PRIMS Full-text transcription (HTML)
236

IV. Kurze Nachrichten.

I. Auszüge aus Briefen an den Herausgeber.

〈…〉〈…〉

2. von Hr. von Humboldt. d. d. 10. Jan. 1792. Freiberg.

Wird es Sie nicht wundern, wenn ich Ihnen ſage, daſs die Lehre von dem Einfluſs des Sonnenlichtes auf die grüne Farbe der Vegetabilien ſchon den Alten bekannt war? Die ſchönen und ſinnreichen Verſuche der Herrn Bonnet, Ingenhouſs und Senebier über die237 Bleichſucht der Pflanzen bleiben darum nicht weniger neü. Hatte doch die pythagoreiſche Schule längſt ge - ahndet, was Copernicus nochmals in ein helleres Licht ſezte. Wo iſt eine Entdeckung, deren Keim nicht ſchon früher gelegt war? In dem kleinen, aber nicht un - intereſſanten Buche des Ariſtoteles περι χρωματων (Ope - ra omnia Ed. Du Val. I. p. 1209) handelt der Schluſs von den Farben der Blüthen, Früchte und Blätter der Pflanzen, ihren Urſachen u. ſ. w. Es giebt, nach der Lehre des Griechen, drei Grundfarben, weiſs, ſchwarz und gelb. Sie rühren alle von den Elementen her. Luft, Waſſer und Erde ſind weiſs, das Feuer (Phlo - giston, auch Sonnenſtrahl) iſt gelb. Schwarz iſt Man - gel an Licht. Wo Waſſer und Sonnenſtrahl zuſammen wirken, da entſteht eine grüne Farbe (ein ſonderbares Gemiſch von weiſs und gelb) wo Erde und Waſſer allein wirken, da entſteht weiſſe Farbe daher er - ſcheinen alle Pflanzentheile unter der Erde, wurzeln, Zwiebeln, Stengel &c. weiſs, alle Theile über der Erde: die der belebende Sonnenſtrahl trift, grün. Weiſſe Farbe iſt ohne dieſs ein Zeichen der Schwäche, wie die Thiere beweiſen. Mir war dieſe Stelle neu, und unerwartet, ob ſie ſonſt ſchon irgendwo öffent - lich bemerkt iſt, kann ich in meiner jezigen Lage nicht entſcheiden.

Ueber die Farbe unterirrdiſcher Vegetabilien habe ich jezt mehrere Verſuche angeſtellt, und glaube mei - ne Vermuthungen zu einem höhern Grade der Gewiſs - heit erheben zu können. Auffallend war es mir oft - mals die Raſenſtüke (mit Poa annua. P. compreſſa. Tri - folium aruenſe. Plantago lanceolata &c.) mit welchen auf Strecken bisweilen Sumpf geſtoſſen wird, auch,238 wenn ſie Monate lang dem Sonnenlichte entzogen wa - ren, grün, aber an den Spizen der neu geſproſſenen Blätter dunkel, nach unten zu lichter graſsgrün, ja oft, wie über Tage, mit Riſpen blühen zu ſehen. Dieſe dem gemeinen Bergmann ſehr bekannte Erſcheinung, mach - te mich noch aufmerkſamer, als ich auf Kurprinz Fried - rich Auguſt zu Groſsſchirma denſelben, rieſenmäſſigen Lich. verticillatus, von welchem das Exemplar durch den Herrn Bergrath von Charpentier an den Kurfür - ſten (einen tiefen Kenner und Beſchüzer der Pflanzen - kunde) geſchikt iſt, mit lichte graſsgrünen Keimen fand. Etwas ähnliches bemerkte ich vor kurzem an einem anderen, ſehr eleganten, wie ich glaube, noch unbeſchriebenen Lich. filament. auf dem Weiſs Taube - ner Stoln zu Marienberg im Obergebirge und doch hatte beide nie ein Sonnenſtrahl getroffen. Um dieſe ſonderbaren Phænomene noch mehr aufzuklären, ſtell - te ich eigene Verſuche, mit blühenden und nicht blü - henden Pflanzen an, die ich in die Grube ſezte. Sie blü - heten ungeſtört fort, und die Blätter die ſich entwickel - ten, waren grün, doch an den Spizen am dunkelſten. Bey den im Stollen aufkeimenden Erbſen war auch dieſer Unterſcheid der Blätterfarbe nicht einmal bemerk - bar. Wiederſprechen dieſe Verſuche nun denen der Herren Ingenhouſs und Senebier über die Bleichſucht der dem Sonnenlicht entzogenen Vegetabilien? Ich glaube Nein. Nach meinen Ideen iſt Anhäufung des Oxygenes (des Grundſtoffs der dephlog. Luft) Urſach der Bleich - ſucht. Das Oxygene oder das Gas ſelbſt wird entbun - den, entweder durch Sonnenlicht (wie die Färbung der deplogiſtiſirten Salzſäure, Acide muriatique ſuroxy - gené beweist) oder durch Verwandſchaft zu einer an -239 dern Subſtanz z. E. dem hydrogéne, dem Grundſtoff der brennbaren Luft. In den Gruben iſt dieſs hydrogéne in gröſſerer Menge als in der oberen atmoſphäriſchen Luft. Ich vermuthe daher daſs dieſs, die (ſonſt bey Mangel des Sonnenlichtes nothwendig erfolgende) An - häufung der Oxygéne ſtört. Ich denke dieſe und ande - re Gründe in einer eigenen Abhandlung in Herren Grens Iournal der Phyſik näher zu entwickeln.

〈…〉〈…〉

About this transcription

TextAuszüge aus Briefen
Author Alexander von Humboldt
Extent4 images; 611 tokens; 373 types; 4419 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic information Auszüge aus Briefen. Alexander von Humboldt. . 4 S. 1792. Annalen der Botanik (1) p. 193.

Identification

Physical description

Antiqua

LanguageGerman
ClassificationWissenschaftliche Abhandlungen in Form gedruckter Briefe; ready; avh

Editorial statement

Editorial principles

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T09:48:52Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.

Holding Library
Shelfmark
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.