Unterschied nicht nachzu - weisen vermochte. Zuerst scheint de la Condamine eine Ver - schiedenheit beider Thiere geahnet zu haben. Wenigstens deuten seine Worte8)Voyage dans d'inter de l'Ameriq. mérid. 1778. 8. p. 152. darauf hin. C'est le méme, setzt er zur Beschreibung des Manati vom Amazonenstrome hinzu, qu'on nommoit autrefois manati, et qu'on nomme aujourd'hui Lamantin á Cayenne et dans les îles francoises d' Ame - rique, mais je crois l'espèce un peu differente. Dies mag hauptsächlich Buffon bewogen haben, einen gro - ſsen Manati der Antillen (grand Lamantin des Antil - les), und einen kleinen Manati Amerika's (petit Laman - tin d'Amerique) anzunehmen (Suppl. Tom. VI. ), was Cu - vier geradezu umkehrt, wenn er dem Buffon einen petit Lamantin des Antilles zuschreibt. Auch gründete Buf - fon nicht, wie Cuvier angiebt (Oss. foss. 4 edit. VIII. p. 59.), den Unterschied beider einzig und allein auf den ver - meintlichen Mangel der Backenzähne bei der kleineren Art, sondern es war einerseits die verschiedene Gröſse, anderer - seits die Verschiedenheit der Lebensweise, was bei ihm die Vermuthung einer specifischen Differenz beider Thiere er - weckte. Der gröſsere westindische Manati sollte mehr ein Küstenthier sein, höchstens in den Mündungen der Flüsse sich sehen lassen, dabei eine Länge von 12, 14, 15 20′ erreichen; der kleine Manati Südamerika's sollte um kleiner sein (p. 404.), und sich nicht nur an den Küsten, sondern auch in den Flüssen und Seen des Innern von Südamerika finden, im Ori - noko, Oyapock, Amazonenstrom, in der Campeche-Bay und an den kleineren südlich von Cuba[gelegenen] Inseln. Buf - fon's Angabe, daſs sich letztere Art vom Manati des Sene - gal und der Antillen durch den Mangel der Backenzähne un - terscheide, steht mit seinen früheren Worten, in welchen er alle 3 Manati-Arten durch den Besitz wahrer Backenzähne vom Manatus borealis (Rhytina III. ) unterscheidet, im ge - raden Widerspruche. Daſs diese auf Miſsverständniſs unge - nauer Angaben beruhenden Unterschiede vor G. Cuvier's strenger Kritik keine Anerkennung finden konnten, leuchtet12 ein. Er verwarf sie mit Recht als Nominalarten. Als indes - sen dieser groſse Naturforscher die zweite Ausgabe seiner Recherches sur les Ossem. fossil. besorgte, lag ihm eine Ab - bildung vor, welche ihn wohl eines anderen hätte belehren können. Ich meine die Abbildung eines von Jamaica einge - sandten Manati, welche Everard Home in den Philos. Transact. vom Jahre 1821 publicirt hatte. G. Cuvier kannte und citirt sie; ja er lobt sie als eine gute Abbildung. Daſs aber die beigefügte Darstellung des Skelets in der Schädel - form mehr mit seinem Manatus senegalensis, als mit seinem Manatus americanus übereinstimmte, entging ihm. Eben so wenig ist neuerlich Fr. Cuvier in seiner Hist. nat. des - tacés, Paris 1836, hierauf aufmerksam gewesen. Er betrach - tet Home's Abbildung als die einzige gute Figur des süd - amerikanischen Manati, und copirt sie auf der ersten Tafel seines Atlas, als den Manatus americanus (Lamantin de l'Amerique méridionale) vorstellend. Und doch hätte er um so mehr das von Home abgebildete Skelet einer genauen Prüfung unterwerfen müssen, als dieses nicht aus Südamerika, sondern aus den westindischen Gewässern stammte, und in - zwischen Harlan nach zwei Schädeln eine neue Art unter dem Namen Manatus latirostris unterschieden hatte9)10) Journ. of the Acad. of nat. sc. of Philad. III., 2. p. 390 u. Physic. medic. Research. p. 70., wel - cher Art er Westindien als muthmaſsliches Vaterland zuschreibt. Nach Dr. Burow's Mittheilungen an Harlan finden sich nämlich diese Thiere in groſser Menge an den Mündungen der Flüsse, in der Nähe der Vorgebirge von Ostflorida, unter 25° nördl. Br. Die Indianer tödten sie mit Harpunen wäh - rend der Sommermonate. Sie messen 8 10′ und haben etwa das Gewicht eines fetten Ochsen. Wir haben eini - gen Grund, anzunehmen, setzt Harlan hinzu, daſs diese Art auch Westindien bewohnt, und wahrschein - lich ist es dasselbe Thier, dessen Cap. Henderson in seinem Account of the british settlement of Honduras erwähnt. Harlan's Abhandlung war Hrn. F. Cuvier nicht unbekannt; er führt dessen Art freilich auf, scheint jedoch in ihre specifische Differenz noch einige Zweifel zu setzen, aber gewiſs ohne13 Grund, denn die freilich nur an zwei beschädigten Schädeln genommenen Dimensionen beweisen hinreichend, daſs Har - lan's M. latirostris eben so wesentlich vom M. senegalen - sis, wie vom südamerikanischen Manati verschieden ist. Ueber - dies ist die Form der Nasenöffnung in allen 3 Arten eine an - dere; beim südamerikanischen Manati ist sie schmal und läng - lich, bei M. latirostris breiter und länglich eiförmig, bei M. senegalensis breit eiförmig. Bei der erstgenannten und zwei - ten Art bildet die Symphyse des Zwischenkiefers am vordern Theil der Nasenöffnung einen spitzen Winkel, bei M. sene - galensis ist dieser abgerundet. Im Uebrigen nähert sich der M. latirostris im Schädelbau mehr der westafrikanischen Art, als dem südamerikanischen Manati. Ein Gleiches treffen wir auch bei dem von Home abgebildeten Skelet, so viel sich aus der Profilansicht entnehmen läſst, denn leider hat es der englische Anatom weder für nöthig erachtet, seine Abbildung mit einer wissenschaftlichen Beschreibung zu begleiten, noch hat er den Schädel in verschiedenen Ansichten darstellen las - sen. Der Kopf erscheint im Verhältniſs zu seiner Höhe kür - zer, als beim brasilischen Manati, was, wie beim M. senega - lensis, vorzüglich der Verkürzung der Kieferregion beizu - messen ist. Das Scheitelbein, welches am Schädel der süd - amerikanischen Art mit dem Stirnbeine in fast gleicher Ebene liegt, bildet in Home's Abbildung mit dem Stirnbeine einen stumpfen Winkel, indem es sich gegen das Hinterhaupt schräg abdacht. Der Körper des Jochbeins ist kürzer und höher, als bei jenem; die Form des Zwischenkiefers ähnelt mehr dem des M. senegalensis, daher zu erwarten steht, daſs die Form der Nasenöffnung, welche ungleich kürzer (vielleicht gar zu kurz gezeichnet) ist, der des afrikanischen Manati ähnlicher sein werde. Noch übereinstimmender mit dem des M. sene - galensis zeigt sich der Unterkiefer. Der obere Rand seines vorderen Theiles ist nämlich nicht geradlinig, wie beim süd - amerikanischen Manati, sondern gekrümmt, wie beim M. sene - galensis; der Unterrand seiner Aeste ist nicht fast gerade, wie bei ersterem, sondern tief ausgebuchtet, wenn auch nicht ganz so stark, wie beim letzteren. Ueberdies ist, wie beim M. senegalensis, der Unterkiefer im Verhältnisse zu seiner Länge höher, besonders an der Symphyse, wo er in der Pro -14 filansicht eine fast beilförmige Gestalt zeigt. Alles angegebene finden wir auch am Schädel des M. latirostris; nur zeigen die Abbildungen einige Differenzen, welche vielleicht auf Rech - nung der Zeichner zu stellen sind. So viel geht aber aus ei - ner Vergleichung beider hervor, daſs der von Harlan abge - bildete Schädel dem von Home dargestellten Manati zugehört, mithin Home's Abbildung nicht Cuvier's M. americanus, sondern Harlan's M. latirostris darstellt. In dieser Ansicht, welche sich mir bei Vergleichung der von Cuvier und Home abgebildeten Skelete schon früher aufgedrängt, wurde ich auf das überraschendste durch Hrn. v. Humboldt's Zeichnung des Manati vom Orinoko bestärkt. Ein Blick auf die Zeich - nung läſst keinen Zweifel an der specifischen Verschiedenheit beider Thiere übrig; und wir müssen um so mehr bedauern, daſs E. Home so gut wie gar nichts von der äuſseren Ge - stalt seines Thieres aufgezeichnet hat. Ueberhaupt hat er in dieser Beschreibung des Manati einen glänzenden Beweis ge - liefert, wie wenig er mit den Arbeiten seiner Vorgänger be - kannt war. Er sagt nämlich: die groſse und kleine Zehe haben jede nur 2 Phalangen, die der groſsen Zehe zunächst folgende hat 3, die folgende 4, die vierte 3. (Hierbei sind immer die Mittelhandknochen als Phalangen mitgezählt.) Nun aber trägt, nach Cuvier, der Mittelhandknochen des Daumen, sowohl beim südamerikanischen Manati, als beim Dugong, keine Phalanx, und sämmtliche übrige Finger besitzen de - ren 3. Nimmt man auch an, daſs die oberste Phalanx des zweiten und vierten Fingers in der Haut stecken geblieben sei, so steht doch die vorhandene Phalanx des Daumens, als dem Typus der Familie widersprechend, entgegen, und merk - würdiger Weise finden sich in der von Home gegebenen Ab - bildung des Dugong-Skelets dieselben Abweichungen. Ist dies in beiden nur dem Zeichner zuzuschreiben? Und hat Home erst nach dessen Zeichnungen seine Beschreibung entworfen? Die Dürftigkeit der letzteren macht es fast glaublich. Eben so fragt es sich, ob die Verschiedenheit in der relativen Länge der Mittelhandknochen wirklich bei dem abgebildeten Manati - Skelete vorhanden ist, da sie dann eine characteristische Ei - genthümlichkeit der Art sein würde, oder ob man sie nur dem Zeichner zuzuschreiben hat. Beim südamerikanischen Manati15 nehmen nämlich die Mittelhandknochen von der Radial - zur Ulnarseite allmälig an Länge zu, und zwar so, daſs der Mit - telhandknochen des äuſseren Fingers der längste, und fast dop - pelt so lang als der des Daumens ist. Davon findet sich in Home's Zeichnung (nicht die geringste Andeutung, vielmehr erscheinen hier sämmtliche Mittelhandknochen fast von glei - cher Länge, und eher sind die des zweiten und Mittelfingers etwas länger, als die übrigen. Es wäre zu wünschen, daſs wir hierüber von einem englischen Zootomen näheren Auf - schluſs erhielten. Endlich ist, wie ich bereits oben in der Anmerkung erwähnte, in beiden Manati-Arten die Zahl der[Rückenwirbel] und Rippen verschieden, nämlich bei der von Home abgebildeten Art (M. latirostris?) 17, bei dem süd - amerikanischen nach Cuvier und Daubenton 16.

Während so die Skeletbildung beider Arten auffallende Unterschiede darbietet, wird es schwerer, specifische Charac - tere nach der äuſsern Gestalt beider Thiere festzusetzen; je - doch nur deshalb, weil E. Home keine detaillirte Beschrei - bung gegeben hat, und man nicht weiſs, wie weit man sich auf seine Abbildung verlassen darf. Nach dieser ist zunächst die Bildung des Kopfes sehr verschieden. Während in Hrn. v. Humboldt's Zeichnung der Kopf gestreckter und im Ver - hältniſs zu seiner Länge niedriger ist, und hierin mit der Schä - delform des Manati von Guiana und Brasilien übereinstimmt, ist dagegen der Kopf des von Home abgebildeten Manati viel kürzer und höher, besonders in seinem Schnauzentheile; die Schnauze selbst erscheint breiter, vorn schief abgestutzt. Home sagt nur: the snout is flattened, und setzt hinzu, daſs sich an den Flossen, am Ende der Finger, Nägel finden. Die Abbildung zeigt ihrer 4, wie auch ältere Beschreiber vom westindischen Manati angeben. Hr. v. Humboldt erwähnt in seiner Beschreibung nur Rudimente der Nägel, und setzt in der angeführten Stelle seines Reiseberichts hinzu, daſs sie nur bei Wegnahme der Haut zum Vorscheine kommen. Auch legte er in einer an den Rand geschriebenen Diagnose beider Ma - nati hierauf besonders Gewicht. Inzwischen bleibt es noch zweifelhaft, ob dem südamerikanischen Manati äuſserlich sicht - bare Nägel durchaus abzusprechen seien. Daubenton, in seiner Beschreibung des Manati-Fötus von Guiana, sagt: on16 voyoit la naissance des ongles. In einer von Eduard Pasquet gezeichneten, von J. F. Schröter gestochenen Ab - bildung eines Manati-Fötus, welche mir Hr. v. Humboldt gütigst mittheilte, finden sich 4 Nägel angegeben, obwohl die Kopfbildung mehr zum südamerikanischen Manati paſst. Auch G. Cuvier, welcher ein von Cayenne gesandtes, fast 4 Me - ter langes Exemplar beschrieben, erwähnt 4 Nägel am Rande der Flosse. (Son bord est garni de quatre ongles plats et arrondis, qui n'en depassent point la membrane etc.) Ein jüngeres Individuum zeigte ihm nur die Spur von 2 - geln, und bei einem Fötus sah er an der einen Seite nur 3, an der andern nur einen sehr kleinen vierten. Dagegen führt Hr. v. Humboldt in seiner Reise VI. p. 235. eine Stelle des Pater Caulin an, der ausdrücklich den Mangel der Nägel be - merkt (Tiene dos brazuelos sin division de dedos v sin uñas.) Auch sind sie in einer ziemlich rohen Abbildung eines Manati vom Amazonenstrome in Smyth and Lowe Narrative of a Journey from Lima to Para, London 1836. 8., auf wel - che mich Hr. v. Humboldt gütigst aufmerksam machte, nicht angegeben, und die Beschreibung gedenkt ihrer nicht. Auch die Behaarung des westindischen Manati möchte kaum dichter sein, als bei der südamerikanischen Art. Buffon führt (Suppl. VI. p. 396.) eine Stelle aus Rochefort's Hist. nat. et mo - ral. des Antill. an, in welcher die Haut parsemée de pe - tits poils genannt wird. Auch spricht für eine nur schwache Behaarung Home's Abbildung, da sie in dieser gar nicht an - gedeutet ist. Dagegen möchte die relative Länge des Schwanzes und der Flossen Artunterschiede darbieten. Er - sterer macht, nach übereinstimmenden Angaben von Hrn. v. Humboldt, Cuvier, Smyth und Lowe, etwa den vierten Theil der ganzen Körperlänge aus. Die Länge der Flossen wird bei einem 9′ 2″ langen Thiere von Hrn. v. Humboldt auf 1′ 4″, von Smyth und Lowe bei einem 7′ 8″ langen Manati des Amazonenstromes auf 1′ 3″, und von de la Con - damine bei einem Manati desselben Flusses, von 7′ 6″ Länge, auf 1′ 3″ angegeben. Mithin hätten sie etwa der ganzen Körperlänge. In Home's Abbildung miſst der Schwanz fast der ganzen Körperlänge. Die Flossen sind im Verhältniſs zur Totallänge des Körpers etwas länger, erscheinen aber kürzer,17 da sie, besonders am Unterarme, viel dicker sind, als in Hrn. v. Humboldt's Abbildung. Alles dies läſst auf erhebliche Verschiedenheiten schlieſsen, die, wenn sie erst vollständig ge - kannt sind, eine sichere Charakteristik der westindischen Art nach äuſsern Merkmalen zulassen werden.

Es fragt sich noch, welche Benennung für die südamerikani - sche Art anzunehmen ist, da sie von einigen Zoologen, so von G. und Fr. Cuvier, Desmarest u. A. M. americanus, von andern Naturforschern, wie Tilesius und J. B. Fischer M. australis genannt wird, wobei jedoch immer der westindische Manati als nicht specifisch unterschieden mit einbegriffen ist. Die er - stere Benennung wird minder bezeichnend, seit es kaum einem Zweifel unterliegt, daſs noch eine zweite Art die amerikani - schen Gewässer bewohnt. Der letztere Namen, aus Linné's Varietät β. australis entstanden, wird dagegen bezeichnender, theils weil die südamerikanische Art, so weit unsere Kenntniſs reicht, die einzige ist, welche sich in ihrer Verbreitung auf die südliche Hemisphäre erstreckt, theils weil diese Benennung zugleich ihr geographisches Verhältniſs zum westindischen Ma - nati, Harlan's M. latirostris, auf das bestimmteste ausdrückt. Für die geographische Verbreitung der südamerikanischen Art füge ich schlieſslich noch eine von F. Cuvier über - gangene Notiz hinzu, die, so viel mir bekannt ist, den süd - lichsten Punkt ihres Vorkommens bezeichnen dürfte. Sr. Durchlaucht der Prinz Maxim. von Neuwied, berichtet näm - lich (Beitr. zur Naturgesch. v. Brasilien 2. p 602.), daſs der Manati sich in den Umgebungen des Flusses St. Matthaeus, sowohl in diesem selbst, als in einer groſsen mit ihm in Ver - bindung stehenden grasreichen Lagoa finde. Ihre Verbreitungs - sphäre würde demnach vom Stromgebiete des Orinoko bis etwa zum 19° südl. Br. reichen.

Hinsichtlich der Etymologie des Wortes Manati finden wir noch immer Oviedo's irrige Ansicht wiederholt, daſs es aus dem spanischen Mano (Hand) gebildet sei und die handförmige Be - schaffenheit der Flossen bezeichnen solle. Selbst G. Cuvier im Règn. anim. 1. p. 283. 2. edit. tritt noch dieser Ableitung bei, obwohl es ihm nicht unbekannt war, daſs Hernandez das Wort aus der Haitisprache, und La Condamine aus der Caraiben - und Galibisprache ableiten (Oss. foss. 4. edit. VIII. IV. Jahrg. 1. Band. 2182. p. 10.), und obgleich Herr v. Humboldt (Voyag. aux rég. éq. p. 235. not. 1.) die erstere Ableitung als ganz irrig nachgewiesen hatte. Auch Roulin (sur le Tapir p. 7. note) führt an, daſs der Name indisch sei und schon als ein solcher von Fernando Colon, Sohn des Entdeckers, erwähnt werde. Nach ihm bedeutet in mehreren Dialecten der Antillen und in der Galibisprache von Guiana, welche ein Gemisch dieser Sprachen und der Guaranisprache sei, das Wort Manati so viel als Brüste (mamelles). Er setzt noch hinzu: Manati de keirou, ses mamelles 'ne sont point encore abattues, sagt P. Raymond Breton (Dict. Car. p. 349.). Manattoui ist nach diesem der Name des Thieres. Nach Harcourt trägt es in der Sprache der Yaios von Guiana den Namen Coju - mero, aber in dieser Sprache bezeichnet Manatii ebenfalls die Brüste. Nach Hrn. v. Humboldt (l. c.) nennen die Indianer am Orinoko den Manati Apcia und Avia.

Nachträgliche Bemerkung zu S. 8. Note 6.

Eben nach Abdruck des ersten Bogens erhalte ich durch die Güte des Hrn. Prof. J. A. Wagner in München über die beiden dor - tigen Manati-Skelete einige Mittheilungen, welche die in obiger Note ausgesprochene Ansicht, daſs die Wirbelzahl des Manati variabel sei, bestätigen. Nach Hrn. Wagner besitzen beide Skelete 6 Halswir - bel, aber nur 15 Rückenwirbel und Rippenpaare, und das eine der - selben 27 Lenden - und Schwanzwirbel, von denen die 6 letzten keine Apophysen haben; bei den andern ist der Schwanz defect. Ueber die Nägel schreibt mir derselbe: Nägel der Flossen nehme ich an unsern 3 ausgestopften Exemplaren nicht wahr. Da man indessen bei der Präparation derselben, wie der Augenschein lehrt, nicht sehr säuberlich verfahren sein mag, so können dieselben leicht ursprüng - lich vorhanden gewesen sein.

[397]
1838. Tab. I.

Alex. de Humboldt del. Hugo Troschel sc.

[399]
1838. Tab. II.

Alex. de Humboldt del. Hugo Troschel sc.

About this transcription

TextUeber den Manati des Orinoko
Author Alexander von Humboldt
Extent21 images; 5910 tokens; 2067 types; 39870 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic information Ueber den Manati des Orinoko. Alexander von Humboldt. . II+17+II S. 1838. Archiv für Naturgeschichte 4 (1) pp. 1-18, [397], [399].

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