PRIMS Full-text transcription (HTML)

I. Etwas über die lebendige Muskelfaſer als an - thracoſcopiſche Subſtanz.

(Jn einem Briefe vom Hrn. F. A. v. Hum - boldt an den BR. v. Crell.)

Die vielfachen Verſuche, welche ich zur Entdeckung der Urſache des Galvaniſchen Reizes angeſtellt habe, leiteten mich auf eine chemiſche Beobachtung, welche zu auffallend iſt, um ſie Jhnen nicht mitzutheilen. Bey der Prüfung vieler Foßilien fand ich Lydiſchen Stein von der Mordlau bey Stieben, Brandſchiefer und Alaunſchiefer, beſonders den glänzenden, als voll - kommene Excitateurs. Legte ich den Schenkelnerven eines Froſches auf einen dieſer Stoffe, und verband nun dieſe Nervenarmatur mittelſt Silber mit dem Schenkelmuskel; ſo waren die Zuckungen eben ſo hef - tig, als wenn das Thier mit Zink und Silber berührt wurde. Ja! die trägen Muskeln der Blatta orien - talis und der Veſpa crabro konnte ich durch jenen Lydiſchen Stein zur Aeußerung ihrer Spannkraft zwin -A 2gen.4[gen]. Dieſe Erſcheinungen reizten mich zehnfach zur chemiſchen Unterſuchung und Behandlung mit Salpe - ter und ätzendem Laugenſalze; Entbindung von koh - lenſaurem Gas zeigten das Daſeyn einer großen Men - ge Kohlenſtoff. Jn meiner Abhandlung über die Grubenwetter finden ſie dieſe Verſuche weitläuftiger beſchrieben. Der Lydiſche Stein reizte zwar auf den Klüften am ſtärkſten, aber er reizte oft auch da, wo er nicht abfärbte, wo der Kohlenſtoff ſehr innig ge - mengt war. Wie ſchön reiht ſich dies Phänomen nicht an Volta's Beobachtung über die Kohle, an Blumenbachs Beobachtung über den Graphit an. Hier haben wir die lebendige Muskelfaſer als anthra - coſcopiſche Subſtanz, als ein Mittel, Kohlenſtoff, wie durch ätzende Alkalien und Glühfeuer, zu entdek - ken. Das lebendige Anthracoſcop hat aber auch die übrigen, eben nicht belobten, Eigenſchaften der Jn - ſtrumente, welche ſich in ſcop und meter endigen, näm - lich die außer der Kohle noch manches andere mit an - zeigen, was nicht Kohlenſtoff iſt; ja, wie das Hy - groſcop, auf Nicht-Kohle zu zeigen, wo Kohle in Menge vorhanden iſt. So belehrt uns ja auch der Hygrometer über vollkommene Trockenheit, wo gerade die größte Menge Waſſerdampf latent ſchwebt; oder vielmehr man überredet uns, das Hygrometer zeige Abweſenheit alles Waſſers an, wo es bloße Abweſen - heit des zerſetzten, mechaniſch in der Luft hängenden, Waſſers anzeigt. Mehr davon finden Sie in meiner Schrift: Verſuche über gereizte Muskel - und Nervenfaſern, ein Beytrag zur Zootomieund5und allgemeinen Phyſiologie, entwickelt. Herr Söm - mering hat die von Prochaska abgebildeten Knoten der zerſchnittenen Nerven, den Kalender, durch die hygroſcopiſche Eigenſchaft des Nerven ſo ſchön erklärt. Vom Bau des menſchlichen Körpers, Th. 5. S. 141. Was wird ſich nicht aus dieſem Ver - halten gegen den Carbon nicht ahnden laſſen? Bilden Sie im Galvaniſchen Verſuche eine Kette von Nerv, Zink, Gold, Zink und Muskel; ſo iſt, wenn alle Metalle trocken ſind, kein Reiz vorhanden. Es ſind gleichnamige Metalle. Benetzen Sie das Gold mit dem leiſeſten Hauch Jhres Mundes; ſo iſt die heftigſte Zuckung ſogleich da. Sie verſchwindet, wenn der Hauch rein abgewiſcht iſt. Ein Zufall führte mich auf dieſe Entdeckung. Was iſt das? Hier hängt alles von einer todten verdampfenden Flüſſig - keit ab. Hier iſt der Hauch wohl mehr als leitende, er iſt reizende Subſtanz.[αϱισον] μεν υδωϱ!

A 3II.

About this transcription

TextEtwas über die lebendige Muskelfaser als anthracoscopische Substanz
Author Alexander von Humboldt
Extent3 images; 485 tokens; 301 types; 3459 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic information Etwas über die lebendige Muskelfaser als anthracoscopische Substanz. Alexander von Humboldt. . 3 S. 1795. Chemische Annalen für die Freunde der Naturlehre, Arzneygelahrtheit, Haushaltungskunst und Manufakturen (2) pp. 3-5.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationWissenschaftliche Abhandlungen in Form gedruckter Briefe; ready; avh

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T09:48:51Z
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